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Verbundwerkstoffe 17. Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde
Herausgegeben von Walter Krenkel
Deutsch...
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III
Verbundwerkstoffe 17. Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde
Herausgegeben von Walter Krenkel
Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.
I
Verbundwerkstoffe
Herausgegeben von Walter Krenkel
II
Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema Krenkel, W. (Hrsg.)
Ceramic Matrix Composites 2008 ISBN: 978-3-527-31361-7 Kainer, K. U. (Hrsg.)
Metal Matrix Composites Custom-made Materials for Automotive and Aerospace Engineering 2006 ISBN: 978-3-527-31360-0 Scheffler, M., Colombo, P. (Hrsg.)
Cellular Ceramics Structure, Manufacturing, Properties and Applications 2005 ISBN: 978-3-527-31320-4 Krenkel, W., Naslain, R., Schneider, H. (Hrsg.)
High Temperature Ceramic Matrix Composites 2001 ISBN: 978-3-527-30320-5 Heinrich, J. G., Aldinger, F. (Hrsg.)
Ceramic Materials and Components for Engines 2001 ISBN: 978-3-527-30416-5
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Verbundwerkstoffe 17. Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde
Herausgegeben von Walter Krenkel
Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.
IV Herausgeber
1. Auflage 2009
Prof. Dr.-Ing. Walter Krenkel Lehrstuhl Keram. Werkstoffe Universität Bayreuth Ludwig-Thoma-Str. 36 b 95440 Bayreuth
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. © 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. Printed in the Federal Republic of Germany Gedruckt auf säurefreiem Papier. Satz
WGV, Weinheim
Druck Bindung
betz-druck GmbH, Darmstadt Litges & Dopf GmbH, Heppenheim
Cover Design
Adam Design, Weinheim
ISBN: 978-3-527-32615-0
V
Vorwort Im Gegensatz zu früheren Phasen der Industrialisierung beherrscht heute kein einzelner Werkstoff oder keine einzelne Werkstoffklasse die technische Entwicklung. Gerade in den Kombinations- und Variationsmöglichkeiten der Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde besteht ein enormes Zukunftspotenzial mit einer großen Hebelwirkung auf zukünftige Innovationen. So gehen aktuelle Studien davon aus, dass rund 70 Prozent aller technischen Innovationen direkt oder indirekt von Werkstoffen abhängen. Die wichtigsten werkstoffbasierten Branchen in Deutschland erzielen derzeit einen jährlichen Umsatz von nahezu einer Billion Euro. Vor dem Hintergrund hoher Rohstoffpreise und knapper werdender Ressourcen gewinnen Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbundsysteme daher immer mehr an Bedeutung. Es besteht generell ein zunehmender Bedarf an leichten, verschleißarmen, temperatur- und korrosionsbeständigen Polymeren, Metallen und Keramiken. Durch die Kombination von teilweise gegensätzlichen Eigenschaften der einzelnen Komponenten können Verbundsysteme völlig neue Eigenschaftsprofile aufweisen und zusätzliche Anforderungen erfüllen. Dabei kommt der Gestaltung der Grenzfläche zwischen den einzelnen Komponenten eine entscheidende Bedeutung zu. Während zum Beispiel in polymeren Faserverbundwerkstoffen die Bindungskräfte zur Erzielung maximaler Verstärkungseffekte hoch sein sollten, wird in keramischen Verbundwerkstoffen das Interface möglichst schwach eingestellt, um hohe Duktilisierungseffekte zu erzielen. In metallischen Verbundwerkstoffen muss die Reaktivität zwischen Verstärkungskomponente und Matrix durch eine kompatible Faserbeschichtung reduziert werden, während in Biomaterialien wiederum die Wechselwirkung mit komplexen biologischen Systemen wie Zellen und Organismen im Vordergrund steht. Die Entwicklung von Bauteilen und Strukturkomponenten aus Verbundwerkstoffen ist folglich eine ausgeprägt interdisziplinäre und stoffklassenübergreifende Aufgabe und umfasst alle Aspekte des modernen Werkstoff-Engineerings von der materialgerechten Auslegung und Berechnung über kostengünstige Fertigungsverfahren unter Einbeziehung von Verbindungs- und Beschichtungstechniken bis hin zu Lebensdaueranalysen unter Anwendung von zerstörungsfreien Prüfverfahren. Trotz der Tatsache, dass alle Industriezweige in direkter oder indirekter Form auf Werkstoffe angewiesen sind, spielen diese in der öffentlichen Wahrnehmung meist eine untergeordnete Rolle. Zwar stehen Werkstoffe am Anfang nahezu aller Güter und Produkte des täglichen Gebrauchs, ihr Innovationspotenzial wird jedoch oft verkannt. Dies hängt auch mit der langen Zeitdauer zusammen, die zwischen der Entwicklung neuer Werkstoffe und ihrer Umsetzung in Produkte vergeht. Folglich ist es umso erfreulicher, dass Verbundwerkstoffe auf eine über dreißigjährige Tradition einer eigenständigen Tagung zurückblicken können, die die kontinuierliche Entwicklung dieser Werkstoffklasse aufzeigt. Verbundwerkstoffe weisen seit Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum auf, wobei Deutschland weltweit zu den führenden Composite-Standorten zählt. Das nunmehr 17. Symposium "Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde" wurde vom 1. bis 3. April 2009 an der Universität Bayreuth durchgeführt. Die mehr als 120 Beiträge belegen eindrucksvoll die Aktualität dieses Themas und das wissenschaftliche und industrielle Interesse an den laufenden Entwicklungen.
VI Schwerpunkte der Tagung bildeten Verbundwerkstoffe mit keramischer, metallischer und polymerer Matrix sowie Biomaterialien. Die neuesten Entwicklungen auf diesen Gebieten wurden in Fachvorträgen und Posterbeiträgen in insgesamt 19 Sessions vorgestellt. Dieser Tagungsband enthält die weit überwiegende Anzahl dieser Beiträge und stellt damit einen Querschnitt der aktuellen Forschungsergebnisse zu diesem Thema dar. Ich danke den Autoren für die termingetreue Einreichung der Manuskripte. Den Koordinatoren des Review-Prozesses, Professor Aldo Boccaccini, Professor Hans-Peter Degischer, Dr. Thomas Hipke, Professor Lothar Kroll, Professor Gunter Leonhardt, Professor Thomas Scheibel und Professor Bernhard Wielage sowie den Gutachtern danke ich ganz herzlich für ihr großes Engagement und ihre Kooperationsbereitschaft. Mein besonderer Dank gilt Frau Jelitschek vom Lehrstuhl Keramische Werkstoffe der Universität Bayreuth und Frau von der Bey von der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde sowie dem Verlag Wiley-VCH für die angenehme Zusammenarbeit und für ihren außergewöhnlichen Einsatz, der das Erscheinen dieses Tagungsbandes erst möglich machte. Bayreuth, April 2009
Walter Krenkel
VII
Inhalt Plenarvorträge Faserverbundwerkstoffe im Bauwesen ........................................................................................ 1 U. Meier, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), Dübendorf (CH) Werkstoffe und Technologien für den Automobil Leichtbau.................................................... 12 R. Stauber, BMW Group, München Werkstoffverbunde im Automobilbau - neue Systemlösungen für komplexe Anforderungsprofile................................................................................................................... 27 B. Reinhold, Audi AG, Ingolstadt; K. Angermann, AL-KO Dämpfungstechnik GmbH, Hartha
Metallmatrix-Verbundwerkstoffe Sonderforschungsbereich TRIP-Matrix-Composite .................................................................. 39 H. Biermann, C. G. Aneziris, M. Kuna, Technische Universität Bergakademie Freiberg Modellierung der Eigenschaften und des Versagens von MetallmatrixVerbundwerkstoffen mit lamellarer Struktur............................................................................. 46 T. Ziegler, A. Neubrand, Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, Freiburg Gefügecharakterisierung von hochenergie-gemahlenen Verbundpulvern und Verbundwerkstoffen mit EN AW 2017-Matrix......................................................................... 52 B. Wielage, H. Podlesak, S. Mücklich, Technische Universität Chemnitz Grenzflächenreaktionen bei der Herstellung von SiCP-Magnesium- oder -AluminiumMetallmatrix-Verbundwerkstoffen auf schmelzmetallurgischem Weg..................................... 59 A. Schiffl, ARC Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen GmbH, Ranshofen (A) Herstellung von partikelverstärkten Verbundwerkstoffen durch Magnesiumspritzgießen ............................................................................................................. 66 C. Rauber, A. Lohmüller, M. Hilbinger, Neue Materialien Fürth GmbH, Fürth; S. Opel, Universität Erlangen-Nürnberg; M. Hartmann, Neue Materialien Fürth GmbH, Fürth; R.F. Singer, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen Optimiertes Verfahren zur Herstellung von langfaserverstärkten Aluminiumverbundwerkstoffen................................................................................................. 73 T. Burbach, A. Bührig-Polaczek, B. Kuckhoff, RWTH Aachen Herstellung von Kohlenstofflangfaser-Aluminiumverbunden im Druckguss ........................... 80 H. Ballmes, C.A. Rottmair, R.F. Singer, Universität Erlangen-Nürnberg, Fürth
VIII Tomographische Analyse der Schädigungsentwicklung bei der Ermüdung eines partikelverstärkten Al-Matrix-Verbundwerkstoffes .................................................................. 87 D. Tolnai, Eötvös Loránd Universität, Budapest (H); A. Borbély, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf; H. Biermann, Technische Universität Bergakademie Freiberg Thermische Ermüdung von Diamant verstärktem Aluminium untersucht mittels Neutronen- und Synchrotron-Experimenten.............................................................................. 94 M. Schöbel, Technische Universität Wien (A); S. Vaucher, EMPA, Thun (CH); M. Hofmann, FRM2, Garching; P. Cloetens, ESFR, Grenoble (F); H.P. Degischer, Technische Universität Wien (A) Kupfer-PCM-Verbundwerkstoffe für Anwendungen im Bereich des thermischen Managements ........................................................................................................................... 102 S. Kalinichenka, T. Schubert, T. Weißgärber, B. Kieback, Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung, Dresden Fabrication of Nano-Reinforced Titanium Matrix Composites via Powder Metallurgy................................................................................................................................ 109 I. Montealegre Meléndez, E. Neubauer, Austrian Research Centers - ARC GmbH, Seibersdorf (A); H. Danninger, Technische Universität Wien (A); G. Mozdzen, Austrian Research Centers - ARC GmbH, Seibersdorf (A) Dispersionsverstärkte Kontaktwerkstoffe auf Silberbasis - Herstellung, Mikrostruktur und mechanische Eigenschaften .............................................................................................. 116 B. Wielage, T. Lampke, H. Podlesak, T. Halle, H. Steger, Technische Universität Chemnitz Zugeigenschaften infiltrierter Hochtemperatur-MMCs mit unterschiedlichen Faservolumengehalten ............................................................................................................. 122 J.M. Hausmann, J. Gussone, H. Schurmann, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Köln Mechanische Charakterisierung von SiC-faserverstärkten Kupfermatrix-Verbundwerkstoffen ......................................................................................... 127 A. Brendel, V. Paffenholz, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching; Th. Köck, SGL Carbon GmbH, Meitingen Interface Structure and Chemical Stability of Continuous Mo Wire Reinforced NiAl Composites...................................................................................................................... 134 J. Song, W. Hu, D. Hajas, G. Gottstein, RWTH Aachen Structure, Chemical Stability and Properties of NiAl-Al2O3 Interface Modified by MAX-Phase Interlayer ............................................................................................................. 140 W. Hu, J. Song, Y. Zhong, G. Gottstein, RWTH Aachen MMC aus TRIP-Stahl und MgO teilstabilisiertem ZrO2 durch bildsame Formgebung.......... 147 C. Aneziris, H. Biermann, W. Schärfl, U. Ballaschk, U. Martin, Technische Universität Bergakademie Freiberg
IX Mechanisches Verhalten ausgewählter Werkstoffsysteme verbundstranggepresster Leichtbauprofile unter quasistatischer Belastung .................................................................... 155 T. Hammers, M. Merzkirch, K.A. Weidenmann, E. Kerscher, Universität Karlsruhe (TH) Kriechverhalten von AMC-Lötverbindungen unter Einsatz partikelverstärkter Weichlote ................................................................................................................................. 162 B. Wielage, I. Hoyer, S. Weis, Technische Universität Chemnitz Charakterisierung des mechanischen Verhaltens verbundstranggepresster Leichtbauprofile unter schlagartiger Beanspruchung .............................................................. 168 K.A. Weidenmann, T. Hammers, M. Merzkirch, E. Kerscher, Universität Karlsruhe (TH) Polystyrol-Acrylnitril Nanokomposite Schäume..................................................................... 174 P. Gutmann, Universität Bayreuth; C. Greiner, Brose GmbH & Co, Coburg; H. Ruckdäschel, BASF SE, Ludwigshafen; D.S. Bangarusampath, V. Altstädt, Universität Bayreuth Infiltration von 3D Netzwerken aus Kohlenstoff Nanomaterial (CNF/CNT) mit Kupfer und Kupferlegierungen ................................................................................................ 181 M. Kitzmantel, Austrian Research Centers - ARC GmbH, Seibersdorf (A), und Technische Universität Wien (A); E. Neubauer, M. Hulman, Austrian Research Centers - ARC GmbH, Seibersdorf (A); I. Smid, Pennsylvania State University, University Park, PA (USA); T. Schubert, S. Forero, Future Carbon GmbH, Bayreuth; F. Hepp, High Performance Space Structure Systems (HPS) GmbH, München; L. Pambaguian, ESA-ESTEC, Noordwijk (NL) Gewebe- und gewirkeverstärkter Aluminiumschaum für Leichtbaukonstruktionen............... 189 M. Seeger, R. Helbig, Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V., Chemnitz; J. Hohlfeld, C. Lies, Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik, Chemnitz
Keramische Verbundwerkstoffe Untersuchungen zum Einfluss unterschiedlicher Fertigungsparameter des PIP-Verfahrens auf die Materialeigenschaften von textilverstärkten Keramiken ................... 195 W. Hufenbach, H. Richter, T. Behnisch, A. Langkamp, Technische Universität Dresden Characterization of Fiber-Matrix Interface Bonding at the CFRP Step of Fiber Fabrication Process by Single Fiber Push-out Technique ....................................................... 202 J. Sha, J. M. Hausherr, W. Krenkel, Universität Bayreuth Computertomografische Bestimmung von morphologischen Eigenschaften mittels angepasster Algorithmen ......................................................................................................... 210 J. M. Hausherr, T. Zeppenfeld, W. Krenkel, Universität Bayreuth Versagenseffekte auf Grund von Makro-Fehlstellen in Oxidkeramischen Verbundwerkstoffen ................................................................................................................ 219 W. Pritzkow, Walter E.C. Pritzkow Spezialkeramik, Stuttgart; F. Deuerler, Universität Wuppertal; D. Koch, Universität Bremen; A. Rüdinger, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (SIC), Würzburg; K. Tushtev, Universität Bremen
X Untersuchungen zur Entstehung von Porosität in Phenolharzmatrices bei der Härtung ......... 226 H. Mucha, Universität Bayreuth; Y.-E. Kim, Technische Universität Chemnitz; K. Kuroda, Nagoya University (J); W. Krenkel, Universität Bayreuth; B. Wielage, Technische Universität Chemnitz Qualitative und Quantitative mikrostrukturelle Untersuchungen der Werkstoffe bei der Herstellung von C/SiC-Hochleistungskeramiken mittels Computertomografie...................... 233 J.M. Hausherr, Universität Bayreuth, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Bayreuth; C. Herrmann, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Bayreuth; C. Spatz, W. Krenkel, Universität Bayreuth und Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Bayreuth Keramische Leichtbaumodule mit hoher geometrischer Variabilität ...................................... 241 S. Siegel, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, Dresden Einsatz der Computertomografie zur zerstörungsfreien Prüfung und Charakterisierung von Faserverbundwerkstoffen .................................................................... 249 C. Herrmann, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Bayreuth; J.M. Hausherr, W. Krenkel, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Bayreuth, und Universität Bayreuth CMC-Bauteile für Heißgasanwendungen: Von der Entwicklung des Prototypen bis hin zum Serienbauteil .............................................................................................................. 257 M. Frieß, C. Zuber, S. Hofmann, M. Crippa, B. Heidenreich, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Stuttgart High Performance Pitch Based Carbon Fibers and Their Application .................................... 265 H. Ohno, Nippon Graphite Fiber Corporation, Tokio (J) In-Situ-Messung der Siliziuminfiltration von porösen C/C-Materialien ................................. 270 J. Meinhardt, F. Raether, A. Klimera, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Würzburg; J. Daimer, SGL Brakes GmbH, Meitingen Pyrolyse mittels Mikrowellen zur Herstellung von C-SiC Verbundkeramiken ...................... 277 H.-S. Park, Universität Bayreuth und Neue Materialien Bayreuth GmbH, Bayreuth; F. Yang, Neue Materialien Bayreuth GmbH, Bayreuth; M. Rabenstein, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Bayreuth; M. Willert-Porada, Universität Bayreuth Oxidkeramische Verbundwerkstoffe auf der Basis von Yttrium-AluminiumGranat (YAG) .......................................................................................................................... 285 H. Neubert, T. Wamser, F. Barthmann, J. Lehmann, W. Krenkel, Universität Bayreuth Entwicklung von Ultrahochtemperatur-beständigen Karbidkeramiken .................................. 292 R. Voigt, W. Krenkel, G. Motz, Universität Bayreuth Nuten- und Zirkularbearbeitung von faserverstärktem Siliziumkarbid mit Schleifstiften ...... 298 D. Biermann, T. Jansen, M. Feldhoff, Technische Universität Dortmund Matrixharzkonzepte für die Herstellung von C/SiC-Verbundkeramiken ................................ 305 F. Yang, D. Kunz, Neue Materialien Bayreuth GmbH, Bayreuth; W. Krenkel, Universität Bayreuth
XI nanoCT: Dreidimensionelle Mikrostrukturanalyse von Verbundwerkstoffen mit Submikrometer-Auflösung ...................................................................................................... 312 S. Becker, O. Brunke, GE Sensing & Inspection Technologies GmbH, Wunstorf; J. Starzmann, GE Sensing & Inspection Technologies GmbH, Stuttgart
Polymere Verbundwerkstoffe Anfangsfixierung von Klebungen im Faserverbundbereich .................................................... 319 M. Frauenhofer, S. Böhm, K. Dilger, Technische Universität Braunschweig Faserverstärkte Klebstoffe - Betrachtung der Verbundtragwirkung........................................ 326 M. Göbel, F. Werner, Bauhaus-Universität Weimar Fügen von CFK-Organoblechen durch Metall-Ultraschallschweißen..................................... 333 F. Balle, G. Wagner, D. Eifler, Technische Universität Kaiserslautern Vergleich eines Resin Transfer Moulding Epoxidharzsystems mit einem Prepregharzsystem ................................................................................................................... 339 M. Schubert, Toho Tenax Europe GmbH, Wuppertal Charakterisierung triaxialer C-Faser-verstärkter Silikone und Epoxide.................................. 345 J. Schimitschek, L. Datashvili, H. Baier, Technische Universität München, Garching Nicht-thermisch härtende Kohlestofffaser-Kompositmaterialien auf Basis von Epoxidharzen ........................................................................................................................... 354 F. Wolff-Fabris, V. Altstädt, Universität Bayreuth Untersuchungen zum Verhalten von langfaserverstärkten Thermoplasten unter mechanischer Beanspruchung.................................................................................................. 361 M. Grigo, K.A. Weidenmann, P. Elsner, Universität Karlsruhe (TH) Vorhersage des Langzeitverhaltens kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe (CFK) aus dem Kurzzeitverhalten unter Zugbelastung anhand des Zeit-TemperaturVerschiebungsprinzips............................................................................................................. 368 J. Wolfrum, Wehrwissenschaftliches Institut für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe, Erding Kosteneffiziente Leichtbaustrukturen aus nachwachsenden Rohstoffen................................. 376 R. Rinberg, W. Nendel, L. Kroll, Technische Universität Chemnitz; K. Philipp, Polytec Automotive GmbH&Co. KG, Geretsried Neuartige kosteneffiziente thermoplastische Prepregs ............................................................ 382 L. Kroll, M. Kausch, Technische Universität Chemnitz; H.J. Heinrich, J. Grünert, Cetex Institut für Textil- und Verarbeitungsmaschinen GmbH, Chemnitz Einsatz der Preformtechniken zur Produktivitätssteigerung bei der Verarbeitung von Faserverbundkunststoffen ........................................................................................................ 388 J. Schulz, E. Kühne, B. Wielage, Technische Universität Chemnitz
XII Flexible Preformprozesskette für komplexe Hochleistungs-FaserverbundStrukturbauteile........................................................................................................................ 395 U. Beier, J. Krämer, V. Altstädt, Universität Bayreuth; H. Spanner, C. Weimer, T. Roser, W. Buchs, Eurocopter Deutschland GmbH, München Naturfaserverstärkte Kunststoffe als akustisch wirksame Bauelemente ................................. 401 N. Aisenbrey, L. Frormann, Westsächsische Hochschule Zwickau; W. Maysenhölder, Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Stuttgart Spritzgießprozess für textilverstärkte Kunststoffbauteile........................................................ 407 L. Kroll, J. Tröltzsch, F. Helbig, Technische Universität Chemnitz Einfluss von Temperaturwechseln auf die Struktureigenschaften von CFK-Schaum-Sandwichstrukturen .......................................................................................... 413 M. Gutwinski, R. Schäuble, Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, Halle Sandwich-Spritzgießen (Coinjection) - Renaissance eines Klassikers für thermoplastische Werkstoffverbunde ...................................................................................... 420 V. Reichert, A&E Produktionstechnik GmbH, Dresden; H. Becker, StructoForm GmbH, Aachen Schwingfestigkeits- und Schädigungsverhalten von mehrlagengestrick-verstärkten Kunststoffverbunden unter überlagerter Zug/Druck-Schubbeanspruchung ............................ 427 M. Gude, W. Hufenbach, I. Koch, Technische Universität Dresden Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) zur Charakterisierung des Härtungsvorgangs von Harzsystemen...................................................................................... 433 M. Schennen, W. Kunze, TA Instruments, Eschborn Beanspruchungsgerechte Abstandsstrukturen für komplexe Leichtbauanwendungen durch funktionsgerechte Nähtechnik ....................................................................................... 440 C. Herzberg, N. Zhao, H. Rödel, Technische Universität Dresden Einfluss des CNT-Anteils auf die thermophysikalischen Eigenschaften von PEEK-Werkstoffen .................................................................................................................. 447 A. Lindemann, J. Blumm, H. Niedrig, NETZSCH Gerätebau GmbH, Selb Rechnerische Abschätzung der modalen Dämpfung für die Auslegung komplexer Faserverbundstrukturen............................................................................................................ 453 W. Hufenbach, M. Dannemann, J. Friedrich, F. Kolbe, Technische Universität Dresden Micromechanical Processes and Fatigue Behaviour of Reactively Compatibilized PA 6/ABS Blends .................................................................................................................... 461 U. Handge, Universität Bayreuth; C. Sailer, ETH Zürich (CH); H. Steininger, M. Weber, BASF SE, Ludwigshafen; S. Scholtyssek, V. Seydewitz, G.H. Michler, Martin-Luther-Universität, Halle; C. Götz, F. Fischer, G.T. Lim, V. Altstädt, Universität Bayreuth Das Verfahren der Hochdruckhomogenisierung – Eine neuartige Technologie zur Dispergierung von Nanopartikeln in flüssigen Harzsystemen................................................. 467 J. Leib, U. Handge, V. Altstädt, Universität Bayreuth
XIII Schallemissionsanalyse beschichteter kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe...................... 474 M. Sause, S. Horn, Universität Augsburg IMC-Spritzgießcompounder - Potentiale der Langfaserverstärkung....................................... 482 M. Rohde, F. Fischer, V. Altstädt, Universität Bayreuth; C. Herrmann, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), Bayreuth; W. Krenkel, J.M. Hausherr, Universität Bayreuth Kosteneffiziente Herstellung von Sandwichkernen aus expandiertem Polypropylen (EPP) ................................................................................................................. 489 C. Trassl, D. Kunz, Neue Materialien Bayreuth GmbH, Bayreuth; V. Altstädt, Universität Bayreuth Dynamische Thermische Analyse unter hohen Lasten - Eine Betrachtung zur Arbeitsweise und zum Nutzen!................................................................................................ 495 H. Halm, H. Deckmann, Gabo Qualimeter Testanlagen GmbH, Ahlden/Aller
Werkstoffverbunde und Schichten Stahl-Keramik-Verbunde durch Pulverspritzgießen................................................................ 502 A. Baumann, D. Mayer, T. Moritz, R. Lenk, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, Dresden Diamantverschleiß bei der Schleifbearbeitung von Stahl-KeramikWerkstoffverbunden ................................................................................................................ 513 B. Denkena, N. Kramer, Leibniz Universität Hannover, Garbsen Hot Extrusion of Fe-Base MMC: A Novel Method for Producing Wear Resistant Thick Coatings ......................................................................................................................... 520 S. Weber, Helmholtz-Zentrum Berlin und Ruhr-Universität Bochum; A. Röttger, RuhrUniversität Bochum; P. Silva, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf; M. Karlsohn, Köppern Entwicklungsgesellschaft mbH, Hattingen; W. Theisen, Ruhr-Universität Bochum; W. Reimers, Technische Universität Berlin; A. Pyzalla, Helmholtz-Zentrum Berlin Interface of Steel Inserts in Al-Si Alloy Castings.................................................................... 527 K. Zimnik, M. Schöbel, Technische Universität Wien (A); B. Reitinger, Upper Austrian Research GmbH, Linz (A); H.P. Degischer, Technische Universität Wien (A); U. Noster, ARC Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen GmbH Lebensdauerberechnung von walzplattierten Al-St Werkstoffverbunden unter Berücksichtigung des Herstellprozesses .................................................................................. 535 H. Leitner, A. Lamik, Montanuniversität Leoben (A) Neue Entwicklungen zu Verbindungen von Kunststoff und Metall unter Zuhilfenahme thermischer Fügeprozesse........................................................................................................ 542 U. Reisgen, S. Olschok, N. Wagner, RWTH Aachen Ultraschallschweißen - Ein innovatives Fügeverfahren für hybride Leichtbaustrukturen aus Metall/CFK-Verbunden..................................................................................................... 549 F. Balle, G. Wagner, D. Eifler, Technische Universität Kaiserslautern
XIV Optimierung von Dünnschichtsystemen für hoch beanspruchte Werkzeuge der Umformtechnik ........................................................................................................................ 555 B. Wielage, A. Wank, C. Rupprecht, Technische Universität Chemnitz; G. Schmidt, S. Stark, Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik, Chemnitz Oberflächenschichten als Verschleißschutz auf CFK-Komponenten und CFK-Produktionsformen.......................................................................................................... 563 M. Meyer, EADS Deutschland GmbH, Ottobrunn; S. Bürkner, Premium Aerotec, Augsburg; D. Jonke, M. Englhart, EADS Deutschland GmbH, Ottobrunn Kostenreduzierung von Aluminiumschaumbauteilen.............................................................. 571 R. Thümmler, F. Schneider, R. Vogel, Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik, Chemnitz Glas-Kunststoff-Hybridelemente - Einsatz und Werkstoffeigenschaften................................ 578 M. Göbel, J. Hildebrand, F. Werner, Bauhaus-Universität Weimar Auslegung und Fertigung von thermoplastverbundkompatiblen PiezokeramikModulen für adaptive Leichtbaustrukturen.............................................................................. 585 W. Hufenbach, M. Gude, T. Heber, Technische Universität Dresden; M. Geiger, M. Schmidt, S. Neugebauer, Bayerisches Laserzentrum GmbH, Erlangen Piezokeramische Fasern, Faserkomposite und LTCC-Module zur Integration in Leichtbaustrukturen ................................................................................................................. 592 U. Scheithauer, M. Flössel, Technische Universität Dresden; S. Uhlig, A. Schönecker, S. Gebhardt, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, Dresden; A. Michaelis, Technische Universität Dresden Untersuchungen zur Entwicklung robuster Fertigungsprozesse für die Herstellung aktiver Thermoplastverbundbauteile mit integrierten neuartigen thermoplastkompatiblen Piezokeramik-Modulen (TPM)................................................................................................ 601 W. Hufenbach, M. Gude, N. Modler, T. Heber, A. Winkler, J. Friedrich, Technische Universität Dresden Strukturelle Integration von Sensorsystemen in Leichtbauverbundstrukturen im Massenfertigungsverfahren...................................................................................................... 608 H. Elsner, L. Kroll, Technische Universität Chemnitz TiO2 Thick Film Coated on Alumina Foams for UV Light Stimulated Photocatalytic Phenol Mineralization.............................................................................................................. 615 U. Vogt, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), Dübendorf (CH), und Universität Freiburg (D); M. Gorbár, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), Dübendorf (CH), und Comenius University, Bratislava (SK); M. Vargová, G. Plesch, Comenius University, Bratislava (SK) Mittels Verbundguss hergestellte Schneidaktivelemente ........................................................ 620 A. Mackensen, S. Hippmann, Technische Universität München, Garching
XV Suspensionsplasmaspritzen thermisch aktivierbarer triboaktiver Schichtverbunde ................ 627 F.-W. Bach, K. Möhnwald, M. Erne, D. Kolar, Leibniz Universität Hannover, Witten Erzeugung von Nanokomposit-Schichten auf dünnen Blechen mittels Laserstrahlauftragschweißen.................................................................................................... 635 S. Claußen, N. Weidlich, D. Herzog, H. Haferkamp, Laser Zentrum Hannover e.V., Hannover Die Verbundplatte gegen Verschleiß - eine maßgeschneiderte metallkundliche Lösung durch Auftragschweißen ............................................................................................. 642 H. Riegger, VAUTID GmbH, Ostfildern
Biomaterialien Rapid Prototyping als innovative Herstellungsmethode für individuell angepassten Knochenersatz auf Basis von Calciumphosphat-Keramiken................................................... 649 U. Deisinger, Universität Bayreuth; G. Ziegler, Universität Bayreuth und BioCer EntwicklungsGmbH, Bayreuth Innovatives Materialverbundkonzept für Knie-Endoprothesen............................................... 656 B. Wielage, L. Meyer, T. Müller, Technische Universität Chemnitz; G. Leonhardt, F. Trommer, InnoMat GmbH, Chemnitz; K. Liefeith, IBA e.V., Heiligenstadt Dispensgeplottete Scaffolds aus Hydrogel/Keramik-Composites für die Anwendung als Knochenersatzmaterial............................................................................................................. 663 A. Schlechte, BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth; U. Deisinger, Universität Bayreuth; F. Uhl, BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth; G. Ziegler, BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth, und Universität Bayreuth Indirektes Rapid Prototyping biphasischer Calciumphosphat-Keramiken: biomechanische und zellbiologische Eigenschaften................................................................ 669 M. Schumacher, Universität Bayreuth; U. Deisinger, R. Detsch, BioCer-Entwicklungs-GmbH, Bayreuth; G. Ziegler, Universität Bayreuth und BioCer-Entwicklungs-GmbH, Bayreuth Calciumphosphat-basierte Knochenersatzmaterialien: Studie zur in vitro-Osteoklastogenese....................................................................................................... 676 R. Detsch, BioCer EntwicklungsGmbH, Bayreuth; S. Schlüfter, G. Ziegler, Universität Bayreuth Spinnenseidenproteine - Biopolymerische Materialien für Medizintechnische Anwendungen .......................................................................................................................... 683 A. Lammel, Technische Universität München; K. Spieß, C. Blüm, Universität Bayreuth; M. Schwab, G. Winter, Ludwig-Maximilians-Universität München; T. Scheibel, Universität Bayreuth Verspinnen von Proteinfasern für technische Anwendungen.................................................. 689 D. Keerl, F. Bauer, J. Hardy, U. Slotta, T. Scheibel, Universität Bayreuth
XVI Bone Tissue Engineering: Einfluss unterschiedlich hergestellter CalciumphosphatScaffolds auf die osteogene Stimulierung von Knochenmarkzellen ....................................... 693 F. Uhl, R. Detsch, BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth; U. Deisinger, G. Ziegler, Universität Bayreuth In vitro-Abbauuntersuchungen an makroporösen 3D-Scaffolds auf Calciumphosphatbasis.............................................................................................................. 700 S. Schlüfter, Universität Bayreuth; R. Detsch, BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth; U. Deisinger, Universität Bayreuth; G. Ziegler, Universität Bayreuth und BioCer EntwicklungsGmbH, Bayreuth Charakterisierung von Knochenwachstum auf einer Calciumphosphat-Mischkeramik: Beurteilung einer zerstörungsfreien und 3-dimensionalen Charakterisierungsmethode ......... 707 R. Detsch, BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth; J.M. Hausherr, S. Schlüfter, U. Deisinger, Universität Bayreuth; J. C. Roldan, Universitätsklinik Regensburg; J. Fischer, Universität Bayreuth; E. Chang, Stanford University (USA); G. Ziegler, BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth, und Universität Bayreuth; W. Krenkel, Universität Bayreuth Autorenregister ...................................................................................................................... 713 Sachregister ............................................................................................................................ 718
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Faserverbundwerkstoffe im Bauwesen U. Meier EMPA, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Dübendorf, Schweiz
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Einführung
Faserverbundwerkstoffe stehen im Bauwesen bei kreiszylindrischen Lagersilos, Hochkaminen, Druckrohren für Wasserversorgungen sowie Rohren mit großen Durchmessern für Dücker- und Abwasserleitungen seit rund vierzig Jahren erfolgreich im Einsatz. Es handelt sich dabei hauptsächlich um im Wickel- oder Schleuderverfahren verarbeitete glasfaserverstärkte Kunststoffe GFK. Stahlbetontragwerke können mit nachträglich aufgeklebten dünnen Bändern aus kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffen (CFK) effizient verstärkt werden, wie erstmals 1987 demonstriert wurde [1]. Seit 1991 werden solche CFK-Bänder dank ihrer ausgezeichneten Eigenschaften weltweit zur nachträglichen Verstärkung von Tragwerken genutzt. Ihr Einsatz ist sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehr gewinnbringend [2]. Der Grund, dass die pro Volumeneinheit etwa zehnmal teureren CFK im Vergleich zu Stahl konkurrenzfähig sind, liegt in der sehr einfachen Applikation. Die gesparten Lohnkosten kompensieren die hohen Werkstoffkosten. Die für diesen Zweck global im Bauwesen eingesetzte Masse an Kohlenstofffasern erreicht heute jene der gesamten Luftfahrtsindustrie, d. h., rund 7'000 Tonnen pro Jahr. Dies erscheint im Vergleich zu den Tonnagen, mit denen man im klassischen Brückenbau rechnet, außerordentlich wenig. Es ist allerdings zu bedenken, dass die Festigkeit solcher Bänder über 3000 MPa liegt und die Rohdichte nur 1,5 t/m3 beträgt. Der vom Autor auf einer Vortragsreise durch die USA 1997 geprägte Ausspruch “Never before has a post-strengthening method done so much with so little“ versinnbildlicht die Situation. Die Ende der 1970er Jahre empirisch wahrgenommene und später durch Studien bestätigte [3] Zunahme von Schäden an Stahl-Zugliedern motivierten Forscher in Europa, Japan und Nordamerika solche aus nicht-metallischen Werkstoffen zu entwickeln. Forschungsinstitute und Firmen schufen für den Neubau in den vergangenen 25 Jahren Bewehrungsstäbe, Spannglieder und Seile aus CFK in Form von Paralleldraht- und Litzenbündeln. Seit zwölf Jahren kommen solche CFK-Zugglieder in etwa drei Dutzend Pilot-Brückenprojekten zur Anwendung. Im Brücken- und im Hochbau gewinnen «aufgehängte» Konstruktionen weiterhin an Bedeutung. Während im Hoch- und Hängebrückenbau die Hauptseile aus Stahl vor allem statischer und Korrosionsbeanspruchung unterworfen sind, kommt bei den Schrägseilbrücken noch die Ermüdung hinzu. So mussten in den vergangenen 20 Jahren bei vielen Schrägseilbrücken beschädigte Seile aus Stahl mit viel Aufwand erneuert werden. Neuerdings werden sogar bei jüngeren, aus den 1960er-Jahren datierenden großen Hängebrücken an den Hauptseilen dramatische Korrosionsschäden festgestellt, die einen baldigen Ersatz der Seile notwendig machen [4]. Sind Zugglieder aus CFK eine Alternative zu solchen aus Stahl? Wie weit sind Forschung und Entwicklung fortgeschritten? Wie ist der Stand der Technik?
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Stand der Forschung und Technik
3.1
Verstärkung und Instandsetzung
Im Forschungsbereich „Verstärkung mit CFK-Bändern“ sind derzeit weltweit etwa fünfhundert Forschungsgruppen aktiv. Der erreichte Forschungsstand dürfte, übertragen auf den Stahlbeton, etwa jenem der 1950er-Jahre entsprechen. Die wichtigsten Grundlagen sind bekannt. Es gibt Richtlinien, Zulassungen und teilweise auch bereits Normen [5]. So wie für den klassischen Stahlbetonbau auch heute noch weitergeforscht wird, so werden im Bereich der Verstärkung mit CFK in den kommenden Jahren noch hunderte von Doktorarbeiten und Forschungsberichte erscheinen. Die Verstärkung mit aufgeklebten oder in gefräste Schlitze eingeklebten CFK Bänder, die heute Stand der Technik ist, hat die Methode der Verstärkung mit aufgeklebten Stahllaschen weitgehend abgelöst. Von der Forschungsseite werden seit den frühen 1990er-Jahren große Anstrengen unternommen, beim Verstärken mit CFK-Bändern die hohe Werkstofffestigkeit besser zu nutzen. Schlaff aufgeklebte Bänder schöpfen nur etwa 20 % dieser ausgezeichneten Eigenschaft aus. Es gibt verschiedene Vorspannsysteme auf dem Markt, welche diesem Zweck dienen würden. Die Baustofffirmen sind jedoch am Einsatz vorgespannter CFK-Bänder wenig interessiert, da sie bei schlaff applizierten Bändern mehr CFK und mehr Klebstoff verkaufen können. Außerdem sind die Anforderungen bezüglich Bemessung und Installation, insbesondere im Falle von Endverankerungen, bei vorgespannten Systemen bedeutend höher. Es ist bedauerlich, dass meist der Weg des geringsten Widerstands gegangen wird. Nachträglich applizierte, vorgespannte CFK-Bänder würden den vorhandenen Bewehrungsstahl sehr viel wirkungsvoller entlasten. Insbesondere im Falle von Ermüdungsbeanspruchungen ist dies von großer Bedeutung. Ein an der EMPA entwickeltes System verzichtet auf teure Endverankerungen und arbeitet mit einer auf null auslaufenden, gradierten Vorspannung an den Enden der Bänder [6].
3.2
Neubau
3.2.1 Vorbemerkungen Im Prinzip könnten heute fast jede Art von Brücken vollständig aus CFK gebaut werden. Die dazu notwendigen Technologien sind vorhanden. Die schwedische Marine beispielsweise hat seit sechs Jahren erfolgreich Fregatten im Einsatz, deren Rumpf aus CFK gebaut wurde. Der 45 Tonnen schwere Rumpf ist 72 Meter lang und 11 Meter breit. Im Prinzip hat er die Form eines Kastenträgers. Wenn wir von wenigen Spezialfällen absehen, macht es aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen für zivile Anwendungen keinen Sinn, Brücken aus CFK zu bauen. Ein CFKKastenträger wäre etwa 50% teurer als ein solcher aus Stahl. Die Kohlenstofffaserpreise spielen bei den Kosten für einen solchen Träger die dominante Rolle. Diese korrelieren sowohl bezüglich Rohstoff als auch Produktionskosten mit dem Erdölpreis. Die bezüglich Produktionseffizienz zu erwartenden Gewinne werden langfristig vermutlich durch steigende Erölpreise kompensiert. Aufgrund dieser Überlegungen wird klar, dass der bezüglich Eigenschaften optimal für den Brückenbau geeignete Werkstoff CFK aus wirtschaftlichen Gründen im Normalfall für Stahl, Beton und Holz keine Konkurrenz sein wird. Für hoch beanspruchte Zugglieder
3 allerdings und vielleicht in sehr ferner Zukunft auch für extrem weit gespannte Brücken [7], sind CFK der optimale Werkstoff. 3.2.2 Ausgewählte Systeme von Zuggliedern CFK-Paralleldrahtbündel: Die CFK-Drähte mit denen die Paralleldrahtbündel aufgebaut werden, bestehen aus Toray T700Fasern mit einer Festigkeit von 4 900 MPa und einem Elastizitätsmodul von 230 000 MPa. Der Faservolumenanteil beträgt 72%. Das Verankerungssystem [8] besteht aus einer Stahlhülse (Bild 1, links) mit konischer Innenform und einer zwischen Stahlhülse und CFK-Drähten liegenden Vergussmasse. Diese ist für die Übertragung der Kräfte von den Drähten auf die Hülse verantwortlich. Die Drähte werden parallel in die Hülse geführt. Die Vergussmasse muss folgenden Anforderungen genügen: die Lastübertragung darf die Langzeiteigenschaften des Zuggliedes bezüglich Festigkeit und Ermüdung nicht beeinträchtigen und es darf keine galvanische Korrosion zwischen den CFK-Drähten und den zurzeit noch metallischen Hülsen entstehen. Deshalb muss die Vergussmasse ein Isolator sein. Die konische Innenform der Hülse gewährleistet die zur Erhöhung der interlaminaren Scherfestigkeit erforderlichen Radialspannungen.
Bild 1: Konzept der Gradientenverankerung
Bild 2: Schubspannungen an der .Drahtoberfläche in Abhängigkeit des E-Moduls der Vergussmasse
Als Vergussmasse wird ein Gradientenwerkstoff eingesetzt. Beim Eintritt des CFK-Drahtes in die Verankerung ist der Elastizitätsmodul der Vergussmasse gering (Bild 2 unten rechts) und nimmt kontinuierlich zu. Auf diese Art und Weise können Spannungsspitzen (Bild 2 unten links) auf der Lastseite vermieden werden. Umfangreiche an der EMPA durchgeführte Versuche haben gezeigt, dass in der Regel ein kontinuierlicher Übergang durch fünf bis sieben Abstufungen des Moduls ersetzt werden kann. Der Aufbau des Gradientenmaterials basiert immer auf demselben Korn, bestehend aus Aluminiumoxidgranulat (Bild 1, rechts) mit einem Durchmesser von ca. 2 mm und Epoxydharz. Um eine reduzierte Drucksteifigkeit zu erhalten, werden diese Körner je nach gewünschtem Modul mit einer dünneren oder dickeren Lage Epoxydharz beschichtet. Der maximale Modul
4 wird durch Verwendung von unbeschichtetem Granulat erreicht. Die verbleibenden Zwischenräume zwischen den Granulatkörnern werden schließlich mit einem Epoxydharz verfüllt. Umfangreiche Experimente zeigten eine sehr hohe Zuverlässigkeit des Verankerungssystems. Unter statischer Beanspruchung konnten 94 % der Summe der Traglast der Einzeldrähte und damit die theoretische Obergrenze erreicht werden. Die Versuche unter schwingender Beanspruchung bewiesen die hervorragenden Ermüdungseigenschaften von CFK. Schwingbreiten von 900 MPa wurden problemlos über zwei Millionen Lastspiele bewältigt. Nichtlaminierte Strangschlaufen aus CFK: Seit Beginn der Technikgeschichte spielt das Kettenglied (Bild 3a), oft auch in Form eines Augenstabes, als Konstruktionselement im Maschinenbau und im Bauingenieurwesen eine wichtige Rolle. Ein bedeutender Nachteil dieses klassischen Elementes ist (Bild 3a), dass die Festigkeit des Werkstoffs infolge geometrisch bedingter Spannungskonzentrationen nur unbefriedigend ausgenutzt werden kann. Zweck einer Forschungsarbeit der EMPA war die Entwicklung eines Hochleistungs-Kettenelementes, das diesen Nachteil nicht aufweist und zudem sehr hohen Korrosions- und Ermüdungsbeanspruchungen zu genügen vermag. Das Ziel wurde mit einem modernen konstruktiven Konzept und durch den Einsatz von kohlenstofffaserverstärkten thermoplastischen Bändern erreicht [9–11]. Die Lösung des Problems bietet die nicht-laminierte Strangschlaufe. Sie wird aus sehr dünnen (in der Regel 0.12mm), unidirektional kohlenstofffaserverstärkten thermoplastischen Bändern hergestellt. Diese werden um entsprechende Umlenkkörper (Bolzen) gewickelt (Bild 3b). Zwischen den einzelnen Schichten besteht kein Verbund. Die letzte Schicht wird mit der vorletzten auf einer Länge von ca. 90 mm verschweißt und damit verankert. Beim Belasten der Schlaufe wird aufgrund auftretender Relativverschiebungen zwischen den benachbarten Schichten eine sehr regelmäßige Dehnungsverteilung erreicht (Bild 4). Die Kraftübertragung zwischen den Schichten erfolgt über Reibung. Diese schlaufenförmigen Hochleistungs-Zugelemente können aus den vorfabrizierten Bändern auf einfachste Art und Weise gefertigt werden. Die Bänder werden im kontinuierlichen Rolltrusionsverfahren produziert.
Bild 3: Konzept der Strangschlaufe
Bild 4: Last-Dehnungsdiagramm für einzelne, über den
a) laminiert, b) nicht-laminiert
ganzen Querschnitt verteilte Schlaufenlagen
Laminierte Strangschlaufen aus CFK: Klassische, laminierte Strangschlaufen erlauben, wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, in Folge der Spannungskonzentrationen im Bere-
5 ich der „Augen“ nicht die hohe Materialfestigkeit wirtschaftlich zu nutzen. Es zeigte sich jedoch bei verschiedenen Anwendungen, dass „kompakte“ Stangen besser geeignet sind als „schlaffe“, nicht-laminierte Strangschlaufen. Das Problem wurde nun durch die EMPA SpinOff Firma Carbo-Link GmbH basierend auf dem Patent [11] wie folg gelöst: Anstelle der thermoplastischen CFK-Bänder werden duromere CFK Epoxydharz-Prepregbänder um die Bolzen gewickelt. Vor dem Aushärten wird die Strangschlaufe auf Nutzlast vorgespannt, analog wie bei den nicht-laminierten, thermoplastischen CFK-Strangschlaufen. Es besteht auch die Möglichkeit die beiden Kettenschenkel, die bis 48 Meter lang sein können, mit Vorspannung zu umwickeln. Auf diese Art und Weise wird ein einschenkliges „Kettenglied“ mit Kreisquerschnitt erreicht. Derartige Zugglieder werden beispielsweise von der Firma Liebherr für die größten Raupenkrane und für Seilbagger sehr erfolgreich eingesetzt.
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Pilotprojekte
4.1
Storchenbrücke in Winterthur
Als 1994 das an der EMPA entwickelte Verankerungssystem für CFK-Paralleldrahtbündel zuverlässig genug erschien, wurde nach einem Objekt für den weltweit erstmaligen Einsatz dieser Zugglieder gesucht. Es sollte sich dabei jedoch nicht um eine Fußgängerbrücke, sondern um eine durch Straßenverkehr hoch belastete Brücke handeln. Eine neu zu bauende Schrägseilbrücke, die Storchenbrücke, war in Winterthur in Planung und so kam man mit der Bauherrin, der Stadt Winterthur, ins Gespräch.
Bild 5: Storchenbrücke in Winterthur; Länge 124 m
Bild 6: CFK-Paralleldrahtbündel mit 241 CFK-Drähten und 1.2 MN Traglast
Es wurde entschieden, bei dieser Weltpremiere vorerst einmal zwei der Stahlseile durch CFK-Zugglieder zu ersetzen. Bis vor kurzem dachte man kaum daran, eine Brücke mit hybriden Zuggliedsystemen auszurüsten, denn das Problem der Differenz der thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl und CFK in Längsrichtung schien ein zu großes Hindernis zu sein. Die beiden Werte unterscheiden sich nämlich ungefähr um den Faktor 50. Diesbezüglich ist das Konzept der Storchenbrücke günstig, da es sich bei der Brückenplatte nicht um einen steifen Stahlbetonkasten, sondern um eine relativ weiche Verbundkonstruktion eines Stahlträgerrostes
6 geringer Bauhöhe mit Betonplatte handelt. Somit äußern sich die unterschiedlichen thermischen Längsausdehnungen der Zugglieder lediglich als geringe Laständerungen. Die gegenseitige Beeinflussung der unterschiedlichen Zuggliedmaterialien für verschiedenste Lastfälle wurde für die Storchenbrücke durch das projektierende Ingenieurbüro berechnet. Das Szenario für den Winter sieht so aus: durch die Verkürzung der Stahlzugglieder bei einer Abkühlung um 25 °C werden die CFK-Zugglieder um max. 10 % entlastet. Gleichzeitig liegt die Fahrbahnplatte im Bereich der CFK-Zugglieder um ca. 8 mm tiefer. Das Ganze gilt umgekehrt bei einer Erwärmung um 25 °C. Diese saisonal bedingte Mehrbelastung im Sommer führt nicht zu kritischen Spannungszuständen in den CFK-Zuggliedern. Die Paralleldrahtbündel für die Storchenbrücke wurden aus 241 CFK-Drähten mit Durchmesser 5 mm aufgebaut. Die Brücke wird seit ihrer Inbetriebnahme 1996 überwacht. Ausgewählte Drähte der Paralleldrahtbündel wurden vor dem Zusammenbau mit DMS und faseroptischen Sensoren (FOS) mit Bragg-Gittern versehen. Die sehr leichten CFK-Paralleldrahtbündel mit 7 kg/lfm ließen sich im Gegensatz zu den mit 37 kg/lfm schweren Stahlseilen bedeutend effizienter installieren. Die Ergebnisse des umfangreichen Überwachungsplans entsprechen den Erwartungen.
4.2
Brücke Kleine Emme bei Luzern
Über die Kleine Emme bei Luzern wurde ein schlanker einfacher Balken durch zwei im Untergurtrohr verlaufende CFK-Spannglieder unterspannt. Die 47 Meter lange Rad-/Gehwegbrücke wurde auf dem Installationsplatz im Verbund vorfabriziert, vorgespannt und als 130 t schwere Konstruktion mit einem mobilen Raupenkran versetzt. Bei der Auflösung des einfachen Balkens in seine Tragelemente erwies sich der Druckbogen mit dem Zugband als gegeben. An diesem Objekt kamen bei der Herstellung der Spannglieder erstmals CFK-Drähte mit integrierten faseroptischen Sensoren zum Einsatz [12]. Aus 5 mm dicken CFK-Drähten wurden Paralleldrahtbündel aus je 91 Drähten fabriziert, auf Bobinen von 2,5 m Durchmesser gerollt und nach Emmen transportiert. Die CFK-Paralleldrahtbün-del spannen seit Oktober 1998 den Untergurt der neuen Brücke. Die rechnerische Vorspannkraft wurde infolge der Zeit- und Temperaturabhängigkeit mit den Grenzwerten Vmax = 4800 kN und Vmin = 4300 kN festgelegt. Dabei beeinflussen Schwinden und Kriechen des Betons diese Untergurtvorspannung der Verbundkonstruktion nur über Deformationen 2. Ordnung. Die Sensoren, die der Prozessüberwachung dienten, übernehmen nun die kontinuierliche Überwachung der Spannglieddehnung und damit der Vorspannkraft im Untergurt. Auf diese oder ähnliche Weise können in Zukunft wichtige strukturelle Komponenten bei Tragwerken dauernd überwacht werden. Die Brücke über die Kleine Emme ist für die weitere Entwicklung von CFK-Spanngliedern aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung: erstens wegen des modernen Sensoreinsatzes und zweitens wegen der konstant hohen Beanspruchung der Glieder von rund 1350 MPa, welcher diese ausgesetzt sind. Die Messergebnisse über die vergangenen zehn Jahre entsprechen den hohen Erwartungen. Wie zu erwarten war, konnten in den CFK-Paralleldrahtbündeln keine Vorspannverluste infolge Relaxation festgestellt werden.
7
Bild 7: Brücke „Kleine Emme“
4.3
Brücke Verdasio im Tessin
Beim zweiten Objekt, das im Herbst 1998 mit CFK-Spanngliedern ausgerüstet wurde, handelt es sich um die Strassenbrücke über den Ri di Verdasio in Intragna (Südschweiz). Die Brücke wurde als zweifeldriger Stahlbeton-Kastenträger mit Spannweiten von 31,4 und 37,6 m konzipiert (Bild 8). Die Höhe der Mittelstütze beträgt 25 m. Die zweispurige Fahrbahn ist 6 m breit. Der einzellige Kastenträger ist mit 6 bzw. 8 Spanngliedern pro Feld voll vorgespannt. Eine routinemäßige Zustandsuntersuchung zeigte nach nur 14 Jahren Gebrauchsdauer nebst den „üblichen“ Schäden und Mängeln ein gravierendes Schadensbild. Die im Abstand von rund 2 m talseitig versetzten Belagsentwässerungsröhrchen, welche die Kragplatte beim Konsolkopf durchdringen, waren zu kurz und undicht. Salzhaltiges Wasser lief an diesen Stellen von der Fahrbahn durch die Kragplatte, an deren Unterseite entlang, über den Steg und um die Ecke bis an die Unterseite der unteren Kastenplatte. Eine umfassende Untersuchung ergab Chloridgehalte auf Höhe der schlaffen Bewehrung von bis zu 2,8 und auf Höhe der Vorspannung bis zu 2,0 Massenprozent bezogen auf die Zementmasse. Die Chloride drangen dabei bis zu 12 cm in den Steg ein. Ein Sondierfenster im Tiefpunkt der Vorspannung, Seite Locarno, eröffnete folgendes Schadensbild: die schlaffe Bewehrung wies lokal bis zu 100 % Querschnittsverlust auf. Das unten und außen liegende Stahlkabel zeigte nach Öffnung des korrodierten Hüllrohrs erhebliche Spuren von Lochfrasskorrosion, was an sechs weiteren Stellen bestätigt wurde, die restlichen drei Kabel waren trotz des hohen Chloridgehalts noch intakt. Die Tragsicherheit der Brücke wurde unter Annahme des Ausfalls des korrodierten sowie eines zweiten Kabels und unter Berücksichtigung der lokal korrodierten Bügelbewehrung überprüft. Vor allem aufgrund der durch die volle Vorspannung vorhandenen Tragreserven konnte die Tragsicherheit der Brücke auch in diesem kritischen Zustand dennoch nachgewiesen werden.
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Bild 8: Längsschnitt der Brücke über den Ri di Verdasio
Um ein weiteres Fortschreiten der sich im Gange befindlichen Korrosion zu stoppen und um die noch intakten Vorspannkabel vor Korrosion zu schützen, wurde die Brücke umgehend instand gesetzt. Obwohl die Tragsicherheit auch beim Ausfall des korrodierten Stahlkabels noch gegeben gewesen wäre, wurde seitens der Bauherrschaft gefordert, die ursprüngliche Tragfähigkeit der Brükke wiederherzustellen. Die Tragkraft des talseitig korrodierten Kabels sollte durch eine externe, im Brückenkasten verlaufende Vorspannung ersetzt werden. Die erforderliche Brückenverstärkung erfolgte mit polygonal verlaufenden Paralleldrahtbündeln aus CFK. Die Umlenkung von CFK-Kabeln wurde in der Vergangenheit infolge der Empfindlichkeit der CFK-Drähte bezüglich Schub- und Querbeanspruchung als kritisch erachtet. Nachdem die EMPA an einer Serie von Durchlaufträgern Untersuchungen mit umgelenkten CFK-Paralleldraht- und Litzen-Bündeln [13] erfolgreich abgeschlossen hatte, bot sich bei der Brücke über den Ri di Verdasio erstmals die Gelegenheit, diese CFK-Spannglieder als externe Vorspannkabel einzusetzen. Die Paralleldrahtbündel wurden, wie jene für die bereits erwähnten Objekte, durch Mitarbeiter der BBR Systems Ltd. und der EMPA in den Laboratorien der EMPA zusammengebaut und gerollt auf die Baustelle geliefert. Es wurden vier CFK-Spannglieder mit je 19 Drähten von 5 mm Durchmesser eingesetzt, wie sie auch bei den erwähnten Versuchen getestet worden waren. Aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse für die Anker in den Widerlagerkammern hätten keine größeren Einheiten verwendet werden können. Bei einem Vorspanngrad von 65 % resultiert eine initiale Spannkraft von 4 × 600 kN. Dies entspricht einer sehr hohen Dauerspannung von 1610 MPa in den CFK-Drähten. Die Bruchlast beträgt 4 × 912 kN. Die vier CFK-Spannglieder sind im Brückenkasten, auf der Innenseite des talseitigen Stegs, nebeneinander liegend und über die gesamte Brückenlänge polygonal verlaufend angeordnet. Der Außendurchmesser der Polyethylen-Hüllrohre beträgt lediglich 32 mm. Diese sind nicht injiziert worden. Auch bei dieser sehr hohen Vorspannung wurden keine Spannungsverluste infolge Relaxation festgestellt.
9 4.4
Dintelhaven Bridge in Rotterdam
Um die Anwendung von Hochleistungsfaserverbundwerkstoffen beim Bau von Tragwerken zu fördern, wurde im April 1994 in den Niederlanden die ad hoc Kommission PC97 unter der Aufsicht des „Centre for Civil Engineering Research and Codes (CUR)“ gegründet. Ziel der Kommissionsarbeit war Machbarkeitsstudien für Brücken-Pilotprojekte mit CFK-Zuggliedern zu erarbeiten. In April 1996 wurde dem Bereich Bauingenieurwesen des Niederländischen Verkehrsministeriums vorgeschlagen, bei der Dintelhaven-Spannbetonbrücke im Hafen von Rotterdam für die externe Vorspannung eine beschränkte Anzahl von CFK-Spanngliedern einzusetzen. Im November 1996 wurde die CUR Forschungskommission C97A mit der Überwachung dieses Vorhabens betraut. Die Dintelhavenbrücke ist aus zwei parallelen, durchlaufenden Kastenträgern über drei Felder aufgebaut. Die Hauptspannweite beträgt 185 m. Das Bauwerk wurde im Freivorbau erstellt. Vier CFK-Spannglieder von je 75 m Länge und je 2.65 MN Vorspannung kamen im Bereich der negativen Momente über den Auflagern des Hauptfeldes zum Einsatz. Die Kabelquerschnitte sind identisch mit jenen bei der oben beschriebenen Brücke über die Kleine Emme. Der TNO-Bericht 2001 kommt zu folgenden Schlussfolgerungen: 1. Die CFK-Paralleldrahtbündel wurden, abgesehen von gewissen Schwierigkeiten bezüglich Ungenauigkeiten in den Drahtlängen, erfolgreich zusammengebaut. Es konnten keine Unregelmäßigkeiten festgestellt werden. 2. Die Untersuchung zeigte, dass die bei der Installation beobachteten Probleme hauptsächlich mit der Neuartigkeit der Vorspannglieder zusammenhingen. Es wird erwartet, dass diese Probleme bei häufigerem Einsatz von CFK verschwinden. 3. Messungen der Relativverschiebungen in den Ankerhülsen und des Lastverlaufs während und nach der Vorspannung entsprachen den Erfahrungen aus den Labor-Langzeitversuchen. 4. Obwohl das Verhalten der CFK-Spannglieder den Erwartungen entspricht, wir empfohlen die Messungen langfristig weiterzuführen.
4.5
Brettschichtholz Druckbogen mit CFK Zugband
2007 wurde auf dem Areal der EMPA eine Fußgängerbrücke, bei der erstmals nicht laminierte, thermoplastische Strangschlaufen zum Einsatz kamen, gebaut. Der Brückenträger bestand ursprünglich aus einer ebenen Brettschichtholzplatte von 12 m Länge, 3 m Breite und 16 cm Höhe. Vor der Installation wurde die Platte in Querrichtung mit 40 thermoplastischen CFKBändern von je 0,12 mm Dicke vorgespannt. Eine Unterspannung mit 6 Zuggliedern aus thermoplastischen Strangschlaufen in Längsrichtung verformte schließlich die massive Holzplatte elastisch zu einem Bogen mit einer Pfeilhöhe von 11 cm. Die Holzplatte wurde schließlich mit einer auskragenden GFK-Platte abgedeckt, um das Holz vor der Witterung zu schützen. Als Werkstoffe kamen nur Holz (93.8 Vol%), GFK (5.9 Vol%) und CFK (0.3 Vol%) zum Einsatz. Der geringe erforderliche CFK-Materialaufwand ist der beste Beweis für die Leistungsfähigkeit dieses Materials als Zugglied. Die Brücke ist mit verschiedensten Sensorsystemen bestückt. In den ersten 18 Monaten entsprechen die Ergebnisse den Erwartungen.
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5
Szenarien für die zukünftige Entwicklung
Aus Sicht der Technik sind die bisherigen Ergebnisse der Pilotversuche sehr viel versprechend. Da beim Bau neuer Tragwerke heute meist nur die Investitionskosten und nicht jene über den gesamten Lebenszyklus einer Struktur beurteilt werden, sind die im Vergleich zu Stahl etwa viermal teureren CFK-Elemente nicht konkurrenzfähig. Wie geht es weiter? Haben CFKSpannglieder für Tragwerke eine Zukunft? Nehmen wir an, wir seien im Jahre 2018. Die praktischen Langzeiterfahrungen mit den Objekten Storchenbrücke, Brücke über die Kleine Emme, Ponte Ri di Verdasio und dem Brettschichtholz Druckbogen mit CFK Zugband entsprächen immer noch den ursprünglich gestellten Anforderungen. Die Einfachheit der Strangschlaufe überzeuge die Projektverfasser und steigere deren Innovation für einen vielfältigen Einsatz dieses universellen Zugelementes. Die Preise der Kohlenstofffasern würden aufgrund der heutigen, dramatischen Vergrößerung der Produktionskapazitäten nur noch EUR 20.- per kg im Gegensatz zu EUR 27.- per kg im Jahre 1998 betragen. Der Strangziehprozess zur Produktion von CFK-Drähten wäre mit thermoplastischen Matrixsystemen 50-mal schneller als 1998 mit einer entsprechend großen Reduktion der Produktionskosten. Die Nachhaltigkeit im Bauwesen würde von den Bauherren sehr ernst genommen. Bei Projektevaluationen ständen nicht mehr nur die Kosten für den Neubau bzw. die Erneuerung, sondern die Gesamtkosten über die Lebensdauer des Bauwerks im Vordergrund. Unter diesen Voraussetzungen ist anzunehmen, dass für Einsätze, bei denen Spannglieder aus Stahl unter Korrosions-, Spannungsrisskorrosions- und/oder Ermüdungsproblemen leiden würden, neu CFK-Spannelemente zur Verwendung kämen. Bei weit gespannten Schrägseilbrücken beispielsweise würde zudem die geringe Eigenlast der CFKSpannglieder (aus Drähten oder Strangschlaufen aufgebaut) und der daraus resultierende bedeutend bessere ideelle Modul [7] zu Gunsten dieses modernen Werkstoffs den Ausschlag geben. Es darf angenommen werden, dass die Markteinführung, falls die oben genannten Annahmen in Erfüllung gehen, ähnlich verlaufen wird, wie dies bei den CFK-Lamellen für die nachträgliche Verstärkung von Bauwerken der Fall war. Im Jahre 1987 wurde die Idee der Verstärkung mit CFK-Lamellen veröffentlicht [1]. Die Erarbeitung der Grundlagen im Laboratorium war zu jenem Zeitpunkt bereits weit fortgeschritten. Erst 4 Jahre später, 1991 kam es zur ersten Anwendung bei der Ibachbrücke in Luzern mit einem Materialaufwand von 6 kg CFK. Es dauerte weitere zehn Jahre bis die Idee zu einem globalen, kommerziellen Erfolg wurde. Falls sich der Einsatz von CFK-Zugelementen für Neubauten und die Sanierung bestehender Bauwerke in Zukunft auf den Brückenbau beschränkt, wird das Wachstum moderat verlaufen. Sollten allerdings CFK-Spannglieder in Zukunft auch für Objekte wie Off-Shore-Ölplattformen, wo sie prädestiniert wären, eingesetzt werden, wird der Einsatz dieses Materials ebenfalls exponentiell wie seinerzeit bei den CFK-Lamellen steigen. Nach heutigem Wissen ist es wirtschaftlicher, Plattformen, die tiefer als 1100 m („Break-even-Depth“) verankert werden müssen, mit CFK- anstelle von Stahl-Spanngliedern zu verankern. Im Hängebrückenbau liegt die „Break-even-Span“ [7], d. h. die Spannweite, ab der der Einsatz von CFK wirtschaftlicher ist als von Stahl, bei etwas über 4000 m. Für eine einzige Bohrinsel würde mit einem CFK-Aufwand von zirka 600 t gerechnet. Solche Projekte würden Spanngliedern aus CFK natürlich eine ungewöhnliche Dynamik verleihen und Firmen sowie Institutionen, die in den vergangenen 20 Jahren viel in die Entwicklung von Spanngliedern aus CFK investierten, etwas entschädigen.
11
6 [1] [2] [3]
[4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]
[11] [12] [13]
Literatur U. Meier, Material und Technik 1987, 15, 125–128. U. Meier, Construction and Building Materials 1995, 9 , 341–351. H. R. T. Hamilton III, J. Breen, A.-R. Nasser I, Stay Cable Surve,. Phil M. Ferguson Structural Engineering Laboratory, Department of Civil Engineering, Bureau of Engineering Research, The University of Texas at Austin, USA. February 15, 1995. B. Colford, Applying Advanced Bridge Management Plans to Achieve Best Value and Minimum Disruption, Asia Bridge Summit 2008. ACI 440.2R-08 Guide for the Design and Construction of Externally Bonded FRP Systems for Strengthening Concrete Structures, American Concrete Institute, 2008. I. Stöcklin, U. Meier, Proceedings FRPRCS-5, Cambridge, 2001, 291–296. U. Meier, Urs: Proc Instn Mech Engrs B2 IMechE 201, 1987, 73–78. Meier, U., US Patent 5'713'169, 1998. A. Winistörfer, T. Mottram, in Recent Advances in Bridge Engineering (Ed.: U. Meier, R. Betti), Columbia University, New York, 1997, 115–120. A. Winistörfer, Development of non-laminated advanced composite straps for civil engineering applications, Dissertation University of Warwick, UK, Department of Engineering, 1999. U. Meier, A. Winistörfer, US Patent 6'209'279, 2001. R. Brönnimann, P. Anderegg,. Ph. M. Nellen, Schweizer Ingenieur und Architekt 1999, 117, 350–354. A.Maissen, Structural Engineering International 1997, 284–287.
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Werkstoffe und Technologien für den Automobil Leichtbau Rudolf Stauber BMW Group München
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Einleitung
Der moderne Automobilbau ist mehr denn je geprägt von einer Vielzahl sich häufig widersprechender technischer und wirtschaftlicher Anforderungen. Hoher Nutzen für den Kunden, vor allem Sicherheit, Zuverlässigkeit, Wertigkeit, Fahrdynamik und Wirtschaftlichkeit, aber auch eine bestmögliche Erfüllung von Gesetzen und Auflagen (Altfahrzeugverordnung, Emissionsund Verbrauchsbegrenzung), erfordern die gezielte Weiterentwicklung und den Einsatz von modernen Werkstoffen und Verarbeitungstechnologien [1]. Standardmaterialien mit neuen Eigenschaften, aber auch Verbundwerkstoffe, Verbundbauweisen und hybride Bauweisen erschließen neuartige Möglichkeiten für das Kraftfahrzeug von morgen. Dieser Beitrag erläutert das komplexe Anforderungsspektrum im heutigen Automobilbau und beschreibt technische und wirtschaftliche Bauteilkonzepte für die Bereiche Karosserie und Struktur, Fahrwerk und Antrieb.
2
Metallische Werkstoffe
Schon seit den Anfängen des Automobilbaus kommt den metallischen Werkstoffen eine zentrale Rolle in allen Bereichen von Kraftfahrzeugen zu. In den Anfängen des Automobilbaus bestanden Kraftfahrzeuge zu etwa 70 Gewichtsprozent aus Stahl- und Gusseisenwerkstoffen, Bild 1. Leichtmetalle wurden nur vereinzelt eingesetzt. Moderne Kraftfahrzeuge in der Großserie verfügen heute über einen annähernd gleich hohen Gewichtsanteil an metallischen Werkstoffen. Allerdings ist der Anteil an Stahl und Gusseisen auf ca. 60 Gewichtsprozent zurückgegangen, während Leichtmetalle (Aluminium und Magnesium) heute zu etwa 10 Prozent am Gesamtgewicht eines Fahrzeugs vertreten sind, Bild 2. Hintergrund dafür sind im Wesentlichen die gestiegenen technischen Anforderungen bezüglich Leichtbau, Verbrauch und Sicherheit.
2.1
Stahl- und Gusseisenwerkstoffe
Stahl- und Gusseisenwerkstoffe werden auch heute in vielen Teilbereichen von Kraftfahrzeugen (Karosserie, Fahrwerk, Antrieb) eingesetzt. Neue Werkstoffentwicklungen auf dem Gebiet höherfester Stähle [2] und die Bereitstellung moderner Fertigungstechnologien [3] sichern auch zukünftig die Wettbewerbsfähigkeit von Stahl- und Gusseisenwerkstoffen gegenüber Leichtmetallen und Kunststoffen ab.
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Bild 1: Werkstoffeinsatz im Automobil der 20er-Jahre – der BMW Dixi
Bild 2: Werkstoffeinsatz in der BMW-3er-Reihe
14 Höherfeste Stähle mit Streckgrenzen über 180 MPa und Mehrphasenstähle mit Streckgrenzen bis zu über 1000 MPa werden heute in allen Bereichen des Karosseriebaus eingesetzt und tragen maßgeblich zur Erfüllung der hohen Anforderungen bezüglich Leichtbau, Steifigkeit und Sicherheit bei. Am Beispiel der BMW-1er-Reihe verdeutlicht Bild 3 den maßgeschneiderten Einsatz von hochfesten Stählen und Mehrphasenstählen in einem aktuellen Fahrzeug aus der Großserie. Moderne Verarbeitungstechnologien wie die Herstellung von Tailor-Welded Blanks und Tailor-Rolled Blanks [2, 4] erlauben die maßgeschneiderte Darstellung von Bauteilen mit beanspruchungsoptimierten Eigenschaften.
Bild 3: Höherfeste Stähle in der BMW-1er-Reihe
Gusseisenwerkstoffe spielen nach wie vor eine wesentliche Rolle, beispielsweise werden für Bremsscheiben Gusseisenwerkstoffe mit verbesserter Verschleißfestigkeit und thermischer Belastbarkeit entwickelt; gusseiserne Kurbelwellen kommen induktionsgehärtet oder austenitisch getempert (ADI: Austempered Ductile Iron) zum Einsatz [5] oder enthalten Vermiculargraphit (GGV) [6].
2.2
Leichtmetalle
Leichtmetalle werden heute sowohl im Karosseriebau als auch für Bauteile des Fahrwerks und des Antriebs verwendet. Als klassischer Leichtbauwerkstoff ist Aluminium seit mehreren Jahrzehnten etabliert. Für die Herstellung von Aluminium-Bauteilen stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung, zum Beispiel kommen Gussteile, Strangpressprofile oder innenhochdruckumgeformte (IHU) Komponenten [7] zum Einsatz. Neuere Anwendungen im Karosseriebau sind Teilstrukturen aus Aluminium-Guss und Aluminium-Profilen. Bild 4 zeigt am Beispiel der BMW-5er-Reihe einen kompletten Karosserie-Vorderbau aus Aluminium.
15 Diese Konstruktion unterstützt den Fahrzeugleichtbau nachhaltig mit einer Gewichtsersparnis gegenüber Stahl von etwa 20 kg [8]. Ebenfalls zur Reduzierung des Fahrzeuggewichts werden heute vermehrt auch Anbauteile aus Aluminium eingesetzt, Bild 5 [9].
Bild 4: Aluminium-Vorderbau in der BMW-5er-Reihe
Bild 5: Werkstoffmix in der BMW-6er-Reihe
Mitte der 90er-Jahre wurden Fahrzeugachsen erstmals komplett aus Aluminium gefertigt [10]. Diese Bauweise ist nach wie vor hochaktuell. Bild 6 zeigt das Bauprinzip am Beispiel der Hinterachsen der aktuellen BMW-5er-Baureihe. Der Gewichtsvorteil des Aluminium-
16 Fahrwerks gegenüber einer vergleichbaren Konstruktion aus Stahl trägt mit einer Gewichtsreduktion um mehr als 20 % zum Fahrzeugleichtbau bei und wirkt sich aufgrund der geringen ungefederten Massen positiv auf die Fahrdynamik aus [11]. Dieser Leichtbau-Trend im Fahrwerksbereich wird darüber hinaus nachhaltig unterstützt durch nachhaltige Leichtbau-Verbund-Bremsscheiben (Bild 7) bei denen die innere Topfstruktur aus Aluminium und nur noch der äußere Reibring aus Grauguss gefertigt wird.
Bild 6: Aluminium-Hinterachse der BMW-5er-Reihe
Für viele Bauteile des Antriebs (z. B. Motor-Kurbelgehäuse, Zylinderkopfabdeckung, Getriebegehäuse, Gelenkwelle) hat sich Aluminium als klassischer Leichtbauwerkstoff seit vielen Jahren bewährt [12]. Eine aktuelle Revolution im Motorenbau ist die Kombination von Aluminium und Magnesium, um das Gewicht von Verbrennungsmotoren weiter merklich zu senken [13]. Diese innovative Mischbauweise wurde erstmals 2004 in der neuen 6-Zylinder-Motorengeneration von BMW vorgestellt (Bild 8). Im Vergleich zu einer Konstruktion nur aus Alumin-
Bild 7: Leichtbau-Verbund-Bremsscheibe
Bild 8: Al/Mg-Verbundkurbelgehäuse (Al-Insert teilweise freigelegt)
17 ium können so etwa 10 kg an Gewicht eingespart werden. Leichtbau und Fahrdynamik werden durch diese Bauweise gezielt unterstützt. Magnesium bietet sich aufgrund seines geringen spezifischen Gewichts von nur 1,7 g/cm3 als Leichtbauwerkstoff für die Zukunft an. Moderne Kraftfahrzeuge in der Großserie verfügen heute über Bauteile aus Magnesium mit einem Gesamtgewicht von etwa 6 kg. Typische Beispiele sind Lenkradschlösser und Instrumententafel-Träger. Bild 9 zeigt den gusstechnisch hergestellten Instrumententafel-Träger des MINI, der zahlreiche Funktionen in einem Bauteil integriert. Prognosen postulieren mittelfristig einen Anstieg des Magnesium-Anteils auf bis zu 25 kg pro Fahrzeug. Potenzielle Magnesium-Bauteile in zukünftigen Automobilen sind z. B. Karosserie-Anbauteile oder Klappen, für die allerdings noch geeignete Korrosionsschutzmaßnahmen und Magnesium-Legierungen mit ausreichender Verformbarkeit und Duktilität für die Herstellung von Magnesium-Blechen entwickelt werden müssen [14].
Bild 9: Magnesium-Instrumententafel-Träger des Mini
2.3
Metallschäume
Während der letzten Jahre beschäftigt man sich intensiv mit Metallschäumen und postuliert ihren Einsatz für den gezielten Leichtbau [15]. Basierend auf den Erkenntnissen der Bionik versucht man, das Prinzip der stabilen, optimierten Bauweise von Knochenstrukturen in der Anwendung von Metallschäumen zu nutzen. Für Nischenanwendungen bieten sich metallgeschäumte Bauteile zur Erhöhung der Struktursteifigkeit an, jedoch sind häufig vergleichbare Lösungen auch durch den Einsatz größerer Blechdicken erreichbar, die in wirtschaftlicher Konkurrenz zu den Metallschäumen stehen.
18
3
Kunststoffe
Kunststoffe, insbesondere thermoplastische und duroplastische Werkstoffe, sind mittlerweile als Standardwerkstoffe im modernen Automobilbau fest etabliert [16], Bild 10.
Bild 10: Entwicklung des Kunststoffeinsatzes bei BMW seit 1978
Kunststoffe finden Verwendung in allen Teilbereichen von Kraftfahrzeugen; sie ermöglichen häufig eine im Vergleich zu metallischen Werkstoffen kostengünstigere Bauteilgestaltung. Darüber hinaus lassen sich aus Kunststoffen Bauteilgeometrien darstellen, die mit metallischen Werkstoffen nicht realisierbar sind. Weiterhin unterstützen Kunststoffe nachhaltig eine hohe Wertigkeit und Anmutung im Fahrzeuginnenraum.
3.1
Thermoplaste
Neben zahlreichen mittels Spritzgussverfahren oder Blasformtechnik hergestellten Bauteilen, z. B. Motor-Anbauteilen [17] oder Kraftstoffbehältern aus Kunststoff, stehen zurzeit KarosserieAnbauteile aus thermoplastischen Kunststoffen besonders im Vordergrund. Bild 11 zeigt die Thermoplast-Seitenwand des BMW-3er-Coupé/Cabrio aus hochwärmebeständigem PA66 + ABS + 8% Mineral [18]. Dieses Bauteil wird bereits im Rohbau an der metallischen Fahrzeugstruktur befestigt und im online-Lackierprozess völlig identisch zu metallischen Anbauteilen behandelt. Bei der Gestaltung derartiger Bauteile tragen spezielle Befestigungssysteme der Längenausdehnung der thermoplastischen Kunststoffe über den Temperatureinsatzbereich von –30 °C bis +90 °C Rechnung [19]. Aktuell in der Diskussion und auch im Automobilbau schon vereinzelt dargestellt sind transparente Verscheibungen aus thermoplastischem Kunststoff, insbesondere aus Polycarbonat [20]. Ziel derartiger Konstruktionsprinzipien ist es, Bauteilgewicht gegenüber Glas einzusparen und mehrere Bauteilfunktionen in einem Herstellungsprozess darzustellen [21]. Neben gesetzli-
19 chen Rahmenbedingungen, die heute noch nicht für alle Scheiben in Kraftfahrzeugen den Ersatz von Glas durch Kunststoff zulassen, sind bei der Verwendung von Polycarbonat insbesondere das im Vergleich zu Glas unterschiedliche Längenausdehnungsverhalten sowie andersartige akustische Eigenschaften besonders zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird zurzeit an der Verbesserung von Kratzfestigkeit und Langzeitbeständigkeit von Kunststoff-Verscheibungen gearbeitet.
Bild 11: Vordere Seitenwand aus Thermoplast beim BMW 3er Coupé/Cabriolet
3.2
Duroplaste
Bauteile aus duroplastischem Kunststoff sind bereits seit vielen Jahren im Automobilbau bekannt. Im Vordergrund stehen im RRIM-Verfahren (Reinforced Reaction Injection Moulding) gefertigte Duroplaste und SMC-Anwendungen (Sheet Moulded Compound) [9]. Insbesondere diese Werkstoffe haben das Potenzial, komplexe Geometrien bei gleichzeitig hoher thermischer Beständigkeit darzustellen. Besonders im Vordergrund stehen zurzeit Anwendungen im Bereich der Karosserie-Außenhaut. Bild 12 zeigt die SMC-Heckklappe der BMW 6er Reihe. Derartige Bauteile werden aus Ober- und Unterschale gefertigt, die klebetechnisch gefügt werden. Dieses Konstruktionsprinzip ermöglicht bestmögliche Formstabilität auch bei hohen Temperaturen (Online-Lackierprozess) und eignet sich besonders für die Herstellung von Bauteilen mit Class-A-Oberfläche.
3.3
Kunststoffoberflächen
Technische Kunststoffoberflächen tragen maßgeblich dazu bei, den Innenraum von Kraftfahrzeugen hochwertig, anmutend und langlebig zu gestalten. Stand der Technik heute sind
20 Formhäute und Folien, die insbesondere zur Gestaltung von Instrumententafeln und Türverkleidungen verwendet werden [23]. Für die Gestaltung von Formhäuten sind mit der PowderSlush-Technik und der Sprühtechnik zwei gleichwertige Verfahren etabliert. Ein aktuelles Beispiel einer innovativen Herstellungstechnologie ist die IMC-Slush-Technologie (IMC: InMould Coating) zur Herstellung hochwertiger Kunststoffoberflächen [23]. Hierbei wird eine IMC-Lackschicht auf einem im Powder-Slush-Verfahren gefertigten Substrat realisiert. Optik,
Bild 12: Heckklappe aus SMC in der BMW-6er-Reihe
Bild 13: Instrumententafel der BMW-6er-Reihe
21 Haptik, Kratzbeständigkeit und Lichtechtheit lassen sich gezielt einstellen, insbesondere lässt sich die Haptik der Oberfläche unabhängig vom Substrat variieren. Das IMC-Slush-Verfahren findet in der Instrumententafel der BMW-6er-Reihe Serienanwendung, Bild 13.
4
Neue Werkstoffe
Neue Werkstoffe, insbesondere so genannte Smart Materials [24] und Nanowerkstoffe [25], erschließen bereits heute und sicher auch in Zukunft neue Dimensionen im modernen Automobilbau.
4.1
Smart Materials
Smart Materials haben die Eigenschaft, Veränderungen der Umgebungs- und Betriebsbedingungen zu erkennen und auf diese unter Ausnutzung ihrer aktuatorischen und sensorischen Fähigkeiten zu reagieren. Beispiele für derartige Werkstoffe sind so genannte Formgedächtnislegierungen [26]. Diese Werkstoffe sind in der Lage, auf Temperaturänderungen mit Formänderungen zu reagieren. Dieser Effekt kann z. B. regeltechnisch oder in Form von Verschlussmechanismen für Klappen genutzt werden. Magneto- und elektrorheologische Flüssigkeiten haben das Potenzial, zukünftig in aktiven Dämpfungssystemen Verwendung zu finden [24]. Diese Suspensionen magnetisch bzw. elektrisch polarisierbarer Mikropartikel verändern bei Anwesenheit entsprechender äußerer Felder ihre Viskosität, zum Teil um mehrere Größenordnungen. Piezoelektrische Keramiken reagieren auf eine angelegte elektrische Spannung mit Ausdehnung oder Kontraktion und bauen bei Formänderung umgekehrt eine elektrische Spannung auf. Sie werden zurzeit im Automobilbau mit dem Potenzial diskutiert, Schadensfrüherkennung zu ermöglichen oder das Schwingungsverhalten von Bauteilen gezielt einstellen zu können.
4.2
Nanowerkstoffe
Nanowerkstoffe finden bereits großtechnische Anwendung in verschiedenen Bereichen außerhalb des Fahrzeugbaus, wie zum Beispiel der Chemischen Industrie, der Kosmetikindustrie oder der Farben- und Lackindustrie. Für den Automobilbau stehen folgende Eigenschaften dieser Werkstoffklasse besonders im Vordergrund [24]: • • • • • • • •
verbesserte mechanische Festigkeit verbesserte Abrieb- und Kratzfestigkeit reduzierte Reibung schmutzabweisender Charakter selbstreinigende Eigenschaften antireflektierende Eigenschaften einstellbares Benetzungsverhalten etc.
22 Diese Eigenschaften bieten ein breites Potenzial für innovative automobiltechnische Anwendungen wie: • • • • • • • •
antireflektierende Oberflächen (zum Beispiel Instrumentenabdeckungen) beschlagfreie Oberflächen (zum Beispiel Spiegel, Scheiben) selbstreinigende Oberflächen (zum Beispiel Leichtmetall-Felgen) kratzfeste Lacke Verschleißschutzschichten schaltbare Klebstoffe (magnetische Nanopartikel) nanopartikelverstärkte Kunststoffe und Metalle etc.
Zahlreiche nanotechnologische Anwendungen für den Automobilbau befinden sich zurzeit noch im Entwicklungsstadium [28]. Voraussetzung für eine Umsetzung in der Großserie sind vor allem eine ausreichende Langzeitbeständigkeit der dargestellten Funktionen und gesamtwirtschaftliche Aspekte. Mittel- bis langfristig sind zahlreiche Applikationen der oben beschriebenen nanotechnologischen Innovationen im Automobilbau zu erwarten [29].
4.3
Verbunde und Beschichtungen
Verbundwerkstoffe sind eine verhältnismäßig neue Werkstoffgruppe im Automobilbau. Durch Partikel- oder Faserverstärkung wird ein Matrixwerkstoff verstärkt, wodurch und die mechanisch-technologischen Kennwerte des Verbundes verbessert werden. Für den Leichtbau kommen Verbundwerkstoffe mit einer Leichtmetall- oder Polymermatrix zur Anwendung, welche durch gezielte Eigenschaftsveränderungen neue Einsatzgebiete eröffnen, in denen die unverstärkten Werkstoffe bisher nicht eingesetzt werden können. Insbesondere die Fertigungsroute ist bei Verbunden entscheidend für einen wirtschaftlichen Serieneinsatz. Ein Verbundwerkstoff, der zusätzliches Leichtbaupotential im Karosseriebau eröffnet, ist CFK. Mit dem CFK-Dach des neuen BMW M3 ist es gelungen, diesen Verbundwerkstoff serientauglich in einem großflächigen Karosseriebauteil einzusetzen, Bild 14. Das gegenüber dem Stahldach um ca. 5 kg reduzierte Bauteilgewicht bewirkt neben günstigeren Verbrauchswerten auch eine deutlich verbesserte Fahrdynamik als Folge des abgesenkten Fahrzeugschwerpunktes. Durch die bewusste Gestaltung des Bauteils in Carbon-Sichtoptik erhält das Fahrzeug zudem eine besondere Wertigkeit. Die Prozesskette zur Darstellung des CFKDachs besteht aus Preformerzeugung, RTM-Prozess (Resin Transfer Moulding), Fräsen, Zweischicht-Lackierung und schließlich der Verklebung an die Karosserie. Ein weiteres Beispiel für die Erschließung neuer Einsatzbereiche für Leichtbauwerkstoffe mittels Verstärkung sind MMC-Werkstoffe (Metal Matrix Composites). Der Verbund, z.B. mit Siliziumcarbid, ermöglicht den Einsatz von Magnesium auch für stark dynamisch belastete Aggregatehalter [30]. Die an das Mg-Al-Verbundkurbelgehäuse angebundenen Aggregatehalter müssen heute zur Unterbindung der Kontaktkorrosion in speziellen kupferfreien Aluminiumlegierungen ausgeführt werden. Alternativ dazu bietet sich für diesen Einsatzfall auch die Magnesiumlegierung AJ62 als Leichtbauwerkstoff an. Aufgrund der besonderen Anforderungen hinsichtlich
23 Schwingfestigkeit dieser Bauteile ist dies allerdings nur mit einem speziellen SiC-AJ62-Verbundwerkstoff möglich, Bild 15. Durch die Verstärkung der Magnesiumlegierung mit SiC-Partikeln können alle funktionalen Anforderungen bei einer gleichzeitig deutlichen Gewichtsreduktion von ca. 30 % erfüllt werden. Eine weitere Möglichkeit, Bauteile hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften zu ertüchtigen, sind hochverschleißfeste Beschichtungen. Diese kommen verstärkt bei hohen tribo-
Bild 14: CFK-Dach (BMW M3)
Bild 15: Topologieoptimierter MMC-Lenkhilfepumpenhalter
24 logischen Beanspruchungen zum Einsatz. Bild 16 zeigt einen DLC-beschichteten Schlepphebel aus der BMW K-Motorrad-Baureihe.
Bild 16: DLC-Schlepphebel (BMW K1200-Reihe)
Aufgrund der hohen Anforderungen an Gleit- und Verschleißschutzschichten im Schlepphebel bei Drehzahlen bis zu 10 800 U/min kommt in der Motorrad K1200-Reihe das Beschichtungssystem Diamond-Like Carbon (DLC) zum Serieneinsatz. Die erhöhte Standfestigkeit durch stark verminderte Reibung bei gleichzeitig hoher Härte von DLC wird durch eine extrem niedrige Schichtdicke von 3 μm erzielt. Hierzu muss die Oberfläche des im Stahl-Feinguss hergestellten und vergüteten Schlepphebels eine gemittelte Rautiefe von 0,8 μm aufweisen.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Werkstoffe tragen im modernen Automobilbau ganz wesentlich dazu bei, die bestmögliche Bauteilgestaltung in einer komplexen technischen und wirtschaftlichen Anforderungsmatrix zu ermöglichen. Bild 17 zeigt einen groben Trend für die anteilige Verwendung der drei Werkst-
Bild 17: Werkstoffe im Automobilbau - Trends
25 off-Hauptklassen der Stähle, Leichtmetalle und Kunststoffe. In Fachkreisen geht man davon aus, dass der Anteil an Kunststoffen in der Automobil-Großindustrie mittelfristig auf etwa 20 Gew.-% ansteigen wird. Hintergrund dafür ist die zunehmende Realisierung von KarosserieAnbauteilen aus Kunststoff. Leichtmetalle (Aluminium, Magnesium) unterstützen gezielt den Kraftfahrzeugleichtbau und werden sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus technischen Gründen ebenfalls mittelfristig mit etwa 20 Gew.-% im Fahrzeugbau in der Großserie vertreten sein. Hochfeste Stähle und maßgeschneiderte Stahlplatinen sind besonders wirtschaftlich und werden weiterhin nachhaltig die Automobilbautechnik gestalten. Werkstoffe stehen mehr denn je zueinander im Wettbewerb. Es gibt heute und auch in Zukunft nicht den richtigen Werkstoff, sondern den bestgeeigneten Werkstoff für die jeweilige Anwendung zur bestmöglichen Erfüllung des oben beschriebenen komplexen Anforderungsspektrums.
6 [1] [2]
[3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]
[10] [11] [12] [13] [14]
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Werkstoffverbunde im Automobilbau – neue Systemlösungen für komplexe Anforderungsprofile Bertram Reinhold AUDI AG Ingolstadt
Kay Angermann AL-KO Dämpfungstechnik GmbH, Hartha
1
Motivation zum automobilen Leichtbau
1.1
Faktor Gewicht
Durch den Zuwachs von mechanischen und elektronischen Helfern, permanent verbesserte Sicherheitseinrichtungen und erweiterten Komfortausstattungen wird ständig Mehrgewicht verursacht. Als Beispiel hierfür kann das Gewicht des Kleinwagens Smart herangezogen werden: mit 800 kg (Baujahr 2000) ist dieses noch immer höher als das des Golf 1 im Baujahr 1974 (774 kg). Abb. 1 zeigt, dass etwa alle 10 Jahre die Gewichte der nächst höheren Fahrzeugklasse erreicht werden.
Abb. 1: Gewichtsentwicklung der Mercedes-Modellreihen (Quelle: Daimler AG [1])
Für den Gewichtszuwachs in den Modellreihen gibt es verschiedenen Gründe, jedoch zeichnen die gewachsenen Sicherheitsanforderungen als auch die Gesetzgebung hauptverantwortlich; die Komfortansprüche des Kunden sind überraschenderweise drittrangig, vgl. Abb. 2.
28
Abb. 2: Gewichtsentwicklung im Automobilbau (Quelle: Audi AG [3])
1.2
Faktoren Emissionen und Gesetzgebung
Der moderne Leichtbau war bzw. ist noch vorrangig auf die Kompensation von Komfortausstattungen ausgerichtet, um freiwillig auferlegten Ziele oder die gesetzlich vorgeschriebenen Rahmenbedingungen des Umweltschutzes zu erfüllen. Um zum aktiven Umweltschutz beizutragen, hat die ACEA (European Carmakers` Association) eine Senkung der CO2-Emissionen für Neufahrzeuge beschlossen. Demnach sollte in einem Stufenplan bis 2008 der durchschnittliche CO2-Ausstoß um 22 Prozent gesenkt werden. Die EU sieht darüber hinaus eine Weiterführung um 11 Prozent bis 2012 vor. Um diese Ziele zu erreichen, muss ein Durchschnittskraftstoffverbrauch der Fahrzeuge von 5,6 l/100km bis 2008 und von 4,8l l/100km bis 2012 realisiert werden [2]. Diese Verschärfung der allgemeinen Rahmenbedingungen und die Androhung gesetzlich verordneter Strafgelder führen sowohl Zwängen bei der Entwicklung zukünftiger Antriebskonzepte als auch zu Zwängen beim Einsatz von Werkstoff- und Fügetechnologien.
1.3
Gegenpol Kosten und Kompromisssuche
Leichtbauinnovationen sind nicht ohne erhebliche Mehrkosten zu bewerkstelligen. Allein der Einsatz von Aluminium als Außenhaut verlangt eine aluminiumtypische Prozessführung für Vorbehandlung und Lackiererei, erfordert neue Füge- (Stanznietkleben, Clinchkleben) und Schweißtechnologien. Zusätzlich sind die Aluminiumbleche der Legierungsfamilie AlMgSi auch noch kostenintensiver als verzinkte Stahlbleche. Es lässt sich also schlussfolgern, dass zukünftige, aus Werkstoffverbunden bestehende, verbrauchsoptimierte kleinere Automobile nicht etwa wesentlich weniger kosten. Die OEM´s sind bereit, dort Werkstoffverbund-Lösungen ein-
29 zusetzen, wenn der Kostenzuwachs pro eingesparten Gewicht noch “akzeptabel“ ist, der industrieweit akzeptierte Durchschnitt liegt hier bei 5 €/kg , vgl. Abb. 3.
Abb. 3: Grenzkostenbetrachtung Leichtbau nach [1]
Es wird nicht mehr möglich sein, den Trend fortlaufender Gewichtserhöhung in den Modellreihen ohne eine Kehrtwende in der Werkstofftechnologie herbeizuführen. Dies heißt konkret, dass anstelle des jahrelang bewährten Einsatzes von elektrolytisch verzinkten und kaltgewalzten Bandstählen (DIN EN 10152) in der Fahrzeugstruktur leichtere Materialen mit höheren Festigkeiten und mindestens gleich hoher Energieaufnahme Einzug halten müssen. Und dies funktioniert nur in einem Verbund herausragender Materialeigenschaften – in einer Mischbauweise (Karosserie) sowie in einer Hybridbauweise von Modulträgern und Aggregaten.
2
Vom Leichtbau zur Mischbauweise
Bereits 1923 wurde der erste Leichtmetallmotor konstruiert und eine Vollaluminium-Karosserie gebaut [3]. Bei Audi begann das Zeitalter des Serien-Aluminium-Leichtbaus 1983. Zwei Jahre später erfolgte die Präsentation einer Studie mit Aluminiumkarosserie in Schalenbauweise auf der Hannover Messe (Audi C3). Auch andere Hersteller widmeten sich diesem Konstruktionsmaterial. Der Honda NSX (SOP 1991) war der erste Sportwagen mit einer Aluminium-Karosserie. Sofern Aluminium als Anbauteil in die Karosseriestruktur einfließt, gibt es zwar noch keine typischen Werkstoffverbunde, jedoch entsteht zwangsläufig ein gewisser Mischbau, da die Aluminiumteile (wie etwa Kotflügel oder Klappen) über Scharniere, Halter und Verbindungselemente mit Stahl verbunden werden müssen. Mit Hybrid-Strukturen, die im Karosseriebau durch gemeinsame Flanschanlagen unterschiedlicher Werkstoffe (Formschluss) oder thermische Fügeverfahren gebildet werden, hat dies nichts zu tun – dennoch werden hier die ersten Erfahrungen im Thema Werkstoffverbunde gesammelt: Die unterschiedlichen elektrochemischen Potenziale (nach der praktischen Spannungsreihe der Metalle) verursachen Kontaktkorrosion. Diese Korrosionsproblematik bei einem Mischbau Stahl/Aluminium hat der Entwicklung von entsprechend kompatiblen Oberflächenschichten sowie geeigneter Verklebungen Nachhaltigkeit gegeben, so dass zumindest zur Vermeidung elektrochemischer Korrosion zwischen Stahl,
30
Abb. 4: Meilensteine des Audi-Leichtbaus
hochfesten Stählen (Usibor 22MnB5 formgehärtet), Aluminium- und Magnesium-Legierungen entsprechend hochwertige Beschichtungen zur Verfügung stehen [4]. Abb. 5 zeigt Mischbaupartien am neuen Audi TT. Hier kann man nun bereits von Werkstoffverbunden sprechen, da es sich um tragende Strukturbauteile handelt, die miteinander gefügt wurden. Der Rohbau-Gewichtsvorteil beträgt beim neuen Audi TT 48% gegenüber einer reinen Stahlkarosserie. Durch den großzügigen Einsatz von Aluminium in der Karosseriestruktur des neuen Audi TT konnte die Energieaufnahme E = ³ F ds – und folglich die Insassensicherheit – im Seitenund Frontalcrash deutlich erhöht werden. Als Fügtechnik für die Mischbaupartien Stahl (verzinkt)/Aluminium im Hinterwagen kommt im wesentlichen das Stanznietkleben zum Einsatz. Ein Beispiel für angewandten Mischbau in der Karosseriestruktur (Audi A4 B6) zeigt Abb. 6. Das hier zum Einsatz gelangte Aluminiumprofil zur Erhöhung der Biegesteifigkeit des Schwellers zeigt, dass Gewichtsreduzierung bei gleichzeitiger Erhöhung des Widerstandsmomentes möglich ist, wenn das Flächenträgheitsmoment durch Topologieoptimierung erhöht wird. Letztlich wird der Steifigkeitsgewinn durch eine “Wabenstruktur“ mit hohem Flächenträgheitsmoment des Strangpressprofiles erreicht – trotz reduzierten E-Moduls. Als Verbindungstechnik kommt das Stanznieten zum Einsatz, noch wird ein „drittes Bauteil“ benötigt; der echte Werkstoffverbund aus werkstofftechnischer Sicht wäre ein stoffschlüssiges Fügen.
3
Vom Mischbau zum Werkstoffverbund
Tailored Blanks spielen im Karosseriebau eine bedeutende Rolle für den Leichtbau der Karosserie. Neben Blechen gleicher Werkstoffspezifikation und unterschiedlicher Materialstärke
31
Abb. 5: Audi TT in ASF-Misch-bauweise. Karosseriegewicht 206 kg, davon 69% Alu.
Abb. 6: Verstärkung des verzinkten Stahlschwellers mit einem Aluminium-Strangpressprofil zur Erhöhung der Biegesteifigkeit bei einem eventuellen Seitencrash. Die Verbindungstechnik erfolgt über hochvergütete Stanzniete aus 35B2, die mit einer ternären Kompositschicht beschichtet wurden.
werden aber auch Bleche mit verschiedenen Werkstoffspezifikationen und Materialstärken zu Tailored Blanks verbunden. Als Verbindungstechnik wurde das Laserstrahlschweißen bekannt und seitens der Thyssen Stahl AG patentiert [5]. So interessant die Technologie auch ist, problematisch bleibt die Verbindungsfestigkeit in der Schweißzone, die durch eine spröde Phasenkonfiguration (u.a. Fe2Al5-Phase) gekennzeichnet ist. Aus diesem Grunde eignen sich derartige Hybrid-Tailored Blanks nicht für Teile an der Außenhaut oder in korrosionskritischen Einbau-
32 lagen, denn die Korrosionsproblematik kommt zum Festigkeitsproblem noch hinzu. Reibschweißverbindungen aus Stahl/Aluminium umgehen zwar das Problem der intermetallischen Phasen beim Schmelzschweißen, jedoch sind die Zugfestigkeiten dieser Verbindungen zu gering. Die Problematik der intermetallischen Phasen zeigt sich gut am Beispiel des Korrosionsschutzes Usibor (AlSi7,5) für hochfesten Stahl 22MnB5 nach dem Formhärten, siehe Abb. 7. Beim Formhärten von Tailored Blanks kommt es zur Austenitisierung des Stahls und zum Umschmelzen einer Aluminiumschicht – wie letztlich auch beim Laserstrahlschweißen. Mittels XRB-Analyse wurden die Phasen Fe2Al5 bzw. Fe2Al5Six in der Umschmelzzone nachgewiesen, die zu einer gewissen Sprödigkeit der Beschichtung führen.
Abb. 7: Umgeschmolzene Aluminiumschicht AlSi7,5 auf Vergütungsstahl nach der Austenitierung und rascher Abkühlung. Durch Diffusion von Eisen in Aluminium kommt es zu einer spröden, harten Phasenkonfiguration, die eine Rissigkeit auf der Aluminiumseite verursacht. Dieser Sachverhalt steht einem Serieneinsatz thermisch gefügter Fe/Al-Verbindungen entgegen.
Was hier noch für eine Beschichtung akzeptiert werden kann, ist jedoch nicht auf Bulkmaterial in der Karosseriestruktur übertragbar. Aus diesem Grund sind zwingend verstärkte Forschungen zur thermischen oder mechanischen Fügung von Stahl/Aluminium mit Unterdrückung der Ausbildung spröder intermetallischer Phasen erforderlich. Die aus Automobilsicht aussichtsreichsten thermischen Fügeverfahren für Hybrid-Werkstoffverbunde Stahl (verzinkt)/Aluminium für die Karosseriestruktur sind derzeit das Punktschweißverfahren (inklusive Strukturverklebung, d.h. Punktschweißklebung) sowie das Laserlöten mit Zinkbasisloten als Zusatzwerkstoff. Diese Löt-Schweißverbindungen minimieren die Problematik der intermetallischen Phasen, da die Prozesstemperaturen < 700°C liegen, so dass sich aluminiumseitig Schweiß- und stahlseitig Lötverbindungen ausbilden. Problematisch ist hier noch der Korrosionsschutz, da die Zinkbasislote wie ZnAl 15 einer starken Eigenkorrosion unterliegen, siehe Abb. 8 [6].
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Abb. 8: Laserlötnaht zwischen DC04 + ZE75/75P–Aluminium AlMg5Mn. Als Zusatzlot kam ZnAl 15 zum Einsatz (Versuchsteil). Lot-Schweiß-Verbindung als sog. Cold Metal-Transfer-Prozess.
In Bezug zur Hybridbauweise ist das Kaltpressschweißen von Aluminium und Stahl eine Neuentwicklung, wo mittels eines Walzverfahrens die Fügung erreicht wird, die sich, im Gegensatz zum überlappenden Laserstrahlverfahren, blecheben darstellt. In Zugversuchen wurden Verbindungsfestigkeiten von ca. 80 N/mm² ermittelt – leider für Automobil-Anforderung noch zu gering [7]. Letztlich sei auf eine Entwicklung des FHG für Lasertechnik (ILT) verwiesen, in der ein lasergestütztes Verbinden von Kunststoff und Metall vorgestellt wird. Bei diesem Verfahren wird das Metallbauteil unter mechanischem Druck auf das Kunststoffteil gedrückt und anschließend durch das Kunststoffteil hindurch mit Laserstrahlung erwärmt und mittels weiteren mechanischen Druck in den Kunststoff gepresst. Es wird eine feste formschlüssige Verbindung erzielt. Dieses Verfahren könnte für Interieur-Anwendungen von großem Interesse sein.
4
Werkstoffverbunde im Karosserie- und Aggregatebereich
Bemerkenswert ist das Bauteil Dachrahmen am Audi A6. Ein profiliertes Stahlblech erhält zur Steifigkeitserhöhung eine Verrippung aus Polyamid mittels Kunststoffspritzen, s. Abb. 9. Das Hybridteil zeigt moderne konstruktive und prozesstechnische Lösungen für einen kostenattraktiven Leichtbau auf. Der Dachrahmen besteht üblicherweise aus zwei Stahlblechen, die miteinander verschweißt sind (zweischaliger Blechaufbau). Mit Hilfe der Hybridtechnik kann das zur Verstärkung (Beulen, Knicken) des Dachrahmens nötige Blech durch eine eingespritzte Kunststoffrippenstruktur ersetzt werden. Abb. 10 :zeigt die Vorteile der Hybridtechnik in der Energieaufnahme gegenüber einer reinen Blech bzw. blechverstärkten Bauweise [8].
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Abb. 9: Hybridbauteil Dachrahmen. Eine Kunststoffverrippung sorgt für die Formstabilität der dünnwandigen Stahlblechprofile und ermöglicht dadurch eine hohe Kraftaufnahme. Im Vergleich zum zweischaligem Blechbauteil konnte eine Gewichtsreduzierung um 30 % bei adäquaten Kosten erzielt werden.
Abb. 10: Verschiedene Konstruktionskonzepte und ihre Auswirkung auf Torsionssteifigkeit und Kraftaufnahme.
Eine andere erkstoffverbund-Entwicklung ist das Hybrid-Zylinderkurbelgehäuse, das gehäuseseitig aus der kriechoptimierten Magnesium-Legierung MRI 153 besteht, jedoch innenseitig ein Aluminium-Zylindereinsatz (integrierter Wassermantel) zum Einsatz gelangt, Abb. 11. Dieser Aluminiumeinsatz aus übereutektischen Aluminium GK-AlSi17Cu4Mg wird mit Magnesium umgossen, wobei nach einem mechanischen Strahlen des Aluminiumeinsatzes eine gute adhäsive Anbindung des Magnesiums erzielt wird, siehe Abb. 12. Der Aluminiumeinsatz war erforderlich, da die Inhibierung des Kühlmittels für eine Gesamt-Magnesium-ZKG nicht möglich war: nach kurzer Laufzeit kam es stets zu hohen Abtragsraten am Magnesium. Nur bei Einsatz von hohem Glykolanteil konnte die Korrosion unterbunden, dann aber die Wärme nicht abgeführt werden [9].
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Abb. 11: R4-Hybrid-Magnesium-ZKG (Audi-Entwicklung, noch nicht in Serie). Eine fast adäquate Entwicklung ging bei BMW 2004 für den R6 in Serie. Gewichtsreduzierung 8,7 kg gegenüber einem Aluminium ZKG mit Grauguss-Laufbahn und incl. Ölpumpe und Ölwanne. Kostenkritischer Leichtbau.
Abb. 12: Computertomographische Aufnahme eines Wassermantels-Ausschnittes. Ungenügende Sandverdichtung (siehe Abb.) im Wassermantel führt zum Kollabieren des Gussteiles.
Das Hybrid-ZKG – in ähnlicher Form wie dargestellt – ist bei BMW am R6 Otto 2004 in Serie gegangen. Mit diesem Hybrid-ZKG wurde erstmalig ein Werkstoffverbund für ein ZKG bei einhergehender Gewichtsreduktion in Serie gebracht. Sowohl die Problematik des Kriechens (Ausscheidung der kriech-reduzierenden intermetallischen Phasen Al2Ca sowie Al4Ce in MR153) als auch die Herausforderung einer hohen Steifigkeit (Magnesium Bedplate mit Hauptlagerverstärkungselementen) bei ausreichender Betriebsfestigkeit konnte gelöst werden. Hier wurde in der Tat eine Systemlösung für ein komplexes Anforderungsprofil erarbeitet und umgesetzt.
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Verbundwerkstoffe unter Extrembelastungen
5.1
Keramikbremsscheibe
Neben Werkstoffverbunden haben auch die klassischen Faserverbundwerkstoffe wie CMC oder CFK Einzug in den Automobilbau gehalten. Zu einer der bedeutendsten Verbundwerkstoff-Anwendung im modernen Automobilbau gehört zweifelsohne die Keramikbremsscheibe. Der CMC-Werkstoff besteht aus Kohlenstoff-Kurzfaser als Verstärkungskomponente und aus Silizium und Siliziumcarbid als Matrix (C/SiC). Der gepresste Formkörper aus Kohlefaser wird bei 150°C ausgehärtet und anschließend bei 900°C carbonisiert. Danach erfolgt die Infiltration mit schmelzflüssigem Silizium bei über 1400°C.
Abb. 13: Porsche-Keramikbremsscheibe aus C/SiC. Es wird eine 50 %ige Gewichtsreduzierung ungefederter Massen gegenüber Grauguss-Bremsscheiben erzielt. Korrosion an den Bremsscheiben tritt nicht mehr auf. Bei einem Porsche GT 2 beträgt der Gewichtsvorteil 20 kg. (Quelle: Porsche AG.)
Die erste Serienanwendung der Hochleistungsbremsscheibe präsentierte Porsche im Jahr 2001 im 911 GT2 als PCCB (Porsche Ceramic Composite Brake). Die besonderen Eigenschaften dieser Bremsscheiben sind die hohe Härte, der sehr geringe Reibverschleiß, die geringe Wärmedehnung, die hohe Thermoschockbeständigkeit sowie eine höchste Fadingstabilität sogar im Grenzbereich. Laufleistungen im Alltag bis zu 300.000km sowie Verzögerungen von über 11m/s2 beispielsweise im Porsche 911 Turbo bestätigen die Besonderheit dieser Entwicklung. Mit einer Dichte von etwa 2,4g/cm3 sind die Scheiben deutlich leichter als ihre Stahl-Pendants. Diese Gewichtseinsparung an rotierenden und ungefederten Massen erlaubt verbesserte Fahrwerkseinstellungen und somit gesteigerte Fahreigenschaften. Mittlerweile etablierte sich die Keramikbremsscheibe auch bei anderen Fahrzeugherstellern im Luxus- und vor allem Sportwagenbereich.
37 5.2
Motorsport
Die große technische Spielwiese der Leichtbauer, Werkstoff- und Technologieentwickler ist nach wie vor der Motorsport. Unter extremen Anwendungen kann den Innovationen freier Lauf gelassen werden. Trotz auch hier steigender Bemühungen zum Kostenbewusstsein sind die ökonomischen Zwänge gegenüber dem Seriengeschäft dennoch relativ gering. Im Fokus der Fahrzeugentwicklung steht das Verhältnis von maximaler Leistung zu geringstem Gewicht. Ein Blick auf die Werkstoffstatistik des Audi R8 zeigt beispielsweise die Verwendung von knapp 30% an CFK, 20% an Aluminium, 10% Magnesium und nur etwa 26% Stahl auf, vgl. Bild 14. Dem Kohlefaserverbundwerkstoff obliegt die zentrale Rolle für Steifigkeit und Sicherheit des Monocoques und für die Verkleidungs- und Aerodynamikteile.
Bild 14: Werkstoffe im Audi R8 Le Mans; Mindestgewicht: 900 kg, Motor: V8 Otto Turbo, Getriebe: sequenzielles 6-Gang-Sportgetriebe
Dieser sogenannte intelligente Leichtbau stellt hohe Anforderungen an die Werkstoffauswahl, die Prozesssicherheiten bei der Fertigung der Bauteile sowie an alle Verbindungen. Gerade bei Langstreckenrennen wird das Zusammenspiel von moderner Werkstoff- und Fügetechnologie hinsichtlich der Standfestigkeit besonders deutlich. Die ständigen Vibrationen, hohen Beschleunigungen und Verzögerungen, die enormen Querkräfte bei Kurvenfahrt, die Windlastspitzen bei Topspeed und die Abwärme aus Bremsen und Motor sind extreme technische Belastungen und Herausforderungen. Als Beispiele für hochqualitative Leichtbauanwendungen können exemplarisch Bremssättel aus hochfestem Titan, Felgen aus geschmiedetem Magnesium oder höchstfeste Verbindungselemente aus warmausgehärteten Aluminium-Presslegierungen (AlZn7MgCu) genannt werden. Durch die Mannigfaltigkeit des Werkstoffeinsatzes entsteht ein Mischbau in der gesamten Konstruktion von Rennsportwagen. Von der Entwick-
38 lung im Motorsport wird der allgemeine Automobilbau profitieren (siehe die ABS-Entwicklung) und mancher Verbundwerkstoff serientauglich werden!
7
Ausblick
Werkstoffverbunde – im Sinne eines realen Bauteils – haben im Karosserie- und Aggregatebereich Anwendungen gefunden, die eine Erhöhung der Biege- und Torsionssteifigkeit sowie des Energieaufnahmevermögens bei einhergehende Gewichtsreduzierung zum Ziel haben. Die Umsetzung von echten, thermisch gefügten Werkstoffverbunden aus artfremden Materialien mit dem Ziel einer maßgeschneiderten Gewichtsreduzierung an der Rohkarosse steht noch bevor. Um diese zukünftige Herausforderung zu meistern, muss die Problematik der intermetallischen Spröd-Phasenausscheidung bei Stahl-/Aluminiumverbindungen gelöst werden. Als aussichtsreiche Verbindungstechnik werden u.a. die wärmearmen Fügetechnologien Laserlöten mit Zinkbasis-Loten (sog. Cold Metal Transfer-Prozess) sowie das Punktschweißkleben eingeschätzt. Besondere Bedeutung kommt hier der Entwicklung einer geeigneten Beschichtung auf der Stahlseite zu, die noch vorhandene Phasenausscheidungssäume durch Bildung einer Diffusionssperre minimieren muss. Gelingt das thermische Fügen von Stahl/Aluminium mittelfristig und kostengünstig, werden Hybrid Tailored Blanks als neuer Meilenstein angewandter Werkstofftechnik das Bild im Automobilbau mitbestimmen.
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39
Sonderforschungsbereich TRIP-Matrix-Composite Horst Biermanna, Christos G. Anezirisb, Meinhard Kunac aInstitut für Werkstofftechnik, bInstitut für Keramik, Glas- und Baustofftechnik, cInstitut für Mechanik und Fluid-
dynamik, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg, Germany
1
Einführung
Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe (MMCs) werden seit mehreren Jahrzehnten intensiv untersucht, wobei der Fokus meist auf Werkstoffen mit Leichtmetall-Matrix aus Al-, Mg- oder TiLegierungen liegt [1–3 Demgegenüber wurden MMCs mit einer Matrix aus Stahl bislang nur wenig untersucht [4], obwohl gerade hier ein großes Potential für hochfeste und sehr verschleißfeste [5–6] Verbundwerkstoffe liegt. Darüber hinaus besteht ein wichtiger neuer Aspekt in der Herstellung adaptiver Verbundwerkstoffe, bei denen einzelne Phasen „smart“, d.h. adaptiv auf die Beanspruchungen reagieren können. MMCs mit derartigen Eigenschaften wurden bisher durch die Einbettung von Formgedächtnislegierungen in eine Al-Matrix realisiert [7]. Durch diese Lösung wurden neue Eigenschaftskombinationen möglich, die in „herkömmlichen“ Verbundwerkstoffen nicht vorkommen. Der innovative Ansatz der Kombination einer metallischen Matrix mit der Fähigkeit zum TRIP-Effekt (TRIP: TRansformation-Induced Plasticity) mit einer ZrO2-Einlagerung, die ebenfalls eine Phasenumwandlung zeigt, wurde nach Kenntnis der Autoren bisher nur von der Gruppe von Guo et al. bezüglich der mechanischen Eigenschaften für die konventionelle pulvermetallurgische Route zur Erzielung kompakter Verbundwerkstoffe beschrieben [8–10]. Guo et al. erzeugten Verbundwerkstoffe aus einer TRIP-Stahlmatrix mit Verstärkungen aus ZrO2-Partikeln (2Y-PSZ) und untersuchten die dynamischen Eigenschaften in Hochgeschwindigkeits-Druckversuchen. Dabei konnten sie nachweisen, dass die so erzeugten Verbundwerkstoffe Festigkeiten zwischen 1400 MPa und 2100 MPa mit bis zu 12 % Dehnung aufweisen und in beiden Phasen die martensitische Umwandlung auftrat. Sie untersuchten die Stahl-MatrixVerbundwerkstoffe in Ansätzen, ohne jedoch die Zusammenhänge der Mikrostruktur bezüglich der Korngrößen der Stahl- und der ZrO2-Pulver, die Grenzflächen und die thermodynamischen Aspekte, d.h. die chemischen Zusammensetzungen der beiden Phasen zielgerichtet zu erforschen. Die Gruppen um Chen et al. (z. B. [11–13]) und Jung et al. [14–15] nutzten die keramische Technologie der bildsamen Formgebung (Extrudieren) und Lopez-Esteban und Bartolomé et al. das Druckschlickergießen [16], um jeweils nach dem Sintern (mit oder ohne Druck) Komponenten aus ZrO2 und dem Stahl 304 (entsprechend X5CrNi18 10, 1.4301) bzw. funktionale Gradientenwerkstoffe herzustellen, ohne die mechanischen Eigenschaften in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten zu stellen. Lediglich in [16] werden systematische Reihen von Verbundwerkstoffen unterschiedlicher Keramik-Gehalte beschrieben, die auch bezüglich der mechanischen und bruchmechanischen Eigenschaften untersucht wurden. Diese Publikationen zeigen die Möglichkeiten der keramischen Technologien für die Herstellung von Verbundwerkstoffen auf.
40 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll das Konzept eines neuen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg eingerichteten Sonderforschungsbereiches (SFB 799) mit dem Titel „TRIP-Matrix-Composite – Design von zähen, umwandlungsverstärkten Verbundwerkstoffen und Strukturen auf Fe-ZrO2-Basis“ vorgestellt werden, in dem Stahl-Matrix-Verbundwerkstoffe mit zwei umwandlungsfähigen Phasen (TRIP-Stahl-Matrix und MgO-teilstabilisiertes ZrO2) grundlegend untersucht werden. Erste Ergebnisse bezüglich der Eigenschaften einer Variante der zu entwickelnden Familie von Verbundwerkstoffen wurden bereits an anderer Stelle vorgestellt [17] bzw. werden im vorliegenden Tagungsband präsentiert [18].
2
Forschungsprogramm
Durch das grundlegende Verständnis und die Nutzung der Variationsmöglichkeiten des Werkstoffsystems bestehend aus austenitischem TRIP-Stahl und MgO-teilstabilisiertem ZrO2 soll eine Eigenschaftsmatrix aufgestellt werden, die bei geringen Abweichungen vom Basissystem den Einsatz in gänzlich unterschiedlichen Anwendungsfeldern eröffnet. Mit diesen Verfahren ist die Herstellung von endkonturnahen, partiell verstärkten Komponenten, von kompakten partikelverstärkten Verbundwerkstoffen und von filigranen Wabenkörpern mit Honeycomb-Struktur grundsätzlich möglich. Die TRIP-MATRIX-COMPOSITE sollen auf der Basis von an der TU Bergakademie Freiberg entwickelten Werkstoffen erzeugt werden. Sowohl beim austenitischen Stahlguss mit TRIP-Effekt [19] als auch bei der Keramik [20]handelt es sich um patentierte bzw. zum Patent angemeldete Werkstoffe, ebenso wurde das Prinzip der TRIP-Matrix-Verbundwerkstoffe angemeldet [21]. Die Innovation bei der metallischen Matrix beruht darauf, dass der Stahl als Gusswerkstoff aufgrund des TRIP-Effekts außergewöhnlich hohe Bruchdehnungen bis zu 70 % bei sehr hohen Festigkeiten von über 700 MPa aufweist. Durch gezieltes Legierungsdesign können diese Eigenschaften definiert eingestellt werden. Für die Werkstoffherstellung sollen zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege beschritten werden: • Einerseits soll ein Durchdringungsgefüge eingestellt werden, bei dem die keramische Komponente als Schaum oder als poröser Keramikkörper mit dem Stahlguss-Werkstoff infiltriert wird. Dabei wird entweder eine durch geeignete (z.B. beschichtete) Grenzflächen unterstützte aktivierte Infiltration oder eine erzwungene Infiltration von gradierten Körpern unter metallostatischem Druck bzw. im Niederdruckverfahren eingesetzt. Abb. 1a und b sollen diese beiden Varianten symbolisch darstellen. • Andererseits wird ein pulvermetallurgischer Weg über die bildsame Formgebung (bei Raumtemperatur) verfolgt und ein Verbundwerkstoff erforscht, bei dem ZrO2-Partikel in eine Matrix aus TRIP-Stahl eingelagert werden. Mit dieser pulvermetallurgischen Route wird ein neuer und innovativer wissenschaftlich-technischer Weg der Herstellung von Metall-MatrixVerbundwerkstoffen beschritten, der sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten der keramischen Formgebungstechnologien erlaubt. Durch eine entsprechende Verfahrensroute soll der Vorkörper beim bzw. nach dem Sintern entweder verdichtet werden (kompakter Partikel-TRIPMatrix-Verbundwerkstoff, Abb. 1c) oder als makro- bzw. mikroporöser „Wabenkörper“ (Abb. 1d) zum Einsatz kommen. Als weitere Besonderheit ist zu erwähnen, dass der über die pulvermetallurgische Route dargestellte Werkstoff einen Anteil an keramischer Phase zwi-
41 schen 0 und 70 % haben kann, wobei über die Größe der Pulverteilchen außerdem eine sehr große Spanne des Gefügeaufbaus und der inneren Grenzflächen eingestellt werden kann. Abb. 1 zeigt somit schematisch die vier Verbundwerkstoff-Varianten, die auf den beiden Grundsystemen MgO-teilstabilisierte ZrO2-Keramik und austenitischer TRIP-Stahl beruhen.
Bild 1: Verfahren zur Herstellung der im Fokus des SFB stehenden neuen Werkstoff-Klasse aus MgO-teilstabilisiertem ZrO2 und Stahlguss mit TRIP-Effekt.
Die Anwendung bionischer Prinzipien auf die TRIP-MATRIX-COMPOSITE soll schließlich über die Stahl-Infiltration von keramischen Makrostrukturen zu Komponenten führen, die partiell in den maximal beanspruchten Bereichen verstärkt sind, und bei denen im Sinne des Leichtbaus bei minimalem Materialeinsatz eine maximale Tragfestigkeit erreicht wird. Einen ersten Eindruck kann Abb. 1a vermitteln. Die dargestellte „Spaghetti“-Keramik sowie die mögliche hohle Variante („Makkaroni“-Struktur) können aus einem viskosen Gemenge durch die bildsame Formgebung (Extrusion) und das nachfolgende Weiterverarbeiten zu beliebigen Strukturen geformt werden [18]. Insbesondere ist es möglich, die hohe Druckfestigkeit der Keramik in Strukturen zur Lastaufnahme und Lastverteilung gezielt einzusetzen. Diese Fertigungstechnologie erlaubt auch die Herstellung von gradierten keramischen Makrostrukturen. Die keramischen Vorkörper sollen im grünen Zustand oder nach dem Sintern im Niederdruckverfahren mit dem Stahlguss-Werkstoff infiltriert werden. Beim Infiltrieren der grünen Keramik kann der Sinterprozess während der Infiltration mit Stahlschmelze erfolgen, wodurch sich ein äußerst energiesparendes Herstellungsverfahren realisieren ließe.
3
Zentrale Fragestellungen des SFB
Die Möglichkeiten zur Einstellung der gewünschten Eigenschaften der TRIP-MATRIX-COMPOSITE beruhen auf dem Selbstverstärkungseffekt der keramischen Komponente (durch mechanisch, thermisch und/oder chemisch induzierte Umwandlung), dem Umwandlungsverhalten des Stahls (gezielte Einstellung des TRIP-Effekts bezüglich Fließgrenze, Gleichmaßdehnung, Festigkeit und Verfestigung sowie der Temperatur, bei der der Martensit verformungsinduziert gebildet wird) sowie der Grenzfläche Metall-Keramik (Größe, Festigkeit, Beschichtung). Neue Eigenschaften der TRIP-Matrix-ZrO2-Verbundwerkstoffe sind durch die gegenseitige Verstärkung der beiden martensitischen Umwandlungen zu erwarten: Die Umwandlung der ZrO2-Kera-
42 mik von der tetragonalen zur monoklinen Phase führt an Stellen hoher Spannungskonzentration zu lokalen Druckeigenspannungen, die gerade bei keramischen Stoffen besonders gut ertragen werden und die Bruchzähigkeit des Composites steigern. Andererseits trägt der TRIP-Stahl aufgrund seiner Fähigkeit zur verformungsinduzierten martensitischen Umwandlung (TRIP-Effekt) dazu bei, an hoch beanspruchten Stellen eine zusätzliche Verformbarkeit und gesteigerte Festigkeit zu erzielen. Der Stahl gewährleistet überdies im Verbundwerkstoff eine gute Basiszähigkeit. So wird sich im Fall einer z. B. schlagdynamischen Überlast die keramische Phase umwandeln, wobei auch Mikrorisse in der Keramik entstehen könnten. Diese Mikrorisse werden jedoch in der Stahlmatrix mit ihrer exzellenten Verformbarkeit und überragenden Verfestigung aufgefangen. Die vorgeschlagenen Verbundwerkstoffe sollten demzufolge – so unsere Arbeitshypothese – verformungs- und spannungskontrollierten Überbeanspruchungen gut widerstehen können und ein besonders schadenstolerantes Verhalten aufweisen. Durch die Verknüpfung des modernen Stahlguss-Verfahrens mit der gezielten, lokalen Verstärkung können kostengünstige neue Komponenten erzeugt werden, die mehrere Funktionen in einem Bauteil integrieren. Durch diesen Ansatz können die neuen TRIP-MATRIX-COMPOSITE genutzt werden, um Belastungen auf engstem Raum aufzunehmen, wobei der geringe Materialeinsatz eine hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit des neuen Verfahrens garantiert. So wäre es beispielsweise möglich, in einem Bauteil lokal eine extrem hohe Härte zu erzeugen, wohingegen andere Bereiche (z.B. für Verschraubungen) die erforderliche Duktilität aufweisen. Selbstverständlich kann man auch durch die gezielte Einbringung gerichteter keramischer Verstärkungen hohe Druckkräfte bei gleichzeitig hoher Schadenstoleranz übertragen. Ebenso ist durch lokale Variation des Werkstoffdesigns eine Optimierung der Dämpfungseigenschaften denkbar. Weiterhin sollen mit diesem Verfahren gradierte Komponenten mit einem allmählichen Übergang des Volumenanteils der keramischen Phase vom Rand zum Kern hergestellt werden, um so eine variable, ortsabhängige Funktionalität zu erzielen. Hierunter sind Bauteile zu verstehen, die z.B. am Rand durch einen hohen Keramikanteil eine extreme Verschleißbeständigkeit und im Inneren durch einen geringen Keramikanteil einen sehr zähen Kern bei ausreichender Festigkeit aufweisen. Die Gestaltungs- und Designmöglichkeiten der TRIP-MATRIX-COMPOSITE des SFB bezüglich der verschiedenen Komponenten und Halbzeuge ist schematisch in Abb. 2 für alle Werkstoffe und Werkstoffvarianten dargestellt. Eine besondere Bedeutung hat die Zusammensetzung der keramischen Ausgangsstoffe. Durch das Mischen der Ausgangsstoffe können die Phasenanteile der kubischen, tetragonalen und monoklinen Phasen über die Spinell-Zugabe oder die in-situ-Spinellbildung gezielt eingestellt werden. Einen weiteren Vorteil sehen wir darin, dass das gewählte System der MgOZrO2-Keramiken einen wesentlichen Unterschied zu den anderen Stabilisierungen des ZrO2 mit CeO2 oder mit dem häufig eingesetzten Y2O3 aufweist: Bei der Infiltration oder beim Sintern bildet sich durch eine chemische Reaktion zwischen dem MgO-ZrO2 und den Legierungselementen aus der Stahlmatrix in-situ-Spinell aus. Diese Spinelle können dazu dienen, eine gezielte chemische Anbindung zwischen Keramik und Stahl hervorzurufen, wodurch ein Beitrag zum Design der Grenzflächen erbracht wird. Alternativ soll im Rahmen des SFB die Wirkung von grenzflächenaktiven Elementen (als Zusatzstoff in Form von Pulver oder als Beschichtung) wie Ti untersucht werden, von dem eine Verbesserung der Benetzbarkeit von ZrO2 mit Stahlschmelze bekannt ist.
43
Bild 2: Stammbaum der neuen Verbundwerkstoffe aus TRIP-Stahlguss und MgO-teilstabilisierter ZrO2-Keramik mit bzw. ohne MgAl2O4-Spinell, die im Rahmen des SFB entwickelt werden sollen, mit Angabe der einbezogenen chemischen Elemente der Matrix sowie der Keramik. Ti wird ggf. als Pulver bzw. als Beschichtung zugegeben.
Im Rahmen der wissenschaftlich-technologischen Forschung des SFB kommen folgende Innovationen von Wissenschaftlern der TU Bergakademie Freiberg zur Anwendung: • • • • •
der neue TRIP-fähige Stahlguss-Werkstoff [19] der MgO-teilstabilisierte ZrO2-Werkstoff [20] die Kombination der beiden innovativen Werkstoffe zu Verbundwerkstoffen [21] ein gezieltes Grenzflächendesign die Anwendung der bildsamen Formgebung an viskosen Vormaterialien, die bei Raumtemperatur knetbar sind, für die Herstellung von Verbundwerkstoffen [17], [18] • Wabenkörper über die bildsame Formgebung • „kaltes Fügen“ von knetbaren Stahlpulver-ZrO2-Pulver-Massen
44 • die Adaption des bionischen Prinzips auf die Verbundwerkstoffe durch die Freiheit der neuartigen Formgebungsverfahren • die erzeugten Strukturen der Keramik (Voll- und Hohl-„Spaghetti“-Körper) und der Wabenkörper • die Erzeugung endformnaher, partiell verstärkter Bauteile durch Infiltration. Zur Erreichung der Ziele des SFB werden modernste Methoden der Strukturanalyse sowie der Material- und Bauteilprüfung eingesetzt. Dies umfasst eine detaillierte Erforschung der Realstruktur und der Struktur-Eigenschaftsbeziehungen der Werkstoffe und Prototypen mit höchstauflösenden in-situ Beanspruchungen im Rasterelektronenmikroskop, im Computertomographen und in Röntgen- und Neutronendiffraktometern, sowie der mechanischen und bruchmechanischen Eigenschaften unter statischer, dynamischer, zyklischer und mehrachsiger Belastung. Einen essentiellen Beitrag für die anwendungsspezifische Optimierung des Strukturund Werkstoffdesigns leisten weiterhin quantenmechanische Berechnungen (unter Nutzung der Dichtefunktionaltheorie), die Strömungs- und Erstarrungssimulation der Metallinfiltration, die thermodynamische Modellierung der Werkstoffe und Grenzflächen sowie die kontinuums- und schädigungsmechanische Modellierung. Mögliche Anwendungen für die verschiedenen TRIP-Matrix-Composite sehen wir in hoch Verschleiß beanspruchten Komponenten, wie z.B. in Aufbereitungsmaschinen, in der Bohrtechnik oder im Tunnelbau, wobei insbesondere durch die partielle Verstärkung komplexer multifunktionaler Komponenten große Chancen zur Festigkeitssteigerung gesehen wird. Daneben werden insbesondere Crash-Elemente untersucht, die im Bereich der Fahrzeugindustrie (PKW, LKW, Bahntechnik) sowie der Luftfahrt (Hubschrauber, Kleinflugzeuge) von Relevanz sind. Hierbei wird die hohe spezifische Energieabsorption der Wabenkörperstrukturen von besonderer Bedeutung sein (siehe [17, 18]). Zusätzlich sollen weitere hochfeste bzw. stark verfestigende Werkstoffvarianten entwickelt werden, deren potentielle Einsatzfelder erst im Verlauf des Vorhabens identifiziert werden.
4
Danksagung
Die Autoren möchten sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Unterstützung des SFB 799 „TRIP-MATRIXCOMPOSITE“ bedanken.
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Modellierung der Eigenschaften und des Versagens von Metallmatrixverbundwerkstoffen mit lamellarer Struktur T. Ziegler, A. Neubrand Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik, Freiburg
1
Einführung
Untersuchungen für partikelverstärkte Metallmatrixverbundwerkstoffe (MMCs) haben gezeigt, dass nur Modelle, welche die Struktur der Komposite realitätsgetreu abbilden, Eigenschaften und Verhalten genau vorhersagen können [1–3]. Insbesondere auf den Verlauf der Schädigung hat das Gefüge einen großen Einfluss [4]. Ayyar und Chawla [5] zeigten, dass unbeschädigte Verstärkungsteilchen einen Riss abschirmen, während gebrochene Teilchen den Riss anziehen und dass die Verteilung der Partikel einen entscheidenden Einfluss auf den Rissverlauf besitzt. Für die Erstellung eines Finite-Elemente Netzes (FE-Netzes), welches das Gefüge realitätsgetreu abbildet, existieren verschiedene Techniken wie die Übertragung von 2D-Schnittbildern [1], [6], oder 3D-Mikrotomographiedaten in ein FE Netz [3] und die serielle Sektionierung. Bei der Sektionierung werden 2D Bilder aus verschiedenen Tiefen des Werkstoffes zu einem 3DNetz verbunden [7]. Diese Technik ist nicht zerstörungsfrei, da zur Erstellung der Bilder Material durch Polieren abgetragen werden muss. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der gefügebasierten Werkstoffmodellierung neuartiger AlSi12/ Al2O3-MMCs mit einer speziellen lamellaren Struktur, welche über gefriergegossene und anschließend durch Gießpressen mit der Metallschmelze infiltrierte Al2O3 Preforms hergestellt wurden [8]. Das Gefüge der untersuchten MMC ist in Abbildung 1 links dargestellt. Die für die Modellierung benötigten FE-Netze wurden mittels des Programms OOF2 [6] erstellt, wobei die lamellare Struktur realitätsgetreu abgebildet und das Versagen der Metall-Keramik-Grenzfläche durch Einführung von Kohäsivzonen-Elementen berücksichtigt wurde. Modelliert wurden Spannungs-Dehnungskurven und der Schädigungsverlauf für verschiedene Winkel zwischen Belastungsrichtung und Lamellenstruktur, verschiedene Grenzflächenfestigkeiten sowie das thermische Dehnungsverhalten dieser MMCs.
2
Modellbildung
Als Basis für die Modellierung dienten in Würfelform vorliegende Mikroproben mit einer Kantenlänge von etwa 2 mm. Die elastischen Eigenschaften dieser Proben wurden von Roy et. al. experimentell bestimmt [9]. Für die Erstellung der FE-Netze wurden anhand von Gefügebildern der Probenoberfläche sogenannte „Werkstoffkarten“ erstellt bei denen jeder Bildpunkt eindeutig entweder der keramischen Phase (Al2O3) oder der Metallphase (AlSi12) zugeordnet wird (Abbildung 1, Mitte). Die Si- Ausscheidungen im AlSi12 können dabei nicht gesondert berücksichtigt werden, da sie auf der verwendeten Größenskala nicht mehr aufgelöst werden. Für die Metallphase wurde daher das elastisch-plastische Verhalten von AlSi12 angenommen, wie es
47 an einer separat gegossenem Probe ermittelt wurde (E-Modul 77,6 GPa, Fließgrenze Rp02 70 MPa, Zugfestigkeit 208 MPa). Der thermischer Ausdehnungskoeffizient von AlSi12 wurde mit D = 20 · 10–6 K–1, die Querkontraktionszahl mit 0,3 angenommen. Für das Al2O3 wurde ein E-Modul von 400 GPa, eine Querkontraktionszahl von 0,25 und ein Ausdehnungskoeffizient von D = 6,8 · 10–6 K–1 verwendet [10]. Für die Keramik wurde keine Schädigung angenommen. In einem weiteren Schritt wurde mit OOF2 ein FE-Netz an diese Struktur angeglichen (Abbilduing 1, rechts). Anschließend wurde das so erzeugte 2D-Netz nach Abaqus exportiert.
Abbildung 1: Erzeugung eines FE-Netzes aus einer Gefügeaufnahme mittels OOF2. Linkes Bild: Mikrostrukturbild des Gefriergegossenen MMC, die helle Phase ist AlSi12, dunkle Bereiche sind Al2O3. Mitte: Werkstoffkarte, bei der jeder Bildpunkt einem der beiden Materialien zugeordnet ist. Dabei wird der bekannte Volumenanteil der einzelnen Phasen eingehalten. Rechts: das mittels OOF2 erstellte FE-Netz. Das dargestellte FE-Netz ist gröber als das tatsächlich in der Modellierung verwendete, um die Sichtbarkeit der Einzelelemente zu gewährleisten.
Um das Versagen der Metall-Keramik-Grenzfläche berücksichtigen zu können, müssen in das erstellte FE-Netz zusätzlich sogenannte Kohäsivzonen-Elemente an der Metall-KeramikGrenzfläche eingefügt werden. Dies geschah mit dem am Fraunhofer IWM entwickelten Programm MatInterface. Die für die Köhasivzonen-Elemente verwendete Spannungs-Verschiebungs-Funktion ist in Abbildung 2 wiedergegeben. Experimentell wurde an den untersuchten MMC eine Bruchenergie von 14,4 J/m² für Risse parallel zur Lamellenrichtung gemessen. Die Spannungs-Verschiebungs-Funktion der Kohäsivzonen-Elemente wurde so angepasst, dass genau diese Bruchenergie dissipiert wird. Das Einsetzen der Schädigung an der Grenzfläche erfolgt über ein Spannungs- oder Dehnungskriterium. Schädigung kann entweder unter Zug oder unter Scherung einsetzen, wobei eine Koppelung der beiden Mechanismen ausgeschlossen wurde.
3
Ergebnisse und Diskussion
In Abbildung 3 ist exemplarisch die vorhergesagte Schädigung bei Verformung eines Verbundwerkstoffs mit einem 35° Winkel zwischen der Lamellenrichtung und der Belastungsrichtung und einer Grenzflächenfestigkeit von 50 MPa gezeigt. Die geschädigten Kohäsivzonen-Elemente sind in grau am oberen Rand und links unten zu sehen. Der erste Riss (mit 1 markiert) bildete sich an der oberen freien Seite. Danach begann sich eine Grenzfläche im linken unteren Bereich abzulösen (2), zusammen mit vielen einzelnen kleineren Ablösungen an Grenzflächen,
48 die nahezu senkrecht zur Belastungsrichtung liegen. Zuletzt übersprang der Riss an der oberen Kante eine Metalllamelle um auf deren anderen Seite weiter zu laufen (3), dabei lief er nicht zum Rand hin, sondern verlängerte sich in das Innere der Probe, da der Rand bereits durch den ersten Riss entlastet wird.
Abbildung 2: Für die Modellierung verwendetes Materialverhalten in den Kohäsivzonen-Elementen. Gezeigt sind zwei unterschiedliche Spannungs-Verschiebungskurven mit unterschiedlichen Versagensspannungen und gleichbleibender Bruchenergie. Die Verschiebung, bei der das Element vollständig versagt, wurde so angepasst, dass die gemessene Bruchenergie erreicht wird.
Abbildung 3: Verformtes Netz einer geschädigten Probe mit einem Winkel von ca. 35° zwischen den Lamellen und der Belastungsrichtung. Weiße Bereiche sind Aluminium, dunkle Bereiche sind Al2O3. Geschädigte Grenzflächen in grau sind am oberen Rand und links unten zu erkennen. Der Riss begann oben an der Seite (1), traf auf ein Hindernis und lief auf der anderen Seite der Metalllamelle (3) weiter.
49 Berechnete Spannungs-Dehnungskurven für Proben mit unterschiedlicher Grenzflächenfestigkeit und Lamellenausrichtung sind in Abbildung 4 gezeigt, dabei ist der ungefähre Winkel zwischen der Lamellenstruktur und der Belastungsrichtung für jede Probe angegeben. Für jede Probe wurden zwei unterschiedliche Grenzflächenfestigkeiten von 50 MPa und 100 MPa angenommen (siehe Abbildung 2). Für kleine Dehnungen wird ein lineares Werkstoffverhalten vorhergesagt, welches nur vom Lamellenwinkel, aber nicht von der Grenzflächenfestigkeit abhängt. Die entsprechenden E-Moduln stimmen gut mit den in [9] experimentell bestimmten überein.
Abbildung 4: Modellierte Spannungs-Dehnungskurven für Proben mit verschiedenen Winkeln zwischen der Lamellenrichtung und der Belastungsrichtung. Es wurden verschiedene Festigkeiten für die Grenzflächen bei gleichbleibender Grenzflächenbruchenergie angenommen.
Bei höheren Dehnungen wird ein starker Einfluss der Grenzfläche vorhergesagt. Bei 50 MPa Grenzflächenfestigkeit findet nur wenig plastisches Fließen in der Metallphase statt und es wird eine geringe Bruchdehnung vorhergesagt. Die Bruchdehnungen sinken dabei tendenziell mit steigendem Lamellenwinkel. Für eine starke Grenzfläche werden eine deutliche plastische Verformung der Metallphase und höhere Bruchdehnungen vorhergesagt, die Bruchdehnung hängt nur noch wenig vom Lamellenwinkel ab. Die höchsten Bruchspannungen werden für Komposite mit kleinen Lamellenwinkeln und hoher Grenzflächenfestigkeit erwartet.
50 Tabelle 1: Physikalischer thermischer Ausdehnungskoeffizient des lamellaren MMC aus Bild 5 in unterschiedlichen Richtungen. Der Ausdehnungskoeffizient wurde aus den thermischen Dehnungen einer Probe am Ende eines Abkühlvorgangs von 400°C auf 0°C berechnet. Richtung (siehe Abbildung 5)
Thermischer Ausdehnungskoeffizient D in 10–6 K–1
X
7,4
Y
25,5
Z
7,4
Abbildung 5: Berechnete plastische Verformungskomponenten in einem lamellaren MMC nach Abkühlung von der Herstellungstemperatur. Die Keramik ist nicht plastisch verformt und daher mittelgrau dargestellt.
Die Modellierung der Abkühlung einer stabförmigen MMC-Probe der Abmessungen 10 × 2 × 2 mm³ von spannungsfrei angenommenen 400 °C nach 0 °C sagt ein stark anisotropes thermisches Dehnungsverhalten voraus. Während der Ausdehnungskoeffizient des MMC in der Lamellenebene mit 7,4 · 10–6 K–1 etwa dem der Keramik entspricht, übersteigt er in der Richtung senkrecht zu den Lamellen sogar den Ausdehnungskoeffizienten der Metallphase. Die Volumenabnahme des Komposits entspricht dabei der gewichteten Abnahme der Einzelkomponenten. Die sehr ungleichmäßige Verteilung des Volumenschwunds im Komposit beruht auf den deutlich unterschiedlichen Steifigkeiten der beiden Phasen und dem plastischen Fliessgesetz, das eine Kopplung zwischen den Spannungskomponenten in den verschiedenen Richtungen bewirkt. Dies kann anhand der Komponenten der plastischen Dehnungen verdeutlicht werden (Abbildung 5). Die Keramikphase wird nicht plastisch verformt und ist homogen hellgrau. Die plastische Verformung der Metallphase in Z-Richtung (linkes Bild) ist überwiegend positiv (heller als die Keramik), während die Verformung in Y-Richtung (rechtes Bild) überwiegend negativ ist (dunkler als die Keramik). Durch die Dehnungsbehinderung in Z-Richtung treten also deviatorische Spannungskomponenten auf, die zu einer starken Verformung in Y-Richtung führen. Die berechneten Spannungen und Dehnungen beim Wiederaufheizen sind nicht reversibel, so dass für diese Werkstoffe eine Hysterese der thermischen Dehnung zu erwarten ist.
51
4
Zusammenfassung
Mittels eines Werkstoffmodells, welches das reale Gefüge und die die Grenzflächenmechanik berücksichtigt, wurden vertiefte Einblicke in das Verformungsverhalten und den Schädigungsverlauf von Metallmatrixverbundwerkstoffen gewonnen. Für die hier untersuchten AlSi12/ Al2O3-MMC mit lamellarem Aufbau wurde eine deutliche Zunahme der Bruchdehnung und der Bruchfestigkeit mit steigender Grenzflächenfestigkeit vorhergesagt. Für Winkel von 35° bis 90° zwischen Lamellen- und Belastungsrichtung wird nur eine mäßige Abnahme von Bruchfestigkeit und Bruchdehnung vorhergesagt. Für feste Metall-Keramik-Grenzflächen sagt die Modellierung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten ein stark anisotropes Ausdehnungsverhalten dieser lamellaren MMC voraus. Da das plastische Fliessen der Metallphase in zwei Richtungen von der Keramikphase behindert wird, findet die Volumenschrumpfung überwiegend senkrecht zu den Lamellen statt. Es wird ein thermischer Ausdehnungskoeffizient des Verbundwerkstoffs in dieser Raumrichtung vorhergesagt, welcher größer ist als der der Metallphase.
5
Danksagung
Die hier vorgestellten Arbeiten wurden im Rahmen eines Verbundprojekts „Neuartige Metallmatrix – Verbundwerkstoffe auf Al/Al2O3-Basis: Herstellung, Struktur und Eigenschaften“ unter der Leitung von Prof. Dr. M.J. Hoffmann (Universität Karlsruhe) durchgeführt, welches von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Bonn unter dem Zeichen Ne599/6-1 gefördert wurde. Wir danken S. Roy und Prof. Dr. A. Wanner (Universität Karlsruhe) für die Gefügebilder der modellierten Proben.
6 [1]
Literatur
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52
Gefügecharakterisierung von hochenergie-gemahlenen Verbundpulvern und Verbundwerkstoffen mit EN AW 2017-Matrix Bernhard Wielage, Harry Podlesak, Silke Mücklich Technische Universität Chemnitz
1
Einführung
Die Verstärkung von Aluminiumlegierungen durch Hartstoffteilchen verspricht ein verbessertes Eigenschaftsspektrum im Vergleich zur unverstärkten Legierung. Voraussetzungen sind die gleichmäßige Verteilung und die ausreichende Einbindung der Partikel in der Metallmatrix sowie die Einstellung eines geeigneten Zustandes an der Grenzfläche Hartstoffteilchen/Matrix. Diesbezüglich bietet die pulvermetallurgische Verarbeitung von Verbundpulver zu AMC-Werkstoffen Vorteile im Vergleich zu Gießverfahren [1–3]. Insbesondere wird erwartet, dass die im schmelzflüssigen Zustand der Aluminiumlegierung stattfindende intensive Grenzflächenreaktion mit unbehandeltem SiC [4] vermieden wird. Für den Nachweis von Reaktionsphasen und die Beurteilung des Reaktionsausmaßes sind Untersuchungen mittels Transmissionselektronenmikroskopie erforderlich. Dabei ist es nützlich, dass die für das System Al/SiC typische Reaktionsphase Al4C3 besondere mikrostrukturelle Merkmale aufweist [5]. Für die Erzeugung von Verbundpulver ist prinzipiell das Mechanische Legieren mit dem Hochenergiemahlen (HEM) geeignet [6]. In [7] wird die Erzeugung von Verbundpulver mit AlMatrix mittels HEM unter Einsatz von SiC- bzw. Al2O3-Pulver mit Teilchengrößen zwischen 5 und 55 μm dargestellt und die Verbundpulver-Mikrostruktur charakterisiert. Der vorliegende Artikel befasst sich mit der Verwendung von feineren Hartstoffpulvern. Es werden die Stadien der Verbundpulverausbildung beim Hochenergie-Kugelmahlen beschrieben und die Mikrostruktur des pulvermetallurgisch kompaktierten Materials mit SiC-Verstärkung detailliert charakterisiert.
2
Experimentelles
2.1
Hochenergiemahlen
Als Matrix-Ausgangsstoff wird gasverdüstes Pulver mit der Zusammensetzung 3,9 Gew.-% Cu, 0,7 Gew.-% Mg, 0,6 Gew.-% Mn, Rest Al eingesetzt. Die sphärischen Pulverteilchen besitzen Durchmesser bis 100 μm. SiC- bzw. Al2O3-Pulver mit Teilchenabmessungen im Submikround Mikrometerbereich zwischen 200 nm und ca. 1 μm werden in Anteilen von 5 bzw. 15 Vol.% beigemischt. Für das Hochenergiemahlen wird die Kugelmühle Simoloyer CM08 genutzt. Die Mühle ist mit einem Stahlrotor zur Beschleunigung von Stahlkugeln ausgerüstet. In dem Mahlkammervolumen von 8 Litern kommen 8 kg 100Cr6-Stahlkugeln mit 4,6 mm Durchmesser zum Einsatz. Die Pulvermenge entspricht ungefähr einem Zehntel der Kugelmasse. Der Mahlprozess findet unter Luftatmosphäre bei Rotor-Drehzahlen zwischen 300 und 700 1/min,
53 welche in Zyklen programmiert werden können, statt. Für metallische Pulver ist außer der plastischen Deformation bei hohen Drehzahlen der Effekt des Verschweißens von Teilchen dominant. Für niedrige Drehzahlen ist der Effekt des Zerbrechens typisch, welcher besonders im Fall von flachen Pulverteilchen zu beobachten ist [6]. Durch Wasserkühlung wird die Erwärmung in der Mahlkammer auf 30 bis 40°C begrenzt. Um das Verkleben des Aluminiums an der Oberfläche von Kugeln und Rotorflügelflächen effektiv zu reduzieren wird eine geringe Menge Stearinsäure (C18H36O2) zugegeben. Damit wird eine Antihaftwirkung erzielt. Nach bestimmten Mahldauern erfolgt eine Probenahme zwecks metallografischer Untersuchung des Pulverzustandes.
2.2
Probenpräparation und Gefügeuntersuchung
Von den Pulver- und Kompaktproben werden Schliffe hergestellt und im ungeätzten Zustand mittels Licht- und Rasterelektronenmikroskopie (LM, REM) untersucht. Am REM kommen der Sekundärelektronendetektor (SE) und der Rückstreuelektronendetektor (RE) parallel zum Einsatz. In der SE-Aufnahme dominiert der Topografiekontrast. Damit ist eine geeignete Möglichkeit zur Abbildung der SiC-Teilchen gegeben. Dagegen wird die RE-Detektion im Materialkontrastmodus angewendet. Insofern ist diese Methode besonders gut geeignet für die Abbildung von intermetallischen Phasen und kleinen Poren. Für die Untersuchung des Kompaktmaterials wird zusätzlich die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) eingesetzt. Die Erzeugung von TEM-Präparaten erfolgt in der Längsschnittebene der Strangpress-Stangen durch mehrstufiges, mechanisches Planschleifen, Ausstanzen zu einer kreisförmigen Scheibe mit 3 mm Durchmesser, Muldenschleifen bis zu einer Restdicke von ca. 50 μm in der Scheibenmitte und anschließendes Enddünnen mit Argonionen unter flachem Beschusswinkel. Aufgrund des dominierenden Beugungskontrastes ist die Interpretation von TEM-Aufnahmen relativ kompliziert. Für das Sichtbarmachen von Phasenteilchen und inneren Grenzflächen ist häufig die Beobachtung unter verschiedenen Kippwinkeln erforderlich. Für das vorliegende Material ist die Situation erschwert, da aufgrund der unregelmäßigen Form der SiC-Teilchen nur selten Probenstellen mit einer senkrecht angeschnittenen Grenzfläche SiC/Al zu finden sind. Hinzu kommt, dass andere Phasen Ähnlichkeiten aufweisen. Insofern ergibt sich die Notwendigkeit, die Energiedispersive Röntgenmikrobereichsanalyse (EDXS) zwecks Phasenidentifikation der einzelnen Teilchen einzusetzen.
3
Ergebnisse und Diskussion
3.1
Verbundpulver-Erzeugung
Das Hochenergiemahlen führt als erstes zur starken Abflachung der Metallteilchen und zur beginnenden Anlagerung von Hartstoffteilchen an der Oberfläche der Metallteilchen. Mit fortschreitender plastischer Verformung nehmen die Metallteilchen eine Plättchenform an. Die Plättchendicke nimmt mit zunehmender Mahldauer ab und teilweise entstehen Bruchstücke. Am Ende des ersten Mahlstadiums, nach ca. 60 Minuten, hat sich sämtliches Hartstoffpulver an der Metallteilchenoberfläche angelagert. Die Verteilung der Hartstoffteilchen innerhalb des Metalls erfolgt im nächsten Zeitabschnitt. Infolge des Anlagerns und Verschweißens von Plätt-
54 chen bilden sich räumliche Teilchen mit lamellarem Aufbau aus, wobei Metalllamellen ohne Hartstoffteilchen und Lamellen mit Hartstoffteilchen periodisch wechseln. Im Weiteren nimmt die Größe der Lamellenstapel zu. Gleichzeitig nimmt aufgrund ständiger plastischer Verformung die Dicke der hartstofffreien Lamellen ab und es findet eine gewisse Verwirbelung der Lamellen im Verbundpulverteilchen statt. Die beschriebenen Zustände sind sehr gut anhand von lichtmikroskopischen Aufnahmen darstellbar (Bild 1). Die reinen Metallbereiche erscheinen hell und unterscheiden sich deutlich von den dunkelgrauen Mischgebieten. Bei dieser Bildkontrastierung wird auf die Sichtbarmachung von intermetallischen Ausscheidungsphasen im Metall verzichtet. Auf diese Weise kann der Vermischungsgrad beurteilt werden.
Bild 1: LM-Schliffaufnahmen, Pulverzustand nach 60 min (links) und 150 min Mahldauer, Al + 15 Vol.-% SiC.
Die nachfolgende Untersuchung am REM zeigt, dass die Hartstoffteilchen in ausreichendem Maße in der Metallmatrix eingebunden sind, keine ausgeprägte Agglomeration vorliegt und keine deutliche Zerkleinerung der Hartstoffteilchen stattgefunden hat. Die Verbundpulverteilchen enthalten stellenweise Hohlräume und Risse. Fortgesetztes Mahlen führt zur starken Vergröberung des Pulvers. Insofern ist die Mahldauer begrenzt, sie sollte bei den gewählten Prozessbedingungen nicht wesentlich länger als 210 min betragen. Ebenfalls negativ kann sich eine langzeitige, hohe Rotordrehzahl auswirken. Es resultiert ein verstärktes Verkleben des Metallpulvers an Kugeln und Rotorflügelflächen. Damit steigt der Verlust an Mahlgut an. In den Verbundpulverteilchen sind zusätzlich eisenhaltige Fremdteilchen in μm- bis wenige 10 μm-Größe nachweisbar. Offensichtlich findet bei den Kollisionsvorgängen während des Mahlens auch ein Erosionseffekt an Kugeln und Rotorflügeln statt. Die beschriebenen Effekte gelten für die eingesetzten Pulverarten SiC und Al2O3 in gleicher Weise. Für den höheren Hartstoffpulveranteil mit 15 Vol.-% scheint die erforderliche Mahldauer geringfügig kürzer zu sein. Der gegenwärtig erreichte Vermischungsgrad wird auf größer als 85 Prozent abgeschätzt. Für einen Anteil von 5 Vol.-% ist er etwas niedriger. Zwecks Verbesserung sind weitere Optimierungsversuche vorgesehen. 3.2
Mikrostruktur im stranggepresstem Zustand und nach T4-Behandlung
Nach dem Heißisostatischen Pressen (450 °C) des Al/SiC-Verbundpulvers und anschließendem Strangpressen (ca. 350 °C) zu Stangen liegt ein kompakter Werkstoff vor. Im Querschliff scheint eine ausreichende Verteilung der SiC-Teilchen gegeben zu sein (Bild 2). Jedoch zeigt
55 der Längsschliff eine gewisse Zeiligkeit aufgrund länglicher, SiC-freier Bereiche in Stangenlängsrichtung. Die Entstehung der unvermischten „Kanäle“ mit Dicken bis einige Mikrometer ist auf die unvollständige Verteilung der Hartstoffteilchen im Verbundpulver zurückzuführen. Die Häufigkeit und Dicke dieser Bereiche ist für 5 Vol.-% SiC höher als für 15 Vol.-%. Es wird davon ausgegangen, durch weitere Optimierung des HEM-Prozesses eine nahezu gleichmäßige Hartstoffteilchen-Verteilung erzielen zu können. In Bild 3 sind die rasterelektronenmikroskopischen SE- und RE-Aufnahmen einer repräsentativen Probenstelle enthalten. Es wird beispielhaft gezeigt, dass keine ausgeprägte Agglomeration der SiC-Teilchen vorliegt. Das stranggepresste Material weist eine geringe Mikroporosität in Form von einzelnen, max. 1 μm großen Poren auf. Die Häufigkeit der Mikroporen ist für 15 Vol.-% Hartstoffanteil höher als für 5 Vol.-%. Die erforderliche Einbindung der SiC-Teilchen in der Matrix ist realisiert. Diese Aussage wird durch TEM-Untersuchungen im T4 (505 °C)-wärmebehandelten Zustand bestätigt. Weder Mikrospalt noch anders geformte Hohlräume sind an der Grenzfläche SiC/Al vorhanden.
Bild 2: LM-Schliffaufnahmen, Al + 15 Vol.-% SiC im stranggepressten Zustand, quer und längs zur Strangrichtung.
Bild 3: REM-Längsschliffaufnahmen mit SE-(links) und RE-Detektor (rechts), Al + 15 Vol.-% SiC / stranggepresst.
56 Bild 4 vermittelt die relativ unübersichtliche Situation in TEM-Übersichtsaufnahmen. Die Untersuchung bei höheren Vergrößerungen ergibt, dass neben SiC-Teilchen und intermetallischen Phasenteilchen zusätzliche Teilchen, welche bei der REM-Untersuchung am Schliff nicht sichtbar sind, in der Metallmatrix verteilt sind. Eine eindeutige Zuordnung der Teilchen zu den verschiedenen Phasen gelingt in den meisten Fällen nur mit Hilfe der EDXS-Punktanalyse. Lediglich die intermetallischen Phasenteilchen, meist Al2Cu, lassen sich anhand der rundlichen Form und dem niedrigen Grauwert aufgrund der höheren Ordnungszahl der Phase im Vergleich zur Al- oder SiC-Phase leicht identifizieren. Sie liegen in zwei Größenklassen, 50–200 nm bzw. 1–2 μm, vor. Für die SiC-Teilchen sind die unregelmäßige Form und ein lokal variierender Streifenkontrast typisch.
Bild 4: TEM-Aufnahmen, Übersicht (links) und Ausschnitt (rechts), Al + 15 Vol.-% SiC / T4-behandelt.
Die Ausschnittsaufnahme in Bild 4 enthält SiC-, Al2Cu- und Oxidteilchen. Die Oxidteilchen haben eine Größe bis einige 10 nm und zeigen häufig eine regelmäßige, polyedrische Form mit ebenen Flächen. Diese Morphologie, aber insbesondere der Abbildungskontrast für verschiedene Probenkippungen sowie im Dunkelfeldmodus belegen, dass ein kristalliner Zustand vorliegt. Die Phasenidentifikation mittels Feinbereichsbeugung konnte aufgrund der geringen Teilchengröße und der Vermischung mit den anderen Phasen nicht realisiert werden. Die EDXS-Messungen ergeben, dass es sich um Oxid mit Al- und Mg-Anteil handelt. Die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung wird erschwert, weil das Ergebnis durch die umgebende Al-Matrix verfälscht werden kann. Aus diesem Grund werden die ermittelten Elementkonzentrationen in folgender Form angegeben: >50 O; >10 Mg; <40 Al in At.-%. Damit liegt die Zusammensetzung in der Nähe von Spinell MgAl2O4 (57 O; 14 Mg; 28,5 Al in At.-%). Ein Teil der Oxidteilchen enthält zusätzlich Si mit einer Konzentration von wenigen At.-%. Unter Berücksichtigung von Paralleluntersuchungen an hochenergie-gemahlenem AlLegierungspulver ohne Zusatz von Hartstoffteilchen und Stearinsäure wird geschlussfolgert, dass die Oxidausbildung auf die Luftatmosphäre in der Kugelmühle in Verbindung mit dem Wärmeeintrag während der pulvermetallurgischen Verarbeitung des Verbundpulvers zurückzuführen ist. Die Oxidteilchen kommen relativ häufig, sowohl an der Grenzfläche SiC/Al als auch in der Al-Matrix verteilt, vor. Aufgrund der begrenzten Größe und der Verteilung der Oxidteilchen wird angenommen, dass keine schädliche Wirkung auf die mechanischen Verbundwerkstoffeigenschaften resultiert sondern ein positiver Effekt erzielt werden kann.
57 Die Suche nach Al-Karbidteilchen, welche eine typische Grenzflächenreaktionsphase im System SiC/Al darstellen, wird durch das Vorhandensein der Oxidteilchen erschwert. Zwecks Verifikation der Aussagen wurde eine Probe zusätzlich bei 600 °C, 5 h geglüht, um eine intensive Grenzflächenreaktion zu provozieren. Tatsächlich bildet sich unter diesen, dem Schmelzpunkt nahen Bedingungen eine hohe Anzahl von stab- bzw. nadelförmigen Kristalliten aus, wie sie in [5] beschrieben werden. Die EDXS-Untersuchung beweist das Vorhandensein von Kohlenstoff und Aluminium. Sauerstoff und Magnesium sind nicht enthalten. Der Kohlenstoffanteil kann aus methodischen Gründen nicht quantifiziert werden, jedoch ist die Kristallitform typisch für die Phase Al4C3 mit rhomboedrischer Struktur. Im Zustand nach dem Strangpressen und T4-Behandlung ist die Situation anders. Nur äußerst selten sind Teilchen mit der charakteristischen Karbidform enthalten und somit kein charakteristisches Merkmal für den Grenzflächenzustand. Aufgrund der geringen Teilchengröße (Länge < 100 nm, Dicke 10 nm) ist eine Identifizierung mittels EDXS nicht möglich. Insofern wird geschlussfolgert, dass unter den gewählten Prozessbedingungen bei der pulvermetallurgischen Verarbeitung des Verbundpulvers und der nachfolgenden T4-Behandlung die Ausbildung von Aluminiumkarbid höchstens in einem sehr geringen Ausmaß stattfindet und kein Problem für die resultierenden Eigenschaften des Verbundwerkstoffes darstellt.
4
Zusammenfassung
Anhand von Pulver-Schliffuntersuchungen werden die Stadien der Verbundpulverausbildung bei dem Hochenergie-Kugelmahlen von Al-Legierungspulver EN AW 2017 mit SiC bzw. Al2O3-Pulver dargestellt. Die Rotordrehzahl darf nicht zu hoch gewählt werden, um Verklebungen an Kugeln und Rotorflügelflächen gering zu halten. Nach ca. 180 bis 210 min ist die Forderung an den Vermischungsgrad der beiden Komponenten großteils erreicht. Nach der pulvermetallurgischen Verarbeitung von Al-SiC-Pulver zu Kompaktmaterial liegt ein Verbundwerkstoff mit der erforderlichen Einbindung der Hartstoffteilchen vor. Die Grenzfläche SiC/Al ist ohne Hohlräume und ohne nennenswerte Al-Karbidphase ausgebildet. Eine relativ geringe Zeiligkeit in Strangpressrichtung spricht für kleine Abstriche bezüglich der Gleichverteilung der SiC-Teilchen. Insofern wird ein Verbesserungspotenzial bei der HEM-Prozessgestaltung gesehen. Durch detaillierte TEM-Untersuchungen wird nachgewiesen, dass sich aufgrund der Prozessbedingungen eine Oxidphase ausbildet. Aufgrund der geringen Teilchengröße und der weiten Verteilung in der Metallmatrix wird kein negativer, sondern eher ein positiver Effekt auf mechanische Eigenschaften erwartet.
5
Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung der vorgestellten Arbeiten im Rahmen des SFB 692, TPA2-1. Weiterhin gilt Dank den MitarbeiterInnen U. Faust, C. Gläser, K. Muhr, und M. Glauer, Lehrstuhl für Verbundwerkstoffe der TU Chemnitz.
58
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
Literatur N. Hort, K.U. Kainer, in Metallische Verbundwerkstoffe (Hrsg.: K.U. Kainer), VCH, Weinheim, 2003, 260–295. J.M. Torralba, C.E. da Costa, F. Velasco, Journal of Materials Processing Technology 2003, 133, 203–206. N. Chawla, Y.-L. Shen, Advanced Engineering Materials 2001, 3, 357–370. K.M. Shorowordi, T. Laoui, A.S.M.A. Haseeb, J.P. Celis, L. Froyen, Journal of Materials Processing Technology 2003, 142, 738–743. M. Yang, V.D. Scott, Journal of Material Science 1991, 26, 1609–1617. C. Suryanarayana, Progress in Materials Science 2001, 46, 1–184. I. Özdemir, S. Ahrens, S. Mücklich, B. Wielage, Journal of Materials Processing Technology 2008, 205, 111–118.
59
Grenzflächenreaktionen bei der Herstellung von SiCP-Magnesium oder -Aluminium MetallmatrixVerbundwerkstoffen auf schmelzmetallurgischem Weg Andreas Schiffl ARC Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen, Österreich
1
Abstract
Bei der Herstellung von Magnesium- oder Aluminium-Metal Matrix Composites (MMCs) kann es zu Oberflächenreaktionen an den zur Verstärkung eingebrachten SiC-Partikeln (SiCP) kommen. Die Ausprägung der Grenzschicht zwischen den SiC-Partikeln und der Magnesium- oder Aluminium-Matrix beeinflusst in hohem Masse die Langzeiteigenschaften des MMC Werkstoffs während des Einsatzes. Um die Bildung von binären und ternären Karbiden zu verhindern muss bei der schmelzmetallurgischen Verarbeitung der MMCs auf eine kontrollierte Temperaturführung, geeignete Legierungszusammensetzung und kurze Verarbeitungszeiten geachtet werden. Die Karbide sind wasserlöslich und zersetzen sich in feuchter Luft oder Wasser, was zur Zerstörung des Verbundes führt. Es wird dargelegt, in welchem Maß die Bildung der Karbide von der Legierungszusammensetzung der Matrix und der Temperaturführung, besonders der Kontaktzeit mit der Schmelze abhängt. Zudem wird gezeigt, dass die Menge der auftretenden Phasen (Mg2Si, Al2MgC2) deutlich von der Größe der SiC-Partikel bestimmt wird.
2
Einleitung
Metal-Matrix-Composites (MMCs) können eingesetzt werden, wenn leichte, verschleißfeste Werkstoffe mit speziellen thermischen Eigenschaften benötigt werden. In der Elektronik werden diese MMCs beispielsweise als Wärmeableiter angewendet. Dabei ist vor allem ihre hohe Wärmeleitfähigkeit, verbunden mit einem niedrigen thermischen Ausdehnungskoeffizienten, von Bedeutung. Im PKW-Bereich werden MMCs als Bremsscheiben eingesetzt. Zur CO2-Reduktion bei Verbrennungsmotoren müssen die Komponenten leichter und belastbarer werden. Dies kann durch den Einsatz von MMC-Linern (Zylinderlaufbüchse) als auch von partiell oder voll verstärkten Kolben erreicht werden [1]. Was aber zeichnet diese Gruppe der MMCs aus? Magnesium- oder Aluminiummatrixverbundwerkstoffe sind attraktive Kandidaten für Bauteile, die einen geringen thermischen Ausdehnungskoeffizienten bei gleichzeitig hoher Wärmeleitfähigkeit aufweisen müssen. Dies kann durch die Zugabe von SiC-Partikeln erreicht werden. Durch Einlagerung von keramischen Partikeln wie SiC, TiN, AlN, TiB2, TiC, ZrC, B4C kann gleichzeitig auch die Verschleißbeständigkeit erhöht werden. Diese keramischen Partikel tragen zudem zur Steigerung der mechanischen Festigkeit bei: Der E-Modul, die Streckgrenze sowie die Zugfestigkeit können erhöht werden, bei gleichzeitig Verminderung der Bruchdehnung.
60 Eine Methode, derartige Werkstoffe herzustellen, ist die Infiltration von Partikelschüttungen mit Magnesium-Aluminium-Legierungen (beispielsweise AZ-Legierungen) oder das Einrühren von Partikeln in die Schmelze. Von der Infiltration von Kohlefaserwerkstoffen und Graphit ist bekannt, dass es an der Grenzfläche zwischen Faser bzw. Graphit und Aluminium zur Bildung von Aluminiumkarbid kommen kann [2]. Ob und wie viel Aluminiumkarbid gebildet wird, hängt sowohl von der Fasersorte als auch von den Herstellungsparametern ab. Je höher die Infiltrationstemperatur und je länger der Kontakt zwischen dem flüssigen Aluminium und den Kohlenstofffasern andauert, desto mehr Aluminiumkarbid bildet sich. Die Karbidnadeln wachsen an den Kohlenstofffasern. Dadurch entstehen innere Spannungsspitzen an den Fasern und der Verbund verliert an Festigkeit. In der Literatur ist nur wenig über die Karbidbildung bei der Infiltration von Graphitfasern mit aluminiumhaltigen Magnesiumlegierungen zu finden [3]. Es konnte aber gezeigt werden, dass sich ternäre Karbide (Al2MgC2) an den Faseroberflächen bilden können [3]. Kommen die Karbide während ihrer Verwendung mit Feuchtigkeit in Berührung, so zersetzen sie sich und zerstören die Faser-Matrix-Haftung und der Verbund verliert seine positiven Eigenschaften. Im schlimmsten Fall kann es zu einer totalen Ablösung der Fasern/Partikel aus der Matrix kommen. Daher ist es von großer Bedeutung, die Karbidbildung während der Herstellung des Verbundwerkstoffes möglichst zu unterbinden, um die Langzeitbeständigkeit der Verbunde zu gewährleisten [4]. Durch die Verringerung der Verarbeitungstemperatur (Schmelzetemperatur) und -dauer (Zeit, in der die Schmelze flüssig ist), kann meist der Gehalt an schädlichen Karbiden verringert werden [5]. Aber auch die Wahl der MMC Matrix kann die Karbidbildung stark beeinflusst werden. Wird eine Matrix verwendet, die keine Karbide mit dem Kohlenstoff (C-Faser, SiC, B4C, etc.) bildet, ist auch der Verbund karbidfrei. Wenn die Matrix durch den Einsatzzweck festgelegt wird (z.B. Aluminium für eine hohe Wärmeleitfähigkeit) und sich dadurch Karbide ausbilden können, kann durch den Zusatz von Legierungselementen oder durch Beschichtung der Fasern/Partikel die Karbidmenge reduziert werden. Die Problematik der chemischen Beständigkeit von SiC-Partikeln in aluminiumhaltigen Magnesiumlegierungen wird sehr kontrovers diskutiert. Die Untersuchungen zeigen entweder keine [6,7] oder nur eine geringe Grenzflächenreaktion an den SiC-Partikeln [4,8]. Wenn Rückschlüsse von Aluminium-SiCP MMCs [9] auf aluminiumhaltige Magnesium-SiCP MMCs gemacht werden, dann sind der Herstellungsprozess und dessen Parameter ein wichtiger Einflussfaktor. In den folgenden Kapiteln wird gezeigt, wann und welche Phasen (Karbide) bei der Herstellung von Magnesium- oder Aluminium-SiC-MMCs auftreten können. Im Speziellen wird der Einfluss der Partikelgröße (kleine Partikel) auf die Bildung von Karbiden beschrieben.
3
Experimente
Für die Experimente wurden zwei unterschiedliche Sorten von SiC-Partikeln verwendet. Es handelt sich dabei um SiC-Pulver von Saint Gobain (SG) mit einer Körnung F800 (mittlere Partikelgröße 8,1 μm) und F2000 (mittlere Partikelgröße 1,4 μm). Die mittlere Partikelgröße und die Verteilung der Partikelgröße wurden mit einem Helos-Partikelgrößenanalysegerät ermittelt. Abb. 1 illustriert die Grössenverteilung der verwendeten Pulver. Die Pulver bestehen aus hexagonalem SiC mit den SiC typischen Gittermodifikationen 4H, 6H und 15R, einem geringen An-
61 teil an SiO2 und freiem Kohlenstoff sowie Spuren von Si und Fe2O3. Die Reinheit der SiCPulver liegt bei ca. 99%. Die Pulver wurden mittels Druckinfiltration für die weitere Verwendung infiltriert. Als Matrix für die Infiltration wurde reines Magnesium und reines Aluminium verwendet. Im nächsten Schritt wurden die infiltrierten Proben in Magnesium aufgelöst (ca. 0,2 Gew.-% und 2 Gew.-% SiC-Partikel in der Schmelze). Die Schmelzetemperatur betrug 700 °C ± 5 °C. Die Schmelze wurde in Abständen von 30 min immer wieder aufgerührt, um eine gute Durchmischung zu erlangen. Am Ende der Versuche wurde den Partikeln Zeit gegeben, sich über Dichteseparation am Boden im Bodensatz (Sumpf) anzureichern. Dadurch wird die Anzahl an zu analysierenden Partikeln erhöht, und die anschließenden Untersuchungen wie Metallografie, Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Röntgenbeugung konnten vereinfacht werden. Die REM-Untersuchungen wurden an einem EVO 40 bei einer Beschleunigungsspannung von 15 kV und einem Arbeitsabstand von 9,5 mm durchgeführt. Die Ermittlung der Röntgenbeugungs-Daten erfolgte mittels eines Röntgendiffraktometers der Marke PANalytical. Die Proben wurden mit einer Geschwindigkeit von 0,0045 °/min gemessen und während der Messung durch einen Spinner gedreht.
Abb. 1: Partikelgrößenverteilung der Pulver F800 und F2000. Das F800 Pulver hat eine mittlere Partikelgröße von 8,1 μm, das F2000 hat eine mittlere Partikelgröße von 1,4 μm.
4
Ergebnisse
4.1
Lichtmikroskopische Untersuchung
Eine erste metallographische Bewertung erfolgte im Lichtmikroskop. Bei den SiC-Pulvern (F800 und F2000) infiltriert mit Magnesium zeigt sich bereits nach einer sehr kurzen Infiltrationszeit von ca. 10 s eine Veränderung im Gefüge. Es bildete sich neben dem SiC und dem Mg
62 (Matrix) eine dritte sichtbare Phase aus. Die Morphologie und der Färbung erlaubt eine Identifikation als Mg2Si. Das Mg2Si ist teilweise an den SiC-Partikeln angewachsen oder liegt fein verteilt in der Magnesiummatrix vor. Die Mg2Si-Phasen können so groß werden, dass einige SiCPartikel eingeschlossen (umhüllt) werden (Abb. 2). Bei den SiC-Pulvern (F800 und F2000) infiltriert mit Aluminium konnte im Lichtmikroskop keine Veränderung beobachtet werden, die Proben bestehen aus SiC und Aluminium als Matrix. Lichtmikroskopisch ist keine Abhängigkeit der Reaktionsprodukte der SiC-Partikel von der Partikelgröße zu erkennen. Nach dem Auflösen/Verdünnen der Infiltrate auf ca. 0,2 Gew.-% und ca. 2 Gew.-% SiC in einer Magnesiumschmelze (ca. 15 kg AZ31) sind am Ende des Versuchs deutliche Veränderungen an den SiC-Partikeln zu erkennen. In Abb. 3 ist der sogenannte Bodensatz zu sehen. Er enthält agglomerierte und gleichzeitig zusammengewachsene SiC-Partikel. Es bilden sich Nadeln und Platten aus, die auf den Agglomeraten aufwachsen und in weiterer Folge frei in die Matrix hineinwachsen. In Anlehnung an Ergebnisse aus der Al/SiC-MMC Entwicklung [10], kann dabei auf das binäre Karbid Al4C3 geschlossen werden. Dieses binäre Karbid tritt bei ungünstigen Produktionsparametern wie zu hohe Schmelzetemperatur und zu lange Verweildauer der SiC-Partikel in der Aluminiumschmelze auf.
Abb. 2: SiC-Partikel F800 infiltriert mit Magnesium. Die SiC-Partikel (dunkelgrau, kantig) heben sich deutlich von der hellen Matrix (Mg) ab. Im oberen Bereich ist deutlich die Mg2SiPhase (hellgrau), die etliche SiC-Partikel umhüllt, zu erkennen.
Abb. 3: Bodensatz eines Magnesium MMCs mit 2 Gew.% SiC. Die Nadeln und Platten aus den Karbiden sind gut zu erkennen, denn sie wachsen frei in die Matrix. Der Rest des ehemaligen SiCPulvers ist zu einen Konglomerat aus SiC, Mg2Si und Karbiden zusammen gewachsen.
Die Bildung von Karbiden in aluminiumhaltigen Magnesiumschmelzen bei Vorhandensein von freiem Kohlenstoff wurde bis jetzt in der Literatur nur bei Kohlefaserinfiltraten geschildert [3, 11, 12]. In der Literatur wurde bis jetzt nichts darüber berichtet, dass bei Verwendung von SiC-Partikeln als Verstärkungsphase in Magnesium eine ähnliche Reaktion ablaufen kann [4, 8]. Der freie Kohlenstoff für diese Reaktion muss von den SiC-Partikeln stammen. Da Mg2Si im gesamten Probenvolumen vorhanden ist, kann gefolgert werden, dass sich die SiC-Partikel an- oder auflösen und somit Si zur Bildung der Mg2Si-Phase vorhanden ist. Der somit frei gewordene Kohlenstoff steht zur Bildung von binären oder ternären Karbiden zur Verfügung. Dabei könnte es sich um folgende Karbide handeln: Mg2C, Mg2C3, Al4C3, Al2CO oder Al2MgC2. Mit Hilfe des Lichtmikroskops ist kein Unterschied in der Morphologie der Karbide zwischen den zwei verwendeten Partikelgrößen zu erkennen.
63 Die Präparation und die Analyse der binären oder ternären Karbide muss sehr sorgfältig durchgeführt werden. Die Karbide lösen sich bei Anwesenheit von Feuchtigkeit oder Wasser auf und die Analysenergebnisse können verfälscht werden.
4.2
Rasterelektronenmikroskopische Untersuchung
Um eine bessere Darstellung und Charakterisierung der Phasen zu ermöglichen, wurden die Proben im Rasterelektronenmikroskop untersucht. In Abb. 4 ist eine Aufnahme des Bodensatzes zu sehen. Die entstehenden Karbide umhüllen oder überwachsen die SiC-Partikel. Durch das Wachstum verbinden sie sich zu großen plattenförmigen Agglomeraten, die sich auch durch das wiederholte Rühren nicht mehr trennen lassen. Die sehr dünnen Nadeln bzw. Plättchen, die sich in der Matrix gebildet haben, sind in Abb. 5 dargestellt. Aus Unkenntnis der Dicke der plattenförmigen agglomerierten und nadelförmigen Karbide ist die chemische Zusammensetzung mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDXS) nicht eindeutig abgesichert. Das Magnesium, das bei allen Messungen mit angezeigt wurde, kann aus der Matrix oder der zu analysierenden Phase stammen. Somit kann auch mit Hilfe von EDXS keine eindeutige Identifizierung der Phasen vorgenommen werden.
Abb. 4: REM-Aufnahme des Bodensatzs eines Magnesium MMCs nach ca. 2 Stunden. Neben den F2000 SiC-Partikeln sind zusätzlich helle, plattenförmige Phasen erkennbar (aufgewachsene Karbide).
4.3
Abb. 5: REM-Aufnahme des Bodensatzes eines Magnesium MMCs. Die hellen Bereiche entsprechen den SiC-Partikeln. Die zusätzlich erkennbaren Phasen sind platten- und nadelförmige Karbide.
Röntgenbeugungs-Untersuchung
Um eine eindeutige Identifizierung der Phasen zu gewährleisten, wurden auf die Analyse der Proben mittels Röntgenbeugung zurück gegriffen. Durch die Analyse der Gitterstruktur der auftretenden Phasen kann die eindeutige Zuordnung, im Rahmen des Analysefehlers, erfolgen. Die infiltrierten Proben mit Aluminiummatrix zeigen, unabhängig von der Partikelgröße, die Phasen SiC und Al (Abb. 6). Wenn Magnesium als Matrix gewählt wurde, kann, unabhängig von der Partikelgröße, eindeutig Mg2Si zusätzlich zu SiC und Mg nachgewiesen werden (Abb. 6). Das SiC kommt in mehreren Gitterstrukturen (Polytypen) wie 4H, 6H und R15 vor (Abb. 6). Nach dem Einrühren der infiltrierten MMCs zu Magnesium und wiederholtem Rühren können zu Versuchsende zusätzlich die Phasen Mg2Si und das ternäre Karbid Al2MgC2 ermittelt
64 werden. Binäre Karbide wie z.B. Al4C3, Mg2C oder Mg2C3 konnten nicht nachgewiesen werden (Abb. 7). Aus der Röntgenbeugungsanalyse und der Metallografie kann abgeleitet werden, dass je größer die SiC-Partikel (F800, 8,1 μm) sind, desto langsamer geht die Umwandlung in das ternäre Karbid Al2MgC2 vonstatten. Der Anteil der Mg2Si-Phase ist bei Verwendung der großen SiC-Partikel (F800, 8,1 μm) im Vergleich zu den kleinen SiC-Partikeln (F2000, 1,4 μm) zusätzlich verringert.
Abb. 6: Röntgenbeugungsbild der infiltrierten Proben. In allen Proben findet sich SiC in unterschiedlichen Typologien (4H, 6H, R15). Bei den Mg-SiC-MMCs wird zusätzlich die Phase Mg2Si identifiziert, bei den Al-SiC-MMCs ist keine zusätzliche Phase mittels Röntgenbeugung nachweisbar.
5
Abb. 7: Röntgenbeugungsbild nach Auflösen/ Verdünnen der infiltrierten MMCs in Magnesium. Zu Versuchsende können die Phasen Mg, Mg2Si und Al2MgC2 mit reduziertem SiCGehalt nachgewiesen werden.
Zusammenfassung
Die Qualität eines MMCs hängt in hohem Masse von der Ausbildung der Grenzschicht zwischen Partikel und Matrix ab; deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Reaktionen und Reaktionsprodukte während der Verarbeitung entstehen können. Mittels Druckinfiltration wurden Mg-SiC und Al-SiC MMCs hergestellt und lichtmikroskopisch, elektronenmikroskopisch und mit Röntgenbeugung untersucht. Nach den kurzen Infiltrationszeiten kann bei der Verwendung von Magnesium als Matrix eine zusätzliche Phase, unabhängig von der Partikelgröße gefunden werden. Bei dieser Phase handelt es sich um Mg2Si, welches auf die An- oder Auflösung von den SiC-Partikeln hindeutet. Dabei kann sich das nun freie Si während der Erstarrung ausscheiden und Mg2Si-Phasen bilden. Durch das lange Halten und das partielle Rühren der Schmelze (AZ31 mit 0,2 oder 2 Gew.% SiC) bei einer konstanten Temperatur bilden sich, unabhängig von der Partikelgröße, ternäre Karbide (Al2MgC2) und Mg2Si-Phasen aus. Bei Verwendung von kleinen SiC-Partikeln (F2000) bilden sich mehr ternäre Karbide und Mg2Si-Phasen aus. Der Nachweis, dass es sich bei den gebildeten Karbiden um ternäre Karbide des Typs Al2MgC2 handelt, konnte erstmals mittels Röntgenbeugung erbracht werden. Da die Bildung der Karbide immer bei längerem Halten und bei kleinen SiC-Partikeln verstärkt auftritt, müssen die Haltezeiten so kurz als möglich gehalten werden. Durch die Verwen-
65 dung von größeren SiC-Partikeln bei gleichem Volumenanteil kann die Bildung der Karbide weiter reduziert werden. Um die Bildung des ternären Karbides Al2MgC2 ganz zu unterdrücken, muss eine aluminiumfreie Matrix verwendet werden.
6 [1]
Literatur
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66
Herstellung von partikelverstärkten Verbundwerkstoffen durch Magnesiumspritzgießen C. Rauber1, A. Lohmüller1, M. Hilbinger1, S. Opel2, M. Hartmann1, R.F. Singer2 1 2
Neue Materialien Fürth GmbH, Fürth Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Technologie der Metalle, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
1
Einführung
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um steigende Energiepreise, Klimawandel, CO2-Ausstoß und Schonung der natürlichen Ressourcen stellt der Leichtbau einen zentralen Bestandteil jeder Entwicklung in der Verkehrstechnik dar. Neben dem konzeptionellen Leichtbau ist dabei der Materialleichtbau von besonderer Bedeutung [1]. Hierbei werden Werkstoffe mit hohen Dichten, wie z.B. Stahl oder Gusseisen, durch leichtere Materialien ersetzt. Mit einer Dichte von 1,74 g/cm3 ist Magnesium das leichteste metallische Konstruktionsmaterial und findet dadurch vermehrt Anwendung im Automobilbau. Als Beispiele sollen hier das MagnesiumAluminium-Verbundkurbel-Gehäuse der aktuellen Sechszylinder-Baureihe der BMW Group [2] sowie das Getriebegehäuse 7G-Tronic aus der Legierung AS31 der Daimler AG [3] genannt werden. Der geringe Elastizitätsmodul, die vergleichsweise niedrige Festigkeit sowie die mangelnde Verschleißbeständigkeit schränken aber bislang eine breitere Anwendung des Magnesiums ein. Die Verstärkung von Magnesiumlegierungen mit einer zweiten Phase bietet das Potenzial diese Hemmnisse zu überwinden [4]. In den letzten Jahrzehnten wurden daher zahlreiche Versuche unternommen Bauteile aus partikel- oder kurzfaserverstärkten Leichtmetalllegierungen herzustellen. Häufig wurde die Verstärkungsphase in die Schmelze eingerührt und anschließend durch konventionelle Gießprozesse weiterverarbeitet [5, 6]. Diese Prozessroute weist jedoch einige Nachteile auf. Zum einen ist die Durchmischung oft nicht ausreichend, um das Absetzen der Partikel im Tiegel zu verhindern sowie Partikelagglomerate aufzubrechen. Zum anderen werden durch das Rühren bei hohen Temperaturen Gase in der Schmelze eingeschlossen, die zu erhöhten Porositäten im Bauteil führen. Weiterhin fördern die langen Kontaktzeiten und hohen Prozesstemperaturen bei der Durchmischung die Bildung von Reaktionen zwischen der Matrixlegierung und den Verstärkungspartikeln [5-7]. Eine vielversprechende Verfahrensalternative stellt hier das Magnesiumspritzgießen dar. Gegenüber dem Druckguss ergibt sich eine Reihe von Vorteilen, die sich bei der Herstellung von partikelverstärkten Magnesiumlegierungen positiv auswirken sollten. Durch eine deutlich niedrigere Schmelzetemperatur, relativ kurze Kontaktzeiten und eine gezielte Temperaturführung in der Schnecke lassen sich Grenzflächenreaktionen auf ein Minimum reduzieren. Ein Absinken der Partikel und die Bildung von Agglomeraten wird durch die intensive Vermischung der Komponenten in der Schnecke und die geometrische Begrenzung des Schneckengangs verhindert [8]. In diesem Beitrag sollen zunächst Laborversuche zur Ermittlung eines Prozessfensters im Magnesiumspritzgießen vorgestellt werden. Anschließend wird über die Verarbeitung der Le-
67 gierungen AZ91 und AJ62 verstärkt mit SiC-Partikeln im Magnesiumspritzgießen und die Mikrostruktur sowie die mechanischen Eigenschaften der Verbundwerkstoffe berichtet.
2
Experimentelles
Als Matrixmaterialien wurden Granulate der Legierungen AZ91 und AJ62 der Firma ECKA Granulate GmbH & Co. KG eingesetzt. SiC-Partikel F600 mit einer mittleren Korngröße ds50 von 9,3 μm der Firma ESK-SiC GmbH dienten als Verstärkungsphase.
2.1
Herstellung und Charakterisierung der Laborproben
Bild 1 zeigt den Versuchsaufbau zur Herstellung der Laborproben unter Argonatmosphäre. Das Magnesiumgranulat und die Verstärkungspartikel werden zunächst manuell vorgemischt in den Tiegel gegeben. Im Anschluss an eine Aufheizphase auf die jeweilige Prozesstemperatur erfolgt die Einbringung der Partikel durch eine definierte Scherung im Spalt zwischen Tiegelwand und Rotor. Die Temperaturen sind an die Bedingungen im Magnesiumspritzgießen angepasst und variieren von 595 bis 630 °C. Die Scherrate von 100 s–1 wird für 10 min aufgebracht und das Partikel-Schmelze-Gemisch in eine auf 150 °C temperierte Versuchskokille abgegossen. Aus den Probestäben mit einem Durchmesser von 10 mm und einer Länge von 110 mm wurden die benötigten Probengeometrien herausgearbeitet.
Bild 1: Ofenkammer mit Rotor und Tiegel zur Durchführung der Laborversuche unter Schutzgas.
Die Härte HV1 wurde an einem Mikrohärteprüfgerät LM 300 AT der Firma Leco ermittelt. Die Bestimmung des E-Moduls erfolgte an zylindrischen Proben mit einem Durchmesser von 5 mm und einer Länge von 50 mm durch Resonanzfrequenzanalyse nach ASTM E 1876-01. An einer Universalprüfmaschine vom Typ Zwick/Roell Z100 wurden Druckversuche unter Ver-
68 wendung von Rundproben mit einem Durchmesser von 5 mm und einer Länge von 7 mm durchgeführt.
2.2
Gießversuche im Magnesiumspritzgießen
Die Gießversuche wurden bei der Neue Materialien Fürth GmbH auf einer Magnesiumspritzgießanlage vom Typ JLM220-MG der Firma Japan Steel Works Ltd. durchgeführt (Bild 2).
Bild 2: Magnesiumspritzgießanlage mit 220 t Schließkraft bei der Neue Materialen Fürth GmbH.
Dabei wurden Zugstäbe nach ASTM-Norm B557-02a und der Prototyp eines Lenkhilfepumpenhalters hergestellt. Die Gießtemperaturen betrugen 605 °C (AZ91) bzw. 615 °C (AJ62) bei einer Werkzeugtemperatur von 125 °C. Die Zugproben wiesen eine Messlänge von 50,8 mm bei einem Durchmesser von 6,2 mm auf. Die Prüfung erfolgte mit Gusshaut ohne Nachbearbeitung der Proben.
3
Ergebnisse
3.1
Mikrostruktur der Kokillenabgüsse
In Bild 3 ist die Gefügeausbildung der Legierung AZ91 verstärkt mit SiC für drei verschiedene Gießtemperaturen TG exemplarisch dargestellt. Die Proben weisen jeweils eine homogene Partikelverteilung über den Querschnitt auf. Es sind nur vereinzelt kleine Agglomerate zu erkennen. Bei einer Temperatur von 595 °C bildet sich die globulare, primäre D-Phase aus. In diese werden die Partikel trotz der aufgebrachten Scherung nicht eingearbeitet. Reaktionen zwischen
69 den Partikeln und der Matrix, unter Bildung der spröden Mg2Si-Phase, treten nur bei 625 °C auf und können durch eine Absenkung der Verarbeitungstemperatur vermieden werden. Die erkennbare Gasporosität ist durch das drucklose Abgießen in die Kokille bedingt.
Bild 3: Mikrostruktur der Legierung AZ91 verstärkt mit SiC für verschiedene Gießtemperaturen TG.
3.2
Bauteil Lenkhilfepumpenhalter
Als Prototypgeometrie wurde ein partikelverstärkter Lenkhilfepumpenhalter im Magnesiumspritzgießen realisiert. Die Auslegung von Anschnitt und Anguss sowie die Gießversuche erfolgten bei der Neue Materialien Fürth GmbH. Bild 4 zeigt eine homogene Verteilung der Partikel in der Matrixlegierung AJ62. Agglomerate sind nicht zu erkennen. Ebenso können keine Reaktionen zwischen den Partikeln und der Matrix beobachtet werden. Die Verarbeitung von partikelverstärkten Legierungen führt damit auch bei komplexen Geometrien zu einer homogenen Verteilung der Verstärkungsphase in den Bauteilen. Auch in den Zugstäben wurde eine homogene Verteilung der Partikel ohne Reaktionen mit der Matrixlegierung erreicht.
3.3
Mechanische Eigenschaften
Bild 5 fasst den Einfluss der Verstärkungspartikel auf die Härte (links) und den E-Modul (rechts) der Legierung AZ91 zusammen. Ausgehend von der unverstärkten Legierung kann die Härte um 70 % von 68 auf 115 HV1 gesteigert werden. Auch der E-Modul verbessert sich durch die Partikelzugabe um bis zu 50 % bei einem SiC-Anteil von 22 vol.-%. Dies steht in guter Übereinstimmung mit Literaturwerten für partikelverstärkte Druckgussproben [5]. Die unterschiedlichen Gießtemperaturen der Kokillenabgüsse zeigen keinen Einfluss auf Härte oder E-Modul. Die Zugabe der SiC-Partikel resul-
70
Bild 4: Lenkhilfepumpenhalter aus der Legierung AJ62 verstärkt mit 15 vol.-% SiC hergestellt im Magnesiumspritzgießen. Die Partikel sind homogen in der Matrix verteilt. Reaktionen zwischen Partikel und Matrixlegierung können nicht festgestellt werden.
Bild 5: Härte (links) und E-Modul (rechts) der Legierung AZ91 in Abhängigkeit vom SiC-Gehalt. Mit zunehmendem Partikelanteil steigen Härte und E-Modul an. Die Werte für den E-Modul stimmen sehr gut mit Werten von Mikucki [5] überein.
tiert damit in einer erhöhten Verschleißbeständigkeit und Steifigkeit der Magnesiumlegierungen. Bild 6 zeigt die Ergebnisse der Druckversuche bei Raumtemperatur für die Legierungen AZ91 (links) und AJ62 (rechts) an Proben aus dem Kokillenguss und dem Magnesiumspritzgießen. Durch die Partikelzugabe können die Stauchgrenze und die Druckfestigkeit der beiden Legierungen gesteigert werden. Die Bruchstauchung nimmt dabei ab. Das Verhalten der partikelverstärkten Legierungen im Zugversuch ist in Bild 7 ersichtlich. Für die Legierung AJ62 (Bild 7, rechts) wird die Streckgrenze bei einer Partikelzugabe von etwa 20 vol.-% um 20 % gesteigert. Die Zugfestigkeit sinkt dagegen leicht ab. Dies ist in einer Versprödung der Proben, die sich auch in einer reduzierten Bruchdehnung äußert, begründet. Dies zeigen auch die Literaturwerte für partikelverstärkte Druckgussproben [5], die in guter Übereinstimmung mit den Messwerten für die partikelverstärkte Legierung AZ91 liegen (Bild 7, links).
71
Bild 6: Mechanische Eigenschaften der Legierungen AZ91 (links) und AJ62 (rechts) in Abhängigkeit vom Partikelgehalt im Druckversuch. Die Stauchgrenze und die Druckfestigkeit steigen mit zunehmendem Partikelgehalt an.
Bild 7: Mechanische Eigenschaften der spritzgegossenen Legierungen AZ91 (links) und AJ62 (rechts) in Abhängigkeit vom Partikelgehalt im Zugversuch. Die Werte für die partikelverstärkte Legierung AZ91 zeigen wiederum eine gute Übereinstimmung mit Werten von Mikucki [5].
4
Zusammenfassung
Es konnte gezeigt werden, dass die partikelverstärkten Legierungen AZ91 und AJ62 erfolgreich im Magnesiumspritzgießen verarbeitet werden können. Die gute Durchmischung im Verfahrensteil führt dabei zu einer homogenen Verteilung der Verstärkungsphase in den Bauteilen. Die Temperaturen und Kontaktzeiten sind ausreichend gering, um Reaktionen der SiC-Partikel mit der Matrixlegierung zu verhindern. Durch die Partikelzugabe können Stauch- und Streckgrenze, die Druckfestigkeit, die Härte und der E-Modul der Legierungen teils signifikant gesteigert werden. Die mechanischen Eigenschaften stoßen damit nahezu in den Bereich der Aluminiumlegierungen vor und treten in direkte Konkurrenz zu diesen. Aufgrund der geringeren Dichte der Magnesiumlegierungen können die Aluminiumlegierungen in Bezug auf die, für den Leichtbau relevanten, spezifischen Steifigkeiten und Festigkeiten sogar übertroffen werden.
72
5
Danksagung
Die Autoren danken der Bayerischen Forschungsstiftung für die finanzielle Förderung des Forschungsprojekts. Ein besonderer Dank gilt der BMW Group, München für die Initiierung des Projekts.
6 [1]
[2] [3] [4] [5]
[6] [7] [8]
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73
Optimiertes Verfahren zur Herstellung von langfaserverstärkten Aluminiumverbundwerkstoffen Thomas Burbach, Andreas Bührig-Polaczek Gießerei-Institut der RWTH Aachen, Aachen
Britta Kuckhoff Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, Aachen
1
Zusammenfassung
In Zeiten in denen die Energieeffizienz von Bauteilen zunehmend an Bedeutung gewinnt, wird in der Werkstoffentwicklung großes Augenmerk auf Möglichkeiten zum Leichtbau gelegt. Die vorliegende Arbeit fasst die Prozesstechnik für langfaserverstärkte Werkstoffe mit metallischer Matrix zusammen und erläutert auf dieser Basis einen Verfahrensablauf zur Herstellung von endabmessungsnahen Bauteilen mit gezielt eingebrachten Verstärkungsfasern.
2
Stand der Technik und eigene Vorarbeiten
2.1
Faserverstärkte Kunststoffe
Bei der Herstellung von langfaserverstärkten Bauteilen werden heutzutage typischerweise Kunststoffmatrices mit technischen Fasern kombiniert, es finden im Wesentlichen Glas-, Kohlenstoff- und Aramidfasern Verwendung. In der jüngeren Zeit gehen die Entwicklungen zu belastungsgerecht ausgelegten dreidimensionalen Geflechten. Die Möglichkeit belastungsgerechte Faserstrukturen mit geringem Verschnitt herzustellen, gestattet die direkte 3D-Textilherstellung [1]. Einige Verfahren ermöglichen die Herstellung von 3D-Textilien mit schichtartigem Aufbau, wie z.B. Rundwirkverfahren, Umflechtverfahren oder das Mehrlagenstricken [2]. In verschiedenen öffentlich geförderten Projekten wurden bereits 3D-Textilien zu komplexen Faserverstärkten Kunststoff Bauteilen für Luftfahrtanwendungen erfolgreich weiterentwickelt und angewendet. [3]
2.2
Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe (MMC´s)
Mit Langfasern verstärkte Metall-Matrix Werkstoffe weisen entweder Monofilamente (Einzelfasern mit d = 100–150 Pm) oder kontinuierliche Multifilamente (Faserstränge meist mit 4001000 Einzelfasern von 6–20 Pm Durchmesser) als Verstärkungsphase auf. Wesentliche Vorteile von Kompositwerkstoffen mit metallischer Matrix sind die guten mechanischen Eigenschaften des unverstärkten Werkstoffes sowie eine höhere thermische Belastbarkeit des Verbundes. Karbon-Fasern als Verstärkungsphase werden im Bereich der Kunststoffe umfassend eingesetzt, in Verbindung mit Metallen ist die Reaktivität des Kohlenstoffs sowohl mit dem Luftsauerstoff als auch mit den eingesetzten Legierungen nachteilig. Für die Verarbeitung mittels Schmelzinfiltra-
74 tion sind oxidische Keramikfasern aufgrund ihrer hohen thermischen Stabilität von großer Bedeutung [4]. Am Gießerei-Institut der RWTH Aachen wurden in den vergangenen Jahren umfassende Arbeiten im Bereich der Aluminium-Matrix-Werkstoffe (AMC´s) durchgeführt. Ein Großteil der Arbeiten wurde mit Altex-Fasern der Firma Sumitomo durchgeführt; diese Faser ist heute nicht mehr auf dem freien Markt verfügbar. Eine gute Alternative bieten die Mitte der 90er Jahre auf dem Markt erschienenen Nextel Fasern der Firma 3M. In den bisherigen Projekten [5, 6] wurde zum großen Teil mit unidirektional ausgerichteten Fasern gearbeitet, daneben wurde eine Wickeltechnik für die Keramikfasern erarbeitet. Einige Eigenschaften von HAT-Kohlenstoff- und den beiden genannten Keramikfasern sind in Tabelle 1 exemplarisch aufgeführt. Tabelle 1: Gegenüberstellung einiger Fasertypen für die Herstellung von AMC´s
Fasertyp
Altex der Firma Sumitomo
Nextel 610 der Firma 3M
HT Kohlenstoffaser
Werkstoff
Mullit o Al2O3 mit 15 wt% SiO2
> 99wt% Al2O3
Kohlenstoff (PAN precursor)
Dichte
3,2 g/cm³
3,8 g/cm³
1,8 g/cm³
Zugfestigkeit
1900 N/mm²
3100 N/mm²
3530 N/mm²
E-Modul
210 N/mm²
380 N/mm²
230 GPa
Fasergeometrie
1000 Einzelfilamente mit 300, 750 oder 2550 Einzelfila~15 Pm Durchmesser mente mit ~10–12 Pm Durchmesser
2.3
EinzelfilamentDurchmesser ~7 Pm
Infiltration der Fasern, Prozesstechnik
Die Prozesstechnik für die Herstellung von AMC´s ist in industrieller Skalierung bis zum heutigen Tage nur wenig ausgereift. Exklusive Anwendung sind Drähte für Hochspannungsleitungen auf Basis von rein Aluminium mit unidirektionaler Verstärkung durch Nextel 610 Fasern, welche von der Firma 3M angeboten werden. Hier wird die gute elektrische Leitfähigkeit des Aluminiums mit der Festigkeit der Fasern gezielt kombiniert. Um Fasern mit einer Flüssigkeit zu infiltrieren, muss ein gewisser Grenzdruck überschritten werden, welcher sich aus dem Faservolumengehalt (FFaser), der Geometrie der Faser ( o dFaser) und der Grenzflächenspannung Faser-Matrix (VFaser/Matrix) errechnen lässt; die Grenzflächenspannung zwischen Faser und Atmosphäre (VFaser/Luft) kann hier vernachlässigt werden, [7].
p
4 * VFaser * (V Faser/Matrix V Faser/Atmosphäre ) d Faser * (1 VFaser )
Eine Reduktion des Einzelfilamentdurchmessers von 15 Pm auf 10 Pm bedingt demzufolge eine Steigerung des theoretisch notwendigen Infiltrationsdrucks um 50 % (3,12 bar anstatt 2,08 bar); eine zusätzliche Erhöhung des Faservolumengehalts von 50 auf 80 % bedingt eine theoretische notwendige Steigerung des Infiltrationsdrucks um den Faktor 6 auf 12,48 bar. Die
75 berechneten Werte müssen in der Praxis jedoch um ein Vielfaches überschritten werden, da die Fasern unregelmäßig im Formhohlraum verteilt sind zudem durch die Schmelze verschoben werden und stellenweise direkten Kontakt haben. Bild 1 zeigt Gefügebilder einer mit Keramikfasern verstärkten Aluminiumlegierung. Es sind die lokalen Schwankungen im Faservolumengehalt sehr gut zu erkennen; in den Bereichen geringerer Faserdichte ist die Infiltration deutlich besser als in Bereichen mit hohem Faseranteil.
Bild 1: Ausschnitte einer mit Nextel Fasern und AlZn6Mg1Ag1 hergestellten Probe. Man erkennt die Bereiche geringerer und höherer Faserdichte. Die Infiltrationsdefekte finden sich vor allem in Bereichen, an denen die Fasern sich berühren und die Zwischenräume besonders klein sind.
Die Flüssigmetallinfiltration von Fasern wird in den Gießverfahren Druckguss, SqueezeCasting oder Gasdruck Infiltrationsverfahren bewerkstelligt. Der Druckguss arbeitet mit sehr hohen Formfüllgeschwindigkeiten und Drücken; im Squeeze-Casting Verfahren werden Drücke von 100MPa und mehr verwendet [8,9], was unter anderem die Gefahr birgt, dass die Fasern im Formhohlraum verschoben, zusammen gepresst oder beschädigt werden [8]. Die Verfahren zur Gasdruckinfiltration verwenden meist Formtemperaturen die im Bereich der Liquidustemperatur der verwendeten Legierung liegen. Somit kann die Formfüllgeschwindigkeit reduziert werden, nach beendigter Formfüllung wird der Druck erhöht, im Allgemeinen werden bis etwa 10 MPa aufgebracht. Am Gießerei-Institut der RWTH Aachen wurde ein eigenständiges Verfahren zur Infiltration von mit Faservorformen bestückten verlorenen Formen entwickelt. Es nutzt den Feingussprozess als Basis und kombiniert diesen nach der vakuumunterstützten Formfüllung mit dem Gasdruck Infiltrationsverfahren [5]. Dieses Verfahren arbeitet mit niedrigerem Druck als die zuvor genannten, ca. 1 MPa, was durch die limitierte Festigkeit der keramischen Formen bedingt wird. Eine weitere Erhöhung des Drucks könnte durch Verwendung der „Dynamischen Druckkontrolle“ [8] ermöglicht werden, indem ein Gegendruck von außen auf eine druckdichte Form aufgebracht wird. Die Form wird hierbei lediglich der Druckdifferenz zwischen Druckkammer und Schmelze ausgesetzt und nicht mehr dem Absolutdruck der Schmelze.
76
3
Prozessentwicklung für faserverstärkte Aluminiumverbundwerkstoffe
Die Prozessentwicklung basiert auf dem in 1.3 beschriebenen modifizierten Feingussverfahren. Ein wesentlicher Entwicklungsschritt bezieht sich auf die Verarbeitung der keramischen Fasern, welche am Institut für Textilverarbeitung der RWTH Aachen untersucht wurde. Desweiteren wurde der Prozessablauf modifiziert, diese Arbeiten stehen noch am Anfang der Entwicklung. Grundlegende Betrachtungen zum Prozess führten zu neuen Ansätzen bei der technischen Umsetzung.
3.1
Herstellung von geflochtenen Keramikfaser-Vorformen
Für eine belastungsgerechte Bauteilauslegung ist die exakte und reproduzierbare Positionierung der Verstärkungsfasern unabdingbar. Das Flechtverfahren aus der Textiltechnik für Glas- und Karbonfasern wird auf die Eigenschaften der keramischen Fasern hin adaptiert. Die Sprödigkeit der verwendeten keramischen Fasern bedingt eine Anpassung von relevanten Prozessparametern wie Fadenspannung und Umlenkradien an den Spulen. Ferner sind die Möglichkeiten bei der Geometriewahl eingeschränkt, wiederum aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Fasern. In einem weiteren Schritt wurden die Fasern unmittelbar am Flechtring mit Wachs imprägniert, was die späteren Verarbeitungsschritte erleichtert. Bild 2 zeigt die verwendete Flechtmaschine im Einsatz. Bild 3 zeigt exemplarisch ein Bauteil nach dem Flechten. Es ist möglich, den Winkel der Fasern innerhalb eines Bauteils gezielt anzupassen, ferner können komplexe Geometrien umflochten werden, ohne die Fasern durch Zuschneiden zu unterbrechen. So können gewisse Bereiche des Bauteils unverstärkt bleiben, was zum Beispiel die Bearbeitung der Endbauteile erleichtert.
Bild 2: Robotermanipulierte Flechtmaschine zur Herstellung von 3D-Geflechten.
Bild 3: 3D-Geflecht wie es bei der Herstellung einer Textilverstärkten Fahhradkurbel zum Einsatz kommt.
77 3.2
Optimierte Prozesskette
Vorteil des hier angewandten Feingussverfahrens ist die hohe Gestaltungsfreiheit. Der Einsatz von Wachsmodellen, die in weichen Silikonformen hergestellt werden können, sowie die Verwendung von Kernen (keramisch oder wasserlöslich) macht die Darstellung von Hinterschnitten und Hohlräumen problemlos möglich. Die Fasern können in der keramischen Formschale fixiert werden, um ein verrutschen während der Flüssigmetallinfiltration zu vermeiden. Die Darstellung von verstärkten und unverstärkten Bereichen in einem Prozessschritt ist möglich; dies kann den Aufwand bei einer späteren Bearbeitung erheblich reduzieren. Ausgehend von einem keramischen Kern, der nach Prozessende ausgewaschen wird und den Hohlraum eines Bauteils darstellt, werden unverstärkte Bereiche aus Wachs an den Kern angebracht. Dieser „Kern mit Wachsaugen“ wird nun mit den keramischen Fasern umflochten. In einem weiteren Prozessschritt werden die Fasern mit Wachs imprägniert und anschließend das gesamte Gussmodell mit Anschnitt und Speiser angefügt. Bild 4 zeigt die Prozesskette anhand von CAD Zeichnungen eines Demonstratorbauteils in Pleuelform.
Bild 4: Darstellung der Prozesskette anhand eines Pleuels. Links ist der keramische Kern zu sehen, in der Mitte der „Kern mit Wachsaugen“ welcher mit Keramikfasern beflochten wird, im rechten Bild ist das fertige Bauteil dargestellt, die äußere Hülle ist Faserverstärkt, die inneren Ringe an den „Augen“ sind unverstärkt.
3.3
Angepasster Gießprozess
Das verwendete Gießverfahren wird in einigen Bereichen angepasst: • Möglichkeit den gesamten Gießprozess im Vakuum ablaufen zu lassen • Erhöhen des Drucks über der Schmelze für eine verbesserte Formfüllung • Einsatz einer gezielten Luftkühlung, um die Erstarrung zu beschleunigen und ein feineres Gefüge zu realisieren. • Aufrecht halten des Drucks über der Schmelze bis zum Ende der Erstarrung Neben den notwendigen Modifikationen an der Anlage müssen Bereiche des Prozesses gezielt angepasst werden. So werden die keramischen Formschalen zum Beispiel bei der Infiltration durch flüssiges Metall penetriert, wenn der Druck für besonders lange Zeit aufrecht gehalten wird; ferner kann es zum Reißen der Formschale kommen, wenn ein Druck von 0,8 MPa überschritten wird. Das Formschalensystem wurde angepasst, um die Penetrationen zu minimieren,
78 ferner wurden die Dicke sowie die eingesetzten Brenntemperaturen der Formen erhöht, was ein Reißen der Form wirkungsvoll verhindert.
3.4
Prozesskontrolle
Durch den Einsatz einer gezielten Prozesskontrolle konnten die im Prozess anliegenden Drücke sowie die Temperatur des Bauteils kontinuierlich aufgezeichnet werden. Bild 5 zeigt den typischen Druckverlauf während eines Abgusses. Es ist zu erkennen, dass die Form bereits vollständig gefüllt ist, bevor der Druck über der Schmelze erhöht wird. Trotzdem reicht das anheben des Drucks über der Schmelze auf über 6 bar nicht aus, die Fasern in allen Bereichen vollständig zu infiltrieren, vergleiche Bild 1.
Bild 5: Prozessablauf eines Abgusses schematisch dargestellt. Man erkennt die beendigte Formfüllung am sprunghaften Temperaturanstieg bei 710 °C auf 740 °C.
4
Ausblick
Im Rahmen des laufenden Projektes werden Demonstratorbauteile hergestellt und der Prozess weiterhin optimiert. Ziel ist es mittelfristig eine technische Anwendung zu realisieren. Hierfür muss noch Arbeit im Bereich der Prozesstauglichkeit und -sicherheit -reproduzierbarkeit investiert werden. Besonderes Augenmerk wird auf die Entwicklung einer neuen Gießanlage gelegt, welche das Aufbringen deutlich höherer Prozessdrücke, serientaugliche Taktzeiten und vertretbare Prozesskosten bei gleichzeitig guten Werkstoffeigenschaften erlaubt.
79
5 [1] [2]
[3] [4] [5]
[6] [7]
[8] [9]
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80
Herstellung von Kohlenstofflangfaser-Aluminiumverbunden im Druckguss H. Ballmes, C.A. Rottmair, R.F. Singer Zentralinstitut für Neue Materialen und Prozesstechnik, Universität Erlangen-Nürnberg, Fürth (Bay.)
1
Einleitung
Langfaserverstärkte Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe (MMC = Metal Matrix Composites) sind schon seit Jahren Gegenstand vieler Forschungsarbeiten. Die Verwendung von Langfasern ermöglicht es die mechanischen Kennwerte gegenüber der reinen Metalllegierung, welche bereits eine relativ hohe Steifigkeit und Festigkeit besitzt, um ein Vielfaches zu steigern. Dadurch sind diese Verbunde prädestiniert für den Einsatz in höchstbelasteten Strukturen. Ein großes Problem für die Umsetzung in der Großserie stellen die Möglichkeiten zur Herstellung solcher MMCs dar. Etablierte Verfahren, die auf der schmelzmetallurgischen Infiltration von Langfaservorformen beruhen, sind die Gasdruckschmelzinfiltration [1–3] und das Flüssigpressen [4,5] (Squeezecasting). Zwar ermöglicht die Gasdruckschmelzinfiltration die Herstellung komplexester Bauteilgeometrien, ist aber wirtschaftlich gesehen auf Grund des hohen prozesstechnischen Aufwandes und der langen Zykluszeiten nicht für große Stückzahlen geeignet. Das Squeezecasting zeichnet sich durch vergleichsweise kurze Taktzeiten aus, die Komplexität der Bauteil- bzw. Preformgeometrien ist jedoch beschränkt. So werden mit diesem Verfahren überwiegend partikel- und kurzfaserverstärkte Aluminiumbauteile in mittlerer Stückzahl hergestellt [6]. Ein wirtschaftlich sehr interessantes Verfahren zur Herstellung von MMCs stellt das Druckgießverfahren dar. Es bietet kurze Taktzeiten und ermöglicht aufgrund der schnelleren Füllgeschwindigkeiten, im Vergleich zu den zuvor genannten Verfahren, dünnere und komplexere Bauteilgeometrien. Darüber hinaus ist das Druckgießverfahren weit verbreitet. Bisherige Studien zur Eignung des Druckgießverfahrens für die MMC-Herstellung beschränken sich überwiegend auf die Infiltration von Partikel- bzw. Kurzfaservorformen [7-11]. Ziel des hier vorgestellten Forschungsvorhabens ist es die Infiltration von Kohlenstofflangfaservorformen mit einer Aluminiumlegierung in einer konventionellen Kaltkammer-Druckgussanlage zu realisieren. Dabei soll der Einfluss der Prozessparameter, wie Kolbengeschwindigkeit, Werkzeug-, Schmelze- und Preformtemperatur, auf die Infiltrationsgüte aufgezeigt werden. Die Wahl von Kohlenstofffasern als Verstärkung richtet sich dabei zum einen nach dem hohen möglichen Verstärkungspotential und zum anderen nach den wirtschaftlichen Erfordernissen, da Kohlenstofffasern ein sehr günstiges Preis-Leistungsverhältnis bei gleichzeitig geringem spezifischem Gewicht und hoher Festigkeit aufweisen. Durch die Kombination mit Aluminium als Matrixlegierung ergeben sich so die Möglichkeiten einen Verbund mit hervorragenden Festigkeits- und Steifigkeitswerten in ausgewählten Richtungen zu realisieren.
81
2
Experimentelles
2.1
Verwendetes Faser-Matrix-System
Als Matrixlegierung wird die kommerzielle Aluminiumlegierung AlSi9Cu3(Fe) (EN AC46000) verwendet. Als Verstärkung kommen Kohlenstofflangfasern der Fa. Tenax vom Typ HT (HAT = high tenacity) auf Basis von Polyacrylnitril zum Einsatz, welche als Endlosgarn vorliegen. Diese werden auf Stahlhohlprofile (Bild 1) aufgewickelt, wodurch sich eine plattenförmige Preformgeometrie mit bis zu 2 mm dicken unidirektionalen Faserlagen ergibt. Diese Platten eignen sich gut um die maximale Infiltrationslänge zu bestimmen, da die Infiltration hauptsächlich entlang der Fasern erfolgt. Darüber hinaus können die Platten zur Ermittlung der mechanischen Kennwerte (Längs-, Quer- und Biegefestigkeit) herangezogen werden.
Bild 1: a) Stahlhohlprofil mit aufgewickelten Fasern b) Schemazeichnung des Querschnitts
2.2
Werkzeugdesign
Das verwendete Werkzeug wurde speziell für die Infiltration von Langfasern entwickelt [12], da gegenüber den Werkzeugen, wie sie für den konventionellen Druckguss Anwendung finden, einige Modifikationen notwendig sind, um eine erfolgreiche Infiltration zu ermöglichen. Die wichtigsten Veränderungen sind zum einen eine höhere Werkzeugtemperierung und zum anderen ein breiterer Angussquerschnitt. Die Temperatur des Werkzeugs spielt eine entscheidende Rolle, da eine Vorerstarrung der Schmelze während der Faserinfiltration vermieden werden muss. Dafür sind neben der konventionellen Öltemperierung (Temperaturen von bis zu 300 °C) zusätzlich elektrische Heizpatronen in das Werkzeug integriert, die eine lokale Werkzeugtemperatur von bis 400 °C ermöglichen. Der modifizierte Anguss stellt den größten Unterschied zum klassischen Druckguss dar, bei dem aufgrund der dünnen Querschnittsflächen im Anschnittbereich Formfüllgeschwindigkeiten von bis zu 100 m/s erreicht werden können. Diese hohen Geschwindigkeiten würden aber zu einer Deformation der Faserpreformen führen, weswegen die Formfüllung entsprechend langsam erfolgen muss. Um dies zu ermöglichen und darüber hinaus eine vorzeitige Erstarrung der Schmelze im Anschnitt zu vermeiden, muss der Anschnitt entsprechend vergrößert werden. Der Anguss kann somit nur durch mechanische Nachbearbeitung entfernt werden.
82 2.3
Infiltration im Druckgussverfahren
Die Infiltrationsversuche werden an einer echtzeitgeregelten Kaltkammer-Druckgussanlage der Fa. Frech vom Typ DAK 450-54 durchgeführt. Um eine Vorerstarrung der Schmelze zu vermeiden, werden die Fasern vor der eigentlichen Infiltration vorgewärmt. Die dabei notwendigen Temperaturen müssen mindestens der Erstarrungstemperatur der Aluminiumschmelze entsprechen. Für die Erwärmung der Fasern wurde ein spezielles Konzept [12] entwickelt, welches die Faservorwärmung direkt im Werkzeug mittels Induktion ermöglicht. Die Fasern können somit innerhalb weniger Sekunden auf Temperaturen von bis zu 1000 °C aufgeheizt werden, was zu einer starken Verkürzung der Zykluszeit führt und einen hohen Automatisierungsgrad des gesamten Prozesses erlaubt. Die Gesamtzyklusdauer beträgt so nur ca. 3 Minuten. In Bild 2 sind die wichtigsten Teilschritte des Prozessablaufs mit der Faservorwärmung und der Infiltration der Preform dargestellt. Im ersten Schritt werden die auf die Hohlprofile aufgewikkelten Fasern an einem speziell dafür vorgesehenen Dorn in das Werkzeug eingehängt. Anschließend fährt die Induktionsspule zwischen die beiden Werkzeughälften ein und erwärmt die Fasern auf die gewünschte Temperatur. Nach ausreichender Erwärmung fährt die Spule aus dem Werkzeug aus und das Werkzeug wird geschlossen. Die anschließende Dosierung der Schmelze und die Infiltration der Faservorform erfolgen dem Ablauf nach analog dem klassischen Druckgussprozess.
Bild 2: Schematische Darstellung des Prozessablaufs mit Faservorwärmung und anschließender Infiltration [13]
83
3
Ergebnisse
3.1
Einfluss der Verfahrensparameter auf die Infiltrationsgüte
Ein wichtiger Parameter ist die Gießkolbengeschwindigkeit, da diese ein direktes Maß für die Infiltrationsgeschwindigkeit darstellt. Für eine optimale Infiltration muss die Geschwindigkeit der Schmelze so gewählt werden, dass vor allem eine Deformation der Faservorform vermieden wird. Durch den modifizierten Anguss liegen die Geschwindigkeiten in der 1. Phase der Formfüllung deutlich unterhalb der Geschwindigkeiten wie sie bei einem klassischen Anschnittsystem erreicht werden. Dadurch kann die Gießkolbengeschwindigkeit mit bis zu 4 m/s ähnlich hoch wie im klassischen Druckguss gewählt werden. Für die eigentliche Infiltration der Fasern in der 2. Phase muss die Geschwindigkeit auf 1 bis 2 m/s reduziert werden, da ansonsten eine Deformation nicht vermieden werden kann. Gerade durch die schnelle Formfüllung in der 1. Phase kann so auch einer Vorerstarrung der Schmelze entgegengewirkt werden.
Bild 3: Charakteristische Druckgießkurve für die Infiltration der Kohlenstofflangfaservorformen
Den größten Einflussfaktor für eine erfolgreiche Infiltration stellt die richtige Temperierung des Werkzeugs und der Fasern dar. Befinden sich die Fasern in sehr geringem Abstand zur Werkzeugkavität oder liegen sogar an dieser an, reichen Werkzeugtemperaturen von bis zu 250 °C, wie sie mit herkömmlichen Ölmedien erreicht werden, nicht mehr aus, so dass großflächige Faserbereiche nicht infiltriert werden. Der Grund dafür liegt in der starken Abkühlung der Fasern sobald diese in Kontakt mit der relativ kalten Kavität kommen. Die Schmelze erstarrt somit an der Oberfläche ohne die Struktur vollständig zu infiltrieren. Durch die im Werkzeug implementierten elektrischen Widerstandsheizpatronen lässt sich die Werkzeugtemperatur lokal auf bis zu 400 °C steigern, so dass sich dadurch eine deutliche Verbesserung der makroskopischen Infiltrationsgüte erreichen lässt (Bild 4). Allerdings bewirken diese hohen Werkzeugtemperaturen starke Anhaftungen der Aluminiumlegierung am Werkzeug, was zu einer deutlichen Verringerung der Standzeiten führt. Aus diesem Grund sollten Werkzeugtemperaturen von 350 °C nicht überschritten werden.
84
Bild 4: Makroskopisches Infiltrationsergebnis mit verschiedenen Werkzeugtemperaturen. Eine Erhöhung der Werkzeugtemperatur führt zu einer Verbesserung des makroskopischen Infitrationsergebnisses
Durch die alleinige Erhöhung der Werkzeugtemperatur lässt sich somit keine vollständige Infiltration erreichen. Deswegen muss als weiterer Punkt die Temperierung der Fasern betrachtet werden. Eine Temperatur der Fasern im Bereich des Schmelzpunkts der Legierung sollte eigentlich ausreichen, um eine vorzeitige Erstarrung der Schmelze zu vermeiden und somit eine Infiltration zu ermöglichen. Ein Abkühlen der Fasern nach Ende der Induktionsdauer kann aber nicht verhindert werden, weswegen eine deutliche Überhitzung der Fasern notwendig ist. Die Erhöhung der Vorwärmtemperatur der Fasern auf Temperaturen von bis zu 900 °C zeigt eine deutliche Verbesserung der makroskopischen Infiltrationsgüte.
Bild 5: Makroskopisches Infiltrationsergebnis mit verschiedenen Preformtemperaturen. Eine Erhöhung der Preformtemperatur führt zu einer Verbesserung der makroskopischen Infiltrationsgüte
3.2
Mikrostruktur
Bei Betrachtung der Mikrostruktur zeigt sich, dass eine nahezu vollständige Infiltration der Fasern erreicht werden kann. Die in den MMC-Bauteilen verbleibende Restporosität beträgt weniger als 5 % und kann teilweise auf die nicht vollständig abgedampfte Faserschlichte zurückgeführt werden. Die in den Aufnahmen sichtbaren hellen Kanäle sind Bereiche mit unverstärkter Aluminiumlegierung, welche überwiegend die Konturen der ursprünglichen Faserbündel abzeichnen. Selbst durch eine Wicklung der Fasern mit höherer Vorspannung können diese Kanäle nicht vollständig vermieden werden. Im Gegensatz zum Gasdruckschmelzinfiltrationsverfahren [14,15] bilden sich aufgrund der kurzen Kontaktzeit zwischen Schmelze und Faser keine Grenzflächenreaktionen in Form von
85 Aluminiumkarbiden aus. Diese sind unerwünscht, da sie eine versprödende Wirkung haben, was gerade die Verstärkungswirkung in Faserlängsrichtung stark reduzieren würde.
Bild 6: Mikrostrukturaufnahmen der infiltrierten Kohlenstofflangfasern: a) helle Kanäle kennzeichnen ursprüngliche Faserbündel; b) keine Grenzflächenreaktion sichtbar
4
Zusammenfassung
In den vorgestellten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Infiltration von Kohlenstofflangfasern mit einer Aluminiumlegierung unter Verwendung einer konventionellen Kaltkammer-Druckgussanlage prinzipiell möglich ist. Entscheidend ist eine exakte Kontrolle der Schmelze-, Werkzeug- und Faservorformtemperatur in Abstimmung mit Formfüll- bzw. Infiltrationsgeschwindigkeit. Nur so lässt sich eine Deformation der Faservorformen bzw. eine vorzeitige Erstarrung der Schmelze vermeiden. Ein entscheidender Vorteil dieser Prozessroute ist die kurze Kontaktzeit zwischen Schmelze und Fasern, aufgrund dessen sich keine Grenzflächenreaktionsprodukte in Form von Aluminiumkarbiden ausbilden.
5
Danksagung
Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die finanzielle Förderung des Forschungsprojekts. Ein besonderer Dank gilt dem Lehrstuhl Werkstoffkunde und Technologie der Metalle, Universität Erlangen, für die Bereitstellung der Druckgussanlage und die tatkräftige Unterstützung bei der Durchführung der Versuche.
6 [1] [2] [3] [4]
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87
Tomographische Analyse der Schädigungsentwicklung bei der Ermüdung eines partikelverstärkten Al-MatrixVerbundwerkstoffes D. Tolnai1, A. Borbély2, H. Biermann3 1
Eötvös Loránd Universität, Physikalisches Institut, Budapest (derzeit: an der Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie, Technische Universität Wien, Österreich ). 2 Max-Planck Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf. 3 Institut für Werkstofftechnik, Technische Universität Bergakademie Freiberg, Freiberg.
1
Einführung
Der zeitliche und örtliche Verlauf der Schädigungsentwicklung von Proben eines mit Al2O3Partikeln verstärkten Al-Matrix-Verbundwerkstoffes (AA6061-Al2O3-20p-T6), der durch eine LCF-Ermüdungsbeanspruchung hervorgerufen wird, wurde durch verschiedene Methoden experimentell ermittelt. Zur Anwendung kam einerseits die Analyse der Änderung der elastischen Nachgiebigkeiten, die in den Spannungs-Dehnungs-Hysteresekurven nach den Lastumkehrpunkten im Zuge der Wechselverformung auftreten, andererseits wurden ausführliche mikrotomographische Untersuchungen mittels Synchrotronstrahlung an Proben in verschiedenen Stadien der Ermüdungslebensdauer durchgeführt. Die tomographischen Untersuchungen ergänzen die integralen Aussagen der Nachgiebigkeitsmessungen: Es ist deutlich zu erkennen, dass die Schädigung zunächst entlang der gesamten Messlänge wie auch über den Probenquerschnitt homogen auftritt. Dies trifft weitgehend auch noch auf eine späte Lebensdauer von ca. 80 % der Bruchzyklenzahl zu. Danach kann deutlich die Schädigungslokalisierung ermittelt werden, die auch eindeutig am Rand der Proben beginnt. Die Messungen wurden durch Modellierungen der Schädigung mit einem Finite-Elemente-Modell ergänzt.
2
Wechselverformung
Proben des Werkstoffes AA6061 mit 20 vol.% Al2O3-Partikeln (DURALCAN, stranggepresst) mit einem Durchmesser von 2 mm in der Messlänge wurden bei 160°C bis zum Erreichen der maximalen Härte ausgelagert (T6-Zustand). Die zyklische Druck-Zug-Verformung erfolgte bei Raumtemperatur mit konstanter Dehnungsamplitude von 'Hges / 2 = 0,004 (R = –1). Die elastische Nachgiebigkeit der Proben wurden aus den Entlastungsästen der Spannungs-DehnungsHysteresekurven durch Auswertung der Steigung ermittelt [1]. Der Schädigungsparameter DZ ergibt sich dann aus der relativen Änderung der Probensteifigkeit DZ = 'E/E (mit E: E-Modul), ermittelt nach dem Zug-Umkehrpunkt der Spannung. Die Auswertungen zeigen drei Stadien der Schädigung des untersuchten MMCs während einer Wechselverformung. Wie Bild 1 zeigt, ergibt sich zunächst im Bereich I eine Zunahme des Schädigungsparameters (von etwa 1–2 %). Im zweiten Stadium tritt über den größten Lebensdauerbereich von ca. 70 % der Bruchzyklenzahl nur eine geringe weitere Schädigung auf. Im dritten Stadium wird ein Makroriss erzeugt, der zu einem schnellen Anstieg des Schädigungsparameters DZ und anschließend zur Bruch der Probe führt.
88
Bild 1: Änderung des Schädigungsparameters DZ als Funktion der Zyklenzahl für drei untersuchte Proben. Proben p08 und p09 sind gebrochen bei 830, bzw. 841 Zyklen. Probe p07 ist ungebrochen und hat im letzten untersuchten Zustand 930 Zyklen.
3
Mikrotomographie
Um das makroskopische Schädigungsverhalten der Proben erklären zu können, wurden mikrotomographische Untersuchungen am Europäischen Synchrotron-Speicherring (ESRF) in Grenoble durchgeführt. Die Proben wurden mit einer Strahlung von 20 keV durchstrahlt und etwa 900 Projektionen gespeichert, die als Basis der Rekonstruktion dienten. Die Pixelgröße des CCD-Detektors war 1,9 μm. Tabelle 1. zeigt die Zustände die mittels Tomographie untersucht worden. Tabelle 1: Untersuchten Proben und Verformungszustände (in Zyklenzahl) Probe p07 p08 p09
Zustand 1 11 100 501
Zustand 2 800 700 806
Zustand 3 900 830 841
Bild 2 zeigt einen auf der Spannungsachse senkrecht liegenden Schnitt aus einer dreidimensionalen Rekonstruktion. Die schwarz erscheinenden, geschädigten Bereiche sind leicht zu erkennen. Die tomographische Rekonstruktion zeigt die Existenz von mindestens zwei Makrorissen „A“ und „B“. Beide sind in Kontakt mit der freie Oberfläche der Probe. Laut der Theorie der isotropen Schädigung von Lemaitre und Chaboche [2] ist der Schädigungsparameter DZ gleich mit dem Flächenanteil AA der geschädigten Bereiche über dem Querschnitt der Probe. Bild 3 zeigt die Verteilung des Schädigungsanteils AA bestimmt aus den rekonstruierten Schichten der Tomographie quer zur Richtung der äußeren Spannung für die Proben p07 und p08 bei verschiedenen Zyklenzahlen. Man kann erkennen, dass die homogene
89 Schädigungsverteilung, die am Anfang des Versuchs (N = 11) in der Probe p07 existiert, mehr und mehr lokalisiert wird. Probe p08 weist die Existenz eines Makrorisses auf, in dessen Umgebung der Schädigungsanteil sehr hoch gestiegen ist. Den Vergleich des Schädigungsanteils AA mit dem Schädigungsparameter DZ (Bild 1) laut der Theorie von Lemaitre and Chaboche [2] ergibt, dass die mikrotomographische Auswertung die globale Schädigung unterschätzt, die kann den Anfangsanstieg des Schädigungsparameters DZ von etwa 1–2 % nicht erklären. Grund dafür ist die begrenzte Auflösung der Tomographie von nur 2 μm. Laut Schallemissionsmessungen von Vinogradov [3] treten zu Beginn der Wechselverformung Schädigungsereignisse mit höheren Amplituden auf, die auf Partikelbruch hinweisen. Weil die tomographischen Untersuchungen im entlasteten Zustand der Proben durchgeführt wurden, konnten nur wenige gebrochene Partikel festgestellt werden. Die Schädigung, die die Tomographie nachweist, beschränkt sich daher nur auf die Matrix.
Bild 2: 2D Schnitt senkrecht zur Probensachse, im Bereich der maximalen Schädigung. Probe p08, Zyklenzahl 830, Probe gebrochen.
Bild 3: Verteilung des Flächenanteils der beschädigten Bereiche entlang der äußeren Spannungsachse
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Bild 4: Verteilung des lokalen Schädigungsanteils entlang des Radius der Probe
Bild 4 zeigt die Verteilung der Anzahl der geschädigten Bereiche (Mikrorisse) pro 100 μm2 entlang des Radius der Probe. Einen ähnlichen Verlauf zeigt auch der lokale Schädigungsanteil. Es ist zu erkennen, dass während der längeren Versuchsdauer der Probe p07 (Bereich II, von Zyklenzahl 11 bis 800) die neu entstehende Schädigung homogen über dem Probenquerschnitt verteilt ist. Aus dem Standpunkt einer statistischen Theorie bedeutet das, dass der Ort des neu entstehenden Risses willkürlich gewählt sein kann. Im Bereich III (N = 900) ist die Schädigung bevorzugt an der Probenoberfläche lokalisiert, wo die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Riss entsteht, exponentiell mit dem Radius wächst. Deswegen ist zu erwarten, dass die Mikrorisse zuerst an der Probenoberfläche zusammenwachsen, wo auch der Makroriss entsteht. Daraus erfolgt auf natürliche Weise die Erklärung eines empirischen Befundes, dass der Makroriss praktisch immer an der Probenoberfläche entsteht.
4
Berechnung des Schädigungsparameters DZ mittels Finiten Elemente
Um die Ergebnisse der Schallemissionsmessungen zu überprüfen wurde eine Modellierung der elastischen Eigenschaften des MMCs mittels Finite Elemente (FE) durchgeführt. Die tomographische Aufnahme bietet die Möglichkeit, Volumina aus dem realen Gefüge auszuwählen, sie zu vernetzen und schließlich ihre elastischen Eigenschaften numerisch zu berechnen. Wir haben die Berechnungen unter drei unterschiedlichen Annahmen für die Lage der Schädigung durchgeführt: a. b. c.
Mikrorissentstehung in der Matrix, Partikelbruch und Dekohäsion von Partikel-Matrix-Grenzflächen.
Aus den tomographischen Rekonstruktionen wurden immer Volumina ohne Schädigung ausgewählt und die entsprechende Schädigungsart nachträglich im Modell eingebaut. Bild 5 zeigt 2D Schnitte aus Modellen für die Untersuchung des Einflusses der Mechanismen a), b) und ).
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Bild 5: 2D Schnitte aus Modellen für die Untersuchung der Schädigungsmechanismen a) Mikrorisse in der Matrix, b) Partikelbruch und c) Dekohäsion von Partikel–Matrix-Grenzflächen. Der Pfeil zeigt die Richtung der angelegten Spannung in den Fällen b) und c). Im Fall a) liegt die Spannungsachse senkrecht auf dem Bild.
Die Ergebnisse der FE Berechnungen sind in Bild 6 dargestellt. Im Fall aller Mechanismen wächst der Schädigungsparameter DZ linear mit dem Volumenanteil der Schädigung. Den kleinsten Einfluss auf die elastischen Eigenschaften des Verbundes haben die Mikrorisse in der Matrix. Die Dekohäsion von Partikel-Matrix-Grenzflächen hat einen etwas stärkeren Einfluss, aber keiner von beiden Mechanismen kann den raschen Anstieg der DZ im Bereich I am Anfang der Wechselverformung erklären. Einen Anstieg der DZ von etwa 2 % benötigt einen Volumenanteil der geschädigten Bereiche von etwa 0,3–0,5 %, aber so viel Schädigung haben die tomographischen Aufnahmen nicht gezeigt. Am Anfang der Verformung war der gesamte Schädigungsvolumenanteil nur 0,08 %. Daher wird der Partikelbruch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit für die Schädigung verantwortlich sein. Die FE-Rechnungen zeigen, dass ein kleiner Anteil der gebrochenen Partikel zu einem schnellen Anstieg der DZ führen kann. Da die länglichen Partikeln die Kraft tragende Phase im Verbund sind, hat deren Bruch einen größeren Einfluss auf das elastische Verhalten des Verbundes als die Bildung kleinerer Poren in der Matrix.
Bild 6: Schädigungsparameter DZ als Funktion der verschiedenen Schädigungstypen und dessen Volumenanteil. Das schattierte Gebiet zeigt die Schädigung im Bereich I der Wechselverformung.
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5
Zusammenfassung
Die entstehende Schädigung während der Wechselverformung eines partikelverstärkten MetallMatrix-Verbundwerkstoffes wurde makroskopisch mittels der Messung der elastischen Nachgiebigkeit und mikroskopisch durch Mikrotomographie untersucht. Die Auswertungen der tomographischen Aufnahmen weisen auf eine homogene Verteilung der Schädigung in den Bereichen I und II der Lebensdauer hin. Im Bereich III entstehen Makrorisse, die im Kontakt mit der freie Oberfläche der Probe sind. Die begrenzte Auflösung der Mikrotomographie von 2 μm ergibt < 0,3 vol% Poren gegenüber den Ergebnissen der Schädigungsmessung von 1–2 %. Dieses Auflösungsvermögen war nicht ausreichend, um den makroskopischen Befund auf Basis der Mikrostruktur komplett erklären zu können. FE Modellberechnungen mit verschiedenen Schädigungstypen zeigen, dass Partikelbruch der wahrscheinlichste Schädigungsmechanismus im Bereich I am Anfang der Wechselverformung war.
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Danksagung
Die Autoren A. B. und H. B. bedanken sich für die finanzielle Unterstützung des Forschungsvorhabens Az. I/76 900 bei der Volkswagen Stiftung.
7 [4] [5] [6] [7]
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Thermische Ermüdung von Diamant verstärktem Aluminium untersucht mittels Neutronen und Synchrotron Experimenten M. Schöbel1, S. Vaucher2, M. Hofmann3, P. Cloetens4, H.P. Degischer1 TU Wien1, EMPA Thun2, FRM2 Garching3, ESRF Grenoble4
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Einleitung
Für Hochleistungselektronikbauteile wie IGBT (Insulated Gate Bipolar Transistors) Module werden partikelverstärkte Al-Matrix-Verbundwerkstoffe als Wärmeleitermaterialien verwendet. Bei diesen Schaltkreisen sind keramische Elektronikbauteile mit einer Basisplatte (Bild 1) verbunden, die die Aufgabe hat, die im Betrieb entstehende Hitze gleichmäßig in den Wärmet-
Bild 1: Der schematische Aufbau eines IGBT Moduls mit den unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten. [2]
auscher abzutransportieren. Bei dieser Anwendung ist neben einer guten thermischen Leitfähigkeit (TC) ein gleichzeitig niedriger thermischer Ausdehnungskoeffizient (CTE) wichtig. Der niedrige CTE soll eine Ablösung der Keramikchips von der Basisplatte verhindern. Realisiert werden beide Eigenschaften in MMC (Metall Matrix Verbundwerkstoffe), bei denen man sich der guten Leitfähigkeit eines Metalls kombiniert mit dem niedrigen Ausdehnungskoeffizienten einer Keramik bedient [1]. SiC verstärktes Aluminium mit bis zu 70 vol.% Verstärkungsanteil wird weitgehend in diesem Segment eingesetzt [2]. Um die Leistungsfähigkeit dieser Elektronikschaltkreise zu steigern, muss die gleichzeitig steigende Hitzeentwicklung in den Griff be-
94 kommen werden. Hierfür werden MMC mit höherer thermischer Leitfähigkeit entwickelt. Um dies zu erreichen, gehen die Entwicklungen in Richtung Diamant als Verstärkung eingebettet in einem gut leitenden Metall wie Aluminium, Kupfer oder Silber. Diamanten werden wegen ihrer höchsten bekannten Leitfähigkeit von ~1000 W/mK verwendet. Probleme der Grenzflächenhaftung sowie Benetzbarkeit bei der Infiltration an den ebenen Kristallflächen der Diamantpartikeln treten in dem neuen System auf [3]. Die Auswirkungen von Haftung sowie Verstärkungsstruktur auf die Langzeithaltbarkeit werden mittels Neutronenstreuung und hoch auflösender Synchrotron Tomografie untersucht. Durch die großen Unterschiede des thermischen Ausdehnungskoeffizienten zwischen Diamant und der Metallmatrix werden hohe Mikrospannungen während sich ändernder Temperaturen erzeugt. Diese Mikrospannungen, die bis und über die Belastungsgrenze der Matrix gehen führen zu Ablösung an den Grenzflächen sowie Schäden in der Matrix. Folgen sind ein Abfall der thermischen Leitfähigkeit des Verbundes während zyklischer thermischer Belastung. Bei den untersuchten Aluminium-Diamant MMC werden Oberflächenbeschichtungen entwickelt, um die Grenzflächenhaftung zu verbessern [3]. AlSi7 Matrix Legierungen werden bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Verstärkungsarchitektur untersucht [4]. In vorangehenden Untersuchungen an dem AlSi7Mg/SiC/70p Verbund zeigte Tomografie in Kombination mit Diffraktion die Auswirkungen von Spannungen auf Porenvolumenanteile in der Matrix [5]. In Anlehnung an diese Experimente wurde das neue Al-Diamant System auf vergleichbare Weise getestet. Durch Ermittlung der Porenkinetik in Kombination mit den inneren Spannungen in situ während thermischen Zyklierens ist es möglich, sowohl elastische als auch plastische Verformung der duktilen Matrix zu verfolgen und deren Auswirkung auf den thermischen Ermüdungsschaden zu beobachten.
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Experiment
Diamant verstärktes Aluminium erfordert im Vergleich zu den früheren AlSiC Experimenten [5] an der ID15A Beamline ESRF Grenoble, sowohl eine hohe Auflösung in der Tomografie als auch ein größeres Messvolumen der Diffraktion. Die grobkörnigen AlCD MMC wurden in einem Messbereich von 5 × 5 × 5 mm³ durchstrahlt, um einen ausreichenden Anteil der zur Beugung beitragenden Körner abzudecken. Die lamellenförmigen Poren -zu erwarten an den ebenen Diamantflächen- benötigten eine hohe Auflösung durch <0.7 μm³/Voxel. Für die Diffraktion wurde das Stress Spec Instrument in Garching verwendet [6], bei dessen hohem Neutronenfluss (~2 · 107 cm–2s–1) eine Messung der Netzebenenabstände im schwach streuenden Aluminium mit kurzen Belichtungszeiten (~3 min) möglich ist, um Relaxation der Matrix bei hohen Temperaturen zu vermindern. Die Tomografie wurde an der hoch auflösenden Synchrotron Beamline ID19 am ESRF Grenoble durchgeführt [7]. Hier wurden mit einer Voxelgröße von (0.6 μm)³ schnelle Absorptionsscans <3 min in Anlehnung an das Neutronenexperiment gemacht. Die Proben sind speziell für die Experimente dimensioniert von der EMPA angefertigt worden. Infiltrationsgeometrien der mittels Squeeze Casting gefertigten Proben von d~6 mm / h~10 mm für die Neutronenmessung und d~0.8 mm / h~10 mm für die Synchrotrontomografie waren erforderlich, da Nachbearbeitung der Diamant MMC nicht möglich ist. Diffraktion am Stress Spec Instrument erfolgte mittels eines monochromatischen Neutronenstrahls der in Transmission an der Probe gebeugt wurde. Thermische Neutronen sind durch einen Kollimator auf einen Ge Einkristall geleitet. Die durch Beugung am Ge(511) Reflex
95 entstehende monochromatische Neutronenstrahlung mit einer Wellenlänge von 1.67 ? wird auf die Probe gelenkt (Bild 2). Durch die hohe Eindringtiefe der Neutronen ist eine Messung in Transmission durch die Probe möglich. Dabei wird der Strahl im Inneren der polykristallinen Probe gestreut und ein materialcharakteristisches Beugungsmuster entsteht. Die Messung der Peakpositionen erfolgt mittels eines He³ Flächendetektors der durch vertikales Summieren des Signals eine Bestimmung der Braggreflexe ermöglicht. Die Peakpositionen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Netzebenenabstand in der Probe und es können – netzebenen-spezifisch aufgelöst – Spannungen gemessen werden. Die Spannungen ergeben sich aus vergleichenden Messungen mit Referenzproben, die aus dem gleichen Material (rein Al, AlSi7 Matrix) den spannungsfreien Zustand wiedergeben. Die Differenz der Peakposition entspricht der elastischen Deformation der Körner in der Probe.
Bild 2: Der Aufbau des Stress Spec Instruments am FRM2. An der Probe wird in Transmission der Neutronenstrahl gebeugt und die Reflexe mit einem 2D He³ Detektor dahinter vermessen. [6]
Synchrotron Tomografie wurde an der hoch auflösenden Tomografiebeamline ID19 an ESRF Grenoble durchgeführt. Bei einem Tomografiescan werden 2D Projektionen des durch-
Bild 3: Der schematische Aufbau einer Tomografiebeamline. Hoch brillante, monochromatische Synchrotronstrahlung trifft auf die sich drehende Probe. Vertikale Schattenbilder werden mit einer hoch auflösenden CCD Kamera in Absorptionskontrast hinter der Probe aufgenommen. [8]
96 strahlten Messvolumens hinter der Probe von einer CCD Kamera, aufgenommen (Bild 3). Bildserien von Absorbtionskontrastaufnahmen mit variablem Drehwinkel lassen eine Rekonstruktion der inneren Struktur der Probe in 3D zu. Dabei definiert sich die Auflösung durch die der CCD Kamera und die Bildqualität ergibt sich aus der Güte und Anzahl der 2D
Bild 4: Die Spannungsanalyse zeigt den Spannungsverlauf in der Matrix der Diamant verstärkten MMC während 2 thermischer Zyklen zwischen RT und 350°C (Löttemperatur).
97 Schnittbilder, die zur Rekonstruktion beitragen. Die hohe Intensität am Synchrotron ermöglicht darüber hinaus kurze Belichtungszeiten, die in situ Messungen während thermischen Zyklieren ermöglichen.
3
Ergebnisse
Um die inneren Spannungen bei wechselnder Temperatur zu messen wurden die MMC entsprechend ihrer zu erwartenden Maximalbelastung zwei Mal thermisch zykliert. Die dabei auftretenden Mikrospannungen zwischen den Diamanten und der Matrix, gemessen anhand der Al(311) Peak Verschiebung, sind während zwei Zyklen zwischen RT und 350 °C (Löttemperatur) dargestellt (Bild 4). Auffällig sind die unterschiedlichen Verläufe zwischen der rein Al und AlSi7 Matrix, die sich nahezu invers zueinander verhalten. In der rein Al Matrix mit anzunehmend schwacher Bindung überwiegt die Makrospannung hervorgerufen durch Inhomogenitäten der Partikelkonzentration in der Probe. Bei mittels Squeeze Casting gefertigten Proben wird die Partikelvorform in einer Matrixhülle eingeschlossen. Die sich stärker ausdehnende Hülle mit niedrigerem (bis keinen) Partikelanteil versetzt die inneren Bereiche beim Erwärmen unter Zug. Die Mikrospannungen zwischen Diamant und Matrix sind im Al/CD/60p MMC nicht stark genug um diese Zugspannungen zu kompensieren. Im Al/CDSiC/60p MMC [3] hingegen eliminieren Grenzflächenspannungen tangential zu den Partikeloberflächen die Radialspannungsanteile nahezu zu Null. Tangential sind in Al Druckspannungen beim Heizen und Zugspannungen beim Kühlen zu erwarten. Bei der AlSi7 Matrix dominieren die Mikrospannungen deutlich. Die Probeninhomogenitäten haben kaum Einfluss mehr auf die partikelnahen Mikrospannungen. Hydrostatischer Druck beim Heizen und Zug beim Kühlen entsteht bei dem zusammenhängenden Verstärkungsnetzwerk in AlSi7Mg/SiC/70p [4,7]. Bei den beschichteten Diamanten lassen sich geringfügige Unterschiede in der Spannungsamplitude erkennen, die auf eine verbesserte Bindung schließen lassen. Die Synchrotron Tomografie zeigt, wie zu erwarten, Poren im Al-Diamant Verbund. Ein Ausgangsvolumenanteil von ~1.6 vol.% wurde identifiziert (Bild 5). Die Änderung dieser Porenvolumenanteile in den unterschiedlichen MMC Typen wurde mittels in situ Tomografiescans während eines thermischen Zyklus zwischen RT und 350 °C dargestellt
Bild 5: Links ist ein 3D Volumenelement eines AlSi7/CD/60p MMC mit einer Größe von 300x300x300 Voxel und einer Auflösung von (0.6μm)³ / Voxel im Ausgangszustand dargestellt. Rechts sind die Poren segmentiert, für die ein Volumenanteil von 1.5 vol.% errechnet wurde.
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Bild 6: Porenvolumenanteil im Al Diamant MMC (SiC beschichtete sowie unbeschichtete Diamanten mit und ohne Si in der Matrix) ermittelt in situ während eines thermischen Zyklus zwischen RT und 350°C (Löttemperatur).
(Bild 6). Spannungsinduziertes Kriechen der Matrix durch den hohen Unterschied des thermischen Ausdehnungskoeffizienten ist die Ursache der Porenkinetik. Bei der Rein-Al Matrix im Al/CD/60p MMC öffnen sich die Poren beim Heizen durch Zug, bestätigt anhand der Neu-
99 tronenmessung. Bei der besser gebundenen Rein-Al Matrix in dem Al/CDSiC/60p Verbund schließen sich die Poren durch Mikrospannungen. Für die AlSi7 Matrix können für beide (Diamanten beschichtet sowie unbeschichtet) Verbunde genug Mikrospannungen aufgebaut werden, um zu einem Schließen der Poren während des Heizens zu führen.
4
Diskussion
Die Einflüsse der Bindungsqualität auf die Mikrospannungen zwischen den Diamanten und der Al Matrix bei sich ändernden Temperaturen, wurden mittels Neutronenstreuexperimenten gezeigt. Makrospannungen überlagern die nahen Mikrospannungen an den Partikel-Matrix Grenzflächen zunehmend, je besser die Bindung ist. Bei Si Anteilen in der Matrix ist durch Brückenbildung nach der Infiltration ähnlich wie bei AlSiC [5] ein verbundenes Verstärkungsnetzwerk zu erwarten (Bild 7). Die hohen Spannungen kombiniert mit einer duktilen Matrix ru-
Bild 7: SEM Aufnahme eines AlSi11/CD/60p MMC nach chemischen Entfernen der Al Matrix. Diamanten (graul) werden durch Si Brücken (hell) zusammengehalten, sodass die Form der Probe erhalten bleibt auch nach vollständiger Herauslösung der Matrix.
fen Änderungen des Porenvolumenanteils beim thermischen Zyklieren hervor. Diese Porenkinetik ist notwendig, um den großen Unterschied des thermischen Ausdehnungskoeffizienten zwischen Aluminium und Diamant auszugleichen. Poren sind von Anfang an in solchen Partikel verstärkten Verbunden enthalten. Selbst bei perfekter Infiltration entstehen diese beim Abkühlen nach der Infiltration durch eine schrumpfende Matrix. Die Porenkinetik und die inneren Spannungen weisen darauf hin, dass ein verbundenes Verstärkungsnetzwerk (AlSi7/CD/ 60p) im Vergleich zu einem System isolierter Partikeln (Al/CD/60p) eine Verbesserung des thermischen Ermüdungsverhaltens aufweist. In einem verbundenen System führen Druckspan-
100 nungen während des Heizens zu einem Schließen der Poren und verhindern Delamination an den Grenzflächen. Beim Kühlen kommt es zu einem reversiblen Öffnen begleitet mit Grenzflächenablösung. Diese Ablösung führt zu einer Ermüdung des Verbundes unter Anwendungsbedingungen und somit, zu irreversibler Reduktion der thermischen Leitfähigkeit. Bei einem System isolierter Partikeln können hingegen keine ausreichenden Druckspannungen während des Heizens aufgebaut werden, da die Partikeln in der Matrix verschoben werden können. Dadurch löst sich die Matrix sowohl beim Heizen als auch beim Kühlen ab. Folge ist, ein weitaus schnelleres Ablösungsverhalten bei zyklischer, thermischer Belastung resultierend in einem schnelleren Abfall der thermischen Leitfähigkeit unter Anwendungsbedingungen.
5
Schlussfolgerungen
Spannungsmessungen kombiniert mit Tomografie ermöglichen das Verständnis des inneren Ermüdungsverhaltens von MMC für Wärmeleiteranwendungen. Die Vorteile von Neutronenstreuung und Synchrotrontomografie sind kombinierbar und notwendig, um die plastische sowie elastische Deformation einer duktilen Matrix in einem Partikel verstärkten Verbund darzustellen. Im Fall der untersuchten diamantverstärkten Aluminiummatrix-Verbunde ist gezeigt worden, welche Einflüsse Bindungsqualität und Verstärkungsarchitektur auf thermische Ermüdung und Langzeithaltbarkeit haben. Aus einer besseren Grenzflächenhaftung folgt eine reduzierte Ablösung aus der ein höheres Spannungsniveau bei thermischer Wechselbelastung folgt. Eine Veränderung der Verstärkungsarchitektur durch eine Legierungsmatrix mit eutektischem Si bewirkt unterschiedliche Ermüdungsmechanismen. Bei der Rein-Al Matrix ist ein System isolierter Partikeln zu erwarten, wohingegen ausreichendes Si in der Matrix durch Brückenbildung zwischen den Partikeln ein Verstärkungsnetzwerk bildet. Eine deutliche Verbesserung im Ablösungsverhalten der Matrix von den Partikeln kann für das System verbundener Verstärkungen im Gegensatz zu dem isolierter Partikeln erwartet werden.
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Kupfer-PCM-Verbundwerkstoffe für Anwendungen im Bereich des thermischen Managements S. Kalinichenka, T. Schubert, T. Weißgärber, B. Kieback Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung, Dresden
1
Einführung
Die ständige Zunahme der Leistungsdichte von elektronischen Bauteilen und Komponenten, die durch die Miniaturisierung und Systemintegration hervorgerufen wird, erfordert neue Werkstoffe für das thermische Management. Derartige Wärmesenkenmaterialien sollten die elektronischen Bauelemente durch eine hohe Wärmeleitfähigkeit und auch durch eine hohe Wärmekapazität vor der Überschreitung der kritischen Arbeitstemperatur schützen und damit deren Lebensdauer und Zuverlässigkeit erhöhen. Deshalb wurden in den letzten Jahren latentwärmespeichernde Werkstoffe (engl. Phase Change Material - PCM) für das thermische Management sehr interessant [1]. Da PCMs allgemein sehr niedrige Wärmeleitfähigkeiten aufweisen [2], ist eine Kombination mit hochwärmeleitfähigen Metallen zu einem Verbundwerkstoff sehr attraktiv. Solche neuartigen Werkstoffe sind in der Lage entstehende Temperaturspitzen zu glätten, die durch zyklische Schaltvorgänge von elektronischen Komponenten verursacht werden. Vorteilhaft ist besonders, dass sie als passive Elemente wirken und damit keine Stromversorgung und keine zusätzlichen mechanischen oder elektrischen Bauteile erfordern. In der Arbeit wurden PCM-gefüllte Kupfer-Verbundwerkstoffe auf pulvermetallurgischem Wege hergestellt und charakterisiert. Natriumacetat-Trihydrat wurde als anorganisches und Paraffin als organisches PCM verwendet.
2
PCM und ihre Anwendung im thermischen Management
Unter PCM (Phase Change Materials) versteht man Substanzen, die während ihres Phasenübergangs bei einer definierten Temperatur große Mengen an thermischer Energie aufnehmen oder abgeben. Dabei wird aufgrund einer größeren latenten Wärme vorwiegend der Fest-FlüssigPhasenübergang genutzt. Es existieren mehr als 500 bekannte PCM, die einen sehr breiten Temperaturbereich von –80 °C bis 900 °C abdecken [3]. Generell wird zwischen organischen und anorganischen PCM unterschieden. Zu den bedeutendsten organischen PCM gehören vor allem Alkane, Wachse und Paraffine. Die Vorteile der organischen Substanzen liegen in ihrer chemischen und thermischen Stabilität. Auch zeigen sie keine korrosive Wirkung hinsichtlich einer Vielzahl von Metallen. Eine kleinere Schmelzenthalpie, eine geringere Wärmeleitfähigkeit und eine Entzündbarkeit bei geringen Temperaturen sind jedoch Nachteile der organischen PCM. Vertreter von anorganischen PCM sind Salzhydrate, Wasser, Nitrate, Chloride, Hydroxide sowie deren eutektische Mischungen. Im Vergleich zu organischen PCM weisen anorganische in der Regel deutlich größere Schmelzenthalpien auf. Anwendungsprobleme der anorganischen Verbindungen können sich jedoch durch ihre meist
103 starke korrosive Wirkung gegenüber Metallen, durch ihr Unterkühlungsverhalten sowie durch die zum Teil fehlende thermische Stabilität ergeben [2]. Seit einigen Jahren finden PCM eine breite Anwendung in verschiedenen Bereichen, wie Raumklimatisierung, Pufferspeicherung der Wärme in Solar-Anlagen, Funktionsbekleidung, Transport von temperaturempfindlichen Stoffen und in der Automobilindustrie [2]. Auch im Bereich des thermischen Managements von elektronischen Komponenten können Phasenübergangsmaterialien eingesetzt werden. Dabei sollte jedoch ein Wärmesenkenwerkstoff neben einer hohen „Wärmekapazität“, die durch das PCM hervorgerufen wird, ebenfalls eine hohe Wärmeleitung besitzen. Da die thermischen Speicherwerkstoffe generell sehr niedrige Wärmeleitfähigkeiten (0,2 W/(mK)–0,7 W/(mK)) aufweisen [4], ist eine Kombination mit hochwärmeleitfähigen Metallen (z.B. Kupfer) sinnvoll, um in Form eines Metall-MatrixVerbundwerkstoffes die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Solche Verbundwerkstoffe dienen zum einen der Glättung von auftretenden Temperaturspitzen, die durch zyklische Schaltvorgänge z. B. von Leistungselektronik verursacht werden. Zum anderen verhindern diese Werkstoffe durch ihre kapazitiven Eigenschaften starke Temperaturschwankungen der zu schützenden elektronischen Komponente. Die dadurch realisierte konstante Betriebstemperatur beugt zusätzlich thermischen Spannungen zwischen den elektronischen Bauteilen und der Wärmesenke vor.
3
Herstellung von Kupfer-PCM-Verbundwerkstoffen
Der verwendete pulvermetallurgische Herstellungsprozess der Kupfer-PCM-Verbundwerkstoffe ist in Bild 1 schematisch dargestellt. Er beinhaltet als wesentliche Prozessschritte die Herstellung eines porösen, dünnwandigen Kupfergerüstes und die anschließende Infiltration mit zwei verschiedenen PCM.
Bild 1: Fließschema der Herstellung von Kupfer-PCM-Verbundwerkstoffen.
104 Für die Einstellung einer erwünschten Porosität der Kupfermatrix wurden spezielle organische Verbindungen (Abstandshalter) dem Kupferpulver Typ FFL der Firma ECKA GRANULES zugemischt. Nach dem Pressen der Pulvermischungen wurden die Abstandshalter im Laufe eines Entbinderungsschrittes entfernt, so dass nach der Sinterung eine Kupfermatrix mit definierten Porositäten vorlag. Für die Infiltration wurden als Phasenübergangsmaterialien das Salzhydrat NatriumacetatTrihydrat (Alfa Aesar 99 %) und das Paraffin Rubitherm® RT 58 ausgewählt, da beide PCM ähnliche Schmelztemperaturen besitzen. Natriumacetat-Trihydrat (NaCH3COO•3H2O) weist beim Schmelzpunkt 58 °C eine Schmelzenthalpie von 264 kJ/kg auf. Das Salzhydrat ist farbund geruchlos, nicht toxisch, leicht löslich in Wasser und löst sich bei 58 °C inkongruent im eigenen Kristallwasser. Die Abspaltung des Kristallwassers selbst erfolgt erst bei 120 °C. Das dabei entstehende Natriumacetat-Anhydrat besitzt eine Schmelztemperatur von 324 °C [5]. Für die Untersuchungen wurde weiterhin das kommerzielle Produkt der Firma Rubitherm Technologies GmbH auf Paraffin-Basis ausgewählt. Das Gemisch aus Alkanen (CnH2n+2 - gesättigte Kohlenwasserstoffe) mit der Bezeichnung Rubitherm® RT 58 ist ein ungebundenes Wärmespeichermaterial, das bei einem Schmelzpunkt von 59 °C eine im Vergleich zum Natriumacetat-Trihydrat kleinere Schmelzenthalpie von 181 kJ/kg besitzt [6]. Beim Erstarren bilden sich infolge der Volumenabnahme des PCM Poren, so dass nach dem Infiltrieren theoretisch nur 86,7 % Poren mit Rubitherm® RT 58 bzw. 88,3% mit Natriumacetat-Trihydrat gefüllt sind. Das Bild 2 zeigt die rastermikroskopischen Aufnahmen von Bruchflächen der aus Kupferpulver Typ FFL hergestellten Proben mit 60 Vol.-% Rubitherm® RT 58 bzw. Natriumacetat-Trihydrat. Innerhalb der im BSE-Modus aufgenommen Bilder (Ordnungszahlkontrast) können die hell erscheinenden Bereiche den Kupfermatrices sowie die dunklen Bereiche dem jeweiligen PCM zugeordnet werden.
Bild 2: REM-Aufnahmen von Bruchflächen der Proben Cu/RT58/60 und Cu/NaAc/60 im BSE-Modus
Ein Vergleich der Wärmeleitfähigkeiten von infiltrierten bzw. uninfiltrierten Kupfermatrices mit analogen Volumenanteilen liefert kaum Unterschiede (Tabelle 1). Ursache dafür sind die äußerst geringen Wärmeleitfähigkeiten der PCM (NaAc: 0,7 W/(mK) und RT58: 0,2 W/(mK)).
105 Tabelle 1: Wärmeleitfähigkeiten der porösen uninfiltrierten Kupfermatrices und der infiltrierten Verbundwerkstoffe Cu/RT58/X und Cu/NaAc/X.
Kupfer Kupfer/Rubitherm® RT 58 Kupfer/Natriumacetat-Trihydrat
4
Porengehalt bzw.PCMGehalt [Vol.-% ] 40 60 40 60 40 60
Wärmeleitfähigkeit [W/(mK)] 132 67 133 66 139 73
Charakterisierung des Wärmespeichervermögens von PCM-Verbundwerkstoffen
Das Wärmespeichervermögen der hergestellten Proben mit Volumenanteilen von 40 Vol.-% und 60 Vol.-% des jeweiligen PCM wurde mittels einer sogenannten „T-History-Methode“ charakterisiert (Bild 3). Diese Methode basiert auf einem Vergleich des thermischen Verhaltens der zu untersuchenden Probe und einem Referenzwerkstoff mit bekannten thermischen Eigenschaften. Dabei werden die beiden Proben unter gleichen Bedingungen erwärmt bzw. abgekühlt. Simultan erfolgt zeitabhängig die Registrierung der Temperaturverläufe an zwei verschiedenen Seiten der Messproben mit Hilfe von Thermoelementen. Diese befinden sich an der Unterseite der Proben im Bereich der Ausgleichsplatte aus Kupfer und an der oberen Seite der Probenverkapselung. Ziel der zusätzlichen Kupferverkapselung ist es, unerwünschte Effekte wie Reaktionen der PCM mit angrenzenden Materialien zu unterbinden. Insbesondere bei Verbundwerkstoffen mit Natriumacetat-Trihydrat ist es auch wichtig, eine hermetisch geschlossene Verkapselung zu realisieren, um die Verdampfung des Kristallwassers bei höheren Temperaturen zu vermeiden.
Bild 3: Aufbau der Messanordnung zur Charakterisierung von PCM-Verbundwerkstoffen
106 4.1
Charakterisierung von mit Rubitherm® RT 58 gefüllten Kupfer-Verbundwerkstoffen
Die mit Hilfe der beschriebenen Messmethode bestimmten zeitabhängigen Temperaturverläufe beider Thermoelemente sind in Bild 4 sowohl für reines Kupfer als auch für die mit Rubitherm® RT 58 infiltrierten Verbundwerkstoffe mit PCM-Volumenanteilen von 40 Vol.-% bzw. 60 Vol.% dargestellt. Die Messungen erfolgten bei einer konstanten Leistung des Heizelementes von 15 W.
Bild 4: Temperaturverläufe von Kupfer und der Verbundwerkstoffe Cu/RT58/X bei 15 Watt Leistung des Heizelementes
Der oberhalb der Probenverkapselung aufgezeichnete Temperaturverlauf zeigt für den Verbundwerkstoff mit 40 Vol.-% Rubitherm® RT 58 (Cu/RT58/40) im Bereich des Schmelzpunktes des PCM bei 59 °C nur geringe Änderungen im Vergleich zu reinem Kupfer. Bei der Temperaturmessung der Probe mit 60 Vol.-% Rubitherm® RT 58 ist dagegen eine größere Abweichung vom kontinuierlichen Verlauf festzustellen, die durch den Phasenübergang des PCM verursacht wird. Diese Probe erreicht dadurch die Temperatur von 90 °C an der Seite der Ausgleichsplatte mit einer Verzögerung von ca. 70s im Vergleich zur reinen Kupferprobe. Idealisiert betrachtet, müsste die Temperatur der mit Rubitherm® RT 58 infiltrierten Kupfermatrices ab 59 °C für längere Zeit konstant bleiben, da die zugefügte Wärme zunächst für das Schmelzen des Paraffins verbraucht wird. Stattdessen ist der Schmelzvorgang anhand der gemessenen Temperaturenverläufe beider Verbundwerkstoffe nicht deutlich sichtbar. Dies bedeutet, dass die vom Heizelement produzierte Wärme sowohl für die Temperaturänderung des Werkstoffs als auch für das Schmelzen des Paraffins verbraucht wird. Die Ursache hierfür ist offensichtlich ein breiterer Schmelzbereich um 59°C sowie die geringe Schmelzenthalpie des PCM.
107 4.2
Charakterisierung von mit Natriumacetat-Trihydrat gefüllten Kupfer-Verbundwerkstoffen
Analoge Untersuchungen zum Wärmespeichervermögen wurden ebenfalls an den Kupfer-Verbund-werkstoffen mit Natriumacetat-Trihydrat durchgeführt. In Bild 5 sind die zeitabhängigen Temperaturverläufe der reinen Kupferreferenz und die der Verbundwerkstoffe mit 40 Vol.-% bzw. 60 Vol.-% Natriumacetat-Trihydrat dargestellt. Diese Messungen erfolgten ebenfalls bei einer konstanten Leistung des Heizelementes von 15 Watt.
Bild 5: Temperaturverläufe von Kupfer und der Verbundwerkstoffe Cu/RT58/X bei 15 Watt Leistung des Heizelementes
Aus dem Bild 5 geht hervor, dass die Temperaturen an der Ausgleichsplatte und an der Oberseite der Verkapselung während des Schmelzenvorgangs von NaAc sowohl bei 40 Vol.-% als auch bei 60 Vol.-% PCM nahezu konstant bleiben. Dies bedeutet, dass die zugefügte Wärme ausschließlich für das Schmelzen des PCM verbraucht wird. Dabei beträgt die Temperatur an der Oberfläche der Verkapselung in beiden Fällen ca. 57 °C. Diese Temperatur entspricht annähernd dem Schmelzpunkt des Natriumacetat-Trihydrates von 58 °C. Aufgrund des Temperaturgradienten sind die Temperaturen an der Ausgleichsplatte während des Schmelzenvorgangs des PCM für beide Verbundwerkstoffe deutlich größer und liegen im Bereich von 74–76° C. Weiterhin ist auffällig, dass die durch das Schmelzen des Natriumacetat-Trihydrates verursachten Temperaturänderungen gleichzeitig sowohl an der Kupferausgleichsplatte als auch an der oberen Verkapselung registriert werden. Dies bestätigt, dass die auftretende Wärme durch die gut leitenden Kupfermatrices homogen in der Probe verteilt wird. Während des Abkühlvorganges ist für beide Verbundwerkstoffe die reversible Kristallisation des Salzhydrates bei ca. 50 °C nachweisbar. Dadurch nimmt die Temperatur an der Oberseite der Verkapselung zu. Die Temperatur der Ausgleichsplatte, die offensichtlich schneller abgekühlt wird, bleibt dabei nahezu konstant. Das Unterkühlungsverhalten von NaAc wurde von vielen Autoren untersucht [7,8]. So wird in [8] beispielsweise ein Kristallisationsbereich von 50 °C bis 30 °C angegeben, der maßgeblich von der Abkühlgeschwindigkeit, dem Probenvolu-
108 men und der Probenreinheit beeinflusst wird. Dies deckt sich mit dem beobachteten Unterkühlungsverhalten von NaAc.
5
Zusammenfassung
PCM-gefüllte Kupfer-Verbundwerkstoffe wurden durch Infiltration offen poröser Cu-Formkörper mit ausgewählten Phasenübergangsmaterialien hergestellt und umfassend hinsichtlich ihrer Gefüge und thermischen Eigenschaften charakterisiert. Dabei dienten Natriumacetat-Trihydrat (NaAc) sowie das Paraffin Rubitherm® RT58 als PCM. Das Pressen und Sintern vom Kupferpulver mit Verwendung eines geeigneten Abstandshalters erlaubte die Herstellung von Verbundwerkstoffen mit einem Volumengehalt von PCM bis zu 70 %. Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die fest-flüssig Phasenübergänge der verwendeten PCM in den infiltrierten Kupfermatrices in Abhängigkeit von der jeweiligen Latentwärme in unterschiedlicher Intensität dokumentierbar sind. Vor allem zeigten die Verbundwerkstoffe mit NaAc vielversprechende Ergebnisse, um als Kühl- bzw. Temperierwerkstoffe zum thermischen Management von elektrischen und elektronischen Komponenten Anwendung zu finden. Aufgrund des Schmelzvorgangs von NaAc verzögert sich die Erwärmung der Verbundwerkstoffe erheblich, so dass eine kritische Temperatur von 90 °C im Fall von 40 Vol.-% PCM um 150 s und im Fall von 60 Vol.-% PCM um 300 s später erreicht wird als im Vergleich zu reinem Kupfer. Damit lassen sich periodisch auftretende Übertemperaturen durch eine gezielte Wahl des Anteils an PCM und der geometrischen Auslegung der Wärmesenke hinsichtlich der thermischen Verlustleistung vermeiden.
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
[8]
Literatur S. V. Garimella, Microelectron. J. 2006, 37, 1165–85. B. Zalba, J.B. Marin, L.F. Cabeza, H. Mehling, Appl. Thermal Eng. 2003, 23, 251–283. D.V. Hale, M.J. Hoover, M.J. O’Neil, Phase Change. Materials Handbook, NASA CR 61363, 1975. O. Öttinger, PCM/Graphitverbund-Produkte für Hochleistungswärmespeicher; ZAE Symposium, München, 4.-5. März, 2004. J. Falbe, M. Regitz; Römpp Chemie Lexikon 9. Auflage, Band 4, 1995. http://www.rubitherm.com/deutsch/index.htm C. Rudolph, Entwicklung einer Methode zur Suche nach Kristallisationsinitiatoren für Salzhydratschmelzen mittels High-Throughput- Screening, Dissertation, TU BA Freiberg, 2002. T. Wada, F. Kimura, Bull. Chem. Soc. Jpn. 1983, 56, 3827–3829.
109
Fabrication of Nano-reinforced Titanium Matrix Composites via Powder Metallurgy I. Montealegre-Melendez (1), E. Neubauer (1), H. Danninger (2) G.Mozdzen (1) (1) Austrian Research Centers GmbH-ARC, A-2444 Seibersdorf, Austria (2) Institute for Chemical Technologies and Analytics, Vienna University of Technology, Getreidemarkt 9/164, 1060 Vienna, Austria
1
Introduction
Titanium and its alloys provide good corrosion resistance as well as attractive mechanical and physical properties to be employed as metal matrices in MMCs [1–3]. The manufacturing of Titanium Metal Matrix Composites (TiMMCs) has been widely studied previously. Thus, several fabrication techniques have been carried out and investigated to produce these materials. In particular Powder Metallurgy [3–7], which involves the application of its advantages to develop new material compositions, is the manufacturing process employed in this work to produce titanium base compacts. In this work, Ti based MMCs reinforced with nanodiamonds were produced, matrix type and nanodiamond content being varied. The specimens were consolidated by inductive hot pressing, the parameters were optimized simultaneously. Characterization of the TiMMCs revealed the influence of this type of reinforcement on microstructure and properties.
2
Starting Materials
As starting matrix materials four different titanium based powders were selected. Two grades of titanium powders, commercial pure titanium (CPTi grade 4) and titanium hydride (TiH2), and two Ti6Al4V powders from different suppliers were employed. These Ti6Al4V powder presented different particle size. The particles of the Ti6Al4V(2) powder were smaller than Ti6Al4V(1). The TiH2 powder was the finest one. The reinforcement was nanodiamond particles (NDPs). Their characteristics are shown in Table 1. Oxygen analysis was done using a LECO TC500. Additionally, the particle size distribution was measured by Mastersizer2000 Table 1: Characteristics of the matrix powders and the NDPs. *Density of NDPs according to the manufacturer. Type of powder
O% wt.
d0.5 (μm)
Density (g/cm³)
CPTi
0.45
13.75
4.54
TiH2
0.67
7.82
3.97
Ti6Al4V (1)
0.50
43.03
4.45
Ti6Al4V (2)
0.49
29.13
ND particles
7.10
0.06
3.52*
110
Figure 1: SEM pictures of TiH2, Ti6Al4V(1) and Ti6Al4V(2).
(see d0.5: mean particle size in Table 1). The several micrographs of the starting materials were obtained by high resolution scanning electron microscopy (HRSEM- Zeiss, Supra VP40). The pycnometer AccuPyc 1330V3.3 was used to determine the density of the titanium based powders.
3
Experimental Procedure
3.1
Powder Blending
As the first stage, mixing of the powder took place. This turned out to be tricky due to the large difference in particle size between matrix and reinforcing particles. The different NDP concentrations were added to each matrix powder (see in Table 2). The mixing was carried out in a Sintris mixer for 16 hours with zirconium oxide balls (3 mm diameter), and using cyclohexane as solvent to avoid powder agglomerations. Table 2: Nanodiamond concentrations Reinforcement content into the matrix %wt. (%vol.)
0.00
0.14 (0.18)
0.70 (0.90)
1.40 (1.80)
2.81 (3.60)
Then the wet-mixed powders were completely dried during 16 hours. The dried powder was blended for 2 hours without the ceramic balls, in order to break up possible powders lumps and obtain major mixing homogenization. After that the powders were ready to be compacted.
3.2
Powder Compaction
The consolidation technique used was inductive hot pressing (iHP) which involved the application of high temperature and pressure simultaneously. Due to the oxygen affinity of titanium based powders, the compaction was carried out under high vacuum (see Table 3). The powder was filled into the graphite die (Ø Figure 10mm) which was protected by a graphite foil coated with boron nitride (BN). The graphite matrix preparation was carried out always in the same way for the inductive hot pressing process. The iHP process was done according to the following parameters (see Table 3). Only the temperature was varied. Its effects on the final properties and microstructures of the specimens were studied.
111 Table 3: Parameters used for the inductive hot pressing. Temperature (°C) Pressure (MPa)
Holding time (min)
Heating rate (°C/min)
Vacuum (mbar)
900 / 950
15
50
10-5
3.3
50
Characterization of the Samples
Subsequently, the specimens were removed from the dies. The graphite foils were completely separated from the compact surfaces by sand blasting. Their final dimensions were approximately 10 mm diameter and 4 mm height. Next, Archimedes’ density and hardness were measured. The density was determined in water using a water-stop impregnating spray. For the Vickers hardness (HV10), a tester model “Shimadzu HSV-30” was used. The oxygen analysis of several compacts was carried out in a LECO TC 500. Moreover, the microstructure of the composite was studied. Thus, optical microscopy with polarised light for the observation of the hexagonal close-packed structure of the alpha phase of the titanium was used (LEICA DMI5000M).
4
Results and Discussion
4.1
Density and Hardness Evaluation
The temperature of the hot compacting process was identified as the primary manufacturing parameter to affect the density of all the titanium composites. At 950 ºC, the density of the compacts increased up to an NDP content of 1.8 %vol. In general, by increasing the iHP temperature, the density of the specimens increases. Independently of the iHP temperature, the specimens prepared from TiH2 powder showed lower relative density values than the others (see Figure 2). Additionally, a significant decrease of the hardness, for this kind of matrix composites, was observed at 0.18 %vol. of NDPs (see). This phenomenon would be investigated after subsequent microstructural study. In general, with increasing iHP temperature, the hardness increases only slightly. In contrast, a significant increas of hardness was observed for the TiMMCs, i.e. by the reinforcement. Just by the addition of 0.18 %vol. of NDs, specimens from CPTi matrix powder show a hardness increase of 24 % compared to unreinforced Ti (at 950 º). The percentages of hardness increase were 55 % maximum for specimens from CPTi and 40 % for those from TiH2. For compacts from Ti6Al4V matrix powders, their hardness went up by 17 % maximum.
4.2
Microstructural Study
4.2.1 Matrices comparison The microstructural study of the specimens revealed important differences between the titanium matrices (see Figure 3). Because of the hexagonal structure (hcp) of ? phase, it can be detected
112
Figure 2: Relative density and hardness as a function of the NDP content; comparison of the four titanium matrices (iHP Compaction at 50 MPa and 900 / 950 °C in high vacuum).
using the polarized light. Otherwise the E phase (bcc) can not be seen by using this method. Therefore, it can be stated that the matrices from CPTi (1) consist of ? phase. Comparing matrices, the CPTi (1) matrix (see Figure 3) shows an uniform grain structure with quasi-polygonal grains. The matrix from Ti-6Al-4V (1) powder exhibits ? phase as well however the grain size is smaller as in specimen CPTi (1). Additionally, impurities can be observed in this material. Due to the EDX analyses it contains predominantly Molybdenum. In the next investigated matrix from Ti-6Al-4V (2), the grain structure could not be characterised using the same analysis method. In this case the fraction of ? phase as well as the grain size can be hardly recognised. The finer starting powder and the absence of impurities, e.g Molybdenum could be possible reasons of this effect. Finally, the matrix from TiH2 powder was studied. It consists probably of ?phase (bcc), since no orientation contrast is visible in the Figure 3. Hydrogen remaining could cause the stabilization of such cubic ß-phase at room temperature in this kind of composites. For that reason, the hardness of these composites was superior to the composites from CPTi matrix powders. 4.2.2
Addition of the NDPs
The influence of the nanodiamond particles on the microstructure evolution was studied on the following materials variant: the CPTi (see in Figure , the Ti-6Al-4V (1) (see in Figure 5) and the matrix from TiH2 powder (see in Figure 6). The addition of NDPs and increasing their content in the matrix from CPTi caused a decrease of the grain size (see Figure 4). It is favourable for the mechanical properties. In the material with 3.6 %vol. the NDPs seem to agglomerate on the
113
Figure 3: Pictures of the four titanium based matrices without reinforcement, hot consolidated at 950ºC for 15min and at 50MPa.
grain boundaries what very probably led to a decrease of the densification. The addition of 0.18%vol and of 0.9 %vol NDPs in to Ti-6Al-4V (1) powder resulted in a slightly finer microstructure in comparison to the microstructure of the material without nano-particles. A coarsening of the grains and a certain agglomeration of NDPs along the grain boundaries was observed (see in Figure 4 and Figure 5) for the composites with higher amount of NDPs (1.8 %vol and 3.6 %vol).
Figure 4: TiMMCs microstructures from CPTi matrix powder. (iHP at 950 ºC for 15 min and 50 MPa).
Figure 5: TiMMCs microstructures from Ti6Al4V(1) matrix powder. (iHP at 950 ºC for 15 min and 50 MPa).
Ending the microstructural study, a significant decrease of the hardness for the composites from TiH2 with 0.18 %vol.of NDPs was determined. The SEM images in Figure 6 show a large amount of pores for materials without and with 0.18 %vol NDPs respectively. The addition of 0.9 %vol of NDPs produced a pore free, fine martensitic microstructure. Further addition of NDPs (3.6 % vol) led to formation of some pores and a slightly decrease of density in this composite (see Figure 6).
114
Figure 6: SEM of the composites from TiH2 matrix powder with different NDPs consolidated at 900°C.
4.3
Oxygen analysis
Moreover, oxygen analysis was carried out in order to determine the effect of oxygen on the properties of the TiMMCs (see Figure 7).
Figure 7: Oxygen content of the pure titanium based matrices and the TiMMCs with highest reinforcement content (3.6%vol. of NDs), inductive hot compacted for 15 min at 950°C in vacuum.
Higher oxygen percentage in the composites from TiH2 powder was measured. The high oxygen content can be supposed to be the main reason for the higher hardness values of this grade of composites, in spite of the lower density values compared to the composite from CPTi and from Ti6Al4V matrices.
5
Conclusions
Effect of the raw materials and the NDPs: • Compacts prepared from TiH2 matrix powder exhibited the highest oxygen content and consequently higher hardness values in comparison to the composites from CPTi matrix powder. • The addition of nanodiamond particles (NDPs), which contain significant amounts of oxygen, increases the oxygen content of the final composites, independently of the type of starting matrix powder. Furthermore, the NDP addition blocked grain growth up to a certain
115 concentration level (1.8%vol.); above this concentration the appearance of possible agglomerates around the grain boundary lowered the densification in the specimens. • The microstructure evolution was affected significante by the addition of NDPs. In particular for the composites from CPTi powder. Additionally, the composite from Ti6Al4V (1) powder presented similar effect. Effect of the processing parameters: • The increase of the compacting temperature up to 950 °C resulted in an increase of the TiMMC density. In general, by increasing the iHP temperature, the hardness of the specimens increases slightly. Hardness data: • The hardness of the composites was closely related to the NDP content. The most outstanding effect of the reinforcement was observed for TiMMCs prepared from CPTi matrix powder. They exhibit a hardness increase of 24 % (after iHP at 950 ºC) just by the addition of 0.18 %vol of NDP.
6 [1] [2] [3] [4]
[5] [6] [7]
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116
Dispersionsverstärkte Kontaktwerkstoffe auf Silberbasis – Herstellung, Mikrostruktur und mechanische Eigenschaften Bernhard Wielage, Thomas Lampke, Harry Podlesak, Thorsten Halle, Heike Steger Technische Universität Chemnitz, Chemnitz
1
Einführung
Für Kontaktwerkstoffe kommen u. a. dispersionsverstärkte Silberbasiswerkstoffe zum Einsatz. Zur Verbesserung der Schalteigenschaften wird angestrebt, dass die Oxidphase in Teilchengrößen < 1 μm und feindispers verteilt vorliegt. Dies führt bereits bei einem Anteil einer Verstärkungskomponente von nur wenigen Prozent zu einem deutlich erhöhten Widerstand bei der Umformung des Materials. Das Hochenergiekugelmahlen (HEM) wird getestet, um die genannten Anforderungen an das Gefüge zu erreichen. Das Verhalten dieser Verbundwerkstoffe während der Umformung im pulvermetallurgischen Prozess lässt sich durch empirische Werkstoffmodelle abbilden, die in Druckversuchen bei Raumtemperatur und erhöhten Temperaturen mit unterschiedlichen Dehnraten ermittelt wurden. Diese Modelle ermöglichen die Bereitstellung von Fließspannungen als Funktion der Dehnung, Dehnrate und Temperatur und stellen damit eine bedeutende Eingangsgröße für die Umformbedingungen dar. Der vorliegende Beitrag zeigt das Potenzial dieser empirischen Werkstoffmodelle für eine wirtschaftliche und ressourcenschonende Weiterverarbeitung dispersionsverstärkter Silberbasiskontaktwerkstoffen auf.
2
Herstellung von Kontaktwerkstoffen auf Silberbasis durch Hochenergiekugelmahlen
2.1
Kontaktwerkstoffe auf Silberbasis
Edelmetalle bilden an Luft keine Oxide und sind damit besonders für luftoffene Kontakte geeignet. Silber, das preisgünstigste der Edelmetalle, besitzt die höchste elektrische und thermische Leitfähigkeit unter den Metallen. In schwefelhaltiger Atmosphäre bildet sich jedoch Silbersulfid, was bei geringen Kontaktkräften, wie sie beispielsweise in der Information- und Nachrichtentechnik auftreten, als Störfaktor wirken kann. In der Energietechnik, wo größere Schaltkräfte auftreten, stören diese Silbersulfide jedoch nicht. Reines Silber ist aufgrund seiner Kleb- und Verschweißneigung, seiner Neigung zur Materialwanderung, seines hohen Abbrandes sowie seiner geringen Härte und Festigkeit ungeeignet. Aus diesem Grund werden, je nach Anwendungsfall, Silberlegierungen oder –verbundwerkstoffe eingesetzt. Dabei weisen Silber-Metalloxide eine hohe Sicherheit gegenüber Verschweißen beim Einschalten sowie im geschalteten Zustand der Kontaktstücke auf [1]. Das System Silber-Zinnoxid inklusive Zusatzoxide, wobei der Oxidgehalt in der Anwendung zwischen 8 und 12 Gew.-% liegt, zeigt in der Praxis eine akzeptable Abbrandfestigkeit und ausreichende Sicherheit gegenüber Einschaltverschweißen so-
117 wie vergleichsweise geringe Materialwanderung und einem niedrigen Kontaktwiderstand. Außerdem weist dieses Materialsystem praxisgerechte Verarbeitungs- und Fügeeigenschaften auf [2].
2.2
Hochenergiekugelmahlen
Durch Hochenergiekugelmahlen lassen sich Silber-Metalloxid-Verbundpulver herstellen, die im Weiteren zu kompakten Strangpressdrähten verarbeitet werden können. Anschließend erfolgt die Umformung und Konfektionierung auf Endmaß [2, 3]. Hochenergiekugelmühlen stellen eine Weiterentwicklung zu konventionellen Trommelmühlen dar. In einer horizontal angeordneten Kammer (Bild 1) werden Mahlkugeln und Mahlgut mit einem Rotor in Bewegung versetzt. Der Energieübertrag durch die Kugeln in das Mahlgut führt zu einem mechanischen Legieren und ist abhängig von der eingestellten Rotorumdrehungszahl. Bei mittleren und hohen Drehzahlen zeichnet sich das Hochenergiekugelmahlverfahren durch ein vielfaches Kaltverschweißen aus. Ein Brechen des Mahlgutes erfolgt bei niedrigen Rotordrehzahlen (unterhalb von etwa 250 1/min). Es werden Kugeln mit einem Durchmesser von wenigen Millimetern verwendet. Im Bild 1 ist der prinzipielle Aufbau einer Hochenergiekugelmühle dargestellt [4, 5].
Bild 1: Schematische Darstellung einer Hochenergiekugelmühle Simoloyer® (Fa. Zoz GmbH).
Zur Vermeidung unerwünschter Verunreinigungen durch die Erosion an der Edelstahlauskleidung der Hochenergiekugelmühle, den Stahlkugeln und dem Rotor kommt ein Simoloyer CM01® mit Keramikausstattung (Si3N4-Auskleidung und Rotor) und Keramikkugeln (ZrO2) zum Einsatz. Bei der Verbundpulverherstellung wurden die Zinnoxidgehalte 8, 12 und 14 Gew.-% für drei Oxidfraktionen im Bereich von D50 = 0,7–4,2 μm variiert. Die aus dem HEM-Verfahren resultierenden Verbundpulver sind aufgrund der duktilen Silbermatrix durch eine Flakeform gekennzeichnet (Bild 2a). Innerhalb dieser kompakten Verbundpulverflakes wird eine feindisperse Verteilung der Zinnoxidkomponente erreicht (Bild 2b).
118
a)
b)
Bild 2: Hochenergiegemahlenes Silber/Zinnoxid mit a) typischer Flakeform sowie b) im Pulverschliff mit feindisperser Verteilung der Zinnoxidkomponente.
Die resultierenden HEM-Verbundpulver werden zu Strangpressdrähten verarbeitet. Die nach dem Strangpressen resultierenden Gefüge sind im Bild 3 am Beispiel der Zinnoxidpartikelgröße D50 = 0,7 μm im Drahtlängsschliff dargestellt. Es ist eine feindisperse Verteilung der Zinnoxidkomponente typisch. Dies gilt sowohl für den hohen als auch für den niedrigen Anteil an Verstärkungspartikeln. Die geringfügige Feinzeiligkeit, die vor allem im Bild 3b deutlich wird, ist vernachlässigbar. Es liegen nur wenige Mikroporen und somit kompaktes Material vor.
a)
b)
Bild 3: Strangpressdraht aus Silber/Zinnoxid-HEM-Verbundpulver mit a) 8 und b) 14 Gew.-% Zinnoxid Typ A.
3
Mechanische Eigenschaften und empirische Werkstoffmodelle
Während reines Silber eine verhältnismäßig niedrige Festigkeit aufweist, bewirken bereits wenige Prozent Partikelverstärkung einen deutlichen Anstieg der Festigkeit. Dieser Festigkeitsanstieg ist im Bild 4 exemplarisch für die Änderung des Partikelverstärkungsanteils von 8 über 12 auf 14 Gew.-% dargestellt. Anhand des wahren Spannungs – wahren Stauchungsdiagrammes aus dynamischen Druckversuchen (Dehnrate = 200 s–1), sowohl bei Raumtemperatur
119 als auch bei 600 °C, wird dieser Einfluss deutlich. Bereits bei einer Erhöhung des Oxidanteils um 2 Gew.-% wird beispielsweise bei Raumtemperatur für das Erreichen einer wahren Stauchung von 0,1 eine um etwa 11 % höhere wahre Spannung notwendig. Ebenfalls für die Prüftemperatur von 600 °C wird eine vergleichbare Spannungserhöhung sichtbar.
Bild 4: Einfluss des Partikelverstärkungsanteils; wahre Spannung – wahre Stauchung.
Die Resultate aus den Druckversuchen wurden in geschlossene empirische Werkstoffmodelle überführt, um Fließspannungen in Abhängigkeit der Temperatur, Dehnung und Dehnrate zu erhalten. Hierzu wurden Versuche bei verschiedenen Dehnraten und Temperaturen durchgeführt. Zur Modellbildung wurden die Modelle nach Johnson und Cook [6], Zerilli und Armstrong [7] sowie Hensel und Spittel [8] überprüft. Der erstgenannte Ansatz findet aufgrund seines einfachen multiplikativen Ansatzes eine breite Anwendung in kommerziellen FEM-Programmen. Das Modell nach Zerilli und Armstrong bezieht sich auf kubischraumzentrierte und kubischflächenzentrierte Werkstoffe. Das Hensel-Spittel-Modell wurde ursprünglich für den Anwendungsfall der Warmumformung konzipiert und berücksichtigt die Dehnungsgeschwindigkeit und die Temperatur exponentiell und ermöglicht die Abbildung von Reckalterungseffekten. Mit allen Modellansätzen werden anhand der Messwerte werkstoffabhängige Konstanten ermittelt, die für die Berechnung der Spannung als Funktion der Temperatur, Dehnung und Dehnrate herangezogen werden. Am Beispiel eines Vergleichswerkstoffes erfolgte zunächst exemplarisch die Modellierung für dynamische (Dehnrate = 200 s–1) und statische (Dehnrate = 0,01 s–1) Druckversuche bei Raumtemperatur, 200, 400 und 600 °C. Die drei oben genannten Modelle wurden hinsichtlich des durch die mehrdimensionale nichtlineare Regression erreichten Bestimmtheitsmaßes R² gegenübergestellt. Das Hensel-Spittel-Modell zeigt mit einem Wert von 0,98 ein besonders hohes Bestimmtheitsmaß, was eine sehr hohe Übereinstimmung des Modells mit den Messwerten widerspiegelt. Aus diesem Grund erfolgte die Überführung der ermittelten Kennwerte aus den Druckversuchen an den HEM-Materialien in dieses semiempirische Werkstoffmodell. Wie bereits oben beschrieben, erfolgte die Messwertermittlung mit den beiden Verformungsgeschwindigkeiten 0,01 s–1 und 200 s–1 jeweils für Raumtemperatur und 600 °C. In Bild 5 die daraus
120 ermittelten Fließflächen exemplarisch für Raumtemperatur, 200, 400 und 600 °C für einen AgSnO2-Draht mit 12 Gew.-% SnO2 (D50 = 0,7 μm) dargestellt. Damit stehen in Erweiterung zum Bild 4 die Einflussgrößen Dehnrate und Temperatur auf die Fließspannung in dem aufgespannten Prozessfenster zur Verfügung. Die aufgeführten Fließflächen verdeutlichen den Anstieg der Dehnratenempfindlichkeit mit zunehmender Temperatur. Außerdem zeigt sich eine ebenfalls starke Temperaturabhängigkeit beim Verfestigungsverhalten des Materials. Bei Temperaturen von 600 °C wird ein fast ideal plastisches Verhalten erreicht.
Bild 5: Fließflächen für das durch Hochenergiekugelmahlen hergestellte Ag-SnO2 mit 12 Gew.-% SnO2 (D50 = 0,7 μm) für a) Raumtemperatur, b) 200 °C, c) 400 °C und d) 600 °C.
4
Zusammenfassung
Das Hochenergiekugelmahlen stellt ein geeignetes Verfahren zu Herstellung von Verbundpulvern mit feindisperser Verteilung der Komponenten dar. Die pulvermetallurgisch weiterverarbeiteten Werkstoffe wurden Druckversuchen bei verschiedenen Prüftemperaturen und –geschwindigkeiten unterzogen. Die resultierenden Daten wurden in empirische Werkstoffmodelle überführt. Diese Modelle ermöglichen die Darstellung der Fließspannung als Funktion von Temperatur, Dehnung und Dehnrate. Somit steht, sowohl in Form von Fließflächen als
121 auch durch die spezielle Nutzung der mit dem empirischen Werkstoffmodell ermittelten Konstanten, ein geeignetes Werkzeug zur Darstellung von Umformbedingungen an partikelverstärkten Metallmatrixverbundwerkstoffen bereit. Diese Modelle sind die Voraussetzung für die Anwendung numerischer Methoden (FEM) zur Auslegung dieser Werkstoffe.
5
Danksagung
Die Arbeiten wurden im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes „Elektroerosion“ (Förderkennzeichen 03X3500F) durchgeführt. Für die finanzielle Unterstützung wird hiermit gedankt. Außerdem danken die Autoren dem Projektpartner Umicore AG & Co. KG für die Weiterverarbeitung der Verbundpulver zu Drahtmaterial.
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
Literatur K.-H. Schröder, Werkstoffe für elektrische Kontakte und ihre Anwendungen, Expert Verlag Kontakt & Studium, Werkstoffe, 1992. M. Müller et al., DE Patent 10017282, 2002. P. Braumann, Vortag im Rahmen der Veranstaltung „Die 7 Todsünden der Kontaktphysik“, Windisch, 2006. C. Suryanaryana, Mechanical Alloying and Milling, Marcel Dekker, New York, 2004. T. Schnick, Werkstoffe und werkstofftechnische Anwendungen, 2002, 12. G.R. Johnson, W.H. Cook, in: 7th International Symposium on Ballistics, 1983, p. 541–547. F.J. Zerilli, R.W. Armstrong, Appl. Phys., 1987, 61, 5, p. 1816–1825. A. Hensel, W. Lehnert, T. Spittel, M. Spittel, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig, 1990, p. 19–64.
122
Zugeigenschaften infiltrierter Hochtemperatur-MMCs mit unterschiedlichen Faservolumengehalten Joachim Hausmann, Joachim Gussone, Hartmut Schurmann, DLR – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Institut für Werkstoff-Forschung, Köln
1
Einleitung
Mit kontinuierlichen Siliziumkarbidfasern (Monofilamente) verstärkte Titanmatrix-Verbundwerkstoffe (TMC – titanium matrix composite) werden seit einiger Zeit als vielversprechende Werkstoffe für hochbelastete Bauteile künftiger Flugtriebwerke angesehen. TMCs weisen gegenüber unverstärkten Titanlegierungen überragende mechanische Eigenschaften auf [1]. Dennoch kam es bisher zu keinen größeren Serienanwendungen, vor allem aufgrund sehr hoher Herstellungskosten und Fertigungsrestriktionen. Potentielle Anwendungen finden sich in rotierenden Bauteilen von Flugtriebwerken, bei denen höchste spezifische Festigkeit und Steifigkeit bei hohen Temperaturen gefordert sind. Zur Konsolidierung des Verbundwerkstoffs werden unidirektionale und heiß-isostatische Pressverfahren eingesetzt. Der Pressvorgang führt allerdings zu Volumenreduktionen, die wiederum zu Verschiebungen und im schlechtesten Fall zum Brechen von Fasern führen. Um diese Nachteile zu umgehen wurde ein druckloses Verfahren entwickelt. Insbesondere für ringförmige Bauteile, die eine der Hauptzielanwendungen sind, bietet ein Verfahren, das ohne Volumenschwindung oder Verzug arbeitet, erhebliche Vorteile. Es ist allgemein anerkannt, dass TMCs die mittels des Vefahrens der matrixbeschichteten Monofilamente hergestellt werden, höchste mechanische Kennwerte aufweisen. Sowohl das sehr feine Matrixgefüge als auch die homogene Faserverteilung sind verantwortlich für diese außergewöhnlich guten Eigenschaften [2]. Jedoch führt die zuvor erwähnte Konsolidierung durch heiß-isostatisches Pressen zu einer Volumenreduktion von 10–15%. Diese Schwindung ist in Richtung der jeweiligen Faserachse unbedingt zu vermeiden, um einen Bruch oder ein Ausbeulen der Fasern zu verhindern. Abhängig von der Bauteilgeometrie kann es sehr schwierig oder fast unmöglich werden, eine Verdichtung in Faserrichtung völlig zu verhindern. Aus diesem Grunde besteht der Bedarf nach einer neuen Konsolidierungsmethode, während die guten mechanischen Eigenschaften der TMCs erhalten bleiben sollen.
2
Probenherstellung
Als Verstärkungsmaterial dient die SiC-Faser SCS-6 von Specialty Materials Inc. (USA) mit einem Durchmesser von 142 μm. Die Fasern besitzen im Anlieferzustand eine ca. 3 μm dicke Kohlenstoff-Schutzschicht. Für die Proben wurden die Fasern unterschiedlich dick mit Rein-Titan (Grade 1) beschichtet. Die Beschichtung erfolgte mittels Magnetron-Sputtern. Über die Schichtdicke und damit den Abstand der SiC-Faserkörper untereinander stellt sich ein unterschiedlich hoher Faservolumengehalt ein. Die mit dem Titan beschichteten SiC-Fasern wurden
123 geschnitten und in Titan-Röhrchen (innen d = 3,5 mm, außen D = 12 mm, Länge l = 80 mm) eingeführt. Die gefüllten Röhrchen wurden an einem Ende mit einem Deckel verschlossen, in einer Halterung senkrecht positioniert und am anderen Ende mit einem Trichter versehen. In die Trichter wiederum wurde Drahtmaterial der eutektischen Legierung Ag-Cu (72-28 Gew.-%, Schmelzpunkt 779 °C) gegeben. Dieser Aufbau wurde in einem Hochvakuumofen auf 820 °C aufgeheizt. Das Drahtmaterial schmilzt auf und infiltriert die Faserbündel unterstützt durch Schwerkraft und Kapillarwirkung. Die hergestellten Schichtdicken und die sich daraus ergebenden Volumengehalte von Faser, Titan und Infiltrationsmaterial sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Nach Entnahme der Proben aus dem Ofen wurde aus dem äußeren Titanmantel eine runde Zugproben-Geometrie mit einem Prüfquerschnitt von 4 mm Durchmesser auf einer Länge von 12 mm, hyperbolischem Übergangsbereich und M10 × 1 Gewinde an beiden Enden herausgearbeitet. Die spanende Bearbeitung erfolgte also ausschließlich im Bereich des unverstärkten Außenmaterials. Je Spezifikation wurden drei Zugproben hergestellt.
Tabelle 1: Schichtdicken und Volumengehalte der hergestellten und untersuchten Proben.
Probenserie
#1
#2
#3
Außendurchmesser [mm]
4
4
4
Dicke der Titanschicht [μm]
12
22
30
Faservolumengehalt [%]
46
34
28
17
25
29
Volumengehalt Titan insgesamt [%]
40
48
53
Volumengehalt Infiltrationsmaterial [%]
14
18
19
Volumengehalt Titanbeschichtung [%] *
* Summe aus Titanbeschichtung und im Prüfquerschnitt verbliebenem Hülsenmaterial.
3
Mikrostruktur und Phasenausbildung
Die Bilder 1 und 2 zeigen Querschliffe (Lichtmikroskopie) der hergestellten Proben. Dunkel zu erkennen sind die SiC-Fasern mit Kohlenstoffkern im Zentrum und der umgebenden Kohlenstoff-Schutzschicht. In dunklerem grau erscheint jeweils die auf den Fasern aufgebrachte Titanschicht unterschiedlicher Dicke. Zwischen den beschichteten Fasern ist die zweiphasige Ag-CuInfiltrationslegierung zu sehen, die zu der Titanschicht hin in verschiedene Diffusionsprodukte übergeht. Auffällig ist zunächst bei dem Verbund mit den dünnsten Titanschichten (Abb. 1 links), dass die Faserverteilung hier mit Abstand am Besten ist. Alle hergestellten Proben sind im Gegensatz zu früher untersuchten [3] rissfrei. Grundsätzlich zeichnet sich der Übergang vom Titan zum Infiltrationsmaterial durch die Ausbildung mehrerer Diffusionsschichten aus. Dies sind intermetallische Titan-Kupfer-Phasen mit jeweils unterschiedlichen Dicken und Anteilen von Titan und Kupfer und entsprechend stark variierenden Eigenschaften [4]. Silber ist hierin nicht nennenswert vorhanden. An den Berührungspunkten der Titanschichten ist regelmäßig ein in-
124 einander wachsen der Diffusionsschichten zu beobachten (s.a. Abb. 2 rechts). Entsprechend dem Ti-Cu-Phasendiagramm werden diese Verbindungen einen Schmelzpunkt haben, der deutlich über dem des Ag-Cu-Eutektikums liegt [5].
Bild 1: Querschliff (Lichtmikroskopie) der hergestellten Proben mit 12 μm (links), bzw. 22 μm (rechts) dicker Titanschicht.
Bild 2: Querschliff (Lichtmikroskopie) der hergestellten Probe mit 30 μm dicker Titanschicht.
4
Zugversuche und Ergebnisse
Die nach dem im vorherigen Abschnitt beschriebenen Verfahren hergestellten Proben wurden einer Zugprüfung auf einer servohydraulischen Prüfmaschine unterzogen. Die in den Versuchen ermittelten Maximalspannungen sind in Bild 3 zusammengefasst. Neben der sehr geringen Streuung der Messwerte fällt auf, dass die Punkte nahezu linear verteilt sind. Daher liegt es nahe eine über die Mischungsregel ermittelte Kurve an die Ergebnisse anzupassen. Die im Diagramm eingetragene Gerade basiert auf einer Faserfestigkeit von 3850 MPa und einer an die Ergebnisse angepassten Matrixfestigkeit von 600 MPa. Die Faserfestigkeit liegt damit innerhalb der Spezifikation der SCS-6-Fasern während die Matrixfestigkeit unerwartet hoch ist. Durand und Coulomb [6] haben an einer ebenfalls zweiphasigen Ag-Cu-Legierung eine Fließspannung
125 von rund 200 MPa ermittelt und die Festigkeit des verwendeten Titans Grade 1 wird mit 240 MPa angegeben. Es zeigt sich also, dass durch die stattfindenden Diffusionsvorgänge eine erhebliche Festigkeitssteigerung der Metallanteile erfolgt. Mit EDX-Messungen konnte zwar kein Titan in der Infiltrationslegierung nachgewiesen werden, jedoch diffundieren auch außerhalb der intermetallischen Phasen Kupferanteile in die Titanschicht, die diese anscheinend verfestigen. Auch der E-Modul wird durch die Diffusionsvorgänge erhöht, so dass dieser sogar leicht über dem konventionell hergestellter TMCs liegt, obwohl das Reintitan wie auch die Ag-Cu-Legierung alleine einen geringeren E-Modul haben, als die sonst verwendeten Titanlegierungen.
Bild 3: Experimentell ermittelte Maximalspannungen im Zugversuch (Fehlerbalken repräsentieren die min-maxWerte) im Vergleich zur angepassten Kurve durch die Mischungsregel.
5
Ausblick
Es konnte gezeigt werden, dass neben den verfahrenstechnischen Vorzügen der drucklosen Konsolidierung mittels Infiltration durch Zusatzwerkstoffe eine Festigkeitssteigerung des Matrixmetalls erreicht werden kann. Dies eröffnet den weiteren Vorteil, dass im Zuge von Weiterentwicklungen des Verbundwerkstoffs das gegenüber Titanlegierungen wesentlich kostengünstigere Reintitan als primäres Matrixmaterial berücksichtigt werden kann. Die in dieser Arbeit verwendeten Fasern wurden mittels PVD-Verfahren (Magnetron-Sputtern) beschichtet. Derzeit sind jedoch Entwicklungen am laufen, die dieses Verfahren mittelfristig durch kostengünstigere Varianten ersetzen soll. Im Rahmen einer Helmholtz-HochschulNachwuchsgruppe wird ein schmelzflusselektrolytisches Verfahren entwickelt, bei dem die Verstärkungsfasern in einer Salzschmelze bei ca. 500–600 °C mit Titan beschichtet werden. Da zunächst Schichten aus Reintitan abgeschieden werden sollen, ist es vielversprechend, die so beschichteten Fasern in dem hier vorgestellten Infiltrationsverfahren weiterzuverarbeiten und durch gezielte Diffusionsvorgänge die Matrixfestigkeit im Verbund zu steigern. In weiteren Untersuchungen wird noch zu ermitteln sein, inwieweit sich die ausbildenden intermetallischen Phasen negativ auf die Ermüdungseigenschaften des Metallmatrix-Verbundwerkstoffs auswirken. Zur Reduzierung der spröden Anteile sind zum einen Anpassungen in der
126 Zusammensetzung des Infiltrationsmaterials und zum anderen Optimierungen in der Temperaturführung während des Lötprozesses denkbar.
6
Zusammenfassung
Es konnte gezeigt werden, dass durch die Infiltration von titanbeschichteten SiC-Fasern mit einer Silber-Kupfer-Legierung hochfeste Metallmatrix-Verbundwerkstoffe herstellbar sind. Die Festigkeiten und E-Module erreichen die Referenzwerte von konventionell hergestellten Titanmatrix-Verbundwerkstoffen. Durch Diffusionsvorgänge verfestigt sich das Matrixmaterial, so dass insgesamt sehr gute Kennwerte im Zugversuch erreicht werden. In Kombination mit der Entwicklung neuer Beschichtungsverfahren kann eine Gesamtprozesskette entwickelt werden, die neben verfahrenstechnischen Vorteilen vor allem hinsichtlich der Kosten wesentlich günstiger ausfällt.
7 [1] [2] [3] [4] [5] [6]
Literatur S. Mall, T. Fecke, M.A. Foringer, in Titanium Matrix Composites: Mechanical Behavior. Eds.: S. Mall, T. Nicholas, Technomic Publishing Co, Inc.: Lancaster, Basel, 1998, 1–22. C. Leyens, J. Hausmann, J. Kumpfert, in Titanium and Titanium Alloys. Eds.: C. Leyens, M. Peters, Wiley-VCH, Weinheim, 2003, 305–331. J.M. Hausmann, 16th International Conference on Composite Materials, Kyoto, 2007. V. N. Eremenko, Yu. I. Buyanov and S. B. Prima, Powder Metallurgy and Metal Ceramics, 1966, 5 - 6, 494–502 H. Okamoto, Journal of Phase Equilibria, 2002, 26 - 3, 549–550. L. Durand, P. Coulomb, Scripta Metallurgica, 1981, 15 - 1, 95–96.
127
Mechanische Charakterisierung von SiC-faserverstärkten Kupfermatrix-Verbundwerkstoffen A. Brendela, V. Paffenholza, Th. Köckb a
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching bei München, b SGL Carbon GmbH, Meitingen
1
Einführung
SiC-faserverstärkte Kupfermatrix-Verbundwerkstoffe besitzen dort ein Einsatzpotential, wo ein sehr gut wärmeleitfähiges Material bei Temperaturen von über 500 °C benötigt wird, z. B. für Raketenantriebe oder in Kernfusionsreaktoren. Monofilamentverstärkte KupfermatrixVerbundwerkstoffe wurden hier als mögliches Wärmesenkenmaterial für zukünftige Fusionsreaktoren untersucht. Durch die Kernfusion der schweren Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium in einem speziellen Reaktor wird eine große Menge Energie freigesetzt, die zur Erzeugung von elektrischer Energie genutzt werden kann [2]. Die Energie des heißen Fusionsplasmas wird über das Wandmaterial des Reaktors und die Wärmesenken abgeführt. Eine Wärmesenke ist schematischBild 1: Wärmesenke schematisch in 1 gezeigt. Sie besteht aus einem plasmabelasteten Material (W), das in direktem Kontakt mit dem heißen Fusionsplasma steht und einem CuCrZr-Block mit Kühlkanälen.
Bild 1: Wärmesenke schematisch
Bei einer Kühlmitteltemperatur von 300 °C kommt es an der Grenzfläche W/CuCrZr zu Temperaturen bis zu 550 °C [2]. Aufgrund dessen treten Spannungen infolge der unterschied-
128 lichen Wärmeausdehnungskoeffizienten auf [3]. Zur Grenzflächenverstärkung soll ein Material eingesetzt werden, das eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit (mind. 200 W/mK) besitzt. Außerdem wird eine Zugfestigkeit von mind. 300 MPa bei 300 °C und Kriechbeständigkeit bei diesen Temperaturen gefordert. Als Grenzflächenverstärkung wurden SiC-faserverstärkte Kupfermatrix-Verbundwerkstoffe untersucht. SiC-Fasern erhöhen die Festigkeit, die Cu-Matrix trägt zur sehr guten Wärmeleitfähigkeit des Verbundwerkstoffs bei [4].
2
Probenherstellung und Experimente
2.1
Probenherstellung
Ausgangsmaterial zur Herstellung und Charakterisierung von SiC-faserverstärktem Kupfer waren zwei unterschiedliche kommerziell erhältliche SiC-Fasertypen des Herstellers Specialty Materials (SCS6 und SCS0). Beide Fasertypen bestanden aus einer Kohlenstoffseele von ca. 30 μm im Durchmesser und einem SiC-Mantel (Gesamtdurchmesser 140 μm). Die SCS6-Faser besaß zusätzlich noch eine äußere Kohlenstoffschicht mit einer Schichtdicke von 3 μm [5]. Beide Fasertypen wurden mit unterschiedlichen Zwischenschichten in einer Magnetron-Sputteranlage beschichtet, um eine sehr gute Haftung zwischen Faser und Matrix zu erreichen und mögliche Diffusionsprozesse zu unterbinden. Die SCS6-Faser mit Kohlenstoffschicht wurde mit einer 200 nm dünnen Titanschicht beschichtet. Darauf folgte noch eine 500 nm dünne gesputterte Cu-Schicht ohne das Vakuum zu unterbrechen, um das Titan vor Oxidation zuBild 2: a) rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Titan-Zwischenschicht auf einer SCS6-Faser; b) schematischer Schichtaufbau der TiTaC-Schicht schützen (2 a). Die SCS0-Faser ohne Kohlenstoffschicht wurde zuerst mit einer 40 nm dünnen Tantal-Schicht beschichtet. Diese Ta-Schicht diente als Opferschicht zu besseren Anbindung der Faser an die Matrix. Auf die Ta-Schicht folgte eine Kodeposition von Ta und TiC. Dabei stellte sich eine Mischung aus TiC und TaC in der Schicht ein (Schichtdicke 220 nm). Die Anbindung an Kupfer erfolgte über eine TiC-Schicht (Schichtdicke von 50 nm), eine 40 nm dünne Titanschicht und eine 220 nm dünne Cu-Schicht. Der Schichtaufbau ist iBild 2: a) rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Titan-Zwischenschicht auf einer SCS6-Faser; b) schematischer Schichtaufbau der Ti-TaC-Schichtn 2 b gezeigt. Alle Schichten wurden nacheinander in der Magnetron-Sputteranlage abgeschieden. Die Gesamtschichtdicke betrug 570 nm.
Bild 2: a) rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Titan-Zwischenschicht auf einer SCS6-Faser; b) schematischer Schichtaufbau der Ti-TaC-Schicht
129 Die Kupfermatrix des Verbundwerkstoffs wurde durch eine galvanische Beschichtung in einem CuSO4-Bad bei Raumtemperatur auf die vorbeschichteten Einzelfasern aufgebracht. Die Beschichtungszeit bestimmte dabei den späteren Faservolumenanteil. Eine Beschichtungszeit von 8 h führte zu einer Schichtdicke von 80 μm und damit zu einem Faservolumenanteil (vf Bild 3: galvanisch beschichtete Einzelfaser und homogene Verteilung der Fasern im Verbundwerkstoff nach dem heiß-isostatischen Pressen.) von 20 % (3). Anschließend wurden die Fasern im Vakuum bei 550 °C geglüht, um ein Ausgasen von Wasserstoff aus dem galvanisch abgeschiedenen Kupfer zu ermöglichen und der Wasserstoffkrankheit des Kupfers vorzubeugen. Eine mögliche Oxidschicht auf der Kupferbeschichtung wurde durch kurzeitiges Ätzen in einer Säuremischung bestehend aus Phosphorsäure, Salpetersäure und Essigsäure entfernt. Der eigentliche Faserverbundwerkstoff entstand durch heiß-isostatisches Pressen der beschichteten Einzelfasern. Dazu wurden die Fasern so dicht wie möglich in eine Kupferkapsel (Länge 44 mm, Außendurchmesser 10 mm, Innendurchmesser 3,8 mm) gepackt und die Kapsel unter Vakuum mit Hilfe von Elektronenstrahlschweißen verschlossen. Das heiß-isostatische Pressen erfolgte bei einem Druck von 100 MPa und einer Temperatur von 650 °C für eine Stunde. Durch die Vorbeschichtung der Fasern mit der Matrix wurde gewährleistet, dass die Fasern im Verbundwerkstoff homogen verteilt sind Bild 3: galvanisch beschichtete Einzelfaser und homogene Verteilung der Fasern im Verbundwerkstoff nach dem heiß-isostatischen Pressen.(3).
Bild 3: galvanisch beschichtete Einzelfaser und homogene Verteilung der Fasern im Verbundwerkstoff nach dem heiß-isostatischen Pressen.
2.1
Zugversuche
Zugversuche wurden an reinem Kupfer, Einzelfasern und Verbundproben mit unterschiedlichem Faservolumenanteil durchgeführt. Zusätzlich wurden Proben mit SCS0-Faserverstärkung bei 300 °C geprüft. Beschichtete und unbeschichtete Einzelfasern mit einer Länge von 60 mm wurden an jeder Seite fixiert, wobei die Einspannlänge in den Spannbacken jeweils 10 mm betrug. Sie wurden mit einer Lastrate von 0,1 N/s geprüft. In Zusammenarbeit mit MTU Aero Engines wurden an reinem Kupfer und unidirektional verstärkten Verbundwerkstoff-Proben Zugversuche bei Raumtemperatur und 300 °C durchgeführt. Dazu wurden aus Kupfer und den heiß-isostatisch gepressten Kapseln mit faserverstärktem Kern Zugproben gefertigt. Sie hatten eine Länge von 44 mm, eine parallele Länge von 14 mm und einen Durchmesser in der Messlänge von 3,5 mm. Zur Einspannung in einem spezi-
130 ellen Adapter, der zusätzlich radiale Einspannkräfte erlaubt, waren die Proben mit einem M9Feingewinde versehen. Die Dehnung wurde mit einem Hochtemperaturaxialdehnungsaufnehmer gemessen. Die Messlänge betrug dabei 10 mm. Die Versuche wurden weggeregelt mit einer Wegrate von 1 mm/min durchgeführt. Die Zugproben für die Zugversuche bei 300 °C wurden induktiv mit einer Aufheizrate von 3 K/s über die gesamte Probenlänge aufgeheizt.
3
Ergebnisse und Diskussion
Zugversuche wurden an reinem Kupfer und Verbundwerkstoff-Proben mit 10 % und 20 % Faservolumenanteil durchgeführt. Ausgewählte Spannungs-Dehnungsdiagramme sind inBild 4: Spannungs-Dehnungs-Diagramme ausgewählter Verbundwerkstoff-Proben und Kupfer nach Zugprüfung bei Raumtemperatur 4 zusammengefasst.
Bild 4: Spannungs-Dehnungs-Diagramme ausgewählter Verbundwerkstoff-Proben und Kupfer nach Zugprüfung bei Raumtemperatur
Reines Kupfer zeigt das typische duktile Verhalten mit einer 0,2% Dehngrenze von 20 MPa und einer Zugfestigkeit von 200 MPa bei 20 % Bruchdehnung. Bereits durch Zugabe von 10 % SiC-Fasern ändert sich das Bruchverhalten. Der Verbundwerkstoff mit SCS6-Fasern versagt spröde bei einer Bruchdehnung von ca. 0,9 %. Die Zugfestigkeit nimmt mit steigendem Faseranteil zu und erreicht bei vf = 21 % sein Maximum mit 630 MPa. Dabei ist ein direkter Vergleich zwischen Proben mit SCS0-Fasern und Proben mit SCS6-Fasern mit 21% Faservolumenanteil möglich. Beide versagen bei ca. 630 MPa jedoch mit unterschiedlicher Bruchdehnung. Sie ist für die Komposit-Proben mit SCS0-Fasern um 0,15 % geringer. Die E-Moduli und die Zugfestigkeiten der Fasern, des Kupfers und der VerbundwerkstoffProben sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die Zugprüfung bei 300 °C ergab eine Reduzierung der Zugfestigkeit um 10 %.
131 Tabelle 1: E-Moduli und Zugfestigkeiten der Fasern, des Kupfers und der Verbundproben
Kupfer
E-Modul bei Raumtemperatur in GPa
Zugfestigkeit bei Raumtemperatur in MPa
SCS0
SCS0
SCS6
110
MMC 10 %
SCS6
200 142
385
MMC 20 %
166
162
630
640
SiC-Faser
356
460
2077
4450
Sowohl der E-Modul als auch die Zugfestigkeiten der Verbundwerkstoff-Proben folgen der Mischungsregel. Obwohl der E-Modul und die Zugfestigkeit der SCS0-Fasern geringer sind als die Werte der SCS6-Fasern, weisen die Komposit-Poben ähnliche Zahlenwerte für E-Modul und Zugfestigkeit auf. Grund dafür ist der unterschiedliche Aufbau der Fasern verbunden mit den verschiedenen Zwischenschichten auf der Faser zu besseren Anbindung an die Matrix. Während die Ti-TaC-Schicht auf den SCS0-Fasern die Einzelfaserzugfestigkeit noch erhöht, reduziert die Ti-Schicht auf den SCS6-Fasern die Zugfestigkeit. Die erste Schicht aus Ta bewirkt eine Ausheilung der Oberflächendefekte auf der SCS0-Faser, eventuell vorhandene Kerben (Sollbruchstellen) werden durch die Beschichtung verschlossen, die Zugfestigkeit steigt [6]. Im Gegensatz dazu bewirkt die Schicht aus Titan auf der SCS6-Faser eine Reduzierung der Zugfestigkeit durch eine chemische Reaktion des Ti mit der C-Oberfläche der Fasern. Auf der einen Seite wird dadurch eine bessere Anbindung der Faser an die Matrix gewährleistet, zum anderen aber bilden sich mikroskopische Kerben, die die Zugfestigkeit der Fasern reduzieren [7]. Die Bruchflächen der Komposit-Proben mit SCS0- und SCS6-Fasern haben daher auch ein unterschiedliches Aussehen Bild 5: REM-Aufnahmen der Bruchflächen der Verbundwerkstoff-Proben oben mit SCS6-Fasern unten mit SCS0-Fasern(5). Komposit-Proben mit SCS0-Fasern zeigen kein Faser-Pull-out. Im Vergleich dazu gibt es im Verbundwerkstoff-Proben mit SCS6-Fasern eine geringe Menge herausgezogener Fasern, was die höhere Bruchdehnung erklärt. Die Anbindung der Faser an die Cu-Matrix über die Ti-Zwischenschicht ist sehr gut, infolge der Bildung von TiC und Cu4Ti während des Herstellungsprozesses [8]. Rasterelektronenmikroskopische (REM-) Untersuchungen mit zurückgestreuten Elektronen zeigen, dass die C-Schicht der Faser an der Cu-MatrixBild 5: REM-Aufnahmen der Bruchflächen der Verbundwerkstoff-Proben oben mit SCS6-Fasern unten mit SCS0-Fasern haftet (5 rechts oben). Schwachstelle im Verbundwerkstoff ist die Grenzfläche zwischen SiC und äußerer Kohlenstoffschicht der Faser. Das SiC und die Kohlenstoffseele der Faser selbst bleibt größtenteils intakt. Ein anders Bild zeigt der Verbundwerkstoff mit SCS0-Fasern. Dort bewirkt die Ti-TaC-Zwischenschicht ebenfalls eine sehr gute Anbindung der Faser an die Matrix. Jedoch wird das SiC der Fasern zerstört und bleibt in einzelnen Stücken am Kupfer hängen Bild 5: REM-Aufnahmen der Bruchflächen der Verbundwerkstoff-Proben oben mit SCS6-Fasern unten mit SCS0-Fasern(5 unten).
132
Bild 5: REM-Aufnahmen der Bruchflächen der Verbundwerkstoff-Proben oben mit SCS6-Fasern unten mit SCS0-Fasern
4
Zusammenfassung und Ausblick
SiC-monofilanmentverstärkte Kupfermatrix-Verbundwerkstoffe wurden als mögliches Wärmesenkenmaterial für zukünftige Fusionsreaktoren untersucht. Kommerziell erhältliche SiC-Fasern (SCS6 und SCS0, Specialty Materials) wurden mit unterschiedlichen Zwischenschichten in einer Magnetronsputteranlage beschichtet. Die Matrix wurde galvanisch aufgebracht. Der eigentliche Verbundwerkstoff entstand durch heißisostatisches Pressen. Obwohl die Einzelfaserzugfestigkeiten von SCS0- und SCS6-Fasern unterschiedlich waren, wurden bei den Verbundproben vergleichbare Werte für Zugfestigkeit und E-Modul gefunden. Bei den SCS0Fasern bewirkte die Zwischenschicht aus Ti-TaC eine Erhöhung der Einzelfaserzugfestigkeit. Gleichzeitig waren die Fasern dadurch sehr gut an die Cu-Matrix gebunden. Bruchflächenuntersuchungen zeigten eine Zerstörung der SiC-Fasern, wobei Teile der Faser am Kupfer haften blieben. Die Ti-Zwischenschicht auf den SCS6-Fasern reduzierte die Einzelfaserzugfestigkeit durch Bildung von TiC. Durch ihre Schichtstruktur war die Faser selbst die Schwachstelle im Verbundwerkstoff mit SCS6-Fasern. Das Versagen trat hauptsächlich an der Grenzfläche SiC zur äußeren Kohlenstoffschicht auf. Die C-Schicht selbst haftete über die TiC-Schicht am Kupfer. Ausgehend von den erreichten Werten für Zugfestigkeit und E-Modul erfüllen sowohl die Verbundwerkstoffe mit SCS0- als auch mit SCS6-Fasern schon mit 10 % Faservolumenanteil
133 die mechanischen Anforderungen für eine Anwendung der Verbundwerkstoffe als Wärmesenkenmaterial in zukünftigen Fusionsreaktoren. Als nächstes sollen faserverstärkte Einzellagen über einen zweistufigen galvanischen Prozess hergestellt werden. Nach einer Beschichtung der Einzelfasern erfolgt eine zweite galvanische Beschichtung, die das Zusammenwachsen der Fasern ermöglicht. Mehrere Einzellagen können danach übereinander gestapelt und unter Vakuum heiß gepresst werden. Dabei kann eine beliebige Orientierung der Einzellagen eingestellt werden. Ziel ist die Synthese einer Wärmesenke bestehend aus einem CuCrZr-Block mit Kühlkanälen, einer Zwischenschicht aus SiC-faserverstärktem Kupfer mit mehreren Lagen in 0°/90°-Orientierung und W als plasmabelastetes Material (vgl. Bild 1: Wärmesenke schematisch 1).
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
Literatur U. Schumacher, Fusionsforschung–Eine Einführung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1993. A.S. Kukushkin, H.D. Pacher, G. Federici, G. Janeschitz, A. Loarte, G.W. Pacher, Fus. Eng. Des. 65 (2003) 355. J.H. You, H. Bolt, J. Nucl. Mater. 299 (2001) 1. J.H. You, H. Bolt, J. Nucl. Mater. 305 (2002) 14. P.R. Smith, M.L. Gambone, D.S. Williams, D.I. Garner, J. Mater. Sci. 33 (1998) 5855. Th. Köck, Doktorarbeit, TU München 2007 A. Brendel, J. Woltersdorf, E. Pippel, H. Bolt, Mater. Chem. Phys. 91 (2005) 116. A. Brendel C. Popescu, H. Schurmann, H. Bolt, Surface and Coatings Technology, Special Issue: Plasma Surface Engineering (PSE 2004), vol. 200/1–4, p. 161.
134
Interface Structure and Chemical Stability of Continuous Mo Wire Reinforced NiAl Composites Jia Song1, Weiping Hu1, David Hajas2 and Günter Gottstein1 1
Institut für Metallkunde und Metallphysik, RWTH Aachen, Aachen
2Lehrstuhl
1
für Werkstoffchemie, RWTH Aachen, Aachen
Introduction
Many resources have been directed towards the development of structural materials with significantly higher application temperatures than those of current superalloys. NiAl has been investigated as a potential high temperature structural material for several decades [1-2], due to its high melting point, low density, high thermal conductivity, and good oxidation resistance. However, it continues to be a challenge to develop NiAl-based alloys exhibiting high temperature strength and creep resistance as well as reliable toughness at room temperature. Bowman et al. [3] introduced single-crystalline Al2O3 continuous fibers (so called sapphire fibers) to reinforce NiAl alloys and produced intermetallic matrix composites via the powder-cloth technique. Hu et al. [4] utilised diffusion bonding of matrix coated fibers to fabricate continuous sapphire fiber reinforced NiAl composites. Both groups observed a fiber degradation in the fabricated composites [3, 5–6], which revealed a poor mechanical performance of the composites. In the current study, instead of brittle ceramic fibers, the ductile refractory metal Mo was selected for toughening NiAl, based on its attractive properties at RT and elevated temperatures (e.g. yield strength of 895 MPa at 20 °C and 415 MPa at 1095 °C, stiffness of about 315 GPa at RT, and high melting point of about 2620 °C [7]). Furthermore, the NiAl-Mo system exhibits a pseudobinary eutectic equilibrium [8] and two-phase systems consisting of up to 61 vol.% D-Mo have been obtained without interfacial reactions when processed at temperatures up to 1500 °C [9]. Misra and Bei [10] directionally solidified the NiAl-9at.%Mo eutectic composite, which contained 14 vol.% continuous Mo fibers. Improved mechanical properties, including both tensile yield strength and ductility, have been achieved in such NiAl composites. The purpose of the presented investigation was to explore the possibility of utilizing polycrystalline Mo wires to reinforce NiAl. The studies focused on the structure and chemistry of the NiAl/Mo interface as well as on the microstructural evolution of the Mo wire, owing to recrystallization and grain growth, during the fabrication of the composites. The influence of the interface structure/chemistry and microstructure of Mo wire on interfacial and composite properties will be discussed.
2
Experiment
The Mo wire reinforced NiAl composites were fabricated by diffusion bonding. The hot pressing was carried out at 1300 °C under 40 MPa pressure for 1 hour in vacuum (2 · 10–3 Pa). The continuous polycrystalline Mo wires, obtained from Goodfellow Company with a diameter of
135 about 125 μm, were coated with NiAl through a PVD process. The thickness of the NiAl coating was about 25 μm, corresponding to a wire volume fraction of about 50 %. A bunch of such coated Mo wires were then placed into a channel die and hot pressed by means of a mechanical testing machine (Schenck Hydropuls PSB 250). Both the as-coated Mo wires and as-diffusion bonded composites were prepared for microcharacterization and microanalysis (SEM/TEM, XEDS, EELS and SAD). Details of the methods for specimen preparation can be found elsewhere [4].
3
Results
3.1
Interface Structure and Chemistry of As-Coated Mo Wire
The interface structure of the as-coated Mo wires was studied by SEM/XEDS. The results obtained along the longitudinal direction of a wire are shown in Figure 1a. The surface of the Mo wire is relatively rough, and NiAl columnar grains developed during the PVD process. Some NiAl columnar grains were not tightly bonded to each other during their growth and thus, disconnected surfaces can be observed between these grains (Figure 1a). Moreover, there are several holes at the Mo wire surface and grain boundary grooves of NiAl columnar grains (Figure 1a). The XEDS-analysis revealed a gradient of Ni and Al concentration from the interface towards the interior of the NiAl matrix (Figure 1b): with increasing distance from the interface the Ni-concentration decreased whereas the Al-concentration was enhanced. At the same time the Ni/Al-ratio decreased from 1.45 to 0.85.
Figure 1: Interface structure and chemistry of as-coated Mo wire: a) the SEM/SE image of the interface structure; b) results of XEDS analysis in the interface area.
3.2
Interface Structure and Chemistry of As Diffusion Bonded composite
Figure 2a shows the interface structure after hot pressing. It is seen after diffusion bonding, that the previously unconnected NiAl columnar grains have transformed into large equiaxed grains. An interlayer with a thickness of about 7–8 μm was produced between NiAl and the Mo wire. This interlayer was comprised of Al and Mo with a Mo/Al-ratio of about 3–3.5 according to XEDS analysis (Figure 2b). Therefore, the interlayer is expected to be Mo3Al due to chemical reaction between NiAl and Mo at high temperatures. Further phase identification was carried
136 out by HRTEM analysis. The results (Figure 3) are explained as following: the lattice image (Figure 3a) taken in the interface reaction layer was treated by the Fast Fourier Transformation (FFT) software “Digital Micrograph 3.0” of Gatan. The analysis of the calculated diffraction pattern demonstrated that the diffraction beams shown in Figure 3b were (011), (200) and (211) of Mo3Al, which formed the lattice image (Figure 3) by beam interference. The results of the HRTEM analysis supported the XEDS analysis and thus, the reaction interlayer can be identified as Mo3Al. Since the original interface position can be recognized by the holes located at the interface (compared with Figure 1a), it can be concluded that the Mo3Al reaction interlayer nucleated at the interface and grew from the interface towards the center of the Mo wire during hot pressing.
Figure 2: Interface structure and chemistry of as-diffusion bonded composite: a) SEM/SE image of the interface structure; b) results of XEDS analysis in the interface area.
Figure 3: a) High resolution EFTEM micrograph showing the lattice image of the reaction interlayer; b) Fast Fourier Transformation image of Figure 3a corresponding to the diffraction pattern of Mo3Al.
3.3
Microstructure of the As-Coated and As-Diffusion Bonded Mo Wire
The microstructure of the as-coated Mo wires and the Mo wires in the as-diffusion bonded composites was investigated by SEM and TEM. Figure 4 reveals the microstructure of the as-coated Mo wire along the longitudinal (Figure 4a) and the transversal direction (Figure 4b). The corresponding grain sizes were 1.8 μm and 5.1 μm, respectively. A STEM/HAADF image with Z-contrast is given in Figure 5, which was taken in a Mo wire after hot pressing. A grain size of about 2–5 μm was measured from the micrograph which is similar to the value measured in as-coated Mo wire. Apparently no grain growth occurred in the Mo wires during diffusion bonding.
137
Figure 4: SEM/SE image: microstructure a) along transversal direction and b) along longitudinal direction.
Figure 5: STEM/HAADF image of a Mo wire after hot pressing. The arrow indicates the longitudinal direction of the wire.
4
Discussion
4.1
Formation of Reaction Interlayer
According to the results described in the previous section, a continuous reaction interlayer was produced due to a chemical reaction between the Mo wire and the NiAl matrix during hot pressing. This reaction interlayer was identified as Mo3Al, as substantiated by XEDS and HRTEM analysis (Figure 2 and 3). Moreover, it was found that diffusion of Al atoms from NiAl towards the center of the Mo wire occurred during hot pressing, leading to the growth of the Mo3Al reaction layer from the interface into the Mo wire. The decomposition of NiAl and the formation of Mo3Al during hot pressing revealed that Al has a stronger chemical affinity to Mo than to Ni at high temperatures. This hypothesis is supported by the higher melting point (2150 °C) of Mo3Al than of NiAl (1638 °C), which reflects a more negative formation enthalpy of Mo3Al than NiAl. Additionally, the Al content measured by XEDS in the central area of the Mo wire after hot pressing was about 1.6 at.%, i.e. much higher than the solubility of Al in Mo (about 0.02 at.%), according to the Al-Mo phase diagram (see Figure 6), but still lower than the Al-solubility in Mo of about 5~6 at.% at 1300 °C (the diffusion bonding temperature used in the present study). Moreover, no Al-Mo precipitates were observed in the interior of the Mo wires (Figure 2 and Figure 5). Therefore, it is concluded that after diffusion bonding Al was supersaturated in the interior of the Mo wires. The influence of the supersaturated solid solution on the mechanical properties of Mo wires will be investigated in the future. Furthermore, the diffusion
138 of Al into the Mo wires caused a dilution of Al in the matrix, leading to a concentration gradient, which may cause different properties of the NiAl matrix at positions near and far away from the interface.
Figure 6: Al-Mo phase diagram
4.2
Estimation of Mechanical Properties of the Composite
As mentioned in the introduction, the Mo exhibits an excellent thermal stability as confirmed in the present investigation by the fact that no apparent grain growth occurred during hot pressing (see Figure 4-5). Thus, it is expected that the mechanical properties of the Mo wires should not be affected by the hot pressing procedure. Furthermore, since Mo wires possess an excellent ductility at RT and elevated temperatures, the thermal compressive stress generated in the Mo wire during cooling after hot pressing, owing to the smaller CTE (5.8 · 10–6 K–1 [11]) than of NiAl (1.4 · 10–5 K–1 [2]), could be effectively released by the plastic deformation of the Mo wire and thus, a damage of the Mo wire, in contrast to NiAl composites reinforced by Al2O3 fibers [5–6], was avoided. This is beneficial for maintaining the mechanical properties of Mo wire after diffusion bonding. Finally, the formation of the holes can be explained as follows: the roughness of the Mo wire surface resulted in the formation of the holes at the interface during the deposition of NiAl. The holes are usually sealed at the interface. As the volume of the holes shrank during hot pressing, the pressure of the residual gas trapped in the holes increased and prevented the holes from being removed at the interface. The holes formed at the interface degraded the bonding between NiAl and Mo wire and consequently, decreased the interfacial shear strength of the composites.
139
5
Conclusions
• During diffusion bonding a Mo3Al reaction interlayer was formed owing to a chemical reaction between Mo and NiAl. This indicates a strong chemical affinity of Al to Mo. • Mo wires exhibit a good stability of the grain structure during hot pressing, where no apparent grain growth was observed in as-diffusion bonded composites. This structural stability is beneficial for maintaining the mechanical properties of Mo wires during hot pressing. • It is expected that the ductility of the Mo wire is favourable for reducing or eliminating the thermal stress generated in the Mo wires and composites during cooling after hot pressing. This prevents degradation of the properties of the Mo wires and composites during high temperature fabrication.
6
Acknowledgement
The authors wish to acknowledge for the financial support by the Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG-Kennzeichen: SFB 561/TP G.3.1 and HU 821/2-1).
7 [1] [2]
Reference
D.B. Miracle, Acta metall. mater., 1983, 41(3), 649–684. R. D. Noebe, R. R. Bowman and M. V. Nathal, International Materials Reviews, 1993, 38(4), 193–232. [3] R.R. Bowman, A.K. Misra and S.M. Arnold, Metallurgical and Materials Transactions A, 1995, 26, 615–628. [4] W. Hu, T. Weirich, B. Hallstedt, H. Chen, Y. Zhong and G. Gottstein, Acta Materialia, 2006, 54, 2473–2488. [5] H. Chen, W. Hu, A. Atiser, Y. Zhong and G. Gottstein, Int. J. Mat. Res., 2006, 97, 1320–1327. [6] Y. Zhong, H. Chen, W. Hu, G. Gottstein, Mater Science and Engineering: A, 2007, A464, 241–248. [7] Metals Handbook, Properties and Selection-Non-Ferrous Alloys and Special-Purpose Materials, Vol.2, ASM International, USA, 1990, 574–577. [8] H.E. Cline and J.L. Walter, Metallurgical Transactions, 1970, 1, 2907–2917. [9] R.D. Noebe, A. Misra and R. Gibala, ISIJ International, 1991, 31(10), 1172–1185. [10] H.Bei and E.P. George, Acta Materialia, 2005, 53, 69–77. [11] Plansee Brochure,“Molybdenum-Material Properties and Applications”, 15
140
Structure, Chemical Stability and Properties of NiAl-Al2O3 Interface Modified by MAX-phase Interlayer B
B
B
B
Weiping Hu (SP), Jia Song, Yunlong Zhong and Günter Gottstein Institute of Physical Metallurgy and Metal Physics, RWTH Aachen University, Germany
1
Abstract
In the present investigation two different MAX-phases, V2AlC and Cr2AlC, were used as interlayer for modifying the interface structure and properties of continuous single crystal Al2O3 fiber (sapphire) reinforced NiAl composites. Structure and chemistry of the as-coated and asdiffusion bonded interfaces were examined by TEM (EFTEM, STEM, HRTEM) and microanalysis (EELS, EDX and electron diffraction). The interface shear strength was measured by fiber push-out tests at room temperature. Based on the results of microcharacterization and fiber push-out tests the possible influence of MAX-phase interlayers on the mechanical properties of NiAl composites is discussed. B
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B
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2
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B
B
Introduction
In continuous Al2O3-fiber reinforced NiAl composites the interfacial shear strength plays an essential role for the load transfer from the matrix to the fiber and thus, determines the strength and ductility of the composites. The interfacial shear strength is controlled by the interface structure and chemistry that have developed during the fabrication process. Additionally, the mechanical performance of NiAl composites is also strongly affected by the remaining fiber quality after the fabrication process. In sapphire fiber reinforced NiAl composites fiber damage and fiber strength degradation were always observed after hot pressing [1–3]. It has been determined that the fiber damage is caused by axial thermal compressive stress that arises in sapphire fibers during cooling after hot pressing due to different CTEs of fiber and matrix [4–5]. A possible way to reduce or eliminate the thermal compressive stress is to introduce a ductile interlayer that should be appropriately bonded with fiber and matrix, so that a strong and ductile bonding would be produced at the interface. The suitable bonding of the interlayer with fiber and matrix may be achieved by controlling the degree of the chemical reactions of the interlayer with fiber and matrix. The nanolaminar MAX-phase with the common formula M2AX, where M is an early transition metal, A is a group IIIA or IVA element, and X is either C and/or N, has attractive properties which usually are associated with metals and ceramics, e.g. good thermal and electrical conductivity, high modulus and high strength at elevated temperatures, good thermal stability and good machinability [6–7]. For this reason, the present study tried to utilize the MAX-phase as an interlayer for modifying the interface structure and properties of continuous single crystal Al2O3 fiber reinforced NiAl composites. B
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141
3
Experiment
The fibers used in the present investigation were single crystalline D-Al2O3 with a diameter of about 125 μm. The [0001] direction of D-Al2O3 is parallel to the long axis of the fiber. The fibers were coated firstly with Cr2AlC or V2AlC by CVD process. The thickness of the MAXphase interlayer is about 1~2 μm. Then the fibers were further coated with NiAl by PVD process. The thickness of NiAl coating was about 30 μm that is corresponding to a fiber volume fraction of about 50 %. The as-coated fibers were set into a channel die and diffusion bonded at 1300 °C under 40 MPa pressure for 1 hour in vacuum (2 · 10–2 Pa). The detailed methods of the specimen preparation for microcharacterization and fiber push-out tests can be found elsewhere [8]. B
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Results
4.1
Interface structure and chemistry
B
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P
P
4
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4.1.1 With Cr2AlC interlayer B
B
The interface structure and chemistry of the as-coated sapphire fiber were investigated by SEM/ XEDS. The results are shown in Fig 1. A uniform interlayer with a thickness of about 1~2 μm can be clearly observed between Al2O3 fiber and NiAl matrix (Fig. 1a). XEDS analysis demonstrated that it is a Cr2AlC interlayer (see the value B in Fig. 1b). The higher C-concentration displayed in XEDS analysis results was caused by carbon sputter on the specimen surface that is necessary for SEM observation on non-conducting Al2O3 fibers. B
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Fig. 1: Interface structure and chemistry of as-coated single crystalline Al2O3 fiber. (a) SEM/SE image shows the interface structure, (b) XEDS analysis results in the interfacial area. B
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The interface structure of the as-diffusion bonded composite after hot pressing at 1300 °C for 1 hour is shown in Fig. 2a as a HAADF/STEM-micrograph with Z-contrast. It is seen that the former uniform Cr2AlC interlayer has decomposed during hot pressing, subsequently two sublayers with a thickness of about 200~300 nm can be distinguished by different contrast (bright or dark) in the position of the former MAX-phase interlayer. Moreover, many particles with different size precipitated in NiAl matrix and Al2O3 fiber near the interfaces with these sublayers. EFTEM/element mapping (Fig. 2b) and STEM/XEDS results (Fig. 2c) revealed that the sublayer with dark contrast close to Al2O3 fiber is a carbon-rich sublayer, whereas the one with bright B
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142 contrast adjacent to NiAl is a Cr-rich sublayer. The precipitates in NiAl near the boundary to the Cr-rich sublayer were identified as Al-oxide particles, whereas the particles observed in the Al2O3 fiber close to the interface to the C-rich sublayer were determined to be carbon particles. B
B
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Fig. 2: Interface structure and chemistry of as-diffusion bonded composite. (a) Z-contrast image of STEM/HAAD shows the interface structure, (b) EFTEM analysis reveals the element mapping in the area defined by white frame in Fig. 2a. (c) XEDS analysis results in the interfacial area.
4.1.2 With V2AlC Interlayer B
B
The results of a SEM study on interface structure and chemistry of the as-coated sapphire fiber with a V2AlC interlayer are shown in Fig. 3a and b, respectively. A uniform V2AlC interlayer with a thickness of about 1 μm can be observed between alumina fiber and NiAl matrix. The thin continuous ridge (about 200 nm thick) between V2AlC and NiAl was identified by TEM to be comprised of fine equiaxed NiAl grains that had formed during the initial stage of PVD coating. Afterwards, large columnar grains grew on the fine equiaxed grain layer. The thick sublayer between fiber and V2AlC interlayer was ascertained to be a grinding and polishing substance that was embedded in the crack between fiber and V2AlC interlayer due to interface debonding during metallographic preparation. B
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Fig. 3: Interface structure and chemistry of as-coated Al2O3 fiber with a V2AlC interlayer. (a) SEM/SE image shows the interface structure. (b) Results of XEDS analysis in the interfacial area. B
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B
The interface structure of the as-diffusion bonded composite with a V2AlC interlayer is shown in Fig. 4a as a HAADF/STEM-micrograph with Z-contrast. It is seen that during hot pressing the V2AlC interlayer was decomposed completely. The interfacial area of the former uniform MAXB
B
B
B
143 phase interlayer is comprised of many particles with different contrast, e.g. grey particles such as A, dark grey particles such as B and C and dark particles such as D and F, as well as bright areas such as E. Since Fig. 4a is a Z-contrast image, thus, it can be qualitatively said that the phases with same contrast should have similar composition. EFTEM/element mapping (Fig. 4b) and STEM/XEDS analysis (Fig. 4c) substantiated that the grey particles were V(CO)-compounds, the dark grey particles were VAl(OC)-compounds, the dark particles could be identified as Aloxide, and finally, the bright area in the interfacial area was determined to be nickelaluminide. These results demonstrate that complicated chemical reactions had occurred during hot pressing which led to the formation of various reaction products in the interfacial area.
Fig. 4: Interface structure and chemistry of as-diffusion bonded composite with a V2AlC interlayer. (a) Z-contrast image of STEM/HAAD shows the interface structure. (b) EFTEM analysis reveals the element mapping in the area defined by white frame in Fig. 4a. (c) XEDS analysis results in the interfacial area of Fig. 4a. B
4.2
B
Results of Fiber Push-Out Tests
The measured interface shear stress for complete debonding was about 110 ± 36 MPa for the composite with Cr2AlC interlayer and about 32 ± 5 MPa for the composite with V2AlC interlayer. In order to explore the debonding behavior of the composites during fiber push-out tests the interface fracture surface was studied by SEM/XEDS after fiber push-out tests. The results are shown in Fig. 5 for the composite with Cr2AlC interlayer and in Fig. 6 for the composite with V2AlC interlayer. From Fig. 5 it is seen that the Cr-content on the fiber surface is relatively low and the C-content is relatively high (Fig. 5a), whereas the matrix surface contains a relatively large Cr-content (Fig. 5b). The C-rich and Cr-rich sublayers in the interfacial area by EFTEM and STEM (see Fig. 2) substantiated that for the composite with Cr2AlC interlayer the interface had debonded along the boundary between C-rich and Cr-rich sublayers during fiber push-out tests. B
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B
144
Fig. 5: SEM/SE image and XEDS results show the fracture surface morphology and corresponding composition on the fracture surface in the composite with a Cr2AlC interlayer. (a) Fiber fracture surface. (b) Matrix fracture surface. B
B
For the composite with V2AlC interlayer the interface apparently debonded at the fiber surface during fiber push-out tests, as shown in Fig. 6a and b and revealed by XEDS results. This conclusion is also supported by the observed cracking at the interface between fiber and MAXphase interlayer (or former MAX phase interlayer) in the as-coated fibers during metallographic preparation (see Fig. 3a) and in as-diffusion bonded composites during FIB sectioning (see Fig. 4a) which indicates a weak bonding of fiber and MAX-phase interlayer. B
B
Fig. 6: SEM/SE image and XEDS results show the fracture surface morphology and corresponding composition on the fracture surface in the composite with a V2AlC interlayer. (a) fiber fracture surface. (b) matrix fracture surface. B
5
B
Discussion
The results of the present investigations substantiate that the NiAl matrix and Al2O3 fiber have a poor chemical compatibility with chromium and vanadium MAX-phase interlayers at high temperatures. Strong chemical reactions occurred during hot pressing. As a result, the MAXB
B
B
B
145 phase interlayers decomposed completely and transformed to different reaction products. Finally, complicated interface structures were formed. In the following the chemical reactions during hot pressing and the influence of the corresponding interface structures on interface shear strength will be briefly discussed for the different MAX-phase interlayers.
5.1
Composites with Cr2AlC Interlayer B
B
A schematic interface model of a NiAl composite with a Cr2AlC interlayer that reflects the results of the interfacial microcharacterization and fiber push-out tests is given in Fig. 7a. The formation of C-rich and Cr-rich sublayers as well as the precipitation of carbon and Al-oxide particles in Al2O3 fiber and NiAl matrix at or near the interface to the former MAX-phase interlayer demonstrated the interdiffusion of oxygen atoms (or ions) from the Al2O3 fiber towards the NiAl matrix and carbon atoms (or ions) from the MAX-phase interlayer towards the fiber during hot pressing. It is inferred that the chemical reactions occurred during hot pressing were complicated and involved the reactions between NiAl, Cr2AlC and oxygen that came probably from the amorphous (Al,Ni) compound oxide [8]. Thermal dynamic calculation is being carried out in order to determine the reaction routes during diffusion bonding. A debonding along the boundary between C-rich and Cr-rich sublayers during fiber push-out tests indicated a weaker bonding between the sublayers than that with Al2O3 and NiAl which led to a moderate interface shear strength of about 110 MPa. This value is higher than the one of a NiAl composite with an BN interlayer (about 70 MPa) but lower than the one without any interlayer (about 250 MPa) [8]. In essence, since the chemical reactions changed the composition and structure of the MAX-phase and thus, degraded the interfacial properties, the Cr2AlC interlayer is not suitable for improving the interface structure and properties of NiAl composites. B
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5.2
B
Composites with V2AlC Interlayer B
B
A schematic interface model for the composite with V2AlC interlayer is shown in Fig. 7b. The formation of an NiAl area at the location of the former MAX-phase interlayer and precipitation of Al-oxide particles at the former interface between NiAl matrix and MAX-phase interlayer revealed the diffusion of Ni atoms (or ions) from the NiAl matrix towards the MAX-phase interlayer and the diffusion of oxygen atoms (or ions) from the Al2O3 fiber towards the NiAl matrix during hot pressing. In view of the formation of various reaction products it is concluded that the several chemical reactions had occurred during hot pressing which involved the oxidation reaction and replacement reaction between NiAl, MAX-phase and Al2O3. The debonding along the boundary between fiber and MAX-phase with the poor interface shear strength evidenced a weak bonding of the V2AlC interlayer to the Al2O3 fiber that led to a low interface shear strength (about 32 MPa). In fact, this weak bonding was also observed in ascoated fibers (see Fig. 4a). It seems that this weak bonding is little affected by the chemical reactions that had occurred during hot pressing. Due to the strong chemical reactions and the very low interface shear strength it is expected that the NiAl composites with a V2AlC interlayer would have a low strength together with a poor ductility. Thus, a V2AlC interlayer is not suitable for improving the interface structure and properties of NiAl composites. B
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146
Fig. 7: Schematic models describing the interface structure and debonding behaviour of NiAl composites with different MAX-phase interlayers. (a) with Cr2AlC interlayer and (b) with V2AlC interlayer. B
6
B
B
B
Conclusion
Due to the poor chemical compatibility of Cr2AlC and V2AlC with NiAl and Al2O3 at high temperatures the MAX-phase interlayer is not suitable for improving the interface structure and properties of NiAl composites. B
7
B
B
B
B
B
B
B
Acknowledgement
The financial support by the Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG-Kennzeichen: SFB 561/ TP G.3.1) is gratefully acknowledged.
8 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
References R.R. Bowman, A.K. Misra, S.M. Arnold, Metall. Trans. A, 1995, 26A, 615–628. S.L. Draper, I.E. Locci, J. Mater. Res., J. Mater. Res., 1994, 9, 1397–1411. N.M. Gorey, D.A. Koss, J. F. Hellmann, , Metall. Trans. A, 1998, 29A, 1499–1507. H. Chen, W. Hu, A. Atiser, Y. Zhong, G. Gottstein, Inter. J. Mater. Res. (formerly: Z. Metallkd.), 2006, 97, 1320–1327. TY. Zhong, H. Chen, W. Hu, G. GottsteinT, Mater. Sci. Eng. A, 2007, A464, 241–248. Z. Sun, R. Ahujy, J.M. Schneider, Phy. Rev B, 2003, 68, 224112–224115. Z. Lin, Y. Zhou, M. Li, J. Wang, Z. Metallkd., 2005, 96, 291–296. W. Hu, T. Weirich, B. Hallstedt, H. Chen, Y. Zhong, G. Gottstein, , Acta mater., 2006, 54, 2473–2488.
147
MMC aus TRIP-Stahl und MgO teilstabilisiertem ZrO2 durch bildsame Formgebung C.G. Anezirisa, H. Biermannb, W. Schärfla, U. Ballaschka, U. Martinc TU Bergakademie Freiberg, aInstitut für Keramik, Glas- und Baustofftechnik, bInstitut für Werkstofftechnik, cInstitut
für Werkstoffwissenschaften
1
Einführung
Die Eignung poröser Verbundwerkstoffe für Anwendungen als Crash-Absorber wurde in den letzten Jahren von verschiedenen Forschergruppen untersucht [1–4]. Kontrollierte Fehlstellenmechanismen sollen dabei ein definiertes Lastprofil während der Energieabsorption ermöglichen. Die Crash-Absorptionsfähigkeit kann durch Größen wie die spezifische Energieabsorption pro Einheitsvolumen bzw. pro Masse oder die interlaminare Bruchzähigkeit als Verhältnis von Bruchzähigkeit zu E-Modul beschrieben werden. Aus der Literatur sind unter anderem Untersuchungen an metallischen Schaumstrukturen auf der Basis von Hohlkugeln bekannt [5, 6]. Rabiei u. a. erreichten mit hoch legierten Stahlschäumen Druckfestigkeiten von 136 MPa bei ca. 40 % Stauchung und eine Energieabsorption von 68 MJ/m3 bis zu 50 % Stauchung [7]. Kombiniert man keramische Materialien mit duktilen Metallen, können fehlertolerante Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe (MMC) hergestellt werden. Für verschleißfeste Komponenten in Metall-Formwerkzeugen wurden beispielsweise poröse Zirkoniumdioxid-Werkstoffe unter Verwendung von Titan als Benetzungshilfsmittel mit Stahl infiltriert [8]. Außergewöhnliche mechanische Eigenschaften erreichten Guo u. a. durch die Kombination von niedrig legiertem TRIP-Stahl (TRIP – TRansformation Induced Plasticity) und Y2O3-teilstabilisierte Zirkondioxidkeramik (Y-PSZ) [9, 10]. Hier kann die martensitische Umwandlung im TRIP-Stahl nicht nur die Festigkeit, sondern auch die Duktilität des Materials verbessern. Bei bis zu 20 Vol% YPSZ in heißgepressten TRIP-Stahl-Matrix-Verbundwerkstoffen erreichten die Autoren bei dynamischer Hochgeschwindigkeitsdeformation Festigkeiten von 1400 MPa bis 2100 MPa und nach der Belastung ein Anstieg der Härte um ca. 25 Prozent [9, 10]. Das Extrudieren ist ein Formgebungsverfahren, bei dem eine bildsame Masse kontinuierlich durch ein Formwerkzeug gepresst wird und das unter anderem bei der Herstellung von Wabenkörpern für die Gasfiltration verbreitet ist. Chen u. a. untersuchten die Verteilung der zweiten Phase und die Mikrostruktur-Entwicklung in Metall-Keramik-Kompositen, die aus Zirkoniumdioxid und rostfreiem Stahlpulver (AISI 304) über Koextrusion hergestellt wurden [11]. Gegenstand der hier präsentierten Forschungsarbeiten sind Wabenkörper aus einem Verbundwerkstoff aus austenitischem TRIP-Stahl und Magnesiumoxid teilstabilisiertem Zirkondioxid (Mg-PSZ), die auf pulvermetallurgischem Weg durch Extrusion bei Raumtemperatur gefertigt und anschließend gesintert wurden. Die neuen Werkstoffe zeigen hervorragende Energieabsorptionseigenschaften und sind damit potentiell geeignet als Absorptions- und Konstruktionsmaterialien [12].
148
2
Versuchsdurchführung
Für die bildsame Ausgangsmasse wurden verschiedene Versätze (s. Tabelle 1) eingewogen und in einem Schneckenzwangmischer (Typ II Nagema, Leipzig) ohne Wasser und Plastifizierer gemischt. Die Zusammensetzung des metastabilen austenitischen TRIP-Stahls AISI 304 (1.4301 – X5CrNi18-10) und des MgO-teilstabilisierten Zirkoniumdioxids ist in den Tabellen 2 und 3 aufgeführt. Tabelle 1: Zusammensetzungen der Mischungen in Gew.%. Material
Mischung 0Z
5Z
10Z
Austenitisches TRIP-Stahl-Pulver 1.4301 (d50=45μm), TLS, Bitterfeld, Deutschland
95,50
91,84
88,17
ZrO2 mit 3,5 Ma% MgO PMG3.5 (d50= 2 μm), Unitec, Stafford, UK
-
3,66
7,32
Plastifizieres Flour HWFGB (d50=55 μm), Kampffmeyer, Deutschland
2,60
2,60
2,58
Tensid Denk mit, Henkel, Germany
0,40
0,40
0,43
Dispergiermittel Castament FS 60, Degussa, Deutschland
0,15
0,15
0,15
Plastifiziere MethylcelluloseHPMC 874, Aqualon, Deutschland
1,35
1,35
1,35
Tabelle 2: Chemische Zusammensetzung des austenitischen TRIP-Stahl-Pulvers AISI 304 (1.4301, X5CrNi18-10) in Gew.%. C
Si
Mn
P
S
Cr
Ni
N
0,024
0,4
1,4
0,04
0,02
18,1
8,3
0,06
Fe
Tabelle 3: Chemische Zusammensetzung des ZrO2-Pulvers PMG3.5 in Gew.% ZrO2 94,95
MgO 3,40
TiO2
Al2O3
HFO3
0,20
0,65
0,80
In einem weiteren Mischvorgang in einem konventionellen Sigma - Backmischer Typ I (Nagema, Leipzig) wurden der Plastifizierer und das Wasser zugegeben. In einem Kolbenextruder (Typ KPS 80 B, Fa. ECT Muehlacker, Deutschland) wurden Wabenkörper der Abmessungen 25,5 mm x 25,5 mm mit 164 Kanälen (200 cpsi) bei einer Stegbreite von 250 μm hergestellt. Der dabei angewandte Druck lag bei 10 bis 11 MPa. Nach dem Extrudieren wurden mit einer Metallsäge würfelförmige Proben (25,5 mm × 25, 5 mm × 25, 5 mm) geschnitten und getrocknet (6 h bei 40 °C / 80 % Luftfeuchtigkeit und anschließend 1,5 h bei 90 °C / 5 % Luftfeuchtigkeit). Nach der Trocknung wurden die Proben bei 350 °C für 90 min in Luftatmosphäre entbindert. Anschließend folgte die Sinterung bei 1350 °C für 2 h in einem elektrisch beheizten
149 Rohrofen (Elite Systems, Leceistershire UK) in einer 99.9 % Argonatmosphäre. Die Mikrostruktur wurde mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM), EDX, EBSD und Röntgenbeugung (XRD) charakterisiert. Computertomographische Aufnahmen unterstützten die Interpretation der Ergebnisse. Der verwendete Computertomograph Alpha (Fa. ProCon X-Ray, max. 225 kV) verfügt über zwei Röntgenröhrenaufsätze und zwei verschiedene Flat-Panel-Detektoren. Damit wird sowohl die Untersuchung großer Proben (bis 300 x 300 x 300 mm3) als auch kleiner Proben (10 x 10 x 10 mm3) mit entsprechend besserer Auflösung (von ca. 50 μm bei den großen Proben und bei ca. 1 μm bei den kleineren) möglich. Mittels Druckversuchen an einer servohydraulischen Universalprüfmaschine (MTS 880) wurde mit einer Verformungsrate von 0,016 mm/ s die spezifische Energieabsorption (absorbierte Energie pro Masse) als Integral der Spannungsverformungskurve nach [4] erfasst. Schließlich wurden mit Hilfe eines Quecksilberdruckporosimeters die offene Porosität, die Porengrößenverteilung und die Dichte der gesinterten Körper ermittelt.
3
Ergebnisse und Diskussion
Die Schwindung, die offene Porosität und der mittlere Porenradius der gesinterten Wabenkörper werden als Funktion der Zirkondioxidzugabe in der Tabelle 4 aufgeführt. Tabelle 4: Schwindung, offene Porosität und mittlerer Porenradius der gesinterten Wabenkörper auf Basis der Versätze 0Z, 5Z und 10Z. Versatz
0Z
5Z
10Z
Schwindung (%)
13,2
13,8
14,6
Offene Porosität (Vol.%)
9,6
8,1
7,4
Mittlerer Porenradius (nm)
3383
2100
1022
Im Bild 1 wird die Wabenkörpermakrostruktur vom Versatz 10Z abgebildet. Die Wanddicken der Stege liegen zwischen 210 und 230 μm, Bild 2. In den Bildern 3 und 4 erkennt man ein relativ dichtes metallisches Mikrogefüge mit keramischen Phasen an den Stahl – Korngrenzen. In der Tabelle 5 werden die EDX – Analysen der Positionen 1 bis 3 vom Bild 4 aufgelistet. Mit Hilfe von EBSD wurde Position 1 als ein Mischspinell Mn0.5(Cr, Al)O2 identifiziert.
Bild 1: Wabenkörper Versatz Z10.
150
Bild 2: Wabenkörper Versatz Z10, REM – Aufnahme.
Tabelle 5: EDX – Analysen vom Bild 4 an den Positionen 1,2 und 3, gesinterter Wabenkörper, Versatz drei, in Gew.%. MgO
Al2O3 ZrO2
V2O5
Cr2O3 MnO
Fe2O3 NiO
TiO2
SiO2
Position 1
2,78
26,46
5,43
1,33
34,20
25,51
2,59
0,47
0,80
0,42
Position 2
0,41
2,99
81,56
–
5,80
3,12
4,93
–
–
1,19
Position 3
Cr
Si
Fe
Ni
19,41
0,98
72,69
6,92
Anhand der EDX – Analyse konnte festgestellt werden, dass das teilstabilisierte Zirkondioxid einen sehr geringen MgO – Anteil von nur 0,4 Gew.% nach dem Sintern aufwies. Dieser geringe MgO – Anteil ist einerseits auf die destabilisierende Wirkung von Fe2O3, MnO und SiO2 zurückzuführen. Andererseits haben XRD – Untersuchungen gezeigt, dass das Zirkondioxidausgangspulver trotz seines hohen MgO – Anteils (3,5 Gew.%) nur einen sehr geringen Anteil von ca. 30 Vol.% tetragonaler und kubischer Phase aufwies. Dies deutet auf einen Prozessfehler während der Herstellung des schmelzgegossenen Pulvers hin; der größte Anteil des MgO – Stabilisators hat sich bei der Abkühlung an den ZrO2 – Korngrenzen ausgeschieden.
Bild 3: REM-Aufnahme, Wabenkörper Versatz 10Z
151
Bild 4: Vergrößerung von Bild 3, Position 1 Mischspinell, Position 2Zikondioxid, Position 3 TRIP – Stahl.
Bild 5: Draufsicht Wabenkörper Versatz Z10 nach dem Duckversuch.
Bild 6: Seitensicht, gleicher Wabenkörper wie in Bild 5.
Bilder 5 und 6 zeigen die Drauf- und Seitensicht vom Versatz 10Z nach dem Druckversuch bei einer Stauchung von 50 %. Ein reines duktiles Verformungsverhalten ist erkennbar. In Bild 7 werden die Ergebnisse aus den Druckversuchen aufgezeichnet. Bis zu ca. 20 % Stauchung sind die Verbundwerkstoffe mit Zirkondioxid der reinen Stahlprobe (0Z) überlegen. In der Tabelle 6 wird die spezifische Energieabsorption bei 20 und 50 % Stauchung angeführt. Obwohl während der mechanischen Verformung keine Zirkondioxidphasenumwandlung generiert worden ist, weisen die Verbundwerkstoff-Proben bis ca. 20 % Stauchung und bei Festigkeiten über 200 MPa eine höhere Energieabsorption als die Stahl-Proben ohne Zirkondioxid auf.
152
Bild 7: Druckversuch, Spannungs-Stauchungs-Diagramm.
Tabelle 6: Spezifische Energie-Absorption bei 20 und 50 % Stauchung. Spezifische Energie Versatz
Stauchung (%) (kJ/kg)
(MJ/m3)
0Z
20
12
32
5Z
20
14
38
10Z
20
15
40
0Z
50
53
143
5Z
50
47
126
10Z
50
43
117
Schließlich zeigen die Bilder 8 und 9 einen Ausschnitt aus dem Innenbereich eines bei 1350 °C gesinterten Wabenkörpers basierend auf Versatz 10Z. Die Kantenlängen des betrachteDnDeiner Voxelgröße von (17,5 μm)³. In der Diagoten Quaders betragen 10 bzw. 2 Millimeter bei
Bild 8: Wabenkörper Versatz Z10, Ausschnitt innerer Bereich, Abmessungen 10 mm × 10 mm × 4 mm, Riss durch Stege.
153 nale ist im hier gezeigten unverformten Zustand ein Riss erkennbar, der durch mehrere Stege verläuft (Bild 8). Zusätzlich werden im Bild 9 Dichtegradienten bei der Zusammenführung der bildsamen Masse während der Extrusion an den Kreuzpositionen ersichtlich.
Bild 9: Wabenkörper Versatz Z10, Ausschnitt innerer Bereich, Abmessungen 2 mm × 2mm, Fehler im Kreuz, Dichtegradient.
Im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 799 TRIP-MATRIX-COMPOSITE der Deutschen Forschungsgemeinschaft [13] soll die gesamte Verfahrenstechnik (Rheologie der bildsamen Masse, Entbinderung, Sinterung) als auch die Grenzflächenproblematik für eine erfolgreiche Generierung der Zirkondioxidphasenumwandlung während der mechanischen Beanspruchung der MMC optimiert werden, so dass der metallische TRIP – Effekt unterstützt wird.
4
Danksagung
Die Autoren möchten sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Unterstützung dieser Untersuchungen im Rahmen des SFB 799 „TRIP-MATRIX-COMPOSITE“ bedanken.
5 [1]
[2]
[3]
[4]
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155
Mechanisches Verhalten ausgewählter Werkstoffsysteme verbundstranggepresster Leichtbauprofile unter quasistatischer Belastung T. Hammers, M. Merzkirch, K.A. Weidenmann, E. Kerscher Institut für Werkstoffkunde I, Universität Karlsruhe (TH), Karlsruhe
1
Einführung
Durch Verbundstrangpressen hergestellte drahtverstärkte Profile auf Aluminiumbasis besitzen ein großes Leichtbaupotenzial z. B. im Bereich des Kraftfahrzeugbaus und der Luftfahrtindustrie. Die Wahl des Matrixwerkstoffes sowie des Werkstoffes der Verstärkungselemente beeinflussen hierbei die spezifischen mechanischen Eigenschaften des Verbundes erheblich. Im Rahmen dieser Arbeit werden Verbundprofile aus drei verschiedenen Werkstoffsystemen vorgestellt, welche auf hochfesten Aluminiumlegierungen basieren. Die mechanische Charakterisierung dieser Verbunde erfolgte mittels Zugversuchen und Push-Out Tests. Ergänzend wurden die Verbunde hinsichtlich der Einbettung der Verstärkungselemente metallographisch untersucht. Eine schematische Zugverfestigungskurve eines Verbundes sowie der einzelnen Komponenten nach [1] ist in Bild 1 dargestellt. Hierbei unterscheidet man vier Bereiche: Im Bereich I werden sowohl das Verstärkungselement als auch das Matrixmaterial rein elastisch verformt. Der Bereich II zeichnet sich dadurch aus, dass das Verstärkungselement weiterhin elastisch, die Matrix jedoch bereits elastisch-plastisch, verformt wird. Im weiteren Verlauf der Beanspruchung (Bereich III) unterliegen beide Komponenten einer elastisch-plastischen Verformung, bevor es im Übergang zu Bereich IV zum Bruch des Verstärkungselementes kommt und anschließend der verbleibende Matrixwerkstoff bis zum Bruch verformt wird [2, 3].
Bild 1: Schematische Zugverfestigungskurve eines Verbundes und seiner jeweiligen Komponenten nach [1]
156 Unter der Annahme, dass Matrix und Verstärkungselement die gleiche Dehnung ertragen, ist es möglich, gemäß Gleichung 1 die VerbundfestigkeitV Cf zu berechnen. Dies setzt voraus, dass die mechanischen Eigenschaften der beiden Komponenten bekannt sind [3]. V Cf
f M V MI H Ff f FV Ff
(1)
Die Größen fM und fF bezeichnen hierbei die jeweiligen Volumenanteile für Matrix und Faser, V Ff bezeichnet die Bruchspannung des einzelnen Verstärkungselementes und V MI (H Ff ) die Spannung der unverstärkten Matrix bei Bruchtotaldehnung des einzelnen Verstärkungselementes.
2
Experimentelles
2.1
Probenmaterialien und Probengeometrien
Die Proben wurden aus verbundstranggepressten Profilen entnommen, die auf einer 10 MNStrangpresse gefertigt wurden [4, 5]. Die Verbunde bestehen aus EN AW-6082 (AlMgSi1) verstärkt mit austenitischem Federstahldraht 1.4310 (X10CrNi18-8), EN AW-6056 (Al-Mg-Si-Legierung) verstärkt mit Kobaltbasisdraht 2.4782 (Nivaflex 45/18) und EN AW-2099 (Al-Cu-LiLegierung) verstärkt mit Federstahldraht X2CrNiMo12-9-4 (Nanoflex), welche vor dem Verpressen mit Aceton gereinigt wurden. Die zylindrischen Zugproben besitzen eine Messstreckenlänge von 20 mm und einen Messstreckendurchmesser von 3 mm. Die Verstärkungselemente mit einem Durchmesser von 1 mm liegen mittig in der Probe. Der Verstärkungsanteil beträgt in der Messstrecke 11 Vol.-%. Die Probengeometrie ist in Bild 2 links dargestellt. Die Proben für die Push-Out Tests besitzen eine Höhe von 1 mm, wobei der Draht ebenfalls mittig in der Probe liegt (siehe Bild 2 rechts).
Bild 2: Probengeometrien (Abmessungen in mm), links: Zugversuchsprobe, rechts: Push-Out Probe
2.2
Versuchsdurchführung
Die Zugversuche wurden auf einer Universalprüfmaschine der Bauart Zwick 1478 durchgeführt. Die Querhauptgeschwindigkeit wurde gemäß Normen [6, 7] vorgegeben. Die Dehnungsmessung erfolgte mittels Ansatzdehnungsaufnehmer direkt in der Messstrecke. Die Push-Out Tests zur Bestimmung der Grenzflächenscherfestigkeit zwischen Verstärkungselement und Matrixmaterial wurden mit einer Prüfmaschine der Bauart Zwick I 2,5 kN und
157 einem konischen Indenter mit einem Kalottenradius von 0,5 mm, wie in [8] beschrieben, durchgeführt. Die Geschwindigkeit des Indenters betrug hierbei 0,5 mm/min. Der Versuch wurde nach 500 μm Indenterweg abgebrochen, da es andernfalls zum Kontakt zwischen der Mantelfläche des Indenters und dem Matrixmaterials gekommen wäre.
3
Versuchsergebnisse
3.1
Ergebnisse der Zugversuche
Die Ergebnisse der Zugversuche wurden analysiert und mit theoretischen Modellen zur Beschreibung unidirektional verstärkter Verbunde [2, 3] verglichen.
Bild 3: links: Zugverfestigungskurven von EN AW-6082 unverstärkt und verstärkt mit 1.4310, rechts: Zugverfestigungskurven von EN AW-6056 unverstärkt und verstärkt mit Nivaflex
Wie in Bild 3 links zu sehen, bewirkt der Federstahldraht in der EN AW-6082 Matrix eine deutliche Festigkeitssteigerung um mehr als 100 %, wobei die Bruchdehnung des Verbundes sich deutlich von der der unverstärkten Matrix unterscheidet. Des Weiteren bricht der Verbund unmittelbar nach Versagen des Verstärkungselementes, was nicht dem in Bild 1 dargestellten Modellverhalten entspricht. Bild 3 rechts stellt die Zugverfestigungskurven von unverstärkten und verstärkten Proben aus EN AW-6056 (+Nivaflex) dar. Analog zu den verstärkten EN AW6082+1.4310 Proben ist auch hier deutlich die festigkeitssteigernde Wirkung der Verstärkungselemente zu erkennen. Im Gegensatz zu EN AW-6082+1.4310 fällt jedoch die Totaldehnung bei Bruch des Verstärkungselementes deutlich größer aus, als auf Grund der theoretischen Modelle zu erwarten. Des Weiteren besitzen die Verbunde EN AW-6056+Nivaflex und EN AW-6082+1.4310 etwa gleiche Verbundfestigkeiten, was auf die ähnlichen Festigkeiten der Matrixmaterialien und der verwendeten Verstärkungselemente zurückzuführen ist. Dabei zeigt der EN AW-6056+Nivaflex Verbund allerdings eine kleinere Bruchtotaldehnung, welche auf die geringe Duktilität des Verstärkungsdrahtes (Nivaflex) zurück zu führen ist. Bei den in Bild 4 dargestellten Zugverfestigungskurven von unverstärkten und verstärkten Proben aus EN AW-2099 (+Nanoflex) ist analog zu den verstärkten EN AW-6082+1.4310 oder EN AW-6056+Nivaflex Proben wiederum deutlich die Wirkung des Verstärkungselementes zu erkennen.
158 Die Totaldehnung bei Bruch des Verstärkungselementes liegt zwischen der von EN AW6082+1.4310 und EN AW-6056+Nivaflex. Weiterhin ist hierbei deutlich der Einfluss der im Vergleich zu EN AW-6082 und EN AW-6056 höheren Matrixfestigkeit auf die Verbundfestigkeit fest zu stellen.
Bild 4: Zugverfestigungskurven von EN AW-2099 unverstärkt und verstärkt mit Nanoflex
3.2
Vergleich der Versuchsergebnisse mit den theoretischen Modellen
f Tabelle 1 zeigt den Vergleich der gemessenen (V C,exp .) und der mit dem theoretischen Modell bef rechneten (V C,ber. ) Verbundfestigkeiten. Die mechanischen Eigenschaften des Verbundes lassen sich aus denen der einzelnen Komponenten konservativ abschätzen, welches der Quotient
Q1
f f V C,exp / V C,ber. .verdeutlicht.
Tabelle 1: Theoretisch nach [2] berechnete und gemessene Festigkeiten der verschiedenen Verbunde Material
f V C,exp .
V Ff
H Ff
V MI (H Ff )
f V C,ber.
Q1
f H F,r
[MPa]
[MPa]
[%]
[MPa]
[MPa]
[–]
[%]
[MPa] [–]
f V MI (H F,r )
Q2
EN AW-6082 +1.4310
434
2010
1,03
106
315,4
1,38
14,6
401,8 1,08
EN AW-605 +Nivaflex
428
2240
2,07
153,7
383,2
1,12
2,03
155,9 1,11
EN AW-2099 +Nanoflex
543
1640
1,50
273,5
423,8
1,28
5,67
354,3 1,09
Unberücksichtigt bleibt hierbei, dass die Verstärkungselemente aus Federstahldraht bei allen untersuchten Verbunden deutlich höhere Dehnungen bis zum Bruch ertragen können als die einzelnen Verstärkungselemente im nicht eingebetteten Zustand. Dies führt zu der größeren Abweichung zwischen berechneten und gemessenen Festigkeiten dieser Verbunde, da im theoretischen Modell VIM auf Grund der Dehnungsdifferenz unterschätzt wird. Berücksichtigt man hingegen die realen Dehnungen bis zum Bruch der Verstärkungselemf f ente innerhalb des Verbundes H F,r und berechnet mit der realen Spannung in der Matrix V MI (H F,r die
159 Verbundfestigkeit, so zeigt sich ein deutlich geringerer Unterschied zwischen berechneter und f f f gemessener Verbundfestigkeit V C,ber.,r , was mit dem Quotient Q2 V C,exp verdeutlicht wird. / V C,ber.,r Diese verbleibende Unterschätzung könnte auf den Eigenspannungszustand zurück zu führen sein, welcher sich nach dem Verbundstrangpressprozess, resultierend aus den unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Matrix und Verstärkungselement, einstellt.
3.3
Ergebnisse der metallographischen Untersuchungen
Bei allen Materialkombinationen konnte eine sehr gute Einbettung erzielt werden, wie in Bild 5 zu erkennen ist.
Bild 5: Geätzte Querschliffe der Verbunde, links: EN AW-6082+1.4310, Mitte: EN AW-6056+Nivaflex, rechts: EN AW-2099+Nanoflex
Die Verstärkungselemente liegen hierbei in der Längspressnaht, welche sich durch sehr feine Körner auszeichnet. Deren Bildung ist auf Rekristallisationsvorgänge zurück zu führen, bedingt durch die starke lokale plastische Verformung beim Verbundstrangpressprozess [1]. Die Anbindung zwischen den Komponenten ist von besonderer Bedeutung, da diese eine ausreichende Kraftübertragung zwischen Matrix und Verstärkungselement sicherstellt.
3.4
Ergebnisse der Push-Out Test
Die Grenzflächenscherfestigkeit Vdeb wird durch die im Push-Out Versuch bestimmte Maximalkraft Fmax, die benötigt wird, um das Verstärkungselement aus der Matrix herauszudrücken, und der Mantelfläche Sdh des eingebetteten Verstärkungselementes mittels Gleichung 2 bestimmt [9]: Vdeb
Fmax
S dh
(2)
In Tabelle 2 sind die Mittelwerte sowie Standardabweichungen der Grenzflächenscherfestigkeiten der verschiedenen Werkstoffkombinationen aufgeführt.
160 Tabelle 2: Mechanische Eigenschaften der Grenzflächen Mittelwert Vdeb Standardabweichung [MPa] [MPa]
Anzahl Proben
EN AW-6082+1.4310
76
9,40
20
EN AW-6056+Nivaflex
132
5,64
11
EN AW-2099+Nanoflex
100
4,87
11
Die erreichbaren Grenzflächenscherfestigkeiten Vdeb sind sehr stark von den Werkstoffkombinationen abhängig und die Streuung bei den höherfesten Werkstoffkombinationen ist geringer. Die höchste Grenzflächenscherfestigkeit wird bei der Matrixlegierung EN AW6056+Nivaflex erreicht, also bei der Kombination mit dem Verstärkungselement auf Kobaltbasis. Dies wurde auch in [8] beobachtet. Des Weiteren ist die Grenzflächenscherfestigkeit umgekehrt proportional zur Totaldehnung des Verstärkungselementes bei Bruch.
4
Zusammenfassung und Diskussion
Es wurde für die drei untersuchten Werkstoffkombinationen gezeigt, dass durch die Verstärkung der Profile ein signifikanter Anstieg der mechanischen Festigkeit im Zugversuch erreicht wird. Bei allen Werkstoffkombinationen lassen sich die erreichbaren Zugfestigkeiten durch das Kelly-Modell [3] konservativ abschätzen. Weiterhin konnte bei EN AW-2099+Nanoflex und EN AW-6082+1.4310 festgestellt werden, dass die Totaldehnung bei Bruch des Verstärkungselementes im Verbund größer ist als die Bruchtotaldehnung der einzelnen uneingebetteten Verstärkungselemente. Als Ursache für diese Dehnungsdifferenzen wurde bereits in [1] mehrfache Einschnürung des Verstärkungselementes innerhalb der Messstrecke vermutet. Diese scheinen abhängig von der Haftung in der Grenzfläche zu sein: Je besser diese Haftung ist, umso stärker wird die Einschnürung des Verstärkungselementes behindert. Werden bei der Berechnung der Verbundfestigkeiten die realen Dehnungen bei Bruch der Verstärkungselemente im Verbund berücksichtigt, zeigt sich eine deutlich bessere Übereinstimmung zwischen dem Modell und den gemessenen Werten. Die hier postulierten mehrfachen Einschnürungen des Verstärkungselementes im Verbund werden in Zukunft untersucht. Zusätzlich könnte durch Berücksichtigung des Eigenspannungszustandes eine genauere Vorhersage der Verbundfestigkeit getroffen werden.
5
Danksagung
Diese Veröffentlichung basiert auf Forschungsarbeiten des Transregio SFB/TR 10, welcher von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Des Weiteren wird das Projekt durch Alcan, Alcoa, Aleris, Alu Menziken, EADS Innovation Works, Sandvik Materials Technology und VAC Vacuumschmelze unterstützt.
161
6 [1]
[2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]
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162
Kriechverhalten von AMC-Lötverbindungen unter Einsatz partikelverstärkter Weichlote Bernhard Wielage, Ina Hoyer, Sebastian Weis Lehrstuhl für Verbundwerkstoffe, TU Chemnitz
1
Einführung
Der gezielte Einsatz von Aluminiummatrix-Verbundwerkstoffen ist entscheidend von der Auswahl möglicher Fügeverfahren abhängig. Die durch die Werkstoffe gesetzten Randbedingungen, wie beispielsweise die maximal ertragbare Temperatur-Zeit-Belastung, sind wichtige Kriterien, welche die Verfahrensauswahl beschränken [1]. Die Erhaltung des Werkstoffeigenschaftsprofils steht dabei an erster Stelle. Ein diesbezüglich geeignetes Verfahren mit geringer thermischer Belastung der zu fügenden AMCs stellt das Weichlöten mit Loten des Legierungssystems Sn-Ag dar. Die Fügeverbindungen dieser Lote weisen jedoch nur mäßige mechanische Kennwerte auf. Ein Ansatz zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften auch bei erhöhten Einsatztemperaturen ist die Einlagerung keramischer Partikel wie Al2O3 oder SiC in die Lotmatrix. Bereits in früheren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass partikelverstärkte Lote stark verbesserte Verbindungsfestigkeiten aufweisen. Dies gilt vor allem für erhöhte Einsatztemperaturen bis 150 °C [2– 6]. Neben der Warmfestigkeit ist für die Gewährleistung einer ausreichenden Lebensdauer der Lötverbindungen auch das Kriechverhalten von großer Bedeutung. Konventionelle Lotwerkstoffe auf Sn-Basis zeigen bereits bei geringen Belastungen eine hohe Kriechneigung. Werden diese Verbindungen zusätzlich einer erhöhten Temperaturbelastung ausgesetzt, so kommt es zum frühzeitigen Ausfall [7– 9]. Grundsätzlich wird das Kriechverhalten von metallischen Verbundwerkstoffen maßgeblich durch die Größe, Form und den Volumengehalt der eingelagerten Partikel bestimmt [10]. Dabei dominieren vier Schädigungsmechanismen, welche häufig auch gleichzeitig auftreten. Ein Großteil der Ausfälle ist auf ein duktiles Matrixversagen zurückzuführen. Dieses wird durch Poren in der Verbundmatrix ausgelöst. Die steigenden lokalen Spannungen führen zu einem kontinuierlichen Porenwachstum. Die entstandenen Defekte vereinigen sich zu Mikrorissen, welche schließlich zum Versagen führen. Ein ähnliches Verhalten tritt bei der lokalen Ablösung der Grenzflächen zwischen Verstärkungspartikel und Matrix auf. Dieser Vorgang findet überwiegend in Bereichen inhomogener Partikelverteilung statt. In derartigen Clustern löst sich die Matrix verhältnismäßig schnell von der Partikeloberfläche, da die Grenzflächenhaftung angesichts der Partikelanhäufung und der oft nur unzureichenden Benetzung verhältnismäßig gering ist. Bei hohen plastischen Dehnungsraten ändert sich auch das Schädigungsverhalten. Die eingelagerten Partikel entsprechender Größenordnung bewirken eine Aufstauung von Versetzungen und behindern damit die plastische Verformungsfähigkeit der Matrix. In Folge einer wachsenden Spannungskonzentration kann es zum Brechen einzelner Partikel kommen, wodurch der gesamte Werkstoff geschwächt wird. Diese Partikelbrüche treten vornehmlich bei überdurchschnittlich großen Partikeln auf, da diese eine höhere Defektwahrscheinlichkeit aufweisen. Als relativ unkalkulierbar gilt laut Literaturangeben der interkristalline Kriechbruch. Er
163 tritt meist im Hochtemperaturbereich auf und äußert sich durch ein plötzlich auftretendes Versagen ohne eine vorhergehende plastische Verformung [10, 11].
2
Experimentelles
Zur Untersuchung des Kriechverhalten partikelverstärkter Weichlote wurde das Lot SnAg3,5 + 20 Vol.-% (Al2O3)p ausgewählt. Die Herstellung des Lotwerkstoffs erfolge durch mechanisches Legieren in einem Hochenergiekugelmahlprozess (HEM) [12]. Der mittlere Durchmesser der eingelagerten Al2O3-Partikel, welcher sich während des HEM-Prozesses einstellt, beträgt 2 μm. Zur Quantifizierung der gewonnenen Messergebnisse wird ein Vergleich mit dem konventionellen Lot SnAg3,5 durchgeführt. Als Grundmaterial kommt Al 6061 + 25 Vol.-% (Al2O3)p mit einer Materialstärke von 6 mm zum Einsatz. Zum Fügen der Probekörper wird ein Ultraschalllötprozess verwendet. Dieser ermöglicht die Benetzung der Bauteiloberflächen ohne Flussmitteleinsatz. Die Vorteile liegen einerseits in der Einsparung von zusätzlichen Prozessschritten, welche die Entfernung von Flussmittelresten zum Ziel haben. Zum anderen wird ein möglicherweise auftretender Korrosionsangriff in Folge unzureichender Flussmittelentfernung vollkommen vermieden. Kritisch ist der Verfahrenseinsatz bei komplexen Bauteilgeometrien zu betrachten, da eventuell Einschränkungen bei der Ultraschalleinleitung auftreten können [4– 6]. Zur Ermittlung der Kriechfestigkeit wird in Anlehnung an die DIN EN 10291 auf ein statisches Messverfahren zurückgegriffen [13]. Dabei werden die erforderlichen Kräfte durch einen mit Gewichten belasteten Hebelmechanismus erzeugt. Als Probengeometrie wird ein Überlappstoß mit einer Überlapplänge von 19 mm und einer Breite von 5 mm gewählt. Vor der Durchführung der Kriechversuche erfolgte zunächst die Bestimmung der mittleren Lötspaltbreiten mit Hilfe eines Messmikroskops. Durch die Mittlung der Einzelergebnisse von 5 gleichmäßig über die Überlapplänge verteilten Messstellen wurde bei dem konventionellen Lot SnAg3,5 ein Wert von ca. 70 μm ermittelt. Im Gegensatz dazu steigen bei dem verstärkten Lot aufgrund der Zugabe der keramischen Partikel die Lotviskosität und damit die mittlere Lötspaltbreite auf ca. 250 μm an. Die während des Versuchs konstante Zugkraft wird in Richtung der Probenlängsachse ausgeübt. Durch die Verwendung einer einfachen Überlappverbindung kann zu einer Biegebeanspruchung während des Versuchs kommen, was eine geringfügige Verfälschung des Messergebnisses nach sich ziehen kann. Eine Alternative bietet die Prüfung von doppelseitigen Überlappverbindungen. Problematisch ist jedoch die Abschätzung des unterschiedlichen Einflusses der beiden Fügeverbindungen und der darin enthaltenen Lötfehler auf das Gesamtergebnis. Des Weiteren erfolgt in diesem Fall eine längere Temperaturbelastung für den Grundwerkstoff, da der Ultraschalllötprozess verfahrensbedingt für jede Fügeverbindung separat durchgeführt werden muss. Zur Erzeugung der für die Versuche angestrebten Temperaturen von 100 °C wird ein Rohrofen verwendet, welcher die Probe umschließt. Die Temperaturbestimmung erfolgt durch ein an der Probe fixiertes Thermoelement. In Vorversuchen konnte mit diesem Messaufbau eine Temperaturschwankung von < 3 K nachgewiesen werden. Zusätzlich wird der gesamte Versuchsaufbau durch eine Umhausung isoliert. Eine schematische Darstellung zeigt Bild 1. Die Beurteilung der während des Versuchs auftretenden Kriechverformung ist maßgeblich von der Genauigkeit des eingesetzten Analyseverfahrens abhängig. Im vorliegenden Fall kommt eine optische Analyse zum Einsatz. Die als UNIDAC (Universal Deformation Analysis
164 by means of Correlation) bezeichnete Methode basiert auf der Korrelation von Grauwertbildern, welche kontinuierlich in festgelegten Zeitintervallen während des Versuchs aufgenommen werden. Anhand des Vergleiches der Bilder ist eine unmittelbare qualitative bzw. quantitative Aussage zur Verformung der Probe möglich [14]. Zur statistischen Absicherung der durchgeführten Untersuchungen werden jeweils 3 Parallelversuche absolviert, welche auf eine Maximaldauer von 72 h begrenzt sind. Weiterhin wurden in den Vorversuchen temperaturabhängige Belastungen ermittelt, welche eine maximale Kriechverformung während der gesetzten Versuchsdauer erzielen.
Bild 1: Schematischer Versuchsaufbau zur Ermittlung des Kriechverhaltens
3
Ergebnisse
Die Auswertung der gewonnen Ergebnisse mit Hilfe der Grauwertkorrelation bietet die Möglichkeit der Betrachtung von Einzelmesswerten über die gesamte Überlapplänge und Breite der Fügeverbindung (siehe Bild 1). Von besonderem Interesse sind diesbezüglich die über die Breite der Fügeverbindung auftretenden Verformungen (Bild 2). Dazu werden drei Schnitte (Bild 1) analysiert. Es wird festgestellt, dass sowohl bei der Verwendung des konventionellen (SnAg3,5) als auch des partikelverstärkten Lotes (SnAg3,5 + 20 Vol.-% (Al2O3)p) der durch Kriechen plastisch verformte Bereich deutlich über die Lötnahtbreite hinausgeht. Zurückzuführen ist diese Verhalten auf die gleichzeitige Kriechverformung der Grundmaterialrandbereiche. Die Breite der kritischen Verformungszone beträgt bei beiden Lotwerkstoffen etwa 3 mm und ist nach bisherigen Erkenntnissen vom Lot unabhängig. Sie wird hingegen maßgeblichen durch das Temperatur-Zeit-Regime des Fügeprozesses beeinflusst. Außerhalb dieses kritischen Bereichs treten nur geringe Verformungen auf. Der Vergleich der drei Schnitte (Bild 2; Position 1, 2, 3) zeigt nur geringe Unterschiede innerhalb der Überlapplänge auf. Auch dieses Verhalten ist bei beiden Lotwerkstoffen identisch. Hinsichtlich der Gesamtverformung treten jedoch deutliche Unterschiede auf. Die Verformung der partikelverstärkten Probe ist wesentlich
165 geringer. Im Gegensatz dazu ist die hohe Verformung im mittleren Probenbereich des konventionellen Lotes auf die weitaus höhere Duktilität des Lots zurückzuführen. In beiden Fällen ist zu beobachten, dass der obere der drei Schnitte (1) geringfügig stärker verformt wird. Dieses Verhalten ist zum Teil auf die beim Versuch auftretende mehrachsige Spannungsverteilung zurückzuführen, welche zu einem leichten Aufbiegen der Probe führt (Vgl. Abschnitt 2).
Bild 2: Kriechverformung über die Probenbreite (Versuchstemperatur 100 °C, 7 = 6,3 MPa)
Bild 3: Kriechverformung (Versuchstemperatur 100 °C, 7 = 6,3 MPa, Versuchszeit 72 h); normiert
Die zeitabhängige Kriechverformung beider Lotwerkstoffe ist in Bild 3 dargestellt. Die im Versuch verwendete Temperatur von 100 °C entspricht einer homologen Temperatur von ca. 0,75. Hier ist ein gegenüber Raumtemperatur deutlich verändertes thermomechanischen Verhalten der Lote zu erwarten. Besonders bei der konventionellen Legierung SnAg3,5 ist mit starkem Festigkeitsverlust zu rechnen. Dies äußert sich auch anhand der anfänglich hohen Verformungsgeschwindigkeit. Im Gegensatz dazu verformen sich die Verbundlotproben in der ersten Versuchsphase deutlich weniger. Diese ist auf die höhere Festigkeit in Folge der Partikelverstärkung zurückzuführen. Zusammenfassend können in der primären Kriechphase
166 bereits deutlich Unterschiede zwischen den Loten beobachtet werden. Nach etwa 6 h beginnt bei beiden Lötverbindungen der sekundäre Kriechbereich, welcher durch eine nahezu konstante Kriechgeschwindigkeit gekennzeichnet ist. Bis zu einer Versuchsdauer von ca. 50 h sind die auftretenden Kriechraten vergleichbar. Anschließend kommt es beim konventionellen Lot zu einem starken Anstieg, welcher für die tertiäre Kriechphase kennzeichnen ist. Gegen Ende des Versuchs nach 72 h wurde die konventionelle Lötverbindung in Folge der auftretenden Belastung um das Doppelte im Vergleich zur partikelverstärkten verformt. Es ist somit deutlich erkennbar, dass durch die Einbringung von Verstärkungspartikeln in das Lot eine Verformungsbehinderung stattfindet und so das Dauerfestigkeits- und Warmfestigkeitsverhalten unmittelbar beeinflusst wird.
4
Zusammenfassung
Es wurde das Kriechverhalten von gelöteten Aluminiummatrix-Verbundwerkstoffen untersucht. Dabei erfolgte eine Gegenüberstellung des Lotes SnAg3,5 + 20 Vol.-% (Al2O3)p und des konventionellen Lot ohne keramische Partikel. Zum Fügen der Proben kam ein flussmittelfreies Lötverfahren mit Ultraschallunterstützung zum Einsatz. Die Ermittlung des Kriechverhaltens der Lötverbindungen erfolgte mittels eines statischen Messverfahrens und unter Verwendung der Grauwertkorrelation zur Auswertung der gewonnenen Daten. Die vorgestellten Untersuchungen wurden bei einer Temperatur von 100 °C durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass die Verwendung partikelverstärkter Lote zu einer deutlichen Verbesserung der Kriechfestigkeit der Verbindungen führt. Diese Unterschiede resultieren aus der Verformungsbehinderung des Matrixwerkstoffs in Folge der keramischen Partikel. Bei äquivalenten Belastungsverhältnissen konnte am Ende der Versuchszeit von 72 h eine Halbierung der auftretenden Verformung erreicht werden. Weitere Entwicklungen haben die Optimierung der Grenzfläche zwischen Partikeln und Matrix zum Ziel. Dies trägt entscheidend zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der Lötverbindung bei.
5
Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung der vorgestellten Arbeiten im Rahmen des SFB 692 „Hochfeste aluminiumbasierte Leichtbauwerkstoffe für Sicherheitsbauteile“.
6 [1] [2] [3] [4]
Literatur M. Hockauf, L.W. Meyer, T. Halle, C. Kuprin, M. Hietschold, S. Schulze, L. Krüger, Int. J. Mat. Res. 10/2006, Vol. 97, Hanser Verlag, ISSN 1862-5282, p. 1392–1400. H. Klose, Dt. Dissertation, TU Chemnitz, ISBN 1439-1597, 1999. G. Blugan, J. Kuebler, V. Bissig, J. Janczak-Rusch, Ceramics Int. 33, 2007, p. 1033–1039. B. Wielage, I. Hoyer, S. Weis, Welding J. 2006, Vol. 87, No. 3, 2006, p. 35–37.
167 [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14]
B. Wielage, I. Hoyer, S. Weis, Werkstoffe und Werkstofftechnische Anwendungen, Bd. 24, ISBN 3-00-019101-1, TU Chemnitz, LVW, 2006, p. 436–442,. B. Wielage, F. Trommer, H. Hielscher, S. Mücklich, DVS-Berichte, Bd. 212, ISBN 387155-670-X, Düsseldorf/Deutschland, 2001, p. 236–239. F. Guo, S. Choi, K. N. Subramanian, T. R. Bieler, J. P. Lucas, A. Achari, M. Paruchuri, Mat. Science and Engineering A, Vol. 351, Issues 1-2, 2003, p. 190–199. F. Guo, J.P. Lucas, J. Mat. Science: Mat. in Electronics, Springer Verlag New York, ISSN 0957-4522, Vol. 12, No.1, 2001, p. 27–35. J. McDougall, S. Choi, K. N. Subramanian, J. P. Lucas, Mat. Science and Engineering A, Vol. 285, Issues 1-2, 2000, p. 25–34. R. Pandorf, VDI-Bericht Nr. 585, 2000. C. Broeckmann, VDI-Bericht Nr. 612, 2001, ISBN: 3-18-361205-4. I. Özdemir, S. Ahrens, S. Mücklich, B. Wielage, J. Mat. Process. Tech., Vol. 205, 2008, p. 111–118. DIN EN 10291: Dt. Fassung 01/2001, 2001. E. Kieselstein, B. Seiler, M. Dost, E. Than, tm - Technisches Messen, ISSN 0171-8096, Vol. 69, Issue 10/2002, 2002, p. 412.
168
Charakterisierung des mechanischen Verhaltens verbundstranggepresster Leichtbauprofile unter schlagartiger Beanspruchung1 K. A. Weidenmann, T. Hammers, M. Merzkirch, E. Kerscher Institut für Werkstoffkunde I, Universität Karlsruhe (TH), Karlsruhe
1
Einführung
Aluminium und seine Legierungen besitzen aufgrund ihrer geringen Dichte gepaart mit einem hohen Umformvermögen ein großes Leichtbaupotenzial. Dabei sind vor allem Verbundwerkstoffe mit Aluminiummatrix und hochsteifen sowie -festen Verstärkungselementen interessante Kandidaten zur gleichzeitigen Steifigkeits- und Festigkeitssteigerung. Die Festphasenverfahren stellen eine Herstellungsalternative zu konventionellen, schmelzmetallurgischen Methoden zur Fertigung von Verbundwerkstoffen dar. Hierzu zählt auch das Verbundstrangpressen, das unter Verwendung modifizierter Strangpresswerkzeuge ausgehend von konventionellen Pressblöcken die Herstellung von Werkstoffverbunden ermöglicht. Als Verstärkungselemente werden vor allem Drähte eingesetzt, die in der Schweißkammer der Strangpresse unter hohem Druck und bei hoher Temperatur in die Matrix des Grundwerkstoffes eingebettet und innerhalb des Profils so positioniert werden, dass die Belastbarkeit der Struktur optimiert wird [1]. Durch Verbundstrangpressen hergestellte verstärkte Strangpressprofile auf Aluminiumbasis sind ein leistungsfähiges Werkstoffkonzept für leichte Tragwerkstrukturen. Mögliche zukünftige Einsatzgebiete wie z.B. der Automobilleichtbau werfen die Frage nach der Belastbarkeit solcher Verbundprofilen unter dynamischer – insbesondere schlagartiger – Beanspruchungen auf, wie sie z.B. im Crashfall auftreten. Eine Kenngröße zur Bewertung des Werkstoffverhaltens unter dynamischer Beanspruchung ist die Kerbschlagbiegezähigkeit, die im Kerbschlagbiegeversuch nach Charpy [2-4] bestimmt wird. Dieser Versuch wird in der Regel an definierten Laborproben durchgeführt und stellt daher eine Art Crash-Test auf Probenmaßstab dar [4]. Um die Leistungsfähigkeit von Verbundstrangpressprofilen mit Drahtverstärkung im Komponentenmaßstab zu überprüfen, bietet sich ein technologischer Schlagversuch an. Denkbare Einsatzgebiete für verbundstranggepresste Aluminiumprofile sind Crashelemente, die die Energie durch Biegen aufnehmen [5], beispielsweise eine Türstrebe, die bei einem Seitenaufprall belastet wird.
1
Diese Veröffentlichung basiert auf Forschungsarbeiten des Transregio SFB/TR 10, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.
169
2
Experimentelles
2.1
Probenmaterialien und Probengeometrien
Die Kerbschlagbiegeproben wurden Verbundprofilen mit einem rechteckigen Querschnitt von 56x5 mm² entnommen, die auf einer 10 MN-Strangpresse gefertigt wurden. Die Profile mit der Legierung AW6060 wurden direkt nach dem Strangpressen von einer Temperatur T = 450 °C mit Luft abgeschreckt und kaltausgelagert (Wärmebehandlungszustand T4). Als Verstärkungselemente wurden 1 mm dicke Drähte aus nichtrostendem Federstahl 1.4310 (X10CrNi 18-8), aus der Kobaltbasislegierung Haynes 25 (CoCr20W15Ni10) und der Nickelbasislegierung Inconel 718 (NiCr19FeNb) verwendet. Die Verstärkungselemente wurden vor dem Verpressen mit Aceton gereinigt. Die Stempelgeschwindigkeit der Strangpresse betrug 1mm/s bei einem Pressverhältnis von ungefähr 1:10 nach Zuführung der Verstärkungselemente und einem Gesamtpressverhältnis von 1:60. Den Rechteckprofilen wurden DVM-5-Proben nach [2] entnommen. Diese Probenform ist zwar nach [3] nicht mehr in der Norm vorgesehen, bot sich aber aufgrund der Halbzeuggeometrie an. Wie in Bild 1 dargestellt, besitzen die Proben eine Höhe im Kerbgrund von 7 mm bei einer Probendicke von 5 mm. Die Kerbe ist als U-Kerbe ausgeführt.
Bild 1: Kerbschlagbiegeprobe DVM-5.
Als Proben für die technologischen Schlagversuche dienen mit vier Federstahldrähten 1.4310 verstärkte verbundstranggepresste Rundprofile mit einem Außendurchmesser von 40 mm und einer Wandstärke von 3 mm (siehe Bild 2). Die Stahldrähte sind dabei in der Mitte der Wand platziert und über den Umfang gleichmäßig verteilt. Die Profile lagen ebenfalls im Wärmebehandlungszustand T4 vor. Das ursprünglich mit einer Wanddicke von 5 mm gepresste Hohlprofil wurde bei der Probenfertigung durch Abdrehen auf oben genanntes Maß reduziert.
Bild 2: Probenumgebung beim Schlagversuch an Hohlprofilen.
Auf Grund der Versuchsführungen bzw. der partiellen Verstärkung der Proben konnten keine allgemeingültigen Kennwerte für die Schlagzähigkeit ermittelt werden, da diese von Anzahl
170 und Lage der Verstärkungen in der Probe abhängt. Daher wurden zum Vergleich jeweils Proben ohne Verstärkungen, die aber ansonsten auf dieselbe Weise gefertigt wurden, geprüft.
2.2
Versuchsaufbau und –durchführung
Die Kerbschlagbiegeversuche verstärkter und unverstärkter Proben nach Bild 2 wurden normgerecht auf einem Pendelschlagwerk der Bauart Frank mit einer maximalen Schlagarbeit von 150 J durchgeführt. Pro Zustand wurden mindestens drei Proben getestet. Die technologischen Schlagversuche an partiell verstärkten und unverstärkten Hohlprofilen erfolgten auf einem federbeschleunigten Fallwerk des Typs Instron Dynatup 9250 HV. Der Auflagerabstand betrug 194 mm und der Schlagdorndurchmesser 46 mm. Dies entspräche einem Pfahldurchmesser von ca. 254 mm bei einer angenommenen Türbreite von ca. 1000 mm. Die Auftreffgeschwindigkeit des Schlagdorns betrug 8,06 m/s (29 km/h) bei einer Fallmasse von 6,79 kg. Um die Befestigungssituation an einer Tür nachzubilden, wurden die Profilenden mit Niederhaltern fixiert. Bild 2 zeigt die Probenumgebung beim technologischen Schlagversuch. Alle Schlagversuche wurden bei Raumtemperatur durchgeführt.
3
Ergebnisse
3.1
Kerbschlagbiegeversuche (Charpy-Tests)
Die Ergebnisse der Kerbschlagbiegeversuche aller Probenvarianten mit Drahtverstärkung zeigt Bild 3. Dargestellt ist die bei Raumtemperatur ermittelte Kerbschlagbiegezähigkeit im Vergleich zum unverstärkten Matrixmaterial.
Bild 3: Kerbschlagbiegezähigkeiten drahtverstärkter Proben.
Eine Drahtverstärkung führt bei Raumtemperatur zu einer erhöhten Kerbschlagbiegezähigkeit der Verbunde gegenüber der unverstärkten Matrix. Die Erhöhung der Kerbschlagbiegezähigkeit beträgt im günstigsten Fall (EN AW-6060+Haynes 25) rund 11 %. Die geringste Steigerung bietet eine Verstärkung mit einem Federstahldraht 1.4310, dessen Einsatz die Kerb-
171 schlagzähigkeit um rund 6 % erhöht. Die Unterschiede in den Zähigkeiten der einzelnen Drahtverbunde sind damit gering, aber durchaus signifikant.
3.2
Metallographische Untersuchungen
Die fraktographischen Untersuchungen zeigen, dass alle Kerbschlagbiegeproben beim CharpyTest nicht vollständig getrennt wurden. Dies gilt auch für die unverstärkten Proben, die im Folgenden nicht dargestellt sind. Auf den fraktographischen Aufnahmen ist jeweils der Blick auf die vormaligen Kerbgrund zu sehen, wobei sich hier durch die Belastung eine Bruchfläche gebildet hat, in die von links und rechts die nun freiliegenden, durchtrennten Verstärkungselemente hineinragen. Als Bruchflächengrund wird im Folgenden der von der duktilen Einschnürung sich deutlich unterscheidende spröde Anteil bezeichnet. Alle Drahtverbunde zeigen eine ähnliche Bruchmorphologie (siehe Bilder 4-6), wobei die Einzeldrähte kaum Pull-Out Effekte zeigen. Einzige Ausnahme ist der Federstahldraht in Pro-
Bild 4: Bruchflächen von Kerbschlagproben der Probenvariante EN AW-6060 (+1.4310)
Bild 5: Bruchflächen von Kerbschlagproben der Probenvariante EN AW-6060 (+Haynes 25)
Bild 6: Bruchflächen von Kerbschlagproben der Probenvariante EN AW-6060 (+Inconel 718)
172 benvariante EN AW-6060+1.4310 (siehe Bild 4). W-6060+Inconel 718 und EN AW6060+Haynes 25 ab. Der Federstahldraht ist auch der einzige Verstärkungsdraht, der trotz der dynamischen Beanspruchung eine duktile Einschnürung und eine Teller-Tassen-Bruchmorphologie zeigt. Sowohl der Nickelbasis- als auch der Kobaltbasisdraht versagen spröde. Auffällig für die Letztgenannten ist das Auftreten einer unter ca. 45° zur Drahtachse geneigten Bruchfläche. Hinsichtlich der Breite des Bruchflächengrundes treten vergleichsweise geringe, aber dennoch messbare, Unterschiede zu Tage. Die Bruchflächenbreite nimmt in der Reihe EN AW-6060+1.4310, EN A
3.3
Technologische Schlagversuche an partiell verstärkten Hohlprofilen
Die Ergebnisse der technologischen Schlagversuche sind in Bild 7 zusammengefasst. Die Darstellung beschränkt sich auf repräsentative Kurven der einzelnen Zustände. Für die partiell verstärkten Hohlprofile wurden unterschiedliche Lagen der Verstärkungselemente zum Schlagdorn gewählt. Bei 0° trifft der Schlagdorn genau auf die Stelle des Profils, an der in der Wand ein Verstärkungselement eingebettet ist, bei 45° ist der Auftreffpunkt mittig zwischen zwei Elementen. Der Vergleich mit dem unverstärkten Hohlprofil zeigt eine tendenzielle aber keine signifikante Steigerung der Schlagzähigkeit durch die Verstärkungsdrähte: Die aufgenommene Gesamtenergie entspricht jeweils ca. 185 J.
Bild 7: Kraft-Zeit-Verläufe (links) und Energie-Zeit-Verläufe (rechts) für die technologischen Schlagversuche an partiell verstärkten Hohlprofilen im Vergleich zu unverstärkten Hohlprofilen derselben Geometrie.
4
Zusammenfassung und Diskussion
Die dynamische Beanspruchung von Profilen für Tragwerkstrukturen tritt im Betrieb in der Regel nicht auf – eine Ausnahme ist jedoch die rasche Deformation im Kollisionsfall. Daher sind Aussagen über das so genannte Crash-Verhalten notwendig und können zunächst auf Probenmaßstab über den Charpy-Test getroffen werden. Bild 8 zeigt eine Auftragung der Bruchflächenbreite gegen die gemessene Kerbschlagbiegezähigkeit, die die diskutierten Zusammenhänge illustriert und beweist, dass für alle untersuchten Verbunde ein klarer Zusammenhang zwischen Bruchflächenbreite und Kerbschlagbiegezähigkeit im Charpy-Versuch existiert.
173 Die Bruchflächen der Drahtverbunde zeigen, dass bei allen Probenvarianten der Draht beim Kerbschlagbiegeversuch durchtrennt wird und lediglich im Falle der Variante EN AW6060+1.4310 noch etwas in die Bruchfläche hineinragt. Der Federstahldraht versagt offensichtlich trotz hoher Kaltverfestigung und der hohen Verformungsgeschwindigkeit noch duktil, so dass eine deutliche Brucheinschnürung zu beobachten ist. Die Drähte aus Haynes 25 und Inconel 718 versagen dagegen spröde.
Bild 8: Zusammenhang zwischen Bruchflächengrundbreite und Kerbschlagbiegezähigkeit drahtverstärkter Verbunde im Vergleich zum Matrixmaterial.
Allen Drahtverbunden gemeinsam ist eine ähnliche Bruchflächenbreite, die jeweils gut mit der gemessenen Kerbschlagbiegezähigkeit korreliert, obwohl diese nur innerhalb enger Grenzen variiert. Offensichtlich reduziert der Verstärkungsdraht in allen Fällen das „Aufreißen“ der Kerbgrundfläche. Es wird sowohl zum Durchtrennen des Drahtes als auch durch die stärkere Einschnürung mehr Schlagenergie umgesetzt, weshalb bei allen untersuchten Verbunden die Bruchflächenbreite kleiner und die gemessene Kerbschlagzähigkeit höher ist als bei den unverstärkten Proben. Ausgehend von diesen Ergebnissen sind die Drahtverbunde daher für den Einsatz in automobilen Tragwerkstrukturen hinsichtlich des Verhaltens unter dynamischer Beanspruchung prinzipiell besser geeignet als das unverstärkte Matrixmaterial. Jedoch zeigen die technologischen Schlagversuche, dass eine Erhöhung der Anzahl der Verstärkungselemente notwendig ist, um auch im Bauteil eine Leistungssteigerung zu erzielen.
4 [1] [2] [3] [4] [5]
Literatur M. Kleiner, M. Schomäcker, M. Schikorra, A. Klaus, Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 35 [7], 431–439, 2004. DIN 50115, Kerbschlagbiegeversuch, 1975. DIN EN 10045, Kerbschlagbiegeversuch nach Charpy, 1990. E. Bayraktar, D. Kaplan, F. Schmidt, H. Paqueton, M. Grumbach, Journal of materials processing technology 204, 313–326, 2008. S. Chung Kim Yuen, G. N. Nurick, Applied Mechanics Review 61 [2], 1–15, 2008.
174
Polystyrol-Acrylnitril Nanokomposite Schäume P. Gutmanna, C. Greinerb, H. Ruckdäschelc, D.S. Bangarusampatha, V. Altstädta a) Lehrstuhl Polymere Werkstoffe, Universität Bayreuth b) Brose GmbH & Co, Coburg c) BASF SE, Ludwigshafen
1
Einführung
Das Schäumen von Polymeren ist eine weit entwickelte Technik zur Herstellung von zellulären Materialien mit gewünschten Eigenschaften. [1, 2] Auf Grund dieser Eigenschaften decken Schäume heutzutage einen großen Anwendungsbereich ab. [3] Die Feineinstellung ihres Eigenschaftsprofils ist, unabhängig von ihrem Anwendungsgebiet, von großem wissenschaftlichem und industriellem Interesse. Eine Möglichkeit der Feineinstellung ist die Zugabe von Additiven. Hierbei können Nanopartikel, auf Grund ihrer geringen Größe und ihres großen Aspektverhältnisses, die Zellwände und –stege effektiv verstärken. [4, 5] Zusätzlich dienen sie als Nukleierungsmittel. [6, 7] Die Effektivität von Carbonanofasern als Nukleierungsmittel für Polystyrolschäumen wurde von Shen et al. untersucht. [6] Ein Vergleich der Nukleierungseffektivität von Carbonanofasern (CNF) mit der von Single Wall Carbonanotubes (SWCNT) und Nanoclay (NC) zeigte, dass mit CNF die größten Porendichten erreicht werden konnten. Dies führten sie auf die gute Dispergierung und den Benetzungswinkel der CNF zurück. Werner et al. nutzten den Einfluss von CNF auf die rheologischen Eigenschaften von Polyetheretherketon (PEEK). [8] Die Zugabe von CNF zu PEEK erhöhte dessen Schmelzefestigkeit und verhinderte ein kollabieren der Zellen. Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss von sphärischen und faserförmigen Nanopartikeln auf das Schäumverhalten und deren Einflussparameter zu untersuchen. Hierzu wurden Nanokomposite aus Polystyrol-Acrylnitril mit unterschiedlichen Anteilen an CNF und Ruß hergestellt. Von den kompakten Nanokompositen wurden Rasterelektronenaufnahmen angefertigt und die rheologischen Eigenschaften bestimmt. Diese wurden mit der mittels Computertomographie und Rasterelektronenmikroskopie analysierten Schaumstruktur verglichen. Die sich einstellende Schaumdichte konnte ebenfalls über die Schaummorphologie erklärt werde. Um den Einfluss der Nanopartikel auf die Schaumeigenschaften zu untersuchen, wurden abschließend Druckversuche durchgeführt.
2
Experimente
2.1
Nanokomposite Herstellung
Zur Herstellung der Nanokomposite wurde Polystyrol-Acrylnitril (SAN VLL19, BASF SE, Tg = 114 °C) mit einem Acrylnitrilanteil von 19 Gew.% als Matrix und CNT (Pyrograph III PR-19-XT-PS, Applied Sciences Inc.) bzw. Ruß (EC600-JD, Akzo Nobel) als Nanoadditive
175 verwendet. Die Materialien wurden in einem Zweischneckenextruder (ZSK 26MCC, Werner & Pfleiderer) bei einer Schneckendrehzahl von 500 U/min und einer maximalen Temperatur von 240 °C compoundiert. Bei den Nanokompositen aus SAN und CNF sowie SAN und CB wurden jeweils 1 Gew.%, 5 Gew.%, 10 Gew.% und 15 Gew.% Nanoadditiv zur Matrixphase hinzugegeben.
2.2
Rasterelektronenmikroskopie
Zur Analyse der Dispergierung der Nanoadditive in der Matrix und der Untersuchung der Schaumstruktur wurden rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen (Leo 922) der kompakten und der geschäumten Materialien angefertigt. Zur Probenpräparation wurden die kompakten Materialien und die Schäume zunächst in flüssigem Stickstoff gekühlt und anschließend gebrochen. Anschließend wurde die Bruchfläche mit Platin besputtert (Dicke: 2 nm). Von den präparierten Proben wurden Aufnahmen bei einer Beschleunigungsspannung von 2–5 kV angefertigt.
2.3
Rheologische Charakterisierung
Die rheologischen Eigenschaften der Nanokomposite bei uniaxialer Dehnbelastung wurden mit Hilfe von Rheotensmessungen untersucht. [9] Der Versuchsaufbau (Abbildung 1) beinhaltet ein Hochdruckkappilarviskosimeter (Rheograph 6000, Göttfert), welches einen kontinuierlichen Schmelzestrom gewährleistet. Der Schmelzestrang wird von dem Rheotens-Apparat mit ansteigender Geschwindigkeit abgezogen und die Abzugskraft über der Abzugsgeschwindigkeit gemessen. Mit Hilfe des analytischen Modells von Wagner kann aus der erhaltenen AbzugskraftAbzugsgeschwindigkeitskurve die scheinbare Dehnviskosität berechnet werden. [10]
Bild 1: Versuchsaufbau der Rheotensmessung mit Versuchsparametern
176 2.4
Schaumherstellung
Zur Herstellung der geschäumten Proben wurde ein Batch-Verfahren verwendet. Hierbei wurden die Nanokomposite in einer gasdichten Hochdruckform zunächst mit Kohlendioxid bei 12 bar begast um ein konstantes Gasvolumen für jeden Versuch zu generieren. Nach dem Schließen der Ventile wurde der Druck mittels einer Presse auf 300 bar erhöht. Nach Erreichen des Enddruckes wurde eine Temperatur von 180 °C eingestellt und für 1 h konstant gehalten. Durch diesen Prozess konnte eine schnelle und homogene Sättigung der Probe erreicht werden. Nach der Sättigung wurde die Probe unter isobaren Bedingungen abgekühlt und aus der Form entnommen. Der so erhaltene gesättigte Probekörper wurde bei 130 °C für 20 min in einem Ofen geschäumt.
2.5
Schaumcharakterisierung
Zur Charakterisierung der geschäumten Nanokomposite wurden die Zellgrößenverteilung, die Schaumdichte und die Druckeigenschaften bestimmt. Zur Untersuchung der Zellgrößenverteilung wurde die Computertomographie (Skyscan 1072) verwendet. Hierbei wurden 5–6 mm hohe zylindrische Proben mit einem Durchmesser von 4–6 mm verwendet. Diese Probengröße erlaubte eine Auflösung von 4.7–7.0 μm. Durch Rotation der Probe in dem Computertomographen wurden zwischen 800 und 1600 Röntgenbilder jeder Probe hergestellt, welche in einer Rekonstruktionssoftware zu einem dreidimensionalen Bild der Probe zusammengefügt wurden. Mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms (MAVI, Modular algorithms for volume images, Fraunhofer ITWM/ Kaiserslautern) wurde das dreidimensionale Bild hinsichtlich der Zellgrößenverteilung ausgewertet. Die Schaumdichte wurde mittels der Auftriebsmethode nach ISO 1183 bestimmt. Hierzu wurden jeweils drei Proben jedes Schaums gemessen und der Mittelwert bestimmt.
3
Ergebnisse und Diskussion
Die Verteilung der Nanoadditive in der polymeren Matrix kann als Schlüsselfaktor des Schäumprozesses angesehen werden. [6–8] Vor den eigentlichen Schäumversuchen wurde daher die Dispergierung der CNF und des CB in der SAN-Matrix mikroskopisch untersucht. In Abbildung 2 sind die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen der ungeschäumten gebrochenen Proben dargestellt. Werden die Nanokomposite aus SAN und CNF betrachtet, so ist eine relativ gute Dispergierung der Fasern bis hin zu 10 Gew.% zu erkennen. Die herausgezogenen Fasern, sowie die Ablösung der Fasern von der Matrix weisen jedoch auf eine schlechte MatrixFaser-Anbindung hin. Eine Analyse der REM-Aufnahmen des mit CB gefüllten SAN zeigt eine ähnlich gute Dispergierung des Füllstoffs. Es sind jedoch bereits bei 10 Gew.% Agglomerate erkennbar.
177
Bild 2: REM-Aufnahmen der Mikrostruktur der ungeschäumten SAN-CNF und SAN-CB Nanokomposite
Der Einfluss der Nanoadditive auf die dehnrheologischen Eigenschaften, welche für das Schäumen ebenfalls eine große Rolle spielen, ist in Abbildung 3 und 4 gezeigt. Die Zugabe von CNF zu SAN bewirkt eine Erhöhung der Schmelzefestigkeit und eine Verringerung der Dehnbarkeit (Abbildung 3). [11] Ein Vergleich mit den gemessenen Kurven für die SAN-CB Nanokomposite zeigt für diese eine weitaus größere Steigerung der Schmelzefestigkeit bei einer größeren Verringerung der Dehnbarkeit. Dieses Phänomen kann über die Geometrie der Füllstoffe sowie ihre Anbindung zur Matrix erklärt werden. Während die CNF sich bei einer Dehnbeanspruchung ausrichten und keine gute Anbindung an die SAN-Matrix besitzen, weist das CB bereits eine ausgeprägte Netzwerkstruktur und eine bessere Matrixanbindung auf. Dies zeigt sich auch bei der Betrachtung der Dehnviskosität als Funktion der Dehnrate (Abbildung 4). Hier ist für die SAN-CNF Nanokomposite ein stufenartiger Anstieg der Dehnviskosität zu erkennen, während sich bei dem SAN-CB Nanokomposit ein sprunghafter Anstieg zwischen 5 und 10 Gew.% zeigt. [12]
Bild 3: Im Rheotens-Versuch gemessene Kurven der Abzugskraft als Funktion der Abzugsrate von den a) SANCNF und b) SAN-CB Nanokompositen
178
Bild 4: Scheinbare Dehnviskosität als Funktion der Dehnrate der a) SAN-CNF und b) SAN-CB Nanokomposite
In Abbildung 5 sind die REM-Aufnahmen des geschäumten SAN sowie der geschäumten SAN-Nanokomposite dargestellt. Die obere Reihe zeigt den Einfluss des steigenden CNF-Gehalts auf die Schaumstruktur des SAN. Bis zu einem Gewichtsanteil von 10 % ist eine Verfeinerung der Schaumstruktur zu erkennen, während eine weitere Erhöhung bereits zu Inhomogenitäten und größeren Zellen führt. Wird die Entwicklung der Schaumstruktur mit steigendem CB-Anteil untersucht, so zeigt sich bei der Zugabe von 1 Gew.% CB eine partiell feinere Schaumstruktur mit einer bimodalen Zellgrößenverteilung. Der Füllstoffgehalt reicht noch nicht aus um eine über den ganzen Schaum homogene Zellstruktur zu generieren. Eine weitere Erhöhung führt zu einer homogeneren Struktur, jedoch zeigt sich, gegenüber den feinen Zellen des vorher dargestellten Schaumes, eine leichte Vergrößerung der Schaumzellen. Mit einer weiteren Erhöhung des CB-Anteils im SAN nimmt der Zelldurchmesser weiter zu. Die beschriebenen Effekte können auf die bereits gezeigte Dispergierung der Nanoadditive in der SAN-Matrix zurückgeführt werden. [6, 7, 13, 14] Hierbei zeigten sich bei dem SAN-CNF Nanokomposit erste Agglomerate ab einem Gehalt von 15 Gew.%, was mit dem Beginn der Inhomogenitäten in der Schaumstruktur übereinstimmt. Bei den SAN-CB Nanokompositen wurden diese Agglomerate bereits bei einem Gehalt von 10 Gew.% beobachtet. Die beschriebenen Phänomene sind auch bei der Analyse der Schaumdichten und der Nukleierungsdichten zu erkennen (Abbildung 6). Durch die Zugabe von CNF zu SAN zeigt sich zunächst eine Erhöhung der Nukleierungsdichte welche zu einer feineren Schaumstruktur mit kleineren Zellen und zu einer Erhöhung der Dichte führt. Auf Grund der sich bildenden Agglomerate fällt die Nukleierungsdichte ab einem Gewichtsanteil von 10 % CNF wieder ab und die Entstehung von einzelnen größeren Zellen bewirkt eine Erhöhung der Dichtereduktion. Wird der Verlauf der Schaumdichte und der Nukleierungsdichte bei steigendem CB-Anteil analysiert ist auffällig, dass sich bei kleinen Gehalten von CB ein leichter Anstieg der Nukleierungsdichte bei einer geringfügig größeren Dichtereduktion ergibt. Dieses Verhalten ist auf die sich bildenden größeren Zellen der bimodalen Schaumstruktur zurückzuführen. Über einem CB-Gehalt von 5 Gew.% ist ein stetiger Anstieg der Schaumdichte zu beobachten. Dieser Anstieg ist mit der steigenden Dehnviskosität des Nanokomposit zu erklären, die das Aufschäumen behindert.
179
Bild 5: REM-Aufnahmen der bei 130 °C für 20 min geschäumten SAN-CNF und SAN-CB Nanokomposite.
Bild 6: a) Schaumdichte und b) Nukleierungsdichte der geschäumten SAN-CNF und SAN-CB Nanokomposite. Die Nanokomposite wurden bei 130 °C für 20 min im Ofen geschäumt.
4
Zusammenfassung
In dieser Studie wurde der Einfluss von zwei Nanoadditiven, CB und CNF, auf das Schäumverhalten von SAN systematisch untersucht. Hierbei werden die Dispergierung der Nanoadditive in der polymeren Matrix und die rheologischen Eigenschaften als Schlüsselfaktoren des Schäumverhaltens angesehen. Bei der Zugabe von CNF zu der SAN-Matrix konnte eine gute Dispergierung bis 10 Gew.% CNF erreicht werden. Die Zugabe des Nanoadditivs erhöhte zudem stufenartig die scheinbare Dehnviskosität des Nanokomposit. Die homogenste Schaumstruktur mit kleinen Poren konnte hierbei mit einem Gewichtsanteil von 5 % und 10 % CNF erreicht werden. Die weitere Zugabe von CNF führte zu einer bimodalen Zellgrößenverteilung mit größeren Zelldurchmessern der zweiten Zellgröße. Durch die Zugabe von CB zu SAN konnte eine bimodale Zellgrößenverteilung bei 1 Gew.% CB in SAN erzielt werden. Eine weitere Erhöhung des CB-Anteils führte zur Bildung von Agglomeraten und einer sprunghaft steigenden scheinbaren Dehnviskosität. Diese behinderte bei CB-Gehalten über 5 Gew.% die Expansion des Schaumes und führte somit zu einer Verringerung der Dichtereduktion.
180
5
Danksagung
Die Autoren danken der Bayrischen Forschungsstiftung für die finanzielle Unterstützung des Projektes (BFS 617/04). Wir danken weiterhin für die experimentelle Unterstützung Herrn Frank Fischer, Herrn Andreas Mainz und Frau Anne Lang (Lehrstuhl Polymere Werkstoffe, Universität Bayreuth).
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14]
Literatur S.T. Lee, Foam Extrusion, CRC Press, 2000. D. Klempner, K.C. Frisch, Handbook of Polymeric Foams and Foam Technology, Hanser, 1991. R. Gendron, Thermoplastic Foam Processing. Principles and Development, CRC Press, 2005. L.J. Lee, C. Zeng, X. Cao, X. Han, J. Shen, G. Xu, Composite Science and Technology, 2005, 65, 2344. J. Shen, X. Han, L.J. Lee, Journal of Cellular Plastics, 2006, 42, 105. J. Shen, C. Zeng, L.J. Lee, Polymer, 2005, 46, 5218. X. Han, L.J. Lee, D.L. Tomasko, Australian Journal of Chemistry, 2005, 58, 492. P. Werner, R. Verdejo, F. Wöllecke, V. Altstädt, J.K.W. Sandler, M.S.P. Shaffer, Advanced Materials, 2005, 17, 2864. J. Meissner, Rheologica Acta, 1971, 10, 230. H.M. Wagner, A. Bernnat, V. Schulze, Journal of Rheology, 1998, 42, 917. D.S. Bangarusampath, H. Ruckdäschel, V. Altstädt, J.K.W. Sandler, E. Wassner, M.S.P. Shaffer, Polymer Engineering and Science, 2008, accepted. J.F. Le Meins, P. Moldenaers, J. Mewis, Rheologica Acta, 2003, 42, 184. J.S. Colton, N.P. Suh, Polymer Engineering and Science, 1987, 27, 485. J.S. Colton, N.P. Suh, Polymer Engineering and Science, 1987, 27, 493.
181
Infiltration von 3D Netzwerken aus Kohlenstoff-Nanomaterial (CNF/CNT) mit Kupfer und Kupferlegierungen M. Kitzmantel1,2), E. Neubauer1), M. Hulman1), I. Smid3), T. Schubert4), S. Forero4), F. Hepp5), L. Pambaguian6) 1)Austrian
Research Centers - ARC GmbH, Seibersdorf (A)
2)
Vienna University of Technology, Vienna (A)
3)
The Pennsylvania State University, University Park, PA (USA)
4)Future
Carbon GmbH, Bayreuth (D)
5)
High Performance Space Structure Systems - HPS GmbH, München (D)
6)
ESA-ESTEC, Noordwijk (NL)
1
Einführung
Metallmatrix-Verbundwerkstoffe (metal matrix composites = MMC) werden in Gebieten eingesetzt, in denen eine Kombination der Eigenschaften unterschiedlicher Materialien gewünscht ist. Kupfer-Kohlenstoff MMCs eignen sich u.a. als Festschmierstoff- oder Wärmesenken-Materialien. Letzteres Anwendungsgebiet basiert auf den hervorragenden thermischen Eigenschaften des Kohlenstoffs in der Form von Nanofasern (CNF) und Nanoröhrchen (CNT), welche in axialer Richtung thermische Leitfähigkeiten von 2000 W/mK und darüber hinaus [1, 2] besitzen. Heutzutage verwendete Wärmesenken-Materialien zeigen in etlichen Einsatzgebieten nicht zufriedenstellende Eigenschaften wie zum Beispiel hohe Dichte, schlechte Bearbeitbarkeit oder hoher Preis. Speziell in elektronischen Anwendungen (z.B. Laser-Dioden) ist eine einfache Bearbeitbarkeit verbunden mit guter Oberflächenqualität von enormer Bedeutung. Einige mögliche Matrixwerkstoffe beschädigen die Kohlenstoffpartikel allerdings bei hohen Temperaturen durch chemische Reaktionen, weshalb sich die Entwicklung auf gegenüber Kohlenstoff chemisch inerte Materialien [3, 4] konzentriert. Im Kupfer-Kohlenstoff System tritt allerdings keine Interaktion bzw. Benetzbarkeit der beiden Materialien auf [5], woraus sich verschiedene Problemstellungen in der Herstellung von Kupfer-Kohlenstoff MMCs ergeben. Wie etliche Studien zeigen, kann die Benetzbarkeit von konventionellen Kohlenstoffsubstraten durch Oberflächenmodifikationen verbessert werden. Diese kann etwa durch Plasmabehandlung des Substrates, auf metallurgischem Weg durch zulegieren oder durch Aufbringen von Karbid-bildenden Metallen [6] geschehen. Zur Untersuchung der Benetzungseigenschaften wurde die „Sessile Drop Technik“ bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt [7]. Bei der Verwendung von Nanomaterialien wie CNT und CNF ist auf den Einfluss der Oberflächenveränderung auf die Gesamteigenschaften besonders zu achten. Bei wachsendem Oberflächen-zu-Volumen Verhältnis kommt den Oberflächeneigenschaften eine enorme Bedeutung zu. Viele Schwierigkeiten, die für die Produktion von MMCs mit regulären Kohlefasern bereits gelöst sind, treten jedoch bei der Verwendung von Nanopartikeln als Füllstoffe erneut bzw. in
182 verstärkter Form auf. Neben guter Separierung, homogener Füllstoffverteilung und Partikelausrichtung sind eine ausreichende Verdichtung und reproduzierbare Qualität zur Ausnutzung der Eigenschaften maßgeblich.
2
Experimentelles
Die Herstellung von Metall Matrix Verbunden (MMC) mit einem hohen Volumenanteil (>40vol.%) an homogen dispergierten Kohlenstoff Nanomaterialien ist über herkömmliche pulvermetallurgische Methoden nicht zufriedenstellend lösbar. Der verwendete Ansatz besteht in der Verwendung von vorgefertigten 3D Netzwerken aus Kohlenstoff Nanofasern (CNF) bzw. Kohlenstoff Nanoröhrchen (CNT), welche über die Flüssigphase durch Kupfer infiltriert werden. Damit lässt sich ein hoher Volumenanteil des Füllermaterials im MMC realisieren. Die untersuchten Matrix-legierungen sind in Tabelle 2 angeführt. Werden Kohlenstoff Nanoröhrchen oder Kohlenstoff Nanofasern als Füllmaterialien in Kupfer Verbundwerkstoffen verwendet, tritt meist eine starke Agglomeration der Kohlenstoff Nanopartikel auf. Dieser Effekt wurde bereits in diversen Studien [8] beobachtet und verhindert das Erreichen des theoretisch vorhergesagten Potentials des Füllmaterials. Die Verwendung von vor-gefertigten 3D Netzwerken (wie z.B. Filze oder Schäume) mit bereits homogen verteiltem Füller-material stellt eine Möglichkeit dar, Agglomerationen zu umgehen. In dieser Studie wurden CNT Schäume und CNF Filze sowie CNT Papiere (BuckyPaper) als Substrate verwendet (Tabelle 1). Tabelle 1: Verwendete Kohlenstoff 3D Netzwerke Verwendete Kohlenstoff 3D Netzwerke: CNF-HB
Filz aus herringbone strukturierten CNFs
CNT-BuckyPaper
CNT Papier mit einer Dicke von 100 μm
3D Netzwerk-OH
funktionalisiert mit OH-Gruppen
3D Netzwerk-AN
wärmebehandelt
3D Netzwerk-B
Vorbehandelt in H2BO3
3D Netzwerk-H2
Vorbehandelt in Wasserstoff
Messungen der Temperaturleitfähigkeit der nicht infiltrierten Substrate haben einen positiven Einfluss einer zusätzlichen Wärmebehandlung vor der Infiltration ergeben. Generell zeigen die hochporösen 3D Netzwerke (95 %–97 %) sehr geringe Temperaturleitfähigkeiten. Diese liegen nach der Herstellung bei etwa 0,4 mm²/s und verdoppeln sich nach einer Wärmebehandlung auf 0,8 mm²/s.
183 2.1
Infiltrationsverfahren
Das Benetzungsverhalten Kohlenstoff Nanofaser/Nanoröhrchen 3D Strukturen mit Metallen und Legierungen wurde in einem „High Temperature Sessile Drop Device (HTSDD) [9] unter Hoch-vakuum (10–3 Pa) untersucht. Die Probe wird dazu auf einem widerstandsgeheizten Tantalblech platziert und über die Schmelztemperatur des jeweiligen Metalls gebracht. Abbildung 1 zeigt den schematischen Aufbau im HTSDD. Das HTSDD bietet den Vorteil von extrem hohen Heizraten und damit kurzen Aufheizzeiten, ist aber auf kurze Haltezeiten (<5 Minuten) limitiert und setzt eine Benetzbarkeit der eingebrachten Systemkomponenten voraus. Probentemperaturen von 1000 °C können innerhalb von 5 Minuten erreicht werden. Zur Untersuchung längerer Haltezeiten (bis zu 180 Minuten) wurde ein ähnlicher Probenaufbau in einem konventionellen Rohrofen unter N2 Atmosphäre verwendet. Druckunterstützte Infiltrationsuntersuchungen sind im Hochvakuumsinterofen (ASTRO APF-0716-MM) unter mechanischem Druck in Schutzgasatmosphäre durchgeführt worden. In diesem Setup (Abb. 2) wurde das Kohlenstoff 3D Netzwerk und das Infiltrationsmetall in eine Graphitmatrize eingelegt, mit einem Graphitstempel verschlossen und einem mechanischen Druck von 80 kPa belastet. Weiters wurden Infiltrationsexperimente mit ähnlichem Setup wie Abbildung 2 in der Heißpresse (FTC HPW 315/400-2200-100-PS/SP) mit bis zu 30 MPa durchgeführt.
Abbildung 1: Experimentelles Setup im HTSDD
Abbildung 2: Setup für druckunterstützte Infiltration im Rohrofen und Heißpresse
2.2
Präparation und Charakterisierung
Die Proben aus den Benetzungs- und Infiltrationsexperimenten wurden als Querschliffe unter dem Lichtmikroskop sowie im Raster Elektronen Mikroskop (Supra 40 VP) charakterisiert. Die
184 Infiltrationstiefe ist definiert durch den mittleren Abstand zwischen Vorform Oberfläche und Infiltrationskante zum nicht mehr infiltrierten Kohlenstoff 3D Netzwerk. Die Infiltrationszone hat somit im Querschliff die breite der Infiltrationstiefe. Zur Elementanalyse wurde das im Rasterelektronenmikroskop eingebaute EDX Spektrometer (EDAX Genesis) verwendet.
3
Ergebnisse und Diskussion
Die erhaltenen Ergebnisse lassen sich grundsätzlich nach den verwendeten Infiltrationselementen in 2 Bereiche unterteilen. Teilweise gute Benetzung und Infiltrationstiefen bis zu einigen hundert Mikrometer zeigten Karbidbildner enthaltende Metalllegierungen wie z. B. Cu-Cr oder Cu-Ti. Mit sogenannten Active Brazing Alloys (ABA-Lötlegierungen [10]) von Wesgo Ceramics GmbH konnten ebenfalls gute Resultate erzielt werden. Eine systematische Abhängigkeit der Flüssig-metall-Infiltrationseigenschaften der 3D Netzwerke entsprechend unterschiedlicher thermischer Vorbehandlungen konnte nicht gefunden werden. Im Fall von Karbide bildenden Legierungen wird in der Infiltrationszone eine sukzessive Konsumation der Kohlenstoff Nanostrukturen zugunsten von Karbiden beobachtet, wobei die Expositionszeit eine entscheidende Rolle spielt. Anhand eines Probenquerschliffs kann dies als quasi zeitlicher Verlauf der Karbidbildung während der Infiltration ausgewertet werden (siehe dazu Abbildung 3). Als „gute Infiltration“ wird eine wie in Abbildung 5 sichtbare, gleichmäßige, nicht lokal begrenzte Infiltration mit einer Infiltrationstiefe von >200 μm bezeichnet. Lokal begrenzte Infiltrationszonen wurden mit „teilweise Infiltration“ charakterisiert. Für alle verwendeten 3D Netzwerke konnte mit reinen Metallen nur eine schlechte bis keine Benetzung sowie keine eindeutige Infiltration festgestellt werden.
Abbildung 3: Querschliff des Infiltrationsverlauf von CuABA im CNF-HB Filz, Lichtmikroskop
Experimente zur Benetzbarkeit der Kohlenstoff Vorformen wurde im High Temperature Sessile Drop Device durchgeführt. Im Fall von sehr guter Benetzung verkleinert sich der Kontaktwinkel und bei optimaler Legierungswahl infiltriert die Matrix ohne von außen angelegten Druck in die Vorform. Abbildung 4 zeigt den zeitlichen Verlauf der Infiltration eines CNT Papiers (BuckyPaper) mit einer Kupferlegierung (CuABA [10]) im HTSDD (10–3 Pa).
185
Abbildung 4: Infiltration von CNT-Papier durch CuABA im HTSDD.
3.1
CNF Filze
Die untersuchten CNF-3D Netzwerke zeigen Infiltrationszonen von wenigen 100μm mit deutlich sichtbaren Kohlenstoffstrukturen (Abbildung 3 und 5). Die Nanofasern sind in den 3D Netzwerken gut verankert und liegen auch nach der Infiltration einzeln und gut verteilt in der Matrix. Wie in etlichen Studien dargestellt [5-8], wird die Benetzung von Kohlenstoff durch Kupfer durch den Einsatz von Karbid bildenden Elementen verbessert. Diese Karbide ermöglichen eine teilweiseInfiltration des Substrates. Mit reinen Metallen wurde keine Infiltration beobachtet. Nach Auswahl der geeigneten Legierungen konnten über Druck unterstützte Infiltrationsmethoden Infiltrationstiefen von mehreren 100 μm erreicht werden. Eine Übersicht der Ergebnisse ist der Tabelle 2 zu entnehmen. Es wurden unterschiedlich vorbehandelte 3D Netzwerke untersucht. Wärmebehandlung vor der Infiltration führt zu einem Anstieg der generell niedrigen thermischen Leitfähigkeit der Kohlenstoff Vorformen. Eine direkte Korrelation zum Infiltrationsverhalten lässt sich jedoch nicht eindeutig feststellen. Die aus Abbildung 3 abzulesende Konsumation der Kohlenstoff Nanopartikel zugunsten von Karbiden ist ein wichtiger Punkt bei der Wahl der Prozessparameter bei der Infiltration. Sowohl die Infiltrationseigenschaften als auch der Grad der Karbidbildung kann durch die Konzentration der Karbide bildenden Elemente in der Matrix Legierung gesteuert werden. Fortführende Arbeiten werden einen Schwerpunkt auf die Optimierung dieses Zusammenhangs legen müssen um die möglichen Eigenschaften des Kompositwerkstoffes optimal ausnützen zu können.
186 Tabelle 2: Infiltration und Benetzbarkeit der 3D Netzwerke durch Metalle und Metalllegierungen. Der über die Infiltrationstechnik erreichte Kohlenstoff Nanopartikel Volumenanteil nach Infiltration bewegt sich im Bereich von > 40 vol.% Matrix Legierungselemente
Vorform
Setup
Ergebnis
In, Sn, Bi, Pb, Cu
1,2,3-AN,4
HTSDD
nicht benetzend
CuCr1Zr
1,2,3,4
HTSDD
nicht benetzend
CuCr-c2
1,2,3-AN
HTSDD
teilweise benetzend
CuABA (Cu, Si, Ti, Al)
1,2,3-AN
HTSDD
nicht benetzend
CuABA (100nm Ti)
1
HTSDD
benetzend
CuABA
4
HTSDD ASTRO
gute Infiltration teilweise Infiltration
TicusilABA (Ag, Cu, Ti)
1
HTSDD ASTRO
nicht benetzend
TicusilABA
2,3-AN,4
HTSDD
benetzend
TicusilABA
1
Rohrofen; N2, 1300 °C gute Infiltration >200 μm
CusilABA (Ag, Cu, Ti)
2,3-AN
ASTRO
Infiltration <50 μm
CuB-c1
4-B
ASTRO
gute Infiltration >200 μm
CuB-c1
3, 4-AN, 4-H2, 3-B, 3-H2
Heißpresse
keine Infiltration
CuB-c2
4, 4-AN, 4-B, 4-H2
Heißpresse
teilweise Infiltration
CuB-c2
3-AN, 3-B, 3-H2 Heißpresse
gute Infiltration >200 μm
CuTi-c1
4-AN, 4-H2
Heißpresse
Infiltration ~100–200 μm
CuTi-c1
4-B
Heißpresse
nicht-kontinuierliche Infiltration, ~10 μm
CuTi-c1
4-H2
Heißpresse
Infiltration ~100 μm
CuTi-c1
3-AN, 3-B, 3-H2 Heißpresse
teilweise Infiltration
CuTi-c2
4-AN
Heißpresse
nicht-kontinuierliche Infiltration, <50 μm
CuTi-c2
4-B, 4-H2
Heißpresse
schwach, nicht-kontinuierlich.
CuTi-c2
3-AN
Heißpresse
gute Infiltration >200μm
CuTi-c2
3-B, 3-H2
Heißpresse
Infiltration <100μm
1… CNF-HB 2… CNT-OH 3… CNT 4… CNT-BuckyPaper HTSDD ... drucklos Rohrofen … drucklos c1...<1 vol.% Zulegierung c2.. 1–3 vol.% Zulegierung ASTRO … unter externem mechanischem Druck
187
Abbildung 5: Infiltration eines CNF-HB Filzes durch Ticusil [10] von Wesgo Metals unter mechanischem Druck
3.2
CNT 3D Netzwerke
Die deutlich kleineren Strukturen der CNTs sind im Netzwerk nicht so stark örtlich gebunden wie die CNFs. Bei der Flüssigmetallinfiltration kommt es zur Verdrängung der Nanotubes durch die Legierung und Umschließung von CNT-Agglomeraten durch die Matrix. Eine Infiltrationstiefe von mehreren 100 μm konnte erreicht werden, kleine Bereiche von CNT-Clustern bleiben allerdings erhalten. Ziel ist, durch eine Optimierung der Prozessparameter (Legierungszusätze, Verfahrens-parameter) auch eine vollständige Infiltration dieser Agglomerate zu erreichen (Abbildung 7).
Abbildung 7: Bei der Infiltration eines CNT-3D Netzwerk auftretende nicht infiltrierte Kohlenstoff Nanoröhrchen Agglomerationen. rechts: Infiltrationsziel.
4
Zusammenfassung und Ausblick
Eine Übersicht der erhaltenen Ergebnisse ist in Tabelle 2 angeführt. Die Infiltration von Nanokohlenstoff 3D Netzwerken mit Metallen, im speziellen Kupfer, ist keinesfalls trivial. Die Benetzbarkeit des Systems kann durch Karbide bildende Additive deutlich verbessert und dadurch eine Infiltration initiiert werden. Sofern die Kohlenstoff Füllermaterialien (CNF/CNT) in zu
188 großem Ausmaß zu Karbid reagieren, geht ihre Verstärkungswirkung verloren. Nur mit dünnen Karbidschichten von wenigen nm Dicke können die gewünschten Eigenschaften erzielt werden. Um größere Infiltrationstiefen zu erhalten, ist die Wahl der Legierung und der Einsatz von zusätzlichem Druck maßgeblich. Thermische Vorbehandlungen der Substrate haben keine eindeutigen Einflüsse auf das Infiltrationsverhalten gezeigt. Bei Verwendung von Karbidbildnern sind die Wahl des jeweiligen Karbid bildenden Elements sowie die verwendeten Temperaturen und die Haltezeiten von enormer Bedeutung für die Breite der Infiltrationszone. Eine Optimierung der sich bildenden Karbid-Schichtdicke ist neben der vollständigen Infiltration des 3D Netzwerks ein wesentliches Ziel der weiterführenden Arbeiten.
5
Danksagungen
Die Autoren danken für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des ESA Projektes “NACO” (Projektnr.: 20505/06/NL/PA) sowie des EU Projektes “INTERFACE” (Projektnr.: STRP 031712 INTERFACE).
6 [1] [2]
Literatur
J.R. Lukes, H. Zhong: Journal of Heat Transfer, 2007, 705–716. J. Hone, M. Whitney, C. Piskoti, A. Zettl: Rapid Communications Vol 59 No 4 The American Physical Society, 1999, 2514–2516. [3] R.B. Barclay, W. Bonfield: Journal of Mat. Sci. 6, 1971, 1076. [4] B.W. Howlett et al.: Paper No.14 International Conference on Carbon Fibers, Their Composites and Applications, Plastic Institute, London, 1971. [5] Naidich, Yu, G.A. Kolesnichenko: Russian Metallurgy (Metally) No.4, 1968, 141. [6] D.A. Mortimer, M Nicholas: Journal of Mat. Sci. 8, 1973, 640–648. [7] R. Voitovitch, A. Mortensen, F. Hodaj: Acta Metallurgica 47, 1999, 1117–1128. [8] E. Neubauer, M. Kitzmantel, C. Eisenmenger-Sittner, I. Smid and P. Angerer: “Copper based composites reinforced with carbon nanofibers” International Conference on Powder Metallurgy (PM07), Denver, 2007. [9] B. Schwarz, C. Eisenmenger-Sittner, H. Steiner: Vacuum vol 82, 2008, 186–188. [10] Wesgo Ceramics GmbH: Datenblatt für Active Brazing Alloys (ABA), Erlangen, 2007.
189
Gewebe- und gewirkeverstärkter Aluminiumschaum für Leichtbaukonstruktionen Monika Seeger1), Reinhard Helbig1), Jörg Hohlfeld2), Carsten Lies2) 1) 2)
1
Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V. an der Technischen Universität Chemnitz Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Chemnitz
Einführung
Für den Leichtbau werden in allen industriellen Bereichen, insbesondere im Maschinenbau und in der Automobilindustrie, immer wieder neue und in ihren Eigenschaften angepasste Werkstoffe gefordert. Die zellularen metallischen Werkstoffe gehören zu einer Werkstoffgruppe mit hohem Leichtbaupotenzial. Einer dieser innovativen Werkstoffe ist Aluminiumschaum. Dieser zellulare Leichtbauwerkstoff weist gleich den Vorbildern in der Natur (Knochen, Holz) den Vorzug geringen spezifischen Gewichts bei gleichzeitig hoher Steifigkeit auf. Die zellulare Struktur des Aluminiumschaums ermöglicht zudem ein sehr gutes Energieabsorptions- und Dämpfungsvermögen. Im Maschinenbau ist Aluminiumschaum mittlerweile kein unbekannter Werkstoff mehr und wird bevorzugt dort eingesetzt, wo Leichtbau und gute Schwingungsdämpfung gefordert werden. Anwendungen betreffen bisher meist den Werkzeugmaschinenbau, wo gewichtsoptimierte Baugruppen gefordert werden, um noch kürzere Fertigungszeiten bei gleichzeitig guten oder verbesserten Werkstückqualitäten zu erzielen. Vor allem im Verbund mit Stahl kann Aluminiumschaum seine Stärken ausspielen. Als schubsteifer Kern in Sandwiches mit Stahldeckblechen sorgt er dafür, dass die Bleche auf Abstand gehalten und ein hohes Flächenträgheitsmoment verwirklicht wird. Auf diese Weise sind gegenüber massegleichen Blechen bis 40fache Biegesteifigkeiten einstellbar. Aber auch ausgeschäumte Stahlprofile sind weniger knickgefährdet als baugleiche Hohlprofile. Auf diese Weise lassen sich zum einen Stahlstrukturen „abspecken“ und gleichzeitig infolge der Schaumstruktur Schwingungen sehr gut dämpfen. Typische Anwendungen, mittlerweile auch mit Serienstatus, sind bewegte Baugruppe wie Maschinenschlitten sowie Gestellbaugruppen.
Bild 1: Metallschaum-Bauteile (Platten, Quader, Zylinder, 3-D-Teile, um- u. ausgeschäumte Profile, Sandwiches).
190 Das Bauteilspektrum (1) umfasst sowohl einfache bis kompliziert geformte 3-D-Teile aus reinem Schaum als auch Verbunde wie ausgeschäumte Profile und Sandwichplatten. Letztere lassen sich problemlos mit konventionellen Fügeverfahren wie Schweißen zu großen Baugruppen fügen. Prototypen (Bild 2), die am Metallschaumzentrum des Fraunhofer IWU in Chemnitz gefertigt und erprobt wurden, unterstreichen diese Aussage eindrucksvoll [1–4].
Bild 2: Portal einer Fräsmaschine für den Großwerkzeug- und Formenbau (weltgrößte Baugruppe mit Aluminiumschaum).
2
Herstellung von Aluminiumschaum-Stahl-Sandwiches
Aluminiumschäume können nach verschiedenen Verfahren gefertigt werden. Zu den am weitesten entwickelten Metallschäumverfahren gehört das Schäumen kompaktierter Pulvermischungen („pulvermetallurgisches Verfahren“) [5]. Nachfolgend wird das pulvermetallurgische Verfahren, speziell die Sandwichfertigung, erläutert [6]. Die Herstellung erfolgt in mehreren Prozessschritten Bild 3: Herstellung von Aluminiumschaum-Stahl-Sandwiches nach dem pulvermetallurgischen Verfahren.(3): • Herstellung der Pulvermischung für das schäumbare Vormaterial (z. B. aus Al-Pulver und 0,8 % TiH2-Pulver); • Vorkompaktieren des Pulvergemischs zu Blöcken mittels Einstempel-Axialpressens; • Strangpressen der vorkompaktierten Blöcke zu hochdichtem Strangmaterial; • Positionieren und Fixieren der Sandwichdeckbleche (Stahl) in der Schäumform; Einlegen des schäumbaren Al-Strangmaterials zwischen die Bleche; Verschließen der freien Bereiche zwischen den Blechrändern;
191 • Chargieren der Schäumform inkl. Sandwichsatz in den Ofen, nachfolgende Wärmebehandlung; • nach dem Schäumen Abkühlen von Schäumform und Sandwich auf Raumtemperatur.
Bild 3: Herstellung von Aluminiumschaum-Stahl-Sandwiches nach dem pulvermetallurgischen Verfahren.
3
Neue Konzepte für Aluminiumschaum-Halbzeuge
Noch „leichteres“ Konstruieren als mit Aluminiumschaumverbunden ist nur realisierbar, wenn man entweder die Verbunde selbst weiter in ihrer Masse reduziert oder reine Aluminiumschaumplatten einsetzt. Im letzten Fall sind damit Nachteile verbunden. Zum einen liegen die Festigkeiten der Schaumplatten deutlich unter denen der Sandwiches mit Stahldeckblechen, zum anderen fehlen die Stahldeckbleche, welche zum Fügen der Teile durch Schweißen nötig sind. Da der Aluminiumschaumkern nur noch unwesentlich in seiner Masse reduziert werden kann (mögliche Dichten: ca. 0,5 g/cm3), besteht ein viel versprechender Ansatz in einer Massereduktion der Stahldeckbleche selbst, im einfachsten Fall durch Lochbleche. Hierbei weicht man vom bisherigen Fertigungsprinzip nur wenig ab. Offen ist, inwieweit bei Schub-, Scheroder schälender Beanspruchung deutliche Nachteile gegenüber den Sandwiches mit kompakten Deckblechen bestehen oder ob nur wenige Abstriche bezüglich des Einsatzes gemacht werden müssen. Effektiver erscheint die in Bild 4 und 5 skizzierte Nutzung von vorgefertigten Gitteroder Netzstrukturen aus Stahl Diese Materialien bieten in Analogie zu GFK- bzw. CFK-Werkstoffen die Möglichkeit, diese Strukturen belastungsgerecht und mit nur so viel Material einzubringen, wie tatsächlich für die vorgesehenen Belastungsfälle nötigt ist. Dadurch werden drastische Gewichtsreduzierungen möglich. Allerdings ergeben sich daraus neue Fragestellung bezüglich der Fertigung und der Eigenschaften daraus hergestellter Halbzeuge. Aufgrund der geringen Verbindungsfläche zwischen den Gitter- bzw. Netzstrukturen und dem Aluminiumschaum wird das bei der Sandwichfertigung mit kompakten Deckblechen typische Anschäumen an die Gitter- bzw. Netzstrukturen für eine gute Haftung nicht mehr ausreichen. Hier wird man das Umschäumen der Strukturen wählen müssen. Um den vorteilhaften Sandwicheffekt weiterhin nutzen zu können, müssen die Gitter- bzw. Netzstrukturen in den Randbereichen der Platten fixiert sein [4].
192
Bild 4: Prinzipaufbau einer Aluminiumschaumplatte mit gitter- bzw. netzartiger Bewehrung.
Der qualitative Vergleich der Eigenschaften der Halbzeuge Aluminiumschaumplatte, bewehrte Aluminiumschaumplatte und Aluminiumschaum-Sandwich entsprechend [5] zeigt, dass die bewehrte Schaumplatte gegenüber dem Sandwich deutliche Gewichtsvorteile aufweist. Im Vergleich zur Schaumplatte sind offensichtliche Vorteile bei den statischen Eigenschaften, besonders bei Zugbeanspruchung, zu erwarten. Zudem eröffnen sich mit dem Einschäumen von Stahlstrukturen Möglichkeiten, vorgefertigte Halbzeuge durch Schweißen zu verbinden. Hierzu ist es sinnvoll, spezielle Verbindungselemente zu schaffen.
Bild 5: Vergleich der Eigenschaften verschiedener Halbzeuge.
Die Unterschiede der Halbzeugeigenschaften lassen erwarten, dass bewehrte Aluminiumschaumteile vielfältige Marktanforderungen abdecken können. Bezüglich der Verstärkung von Randbereichen komplexer 3-D-Aluminiumschaum-Strukturen bestehen bisher nur unbefriedigende Lösungen. Für einfache gewölbte Bauteile können zur Verstärkung Bleche vorgesehenen werden, die vor der Verbundherstellung ausgeformt werden. Aus technologischer und/oder auch ökonomischer Sicht sind komplexe Verbundstrukturen auf diese Weise nicht mehr herstellbar. Hier drängt sich die Verwendung drapierfähiger Gitter- und/ oder Netzstrukturen regelrecht auf. Mit einfachen Mitteln (z. B. Abstandshaltern) sollte eine Positionierung derartiger Strukturen in Schäumformen möglich sein. Im folgenden Wärmebehandlungsprozess werden diese Strukturen eingeschäumt – diese vermitteln dem Schaumteil eine
193 höhere Steifigkeit sowie Konturbeständigkeit. Mit der Aufführung komplexer Strukturen werden Anwendungen wie Gerätegehäuse und Rohrumhausungen möglich.
4
Bewehrungsstrukturen
Als Bewehrung des Aluminiumschaums sollen Gewebe und Gewirke aus Metalldraht dienen. Dabei sind Varianten mit sehr hoher Formstabilität als auch flexible, drapierfähige Metallgitter und -netze für die Bewehrung räumlich kompliziert geformter Bauteile denkbar [7, 8]. Die mechanischen Kennwerte können die der Schaumplatten deutlich übertreffen, Untersuchungen zu belastungsgerecht eingearbeiteten Gitter- oder Netzstrukturen aus Stahl analog zu GFK- bzw. CFK-Werkstoffen werden in die Untersuchungen einbezogen. Die Öffnungsweiten der Netzmaschen sind für Gewebe und Gewirke frei wählbar und die mechanischen Eigenschaften in Längs- und Querrichtung relativ unabhängig voneinander (anisotrope Eigenschaften, z. B. Lastaufnahme, Drahtwerkstoff, unsymmetrische Auslegung der Maschen). Einerseits können gewirkte Netzstrukturen extrem drapierfähig gestaltet werden, andererseits sind dehnungsbegrenzende, stabilisierende Längs- und Querfäden sowie spezielle Verstärkungselemente wie Stäbe einarbeitbar. Bild 6 zeigt Beispiele für mögliche Bewehrungsstrukturen.
Bild 6: Beispiele für Bewehrungsstrukturen aus metallischen Werkstoffen.
5
Danksagung
Wir danken für die Förderung des laufenden Forschungsprojektes Nr. 12424/2026 aus Mitteln des Freistaates Sachsen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie der Sächsischen Aufbaubank für die Unterstützung. Weiterhin bedanken wir uns bei unseren Forschungspartnern für die gute Zusammenarbeit bei der Lösung der anspruchsvollen Aufgaben zur Bearbeitung des Projekts.
6 [1]
[2]
Literatur T. Hipke: Analyse, Bewertung und Eignung von Aluminiumschäumen für die Werkzeugmaschinenkonstruktion, Berichte aus dem IWU – Bd. 15; Dissertation; Verlag Wissenschaftliche Scripten, 2002, Zwickau. T. Hipke: Harte Schale, weicher Kern = mehr Dynamik; Technica 51 (2002) 23; S. 23–26.
194 [3]
[4] [5] [6] [7] [8]
J. Hohlfeld, T. Hipke: Zellulare Metalle auch in Werkzeugmaschinen. Chemnitzer bauen weltgrößtes Metallschaumteil für Fräsmaschine; Industrieanzeiger 127 (2005) 30, S. 29–30. R. Neugebauer, T. Hipke, J. Hohlfeld, R. Thümmler: Ein Weg zu leichten Bauteilen; Der Konstrukteur (2004); S. 16–18. T. Hipke, J. Hohlfeld, R. Thümmler: Metallschaum – Konstruktionswerkstoff für den Werkzeugmaschinenbau; Metall 57 (2003) 9; S. 557–562. R. Neugebauer, C. Lies, J. Hohlfeld, T. Hipke: Adhesion in sandwiches with aluminum foam core. Production Engineering (2007) 3; S. 271–278. Thiele, E., BMWA-Forschungsvorhaben 1152/02, Schlussbericht, STFI 2004. Seeger, M., BMWi-Forschungsvorhaben 139/95, Schlussbericht, STFI 1996.
195
Untersuchungen zum Einfluss unterschiedlicher Fertigungsparameter des PIP-Verfahrens auf die Materialeigenschaften von textilverstärkten Keramiken W. Hufenbach, H. Richter, T. Behnisch, A. Langkamp Technische Universität Dresden, Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, 01062 Dresden
1
Einführung
In jüngster Zeit ist eine große Vielfalt keramischer Verbundwerkstoffe entwickelt worden, insbesondere um extrem leichte, hochtemperaturstabile oder tribologisch stark beanspruchte Bauteile für komplexe technische Anwendungen bereitzustellen [1–3]. Die vorhandenen Verbundwerkstoffe mit keramischer Matrix, und hier insbesondere solche mit einer Textilverstärkung, besitzen sowohl ein hohes Leichtbaupotential als auch in Verbindung mit unterschiedlichen Fertigungsverfahren eine hohe Flexibilität zur gezielten Einstellung der Werkstoffeigenschaften [4, 5]. Bei vielen technischen Problemen ist das verstärkende Fasergerüst allerdings noch nicht oder nur unzureichend an den räumlichen Kraftflüssen im Bauteil orientiert. Dies stellt ein wesentliches Defizit derzeitiger Leichtbaukonstruktionen dar, das sich durch neue textile Verbundbauweisen und insbesondere mittels angepasster Fertigungstechnologien beheben lässt. Die Imprägnierung textiler Verstärkungsstrukturen mit reinen oder pulverdotierten präkeramischen Polymeren in Verbindung mit einer anschließenden Pyrolyse stellt eine gute Möglichkeit zur Fertigung keramischer Verbundwerkstoffe dar. Bei der Anwendung des Polymerinfiltrations- und Pyrolyse-(PIP-)Verfahrens werden zur Steigerung der keramischen Feststoffausbeute sowie zur Kompensation der Volumenschrumpfung den Ausgangspolymeren häufig passive oder aktive Füllstoffe beigemischt [6, 7]. Derartige Additive können vor der Infiltration auf die textilen Verstärkungslagen aufgestreut oder direkt in Form einer mit Feststoffpartikeln angereicherten Polymersuspension in das Fasergerüst injiziert werden [8, 9]. Die Infiltrierbarkeit partikeldotierter präkeramischer Schlicker in textile Preformen im PIP-Verfahren zur Realisierung einer effizienten Matrixausbeute ist derzeit vorrangig mit dem Handlaminierverfahren und der Wickeltechnologie möglich, wodurch die Designfreiheit maßgeblich eingeschränkt ist. Die Anwendung des RTM-Verfahrens zur Schlickerinfiltration textiler Fasergerüste würde die Herstellung komplex geformter Bauteile in integraler Bauweise erlauben und damit die Einsatzmöglichkeiten des PIP-Verfahrens zur Fertigung keramischer Verbundstrukturen nachhaltig verbessern. Eine entscheidende Voraussetzung ist es dabei, dem auftretenden Filtrationseffekt so zu begegnen, dass ein möglichst hoher Additivfüllgrad im Verbundmaterial umgesetzt werden kann. Denn die Zugabe von mikro- oder nanoskaligen Additiven führt zu beträchtlichen Viskositätserhöhungen des Precursors und insbesondere beim Einsatz einschlägiger Injektions- oder Infusionstechnologien zu ausgeprägten Filtrationseffekten entlang der Fließwege (Bild 1: a) Ausbildung eines ausgeprägten Filterkuchens am Rand der Textilhalbzeuge bei einer ergebnislosen Imprägnierung (oben) sowie bei einer erfolgreichen Preformin-
196 filtration (unten), b) Schematischer Ablauf der Herstellung textilverstärkter Keramiken mittels PIP-Verfahren, c) Fließfrontverlauf während der Schlickerinfiltration1a) und folglich zu einer unzureichenden Durchtränkung des Fasergerüstes [10–13]. Demnach unterliegt diese Fertigungsmethode verfahrensbedingten Restriktionen. Im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchungen wurde daher insbesondere der Einfluss von Partikelgröße, Art des Textilhalbzeuges, Faservolumengehalt, Höhe des Additivanteils sowie Injektionsdruck auf das Infiltrationsverhalten eines mit Siliziumkarbid-(SiC-)Pulver angereicherten Polytitanocarbosilan-Precursors untersucht und anhand grundlegender Verbundeigenschaften bewertet.
2
Parameterauswahl und Prüfkörperfertigung
Die Herstellung der Prüfkörper aus kohlenstofffaserverstärktem Siliziumkarbid (C/SiC) erfolgte im so genannten Polymerinfiltrations- und Pyrolyse-(PIP-)Verfahren (Bild 1: a) Ausbildung eines ausgeprägten Filterkuchens am Rand der Textilhalbzeuge bei einer ergebnislosen Imprägnierung (oben) sowie bei einer erfolgreichen Preforminfiltration (unten), b) Schematischer Ablauf der Herstellung textilverstärkter Keramiken mittels PIP-Verfahren, c) Fließfrontverlauf während der Schlickerinfiltration1b), welches in [14, 15] ausführlich beschrieben ist. Der begrenzende Faktor für eine vakuum- bzw. druckunterstützte Infiltration von textilen Halbzeugen mit einem pulverdotierten präkeramischen Schlicker ist das Ausfiltern der Feststoffpartikel durch die textile Struktur der Preform, womit die Entstehung eines Filterkuchens einhergeht. Um das Infiltrationsverhalten des Schlickers visuell beobachten zu können, wurde bei den hier durchgeführten Untersuchungen auf ein Formwerkzeug (130 × 130 × 2 mm³) mit einem transparenten Werkzeugdeckel zurückgegriffen (Bild 1). Für die Analyse des Einflusses der Ausgangsmaterialien kamen sowohl verschiedene kommerziell erhältliche SiC-Pulver als
Bild 1: a) Ausbildung eines ausgeprägten Filterkuchens am Rand der Textilhalbzeuge bei einer ergebnislosen Imprägnierung (oben) sowie bei einer erfolgreichen Preforminfiltration (unten), b) Schematischer Ablauf der Herstellung textilverstärkter Keramiken mittels PIP-Verfahren, c) Fließfrontverlauf während der Schlickerinfiltration
197 auch unterschiedliche Kohlenstofffasergewebe zum Einsatz. Zudem wurden innerhalb der einzelnen Versuchsreihen die in Tabelle 1 aufgeführten Fertigungsparameter variiert. Tabelle 1: Innerhalb der Versuchsreihen variierte Fertigungsparameter und Ausgangsmaterialien Angusskonzept
SiC-Pul- Gewebetyp ver-Typ
Punktanguss
UF 25
VerpresFüllstoff- Precursortyp sung im anteil Formwerk- [Gew.-%] zeug
Injektionsdruck [bar]
Leinwand – 1K
7 Lagen
0
Polytitanocarbosilan
0
Linienanguss C15
Köper 2/2 – 3K
8 Lagen
27
Allylhydridopolycarbosilan
1
Ringanguss
Köper 2/2 – 6K
9 Lagen
34
3
40
5
C05 SIKA F1200 SIKA F1000
Im Anschluss an die Schlickerinfiltration wurden die Grünkörper in einem prozessgesteuerten Schutzgas-Muffelofen einer verfahrensspezifischen Vorpyrolyse unterzogen. Mittels dieser thermischen Vorbehandlung entsteht ein formstabiles Zwischenpyrolysat, welches aus dem Infiltrationswerkzeug entformt werden kann und nahezu verzugsfrei nachpyrolysierbar ist. Bei der darauf folgenden verkürzten Hauptpyrolyse wird das Zwischenpyrolysat schnell bis zur Vorpyrolysetemperatur aufgeheizt und anschließend einer Hochtemperaturbehandlung bei einer Maximaltemperatur von 1100 °C unterzogen. In einem weiteren Herstellungsschritt wurden die Versuchsmuster vakuumunterstützt in einem Exsikkator mit dem Schlicker einmalig nachinfiltriert und erneut einer Hauptpyrolyse unterzogen. An ausgewählten Probekörpern wurden anschließend in Anlehnung an die DIN EN 1389 sowohl die offene Porosität als auch die Rohdichte bestimmt.
3
Ausgewählte Ergebnisse der Fertigungsstudien
Sowohl der Ringanguss als auch der Linienanguss sind dem Punktanguss als Angusskonzept für die Anwendung des RTM-Verfahrens zur Infiltration eines präkeramischen Schlickers in eine textile Preform vorzuziehen, da diese dem Schlicker die größtmögliche Fläche bieten, um das textile Fasergerüst von allen Formwerkzeugseiten her zu imprägnieren. Im Rahmen der hier durchgeführten Arbeiten haben sich zudem die vergleichsweise grobkörnigen SiC-Pulver SIKA F1000 und F1200 als am besten geeignet herausgestellt (Tabelle 2). Denn die feinkörnigeren SiC-Pulver können mit dem hier verwendeten Polytitanocarbosilan-Precursor nicht in eine stabile Dispersion überführt werden. Aufgrund des erhöhten Agglomerationsverhaltens tendieren diese Schlickermischungen zu starken Entmischungserscheinungen und infolgedessen zu einem verstärkten Ausfiltern der Feststoffpartikel am Rand der Textilhalbzeuge, was eine erfolgreiche Infiltration unmöglich macht. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der schlechten Korrelati-
198 on der feinkörnigen Pulver mit dem verwendeten Precursorsystem und zum anderen in der Eigenwirkung des dadurch bedingten Filterkuchens, welcher auf Grund der viel geringeren Korngröße der Partikel möglicherweise undurchlässiger ist als der von Schlickermischungen mit grobkörnigeren Feststoffpartikeln. Tabelle 2: Angaben zu Partikelgrößen sowie dem Dispergier- und Infiltrationsverhalten unterschiedlicher SiC-Pulver Bezeichnung
Herstel- Partikelgrößen ler (Herstellerangaben) d90 [μm]
d50 [μm]
d10 [μm]
UF 25
H.C. Starck
0,80
0,45
0,20
C15
ceram GmbH
1,20
0,60
0,30
C05
ceram GmbH
1,62
0,67
0,26
SIKA F1200 SaintGobain
–
3,10
-
SIKA F1000 SaintGobain
–
4,50
-
Dispergier- und Infiltrationsverhalten
• Hohe Neigung zur Entmischung • Starkes Agglomerationsverhalten • Schnell anwachsender Filterkuchen am Geweberand verhindert Infiltration • Hohe Neigung zur Entmischung • Starkes Agglomerationsverhalten • Schnell anwachsender Filterkuchen am Geweberand verhindert Infiltration • Erhöhte Stabilität der Dispersion • Rasche Ausbildung eines Filterkuchens verhindert vollständige Infiltration • Homogener Schlicker • Sukzessive Ausbildung eines kleinen Filterkuchens • Erfolgreiche Infiltration • Homogener Schlicker mit schwacher Entmischungsneigung • Sukzessive Ausbildung eines kleinen Filterkuchens • Erfolgreiche Infiltration mit einer höheren Infiltrationsgeschwindigkeit als bei SIKA F1200
Aus den experimentellen Untersuchungen geht ferner hervor, dass neben der Garnfeinheit der verwobenen Verstärkungsfasern auch die aufgrund der Lagenanzahl eingestellte Verpressung des Fasergerüstes im Formwerkzeug, über die letztendlich der Faservolumengehalt eingestellt wird, einen erheblichen Einfluss auf das Infiltrationsvermögen des Schlickers sowie das Ausfiltern der Feststoffpartikel hat. Bereits eine geringe Erhöhung der Lagenverpressung führt erwartungsgemäß zu einem stärkeren Filterkuchenwachstum in Verbindung mit einer höheren Infiltrationsdauer. Eine zu geringe Verpressung tendiert hingegen zu einem inhomogenen Fließfrontverlauf, welcher häufig mit der Bildung von Schlickerinseln einhergeht. Daraus ergibt sich ein vergleichsweise begrenzter Spielraum zur Variation des Faservolumengehaltes, in der das optimale Verhältnis zwischen der Verpressung der textilen Preform und einer guten Infilt-
199 rierbarkeit des Schlickers unter Berücksichtigung eines tolerierbaren Filtrationseffektes zu suchen ist. In diesem Bereich konnten durch den Einsatz eines 3-K-Gewebehalbzeugs die besten Infiltrationsergebnisse erzielt werden. In Bild 2: Einfluss des Füllstoffanteils im Schlicker sowie der Verpressung der Textillagen im Formwerkzeug auf die offene Porosität des C/SiC-Materials2 ist zu erkennen, dass eine niedrige Verpressung der Faserpreform im Formwerkzeug dazu führt, dass mehr Pulverbestandteile in das Fasergerüst gelangen, was sich in einer geringeren offenen Porosität im Verbundmaterial widerspiegelt. Durch die Variation des Füllstoffanteils im Schlicker konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass ein niedriger Anteil an Feststoffpartikeln im Schlicker eine geringere offene Porosität im späteren Verbundmaterial bewirkt (Bild 2). Dieses Ergebnis liegt darin begründet, das bei einem erhöhten Pulveranteil mit einem verstärkten Filtrationseffektes zu rechnen ist, wodurch deutlich weniger Feststoffpartikel in das zu infiltrierende Fasergerüst gelangen, was wiederum zu einer höheren offenen Porosität im späteren Verbundmaterial führt. Nach dem ersten Nachinfiltrationszyklus tritt der angesprochene Trend zur Porositätserhöhung infolge eines vermehrten Pulvereinsatzes deutlicher hervor. Der Einsatz eines reinen präkeramischen Polymers verursacht gegenüber einem pulverdotierten Schlicker jedoch eine signifikant höhere Porosität im keramischen Verbundwerkstoff. Zudem stellt sich für die Infiltrierbarkeit des Schlickers ein oberer Grenzwert von etwa 40 Gew.-% für vergleichsweise kurze Fließwege ein (Bild 3). Bei größeren Fließwegen gelingt eine erfolgreiche Schlickerinfiltration nur noch mit Additivanteilen von weniger als 30 Gew.-%. Darüber hinaus ist ein alleiniges, steigerseitiges Vakuum nicht mehr ausreichend und ein zusätzlicher Injektionsdruck wird erforderlich, der die Infiltrationsdauer allerdings signifikant verkürzt (Bild 3). Entgegen des deutlich geringeren Füllstoffanteils im Schlicker zeigen die Porositätsmessungen im Vergleich zu handlaminierten Materialproben, die mit einem Additivgehalt von etwa
Bild 2: Einfluss des Füllstoffanteils im Schlicker sowie der Verpressung der Textillagen im Formwerkzeug auf die offene Porosität des C/SiC-Materials
200
Bild 3: Einfluss des Füllstoffanteils sowie des Injektionsdruckes auf den Fließweg und die Infiltrationsgeschwindigkeit des verwendeten präkeramischen Schlickers
50 Gew.-% hergestellt wurden, jedoch vergleichbare Basiswerte für die offene Porosität (Bild 4). Hier ist anzunehmen, dass das im Schlicker befindliche Lösungsmittel aufgrund des Dampfdruckes infolge des steigerseitig aufgebrachten Vakuums stärker ausgast als beim Handlaminieren. Somit ist es denkbar, dass der Schlicker während der Infiltration eindickt, wodurch sich die SiC-Ausbeute erhöht. Des Weiteren leistet der Typ des verwendeten präkeramischen Polymers einen entscheidenden Beitrag für die späteren Verbundeigenschaften. Wie aus Bild 4: Einfluss der Infiltrationsmethode sowie des Precursorsystems auf die offene Porosität des C/ SiC-Materials4 ersichtlich wird, ist beim Einsatz von reinem Polytitanocarbosilan (PTCS) im Vergleich zu reinem Allylhydridopolycarbosilan (AHPCS) mit signifikant niedrigeren Porositätswerten zu rechnen.
4
Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchungen ist es gelungen, den verfahrensbedingt auftretenden Filtrationseffekt durch einen optimierten Textilaufbau sowie eine gezielte Wahl der Verfahrensparameter weitgehend zu steuern und darüber hinaus erste Versuchsmuster mit vergleichsweise guten Materialeigenschaften herzustellen. Es hat sich gezeigt, dass mit Hilfe des RTM-Verfahrens die Möglichkeit besteht, eine textile Preform mit einem pulverdotierten präkeramischen Schlicker zu imprägnieren. Für eine weitere wissenschaftliche Durchdringung dieser PIP-Verfahrensvariante sollen zukünftig insbesondere die Analyse weiterer Verstärkungsstrukturen und präkeramischer Polymersysteme in Verbindung mit verbesserten Werkzeugkonzepten im Mittelpunkt stehen.
201
Bild 4: Einfluss der Infiltrationsmethode sowie des Precursorsystems auf die offene Porosität des C/SiC-Materials
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14]
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Characterization of Fiber-Matrix Interface Bonding at the CFRP Step of Fiber Fabrication Process by Single Fiber Push-out Technique J. Sha, J.-M. Hausherr and W. Krenkel Ceramic Materials Engineering, Faculty of Engineering Science, University of Bayreuth, D-95440 Bayreuth, Germany
1
Introduction
Because of their good tribological performance, excellent thermo-mechanical properties and high temperature microstructural stabilities, carbon fiber reinforced ceramic matrix composites (CMCs) are considered to be promising materials for the application of high-performance structures [1–5], such as advanced tribological systems, thermal protection systems and propulsion systems. One of the most interesting CMCs are carbon fiber reinforced silicon-carbide composites (C/SiC) manufactured via the liquid silicon infiltration process (LSI). The product is a carbon fiber reinforced matrix containing amorphous carbon, free residual silicon and silicon carbide [1, 3, 6]. The production of C/SiC composites via the LSI process can be divided into three steps [6, 7]: (i) fabrication of a carbon fiber reinforced plastic (CFRP) green body from C-fibers and thermosetting resin; (ii) carbonization of CFRP green body by pyrolysis of resin matrix above 900 ºC to obtain the carbon/carbon preform; (iii) siliconization of carbon in carbon/carbon preform via infiltration of liquid silicon at temperatures above its melting point of 1420 ºC. The material shows a very different morphology at the different steps. In the last step, the liquid silicon enters the pores and cracks of the carbon/carbon preform by capillary forces and subsequently reacts with a small volume of carbon fiber and matrix to form SiC. The mechanical durability and the microstructural integrity of the final product resulting from the last step can be optimized by designing the microstructure and varying the phase composition of the matrix [1,3]. At the carbonization step, the crack pattern developing during the pyrolysis of the resin plays a key role for the infiltration of liquid silicon. The cracks act as the communication channels for the liquid silicon, which is climbing into the carbon/carbon preform and allows the conversion of silicon and carbon to SiC during the infiltration process. The crack pattern and crack density formed during the carbonization step have a strong influence on the microstructure and phase composition of CMC. If the crack density is too high, more carbon fibers would react with the infiltrated silicon, resulting in a degradation of the strength. Without fiber reinforcement, the crack bridging/deflection and fiber pull-out effect would disappear, resulting in a fracture behavior similar to that of monolithic ceramics [3]. Therefore, it is necessary to determine the crack forming and developing mechanisms occurring during pyrolysis and to know what controlling factors govern the formation of cracks. Gao [8] and Schulte-Fischedick [9] have investigated the crack formation during the pyrolysis of CFRP green body components. They found that three different crack types appeared: microcracks caused by fiber-matrix debonding, transversal cracks (perpendicular to the fiber axis and
203 run through the fiber roving) and micro delaminations (occurred at the interfaces between warp and weft fibers). These cracks are mainly formed by the shrinkage of polymer during carbonization (typically starting above 505 ºC). Krenkel et al. [3] have found that the fiber-matrix bonding is a very important factor which governs the formation of the microcrack pattern during pyrolysis. At temperatures above 505 ºC, the tensile stress applied to the matrix increased with increasing pyrolysis temperature. When local tensile stress exceeded the tensile strength of the matrix, crack initiation and propagation occurred. In the case of high fiber-matrix bonding, original fiber bundles are divided into few segments by the formed transverse cracks. Within each segment, liquid silicon is not available, but transverse cracks can act as the paths for silicon uptake. The dense carbon matrix inside the segments shields off the highly reactive silicon. A layer of SiC is formed around the segment and only a small amount of carbon fibers is damaged. This way, quasi-ductile composites with high toughness can be fabricated without any additional surface coatings on the fibers leading to reduced fabrication cost. In order to fulfill the requirements from the functional and the structural aspects in industrial applications, design and optimization of microstructure are often required and can be achieved by modifying the fiber-matrix bonding at the CFRP step. The role of fiber-matrix interface bonding on the microstructure and properties of the CMC is of great interest. To obtain the interfacial bonding properties indirectly from macro-mechanical tests is difficult due to the involvement of many parameters such as fiber distribution, void content, fiber volume fraction, etc. Although, many experiments have been carried out to measure the interfacial mechanical properties, such as the single fiber pull-out test [10], fiber bundle push-out test [11], single fiber push-in test [12] and single fiber push-out test [12], fiber bundle push-out test, the bonding strength of fiber-matrix interface [11] is often underestimated. In the case of single fiber tests, most of the studies were done by using model composites reinforced with single or few fibers. Owing to the presence of the neighboring fibers, the residual thermal stress and polymer morphology in real composites can differ significantly from those of model composites. For investigations in the field of reinforced polymers, the single fiber push-out by microindentation test is the only micro-mechanical method which allows the in situ characterization of interfaces in realistic multi-fiber composites. The assessment of the interfacial bonding properties on the micro scale by micro-indentation test should be a preferred test method. In the present work, an ultralow load micro-indentation tester was used to establish the basis for evaluating the bonding properties of fiber-matrix interface in the CFRP green body in order to correlate the interface bonding properties with the microstructure, phase composition and mechanical properties of the composites. Recently, Hausherr [13] has reported that non-destructive characterization of the microstructure and phase composition of composites can be performed three-dimensionally at a resolution of 2 m using computed tomography. This means that the establishment of a close correlation between interface bonding properties, microstructure and phase composition is possible.
204
2
Experimental Procedure
2.1
Materials
PAN-based high-strength carbon fibers and phenolic-resin (PHL2485, Hexion, Iserlohn) matrix were used to fabricate the unidirectionally (UD) reinforced CFRP green body by resin transfer moulding (RTM). The reinforcing fibers with a nominal diameter of 7 m are of the type HTA. The fiber volume fraction was set to about 60 % (nominal) in the CFRP green body. A metallic mould with an inner dimension of 60 mm × 70 mm and a maximum height of 40 mm was used to manufacture the CFRP. Before adding the resin, the inner wall of metallic mould was coated with a silicon releasing agent and dried at room temperature for 30 min. After drying, a small amount of PHL resin was filled into the mould, forming an uniform layer of resin at the bottom. The fiber yarns were placed unidirectionally on the resin layer and covered by another layer of resin. This process was repeated several times until the designated amount of fibers was inserted. This procedure guaranteed a complete immersion of the fibers in the resin. After completing the stack of fibers, the top mould was placed on the UD laminate and pressed slightly in order to reduce the void and remove excess resin. To obtain a uniform structure, pressure was applied to the top mould. Meanwhile, the whole set-up was kept at room temperature for about 24 hours to remove air bubbles from the intra-fiber bundle. The UD laminate was cured at 90 °C for 12 h in an oven and then allowed to cool at room temperature. After cooling, the CFRP green body was removed from the metallic mould and specimens were machined. Optical microscope examination showed that the carbon fibers are uniformly embedded in the resin. This can be seen from the morphology on the specimen surface perpendicular to the fiber direction as shown in Figure 1.
Figure 1: Morphology of CFRP green body in which the specimen surface is perpendicular to the fiber direction, showing the uniform distribution of carbon-fibers in resin matrix.
205 2.2
Single Fiber Push-out Test
For the single fiber push-out tests, one of the most difficult problems is the preparation of specimen. It is necessary for the required specimen to be thin enough to allow fractures over the whole interface of the loaded fiber and to ensure complete fiber push-out. To obtain the thin specimens, the CFRP green body was sliced perpendicular to the fiber axis to about 800 m thickness with a low-speed diamond saw in cooling liquid. After this step, the slices were polished on both sides until a thickness of 100 m was reached. To ensure a quality finish, diamond slurry with gradually reduced particle size from 9 m to 1 m was used. In order to avoid the damage of slices due to the un-flat surface at the initial stage of polishing, the polishing should be proceeded slowly and the force applied to the slices was minimized. The final size of specimen for the single fiber push-out test was selected to be 20 mm × 10 mm with the variation of thickness between 60 m and 100 m. During testing, the polish-finished specimen were set on a stiff holder by hot wax. A 90 m groove was cut on the surface of the holder in order to give space for the pushed-out fiber. Then the load was applied on a single fiber end above the groove. The indentation testing machine used was a Martens hardness testing machine (FisherScope H100). The specimen mounting and indentation test are schematically illustrated in Figure 2. The holder with the specimen was clamped on the adjustable x-y measuring table mounted on two position stages. The first position is under the microscope and the second is under the indenter. Through the viewpoint of the microscope by moving the measuring table in the x- and ydirection, an appropriate area was selected for the fiber push-out test. By setting the controlling system, the indentation test can be carried out consecutively with a fixed interval. The load displacement was recorded using a computer controller and software. Single fiber push-out test was conducted by a ultralow-load micro-indentation tester (maximum capacity of 1000 mN, displacement resolution: ± 2 nm, load resolution: ±0.02 mN) as shown in Figure 3. In the indentation test, load is applied to a single fiber in a specimen at a constant loading rate of 12.5 mN/s. A diamond pyramidal indenter tip having an apex angle of 136º was used to apply loading.
Fig. 2: Schematic illustration of specimen mounting and indentation test.
Fig. 3: Experimental setup of the micro-indentation tester.
After the tests, the pushed-out fibers were observed by means of Scanning Electronic Microscopy (SEM). Because of the fiber’s fine diameter (about 7 m) precise loading points were con-
206 firmed by SEM observation after the tests. The maximum load was optimized based on the value of thickness of the specimen and load displacement curves. In each specimen, 30 indentation tests were performed on different fibers. In the present study the interfacial bonding strength, Wb in the push-out tests was calculated by Eq.(1) [14]
Wb
P 2Srf L
(1)
where P is the load applied to a fiber when the interfacial debonding occurred, rf is the fiber radius, and L is the specimen thickness.
3
Results and Discussion
In order to identify the appropriate load for single fiber push-out test, several indentation tests were carried out on different fibers at various load levels. When the applied loads were less than 80 mN, the loading curve has a continuously increased slope and the loading and unloading curve formed a hysteresis loop. Figure 4 (a) shows the load and displacement measured from the ultralow load indentation test on single fiber in the CFRP green body during loading and unloading. The formation of hysteresis loop is presumably due to the continuous push-in process occurring when fiber and matrix still are bonded together. The observed non-linearity might be caused by a combination of elastic deformation of the fiber and matrix and elastic bending of the entire specimen. This effect is more obvious with thin specimens. Small loads less than 80 mN lead to no debonding of fibers, showing that interfacial bonding strength cannot be determined by this test. To attain meaningful tests, the load applied for single fiber push-out tests was increased to 120 mN. The corresponding load displacement curve in Figure 4 (a) shows a decreased slope in which the load is higher than 80 mN. The SEM image indicates a partial debonding at the interface of fiber-matrix as shown in Figure 4 (b), but no indentation trace is observed on the end of the indented fiber. This result suggests that the indentation test induced the crack initiation and a stable propagation at the interface between fiber and matrix, but the applied load is still insufficient to cause the complete debonding of the interface. Increasing the applied load to 250 mN, the load displacement curves are different from those of tests as shown in Figure 4 (a). A typical example of a load displacement curve at 250 mN is shown in Figure 5. Based on the load features with increasing displacement, the load displacement curve in Figure 5 can be divided into 4 stages. During stage I (curve AB) the behavior is the same as that of the curve measured at a load of 80 mN, indicating the interface is still intact. The gradient change at point B of stage II (curve BC) is considered to indicate the initiation of interfacial debonding. These should be basically the same results than those in Ref. [15] obtained by single fiber push-out tests, although the shape of the indenter was not a flat bottom but a pyramid. With increasing displacement during stage II, cracks between fiber and matrix propagated stable and the fiber deformed elastically. A flat region labeled stage III (curve CD), following stage II, observed in this load displacement curve in Figure 5 represents the sudden failure of the fiber-matrix interface. Since these
207 tests were carried out under constant loading rate, the machine does not permit load drop resulting in an abrupt increase of displacement. The flat regions indicate the occurrence of complete debonding of fiber-matrix interface accompanied by the sliding of the fiber. The displacement corresponding to the flat region is due to the fiber push-out. After the flat region, the force again increased which is explained by the contact between the pyramidal indenter and the CFRP matrix after the tip pushes out the fiber as indicated by stage IV (curve DE).
Fig. 4: Relation between the indentation load and debonding features for loading below 120 mN: (a) typical load displacement curve, (b) SEM micrograph of the surface of specimen after indentation test.
Fig. 5: Typical load displacement curve with a flat region (marked with dot).
In order to confirm this debonding, the specimen surface was observed by means of SEM. Figure 6 shows the surface morphology of a specimen after the flat region appeared in the load displacement curves. It was also observed that a compressive fracture of the matrix surrounding the loaded fibers was apparent as shown in Figure 6. No fiber cracking and fracture were observed although a clear indentation trace is visible on the indented fiber end. The compressive fracture of matrix is due to the contact of the indenter tip with the matrix. Based on these observations, assuming an uniform bonding stress distribution throughout the fiber-matrix interface, and ignoring the effects of radial stresses, the interfacial bonding strength was determined by the load of the flat region using Eq. (1).
208 The resulting interfacial bonding strength was calculated to be 93.8 ± 14.3 MPa. The scattering of the measured interfacial bonding strength could be attributed to the variation of the thickness of the specimen and non-homogeneities of the morphologies of interface between fiber and matrix such as variation of density and bubbles distribution during curing. Bubbles distributed in the matrix adjacent to the interface of fiber-matrix has been observed [9]. Additionally, the polishing procedure could also introduce the defects to the interface.
Fig. 6: Surface morphology of specimen taken after the flat region appeared in the load-displacement curve.
4
Summary
CMCs manufactuered by the liquid silicon infiltration (LSI) process are potential materials for the application of high-performance structures. The microstructure and phase composition of CMCs are influenced by the fiber-matrix interface bonding at the CFRP step during fabrication process. The fiber-matrix interface bonding can be changed by modifying the surface conditions of carbon fiber by applying different treatments such as thermal treatment, chemical treatment, sizing, etc. A quantitative correlation between the fiber-matrix interface bonding, microstructure, properties of CMCs is necessary. In the present work, CFRP bonding properties of the fiber-matrix interface were investigated using a micro-indentation method in which a pyramidal indenter is used to push on the fibers and cause debonding and sliding at the interface. From the analysis of the load displacement curve, information was obtained regarding the fiber-matrix interface bonding. On this basis, further research and development work is undergoing to evaluate the bonding properties of fibermatrix interface of composites reinforced by carbon fibers with various surface conditions, and especially regarding the role of interface bonding on controlling the overall performance of CMC.
5
Acknowledgements
The authors wish to acknowledge the Alexander von Humboldt Foundation for providing the financial support to carry out this research. The authors are also grateful to Mr. W. Pollak, Mr.
209 D. Richter, Mr. W. Mueller and Mr. H. Lassner for their assistance in specimen preparation and indentation testing.
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210
Computertomografische Bestimmung von morphologischen Eigenschaften mittels angepasster Algorithmen J. M. Hausherr, T. Zeppenfeld, W. Krenkel
Ceramic Materials Engineering, Faculty of Engineering Science, University of Bayreuth, Bayreuth
1
Einleitung und Motivation
Der Einsatz der Mikro-Computertomografie (μCT) für morphologische Untersuchungen ist inzwischen zu einem Standardverfahren in der Materialwissenschaft geworden [Hau08], [Rac06]. Die Möglichkeiten der vollständigen dreidimensionalen Abbildung des Bauteilinneren bei Auflösungen von wenigen Mikrometern erlaubt eine zerstörungsfreie Betrachtung der räumlichen Morphologie und Materialverteilung. Eine μCT-Messung liefert Informationen über die lokale räumliche Röntgenabsorption im Inneren des Prüflings in Form einer dreidimensionalen Absorptionsmatrix. Die eigentliche Interpretation dieser Absorptionswerte und die Ermittlung von Werkstoffeigenschaften wie z.B. die Dichte-, Porosität oder Phasenverteilung müssen nach erfolgter Messung manuell oder halbautomatisch mittels digitaler Bildverarbeitung und -nachbearbeitung durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Veröffentlichung werden zuerst μCT-relevante Filtermethoden und Auswerte-Algorithmen vorgestellt und erklärt. Anschließend werden mit den Algorithmen μCTMessungen analysiert und mit charakteristischen Werten verglichen.
2
Filter
Filter dienen der Bildaufarbeitung vor einer eigentlichen Auswertung. Bei einer Filterung werden ermittelte Messdaten z.B. von auftretenden Messfehlern bereinigt oder bestimmte Messbereiche besonders hervorgehoben. Es gibt eine Vielzahl von Filteralgorithmen, die aufgrund ihrer Eigenschaften in Gruppen unterteilt werden [Bur06], [Jäh05], [Ohs06]. Im Folgenden werden die Funktion und Einsatzbereiche von Median-, Gauß- und Gradientenfilter vorgestellt.
2.1
Medianfilter
Der Medianfilter entfernt kleine lokal einzeln vorkommende Störungen (wie z.B. Messfehler) und lässt große Strukturen weitgehend unverändert. Dabei wird jedes Bildelement durch den mittleren Wert (Median) der innerhalb einer Filterregion vorkommenden Pixelwerte ersetzt (Abbildung 1, oben links).
211 2.2
Gaußfilter
Gaußfilter glätten Bildausschnitte, d.h. Bildbereiche mit hohen lokalen Intensitätsschwankungen werden harmonisiert. Dem Gaußfilter liegt eine diskrete zweidimensionale Gaußfunktion als Filtermatrix zugrunde. Dementsprechend kann der Gaußfilter insbesondere bei stark verrauschten Bildern die Bildqualität verbessern. Allerdings führt er auch zu einer Unschärfe, was sich insbesondere an Kantenbereichen ungünstig auswirken kann (Abbildung 1, unten links).
2.3
Gradient- oder Kantenfilter
Gradientenfilter werden benutzt, um Objektumrandungen hervorzuheben. Sie finden innerhalb von Bildern Grauwertgradienten auf, indem sie zeilen- bzw. spaltenweise ein Bild abrastern und die erste Ableitung ermitteln (Abbildung 1, unten rechts). Vor der Gradientenfilterung ist oftmals eine Median- und/oder Gaußfilterung geschaltet, da sonst Fehler durch Pixelrauschen entstehen können.
Abb. 1: Funktion verschiedener Filter am Beispiel einer Pore und eines Risses
212
3
Segmentierungsalgorithmen
Einer der wichtigsten Schritte in der analytischen Bildverarbeitung ist die Segmentierung [Wir07]. Dabei werden in einem Bild diskrete Graustufenintervalle bestimmt und alle Pixel mit Werten innerhalb dieser Intervalle zu einem einheitlichen Grauwert zusammengefasst. So ist denkbar, dass in einem mehrphasigen Material jeder Phase ein Grauwertintervall zugeordnet wird. Nach der Segmentierung kann dann jede Pixelregion einer Phase als relativer Anteil der Gesamtpixelzahl ausgegeben werden. Eine weitere Anwendung ist das Individualisieren der Objekte. Dabei wird in einem porösen Material jede einzelne Pore eindeutig markiert und kann dadurch für eine Porendurchmesserverteilung verwendet werden. Wie bei den Filtern existiert eine Vielzahl an Segmentierungsalgorithmen.
3.1
Binärisierung
Bei einer Binärisierung wird ein Schwellwert bestimmt, der zwei Grauwertintervalle voneinander trennt. Alle Pixel, deren Grauwert kleiner als der Schwellwert ist, werden dem Wert 0 (Hintergrund) zugewiesen. Entsprechend bekommen die restlichen Pixel den Wert 1 (Vordergrund) (Abbildung 2). Somit entsteht ein Schwarz-Weiß-Bild, welches auch Binär- oder Bool'sches Bild genannt wird. Ein Binärbild kann wichtige quantitative Kenngrößen liefern. Beim Beispiel in Abbildung 2 können alle weißen Pixel (=Faserbündel) ins Verhältnis zur Gesamtpixelzahl gesetzt werden und somit der Faservolumenanteil bestimmt werden. Analog kann z.B. die Gesamtporosität in einem Material bestimmt werden. Die Auswahl eines geeigneten Schwellwertes ist von essentieller Bedeutung und hat maßgeblichen Einfluss auf die späteren Analyseergebnisse.
Abb. 2: Prinzip der Binärisierung am Beispiel einer Faserbündelextrahierung aus einer C/SiC-Probe
3.2
Schwellwertoperation
Bei Schwellwertoperationen werden Grauwerthistogramme in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt. Im Wesentlichen können drei verschiedene Methoden zur Schwellwertfindung angewen-
213 det werden. Die Einfachste ist die manuelle Anpassung. Empirisch werden die Schwellwerte solange verschoben, bis die erwünschten Regionen segmentiert sind. Der Vorteil von der manuellen Anpassung ist, dass der Benutzer sein vorhandenes Wissen in die Segmentierung einfließen lassen kann. Nachteilig ist die nicht vorhandene Reproduzierbarkeit, da die manuelle Ermittelung des Schwellwertes als subjektiver Prozess von Benutzer zu Benutzer abweichen kann. Bei der halbautomatischen Schwellwertfindung kennzeichnet der Nutzer interaktiv im Bild Regionen, die eindeutig eine gleiche Eigenschaft aufweisen. Es wird der mittlere Grauwert errechnet und dadurch ein Schwellwert bestimmt. Auch hier ist eine gewisse Subjektivität in der Auswahl der Referenzflächen gegeben. Trotzdem ist die Methode in einem gewissen Rahmen reproduzierbar und das vorhandene Wissen des Benutzers kann eingebracht werden. Die letzte und wohl wichtigste Schwellwertfindung ist die automatische Schwellwertfindung anhand von Algorithmen. Als Grundlage dient die statistische Aufarbeitung des Grauwerthistogramms. Die Methode ist vollständig reproduzierbar [Wir07]. Das vorhandene Wissen des Benutzers über das Material wird erst bei einer Nachkontrolle angewendet. Der Erfolg der Schwellwertoperation ist wesentlich von der Bildqualität abhängig. Aus diesem Grunde werden oftmals Filter zur Qualitätsverbesserung vorgeschaltet.
Abb. 3: Schwellwertoperation – Bestimmung der Phasenanteile in einer C/SiC-Keramik
3.3
Wasserscheidentransformation
Die Wasserscheidentransformation (WST) wird zur präzisen Abgrenzung und Segmentierung einzelner Bereiche eines Bildes verwendet, z.B. die Bestimmung verschiedener eng angrenzender Objekte, z.B. Poren oder Faserbündel. Bei der WST werden die Graustufenwerte als virtuelle Höhen behandelt. Das daraus resultierende 3D-Relief (Abbildung 4) wird dann virtuell von den Tälern ausgehend geflutet (Abbildung 5). Bei jedem Aufeinandertreffen zweier Wasserspiegel wird eine Segmentgrenze gesetzt. Mit der WST können auch eng aneinanderliegende Objekte (z.B. Poren) mit nur dünnem Verbindungssteg segmentiert werden.
214
Abb. 4: Funktion der Wasserscheidentransformation Abb. 5: Festlegung einzelner Regionen bei der WST
3.4
Run Length Encoding
Bei dem Run Length Encoding-Algorithmus läuft ein Bild sequentiell zeilenweise ab und fügt benachbarte gleichwertige Pixel zusammen. In einem zweiten Lauf werden die sich berührenden Pixelregionen spaltenweise zusammengeführt. Bei dreidimensionalen Datensätzen folgt ein dritter Lauf in z-Richtung. Der Algorithmus kann dadurch, im Gegensatz zur WST, zusammenhängende Bereiche wie zum Beispiel die offene Porosität innerhalb einer Struktur erkennen und bestimmen [Yan00].
4
Strukturell-geometrische Analyse
Nach einer geeigneten Segmentierung wird aus dem ursprünglichen Datensatz eine Ansammlung einzelner Objekte mit gleichen Eigenschaften. Diese Objekte können nun einer strukturellen Analyse unterzogen werden. Die Liste von errechenbaren Eigenschaften ist sehr lang [Ohs00]. Mögliche Kennwerte sind z.B. Anzahl der Objekte, Positionen innerhalb der Struktur, jeweilige Durchmesser, Volumina und Oberflächen sowie Vorzugsrichtungen bzw. Anisotropie. Um die Möglichkeiten der Algorithmen darzustellen, werden verschiedene kurzfaserverstärkte Keramiken (C/C und C/SiC) mittels μCT gemessen, die Materialeigenschaften anhand der vorgestellten Algorithmen ermittelt und durch geeignete Alternativverfahren validiert. Für die Untersuchung werden jeweils drei zylindrische Proben aus kurzfaserverstärktem C/ SiC und C/C mit einem Durchmesser von 25 mm und einer Höhe von 20 mm hergestellt, mittels μCT untersucht und anschließend die offene Porosität, Gesamtporosität, Porenverteilung, Faservolumen-gehalt und Faserorientierung bestimmt. Die μCT Messung wird an einer am Fraunhofer IIS entwickelten Anlage durchgeführt. Die Anlage basiert auf einem Yxlon Y.CT Präzisionsmanipulator mit einer Viscom X-9225-TED und einem 2048² Pixel-Flachdetektor vom Typ PE XRD 1621 AN3-CT. Für die Messungen wurde die Röntgenröhre mit einer Spannung von 80 kV und einem Röhrenstrom von 300 μA
215 betrieben. Eine CT-Messung bestand aus 1600 Einzelaufnahmen, wobei jede Einzelaufnahme mit 500 ms Belichtungszeit aus verschiedenen Raumrichtungen aufgenommen wurde. Die Auflösung der Messungen lag bei 18 μm × 18 μm × 18 μm.
4.1
Porositätsbestimmung (Gesamtporosität und offene Porosität)
Zur Bestimmung der Porosität werden die Messdaten binärisiert. Der verwendete Schwellwert trennt die Volumina mit niedriger Dichte (Luft) und hoher Dichte (Material) und erzeugt ein Bild ähnlich Abbildung 2. Die jeweiligen Volumenanteile werden addiert und ergeben die Gesamt-porosität. Für die Bestimmung der offenen Porosität wird der RLE-Algorithmus auf das Volumen angewendet. Die miteinander verbundenen Bereiche werden ermittelt und zu einem großen Einzelvolumen kombiniert. Tabelle 1 zeigt die ermittelten Porositätswerte für verschiedene C/CProben aus zwei unterschiedlichen Herstellungschargen. Die Analyse ergibt ein beinahe vollständig offenes Rissnetzwerk innerhalb der C/C Proben. Tabelle 1: Vergleich der gemessenen Porositäten an C/C-Proben Probe
Gesamtporosität laut Offene Porosität laut Offene Porosität nach CT CT Archimedes
43-1
16,4 %
14,2 %
n.v.
43-2
17,5 %
16,6 %
n.v.
43-3
18,3 %
17,6 %
n.v.
Stnd-1
29,1 %
27,7 %
33,5 %
Stnd-2
28,4 %
26,0 %
34,0 %
Stnd-3
31,4 %
29,8 %
34,3 %
Ein Vergleich zwischen der μCT-Werte und mit der Archimedes-Methode ermittelten Werte zeigen, dass bei der μCT-Analyse die offene Porositäten um ca. 5 % niedriger liegen. Dies hängt mit dem Vorhandensein einer offenen Mikroporosität (Rissstrukturen und Poren kleiner der μCT-Auflösung von 18 μm) zusammen, welche nicht von der μCT erfasst werden kann. Messungen mit höheren Auflösungen können diese Differenz reduzieren [Spa08].
4.2
Porendurchmesserverteilung
Zur Bestimmung der Porendurchmesserverteilung werden die einzelnen Poren im Volumen mittels einer Wasserscheidentransformation ermittelt und segmentiert. Anschließend werden die einzelnen Volumen und gemittelte Durchmesser bestimmt und tabellarisch erfasst (Abbildung 5). Aufgrund der verwendeten Auflösung der μCT-Messung können nur größere Poren mit einem Durchmesser ab 70 μm erfasst werden.
216 Bei einer höheren Messauflösung können auch kleinere Poren erfasst werden. Der Algorithmus zur Porenbestimmung ist ausschließlich abhängig von der einzelnen Volumenauflösung der μCT.
Abb. 5: Porendurchmesserverteilung bei gemessenen C/C-Proben
4.3
Faservolumengehalt
Die Bestimmung des Faservolumengehaltes (FVG) verläuft analog zur Gesamtporositätsbestimmung. Anstatt einer Trennung von Luft und Material wird hierbei zwischen den Kohlenstofffasern mit geringer Dichte und der SiC-Matrix mit hoher Dichte binärisiert und der Anteil der Faser- und Matrixpixel ins Verhältnis zur Gesamtpixelzahl gesetzt. Tabelle 2 zeigt die dadurch ermittelten Ergebnisse der C/SiC Proben. Tabelle 2: Vergleich des Faservolumengehaltes von C/SiC-Proben Probe
Bestimmung des FVG mittels CT
FVG laut Herstellungsvorgang
43-1
53 %
n.v.
43-2
55 %
n.v.
43-3
53 %
n.v
Stnd-1
46 %
51 %
Stnd-2
44 %
51 %
Stnd-3
48 %
51 %
217 Das geringere Dichteverhältnis von C-Faser/SiC (im Vergleich zu Luft/Material) verursacht eine stärkere Streuung der jeweiligen Grauwerte und verursacht eine ungenaue Zuordnung der jeweiligen Segmentierungsgrenzen. Dadurch entsteht eine größere Abweichung bei der Auswertung, die durch in einem geringeren FVG führt. Durch eine Eichung mit Referenzmaterialien kann dieser Wert verbessert werden [Spa08].
4.4
Faserbündelorientierung
Die Bestimmung der Faserorientierung entspricht der Porendurchmesserverteilung [Bac05]. Die Faserbündel werden als (sehr langgestreckte) Poren betrachtet, von der Matrix separiert und segmentiert. Der Schwellwert wird dabei so ausgewählt, dass nicht der komplette Faserstrang erfasst wird, sondern lediglich eine räumliche Trennung der Fasern stattfindet. Die Fasern können somit „ausgedünnt“ werden, da die Orientierung unverändert bleibt. Sind die Fasern individualisiert, können die Durchmesser und die Raumrichtung ermittelt werden. Die Orientierung kann dann in einem Histogramm dargestellt werden, um eine Häufigkeitsverteilung der Orientierung im Volumen zu erhalten. Problematisch ist dieses Vorgehen immer bei hohen Faservolumenanteilen, wenn sich eine große Anzahl von Faserbündel berührt. Eine eindeutige Individualisierung der Faserbündel mittels Segmentierung ist nur schwer durchführbar. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass eine Faserorientierung bei Faservolumenanteile oberhalb 30 % Schwierigkeiten verursachen können. Aufgrund der höheren Faservolumengehalte war eine automatische Bestimmung der Orientierungen nicht möglich.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen dieser Veröffentlichung wurden verschiedene bereits existierende Filter und Algorithmen zur dreidimensionalen Bildanalytik vorgestellt. Die meisten der vorgestellten Algorithmen stammen aus der klassischen zweidimensionalen Bildverarbeitung und wurden für die dreidimensionale Volumenanalytik angepasst. Jedoch besteht weiterhin die Notwendigkeit zur Bestimmung dreidimensional auftretender Effekte. Spezielle Algorithmen wie die WST oder die RLE sind erste erfolgversprechende Ansätze, müssen jedoch weiterentwickelt werden, um Sonderfälle wie z.B. das Erfassen der räumlichen Faserorientierung oder gekrümmter Volumen oder Risse zu automatisieren.
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219
Versagenseffekte auf Grund von Makrofehlstellen in oxidkeramischen Verbundwerkstoffen Walter E.C. Pritzkow*, Friederike Deuerler**, Dietmar Koch***, Arne Rüdinger****, Kamen Tushtev*** *
Walter E. C. Pritzkow Spezialkeramik, Stuttgart Universität Wuppertal, Abt. Maschinenbau / FG Werkstofftechnik, Wuppertal *** Universität Bremen, Keramische Werkstoffe und Bauteile, Bremen **** Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, Würzburg **
1
Kurzfassung / Abstract
Oxidkeramische Verbundwerkstoffe (Oxide Ceramic Matrix Composites, OCMC) - produziert von der Firma W.E.C. Pritzkow Spezialkeramik - basieren auf keramischen Endlosfasern wie zum Beispiel 3M™ Nextel™ 610 und keramischen Matrices aus dem Stoffsystem Al2O3-SiO28YSZ (mit 8 Vol-% Yttriumoxid vollstabilisiertes Zirkonoxid). Der Prozess kann als Imprägnieren der keramischen Textilien mit einem Schlicker unter Nutzung der Rakeltechnik beschrieben werden. Die imprägnierten Gewebelagen werden mit derselben Technik zu Grünkörpern laminiert, wie sie von der Herstellung von faserverstärkten Kunststoffen bekannt ist. Bei diesem Prozess können Makrofehlstellen in Form von Lufteinschlüssen, Matrix-Agglomeraten und Einlagerungen von kurzen Faserresten vorkommen. Es gibt auch Makrofehlstellen, die auf Grund des Laminat-Designs entstehen, wie Schäftung, Rohr mit Überlappung und innenliegende Stoßstellen / innenliegende Schnittstellen (IS-Defekt). Strukturen und Bauteile können im Bereich dieser Makrofehlstellen unzureichende mechanische Eigenschaften aufweisen, die für die Belastbarkeit der Bauteile von Nachteil sein können. Daher sind detaillierte Informationen über die Versagenseffekte im Bereich der Makrofehlstellen notwendig. Die Ergebnisse dieser Betrachtung sind für die Auslegung von mechanisch belasteten Strukturen und für die Erstellung von bauteilspezifischen Laminat-Designs relevant. In dieser Veröffentlichung werden die Einflüsse von IS-Defekten auf die mechanischen Eigenschaften detailliert betrachtet. Diese werden im 4-Punkt-Biegeversuch und Zugversuch bestimmt. Zum besseren Verständnis der Ergebnisse wird zusätzlich die Druckfestigkeit an defektfreien Proben ermittelt.
2
Einleitung
Für viele Industrieanwendungen, bei denen keramische Verbundwerkstoffe (Ceramic Matrix Composites, CMCs) zum Einsatz kommen können, ist eine Langzeit-Hochtemperaturstabilität in oxidierender Atmosphäre notwendig [1–4]. Gleichzeitig sind ein sehr gutes Thermoschockverhalten von bis zu 500 K/s und eine gute Schadenstoleranz gefordert. Für Anwendungen mit oben genannten Anforderungen sind CMCs aus oxidkeramischen Endlosfasern und oxidkeramischen Matrices am besten geeignet. Mit Geweben aus 3M™ Nextel™ 610 und einer Matrix aus Al2O3-Pulvern und einem Al2O3-Bindersystem, entwickelt vom Fraunhofer-Institut für Si-
220 licatforschung [5–7], wurde von der Firma W.E.C. Pritzkow Spezialkeramik ein schadenstoleranter OCMC mit poröser, schwacher Matrix entwickelt. Der Werkstoff wird den Weak Matrix Composites (WMCs) zugerechnet, da die Matrix eine geringe Festigkeit und Steifigkeit aufweist, und die Eigenschaften der Faser-Matrix-Grenzfläche für die Einstellung des bruchzähen Verhaltens eine untergeordnete Bedeutung haben [8, 9]. Das mikrostrukturelle Design entspricht prinzipiell dem von Levi et al. [10] in Abb. 1 links dargestellten Materialdesign.
Abb. 1: Mikrostrukturelles Design eines OCMC mit einer Matrix aus Al2O3-Pulver und Al2O3-8YSZ-Binder nach [10] (links) REM-Aufnahme von der Schnittkante einer 4-Lagen Platte aus dem beschriebenen OCMC [11] (rechts)
Für die Materialprüfung werden Proben mit Makrofehlstellen aus dem 3M™ Nextel™ 610 Gewebe Typ DF11 [12] hergestellt. Das entschlichtete Gewebe wird unter Nutzung der Rakeltechnik mit einem Al2O3-Schlicker imprägniert. Die imprägnierten Gewebe werden im feuchten Zustand zu 4-Lagen-Platten zusammengestapelt, verpresst und getrocknet. Nach dem ersten Sinterprozess werden die Proben mit dem 8YSZ-Sol infiltriert und nochmals gesintert. Abb. 1 rechts zeigt die Schnittkante einer Probe aus diesem OCMC. Makrofehlstellen, die in einem Bauteil auftreten können, werden in zwei Kategorien mit verschiedenen Fehlstellentypen eingeteilt: 1. 2.
Produktionsbedingte Makrofehlstellen wie Lufteinschlüsse, Fasereinlagerungen und Matrixanhäufungen durch Agglomerate oder angetrocknete Matrixreste, durch das Laminat-Design bedingte Makrofehlstellen wie Schäftung, Rohr mit Überlappung und innenliegende Stoßstellen / innenliegende Schnittstellen (IS-Defekt).
In einer früheren Studie [11] wurden bereits Biegefestigkeitskennwerte an Proben mit IS-Defekten bestimmt. Diese Makrofehlstellen wurden als Schnittstellen in den Lagen zwei und drei in einer 4-Lagen-Platte (Abb. 2) beschrieben. Die Schnittstellen können unterschiedliche Positionen haben, die durch die Defektlänge lF beschrieben wurden. In dieser Untersuchung wurden Proben mit Defektlängen lF von 0 mm bis 15 mm mit dem 4-Punkt-Biegeversuch geprüft. Die Proben mit Makrofehlstellen hatten bis zu 30% höhere Biegefestigkeiten als die Proben ohne Fehlstellen. Das bedeutet, dass diese spezielle Makrofehlstelle keinen negativen Einfluss auf eine auf Biegung belastete Struktur hat.
221
Abb. 2: Schematische Darstellung der vierlagigen OCMCs mit 2 IS-Defekten mit der Defektlänge lF
Um den Einfluss solcher Makrofehlstellen besser verstehen zu lernen, wird in der vorliegenden Arbeit zusätzlich zur Biege- auch die Zugfestigkeit von Proben ermittelt. Ergänzend werden Druckversuche an Proben ohne Fehlstellen durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird festgestellt, dass kleine Unterschiede im Produktionsablauf sowie das Alter der Sole/Bindersysteme eine enorme Rolle spielen. Die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen sind Hauptinhalt dieser Veröffentlichung.
3
Werkstoffuntersuchungen an Proben mit den Makrofehlstellen ISDefekt
Für die detaillierten Werkstoffuntersuchungen werden Probeplatten aus dem beschriebenen Werkstoff hergestellt. Für die Biege- und Zugproben werden 4-Lagen-Platten ohne und mit ISDefekt produziert. Die Proben mit den Makrofehlstellen IS-Defekt haben Defektlängen lF von 0 mm bis 14 mm. Die Druckproben werden aus 16-Lagen-Platten ohne Fehlstellen präpariert. Die Dicke der Probe wird benötigt, um eine homogene Lastaufbringung zu ermöglichen.
3.1
Ergebnisse der Biegefestigkeit
Die Proben werden im 4-Punkt-Biegeversuch mit einem Auflagerabstand der unteren Lager von l = 60 mm und der oberen Lager von li = 20 mm geprüft. Dies entspricht auf Grund der schwankenden Probendicke d einem (l–li)/d-Verhältnis von 35–40. Die Biegebruchkurven (Abb. 3) zeigen das bekannte Bruchverhalten [10] von OCMCs mit porösen Matrices. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen zeigen die Proben weit geringere Festigkeiten. Die Hintergründe hierzu werden im Kapitel 3 beschrieben. In Bezug auf die Referenzproben haben die Proben mit den Makrofehlstellen bis zu 20 % niedrigere Festigkeiten (Abb. 3).
3.2
Ergebnisse der Zugfestigkeit
Die Werkstoffe werden im Zugversuch mit taillierter Probengeometrie getestet, da sich in Vorversuchen gezeigt hatte, dass nicht-taillierte Proben im Bereich der Einspannung versagen. Die Ergebnisse (Abb. 4) zeigen bei Proben, deren Defekte übereinanderliegen (lF = 0 mm) eine starke Reduzierung der Zugfestigkeit auf 44 %, bezogen auf die Referenzprobe. Bei Proben mit Defektlängen lF größer 0 mm reduziert sich die Zugfestigkeit nur auf 68–83 % der Referenzprobe. Dies zeigt, dass nur eine der beiden Fehlstellen einen Einfluss auf die Zugfestigkeit hat. Unabhängig von der Art des Defekts zeigen alle Proben den gewünschten „Faser-Pullout-Effekt“ (Abb. 5). Für die vierlagigen Proben lässt sich zusammenfassend sagen, dass unter Zugbelas-
222
Abb. 3: Spannungs-Weg-Diagramm von Biegeversuchen an Proben ohne und mit IS-Defekten (links) und Biegefestigkeiten von je 2 Proben ohne und mit IS-Defekt (rechts)
tung bei einem IS-Defekt die jeweilige geschädigte Lage keinen Beitrag zur Festigkeit der Probe leisten kann. Bei lF > 0 mm geht das Versagen von einem IS-Defekt aus, deshalb wird eine Festigkeit von etwa Dreivierteln der defektfreien Probe erreicht. Bei lF = 0 mm liegen die ISDefekte der beiden inneren Lagen in einer Ebene und führen damit etwa zu einer Halbierung der Festigkeit.
Abb. 4: Spannungs-Dehnungs-Diagramm von Zugversuchen an Proben ohne und mit IS-Defekten (links), Zugfestigkeiten von je 2 Proben ohne und mit IS-Defekten (rechts)
Abb. 5: Versagen der Probe ohne Defekt (links) mit IS-Defekt lF = 0 mm (Mitte) und IS-Defekt lF = 12 mm (rechts)
3.3
Ergebnisse der Druckfestigkeit
Zur Bewertung der Matrixeigenschaften werden defektfreie Proben zusätzlich im Druckversuch geprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass die Druckfestigkeiten dieser OCMCs von 25,7 MPa weit geringer als die Zug- und Biegefestigkeiten sind. Die Matrixfestigkeit ist so niedrig, dass die
223 Fasern innerhalb der Lagen nicht stabilisiert werden können und bei Druckbelastung ausknicken. Somit delaminieren die Einzelschichten bei Druckbeanspruchung (Abb. 6).
Abb. 6: Druckprobe, die die Versagensmechanismen nach der Belastung zeigt (links) sowie Druckprüfungseinrichtung mit justierbarer Probenführung zur Verhinderung vorzeitigen Ausknickens der Probe (rechts)
4
Werkstoffuntersuchungen an Proben mit unterschiedlichen Herstellungsbedingungen
Der Vergleich der aktuellen Untersuchungen mit den früheren Ergebnissen zeigt signifikante Unterschiede in den Biegefestigkeiten. Da diese Unterschiede nicht auf die verwendeten Gewebe und keramischen Füllpulver der Schlicker zurückgeführt werden können, sind als Fehlermöglichkeit nur die Herstellungsmethode oder das Bindersystem der Schlicker zu sehen. Der Schlicker wird aus sehr eng spezifizierten Al2O3-Pulvern und organischen Solen [5–7] hergestellt. Interessanterweise spielt die Solalterung eine große Rolle. Die Sole, mit denen die neuen Proben hergestellt wurden, waren 31 Monate alt, die bei den früheren Untersuchungen verwendeten Sole dagegen nur zwei Monate. Um diese Frage genauer zu untersuchen, werden Proben mit unterschiedlich alten Solen hergestellt und geprüft. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass mit zunehmendem Alter der Sole die erreichbaren 3-Punkt-Biegefestigkeiten (l/d-Verhältnis von 20) im OCMC geringer werden (Abb. 7).
Abb. 7: Biegefestigkeiten von OCMCs in Abhängigkeit des Alters des verwendeten Al2O3 Binder-Sols
224
5
Diskussion
Die Grundlage für diese Untersuchung ist ein oxidkeramischer Verbundwerkstoff mit einer porösen und schwachen Matrix. Die poröse Matrix besitzt nur geringe Festigkeiten und einen niedrigen E-Modul. Dieser Werkstoff zeichnet sich somit dadurch aus, dass die mechanischen Eigenschaften primär durch die Eigenschaften der Faser dominiert werden. Die Faser als solche kann hohe Zugkräfte aufnehmen, wird aber schon bei geringen Druckbelastungen ausknicken. Ein keramischer Verbundwerkstoff mit schwacher Matrix kann somit hohe Zugfestigkeiten erreichen, wird aber schon bei niedrigen Druckbelastungen versagen. Dies wurde schon 1995 von D. Koch [13] an einem Nextel 440 / SiOC-Mullit – OCMC aufgezeigt. Auch die Versuche dieser Untersuchung stellen dies eindeutig dar. Selbst ein Verbundkörper mit zum Teil geschädigten Gewebeeinzellagen kann noch höhere Zugbelastungen als Druckbelastungen aufnehmen. Unter Biegebelastungen liegt bei oxidkeramischen Verbundwerkstoffen mit schwacher Matrix eine weit komplexere Spannungsverteilung als bei einem zähelastischen Werkstoff (z. B. Stahl) vor. Für zähelastische Werkstoffe unter Biegung – und somit die Gültigkeit der Biegegleichung – müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: 1. 2. 3.
Die Querschnitte bleiben bei Biegung eben, d.h. die Dehnungen sind proportional zum Abstand von der neutralen Faser. Das Hookesche Gesetz gilt, d.h. auch die Spannungen sind proportional zum Abstand von der neutralen Faser. Der Werkstoff verhält sich bei Zug- und Druckbeanspruchungen gleich. Bei diesem oxidkeramischen Verbundwerkstoff sind keine dieser Bedingungen erfüllt.
1.
2.
3.
Auf der Zugseite sind die Dehnungen „faserdominiert“, auf der Druckseite sind die negativen Dehnungen „matrixdominiert“, da die Fasern Zugspannungen, aber keine Druckspannungen aufnehmen können. Die Matrix hat nicht so hohe mechanische Eigenschaften, dass sie bei Druckbelastung das Ausknicken der Faser unterbinden kann. Der Spannungsverlauf in einem oxidkeramischen Verbundwerkstoff ist wegen der unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften von Faser und Matrix nicht zwangsläufig linear oder symmetrisch. So wird sich bei nichtlinearer Verformung die neutrale Faser verschieben. Das Versagen geht, wie beobachtet, von der Druckseite aus, da die Zugfestigkeiten bei diesem OCMC 3– 4 mal höher als die Druckfestigkeiten sind.
Daraus ergeben sich für das Konstruieren von Bauteilen mit dem hier untersuchten OCMC folgende Überlegungen: Für die jeweiligen Belastungen - Biegung, Zug oder Druck – müssen die notwendigen Kennwerte vorliegen, damit die kritischen zu erwartenden mechanischen oder thermomechanischen Belastungen beurteilt werden können. Bei auftretenden Druckbelastungen müssen Strukturen lang und dünnwandig gestaltet werden, um auftretende Druckspannungen durch Ausbeulen in Biegespannungen umzuwandeln. Bei rein zugbelasteten Strukturen sind Makrofehlstellen in Form von IS-Defekten zu vermeiden, während bei biegebeanspruchten Bauteilen IS-Defekte im Bauteilinneren die mechanischen Eigenschaften nicht beeinträchtigen.
225 Für eine detaillierte Bauteilauslegung ist es zusätzlich erforderlich, die Eigenschaften des gewebeverstärkten Werkstoffs nicht nur in Hauptbelastungsrichtung, sondern auch in anderen Orientierungen zu bestimmen.
6 [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14]
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226
Untersuchungen zur Entstehung von Porosität in Phenolharzmatrices bei der Härtung H. Mucha*, Y.-E. Kim**, K. Kuroda***, W. Krenkel*, B. Wielage** *
Lehrstuhl Keramische Werkstoffe, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth Lehrstuhl Verbundwerkstoffe, TU-Chemnitz, 09107 Chemnitz *** Department of Quantum Engineering, Nagoya University, Nagoya-4648603, Japan **
1
Einleitung
Das mechanische Verhalten und die Mikrostruktur von CMC-Werkstoffen wird stark durch die Eigenschaften der eingesetzten Polymere (CFK-Zustand auf Phenolharzbasis) beeinflusst. Der Existenz offener und geschlossener Porosität kommt dabei wesentliche Bedeutung zu; so entwickelt sich z. B. einmal entstandene Porosität bei späterer Pyrolyse zum C/C-Zustand nicht wieder zurück. Das experimentell beobachtete Auftreten poröser Matrixanteile in phenolharzbasierten CFK-Werkstoffen bildet einen Anlass, die Stadien der Porenbildung näher zu untersuchen. Die Härtung von PF-Harzen ist mit der Entstehung von Reaktionsprodukten [1, 2] innerhalb der CFK-Matrix verbunden. Die Art der Brückenbildung und die Intensität des resultierenden Gasanfalls kann durch die Auswahl und die Verarbeitungsbedingungen des Harzes beeinflusst werden [1]. Für die Morphologie der Matrix ist der Verbleib der Reaktionsprodukte und Lösungsmittelreste von großer Bedeutung [3, 4], d. h. sie hängt vom Weg des Abtransports nach außen oder der Art der Einlagerung in das härtende Harz als Porosität ab. Die Frage der visuellen, artefaktarmen Darstellung dieser Verhältnisse wird in der vorliegenden Arbeit an Bulkmatrixproben untersucht, d. h. ohne zusätzliche innere Spannungen durch eine Faserverstärkung. Die Focused Ion Beam Technologie (FIB-TEM Präparation) erweist sich sowohl für die mikroskopische Abbildung als auch zur Präparation von Dünnfilmen der CFK-Materialien als sehr gut geeignet [5]. Als Harze dienen aus reinen Ausgangskomponenten durch Phenol-Formaldhyd-Additionsreaktion selbst erzeugte Experimentalharze (Typen L, F) und ein kommerzielles Harz der Firma Dynea Erkner (E 97783). Es werden sowohl die räumliche Verteilung der Poren als auch Besonderheiten des Harzaufbaues in der Nähe von Porenoberflächen dargestellt, woraus Schlüsse auf die Art der dort wirkenden Transportvorgänge möglich sind.
2
Versuchsdurchführung
Neben einem kommerziellen Resol (E97783) wurden selbst erzeugte Resole für die nachfolgenden Untersuchungen eingesetzt. Die eigenen Resole wurden über die Phenol-FormaldehydAdditionsreaktion [1, 2] mit einem Phenol-Formaldehyd Verhältnis von P/F = 1/2, bei pH-Werten von 8–9 und unter Einsatz von NaOH- oder KOH-Katalysatoren erzeugt. Die Harzsynthese erfolgte bei 80 °C oder 90 °C über Zeiträume von 4 Std. Dauer.
227 Die Reinharzproben werden aus den o. g. Resolen in einem Gesenk der Innenabmessungen von ca. 25 mm × 90 mm × 3 mm und durch Härtung in einem Autoklaven nach stets dem gleichem Verfahren erzeugt. Aus diesen Materialien werden zylindrische Proben mit 3 mm Durchmesser präpariert, die mittels Muldenschleifer (GATAN) weiter gedünnt werden (Abb. 1a). Durch Teilen der Proben (Abb. 1a) in 2 Hälften (Abb. 1b) erhält der Ga-Ionenstrahl freien Zugang zu den dünnen, zentralen Probenbereichen (Abb. 2a,b). Die geringen dort abzutragenden Massen ermöglichen eine zügige FIB-Dünnfilmerzeugung. Im Laufe der FIB-Dünnung werden offene und geschlossene Poren teilweise sogar beidseitig angeschnitten (Abb. 3).
Abb. 1: Geometrie zylindrischer FIB-Proben; a) Probenquerschnitt nach Dünnung mit Muldenschleifgerät, b) Probenquerschnitt mit fertigem FIB-Dünnfilm
Abb. 2: Harzproben vor der FIB-Präparation; a) Bruchfläche mit deutlicher Porosität, Querschnitt b) Aufsicht auf den vorgedünnten Bereich von der Probenmitte
3
Ergebnisse
Die verschiedenen untersuchten, gehärteten Phenolharze weisen sehr große Unterschiede in ihren Porengrößen- und örtlichen Verteilungen auf. Das kommerzielle Harz des Typs E 97783 (Abb. 4) zeigt die räumlich gleichmäßigste und feinste Porenverteilung aller hier untersuchten Harze. Das eigene Harz des Typs F vereint dagegen mehrere bei anderen Harzen nur einzeln auftretende Verhaltensweisen. Bei ihm liegt ein sehr breites Spektrum an Porenweiten vor (Abb. 5a), dabei lassen sich neben einer relativ dichten Form des Harzes auch wesentlich po-
228
Abb. 3: FIB-gedünnte Lamelle mit beidseitigem Porenanschnitt, Blick auf den Dünnfilm analog Abb. 1b
rösere Harzformen unterscheiden, die bevorzugt innerhalb von größeren Poren auftreten (Abb. 5b) und sich durch Risse vom dichten Harz absetzen.
Abb. 4: Kommerzielles Harz (E97783) mit gleichmäßiger, feiner Porenverteilung; Bildmitte zeigt Bereiche von FIB-Abbildungen mit höherer Auflösung
Gründe dieses Verhaltens lassen sich durch die Betrachtung der inneren Porenoberflächen finden und ihre Folgen über mehrere Entwicklungsstadien hin mikroskopisch verfolgen. Das Anfangsstadium eines an der Porenoberfläche stattfindenden Gasdurchtrittes aus dem Harz in die Pore zeigt Abb. 6, die einen Blick von innen auf eine Porenwand darstellt. Steigt der Gasdruck im Harz, so kommt es zum Aufreißen der gasgefüllten Miniaturblasen und zur Narbenbildung (Abb. 7). Die
229
a)
b)
Abb. 5: Experimentalharz (Typ F); a) große Porenweiteverteilung und unterschiedlich dichte Harzanteile b) poröse Harzstrukturen innerhalb von Porenoberflächen
Abb. 6: Innenwand einer Pore vom Poreninneren aus gesehen; Oberflächendeformation durch Gasblasenbildung aus der benachbarten Matrix
Reste der zerstörten Blasenwände vereinigen sich nicht wieder mit der ursprünglichen Porenwand sondern bilden einen porösen Belag darauf. Es wird auch das Eindringen ganzer Poren aus der Nachbarschaft in größere Poren beobachtet. Dieser Vorgang ist meist mit der Entstehung einer porösen Deckschicht auf der Innenwand der Poren verbunden (Abb. 8), was auf intensive Entgasungsvorgänge im Harz hindeutet. Mikroskopische Untersuchungen von Bruchflächen (analog Abb. 2a) u. a. der Harze des Typs F geben Hinweise auf die Entstehung
230
Abb. 7: Intensivierte Gasabscheidung, poröse Harzkomponente auf Oberfläche
von relativ dichten Harzbereichen, die die Poren beranden. Sie werden offenbar zu Gasbarrieren, denn benachbarte Harzbereiche weisen erhöhte Porosität auf (Abb. 9).
Abb. 8: Blick auf eine Poreninnenwand; Intrusion benachbarter kleiner Poren in eine größere und Bildung einer oberflächennahen porösen Harzkomponente auf der inneren Porenoberfläche
231
Abb.9: Unterschiedlich dichte Harzanteile nebeneinander, abhängig von den lokal herrschenden Entgasungsbedingungen
4
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Entstehung von Harzporosität wird durch den Ausgangszustand des Resols, d. h. die Bedingungen der Phenol-Formaldehyd-Addition wesentlich beeinflusst. Das selbst erzeugte Resol des Typs F (Katalysator: NaOH, Synthesetemperatur 80 °C, 4 h) liefert nach der Härtung Hinweise auf zuvor abgelaufene Gastransportvorgänge. Die zur Abbildung und Präparation genutzte FIB-Technik erweist sich als geeignetes Mikroskopiewerkzeug, das elektronenstrahlinduzierte Harzschädigungen ausschließt. Kleinere Poren neigen dazu, von größeren aufgenommen zu werden (Abb. 6–8). Die Reste ihrer in der Vernetzung weiter fortgeschrittenen Hüllen bilden sich nicht voll-ständig zurück, sondern erzeugen poröse Schichten an der Innenseite der Poren (Abb. 7, 8). Stehen größere Poren in Verbindung mit der Umgebung, so ist der Transfer der Reaktionsprodukte aus dem Harz in die offene Pore intensiver und die sich an der Poreninnenwand bildende poröse Schicht wird dicker (Abb. 5b). Es kann sich in diesen Fällen in den Poren kaum ein den Gasfluss hemmender Gegendruck aufbauen. Die direkte Entgasung porennaher Harzbereiche ist auf kurze Strecken begrenzt (Abb. 9); die relativ dichte Umhüllung geschlossener Poren ist selten dicker als 30 m. Sie scheint durch ihre Kompaktheit die weitere Entgasung der durch sie eingeschlossenen Harzbereiche zu behindern, was sich im gleichzeitigen Vorliegen von Zonen mit eingeschlossenen, überdurchschnittlich großen Poren äußert (Abb. 9). Die signifikanten Unterschiede im Härtungsverhalten der Harze begründen die Erwartung, durch Einflussnahme auf die Phenol-Formaldehyd-Addition künftig den CFK-Zustand wirksam beeinflussen zu können, um so für die C/C und C/C-SiC Erzeugung bessere Ausgangsbedingungen zu schaffen. Die Vernetzungsdichte soll dabei auf das mechanisch notwendige Minimum eingestellt werden, wodurch sich die bei der Kondensation anfallende Gasmenge
232 reduziert. Die Verbesserung der Entgasungsbedingungen der Harze bleibt eine verfahrenstechnisch zu lösende Aufgabe.
5 [1] [2] [3]
[4]
[5]
Literatur Hultzsch, K.: Chemie der Phenolharze, Springer-Verlag, Berlin 1950. Rogers, E.; Long, T. E.: Synthetic Methods in Step-Growth Polymers; Wiley Interscience, Hoboken, 2003, ISBN 0-471-38769-X. Odeshi, A., G.: Beitrag zur Herstellung von kohlernstofffaser-verstärkten Keramikmatrixverbunden; Dissertation, Fakultät für Maschinenbau der TU Chemnitz, in Schriftenreihe: Werkstoffe und werkstofftechnische Anwendungen, Bd. 6, ISSN 1439-1597, Verlag Mainz GmbH, Aachen 2001. Mucha, H.: Untersuchungen zur Porositätsentwicklung von Phenolharzen als Polymerund Kohlenstoffspendermatices in C-Faserverbundwerkstoffen; Dissertation, Fakultät für Maschinenbau der TU Chemnitz, in Schriftenreihe: Werkstoffe und werkstofftechnische Anwendungen, Bd. 27, ISSN 1439-1597, Eigenverlag, Chemnitz 2007. Mucha, H.; Kato, T.; Arai, S.; Saka, H.; Kuroda, K.; Wielage, B.: Focused Ion Beam Preparation Techniques dedicated to the fabrication of TEM-Lamellae of fibre-reinforced composites; Journal of Electron Microscopy, Bd. 54 (1), 2005, Heft 1, Seiten 1–7.
233
Qualitative und Quantitative mikrostrukturelle Untersuchungen der Werkstoffe bei der Herstellung von C/SiC-Hochleistungskeramiken mittels Computertomografie J. M. Hausherr1,2, C. Herrmann2, C. Spatz1,2, W. Krenkel1,2 1 2
Lehrstuhl Keramische Werkstoffe, Fakultät Angewandte Naturwissenschaften, Universität Bayreuth, Bayreuth Fraunhofer-Projektgruppe Keramische Verbundstrukturen, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, Bayreuth
1
Einleitung und Motivation
Die Qualitätssicherung faserverstärkter Keramiken (Ceramic Matrix Composites, CMC) ist aufgrund ihrer anisotropen und inhomogenen Morphologie eine Herausforderung. Obwohl CMCs gegenüber monolithischen Keramiken eine höhere Schadenstoleranz aufweisen, ist das Material aufgrund der Morphologie anfälliger für innere Schäden wie z. B. Risse, Delaminationen oder Materialagglomerationen. Gerade bei der Herstellung von CMCs mittels des Flüssigsilizierverfahrens kann durch eine unvollständige Siliziumaufnahme eine nur partielle Umwandlung von Kohlenstoff erfolgen, welches zu Bereichen mit geringer Festigkeit führt. Diese von außen nicht erkennbare Schwächung der Struktur tritt während der Fertigung auf. Um die Herstellung intakter Bauteile zu gewährleisten ist es daher unumgänglich, eine zerstörungsfreie Qualitätsund Prozesskontrolle durchzuführen [Hei08], [Kre04]. Die klassischen zerstörungsfreien Prüfmethoden aus der Metalltechnik oder Kunststoffverarbeitung, wie z.B. die Ultraschallanalyse, optische Analysen oder Röntgendurchleuchtung liefern jedoch bei der Beurteilung von faserverstärkten Keramiken nur eingeschränkt nutzbare Ergebnisse. Obwohl wassergekoppelte Ultraschallmessungen an dem kohlenstofffaser-verstärkten Grünkörper und dem C/SiC Endprodukt eingesetzt werden können, liefern diese Verfahren lediglich zwei-dimensionale Schadensabbildungen. Nur mit dem Einsatz der Röntgen-MikroComputertomographie (μCT) ist die zerstörungsfreie, vollständig drei-dimensionale Erfassung und Auswertung eines Bauteils möglich [Hau08].
1.1
Der LSI-Prozess
Das industriell am häufigsten verwendete Verfahren zur Herstellung von CMC ist das so genannte Flüssigsilizierverfahren (Liquid Silicon Infiltration – LSI). Ausgangspunkt ist die Herstellung eines CFK-Grünkörpers, der in einem Zwischenschritt zuerst bei Temperaturen bis 1600 °C unter Stickstoffatmosphären pyrolysiert wird. Dabei wird die Kunststoffmatrix des CFK-Grünkörpers in amorphen Kohlenstoff umgewandelt. Der dabei entstehende hoch-poröse, mit einem Mikrorisssystem durchsetzte kohlenstofffaserverstärkte Kohlenstoff (C/C) wird in einem letzten Schritt bei rund 1600 °C unter Vakuum mit flüssigem Silizium infiltriert. Dabei reagiert das flüssige Silizium mit der amorphen Kohlenstoffmatrix zu Siliziumkarbid, ohne die eingebetteten Fasern umzuwandeln [Kre01]. Abbildung 1 zeigt den schematischen Ablauf.
234 1.2
Funktionsbeschreibung der Mikro-Computertomographie
Die μCT untersucht ein Bauteil mittels der klassischen Röntgendurchleuchtung, wobei eine große Anzahl einzelner Radioskopien das Bauteil aus verschiedenen Blickwinkeln abbildet. Mittels eines Softwarealgorithmus werden die einzelnen Abbildungen zuerst in ein zweidimensionales Querschichtbild und anschließend in ein dreidimensionales Modell umgewandelt (Abbildung 2) [Nud02].
Abb. 1: Prinzip der Flüssigsilizierung vom CFK-Zustand links über die Pyrolyse zum CMC rechts
Abb. 2: Funktionsprinzip einer μCT-Messung aus einzelnen Radioskopien bis zur Volumendarstellung
Die Möglichkeit, ein Objekt tatsächlich dreidimensional zu erfassen, ist ein Hauptmerkmal der μCT. Die zu messenden Objekte werden berührungsfrei untersucht; eine besondere Probenpräparation ist nicht erforderlich. Je nach Objektgröße können Auflösungen < 5 μm erzielt werden. Die einzige Voraussetzung bei der μCT ist die Notwendigkeit, dass die zu ermittelnden Auffälligkeiten durch eine Änderung der Röntgenabsorption erkennbar sind. [Fuc07], [Fel89]
1.3
Funktionsbeschreibung der Rasterelektronenmikroskopie
Die Rasterelektronenmikroskopie (REM) ist eine der am weitesten verbreiteten Methode zur Materialcharakterisierung. Der Vorteil der hochauflösenden Betrachtung einer Oberflächenstruktur im Nanometerbereich erlaubt das Erkennen sehr kleiner Defekte. Die Auswertung der Interaktionen zwischen dem Material und den abgestrahlten Elektronen, wie z. B. die Energie-Dispersive-Röntgenstrahlung (EDX), erlaubt nicht nur die qualitative
235 hochauflösende Ansicht der jeweiligen Probe, sondern ermöglicht auch weitergehende morphologische Untersuchungen wie die Auswertung der Elementverteilung, die Phasenanalyse und topografische Untersuchungen. Eine REM-Untersuchung ist lediglich auf der Oberfläche kleiner Proben möglich. Der zu untersuchende Bereich muss erst einem Objekt entnommen und anschließend durch eine Oberflächenbehandlung (Polieren und Beschichtung) präpariert werden, um in einer Vakuumkammer untersucht zu werden. Dieses Vorgehen erfordert meist die Zerstörung der Probe und macht weitergehende Untersuchungen nach einer REM-Untersuchung unmöglich.
2
Experimenteller Aufbau
Ziel der Untersuchungen ist eine Validierung der durch μCT-Messungen ermittelten morphologischen Ergebnisse mittels der REM. Dabei wurden verschiedene CFK-, C/C- und C/SiC-Proben mittels μCT-Messungen dreidimensional erfasst und die jeweilige Rissstruktur, Porenverteilung und Phasenverteilung ermittelt. Aus den identischen Proben wurden anschließend einzelne Ebenen als Schliffebenen präpariert und im REM untersucht. Anschließend findet ein Vergleich der Schliffbilder aus dem REM mit den entsprechenden Schnittebenen aus dem CT-Volumen statt. Aufgrund ähnlicher Ergebnisse bei den CFK und C/C-Proben werden im Folgenden nur Ergebnisse der endgültigen C/SiC-Keramiken präsentiert. Die verwendeten Proben sind Würfel mit einer Kantenlänge von 10 mm und wurden mittig aus 210 mm × 210 mm × 10 mm großen CFK-Platten entnommen. Insgesamt wurden drei Werkstoffe untersucht: • Tenax 3K-HTA-Gewebe mit Novolak 6109FP (Faservolumenanteil 60 %) • Kurzfaserverstärktes HTA, 6 mm Faserlänge (3K-Rovings) mit Novolak 6109FP (Faservolumenanteil 50 %) • Zoltek 8 mm Faserlänge mit Novolak 6109FP (Faservolumenanteil 50 %) Die Pyrolyse der C/C-Körper erfolgte ebenso wie die abschließende Silizierung bei 1600 °C (mit einer Siliziumqualität von 99,8 % Reinheit). Für die μCT-Messungen wurde eine am Fraunhofer IIS entwickelte ComputertomografieAnlage verwendet. Die Anlage basiert auf einem Yxlon Y.CT Präzisionsmanipulator mit einer Viscom X-9225-TED Transmissionsröhre und einem 2048² Pixel Flachdetektor vom Typ Perkin Elmer XRD 1621 AN3-CT. Für die Messungen wurde die Röntgenröhre mit einer Spannung von 110 kV und 170 μA Röhrenstrom betrieben. Die jeweilige CT-Messung bestand aus je 1600 Einzelaufnahmen, wobei eine Einzelaufnahme mit 500 ms Belichtungszeit aus drei Einzelbildern aus verschiedenen Raumrichtungen aufgenommen wurde. Das Ergebnis der Rekonstruktion liefert die dreidimensionale Dichteverteilung der gesamten C/SiC-Probe mit einer Auflösung von ca. 8 μm. Als REM stand ein JEOL JSM-6400 mit angeschlossener Noran Explorer EDX Einheit zur Verfügung. Die verwendete Beschleunigungsspannung lag bei 15 keV. Zur besseren Phasenerkennung kam der integrierte Rückstreu-Elektronen-Detektor zum Einsatz. Von jedem Materialtyp wurden je 3 Proben hergestellt und mittels CT und REM untersucht. Für die REM-Untersuchungen mussten die Proben parallel zur Unterseite in Fixierharz eingebettet werden. Anschließend erfolgt ein Abschleifen (ca. 1 mm) und Polieren der Oberfläche. Abschließend werden die präparierten Probenoberflächen mit Gold besputtert und bei 70facher Auflösung im REM abgerastert.
236
Abb. 3: REM (JEOL JSM 6400)
3
Abb. 4: μCT-System an der FHG-Bayreuth
Mikrostrukturanalyse
Für die Validierung der CT-Messungen wurden insgesamt drei Ansätze verfolgt. Zuerst erfolgt ein rein qualitativer Vergleich einzelner Schichten, indem extrahierte Ebenen aus den CT-Volumina mit den entsprechenden REM-Aufnahmen verglichen werden. Nach der qualitativen Untersuchung wird in der identischen Schnittebene vorkommende Phasenverteilung, Faservolumengehalt und Dichte mit beiden Verfahren quantitativ ausgewertet und miteinander verglichen. Abschließend werden die quantitativ ermittelten Werte aus der einzelnen Ebene mit den in der CT ermittelten Volumendaten verglichen [Hau06].
3.1
Qualitative Analyse: Vergleich der Bilddaten mittels CT und REM
Die qualitative Auswertung der CT-Daten zeigt in allen Proben die mit Si bzw. SiC umhüllten Kohlenstofffaserbündel (Abbildung 5). Aufgrund der ähnlichen Röntgenabsorption kann nicht zwischen SiC und Si unterschieden werden, beide Stoffe werden als hellgraue Bereiche dargestellt [Hub04]. Die Faserbündel sind aufgrund der geringeren Absorption als dunkelgraue Bereiche sichtbar. Innerhalb der Faserbündel haben sich verschieden stark ausgeprägte mit Si/SiC aufgefüllte Transversalrisse von ca. 20 μm Breite ausgebildet. Die Reste der ursprünglichen Kohlenstoffmatrix weisen ein anisotropes Rissmuster auf, das ebenfalls mit Silizium gefüllt ist. Im Volumen befinden sich deutlich erkennbare offene Risse. Aufgrund der begrenzten Auflösung der CT-Messung können Details kleiner als 8 μm nicht deutlich aufgelöst werden. Die REM-Untersuchung der gleichen Ebene zeigt eine ähnliche Morphologie und beinahe bildgenaue Übereinstimmung. Die Faserbündel sind identisch orientiert und weisen die gleichen Abmessungen auf. Die in der CT erkennbare transversale Rissstruktur innerhalb der Faserbündel und die anisotrope Rissverteilung in der Matrix sind ebenfalls sichtbar. Aufgrund der höheren Auflösung können auch kleinere Risse in den Faserbündeln erkannt werden. Die elementare Abhängigkeit der gemessenen Rückstreu-Elektronen erlaubt die Unterscheidung zwischen SiC und freiem Silizium. Das Erkennen von flachen, nicht senkrecht ins Material laufender Risse ist mittels Rückstreu-Elektronen schwierig, da nur die Risskanten erkennbar sind. Der Riss selber
237 wird durch die von der Rückwand zurückgestrahlten Rückstreu-Elektronen überlagert und daher nur bedingt erkannt.
Abb. 5: μCT-Ebenenbild einer Kurzfaser-C/SiCProbe
3.2
Abb. 6: REM Schliffaufnahme der identischen Ebene
Quantitative Auswertung der Schliffflächen
Aufgrund des direkten Zusammenhangs zwischen der Anzahl an gemessenen Rückstreu-Elektronen und dem entsprechenden Element ist eine Zuordnung der jeweiligen Phasenanteile im REM gut möglich. Dabei wird die Anzahl der zurückgestreuten Elektronen vom Material ausgewertet und die jeweiligen Flächenanteile berechnet [Hau09]. Zusätzlich werden die Bereiche mittels EDX-Analyse auf die Materialzusammensetzung geprüft. Abbildung 7 zeigt das Histogramm der Rückstreu-Elektronen, die entsprechende Zuordnung der jeweiligen Materialien und deren flächenbezogene Verteilung ist in Tabelle 1 beschrieben. Die Werte liegen im Rahmen der in der Literatur beschriebenen Materialverteilung bei kurzfaserverstärkten C/SiC Keramiken.
Abb. 7: REM-Grauwertverteilung in der Schliffebene mit zugeordneten Phasen.
238 Die sichtbaren Risse können mit der Rückstreu-Elektronen Darstellung jedoch nur bedingt erfasst werden. Die Porosität ist daher nicht bestimmbar. Tabelle 1: Auswertung der RS-Elektronen (REM) und Dichteverteilung (CT) Material Grauwertbereich REM
Flächenanteil REM
Grauwertbereich CT
Flächenanteil CT
Literaturwerte
Luft
./.
./.
0 … 1000
2%
0%…4%
C
0 … 1400
71 %
1001 … 5500
69 %
60 % … 75 %
SiC
1401 … 3600
20 %
5501 … 10000
29 %
15 % … 30 %
Si
3601 … 4096
8%
2 % … 10 %
Bei der μCT-Analyse ist eine quantitative Auswertung schwieriger. Da die μCT ausschließlich die Differenzen in der Röntgenabsorption erfassen kann, sind bei den Messungen nur unterschiedliche Dichteverteilungen erkennbar. Aufgrund der nicht auflösbaren sehr feinen Rissverteilung (< 1 μm) im Material ist die Dichteverteilung nicht eindeutig trennbar. Abbildung 8 zeigt die vorkommende Dichteverteilung mit dem deutlich überlagerten bzw. „verschmierten“ Bereich zwischen Kohlenstoff und Si/SiC (Bereich zwischen 4500 und 5800). Die Zuordnung kann nicht automatisch erfolgen, sondern erfordert eine manuelle Anpassung mit einem Vergleich der tatsächlichen Bildausschnitte. Tabelle 1 zeigt die Auswertung der identischen Schichtebene aus der REM-Analyse.
Abb. 8: Dichteverteilung in einer Schichtebene (μCT) mit Segmentgrenzen zwischen Luft, C- und SiC-Bereiche
3.3
Volumenanalyse
Bei der μCT-Messung wird das vollständige Volumen einer Probe erfasst. Dadurch können sowohl volumenabhängige als auch in Schnittebenen Phasenanalysen vorgenommen werden. Volumenabhängige Phasenanalysen an den Proben zeigen eine gute Übereinstimmung mit zufällig ausgewählten Ebenenansichten. Ebenfalls möglich sind qualitative Aussagen durch die Betrachtung der dreidimensionalen Bilddaten. Die in Abbildung 5 sichtbaren einzelnen Risse innerhalb der ausgewählten Ebene bilden bei der dreidimensionalen Betrachtung eine komplexe Rissstruktur, welche durch die ge-
239 samte Probe verteilt ist. Teilweise sind diese Risse interkonnektiert. Das Rissnetzwerk ist in allen Proben erkennbar. Die REM-Auswertung ist auf die Oberfläche eines Objektes beschränkt. Volumenabhängige Messungen sind nicht möglich, da der Präparationsaufwand unverhältnismäßig hoch wäre. Eine volumenabhängige Analyse ist daher nicht möglich.
4
Zusammenfassung und Diskussion
Obwohl durch REM-Untersuchungen eine bessere Auflösung und eine genaue Materialzusammensetzung ermittelt werden kann, sind die Messungen jeweils auf eine offen liegende Oberfläche beschränkt. CT-Messungen hingegen können ein Bauteil vollständig erfassen und entweder beliebige Schnittebenen oder das gesamte Volumen auf einmal untersuchen. Dies erlaubt zum einen eine schnelle Phasenauswertung einer gesamten Probe ohne aufwändige Schliffpräparation, andererseits auch eine qualitative Auswertung des Volumens. Die Verfolgung einzelner Risse kann im Volumen durchgeführt werden, wobei sich die tatsächliche Rissstruktur erfassen lässt. Die durchgeführten Arbeiten zeigen, dass die μCT-Messungen unter Berücksichtigung der Auflösung qualitativ ähnliche Ergebnisse liefern wie entsprechende REM-Analysen. Eine quantitative Bestimmung von Phasenanteilen ist mittels CT ebenfalls möglich, jedoch muss die Analyse mit einem erheblich höheren Aufwand ausgewertet werden. Nachteilig ist bei der μCT im Vergleich mit einer REM-Analyse die nur ungenügende Erkennung einzelner Elemente. Im Gegensatz zu der zweidimensionalen Abrasterung bei einer REM-Messung ist die μCT jedoch in der Lage, dreidimensionale Mikrostrukturen detailliert darzustellen.
5 [1] [2] [3] [4] [5]
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241
Keramische Leichtbaumodule mit hoher geometrischer Variabilität S. Siegel Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, Dresden
1
Vorteile und Grenzen keramischer Leichtbauelemente
Keramische Werkstoffe zeichnen sich durch hohe Festigkeiten und Härten bei niedrigen Dichten, konkurrenzloses Hochtemperaturverhalten, hohe Korrosions- und Verschleißbeständigkeit aus. Dazu kommen geringe thermische Ausdehnungskoeffizienten und ein hoher Elastizitätsmodul. Dies prädestiniert sogenannte Strukturkeramiken für Anwendungen im konstruktiven Leichtbau. Heute stehen wir sogar am Beginn einer Einbeziehung passiver und aktiver piezokeramischer Teilkomponenten. Diese werden beispielsweise zur Schwingungsdämpfung oder als Positioniermodule für mikroskopisch feine Geometrieanpassungen an wechselnde Umgebungsbedingungen eingesetzt. Der Konstrukteur scheut wegen der sprichwörtlichen Sprödigkeit der Keramikwerkstoffe oft vor einem Einsatz zurück. Längst sind jedoch Auslegungsprinzipien bekannt, die diesen Mangel weitgehend beheben und den hohen E-Modul gezielt zur Wirkung bringen. Entscheidend limitiert wird die Nutzung keramischer Leichtbauelemente aber meist durch die Herstellungskosten. Außer in preisintensiven Produkten für die Luft- und Raumfahrt finden sich folglich wenige attraktive Anwendungen im zivilen Sektor. Dem normalen pulvertechnologischen Herstellungsweg bleiben deshalb geometrisch sehr komplexe und groß dimensionierte Systeme und Komponenten des Maschinen- und Anlagenbaus weitgehend verschlossen.
2
Biogener Ansatz für Siliciumcarbid-Werkstoffe
2.1
Nachwachsender Rohstoff
Ein zukunftsfähiges Angebot für neuartige keramische Leichtbaumodule liefert der Ansatz biogener Siliciumcarbid-basierter CMC-Verbunde. Das Werkstoffkonzept biogener Faserkeramik baut auf Synthesevorleistungen der Natur in Form bio-organischer, hierarchisch organisierter Strukturen auf. Pflanzenfasern bestehen zu über 40 % aus Kohlenstoff. Durch Konvertierungsverfahren können daraus beispielsweise BioCarbon-Werkstoffe und dem SiSiC ähnliche Strukturkeramiken hergestellt werden. Die biologische Vorlage ist Rohstofflieferant und zeichnet sich neben Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit durch ökonomische und ökologische Vorteile gegenüber vergleichbaren Produktlinien aus [1, 2]. Das Prinzip der Konversion Cellulose- und Lignin-haltiger pflanzenbasierter Strukturen ermöglicht neue Werkstofflösungen und Herstellungsverfahren. Die wesentlichen Ansätze mit technischem Realisierungshintergrund benennt Bild 1. Als „wood ceramics“ bezeichnete Keramikverbunde werden in der Literatur besonders für gezielt poröse Systeme diskutiert [3, 4]. Hier setzen die strukturellen Schwankungen des Naturholzes
242 aber enge anwendungsseitige Grenzen. Die Pyrolyse von Einzelfasern mit anschließender pulvertechnologischer Verarbeitung muss als zurzeit wenig wirtschaftlich eingestuft werden [2].
Bild 1: Quellen biogener Verbundkeramiken
Für keramische Leichtbaustrukturen empfehlen sich folglich technische Holzwerkstoffe und textiltechnische oder papiertechnische Halbzeuge. Sie vermeiden die Nachteile der heterogenen und damit verfahrenstechnisch schwer beherrschbaren Strukturen von Massivholz weitgehend.
2.2
Mikrostrukturelles Design
Die in der natürlichen Evolution mechanisch optimierten Verbundbauweisen der Pflanzen bieten sehr effiziente Bausteine für eine Mikrostrukturierung von CMC-Werkstoffen. Die Bio-Fasern werden durch Pyrolyse in Carbongerüste adäquater Morphologie umgewandelt. Dies schafft unikale anorganische Verbundstrukturen mit einem Zugang zu innovativen Werkstoffkonzepten. Biologisch geprägte Faserverbunde können sowohl in dichte als auch gezielt poröse Strukturen transformiert werden und eröffnen damit einen weiten Anwendungsspielraum. Durch zusätzliche makroskopische Strukturierung generieren textiltechnische (3D-Gewebe, Vlies, Filz) und papiertechnische (Pappe, Laminate) Produkte bereits heute interessante Lösungen u.a. für den strukturellen keramischen Leichtbau ohne die Qualitäts- und Reproduzierbarkeitsprobleme der Naturhölzer [5–7]. Modifizierungen durch keramische Precursoren mittels Replika-Techniken schaffen weitere Möglichkeiten beispielsweise auch für poröse oxidkeramische Systeme [8].
243
3
Modulare Bauweise für komplexe und großformatige Systemelemente
3.1
Entwicklungsbasis technischer Holzwerkstoff
Für hochfeste und hochsteife Konstruktionselemente eignen sich besonders keramische SiC-Si(C)-Gefüge auf der Basis konvertierter mitteldichter (MDF) und hochdichter (HDF) Holzfaserplatten. MDF und HDF werden großtechnisch in Trocken- und Nassverfahren aus Nadel- oder Laubholz-Faserelementen unter Zusatz von Bindemitteln hergestellt. Den prinzipiellen Prozessablauf bei der Keramisierung technischer Holzwerkstoffe skizziert Bild 2. Gleichmäßige Fasergefüge in der Pressebene ermöglichen verzugsfreie Carbonisierungsprozesse. Handelsübliche Holzfaserplatten zeigen ein charakteristisches Dichteprofil senkrecht zur Plattenebene nach Bild 3. Zur gleichzeitigen Veranschaulichung der Fügewirkung durch Kleben ist eine im Holzzustand flächig verklebte und danach carbonisierte Doppelplatte dargestellt.
Bild 2: Herstellung keramischer Erzeugnisse auf Basis technischer Holzwerkstoffe
Für die meisten Anwendungen in der Bau- und Möbelindustrie werden solche Dichteprofile mit deutlich erhöhten Deckschichtdichten und damit Festigkeiten gefordert. Homogene Produktqualitäten nach der keramischen Transformation erfordern jedoch geringe Dichtegradienten der Holzfaserplatten. Mit speziellen Pressprogrammen sind solche Dichteprofile einstellbar [9]. Aus wirtschaftlichen Gründen sollten sich keramische Produktentwicklungen aber auf die üblichen Standardqualitäten von MDF und HDF orientieren und diese gezielt modifizieren. Neben Oberflächenbearbeitungen und Tränkverfahren zur Dichteeinstellung spielen dabei Fügetechniken in den verschiedenen Werkstoffzuständen eine vordergründige Rolle.
244
Bild 3: Dichteprofil eines Klebeverbundes zweier MDF-Platten der Dicke 19 mm nach der Carbonisierung [9]
3.2
Fügen im Holzzustand
Für die angestrebte Vielfalt biogener keramischer Tragstrukturen ist davon auszugehen, dass die verfügbaren Faserplattendicken den geometrischen Anforderungen an die Holzhalbzeuge nicht immer entsprechen. Bei MDF-Platten liegt die für eine Konvertierung sinnvolle Maximaldicke zwischen 25 und 40 mm, bei HDF sind 8 mm die technische Grenze. Deshalb muss das Fügen im Holz- und BioCarbon-Zustand ein wesentliches Glied von Bauteilentwicklungen sein. Unter Berücksichtigung der späteren Schwindung beim Carbonisieren werden gemäß Zielkontur vorbereitete Faserplattensegmente flächig aufeinander geklebt und gemeinsam carbonisiert. Als Fügemittel im Holzzustand haben sich verschiedene Kunstharzkleber bewährt. Aus Sicht der nachfolgenden Wärmebehandlung ist duroplastischen Klebharzen mit möglichst hoher Kohlenstoffausbeute der Vorzug zu geben. Entscheidende Verbundkriterien sind neben Rissund Verzerrungsfreiheit eine uneingeschränkte robuste Handlingsfähigkeit und mechanische Bearbeitbarkeit des entstehenden großvolumigen BioCarbon-Halbzeuges.
3.3
Fügen im BioCarbon-Zustand
Das Carbonisierungsverhalten groß dimensionierter Faserplatten-Verbunde limitiert die mögliche Anzahl von Verbundlagen im Holzzustand. Sehr große und formkomplexe Bauteile müssen deshalb in Segmenten carbonisiert und danach im BioCarbon-Zustand mit Graphitklebern gefügt werden. Zu beachten ist dabei die Dichtesteigerung in den vom Kleber durchdrungenen Gefügebereichen. Modifizierungen der Kleber durch zusätzliche Kohlenstoffträger können das Kohlenstoff-Angebot für eine spätere Silicierung verbessern und eine gewünschte Viskosität einstellen.
245 3.4
Fügesilicieren
Der entscheidende fertigungstechnische Prozess bei der Keramisierung biogener Vorlagen ist neben der Carbonisierung gemäß Bild 2 die Silicierung. Bewährtes Verfahren ist die Flüssigmetallinfiltration nach dem LSI-Prinzip [10]. Unter Nutzung des Kapillareffektes infiltriert dabei flüssiges Silicium bei Temperaturen über 1420 °C in die porösen Kohlenstoffstrukturen und reagiert gemäß Csolid + Siliquid SiCsolid (1) zur E-Modifikation des Siliciumcarbid. Makroskopische Volumenänderungen treten dabei nicht auf. Carbonisierte Holzfaserplatten erfüllen die Siliciervoraussetzungen bezüglich Dichte und Porenkanalgeometrie im Allgemeinen sehr gut [2]. Die Faserstruktur der biogenen Systeme wirkt sich fördernd auf den Siliciumtransport in den Kapillaren aus. In situ werden dabei • im Holzzustand geklebte und danach gemeinsam carbonisierte Bauteileinheiten • im BioCarbon-Zustand geklebte Bauteileinheiten • im BioCarbon-Zustand formschlüssig gefügte Elemente in der Fügenaht zu SiC umgewandelt und bilden eine stoffschlüssige Verbindung. Ein Beispiel einer sehr homogenen Fügenaht der Dicke 80 m zeigt Bild 4.
Bild 4: Verklebter und carbonisierter MDF-Plattenverbund nach der Silicierung
Somit sind auch große und komplexe keramische Systeme technologisch günstig herstellbar.
4
Kostengünstige Technologien
Mit der Verwendung biologisch vorgeprägter Halbzeuge auf der Basis von Holzfaserplatten erschließt sich ein neues industrielles Herstellungsverfahren für Keramikelemente. Durch Einsatz effizienter Formgebungstechnologien aus der holzverarbeitenden Industrie werden auch großformatige und formkomplexe keramische Konstruktionselemente in hoher Formenvielfalt wirtschaftlich herstellbar. Die Verlagerung der Formgebung auf kostengünstige Standardprozesse im nicht-keramischen Sektor kann zu insgesamt schlankeren Fertigungsverfahren ausgebaut werden. Bekannte und anzupassende Fügetechniken im Holz- und BioCarbon-Zustand
246 bieten Chancen und Herausforderungen auch zu pulvertechnologisch nicht tragfähigen Produktlösungen. Neben Ressourcen- und Energieeffizienz bei der Herstellung sollten im Vergleich mit traditionellen Technologien zukünftig auch ökologische Aspekte zu einem förderlichen Argument im Kostenmanagement werden. Die Faserplatten-Pyrolyse ist zwar ein Zeit- und Energie-intensiver Prozess, gemessen an Werkzeuginvestitionen für traditionelle keramische Herstellungsrouten bei Kleinserien und großen Bauteilen aber wirtschaftlich durchaus konkurrenzfähig. Ungeeignet für die Realisierung von Großserien, bringt dieser pulverfreie Weg seine Vorteile bei Prototypen und Unikaten zur Geltung und könnte bisher von der Keramik nicht erfüllbare Interessen auch im Maschinen- und Anlagenbau bedienen. Die Schwindungen bei der Carbonisierung von 23 % in der Plattenebene und 43 % in der Plattenhöhe sind für alle Standardqualitäten MDF und HDF nahezu identisch und damit technisch beherrschbar und reproduzierbar. Eine Rohformgebung im Holzzustand unterstützt die Prozesssicherheit bei der Carbonisierung großer Bauteile. Ein entscheidender verfahrenstechnischer und wirtschaftlicher Vorteil entsteht durch die mögliche Endform-getreue Weichbearbeitung im BioCarbon-Zustand. Die oft sehr aufwändige Finishbearbeitung der keramischen Systeme kann auf das Schleifen notwendiger Funktionsflächen reduziert werden.
5
Modellbeispiele
5.1
Tragstrukturen
Für Optik, Wärmetechnik und Anlagenbau liefern die biogenen CMC-Verbunde neue keramische Produktansätze. Bisher nicht wirtschaftlich realisierbare Abmessungen und/oder Schwierigkeitsgrade werden zugänglich. Als Beispiel stehen in Bild 5 Justierringe aus SiSiCHolzfaserkeramik.
Bild 5: Biogene SiSiC-Ringe auf der Basis von MDF-Platten; monolithisch und nach verschiedenen Fügeverfahren
247 5.2
Keramische Spiegel
Leichtbaupotenzial und hohe thermische Stabilität von Keramikwerkstoffen werden in immer stärkerem Maße für Präzisionsgeräte abgerufen. Bild 6 demonstriert eine Modellstudie eines biogenen keramischen Hohlspiegels.
Bild 6: Silicierter BioCarbon-Hohlspiegel auf Basis gefügter MDF-Holzfaserplatten; Ø 300 mm × 75 mm
5.3
Keramische Wärmetauscher
Der sehr effektive Einsatz keramischer Wärmetauscher besonders im Hochtemperaturbereich wird neben der technischen Umsetzbarkeit oft durch die Herstellungskosten limitiert. Auf beide Probleme kann die Holzfaserkeramik eine Antwort bieten und ermöglicht SiSiC-Module nach Bild 7.
Bild 7: Modell und Muster eines silicierten Wärmetauscher-Moduls 106 mm × 106 mm × 106 mm auf Basis von MDF
248
6
Zusammenfassung
Keramische Werkstoffe bieten neben exzellentem Hochtemperaturverhalten, Korrosions- und Verschleißbeständigkeit auch ein großes Potenzial als Leichtbauwerkstoff. Entscheidende Voraussetzung dafür sind ein hoher E-Modul und eine geringe thermische Ausdehnung. Als problematisch erweisen sich dagegen die Fertigungskosten, die mit zunehmender Bauteilgröße den oftmals erwünschten Einsatz von Strukturkeramiken im Maschinen-und Anlagenbau ökonomisch begrenzen. Der neuartige Werkstoffansatz der biogenen Keramik ermöglicht groß dimensionierte hochsteife Leichtbausysteme ohne eine aufwändige und erhebliche Werkzeugkosten verursachende pulvertechnologische Formgebung. Grundlage ist eine Konvertierung von Pflanzenfaserstrukturen in Carbon-Template, deren Endform-treue Bearbeitung und anschließende Reaktionsinfiltrierung vorzugsweise mit Silicium. Besondere Vorteile bieten Halbzeuge auf der Basis kommerzieller hochdichter (HDF) und mitteldichter (MDF) Holzfaserplatten. Sie vereinen kostengünstige Formgebungsverfahren der Holztechnologie mit der hohen geometrischen Variabilität form- und stoffschlüssiger Fügeverfahren im Holz- und Carbon-Zustand. Die ausgezeichnete Bearbeitbarkeit im Carbon-Zustand und eine Geometrie-invariante Silicierung minimieren die oft erheblichen Finish-Kosten großer keramischer Systemelemente. In der Entwicklung befindliche Anwendungsbeispiele als Leichtbaumodule und Wärmetauscher werden vorgestellt.
7
Acknowledgement
Die Bearbeiter danken dem BMBF für die Förderung im Rahmen der Programme Biomimetische Werkstoffe (FKZ 03N8024A) und Bionische Innovationen (FKZ 01RB0703B).
8 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]
Literatur P. Calvert, Mat. Res. Bull. 1992, 17, 36. S. Siegel, U. Petasch, G. Boden, Keram. Z. 2004, 56, 156–163 und 234–238. T. Okabe, K. Saito, J. Porous Mat. 1996, 2, 207. H. Iizuka et al., J. Porous Mat. 1999, 6, 175. P. Greil, J. Eur. Ceram. Soc. 2001, 2, 105. P. Greil, Adv. Eng. Mat. 2002, 5, 247. H. Sieber et al., Ceramic Transactions, Am. Ceram. Soc. 2000, 108, 571. H. Sieber et al., Key Eng. Mat. 2002, 206, 2009. S. Siegel, H. Thömen, cfi/Ber. DKG 2005, 82, 108. P. Görl, H. Kaiser, DE 4418945, 1994.
249
Einsatz der Computertomografie zur zerstörungsfreien Prüfung und Charakterisierung von Faserverbundwerkstoffen C. Herrmann1, J. M. Hausherr1,2, W. Krenkel1,2 1 2
Fraunhofer ISC, Projektgruppe Keramische Verbundstrukturen, Bayreuth Lehrstuhl Keramische Werkstoffe, Universität Bayreuth
1
Einleitung
Faserverbundwerkstoffe (FVW) haben auf Grund ihrer hohen Festigkeit und ihres hohen E-Moduls bei geringer Dichte in vielen industriellen Bereichen eine große Bedeutung erlangt. Diese Eigenschaften werden durch das gezielte Einbringen von Fasern in eine Matrix erreicht und somit von der Mikrostruktur des Werkstoffes bestimmt [1, 2]. Der heterogene und meist anisotrope Strukturaufbau moderner FVW stellt besonders die Werkstoffprüfung und Qualitätssicherung vor immer größere Herausforderungen. Klassische Prüfmethoden wie z.B. Ultraschallprüfung, Röntgendurchleuchtung oder Wirbelstromverfahren reichen zur Charakterisierung oftmals nicht mehr aus [3]. Für eine Charakterisierung von FVW hat die Computertomografie (CT) in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Mit dieser Methode können nicht nur die unterschiedlichsten Werkstoffe wie Keramiken, Metalle, Polymere oder Faserverbundwerkstoffe, sondern auch große und komplex geformte Bauteile zerstörungsfrei geprüft werden. Die CT liefert eine vollständige dreidimensionale Abbildung des zu untersuchenden Bauteils als Volumendatensatz mit hoher räumlicher Auflösung [4]. Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über die Möglichkeiten der Computertomografie zur Prüfung und Charakterisierung von verschiedenen FVW geben. Anhand exemplarischer Beispiele wird der Einsatz der CT zur Schadensanalyse von großvolumigen Bauteilen, zur Vermessung von geometrisch komplexen Bauteilen, zur Mikrostrukturanalyse von Materialproben und zu prozessbegleitenden Untersuchungen vorgestellt.
2
Aufbau und Funktionsweise einer industriellen CT-Anlage
Die Technik der Computertomografie (CT) basiert auf der Methode der Röntgendurchleuchtung. Es ist das einzige Verfahren, mit dem ein Bauteil zerstörungsfrei und berührungslos dreidimensional erfasst und abgebildet werden kann. Der Vorbereitungsaufwand ist minimal, eine besondere Probenpräparation ist nicht erforderlich. Allerdings besteht die Notwendigkeit, dass die zu untersuchenden Details (Fasern, Poren, Risse usw.) durch eine Änderung der Röntgenabsorption voneinander unterscheidbar sind. Zur Durchführung einer CT-Messung wird das zu untersuchende Objekt auf einem Drehteller zwischen der Röntgenquelle und dem Detektor platziert und während einer 360°-Rotation aus allen Richtungen mittels Röntgenstrahlung durchstrahlt bzw. tomografiert. Die gewonnenen Messdaten werden mittels eines Softwarealgorithmus schichtweise rekonstruiert und zu einem 3D-Bilddatensatz zusammengefügt [5].
250 Abbildung 1 zeigt den Aufbau einer industriellen Computertomografie-Anlage, wie sie bei der Fraunhofer-Projektgruppe Keramische Verbundstrukturen in Bayreuth eingesetzt wird. Das CT-System besteht aus einem auf Granitstein gelagerten Präzisionsmanipulator vom Typ Yxlon Y.CT, einem Röntgen-Flächendetektor vom Typ Perkin Elmer XRD 1621 AN3-CT (2048 × 2048 Pixel) und zwei ViscomRöntgenröhren. Mit einer leistungsstarken MikrofokusRöntgenröhre mit Direktstrahltarget (XT9225-D) können Bauteile bis ca. 700 mm Durchmesser tomografiert werden. Für besonders hochauflösende Messungen wird eine Transmissions-Röntgenröhre (XT9225-TED) eingesetzt. Abhängig von der Bauteilgröße ist mit der Anlage eine räumliche Auflösung < 3 μm erreichbar. Für die Echtzeitrekonstruktion der 3D-Bilddatensätze steht ein Rechnercluster mit insgesamt 64 Prozessoren, 512 GB RAM und 5 Terra Byte Speicherkapazität zur Verfügung.
Abbildung 1: Computertomografie-Anlage der Fraunhofer-Projektgruppe in Bayreuth
3
Aspekte der bildanalytischen Auswertung von CT-Datensätzen
Das bei der CT gewonnene dreidimensionale Abbild des Prüfobjektes ist aus kleinen rechteckigen Volumeneinheiten, sogenannte Voxel, aufgebaut. Ein Voxel ist die dreidimensionale Erweiterung eines Pixels. Jedem Voxel wird ein Grauwert zugeordnet, der die lokale Schwächung der Röntgenstrahlung an dieser Stelle im Objekt und damit die Dichte an der jeweiligen Stelle repräsentiert. Die Voxelgröße (Auflösung) und der Unterschied in den Absorptionskoeffizienten verschiedener Materialen sind entscheidend für die Detailerkennbarkeit. Treffen innerhalb eines Voxels Materialien unterschiedlicher Dichte aufeinander, so wird ein mittlerer Grauwert gebildet. Durch ein Voxel verlaufende Merkmale wie Risse oder Poren mit Abmessungen im Bereich der Voxelgröße oder kleiner können nicht mehr exakt aufgelöst werden. Dies kann mitunter zu Fehlinterpretationen bei der Auswertung führen. Die Auflösung sollte daher immer deutlich höher sein, als das kleinste zu untersuchende Detail (Abbildung 2).
251
Abbildung 2: Detailerkennbarkeit eines Fehlers (Ellipse) in Abhängigkeit der Pixel- bzw. Voxelgröße
Die Auflösung kann jedoch nicht beliebig erhöht werden. Es muss stets ein Kompromiss zwischen Auflösung und dem betrachtetem Probenvolumen getroffen werden. Eine quantitative Analyse ist nur soweit möglich, wie es die erreichbare Auflösung zulässt. In Abhängigkeit von der vorhandenen Bildqualität und der jeweiligen Prüfaufgabe können die CT-Daten durch verschiedene Filter- und Analysealgorithmen aufbereitet und so die Bildqualität verbessert werden [6, 7].
4
Ausgewählte Beispiele
Um die Möglichkeiten der CT zur zerstörungsfreien Prüfung und Charakterisierung von FVW aufzuzeigen, werden im Folgenden einige Beispiele vorgestellt.
4.1
Schadenserkennung an großvolumigen FVW-Bauteilen
Durch den Einsatz der CT können Materialfehler wie Poren oder Risse in einem Bauteil lokalisiert werden und hinsichtlich ihrer geometrischen Abmessung, Ausrichtung und Lage im Objekt beschrieben werden. Beispielhaft für eine Schadensanalyse wird in Abbildung 3 das rekonstruierte Volumen einer Felge aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) mit einer Auflösung von 110 μm dargestellt. Ein virtueller Schnitt durch das 3D-Volumenmodell zeigt den inneren Aufbau. In der Detailaufnahme sind Risse bzw. Delaminationen im Wandbereich der Felge zu erkennen. Die Felgenaußenseite ist aus einer Aluminiumwabenstruktur zwischen zwei Decklagen aufgebaut. Aufgrund der Größe des Bauteils reicht die Auflösung von 110 μm jedoch nicht aus, um einzelne Fasergewebelagen voneinander zu unterscheiden.
4.2
Vermessung von geometrisch komplexen Bauteilen
Geometrisch komplexe Bauteile können mittels CT vollständig erfasst werden. So lassen sich auch Innenflächen, die sonst mit keiner anderen Prüfmethode zerstörungsfrei erreicht werden können, vermessen. Abbildung 4 zeigt das rekonstruierte 3D-Modell (Auflösung: 150 μm) eines
252
Abbildung 3: Virtueller Schnitt durch eine CFK-Felge (links) und Detailvergrößerung (rechts) mit deutlich sichtbaren Rissen bzw. Delaminationen im Wandbereich und einer Aluminiumwabenstruktur zwischen den oberen Decklagen
im PKW eingesetzten Öl-Abscheiders aus Polyamid mit 30 % Glasfaseranteil. Eine geometrische Auswertung ist sowohl in den 2D-Schnittbildern als auch im 3D-Modell möglich.
Abbildung 4: Beispiel für die Möglichkeiten der CT zur 3D- und 2D-Vermessung an einem Öl-Abscheider aus GFK
Die Möglichkeit einer farbcodierten Darstellung definierter Wandstärken erlaubt einen schnellen Überblick, an welcher Position im Bauteil kritische Wandstärkebereiche vorliegen. Die Überlagerung mit dem entsprechenden CAD-Datensatz ermöglicht die Durchführung von Soll-/Ist-Vergleichen am gesamten Volumen. Umgekehrt ist auch die Rückführung des Volumenmodells in einen CAD-Datensatz möglich (Abbildung 5).
4.3
Untersuchung von faserverstärkten Kunststoffen
Die Materialeigenschaften von faserverstärkten Werkstoffen werden maßgeblich vom Fasergehalt, der Faserlänge bzw. –längenverteilung, der Faserorientierung und der Faserdispergierung
253
Abbildung 5: Rückführung des CT-Volumenmodells (links) eines Öl-Abscheiders in einen CAD-Datensatz (rechts)
bestimmt. Die CT ermöglicht, anders als bei mikroskopischen Methoden, die Bestimmung all dieser Kennwerte im gesamten Probenvolumen. Abhängig von der erreichbaren Auflösung können so Faser-Kennwerte nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ ermittelt werden. Eine quantitative Bestimmung der Faserorientierung und der Faserlängenverteilung ist möglich, sofern sich die einzelnen Fasern hinreichend voneinander separieren lassen. Problematisch ist dieses Vorgehen immer bei einem hohen Faservolumengehalt, wenn sich eine große Anzahl an Fasern berührt und die einzelnen Fasern nicht hinreichend aufgelöst werden können. Eine eindeutige Individualisierung der Faserbündel mittels Segmentierung ist dann nur schwer durchführbar [7]. Abbildung 6 verdeutlicht dies am Beispiel einer glasfaserverstärkten Kunststoffprobe (GFK). Die Auflösung beträgt 5 μm. Aufgrund der unterschiedlichen Röntgenabsorption kann deutlich zwischen Matrixmaterial (dunkel) und den einzelnen Glasfasern (hell) unterschieden werden.
Abbildung 6: CT an einer glasfaserverstärkten Kunststoffprobe. In der Detailaufnahme (rechts) sind die einzelnen Glasfasern deutlich zu erkennen
Abbildung 7 zeigt eine weitere glasfaserverstärkte Kunststoffprobe mit 6 μm Auflösung. Die axialen Schnittbilder zeigen im oberen Bereich der Probe eine homogene und im Mittelbereich der Probe eine unvollständige Faserdispergierung.
254
Abbildung 7: CT an einer glasfaserverstärkten Kunststoffprobe. Die axialen Schnittbilder zeigen im oberen Bereich der Probe eine homogene Faserdispergierung, im Mittelbereich liegen dagegen Faseragglomerate vor
4.4
Prozessbegleitende Charakterisierung von keramischen Verbundwerkstoffen
Die CT bietet die Möglichkeit nach jedem Prozessschritt die jeweiligen Werkstoffzustände absolut zerstörungsfrei zu untersuchen und umfassend zu charakterisieren. Dadurch können Änderungen in der Mikrostruktur analysiert werden und mögliche Fehlstellen wie Delaminationen, Risse oder Poren im Material erkannt werden. Basierend auf den Ergebnissen der CT-Analyse kann der Prozess überwacht und verbessert werden, bis sich die gewünschten Eigenschaften einstellen. Beispielhaft zeigt Abbildung 8 das 3D-Volumenmodell einer kurzfaserverstärkten Siliciumcarbid-Keramik (C/SiC) mit 8 μm Auflösung. Auf Basis der unterschiedlichen Grauwerte der
Abbildung 8: 3D-Volumenmodell einer kurzfaserverstärkten C/SiC-Keramik. Si/SiC-Matrix (weiß), C (dunkelgrau), Poren und Risse (schwarz)
255 einzelnen Phasen kann am gesamten Probenvolumen eine quantitative Auswertung hinsichtlich des Matrix- (Si/SiC) und des Kohlenstofffaseranteils (C) durchgeführt werden [3]. Aufgrund der ähnlichen Röntgenabsorption kann allerdings nicht eindeutig zwischen Siliciumcarbid und nicht reagiertem Silicium unterschieden werden. In Abbildung 9 werden 2D-Schnittbilder der verschiedenen Werkstoffzustände dargestellt, die bei der Herstellung von C/SiC-Keramiken nach dem Flüssigsilicierverfahren durchlaufen werden. Um Änderungen in der Mikrostruktur untersuchen zu können, wurden die virtuellen Schnitte jeweils in der gleichen axialen Ebene des jeweiligen Volumenmodells durchgeführt.
Abbildung 9: Gegenüberstellung der 2D-Schnittbilder der verschiedenen Materialzustände bei der Herstellung einer kurzfaserverstärkten C/SiC-Keramik. CFK: Kohlenstofffasern (hellgrau)/Kunststoffmatrix (dunkelgrau)/ Risse (schwarz), C/C: Kohlenstofffasern (hellgrau)/Kohlenstoffmatrix (dunkelgrau)/Risse (schwarz), C/SiC: Kohlenstofffasern (dunkelgrau)/Si-SiC-Matrix (weiß)/Risse(schwarz)
Der Übergang vom CFK-Zustand (kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) in den C/C-Zustand (kohlenstofffaserverstärkter Kohlenstoff) geht einher mit der Umwandlung der Kunststoffmatrix in eine amorphe Kohlenstoffmatrix. Im C/C-Schnittbild ist die Ausbildung eines Rissnetzwerkes innerhalb der Matrix zu erkennen. Die Kohlenstofffaserbündel (hellgrau) sind in beiden Werkstoffzuständen deutlich von der Kunststoff- bzw. Kohlenstoffmatrix (dunkelgrau) zu unterscheiden. Poren und Risse werden schwarz dargestellt. Im letzten Prozessschritt wird der C/C-Körper mit flüssigem Silicium infiltriert. Im C/SiC-Schnittbild ist zu erkennen, dass das Silicium mit der Kohlenstoffmatrix zu Siliciumcarbid (weiß) reagiert hat. Die Kohlenstofffaserbündel (dunkelgrau) sind dagegen erhalten geblieben. Aufgrund der ähnlichen Röntgenabsorption sind Siliciumcarbid und nicht reagiertes Silicium auch hier nicht voneinander zu unterscheiden [3].
5
Zusammenfassung und Ausblick
Die industrielle Computertomografie ist aufgrund ihrer Vielseitigkeit sehr gut zur Charakterisierung von FVW geeignet. Durch bildanalytische Methoden können die wichtigsten Kennwerte von FVW im gesamten Probenvolumen qualitativ und quantitativ bestimmt werden, wobei die Auswertung der CT-Daten im Wesentlichen von der Bildqualität bzw. der Auflösung abhängt.
256 Die einzigartige Möglichkeit der zerstörungsfreien Aufnahme und Darstellung von dreidimensionalen Strukturen macht die CT außerdem zu einem mächtigen Werkzeug um Fertigungsprozesse zu überwachen und zu optimieren. Dadurch können Entwicklungszeit und –kosten bei der Einführung neuer Prozesse wesentlich reduziert werden. Die gewonnenen CT-Daten können zudem als Basis für die Erstellung von Finite Elementeund Lebensdauermodellen herangezogen werden. So kann das Werkstoffverhalten von FVWBauteilen vor und nach Belastungstests (dynamisch, statisch, chemisch, thermisch) systematisch untersucht werden. Dadurch können beispielsweise die zeitliche Abhängigkeit des Risswachstums und die Anzahl der kritischen Risse bis zum Versagen des Bauteils bestimmt werden. Unter Berücksichtigung von Fehlerzustand und Belastung kann so eine zuverlässige Bewertung der Lebensdauer und Betriebssicherheit von FVW ermöglicht werden.
6 [1] [2]
[3] [4]
[5]
[6] [7]
Literatur E. Moeller, Polymere Verbundwerkstoffe, in: Handbuch Konstruktionswerkstoffe, Ed.: E. Moeller, Carl Hanser Verlag, 2008, p. 727–751. W. Krenkel, F. Berndt, C/C-SiC Composites for Space Applications and Advanced Friction Systems, Materials Science and Engineering: A, Volume 412, Issues 1-2, 2005, p. 177–181. J.M. Hausherr, W. Krenkel, Non-destructive Techniques for CMC Material, in: Ceramic Matrix Composites, W. Krenkel (ed.), Wiley-VCH, Weinheim, 2008, p. 261–285. A. Flisch, P. Wyss, T. Lüthi, R. Thierry, A. Miceli, J. Hoffmann, Möglichkeiten der Industriellen Röntgen-Computertomografie für Wirtschaft und Wissenschaft, Proceedings Industrielle Computertomografie Tagung, Shaker Verlag, Aachen, 2008, p. 13–16. T. Fuchs, R. Hanke, M. Maisl, Röntgenbasierte Methoden für die Zerstörungsfreie Prüfung, in: Handbuch zur Industriellen Bildverarbeitung, Ed.: N. Bauer, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2007, p. 316–321. W. Burger, M. J. Burge, Digitale Bildverarbeitung, Springer, Berlin, 2006. J.M. Hausherr, T. Zeppenfeld, W. Krenkel, Computertomografische Bestimmung von morphologischen Eigenschaften mittels angepasster Algorithmen, 17. Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde, Bayreuth, 2009.
257
CMC-Bauteile für Heißgasanwendungen: Von der Entwicklung des Prototypen bis hin zum Serienbauteil Martin Frieß, Christian Zuber, Severin Hofmann, Matteo Crippa, Bernhard Heidenreich Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung, Pfaffenwaldring 38 - 40, 70569 Stuttgart
1
Einleitung und Zielsetzung
Faserverstärkte keramische Verbundwerkstoffe (CMC) vereinen die generellen Eigenschaften keramischer Werkstoffe (Abrasions- und Temperaturbeständigkeit, –standfestigkeit sowie hohe Härte) mit den positiven Eigenschaften faserverstärkter Verbundwerkstoffe (hohe Schadenstoleranz im Überlastfall). Aufgrund ihrer dadurch bedingten extremen Thermoschockbeständigkeit und Temperaturstandfestigkeit bis über 2000 °C sind sie ideale Kandidaten für Heißgasanwendungen in der Luft- und Raumfahrt, z.B. für Raketenantriebe [1, 2]. Das vom DLR entwickelte Flüssigsilicier-Verfahren (LSI) bietet nahezu ideale Voraussetzungen, um kostengünstig faserkeramische Bauteile auf der Basis von C/C-SiC herstellen zu können, die aufgrund ihrer Bauteilgeometrie mit anderen CMC-Herstellverfahren (z.B. CVI) nicht realisierbar sind [3–8]. In diesem Beitrag wird über die Entwicklung und Herstellung von Bauteilen zur Steuerung von Raketenantrieben berichtet: Prototypen-Entwicklung bis hin zu zertifizierten Serienbauteilen. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit dem Industriekunden fast 120 Bauteile nach einer applikations- sowie entwicklungsbedingten Vorgabe gefertigt und prozessbegleitend, zerstörend an bauteiltypischen Proben sowie zerstörungsfrei an den eingesetzten Bauteilen mittels Computertomographie sowie Porositäts- und Dichtemessungen qualifiziert. Aufgrund sich ändernder Rohstoffqualitäten und zur Verbesserung des Produkts C/C-SiC mussten die CFK-Herstellungsparameter angepasst werden. Es soll auch ein statistisch belastbarer Zusammenhang verschiedener Eigenschaften der Ausgangsrohstoffe und Prozessparameter auf die Werkstoffeigenschaften aufgezeigt werden.
2
Experimentelles
Das Herstellungsschema für C/C-SiC Verbundwerkstoffe via LSI-Prozess ist in Abb. 1 skizziert. Aus Festigkeits- und Rentabilitätsgründen wurde das Autoklav-Verfahren ausgewählt. Als Ausgangsmaterial wurde nach DLR-Vorgaben hergestelltes, mit Phenolharz vorimprägniertes handelsübliches C-Gewebe (HTA, Fa. Tenax) auf der Basis von PAN (HTA-Prepregs) eingesetzt, das in Leinwandbindung (240 g/m²) erhältlich war. Zur Verbundwerkstoffherstellung wurden die auf 200 × 250 mm zugeschnittenen 169 HTA-Prepreg-Lagen nach einem vorgegebenen Lagenaufbau aufeinander drapiert, wobei aus Festigkeitsgründen Kett- auf Kettfaden in der Hauptbelastungsrichtung lagen. Aus Steifigkeits- und Symmetriegründen wurden im Kern mehrere ±45°-Lagen eingebaut.
258 Für die Prozessoptimierung der CFK-Herstellung via Autoklav-Verfahren wurde zunächst an einer einzelnen Platte, anschließend an zwei Platten und dann an vier Platten ein spezieller Prozesszyklus entwickelt. Dazu wurden Temperatur und Druck sowie Setzweg und Faservolumengehalt bestimmt und untereinander verglichen. Anschließend wurden die Platten randseitig beschnitten und bei 240 °C an Luft über einen Zeitraum von 23 h getempert.
Abb. 1: Herstellungsschema für C/C-SiC Verbundwerkstoffe nach dem LSI-Verfahren.
Die so hergestellten, 41 mm dicken CFK-Platten wurden zunächst in N2-Atmosphäre bis 900 °C anschließend bei ca. 1 mbar bis 1650 °C zum C/C-Werkstoff pyrolysiert. Danach erfolgte der Zuschnitt der Bauteilrohlinge sowie der Rohlinge für die Kurzbiegeproben via Wasserstrahlschneiden. Nach dem Trocknen der Bauteile bei 110 °C wurden die für den nächsten Prozessschritt (Silicierung) erforderlichen Parameter offene Porosität und Dichte via Archimedes-Verfahren (Immersion in Wasser nach DIN EN 993-1) ermittelt. Im nächsten Schritt wurden die C/C-Rohlinge (Bauteile und Kurzbiegeproben) im Vakuum bei einer Maximaltemperatur von 1650 °C mit flüssigem Silicium infiltriert und zu C/C-SiCBauteilen konvertiert. Anschließend erfolgte die mechanische Endbearbeitung der Bauteilgeometrie innerhalb enger, Toleranzen. Zur Ermittlung der mechanischen Eigenschaften, wie Biege-, Zug- und Druckscherfestigkeit wurden die Proben nach einem definierten Probenplan mit Diamantwerkzeugen aus den C/C-SiC-Rohlingen herausgearbeitet (Tab. 1). So wurden beispielsweise für die Kurzbiegeproben (35 × 10 × 5 mm³) jeweils 3 Proben oberhalb und 3 Proben unterhalb der Symmetrielagen in Kettrichtung aus der Platte herausgearbeitet. Nach dem Reinigen der Bauteile in deionisiertem Wasser mittels Ultraschallbad wurde die offene Porosität und Dichte via Archimedes nach DIN ermittelt. Anschließend wurden die Bauteile mittels Computertomografie (3 Stück in einer Messung) auf mögliche Bauteilfehler untersucht.
259 Tab. 1: Ermittlung der mechanischen Eigenschaften nach EN-V-Norm. Versuch
EN-V-Norm Probengeometrie [mm]
Auflagerabstand [mm]
OrienEigenschaft tierung zum Schaft
Kurzbiege-
658-5
35 × 10 × 5 3 oben + 3 unten
25 (l/d = 5)
k+B
Biegefestigkeit
Langbiege
658-3
110 × 10 × 5 3 oben + 3 unten
100 (l/d = 20)
k+B
Biegefestigkeit
Zug-
658-1
130 × 10 × 3 2 oben + 2 unten
–
k
Zugfestigkeit
80 × 20 × 15 3
10
k
Druckscherfestigkeit
Druck-Scher- 658-4
3
Ergebnisse und Diskussion
3.1
Verbundwerkstoffherstellung
Bei der Entwicklung der CFK-Herstellung wurde der Einfluss des Harzgehalts des Prepregs als kritischer Faktor identifiziert, der umfangreiche Prozessparameteranpassungen erfordert. Ein zu hoher Harzgehalt führt zu geringeren Faservolumengehalten und erschwert die Einhaltung des geforderten Faservolumengehalts (54–60 Vol-%), ein zu geringer Harzgehalt bedingt ein poröses Laminat, das eine erhöhte Si-Aufnahme während der Silicierung sowie verringerter Festigkeitswerte zur Folge hat. Daher sollte ein bevorzugter Harzgehalt zwischen 38 und 42 % liegen. Des Weiteren zeigte sich, dass der entwickelte Temperprozess unbedingt eingehalten werden muss, da bei Nichteinhaltung die Festigkeitswerte signifikant erniedrigt und hohen Schwankungen unterworfen sind (Abb. 4). Der Pyrolyseprozess gestaltete sich aufgrund seiner konservativen Auslegung als unkritisch. Die gemessenen offenen Porositäten und Dichten wiesen, abgesehen von der erhöhten Dichte bei den vorausgegangenen inkorrekten Bedingungen beim Temperprozess keine Besonderheiten auf. Delaminationsneigungen während des Wasserstrahlschneidens der C/C-Rohlinge aus den C/ C-Platten traten sehr selten auf, sofern die vorgeschriebenen Parameter eingehalten wurden. Während des Silicierprozesses traten keine Schwierigkeiten auf, solange die Si-Zugabe eingehalten wurde. Es konnten zu keiner Zeit Delaminationsneigungen festgestellt werden, die zu einem Ausschlusskriterium führten. Die kundenspezifisch entwickelte, mechanische Bearbeitung von C/C-SiC-Rohlingen sowie Kurzbiegeproben mittels Diamantwerkzeugen erwies sich aufgrund langjähriger Erfahrung von DLR-Mitarbeitern als sehr robust. Es wurden sehr wenige C/C-SiC-Bauteile außerhalb der kundenspezifisch geforderten Toleranzen gemessen. Die festgelegten Toleranzen von Seiten des Kunden bzgl. Porosität und Dichte wurden – von sehr wenigen Ausnahmen (Temperproblem) abgesehen – eingehalten (Abb. 4).
260 3.2
Verbundwerkstoffeigenschaften
In Abb. 2 ist die typische Mikrostruktur des entwickelten C/C-SiC-Verbundwerkstoffs, die auch dem DLR-Standardwerkstoff XB entspricht, dargestellt: dichte C/C-Faserbündel (dunkelgrau) sind von SiC-Matrix (hellgrau) umgeben, der Anteil an freiem Si liegt unter 5 Masse-%.
Abb. 2: Mikrostruktur (REM-Aufnahme) des C/C-SiC-Verbundwerkstoffes (li.: 35-fache, re.: 100-fache Vergrößerung, dunkelgrau: C/C, hellgrau: SiC).
In einem Qualifizierungsprogramm wurden die mechanischen Eigenschaften, wie Biege-, Zug- und Schubfestigkeit, nach den in Tab. 1 beschriebenen Methoden ermittelt. Die Ergebnisse sind in Tab. 2 dargestellt. Tab. 2: Mechanische Eigenschaften der hier beschriebenen C/C-SiC-Verbundwerkstoffe: Kurzbiege- (KB), Langbiege- (LB), Zug- und Schubfestigkeit in paralleler (k) sowie senkrechter (B) Orientierung zum Schaft. Eigenschaft
KB(k)
KB(k)
LB(k)
LB(B)
Zug (k)
Schub (k)
Mittelwert [MPa]
194,8
157,5
207,8
175,1
121,2
26,6
Standardabweichung [MPa]
16,7
7,5
6.5
10,7
8,1
4,8
Plattenanzahl [-]
6
6
4
6
4
5
Da das größte Biegemoment der Strahlruder im Einsatzfall in Schaftrichtung (k) vorherrscht und in Kettrichtung höhere Festigkeiten zu erwarten sind, wurden die Kettfäden dementsprechend orientiert. Dies wurde durch die Messwerte bestätigt. Die gemessenen Biegefestigkeiten im Langbiegeversuch sind aufgrund des höheren Schubbelastungsanteils etwas höher als im Kurzbiegeversuch. Gegenüber anderen CMC-Herstellverfahren (z.B.: CVI und LPI) besitzen C/ C-SiC-Werkstoffe nach dem LSI-Verfahren sehr hohe Schubfestigkeiten bei gleichzeitig sehr hoher Schadenstoleranz (Abb. 5 links). Aufgrund dieser Eigenschaften wurden in Abstimmung mit dem Kunden für die Herstellung von knapp 120 Strahlrudern unter anderem folgende Qualitäts- bzw. Ausschusskriterien festgelegt: Faservolumengehalt im CFK-Zustand 54–60 Vol-%, Kurzbiegefestigkeit 160–200 MPa,
261 offene Porosität 0,5–2,5 %, Dichte 1,8–2,0 g/cm³ sowie enge Bauteiltoleranzen und keine sichtbaren Schäden bei der CT-Untersuchung. Die unter 3.1 Verbundwerkstoffherstellung beschriebene Entwicklung führte zu den in Tab. 3 beschriebenen Bauteileigenschaften. Der typische Verlauf der Eigenschaften während der Herstellungsphase ist in Abb. 3 gezeigt. In umfangreichen CT-Untersuchungen konnten keine signifikanten Bauteilfehler festgestellt werden (ohne Befund). Dies erwies sich in Kombination mit anderen Methoden als sehr wichtiges NDT-Auschusskriterium. Tab. 3: Eigenschaften der C/C-SiC-Verbundwerkstoffe in der Herstellungsphase (ohne Bauteile aus fehlerhaftem Temperprozess). Eigenschaft
Offene Porosität [%] Dichte [g/cm³]
KB-Festigkeit [MPa]
Mittelwert
1,052
1,940
204,1
Standardabweichung 0,261
0,027
12,1
Probenanzahl
150
78
150
Abb. 3: Verlauf der gemessenen Biegefestigkeiten an Kurzbiegeproben sowie der Dichte von Strahlrudern in einem Zeitraum von einem Jahr (ohne Bauteile aus fehlerhaftem Temperprozess).
Während der Herstellungsphase wurden aufgrund eines Fehlers im Tempervorgang bei der CFK-Herstellung (defekter Temperofen) sieben Ausschussplatten hergestellt (Abb. 4). Dies äußerte sich in signifikant erniedrigten Festigkeitswerten und größeren Risslängen sowie erhöhter Dichte in Verbindung mit einem höheren SiC-Gehalt (Abb. 4). Durch die eingeleitete Problem-
262
analyse konnte der Schaden schnell behoben werden. Ein anfänglicher Verdacht auf fehlerhafte Rohstoffe konnte rasch ausgeräumt werden. Abb. 4: Verlauf der gemessenen Biegefestigkeiten an Kurzbiegeproben sowie der Dichte von Strahlrudern in einem Zeitraum von einem Jahr. Die niedrigen Festigkeitswerte sowie die erhöhten Dichtewerte sind auf einen fehlerhaften Temperprozess bei der CFK-Herstellung zurückzuführen.
3.3
Anwendung
In Abb. 6 sind einsatzrelevante Bedingungen von C/C-SiC-Strahlrudern dargestellt. Um die Thermoschockbeständigkeit von Strahlrudern oder allgemein C/C-SiC-Bauteile während der Entwicklungsphase zu demonstrieren, wurden exemplarische Strahlruder in einer DLR-eigenen Plasmabeschichtungsanlage erfolgreich getestet (Abb. 6 li.). Ebenfalls in Abb. 6 (re.) ist das Ergebnis eines typischen Raketenmotortests mit Einsatztemperaturen > 2000 °C unter Heißgasbedingungen unter oxidierenden und chlorwasserstoffhaltigen Bedingungen sowie geringem, schub- bzw. verbrennungstechnisch förderndem Aluminiumpartikelzusatz bei einem wenige Sekunden dauerndem Einsatz gezeigt. Strahlruder ermöglichen die Ablenkung des Abgasstrahls bereits in der Start- oder Aufstiegsphase, in der aerodynamische Steuerungsmöglichkeiten wenig wirksam sind, und halten somit die Rakete extrem wendig und manövrierfahig. Der Einsatz von Strahlrudern bei High-Performance-Raketen mittels Schubvektorsteuerung erweist sich als Schlüsseltechnologie. Die Bedingungen sind extrem. Dennoch erwiesen sich die beim DLR entwickelten C/C-SiCWerkstoffe – insbesondere bei dickwandigen Bauteilen - der weltweiten Konkurrenz überlegen. Die Technologie zur Herstellung der Strahlruder konnte erfolgreich zum Kunden transferiert werden, der inzwischen die Serienproduktion der Strahlruder sowie der hier nicht beschriebenen, am DLR entwickelten Dichtungsringe erfolgreich aufgenommen hat und im Rahmen von NATO-weiten Projekten vermarktet.
263
Abb. 5: Links: REM-Aufnahme einer im Kurzbiegeversuch gebrochenen C/C-SiC-Probe. Deutlich zu erkennen ist der Pull-out der C-Fasern. Rechts: CT-Aufnahmen an Kurzbiegeproben mit signifikant unterschiedlichen Festigkeiten. Deutlich zu erkennen ist die unterschiedliche Risslänge sowie die Graustufung und damit der SiCGehalt (je heller desto höher der SiC-Gehalt).
Abb. 6: Strahlruder aus C/C-SiC in einer Plasmabeschichtungsanlage des DLR (Thermoschocktest) sowie nach einem typischen Raketenmotortest (Temperaturen > 2000 °C, Heißgas verbrannte Aluminiumpartikel) mit einer Testdauer von wenigen Sekunden.
4
Zusammenfassung und Ausblick
Der am DLR in Stuttgart entwickelte LSI–Prozess bietet – unabhängig von der Bauteilgeometrie – eine relativ einfache Möglichkeit zur Herstellung von langfaserverstärkten keramischen Verbundwerkstoffen auf der Basis von C/C-SiC. Aufgrund kundenspezifischer Anforderungen für den Einsatz in den mit Heißgas sowie mit schubfördernden Aluminiumpartikeln beaufschlagten Bauteilen für Raketenmotoren wurde ein für die Serie tauglicher Prozess auf der Basis des Autoklav-Verfahrens entwickelt und erfolgreich zum Kunden transferiert. In diesem Beitrag konnte zudem gezeigt werden, dass der am DLR entwickelte Prozess zur Kleinserienproduktion von ca. 120 Strahlrudern mit hohen Qualitätsanforderungen erfolgreich
264 eingesetzt werden konnte. Der Prozess erwies sich als sehr robust und aufgetretene Fehler konnten rasch behoben werden. Das ursprünglich in der Entwicklungsphase, festgelegte Biegefestigkeitsniveau von 160–200 MPa wurde mit 204,1 MPa im Kurzbiegeversuch sogar leicht überschritten. Die Schwankungen in Festigkeit, aber auch offene Porosität und Dichte hielten sich in engen Grenzen. In CT-Untersuchungen konnten keine kritischen Fehler erkannt werden. Zukünftige High–Performance-Raketen sind ohne Komponenten auf der Basis von CMC (z.B.: C/C-SiC zur Schubvektorsteuerung) schwer zu realisieren. Des Weiteren ist die Integration alternativer Techniken (Wickel- und Flechttechnik) im LSI-Prozess unabdingbar.
5
Danksagung
Für die tatkräftige Unterstützung bei diesem Projekt möchte ich mich bedanken bei: Markus Keck,, Jürgen Krapf, Stefan Frick, Felix Vogel, Matthias Scheiffele, Ingo Fischer, Raouf Jemmali, Nicole Hall, Cosima Rheinwald und Susanne Seiz.
6 [1]
[2]
[3]
[4]
[5] [6]
[7]
[8]
Literatur D. Kampa, A. Weiß, R.H. Schmucker: „Material Problems in Jet Vane Thrust Vector Control Systems“, AGARD Conference Proceedings No. 259 Solid Rocket Motor Technology, 1979. M. Frieß, C. Zuber, B. Heidenreich, H. Ciezki, A. Feinauer, J. van Kampen: „Keramische Verbundwerkstoffe für Flugkörper“ In: DGLR-Jahrestagung 2005, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, DGLR-Jahrestagung 2005, Friedrichshafen, 2005-09-26 – 29. W. Krenkel: “Cost Effective Processing of CMC Composites by Melt Infiltration (LSIProcess)”, Ceramic Engineering and Science Proceedings, Volume 22, Issue 3, p. 443– 454, 2001. M. Frieß, R. Renz, W. Krenkel: “Graded Ceramic Matrix Composites by LSI-Processing”, Proceedings of the 10th International Congress and 3rd Forum on New Materials, CIMTEC, Florence, Italy, July 14-18, 2002. W. Krenkel: „Entwicklung eines kostengünstigen Verfahrens zur Herstellung von Bauteilen aus keramischen Verbundwerkstoffen“, Dissertation Universität Stuttgart 2000. R. Brandt, M. Frieß, G. Neuer: “Thermal conductivity, specific heat capacity, and emissivity of ceramic matrix composites at high temperatures”, 2003, High Temp. High Press. 35, 169–177. W. Krenkel, J. Hausherr, M. Frieß, T. Reimer: “Design, Manufacture and Quality Assurance of C/C-SiC Composites for Aeronautics and Space Transportation Systems“, 28 th International Cocoa Beach Conference and Exposition on Advanced Ceramics & Composites, Cocoa Beach, Florida, USA, 25-30.01.2004, The American Ceramic Society, (2004). M. Frieß, W. Krenkel, R. Kochendörfer, R. Brand, G. Neuer, H.P. Maier: “Ceramic matrix composites – the key materials for re-entry from space to earth“, in “Basic research and technologies for two-stage-to-orbit vehicles”, Ed.: D. Jacob, G. Sachs, S. Wagner, WileyVCH / Weinheim, 2005, ISBN 3-527-27735-8.
265
High Performance Pitch Based Carbon Fibersand Their Application Hideyuki OHNO Nippon Graphite Fiber Corporation; 3-8, Nihonbashikobuna-cho, Chuo-ku, 103-0024, Tokyo, Japan
1
Abstract
Application of composites with carbon fibers is extended in many sectors from aerospace to industry. The most attractive reason to use carbon fibers is light weight and higher strength than conventional metal materials. PAN based carbon fibers have already been used widely as high strength fibers. On the other hand, pitch based carbon fibers are characterised by wide variety of tensile modulus from low modulus (55 GPa) to ultra high modulus (900 GPa). Low modulus carbon fibers have unique properties and provide flexibility and higher toughness than PAN based CF. High modulus is very attractive for applications where high stiffness and light weight are required. Apart from high modulus and stiffness, high thermal conductivity is the unique character of pitch based high modulus carbon fiber. Carbon fiber having 900 GPa in modulus and 900 W/m K in thermal conductivity can only be achieved from pitch base. The requirement of thermal management is increased in high-powered electronic system and smaller electronic components.
2
Introduction
The characteristics of pitch based CF mainly originates from raw materials. Pitch based CF from mesophase (liquid crystal macromolecule) pitch is easy-graphitized and can achieve high graphitized carbon structure by heat treatment. In spinning process of mesophase pitch, when flowing through the small nozzle, liquid crystal macromolecules are located in a line in the direction of a fiber axis. Moreover, a graphite structure in the fiber grows during heat treatment. The model of graphite structure is shown in Fig. 1. Graphite has a high elastic modulus, strength and thermal conductivity in the plate direction (“a” direction). The advantages of pitch based CF are mostly caused by these characteristics. The properties of pitch based CF compared to PAN based carbon fiber are shown in Table 1. Pitch based CF can provide a wide variety of products in mechanical, thermal and other properties.
266
Figure 1: Model of graphite structure (1)
Table 1: Properties of pitch based CF Pitch based CF (Mesophase pitch base)
PAN based CF
Tensile Modulus
GPa
55–935
155–610
Tensile Strength
MPa
1200–3900
2700–6400
Thermal Conductivity
W/mK
6–900
7–155
0.2–2.8
0.7–1.7
Electrical Resistivity
–3cm
10
2
Pitch Based Cf: Properties and Applications
2.1
High Modulus Carbon Fibers for Industry : Performance and Applications
High modulus fibers result in composites of higher stiffness with light weight. For example, a composite from high modulus fibers is 70 % lighter than steel with the same stiffness (Figure 2). Higher stiffness and light weight are effective factors for lower power, lower deflection and lower vibration for damping. Ultra high modulus fibers are widely used to produce lighter and stiff components to replace the heavy, conventional products made from metal. Deflection of cantilever beams made of several materials is calculated in Figure 3. The size of laminate is 50 mm wide × 1500 m length × 20 mm thickness and load is 1.5 kg on full length of beam. High modulus fibers (780 GPa and 620 GPa) have a much lower deflection by own weight (dead load). This performance is an advantage of high modulus carbon fiber. Finally, high modulus carbon fiber can provide low deflection beams and rollers with longer length.
267
Figure 2: Specific Modulus of Composites and Metal
Figure 3: Deflection of laminates of composites and metal
Typical application of high modulus carbon fibers in industrial sectors is roller and robotic arms. Recently, the demand of carbon fiber for robotic components has increased rapidly. One of the reasons is that robotic components become longer and larger to increase production and offer shorter cycling times. To meet this requirement, use of pitch based carbon fiber has become very popular. The most important properties for robotic arms are accuracy and high speed in operation. Light weight and high stiffness composites can support high speed operation and save power. Also, it is possible to reduce vibration of component of high stiffness. Use of high modulus fiber is a good solution, especially for long length arms (tube) over 2 m.
268 For color printing machines, high speed and accuracy in color print are eternal targets. Roller using high modulus fibers is much lighter than steel rollers in the same stiffness. This advantage increase speed of printing.
2.2
Thermal Solution by Pitch Based Carbon Fiber
High thermal conductivity is also a unique performance of high modulus carbon fiber. As shown in Figure 4, thermal conductivity improves rapidly from the near 800 GPa where carbon structure progresses are characteristic. High thermal conductivity is the feature of pitch based carbon fiber, the product with 900 W/mk is also produced industrially. This property has been utilized for thermal solution in electronics and satellite application.
Figure 4:. Tensile modulus vs. thermal conductivity
Figure 5: Specific thermal conductivity
In Figure 5 the specific thermal conductivity, which is value as thermal conductivity per density, is compared between composites and metal materials. Light weight and high thermal conductivity is obtained as a composite compared with metal. High thermal conductive carbon fibers have the possibility to replace metal components to reduce the weight.
269 Carbon fiber has a negative coefficient of thermal expansion (CTE) as shown in Figure 6. Composites with zero CTE can be achieved with a combination of resin and CF. High modulus carbon fibers with more than 530 GPa in modulus have an advantage to provide zero CTE composites in fabric and isotropic laminates. Pitch based carbon fibers have been widely used for antenna and reflectors as low thermal distortion material. Zero CTE composite is beginning to be used for the parts for process machinery where advanced processing accuracy is needed to control the dimensional change by temperature.
Figure 6: Tensile modulus vs. CTE (pitch based CF)
Figure 7: CTE of laminates of pitch based CF
3 [1]
Reference Bertram,A. , Beasley,K. and Torre,W. : Naval Engineers J., 104, (3), 276, (1992)
270
In-Situ-Messung der Siliziuminfiltration von porösen C/C-Materialien 1 1 2
J. Meinhardt (V), 1F. Raether, 1A. Klimera, 2J. Daimer
Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, Würzburg SGL Brakes GmbH, Meitingen
1
Einführung
Mit Kohlenstoffkurzfasern verstärkte SiC-Keramiken (C/SiC) finden wichtige Anwendungen in Friktionsbauteilen (Bremsscheiben, Kupplungen). Sie werden überwiegend durch Flüssig-Siliziuminfiltration (LSI) hergestellt [1]. Dabei werden Preformen aus Kohlenstoff mit einer SiSchmelze in Kontakt gebracht, d.h. der LSI-Prozess wird oberhalb der Schmelztemperatur des Si von 1410 °C durchgeführt. Si wird durch Kapillarkräfte in die porösen Preformen gesogen und reagiert mit dem Kohlenstoff an den Innenoberflächen der Porenkanäle zu SiC. Die Massenproduktion von C/SiC-Bauteilen erfordert eine deutliche Absenkung des Zeitbedarfs für die Infiltration, was wiederum ein besseres Verständnis des Infiltrationsprozesses voraussetzt. In den letzten Jahren wurden deutliche Fortschritte beim Verständnis der C/SiC-Gefügeausbildung erreicht. Favre [2] berichtet, dass die Bildung des SiC überwiegend in der ersten Minute des Kontaktes erfolgt, das gebildete SiC die Reaktanden Si und C trennt und damit eine schnelle Weiterreaktion verhindert. Die dann folgende Reaktion ist durch die Diffusion von C und Si durch die SiC–Schicht bestimmt. Er beschreibt qualitativ, dass die Reaktionstemperatur Schichtdicke und Morphologie der SiC–Schicht beeinflusst. Zollfrank [3] ergänzt diese Analysen durch die Beschreibung der Bildung einer nanokristallinen SiC-Schicht bei T > 1410°C durch die Reaktion zwischen dampfförmigem Silizium und Kohlenstoff vor der eigentlichen Siliziuminfiltration. Diese Reaktion gewinnt mit steigender Temperatur an Bedeutung. Auswirkungen auf die Infiltrationskinetik und das Benetzungsverhalten wurden nicht untersucht. Li [4] untersuchte bereits Anfang der 90er-Jahre das Benetzungsverhalten von Silizium auf Kohlenstoff bei 1430 °C und fand eine starke Abnahme des Benetzungswinkels von 120° unmittelbar nach Kontakt des Siliziums mit Kohlenstoff auf 20° nach Abschluss der SiC-Bildung. Bei Benetzungswinkeln über 90° ist keine Infiltration möglich, d.h. vor der Infiltration muss zunächst eine SiC-Bildung erfolgen. Gern [5] stellte hierfür ein Modell auf. Die Infiltration von Silizium in C/C-Preformen wurde erstmals in [6] in situ bei 1500 °C, 1600 °C und 1700 °C beobachtet. Die Ergebnisse deuteten auf eine der flüssigen Si-Infiltration vorangehende Abdampfung des Siliziums und seiner Kondensation an den Innenwänden der Porenkanäle hin.
2
Experimentelle Durchführung
Um die Si-Infiltration quantitativ verfolgen zu können, wurde die Thermooptische Messanlage TOM [7, 8] am Fraunhofer ISC um eine in-situ Gewichtsmessung erweitert. Bild 1 zeigt sche-
271 matisch den Versuchsaufbau. Mit dem optischen Dilatometer kann die Si-Infiltration direkt beobachtet werden [6]. Die C/C-Preform (3 cm Durchmesser und 2,5 cm Höhe) liegt in einem Gestell aus Kohlenstoff auf 3 Graphitdochten auf. Das Gestell hängt an einem Gewichtssensor, der außerhalb des Ofens angebracht ist. Unterhalb des Gestells befindet sich ein Graphittiegel mit Siliziumschmelze. Während der Aufheizphase sind Tiegel und Gestell voneinander getrennt. Nach Erreichen der Infiltrationstemperatur wird der Tiegel angehoben, bis die Dochte in die Si-Schmelze eintauchen.
Bild 1: Schematische Darstellung der Thermooptischen Messanlage TOM
Die Temperatur an der Probenoberfläche wurde anhand der Wärmestrahlung ermittelt. Dazu wurden mit C/C-, SiC- und C/SiC-Proben jeweils eine Temperaturkalibrierung zwischen 1500 °C und 2000 °C durchgeführt, indem in Abständen von 10 °C mit dem optischen Dilatometer ein Bild der Proben aufgezeichnet wurde. Durch den Vergleich der Grauwerte der Probenoberfläche aus den Bildern der Kalibrierproben mit denjenigen von Proben während der Infiltration konnten die jeweils aktuellen Temperaturen ermittelt werden. Die C/C-Preformen wurden bei der SGL Brakes GmbH hergestellt und bestanden aus Kohlenstoffkurzfaserbündeln in einer Kohlenstoffmatrix mit einer Porosität von 20 %. Für die Messung des Benetzungswinkels wurde in Anlehnung an die Experimente von Li [4] Silizium in ein Al2O3-Rohr gefüllt, an dessen Ende sich eine kleine Öffnung in der Außenwand befand. Unterhalb der Öffnung wurde eine polierte Scheibe aus Glaskohlenstoff gelegt. Nach Erreichen der gewünschten Temperatur wurde das Silizium durch einen erhöhten Argondruck aus dem Al2O3-Rohr hinausgedrückt und fiel auf die Kohlenstoffscheibe. Die Formänderung des Si-Tropfens konnte mit dem optischen Messsystem aufgezeichnet werden. Der Kontaktwinkel zwischen Silizium und Kohlenstoff wurde mit einer selbstentwickelten Software bestimmt.
3
Ergebnisse und Diskussion
Bild 2 zeigt die zeitliche Änderung des Kontaktwinkels zwischen Silizium und Kohlenstoff bei 1485 °C und einem Argondruck von 50 mbar im Ofen. Die Reaktion zwischen Si und C zu SiC
272 beginnt unmittelbar nach dem Auftreffen des Tropfens. Nach ca. einer Minute hat sich der Kontaktwinkel auf Werte kleiner 90° verringert.
Bild 2: In-Situ-Messung der Änderung des Kontaktwinkels zwischen Silizium und poliertem Glaskohlenstoff bei 1485°C und einem Ar-Druck von 50 mbar im Ofen.
Bild 3 zeigt drei Messungen der Gewichtsänderung während der Si-Infiltration bei 1500 °C in eine C/C-Preform. Die Zeitdauer für die Infiltration der Dochte und der Auftriebseffekt beim Eintauchen der Dochte in die Si-Schmelze wurden abgezogen. Nach 5 Minuten erreichte die Infiltrationsfront die Oberseite der Probe und es begann die Nachinfiltration, die mit wesentlich geringerer Geschwindigkeit abläuft. Während der Nachinfiltration werden größere Poren mit Si gefüllt und die SiC-Bildung schreitet voran. Die Reproduzierbarkeit der In-situ-Messungen ist gut.
Bild 3: In-Situ-Messungen der Masseänderung während der Si-Infiltration von 3 C/C-Preformen sowie In-SituBeobachtung der Si-Infiltration mit dem optischen Dilatometer. Die Versuche wurden bei 1500 °C und einem ArDruck von 50 mbar im Ofen durchgeführt. Die 3 Kurven verlaufen fast deckungsgleich.
273 In Bild 4 ist die Masseänderung während der Infiltration bei 1500 °C, 1600 °C und 1700 °C gezeigt. Um ein Kochen des Siliziums und damit eine Störung der Gewichtsmessung zu vermeiden, musste der Argondruck im Ofen bis auf 250 mbar bei 1700 °C erhöht werden. Mit zunehmender Infiltrationstemperatur stieg zum einen die Infiltrationsgeschwindigkeit an und zum anderen sank die Siliziumaufnahme. Selbst nach 3-stündiger Nachinfiltration blieb der Unterschied in der Siliziumaufnahme bestehen.
Bild 4: In-Situ-Messung der Massenänderung während der Si-Infiltration von C/C-Preformen bei 1500 °C (50 mbar Ar), 1600 °C (100 mbar Ar) und 1700 °C (250 mbar Ar).
Die Geschwindigkeit der Siliziuminfiltration wird maßgeblich durch die Temperatur bestimmt, wobei insbesondere die Temperaturerhöhung aufgrund der exothermen SiC-Bildung zu berücksichtigen ist. Bild 5 zeigt die enge Korrelation zwischen Temperatur und Infiltrationsgeschwindigkeit am Beispiel einer C/C-Probe, die bei 1500 °C infiltriert wurde. Das Temperaturmaximum wird erreicht, wenn die Infiltrationsfront die Probenoberseite erreicht. Danach sinkt die Temperatur schnell ab. In Bild 6 ist die Massenänderungsrate (d.h., die differenzierte Gewichtskurve aus Bild 5) dargestellt. Die Infiltration poröser Körper wird durch die Washburn-Gleichung beschrieben [9]:
x2 mit
§ J cos4 · ¨ ¸r t © 2 K ¹ x = Infiltrationshöhe,
(1)
r = Porenkanalradius,
J = Oberflächenspannung und T = Kontaktwinkel.
t = Infiltrationszeit,
K = Viskosität,
274
Bild 5: In-Situ-Messung der Massenänderung und der Temperatur im Bereich der Infiltrationsfront auf der Aussenoberfläche der Preform während der Si-Infiltration einer C/C-Preform bei 1500 °C und 50 mbar Ar-Druck im Ofen.
Bild 6: Infiltrationsrate in Abhängigkeit von der Infiltrationszeit während der Si-Infiltration bei 1500°C.
Der Ausdruck in Klammern ist der sogenannte Penetrationskoeffizient. Betrachtet man die Infiltrationsgeschwindigkeit in Bild 6, so nimmt diese um mehr als den Faktor 6 zu, obwohl nach der Washburn-Gleichung eine Abnahme der Infiltrationsrate zu erwarten wäre. Dies lässt sich nur mit einer Änderung des Penetrationskoeffizienten mit der Temperatur erklären. Die Viskosität von geschmolzenem Silizium nimmt zwischen 1500 °C und 1700 °C nur um den Faktor 1,3 ab [10]. Das ist viel zu wenig, um die starke Zunahme der Infiltrationsrate zu erklären. Die Änderung der Oberflächenspannung und des Kontaktwinkels mit der Temperatur können diesen Effekt ebenfalls nicht erklären: Die Oberflächenspannung nimmt zwischen 1500 °C
275 und 1700 °C sogar um ca. 10 % ab [4], d.h. sie führt zu einem gegenläufigen Effekt und der Kontaktwinkel nimmt mit steigender Temperatur nur geringfügig ab [4]. Um den starken Anstieg der Infiltrationsgeschwindigkeit zu erklären, wäre eine drastische Abnahme des Kontaktwinkels notwendig. Da auch die Abnahme des Kontaktwinkels während der SiC-Bildung viel zu langsam erfolgt (vgl. Bild 2), ist die wahrscheinlichste Erklärung eine Abdampfung des Siliziums aus der Schmelze und eine Kondensation an den Innenwänden der Porenkanäle. Dabei bildet sich eine SiC-Schicht aus. Die fortschreitende Si-Infiltrationsfront trifft dann auf wesentlich besser benetzbare Porenkanäle und es ist ein deutlicher Anstieg der Infiltrationsrate zu erwarten. Die starke Zunahme der Verdampfungsrate von Silizium mit zunehmender Temperatur [11] erklärt den starken Einfluss der Temperatur auf die Infiltrationskinetik. Die exotherme Bildung von SiC während der Infiltration beschleunigt den Infiltrationsprozess also indirekt durch die mit der Temperaturerhöhung verbundene stärkere Gasphasenreaktion.
4
Zusammenfassung
Erstmals wurde die Si-Infiltration in situ gemessen, indem die Gewichtszunahme von Preformen während der Infiltration registriert wurde. Gleichzeitig wurden das Voranschreiten der Infiltrationsfront und die Temperaturänderung der Preform (durch die exotherme SiC-Bildung) aufgezeichnet. Die Ofentemperatur und der Gasdruck beim Start der Infiltration wurden zwischen 1500 und 1700 °C bzw. zwischen 50 mbar und 250 mbar variiert. Durch zusätzliche Experimente wurde die Benetzung zwischen Si-Schmelze und Kohlenstoff in situ gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Infiltrationskinetik durch die Reaktion zwischen Si und C kontrolliert wird. Sie kann durch Verdampfung von Si während der Infiltration und Kondensation an den Innenoberflächen der Porenkanäle wesentlich beschleunigt werden.
5
Danksagung
Die Autoren danken der Bayerischen Forschungsstiftung für die finanzielle Unterstützung dieses Forschungsprojektes (AZ-719-06). Ein besonderer Dank gilt Dipl.-Phys. Benjamin Hußmann für die Unterstützung bei der Durchführung der experimentellen Arbeiten an der Thermooptischen Messanlage TOM.
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6]
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277
Pyrolyse mittels Mikrowellen zur Herstellung von C-SiC-Verbundkeramiken H.-S. Park1,2, F. Yang2, M. Rabenstein3 und M. Willert-Porada1* 1
Lehrstuhl für Werkstoffverarbeitung, Universität Bayreuth Neue Materialien Bayreuth GmbH 3 FhG Projektgruppe Keramische Verbundstrukturen, Bayreuth 2
1
Einführung
Faserverstärkte Verbundkeramiken auf Basis von Kohlenstofffasern und einer SiC Matrix zeichnen sich durch ein geringes Gewicht, eine hervorragende mechanische und thermische Belastbarkeit und eine deutlich höhere Schadenstoleranz als monolithische Keramiken aus. Durch Einsatz unbeschichteter Fasern und die Herstellung von Preformen ausgehend von polymerinfiltrierten C-Faser-Gelegen, CFK, gefolgt von Flüssig-Silizierung ist das Potential gegeben, solche Werkstoffe nicht nur in der Luft- und Raumfahrt sondern auch als Friktionswerkstoffe im Automobil- und Maschinenbau einzusetzen [1]. Ausgeschöpft werden kann dieses Potential durch eine weitere Reduktion der Herstellungskosten. Als ein vielversprechender Ansatz zur Kostenreduktion gilt die Verkürzung der Prozesszeit, unter Anderem durch die Entwicklung neuer Prozesstechniken für die Pyrolyse und Keramisierung des Polymers im CFK, die bisher den größten Zeit- und einen erheblichen Energieaufwand erfordern. Untersucht wird daher, ob eine schnellere, homogene Aufheizung und Pyrolyse der Polymermatrix durch Hybridheizverfahren erreicht werden kann, bei denen neben Konvektion, Konduktion und IR-Strahlung ein zusätzlicher Energieeintrag ins Volumen des CFK durch langwellige Strahlung aus dem Mikrowellenbereich erfolgt. Erste erfolgreiche Anwendungen der Mikrowellenerwärmung von CFK sind bei der Vernetzung der Polymermatrix nachgewiesen worden, welche im Temperaturbereich bis ca. 200 °C erfolgt [2, 3]. Der Fortschritt besteht darin, dass nicht, wie ursprünglich als unerlässlich angenommen, mm-Wellen mit einer Frequenz von 30 GHz [4] sondern cm-Wellen, entsprechend einer Frequenz von 2,45 GHz zum Einsatz kommen. Berichte zum Mikrowelleneinsatz bei der Pyrolyse von Polymeren im Temperaturbereich von 20 bis 1000 °C zur Erzeugung der Kohlenstoffmatrix in CFK-Preformen sind den Autoren nicht bekannt. Der Beitrag stellt experimentelle Ergebnisse zum Einsatz von Hybridheizung mittels Widerstandsheizung in Kombination mit Mikrowellenerwärmung durch cm-Wellen (entsprechend 2,45 GHz) bei der Pyrolyse von CFK zur Herstellung von C/C-Preformen im Labormaßstab vor. Die Wirkungsweise der Hybridheizung ist zudem anhand einer Simulation der Erwärmung dargestellt.
278
2
Materialien und Methoden
2.1
Ausgangsmaterialien und Pyrolysebedingungen
Untersucht wurden CFK Probenkörper auf Basis von Harz PHL 2485 (Bakelite) und 3K Gewebe (TohoTenax) bzw. 50K Gewebe (Zoltec) oder Harz Novolak (Bakelite) und Kurzfaser (TohoTenax). Die Versuchskörper sind aus Platten entnommen worden, welche durch Handlamination und Vernetzung unter Druck hergestellt wurden. Da die Anfälligkeit für Delamination während der Pyrolyse von der Probengeometrie, insbesondere der Dicke und der Gesamtgröße abhängt, wurden die Pyrolyseversuche an unterschiedlichen Probenkörpern durchgeführt: Probengröße: 3 × 10 × 30 mm, 10 × 30 × 30 mm, 10 × 30 × 100 mm und 10 × 100 × 100 mm. Die Bezeichnung der Proben folgt dem System Faser (3K oder 50K)-Chargennummer-Heizart (K für konventionell und H für Hybrid), so dass mit 3K-0X-H ein Probenkörper aus 3K Gewebe und PHL 2485 Harz aus der Charge 0X bezeichnet ist, welcher durch Hybriderwärmung pyrolysiert wurde.
2.2
Hybridheizung
Für die kleinen Probenkörper kam eine Mikrowellen-Hybridheizanlage des LS für Werkstoffverarbeitung [5] zum Einsatz (Anlage 1). Der Ofen verfügt über zwei Heizzonen: einer von außen widerstandsbeheizten (6 kW Heizleistung) „overmoded“ Heißwand-Cavity (R 26Hohlleiter-Segment aus Nicrofer 6025 HT), die mit einer 2,45 GHz Mikrowellenquelle mit 2 kW Ausgangs-Leistung verbunden ist, wie in Abbildung 1 gezeigt sowie einer zweiten, nur widerstandsbeheizten (2,16 kW Heizleistung) Zone, die in Abbildung 1 nicht dargestellt ist. Beide Zonen sind mit einem Quarzrohr (Iinnen 45 mm) verbunden, welches als Prozessraum dient. Die Wärmebehandlung erfolgt entweder durch Hybridheizung oder konventionell mittels Widerstandheizung bis 1000 °C unter N2 als Schutzgas, in dem der Probenkörper in einer der beiden Zonen positioniert wird.
Abbildung 1: Hybridheiz-Zone des verwendeten Laborofens [5]
Für die Pyrolyse von größeren Proben wurde eine Mikrowellenheizanlage des LS für Werkstoffverarbeitung benutzt [6], die als zylindrische Multi-Mode Stahl-Cavity ausgeführt ist (Anlage 2). Die Hybridheizung bestand aus mikrowellenbeheizter SiC-Suszeptorkeramik, die durch
279 Konduktion und Strahlung die CFK-Probenkörper erwärmt und direktem Mikrowellenenergieeintrag in das CFK. Die Temperaturmessung erfolgt jeweils mittels Pyrometer, wie in Abbildung 1 gezeigt. Für die Aufstellung der Aufheizprofile sind DTA-EGA (Differentielle Thermoanalyse mit Evolved Gas Analysis) und DMA-Messungen (Dynamisch Mechanische Analyse) herangezogen worden, um Temperaturbereiche zu identifizieren, in denen besonders starke Gasentwicklung erfolgt sowie solche, bei denen die CFK-Materialien eine ausreichende Viskoeleastizität aufweisen, um Schädigung durch hohe Aufheizraten bzw. fehlende Haltezeiten zu vermeiden [7]. Die Mikrowellenleistung wurde nur in bestimmten Temperaturbereichen und in einigen sogar nur gepulst aufgebracht, um den Ausgleich eventueller Temperaturgradienten zu ermöglichen [8]. Nach der Pyrolyse wurden die Proben mittels DMA, Hg-Porosimetrie und Lichtmikroskopie untersucht. Die weitere Bewertung der Pyrolyseergebnisse erfolgte anhand des Gewichtsverlustes und der Dichte sowie der Biegefestigkeit silizierter Proben. 2.3.1 Simulation des Erwärmungsverhaltens von CFK Die Simulation erfolgte mit Hilfe von Ansys®. Die Stoffeigenschaft relative Permittivität wurde gemäß GEM (General Electric Media) Theorie berechnet, die Richtungsabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit und Wärmeleitung im CFK ist berücksichtigt worden. Aufgrund der Symmetrienutzung wurde jeweils nur die Hälfte der Probe simuliert, als Prozessraum ist eine bestimmte cavity angenommen worden. Das Linien- und das vernetzte Model mit 154127 Elementen sind in Abbildung 2 gezeigt.
Abbildung 2: Linien- und vernetztes Modell eines CFK-Probenkörpers im Ofenraum zur Simulation der Erwärmung.
3
Ergebnisse und Diskussion
3.1
Verkürzung der Prozesszeit bei der Pyrolyse
Die untersuchten Heizrate-Varianten bei konventioneller und Hybridheizung sind zusammenfassend in Abbildung 3 dargestellt. Es wurden unabhängig von der Heizart Haltezeiten auf einem oder zwei Temperaturniveaus eingefügt, die nicht in Abbildung 3 aufgeführt sind.
280
Abbildung 3: Erwärmungsprofile der Pyrolysen im Mikrowellenhybridofen (A, B) und mit Mikrowellen-Suszeptor-Hybridheizung (C, D, E). Nur die Profile A und B sind auch mittels konventioneller Heizung realisiert worden.
Die geeigneten Temperaturbereiche und „Grenzaufheizraten“ sind anhand DTA-EGA Messungen an pyrolysierten Proben der konventionellen und der Hybridheizung ermittelt worden. Diesen Messungen liegt folgende Annahme zu Grunde: • Ein gut perkoliertes Rissnetzwerk ohne Delamination innerhalb der Probe liegt vor, wenn nach der Pyrolyse sowohl ein erhöhter E-Modul (aus DMA-Messung) als auch ein erhöhtes Intrusionsvolumen (Hg-Porosimetrie) bei gleichzeitig erhöhter Schrumpfung vorliegt. • Wenn ein erhöhtes Intrusionsvolumen nicht mit einer E-Modul Zunahme und mit geringer Schrumpfung einhergeht, hat die Pyrolyse zur Schädigung der Probe geführt. Wie in Abbildung 4 gezeigt ist, kann mit dieser Methode die maximale spezifische Mikrowellenleistung, die bei einer Hybriderwärmung nicht zur Schädigung führt, ermittelt werden. Details der Vorgehensweise sind in [7, 8] beschrieben. In Tabelle 1 ist beispielhaft die spezifische Mikrowellenleistung als Funktion der Dimensionen der Probekörper und des Mikrowellenleistungsniveau angegeben. Aus den Ergebnissen in Abbildung 4 ist ersichtlich, dass bei zu hoher Mikrowellenleistung eine starke Schädigung, vermutlich durch Delamination erfolgen kann, wie am Abfall des EModuls bei Einsatz einer spezifischen Mikrowellenleistung von 190 W/g ersichtlich.
Abbildung 4: Speichermodul und kumuliertes Intrusionsvolumen der Hg-Porosimetrie von pyrolysierten CFK Probenkörpern abhängig von Heizverfahren (konventionell/Hybrid) und spezifischer Mikrowellenleistung (W/g) für ein Aufheizprofil mit erhöhter Aufheizrate im Temperaturbereich 250–600 °C.
281 Tabelle 1: Spezifische Mikrowellenleistung als Funktion der Dimension der Probekörper und des Mikrowellenleistungsniveau. Probendimension [mm³]
Leistung [W]
Spez. MW-Leistung [W/g]
3 × 10 × 30 (Anlage 1, Abb. 3)
600
ca. 115
3 × 10 × 30 (Anlage 1, Abb. 3)
1000
ca. 190
10 × 30 × 30 (Anlage 2, Abb. 3)
1500
ca. 57
10 × 100 × 100 (Anlage 2, Abb. 3)
2000–3500
ca. 25
Abbildung 5: Hg-Intrusionsvolumen von CFK-Proben mit 3K-Gewebe (links) und 50K-Gewebe (rechts), die mit gleichem Aufheizprofil pyrolysiert wurden; K steht für konventionell, H für Hybridheizung.
Abbildung 6: Lichtmikroskop-Gefügebilder von pyrolysierten CFK-Proben mit 3K-Gewebe: K steht für konventionelle Heizung, H für Hybridheizung.
Abbildung 7: Lichtmikroskop-Gefügebilder der pyrolysierten CFK Proben mit 50K-Gewebe
282 Wie aus Abbildung 5 ersichtlich, weisen bei gleichem Heizprofil die mit Hybridheizung pyrolysierten CFK-Probenkörper ein höheres Intrusionsvolumen auf als konventionell geheizte Proben. Eine Umrechnung der Intrusionsvolumina in Porengrößenverteilungen ist wenig sinnvoll, weil die Form der Risse bei den CFK-Preformen nicht bekannt ist. Anhand der Gefüge, der Gewichtsänderung und der Schrumpfung sind bei gleichen Aufheizprofilen keine gravierenden Unterschiede zwischen konventioneller und Hybridheizung bei den pyrolysierten CFK Probenkörpern mit 3K sowie 50K Fasern feststellbar, wie in Abbildung 6 und 7 gezeigt.
3.2
Silizierbarkeit und Eigenschaften von siliziertem Material
Vor der Silizierung erfolgt eine Nachpyrolyse der CFK-Preformen bei T > 1000 °C. Während konventionell pyrolysierte 3K-CFK-Preformen bei der Nachpyrolyse gelegentlich delaminieren, konnten die mit Hybridheizung pyrolysierten Probenkörper aus 3K wie aus 50K-Gewebe erfolgreich nachpyrolysiert und siliziert werden. Bei CFK-Preformen aus Kurzfasern und Novolack-Harz, die mittels Hybridheizung gemäß der in Abbildung 3 gezeigten Aufheizprofile pyrolysiert worden sind, ist der Einfluss der Pyrolysebedingungen auf die mechanischen Eigenschaften der daraus gefertigten C-SiC Keramik untersucht worden. Wie in Abbildung 8 gezeigt, bestehen abhängig vom Heizprofil erkennbare Unterschiede hinsichtlich Biegefestigkeit der C-SiC Keramik. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Heizprofile A und B mit kleinen Probenkörpern, die Heizprofile C-E hingegen bei größeren Probenkörpern eingesetzt wurden. Konventionell mittels Heizprofil A pyrolysierte Probenkörper sind ebenfalls zu C-SiC-Keramik weiterverarbeitet und mechanisch getestet worden. Die Festigkeiten lagen im Streubereich der entsprechend mittels Hybridheizung pyrolysierten Probenkörper.
Abbildung 8: Biegefestigkeit von C-SiC Keramik aus Kurzfaser-CFK-Preformen, die mittels Hybridheizung gemäß Heizprofil A-E (s. Abbildung 3) pyrolysiert wurden. Angegeben sind Mittelwerte aus jeweils 4 Probenkörpern.
Bemerkenswert erscheint, dass insbesondere die sehr hohe Pyrolyse-Aufheizrate E nicht zu einer massiven Verschlechterung der Biegefestigkeit daraus hergestellter C-SiC Keramik führt
283 3.3
Simulation der Erwärmung von CFK-Preformen
In Abbildung 9b ist das Temperaturfeld dargestellt, welches durch Energiedissipation aus dem elektrischen Feld der Mikrowellenstrahlung (Abbildung 9a) in dem CFK-Probenkörper entstanden ist. Durch Mikrowellenabsorption entsteht ein inverses Temperaturprofil ohne „Hot Spots“, obwohl das elektrische Feld der Mikrowellen in der Probe nicht homogen ist (Abbildung 9a). Das Probeninnere ist heißer als die Oberfläche, wobei die Temperatur-Differenz von der Positionierung des Bauteils im Ofen abhängt. Die Abbildung 9c stellt das dazu entgegen gesetzte Temperaturprofil der konventionellen Heizung dar. Das Probeninnere ist kälter als die Oberfläche, wobei die T-Differenz von der Wärmeleitung des Materials abhängt.
Abbildung 9: Simulation der elektrischen Feldverteilung der Mikrowellen im CFK-Bauteil (a) sowie des daraus resultierenden Temperaturfeldes (b) und des Temperaturfeldes bei einer konventionellen Erwärmung der CFKPreform (c).
4
Zusammenfassung
Die experimentellen Ergebnisse der Hybridheizung zur Pyrolyse von CFK-Preformen zeigen ein erhebliches Potential zur Verkürzung der Prozesszeit. Durch homogene Heizung und somit schonende Pyrolyse mittels Hybridheizung kann die Pyrolysedauer bis auf 1/10 der derzeit benötigten Zeit verringert werden, so dass über den Gesamtprozess eine Prozesszeit-Verkürzung um bis zu 50 % ermöglicht wird. Entsprechend sind Energieeinsparungen von 25-70% gegenüber konventioneller Heizung möglich, abhängig von Ofenkonzept und der Bauteilanzahl. Das Simulationsergebnis zeigt, dass das vorgestellte Hybridheizverfahren durch Überlagerung entgegen gesetzter Temperaturgradienten eine homogenere Temperaturverteilung im Bauteil ermöglicht. Die Simulation kann unter Berücksichtigung der jeweiligen E-Feldverteilung des Mikrowellenfeldes zur Auslegung der Probenanordnung in verschiedenen Öfen und für verschiedene Bauteilgeometrien dienen. Eine Übertragung der Ergebnisse aus dem Labormaßstab in einen Pilotmaßstab sollte mit Hilfe der entwickelten Prozesscharakterisierungsmethoden und der Simulation möglich sein.
284
5
Danksagung
Die Autoren danken der Bayerischen Forschungsstiftung für die finanzielle Förderung im Rahmen des Projektes “Kostengünstige kohlenstofffaserverstärkte Keramiken (K3)“, Az. 710-06.
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
[8]
Literaturhinweise W. Krenkel, F. Berndt, Materials Science and Engineering A 412 (2005) 177–181. L. Feher and, M. Thumm, Novel Materials Processing by Advanced Electromagnetic Energy Sources, 2005, 129–133. D.A. Papargyris, R.J. Day, A. Nesbitt, and D. Bakavos, Compos. Sci. and Technol., 68, 1854-1861 (2008). Ch.Hunyar, L. Feher, M. Thumm, Adv. Microwave and Radiofrequency processing, Ed. M. Willert-Porada, Springer Verlag Berlin, 2006, S. 735–744 (2006). Mikrowellenhybridheizofen-Datenblatt: www.ls-wv.de. Zylindrischer Multi Mode Mikrowellenheizofen-Datenblatt: www.ls-wv.de. M. Willert-Porada, H.S. Park, Parameter analysis for decomposition rate controlled microwave assisted CFRP-pyrolysis, J of Mater. Processing Technology, in preparation (2008). Schutzrechtsanmeldung Dezember 2008.
285
Oxidkeramische Verbundwerkstoffe auf der Basis von YttriumAluminium-Granat (YAG) H. Neubert, T. Wamser, F. Barthmann, J. Lehmann, W. Krenkel Universität Bayreuth, Bayreuth
1
Einführung
Yttrium-Aluminium-Granat (YAG) ist aufgrund der Kriechbeständigkeit und inhärenten Oxidationsbeständigkeit ein vielversprechender Kandidat für den Einsatz als Matrixmaterial in oxidkeramischen Verbundwerkstoffen (Oxide Fiber Composites, OFC). YAG bietet sich hierfür an, da die derzeit einzig technisch relevanten Fasern auf Aluminiumoxid basieren und YAG durch den etwa gleichen Ausdehnungskoeffizienten kompatibel ist. Ebenso sind Aluminiumoxid und YAG thermodynamisch stabil nebeneinander. Deshalb wurden in dieser Arbeit poröse Faserverbundwerkstoffe, bestehend aus einer YAG-Matrix und Nextel™-Fasern, über ein Laminierverfahren hergestellt. Für die Synthese von YAG wurde in der Vergangenheit häufig auf nasschemische Verfahren, wie Fällungsreaktionen oder Sol-Gel-Techniken zurückgegriffen. Daneben kann YAG auch über den Weg der Solid-State-Reaction hergestellt werden. Diese basiert auf den Erkenntnissen von G. de With und H. J. A. van Dijk [1], die bereits 1984 YAG ausgehend von den Oxiden (Aluminiumoxid und Yttriumoxid) synthetisierten. Dadurch wurde eine Möglichkeit geschaffen, das Material auf eine kostengünstigere Weise zu erzeugen [2]. Um dichten YAG bei Temperaturen unterhalb von 1600 °C herstellen zu können, müssen Sinteradditive eingesetzt werden [3-5].
2
Experimentelle Durchführung
2.1
Synthese von YAG
Aluminiumoxid und Yttriumoxid werden im stöchiometrischen Verhältnis von 5:3 durch das Ansetzen einer Suspension gemischt. An dieser Stelle erfolgt auch die Zugabe verschiedener Additive. Zur Homogenisierung wird der Schlicker 24 h auf dem Rollenbock gemahlen (Zirkoniumoxidkugeln, Ø 3 mm) und anschließend getrocknet. Das Pulver wird bei 1200 °C für 2 h calciniert. Da hochreaktive Ausgangsmaterialien verwendet werden, ist die Phasenumwandlung zu YAG bereits bei dieser niedrigen Temperatur abgeschlossen. Danach wird der Herstellungsweg in zwei verschiedene Routen aufgeteilt. Um die Wirkung der verschiedenen Sinteradditive zu testen, werden verschiedene Suspensionen hergestellt, denen die organischen Additive zugesetzt und anschließend getrocknet werden. Im Folgenden werden durch uniaxiales Pressen bei 200 MPa scheibenförmige Probekörper erzeugt. Diese werden bei 1600 °C für 2 h gesintert. Die für die Verbundwerkstoffherstellung erforderlichen Suspensionen basieren auf calciniertem Pulver, ein Mahlprozess auf einer Rührwerkskugelmühle (Netzsch MiniCer) schließt sich
286 daran an. Dieser dient dazu, die maximale Partikelgröße auf ca. 1 μm zu reduzieren. Danach erfolgen die Zugabe der nötigen Organik und die Herstellung der Verbundwerkstoffe durch Laminieren der Gewebelagen.
2.2
Herstellung der Verbundwerkstoffe
Im Versuch werden Verbundwerkstoffe, bestehend aus Nextel™ 610- bzw. Nextel™ 720-Fasern und einer YAG-Matrix, über ein modifiziertes Gelcasting hergestellt. Es beruht auf dem Einsatz von Gelatine, die zur Gelierung der Suspension führt und baut auf den Erkenntnissen von L. J. Vandeperre et al. [6] auf. Des Weiteren kann durch den Einsatz von Gelatine sowohl die Gelierzeit beliebig verlängert, als auch das Problem der geringen Grünfestigkeit der durch Gelcasting erzeugten Proben umgangen werden. Dazu wird Gelatine in der zuvor aufgemahlenen Suspension gelöst. Wichtig ist, dass dies bei Temperaturen zwischen 50 und 60 °C erfolgt, um eine gute Löslichkeit der Gelatine zu gewährleisten. Nach dem Lösen werden die eingesetzten Fasergewebe (3000 den.) im vortemperierten Ultraschallbad infiltriert. Die Lagen werden laminiert und anschließend bei 100 MPa verpresst. Um den Druck während der nachfolgenden Gelierung bei –10 °C aufrecht zu erhalten, kommt hier eine verschraubbare Vorrichtung zum Einsatz. Um das enthaltene Wasser zu entziehen, wird die gelierte und gefrorene Probe entformt und anschließend durch einen Gefriertrocknungsprozess getrocknet. Das abschließende Sintern erfolgt bei 1300 °C für 10 h. Die niedrige Sintertemperatur ist nötig, um Degradationserscheinungen der Nextel™-Fasern zu vermeiden. Dies hat allerdings zur Folge, dass die Matrix porös bleibt.
3
Ergebnisse
3.1
Auswirkung der Sinteradditive [7]
Als Sinteradditive wurden Magnesiumoxid, Calciumoxid, Siliziumoxid, Zirkoniumoxid, Vanadiumoxid, Manganoxid, Chromoxid, Kobaltoxid und Kupferoxid getestet. Um Synergieeffekte zu nutzen, wurden zusätzlich die Kombination aus Siliziumoxid und Kobaltoxid sowie die Zugabe von Yttriumsilikat (Y2Si2O7) und Mullit (3 Al2O3 · 2 SiO2) getestet. Die Probekörper enthalten jeweils insgesamt 1 Gew.% des jeweiligen Oxids oder der Oxidkombination. Bild 1 zeigt einen Vergleich der erreichten Dichte der Probekörper mit unterschiedlichen Additiven, die bei 1600 °C 2 h gesintert wurden. Die Angaben sind auf die theoretische Dichte von YAG mit 4,55 g/cm³ normiert. Es zeigt sich, dass durch den Einsatz der Sinteradditive Kobaltoxid und Siliziumoxid die Dichte von 90 % th. D. ohne Additiv auf über 97 % th. D. gesteigert werden kann. Setzt man Kupferoxid ein, erreichen die Probekörper lediglich 64 % th. D. Kupferoxid hemmt demnach den Verdichtungsprozess, wahrscheinlich durch Abdampfeffekte. Auch die anderen getesteten Additive, Zirkoniumoxid, Calciumoxid, Manganoxid, Kupferoxid, Chromoxid und Vanadiumoxid tragen nicht zu einer hohen Enddichte bei. Die Zugabe von Yttriumsilikat hat ebenfalls einen ungünstigen Einfluss auf das Sinterverhalten.
287
Bild 1: Einfluss von Additiven auf die Sinterdichte
Tabelle 1: Dichte der Probekörper nach dem Sintern Additiv
Dichte [g/cm³]
% th. D.
ohne
4,07
89,52
SiO2
4,46
97,92
CoO
4,43
97,26
CaO
4,21
92,61
MnO
4,14
90,97
ZrO2
4,07
89,44
Cr2O3
3,84
84,39
V2O5
3,74
82,12
MgO
3,42
75,21
CuO
2,90
63,77
CoO/SiO2
4,48
98,54
3Al2O3 · 2SiO2
4,46
97,98
Y2Si2O7
4,22
92,68
Bei Einsatz der Kombination aus Kobaltoxid und Siliziumoxid kann man einen Synergieeffekt beobachten, die Probekörper sind zu 99 % th. D. dicht. Die Sinterkörper, denen Mullit zugegeben wurde, verdichten in gleicher Weise wie bei ausschließlicher Siliziumoxidzugabe. Aufgrund dieser Ergebnisse sind der Einsatz der Additive Siliziumoxid und Kobaltoxid, sowie deren Kombination zu empfehlen. Die Aufnahmen der Bruchflächen der Probekörper ohne Additivzugabe, mit Kobaltoxid, Siliziumoxid sowie deren Kombination sind in Bild 2 dargestellt. Die Gefüge der Probekörper mit Additivzugabe sind weit entwickelt und befinden sich im Stadium der geschlossenen Porosität.
288
Bild 2: Bruchflächengefüge ausgewählter Probekörper
3.2
Herstellung von Verbundwerkstoffen durch ein modifiziertes Gelcasting [8]
Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Gelatine problemlos direkt in der Suspension gelöst werden kann. Dies bildet die Voraussetzung für den eigentlichen Laminierschritt. Zum Nachweis der Eignung des Verfahrens wurden zunächst einige Vorversuche durchgeführt. Sintertemperatur und Haltezeit werden dabei auf 1300 °C und 10 h festgelegt, um die Fasern nicht zu schädigen. Als Sinteradditiv kommt Siliziumoxid zum Einsatz. Dies hat zur Folge, dass die Matrix ca. 70 % th. D. erreicht. In ersten Versuchen werden zunächst drei bis fünf Gewebematten, die zuvor mit Suspension infiltriert wurden, übereinander zwischen zwei Uhrgläser gelegt. Danach wird von Hand Druck ausgeübt, die Gläser mit Klammern fixiert und eingefroren. Nach dem Trocknen und Sintern werden Querschliffe der Proben im REM untersucht (Bild 3). Dies soll klären, ob das Verfahren überhaupt durchführbar ist und eine akzeptable Qualität der Laminate speziell unter dem Aspekt möglicher Delaminationseffekte erreichbar ist. Es soll vor allem untersucht werden, ob die Gewebematten ausreichend mit Suspension infiltriert werden und die Matrixpartikel zwischen die Monofilamente vordringen können.
289
Bild 3: Aufnahmen eines über Gelcasting hergestellten OFCs mit Nextel™ 610-Fasern und YAG-Matrix (100x links, 1000x rechts)
Wie Bild 3 (links) zeigt, existieren zwischen den einzelnen Lagen aus Fasergeweben noch sehr große Matrixansammlungen (markierter Bereich), die eine Breite von über 200 μm besitzen. Dies sollte eigentlich vermieden werden, da es in diesen Bereichen durch die unterschiedliche Schwindung von Faser und Matrix während der Trocknung zu Rissen kommen kann. Diese können dann zu Delaminationen im Verbundwerkstoff führen. Hervorzuheben ist, dass gerade dies nicht der Fall ist. Die Bereiche mit hohem Matrixanteil sind rissfrei und homogen. Die dunklen Flächen resultieren aus Materialabtragungen während der Probenpräparation und stellen kein Maß für die Qualität dar. Weiterhin wird in Bild 3 (rechts) deutlich, dass die Gewebe sehr gut mit Matrixpartikeln infiltriert wurden. So sind alle Monofilamente vollständig mit Matrix umgeben. Um die Schichtdicke der Matrix zwischen den einzelnen Gewebelagen zu verringern, wird durch Druckbeaufschlagung der laminierte Verbund verdichtet. Wichtig ist jedoch, dass dieser
Bild 4: Aufnahme eines über Gelcasting hergestellten OFCs mit Nextel™ 720-Fasern und YAG–Matrix (100x)
290 Druck auch während der Gelierung und dem Gefrieren aufrecht erhalten wird, da erst nach diesem Zeitpunkt ein Festkörper vorliegt, in dem die Gewebelagen fest eingebunden sind. Des Weiteren wird während der Laminierung überschüssige Suspension mittels eines Laminierrollers entfernt. Dabei kann jedoch eine Blasenbildung auftreten. Die Lufteinschlüsse werden zwar teilweise beim Pressvorgang mit der überschüssigen Matrix aus dem Gewebe entfernt, jedoch bleiben einige Poren im Laminat zurück (Bild 4). Zudem wird in Bild 4 erkennbar, dass die Materialkonzentrationen zwischen den Gewebelagen durch den Pressvorgang verringert werden können, was eine Voraussetzung für das Erreichen hoher Faseranteile im Verbund darstellt. Die Gefahr der Blasenbildung, die auch von einer nicht vollständigen Infiltration der Gewebe hervorgerufen werden kann, muss jedoch durch weitere Untersuchungen reduziert werden.
4
Zusammenfassung
In dieser Arbeit wurden erste oxidkeramische Faserverbundwerkstoffe (OFC), bestehend aus Nextel™ 610- oder Nextel™ 720-Fasern und einer YAG-Matrix, durch ein modifiziertes Gelcasting erzeugt. Da die Sintertemperatur wegen der Faserdegradation auf nur 1300 °C begrenzt ist, müssen Sinteradditive eingesetzt werden. Deshalb wurden verschiedene Hilfsmittel getestet. Hier stellte sich heraus, dass vor allem Siliziumoxid und Kobaltoxid sowie deren Kombination eine sehr gute Verdichtung der Matrix bewirken. Im weiteren Verlauf wurde das auf der Verwendung von Gelatine basierende Gelcasting erfolgreich durchgeführt. Delaminationseffekte nach dem Sintern konnten nicht beobachtet werden, auch nicht in Bereichen mit hoher Matrixkonzentration zwischen den Gewebelagen. Zudem können die Gewebe gut infiltriert werden, wobei die Matrixpartikel zwischen die Monofilamente eindringen und diese vollständig umhüllen. Das Verfahren muss noch weiter verbessert werden, um die Gefahr der Großporenbildung durch Lufteinschlüsse beim Laminieren zu minimieren und um charakteristische Eigenschaften der CMC-Werkstoffe ermitteln zu können.
5 [1] [2]
[3] [4] [5]
Literatur G. De With, H. J. A. van Dijk, Translucent Y3Al5O12 Ceramics, Material Research Bulletin, 1984, 19, p. 1669–1674. A. Ikesue, T. Kinoshita, K. Kamata, K. Yoshida, Fabrication and Optical Properties of High-Performance Polycrystalline Nd:YAG Ceramics for Solid-State Lasers, J. Am. Ceram. Soc., 1995, 78[4], p. 103 –1040. L. N. Satapathy, Effect of cobalt oxide on the densification of yttrium aluminum garnet, Materials Letters 2005, 59, p. 387–390. H. Haneda, A. Wantanbe, S. Matsuda, T. Sakai, S. Shirasaki, Sintering of Yttrium Aluminum Garnet, Sintering `87, 1988, p. 381–386. S. Kochawattana, A. Stewenson, S. Lee, M. Ramirez, V. Gopalan, J. Dumm, V. K. Castillo, G. J. Quarles, G. L. Messing, Sintering and grain growth in SiO2 doped Nd:YAG, J. Eur. Ceram. Soc., 2008, 28, p. 1527– 534.
291 [6] [7] [8]
L. J. Vandeperre, A. M. Wilde, J. Luyten, Gelatin gelcasting of ceramic components, Journal of Materials Processing Technology, 2003, 135, p. 312–316. T. Wamser, Einfluss von Sinteradditiven auf das thermische Verdichtungsverhalten von Yttrium-Aluminium-Granat, Diplomarbeit Universität Bayreuth, 2008. H. Neubert, Entwicklung einer Matrixkomponente auf der Basis von Yttrium-Aluminium-Granat, Diplomarbeit Universität Bayreuth, 2008.
292
Entwicklung von Ultrahochtemperatur-beständigen Karbidkeramiken R.Voigt, W. Krenkel und G.Motz Lehrstuhl Keramische Werkstoffe, Universität Bayreuth, Bayreuth, 95440 Bayreuth
1
Abstract
Die Nachfrage nach Hochleistungskeramiken für Ultrahochtemperaturanwendungen in Industrie und Raumfahrt ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Hafniumkarbid ist aufgrund seines extrem hohen Schmelzpunktes und seiner guten chemischen Stabilität bei hohen Temperaturen ein potentielles Material für solche Anwendungen. Üblicherweise erfolgt die Herstellung von Refraktärkarbiden über Heißpressen bei sehr hohen Temperaturen und hohem Druck. Ein neuer Ansatz ist die Herstellung über die reaktive Schmelzinfiltration in ein Kohlenstoffsubstrat. Aufgrund des hohen Schmelzpunktes von reinem Hafnium (2233 °C) kommen in dieser Arbeit die Hafniumlegierungen SiHf8at%, HfV43at%, TiHf20at% und HfMo34at% mit einem Schmelzpunkt unter 1900 °C zum Einsatz. Voraussetzung für die Anwendung dieser Legierungen für die reaktive Schmelzinfiltration ist ihre Reaktion mit Kohlenstoff unter Ausbildung von Karbiden. Zur Untersuchung der Reaktivität wurden Tabletten aus Kohlenstoffpulver, Legierungsgranulat und Phenolharzpulver gepresst, bei 1000 °C unter Ar vorpyrolysiert und anschließend bei Temperaturen oberhalb des Schmelzpunktes der jeweiligen Legierung ausgelagert. Die nachfolgende Charakterisierung mittels XRD zeigt die Bildung von HfC bei allen eingesetzten Legierungen mit Ausnahme der TiHf-Legierung. Zusätzlich bilden sich auch die Karbide der Legierungspartner: SiC, VC, TiC und Mo2C. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Kohlenstoffmodifikation einen Einfluss auf die Karbidbildung hat.
2
Einführung
Seit den späten 1960er Jahren hat sich die Materialauswahl für Hochtemperaturanwendungen hauptsächlich auf Siliziumkarbid und Siliziumnitrid beschränkt [1]. Die so genannten Ultrahochtemperaturkeramiken (UHTC) haben erst in den letzten Jahren als Materialien für Luftund Raumfahrt aber auch für den Einsatz in der Energietechnik bei Temperaturen > 2000 °C signifikant an Interesse gewonnen [2]. UHTC ist ein Überbegriff für die Gruppe der Übergangsmetallboride, -nitride und -karbide die sich vor allem durch einen hohen Schmelzpunkt, chemische Inertheit und relativ gute Oxidationsbeständigkeit bei extremen Einsatzbedingungen auszeichnen [3]. Innerhalb der Gruppe der Karbide ist Hafniumkarbid (HfC) aufgrund seines ungewöhnlich hohen Schmelzpunktes (3928 °C) von besonderem Interesse. Hinzu kommen eine sehr hohe Härte, ein hoher E-Modul und eine exzellente Oxidationsbeständigkeit bei Temperaturen über 1800 °C [5–7]. Trotz dieser offensichtlichen Vorteile für Ultrahochtemperaturanwendungen haben die Übergangsmetallkarbide aufgrund ihrer geringen Sinterfähigkeit wenig Verbreitung gefunden. Die Herstellung erfolgt fast ausschließlich über Heiß- oder heißisostatisches Pressen [4, 5].
293 Opeka et al. berichten über die Herstellung von HfC0.67 durch Heißpressen von HfC-Pulver bei 2500 °C und 34 MPa [8]. Es ist offensichtlich, dass die erforderlichen Prozessbedingungen die Herstellung von ultrahochtemperaturbeständigen Karbidkeramikbauteilen hinsichtlich ihrer Größe und Form einschränken und Herstellungskosten signifikant erhöhen. Die Entwicklung eines drucklosen Prozesses, der bei niedrigen Temperaturen arbeitet wäre daher von großer Bedeutung für die Erschließung neuer Anwendungsgebiete von ultrahochtemperaturbeständigen Karbidkeramiken. Ein entsprechender Ansatz ist die Herstellung von Karbidkeramiken über den Prozess der reaktiven Schmelzinfiltration, der bereits bei der Herstellung von reaktionsgebundenem Siliciumcarbid bzw. kohlenstofffaserverstärktem Siliziumkarbid industrielle Anwendung findet. Hierbei wird in einer exothermen Reaktion flüssiges Silizium mit Kohlenstoff zu Siliziumkarbid umgesetzt [9]. Dieser Prozess zeichnet sich durch kürzere Prozesszeiten und niedrigere Reaktionstemperaturen aus, wobei durch die geringen Dimensionänderungen endkonturnahe Bauteile erhalten werden [9, 10]. Eine grundlegende Vorraussetzung für die Anwendung dieser Technologie ist die Reaktion des verwendeten Metalls bzw. der verwendeten Legierung mit Kohlenstoff. In dieser Arbeit wird über erste Ergebnisse zur Reaktivität verschiedener Hafniumlegierungen mit Kohlenstoff berichtet. Hierfür wurden Tabletten aus vier verschiedene Hafniumlegierungen mit Schmelzpunkten zwischen 1338 °C und 1866 °C und Kohlenstoffpulver gepresst und bei Temperaturen über dem jeweiligen Legierungsschmelzpunkt ausgelagert. Die anschließende Charakterisierung erfolgte hinsichtlich der entstandenen kristallinen Phasen und der Mikrostruktur. Auch der Einfluss der Kohlenstoffmodifikation wurde untersucht.
3
Experimentelle Durchführung
Aufgrund des hohen Schmelzpunktes von reinem Hafnium (2233 °C) kommen in dieser Arbeit Hafniumlegierungen zum Einsatz. Die Auswahl der Legierungen erfolgte hinsichtlich eines Schmelzpunktes unter 2000 °C. Tabelle 1 zeigt die Zusammensetzung der verwendeten Hafniumlegierungen (HMW Hauner, Deutschland), die jeweils eine Korngröße von < 1 mm aufweisen. Als Reaktionspartner wurde kommerziell erhältliches amorphes Kohlenstoffpulver (PC 40, Timcal Ltd, Schweiz) mit einer mittleren Korngröße d50 = 15.6 m verwendet. Als Binder diente ein Phenolharzpulver (Bakelit AG, Deutschland) verwendet. Tabelle 1: Zusammensetzung der verwendeten Hafniumlegierungen. SiHf
HfV
TiHf
HfMo
Hf (at.%)
8
43
20
34
Hf (wt.%)
36
82
48
78
Die Zusammensetzung der Mischungen für das Verpressen zu Tabletten besteht aus den jeweiligen Legierungspulvern und der 1,5 fachen Menge des zur stöchiometrischen Umsetzung erforderlichen Kohlenstoffs, um eine möglichst quantitative Karbidbildung zu ermöglichen. Der Anteil des Phenolharzbinders beträgt bei allen Mischungen 30 Vol%. Das kaltisostatische Pressen der Tabletten erfolgte bei 150 MPa. Anschließend wurden die Probekörper unter Ar-
294 gonatmosphäre bei 120 °C für 3 Stunden vernetzt und bei 1000 °C für 30 min unter Argonatmosphäre pyrolysiert (GERO GmbH, Deutschland). Die Auslagerung zur Karbidbildung erfolgte in einem mit CFC Heizleiterstreifen beheizten Ofen (FCT Anlagenbau, Rauenstein, Deutschland) ebenfalls unter Argonatmosphäre. Um die Karbidbildung zu unterstützen wurde die maximale Auslagerungstemperatur so gewählt, dass sie jeweils um 1/6 die angegebene Schmelztemperatur überschreitet, so dass die relative Überschreitung bei allen Legierungen gleich ist. Die jeweiligen Legierungsschmelzpunkte und die dazugehörige Auslagerungstemperatur sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Tabelle 2: Schmelzpunkte der Legierungen und entsprechende Auslagerungstemperaturen. SiHf
HfV
TiHf
HfMo
Schmelzpunkt Tm (oC)
1338
1456
1650
1866
Auslagerungstemperatur (°C)
1561
1699
1925
2177
Auslagerungszeit (h)
3
3
3
3
Alle Proben wurden sowohl nach der Pyrolyse als auch nach der Auslagerung hinsichtlich ihrer Mikrostruktur lichtmikroskopisch sowie mittels Rasterelektronenmikroskop (Jeol JSM 6400) untersucht. Zur Elementanalyse wurde ein EDX-System (Thermofischer, Deutschland) verwendet. Die Identifizierung entstandener kristalliner Phasen erfolgte röntgendiffraktometrisch (Philips X’Pert, Philips).
4
Ergebnisse und Diskussion
Nach der Auslagerung der Proben für jeweils 3h bei der angegebenen Maximaltemperatur (Tabelle 2) konnte bei allen Legierungen die Bildung von Hafniumkarbid (HfC) nachgewiesen werden (Tabelle 3). Eine Ausnahme bildet hierbei die TiHf-Probe, bei der sich nur die Bildung von Titankarbid (TiC) detektieren ließ. Bei den Proben mit SiHf, HfV und HfMo bildete sich zusätzlich noch das Karbid der zweiten Legierungskomponente: Siliziumkarbid (SiC), Vanadiumcarbid (VC) bzw. Molybdänkarbid (Mo2C). Tabelle 3: Mittels XRD nachgewiesene kristalline Phasen nach entsprechender Auslagerung. Legierung
T [°C]
Zeit [Std]
kristalline Phasen
SiHf8at%
1561
3
HfC, SiC
HfV43at%
1699
3
HfC, VC
TiHf20at%
1925
3
TiC
HfMo34at%
2177
3
HfC, Mo2C
Nach der Pyrolyse liegen die Legierungspartikeln im System SiHf8at% in ihrer Ausgangsform separat in einem Netzwerk aus Kohlenstoff vor (Bild 1a). Nach der Auslagerung bei 1561 °C für 3 Stunden sind die Legierungpartikeln aufgeschmolzen und stehen in Kontakt zu-
295 einander (Bild 1b). Die flüssige Legierung ist in das Kohlenstoffnetzwerk eingedrungen und hat dort mit dem Kohlenstoff reagiert. Mit Hilfe der EDX-Analyse (Bild 1c) lassen sich 3 verschiedene Bereiche nachweisen: restlicher Kohlenstoff, SiC und HfC. Die Bildung von Hafniumkarbid findet bevorzugt an der Grenzfläche zu Kohlenstoff statt.
Bild 1: a) System SiHf8at% Probe nach der Pyrolyse (1000 °C, 30 min, Ar) b) nach der Auslagerung (1561 °C, 3 h, Ar) und c) EDX-Analyse
Obwohl auch beim System HfV die Bildung von HfC und VC mittels XRD nachgewiesen werden konnte, zeigt sich nach der Auslagerung eine andere Mikrostruktur als beim System SiHf. Die Legierungspartikeln haben im Vergleich zu ihrer Ausgangsform nach der Pyrolyse (Bild 2a) ihre Form verändert (Bild 2b), jedoch liegt jedes Partikel nach wie vor separat vor. Eine Erklärung hierfür ist, dass sich durch Diffusion am Rand der Partikeln eine passivierende Karbidschicht ausgebildet hat. Möglicherweise ist auch die Reaktivität dieses Systems in Vergleich zum System SiHf geringer, so dass zur Zusammenlagerung der Partikeln höhere Auslagerungstemperaturen bzw. längere Auslagerungszeiten notwendig sind. Die EDX-Analyse der Legierungspartikeln zeigt, dass nach der Auslagerung zwei separate Phasen vorliegen, wobei sich Hafnium an der Außenseite der Partikeln angelagert hat. Die Ausbildung von VC lässt darauf schließen, dass innerhalb des Partikels Diffusionsvorgänge stattgefunden haben.
Bild 2: a) System HfV43at% nach der Pyrolyse (1000 °C, 30 min, Ar) b) nach der Auslagerung (1699 °C, 3 h, Ar) und c) EDX-Analyse eines Partikels nach der Auslagerung
Die Mikrostruktur des Systems TiHf nach der Auslagerung ist vergleichbar mit der des Systems SiHf. Die Partikeln liegen nach der Auslagerung bei 1925 °C für 3h Stunden nicht mehr separat vor wie nach der Pyrolyse (Bild 3a) sondern haben sich ausgebreitet. Die Elementanalyse (Bild 3c) des Metallbereichs zeigt, dass sich nach der Auslagerung Ti am Rand angelagert
296 hat, während sich im Inneren Ti und Hf findet. Dies erklärt, dass sich bei der XRD-Analyse nur TiC und kein HfC detektieren lässt. Für die Bildung von HfC sind möglicherweise eine höhere Auslagerungstemperatur bzw. eine längere Auslagerungszeit notwendig damit es ähnlich wie bei dem System HfV zu Diffusionsvorgängen innerhalb des Legierungsbereichs kommen kann.
Bild 3: a) System TiHf20at% nach der Pyrolyse (1000 °C, 30 min, Ar) b) nach der Auslagerung (1925 °C, 3 h, Ar) und c) EDX-Analyse nach der Auslagerung
Auch beim System HfMo liegen die Legierungspartikeln nach der Pyrolyse (1000 °C, 30 min, Ar) separat in einem Kohlenstoffnetzwerk vor. Nach der Auslagerung bei 2177 °C für 3 Stunden unter Argonatmosphäre haben die Legierungspartikeln eine Verbindung untereinander ausgebildet. Die EDX-Analyse zeigt, dass sich im Legierungsbereich Hf und Mo Bereiche ausgebildet haben. So haben in den Randbereichen sowohl Hf als auch Mo Kontakt mit dem Kohlenstoff und bilden HfC und Mo2C, welches sich mit Hilfe des XRD nachweisen lässt.
Bild 4: a) System HfMo34at% nach der Pyrolyse (1000 °C, 30 min, Ar) b) nach der Auslagerung (2177 °C, 3 h, Ar) und c) EDX-Analyse der Legierung nach der Auslagerung
Zusätzlich wurde noch der Einfluss der Kohlenstoffmodifikation auf die Karbidbildung untersucht. Erste Ergebnisse zeigen, dass bei der Verwendung von Graphit als Reaktionspartner die Bildung von Hafniumkarbid bevorzugt wird.
297
4
Zusammenfassung
Die niedrigschmelzenden Hafniumlegierungen SiHf8at%, HfV43at% und HfMo34at% reagieren mit amorphen Kohlenstoffpulver unter Ausbildung von kristallinem Hafniumkarbid. Zusätzlich bilden sich noch die entsprechenden Karbide der Legierungspartner: SiC, VC und Mo2C. Während sich beim System SiHf die Legierungspartikeln nach der Auslagerung zusammengeschlossen haben, liegen die Legierungspartikeln im System HfV nach der Auslagerung immer noch separat vor, was auf die Ausbildung einer passivierenden Karbidschicht schließen lässt. Dass sich beim System TiHf nur TiC detektieren lässt, ist auf die Ausbildung zweier Phasen (Ti und Hf) während der Auslagerung zurückzuführen. Im Randbereich lagert sich Ti an, so dass nur dieses direkten Kontakt zum umgebenden Kohlenstoff hat. Weitere Versuche sind notwendig, um den Einfluss der Auslagerungszeit bzw. der Auslagerungstemperatur auf die Karbidbildung und Mikrostruktur zu untersuchen.
5
Danksagung
Diese Arbeit wird finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG – Graduiertenkolleg 1229 „Stabile und metastabile Mehrphasensysteme bei hohen Anwendungstemperaturen“, wofür wir uns herzlich bedanken.
6 [1]
Literatur
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298
Nuten- und Zirkularbearbeitung von faserverstärktem Siliziumkarbid mit Schleifstiften D. Biermann, T. Jansen, M. Feldhoff Technische Universität Dortmund
1
Einleitung
Die technische Bedeutung faserverstärkter Keramiken wie dem hier betrachteten kohlenstofffaserverstärkten Siliziumkarbid steigt kontinuierlich. Dabei wird dieser Verbundwerkstoff für technologisch hoch anspruchsvolle Aufgaben insbesondere im Bereich der Thermalschutz- und Friktionsanwendungen sowie dem ballistischen Schutz eingesetzt [1, 2]. Mit steigender Anzahl der Anwendungsfelder sowie der Mengenleistung wächst der Bedarf an einer effizienten und kostengünstigen spanenden Bearbeitung, die trotz endkonturnaher Fertigung insbesondere für Füge- und Passkonturen häufig notwendig ist. Neben dem Einbringen von Bohrungen, deren Erzeugung in Veröffentlichungen umfangreich beschrieben worden ist [3–6], bieten die Nutenund Zirkularbearbeitung eine wichtige Ergänzung für die spanende Bearbeitung komplexer Strukturen aus Faserkeramik. Für alle Operationen werden Schleifstifte eingesetzt, die im Falle der Bohrungsbearbeitung in Hohlschaftausführung eingesetzt werden, um die axialen Lasten zu reduzieren und den Quetsch- und Reibvorgängen in der Nähe des Werkzeugzentrums entgegenzuwirken. Die Versuche finden auf einem konventionellen HSC-Bearbeitungszentrum ohne Ultraschallunterstützung statt.
2
Nutenbearbeitung
Schleifstifte wurden bisher vor allem für die Bohrungsbearbeitung in C/C-SiC eingesetzt. Durch die vornehmlich radiale Werkzeugbelastung bei der Nutenbearbeitung ergibt sich die Notwendigkeit zur Erhöhung der radialen Steifigkeit der Schleifstifte. Insbesondere gesinterte Schleifstifte weisen eine geringe radiale Belastbarkeit auf, weil die gesinterte Krone hier auf den Stahlschaft gefügt ist. Daher muss die Kronenwandstärke für eine Nutenbearbeitung mit diesen Werkzeugen erhöht werden. Die ermittelten Prozesskräfte als Summe der Einzelkornkräfte und hieraus resultierende Werkzeugabdrängungen führen zu Gestaltabweichungen der Bauteile. Die Untersuchungen zur Nutenbearbeitung von C/C-SiC haben gezeigt, dass die Einzelkornkräfte in erheblichem Maße durch die Eingriffsbedingungen beeinflussbar sind. Eine Schnittgeschwindigkeitsvariation bei konstanter Vorschubgeschwindigkeit deutete auf eine Eignung höherer Schnittgeschwindigkeitswerte. Mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit konnten bei konstanter Vorschubgeschwindigkeit signifikante Reduzierungen der gemessenen Zerspankräfte erreicht werden. Ursächlich hierfür ist jedoch nicht eine thermische Entfestigung des zu trennenden Materials, wie sie oftmals z. B. bei metallischen Werkstoffen zu beobachten ist, sondern eine Änderung der geometrischen Eingriffsbedingungen am Einzelkorn. Die Eingriffsbedingungen sind in Bild 1 schematisch aufgezeigt.
299 Durch die inhomogene Materialzusammensetzung sind die der Materialtrennung zugrundeliegenden Spanbildungsmechanismen schwer zu detektieren. Aufgrund stark negativer Spanwinkel, geringer Spanungsdicken am Einzelkorn und hoher Normalkräfte ist jedoch trotz der äußerst geringen Vorschübe von einem geringen Anteil duktiler Trennmechanismen auszugehen, obwohl diese für geringe Spanungsdicken auch für Keramiken beschrieben wurden [7]. Insbesondere Materialbereiche mit hohem Siliziumkarbidanteil, dargestellt in Bild 1 oben rechts, zeigen auch bei stärkerer Vergrößerung keine Anzeichen von Materialaufwürfen o. Ä. Wahrscheinlichster Trennmechanismus bei der Spanbildung ist folglich eine druck- und zugspannungsinduzierte Bildung von Ausbrüchen in der sekundären Spanbildungszone hinter dem Korn durch laterale Rissbildung.
Bild 1: Schematische Eingriffsverhältnisse am Einzelkorn und erzeugte Bauteiloberfläche
Die in Bild 1 dargestellten schematischen Eingriffsverhältnisse gelten für den Ausgangszustand der Werkzeuge. Mit zunehmendem Zerspanungsvolumen des Werkzeuges flachen die im Eingriff befindlichen Diamantkörner ab, sodass ein zunehmend flächiger Kontakt zwischen Werkzeug und Werkstück zu beobachten ist. Diese Verschleißphase ist gekennzeichnet durch einen leichten Anstieg der ermittelten Prozesskräfte durch die kontinuierliche verschleißbedingte Abflachung der Diamantkörner. Der verschleißbedingte moderate Kräfteanstieg mit steigendem Zerspanungsvolumen ist dem Werteverlauf in Bild 2 zu entnehmen. In diesem Stadium des Werkzeugverschleißes ist ein relativ konstantes Schnittkraftverhältnis zu beobachten, das sich bei einem Vorschub von f = 1,63 μm zu etwa P = FtS/FnS 0,12 ergibt.
Bild 2: Einfluss der Schnittgeschwindigkeit und des Zerspanungsvolumens auf die Prozesskräfte
Das Schnittkraftverhältnis ist in der ersten Verschleißphase der Schleifstifte höher. Aufgrund der radial weiter hervorstehenden Diamantkörner treten hier größere Einzelkornspanungsdicken auf. Durch zunehmende Abflachung dieser Spitzen sinken die Einzelkornspanungsdicken, was
300 zu steigenden Normalkraftanteilen und damit zu einem sinkenden Schnittkraftverhältnis führt. In Bild 2 ist die Schnittgeschwindigkeit zwischen vc = 6,4 m/s und vc = 16 m/s gleichverteilt zufällig variiert worden. Es ist im betrachteten Bereich kein signifikanter Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf die dargestellten Mittelwerte der Kräfte erkennbar. Als Ursache hierfür können die gleichbleibenden Eingriffsbedingungen durch den konstanten Vorschub angesehen werden. Die maximalen Kraftamplituden liegen jedoch für die niedrigste Schnittgeschwindigkeit um etwa 15 % über den Werten der Schnittgeschwindigkeit vc = 16 m/s. Denkbar wäre, dass eine schnellere Relativbewegung zwischen Diamantkorn und Werkstoff zu schnelleren Spannungswechseln und damit zur früheren Materialtrennung führt. Die Schnittgeschwindigkeit ist folglich bei der Zerspanung von C/C-SiC im Vergleich zu den geometrischen Eingriffsbedingungen an den einzelnen Diamantkörnern von nachrangiger Bedeutung. Jedoch werden bei der Betrachtung des gesamten Prozesses insbesondere bei der Schleifbearbeitung auf konventionellen Bearbeitungszentren bei einer Schnittgeschwindigkeitserhöhung oftmals maschinenseitige Grenzen aufgezeigt.
3
Zirkularbearbeitung
Die Zirkularbearbeitung stellt hinsichtlich der Werkzeugbelastung eine Kombination aus radialer und axialer Belastung dar. Die räumliche Orientierung der angreifenden Prozesskräfte wird neben den Prozessparametern von der Geometrie der eingesetzten Schleifstifte determiniert. Diese hat ebenfalls Auswirkungen auf den Werkzeugverschleiß und die Bauteilqualität.
3.1
Schnittgeschwindigkeitsvariation
Der Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf den Prozess und auf das Bearbeitungsergebnis ist in Bild 3 dargestellt. Für diese Versuche wurde ein gesinterter Diamantschleifstift verwendet.
Bild 3: Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf die Prozesskräfte und das Bearbeitungsergebnis
Es ist mit Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit nur ein geringfügiger Einfluss auf die Prozesskräfte zu verzeichnen. Die Schwankungen um die hier abgebildeten Mittelwerte nehmen jedoch mit steigender Schnittgeschwindigkeit von 'Fz = 50 N auf 'Fz = 85 N zu. Dies ist auf höhere Normalkräfte zurückzuführen, die sich wiederum aus dem geringeren Vorschub und einer geringen Einzelkornspanungsdicke ergeben. Durch das mit steigender Schnittgeschwindigkeit sinkende Spanvolumen je Umdrehung wird eine Materialverdrängung am Einzelkorn begüns-
301 tigt. Die höchste Schnittgeschwindigkeit ist vor allem hinsichtlich erreichbarer gemittelter Rundheitswerte und gemittelter Durchmesserabweichungen sinnvoll, die auf den höheren Überdeckungsgrad der Einzelkornbahnen zurückzuführen sind. Diese Ergebnisse sind mit weiteren Werkzeugen verifiziert worden.
3.2
Werkzeugvariation
Durch die Forderungen nach einer möglichst geringen Werkzeugwandstärke für die Bohrungsbearbeitung einerseits und nach einer möglichst hohen, weil steifigkeitserhöhenden Wandstärke für die Nutenbearbeitung andererseits wird die Ermittlung eines einzigen, für sämtliche Bearbeitungsoperationen geeigneten Werkzeugkonzeptes erschwert. Die im Rahmen der Zirkularbearbeitung vornehmlich eingesetzten Werkzeugkonzepte sind in Bild 4 dargestellt. Die Werkzeuge 1 und 2 basieren hierbei auf einem für die Bohrungsbearbeitung optimierten Werkzeugkonzept geringer Wandstärke für ein geringes Zerspanungsvolumen je zu erzeugender Kernbohrung. Werkzeug 3 ist demgegenüber für die Nutenbearbeitung optimiert und weist eine höhere Wandstärke für eine höhere radiale Steifigkeit auf. Bei sonst identischen Prozessparametern ergeben sich für die Zirkularbearbeitung unterschiedliche Kontaktflächen zwischen dem jeweiligen Werkzeug und dem Werkstück.
Bild 4: Theoretische Kontaktflächen bei der Zirkularbearbeitung für verschiedene Werkzeugkonzepte
Aus diesen Unterschieden resultieren verschiedene Belastungsfälle für die drei betrachteten Werkzeugkonzepte. Zu beachten ist, dass an der Stirnfläche ein kontinuierlicher, an den beiden anderen Kontaktflächen hingegen ein diskontinuierlicher Schleifkorneingriff erfolgt. Mit Verringerung der Wandstärke geht bei konstantem Werkzeugaußendurchmesser einer Erhöhung der inneren Kontaktfläche einher. Hierdurch steigen die Zerspanungsanteile mit unterbrochenem Korneingriff. In Bild 5 sind die radiale und die axiale Komponente der Zerspankraft bei der Zirkularbearbeitung von C/C-SiC als gemittelte Werte dargestellt. Die abgebildeten Werte wurden jeweils während des letzten Umlaufes der Helixbahn, d. h. gegen Ende des Prozesses ermittelt. Der Vergleich der Werkzeuge zeigt die geringsten Kraftwerte für Werkzeug 2. Die Verringerung der inneren Kontaktfläche mit Erhöhung der Werkzeugwandstärke, vgl. Bild 4, sorgt für ein geändertes Kräfteverhältnis zwischen Radialkraft Fr und Axialkraft Fz. Ein ähnliches Verhältnis dieser Kraftkomponenten stellt sich bei
302 Werkzeug 3 ein, da mit der weiteren Verringerung des Innendurchmessers die innere Kontaktfläche nicht wesentlich reduziert wird. An der Kante zwischen Stirn- und Mantelfläche, welche die am höchsten belastete Stelle des Werkzeuges darstellt, bildet sich eine Fase aus, vgl. Bild 5. Diese entsteht hauptsächlich durch den Ausbruch von Diamantkörnern an dieser Stelle als Folge unzureichender Haltekräfte in der Bronzematrix.
Bild 5: Ermittelte Prozesskräfte und Stirnflächen unterschiedlicher Werkzeuge bei der Zirkularbearbeitung
Diese Fase ist bei Werkzeug 2 gegenüber den anderen beiden Werkzeugen ausgeprägter, was den Anteil an diskontinuierlich im Eingriff befindlichen Diamantkörnern reduziert. Insgesamt ist der Zerspanprozess von faserverstärktem Siliziumkarbid aufgrund der verschiedenartigen Phasenanteile Siliziumkarbid, Kohlenstoffasern und freiem Kohlenstoff einerseits und der diskontinuierlichen Anteile des Schneideneingriffs andererseits durch hohe Schwankungen der ermittelten Prozesskräfte gekennzeichnet. Diese Schwankungen um die in Bild 5 dargestellten Mittelwerte liegen für Werkzeug 1 bei 'Fr = 20 N, für Werkzeug 2 bei 'Fr = 5 N und für Werkzeug 3 bei 'Fr = 13 N. Die geringen Amplitudenschwankungen der bei Einsatz von Werkzeug 2 ermittelten Prozesskräfte lassen auf vergleichbar gleichmäßige Spanbildungsbedingungen schließen und tragen zu den insgesamt geringen Prozesskräften von Werkzeug 2 bei. Anhand der im Vergleich zu Werkzeug 3 geringeren summierten Kontaktfläche ist erkennbar, dass das Spanvolumen durch eine geringere Anzahl an Diamantschneiden aufgebracht werden muss. Die beobachteten Kornausbrüche können durch unzulässig hohe Einzelkornkräfte verursacht worden sein. Demgegenüber ist der Prozess mit Werkzeug 3 durch den geringen Innenradius gekennzeichnet durch vergleichsweise hohe Anteile mit geringer Relativgeschwindigkeit zwischen Einzelkorn und Werkstück, wodurch hohe Prozesskräfte begünstigt werden. Erhöhte Reibanteile entstehen bei diesem für die Nutenbearbeitung optimierten Werkzeug durch eine geringere Versorgung der Wirkstelle mit Kühlschmierstoff, weil ein hoher Volumenanteil durch die radialen Bohrungen aus dem Werkzeug austritt. Die unterschiedlichen Werte der Prozesskräfte wirken sich auf die Bohrungsqualität allerdings nicht aus. Für die drei Werkzeuge liegen die gemittelten Durchmesserabweichungen 'D zwischen 13,5 μm und 14,8 μm, und damit wie auch alle Einzelwerte im Bereich IT 7. Lediglich die Rundheitsabweichung fR ist für Werkzeug 3 mit fR = 13 μm gegenüber fR < 10 μm bei den anderen beiden Werkzeugen geringfügig höher. Diese Steigerung entspricht in guter Näherung der Steigerung der Zerspankraft Fz von Werkzeug 1 zu Werkzeug 3. Für die hier betrachteten gesinterten Diamantwerkzeuge sind folglich neben der makroskopischen Geometrie ebenfalls die Verteilung der Schleifkörner und
303 deren Bindung insbesondere an der Werkzeugkante sowie die Ausgestaltung der Kontaktflächen zum Werkstück von entscheidender Bedeutung.
3.3
Kühlschmierstoffzufuhr
Der Vergleich zweier Zufuhrsysteme, einer inneren KSS-Zufuhr sowie einer äußeren mittels ringförmig angeordneter Vollstrahldüsen zeigt die unterschiedlichen Einflüsse auf den Prozess auf. Zur Einbringung von Bohrungen ist eine innere Zufuhr für eine adäquate Versorgung der Wirkstelle und Abfuhr der Späne zwingend notwendig. Für die Einbringung von Nuten oder Taschen ist hingegen bis zu einer gewissen Tiefe der Einsatz einer äußeren KSS-Versorgung denkbar. Insbesondere für die Bearbeitung und Erzeugung von komplexen dreidimensionalen Konturen in C/C-SiC sind Werkzeuggeometrien erforderlich, bei denen eine Werkzeugkonturkompensation einfach durchgeführt werden kann. Ein Einsatz von sphärischen Werkzeugen zur Bearbeitung von Freiformflächen bedingt bei kostengünstigem, massivem Aufbau den Einsatz einer äußeren Kühlschmierstoffzufuhr. Für den zirkularen Bearbeitungsprozess sind diese beiden Kühlschmierstoff-Versorgungsvarianten gegenübergestellt worden, vgl. Bild 6. Der Einsatz der äußeren Kühlschmierstoffzufuhr ist zur Versorgung der inneren Kontaktfläche, vgl. Bild 4, ungünstiger. Dies schlägt sich in höheren Prozesskräften nieder. Für Werkzeug 3 ist diese Zufuhrform günstiger, weil bei der inneren Zufuhr ein relativ hoher KSS-Volumenanteil über die radialen Bohrungen abgeführt wird und die Wirkstelle nicht erreicht. Ein Einfluss der KSS-Zufuhr auf die Rundheit oder die Durchmesserabweichung der Kreistaschen ist jedoch nicht festzustellen. Wie bisherige Untersuchungen zeigten, sind sowohl die Kühl- als auch die Schmierleistung der Emulsion von nachrangiger Bedeutung. Primäre Aufgabe des KSS bei der Zerspanung faserverstärkter Keramik ist folglich die Gewährleistung einer adäquaten Spanabfuhr, um die entstehenden Prozesskräfte zu reduzieren.
Bild 6: Variation der Kühlschmierstoffzufuhr bei der Zirkularbearbeitung
4
Zusammenfassung und Ausblick
Für die Nuten- wie auch Zirkularbearbeitung von kohlenstofffaserverstärktem Siliziumkarbid ist eine Prozessführung sinnvoll, die durch eine kleine Kontaktfläche und eine geringe Anzahl kinematischer Schneiden geringe Prozesskraftwerte und Werkzeugauslenkungen und damit Formabweichungen am Bauteil verursacht. Zur Prozesskraftreduzierung kann weiterhin eine wirkzonennahe Versorgung mit Emulsion für eine optimale Spülwirkung und Späneabfuhr beitragen. Neben den genannten Aspekten sind ebenfalls die geometrischen Eingriffsbedingungen
304 am Einzelkorn hinsichtlich eines optimalen Fertigungsergebnisses höher zu gewichten als die Wahl weiterer Prozesswerte wie die der Schnittgeschwindigkeit. Werkzeugseitig haben sich hinsichtlich der hoher Formtreue, des großen Spanraumes und höherer Kornhaltekräfte einschichtig galvanisch belegte Werkzeuge mit einer Bindung auf Ni-Basis gegenüber gesinterten Werkzeugen als geeigneter erwiesen.
5 [1] [2]
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305
Matrixharzkonzepte für die Herstellung von C/SiC-Verbundkeramiken Fushun Yang,1 Dieter Kunz1 und Walter Krenkel2 1 2
Neue Materialien Bayreuth GmbH Lehrstuhl Keramische Werkstoffe, Universität Bayreuth
1
Einführung
Verbundkeramiken, wie C/SiC und C/C-SiC, stellen eine neue Werkstoffklasse mit hohem Zukunftspotenzial dar. Neben Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt wurden diese Werkstoffe in den letzten Jahren zunehmend in der Verkehrs- und Antriebstechnik eingesetzt. Bei ihrer Herstellung spielen die Ausgangsmaterialien wie z.B. Kohlenstofffasern, KohlenstoffmatrixPrecursor (Bindemittel) und das Fertigungsverfahren eine entscheidende Rolle. Der Einfluss des Matrixharzes auf den Herstellprozess und die Eigenschaften des Endproduktes hat vergleichbare Bedeutung wie die Faserkomponenten und die Herstellparameter des komplexen Fertigungsverfahrens. Dies ist zunächst verwunderlich, da das Matrixharz im Endprodukt gar nicht mehr als solches nachweisbar ist. Aber gerade die Eigenschaften eines Intermediär-Stoffes mit definiertem Umwandlungsverhalten, für den Übergang von einer CFKStruktur in einen Keramikwerkstoff, stellen besondere Herausforderungen für das Matrixharz dar. Dabei dominieren drei Kernaufgaben: • Bildung einer hinreichend stabilen CFK-Struktur, • Funktion als Reaktionspartner für die Umwandlung zunächst bei der Pyrolyse zu einer CStruktur und dann bei der Silizierung zu einer SiC-Struktur, • Vollständigkeit der Umwandlung ohne kontaminierende Begleitstoffe. Zum Aufbau der Kohlenstoffmatrix in einem Faserverbundwerkstoff werden im Allgemeinen kohlenstoffreiche Harze bzw. pechbasie3rte Rohstoffe verwendet. Systematische und vergleichende Untersuchungen von unterschiedlichen Harzsystemen, bezüglich ihrer Eignung als Matrixprecursor unter identischen Bedingungen, sind bisher sehr wenig durchgeführt worden [1]. Die C-Matrix dient dabei nicht nur der Aufrechterhaltung der Form, sondern ist auch Reaktionspartner bei der Silizierung und hat gleichzeitig die Aufgabe eines kapillaren Transportsystems für das flüssige Silizium. Die Silizierungskinetik zum SiC ist stark abhängig von der Kohlenstoffmatrix. Deren Aufbau ist bestimmend für die notwendige Mikroriss-Struktur der Verbundkeramik. Die Harz-/Pechsysteme und/oder die Modifikationen der C-Precursoren bestimmen zusammen mit der Temperaturführung bei der Pyrolyse die Ausbildung der Mikrorisse und Spannungen in der C-Matrix. In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Anwendungen, bei denen organische Polymere vor allem als Matrixprecursor von faserverstärkten Werkstoffen eingesetzt werden. Wegen ihrer sehr hohen keramischen Ausbeute nach der Pyrolyse werden zumeist Phenol- [2–4], und Furanharze [2, 4] verwendet. Aber auch Cyanatharze kommen aufgrund ihrer hohen Kohlenstoffsausbeute ( 53 %) zur Anwendung [3, 5–7].
306 In diesem Beitrag werden die Eigenschaften der Kohlenstoffmatrix diskutiert, die aus unterschiedlichen Harzsystemen wie z.B. Resolphenolharz hergestellt werden. Dabei werden das Vernetzungsverhalten und die Kohlenstoffausbeute der Harzsysteme, die Mikrostrukturen sowie die Porosität der C-Körper vor dem Hintergrund untersucht, welche Endprodukt-Eigenschaften auf das unmodifizierte Phenolharz zurückzuführen sind und welche durch Additivierung bzw. Modifizierung gesteuert werden können. Erfolgreiche Entwicklungen in der Vergangenheit sind vorwiegend unter Verwendung des Phenolharzes PHL2485 der Firma Bakelite (heute Hexion) durchgeführt worden. Dieses Harz war für glasfaserverstärkte Phenolharze für das Airbus-Programm (Passagierraum) speziell entwickelt worden und weist deshalb eine relativ komplexe Zusammensetzung auf. Für ein grundlegende Material- und Prozessverständnis ist deshalb wichtig zu wissen, welche Modifikationen oder Additive für die Verbundkeramikanwendung überhaupt benötigt werden.
2
Experimenteller Teil
Alle für diese Arbeit verwendeten Harze wurden von der Fa. Hexion (Phenolharz: PHL 2485 und J2027L) als Resolharze zur Verfügung gestellt. Die eingesetzten Kohlenstoffkurzfasern Typ HTA 5131 (3k, Köperbindung) wurden von der Fa. Fabrics For Composites (ECC), und der C-Typ PX 35 (50k, Leinwandbindung) wurde von der Fa. Zoltek geliefert. Die Untersuchung des Pyrolyseverhaltens und die Bestimmung der keramischen Ausbeute der Harze erfolgte mit Hilfe einer Simultan-Thermoanalyse-Apparatur (STA-409, Netzsch Gerätebau). Die Messungen wurden in einem Al2O3-Tiegel mit einer Aufheizrate von 5 K/min bis zu 1600 °C unter strömendem Argon (100 cm3/min) durchgeführt. Das Harz wurde in einer Aluprobenschale bei < 80 °C in 72 h blasenfrei ausgehärtet. Die feste Harzprobe wurde für 2 h bei 150 °C weiter vernetzt, und danach bei 250 °C für 8 h getempert. Zur Herstellung der Reinharz-Proben wurden die Harze in einer Aluprobenschale im Trokkenschrank bei unterschiedlichen, harzspezifischen Temperaturen vernetzt. Die anschließende Pyrolyse erfolgte unter Stickstoff-Atmosphäre in einem Gero-Ofen, mit unterschiedlichen Aufheizraten (0,1 bis zu 2 K/min), bis 1000 °C. Zur Herstellung der CFK-Körper wurde das Harz sowie das Werkzeug, abhängig von der Grundviskosität des Harzes, definiert vorgewärmt (23–50 °C) und in einer Presse mit einem definierten Druck- und Temperaturzyklus (bis zu 15 bar und 160 °C) hergestellt. Der C-FaserAnteil wurde zwischen 50–65 Vol.-% variiert. Die nachfolgende Pyrolyse wurde unter Inertgas (Stickstoff) zwischen 1000 °C und 1600 °C durchgeführt. Die Kohlenstoffmodifikation wurde mittels Raman-Spektroskopie (DILOR-XY-Spektrometer, mit Flüssigstickstoff gekühlter CCD-Kamera) ermittelt. Die Herstellung der C/SiC-Proben erfolgte unter Vakuum nach dem Flüssigsilizierverfahren (LSI). Die Mikrostrukturen der Reinharze, CFK-, C/C- und C/SiC-Körper wurden mittels Rasterelektronmikroskopie (REM, JSM 6400) charakterisiert. Die interlaminare Scherfestigkeit der CFK- bzw. C/C-Körper wurde nach DIN V 658 untersucht.
307
3
Ergebnisse und Diskussion
Für die Herstellung von Kohlenstoff-Produkten und kohlenstofffaserverstärkten Keramiken ist die Kohlenstoffausbeute des eingesetzten Harzes ein wichtiges Auswahlkriterium. Bild 1 zeigt die Unterschiede in der Kohlenstoffausbeute von zwei unterschiedlichen Resolphenolharzen. Das Standard-Resolphenolharz HexionJ2027L (J-Harz genannt; vormals von Borden geliefert) ergibt mit ca. 67 Gew.-% bei 1600 °C eine höhere C-Ausbeute als das Faserverbund-Resolphenolharz HEXION PHL2485 (PH-Harz genannt) mit ca. 55 Gew.-% bei 1600 °C. Beide Harze zeigen eine vierstufige Masseabnahme. Im ersten Bereich, der sich bis ca. 200 °C erstreckt, ist ein Masseverlust von 2–6 % erkennbar. Bei dieser Stufe weist das J-Harz einen höheren Masseverlust (ca. 6 %) als das PH-Harz (ca. 2 %) auf, da das J-Harz ein geringeres Netzwerk als das PH-Harz, bei gleichen Aushärtungsbedingungen, bildet. In der zweiten Stufe von 190 bis 380 °C ist wegen der weiteren Vernetzung der Harze eine geringfügigere Masseabnahme von ca. 4 % erkennbar. Die dritte Stufe von 380 bis 600 °C ist mit ca. 25 % (JHarz) bzw. 36 % (PH-Harz) Masseverlust mit der Abspaltung von Methan, Ethan, Wasserstoff, Kohlenstoffmonoxid, Kohlenstoffdioxid, usw., verbunden. In der vierten Stufe, oberhalb von 600 °C, ist eine sehr langsame und stetige Masseabnahme erkennbar. In diesem Bereich, bis 1500 °C, verliert die Probe noch einmal ca. 6 % an Masse.
Bild 1: Kohlenstoffausbeute der unterschiedlichen Harze
Zur Umwandlung der C-Matrix zu SiC mit dem LSI-Verfahren spielt jedoch die Ausbildung der Mikrostruktur nach der Pyrolyse des Harzes die wichtigste Rolle. Für die Untersuchung der Mikrostruktur der C-Matrix wurden die ausgehärteten Reinharzproben unter Schutzgas zunächst bis 1000 °C pyrolysiert. Die REM-Aufnahmen der Querschnittsoberfläche der C-Matrix (Bild 2) zeigen unterschiedliche Mikrogefüge der J- und PH-Harze. Die C-Matrix des J-Harzes weist eine porenfreie Struktur auf, während die C-Matrix des PH-Harzes ein poröses Gefüge zeigt.
308 Während der Herstellung der C/C-Materialien wird das Phenolharz durch Pyrolyse zu amorphem Kohlenstoff umgewandelt. In amorphem Kohlenstoff (a-C) sind die Atome ohne lange Reichweite vernetzt. Durch die Temperaturführung kann die Umwandlung in einem relativ weiten Bereich mit unterschiedlichen sp²:sp³-Hybridisierungs-Verhältnissen erfolgen. Für die Silizierungsreaktion ist der Anteil von sp2–C-Atomen bzw. sp3-Atomen des Kohlenstoffs wichtig, da sp3-Kohlenstoff (Hauptanteil des amorphen Kohlenstoffs) in der Regel relativ schnell mit Silizium abreagiert.
Bild 2: Mikrostruktur der C-Matrix aus unterschiedlichen Harzen (links: J-Harz; rechts: PH-Harz)
Bild 3: Raman-Spektroskopie der C-Matrix aus J-Harz und PH-Harz (links: 1000 °C; rechts: 1600 °C)
Die Raman-Spektroskopie ist eine effektive Methode, um die molekularen Informationen des Kohlenstoffs zu erhalten. Folgend der herkömmlichen Rotation [8], wurden der Peak D für den A1g Mode der ungeordneten Kohlenstoffatome und der Peak G für den E2g Mode der Strekkung von „in-plane“ C-C Atomen entsprechend als infinite Graphitkristalle bezeichnet. Die G’ und D" sind eigentlich die Hochwellen und Kombinationsbande als relativ hohe intensive Peaks in dem Bereich von „second-order“. Bild 3 zeigt die Raman-Spetroskopie der C-Matrix aus JHarz und PH-Harz nach der Pyrolyse bis 1000 °C (links) bzw. bis 1600 °C (rechts). Die C-Matrix bis 1000 °C aus beiden Harzsystemen zeigt die D-Peaks und G-Peaks bei 1325 cm–1 und
309 1584 cm–1 (aus J-Harz), jeweils bei 1312 cm–1 und 1582 cm–1 (aus PH-Harz) in einem breiten Peaktyp. Im „second-order“-Bereich (G' und D") weisen die beiden C-Martrices sehr breite Peaks auf. Der breite Peaktyp im D-, G-Bereich und im „second-order“-Bereich das typische Verhalten der Polyphenol-C- oder der Paraphenylen-C Atome [9]. Die Raman-Spektroskopie der C-Proben bis 1600 °C zeigt relativ scharfe Peaks, das bedeutet einen höheren Graphitanteil im Vergleich mit der C-matrix bis 1000 °C. Die D- und G-Peaks der C-Matrix aus J-Harz liegen bei ca. 1317 cm–1 und 1590 cm–1, zusätzlich sind die G' und D" bei ca. 2624 cm–1 und 2855 cm–1 erkennbar. Ähnliches weisen die D-, G-, G-’ und D"-Peaks der C-Matrix aus PH-Harz bei 1600 °C bei jeweils 1314 cm–1, 1587 cm–1, 2637 cm–1 sowie 2864 cm–1 (Tabelle 1) auf. Tabelle 1: Daten der Raman-Spektroskopie von C-Matrix bei unterschiedlichen Temperaturen. Harzsystem
Pyrolysetemp. Raman Shift (cm–1) ID/IG (°C) (Peakfläche) D G
J
1000
1325
1584
2,39
1600
1317
1590
1,75
1000
1312
1582
2,04
1600
1314
1587
1,77
PH
Tabelle1 zeigt auch die unterschiedlichen Raman-Intensitätsverhältnisse (ID/IG) je nach Harzsystemen und Pyrolysetemperaturen, welche eine wichtige Aussage für die C-Morphologie bedeuten [10]. Das J-Harz nach der Pyrolyse bis 1000 °C weist einen höheren ID/IG-Wert (von 2,39) als das PH-Harz (ID/IG = 2,04) auf. Sonst sind die beiden C-Matrices mit einem niedrigen ID/IG-Wert von ca. 1,76 vergleichbar. Die beiden C-Matrices entsprechen einem höheren amorphen Kohlenstoff bei 1000 °C als bei 1600 °C und enthalten den gleichen Anteil amorphen Kohlenstoffs (ID/IG = 1,75 und 1,77). Im Temperaturbereich von 1000 °C bis zu 1600 °C wandelt sich die C-Matrix aus J-Harz relativ schnell zu hohem graphitanteiligen Kohlenstoff um. Zur Prüfung des Interfaceverhaltens zwischen den vernetzten Harzsystemen und der C-Faseroberfläche wurden die CFK-Platten mit einer Dimension von 300 × 300 × 3 mm3 in einer Presse hergestellt. Die HTA Fasergewebe (2 × 2 Köperbindung, 245 g/m2) mit ca. 1 Gew.-% Epoxidharz-Schlichte wurde für die Untersuchung der interlaminaren Scherfestigkeit verwendet. Die Lichtmikroskopie (Bild 4) zeigt, dass die Faserbündel homogen infiltriert worden sind. Die Delamination zwischen C-Fasergewebelage und vernetztem Harz ist nicht erkennbar, aber es sind Segmentierungsrisse mit einer Breite von ca. 3 μm deutlich sichtbar, die aufgrund der unterschiedlichen Wärmedehnungen von C-Fasern und Kunstharzmatrix entstehen. Zur Charakterisierung der Interface-Wechselwirkung zwischen Faser und Harz wurde die ILS-Bestimmungsmethode (interlaminare Scherfestigkeit nach DIN V 658; C-Faservolumenanteil jeweils 58 %) angewandt. Das relativ einfache J-Harz weist im CFK-Zustand mit ca. 40 MPa eine signifikant höhere interlaminare Scherfestigkeit auf als das Laminat-Harz PHL2485 mit ca. 23 MPa. Damit wird jedoch nicht die Aussage verknüpft, dass das J-Harz sich grundsätzlich besser für C-Faserverbundkeramiken eignet als das PH-Harz. Aufgrund dieser Ergebnisse kann man jedoch davon ausgehen, dass das J-Harz ein aussichtsreiches AnpassungsPotenzial hat. Rezeptur und Verarbeitungsverfahren lassen sich geeignet modifizieren, ohne die CFK-Verbundeigenschaften zu gefährden.
310
Bild 4: Lichtmikroskopie der CFK-Proben aus HTA-C-Fasergewebe und Resolphenolharz (links: aus J-Harz; rechts: aus PH-Harz).
Bild 5: Interlaminare Scherfestigkeit der CFK-Proben aus J- (links) und PH-Harzen (rechts).
4
Zusammenfassung
Es konnte gezeigt werden, dass sich auch ein Standard-Resolphenolharz (J 2027L) prinzipiell für den komplexen Prozess der Herstellung von C-Faserverbundkunststoffe eignet, wobei in den hier vorgestellten Arbeiten der Schwerpunkt auf die Prozessstufen CFK-Verbundkörper und C/C-Struktur gelegt worden ist. Die Untersuchungsergebnisse der Silizier-Prozess-Stufe (nach dem LSI-Verfahren) werden in einem anderen Bericht veröffentlicht.
5
Danksagung
Die Autoren bedanken sich für die Finanzierung des Projektes bei der Bayerischen Forschungsstiftung (BFS) und der Oberfrankenstiftung (OFS).
311
6 [1]
Literatur
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312
nanoCT: Dreidimensionelle Mikrostrukturanalyse von Verbundwerkstoffen mit Submikrometer-Auflösung Stefan Becker1, Oliver Brunke1, Judith Starzmann2 1 2
1
GE Sensing & Inspection Technologies GmbH (phoenix|x-ray), Wunstorf GE Sensing & Inspection Technologies GmbH (phoenix|x-ray), Stuttgart
Einführung
Wer dank eines hochauflösenden Röntgen-Computertomographen die räumliche Mikrostruktur eines Werkstoffes kennt, kann nicht nur Rückschlüsse auf seinen Zustand, sondern auch auf seine zu erwartenden Eigenschaften ziehen. Durch die Möglichkeit, eine Probe mit Submikrometer-Auflösung komplett dreidimensional zu erfassen und sich sekundenschnell durch ihr Inneres zu bewegen, eröffnen sich bislang unerreichte Analyse- und Erkenntnismöglichkeiten für Forschung und Qualitätsüberwachung. Im Gegensatz zur zweidimensionalen zerstörungsfreien Röntgenmikroskopie schien Computertomographie (CT) lange Zeit nur etwas für Forschungseinrichtungen zu sein. Dabei eröffnen immer präzisere CT-Systeme mit immer besserer Software und immer leistungsfähigeren Rekonstruktionsrechnern eine Vielzahl von neuen und zeitsparenden Analysemöglichkeiten in der Werkstoffprüfung, die mit herkömmlichen 2D Röntgensystemen undenkbar sind. Seit kurzem stehen erschwingliche hochauflösende CT-Systeme zur Verfügung, bei denen die für die CT erforderliche Röntgenstrahlung mittels einer nanofocus™-Röntgenröhre erzeugt wird. Sie erlauben hochauflösende 3D-Analysen von Materialien mit Submikrometer-Auflösungen und damit Einblicke in innere Strukturen, die so nie zuvor möglich waren [1]. Die Qualität der mit nanoCT® erzielbaren Ergebnisse [2] wird vielfach noch unterschätzt. Dabei brauchen diese Systeme in vielen Anwendungsbereichen selbst den Vergleich mit den an einem SynchrotronSpeicherring erzielbaren CT-Ergebnissen nicht zu scheuen. Sie ersetzen damit zunehmend zeitaufwändige Schnitte für mikroskopische Untersuchungen, bei denen die Probe unwiederbringlich zerstört wird. Die dieser Untersuchung zugrunde liegenden CT-Ergebnisse wurden mit dem phoenix|x-ray nanotom® [Abb. 1] von GE Sensing & Inspection Technologies, Wunstorf, gewonnen. Mit diesem Labor-CT-System können Objekte bis zu 1 kg Gewicht mit bislang unerreichten Voxelauflösungen von <500 Nanometern (0,5 Pm) untersucht werden. Es ist das weltweit erste 180 kV nanofocus™ CT-System, dessen gesamter Aufbau vollständig auf die speziellen Bedürfnisse der höchstauflösenden Computertomographie in den Material- und verwandten Wissenschaften zugeschnitten ist. Damit ist es besonders für nanoCT®-Untersuchungen von Kunststoffen, Faser- und Schichtverbundmaterialien, Metallschäumen, etc. geeignet. Das 3D-Volumenbild kann einfach per Mausklick am Bildschirm visualisiert und analysiert werden. Dies macht exakte Aussagen über die räumliche Verteilung unterschiedlicher Stoffe, die Materialdichte oder die Lage von Fasern, Poren, Kleberschichten und Rissen mit höchster Vergrößerung und bester Bildqualität möglich, ohne das Untersuchungsobjekt zu zerstören.
313
2
Operationsprinzip hochauflösender Computertomographie
Das für die vorliegende Untersuchung eingesetzte phoenix|x-ray nanotom® wird mittlerweile in dutzenden wissenschaftlichen Instituten und industriellen Forschungslaboren für 3D-Mikrostrukturanalysen eingesetzt. Das hochpräzise und hochauflösende kompakte Gerät ist speziell für Laborapplikationen konstruiert und erlaubt das Scannen von Proben bis 120 mm Durchmesser. Computertomographie mit so außergewöhnlich hohen räumlichen Auflösungen erfordert eine spezielle Konstruktion, die jegliche Faktoren, welche die Auflösung negativ beeinflussen könnten, minimiert. Diese besonderen Bedürfnisse erfordern spezielle Manipulationssysteme, Detektoren und Röntgenröhren. So nutzt das nanotom® eine einzigartige 180 kV high power nanofocus™ Röntgenröhre, die auch stärker absorbierende Kupfer- oder Stahlverbindungen durchstrahlen kann. Um jegliche negative Einflüsse durch Vibrationen oder thermische Ausdehnung zu minimieren, sind Röhre, Detektor und Probenaufnahme auf Granit gelagert und letztere zusätzlich zur Vibrationsdämmung luftgepolstert. Zudem werden spezielle Materialien und Konstruktionsdetails verwendet, um die Langzeitstabilität des Brennfleck-Detektor-Abstandes während des gesamten Scans zu gewährleisten. Das nanotom® funktioniert nach dem Prinzip der 3D Kegelstrahl-Tomographie [3]: Hierzu wird die Probe ohne größeren Präparationsaufwand einfach zwischen Röntgenquelle und Detektor fixiert und zur Aufnahme der für die Rekonstruktion des 3D-Volumens erforderlichen 2D-Projektionen in mehreren hundert kleinen Schritten einmal um die eigene Achse gedreht. Das Probenhandling und die Vorbereitung eines Scans sind schnell und einfach: Die Probe wird einfach auf dem Präzisions-Rotationstisch fixiert und mittels der granitbasierten Manipulation in eine Position gefahren, bei welcher der gewünschte Bildausschnitt und die gewünschte Vergrößerung erreicht sind. Der digitale 5 Megapixel Flächendetektor mit einem Sichtfenster von 120×120 mm (2300×2300 Pixel) und 50 μm Pixelgrößepixel kann in drei verschiedene Positionen verschoben werden, so dass sich eine virtuelle Detektorbreite von bis zu 360 mm ergibt. Dies erlaubt eine große Vielfalt experimenteller Möglichkeiten.
Abb. 1: Kompaktes Labor-CT-System: das phoenix|x-ray nanotom®.
314 Die high-power nanofocus™ Röntgenröhre mit ihrer maximalen Beschleunigungsspannung von 180 kV und einer maximalen Röhrenleistung von 15 W emittiert an ihrem Wolfram- oder Molybdän-Target einen kegelförmigen Röntgenstrahl, der die Probe durchdringt und ihren von der jeweiligen Absorption abhängigen “Schatten” auf einen volldigitalen Multi-Megapixel-Detektor projiziert. Dabei hängt die erreichbare Auflösung von der Größe des zu untersuchenden Objektes ab: je kleiner die Probe, desto näher kann sie an die Röntgenquelle herangefahren werden und desto höher ist die Auflösung. Die Bildschärfe wird prinzipiell durch die Größe des Brennflecks der Röntgenröhre bestimmt: je kleiner der Brennfleck, desto schärfer die Abbildung auf dem Detektor [Abb. 2]. Dank des unter einem Mikrometer großen Brennflecks der high-power nanofocus™ Röntgenröhre kann das nanotom® selbst noch Details auflösen, die lediglich 200 Nanometer groß sind. Damit können bei kleinen schwach absorbierenden Proben maximale 3D-Voxelauflösungen von 500 Nanometern und darunter erzielt werden. Um stärker absorbierende metallhaltige Proben zu durchstrahlen, kann die 180kV Röntgenröhre jenseits des nanofocus™-Modes mit stärkerer Leistung und einem Brennfleck von wenigen Mikrometern betrieben werden. Dank dieses breiten Spektrums eignet sie sich damit für eine Vielzahl von materialwissenschaftlichen Einsatzfeldern.
Abb. 2a+b: Microfocus CT versus nanoCT®: Tomographischer Schnitt durch einen getrockneten Farnstängel, links gescannt mit einem nanofocus™ Brennfleck (| 800 nm), rechts mit einem Mikrofocus Brennfleck von | 6 μm. Die erzielte Bildauflösung liegt im linken Bild bei | 500 nm, im rechten – deutlich unscharfen – Bild dagegen bei nur | 4 μm.
Neben diesen wesentlichen Hardwarekomponenten stammt auch die CT-Software datos|x von phoenix|x-ray. Mit ihrer Hilfe können nicht nur die Parameter für die CT-Aufnahme und Rekonstruktion einfach eingestellt werden, sondern sie enthält auch Funktionen, die das Einrichten eines Scans besonders erleichtern. So kann beispielsweise die aufwändige und ungenaue Geometriekalibrierung mittels eines vor dem Scan in den Tomographen einzuspannenden Kalibrierobjektes entfallen: die sehr genaue numerische Bestimmung des Rotationszentrums erfolgt über ein Softwaremodul innerhalb weniger Sekunden. Ein weiteres Modul macht das einfache Einrichten von CT-Scans mit <360°-Rotation (ROI-Scan), aber höchstmöglicher Vergrößerung möglich. Weitere Module erlauben es beispielsweise, prinzipbedingte Strahlaufhärtungseffekte und Ringartefakte vollautomatisch oder manuell zu reduzieren oder selbst
315 minimale Drifteffekte automatisch auszugleichen – was gerade bei höchstauflösenden Scans von erheblicher Bedeutung für die Qualität der resultierenden Datensätze sein kann. Die CT startet mit der Aufnahme hunderter 2D-Durchstrahlungsbilder aus Winkeln < 0 Grad pro Schritt während der 360-Grad Umdrehung. Diese Projektionen enthalten Informationen über die Position und Dichte aller Röntgenstrahlung absorbierender Strukturen innerhalb der Probe. Die aufgenommenen Projektionen werden für die numerische Rekonstruktion des 3DVolumens genutzt. Hierbei kommt ein optimierter gefilterter Rückprojektionsalgorithmus zur Anwendung [4]. Die Rekonstruktionszeit hängt einerseits vom Umfang der Volumendaten ab, andererseits von der eingesetzten Rekonstruktions-Hard- und Software. Die Dauer bis zum Vorliegen der CT-Ergebnisse konnte in den letzten Jahren erheblich beschleunigt werden. Da eine Rekonstruktion parallel zur Aufnahme der Projektionen möglich ist, liegt bei kleineren Volumen das Rekonstruktionsergebnis unmittelbar nach Ende des Rekonstruktionsprozesses vor. Für die Optimierung der CT-Ergebnisse beinhaltet die phoenix|x-ray Rekonstruktionssoftware spezielle Module, die es beispielsweise erlauben, prinzipbedingte Strahlaufhärtungseffekte und Ringartefakte zu reduzieren oder selbst minimale Drifteffekte automatisch auszugleichen – was gerade bei höchstauflösenden Scans von erheblicher Bedeutung für die Qualität der resultierenden Datensätze sein kann. Die gewonnenen Volumendaten werden in tomographischen Schnitten in x-, y- und z-Richtung dargestellt oder in einem 3D-Bild, dessen Darstellung auf verschiedenste Weise etwa durch stoffliche oder farbliche Segmentierung oder das Anwenden spezieller Filter optimiert werden kann. Möglich sind halbtransparente Darstellungen zur Analyse der im Objekt vorhandenen Poren oder virtuelle Schnitte in beliebige Richtungen einfach per Mausklick. Dies ist einer der Gründe, warum diese Technik mechanische Schliffe zunehmend ersetzt.
3
Vergleich Labor-CT contra Synchrotron-CT
Die Leistungsfähigkeit moderner Labor-CT-Systeme zeigt ein direkter Vergleich mit Synchrotron-CT-Messungen [Abb. 3 + 4]. Auf Synchrotron-Strahlung basierte CT ist heute insbesondere in der öffentlichen Forschung ein Standard-Experiment. Die Hauptvorteile derartiger Versuchsaufbauten liegen vor allem in der hoch kollimierten und nahezu parallelen monochromatischen Strahlung und der um Größenordnungen höheren Photonenflussdichte. Dagegen sind Labor-CT-Systeme vergleichsweise leicht zugänglich, kosteneffizient, anwenderfreundlich und haben große Scanbereiche und dadurch eine vergleichsweise hohe Scangeschwindigkeit. Für die Vergleichsuntersuchungen wurden die Proben so gewählt, dass ein möglichst breites Spektrum verschieden absorbierender Materialien mit unterschiedlichsten Photonen-Energien untersucht werden konnte. So war es möglich, einen sowohl quantitativen als auch qualitativen Vergleich von CT-Scans biologisch-medizinischer Proben mit vergleichsweise schwachen Absorptionsverhalten genauso wie materialwissenschaftlicher Proben mit hohem Absorptionskontrast zu ziehen und die Vor- und Nachteile der jeweiligen CT-Methode gegeneinander abzuwägen.[5] Durchgeführt wurden die Röntgenröhren basierten CT Messungen an einem oben beschriebenen nanotom®, die Synchrotron-Messungen mit dem vom GKSS Forschungszentrum Geesthacht betriebenen Micro-CT (SRμCT) Aufbau an der Beamline W2 am HASYLAB/DESY in Hamburg.
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Abb. 3: Schnitte durch die CT Datensätze (links nanotom®, rechts Synchrotron) einer Cu/Al2O3-Probe. In beiden Scans können Zwischenräume von lediglich 3–4 μm sowie die äußere, mit CuCl2 infiltrierte Ringzone identifiziert werden (Weiße Pfeile). Während die räumliche Auflösung in beiden Scans sehr ähnlich ist, kann die Grenzfläche aufgrund der überlegenen Kontrastauflösung des mit monochromatischer Strahlung durchgeführten Synchrotron-Scans besser identifiziert werden. Bezüglich des Signal-Rauschverhältnisses und der nicht erkennbaren Ringartefakte zeigen beide CT-Ergebnisse eine vergleichbare Qualität.
Abb. 4: Der direkte Vergleich nanotom® (links) versus Synchrotron-CT (rechts) am Beispiel hoch absorbierender gesinterter Ti6Al7Nb-Partikel (Breite Bildausschnitt ca. 1,2 mm) zeigt klar die höhere Ortsauflösung des nanotoms®. Auch bezüglich des Signal-Rausch-Verhältnisses und der Ringartefakte zeigt das Laborsystem leichte Vorteile, wohingegen die Synchrotron-CT durch weniger Strahlaufhärtungen glänzt. Erwähnenswert ist auch der um das 4 bis 10fache höhere Probendurchsatz (Probenvolumen pro Zeit) das nanotoms® aufgrund seiner im Vergleich zum parallelen Strahlengang größeren Scanfläche.
Die Vergleichsergebnisse zeigen, dass hochauflösende Labor-CT-Systeme in vielen Anwendungsbereichen nicht nur in Bezug auf die Qualität der Ergebnisse, sondern gerade auch bezüglich Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit eine hervorragende Alternative zur Synchrotronbasierten CT darstellen können.
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Hochauflösende CT-Untersuchungen von Verbundmaterialien
Jeder Unterschied innerhalb des Untersuchungsobjektes bezüglich Materialzusammensetzung, Dichte oder Porosität, der sich auf die Absorption der Röntgenstrahlung auswirkt, kann mittels hochauflösender Computertomographie im 3D-Volumenbild visualisiert und einfach per Mausklick am Bildschirm analysiert werden. Dies macht exakte Aussagen über die räumliche Verteilung unterschiedlicher Stoffe, die Materialdichte oder die Lage von Fasern mit höchster
317 Vergrößerung und bester Bildqualität möglich, ohne das Untersuchungsobjekt zu zerstören. Auch im Gefüge auftretende Defekte wie Risse oder Poren oder Lunker können nicht nur visualisiert, sondern auch bezüglich Größe oder Volumen vermessen werden. Die mit dem nanotom® erzielbaren CT-Ergebnisse erlauben die Analyse der räumlichen Mikrostruktur von Materialien mit Submikrometer-Auflösung. Die folgenden Abbildungen zeigen lediglich einige der möglichen nanotom®-Anwendungen für hochauflösende Untersuchungen von Verbundwerkstoffen. So können unterschiedliche Materialien anhand ihres unterschiedlichen Grauwertekontrastes segmentiert und so beispielsweise die Verteilung einer bestimmten Komponente in Verbundwerkstoffen analysiert werden [Abb. 5]. Auf diese Weise kann auch das normalerweise unsichtbare oder nur an der Stelle eines mechanischen Schliffes angeschnittene Porennetzwerk visualisiert und hinsichtlich Porenvolumen, -größe und -netzwerken untersucht werden. Abb. 6 zeigt sowohl eine 3D-Darstellung als auch einen virtuellen 2D-Schnitt zur Analyse der Qualität einer Induktionsschweißung. Um optimale CT-Ergebnisse zu erzielen, kann das Wolfram-Target der offenen nanofocus™-Röntgenröhre sehr einfach beispielsweise gegen ein Molybdän-Target ausgetauscht werden. So sind selbst noch Kohlefasern von |5 μm Durchmesser in einer Polymermatrix klar nachweisbar [Abb.7], obwohl die ähnliche Röntgenabsorption beider Materialien einen nur geringen Kontrast ermöglicht.
Abb. 5: nanoCT® eines Glasfaser-Verbundkunststoffes. Um die Lage der ca. 10 Mikrometer dicken Fasern zu untersuchen, wurde der Kunststoff ausgeblendet. Klar erkennbar sind auch die mineralischen Füllpartikel.
Abb. 6 a+b: nanoCT® einer Induktionsschweißverbindung ( a) 3D-Darstellung mit 1 mm Kantenlänge und b) CT-Querschnitt) zwischen einer Aluminiumplatte (unten) und Kohlefasern in einer Polyamid-66-Matrix. Klar erkennbar ist die Orientierung der ca. 7 Mikrometer dicken Fasern mit Delamination innerhalb der Faserbündel (1). Lufteinschlüsse (2) in der Schweißzone deuten auf nicht optimale Produktionsparameter hin. Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Verbundwerkstoffe, Kaiserslautern.
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Abb. 7: Kohlefasern und Poren in Polymer-Matrix. Klar erkennbar ist die Textur der | 5 μm dicken Fasern. Für nanoCT® Messungen derartig schwach absorbierender kontrastarmer Proben kann die high power nanofocus™ Röntgenröhre des nanotoms® binnen weniger als 30 Minuten mit einem Molybdän-Target umgerüstet werden. Mit freundlicher Genehmigung des DLR, Stuttgart.
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Ausblick
Die Entwicklung hochauflösender nanoCT® zeigt, dass diese Technik das Spektrum erkennbarer Mikrostrukturen deutlich erweitert und für vielerlei Anwendungen eine wirtschaftliche und leicht verfügbare Alternative zu Synchrotron-Anwendungen darstellt. Das nanotom eröffnet damit ganz neue Möglichkeiten in der 3D-Mikrostrukturanalyse und wird dazu beitragen, viele zerstörende Prüfmethoden zu ersetzen und dabei zugleich Zeit und Kosten zu sparen.
6 [1] [2] [3] [4] [5]
Literatur Bonse, U. (Hrsg.): SPIE Conference Proceedings: Developments in X-Ray Tomography IV, SPIE Press 2004. Withers, P., “X-ray nanotomography”, Materials Today, 10(12), 26–34, 2007. Kak, A.C.; M. Slaney: Principles of Computerized Tomographic Imaging, IEEE Press, 1999. Feldkamp, L.A.; L. Davis; J.W. Kress: Practical Cone Beam Algorithm. Journal of the Optical Society of America, 1984, 1, 612–619. Oliver Brunke, Kathleen Brockdorf, Susanne Drews, Bert Müller, Tilman Donath, Julia Herzen and Felix Beckmann: Comparison between x-ray tube-based and synchrotron radiation-based CT. Developments in X-Ray Tomography VI, edited by Stuart R. Stock, Proceedings of SPIE Vol. 7078, 2008.
319
Anfangsfixierung von Klebungen im Faserverbundbereich M. Frauenhofer, S. Böhm, K. Dilger TU-Braunschweig
1
Einführung
Die stark steigenden Stückzahlen im zivilen Luftfahrtbereich erfordern in der Flugzeugproduktion neue innovative Prozesse, die eine deutliche Reduzierung der Fertigungszeiten ermöglichen. Zusätzlich ist es notwendig, aufgrund der stark steigenden Kraftstoffpreise und den steigenden Umweltanforderungen das Gewicht der Strukturen deutlich zu senken. Im Flugzeugbau lässt sich durch die konsequente Anwendung der Klebtechnik gegenüber dem Nieten etwa 10–15% des Strukturgewichtes einsparen. Der gleiche Faktor lässt sich erreichen, wenn carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) konsequent und umfassend eingesetzt werden [Bro2005]. Aufgrund der flächigen Krafteinleitung ist die Fügetechnologie „Kleben“ die Technologie der Wahl, um Faserverbundstrukturen miteinander stoffschlüssig zu verbinden. Eines der Hauptprobleme im Bereich von strukturellen Klebungen ist allerdings die geringe Anfangsfestigkeit. Daher wurden am Institut für Füge- und Schweißtechnik der TU-Braunschweig (ifs) verschiedene Möglichkeiten zur Anfangsfixierung von faserverstärkten Kunststoffen, insbesondere von CFK, entwickelt und bezüglich ihrer Eigenschaften charakterisiert.
2
Stand der Technik
2.1
Anfangsfixierungen von Klebungen
Im Stand der Technik sind verschiedene Methoden zur Fixierung von Klebungen beschrieben. Nachfolgend sind die Anforderungen dargestellt, welche an ein entsprechendes Fixiersystem gestellt werden [AiF14430]: • Einfache und in die Prozesskette einer Fertigung (Serie + Handwerksfertigung) integrierbare Lösungen • Fähigkeit, bereits innerhalb eines kurzen Zeitraumes Kräfte zu übertragen, um eine Handhabungsfestigkeit zu gewährleisten • Angepasste Verbindungssteifigkeit, um Relativbewegungen der Bauteile während des Aushärteprozesses des Klebstoffs zu vermeiden • Für Sichtbauteile abzeichnungsfreie Anbindung • Für nicht Sichtbauteile Anbindung ohne Schädigung der Oberfläche • Keine Beeinflussung der Bauteileigenschaften durch Anfangsfixierung Im Automobilbau werden zum Fixieren der strukturellen Klebungen vor allem punktuelle Fügeverbindungen wie Punktschweißen, Clinchen oder Schrauben eingesetzt. Durch den Einsatz dieser punktuellen Verbindungselemente ergibt sich für die Fertigung der Vorteil einer reduzierten Fertigungszeit, da durch die Verbindungsarten eine Fügeteilfixierung erfolgt, die ein
320 von den sonst üblichen Fixierungsvorrichtungen unabhängiges Abbinden des Klebstoffes ermöglicht [Hab2006].
2.2
Strukturelle Klebungen im Luffahrtbereich
Für die strukturellen Klebungen von Aluminiumteilen sind Klebungen mit einkomponentigen Epoxidharzklebstoffen die vor allem als Folie appliziert werden Stand der Technik [Bro05]. Aktuell werden auch im Luftfahrtbereich der Einsatz zweikomponentiger Systeme für Strukturklebungen forciert, um Klebungen auch unabhängig vom Autoklaven realisieren zu können. Der Einsatz der 2K-Technologie wird dadurch konterkariert, dass infolge langer Aushärtezeiten aufwändige Spannvorrichtungen notwendig sind. So muss die Position der Fügeteile so lange fixiert werden, bis der Klebstoff eine ausreichende Anfangsfestigkeit aufgebaut hat [Bro05]. Dies kann u. U. eine sehr lange Zeit (mehrere Stunden) in Anspruch nehmen. Während dessen sind die Fügevorrichtungen für weitere Fertigungsprozesse blockiert, so dass sich hier die Notwendigkeit einer schnellen Anfangsfestigkeit (innerhalb weniger Minuten) abzeichnet. Dabei können durch Kleben gefügte Bauteile nach einer kurzen Zeit ihrer Weiterverarbeitung zugeführt werden und die Zeit der vollständigen Aushärtung des Klebstoffs effizient genutzt werden.
2.3
Anfangsfixierungen bei Klebungen von CFK-Teilen
Aufgrund der Eigenschaften von faserverstäkten Kunststoffen sind andere Konzepte zur Anfangsfixierung von Klebungen als bei Metallen notwendig. Insbesondere bei punktuellen Fügeelementen, wie dem Nieten oder Bolzen, können die hervorragenden Werkstoffkennwerte nicht vollständig ausgenutzt werden, so dass die Strukturen zusätzlich aufgedickt werden müssen und somit der Gewichtsvorteil der Faserverbundkunststoffe gegenüber klassischen metallischen Konstruktionsmaterialien verringert wird. Neben den klassischen Konzepten zum Erreichen der notwendigen Handlingsfestigkeit, wie dem Schrauben oder Nieten, ist es auch möglich, durch einen Hilfsklebstoff (Schmelz- oder Haftklebstoff), der eine kurze Abbindezeit aufweist, oder durch das induktive Schnellaushärten des Strukturklebstoffs [Fra2008] die notwendige Anfangsfestigkeit aufzubauen. Diese Konzepte wurden am ifs näher untersucht und sollen in dem vorliegenden Artikel hinsichtlich ihrer Eigenschaften diskutiert werden.
3
Experimentelles
Im Rahmen des Projektes werden eine Reihe von unterschiedlichen Klebstoffen untersucht. Im Rahmen der Veröffentlichungen werden zwei unterschiedliche Haftklebstoffe, zwei Schmelzklebstoffe und ein Reaktionsklebstoffe bezüglich ihrer Eignung zum Anfangsfixieren struktureller Klebungen betrachtet. Es werden sowohl die mechanischen als auch die rheologischen Eigenschaften dieser Klebstoffe bezüglich ihres Potentials zur Fixierung von Klebungen analysiert. Die rheologischen Eigenschaften werden an einem Malvern Gemini Rheometer (Platte/ Platte 25 mm System) bei einer verwendeten Heiz- bzw. Kühlrate von 3 K/min untersucht. Die Zugschereigenschaften werden nach DIN EN 1465 ermittelt. Bei den verwendeten Substraten
321 handelte es sich um CFK oder Stahlfügeteile. Die Fügeteile werden alle mit Isopropanol und Methylethylketon entfettet. Die Prüfgeschwindigkeit für die Zugscherprüfkörper beträgt 5 mm/ min. Zum Schnellaushärten der Klebstoffe wird im Falle von Stahlsubstraten die Induktionsanlage EW-2 der IFF-GmbH verwendet.
4
Ergebnisse
4.1
Konzepte zur Anfangsfixierungen von Klebungen
Im Folgenden werden einige Konzepte, die ein Erreichen einer Handlingsfestigkeit ermöglichen, dargestellt und die jeweiligen Vor- und Nachteile des Verfahrens aufgelistet. Tabelle 1: Vor- und Nachteile verschiedener Anfangsfixierungskonzepte
Aus der Tabelle geht hervor, dass jedes Verfahren individuelle Nachteile aufweist. So zeigen Haftklebstoffe eine relativ große Kriechneigung, im Bereich der Schmelzklebstoffe muss insbesondere bei einer manuellen Fertigung auf die kurzen offenen Zeiten des Schmelzklebstoffes Rücksicht genommen werden und beim Einsatz der induktiven Schnellhärtung von Strukturklebstoffen gilt es zu beachten, dass nicht alle Strukturklebstoffe schnellgehärtet werden können. Einige ausgewählte Ergebnisse bezüglich dieser Punkte werden im Folgenden dargestellt.
4.2
Anfangsfixierungen mittels Haftklebstoff
In Tabelle 1 ist als einer der wesentlichen Nachteile des Konzeptes der Anfangsfixierung mittels Haftklebstoff die Kriechneigung der Haftklebstoffe aufgeführt. Aufgrund des dauerplastischen Verhaltens und der niedrigen Vernetzungsdichte kriechen Haftklebstoffe unter Belastung
322 relativ stark. Da gewährleistet sein muss, dass die relative Position der beiden Fügeteile zueinander bis zum Erreichen einer ausreichenden Anfangsfestigkeit gegeben ist, muss dafür Sorge getragen werden, dass der eingesetzte Haftklebstoff eine ausreichende Kriechfestigkeit besitzt. Verschiedene Klebstoffe wurden dementsprechend am Rheometer bezüglich ihrer Eigenschaften unter konstanter Last analysiert, um so die Kriecheigenschaften der Haftklebstoffe quantifizieren zu können. In Abbildung 1 ist das Verhalten zweier ausgewählter Produkte dargestellt. Die Abbildung zeigt deutlich, dass sowohl die maximale Deformation als auch die Rückdeformation Je für den PSA 2 größer ist als für den PSA 1. Der Haftklebstoff PSA 2 zeigt dementsprechend eine stärkere Kriechneigung als der Haftklebstoff PSA 1 auf und ist somit weniger für eine Anfangsfixierung geeignet.
Abbildung 1: Kriechverhalten zweier Haftklebstoffbänder
4.3
Anfangsfixierungen mittels Schmelzklebstoff
Die allgemein bekannten kurzen Abbindezeiten von Schmelzklebstoffen im Vergleich zu reaktiven Systemen empfehlen diese Klebstoffklasse für eine Anfangsfixierung von Strukturklebungen. Die Umsetzung ist insbesondere in Bereichen, bei denen sehr kurze Taktzeiten, kleine Bauteile und ein hoher Automatisierungsgrad vorherrschen, unproblematisch. Im Faserverbundbereich ist jedoch noch viel manufakturartige Fertigung anzutreffen. Dies bedeutet, dass ein geringer Automatisierungsgrad vorherrscht. Somit ist in diesem Falle eine relativ lange offene Zeit der Systeme notwendig, damit die einzelnen Bauteile innerhalb der offenen Zeit gehandhabt und gefügt werden können. Am ifs wurden verschiedene Schmelzklebstoffe, die laut Hersteller eine besonders lange Abbindezeit aufweisen, ausgewählt und hinsichtlich ihres Abkühlverhaltens näher charakterisiert. Als exemplarische Vertreter sind zwei Schmelzklebstoffe bezüglich ihres Festigkeitsaufbaus und Abkühlverhaltens in Abbildung 2 dargestellt. Die Abbildung zeigt, dass je nach Klebstoffzusammensetzung und der daraus folgenden Wärmekapazität des Klebstoffes sich ein anderes Abkühlverhalten ergibt. Der Schmelzklebstoff HM 01 weist eine wesentlich höhere Abkühlrate auf als der Vergleichsklebstoff HM 02. Zusätz-
323 lich kristallisiert und erstarrt der HM 02 bei wesentlich tieferen Temperaturen. Ein deutlicher Viskositätsanstieg ergibt sich erst bei einer Temperatur von etwa 47,5 °C. Dies führt dazu, dass das System eine deutlich längere Abbindezeit aufzeigt und somit eine höhere Prozesssicherheit in einem gering automatisierten Umfeld bietet. Der HM 01 ist dagegen besser für ein voll automatisiertes Umfeld geeignet, da er in kürzeren Zeiten dem Bauteil eine Anfangsfestigkeit gibt und somit das Bauteil zu einem früheren Zeitpunkt wieder aus der Klebevorrichtung entfernt werden kann.
Abbildung 2: Festigkeitsaufbau (a) und Abkühlverhalten (b) verschiedener Haftklebstoffe
4.4
Anfangsfixierungen durch induktive Schnellhärtung des Strukturklebstoffes
In [Fra2008b] wurde dargestellt, dass es möglich ist, durch reaktionskinetische Untersuchungen Klebstoffe bezüglich ihrer Schnellhärtbarkeit zu untersuchen. Aufgrund der Tatsache, dass im Luftfahrtbereich höhere Glasübergangstemperaturen der Klebstoffe gefordert sind, weisen die Systeme eine andere Zusammensetzung auf, als vergleichbare Automobilsysteme. Die Luftfahrtsysteme sind im Allgemeinen aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung schlechter schnellhärtbar als die meisten Automobilsysteme. Sowohl die Heizrate als auch die maximale isotherme Härtungstemperatur muss so gewählt werden, dass der Klebstoff durch die Schnellaushärtung nicht geschädigt wird. In Abbildung 3 ist das Ergebnis für einen luftfahrttechnischen Strukturklebstoff dargestellt. Das Diagramm zeigt wie angesprochen, dass bei dem untersuchten System zu hohe Heizraten oder Temperaturen zu vermeiden sind. Bei Heizraten größer 1,3 K/s und oder Temperaturen größer 130 °C zeigt das System ein deutliches Aufschäumen des Klebstoffes während der Härtung. Je höher die Heizrate gewählt worden ist, desto größer fällt der Aufschäumgrad aus. Die mechanischen Eigenschaften werden dadurch deutlich reduziert. Mit mäßigen Aufheizraten kann jedoch die notwendige Aushärtezeit bis zum Erreichen einer Handlingsfestigkeit von 24 h bei RT auf eine Zeit von etwa 180 s reduziert werden. Dies führt zu einer deutlichen Reduzierung der notwendigen Klebevorrichtungsbelegung und somit zu einem hohen Kosteneinsparungspotential. Bei der betrachteten Struktur handelte es sich um einen Aufbau, wie er schematisch in Abbildung 4 dargestellt ist (Verklebung eines GFK-Teils mit einer CFK-Sandwichstruktur). Aufgrund der elektrischen Leitfähigkeit der Kohlenstoffasern lassen sich unter bestimmten Bedingungen CFK-Strukturen ohne den Zusatz von Nanoferriten direkt induktiv er-
324
Abbildung 3: Schnellhärtbarkeit des Systems EP 01
wärmen. Während des Aushärtevorganges ist es wichtig zur Prozesskontrolle die Temperatur zu messen, um so die Induktionsquelle regeln zu können. Aufgrund der Geometrie konnte die Temperatur allerdings nicht direkt in der Klebschicht ermittelt werden (siehe Abbildung 4). Die volumetrische Wirkungsweise der Induktionstechnik führt jedoch auch zu einer Erwärmung der Induktor abgewandten CFK-Decklage. Hier kann demzufolge die Temperatur gemessen werden und über eine mathematische Beziehung, die es zu ermitteln galt, der Induktionsgenerator entsprechend gesteuert werden. Mittels der dargestellten Beziehung lässt sich bei den verwendeten Bauteilen eine online Prozessüberwachung realisieren. Allerdings gilt es zu beachten, dass diese empirisch ermittelte Beziehung stark frequenz- und Induktorgeometrieabhängig ist. In dem vorliegenden Fall wurde der Zusammenhang für eine Frequenz von 10 kHz für einen linienförmigen Induktor mit einem nach vorne konzentrierten Feld ermittelt.
5
Zusammenfassung
In dem Artikel wurden verschiedene Konzepte zur Anfangsfixierung von Klebungen vorgestellt und die jeweiligen kritischen Parameter näher beleuchtet. Die Auswahl des richtigen Konzeptes hängt wesentlich von den jeweilig vorhandenen Fügeflächen, den Belastungen und dem Grad der Automatisierung ab. In dem vorliegenden Fall wurde eine Kombination aus induktiver Vorhärtung und dem Einsatz eines Haftklebstoffes gewählt. Durch den Einsatz der induktiven Vorhärtung des Strukturklebstoffes konnte eine hohe Handlingsfestigkeit gewährleistet werden. An den Stellen, an denen aufgrund konstruktiver Randbedingungen der Strukturklebstoff nicht induktiv ausgehärtet werden konnte und gleichzeitig ein Austreten des Strukturklebstoffes vermieden werden sollte, wurde an der Geometriekante ein Haftklebstoffstreifen aufgebracht, um
325
Abbildung 4: Schematischer Versuchsaufbau und Bestimmung der örtlichen Erwärmung
so zum einen eine Handlingsfestigkeit zu gewährleisten und ein Austreten des viskosen Strukturklebstoffes durch den Verpressungsvorgang zu vermeiden.
6
Literatur
[AiF14430] AiF-Abschlußbericht Nr.: 14430: Fixierung von lackierten Bauteilen während der Klebstoffaushärtung, LWF-Paderborn. [Hab2006] G. Habenicht: Kleben – Grundlagen, Technologien, Anwendungen. 5. Auflage, Springer Verlag 2006, Berlin. [Bro2005] W. Brockmann et al.: Klebtechnik – Klebtsoffe, Anwendungen und Verfahren, Wiley-VCH GmbH & Co KGaA, 2005. [Fra2008] Frauenhofer, M., K. Dilger, S.Böhm: Influence of High Heating Rates on the Adhesive Properties. Proceedings of the 31th Annual Meeting of the Adhesion Society, Inc., 17.–20.02.08, Austin, Texas. S. 88–90.
326
Faserverstärkte Klebstoffe – Betrachtung der Verbundtragwirkung M. Göbel, F. Werner Bauhaus-Universität Weimar
1
Einleitung
Klebstoffe werden in ihrer herkömmlichen Form hauptsächlich als Adhäsionsmittel eingesetzt, um zwei Bauteile unterschiedlicher oder gleicher Art miteinander stoffschlüssig zu verbinden. Eine Anwendung von Klebstoffen als volumige Tragelemente ist bisher aufgrund der vergleichsweise geringen Zugfestigkeiten nicht bekannt. In einem von der AiF geförderten Forschungsprojekt der Bauhaus-Universität Weimar werden faserverstärkte Klebstoffe hergestellt und deren Eigenschaften untersucht. Für die Eignungsprüfung der unterschiedlichen Klebstoffund Fasersysteme wird eine große Anzahl an verfügbaren Materialien untersucht. Die Analyse des Verbundtragverhaltens erfolgt experimentell und numerisch in verschiedenen Mikro- und Makromodellen. Dabei können ausgezeichnete Zugeigenschaften des Klebstoff-Faser-Verbundwerkstoffs1 (KFV) festgestellt werden. Die faserverstärkten Klebstoffe bieten, zusätzlich zu den aus Spritzgussmaterialien bekannten guten Festigkeitseigenschaften, ein hohes Adhäsionsvermögen. Damit eröffnet sich eine Vielzahl möglicher Anwendungsbereiche. In der vorliegenden Form wird der faserverstärkte Klebstoff bei der Herstellung von Fenstern und als Bewehrung im Betonbau eingesetzt. Auf KFV basierende Verbindungen oder Verstärkungen führen zu verwindungssteifen Bauteilen, die eine stark verbesserte Gebrauchstauglichkeit im Vergleich zu herkömmlich gefertigten Bauteilen besitzen.
2
Grundlagen des Verbundes
Mittels numerischer Analysen wird der Einfluss von Modell- und Werkstoffparametern auf das Last- Verformungsverhalten der Verbindungsbereiche untersucht. Eine Betrachtung auf der Mikroebene (Faser-Matrix) ist theoretisch sehr komplex. Die hauptsächlich betrachteten Kohlenstofffasern haben einen Filamentdurchmesser von d = 7 μm. Praktische Untersuchungen in diesem Größenordnungsbereich erfordern einen hohen experimentellen Aufwand. Numerische Untersuchungen im Mikrobereich des Faser- Klebstoffverbundes weisen auf eine hohe Nichtlinearität bei der Kraftübertragung zwischen Faser und Klebstoff hin. Aufgrund des wesentlich geringeren E-Moduls des Klebstoffs gegenüber der Faser erfolgt die Kraftübertragung ausschließlich über die Endbereiche der Verbindung Faser-Klebstoff (siehe Abbildung 1). Mittellange Fasern (5 mm d l d 10 mm) und Langfasern (l > 10 mm) haben damit gegenüber Kurzschnittfasern keine Vorteile in der Festigkeitsentwicklung des KFV. Entscheidend für die 1
Klebstoff-Faser-Verbundwerkstoff wird im folgenden als KFV bezeichnet
327 Auswahl der Faserlänge sind damit Faktoren wie Benetzbarkeit der Fasern, Mischeigenschaften und Bildung von Lufteinschlüssen. Die Analyse der Bruchflächen mittels REM führt zu dem Ergebnis, daß eine Beschichtung der Kohlenstofffasern mit einer Silanschlichte erforderlich ist, um ein optimales Verbundtragverhalten zu erzielen (siehe Abbildung 1 rechts, Bruchfläche eines KFV mit unbeschichteten Kohlenstofffasern). Nach Durchführung verschiedener FE-Simulationen in der Mikroebene erfolgt eine Beschränkung auf die Meso- bzw. Makroebene (verschmierte Werkstoffeigenschaften) für die weitere Arbeit auf dem Gebiet der numerischen Simulation.
Abbildung 1: links: numerische Analyse der Kraftübertragung zwischen Klebstoff und Fasermaterial; Auswertung der Schubspannungen W in [N/mm²]; rechts: Versagensbild nach einem Zugversuch an Epoxidharzklebstoff mit Kohlenstofffasern ohne Schlichte
3
Definition der der aus Versuchen zu ermittelnden Parameter
Um grundlegende Aussagen über das Materialverhalten des KFV zu erhalten, werden im Wesentlichen drei unterschiedliche Versuche durchgeführt. Der Zugversuch an Schulterstäben nach DIN EN ISO 527-4 erlaubt die Bestimmung von EModul, Zugfestigkeit und Bruchverhalten (siehe Abbildung 2). Komplexere Werkstoffbetrachtungen gestatten 3-Punkt Biegeversuche (siehe Abbildung 3).
Abbildung 2: numerische Analyse eines Zugversuchs an einem Schulterstab nach DIN EN ISO 527-4 links: Vergleichsspannungen V in [N/mm²] während des Zugversuchs vor dem ersten Anriss; rechts: Vergleichsspannungen V in [N/mm²] nach dem ersten Anriss
328 Abscherversuche zur Analyse der Adhäsionseigenschaften des KFV an Aluminium werden mit einem Hohlprofil aus Aluminium, das mit dem KFV vergossen wird, durchgeführt (siehe Abbildung 3). Diese Probenkonfiguration erlaubt die Ermittlung der Auswirkungen des Schrumpfverhaltens während der Aushärtung in Interaktion mit dem Temperaturdehnungsverhalten der unterschiedlichen Werkstoffkombinationen KFV-Aluminium auf die Adhäsionsverbindung.
Abbildung 3: links: Versuchsdurchführung Zugversuch, Abscherversuch und 3-Punkt Biegeversuch; mitte: numerische Analyse des 3-Punkt Biegeversuchs rechts: numerische Analyse des Abscherversuchs
4
Anwendungsgebiete
4.1
Anwendung des KFV im Fassadenbau
Die Halterung von Glaselementen für Fenster, Türen u. ä. erfolgt gegenwärtig im Wesentlichen durch das Befestigen dieser Elemente an bzw. in Konstruktionen aus Aluminium-, Stahl- oder Kunststoffprofilen. Dabei stehen die hochwertigen Konstruktionsformen aus Aluminium im Wettbewerb mit einfacheren Tragkonstruktionen aus Kunststoffen. Während die Kunststoffprofile unkompliziert in den Rahmenecken verschweißt werden können, müssen Aluminiumprofile sehr aufwändig unter Zuhilfenahme zusätzlicher Verbindungselemente mechanisch verpresst und anschließend aus Dichtigkeitsgründen verklebt werden (siehe Abbildung 4). Dieser Arbeitsprozess ist bisher nicht automatisierbar.
329
Abbildung 4: Fügen von Aluminiumprofilen im Fensterbau o Aufwändiger Einsatz von Eck- und inneren Gehrungswinkeln
Damit besitzen die hochwertigen Metallkonstruktionen einen wesentlichen ökonomischen Wettbewerbsnachteil, der durch Anwendung einer form- und stoffschlüssigen Verbindung auf der Basis von KFV aufgehoben werden soll. In die Hohlprofile der Rahmen wird der KFV im zähflüssigen Zustand injiziert. Nach der Aushärtung wird damit eine dauerhaft tragfähige und dichte Verbindung realisiert. Dies erfordert die Adaption vorhandener Klebstoffe, die in Zusammenwirkung mit hochtragfähigen Fasern aus metallischen oder nichtmetallischen Werkstoffen sowohl einen Verbundwerkstoff, als auch eine Verbindung der Metallprofile gestatten. Für die vorliegende Anwendung werden im Wesentlichen zwei Systeme untersucht: • Polypropylen mit Glasfasern als Spritzgusssystem (Entwicklung des TITK Rudolstadt1) • gefülltes 2K Epoxidharzsystem mit Kohlenstofffasern (X21System) Aufbauend auf der günstigen Technologie des Spritzgießens erfolgen insgesamt drei Versuchsreihen mit aus Spritzgussmaterial gefertigten Rahmenecken. Das verwendete Material, ein mit Glasfasern hochgefülltes Propylen (Fasergehalt 50 M%), besitzt eine Zugfestigkeit von fu = 160 N/mm² und ist damit vergleichbar mit der für den Fassadenbau verwendeten Aluminiumlegierung. Der E-Modul des Spritzgusswerkstoffes weist mit E = 8'000 N/mm² ebenfalls einen für Kunststoffe hohen Wert aus. Dennoch scheint ein praktischer Einsatz nicht sinnvoll, da die fehlende Ankopplung des Spritzgussmaterials an die Aluminiumwandung zu einem stark verzögerten mechanischen Ansprechen bei Belastung der Fügestelle führt. Abbildung 5 zeigt ein typisches Bruchbild einer mit der Spritzgusstechnologie hergestellten Fensterrahmenecke nach dem Belastungsversuch. Verglichen mit auf Klebstoff basierenden KFV ist die Bruchebene des Spritzgusses sehr weit in den Hohlquerschnitt hinein verlagert. Dies lässt sich auf eine sehr weiche Ankopplung des Spritzgussmaterials an die Aluminiumwandung zurückführen was zu einer Gesamtsteigigkeit der Eckverbindung führt, die deutlich unterhalb der Steifigkeit herkömmlicher Eckverbindungen liegt. Damit entsteht ein sehr weiches Fensterrahmengesamtsystem mit geringer Gebrauchstauglichkeit. Da die mechanische Ankopplung des Spritzgusssystems an Aluminium sehr aufwendig ist und das Schrumpfen des Materials bei Abkühlung nicht vollständig verhindert werden kann, erfolgen keine weiteren Betrachtungen. 1 2
THÜRINGISCHES INSTITUT FÜR TEXTIL- UND KUNSTSTOFF-FORSCHUNG e.V. (TITK) Der KFV – X1 ist eine Entwicklung der Bauhaus-Universität Weimar
330
Abbildung 5: Bruchfläche einer mit glasfaserverstärkten PP-Spritzguss hergestellten Profilecke
Untersuchungen an dem mit X1 bezeichneten Epoxidharzsystem liefern sehr gute Ergebnisse bezüglich Steifigkeit (E > 18'000 N/mm²) und Bruchverhalten. Dabei wird ein auf dem Markt verfügbarer gefüllter 2K Epoxidharzklebstoff mit Kohlenstoffkurzschnitt Fasern verwendet. Die Herstellung des KFV ist insbesondere hinsichtlich einer luftblasenfreien Vermischung der Kohlenstofffasern mit dem Klebstoff unkompliziert. Damit ist eine wesentliche Grundlage für ein funktionierendes mechanisches System geschaffen, das eine optimale Kraftübertragung im Bereich der Eckverbindung sicherstellen soll. Eine Schrumpfung des KFV beim Aushärtvorgang ist praktisch nicht nachweisbar. Die mit diesem KFV erzielten Festigkeiten und Steifigkeiten erfüllen alle praktischen Anforderungen, das gilt auch für die Klimabeständigkeit. Die Durchführung eines einheitlichen Belastungsversuchs zur Ermittlung des Last-Verformungsverhaltens von Profilecken ermöglichen eine vergleichende Betrachtung der mechanischen Eigenschaften unterschiedlich gefertigter Fensterprofilverbindungen. Der Belastungsversuch wird an Eckwinkeln mit einer Schenkellänge von L = 550 mm (siehe Abbildung 6 links) bis zur Zerstörung der Verbindung durchgeführt. Als Referenz dienen Ergebnisse aus Versuchen an Aluminium-Eckwinkeln herkömmlicher Bauart. In (Abbildung 6 rechts) sind die aus Belastungsversuchen ermittelten Last-Verformungsverläufe zusammengestellt. Die experimentellen Untersuchungen bestätigen ein hohes Maß an Steifigkeit und Formstabilität der mit KFV gefügten Eckverbindung. Fensterflügel, die mit der KFV Technologie gefertigt werden, besitzen so eine hohe Maßhaltigkeit, unabhängig von der Klimabeanspruchung. Aufgrund der hohen Viskosität des verarbeitungsfertigen KFV bestehen zudem fertigungstechnische Vorteile, da die Fertigung der Fensterelemente liegend erfolgen kann, was die gleichzeitige Herstellung aller Verbindungen eines Fensterelements in einem Arbeitsschritt erlaubt. In Zusammenarbeit mit einem führenden Fassadenhersteller wird ein Fertigungskonzept erarbeitet, das den industriellen Einsatz gestattet.
4.2
KFV als Bewehrung im Massivbau
Insbesondere bei der Rekonstruktion von Bauwerken treten häufig Situationen auf, in denen es nicht möglich ist, Beton in der üblichen Weise mittels Stahl zu bewehren oder, wie heute auch gebräuchlich, Kunststofflamellen aufzukleben. Das Aufspachteln von faserbewehrten Kunststoffen könnte ein technologischer Ersatz für herkömmliche Bewehrungsarten sein und gleichzeitig bei entsprechender Ausbildung der Kunststoffe auch eine Schutzschicht, z. B. vor Angriff von Flüssigkeiten, Stauben usw., bilden.
331
Abbildung 6: experimentelle Untersuchung des Last-Verformungsverhaltens unterschiedlich gefertigt- und gelagerter Profilecken in Aluminiumbauweise; links Versuchsaufbau; rechts: Last-Verformungs-Diagramm für unterschiedliche Verbindungstechnologien
In ersten Versuchen soll die prinzipielle Einsatzfähigkeit der Kombination KFV bewehrter Betonträger getestet werden. Für die Realisierung der Versuche werden sechs Betonbalken mit den Abmessungen 100 x 100 x 1000 mm hergestellt. Ein Balken enthält dabei eine übliche Zugbewehrung aus Betonstahl. Die fünf unbewehrten Betonbalken werden in unterschiedlichen Versuchskonfigurationen getestet. Die Beschichtung erfolgt mit dem KFV X1 in unterschiedlicher Ausführungsdicke. Die numerische Simulation der Belastungsversuche mittels FEM erlaubt einen Einblick in das mechanische Verbundtragsystem der KFV bewehrten Betonträger zu erhalten. Ausgehend von zwei zu untersuchenden Fällen – Betonbalken mit intakter Zugzone und Betonbalken mit gerissener Betonzugzone – werden unterschiedliche Simulationen durchgeführt. (siehe Abbildung 7).
Abbildung 7: Ergebnisse der Simulation von Belastungsversuchen an KFV bewehrten Betonbalken; Normalspannungen in Balkenlängsrichtung [N/mm²]
332 Die Rissform besitzt einen wesentlichen Einfluss auf die maximale Kerbspannung, die auftretende Zugspannungen an der Außenseite des KFV in ungerissenen Bereichen um ein Vielfaches übersteigt. Damit können experimentell mittels DMS ermittelten Zugdehnungen begründet werden, die zum Versagenszeitpunkt des Trägers weit unterhalb der an Zugstäben aus KFV ermittelten Zugfestigkeiten liegen.
5
Zusammenfassung
Die realisierten Untersuchungen zeigen, dass es für KFV unterschiedliche, ökonomische und technisch interessante Einsatzgebiete gibt. Weiterführende Unersuchungen zu optimalen Werkstoffsystemen sind notwendig, insbesondere auch hinsichtlich Dauerhaftigkeit. Die Beschichtung von Betonquerschnitten mit KFV stellt eine neue Möglichkeit für den Ersatz herkömmlicher Betonstahlbewehrung dar. Der KFV übernimmt dabei die Funktion einer flächig aufgetragenen Bewehrung. Als wesentlicher Vorteil gegenüber Bewehrung aus Stabstahl werden die Rissweiten im Beton auch in hohen Lastbereichen stark reduziert. Die Tragfähigkeit des Betonbauteils kann über die Dicke der KFV Schicht beeinflusst werden. Für eine genaue Einstellung einer konstanten KFV Schichtdicke im Herstellungsprozess ist die Entwicklung eines Dosierungs- und Auftragsystems erforderlich. Der KFV bildet im unausgehärteten Zustand ein hochviskoses Material. Das ermöglicht eine Beschichtung auch in vertikalen Positionen. Der Einsatz eines Beschichtungssystems könnte auch die Arbeit in Überkopfpositionen ermöglichen. Da die Beschichtung erst nach der Aushärtung des Betons erfolgt, sind mit der Beschichtungsvariante auch Sanierungs- und Revitalisierungsarbeiten an bestehenden Betonkonstruktionen möglich.
6 [1]
Quellen Forschungsbericht AIF/PROINNO: „Neuartige Klebetechniken für Elemente im Fassadenbau“ Forschungsprojekt der Bauhaus-Universität Weimar mit der Rudolstädter Systembau GmbH und innovative Klebtechnik Zimmermann; Juli 2008
333
Fügen von CFK-Organoblechen durch MetallUltraschallschweißen F. Balle, G. Wagner, D. Eifler Lehrstuhl für Werkstoffkunde, Technische Universität Kaiserslautern
1
Einführung
Ein vorherrschendes Entwicklungsziel in vielen Bereichen des Maschinenbaus ist die Reduzierung der Fahrzeug- und Bauteilmassen. Erhebliche Gewichtsreduzierungen lassen sich durch den zunehmenden Einsatz von Leichtmetallen und Faserverbundwerkstoffen erreichen. FaserKunststoff-Verbunde bilden dabei häufig die Basis für neuartige beanspruchungsgerechte Leichtbaukomponenten. Jedoch müssen zum Verbinden dieser Hochleistungswerkstoffe auch geeignete Fügetechnologien bereit stehen. Zurzeit werden vorwiegend formschlüssige Verbindungselemente wie Bolzen, Schrauben oder Nieten eingesetzt [1, 2]. Diese Techniken erfordern allerdings Aussparungen in den Verbundwerkstoffen, die zu einer festigkeitsmindernden Unterbrechung bzw. Umlenkung der Faserverstärkung führen. Am Lehrstuhl für Werkstoffkunde (WKK) der TU Kaiserslautern wird die Eignung von Ultraschallschweißverfahren zur Erzeugung von hoch beanspruchbaren Werkstoffverbunden untersucht [3–6]. In umfangreichen Untersuchungsreihen wurde beispielsweise nachgewiesen, dass im Vergleich zu Kunststoffschweißverfahren mittels Metall-Ultraschallschweißen Metall/ CFK-Verbunde mit bis zu 100 % höheren Zugscherfestigkeitswerten erzeugt werden können. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde nun auch erstmals die Eignung des Metall-Ultraschallschweißverfahrens zum Fügen von CF-PA66/CF-PA66-Verbindungen untersucht.
2
Ultraschallschweißtechnologie und Versuchswerkstoffe
Das Ultraschallschweißen wird in Kunststoff- und Metall-Ultraschallschweißverfahren unterteilt. Der grundlegende Unterschied zwischen beiden Verfahrensvarianten besteht in der Schwingungsrichtung des Werkzeuges in Bezug auf die zu fügenden Werkstoffe. Beim Kunststoff-Ultraschallschweißen wird die Schwingung orthogonal, bei der Metallschweißvariante parallel zur Fügezone eingebracht (Bild 1). Die verwendeten Systemkomponenten der Ultraschallschweißvarianten, wie Generator, Konverter, Booster und dem Schweißwerkzeug, der Sonotrode, sind nahezu identisch [2, 6]. Durch eine geeignete geometrische Gestaltung der Sonotrode wird eine Schwingungsamplitude zwischen 5 und 50 μm erzielt. Der Fügevorgang erfolgt durch das Aufbringen der erforderlichen Fügekraft und der anschließenden Einbringung der hochfrequenten Scherschwingung über das oben aufliegende Fügeteil in den Schweißbereich.
334
Bild 1: Kunststoff- und Metall-Ultraschallschweißverfahren, schematisch
Zur Realisierung reproduzierbarer Verbundeigenschaften wurde am WKK eine spezielle Einspannvorrichtung entwickelt (Bild 2a). Die Fügepartner werden auf dem Amboss pneumatisch positioniert. Die Messung der Schweißkraft über eine in der Einspannung integrierte Kraftmessdose stellt dabei eine konstante Fügekraft während des gesamten Schweißprozesses sicher. Die genaue Regelung dieses Prozessparameters ist eine unabdingbare Voraussetzung zur Realisierung hochbeanspruchbarer ultraschallgeschweißter CFK/CFK-Verbindungen.
Bild 2: a) Entwickelte Einspannvorrichtung, b) Probengeometrie
Die Probenabmessungen (Bild 2b) des oberen CFK-Organoblechs betragen 70 × 25 mm², die des unteren 70 × 30 mm². Die Dicke des Blechs wurde in den Stufen 0,67 mm, 1,00 mm und 1,33 mm variiert, wobei während der Versuche die zu fügenden Komponenten stets die gleiche Dicke aufwiesen. Die Herstellung der thermoplastischen CFK-Organobleche erfolgte im Autoklavprozess. In Querschliffen (Bild 3a–c) ist deutlich der Lagenaufbau des Faserverbundwerkstoffes zu erkennen.
Bild 3: Schliffbilder der Fügepartner: a) CF-PA66, 0,66 mm (2-lagig), b) CF-PA66, 1,0 mm (3-lagig), c) CF-PA66, 1,33 mm (4-lagig)
335 Als Kohlenstofffasertextil wurde ein Gewebe (200 tex, 285 g/m²) mit einer Atlas-1/4 – Bindung verwendet. Die unterschiedlichen Organoblechdicken wurden durch einen Aufbau mit zwei, drei und vier Gewebelagen (Filmstacking-Verfahren) im Verbundwerkstoff realisiert.
3
Statistische Versuchsplanung
Zur Ermittlung geeigneter Schweißprozessgrößen wurde ein zentral zusammengesetzter Versuchsplan verwendet. Neben der erheblichen Reduzierung der durchzuführenden Versuche gegenüber einer rein empirischen Untersuchungsreihe besteht ein wesentlicher Vorteil dieser Vorgehensweise in der Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der Prozessgrößen [8]. In Bild 4 ist der prinzipielle Aufbau des verwendeten Modells dargestellt.
Bild 4: Zentral zusammengesetzter Versuchsplan für die drei wesentlichen Schweißeinflussgrößen [nach 8]
Ausgehend von einem in Voruntersuchungen ermittelten Zentrum wird der Versuchsplan mit den drei wesentlichen Schweißeinflussgrößen Schweißkraft FUS, Schwingungsamplitude u und Schweißenergie WUS aufgebaut. Es ergibt sich ein das Zentrum umgebender Würfel, dem ein Stern hinzugefügt wird. Die Abstufung D der zu untersuchenden Parameterstufen ist für einen orthogonalen Versuchsplan bei festgelegter Anzahl von Einzelversuchen vorgegeben. Für die Untersuchung der Schweißeignung der CF-PA66/CF-PA66-Verbindung bei einer Organoblechdicke von 0,66 mm wurde beispielsweise die Schweißkraft im Bereich von 200 bis 320 N, die Schwingungsamplitude von 39 bis 45 μm sowie die Schweißenergie zwischen 950 und 1150 Ws variiert. Zur Bewertung der ultraschallgeschweißten CFK/CFK-Verbindung wurde die im Zugscherversuch ermittelte Maximalkraft auf die Sonotrodenkoppelfläche (10 mm × 10 mm = 100 mm²) bezogen.
4
Ergebnisse der Schweißuntersuchungen
Die Schweißprozessgrößen wurden hinsichtlich der maximal erreichbaren Zugscherfestigkeit der Verbindungen optimiert. In Bild 5 ist ein Auswertebeispiel der statistischen Versuchsplanung für die zu erwartende Zugscherfestigkeit als Funktion der Schwingungsamplitude und der Schweißenergie bei einer fest vorgegeben Schweißkraft (FUS = 260 N) dargestellt.
336
Bild 5: Einfluss der Schweißprozessgrößen auf die Zugscherfestigkeiten von CF-PA66(0,66 mm)/CFPA66(0,66 mm)-Verbindungen
Für die CF-PA66/CF-PA66-Verbindung konnte mit dem verwendeten statistischen Modell die Parameterkombination FUS = 260 N, u = 42 μm, WUS = 1100 Ws als geeignetes Prozessparametertripel errechnet werden. In weiteren Schweißversuchen wurde diese Parameterkombination nochmals hinsichtlich der erreichbaren Zugscherfestigkeit experimentell überprüft und bestätigt. Die erreichbaren Zugscherfestigkeiten liegen bei 32 MPa. Bild 6 zeigt den Einfluss unterschiedlicher Fügeteildicken auf die erreichbare Zugscherfestigkeit der Verbindungen. Dabei ist zu beachten, dass für jede Blechdicke unter Anwendung der statistischen Versuchsplanung eigene optimierte geometriespezifische Prozessparametertripel ermittelt wurden.
Bild 6: Einfluss der CFK-Organoblechdicke auf die erreichbare Zugscherfestigkeit der Verbindungen
Es zeigt sich, dass durch eine Erhöhung der CFK-Organoblechdicke die erreichbare Zugscherfestigkeit bis auf 39 MPa gesteigert werden kann. Diese Festigkeitssteigerung geht, wie mit in die Fügezone eingebrachten Thermoelementen nachgewiesen werden kann, insbesondere auf (bei dickeren Organoblechen) geringere Prozesstemperaturen während des Füge-
337 prozesses zurück. Bei Organoblechdicken von 0,66 mm werden in der Fügezone Maximaltemperaturen von bis zu 500 °C erreicht. Da die Zersetzungstemperatur des PA66 in Luft bei ca. 434 °C liegt, ist eine Schädigung der Fügepartner während des Schweißprozesses bei dieser Blechdicke nicht auszuschließen [9]. Für CFK-Halbzeugdicken von 1,00 mm bzw. 1,66 mm werden nur noch Maximaltemperaturen von 320 °C bzw. 275 °C in der Fügezone ermittelt, so dass eine Schwächung der Verbindung durch Polymerzersetzung ausgeschlossen werden kann. Ferner dringt die Sonotrode bei höheren Fügetemperaturen bei einer Organoblechdicke von 0,66 mm stärker in den oberen Fügepartner ein und verringert dadurch den lasttragenden Querschnitt dieses Fügeteils. Der verbleibende größere Restquerschnitt erklärt auch den leichten weiteren Anstieg der Zugscherfestigkeit bei einer Organoblechdicke von 1,33 mm.
5
Mikroskopische Untersuchungen
Die Fügezonenausbildung erfolgt beim Metall-Ultraschallschweißen von CF-PA66/CF-PA66Verbindungen in weniger als 8 s in zwei Schritten. Zunächst führt die hochfrequente transversale Schwingung zu einer Plastifizierung der polymeren Matrix des CFK. Anschließend bildet sich unter Beibehaltung einer konstanten Schweißkraft eine homogene Schweißzone zwischen den polymeren Fügepartnern aus. In der mikroskopischen Aufnahme der Fügezone (Bild 7) ist die sich einstellende innige Verbindung zwischen den Kohlenstofffaserlagen deutlich zu erkennen. Delaminationen oder Porenbildung wurden im Rahmen der mikroskopischen Untersuchung der Schweißverbindung nicht beobachtet.
Bild 7: Querschliff durch die Fügezone einer CF-PA66/CF-PA66-Verbindung: Übersicht; Detail
Bild 8a zeigt eine mit geeigneten Prozessparametern realisierte metallultraschallgeschweißte Verbindung. Die Untersuchungen der Bruchflächen von zugschergeprüften CFK/CFK-Verbindungen zeigen durch den Fügeprozess flächig kontaktierte Kohlenstofffaserbündel. In Bild 8b sind zudem deutlich aus dem oberen CFK-Fügeteil herausgerissene Faserbündel zu erkennen. Die erzielte hervorragende Verbindung zwischen den Organoblechen wird auf diese Weise nachdrücklich belegt .
338
Bild 8:a) Metallultraschallgeschweißte CF-PA66/CF-PA66-Verbindung, b) Bruchfläche des oberen Fügeteils c) Bruchfläche des unteren Fügeteils
6
Zusammenfassung
Die am Lehrstuhl für Werkstoffkunde der TU Kaiserslautern durchgeführten Untersuchungen belegen, dass Metall-Ultraschallschweißverfahren geeignet sind, hoch beanspruchbare Verbindungen zwischen faserverstärkten Verbundwerkstoffen zu realisieren. Am Beispiel von metallultraschallgeschweißten CF-PA66/CF-PA66-Verbindungen wurde das Potential dieses Pressschweißverfahrens aufgezeigt. Dabei konnten für Organoblechdicken von 1,33 mm Zugscherfestigkeiten von bis zu 39 MPa erzielt werden. Anwendungspotentiale dieser Fügetechnik sind bei modernen Leichtbaukonzepten in der Verkehrstechnik beispielsweise für Außenhautstrukturen im Flugzeugbau oder im Schienenfahrzeugbau zu sehen.
7 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]
Literatur G. W. Ehrenstein, Handbuch Kunststoffverbindungstechnik, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 2004. H. Potente, Fügen von Kunststoffen, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 2004. S. Krüger, G. Wagner, D. Eifler, MP Mat.-Prüf., 2004, 46, No. 3, p. 96–101. S. Krüger, G. Wagner, D. Eifler, Adv. Eng. Mat., 2004, 6, No. 3, p. 157–159. F. Balle, G. Wagner, D. Eifler, Mat.-Wiss. u. Werkstofftech., 2007, 38, No.11, p. 934–938. J. Wodara, Ultraschallfügen und –trennen, DVS Verlag, Düsseldorf, 2004. F. Balle, G. Wagner, D. Eifler: Aluminium Alloys – Their Physical and Mechanical Properties, Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 2008, Volume 2, p. 1905–1910. W. Kleppmann, Taschenbuch Versuchsplanung, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 2006. G. W. Ehrenstein, P. Pongratz, Beständigkeit von Kunststoffen, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 2007.
339
Vergleich eines Resin Transfer Moulding Epoxidharzsystems mit einem Prepregharzsystem M.Schubert Toho Tenax Europe GmbH, Wuppertal
1
Einführung
Zwei wichtige Verfahren zur Herstellung von Faserverbundwerkstoffen aus Kohlenstofffaserfilamentgarnen sind das Prepreg- Autoklavverfahren sowie das Resin Transfer Moulding Verfahren (RTM). Bei beiden Verfahren kommen spezifische Harzsysteme zum Einsatz. Ein direkter Vergleich solcher Harzsysteme ist aufgrund der großen technischen Unterschiede beider Verfahren normalerweise nicht möglich. Insbesondere der Einfluss des textilen Halbzeuges auf die mechanischen Verbundwerkstoffeigenschaften überlagert die Harzeigenschaften drastisch. Eine Trennung zwischen Harz und Gelegeeinfluss auf die mechanischen Kennwerte ist dadurch nicht möglich. Um diese Lücke hinsichtlich der Einflussgrößen zwischen dem RTM-Harz im Gelege und dem Standardprepreg zu schließen, wird eine Methode zur Herstellung eines Prepregs mittels eines kommerziellen RTM-Harzsystems vorgestellt. Ferner werden die Ergebnisse beider Werkstoffuntersuchungen mit Prepreg und RTM „Quasiprepreg“ vorgestellt. Signifikante Unterschiede zeigen sich in zwischenfaserbruchrelevanten Tests, bei der Analyse von REM Bildern der Bruchkanten oder auch beim Impactverhalten. Alle diese Unterschiede sind überwiegend in den Reinharzeigenschaften der Harzsysteme begründet.
2
Herstellung eines Prepregs unter Verwendung eines RTM-Harzsystems
Ein RTM-Harz zeichnet sich durch sein Viskositätsprofil aus. Ist es bei Raumtemperatur extrem hochviskos, so wird es bei Temperaturen von 80°C sehr dünnflüssig. Um ein entsprechendes Prepreg herzustellen, kann dieses Verhalten ausgenutzt werden. Grundlage ist eine Trommelprepreganlage mit einem Walzenumfang von 4 m. Auf ihr wurde im Wickelverfahren ein Tenax HTS40 F13 12K 800tex Kohlenstofffaserfilamentgarn zu einem Prepreg mit einem Faserflächengewicht von 266g/m² aufgewickelt. Das Entscheidende war die Garnimprägnierung sowie die Temperaturführung des imprägnierten Kohlenstofffaserfilamentgarnes.
2.1
Imprägnierung und Temperaturführung
Das Kohlenstofffaserfilamentgarn wurde von einem Gatter gewickelt und über eine KissTouch Walze imprägniert. Die Temperatur in dem Harzbad betrug dabei 80°C. Über beheizbare
340 Spreizstäbe wurde die Temperatur des Harzes anschließend bis auf 30°C heruntergekühlt. Nach Ablage des Garnes auf eine Trägerfolie, welche im Vorfeld auf der Walze befestigt wurde, stieg temperaturbedingt die Viskosität stark an. Somit hatte das gewickelte Quasi Prepreg eine ausreichende Konsistenz um entsprechend eines kommerziellen Prepregs gehandhabt zu werden. Durch den Vorschub wurde ein definiertes Faserflächengewicht von 266g/m² eingestellt welches kommerziellem Prepreg entspricht. Somit konnte dieses Quasiprepreg einerseits mit ensprechenden Prepreg Systemen wie andererseits auch mit Gelegelaminaten verglichen werden. Die gewickelte Struktur wurde auch oberhalb mit einem Trennpapier versehen. Eine Andruckwalze sorgte mit 6 bar für eine gleichmäßigere Prepregstruktur. Um ein gleichmäßiges Prepreg zu gewährleisten, wurde regelmäßig das Prepregflächengewicht bestimmt und ggf. über die Imprägnierwalze angepasst. Bei der Verarbeitung des RTM-Harzes an der Wickelanlage musste die Empfindlichkeit des Harzes gegenüber Feuchtigkeit berücksichtigt werden. Dazu wurde das Harz vor der Verarbeitung entsprechend vorkonditioniert.
Bild 1: Schema der Garnimprägnierung
2.2
Laminatherstellung
Die „Quasi-RTM Laminate“ konnten wie kommerzielles Prepreg weiterverarbeitet werden. Laminataufbau und vorbereitende Arbeiten für die Autoklavfahrt wurden analog zum Prepregverfahren gewählt. Die Autoklavfahrt orientierte sich am RTM Prozess. Die Aushärtung erfolgt nach zwei Stunden unter 10 bar bei 180 °C. Durch anschließende DTMA Untersuchungen zeigte sich die vollständige Aushärtung der Laminate. Überschüssiges Harz im Prepreg konnte durch geeignetes Absaugen mittels Nylon oder Glasfasermatten bei der Weiterverarbeitung im Autoklaven entfernt werden. Dieses Verfahren entspricht der üblichen Vorgehensweise, wobei hier teilweise sehr viel Harz abgesaugt werden musste. Dementsprechend wurde bei den fertigen Laminaten auf Ondulationen geachtet und entsprechende Stellen bei der Prüfkörperherstellung vermieden. Die Prüfkörper wiesen keinerlei sichtbare Ondulationen auf.
341 2.3
Ergebnisse der mechanischen Verbundwerkstoffcharakterisierung
In den Tabellen 1 und 2 sind Ergebnisse der Verbundwerkstoffanalyse dargestellt. Als Vergleich wurde ein kommerzielles Prepregsystem gewählt, wobei das Kohlenstofffaserfilamentgarn in beiden Projekten bewusst dem gleichen Produktionsbatch entnommen wurde. Tabelle 1. Mechanische Eigenschaften des RTM-Harz Quasi Prepregs RTM QUASI PREPREG
Referenz Prepreg
Testmethode
Faser- Prüfnorm FVA Mittelwert Standard- Mittelwert Standardorien- >EN@ (nassabweiabweitierung chem.) chung chung
Zugfestigkeit
0°
2561-B
Zugmodul
0°
2561-B
Druckfestigkeit
0°
2850-A4
Druckmodul
0°
2850-A4
Zugfestigkeit
90°
2597-A
Zugmodul
90°
2597-A
Interlam. Scherfestigkeit
0°
2563
Zugfestigkeit
± 45°
6031
Schubodul
± 45°
6031
Bruchzähigkeit G1c
0°
6033
Bruchzähigkeit G2c
0°
6034
62,9 63
2478 MPa 66 MPa
2150 MPa 119 MPa
140,6 GPa 2,4 GPa
143,3 GPa 2,6 GPa
1520 MPa 43 MPa
1706 MPa 111 MPa
117,7 GPa 3,1 GPa
112,2 GPa 1,1 GPa
79,2 MPa
4,9 MPa
104,0 MPa 11,4 MPa
8,1 GPa
0,2 GPa
9,5 GPa
60,8
91,5 MPa
1,7 MPa
122,5 MPa 1,9 MPa
61,4
71,3 MPa
0,4 MPa
88,8 MPa
0,8 MPa
4,2 GPa
0,1 GPa
5,1 GPa
0,2 GPa
346 J/m²
32 J/m²
255 J/m²
10 J/m²
527 J/m²
46 J/m²
724 J/m²
7 J/m²
63,6
63,7
0,2 GPa
Kerbzugfestigkeit Multi
6035-A
59,5
410 MPa
15 MPa
364 MPa
4,7 MPa
Kerbdruck mit Loch
Multi
6036-I-A
59,7
264 MPa
8 MPa
298 MPa
18 MPa
Kerbdruck ohne Loch
Multi
6036-II-A
491 MPa
22 MPa
612 MPa
25 MPa
342 Tabelle 2. Mechanische Eigenschaften des RTM-Harz Quasi Prepregs (Impactversuche nach EN 6038) RTM QUASI PREPREG Schlagenergie
Restdruck- Eindringtiefe festigkeit
geschäd. Fläche >mm²@
>MPa@
>mm@
0J
331
0
9J
270
0,124
710,7
12 J
239
0,149
886,4
16 J
217
0,164
1151,9
20 J
199
0,179
25 J
172
30 J 40 J
Referenz Prepreg Restdruck- Eindringtiefe festigkeit
geschäd. Fläche >mm²@
>MPa@
>mm@
340
0
253
0,129
762,1
1422,4
207
0,167
1197,6
0,216
2511,4
185
0,274
2054,4
142
0,326
4095,2
194
0,547
2813,9
135
0,792
4843,8
159
0,821
3431,1
3
Diskussion der ermittelten mechanischen Kennwerte
3.1
Faserdominierte Eigenschaften
Die faserdominierten Zugeigenschaften zeigen nur geringfügige Unterschiede zwischen einem Standardprepregsystem und dem RTM Quasiprepreg.
3.2
Harzdominierte Eigenschaften
Die harzdominierten Eigenschaften werden neben dem Harz auch von den zwischenfaserrelevanten Eigenschaften, also denen des Interfaces beeinflusst. Hier gibt es Methoden, in denen die reine Anbindung der Faser- Matrix sowie die Festigkeiten der Matrix bestimmt werden. Diese Eigenschaften sind die interlaminare Scherfestigkeit, die Querzugfestigkeit sowie die Zugscherfestigkeit. Da das reine RTM-Harz gegenüber seinem Prepregpendant eine um 25 % verringerte Zugfestigkeit aufweist (Herstellerangabe, Tabelle 3), finden sich auch bei der Querzug- und der interlaminaren Scherfestigkeit diese Festigkeitsabfälle wieder. Bei der Zugscherfestigkeit (71 MPa gegenüber 89 MPa im Prepreg) ist dieser Wert geringer, da die Kohlenstoffgarne mit ihrer 45° Ausrichtung zu der Festigkeit beitragen. Unterschiede der Bruchbilder finden sich bei Betrachtung im REM. So ist im Fall des RTM Quasi Prepregs der Adhäsivanteil an der Bruchfläche signifikant geringer als bei dem Standardharz oder auch einem Vergleichsprüfkörper mit einer sehr zähen thermoplastischen Matrix (Bild 2 und 3). Bei einem geringeren Adhäsivanteil sind mehr unbedeckte Filamentoberflächen sichtbar.
343
Bild 2: REM Bilder von Bruchflächen (Prüfkörper zur Bestimmung der Zugfestigkeit unter 90°); 1: Standard Prepreg; 2: QP RTM; 3: HTS 5631 in PA
Tabelle 3. Mechanische Eigenschaften der Harztypen als Reinharz und im Querzugversuch Quasi RTM Prepreg
Standardprepreg
Festigkeit des Reinharzes
Querzugestigkeit des Festigkeit des ReinVerbundwerkstoffs harzes
Querzugestigkeit des Verbundwerkstoffs
75 MPa
79,2 Mpa
104 MPa
105 MPa
Modul des Reinharzes Modul des Querzugprüfkörpers
Modul des Reinharzes Modul des Querzugprüfkörpers
2,89 GPa
3,6 GPa
8,1 GPa
9,2 GPa
Die Unterschiede in den Bruchbildern sind typisch, werden aber nicht durch die mechanischen Ergebnisse untermauert, da sich hier die Reinharzwerte wiederfinden oder sogar besser abgebildet werden. Man sieht auch, dass eine HTS 5631 Faser in einem Thermoplast eine optisch gute Faseranbindung aufweist, obgleich hier eine chemische Faser- Matrixanbindung nicht oder zumindest sehr viel geringer ausfällt.
3.3
Schlag- und Bruchzähigkeit
Während die Zähigkeit eines Materials durch den Modul beschieben wird, gibt es unabhängig davon die Bruch- und die Schlagzähigkeit als eigenständige Materialkennwerte. Bei Epoxidharzsystemen kann eine Schlagzähmodifikation beispielsweise durch additive, thermoplastische Phasen erreicht werden. So kann auch der hohe Adhäsivbruchanteil in den REM Bruchbilder (Bild 2) durch zunehmend bruchzähes Verhalten der Matrix im Falle des Prepregharzes und des sehr bruchzähen Thermoplastes erklärt werden. An der Größe der beschädigten Flächen kann man die Art der Beschädigung durch einen Impacter im Sinne von schlagsprödem oder schlagzähem Versagen ablesen. In den in Bild 3 ge-
344 zeigten Fällen betrug der Impact 30 J, links ein kommerzielles Prepreg, in der Mitte das QuasiRTM Prepreg und im Vergleich dazu ein RTM Gelegelaminat. Auch hier zeigte sich die Abhängigkeit des Bruchbildes und der Schädigung von dem bruchspröden Harzsystem in einer kompletten Zerstörung, die sich zu dem Einfluss des Geleges addiert. Bei dem bruchzähen Standardprepreg liegt hingegen ein Teil der Schädigung als Delamination auf der Laminatrückseite vor.
Bild 3: Vergleich der Implactflächen (30 J Impact)
4
Zusammenfassung
Der Bereich Entwickung und Labore innerhalb der Toho Tenax Europe GmbH führte ein Laminatuntersuchungsprogramm an einem Prepregmaterial durch, welches auf einem RTM-Harz basierte. Dieses umfassende Untersuchungsprogramm brachte fundierte Erkenntnisse zum Einfluss der Matrix und der Faser- Matrixadhäsion auf die Verbundwerkstoffeigenschaften. RTM-Harz hat Nachteile hinsichtlich Festigkeit und weist eine geringe Schlagzähigkeit auf. Es zeigte sich in allen Vergleichen der zwischenfaserrelevanten Testmethoden der starke Harzeinfluss. So sind die Querzugfestigkeiten direkt abhängig von der Harzfestigkeit. Im Fall des RTM- Harzes bedeutet das eine Festigkeit von ca. 75 % des Prepregharzes, sowohl im Reinharz als auch mittels Querzugversuch im Verbundwerkstoff gemessen. Die entsprechenden REM Bilder zeigen dabei eine Abhängigkeit des Adhäsivbruchanteils direkt von der Bruchzähigkeit des Harzes. Das relativ bruch- und schlagspröde Verhalten des RTM-Harzes kann man auch an dem Impactbild ablesen, bei dem die Schadensfläche größer ist als bei entsprechenden Prepregharzen.
345
Charakterisierung triaxialer C-Faser-verstärkter Silikone und Epoxide Jürgen Schimitschek, Leri Datashvili, Horst Baier Technische Universität München, Lehrstuhl für Leichtbau
1
Einleitung
Triaxiale Kohlenstofffasergewebe in Verbindung mit einer weichen Silikonmatrix (Triax CFRS) und mit einer steifen Epoxidmatrix (Triax CFRP) bieten aufgrund ihrer drei Faserrichtungen in der Ebene (+60°/–60°/0°) und ihrer speziellen Webstruktur einige Vorteile gegenüber dem Verbund mit biaxialen (0°/90°) Geweben. Sie weisen ein nahezu isotropes mechanisches Materialverhalten in der Ebene mit nur einer Einzellage auf, verhalten sich gegenüber akustischen Lasten transparent und besitzen einen relativ niedrigen Wärmeausdehnungskoeffizienten. In Kombination mit der Silikon Matrix (Triax CFRS) weisen diese Gewebe eine extreme Flexibilität bei zugleich relativ hoher Membransteifigkeit auf. Diese macht sie unter anderem für große entfaltbare Strukturen, wie Satellitenantennen sehr interessant.
Abbildung 1-1: Triax CRFS: Definition der ausgezeichneten Richtungen
Abbildung 1-2: Demonstration der Flexibilität von Triax CFRS mit einer weichen Silikonmatrix
Die rechnerische und experimentelle Charakterisierung der mechanischen und thermo-elastischen Eigenschaften gestaltet sich aufgrund der speziellen Faserorientierung und der geringen Biegesteifigkeit deutlich aufwendiger als bei üblichen CFK Laminaten. Beispielsweise müssen bei der Bestimmung der Steifigkeit im Zugversuch Faktoren wie Probengröße, Seitenverhältnis, Faserorientierung und aufgebrachte Dehnung berücksichtigt werden. Gerade der Einfluss der Probengröße und des Seitenverhältnisses spielen bei den Proben mit einer weichen Silikonmatrix anstatt einer steifen Epoxidmatrix eine große Rolle.
346
2
Stand der Technik
Triaxiale Gewebe sind nicht völlig neu; die Webtechnik ist auch als Korbgeflecht bekannt. Für die Raumfahrt sind sie besonders interessant, da es möglich ist, in Verbindung mit Kohlenstofffasern, aus ihnen sehr leichte thermische formstabile Strukturen herzustellen. In [1]–[8], [10] und [12] wurde das mechanische und thermo-elastische Verhalten von Triax CFRP bereits untersucht. Hierbei wurde das Problem erkannt, dass die Steifigkeit des Triax CFRP stark von den Randbedingungen bzw. der Probengeometrie abhängt. Des Weiteren wurde in[1], [3] und [5] das thermo-elastische Verhalten untersucht und herausgefunden, dass das untersuchte Triax CFRP eine Zug-Torsions-Kopplung aufweist. Am Lehrstuhl für Leichtbau der TUM wurde das neue Material Triax CFRS, welches sich für entfaltbare und thermisch formstabile Anwendungen besonders gut eignet, entwickelt und untersucht [7]–[12]. Hier soll nun gezeigt werden, wie sich das mechanische und thermo-elastische Verhalten verändert, wenn die steife Matrix des Triax CFRP (Carbon Fibre Reinforced Plastic) durch eine weiche Silikonmatrix im Triax CFRS (Carbon Fibre Reinforced Silicone) ausgetauscht wird.
2.1
Steifigkeitsuntersuchungen
Das mechanische und thermo-elastische Verhalten von Triax CFRP und CFRS wurde an einem detailierten mikromechanischen FE Modell untersucht. Hierbei haben sich Balkenelemente für die Faserstränge als bester Kompromiss zwischen Rechengenauigkeit und Rechenzeit herausgestellt. Bei der Erstellung der Geometrie spielt die Querschnittsform, sowie der Verlauf der Faserbündel in Längsrichtung eine große Rolle im mechanischen und thermo-elastischen Verhalten. Durch die sukzessive Anpassung des Finite Element Modells an die exakte Mikrogeometrie (Querschnitt und dreidimensionaler Verlauf der Garne) des Gewebes und durch intensive Parameterstudien konnten die Details der Geometrie ausfindig gemacht werden, die einen signifikanten Einfluss auf das mechanische Verhalten haben. Die komplizierte Mikrogeometrie des Verbundes Triax CFRP und CFRS wurde unter dem Mikroskop aus vielen einzelnen Schliffbildern zu einem 3D Bild rekonstruiert. Selbst solche Feinheiten, wie die Veränderung des Faservolumenanteils über die Garndicke wurde in dem FE Modell berücksichtig, denn genau dieser hat einen signifikanten Einfluss auf das thermo-elastische Verhalten. Wie generell alle FVW aus gewebten Halbzeugen, zeigt auch das Triax CFRS und CFRP einen leicht nichtlinearen Steifigkeitsanstieg in Faserrichtung. Bei der Modellierung des Verbundes Triax CFRP und CFRS wurden verschiedene Querschnittsformen und Verläufe der Garne in Faserlängsrichtung untersucht. Der sinusförmige Verlauf und eine linsenförmige Querschnittsform, welcher mit den Schliffbildern sehr gut korreliert, zeigt ein deutlich ausgeprägteres nichtlineares Verhalten gegenüber einem Zickzack Verlauf und einem rechteckigen Querschnitt, siehe Abbildung 2-3.
347
Abbildung 2-1: Sukzessive Verfeinerung des FE Modells
Abbildung 2-2: Schliffbild durch den Querschnitt eines Faserbündels. Erhöhter Faservolumenanteil im Gewebeinneren
Abbildung 2-3: Einfluss der Querschnittsform und Verlauf der Garne auf das nichtlineare Steifigkeitsverhalten in 0° Richtung
Ein weiteres charakteristisches Merkmal von Triax CFRP und CFRS ist die Abhängigkeit der Steifigkeit von Probengröße und deren Längen- Breitenverhältnis. Allerdings ist diese Eigenschaft für eine unendlich ausgedehnte Platte, wie sie bei der klassischen Laminat Theorie angenommen wird, nicht mehr erkennbar. Daher zeigt die in [3] errechnete ABD Matrix (Laminatsteifigkeits Matrix) für das Triax CFRP einen isotropen Charakter. Detailierte FE Rechnung haben aber gezeigt, dass dies nur für eine unendlich ausgedehnte Probe gilt. In Abbildung 2-4 ist klar zu erkennen, dass sich bei einer endlichen Probengröße ein deutlich orthotropes Verhalten einstellt, welches aber mit zunehmender Probenbreite sich den isotropen Fall annähert.
348 Vergleicht man nun den gleichen Verbund, hergestellt aus dem gleichen triaxialen Gewebe aber mit zwei unterschiedlichen Matrixsystemen, ist deutlich zu erkennen, welchen Einfluss die Matrix auf das Steifigkeitsverhalten hat. Prinzipiell zeigen sich bei Verwendung einer sehr weichen Silikonmatrix die gleichen Effekte, sind aber wesentlich deutlicher ausgeprägt. In Abbildung 2-5 ist deutlich zu erkennen, dass die Probengröße bzw. die Probenbreite wesentlich größer sein muss, um ein nahezu isotropes Verhältnis von Längs- zu Quersteifigkeit zu erreichen.
Abbildung 2-4: Abhängigkeit der Probensteifigkeit bei Triax CFRP von Faserorientierung und Probenbreite
Abbildung 2-5: Abhängigkeit der Probensteifigkeit bei Triax CFRS von Faserorientierung und Probenbreite [12]
349 Prinzipiell lassen sich für den Verbund Triax CFRP und CFRS zwei grundsätzlich unterschiedliche Tragverhalten postulieren: Tragverhalten in 0° Richtung In 0° Richtung zeigt sich sowohl für die steife und die weiche Matrix eine nahezu unabhängige Steifigkeit von der Probengeometrie. Der größte Anteil für die Zugsteifigkeit wird hier durch die 0° Fasern gestemmt. Die ±60° Fasern tragen nur zu einem kleinen Teil bei. Dies gilt besonders bei sehr langen schmalen Proben, hier leisten die ±60° Fasern fast keinen Anteil zur Steifigkeit, da diese keine durchgehende Verbindung von einer Einspannung zur anderen bilden können und somit die Last nur über die Verklebung an den Kreuzungspunkten der Garne statt findet. Erst bei einem Seitenverhältnis (Länge / Breite) kleiner von 1,7 bzw. tan 60° laufen einige Faserbündel von einer Einspannung zur andern und können somit direkt zum Tragverhalten beitragen. Tragverhalten in 90° Richtung In 90° Richtung läuft der gesamte Lasttransfer über die ±60° Faserbündel. Dabei bestimmen grundsätzlich zwei Mechanismen das Steifigkeitsverhalten. Bei einem Seitenverhältnis größer als 1,7 bzw. tan 60° wird der Widerstand vollständig über die Schubkräfte an den Verklebungen der Garnüberkreuzungen geleistet. Bei einem kleineren Seitenverhältnis, besitzen einige der ±60° Faserbündel eine direkte Verbindung zwischen den Einspannungen und somit steigt mit der Breite der Probe die Steifigkeit stetig an. Der zweite Mechanismus wird durch die hohe Querkontraktion bestimmt. Diese wurde in einem Zugversuch an Triax CFRP Proben in 0° und 90° Faserorientierung gemessen, siehe Tabelle 2-1. Hierbei stellte sich heraus, dass die Proben in 90° Richtung eine Querkontraktion von 0,87 verglichen zu den Proben in 0° Richtung nur 0,47 aufweisen. Diese hohe Querkontraktion zwingt die 90° Faserbündel zum Ausknicken. Dieser Effekt zeigt sich besonders bei Proben mit einem großen Längen- Breitenverhältnis. In diesem Fall haben die ±60° Faserbündel keine direkte Verbindung mit den Einspannungen mehr und werden dadurch nicht mehr vollständig gespannt. Die fehlende Spannung in den ±60° Faserbündel führt dazu, dass die 0° Faserbündel ihre Stützung verlieren und somit unter der wirkenden Druckbelastung, durch die Querkontraktion, ausknicken. Tabelle 2-1: Ermittelte Zugsteifigkeiten für Triax CFRP mit einer M46J 1K C-Faser und einer steifen Matrix Faserorientierung Abmessungen: Länge × Breite Mittlerer E-Modul Querkontraktion X12 0° 160 x 70 mm 23212,0 N/mm² 0,472 90°
160 x 70 mm
13577,0 N/mm²
0,883
Diese beiden Mechanismen wirken sich bei den Proben mit der weichen Silikonmatrix besonders stark aus. Einerseits ist die Schubsteifigkeit der Silikonmatrix sehr gering und andererseits besitzt die Matrix eine so geringe Steifigkeit, dass sie die Fasern im Verbund bei
350 Druckbelastung nicht mehr genügend gestützt werden können. Diese Effekte führen dazu, dass die Proben mit der Silikonmatrix ein deutlich orthotroperes Steifigkeitsverhalten zeigen als diejenigen mit einer steifen Matrix.
2.2
Verifikation der Simulationsmodelle
Die Voruntersuchungen mit dem Simulationsmodell haben gezeigt, dass die Steifigkeit der Proben stark von der Geometrie abhängig ist. Daher muss bei solchen dünnen Proben, besonders bei Verwendung von einer weichen Matrix, von der Standardzugprobengeometrie abgewichen werden, um Materialkennwerte zu erhalten, die auch auf Bauteilebene gelten. Im Fall des Triax CFRP mit der steifen Matrix konnte eine Probenbreite von 70 mm ermittelt werden, ab der die Steifigkeit in 90° Richtung annähernd konstant bleibt. Dies konnte auch in einem Zugversuch bestätigt werden.
Abbildung 2-6: Verifikation des Simulationsmodells im Zugversuch an einer Lage Triax CFRS
Im Fall des Triax CFRS mit der weichen Silikonmatrix müsste eine Probenbreite von mehr als 400 mm ausgewählt werden, um eine unabhängige Steifigkeit von der Probenbreite zu erhalten. Allerdings passen solche Proben in keine Standard Zugprüfmaschine. Daher wurde eine Triax CFRS Probe mit 70 mm Breite ausgewählt und mit den FE Untersuchungen verglichen. In Abbildung 2-6 ist zu erkennen wie sich die Probe, trotz der großen Breite an den Ränder einschnürt. Die Hauptursachen hierfür sind, wie bereits oben erwähnt, die hohe Querkontraktion und die geringe Biegesteifigkeit der 90° Faserbündel.
3
FE Untersuchungen zum thermo-elastisches Verhalten
Bei der Untersuchung des thermo-elastischen Verhaltens an schmalen Triax CFRP Proben, konnte neben der Längsdehnung auch eine Verdrehung des Gewebes beobachtet werden. Die Kopplung von Dehnung und Drillung konnte sowohl bei dem FE Modell, welches mit Balkene-
351 lementen aufgebaut war, wie bei dem mit Solid Elementen gleicher Maßen festgestellt werden. Allerdings kommt dem Verbindungelement, welches bei dem Balkenmodell die Garne an den Überkreuzungspunkten verbindet ein besonderes Augenmerk zu.
Abbildung 3-1: Dehnungs-Drillkopplung des FE Modell von Triax CFRP
Abbildung 3-2: Thermische Dehnung in Längsrichtung des Triax CFRP mit Epoxidmatrix, bei Verwendung unterschiedlicher Verbindungselemente im FE Balkenmodell
Das Verbindungselement wirkt zwischen den Garnen im Kreuzungspunkt, wie ein Scherenheber. Wenn sich dieses unter thermischer Last ausdehnt, werden die Gare auseinandergedrückt und somit das Gewebe verkürzt. Daher bewirkt ein positiver CTE des Verbindungselements einen negativen CTE des Gewebes. Beim Vergleich mit den Meßergebnissen hat sich gezeigt, dass sich ein Ausdehnungskoeffizient von null, oder eine starre Verbindung an den Kreuzungspunkten die beste Übereinstimmung gezeigt. Die Verdrillung der Testproben unter thermischer Last wurden bereits in [6] festgestellt, konnte aber nicht endgültig geklärt werden. Die Richtung in die sich das Gewebe verdrillt, hängt allein von der Stelle ab, an welcher sich die Einspannung befindet. Die einzelnen Kreuzungspunkte der Faserbündel bilden jeweils ein unsymmetrisches Laminat, welches unter thermischer Last zu einer Verdrillung neigt. Je nachdem welche Faserorientierung die Kreuzungspunkte der Faserbündel an der Einspannung besitzen, in diese Richtung verdrillt sich die gesamte Probe.
4
Messung des thermischer Ausdehnungskoeffizient
Bei der Vermessung des CTE (Coefficient of thermal expansion) von dünnen Membranen, wie dem Triax CFRS und CFRP muss von den Standardproben abgewichen werden, da diese eine zu geringe Formstabilität aufweisen. Die Membran wird entweder zu einer zylindrischen Form aufgerollt oder die flache Membran wird in Streifen geschnitten und mittels einem Roving aus Aramid zusammengebunden[8]. Bei den Proben aus Triax CFRS und CFRP hat sich die gestapelte Probenform als die geeignetere erwiesen. Der charakteristische Verlauf des Wärmeausdehnungskoeffizienten in Abhängigkeit von der Temperatur ist in Abbildung 4-1 für das triaxiale Gewebe SK802 mit Silikonmatrix gezeigt. Es ist eine deutliche Änderung des thermischen Verhaltens unterhalb und oberhalb von –110°C zu
352 erkennen. In einer dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC) Messung konnte diese Temperatur der Glasübergangstemperatur (Tg) des Verbundes zugeordnet werden. Anhand der nichtlinearen Kurve wird klar, dass die weiche Silikonmatrix oberhalb ihres Tg trotz ihres hohen ?t keine signifikanten Spannungen, aufgrund ihrer geringen Steifigkeit, auf die C-Faser aufbringen kann, und somit den CTE des Verbundes nicht verändert. Im Falle einer steiferen Matrix oder dem Silikon unterhalb des Tg sind die Spannungen die von der Matrix ausgehen groß genug, um den Verbund signifikant zu verformen. Im Gegensatz zum thermischen Verhalten des Verbundes aus triaxialen Gewebe mit Silikon Matrix bleibt der Wärmeausdehnungskoeffizient mit einer Epoxidmatrix konstant im Bereich von ±150°C. Dies ist auch leicht einsichtig, da der Tg des Epoxids oberhalb des Temperaturbereichs liegt. Vergleicht man die Ergebnisse aus der CTE Messung für das Triax CFRP mit den FE Untersuchungen, stellt man eine gute Korrelation über den gesamten Temperaturbereich fest. Der Vergleich von den Simulationsergebnissen mit den Test Ergebnissen kann, im Fall der Silikonmatrix nur Abschnittsweise erfolgen, da sich die Eigenschaften des Silikons über den interessierenden Temperaturbereich stark ändern.
Abbildung 4-1: Verlauf des CTE von Triax CFRS in Abhängigkeit von der Temperatur (Triax SK802 / S 690 Silikon) [8]
5
Abbildung 4-2: Verlauf des CTE von Triax CFRP (Triax SK802 /Hexcel 913 Epoxy (CTE 2,35 E-06 1/K) [5]
Zusammenfassung
In dieser Arbeit wurden die charakteristischen Eigenschaften des Faserverbunds Triax CFRS und Triax CFRP gezeigt und die wesentlichen Eigenschaftsänderungen beim Übergang von einer steifen zu einer sehr weichen Matrix erklärt. Es konnte gezeigt werden, dass bei der Bestimmung der Materialkennwerte an dünnen Proben, insbesondere bei Verwendung von weichen Matrixsystemen von den Standardprobengeometrien abgewichen werden muss. Mit Hilfe von finiten Element Analysen konnte gezeigt werden, dass sich das komplexe mechanische und thermo-elastische Verhalten des Verbundes Triax CFRS und CFRP vorhersagen lassen.
353
6 [1]
Literatur
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354
Nicht-thermisch härtende Kohlestofffaser-Kompositmaterialien auf Basis von Epoxidharzen F. Wolff-Fabris, V. Altstädt Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe, Universität Bayreuth, Bayreuth
1
Einführung
Faserverstärkte Kunststoffe weisen gegenüber ihren Konkurrenzwerkstoffen eine Vielzahl von technischen Vorteilen auf. Primäre Merkmale von faserverstärkten Kunstoffen sind eine hohe Festigkeit und Steifigkeit in Kombination mit einer geringen Dichte. Diese Eigenschaftskombination der Materialklasse der Faserverbundwerkstoffe macht sie vor allem für Strukturanwendungen interessant, bei denen ein hohes mechanisches Eigenschaftsniveau bei gleichzeitigem niedrigem Gewicht gefragt ist. Trotz ihrer einzigartigen Werkstoffeigenschaften besteht weiterhin Entwicklungsbedarf hinsichtlich wirtschaftlich einsetzbarer und verarbeitbarer Materialien. So besteht in der Luftfahrtindustrie die Notwendigkeit die Fertigungskosten im Bereich der tragenden Faserverbundstrukturen deutlich zu reduzieren. Hierzu gehören neben den vergleichsweise hohen Werkstoffkosten – insbesondere die der Kohlenstofffasern – auch die hohen Kosten, die durch die Verarbeitungstechnik und die Härtungsverfahren verursacht werden. Insbesondere im Bereich der Luft- und Raumfahrt treten die Kosten bei der Materialwahl immer mehr in den Vordergrund. Gesucht werden dementsprechend insbesondere Werkstoffalternativen, die in Verbindung mit neuen Verarbeitungsprozessen und Fertigungsverfahren ein konstant hohes Eigenschaftsniveau erreichen. Stand der Technik ist die thermische Härtung von Faserverbundbauteilen in Autoklaven. Die Autoklavtechnik führt jedoch zu hohen Prozesskosten und zu einer Limitierung der Bauteilgrößen auf die Größe des vorhandenen Autoklaven. Die thermische Härtung ist zeit- und kostenintensiv. Dies führt ebenso zu hohen Fertigungskosten. Insbesondere im Bereich der Fertigungsverfahren verspricht man sich daher ein hohes Potential der Kostensenkung durch ein nicht-thermisches, autoklavfreies Härtungsverfahren mit stark verkürzten Härtungszeiten. Auf technischer Ebene stellt die Elektronenstrahlhärtung von Faserverbundwerkstoffen die aussichtsreichste Möglichkeit dar Faserverbundbauteile nichtthermisch, autoklavfrei und mit kurzen Taktzeiten zu härten. Aufgrund dieses Potentials verspricht man sich durch die Elektronenstrahlhärtung von Faserverbundbauteilen eine Senkung der Fertigungszeiten und Verkürzung der Fertigungszeiten. Nach dem momentanen Stand der Technik bedarf es im Bereich der Elektronenstrahlhärtung allerdings noch intensiver Forschung und technologischer Weiterentwicklungen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Überblick über dieses innovative Herstellungsverfahren bezüglich neuer Initiatoren und Schlagzähmodifier zu geben und grundlegende Zusammenhänge zwischen Material und Prozessparametern und den daraus folgenden StrukturEigenschaftsbeziehungen elektronenstrahlvernetzter Epoxidharze aufzuzeigen.
355
2
Strahlenchemische Härtung von Epoxidharzen
Die Gruppe der Epoxidharze ist aufgrund ihrer hervorragenden mechanischen und thermischen Eigenschaften die wichtigste Duromerklasse im Bereich der Hochleistungsfaserverbundwerkstoffe. Das dreidimensionale Netzwerk wird während der Härtung durch ringöffnende Polymerisation über Epoxidgruppen aufgebaut. Die Netzwerkbildung der Harze kann durch verschiedene Verfahren erreicht werden. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen: • chemischer Härtung: stöchiometrische, katalytische und thermische Härtung und • Strahlenhärtungsverfahren (UV-Härtung, EB-Härtung). Stand der Technik im Bereich der Faserverbundwerkstoffe sind thermisch härtende aminvernetzende Systeme. Im Unterschied zum Stufenmechanismus der thermischen Reaktion verläuft die strahlenchemisch induzierte Vernetzung von Epoxidharzen (mittels der Einwirkung eines Photoinitiators) nach einem Kettenmechanismus ab. Epoxidharze werden nach einem kationischen oder kombiniert kationischen und radikalischen Kettenmechanismus vernetzt. Dieser Mechanismus wird im Gegensatz zur photoinduzierten radikalischen Vernetzung nicht durch Sauerstoff inhibiert. Die kationischen Polymerisationen werden über Initiatoren mit elektronendonierenden Monomeren gestartet. Kationische Polymerisationen sind „Kettenreaktionen“ und verlaufen daher mit einer hohen Geschwindigkeit. Das wachsende Makrokation reagiert im Wachstumsschritt nur mit Monomeren unter Kettenverlängerung. Die Geschwindigkeit dieser Reaktion wird maßgeblich durch die Wechselwirkung zwischen dem ionischen Kettenende und dem jeweiligen Gegenion bestimmt. Die hohe Reaktionsgeschwindigkeit der elektronenstrahlinduzierten Vernetzungsreaktion bedingt ein frühes Erreichen des Gelpunktes. Die mangelnde thermische Energie und die aufgrund des Kettenmechanismus gebildeten Makromoleküle führen zu einem schnellen Viskositätsanstieg und somit zu einer frühen Diffusionsbehinderung. Im Gegensatz zur thermischen Härtung gibt es in der Literatur noch keine Angabe zum Viskositätsverlauf während der Elektronenstrahlhärtung. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der oben beschriebene Effekt im Allgemeinen zu niedrigeren Vernetzungsgraden als im Falle der thermischen Härtung führt und die Verarbeitung erschwert. Die Vernetzungsreaktion erfolgt über folgende drei Reaktionsstufen [1]: A) Generierung der Brønsted-Säure. Zur Initiierung der Polymerisation ist es notwendig ausgehend von den Photoinitiatoren, eine Brønstedsäure mittels Energieeinwirkung zu bilden. Die Bildung der Brønsted-Säure ist der eigentliche Teil der Elektronenstahlhärtung, da nur für diese Teilreaktion die Bestrahlung des Systems mit Elektronenstrahlen notwendig ist. Alle weiteren Reaktionsschritte verlaufen theoretisch unabhängig von der Strahlung. In Abbildung 1 ist der Reaktionsmechanismus zur Bildung der Brønsted-Säure dargestellt. B) Initiierung der ringöffnenden Polymerisation. Kationische Polymerisationen werden durch Reaktion elektrophiler Initiatoren mit elektronendonierenden Monomeren gestartet. Als elektrophiler Initiator fungiert im Falle der Elektronenstrahlhärtung von Epoxidharzen die gebildete Brønsted-Säure. Sie ist somit der eigentliche Initiator für die kationische Vernetzung. Das aktive Wasserstoffion der Brønstedsäure lagert
356 sich an die Epoxidgruppe an und startet so die ringöffnende Polymerisation. Abbildung 2 zeigt den schematischen Reaktionsverlauf der Vernetzungsinitiierung.
Abbildung 1: Bildung der Brønsted-Säure
Abbildung 2: Vernetzungsinitiierung
C) Kettenwachstum und Abbruchreaktion. Kationische Polymerisationen wurden im einfachsten Falle durch wiederholte Anlagerung von Makromolekülen an Carbokationen bzw. Onium-Ionen unter Erhalt des ionischen Charakters fortgepflanzt. Die Reaktion des Netzwerkwachstums ist in Abbildung 3 dargestellt. Kationische Polymerisationen zeichnen sich durch eine Vielzahl von Abbruch- und Übertragungsreaktionen aus. Eine der wichtigsten Abbruchreaktionen resultiert aus den Wechselwirkungen zwischen der wachsenden Polymerkette und Wasser oder Alkoholen. Beide Verunreinigungen wirken aufgrund ihrer Hydroxylgruppen (R-OH) als Kettenabbrecher. Die Abbruchreaktion ist in Abbildung 4 dargestellt.
Abbildung 3: Netzwerkwachstum
Abbildung 4: Abbruchreaktion
Die Elektronenstrahlhärtung ist ein nicht-thermischer, autoklavfreier Prozess von dem man sich folgende Vorteile gegenüber der Autoklavtechnik verspricht [2-4]:
357 • Die geringere Vernetzungszeit und der Wegfall der Autoklavtechnik versprechen im Vergleich zur thermischen Härtung eine Reduzierung der Prozesskosten. In der Literatur werden im Allgemeinen Kosteneinsparungspotentiale von 10 – 40 % angegeben. • Die autoklavfreie Härtung ermöglicht es größere Bauteile zu fertigen, da die Bauteilgröße nicht durch die Größe des Autoklaven limitiert wird, sondern nur durch die Größe der Wagen, die die Bauteile durch die Elektronenstrahlanlage transportieren. Die Vergrößerung der Transportwägen ist kostengünstiger als das Upscalen eines Autoklaven. • Die Härtung ist von den sonst benötigten höheren Temperaturen unabhängig, so dass eine Härtung schon bei Raumtemperatur möglich ist. Das Bauteil erfährt so eine geringere thermische Belastung, wodurch die thermisch induzierten Eigenspannungen im Bauteil reduziert werden. Die Härtung bei Raumtemperatur ermöglicht außerdem den Einsatz von preisgünstigen Formmaterialien wie Holz oder Kunststoff. • Lange Topf- und Lagerzeiten bei Raumtemperatur.
3
Initiatoren für die Elektronenstrahlhärtung von Epoxidharzen
Die Aushärtegeschwindigkeit bei der Herstellung von Faserverbundwerkstoffen wird in vielen Prozessen immer wichtiger. Bei der Entwicklung von Materialien ist es oftmals wünschenswert, dass das System möglichst schnell polymerisiert, um hohe Produktionsgeschwindigkeiten bzw. kurze Taktzeiten zu ermöglichen. Bei der Polymerisation kommt den Initiatoren, die die Aushärtungsreaktionen starten, daher eine besondere Bedeutung zu. So sollen Initiatoren bei Raumtemperatur einsetzbar sein sowie eine schnelle Aushärtung bewirken und dennoch die mechanischen Eigenschaften der Produkte nicht negativ beeinflussen. Zudem sollten die Initiatoren dabei noch gewisse Anforderungen, wie gute Löslichkeit im Monomer und Lagerstabilität erfüllen. Die wichtigsten Initiatoren für die kationische EB-Härtung sind Sulfonium- oder Iodoniumsalze. Einerseits ist die Reaktivität der Iodoniumsalze größer als die der Sulfoniumsalze [5], andererseits ist die thermische Stabilität der Sulfoniumsalze höher als die der Iodoniumsalze. Da diese kommerziell verfügbaren Initiatoren äußerst kostenintensiv sind, kommt der Entwicklung neuer Photoinitiator-Systeme für die kationische Polymerisation große Bedeutung zu. Im Rahmen des BMBF-geforderten Projektes 03X3005 „Nicht-thermische härtende Matrixharze“ [6,7] zeigte sich, dass Initiatoren der allgemeinen Formel (I) {[M(L)a]Xb}n(I) (mit M = Metallkation, L = Ligand, X = Gegenion) die Anforderungen der an sie gestellten Aufgaben erfüllen. Wird Hexafluoroantimonat SbF6 als Gegenion verwendet, so wird HSbF6 als extrem starke Säure generiert, die kationische Polymerisationsprozesse initiieren kann. Außerdem wurde im Fall von AgSbF6 eine signifikante Härtung von Epoxidharzen beobachtet. Zur Untersuchung der Initiatoraktivitäten wurde das Epoxidharz DEN 431, Dow Chemicals, herangezogen. Die Proben wurden mit einer Gesamtdosis von 132 kGy bei einer Elektronenenergie von 10 MeV ausgehärtet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Hohe Vernetzungsgrade von 91 bis 99 % bei niedrigen Initiatorgehalten von 1 Gew. % wurden ermittelt. Mit dem Iodoniumsalzinitiator wurden hohe Werte um 97 % erhalten, die auch
358 mit dem 1,7-Octadienkomplex {[Ag(1,7-Octadien)1.5]SbF6}n erreicht werden konnten. Formulierungen mit 1 % Rhodorsil erreichen höhere Tg’s als vergleichbare Systeme mit Silberinitiatoren, allerdings sind die Eigenschaften der Systeme Epoxidharze / Silbersalze geeignet für Luftfahrtanwendungen. Außerdem zeigen die Untersuchungen zur Lagerstabilität von Epoxidharzformulierungen mit den Silberinitiatoren immer deutlicher, dass sie als echte Einkomponentensysteme gehandhabt werden können, sofern sie unter Lichtausschluss gelagert werden. Mit einigen Systemen wurden Topfzeiten von über 360 Tagen erreicht. Tabelle 1: Elektronenstrahlhärtung von Epoxidharze mit Silberalkenkomplexen als Initiatoren. Initiator (1 Gew. %)
Vernetzungsgrad (%)* Tg (°C) **
[Ag(cycloheptatrien)2]SbF6
93.6
182
[Ag(cyclohexen)2]SbF6
91.1
185
[Ag(1,7-octadien)2]SbF6
99.2
184
Rhodorsil 2074, Rhodia, (Iodonium-salz)
96.4
205
* Mittels FT-IR aus der Abnahme der Fläche unterhalb der Epoxidbande (915 cm-1) ermittelt. ** Tg = tan delta peak; Mittels DMA ermittelt.
Wird beispielsweise AgSbF6 mit 1,7-Octadien umgesetzt, so wird vorzugsweise {[Ag(1,7Octadien)1.5]SbF6}, ein Koordinationspolymer mit beispielsweise eindimensionaler Kettenstruktur, in dem die Silberzentren bevorzugt abwechselnd durch ein oder zwei Moleküle 1,7Octadien verbrückt sind, wie in Abbildung 5 dargestellt.
Abbildung 5: Struktur von {[Ag(1,7-Octadien)1.5]SbF6}
4
Schlagzähigkeit
Unmodifizierte gehärtete Polymere mit hohen Vernetzungsdichten und damit hohen Glasübergangstemperaturen sind spröde [8]. Für strukturelle Anwendungen muss ihre Bruchzähigkeit deutlich erhöht werden, was durch Zugabe unterschiedlicher Modifier realisiert werden kann. Die Zähelastifizierung hat in den letzten Jahren diverse Entwicklungsstadien durchlaufen. Allgemein erfordert die Schlagzähmodifizierung eine separate zweite Phase. Diese kann entweder vorgebildet sein oder muss sich durch Phasenseparation während der Härtungsreaktion herausbilden. Bei der Zähmodifizierung von Epoxidharzen unterscheidet man prinzipiell zwischen
359 zwei Vorgehensweisen: der Modifizierung durch elastomere Additive und der Thermoplastmodifizierung. Im Bereich der Elastomeradditivierung erfolgten Modifizierungen durch Zugabe kommerziell verfügbarer Core-Shell-Partikel [8]. Dieser Ansatz erweist sich als effektiv für Epoxidharze mit niedriger Vernetzungsdichte. Aufgrund deren niedrigen Glasübergangstemperatur kam diese Methode bislang in Hochleistungen-Kompositen allerdings nicht zum Einsatz. Die thermoplastische Modifizierung der thermisch härtenden Epoxidharze wird seit Anfang der 80er Jahre in der Literatur beschrieben, wobei eine Modifizierung durch Zugabe kommerziell verfügbarer Hochtemperaturthermoplaste (Polyethersulfon) erfolgte [9]. Über den Einsatz dieses Schlagzähmodifiers in Epoxidharzen oder anderen Reinharzsystemen in Verbindung mit Elektronenstrahlhärtung ist bislang nur wenig bekannt [10]. Im Verlauf der Forschung zu elektronenstrahlhärtenden Epoxidharzen wurde speziell der Einfluss von Polysulfon als Modifier untersucht. Der thermoplastische Modifikator zeigte einen guten Toughening-Effekt, allerdings etwas weniger ausgeprägt als in thermisch härtenden Epoxidharzsystemen. Ähnliche Ergebnisse wurden durch die Modifizierung von Epoxidharzen mit dem Block-copolymer IBMA (isobornylmethacrylat) / HEMA (2-hydroyethylmethacrylat) erzielt [11]. Die Bruchoberflächen der thermisch und elektronenstrahlgehärteten Systeme sind in Abbildung 6 dargestellt. a)
b)
Abbildung 6: Bruchoberfläche vom System Epoxidharz + 15 Gew. % IBMA/HEMA: a) thermisch ausgehärtet; b) EB ausgehärtet.
Abbildung 6 zeigt, dass der Mechanismus der Phasenseparation (wie er bei thermisch härtenden Polymeren auftritt) bei der Strahlenhärtung behindert wird. Es ist anzunehmen, dass es für die Schlagzähmodifizierung strahlenhärtender Harze erforderlich ist, die zähigkeitssichernde Morphologie bereits vor der Strahlenhärtung auszubilden und sicherzustellen, dass diese während der Strahlenhärtung stabil bleibt.
5 [1] [2] [3]
Literatur H.-G. Elias, Makromoleküle - Hüthig & Wepf Verlag Basel 1999, Band 1,5. Auflage. A.J. Berejka, Radiation Physics and Chemistry 2002, 63, 551. V.J. Berejka, Radiation Physics and Chemistry 1999, 56, 405.
360 [4] [5] [6]
A. Singh, Radiation Physics and Chemistry 1996, 48, 153. L. Fengmei, Radiation Physics and Chemistry 2002, 63, 557. E. Barriau, U. Schmidt-Freytag, M. Roth, J. Gehring, N. Simon, F. Wolff-Fabris, V. Altstaedt, M. Döring, U. Arnold, Macromolecules 2008, 41, 3779. [7] M. Döring, U. Arnold, M. Roth, E. Barriau, U. Schmidt-Freytag, V. Altstädt, F. WolffFabris, J. Sandler, WO 2008/064959, 2008. [8] J.W. Burgess, B.S. Hayes, J.C. Seferis, in Proceedings International Sampe Technical Conference 2000, 32, 744. [9] C.B. Bucknall, I.K. Partridge, Polymer 1983, 24, 639. [10] S. Alessi, C. Dispenza, G. Spadaro, Macromol. Symp. 2007, 247, 238. [11] A.A. Baidak, B.N. Servais, J.-M. Ch. Liégeois, in Proceedings International Sampe Technical Conference 2001.
361
Untersuchungen zum Verhalten von langfaserverstärkten Thermoplasten unter mechanischer Beanspruchung M. Grigo, K.A. Weidenmann, P. Elsner Institut für Werkstoffkunde 1, Universität Karlsruhe (TH), Karlsruhe
1
Einführung
Im Kontext gestiegener Energiekosten und erhöhten Umweltbewusstseins werden neue Materialien benötigt, welche das bewegte Fahrzeuggewicht senken. Hierdurch kann die Motorleistung und der Kraftstoffverbrauch gesenkt werden. Faserverstärkte Kunststoffe können hierbei eine große Rolle spielen. Die geringe Dichte der Matrix, vereint mit der hohen Festigkeit der Faser führt zu einem leistungsfähigen Werkstoff. Bisher wurden hauptsächlich nicht lasttragende Elemente, wie Verkleidungen, aus Kunststoffen gefertigt. Die Entwicklung neuer polymerer Werkstoffsysteme soll deren Einsatz auch in Strukturbauteilen ermöglichen, wozu jedoch eine genaue Kenntnis der Eigenschaften sowie deren Reproduzierbarkeit erforderlich sind. Die in dieser Arbeit untersuchten glasfaserverstärkten Thermoplaste wurden im so genannten Direktverfahren (LFT-D-ILC) vom Fraunhofer Institut für Chemische Technologie in Pfinztal hergestellt. Beim LFT-D-ILC Prozess werden die Fasern direkt dem aufgeschmolzenen Polymer im Extruder zugeführt (vgl. Bild 1). Vorteil dieses Verfahrens ist die Umgehung des Halbzeuges und der damit verbundenen mehrmaligen Erwärmung der Kunststoffmatrix. Dies reduziert die Fertigungskosten und die Werkstoffbelastung [1]. Während der LFT-D Prozess für Polypropylen bereits den Stand der Technik darstellt, gibt es für Polyamid noch keine angepassten Rezepturen. Ziel ist es jedoch, diesen Werkstoff als belastbares Leichtbaumaterial zu etablieren. Hierzu wird dessen Potential anhand einer kostenoptimierten Variante aufgezeigt.
Bild 1: Schema LFT-D-ILC Prozess [2].
362 Bei den hier untersuchten Materialien wurden die zugeführten Glasfasern vor dem Eintritt in den Extruder geschnitten. Alternativ kann ein Endlosfasereinzug verwendet werden, wobei die Fasern erst in der Extruderschnecke an den Schneidkanten gebrochen werden. Das Vorschneiden der Fasern erfolgte auf eine Länge von 12 mm mit dem Ziel eine gleichmäßigere Faserlängenverteilung im Werkstoff zu erreichen als dies mit Endloseinzug möglich wäre. Die tatsächlich vorliegende Faserlängenverteilung ist noch Gegenstand aktueller Untersuchungen. Zur Charakterisierung der Materialien wurden in dieser Arbeit zunächst quasistatische und zyklische Prüfungen durchgeführt. Die Detektion der Schädigungsentwicklung in PP/GF30 während einer Zugbeanspruchung erfolgte durch Zugversuche, welche durch wiederholte Entlastungen unterbrochen wurden. Zur Stabilisierung mikroplastischer Vorgänge werden die Entlastungen mehrfach durchgeführt. Als Maß für die innere Schädigung des Werkstoffes kann dann die Abnahme der Steifigkeit mit zunehmender mechanischer Belastung herangezogen werden [3].
2
Experimentelles
2.1
Versuchswerkstoffe und Probengeometrie
Es wurden zwei verschiedene Werkstoffe untersucht: zum einen Polypropylen (Copolymer C711-70RNA von DOW), das mit 30 Gew.-% Glasfasern (JM473A), verstärkt wurde (PP/ GF30), sowie Polyamid66 (Ultramid A3W von BASF), verstärkt mit 40 Gew.-% Glasfasern (JM858H) (PA/GF40). Die Fasern wurden von der Firma Johns Manville bezogen und waren mit einer zur jeweiligen Matrix passenden Schlichte versehen. Die Probenentnahme aus den Platten erfolgte so, dass die Faserorientierung vorrangig in Belastungsrichtung lag. Quasistatische Zugversuche und zyklische Versuche wurden an Schulterstäben gemäß Bild 2, Entlastungsversuche an Rechteckstäben 25 x 220 mm² durchgeführt. Die Probendicke betrug jeweils 4 mm.
Bild 2: Probengeometrien für zyklische Versuche.
363 2.2
Versuchsdurchführung
Sowohl die quasistatischen Versuche als auch die Entlastungsversuche wurden an einer Universalprüfmaschine der Firma Zwick durchgeführt. Die Dehnrate während der Belastung betrug 0,016/s. Die Ent- und Belastungszyklen wurden mit der fünffachen Geschwindigkeit gefahren. Während bei den quasistatischen Versuchen die Dehnung mittels Dehnmessstreifen ermittelt wurde, kam bei den Entlastungsversuchen das optische Dehnungsmesssystem ARAMIS zum Einsatz. Bei den durch zyklische Entlastungen unterbrochenen Zugversuchen wurden im Bereich der zu erwartenden Zugkurve fünf Spannungshorizonte gewählt. Zwischen 30 % und 70 % dieser Spannungswerte folgten fünf wegkontrollierte Entlastungszyklen. Zyklische Lebensdaueruntersuchungen mit einer Frequenz von f = 25 Hz sowie einem Lastverhältnis von R = 0,1 erfolgten an einer servohydraulischen Prüfmaschine. Nach Erreichen von fünf Millionen Lastspielen wurden die Versuche abgebrochen, sofern die Probe bis zu diesem Punkt nicht gebrochen war.
3
Ergebnisse
3.1
Quasistatische Zugversuche
Bild 3 stellt die Zugkurven der beiden untersuchten Materialien gegenüber. PA/GF40 erreicht höhere Festigkeits- sowie Steifigkeitskennwerte, wobei jedoch die Streuung der Kennwerte höher ist. Dies ist wahrscheinlich auf unerwünschte Kristallisationseffekte an den Fasern zurückzuführen, die bei der Herstellung von PA/GF40 noch auftreten.
Bild 3: Zugkurven an PP/GF30 und PA/GF40.
364 3.2
Entlastungsversuche
Zur Ermittlung der Steifigkeitsabnahme durch innere Schädigung wurden Entlastungsversuche durchgeführt. In Bild 4 ist exemplarisch ein Versuch dargestellt. Die Steifigkeitswerte des jeweils letzten Entlastungszyklus sind in Bild 5 dargestellt.
Bild 4: Durch zyklische Entlastungen unterbrochener Zugversuch an PP/GF30.
3.3
Bild 5: Abnahme des Entlastungsmoduls.
Zyklische Versuche
Bild 6 zeigt die Ergebnisse der Ermüdungsversuche. Für eine Erlebenswahrscheinlichkeit von 50 % ergeben sich Dauerfestigkeitskennwerte (RD, 5E6) von 12,5 MPa für PP/GF30 bzw. 22,125 MPa für PA/GF40.
Bild 6: Wöhlerlinien von PP/GF30 und PA/GF40.
365 Nach den zyklischen Versuchen wurden einige Proben im Rasterelektronenmikroskop untersucht. Bild 7 und Bild 8 zeigen vergleichend einige Aufnahmen der Bruchflächen. Die Matrix von PP/GF30 zeigt gegenüber der von PA/GF40 ein eher duktiles Verhalten. Die aus der Bruchfläche herausstehenden Fasern sind bei PA/GF40 kürzer, was für eine bessere Anbindung an die umgebende Matrix spricht.
Bild 7: Bruchbild nach einer zyklischen Belastung von PP/GF30.
Bild 8: Bruchbild nach einer zyklischen Belastung von PA/GF4.
3.4
Restfestigkeitsuntersuchungen
Einige Proben, die die Lastspielzahl von fünf Millionen Zyklen erreichten, wurden anschließend einem Zugversuch unterzogen, die Ergebnisse sind in Tabelle 1 und Bild 9 dargestellt. Während Bruchdehnung und auch geringfügig die Zugfestigkeit abnehmen, nimmt der Sekantenmodul zwischen 0 und 1 % Totaldehnung im Vergleich zum nicht vorher zyklisch belasteten Material zu.
366 Tabelle 1: Kennwerte der quasistatischen Zugversuche. Werkstoffzustand
Bruchdehnung [%] Zugfestigkeit [MPa]
Sekantenmodul [GPa]
PP/GF30 Anlieferung
1,45±0,05
74,5±3
5,6±0,13
PP/GF30 Restfestigkeit
1,33±0,01
72,7±3,7
5,9±0,27
PA/GF40 Anlieferung
1,92±0,36
167,5±6,2
10,5±1,1
PA/GF40 Restfestigkeit
1,57±0,16
155,5±16,2
11,3±0,9
Bild 9: Zugkurve vor und nach zyklischer Belastung von PP/GF30 und PA/GF40.
4
Zusammenfassung und Diskussion
Die vorliegenden Untersuchungen stellen einen Werkstoff vor, der Potenzial für die Anwendung im Fahrzeugleichtbau hat. Die Zugfestigkeiten eines handelsüblichen PP liegen bei 25 MPa, die von PA bei 63 MPa [5]. Diese können durch die Verstärkung mit Glasfasern nach Tabelle 1 auf 74,5 MPa bzw. 167,5 MPa gesteigert werden. Vergleicht man diese spezifischen Dauerfestigkeitswerte mit denen schon im Fahrzeugleichtbau eingesetzter metallischer Werkstoffe wie beispielsweise die der Legierung EN AW-6060 (Wärmebehandlungszustand T4) [4], so werden mit den untersuchten Polymerverbundwerkstoffen vergleichbare Werte erreicht. Jedoch ist zu beachten, dass die Werte für EN AW-6060 bei einem Lastverhältnis von R = –1 ermittelt wurden, weshalb in Tabelle 2 die Oberspannungen der Dauerschwingversuche gegenübergestellt werden. Ein Mittelspannungseinfluss ist bei diesem Vergleich somit nicht berücksichtigt. Da sich die in den Versuchen an PP/GF30 und PA/GF40 angelegte positive Mittel-
367 spannung zusätzlich schädigend auswirkt, stellt der Vergleich eher konservative Abschätzung dar. Tabelle 2: Kennwerte im Dauerschwingversuch verschiedener Leichtbaumaterialien. Werkstoff
PP/GF30
PA/GF40
Al6060T4
Wechselfestigkeitsoberspannung im Dauerschwingversuch [MPa]
27,7
49,2
80
spezifisch [100*MPa/kg*m3]
2,5
3,4
2,9
Der Vergleich der Zugkennwerte vor und nach einer zyklischen Belastung bringt keinen Einblick in die Schädigungsentwicklung, da die Streuung zwischen den verschiedenen Proben die Schädigungseinflüsse einzelner Proben überdeckt. Bei den zyklischen Versuchen werden durch die geringen Spannungen auch nur sehr kleine Deformationen erzeugt, deren Schädigungseinfluss auf diese Weise nicht detektierbar ist. Aussagekräftiger ist hierfür ein durch zyklische Entlastungen unterbrochener Zugversuch, wie er in dieser Arbeit durchgeführt wurde. Durch die mehrfache Entlastung bei verschiedenen Deformationsgraden an derselben Probe kann eine fortschreitende Abnahme der Steifigkeit jedoch dargestellt werden.
5
Danksagung
Diese Arbeit wurde innerhalb des Kompetenzzentrums Fahrzeugleichtbau, einer Kooperation der Fraunhofer Gesellschaft, der Universität Karlsruhe (TH) sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt durchgeführt.
6 [1] [2] [3] [4] [5]
Literatur F. Henning, O. Geiger. R. Brüssel. H. Ernst, Kunststoffe, März 2005, 118–122. S. Tröster, Materialentwicklung und –charakterisierung für thermoplastische Faserverbundwerkstoffe im Direktverfahren, Dissertation 2003. P.B. Prangnell, Acta metal. mater. 1994 Vol 42 No 10. T. Schwind, K.A. Weidenmann, E. Kerscher, K.-H. Lang, D.Löhe, Werkstoffprüfung, 2006 24, 325–332. P. Eyerer, P. Elsner, T. Hirth, Domininghaus – Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften, 2005, 550, 942.
368
Vorhersage des Langzeitverhaltens kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe (CFK) aus dem Kurzzeitverhalten unter Zugbelastung anhand des Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzips Johannes Wolfrum Wehrwissenschaftliches Institut für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe, Erding
1
Einführung
Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) werden aufgrund ihrer hervorragenden Leichtbaueigenschaften in zunehmendem Maße insbesondere im Flugzeugbau eingesetzt. Sie ermöglichen die Realisierung von sehr großen Bauteilen/Komponenten, (integrale Bauweise) die im Laufe der Nutzung nur schwer und mit hohem Kostenaufwand ersetzbar sind. Die Vorhersage des Langzeitverhaltens unter Einsatzbedingungen des jeweiligen Werkstofftyps ist daher von großer Bedeutung, aber über eine direkte experimentelle Ermittlung sehr zeit- und kostenintensiv. In den vergangenen Jahren wurden auf der Basis bekannter Methoden, wie das Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzips und des Prinzips der linearen Schadensakkumulation beschleunigte Verfahren zur Charakterisierung des Langzeitverhaltens von FKV entwickelt (Bild 1). Die Autoren um Miyano und Nakada konnten anhand zahlreicher Veröffentlichungen zeigen, dass relativ wenige Versuche mit quasi statischer und schwingender Belastung ausreichen sollten, um einen umfassenden Überblick über das mechanische Verhalten eines FKV für beliebige Belastungsniveaus, Belastungsgeschwindigkeiten und Temperaturen zu erhalten [1–7]. Die angewandte Methode beruht auf vier wesentlichen Annahmen: • Gleiches Versagensverhalten bei statischer Kurz-, Langzeit- und bei Ermüdungsbelastung • Anwendbarkeit des Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzips für alle Lastfälle • Anwendbarkeit des Prinzips der linearen Schadensakkumulation bei Ermüdungsbelastung • Linearer Zusammenhang zwischen der Ermüdungsfestigkeit und dem Spannungsverhältnis R Aufgrund der Vielfalt verfügbarer Komponenten für FKV kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass im Einzelfall alle diese Annahmen zutreffen. Eine generelle Anwendung dieser vielversprechenden Methode setzt umfassende Erfahrungen mit dieser im praktischen Einsatz voraus. In dieser Arbeit wurde daher ihre Anwendbarkeit für eine typische Hochleistungs-CFK-Type aus der Luftfahrt untersucht.
2
Durchgeführte Untersuchungen
Die Untersuchungen wurden an einem CFK mit dem Harzsystem RTM6 und dem Gewebe G0963 E01, beide von der Fa. Hexcel, mit dem Aufbau [+45/0/–45/90]S durchgeführt. Die Verarbeitung erfolgte im RTM-Verfahren. Es wurden Probekörpern mit den Abmessungen von ca. 300 mm x 30 mm x Laminat-Dicke gefertigt. An diesen Probekörpern wurden KurzzeitVersuche unter Zugbeanspruchung mit drei konstanten Prüfgeschwindigkeiten und fünf Tem-
369 peraturen und Ermüdungsversuche bei drei Temperaturen und einem konstanten R (Verhältnis Unter-/Oberspannung) durchgeführt (Tabelle 1).
T, T0: Temperatur, Referenz Temperatur f, f’: Frequenz, reduzierte Frequenz ts, tc, tf: Zeit bis zum Versagen: Zug-, Kriech- und Ermüdungsversuche ts’, tc’, tf’: reduzierte Zeit bis zum Versagen aT0 (T): Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktor R: Verhältnis Unter-/Oberspannung Nf: Anzahl der Lastwechsel bis zum Versagen Vs, Vc, Vf: Spannung: Zug-, Kriech- und Ermüdungsversuche Vf:0, Vf:1, Vf:0,5: Spannung: Ermüdungsversuche mit R =0, R =1 und R =0,5 Bild 1: Schema der Versuchsdurchführung und eine Liste der verwendeten Abkürzungen nach Miyano [1–7]
Aus den daraus erhaltenen Ergebnisse werden sog. „Master-Kurven“ für quasi-statische und dynamische Belastungen hergeleitet. Anhand dieser Kurven lässt sich das Ermüdungsverhalten für beliebige Lastniveaus und Temperaturen vorhersagen. Zur Verifikation der getroffenen Vorhersagen wurden Ermüdungsversuche mit R = 0,5, welches von dem für die Masterkurven zugrundegelegtem abweicht, und zusätzliche Kriechversuche durchgeführt (Tabelle 1). Die verschiedene Vorhersagen wurden dann diesen realen Messwerten wie z.B. Ergebnissen aus Ermüdungsversuchen oder Kriechversuchen gegenübergestellt.
370 Tabelle 1: Angewandte Prüfbedingungen
Prüfgeschwindigkeit Frequenz V [mm/min] f [Hz]
R [–]
Temperatur T [ °C]
0,01, 1, 100
–
–
50, 70, 90, 110, 130, 150
Zug-Ermüdungsversuch 1
1
0,05
70, 130, 150
Zug-Ermüdungsversuch 2
1
0,5
50
–
1
50, 70, 90, 110, 130
Zugversuch
Zug-Kriechversuch
3
Ergebnisse
3.1
Zugversuche
–
Bild 2 (links) zeigt die Zugfestigkeiten aus den Kurzzeitversuchen in Abhängigkeit von der Belastungszeit bei verschiedenen Temperaturen. Zur Ermittlung der Masterkurven (Bild 2, rechts) werden diese einzelnen Kurvenverläufe so lange entlang der logarithmischen Zeitachse verschoben, bis sie sich in den Anschlussbereichen überdecken (Zeit-Temperatur-Verschiebung, Gl. 1). Als Referenztemperatur T0 wurde 50 °C gewählt. Die Verschiebungsfaktoren sind in Bild 3 dargestellt. Diese haben eine gute Übereinstimmung mit zwei Arrhenius-Beziehungen basierend auf den Aktivierungsenergien von 'H1 = 230 kJ/mol und 'H2 = 420 kJ/mol: log aT 0 (T ) log
ts 'H § 1 1 ¨ t 's 2.303 G ¨© T T0
· ¸¸ ¹
mit: 'H: Aktivierungsenergie [kJ/mol]; G: Gaskonstante 8,314 x 10–3 [kJ/K mol]
Bild 2: Kurzzeit-Zugfestigkeiten (links), sowie die aus deren Überlagerung ermittelte Master-Kurve (rechts)
(1)
371
Bild 3: Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren
3.2 Kriechversuche Die Vorgehen bei der Vorhersage des Kriechverhaltens basiert auf der Annahme, dass die kontinuierliche Zunahme der Belastung im Zugversuch auch als eine Serie von Kriechbelastungen mit steigenden Lastniveau verstanden werden kann, Gl. 2. Dabei wird angenommen, dass der Werkstoff im Zugversuch einer kontinuierlich steigende Belastung V(t) über 0 d t d t* erfährt, wobei t* die Zeit zum Versagen unter der betrachteten Belastung ist. Das Prinzip der linearen Schadensakkumulation besagt:
dt
t*
³ t >V (t )@ 0
1
(2)
c
Wenn V(t) einer konstanten Spannung von V0 entspricht, dann impliziert Gl. 2, dass:
t * tc (V 0 )
(3)
In Bild 4 sind die aus Kurzzeitversuchen berechnete Master-Kurve (gestrichelte Kurve), die in Kriechversuchen bei verschiedenen Temperaturen durch Verschiebungsprinzip gemessenen Zeiten bis zum Versagen bei 50 °C (Symbole) und der für eine Temperatur von 50 °C aus den Masterkurven vorhergesagten gegenübergestellt. Die relativ gute Übereinstimmung zwischen der vorhergesagten Zeit bis zum Versagen und die experimentell bestimmten legt nahe, dass das Prinzip der linearen Schadensakkumulation in diesem Fall zuverlässig angewendet werden kann.
372
Bild 4: Aus Kurzzeitversuchen ermittelte Masterkurve (gestrichelte Linie), die gemessene Zeiten bis zum Versagen bei verschiedenen Temperaturen (Symbole) und die aus Kurzzeitversuchen vorhergesagten Zeiten bis zum Versagen (durchgezogene Linie)
3.3 Ermüdungsversuche Bild 5 zeigt die Ermüdungsfestigkeiten in Abhängigkeit von der erzielten Lastwechselzahl, die mit R = 0,05 gemessen wurden. Durch die Kombination der Master-Kurve aus den Zugversuchen und den Ermüdungsversuchen (aufgetragen über der Zeit bis zum Versagen) lässt die Ermüdungs-Master-Kurve darstellen, Bild 6.
Bild 5: Ergebnisse der Ermüdungsversuche
Diese Ermüdungs-Master-Kurve kann dazu verwendet werden, die Ermüdungsfestigkeit für das gegebene R für jede Temperatur, Frequenz und Lastniveau vorherzusagen. Um die ErmüdungsMaster-Kurve Vf:0 (tatsächlich entspricht R = 0,05 z 0) darzustellen, benötigt man die reduzierte Frequenz f´, Gl. 4, und die reduzierte Zeit t´f bis zum Versagen, Gl. 5.
373 f ' f aT 0 (T ) t' f
(4)
tf
Nf
aT 0 (T )
f'
(5)
Die gemessenen Ermüdungsfestigkeiten sind in Bild 6 (Symbole, verbunden mit gepunkteten Linien) nochmals in Abhängigkeit von der Zeit bis zum Versagen dargestellt. Durch Verbinden der Punkte mit einer identischen Anzahl von Lastwechseln bis zum Versagen Nf lassen sich die Ermüdungs-Master-Kurven für unterschiedliche Lastwechselzahlen in dieses Diagramm einzeichnen (Symbole, verbunden mit durchgezogenen Linien). Die Linie mit Nf = 1/2 (“halber” Lastwechsel) ist die Master-Kurve der Kurzzeit-Zugversuchsergebnisse mit konstanter Prüfgeschwindigkeit. Diese Ergebnisse können verwendet werden um das Ermüdungsverhalten für unterschiedliche Temperaturen, Frequenzen und Lastwechsel (Zeiten) bis zum Versagen Vorherzusagen.
Bild 6: Ermüdungs-Master-Kurve. Gestrichelte Linien: gemessene Ermüdungsfestigkeiten mit R = 0,05 bei 70 °C, 130 °C und 150 °C; durchgezogene Linien: Masterkurven für verschiedene Lastwechselzahlen mit R = 0,05
3.4
Vorsage der Ermüdungsfestigkeit bei abweichendem R-Verhältnis
Zur Vorhersage der Ermüdungsfestigkeit mit abweichendem R wird von Miyano et.al. der in Gl. 6 dargestellte lineare Zusammenhang zwischen der Ermüdungsfestigkeit und dem R-Verhältnis vorgeschlagen. Dabei wird eine Mittelwertkurve aus den anhand der Zugversuche vorhergesagten Zeiten bis zum Versagen unter Kriechbelastung (R = 1) und er anhand der Ermüdungsversuche vorhergesagte Zeiten bis zum Versagen (R = 0,05) berechnet:
V f (t f , f , R, T) V f :1(t f , f , T) RV f :0(t f , f , T) (1 R)
(6)
374 In Bild 7 sind die anhand der Zugversuche vorhergesagten Zeiten bis zum Versagen unter Kriechbelastung (R = 1), die anhand der Ermüdungsversuche vorhergesagte Ermüdungsfestigkeit (R = 0,05) für eine Temperatur von 50 °C und die nach Gl. 6 berechnete der Ermüdungsfestigkeit für eine Temperatur von 50 °C und ein R von 0,5 dargestellt. Im Fall von R = 0,5 muss nach Gl. 6 die Kurve exakt mittig zwischen den beiden Kurven für R = 1 und R = 0,05 liegen. Zur Verifikation der getroffenen Vorhersagen sind in Bild 7 zusätzlich Ergebnisse aus Ermüdungsversuchen mit einem R von 0,5 dargestellt. Diese Ergebnisse weisen eine gute Übereinstimmung mit den in Gl. 6 berechneten Ermüdungsfestigkeit auf.
4
Zusammenfassung
An einem quasiisotrop verstärkten CFK-Werkstoff wurden Kurzzeit-Zugversuche mit unterschiedlichen Prüfgeschwindigkeiten und Kriech-, sowie Ermüdungsversuche bei verschiedenen Temperaturen durchgeführt. Aus den Kurzzeit-Zugversuchen wurde eine Kriech-Master-Kurve berechnet. Aus der Zugversuchs-Master-Kurve und den Ergebnisse der Ermüdungsversuche wurden Ermüdungs-Master-Kurven für unterschiedliche Lastwechselzahlen erstellt, die es erlauben, das Ermüdungsverhalten für beliebige Lastniveaus und Temperaturen vorherzusagen. Zur Vorhersage des Ermüdungsverhaltens bei abweichendem R wurde ein Verfahren vorgestellt, welches auf einem linearen Zusammenhang zwischen der Ermüdungsfestigkeit und dem R basiert. Dadurch konnte auf der Basis bekannter Verfahren wie dem Zeit-TemperaturVerschiebungsprinzip und des Prinzips der linearen Schadensakkumulation, anhand relativ weniger Versuche einen umfassenden Überblick über das mechanische Verhalten eines typischen Hochleistungs-FKV für Luftfahrtanwendungen für beliebige Belastungsniveaus, Belastungsgeschwindigkeiten und Temperaturen gewonnen werden. Den Vorhersagen wurden teilweise reale Messergebnisse gegenübergestellt, wobei gute Übereinstimmung festgestellt wurde.
Bild 7: Vergleich der Vorhersage der Ermüdungsfestigkeit mit realen Messergebnissen bei abweichendem R-Verhältnis
375
5 [1]
[2] [3]
[4] [5] [6] [7]
Literatur Y. Miyano, M. K McMurray, J. Enyama, M. Nakada. Loading Rate and Temperature Dependence on Flexural Fatigue Behavior of a Satin Woven CFRP Laminate. J. of Composite Mat., Vol. 28, No. 13/1994, p. 1250–1260. Y. Miyano, M. Nakada, H. Kudoh, R. Muki. Prediction of Tensile Fatigue Life of Unidirectional CFRP. J. of Composite Mat., Vol. 34, No. 07/2000, p. 538–550. M. Nakada, Y. Miyano, M. Kinoshita, R. Koga, T. Okuya, R. Muki. Time-Temperature Dependence of Tensile Strength of Unidirectional CFRP. J. of Composite Mat., Vol. 36, No. 22/2002, p. 2567–2581 Y. Miyano, M. Nakada, N. Sekine. Accelerated testing for long-term durability of GFRP laminates for marine us. Composites Part B, Vol. 35B, 2004, p. 497–502. Y. Miyano, M. Nakada. Time and Temperature Depend Fatigue Strength for Three Directions of Unidirectional CFRP Experimental Mechanics, 2006, 46, p. 155–162. Y. Miyano, M. Nakada, K. Nishigaki. Prediction of long-term fatigue life of quasi-isotropic CFRP laminates for aircraft use.Int. J. of Fatigue 28 2006, p. 1217–1225. H. Cai, Y. Miyano, M. Nakada, S. K. Ha. Long-Term Fatigue Strength Prediction of CFRP Structure Based on Micromechanics of Failure. J. of Composite Mat., Vol. 42, No. 08/2008, p. 825–844.
376
Kosteneffiziente Leichtbaustrukturen aus nachwachsenden Rohstoffen R. Rinberg, W. Nendel, L. Kroll Technische Universität Chemnitz
K. Philipp Polytec Automotive GmbH&Co. KG, Geretsried
1
Einführung
Der Einsatz von naturfaserverstärkten Verbundwerkstoffen nimmt in vielen technischen Anwendungen stetig zu. Die Verwendung der technischen Naturfasern in Funktionsbauteilen mit großen Flächen und Stützweiten ist in ihrem einzigartigen Eigenschaftsspektrum und wirtschaftlichen Vorteilen begründet. Sie sind leicht und leistungsfähig, zu 100 % thermisch verwertbar und im Gesamtzyklus CO2-neutral, akustisch wirksam (dämmend) und weisen keine Splitter und scharfen Bruchkanten im Crash-Fall auf. Moderne Fertigung und kontinuierliche Prozessüberwachung gewährleisten die Langlebigkeit sowie lange Funktionstüchtigkeit naturfaserverstärkter Bauteile im automobilen Bereich [1, 2]. Hinsichtlich der Verarbeitung von Naturfasern mit Kunstoffen zu Bauteilen für technische Anwendungen ist jedoch festzustellen, dass die Potenziale konventioneller Verfahrenslösungen in Bezug auf eine signifikante Eigenschafts- und Wirtschaftlichkeitsverbesserung des Produktes nahezu erschöpft sind. Alternativer werden demgegenüber in der Entwicklung integrativer Bauteilherstellungsprozesse gesehen. Auf dem Gebiet der Fertigung automobiler Interieur-Bauteile konkurriert die seit Jahren etablierte Presstechnologie mit dem vergleichsweise neuen Mehrkomponenten-Spritzgießverfahren. Bei der Herstellung von Faserverbundbauteilen aus nachwachsenden Rohstoffen ist die Rohstoffbereitstellung und Halbzeugherstellung von entscheidender Bedeutung. Für die Entwicklung zukunftsweisender Konzepte ist dabei eine ganzheitliche Herangehensweise, die die komplette Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum Produkt betrachtet, von besonderem Interesse. Mit dem entwickelten Verfahren wird eine Vereinfachung des Gesamtprozesses der Herstellung von Bauteilen für das automobile Interieur auf der Basis von naturfaserverstärkten Verbundwerkstoffen bereitgestellt, wobei aufgrund einer nahezu 100 %-igen Verwertung der Pflanzenstängel im Vergleich zum klassischen Flachsfaserverbund ein deutlicher Kostenvorteil erzielt werden kann.
2
Neuartiges Technologiekonzept
Für die derzeit im automobilen Innenraum eingesetzten flachsfaserverstärkten technischen Bauteile wird vorwiegend die Faser, d.h. ca. 20–25 % der Flachs-Pflanze genutzt. Für den Rest, die sogenannten Schäben, gibt es im Automobilbau bisher kaum Anwendungsmöglichkeiten [3].
377 Um die reinen Fasern aus der Flachspflanze zu gewinnen, sollte die feste Bindung zwischen den Fasern und den Reststoffen aufgelöst werden. Zu diesem Zweck werden die vorher gerösteten Pflanzen einem arbeits- und energieintensiven Mehrstufenprozess zugeführt [4]. In diesem Prozessabschnitt setzt das neue Verfahren an. Der entwickelte Technologieansatz basiert auf der Verwendung von ungeröstetem Grünflachs. Durch die Unterbindung des Röstprozesses bleibt der naturgegebene Faser-SchäbenVerbund innerhalb der Flachspflanze erhalten und wirkt sich somit positiv bei der vollständigen Pflanzenverwertung dem Kfz-Innenverkleidungsteil aus.
Bild 1: Grünflachs. Standardrundballen mit paralleler Lage der Pflanzenstängel
Entsprechend dem entwickelten Verfahrenskonzept für die Aufbereitung und Halbzeugherstellung werden die Grünflachstängel von Feld geerntet und im lagerfähigen Zustand zu Standardrundballen gepresst (Bild 1). Diese Flachsballen werden bei der Weiterverarbeitung abgewickelt. Die Pflanzenstängel werden auf eine definierte Abschnittslänge gekürzt. Ferner werden die produzierten Stängelabschnitte einer Aufbereitungsanlage zugeführt und so aufgeschlossen, dass die unerwünschte Entholzung der Faser weitestgehend unterbunden wird.
Bild 2: Streueinrichtung für die Herstellung des Flachsstängelhalbzeugs
378 Interface Structure and Chemical Stability of Continuous Mo Wire Reinforced NiAl Composites Die Forderung nach einem rieselfreien Halbzeug wird durch den Einsatz von Abdeckmaterialien sowohl auf Natur- als auch Kunstfaserbasis umgesetzt. Das aufbereitete Stängelmaterial wird mittels einer speziell entwickelten Streueinrichtung (Bild 2) zu einer gleichmäßigen Schicht mit einem definierten Flächengewicht zwischen das untere und obere Abdeckmaterial gelegt und zur Fixiereinrichtung transportiert. Die Fixierung zu einem flächigen Halbzeug erfolgt nähwirktechnisch. Das fertige Halbzeug steht abschließend als Rolle für die Weiterverarbeitung im Presswerkzeug bereit [5]. Die vorkonfektionierten Halbzeugzuschnitte werden in einem weiteren Schritt vorgetrocknet und im Sprühverfahren mit dem Matrixharz versehen. Der Umformprozess zu einem tragfähigen Bauteilträger erfolgt in einer beheizbaren Presse, wobei heir das noch flüssige Harzsystem vollständig konsolidiert wird. Zur Kaschierung werden anschließend die bereits etablierten Kaschierverfahren, -anlagen und -materialen eingesetzt.
3
Neuartige Verbundbauteile für das automobile Interieur
In mehreren Versuchsreihen wurde das entwickelte Halbzeug hinsichtlich Umformvermögen, Verträglichkeit mit dem Matrixharz, erzielbarer mechanischer Kennwerte und Oberflächenqualität am Bauteil untersucht. Dabei wurden zahlreiche Bauteilträger verschiedener Ausführung hergestellt und anschließend kaschiert. Im Weiteren wurden die kaschierten Bauteile in einem Standard-Klimatest auf Maßhaltigkeit, Dickenquellung und Beständigkeit der Verbindung zwischen dem Rohträger und Kaschiermaterial geprüft. Daraus resultierte die Präzisierung der Anforderungen an die im Halbzeug eingesetzten Abdeckstoffe. Die erzielten Ergebnisse verweisen gesamtheitlich auf eine gute bis sehr gute Widerstandsfähigkeit gegen Einwirkung von Feuchte und Wärme.
Bild 3: Türverkleidungsträger (links Kunstfaserabdeckvlies, rechts Naturfasergewebe)
Tabelle 1 fasst die Ergebnisse der labortechnischen Untersuchungen zusammen. Insgesamt konnten gute mechanische Eigenschaften erzielt werden. Bei der Ermittlung des Biegemoduls der Türseitenverkleidung konnte selbst die geforderte Grenze von 3000 N/mm² erzielt bzw.
379 überstiegen werden. Die ermittelte Schlagzähigkeit überschreitet mit 20 kJ/m² den herkömmlichen Wert der Naturfaserwerkstoffe mit duromerer Matrix. Tabelle 1. Kennwert-Profil in Anlehnung an gängige Spezifikationen (entsprechende Obergrenzen in Klammern) Technische Beschreibung
Norm
Ergebnisse
Dicke
DIN EN ISO 123/3
1,87 mm
Dichte
DIN 52 350
0,87 g/cm³
Flächengewicht
DIN 52 350
1639 g/m²
Trockenmasse(105 °C)
96,7 %
Biegemodul
DIN EN ISO 14125
3000…5000 N/mm²
Biegefestigkeit
DIN EN ISO 14125
40…70 N/mm²
Schlagzähigkeit
DIN EN ISO 179
x-Richtung 21,7 kJ/m² z-Richtung 20,0 kJ/m² (> 12 kJ/m²)
Fogging-Reflektometerwert F
DIN 75201-A
89,1 %
Fogging-Kondensatwert G
DIN 75201-B
0,455 mg (< 1,0 mg)
Gesamt C Emission
VDA 277
36,8 μg/g (< 50 μg/g)
ATD-GC-MS-Screening 90 °C/ 120 °C VOC-Wert VOC-Zweitwert FOG-Wert
VDA 278
Wasseraufnahme Dickenquellung
DIN 52351
27 % (< 40 %) 17 % (< 25 %)
Brennprüfung
DIN 75 200
B = 0, Selbsterlöschend, die Zündflamme verlischt vor Erreichen der ersten Messmarke.
29,0 μg/g (< 100 μg/g) 24,9 μg/g (< 100 μg/g) 178 μg/g (< 250 μg/g)
Um das Eigenschaftsprofil vollständig beschreiben zu können, wurden werkstoffspezifische Prüfungen durchgeführt. Die neuartigen Bauteile wurden hierbei auf Emissionsverhalten, Crashperformance (Schlagzähigkeit) und Brennbarkeit untersucht. Es wurde festgestellt, dass der neue Werkstoff den einzelnen Qualitätskriterien bezüglich Geruchsentwicklung und Fogging-Eigenschaften entspricht. Besonderes Augenmerk ist auf das Ergebnis der Brennprüfung zu richten. Obwohl bei der Herstellung keine flammhemmenden Mittel zusätzlich in die Struktur eingebracht wurden, weisen die getesteten Bauteile selbstverlöschende Eigenschaften auf, so dass die Zündflamme noch vor dem Erreichen der ersten Messmarke verlischt. Auf Basis der hergestellten Rohträger wurden komplette Prototypen mit serienmäßigen Anbauteilen aufgebaut und mit der Serienverkleidung des 1er BMW verglichen (Bild 4 und 5). Die durch das neue Werkstoffkonzept erzielte Gewichtsreduzierung beträgt hierbei ca. 22 %.
380
Bild 4: 1er BMW Serientürverkleidung (ca. 2120 g)
Bild 5: Grünflachs-Türverkleidung (ca. 1650 g)
4
Zusammenfassung und Ausblick
Dank einer konstruktiven Zusammenarbeit der Kooperationspartner aus der Industrie und Forschung ist es gelungen, neuartige Verfahren und Anlagenkomponenten für die ganzheitliche Verwertung von Flachspflanzen in Verkleidungsteilen des PKW-Interieurs zu entwickeln. Verglichen mit konventionellen duroplastischen Naturfaserverbundbauteilen zeigen die neuentwickelten PKW-Innenverkleidungen in Bezug auf die Schlagzähigkeit und relevante mechanische Kennwerte, das Emissionsverhalten, die Brennbarkeit, die Geruchsentwicklung gute Ergebnisse. Der erzielte Gewichtsvorteil der Grünflachs-Türverkleidung beträgt im Vergleich zur Serientürverkleidung ca. 22 %. Die ersten Ergebnisse zur Wirtschaftlichkeit bestätigen, dass aufgrund der nahezu 100 %igen Verwertung der Pflanzenstängel im Vergleich zum klassischen Flachsfaserverbund eine Kostenreduzierung von ca. 15 % erzielbar ist. Auf Basis des neuartigen Technologieansatzes wird zeitnah eine entsprechende Serienlösung angestrebt.
381
5 [1] [2] [3] [4] [5]
Literaturstellen Allgemeiner Vliesstoff-Report 2007, 5, 10–11 J. Müssig, U. Schönfeld, H.-B. von Buttlar, M. Schmehl, Kunststoffe 2007, 3, 78–83 M. Carus, C. Gahle u.a., Gülzower Fachgespräche 2008, Band 26, 47–50 T. Lampke, Beitrag zur Charakterisierung naturfaserverstärkter Verbundwerkstoffe mit hochpolymehrer Matrix, Dissertationsschrift, TU Chemnitz, 2001, 26–28 K. Philipp u.a., Deutsches Patent DE 102004060741, 2004
382
Neuartige kosteneffiziente thermoplastische Prepregs Lothar Kroll, Martin Kausch Institut für Allgemeinen Maschinenbau und Kunststofftechnik, Technische Universität Chemnitz, D-09107 Chemnitz
Hans-Jürgen Heinrich, Jan Grünert Cetex Institut für Textil- und Verarbeitungsmaschinen gemeinnützige GmbH der TU Chemnitz, D-09120 Chemnitz
1
Einführung
Bei komplexen Anwendungen im Fahrzeug- und Maschinenbau, in der Luft- und Raumfahrt sowie bei Sportgeräten bieten Leichtbaustrukturen in Faserverbundbauweise besondere Vorteile, da hier hohe Festigkeiten und Steifigkeiten bei gleichzeitig niedrigem Gewicht erzielt werden können. Bei vielen Hochleistungsbauteilen wird zusätzlich zu den besonderen Leichtbaueigenschaften eine gute Impact- und Crashbeständigkeit der einzusetzenden Verbundwerkstoffe verlangt [1]. Um diese konträren Anforderungen für stückzahlorientierte Bauteile gerecht zu werden, ist ein neues Verfahren entwickelt worden, bei dem hochfeste und -steife Verstärkungsfasern in thermoplastische Folien unidirektional faserschonend Ausrichtung eingebettet werden. Die Herstellung der thermoplastisch vorimprägnierten UD-Faserhalbzeuge erfolgt dabei mit Hilfe einer UD-Faserfolien-Anlage auf Basis des kontinuierlichen Verfahrens der Faser-Bändchen-Technologie, welche die direkte Verarbeitung von Faserfilamenten ohne Drehung in einem Prozessschritt zu einem Verbundhalbzeug erlaubt. Dadurch sind die Fasern gleichzeitig für alle weiteren Arbeitsschritte gegen Filamentbrüche geschützt. Die Vermeidung der textilen Flächenbildung verhindert dabei die übliche Welligkeit und Maschenbildung in den Faserkreuzungsbereichen, so dass die Fasern vollkommen gestreckt und schädigungsfrei im Halbzeug vorliegen. Damit lassen sich in einem derartigen Verbund deutliche Steigerungen der mechanischen Eigenschaften von bis zu 20% sowie eine Reduzierung der Herstellungskosten um ca. 25% im Vergleich zu marktüblichen thermoplastischen Hybridhalbzeugen und Prepregs durch Einsparung klassischer Prozessschritte erzielen. Die in Abb. 1 dargestellten neuartigen thermoplastischen Prepregs mit dem Markennamen Ce-Preg® sind damit prädestiniert für alle endlosfaserverstärkten Kunststoffbauteile, die in thermoplastischen Verarbeitungsprozessen wie Spritzgießen oder Pressen hergestellt werden. Durch den gestreckten UD-Lagenaufbau lassen sich verschiedene Faserorientierungen schichtweise und belastungsgerecht aufbauen und lokale Verstärkungen erzielen. Darüber hinaus können mit den neuen thermoplastischen Faserverbunden im Vergleich zu duroplastischen Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV) wirtschaftliche Verbindungstechniken, z. B. Ultraschallreibschweißen, Warmbohren angewendet werden.
383
Abb. 1: Neue thermoplastische Prepregs (Ce-Preg®); rechts: Aufbau der Faserbändchen; links: UD-Faserbändchen und Mehrschichtverbund
2
Fertigung vorimprägnierter thermoplastischer UD-Faserhalbzeuge mittels prototypischer UD-Faserfolien-Anlage
Die großserientaugliche Herstellung von unidirektionalen Folien-Faser-Bändchen stellt den Ausgangspunkt in der Prozesskette der Technologie von Mehrschichtverbunden mit thermoplastischen UD GFK- und UD CFK-Halbzeugen dar. In diesem Ausgangsprozess werden bereits die wesentlichen, im späteren Verbund resultierenden Werkstoff- und Struktureigenschaften grundlegend beeinflusst und eingestellt. Die Ausprägung definierter Faserverbundeigenschaften ergibt sich vornehmlich aus der Wirkung der Verstärkungseigenschaften der Faser, dem Matrixverhalten des Kunststoffes, der Verbundcharakteristik und der Faser-Matrix-Kompatibilität [2]. Die Herstellung der thermoplastisch vorimprägnierten UD-Faserhalbzeuge mit Hilfe der prototypischen UD-Faserfolien-Anlage auf Basis des kontinuierlichen Verfahrens der FaserBändchen-Technologie (Abb. 2) erlaubt die direkte Verarbeitung von Faserfilamenten und Kunststofffolien in einem faserschonenden Prozessschritt zu einem Verbundhalbzeug. Dabei liegen die Verstärkungsfasern exakt gestreckt, parallel und schädigungsfrei zwischen den Thermoplastfolien. Über die sehr dünne Ausbreitung der Verstärkungsfasern kann zudem ein hoher Imprägnierungsgrad eingestellt werden. Der bisher nur für Glasfaser-Folien-Verbunde entwickelte Herstellungsprozess kann auf die Verarbeitung von Kohlenstofffasern übertragen werden. Neben der Kapselung aller elektronischen Anlagenbereiche sind vor allem die faserführenden Wirkstellen auf die im Vergleich zu Glasfasern wesentlich festeren und spröderen Kohlenstofffasern auszulegen. Zudem ist eine gute flächige Ausbreitung der Einzelfilamente mit wenigen Filamentlagen umzusetzen, um kurze Fließwege der Kunststoffschmelze beim Konsolidierungsprozess zu gewährleisten. Ein weiterer Schwerpunkt der Forschungsarbeiten an der Professur SLK in Zusammenarbeit mit dem An-Institut ist die Abstimmung und Anpassung der Faser- und Matrixmaterialien. Durch Einsatz von Fasern mit auf die Matrix eingestellter Oberflächenschicht sollen sowohl hohe mechanische Eigenschaften als auch eine reproduzierbare Verarbeitung erzielt werden. Hierzu sind verschiedene Werkstoffkombinationen auf ihre Verarbeitbarkeit und resultierenden Verbundeigenschaften zu testen und zu bewerten.
384
Abb. 2: Technologie der Folien-Faser-Bändchenherstellung
Die Prozessführung des Imprägniervorganges kann mit der UD-Faserfolien-Anlage exakt eingestellt werden. Dabei werden die Zeiten der Erwärmung, Imprägnierung sowie Solidifikation für einen hohen Imprägniergrad bei geringer Belastung der Komponenten für unterschiedliche eingesetzte Polymere optimiert, wie in Abb. 3 exemplarisch dargestellt. Die prototypische UD-Faserfolien-Anlage zur Herstellung der neuen Faser-Kunststoff-Halbzeuge erfüllt die o. a. Anforderungen hinsichtlich dem Einsatz der ausgewählten Verbundkomponenten (GF, CF-HT, CF-IM, PP, PA- und PEEK-Folien). Die Kennwerte der ersten hergestellten Mehrschichtverbunde übersteigen die mechanischen Eigenschaften der vergleichbaren marktüblichen Halbzeuge um ca. 20 % [3]. Die geschätzten Herstellungskosten werden dabei um ca. 25 % reduziert.
Abb. 3: Prozessführung zur Imprägnierung der gestreckten Faserbänder
3
Werkstoffmechanische Charakterisierung der Ce-Preps®
Faserverbundstrukturen weisen aufgrund ihrer Anisotropie und Heterogenität ein komplexes werkstoffmechanisches Verhalten auf. Um den Faserverbund an die herrschenden mechanischen und prozessbedingten Beanspruchungsregime anzupassen, wurden die unidirektionalen Faser-Folien-Bändchen zunächst mit Hilfe überschlägiger Berechnungen ausgelegt. Die hierfür notwendigen anisotropen Materialkennwerte sind in werkstoffangepassten Belastungsversuchen ermittelt worden. Die Basiskennwerte, die den Ausgangspunkt für weitere Berechnungen
385 bilden, konnten ebenfalls vergleichend mit Hilfe der gängigen mikromechanischen Näherungsformeln berechnet werden. Von besonderem Interesse bei den Untersuchungen waren dabei die Eigenschaften in Richtung der Werkstoffhauptachsen in Bezug auf Zug-, Druck- und Schubbeanspruchung, wobei hier die übliche Homogenisierungstechnik zur Anwendung kam. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen in Abb. 4 und 5 bestätigen die hohen Festig- und Steifigkeitswerte im Vergleich zu thermoplastischen Hybridhalbzeugen. Erste Fertigungsversuche zur Einbettung von Hochfesten-Kohlenstofffaser (CF-HTS) führten bereits auf Zugfestigkeiten von ca. 800 MPa und einen Elastizitätsmodul in Faserlängsrichtung von ca. 85 GPa. In Abb. 4 und 5 sind die experimentell und theoretisch ermittelten Kennwerte sowie Werte aus Datenblättern handelsüblicher thermoplastischer Gewebe dargestellt. Die Ergebnisse zeigen die hohen spezifischen Eigenschaften von Ce-Preg®.
Abb. 4: Zugfestigkeit von thermoplastischen Faserverbunden im Vergleich
Abb. 5: Elastizitätsmodul von thermoplastischen Faserverbunden im Vergleich
386
4
Herstellung multidirektionaler Gelege aus thermoplastischen Prepregs
Für die Herstellung von Faserverbundbauteilen mit gerichteter Faserablage kommen überwiegend textile Verstärkungsstrukturen wie Gewebe oder Gelege zum Einsatz. Gelege werden in unidirektionalen oder multidirektionalen Faserausrichtungen verwendet. Multidirektionale Gelegestrukturen bieten dabei den Vorteil der Vorkonfektionierung der Faserablage in unterschiedlichen, vordefinierten Einzellagenwinkeln. Bei einem neuen Faltwickel-Verfahren stand die Entwicklung eines textilen Verfahrens zur Herstellung multidirektionaler Gelegebahnen im Vordergrund der konstruktiv-technologischen Arbeiten. Bei diesem Verfahren soll in einem kontinuierlichen Gelegebildungsprozess eine oder mehrere, in einem Legewinkel D orientierte Materialbahnen um mindestens eine zweite, in Produktionsrichtung, der 0°-Richtung, orientierten und kontinuierlich transportierten Materialbahn (0°-Bahn) gewickelt werden. Die D-Bahn wird dabei vor dem Ablegen auf der 0°-Bahn um deren Bahnkanten gefaltet, auf der 0°-Bahn abgelegt und zwischen einem Druckwalzenpaar mittels Druck und Wärme durch einen chemischen Binder fixiert. Das entstandene Multidirektionalgelege hat damit einen Lagenaufbau von [±D/0/±D]. Das Faltwickeln der einlaufenden D-Bahnen um die Bahnkanten der in 0°-Richtung orientierten Ce-Preg-Materialbahn erfolgt dabei durch ein Führungssystem, das die Faltung der DBahn, die Führung der gefalteten Materialkante bei Rotation der 0°-Bahn um die Rotationsachse des Systems sowie die Transportfunktion während des Transports des unverfestigten Geleges zur Verfestigung ausführt. Dieses Führungssystem ist konstruktiv als außenliegendes Faltwickelsystem (FWS) ausgeführt und ersetzt die bisher bei Wickelverfahren verwendeten innenliegenden Hilfseinrichtungen zur Gelegeablage. Das Ablegen der +/-D-Lagen auf der 0°-Lage erfolgt in einem definierten, technologisch reproduzierbarem Prozess (Abb. 6).
Abb. 6: Prinzip des Faltwickelsystems
5
Zusammenfassung
Das neuartige Faltwickelsystem (FWS) gewährleistet mit den neuen thermoplastischen Prepregs (Ce-Preg®) die Herstellung des angestrebten Gelegeaufbaus in der geforderten hohen Qualität bezüglich Schichtdicke, Lagenaufbau, Einhaltung der Winkellagen, Flächengewicht und Oberflächenqualität. Die bereits hergestellten Multiaxialgelege weisen aufgrund der adhäsiven Bindung der Einzellagen eine homogene Oberflächenstruktur auf dem Gelege auf. Für die Gelegeherstellung ergeben sich völlig neue Aspekte sowohl im Hinblick auf Produktivität und
387 Gelegequalität, als auch den möglichen Aufbau der Gelegestrukturen mit verschiedensten Materialien und Lagewinkeln der Einzelfaserlagen.
6 [1]
[2] [3]
Literatur Kroll, L.: Textilverstärkte Leichtbaustrukturen und -systeme. mtex, 2. Internationale Fachmesse & Symposium für Textilien und Verbundstoffe im Fahrzeugbau, Chemnitz, 2008. Ermanni, P.: Die Verarbeitung von FV-Thermoplasten. Composites Technologien, Zentrum für Strukturtechnologien, ETH Zürich, 2007. Schürmann, H.; Fleischhauer, M.: Qualifizierung und Erprobung eines thermoplastischen Matrixsystems für Strukturbauteile in der Verkehrstechnik. 11. Nationales Symposium SAMPE Deutschland e.V. 2005.
388
Einsatz der Preformtechniken zur Produktivitätssteigerung bei der Verarbeitung von Faserverbundkunststoffen J. Schulz, E. Kühne Institut für Konstruktion und Verbundbauweisen e.V., Chemnitz
B. Wielage Technische Universität Chemnitz, Chemnitz
1
Einleitung
Faserverbundwerkstoffe (FVK) werden wegen steigender Anforderungen an Sicherheit und Umweltfreundlichkeit für den Flugzeug,- Fahrzeug,- und Maschinenbau immer attraktiver. Der Automatisierungsgrad der Herstellungsprozesse von Bauteilen aus FVK unter anderem der Injektions-, oder Infusionsverfahren ist zurzeit auf einem niedrigen Niveau. Aus diesem Grund ist mit den Verfahren keine wirtschaftliche Großserieproduktion möglich. Der erste Schritt in Richtung Großserie wäre, die Fertigungsprozesskette auf selbständige von einander unabhängige Prozesse aufzubauen. Eine entscheidende Rolle kann die Entwicklung einer geeigneten Preform-Technologie spielen, wobei der Aufwand für die Handhabung und Faserlegung und dadurch auch die Zykluszeiten bei der Produktion enorm verringert werden können. Unter textiler Preform (Faservorformling) ist ein endkonturnahes, trockenes und lagestabiles Fasergebilde mit einer belastungsgerechten Faserausrichtung zu verstehen. Die einzelnen Lagen können durch Vernähen oder den Einsatz von flächendeckendem Kleber verfestigt werden. Der Einsatz von Näh- oder Klebtechniken ist als Trend schon heute für kleinere Serien erkennbar. Im Institut für Konstruktion und Verbundbauweisen e.V. an der TU-Chemnitz (KVB) werden diese Techniken eingesetzt. Als Beispiele von im KVB hergestellten Preforms für Serienprodukte werden ein CFK-Gewehrschaft für ein Luftgewehr und ein Trägersystem für ein 3DMesssystem vorgestellt. Es werden Vor- und Nachteile dieser Technologien aus praktischer Sicht dargestellt. Ein weiteres Thema ist die Herstellung von störstellenarmen belastungsgerechten Preforms mit komplizierter 3D-Kontur durch punktuelles Kleben. Dazu erfolgen im KVB zurzeit umfangreiche Untersuchungen. Das Ablegen der Rovings und Auftragen des Klebers erfolgen mit Hilfe eines Roboters. Die bisherig erreichten Ergebnisse werden vorgestellt.
2
Zielstellung
Das Ziel dieser Arbeit ist unter anderem eine Optimierung der Herstellungstechnologie von endkonturnahen 3D-Faservorformlingen für faserverstärkte Bauteile, die im Injektionsverfahren wie Resin Transfer Moulding (RTM) oder im Infusionsverfahren wie Vacuum Assisted Process (VAP) hergestellt werden. Ein weiteres Ziel ist es, durch Einsetzen der neuartigen
389 Klebfixiertechnologie von einzelnen Rovings besonders belastete Bereiche der FVK-Bauteile zu verstärken.
3
Stand der Technik
Die auf der Preformtechnik basierenden Injektions- oder Infiltrationstechnologien können zurzeit noch nicht die Prepregtechnologie komplett ersetzen. Insbesondere betrifft es die Luftfahrt, wo entsprechend sehr hohe Ansprüche an die mechanischen Eigenschaften der CFK-Bauteile gestellt werden. Die hohen Kosten spielen eine zweitrangige Rolle. Für einen großindustriellen Einsatz dieser Technologie, z.B. im Schienen- und Fahrzeugbereich, sind die Herstellungskosten zu hoch. Der Einsatz von Injektions-/Infiltrationstechnologien erlaubt schon jetzt, die Herstellungsprozesse im Bereich der faserverstärkten Kunststoffe kostengünstiger zu realisieren. Bei den genannten Infiltrationsverfahren wird zunächst ein trockenes Faserhalbzeug zu einer Preform verarbeitet und später mit einem dünnflüssigen Polymerharz infiltriert. Für die Preformherstellung kommen Textilien, wie z. B. Gewebe, Gelege, Geflechte oder einzelnen Rovings zum Einsatz. Die textilen Halbzeuge werden mit einem Binder (thermoplastisches Pulver oder Vlies) versehen, zugeschnitten und entsprechend dem geplanten Lagenaufbau gestapelt und anschließend thermofixiert. Der Vorteil der aus trockenen textilen Habzeugen aufgebauten Preforms im Vergleich zu den aus Prepregs aufgebauten Laminaten ist eine deutliche Minimierung des Zeitaufwands beim Laminataufbau. Ein weiterer großer Vorteil beim Einsatz der Preformtechnik ist die Möglichkeit, die Fertigungsprozesse zu trennen, d.h., die Preforms können unabhängig von den Fertigungsstufen wie Harzinjektion und Aushärtung (die Form ist frei) vorproduziert werden. Dies führt zu enormer Reduktion der Herstellungskosten. Statt die einzelnen textilen Halbzeuge durch einen thermischen Binder zu verbinden, ist es möglich, diese durch das Nähen zu kompaktieren und gleichzeitig zu fixieren. Im Bild 1 sind die Arbeitsschritte bei der Preformherstellung durch das Nähen darestellt.
Bild 1: Preformherstellung durch Nähen (Blindstichmaschine Fa. KSL / KUKA Roboter, Software Fa. AutoCAM)
390 Die Programmierung der Nahtbahnen erfolgt über spezielle in Mechanical Desktop integrierte Software „Moses“. Nach erfolgreicher Simulation werden mehrere Lagen von textilen Halbzeugen auf dem Werkzeug platziert und von einer Seite vernäht (Einseitnähtechnik). Anschließend wird die Preform in der Form positioniert, fixiert und mit Hilfe von RTM- oder VAP-Verfahren mit Harz infiltriert. Neben den beiden erwähnten Preformherstellungsverfahren aus zweidimensionalen Halbzeugen gibt es die Möglichkeit, mittels Nähtechnik die einzelnen Faserrovings relativ frei entlang vordefinierter Bahnen abzulegen. So werden die Faserrovings mittels Sticktechnik auf flächigen Untergründen wie z.B. Glas- oder Kohlenstofffasergeweben im Tailored Fiber Placement Verfahren (TFP) abgelegt und befestigt. Die Fixierung kann mit verschiedenen Nähfadenmaterialien, z.B. mit Polyester-, Aramid-, Glas- oder Carbonnähfäden, stattfinden. Die drei zuletzt genannten Fäden führen zur Verbesserung der interlaminaren Scherfestigkeit. Außerdem ist es möglich, schmelzbare Nähfäden, z.B. “Grilon“ der Firma EMS, einzubringen, die sich während der Infiltrationsphase im Harz auflösen. Bei diesem Auflösen der Nähfaden nehmen die festgestickten Rovings im Faserverbundteil eine entspannte gleichmäßigere Position ein. Die Anwendung dieser Technologie findet hauptsächlich bei einer gezielten Verstärkung textiler Strukturen statt. Im Bild 2 ist ein Beispiel für die Herstellung einer Preform (Fa. Tajima) dargestellt.
Bild 3: Umflechtmaschine mit Roboterunterstützung (EADSCRC) Bild 2: TFP-Anlage (Fa. Tajima GmbH)
Besonders schwierig ist es, die Ablage dicker Rovings oder bei engen Kurvenradien mit dieser Technologie zu realisieren. Der Nähfaden drückt die Verstärkungsfaser an den Überkreuzungsstellen zusammen und, ruft unerwünschte Ondulationen der Verstärkungsfasern hervor, was zur Reduzierung der Belastbarkeit des Bauteils führt. Ein weiteres Verfahren zur Preformherstellung ist die Umflechttechnik. Bei dieser Technologie ist es möglich, einen metallischen oder nichtmetallischen Kern mit Unterstützung eines Roboters zu umflechten. Der Kern wird im Flechtpunkt positioniert, auf dem sich die Flechtfäden ablegen. Die Geometrie des Geflechts ist von der des Kerns abhängig und nicht zwangsläu-
391 fig rotationssymetrisch (siehe Bild 3). Der Kern kann im Geflecht verbleiben und Funktionen übernehmen oder nach dem Harzinfiltrieren entfernt werden.
3.1
Einsatz der Preformtechniken im KVB
Im KVB werden einige CFK-Bauteile, wie z. B. ein Gewehrschaft und ein CFK-Träger (siehe
Bild 4 und Bild 5), im RTM-Verfahren hergestellt. Für diese Bauteile sind formstabile Preforms notwendig. Die Preformherstellung erfolgt mit der herkömmlichen oben beschriebenen Technologie. Jede einzelne Lage aus Carbon-Gelege/Gewebe wird mit einem thermoplastischen Pulver oder mit einem thermoplastischen Vlies beschichtet, manuell und passgenau auf den Schaumkern aufgebracht, anschließend in einem Werkzeug erwärmt und angepresst. Die Bauteile werden in Kleinserie gefertigt, aus diesem Grund wird der hohe manuelle Fertigungsaufwand in Kauf genommen.
Bild 4: Luftgewehr mit CFK-Schaft (Fa. Carl Bild 5: 3-D Stereoscansystem mit CFK-Trägern ?(Fa. BreuckWalther) mann)
Bei den beiden Bauteilen ist die Decklage eine Sichtlage aus Carbon-Gewebe in Köperbindung. Nach Belegung der Decklage wird das komplettierte Werkstück in ein Werkzeug gelegt und dieses geschlossen. Dabei erfolgt eine Verdichtung der Preform im Werkzeug auf ca. 1,8 mm Wandstärke. Die Preform ist damit im Stahlwerkzeug positioniert und nach der Werkzeugschließung erfolgt die Harzinjektion bei einem Druck von 4 bis 6 bar (Bild 6). Unterstützend wirken hier eine gewählte Prozesstemperatur und ein angelegtes Vakuum.
392
Bild 6: Fertige im Werkzeug positionierte Preform
4
Experimentelles (Fixieren von Rovings durch punktuelles Kleben)
Das Klebfixieren der mittels Roboter abgelegten Rovings bietet die Vorteile, dass Störstellen und Faserschädingungen durch den Nähprozess ausgeschlossen sind sowie Gassenbildung und Faserverschiebungen durch das Nähen vermieden werden. Im Gegensatz zum Umflechtverfahren kann das Klebfixieren unter anderem für partielle Bauteilverstärkung eingesetzt werden. Die Realisierung der Technologie erfolgt durch den Einsatz von Robotertechnik, einer für das Verfahren entwickelten Rovingablagevorrichtung und Kleberaufbereitungssystem, wobei die Fixierung der Rovings durch den punktuellen Kleberauftrag erfolgt.
4.1
Aufbau eines Rovingablagesystems mit Klebeeinrichtung
Das Rovingablagesystem mit Klebeeinrichtung besteht aus folgenden Komponenten: • Rovingablagevorrichtung • Robotertechnik • Dosierkopf mit Klebeaufbereitungstechnik Im Bild 7 ist die konstruktive Auslegung der Rovingablagevorrichtung für Heißkleber dargestellt.
393
Bild 7: Konstruktion des Heißkleberkopfes an der Roboterhand
In diesem Anwendungsfall kam ein Heißklebesystem der Fa. Gluematic GmbH & Co. KG zum Einsatz. Als Bindemittel sind folgende Klebesysteme eingesetzt: • Hexion Epikote Resin 05930 • Hexion Epikote Resin 1001 • Airtech Fusion Tac • Wacker Vinnapas B100/20 VLE • 3M-Sprühkleber SW77 • Klebeflies PA 1541 Die durchgeführten Versuche und deren Auswertung zeigten, dass sich die aufgetragene Klebermenge nicht restlos im Epoxidharz chemisch auflöst. Insbesondere die beiden zuletzt genannten Kleber sind nicht Epoxidharz verträglich. Aus diesem Grund wurde ein Kaltklebersprühsystem verwendet. Die Preform wurde im RTM-Verfahren mit heißhärtendem Harzsystem Araldite LY 556 / Aradur 917 CH / Beschleuniger DY 070 der Fa. Huntsman injiziert. An den in beiden Varianten mit verschiedenen Klebern als Binder hergestellten Prüfkörpern wurden Biegeversuche durchgeführt. Der Klebermasseanteil bei den Proben, bezogen auf die Gesamtmasse des Verbundes, lag zwischen 4% und 10% und ist stark davon anhängig, in welchem Abstand Klebepunkte zur Fixierung gesetzt werden müssen. Der Vergleich der Biegefestigkeit und der E-Biegemoduli zeigt, dass die Kennwerte aller Proben (Preform: C-Roving mit Kleber fixiert) ca. 10% bis 15% niedriger sind als die ermittelten Kennwerte der Referenzproben. Der Faservolumengehalt liegt dabei bei allen Proben zwischen 50 % bis 55 % und kann bis zu sonst erreichbaren Werten von etwa 60 % weiter gesteigert werden. Das Absinken der mechanischen Kennwerte ist möglicherweise auf den zu großen Kleberanteil im Laminat und seine nicht vollständige Auflösung im Laminierharz zurückzuführen. Eines der Hauptziele des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung und Herstellung dreidimensionaler Preforms. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen wurde ein 3D-Körper entworfen, der gleichzeitig eine vom Rechteck abweichende Grundform aufweist. Im Bild 8 ist eine Übersicht des kompletten robotergestützten Rovingablagesystems zu sehen. Das Bild 9 zeigt die Preformfertigung für einen 3D-Testkörper.
394
Bild 8: Robotergestütztes Rovingablagesystem mit Klebeinrichtung
Bild 9: Rovingablage für ein 3D-Teil
Die durchgeführten Versuche zeigten, dass sich der Einsatz der Klebetechnologie bei der Preformherstellung als besonders einfach und unkompliziert erwiesen hat. Die Untersuchungen werden in Richtung der näheren Betrachtung der chemischen Verträglichkeit des Kleber/HarzGefüges und der Präzision der Kleberdosierung und Haftung der geklebten Rovings an der Unterlage weitergeführt. Außerdem werden die Prozessgrenzen der Rovingablage in den Anfangsund Abschlussphasen, bei kleinen Kurvenradien und gekrümmten Flächen ermittelt.
5
Zusammenfassung und Ausblick
In Rahmen dieser Arbeit wurde ein Rovingablagesystem mit integrierter Klebeeinrichtung entwickelt und gebaut. Es wurden mit der neuen Technologie zur Preformherstellung Preforms und anschließend Prüfkörper hergestellt. Sowohl durch Ermittlung der mechanischen Kennwerte der Proben als auch anhand der erstellten Schliffbilder sind qualitative Analysen der verwendeten Bindemittel durchgeführt worden. Die technischen und technologischen Parameter der Anlage müssen weiter untersucht und verbessert werden. Es konnte festgestellt werden, dass die technische Ausführung des Rovingablagesystems mit integrierter Klebeeinrichtung realisierbar ist, wobei die entscheidende Rolle eine Binder/Matrix-Kompatibilität für eine qualitativ gute Harzimprägnierung der Fasern spielt.
395
Flexible Preformprozesskette für komplexe HochleistungsFaserverbund-Strukturbauteile Uwe Beiera, Johannes Krämera, Volker Altstädta Hermann Spannerb, Christian Weimerb, Tim Roserb, Wolfgang Buchsb a Lehrstuhl b
für Polymere Werkstoffe, Universität Bayreuth, D-95447 Bayreuth, Germany
Eurocopter Deutschland GmbH, D-81663 Munich, Germany
Abstract In diesem Beitrag wird ein innovativer Preformingprozess zur kostenreduzierten Herstellung von komplexen polymeren Hochleistungsfaserverbundbauteilen im RTM-Verfahren vorgestellt. Kern des neuen Ansatzes bilden moderne Nähtechnologien gekoppelt an thermisch induzierte Preformstabilisierungsmethoden. Dabei ist die Wahl geeigneter Bindergarn- und Bindervliesmaterialien nicht nur für die Preformingeigenschaften von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die resultierende mechanische Qualität des produzierten Laminats. Insbesondere führen maßgeschneiderte, niedrigschmelzende thermoplastische Materialien, die eine Löslichkeit in der unvernetzten Harzmatrix aufweisen, zu einem hervorragenden mechanischen Eigenschaftsniveau im erzeugten Bauteil. Die Kombination aus prozesstechnischen und ökonomischen Vorteilen auf der einen Seite und exzellenten strukturellen Eigenschaften auf der anderen Seite unterstreichen das Potential dieser fortschrittlichen Fertigungstechnik.
1
Einführung
Seit den Anfängen der zivilen Luftfahrt in der Mitte des letzten Jahrhunderts hat dieses Transportmittel eine unvergleichliche Entwicklung erlebt. Die jährlich geflogenen Personenkilometer sind 2007 auf die unglaubliche Zahl von 2,5 Billionen angestiegen. Die Prognosen gehen für die Zukunft mit Wachstumsraten von etwa 5 % und parallel dazu von einer Steigerung der jährlich produzierten Verkehrsflugzeuge bis zum Jahre 2026 auf etwa 1200 aus [1]. Allerdings erzwingen die ständig wachsenden Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit und die Umweltverträglichkeit des Flugverkehrs den Einsatz modernster Techniken und Materialien. Der Einsatz kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe bietet derzeit das größte Potential durch Gewichtsminimierung den Treibstoffbedarf zu senken und damit die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit des Flugverkehrs sicher zu stellen. Aus diesen Entwicklungen erwächst eine Reihe von Herausforderungen für die moderne Luftfahrtindustrie. Sie muss zum einen Materialien und Prozesse bereit stellen, die höchste gewichtsbezogene mechanische Eigenschaften aufweisen gleichzeitig aber auch Fertigungsverfahren anbieten, die eine kosteneffiziente Herstellung komplexer Flugzeugstrukturen in hohen Stückzahlen ermöglichen.
396 Um die Chancen dieses stetig wachsenden Marktes auch zukünftig nutzen zu können wird in diesem Beitrag ein innovativer Preformingprozess zur kostenreduzierten Herstellung von Hochleistungsfaserverbundbauteilen im RTM-Verfahren vorgestellt. Kernpunkt des neuen Ansatzes bildet die textile Nähtechnologie gekoppelt an thermisch induzierte Preformstabilisierungsmethoden. Dabei ist die Wahl geeigneter Bindergarn- und Bindervliesmaterialien nicht nur für die Preformingeigenschaften von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die resultierenden mechanischen Eigenschaften des produzierten Laminats.
2
Experimentelles
2.1
Materialien
Als Faserhalbzeug für alle Laminate kam ein kommerziell erhältliches Kohlefaser (Tenax HTS 12k) Multiaxialgelege (MAG) der Firma Saertex mit einem Flächengewicht von ca. 250 g/m² pro Biaxiallage zum Einsatz. Diese Gelege wurden mit einem Garn aus Polyhydroxyether (fortan als Phenoxygarn bezeichnet) (Grilon MS150) mit einer Garnfeinheit von 150 dtex vernäht. Als Binder Material kam Polyhydroxyether (PKHP 200) und ein Blockcopolymer (PMMA – poly (butyl acrylate) – PMMA; MAM 52, Arkema) Pulver zum Einsatz. Zur Infiltration wurde das Epoxydharz HEXFLOW RTM6 verwendet.
2.2
Preforming
Die Preformen für die Coupon-Tests wurden mit einem +45° (Druck-, ILSS-Proben (Interlaminar-Shear-Strength) bzw. +22.5° (CAI (Compression-After-Impact)) orientierten, modifizierten Doppelsteppstich vernäht. Der Nahtabstand betrug für alle Laminate 20 mm, die Stichweite wurde auf 3 mm festgelegt. Der Lagenaufbau für die Druck-Laminate war [(0/90)]4s bzw. [(+45/–45)/(0/90)]4s für die CAI-Laminate. Zur Bestimmung der ILSS-, GIc- und GIIc-Kennwerte (Kritische interlaminare Energiefreisetzungsrate nach Mode I, Mode II) wurden zusätzlich unvernähte [(0/90)]6s Laminate hergestellt. Die mit Binder ausgestatteten nicht vernähten Preformen weisen identische Stapelfolgen auf, allerdings wurde jede Biaxiallage mit 6 bzw. 12 Gramm Binder pro m2 ausgestattet. Dies entspricht einem auf die Matrix bezogenen Gewichtsanteil von 5 bzw. 10 %. Die Prozesskette zur Fertigung komplexer Preformen ist in mehrere Schritte unterteilt. Zunächst werden die Gelege automatisch in der gewünschten Anzahl und Orientierung abgelegt und in das 2D-CNC Nähportal gefahren. Dort findet eine Fixierung der Lagenaufbauten durch Nähen statt. Danach werden die geforderten Geometrien im CNC-Cutter herausgeschnitten. Die Weiterverarbeitung der dadurch erhaltenen so genannten „Tailored Reinforcement“ (TR) geschieht in den nachfolgenden 2,5D- und 3D-Umform und -Nähprozessen. Dabei werden die TRs zunächst in geeigneten Werkzeugen umgeformt. Die nachfolgende Fixierung der Preformen wird dann mittels Nähtechnik und/oder durch die thermische Aktivierung der niedrig schmelzenden Thermoplastnähfäden bzw. der eingenähten Thermoplastvliese erzielt. Bild 1 zeigt schematisch die Schlüsselelemente der textilen Preformprozesskette: 2D-CNC Nähportal, 2.5D- und 3D-Nähprozesse sowie das preformstabilisierende Schmelzkleben (Thermobonding).
397
Bild 1: Automatisierte Preformprozesskette
2.3
Laminatherstellung
Alle Laminate für die Coupon-Tests wurden im Vakuum unterstützten Resin-Transfer-Moulding (VARTM) Prozess hergestellt. Es wurde eine Aluminiumform mit 420 x 420 mm und variabler Dicke verwendet. Die Injektionstemperatur betrug 120°C, es wurde ein Nachdruck von ca. 0,2 MPa angewandt, die nachfolgende Aushärttemperatur 180°C, die Aushärtezeit 120 Minuten. Der erziele Faservolumengehalt lag zwischen 54 und 60 %. Die Qualität der Laminate wurde mittels Bildgebendem Impuls-Echo-Ultraschall Verfahren sicher gestellt.
2.4
Charakterisierung
Die mechanischen Kennwerte wurden in standardisierten Coupon-Tests ermittelt. Die Druckversuche wurden nach DIN EN 2850 (Celanese) durchgeführt. Die Breite der Proben betrug 15 mm, die freie Einspannlänge 10 mm. Die ILSS Tests wurden nach DIN EN 2563, die GIcPrüfung nach DIN 65563, die GIIc-Prüfung nach DIN EN 6034 und die CAI-Versuche nach AITM 1.0010 durchgeführt. Die Energie des sphärischen Fallbolzens (3 kg Masse) beim Impact wurde auf 25 J festgelegt.
398
3
Ergebnisse
Der untersuchte thermoplastische Phenoxy-Nähfäden und die Binder auf MAM- und Polyhydroxyetherbasis können aufgrund ihrer geringen Thermobondingtemperaturen durch einen schnellen Aufheizprozess die gewünschte Fixierung der Preformen erzielen, ohne vor der thermischen Aktivierung die überragende Drapierfähigkeit der Multiaxialgelege (MAG) negativ zu beeinflussen.
3.1
Druckeigenschaften
Die nähtechnische Konfektionierung der Preformen mit einem Phenoxygarn führt zu keiner signifikanten Veränderung des E-Moduls im Vergleich zum unvernähten Referenzmaterial. Auch die erzielten Festigkeiten werden nur unwesentlich durch die Phenoxygarne beeinflusst. So liegt die Festigkeit der Referenz bei 878+41 MPa, die des mit Phenoxygarn vernähten Laminats bei 840+49 MPa. Dieses ausgesprochen hohe Niveau des vernähten Laminats ist auf die Löslichkeit des Garns in der verwendeten Matrix und der damit verbundenen vergleichsweise geringen Belastung mit Laminatstörungen zurückzuführen. Andere Fadenmaterialien und Fadenfeinheiten können allerdings sehr wohl zu einer Verminderung der Druckfestigkeit führen [2–5].
3.2
ILSS
Wie bei den Druckeigenschaften kann auch für die scheinbare interlaminare Scherfestigkeit kein signifikanter Einfluss einer Vernähung mit Phenoxygarn nachgewiesen werden. Ähnliches gilt für den Einsatz von Phenoxy als Bindermaterial (Bild 2). Wird allerdings MAM als Bindermaterial eingesetzt kommt es tendenziell zu einer Verringerung der ILSS-Kennwerte.
Bild 2: Vergleich der scheinbaren inerlaminaren Scherfestigkeiten
399 3.3
Interlaminare Risszähigkeit (GIc und GIIc)
Die in Bild 3 dargestellten interlaminaren Energiefreisetzungsraten (GIc) zeigen für beide Binder deutlich verbesserte Kennwerte. Vor allem bei einer Bebinderung mit 10 % Phenoxy werden ausgezeichnete Risszähigkeiten erzielt. Dieses sehr hohe Niveau der mit Phenoxy bebinderten Laminate ist bemerkenswert, da Tests an Compact Tension Proben den mit MAM modifizierten Harzen eine sehr viel höhere Zähigkeit bescheinigen. Dieses Potential kann durch die veränderten Mechanismen im Laminat offenbar nicht voll ausgeschöpft werden. Die Risszähigkeit im Mode II (GIIc) wird durch beide Materialien kaum beeinflusst.
Bild 3: Vergleich der interlaminaren Energiefreisetzungsraten
3.4
Compression After Impact (CAI)
Auch bei den CAI-Kenwerten kann kein signifikanter Einfluss einer Vernähung mit Phenoxygarn nachgewiesen werden. Bild 4 stellt die Restdruckfestigkeiten nach einem 25 J Impact der unbebinderten Referenz den bebinderten Laminaten gegenüber. Allenfalls der Einsatz von 10 % Phenoxybinder kann eine moderate Anhebung des Kennwertes bewirken. Erklärung hierfür könnte der Aufbau der Preformen liefern, die herstellungsbedingt nur je eine Binderschicht pro Biaxiallage zulassen. Das heißt eine zähmodifizierende Wirkung tritt nur bei jeder zweiten unidirektionalen Faserschicht auf. Die nicht modifizierten Zwischenlagen sind die Schwachstellen der Laminate. Diese These wird durch Ergebnisse an Laminaten, welche mit vorher modifiziertem (5 gew % MAM oder 5 % Phenoxy) Harz injiziert wurden, gestützt. Diese Proben weisen trotz niedrigerem Anteil des Zähmodifikators eine hohe CAI-Festigkeit von etwa 220 MPa auf.
400
Bild 4: Vergleich der Restfestigkeiten (CAI) nach einem 25 J Impact
4
Zusammenfassung
Die vorgestellten Untersuchungen zeigen, dass, parallel zu den prozesstechnischen und ökonomischen Vorteilen dieser Preformingprozesskette, das mechanische Eigenschaftsniveau im Vergleich zu unvernähten MAGs gehalten bzw. signifikant verbessert werden kann. Die Zähmodifizierung mittels löslicher thermoplastischer Binder ist daher ein viel versprechender Ansatz mit dem Potential, die Lücke zur gegenwärtigen Prepregtechnologie zu schließen. Weitere Verbesserungen vor allem bei der Restdruckfestigkeit können durch den Einsatz von Faserhalbzeugen erwartet werden die eine Binderschicht auch innerhalb einer Biaxiallage aufweisen.
5
Danksagung
Die Autoren möchten sich bei der BAYRISCHEN FORSCHUNGSTIFTUNG für die finanzielle Unterstützung bedanken.
6 [1] [2] [3] [4] [5]
Literatur Airbus Global Market Forecast 2007–2026. U. Beier, et al. Comp Part A (2007), 38: 1655. U. Beier, et al. Comp Part A (2008), 39: 705–711. U. Beier, et al. Comp Part A (2008), 39: 1572–1581. U. Beier, et al. Journal of Plastics Technology (2008), 5.
401
Naturfaserverstärkte Kunststoffe als akustisch wirksame Bauelemente N. Aisenbreya, L. Frormanna, W. Maysenhölderb a
Westsächsische Hochschule Zwickau, Zwickau
b
Fraunhofer Institut für Bauphysik, Stuttgart
1
Einführung
Die Entwicklung von faserverstärkten Kunststoffen und Sandwichelementen basiert unter anderem auf der Analyse natürlicher Strukturen. Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) sind aufgrund ökologischer Aspekte und einem hohen Einsparpotential bei Kosten und Gewicht vor allem in der Verkehrstechnik weit verbreitet. Der Schwerpunkt der Forschung liegt hierbei besonders auf einer weiteren Kostenreduzierung durch effizientere Verarbeitungsprozesse bei gleichzeitiger Verbesserung der mechanischen Kennwerte der naturfaserverstärkten Kunststoffe. Dabei werden viele zusätzliche Eigenschaften wie die hohe innere Dämpfung der Naturfasern nur als sekundäre Effekte genutzt. Die innere Dämpfung beschreibt die Umwandlung von Schwingungsenergie in Wärme und beruht auf dem strukturellen Aufbau der Naturfasern. Die kostenneutrale Integration von zusätzlichen Funktionen zur Erweiterung des Anwendungsspektrums von naturfaserverstärkten Kunststoffen wird notwendig, da das Wachstum dieses Materials in den letzten Jahren nach einem zunächst rasanten Anstieg stagniert. [1,2]. Die Dämmung und Dämpfung von Schall mit Hilfe von speziell ausgelegten Bauteilen kann die Gesundheitsgefährdung durch die ständig wachsende Lärmbelastung reduzieren. Einige wenige Untersuchungen zur Schallabsorption naturfaserverstärkter Kunststoffe wurden mit dem Ergebnis durchgeführt, dass diese Werkstoffe ein großes Potential auf dem Gebiet der Akustik besitzen [3]. Akustisch wirksame Bauelemente können in Sandwichbauweise gefertigt werden. Für diese hochsteifen Leichtbau-Strukturen bestehen vielfältige Einsatzmöglichkeiten unter anderem in der Bauakustik und in der Automobilindustrie. Die Bauweise eines Sandwichelements lässt eine große Variationsbandbreite zu. Die Deckschichten können in Dicke, Flächengewicht und Materialeinsatz variiert werden. Dabei können die mechanischen Eigenschaften von biegeweich und schlagfest bis zu biegesteif und spröde reichen. Weiterhin kann die Kernschicht variiert werden, indem sie aus mehreren Lagen mit verschiedenen Eigenschaften aufgebaut wird. Naturfasern besitzen gute spezifische mechanische Eigenschaften, eine geringe Dichte von ca. 1,5 g/cm³, ein gutes Dämpfungsverhalten und sind bei thermischer Verwertung CO2-Neutral. Daher sind Naturfasern geeignete Verstärkungsfasern für Sandwichelemente aus faserverstärkten Kunststoffen. Insbesondere kann hierbei die hohe Variabilität von Naturfasernadelvliesen genutzt werden [4].
402
2
Versuchsrahmen
Im Rahmen eines öffentlich geförderten Forschungsprojektes wurden akustisch wirksame Bauelemente in Sandwichbauweise aus naturfaserverstärktem Kunststoff systematisch hinsichtlich ihrer mechanischen und akustischen Eigenschaften charakterisiert und optimiert. Die Ermittlung der mechanischen und akustischen Eigenschaften erfolgte anhand von verschiedenen naturfaserverstärkten Sandwichelementen (NF-Sandwich) die mit Hilfe der Presstechnologie hergestellt wurden. Für eine absorbierende und dämmende Struktur als multifunktionales Trennbauteil wurden vor allem Forderungen an die offene Porosität der schallaufnehmenden Oberfläche gestellt. Gleichzeitig muss die gegenüberliegende Oberfläche eine hohe Schalldichtigkeit aufweisen. Die Ermittlung der Eigenschaften der Grundmaterialien führte dabei zu einem besseren Verständnis des akustischen Verhaltens der naturfaserverstärkten Sandwichelemente. Hieraus wurden die Eigenschaften eines optimalen Sandwichaufbaus abgeleitet und experimentell verifiziert.
2.1
Werkstoffe
Die Nadelvliestechnologie ermöglicht die einfache Variation eines Naturfasertextils, beispielsweise in der Dicke, des Flächengewichts und der Luftdurchlässigkeit. Es können gezielt festere oder weichere Vliese aus Hanf-, Flachs- oder Jutefasern hergestellt werden. Als Kernmaterial erfolgte der Einsatz dieser Naturfasernadelvliese überwiegend ohne Matrix. Für die Deckschichten der Sandwichelemente wurden Naturfasernadelvliese mit Matrices aus niedrig viskosen Epoxidharzen (EP), Polypropylen (PP) oder Polymilchsäure (PLA) verpresst. Thermoplaste besitzen deutlich geringere Fließfähigkeiten als Epoxidharze, daher wurden Hybridvliese aus Naturfasern und Thermoplastfasern verwendet, um Tränkungsproblemen vorzubeugen.
2.2
Bauweise
Die Grundstruktur bestand aus jeweils zwei verpressten naturfaserverstärkten Verbundplatten, zwischen die ein Nadelvlies eingeklebt wurde. Anhand dieses Grundaufbaus kann der Einfluss verschiedener Materialien in den Deck- und Kernschichten auf die akustischen Eigenschaften untersucht werden. Weiterhin wurde durch Variation der Deckschichtdicke untersucht, wie sich die Symmetrie des Sandwichelements auf das akustische Verhalten auswirkt. Die Möglichkeiten der Variationen steigen bei Erhöhung der Anzahl der eingesetzten Lagen deutlich an. In Bild 1 ist der schematische Aufbau eines fünflagigen naturfaserverstärkten Sandwichelements beispielhaft dargestellt. Die mittlere offen poröse Verbundplatte aus einem Naturfasernadelvlies mit Epoxidharzmatrix wurde mit einem geringen Druck < 2 bar verpresst. Hierbei bestimmt die Stärke der Verdichtung unter anderem das Gewicht und damit die Eigenschaften der Kernschicht. Der Austausch einer der Deckschichten des in Bild 1 vorgestellten naturfaserverstärkten Sandwichelements durch eine offen poröse Verbundplatte führt zu einem akustisch dämpfenden Bauteil. Bei diesem Sandwichelement kann die innere Schicht des Materials je nach Vernadelung des verwendeten Nadelvlieses und je nach Porosität der Deckschicht einen Teil der Luftschallenergie aufnehmen.
403
Bild 1: Beispielaufbau eines fünflagigen NF-Sandwichs.
3
Versuchsergebnisse
3.1
Mechanische Charakterisierung
Die mechanischen Eigenschaften der naturfaserverstärkten Kunststoffe lassen sich durch die Wahl einer geeigneten Matrix, dem Verdichtungsgrad der eingesetzten Naturfaser und der Art des textilen Halbzeugs einstellen. Eine wichtige Kenngröße für die mechanischen und akustischen Eigenschaften von faserverstärkten Kunststoffen ist der Biege-E-Modul. Die Faser-Matrix-Haftung kann aus dem Biege-E-Modul abgeleitet werden und soll für optimale mechanische Eigenschaften eines faserverstärkten Verbundes möglichst hoch sein. Für eine gute innere Dämpfung eines Materials kann es aber aus akustischer Sicht von Vorteil sein die Faser-Matrix-Haftung zu schwächen, so dass Schallenergie durch eine erhöhte Beweglichkeit der Fasern abgebaut werden kann. Bei den untersuchten naturfaserverstärkten Kunststoffen aus Nadelvliesen und Epoxidharzen wurden hohe Biege-E-Modulwerte von über 10 GPa erreicht. Thermoplastische Matrices wie Polymilchsäure und Polypropylen erreichten im Verbund mit Naturfasern einen niedrigeren Biege-E-Modul von ca. 7 GPa. Dabei wird der naturfaserverstärkte Kunststoff im Vergleich mit einer Epoxidharz-Matrix bis zu 50 % schlagzäher. Der Charpy-Schlagzähigkeitswert einer Verbundplatte ist abhängig von der inneren Dämpfung sowie der Festigkeit des Verbundes. Die verwendeten thermoplastischen Matrices sind bei Raumtemperatur relativ elastisch und können trotz hoher Faser-Matrix-Haftung durch Verformung Energie abbauen. Dies ist bei der Fertigung von akustisch aktiven Sandwichelementen von Vorteil.
3.2
Akustische Charakterisierung
Bei der akustischen Charakterisierung eines Materials wird zwischen Schalldämmung und Schalldämpfung unterschieden. Die Schalldämmung beschreibt die Behinderung der Schallausbreitung durch ein Trennelement, falls die Behinderung hauptsächlich durch Reflexion hervorgerufen wird. Schalldämpfung bezeichnet dagegen die Umwandlung von Schallenergie in Wärme, beispielsweise durch Reibung in porösen Medien. Beide Mechanismen treten meistens gleichzeitig auf. So wird die schalldämmende Wirkung eines Bauteils oft durch die hohe innere Dämpfung der Schwingungsenergie wesentlich verbessert. Das bewertete Schalldämmmaß enthält beide Anteile [5]. Die Auswertung der Schalldichtigkeit eines Materials erfolgt meist an-
404 hand des bewerteten Schalldämmaßes Rw, welches die gemessenen Werte auf einen leichter vergleichbaren Einzahlwert reduziert. Da die Schalldämmung eines Materials stark von seiner Masse abhängt, wird bei der Herstellung von besonders leichten Akustik-Bauelementen eine Überschreitung des Massegesetzes gefordert. Vereinfacht besagt das Massegesetz, dass sich die Schalldämmung eines Materials bei Verdopplung des Gewichts um 6 dB erhöht [6]. Die meisten der gefertigten naturfaserverstärkten einlagigen Verbundplatten erreichten eine Überschreitung des bewerteten Schalldämmmaßes von bis zu 4 dB gegenüber dem Massegesetz. Das bewertete Schalldämmmaß von Sandwichelementen lag bis zu 3 dB höher als nach dem Massegesetz zu erwarten. Von einem fünflagigem naturfaserverstärkten Sandwichelement konnten absolute Werte von maximal 37 dB erreicht werden. Durch die Veränderung des Lagenaufbaus können deutlich verbesserte Schalldämmungswerte erreicht werden. Dies wird in Bild 2 anhand von zwei Sandwichelementen dargestellt.
Bild 2: Schalldämmung von NF-Sandwichelementen mit verschiedenen Kernlagen.
Bei dem naturfaserverstärkten Sandwichelement mit einer weichen Kernschicht aus einem dicken Naturfasernadelvlies wird das Massegesetz bereits deutlich überschritten. Die Schalldämmung kann weiter verbessert werden, wenn in die Mitte des Nadelvlieses eine weitere Kernlage aus einem offen porös verpressten Nadelvlies mit Epoxidharz eingebracht wird. Diese verfestigte Mittelschicht kann durch ihr im Vergleich zu den Nadelvliesen höheres Gewicht zwischen den relativ weichen Naturfaservliesen schwingen und baut einen Großteil der Schwingungsenergie durch Umwandlung in Wärme ab. Je nach Gewicht der Zwischenschicht und Verfestigung der Nadelvliese kann die in der Deckschicht durch die Schallenergie erzeugte Schwingung gedämpft werden. Besondere Schwierigkeiten bereitete die Dickenresonanz der Sandwichelemente die durch zusätzliche Maßnahmen verringert werden musste. Aus der Vielzahl möglicher Variationen wird in Bild 3 ein dreilagiges Sandwichelement mit schalldichten Deckschichten und einem weichem Kernmaterial aus ungetränkten Naturfasern vorgestellt. Das einfache Sandwichelement besitzt bereits gute schalldämmende Eigenschaften. An diesem Sandwichaufbau wurde die Auswirkung von Krafteinleitungselementen und Inserts auf das akustische Verhalten untersucht. Hierzu wurden 1–6 Metallstifte fest in das Sandwichelement eingebunden. Die Stifte behindern die Dickenresonanz der Platte bei Frequenzen über 1 kHz
405 deutlich. Dieser positive Nebeneffekt kann durch eine Versteifung des Sandwichelements in Dickenrichtung und durch die Behinderung von Biegewellen erklärt werden. Aufgrund der Ergebnisse ist davon auszugehen, dass aus einer optimierten Anordnung dieser Metallstifte ein weiterer positiver Einfluss auf den Verlauf der Schalldämmkurve resultiert. Des Weiteren kann mit Hilfe der Metallstifte die Auswirkung von Verbindungselementen simuliert werden. Die Verbindungstechnologie besitzt einen großen Einfluss auf die Schalldämmleistung eines akustisch wirksamen Bauelements und sollte bei der Auslegung in die Berechnung einbezogen werden.
Bild 3: Veränderung der Schalldämmung von NF-Sandwichelementen durch Metallstifte.
Des Weiteren wurde die Schallabsorption anhand der offen porösen Kernschichten bestimmt. Die schalldichten Sandwichlagen besitzen keinen Einfluss auf diese Messgröße. Der frequenzabhängige Schallabsorptionsgrad wird vorwiegend durch die Dicke und den Strömungswiderstand eines offen porösen Materials bestimmt. Die in den Kernschichten verwendeten Naturfasernadelvliese besitzen aufgrund ihrer Struktur ein hohes Schallabsorptionspotential. In Bild 4 ist der Vergleich zwischen einem leichten voluminösen und einem schwereren stärker verdichteten Naturfasernadelvlies dargestellt.
Bild 4: Schallabsorptionsgrad von vernadelten Naturfaservliesen.
406 Für die akustischen Eigenschaften der Sandwichelemente ist ein geringer Verdichtungsgrad in der Kernschicht von Vorteil, um eine hohe Aufnahme an Luftschall zu gewährleisten. Das Optimum der Verdichtung muss durch die Messung des Strömungswiderstands ermittelt werden. Die Verdichtung kann bei der Fertigung durch die Stärke der Vernadelung der Vliese angepasst werden. Eine weitere Möglichkeit bietet das Tränken der Naturfasernadelvliese mit Epoxidharz. Die Verdichtung der Vliese kann durch den Pressdruck variiert werden. Eine weitere Möglichkeit die Schallabsorption der Naturfasernadelvliese zu optimieren ist die Erhöhung ihrer Dicke. Die Verdopplung der Dicke beider Naturfasernadelvliese führt zu einer deutlichen Verbesserung des Schallabsorptionsgrades. Allerdings verdoppelt sich hierdurch auch die Masse.
4
Ausblick
Zielsetzung der Untersuchungen war die Generierung eines mehrlagigen Sandwichelements, das hohen mechanischen Ansprüchen genügt, Schalldämmungswerte mit einem bewerteten Schalldämmmaß über 34 dB und hohe Schallabsorptionswerte aufweist. Durch die Charakterisierung der akustischen Eigenschaften der untersuchten naturfaserverstärkten Kunststoffe konnte eine genauere Kenntnis des Werkstoffs erzielt werden. Es ist gelungen, mithilfe von Naturfasern Sandwichelemente herzustellen, die einen typischen Anforderungskatalog für den Einsatz in der Praxis erfüllen und mit einem bewerteten Schalldämmmaß von bis zu 37 dB hohen Schalldämmungsanforderungen genügen. Schallisolierende Sandwichelemente aus naturfaserverstärktem Kunststoff bieten durch die Kombination von guten mechanischen und akustischen Eigenschaften die Möglichkeit erdölbasierte Materialien vor allem in Bereichen mit hohen akustischen Anforderungen zu ersetzen. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse und den guten akustischen Eigenschaften des Materials ist es möglich, einen naturfaserverstärkten Sandwichaufbau für konkrete Anwendungen, beispielsweise im Automobilbau zu analysieren und zu optimieren. Die Autoren danken der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft) für die finanzielle Förderung des Forschungsprojekts „Schallisolierende Sandwich-Strukturen aus naturfaserverstärktem Kunststoff“.
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6]
Literatur M. Karus, S. Ortmann, C. Gahle, C. Pendarovski, nova-Institut Hürth 2006. S. Schlott, Kunststoffe 2006, 3, 83–87. H. Schachtschneider, D.H. Müller, GAK 2005, 2, 92–96. L. Frormann, Fachsysmposium zur BauKunstStoff Pirmasens 2003. D. Maute, Technische Akustik und Lärmschutz, Carl Hanser Verlag München, 2006. I. Veit, Trockenbau Akustik 2006, 8, 40–41.
407
Spritzgießprozess für textilverstärkte Kunststoffbauteile Lothar Kroll, Jürgen Tröltzsch, Frank Helbig
Institut für Allgemeinen Maschinenbau und Kunststofftechnik, Technische Universität Chemnitz, D-09107 Chemnitz
1
Einführung
Die Erhöhung des Leichtbaugrades von Bauteilstrukturen schlägt sich generell in der Einsparung von Ressourcen und Energie nieder. Textilverstärkte Werkstoffe besitzen hierfür ein großes Potential da die Verstärkung an die herrschenden Belastungen optimal angepasst werden kann. Klassische textilverstärkte Verbundbauteile werden prinzipiell in duroplastbasierten Prozessen hergestellt, die den Nachteil langer Zykluszeiten aufweisen. Daher sind derartige TextilDuroplast-Bauteile grundsätzlich für die Großserienproduktion ungeeignet. Um dennoch Leichtbaustrukturen in Großserie herzustellen, müssen die stückzahlintensiven Thermoplastverfahren, wie etwa die Spritzgießtechnologie, derart modifiziert werden, dass die Textilhalbzeuge in kurzen Taktzeiten faserschonend in Kunststoffen integriert werden können. Die großseriennahe Verkettung der Textil- und Spritzgießtechnologie befindet sich allerdings erst am Anfang der Entwicklungsphase und ist Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten am Institut für Allgemeinen Maschinenbau und Kunststofftechnik IMK der TU Chemnitz. Die Herstellung faserverstärkter Spritzgussbauteile in der industriellen Anwendung erfolgt vorrangig durch das Einspritzen einer bereits fasergefüllten Thermoplastschmelze in das Formwerkzeug. Als Ausgangsmaterial stehen dafür Kurz- und Langfasergranulate mit Faserlängen von 0,5 mm bis 10 mm Länge zur Verfügung. Durch eine Direktzuführung der Fasern in die Plastifiziereinheit kann die Faserkürzung im Granulierungsprozess zwar umgangen werden, die Aufbereitung und insbesondere die Vermischung der Fasern und der Thermoplastschmelze in der Schnecken-Zylindereinheit der Spritzgießmaschine führt jedoch generell zu einer starken Faserlängenreduzierung, sodass im hergestellten Spritzgießbauteil die resultierende Faserlänge immer deutlich unter der Ausgangslänge des eingesetzten Fasermaterials liegt [1]. Die Faserschädigung in der Plastifiziereinheit wirkt sich nachteilig auf die mechanischen Eigenschaften des spritzgegossenen Bauteils aus. Untersuchungen zum Einfluss der Faserlänge auf die Verbundeigenschaften zeigen, dass insbesondere die Schlagzähigkeit bei endlosfaserverstärkten Bauteilen mit Faserlängen über 10 mm nochmals deutlich zunimmt (Abb. 1). Da in den stückzahlintensiven Branchen wie der Automobilindustrie die Verbesserung des Impactverhaltens von spritzgegossenen Strukturbauteilen zunehmend in den Mittelpunkt rückt, soll dieses Eigenschaftspotential verstärkt genutzt werden.
408
Abb. 1: Einfluss der Faserlänge auf die mechanischen Eigenschaften von glasfaserverstärktem Polypropylen (nach [2])
2
Schmelzimprägnierung im Spritzgießverfahren
Für die Nutzung von Endlosfasern im Spritzgießprozess müssen textile Halbzeuge in der Werkzeugkavität positioniert und thermoplastisch eingebettet werden. Die Verwendung bereits vorimprägnierter Faserhalbzeuge (Prepregs) gestattet, vor allem aufgrund der hohen Biegesteifigkeit, eine einfachere Handhabung und Positionierung im Formwerkzeug. Zudem ist die FaserMatrix-Haftung im Vorkonsolidierungsprozess bereits eingestellt. Dem gegenüber stehen aber sehr hohe Halbzeugkosten, die sich auf die Kosteneffizienz negativ auswirken [3]. Deutliche Kostenvorteile zeigen „trockene“ textile Halbzeuge, deren textile Fadenarchitektur im textilen Verarbeitungsprozess kraftflussgerecht an die späteren, häufig überlagert auftretenden mechanischen Beanspruchungen angepasst werden kann. Diese müssen allerdings im Spritzgießprozess während des Formfüllvorgangs thermoplastisch imprägniert werden, um eine ausreichende Faser-Matrix-Haftung zu erzielen. Den prinzipiellen Verfahrensablauf zur Herstellung textilverstärkter Spritzgießbauteile zeigt Abbildung 2. Durch das Einlegen einer Faserverstärkungsstruktur in die Werkzeugkavität wird diese in zwei Bereiche unterteilt, in denen sich der eingespritzte Thermoplast völlig unterschiedlich verhält. Die unverstärkten Gebiete bringen der Kunststoffschmelze nur einen geringen Fließwiderstand entgegen. In den mit der Faserstruktur ausgefüllten Gebieten bestimmen hauptsächlich die Imprägniereigenschaften das Fortschreiten der Schmelzefront, es wirkt ein sehr hoher Fließwiderstand. Diese Unterschiede führen zu wesentlich schnellerem Fortschreiten der Fließfront außerhalb des Verstärkungshalbzeuges. Umschließt dann die Schmelze das Halbzeug vor einer ausreichenden Imprägnierung, bilden sich Lufteinschlüsse, die nicht mehr entweichen können. Eine schlechte Imprägnierung der einzelnen Faserfilamente verhindert nicht nur die Ausbildung einer Faser-Matrix-Haftung und damit des beabsichtigten Faserverstärkungseffektes, die Lufteinschlüsse stellen zusätzlich eine mechanische Schwachstelle im Bauteil dar. Ein schlecht imprägnierter Textileinleger schwächt somit den Kunststoff, anstatt ihn zu verstärken.
409
Abb. 2: Verfahrensablauf des Spritzgießprozesses mit partieller Faserverstärkung; a) Zuführung der Verstärkungsstruktur, b) Positionierung und Fixierung der Verstärkungsstruktur, Schließen des Werkzeuges, c) Einspritzen des Thermoplasts, Imprägnierung der Faserverstärkung, d) Öffnen des Werkzeuges und Entnahme des fertigen Bauteils
Zur Beschreibung des Imprägniervorgangs muss zwischen einer Makroimprägnierung und einer Mikroimprägnierung unterschieden werden. Zwischen diesen zwei Teilprozessen bestehen nicht nur strukturelle Größenunterschiede, sondern auch deutliche Abweichungen hinsichtlich der auftretenden physikalischen Vorgänge (Abb. 3). Die Makroimprägnierung beschreibt das Eindringen der Thermoplastschmelze in die Grobstruktur des flächenförmigen textilen Faserhalbzeuges und die Umhüllung der Faserbänder bzw. Fäden. Dieser Vorgang ist in besonderem Maße von der Offenheit, und damit der Durchlässigkeit des Faserhalbzeuges, der Viskosität der Thermoplastschmelze und dem wirkendem Schmelzedruck abhängig. Die Mikroimprägnierung beschreibt das Durchtränken der Faserbänder und damit die Benetzung der einzelnen Faserfilamente im Roving. Neben dem Schmelzedruck als treibende Kraft kommen dabei auch die Grenzflächenerscheinungen zwischen Fasern und Matrix zum Tragen, die den Imprägnierungsvorgang maßgeblich beeinflussen. So müssen sich Adhäsionskräfte zwischen den Fasern und der polymeren Matrix ausbilden, um eine gute Umhüllung der einzelnen Filamente zu gewährleisten. Nur dann kann eine Lastübertragung aus der Matrix in die Faser erfolgen, was letztendlich die Faserverstärkungswirkung ermöglicht.
Abb. 3: Strukturelle Untergliederung der Schmelzimprägnierung textiler Halbzeuge
Die Mikroimprägnierung gestaltet sich aufgrund der geringen Freiräume zwischen den einzelnen Faserfilamenten, die für die einströmende Kunststoffschmelze zur Verfügung stehen, wesentlich schwieriger als die Makroimprägnierung. Die kleineren Fließkanäle erzwingen einen höheren Imprägnierungsdruck und führen zu einem schnelleren Abkühlen der Schmelze und damit oftmals zu vorzeitigem Erstarren. Das Strömungsverhalten der Kunststoffschmelze
410 wird damit maßgeblich von der Struktur des Verstärkungstextils, dem Werkstoffverhalten des Thermoplasts, den Randbedingungen des Formwerkzeuges und den Prozessparametern des Spritzgießprozesses beeinflusst. Diese komplexen Zusammenhänge müssen für eine ausreichende Imprägnierung des Textilhalbzeuges in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Hierfür wurde am IMK ein spezielles modulares Formwerkzeug zur prozessnahen Untersuchung des Imprägnierungsverhaltens von unidirektionalen Faserbändern entwickelt.
3
Schmelzimprägnierung und Faser-Matrix-Adhäsion an Faserbändern
Für die Charakterisierung der Faser-Matrix-Adhäsion sind eine Reihe von Prüfmethoden entwickelt worden, von denen der Einzelfaserauszugsversuch (single fibre pull-out test) und der Faserbündelauszugsversuch (fibre bundle pull-out test) besonders häufig zum Einsatz kommen. Die beim Auszug der Einzelfaser bzw. des Faserbündels aus dem Matrixmaterial ermittelten Versagenslasten lassen eine Aussage über die Schubfestigkeit zwischen Faser und Matrixmaterial und damit über die Faser-Matrix-Haftung zu. Der Faserbündelauszugsversuch liefert aufgrund der Mehrzahl eingebetteter Fasern nur eine indirekte Aussage zur Faser-Matrix-Schubfestigkeit, gestaltet sich hinsichtlich der Prüfkörperaufbereitung und Messmethode jedoch wesentlich robuster als der Einzelfaserauszugsversuch. Zugleich spiegelt diese Prüfmethodik realitätsnaher den Einfluss der Schmelzimprägnierung auf die Matrixanbindung wider, da die Möglichkeit zur prozessnahen Probekörperherstellung, z. B. im Spritzgießverfahren, gegeben ist. Der Faserbündelauszugsversuch stellt damit eine geeignete Ausgangsbasis zur Untersuchungen der Imprägnierung und Faser-Matrix-Adhäsion von unidirektionalen Faserbändern dar. Der klassische Prüfaufbau des Auszugversuches sieht eine formschlüssige Klemmung des eingebetteten Faserbündelendes vor, während das freie Ende kraftschlüssig geklemmt und zur Zugkrafteinleitung verwendet wird (Abb. 4a). Bei Anwendung dieses Prüfaufbaus für die spritzgegossenen Probekörper muss das ungeschützte freie Faserband aus der Formteilkavität des Spritzgießwerkzeuges herausgeführt werden. Die damit einhergehende starke Schädigung des Faserbandes durch auftretende Faserbrüche lässt jedoch keine verlässliche Aussage zur Auszugsfestigkeit zu, sodass ein völlig neuer Prüfkörper mit vollständig in die Formteilkavität integriertem Faserband entwickelt wurde. Die geometrische Form des speziell an den Spritzgießprozess angepassten Auszugsprobekörpers ähnelt einer Doppel-T-Form, wobei die Querstege zum form- bzw. kraftschlüssigen Halten der Faserbandenden dienen (Abb. 4b). Die funktionelle Trennung zwischen Auszugsseite und Klemmseite erfolgt durch eine Einkerbung des Übergangs vom Quersteg in den Film. Bei Steigung der Zugkraft bricht die unverstärkte Kunststoffummantelung an der Kerbstelle definiert durch, sodass anschließend das Faserband aus dem Quersteg gezogen werden kann (Abb. 4c). Die durchgeführten Auszugsversuche zeigen hinsichtlich des Kraft-Längenänderungsverhaltens eine sehr gute Übereinstimmung mit den in der Literatur beschriebenen Untersuchungen zum Einzelfaser- und Faserbündelauszugsversuch [4]. Mit zunehmender Kraft stellt sich nach einem gewissen Setzungsverhalten der Probe in der formschlüssigen Klemme ein linear-elastisches Dehnungsverhalten ein. Durch erste Rissbildungen und duktiles elasto-plastisches Verhalten der Kunststoffmatrix folgt ein degressiver Kraftanstieg bis zum plötzlichen FaserMatrix-Bruchversagen, bei dem sich das Faserbündel von der Matrix ablöst. Die sich einstellen-
411
Abb. 4: a) Klassischer Prüfaufbau beim Faserbündelauszugsversuch, b) Neu entwickelter Prüfkörper für den Spritzgießprozess, c) Prüfkörper nach dem Auszugsversuch.
de Auszugskraft resultiert aus der Reibungskraft zwischen dem ausgezogenem Faserbündel und der umgebenden Kunststoffmatrix (Abb. 5).
Abb. 5: Typisches Kraft-Längenänderungsdiagramm beim Faserbündelauszugsversuch eines 2400tex Glasfaserbündels, spritzgießtechnisch eingebettet in Polypropylen
Parallel zu den Auszugsversuchen wurden Schliffproben vom eingebetteten Faserband im Quersteg erstellt und diese in einem Polarisationsmikroskop mit PC-gestütztem Bilderfassungsund Bildauswertungssystem im Auflicht hinsichtlich der Imprägniergüte untersucht. Die nicht imprägnierten Faserbereiche sind im Schliffbild als dunkle Lufteinschlüsse zu erkennen und können über eine rechnergestützte Bildverarbeitung detektiert und als wirkungsloser Faservolumenanteil herausgefiltert werden (Abb. 6). Aufgrund der fehlenden Matrixanbindung nehmen die Fasern im Bereich der Lufteinschlüsse keine Zuglasten auf und tragen somit nicht zur Gesamtfestigkeit der Auszugsprobe bei. Es kann somit ein direkter Zusammenhang zwischen der Bruchfestigkeit im Auszugsversuch und dem erreichten Verhältnis von eingebetteten Einzelfasern zur Gesamtanzahl der im Faserband vorhandenen Einzelfilamente festgestellt werden.
412
Abb. 6: Schliffbild vom Querschnitt eines 2400tex Glasfaserbündels in einer Polypropylenmatrix; die dunklen Bereiche zeigen Lufteinschlüsse mit nicht imprägnierten Fasern.
4
Zusammenfassung
Der Einsatz textilverstärkter Kunststoffe in stückzahlorientierten Industriezweigen wie im Fahrzeugbau und Allgemeinem Maschinenbau scheitert oftmals an einem fehlenden effizienten und serientauglichen Herstellungsverfahren. Mit einer Weiterentwicklung des wirtschaftlichen und ausgereiften Spritzgießverfahrens soll diese Lücke geschlossen werden. Wesentliche Herausforderung der neuen Technologie ist die Positionierung von textilen Faserverstärkungshalbzeugen in der Werkzeugkavität, um mit dem sich anschließenden Spritzgießvorgang ein textilverstärktes Verbundbauteil herzustellen. Die Imprägnierung der textilen Halbzeuge mit der Thermoplastschmelze stellt dabei das zentrale Problem zur Ausbildung des Faser-KunststoffVerbundes dar. Zur prozessnahen Untersuchung des Imprägnierungsverhaltens wurde am IMK ein spezielles modulares Formwerkzeug entwickelt, dass die Herstellung unidirektional faserverstärkter Spritzgießprobekörper ermöglicht. Für die Charakterisierung der sich beim Spritzgießvorgang einstellenden Imprägniergüte und Faser-Matrix-Haftung wurde der Faserbündelauszugsversuch herangezogen. In Kombination mit Schliffbilduntersuchungen stellt der Faserbündelauszugsversuch ein geeignetes Instrument zur Untersuchung der Schmelzimprägnierung und der Faser-Matrix-Adhäsion von unidirektionalen Faserbündeln im Spritzgießprozess dar. Als grundlegender Modellversuch kann damit der Spritzgießprozess für textilverstärkte Kunststoffbauteile nachgebildet werden und eine einfache Abschätzung der Tauglichkeit „trockener“ textiler Halbzeuge für die spritzgießtechnische Verarbeitung direkt im Formwerkzeug erfolgen.
5 [1]
[2]
[3] [4]
Literatur Spörrer, A.; Altstädt, V.; Sandler, J.: Verarbeitung von langfaserverstärkten, hochgefüllten Thermoplasten im einstufigen Spritzgießprozess. Tagungsband 8. Internationale AVK-TV Tagung, Baden-Baden, 2005. Thomason, J. L.; Vlug, M. A.: Influence of fibre length and concentration on the properties of glass fibre-reinforced polypropylene: 4. Impact properties. Composites: Part A, 1997, Nr. 28 A, S. 277–288. Schemme, M.: Langfaserverstärkte Thermoplaste (LFT) – Entwicklungsstand und Perspektiven. Tagungsband 10. Internationale AVK-TV Tagung, Stuttgart 2007. Herrera-Franco, P. J.; Drzal, L. T.; Ho, H.: Fibre-Matrix Interfaces Tests. Test Methods, Nondestructive Evaluation and Smart Materials (Bd. 5). In Kelly, A.; Zweben, C. (Hrsg): Comprehensive Composite Materials. Pergamon, 2000.
413
Einfluss von Temperaturwechseln auf die Struktureigenschaften von CFK-Schaum-Sandwichstrukturen M. Gutwinski, R. Schäuble Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik (IWM), Halle
1
Einführung
Sandwichstrukturen zeichnen sich aufgrund Ihres Verbundaufbaus durch hohe, insbesondere spezifische Steifigkeiten und Festigkeiten aus. Dieser besteht aus zwei steifen, hochleistungsfähigen Deckschichten, die über einen leichten, Schub übertragenden Kern räumlich getrennt miteinander verbunden werden, woraus ein hohes Trägheitsmoment resultiert. Unter Verwendung geschlossenzelliger Schaumwerkstoffe lassen sich komplexe Kerngeometrien herstellen, mit denen hoch integrale Sandwichkomponenten gefertigt werden können. Der Einsatz von CFK als Deckschichtmaterial in Kombination mit leichten Kernwerkstoffen bietet Potential für Struktur- und Gewichtsoptimierung. Daher besitzt die Sandwichbauweise insbesondere im Leichtbau eine Bedeutung. CFK-Schaum-Sandwichstrukturen bieten sich wegen Ihrer hohen spezifischen mechanischen Eigenschaften für Primärstrukturen, insbesondere in beulbelasteten Strukturen unter anderem als Alternative zu Stringer-Haut-Verbunden in der zivilen Luftfahrt an. [1,2] Aufgrund der Kombination verschiedener Materialien ist das Strukturverhalten von Sandwichbauteilen im Vergleich zu monolithischen Elementen komplexer, was Untersuchungen nicht nur der einzelnen Komponenten, sondern auch des Werkstoffverbundes erfordert. Eine der technologischen Herausforderungen ist es, die Dauerfestigkeit, sowie die Beständigkeit gegenüber äußeren Einflüssen im Betrieb sicherzustellen. Sandwichstrukturen sind je nach Einsatzbereich sowohl mechanischen Lasten, als auch verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Temperatuänderungen können, aufgrund des unterschiedlichen thermischen Verhaltens der Kern- und Deckschichtmaterialien zu mechanischen Spannungen führen. Zur Thematik thermisch bedingter Spannungen, insbesondere bei periodischem Auftreten sind nur wenige Informationen verfügbar. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags soll diese Fragestellung behandelt werden. Dazu wurde der Einfluss von Temperaturwechseln innerhalb des maximalen, im Flugbetrieb auftretenden Temperaturbereichs auf die Struktureigenschaften von CFK-Schaum-Sandwichstrukturen sowohl rechnerisch als auch experimentell betrachtet.
2
Zyklische Thermal Beanspruchung
Materialien Bei den im Rahmen der Untersuchung betrachteten Werkstoffen handelt es sich als Fasermaterial um ein Multiaxialgelege der Firma Saertex (Saertex NCF Triax-Gelege) der Orientierungen 45°/0°/135° und 135°/0°/45°. Die Lagen wurden je Deckschicht zu einem Laminat mit symmet-
414 rischem Aufbau [45°/0°/135°/135°/0°/45°]s mit einer Deckschichtdicke von 1,5 mm kombiniert. Das Matrixsystem ist ein Einkomponenten Epoxidharz-Härter-System der Firma Hexcel (RTM6), das bei 180 °C aushärtet. Die Infusion der Deckschichten und die Verbindung mit dem Hartschaumstoffkern wurden im MVI-Verfahren (Modified Vacuum Injection) in einem Arbeitsschritt kombiniert. Das gemeinsame Aushärten (co-curring) führt neben der Reduktion des Herstellungsaufwandes zu einer homogenen Anbindung der Deckschichten zum Kern. Bei diesem handelt es sich um ein PMI-Leichtbauhartschaumstoff (Polymethacrylimid) der Firma Evonik (ROHACELL 71 RIST). PMI Schäume sind gegenüber vergleichbaren Hartschaumstoffen sowohl temperaturbeständig, was eine Fertigung bei 180 °C, sowie den Einsatz bei erhöhten Betriebstemperaturen ermöglicht, als auch von den mechanischen Eigenschaften her leistungsfähig.
2.2
Thermische Spannungen
Bedingt durch den besonderen Schichtaufbau der Kohlenstoffatome in der Grafitstruktur sind nicht nur die mechanischen Eigenschaften, sondern auch der Wärmeausdehnungskoeffizient von Kohlefasern stark richtungsabhängig. Der Ausdehnungskoeffizient ist in Faserrichtung negativ, quer dazu positiv. Derjenige der Epoxid-Matrix ist isotrop und positiv. In einer unidirektionalen CFK-Lage führt dies zu transversal-isotropen thermischen Eigenschaften, mit negativem Ausdehnungskoeffizienten in Faserrichtung, dominiert durch die Fasern, sowie positivem, Matrix-dominiertem Ausdehnungskoeffizienten in Faserquerrichtung. Das thermische Ausdehnungsverhalten des betrachteten Hartschaumstoffkerns ist positiv und isotrop. Die Ausdehnungskoeffizienten des verwendeten CFK-Laminats und des Kernwerkstoffs sind in Tabelle 1 zusammengefasst. [4] Tabelle 1: Temperaturausdehnungskoeffizienten von Deckschichtlaminat und Hartschaumstoffkern..
DLaminat
DLaminat
DLaminat
D 71 RIST
[10–6 * 1/K]
[10–6 * 1/K]
[10–6 * 1/K]
[10–6 * 1/K]
–0,08
6,8
45,5
35,0
Wegen des unterschiedlichen thermischen Verhaltens der verschiedenen Komponenten, die sich bei Temperaturänderung gegenseitig an der freien Ausdehnung bzw. Kontraktion hindern, entstehen thermische Spannungen, sowohl zwischen Faser und Matrix als auch im Sandwichverbund zwischen Kern und Deckschicht. Diese können bereits während der Fertigung bei erhöhter Temperatur, wie auch im Betrieb, wenn die Struktur wechselnden Temperaturen ausgesetzt ist auftreten. Aufgrund der im Verhältnis zur Deckschicht niedrigeren Festigkeit des Kerns wirkt sich die resultierende Beanspruchung vor allem auf den Kern aus, insbesondere im Anbindungsbereich zur Deckschicht. [4]
415 2.3
Probengeometrie
Entscheidenden Einfluss auf die entstehenden thermischen Spannungen in einem Bauteilkörper hat die Geometrie. Für die Untersuchung wurde dieser Einfluss an verschiedenen Sandwichprobengeometrien betrachtet, mit dem Ziel eine Geometrie zu ermitteln, mit der die in realen Bauteilen auftretenden Zustände realistisch abgebildet werden können. Während sich Temperaturwechsel in flächigen Bereichen wenig kritisch auswirken, zeigen Finite-ElementeAnalysen hohe Spannungen an lokalen Störungen im Bauteil. Diese treten im Bereich von Verstärkungen sowie im Übergang vom Sandwichverbund in monolithische Strukturen auf. Die stärksten Belastungen entstehen an umlaufend geschlossenen Strukturen, da neben der Dehnungsbehinderung in der Ebene, die Ausdehnung des Kerns senkrecht dazu durch die CFKDeckschichten behindert wird. Dieser Effekt wurde für die Gestaltung der Proben genutzt, um den ungünstigsten Fall abzubilden. Der endgültige Probenkörper wurde durch Parametervariation mittels Finite-Elemente-Rechnungen bestimmt und ist in Bild 1 dargestellt. Aufgrund der Symmetrie wurde lediglich ein Viertelausschnitt der Geometrie modelliert.
Bild 1:Probengeometrie und Viertelausschnitt.
2.4
Temperaturfeld
Der Temperaturbereich wurde auf Basis von Luftfahrtanforderungen für Composite-Strukturen sowie Messungen an Bauteilen im Flug definiert. Der Bereich wurde von +80 °C (353 K) für Temperaturen am Boden bis –55 °C (218 K) für Temperaturen im Flug festgelegt. Im Flugbetrieb können zwei unterschiedliche Szenarien auftreten. Dies sind zum einen ein Temperaturschock unmittelbar nach dem Start, sowie bei rascher Höhenzu- oder -abnahme des Flugzeugs, zum anderen ein stetiger Temperaturgradient von 4 K/min im regulären Steig- bzw. Sinkflug. Beide Szenarien wurden im Rahmen der Untersuchung betrachtet. Aus einem Vorversuch, bei dem der Wärmeverlauf innerhalb einer Sandwichprobe mit Temperatursensoren in einer Thermalkammer aufgezeichnet wurde, wurden beschleunigte Temperaturfelder für die Untersuchung erarbeitet, die die im Flugbetrieb auftretenden Belastungen realistisch abbilden.
416 2.5
Rechnerische Untersuchung
2.5.1 Wärmeübergang Bei der Modellierung des Wärmeübergangs wurde zugrunde gelegt, dass die Temperatureinwirkung der Umgebung auf die Struktur im Flugbetrieb, sowie im Versuch vom Temperaturofen über die Luft in das Bauteil im wesentlichen über Konvektion erfolgt. Der durch Strahlung stattfindende Anteil des Wärmeübergangs ist vernachlässigbar klein gegenüber dem Wärmeaustausch durch Konvektion und wurde für die Berechnung nicht berücksichtigt. Die Luft in der Temperaturkammer wird durch ein Gebläse mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 m/s in Bewegung gehalten, folglich handelt es sich um erzwungene Konvektion. Bei Annahme des Bauteils als ebene Platte lässt sich der entsprechende Wärmeübergangswert in Abhängigkeit der Temperatur bestimmen. Innerhalb eines Körpers findet der Wärmeübergang durch Wärmeleitung statt und ist abhängig von der spezifischen Wärmekapazität, sowie der Wärmeleitfähigkeit des durchströmten Körpers bzw. der Komponenten, die ebenfalls beide temperaturabhängig sind. 2.5.2 Finite Elemente Modellierung Die numerische Berechnung des Wärmeübergangs wurde mit dem kommerziellen FE-Programm MSC.Marc durchgeführt. Das definierte Temperaturfeld wurde dazu auf die Oberflächen der betrachteten Struktur aufgebracht und der Wärmeübergangswert dem Temperaturfeld zugewiesen, wodurch sich der transiente Temperaturverlauf innerhalb der Struktur ermitteln lässt. Die maximalen Temperaturdifferenzen entstehen bei Schockabkühlung zwischen Deckschichtoberfläche und Kerninnerem wenige Zeitschritte nach Einlagerung in eine Kältekammer und berechnen sich zu 75 K. Dies ist in Bild 2(a) dargestellt. Durch Kopplung des Temperaturverlaufs und des mechanischen Verhaltens in der Struktur lässt sich das Strukturverhalten unter Temperatureinwirkung beschreiben, wozu das FE-Programm MSC.Nastran genutzt wurde. Die durch den Wärmeübergang berechneten Knotentemperaturen wurden auf die Struktur aufgebracht und die wegen des unterschiedlichen thermischen Ausdehnungsverhaltens von Kern und Deckschicht resultierenden mechanischen Lasten ermittelt. Die dem Temperaturverlauf in Bild 2(a) entsprechende Materialanstrengung im Kern ist in Bild 2(b) abgebildet. Unter Berücksichtigung der bei der Fertigung entstehenden Eigenspannungen erreicht sie etwa 55 % der zulässigen Grenze. Das der Materialanstrengung zugrunde liegende Versagenskriterium basiert auf Arbeiten von Kraatz [5] und liefert zuverlässige Voraussagen an CFK-Sandwichproben [6]. Die größte Materialanstrengung entsteht nicht durch die maximale Temperaturdifferenz in der Sandwichstruktur, sondern tritt bei Abkühlung des gesamten Verbundes auf, was nach etwa 15 min erreicht wird und entspricht, ebenfalls bei Berücksichtigung der fertigungsbedingten Eigenspannungen, annähernd der Festigkeit des Kerns. Während der Schaumkern unter Temperaturabnahme zum Zusammenziehen neigt, verformen sich die CFK-Deckschichten unter Temperatureinwirkung nur unwesentlich, behindern den Schaumkern aufgrund ihrer deutlich höheren Steifigkeiten jedoch erheblich in seiner Formänderung, woraus hohe Dehnungen im Kern resultieren, die zu den Materialanstrengungen führen können.
417
Bild 2:(a) Temperaturverteilung der Struktur durch thermische Schockbelastung (bis 75 K). (b) Entsprechende Materialanstrengung im Kern, rechts.
2.6
Experimentelle Untersuchung
Im Anschluss an die rechnerische Betrachtung wurden die definierten Proben im MVI-Verfahren gefertigt und Temperaturwechsel- sowie Temperaturschockbelastungen ausgesetzt, um den Einfluss zyklischer Temperaturlast auf CFK-Schaum-Sandwichstrukturen zu ermitteln. Die Aufheiz- und Abkühlrate der stetigen Temperaturwechsel zwischen den Temperaturen von –55 °C (218 K) bzw. +80 °C (353 K) betrug 4 K/min, wodurch der Wechsel zwischen den Temperaturen im Ofen etwa 35 min dauert. Die Haltezeit bei den Minimal- bzw. Maximaltemperaturen betrug 25 min, bei den Schockversuchen jeweils 30 min. Es wurden Proben, die 10, 100 bzw. 500 Zyklen erfahren haben optisch und mechanisch geprüft und die Ergebnisse mit denen thermisch unbehandelter Proben verglichen. Dazu wurden aus den geschlossenen Proben im Anschluss an die Temperaturzyklen bzw. Schocks je drei 4-Punkt-Biegeproben herausgetrennt und nach DIN 53293 zerstörend geprüft. Bild 3(b) zeigt eine 4-Punkt-Biegeprobe in der Prüfeinrichtung nach Schubversagen des Kerns. In Bild 3(c) ist die Schubverzerrung der Probe unter Last dargestellt. Dazu wurde die Standardmesssensorik durch ein optisches 3D-VerformungsMesssystem ergänzt, um den Deformationszustand im Kern aufzulösen. Zudem wurden durch die höchstbelasteten Bereiche der Thermalprüfkörper Schnitte gelegt, um mögliche Veränderungen im Schaumkern festzustellen, siehe Bild 3(a). In Bild 4(a) sind die Festigkeiten prozentual im Verhältnis zu einer unbehandelten Referenzprobe über den Verlauf der Zyklen dargestellt, Bild 4(b) zeigt die Kraft-Durchbiegungsverläufe der Proben im 4-Punkt-Biegeversuch, ebenfalls im Verhältnis zur Referenzprobe.
418
Bild 3: (a) Schnitt durch hochbelasteten Bereich. (b) 4-Punkt-Biegeprobe (c) Schubverzerrung im Kern
Bild 4: (a) Einfluss der Zyklenzahl auf die Festigkeit (b) 4-Punkt-Biegung Kraft-Durchbiegungsverläufe
3
Fazit
Es konnte durch die optische Prüfung keine Veränderung bei den geprüften Proben gegenüber der Referenzprobe festgestellt werden. Insbesondere sind in keiner der Prüfkörper thermische Risse aufgetreten. Bemerkenswert ist zudem, dass bei der mechanischen Prüfung sowohl für die Festigkeiten als auch für die Steifigkeiten der Proben durch die Temperaturbelastung gegenüber der Referenz keine Abminderung festgestellt wurde. Speziell bei den Schockproben ist hingegen eine Zunahme der mechanischen Eigenschaften zu beobachten. Dies ist vermutlich auf den Abbau fertigungsbedingter Eigenspannungen durch die zyklische Temperaturauslagerung zurückzuführen. Derzeit laufen weitere Temperaturzyklen, um den Einfluss bei höherer Zyklenzahl zu ermitteln.
419
4 [1] [2] [3] [4]
[5]
[6]
[7] [8]
Literatur Zenkert, D., „The Handbook of Sandwich Constructions”, EMAS, 1997. Herrmann, A.S., Zahlen, P., Zuardy, I. „Sandwich Structures Technology in Commercial Aviation”, 7th International Conference on Sandwich Structures, Aalborg, 2005. Schnack, E., Meske, R., “Eigenspannungen bei viskoelastischen Verbundwerkstoffen”, DFG-Forschungsbericht, Karlsruhe, 1996. Rinker, M., Gutwinski, M., Schäuble, R., „Experimental and Theoretical Investigation of Thermal Stress in CFRP Foam Core Sandwich Structures”, 13th European Conference on Composite Materials, Stockholm 2008. Kraatz, A., „Anwendung der Invariantentheorie zur Berechnung des dreidimensionalen Versagens- und Kriechverhaltens von geschlossenzelligen Schaumstoffen unter Einbeziehung der Mikrostruktur“, Dissertation Universität Halle 2007. Rinker, M., Schäuble, R., „Bruchverhalten von hoch belasteten CFK-Schaum-Sandwichstrukturen“, 11. Tagung Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen, Merseburg, 2007. Aboudi, J., „Mechanics of Composite Materials”, Elsevier Science B.V. 1991. Hetnarski, R.B., „Thermal Stresses IV“, Elsevier Science B.V. 1996.
420
Sandwich-Spritzgießen (Coinjection)–Renaissance eines Klassikers für thermoplastische Werkstoffverbunde Volker Reichert A&E Produktionstechnik GmbH, D-01217 Dresden
Heiner Becker StructoForm GmbH, D-52070 Aachen
1
Einleitung
Unter dem „Sandwich-Spritzgießen“ wird ein Verfahren zur Herstellung von Formteilen aus thermoplastischen Werkstoffen mit dreischichtigem Aufbau aus zwei Hautschichten und einer eingeschlossenen Kernschicht verstanden. Dieses Verfahren, auch als Coinjections- oder Sequenz-Verfahren [1] bezeichnet, ist seit den 70`er Jahren bekannt aber im Vergleich mit anderen Sonderverfahren des Spritzgießens, beispielsweise dem 2K-Overmolding oder der Gas- und Wasserinjektion, heute eher noch weitestgehend unbekannt. Sandwich-Teile gibt es dennoch bereits in den verschiedensten Varianten, ohne dass diese immer auf den ersten Blick als solche zu erkennen wären. Insofern hoffen die Autoren auf eine Renaissance dieses bekannten Verfahrens, wird doch unter Renaissance allgemein auch Wiedergeburt oder Wiederbelebung verstanden. Sandwich-Spritzgießen unterscheidet sich vom Standard-Einkomponenten-Spritzgießen (Kompakt-Spritzguss) nur dadurch, dass während des Einspritzvorganges von einem Schmelzetyp auf einen anderen umgeschaltet wird. Vergleichbar ist das Sandwich-Spritzgießen somit auch mit einem Farbwechsel – in einem Zyklus! Hierbei wird bereits deutlich, dass die Problematik der sauberen Trennung der unterschiedlichen Haut- und Kernmaterialien bzw. der Vermeidung von Vermischungen auf der Teileoberfläche einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf.
2
Anforderungen an das Sandwich-Spritzgießen
Bis etwa zur Mitte der 80`er Jahre war den Anwendern das Sandwichverfahren hauptsächlich als ein Verfahren geläufig, mit dem zur Verwertung von minderwertigen Werkstoffen in einem mehrschichtigem dickwandigen Bauteil mit guter Oberfläche ein dickwandiger Kern aus Anguss-regranulat, Ausschussteilen oder auch B-Ware mit einer möglichst dünnen Haut aus AWare in einem Schuss geformt werden konnte. Diese Anwendung war immer relativ dickwandig, etwa 5....15 mm Wanddicke, wobei bereits teilweise zur Reduktion des Einfalls im Kern chemische Treibmittel zum Aufschäumen eingesetzt wurden. Diese Variante des Verfahrens hat bis zum heutigen Tag ihren Platz für Bauteile aus dem Gebrauchsgüter- und Sanitärbereich behalten. Eine wesentlich komplexere und innovative Betrachtungsweise erfuhr das Sandwich-Verfahren im Laufe der 1990er-Jahre bis in die heutige Zeit, als der Bedarf für neue Anwendungen
421 entstand, die eine maßgeschneiderte Haut-Kernstruktur des Sandwichbauteils erforderten, mit einem Kern aus z.B. kurzfasergefüllten Werkstoffen zur Erhöhung der Stabilität und besonders gut dekorier-, lackier- oder galvanisierbaren Thermoplasten als Hautschicht. Diese Sandwichvariante wurde nachhaltig durch die Anforderungen der Automobilindustrie für lackierfähige Oberflächen vorangetrieben. Hier wurden nun auch Serienanwendungen, speziell Haltegriffe und Schutzleisten entwickelt, die Wanddicken größer 10 mm aufwiesen. Aber auch Dicken von 2,5 mm bis hinab zu dünnwandigen Teilen von 1 mm Wanddicke entstanden, beispielsweise bei Gehäusen. Ab etwa dem Jahr 2000 wurden flächige Komponenten, z.B. Deckel für Transportsysteme, realisiert. Obwohl sich sehr viele Maschinen- und Rohstoffhersteller, Universitäten und Forschungseinrichtungen mit diesem Verfahren beschäftigen, hat es dennoch bisher nicht eine umfassende Verbreitung gefunden. Die Autoren meinen auf Grund eigener Projekterfahrungen, dass die Ursachen dafür im Folgenden liegen: • das Verfahren ist immer an 2-Komponenten-Maschinen gebunden, wel7che gegenüber Standard-Maschinen entsprechend höhere Investitionen erfordern. • Einschränkungen • Diese bestehen im Ausschluss von Heißkanal-Werkzeugen, ausgenommen solchen, bei welchen die Zusammenführung der Schmelzekanäle erst unmittelbar vor der Kavität erfolgt. Eine saubere Trennung zwischen Haut- und Kernschmelze ist im Heißkanal nicht gegeben. Weitere Einschränkungen bestehen in eingeschränkten Kombinationsmöglichkeiten von Haut- und Kernmaterial. Neben guten Haftbedingungen sind annähernd gleiche Verarbeitungs-temperaturen, annähernd gleiche Viskositäten und annähernd gleiches Schrumpf- und Schwindungsverhalten für beide Materialien gefordert. In der Lösung dieser Probleme bzw. im Wissen über die Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Materialien untereinander liegen große Potenziale für zukünftige Anwendungen. • Fehlende Kenntnisse bei Formteilentwicklern über die Potenziale und Grenzen des Verfahrens • Nicht immer führt „plug and play“ zum Erfolg. Materialvermischungen auf der Oberfläche, Unverträglichkeit der Materialien, zu geringe Wirtschaftlichkeit, Fehler und Ausfall im Maschinenequipment – sind nur als einige Ursachen für Fehlschläge zu nennen. Alternativen bieten heute Simulationen, welche Haut-Kern-Verteilungen berechnen. Für die Praxis gelten einige grundsätzliche Anforderungen, deren Einhaltung zur Ausbildung einer guten Struktur mit geschlossener Haut ohne Einfallstellen und voll ausgebildetem Kern im fertigen Bauteil sowie für die Prozessfähigkeit notwendig ist. Folgende Bedingungen sind zu erfüllen: vom Formteil: • großflächige, zum Anguss symmetrische Teile • Kaltkanalanguss, auch für Mehrfachkavitäten • großvolumige Teile, große Wandstärken • wenige Unterbrechungen im Fließweg z. B. Ausbrüche, Bohrungen von der Maschine: • aufeinander angepasste Auslegung der Einspritzaggregate • Möglichkeiten, alle Parameter der Spritzeinheiten unabhängig voneinander einzustellen • angepasste Zeiten beim Einspritzen von Haut- und Kernschmelze • Vermeidung von Druckeinbrüchen und -spitzen während der Füll- und Simultanphase • wegabhängiges Umschalten zwischen Haut- und Kernkomponente
422 • gute Prozessvisualisierung - gleichzeitige Anzeige der Einspritzparameter beider Spritzeinheiten vom Sandwich-Ventil (Düse): • strömungsoptimierte Schmelzekanäle des Sandwichventils • weitestgehend getrennte Temperaturführung der Schmelzekanäle • druckdichte Trennung der unterschiedlichen Schmelzekanäle • sauberes Spülen der Schmelzekanäle, in welchen nacheinander Haut- und Kernschmelzen fließen – bzw. Entformen dieses Materials bei Angussentnahme • Vermeidung von Geschwindigkeits- bzw. Druckeinbrüchen und Druckspitzen vom Werkzeug (Form): • Angepasstes Anguss-, Verteiler-, und Anschnittsystem Daraus folgt eine Harmonisierung der beiden Schmelzevolumenströme, die zu einer akzeptablen Sandwichstruktur führen. Die Temperaturführung im Sandwich-Düsensystem muss dabei umso sensibler aufeinander abgestimmt werden, wie es durch die gewählte Materialkombination und deren zugehöriges Verhältnis der Viskositäten zwischen Haut- und Kernschmelze vorgegeben wird[1]. Anzustreben sind Verhältnisse = 1, da hierbei Haut- und Kernmaterial unter annähernd gleichen Bedingungen fließen. Bei sehr ungünstigen Verhältnissen, << 1, ergibt sich von vornherein ein sehr schmales Parameterfenster, da eine zu geringe Schmelzeviskosität der Kernkomponente Vermischungen und Durchbrüche des Kerns in die Hautschicht begünstigt. Diesem so genannten „Pipeline“ oder „Finger“- Effekt, der sich durch ein „Nach-außen-drängen“ der Kernkomponente bemerkbar macht, kann folglich nur durch eine äußerst eng tolerierte Temperaturführung entgegengewirkt werden, um genügend stabile Fließfronten der Schmelzen zu gewährleisten. Nach eigenen Untersuchungen [2] kann im ungünstigen Fall schon ab 5 K Temperaturüberhöhung der Kernschmelze ein „Umkippen“ des Systems ausgelöst werden, mit unerwünschten Mehrfachströmungen und Umschichtungen der Haut- und Kernkomponenten. Weiterhin müssen durch eine geeignete Parameterführung Druckeinbrüche beim Füllen sowie lokale Überhitzungen der Materialströme an den Fließfronten unbedingt vermieden werden. Dadurch werden Fließstörungen verhindert, welche sonst z. B. zu deutlich sichtbaren Einsinkstellen an der Oberfläche im Bereich der Kernschichtgrenzen führen würden. Auch stark unterschiedliche Materialtypen verkleinern das Verarbeitungsfenster erheblich. Dies ist z. B. bei amorphen ungefüllten Hautkomponenten in Kombination mit teilkristallinen fasergefüllten Kernkomponenten gegeben. Derartige Materialpaarungen stellen sehr hohe Ansprüche an den Anwender und Einrichter und erfordern prozesskonform ausgelegte Werkzeuge. Den oben genannten Anforderungen kann nachhaltig Rechnung getragen werden, wenn diese schon mit in die Entwicklung des Bauteils einbezogen werden. Das gilt auch für den Sonderfall einer Umstellung vom Kompaktspritzguss auf Sandwich, was in der Praxis durchaus häufig vorkommt.
3
Schmelze-Ventile für das Verfahren
Für die Durchführung des Sandwichverfahrens werden Spritzgießmaschinen verwendet, welche über mindestens zwei Plastifizier- und zwei Einspritzeinheiten verfügen. Außerdem müssen Ventile mit Schmelzeleitungen vorhanden sein, die die Schmelzeströme zeitlich versetzt, von der jeweiligen Düse auf die Angiessbuchse der Form leiten.
423 „Ventile“ sind die lateinische Bezeichnung für Absperr- und Steuervorrichtungen für das Ein-, Aus- oder Durchlassen von Gasen oder Flüssigkeiten in Rohrleitungen. Insofern ist die Bezeichnung „Ventil“ für die Anwendung im Sandwich-Spritzgießen zutreffender als der Begriff „Düse“. Die Ventile für das Sandwichverfahren sind aber keine Bauelemente zur aktiven Beeinflussung von Druck und Masseströmen; diese haben lediglich „Sperr-“ bzw. „Durchlass“Funktionen zu erfüllen. Bei Einsatz dieser Ventiltechnik wird der Füllvorgang der Kavität durch die Spritzeinheiten der Maschine gesteuert. In Abhängigkeit von der Baugröße, den verschiedenen Anforderungen an die herzustellenden Kunststoff-Formteile und den Möglichkeiten diese umzusetzen, wurden drei Einbauvarianten (Bild 1) entwickelt.
Bild 1: Einbauvarianten für Sandwich-Schmelzeventile
Diese Ventile verfügen über zwei Kolben, welche die Sperrung bzw. Öffnung der Schmelzeleitungen realisieren. Da die Kolben durch den Schmelzedruck bewegt werden, entstehen keine Totzeiten, beispielsweise durch das verzögerte Ansprechen von Antrieben. Nachteilig ist, dass bei großen Durchflussquerschnitten die Betätigungskräfte für die Ventilkolben steigen. Demzu-
424 folge gilt es, zwischen Druckverlust, Gleichung (1), und Betätigungskräften des Kolbens, Gleichung (2), ein Optimum zu finden.
Δp =
8 * l * V * η π * ( d / 2)4
F = p*
'p l
V
(1)
S 4*d 2
Druckverlust Länge Durchflussstrom
(2) p d
η
Druck Durchmesser repräsentative Viskosität
Der Durchmesser d, geht in die Druckverlustgleichung in der 4. Potenz ein, in die Gleichung für die wirkenden Kräfte am Kolben (Öffnungs- u. Schließkräfte) nur in der 2. Potenz. Der Druckverlust wird aber noch von der Viskosität K der Schmelze bestimmt, so dass bei höheren Schergeschwindigkeiten (kleinerer Querschnitt) eine Viskositätsabnahme und damit auch geringe Druckverluste zu verzeichnen sind. Dennoch bewirken größere Querschnitte, und das wurde bei experimentellen Untersuchungen bestätigt, eine stärkere Verringerung der Druckverluste gegenüber dem Ansteigen der Betätigungskräfte, so dass – auch aus diesem Grund – das gewählte Prinzip der Kolben-Ventiltechnik gegenüber direkt betätigter Nadelverschlusstechnik für Anwendungen mit hohen Anforderungen an die Qualität der Schmelzen und großen Einspritzströmen technisch vorteilhafter ist.
4
Übersicht über Sandwichanwendungen in der Praxis
Innovative Lösungen im Sandwichbereich zeichnen sich durch ein maßgeschneidertes Eigenschaftsprofil aus, das sich aus dem jeweiligen Anwendungsfall ergibt. Dieser bestimmt die Auswahl möglicher Materialpaarungen maßgeblich mit. Ordnet man sie innerhalb einer Systematik ein, entstehen mehrere Klassen von Sandwichanwendungen mit typischen Merkmalen und Strukturen. Typische Anwendungen von Sandwichstrukturen sind z. B.: • Lackierfähige Schutz- und Zierleisten mit Faserverstärkung im Kern • Sanitärarmaturen mit verchromter Haut und hochfestem Kern • dickwandige Griffstangen (Haushalt) mit einem Kern aus Rezyklat, teilweise geschäumt • Spielzeugartikel mit eingefärbter Haut und Kern aus farbgemischtem Rezyklat • Designanwendungen mit transparenter Haut und eingefärbtem Kern • Haltegriffe mit glatter Haut und faserverstärktem und/ oder geschäumtem Kern Materialpaarungen in Tabellenform zur Auswahl geeigneter Haut- und Kernkombinationen wurden in der Literatur mehrfach vorgestellt, z. B. nach [1]. Die Tabelle bietet einen guten Ausgangspunkt für die Anwendungsentwicklung. Die letzte Entscheidung für die Materialpaarung sollte aber immer durch eine Machbarkeitsstudie mit einem geeigneten Probekörper abgesichert werden.
425
5
Verfahrenskombinationen auf Basis des Sandwichprozesses
Im Laufe der letzten Jahre wurden zunehmend auch 3- oder sogar 4-komponentige Prozessvarianten und Anwendungen untersucht und dargestellt. Folgende Kombinationen wurden schon realisiert: • Sandwichverfahren mit Gasinnendruckverfahren (GIT) oder Wasserinnendruckverfahren (WIT) kombiniert, z.B. hohle verstärkte Hebel und Haltegriffe, innenbeschichtete Rohre • Sandwichverfahren mit geschäumtem Kern, z.B. dickwandige Bügel • Sandwichverfahren mit zusätzlicher Weich- und/oder Hartkomponente, z.B. als Sandwichgehäuse mit Dichtlippe • Sandwichverfahren mit Montagespritzguss, z.B. als Gelenkbauteil • Tandem-Sandwichverfahren, z.B. als Multilayerspritzguss • Sandwichverfahren mit Deckfolie, z.B. als dekoriertes Sandwichbauteil • Sandwichverfahren mit Kernschicht im Gegentaktverfahren, z.B. als hochverstärktes Bauteil • Sandwichverfahren mit Gewebeeinleger, z.B. als armiertes Sandwichbauteil Bis in die Großserie wurden bis heute vorwiegend Anwendungen von Haltegriffen in der Fahrzeugtechnik mit der obigen Kombination aus Sandwich und GIT realisiert, die in der Folge bis zu Mehrfachwerkzeugen prozessfähig weiterentwickelt wurden. Weiterhin wurden inzwischen auch leistenförmige und flächige Bauteile entwickelt und sind in oder auf dem Weg in die Serie. Als Beispiel sei hier ein großflächiger Deckel, ca. 400 mm x 500 mm x 2,5 mm Bild 2 genannt, der sich durch eine geschäumte Kernschicht zur Einsparung von Masse auszeichnet.
Bild 2 Deckel mit geschäumter Kernschicht, geringer und maximaler Füllgrad des Kernanteils
Aus einem mehrfachen Sandwich, das aus Thermoplasten mit zusätzlichen Gewebeeinlegern aufgebaut ist, entstehen armierte Hybridbauteile[3]. Die Gewebeteile werden dabei je nach Anwendung entweder im Kern („Backbone“) oder auf der Außenseite („Exoskelett“) angeordnet. Durch spezielle, aus der Mehrkomponententechnik weiter entwickelte Werkzeugtechnologien lassen sich diese komplexen Komponenten dann in einem Zyklus herstellen. Die Kombination der Thermoplaste ergibt hier einerseits eine bessere Haftung zum Gewebe und glatter Oberfläche, andererseits lassen sich gleichzeitig funktionelle Bereiche mit hochfester, fasergefüllter Matrix ausbilden. Für die Entwicklung derartiger Strukturen wurde bei der StructoForm GmbH eine Pilotanlage aufgebaut, die als Multikomponentenanlage konzipiert ist, so dass verschiedene Techniken und Komponenten variabel miteinander kombiniert werden können. Ihr modularer Aufbau macht es so möglich, Bauteile mit maßgeschneiderten Eigenschaften herzustellen.
426 Es können bis zu vier verschiedene thermoplastische Komponenten miteinander per SandwichSpritzgießen verarbeitet werden. Als Verstärkungsgewebe werden vor allem textilartige Gewebe aus Endlosfasern (Glas, Carbon, Aramid, Polyamid) eingesetzt, die zuvor vorwiegend im Bereich der Duroplaste zum Einsatz kamen. Sie sind zusätzlich mit Thermoplasten beschichtet. Als Matrixwerkstoffe kommen alle zu den Hybridfasern kompatiblen Thermoplaste in Frage. Die so erzeugten kombinierten Strukturen ergeben komplexe Bauteile mit erhöhter Festigkeit, die bereits endkonfektioniert aus der Maschine entnommen werden.
6
Zusammenfassung
Nach Definition und einer kurzen zeitlichen Entwicklung des Verfahrens Sandwich-Spritzgießen werden die Anforderungen beschrieben, welche an die Maschinen-, Werkzeug- und Prozesstechnik gestellt werden, um hochwertige Kunststoff-Formteile mit mehrschichtigem Aufbau in einem Arbeitszyklus (Schuss) herzustellen. Es wird ein Überblick über, KunststoffTeileklassen gegeben, welche mit diesem Verfahren hergestellt werden können. Einflussgrößen, welche zu optimalen Ausbildung der Kernstruktur führen, werden genannt. Beschrieben werden eigen entwickelte Ventile und deren Einbauvarianten in der Spritzgießmaschine, welche die Schmelzeströme bei geringen Druckverlusten und ohne gegenseitige Vermischungen in die Werkzeugkavität leiten. Beschrieben werden weiterhin Verfahrenskombinationen mit anderen Sonderverfahren des Spritzgießens, exemplarisch dargestellt an der Herstellung eines flächigen Bauteils mit geschäumter Kernschicht.
7 [1] [2] [3] [4]
Literatur F. Johannaber, Handbuch Spritzgießen, Carl Hanser Verlag, München 2001 H. Becker, V. Reichert, u. a., Schmelzeventile zum Mehrkomponenten-Spritzgießen, Technische Universität Chemnitz, Fachtagung Technomer, 2005 H. Becker, Im Verbund werden Alltags-Kunststoffe fester, Treffpunkt Europa, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn 2007
427
Schwingfestigkeits- und Schädigungsverhalten von mehrlagengestrick-verstärkten Kunststoffverbunden unter überlagerter Zug/Druck-Schubbeanspruchung Gude, M.; Hufenbach, W.; Koch, I. Technische Universität Dresden, Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, 01069 Dresden
1
Einleitung
Die neuartige Verbundklasse der 3D-textilverstärkten Kunststoffe mit Mehrlagengestrickverstärkung zeichnet sich durch eine gestreckte Fadenanordnung aus. Diese Textilverbunde sind aufgrund ihrer hohen spezifischen Festigkeiten und Steifigkeiten, ihrer geringen Delaminationsneigung sowie ihrer gezielt einstellbaren Dämpfungseigenschaften für den Einsatz in schwingend beanspruchten Leichtbaustrukturen der Verkehrstechnik sowie des allgemeinen Maschinenbaus geradezu prädestiniert [1]. Für die Strukturauslegung bei zyklischer Belastung fehlen jedoch insbesondere gesicherte Kenntnisse über das Schwingfestigkeitsverhalten bei überlagerten Beanspruchungszuständen [2]. Auf Basis umfangreicher ein- und mehrachsiger statischer und zyklischer Zug/Druck-Torsionsversuche (Z/D-T) wird das Schädigungsverhalten der neuartigen Textil-Verbundklasse am Beispiel von Epoxidharzverbunden mit Mehrlagengestrick-(MLG-)Verstärkung bei zyklischer Belastung analysiert. Die Untersuchungen dienen zur Erarbeitung physikalisch begründeter Versagens- und Schädigungsmodelle mittels des bruchtypbezogenen Festigkeitskriteriums nach CUNTZE als Basis für einen realistischen Schwingfestigkeitsnachweis. Im Vordergrund der experimentellen und theoretischen Arbeiten stehen Einstufenversuche mit – dem jeweiligen Bruchtyp gezielt zugeordneter – schwellender Belastungskombination. Die Schwingfestigkeitsversuche unter definiert überlagerten Spannungszuständen werden an textilverstärkten Rohrprobekörpern auf einer servohydraulischen Z/D-T-Prüfmaschine durchgeführt. Die ermittelten Schwingfestigkeiten, Restfestigkeiten sowie die ermittelte Steifigkeitsdegradation bilden die Grundlage für die Erarbeitung entsprechender Entwurfskriterien und Festigkeitsschaubilder und bieten dem Berechnungsingenieur ein erstes Handwerkszeug für die Auslegung 3D-textilverstärkter Kunststoffbauteile bei schwingender Belastung.
2
Textile Verstärkungsstruktur und Probekörperfertigung
Der Fokus der experimentellen Untersuchungen liegt auf neuartigen 3D-Textilverstärkungen, welche am Institut für Textil- und Bekleidungstechnik der TU Dresden entwickelt werden. Diese Glasfaser-Mehrlagengestricke (GF-MLG) weisen eine hohe Steifigkeit und Festigkeit auf, da die lasttragenden Kett- und Schussfäden gestreckt angeordnet sind. Zusätzlich verhindern die den Fadenverbund sichernden Glasfaser-Strickmaschenfäden Delaminationen zwischen den einzelnen Schichten [3]. Bei der hier betrachteten Textilverstärkung handelt es sich um ein 2-lagiges Flachgestrick mit E-Glasfasern (GF) für Kett- und Schussfaden sowie einem um eine
428 Größenordnung feineren Maschenfaden (Abbildung 1). Durch die Einstellung der Kett- und Schussfadendichte ergibt sich ein nahezu gleicher Masseanteil in 0°- und 90°-Richtung.
Abbildung1: 2-lagiges Glasfaser-Mehrlagengestrick (GF-MLG) mit ausgeglichenem Faservolumenanteil in Kett- und Schussrichtung
Zur Induzierung von ein- und mehrachsigen Beanspruchungszuständen werden Rohrprobekörper verwendet, mit denen Zug/Druck-Torsionsversuche entlang definierter Lastpfade durchgeführt werden können. Hierbei kommen standardisierte Rohrprobekörper mit einem Innendurchmesser von 40 mm sowie einer Wandstärke von 1,5 mm zur Anwendung. Die Schwingversuche werden mit einer harmonischen sinusförmigen Belastungsfunktion mit einer Frequenz von 3–5 Hz durchgeführt. Für die Herstellung der GF-MLG-verstärkten Probekörper wird das RTM-Verfahren verwendet. Zur effizienten Fertigung der Rohrprobekörper kommt ein Tauchkantenwerkzeug mit eingebauter Temperanlage zum Einsatz, mit dem die Herstellung mehrerer Prüfkörper in einem Fertigungsprozess möglich ist. Um die kleinste mögliche textile Einheitszelle zu testen, wurden Probekörper mit einer [0, 90]-GF-MLG-Lage mit zusätzlichen Lagen GF-Gewebe zur Verstärkung der Aufleimerbereiche des Probekörpers hergestellt. Das verwendete Harzsystem MGS RIMR135/RIMH137 besitzt eine geringe Viskosität und ist innerhalb von 24 h kalthärtend. Zur Verkürzung des Verfahrenszyklusses wird die Infiltration sowie die Aushärtung bei 40 °C Werkzeug- bzw. Harztemperatur durchgeführt. Nach der Härtung über 10 Stunden erfolgt ein Temperzyklus bei 70 °C über 5 h. Die Infiltration selbst wird bei 3 bar Infiltrationsdruck in das vollständig evakuierte RTM-Werkzeug durchgeführt.
3
Steifigkeitsdegradation textilverstärkter Kunststoffe bei zyklischer Belastung
Neben dem Abfall der Festigkeit haben zyklische Belastungen einen signifikanten Einfluss auf die Steifigkeit textilverstärkter Kunststoffe. Als Maß für die Steifigkeit des Probekörpers im zyklischen Versuch wird der gemittelte Anstieg der Spannungs-Dehnungs-Hysterese (im Folgenden als dynamischer Modul bezeichnet) gewählt. In Abbildung 2 sind die Verläufe des dynamischen Moduls von GF-MLG/EP-Verbunden aus repräsentativen uniaxialen Zug-, Druck- und Torsionsschwellversuchen sowie mehrachsigen Zug/Torsions- und Druck/Torsionsversuchen in normierter Form zusammen mit Detailaufnahmen der dazugehörigen Rissmuster dargestellt. Während bei Zug- und Torsionsschwellbelastung der Steifigkeitsabfall in drei typische Bereiche, einem starken Abfall der Steifigkeit am Anfang und Ende der Belastung sowie der schwach linear abfallenden Steifigkeit im mittleren Lebensdauerbereich, eingeteilt werden kann, ist bei Druckschwellbelastung kein signifikanter Steifigkeitsabfall bis zum Totalversagen festzustellen [4, 5]. Im Vergleich zu zugschwellbelasteten GF-MLG/EP-Verbunden ist der Stei-
429 figkeitsabfall schubschwellbelasteter Verbunde aufgrund der matrixdominierten Verformungsart stärker ausgeprägt. Die Erkenntnisse aus der Steifigkeitsdegradation korrelieren mit den Ergebnissen der Rissbildanalyse. Während zug- und schubbelastete GF-MLG/EP-Verbunde signifikante Risse zeigen, sind druckbelastete Verbunde bis kurz vor dem Versagen nahezu rissfrei (Abbildung 2).
Abbildung 2: Steifigkeitsdegradation von GF-MLG/EP bei ein- und mehrachsiger zyklischer Belastung
Die Schädigungsphänomenologie bei Zugschwellbelastung ist vor allem durch Querrisse in den tangential angeordneten Kettfadenlagen und Schäden an den Maschenfäden gekennzeichnet. Im Fall torsionsbelasteter Probekörper entstehen zunächst Ablösungen des Maschenfadens. Gegen Ende der Lebensdauer bilden sich zusätzlich Längs- und Querrisse in den Verstärkungsfasern sowie ausgeprägte Bereiche sogenannten Whitenings aus. Beim Vergleich der Steifigkeitsdegradation bei einachsiger und mehrachsiger Belastung gemäß Abbildung 2 ist der Einfluss der phasengleich überlagerten Belastungen deutlich erkennbar. Während überlagerte Zug-Torsionsbelastungen zu einer stärkeren Degradation der Schubsteifigkeit bei weitgehend identischem Abfall der Zugsteifigkeit führt, wird bei überlagerter Druck-Torsionsbelastung eine Degradation der axialen Steifigkeit initiiert. Die Schädigungsphänomene aufgrund von Zug- und Torsionsbelastung treten dabei kombiniert auf.
430
4
Schädigungsmodell für 3D-textilverstärkte Kunststoffverbunde
Zuverlässige Berechnungsmethoden für zyklisch belastete Textilverbundstrukturen setzen voraus, dass die Ausbildung von Schädigungen und die Schädigungsevolution realistisch abgebildet werden. Insbesondere die Auswirkung der Schädigung auf die mechanischen Eigenschaften, wie etwa die Reststeifigkeit und -festigkeit, müssen korrekt wiedergegeben werden. Allgemeine pauschale Lebensdauermodelle, wie sie gegenwärtig in Finite-Elemente-Methode-(FEM-)Software implementiert sind, können Werkstoffdegradation und Spannungsumlagerungen nur unzureichend abbilden, so dass die Lebensdauervorhersage und die Optimierung mehrschichtiger Faserverbundwerkstoffe äußerst schwierig ist. Eine zielführende Möglichkeit zur Berechnung der Eigenschaftsdegradation bei zyklischer Belastung ist die schrittweise Modellierung des Eigenschaftsverlaufes infolge der schwingenden Belastung. Die Zyklus-für-Zyklus-Methodik erlaubt es, die schichtweise Werkstoffdegradation bis hin zum Totalversagen zu simulieren. So können etwa Wöhlerkurven für verschiedene Schichtaufbauten inklusive der Spannungsumlagerung sowie der treibende Versagensmodus vorausberechnet werden. Die Optimierung des Mehrschichtverbundes hinsichtlich der Lebensdauer bei zyklischer Belastung wird damit möglich [6]. Der Ablaufplan der Berechnungsprozedur für faser- und textilverstärkte Verbundwerkstoffe bei zyklischer Belastung ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Schwingfestigkeitsanalyse beginnt mit der Berechnung der durch die zyklische Belastung entstehenden Spannungsamplituden sowie -mittelspannungen in den Schichten des gedanklich in idealisierte Einzelschichten zerlegten textilverstärkten Verbundes. Dies erfolgt in der Regel mit Hilfe der klassischen Laminattheorie oder gegebenenfalls höherer Schichtentheorien. Durch eine nachgeschaltete Versagensanalyse auf Basis physikalisch begründeter Versagenskriterien wird die Wirkung des im Allgemeinen mehrachsigen Spannungszustandes auf die mechanischen Eigenschaften der Einzelschicht bewertet. Im Fall von Totalversagen, etwa aufgrund von Faserbruch, wird die Berechnung in diesem Ablauf gestoppt. Liegt dagegen kein Totalversagen vor, ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Lastspielzahl und Werkstoffanstrengung Schädigungen in den einzelnen Bruchmoden auftreten werden [7, 8].
Abbildung 3: Schädigungsmodell für textilverstärkte Kunststoffe bei zyklischer Belastung
431 Anhand der bruchmodebezogenen Werkstoffanstrengung Eff nach CUNTZE wird das Wachstum der Schädigungsparameter Dij für orthotrope Werkstoffe mit Hilfe von Schädigungsevolutionsgleichungen beschrieben. Die von PAEPEGEM vorgeschlagene Formulierung der lastspielabhängigen Evolutionsgleichungen der Schädigungsparameter als Funktion der Werkstoffanstrengung und der Schädigung selbst werden aufgegriffen, jedoch durch eine bruchmodebezogene Betrachtungsweise gemäß:
(
)
( (Eff
)
dDij = fij||σ Eff ||σ , Dij + fij||τ Eff ||τ , Dij + dN fij^ σ
^σ
)
(
)
(
)
(1)
, Dij + fij^ τ Eff ^ τ , Dij + fij^ || Eff ^ || , Dij .
erweitert [7–10]. Die, aufgrund des von PAEPEGEM zur Berechnung der Werkstoffanstrengung verwendeten pauschalen Versagenskriteriums nach TSAI/WU noch notwendige, Unterscheidung von gesonderten Termen fij(i ) und fij( p ) zur Beschreibung der ersten Phase der Schädigungsinitiierung bzw. der zweiten und dritten Phase des Schädigungswachstums entfällt bei Verwendung des bruchmodebezogenen Versagenskriteriums nach CUNTZE. Die so berechneten Schädigungsparameter wirken über das Konzept der effektiven Spannungen auf die Steifigkeiten und Festigkeiten in den jeweiligen Materialrichtungen. Als Ergebnis der Zyklus-für-Zyklus-Berechnung werden der Grad der Spannungsumverteilung zwischen den Einzelschichten, die versagensrelevante Schicht, der treibende Versagensmodus sowie die Lebensdauer angezeigt. Damit wird es möglich, den Schädigungsfortschritt in mehrschichtigen textilverstärkten Kunststoffen bei zyklischer Belastung auf der Basis begrenzter experimenteller Ergebnisse zu beschreiben.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Anhand umfangreicher ein- und mehrachsiger Belastungsversuche an textilverstärkten Rohrprobekörpern wurde das Schwingfestigkeitsverhalten und die Schädigungsphänomenologie glasfaserverstärkter Textilverbunde unter zyklischer Belastung herausgearbeitet. Demnach ist der messbare Abfall der Verbundsteifigkeit bei zyklischer Zug- und Schubbeanspruchung direkt durch die Entstehung und das Wachstum von Rissen begründet. Zyklische Druckbeanspruchung verursacht dagegen keine Rissentwicklung und damit keinen Steifigkeitsabfall während der Lebensdauer. Durch die visuelle Werkstoffzustandsüberprüfung und die Auswertung von fotografischen und lichtmikroskopischen Aufnahmen mit Hilfe schadenstypbezogener Rissmessung ist es möglich, die sich während zyklischer Belastung entwickelnden Werkstoffschäden zu quantifizieren und Ansätze zur Formulierung der Schädigungsevolution zu gewinnen. Mit Hilfe der für schwingende Beanspruchung modifizierten Versagenskriterien nach CUNTZE werden die modebezogenen Werkstoffanstrengungen für die Versagensanalyse und die Bestimmung des Schädigungszuwachses bereitgestellt. Auf dieser Basis werden des Weiteren Schädigungsevolutionsgleichungen auf der Mesoebene entwickelt, welche die schichtweise und bruchmodebezogene Werkstoffdegradation widerspiegeln. Vielversprechende Ansätze dazu basieren auf der Formulierung der Degradationsgleichungen mit Hilfe der Werkstoffanstrengungen nach dem modifizierten Versagenskriterium
432 nach CUNTZE. Dadurch ist es möglich, die Schädigungsevolution getrennt für jeden Bruchmodus und damit für die auftretenden Schädigungsphänomene zu formulieren.
6 [1]
Literatur
W. Hufenbach (Ed.): Textile Verbundbauweisen und Fertigungstechnologien für Leichtbaustrukturen des Maschinen- und Fahrzeugbaus, ISBN 978-3-00-022109-5, Publ. 2007 [2] R. Böhm: Bruchmodebezogenen Beschreibung des Degradationsverhaltens textilverstärkter Verbundwerkstoffe. Dissertation, TU Dresden, 2008 [3] O. Diestel, P. Offermann: Thermoplastische GF/PP-Verbunde aus biaxial verstärkten Mehrlagengestricken – Werkstoff zur Verbesserung der passiven Fahrzeugsicherheit, Technische Textilien / Technical Textiles 43 (2000) 4, 274–277 [4] S. Adden, P. Horst: Characterization of non-crimp-fabrics by using a mesomechanic point of view. Proceedings 7th International Conference on Mesomechanics, Montreal, Kanada, 2005, S. 164–171 [5] A. L. Gagel: Über die Schädigung und Degradation von Glasfaser-Multiaxialgelege verstärktem Epoxid unter mechanischer Last. Dissertation, TU Hamburg-Harburg, 2007 [6] M. M. Shokrieh, L. B. Lessard, Fatigue under multiaxial stress systems. In: Fatigue in Composites (Ed.: B. Harris), Woodhead Publishing Cambridge, UK 2003, P. 63–113 [7] W. Hufenbach, M. Gude, V. Lustig, I. Koch: Schwingfestigkeitsverhalten von Verbundstrukturen bei überlagerter Zug/Druck-Torsionsbelastung. Int. Konferenz Verstärkte Kunststoffe“, Karlsbad, 2005, S. 144–150 [8] R. G. Cuntze, et al: Neue Bruchkriterien und Festigkeitsnachweise für unidirektionalen Faserkunststoffverbund unter mehrachsiger Beanspruchung – Modellbildung und Experimente. Fortschritt-Berichte, VDI Reihe 5, Nr. 506, Düsseldorf, VDI-Verlag 1997 [9] J. Degrieck, W.v. Paepegem: Fatigue damage modelling of fibrereinforced composite materials: review. Applied Mechanics Reviews, 54 (2001) 4, S. 279–300 [10] W. v. Paepegem, J. Degrieck: Modelling damage and permanent strain in fibre-reiforced composites under in-plane fatigue loading. Journal of Composites Science and Technology, 63 (2003) 5, S. 677–694
433
Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) zur Charakterisierung des Härtungsvorgangs von Harzsystemen Monika Schennen, Wolfgang Kunze TA Instruments, Ein Unternehmensbereich der Waters GmbH, Eschborn
1
Einleitung
Die Bedeutung von faserverstärkten Systemen in der Konstruktion von Leichtbauteilen steigt stetig an. Teure, begrenzte Metallrohstoffe und limitierte Energieresourcen veranlassen viele Industriezweige (Automobil- und Flugzeugbau, Windenergie, ...) zur Verwendung moderner Hochleistungsmaterialien. Intelligente Klebesysteme erlauben die Realisierung konstruktiver Materialkombinationen. Harzsysteme und Klebemittel werden entwickelt, charakterisiert und kontrolliert. Die Optimierung und Kontrolle des Härtungsprozesses ist unerlässlich. Die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) ist eine viel verwendete Technik zur Charakterisierung des Härtungsvorgangs und zur Bestimmung der Endeigenschaften des Produktes. Vernetzungsenthalpie und -rate, Temperaturbereich und Glasübergang sind wichtige Kriterien, die mittels DSC vermessen werden können.
2
Faserverbundwerkstoffe
Ein Faserverbundwerkstoffe ist ein Werkstoff, der aus einer Verstärkungsfaser und einer polymeren Kunststoffmatrix besteht [1]. Als Verstärkungsfasern können anorganische Materialien (Glasfaser, Kieselsäurefasern, ...), metallische Fasern (Stahl, ...) oder organische Fasern (Kohlenstoff, Polyester, ...) verwendet werden. Auch Fasern auf Naturbasis finden Anwendung (Sisal, Hanf, ...). Als Matrix können sowohl Duroplasten (unterschiedlichste Harzsysteme wie Epoxidharze, Phenolharze, Polyurethane, ...) oder Thermoplasten (PEEK, PPS, PTFE, ...) eingesetzt werden. Faserverstärkte Kunststoffe mit duroplastischer Matrix lassen sich nach dem Aushärten bzw. dem Vernetzen der Matrix nicht mehr umformen. Sie weisen jedoch einen hohen Temperatureinsatzbereich auf. Faserverstärkte Kunststoffe mit einer thermoplastischen Matrix lassen sich nachträglich umformen oder verschweißen. Nach dem Abkühlen der Matrix sind faserverstärkte Kunststoffe mit thermoplastischer Matrix einsatzbereit. Sie erweichen jedoch bei erhöhter Temperatur [2]. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Analyse von duroplastischen Matrixsystemen. Faserverbundwerkstoffe zeigen bei geringem Gewicht eine hohe mechanische Festigkeit. Sie sind vielseitig einsetzbar, flexibel gestaltbar und beständig. Der Einsatz dieser Werkstoffklasse steigt stätig an, während der Umsatz bei metallischen und nichtmetallischen Werkstoffen in der letzten Zeit zurückgegangen ist. Die Verbundwerkstoffe werden unter den Gesichtspunkten Rohstoffeinsparung, Energieeinsparung, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit in Zukunft ein erweitertes Feld von Interesse vorfinden und damit ihren Marktanteil weiter ausbauen können [3].
434
3
Analysentechnik: Dynamische Differenzkalorimetrie
Die Dynamische Differenzkalorimetrie (DDK oder engl. DSC) bestimmt Temperatur und Wärmestrom von Materialien als Funktion der Zeit und Temperatur. Die Methode wird zur Charakterisierung von Glasübergängen, Schmelzen, Kristallisationen, Aushärtungen, Phasenübergängen, Produktstabilitäten, usw. eingesetzt. Üblicherweise wird der Wärmestrom, bezogen auf die Einwaage, über der Temperatur aufgetragen. Bild 1 zeigt eine schematische Wärmestromkurve. Die Methode wird in DIN 51007 beschrieben.
Bild 1: Schematische Darstellung einer DSC Kurve, Exotherm zeigt nach unten
3.1
Wärmestrom DSC
Bei der Wärmestrom DSC werden Probe und Referenz (leerer Tiegel) in einem gemeinsamen Ofen in kontrollierter Atmosphäre kontinuierlich aufgeheizt. Kommt es zu einer exothermen (wärmefreisetzenden) oder endothermen (wärmebenötigenden) Reaktion, so kommt es zu einer Temperaturdifferenz zwischen Probe und Referenz, der differentielle Wärmestrom und somit die Enthalpieänderung kann ermittelt werden. Die Probe wird bodenbedeckend in einen offenen, verdeckelten oder hermetisch verschlossenen Probentiegel (meistens Aluminium) gegeben. Es ist zu beachten, dass ein guter Kontakt zwischen Probe und Tiegel bzw. Deckel vorliegt. Der Probentiegel muss einen ebenen Boden aufzeigen und flach auf dem Sensor aufliegen. Nur so ist ein guter Wärmeübergang gesichert.
3.2
Modulierte DSC
Die Moduluierte DSC (MDSC) ist eine spezielle Methode der DSC. Der traditionellen, linearen Temperaturrampe wird eine sinusförmige Temperaturschwingung aufgelegt (siehe Bild 2). Durch Fouriertransformation wird das Summensignal – dieses entspricht bei gleicher Heizrate dem Standard DSC Signal – in den kinetischen und den thermodynamischen, heizratenabhängigen Anteil aufgetrennt. Somit ist es möglich, überlagernde Effekte zu trennen und komplexe Vorgänge detailierter zu interpretieren.
435
Bild 2: Temperaturprofil einer modulierten DSC Messung
3.3
Verwendete Messgeräte
Für die später gezeigten Messungen wurde das DSC Q2000 mit Tzero Technologie in Verbindung mit dem Kompressorkühler RCS90 (Fa. TA Instruments) verwendet. Ihren Namen verdankt die TZero-DSC dem zusätzlichen Thermoelement, das in der Mitte der definierten Wärmeleitstrecke zwischen Proben- und Referenzseite in der Zelle platziert ist (siehe Bild 3). Dies erlaubt, die Wärmeströme von Proben- und Referenzseite unabhängig voneinander zu messen. Diese Technik vereint somit hohe Empfindlichkeit als auch hohe Auflösung. Die Berücksichtigung von Unsymmetrien des Sensors in den Thermischen Widerständen und Wärmekapazitäten auf Proben- und Referenzseite führt zu einer ausgezeichneten Basislinie. Die Technik erlaubt die direkte Bestimmung der Wärmekapazität und bietet erweiterte Möglichkeiten in der Parameterwahl modulierter® DSC (MDSC-) Experimente (schnellere Heizraten).
436
Bild 3: Schnittzeichnung der Messzelle, DSC Q2000 mit Vergrößerung des Sensors
4
Aushärtung und Nachvernetzung
Die Härtung von Harzsystemen ist ein chemischer Prozess: Monomere reagieren zu verzweigten Makromolekülen. Man unterscheidet zwischen Polyadditionsreaktionen (z. B. Epoxyharze) und Polykondensationen (z. B. Phenolharze). Bei der Bildung von Makromolekülen durch Polykondensation werden einfache Moleküle (z. B. Wasser) abgespalten und freigesetzt. Bei der Aufheizung duroplastischer Materialien tritt in der 1. Aufheizung die Aushärtungsreaktion auf. Der exotherme Effekt kann sowohl quantitativ (Enthalpie) als auch qualitativ (Temperaturlage) bewertet werden. In der 2. Aufheizung treten Glasübergang und eine eventuelle Nachvernetzung auf. Glasübergang Der Glasübergang, erkennbar durch die stufenartige Veränderung der spezifischen Wärme und des Ausdehnungskoeffizienten sowie durch den Abfall des Speichermoduls und das Maximum der mechanischen Dämpfung bei dynamisch-mechanischer Belastung. Die Glasübergangstemperatur steigt mit der Aushärtung[4]. Nachvernetzung Die Nachvernetzung resultierend in Exothermie, Schwindung und Modulanstieg, wobei nur erste quantitativ auswertbar ist. Das Nachvernetzungspotential sinkt mit steigender Härtung[4].
4.1
Messparameter
4.1.1 Tiegelauswahl Für Polyadditionsreaktionen können nicht-hermetische Tiegel benutzt werden, da es nicht zum Abdampfen durch Kondensation ko mt. Um einen guten Wärmeübergang zwischen Probe und Tiegel zu erzielen, empfiehlt es sich, den Tiegel zu verdeckeln. Der Deckel wird perforiert, um
437 Störungen durch Druckschwankungen, Thermische Ausdehnung, mechanische Bewegung ect. auszuschließen. Zur Analyse einer Polykondensationsanalyse ist ein hermetischer Tiegel erforderlich. Bei Verwendung nicht hermetischer Tiegel überlagert die endotherme Verdampfung des Kondensationsprodukts (z.B. Wasser) die exotherme Härtungsreaktion. Bei Auswahl des hermetischen Tiegels ist auf ausreichende Druckstabilität zu achten, andernfalls kommt es zur Ausbildung von Artefakten. 4.1.2 Temperaturprogramm Grundsätzlich wird unterschieden zwischen isothermer Härtung und kontinuierlicher Aufheizung. Bei kontinuierlicher Heizung ist darauf zu achten, dass die Starttemperatur niedrig genug ist, um den gesamten Effekt zu erfassen. Eventuell muss die Zelle vorgekühlt werden. Bei isothermer Härtung muss die Temperatur hoch genug sein, um die Reaktion zu starten. Niedrige Temperaturen führen zu längeren Reaktionszeiten, Endeigenschaften werden beeinflusst.
5
Ergebnisse
Bei der Analyse der Polyaddition von frischen Material ist darauf zuachten, dass die Mischzeiten und die Zeit zwischen Ansatz und Analyse möglichst konstant gehalten werden. Bei schnell reagierenden Systemen, empfiehlt es sich, die Mischung in einem gekühlten Behälter, oder z.B. auf einer gekühlten Platte vorzunehmen, um eine Reaktion vor der eigentlichen Messung zu unterbinden. Bei rasch reagierenden Systemen sollte auch die DSC Zelle vorgekühlt werden, um sicher zustellen, dass die Reaktion vollständig erfaßt und ausgewertet werden kann. Das Bild 4 zeigt die 1. Aufheizung einer Polyadditionsreation, ausgewertet werden die Peakfläche und die charakteristischen Temperaturen. Die Enthalpie (Peakfläche), berechnet aus der Wärmestromkurve, wird zur Charakterisierung der exothermen Härtungsreaktion genutzt. Im 2. Heizen kann der Glasübergang und die eventuelle Restvernetzung bestimmt werden. Bei vorvernetzten Materialien zeigt die Aufheizung den bereits vorhandenen Glasübergang und die Restvernetzung. Häufig überlagern sich die beiden Effekte, was ein eindeutige Auswertung nicht möglich macht. Bild 5 zeigt in der oberen Kurve eine solche Überlagerung: Glasübergang und Restvernetzung können nicht eindeutig ausgewertet werden. Die spezielle Methode der modulierten DSC (MDSC) wird hier zur Trennung der überlagernder Effekte genutzt. Bei dem Glasübergang handelt es sich um einen thermodynamischen Effekt, er reagiert somit auf die aufgegebene Temperaturschwingung und tritt im sogenannten „Reversing“ Signal (mittlere Kurve Bild 5) auf. Die Restvernetzung dagegen ist kinetisch initiert und kann getrennt im „Nonreversing“ Signal ausgewertet werden.
438
Bild 4: Polyaddition, 1. Aufheizung (10 K/min) nach dem Anmischen einer frischen Probe
Bild 5: Trennung von Tg und Resthärtung mittels MDSC (5 K/min, 60 s, +–0,5 K)
439 Der Glasübergang (Tg) ist ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung von Eigenschaften und Qualität eines Bauteils. Der Tg ist abhängig vom Grad der Vernetzung, Nachvernetzungen zeigen sich im Ansteigen des Tg. Verschiebt sich der Glasübergang bei Mehrfachheizungen des Materials zu höherer Temperatur, ist von einer weiteren Nachvernetzung auszugehen. Bei sehr geringen Nachvernetzungen ist die Exothermie häufig sehr schwach oder breitgestreckt, da bietet der Glasübergang ein gutes Kriterium zur Prüfung auf weitere Vernetzungsvorgänge. Bild 6 zeigt die Mehrfachheizungen eines Harzsystems, erst in der 5. Aufheizung ist der Glasübergang stabil.
Bild 6: 2.,3., 4. und 5. Aufheizung eines Harzsystems. Die Nachhärtung verschiebt den Tg zu höherer Temperatur. Der Tg ist erst nach der 5. Aufheizung stabil
7
Zusammenfassung
Die DSC und im speziellen die modulierte DSC sind eine einfache, schnelle Methode, um aushärtende Materialien zu charakterisieren und Endeigenschaften zu bestimmen.
8 [1] [2] [3] [4]
Literatur Bättig, J., SE STZ Plastics Now! 01/2006, 18–19, Die Faserverstärkung ist entscheidend Internetquelle: www.wikipedia.de http://de.wikipedia.org/wiki/Faser-Kunststoff-Verbund Nixdorf, J., Materialwisschenschaft und Werkstofftechnik, 13–1,2008 23–28, Zur wirtschaftlichen Situation der Verbundwerkstoffe Ehrenstein, G.W. in Duroplaste Aushärtung Prüfung Eigenschaften, Carl Hanser Verlag München Wien 1997
440
Beanspruchungsgerechte Abstandsstrukturen für komplexe Leichtbauanwendungen durch funktionsgerechte Nähtechnik C. Herzberg, N. Zhao, H. Rödel Technische Universität Dresden, Institut für Textil- und Bekleidungstechnik, Professur Konfektionstechnik
1
Einführung
Die Verfahren und Maschinen der Konfektionstechnik gestatten ein gezieltes Verarbeiten von Textilhalbzeugen zu dreidimensional verstärkten Mehrschichtverbunden. Im Rahmen des Teilprojektes B1 des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereiches (SFB) 639 „Textilverstärkte Verbundkomponenten für funktionsintegrierende Mischbauweisen bei komplexen Leichtbauanwendungen“ werden unterschiedliche textile Abstandsstrukturen (spacer preforms) entwickelt, die die Voraussetzung für leistungsfähige massearme Leichtbauteile im Fahrzeugbau darstellen. Die konfektionstechnische Montage ist vor der Übergabe zum Kunststoffprozess der abschließende Schritt der textilen Preformfertigung. Das Teilprojekt B1 „Nähtechnische Montage textiler Komponenten, Abstandsstrukturen (spacer preforms), Randstrukturen und Inserts“ ist Gegenstand des Projektbereiches „Textilgerechte Verbindungen“. Die Konfektionstechnik bietet hierbei ein Höchstmaß an Flexibilität hinsichtlich der Verbindung textiler Flächengebilde. In den technologisch vorgelagerten SFB-Projekten werden Verstärkungsfilamente und Verstärkungstextilflächengebilde hergestellt, die die Grundlage für die zu entwickelnden textilen Abstandsstrukturen bilden. Als Verstärkungstextilmaterial werden Glasfilamente (GF) und als Matrixmaterial Polypropylen (PP) angewandt. Die Montage der einzelnen beanspruchungsgerechten Verstärkungstextilien zur integralen Preform erfolgt mittels moderner Nähverfahren. Diese Vorgehensweise hat sich als sehr effektiv erwiesen, da hierbei sowohl Montage- als auch Verstärkungsnähte variabel in die textile Preform eingebracht werden können. Die genähten und konsolidierten Bauteile müssen unterschiedliche Belastungen tragen können. Eine sehr häufig auftretende Beanspruchung ist die Zugbelastung. Durch den Nähprozess und das Einbringen des Nähfadens in das Bauteil verändert sich dessen Festigkeit. Der hier veröffentlichte Artikel beschäftigt sich mit der nähtechnischen Herstellung von Abstandsstrukturen und der Bewertung der Zugfestigkeit des genähten Faserverbundes aus Glas/PP-Filamenten.
2
Fertigung von Abstandsstrukturen
Zielstellung ist die Fertigung von spacer preforms sowohl mit viereckigen als auch mit dreieckigem Querschnitt. Um die Delaminationsneigung zu reduzieren, werden die einzelnen Lagenpakete durch Vorfertigung und Teilmontage mit z-Verstärkungsnähten versehen. Die Vernähbarkeit dieser Lagenpakete wurde experimentell untersucht, um optimale Nähprozessparameter wie Nadelfeinheit, Nadelspitzenform, Nähfadenart, Nähfadenfeinheit zu bestimmen.
441 2.1
Nähverfahren
Für die Fertigung von spacer preform gleicher Wandstärke mit rechteckigem Querschnitt wird das Prinzip der nahtweisen Abarbeitung der Struktur angewandt. Hierfür werden vier Lagenpakete benötigt. Die Fertigung erfolgt durch das Falten der Lagen, wobei die jeweils nicht benötigte Lage weggeklappt wird. Im Bild 1 ist die gleichwandige spacer preform aus GF-PP-Mehrlagengestrick dargestellt. Jede Kammer hat die gleichen Maße von 45 mm in der Breite und 30 mm in der Höhe.
Bild 1: Gleichwandige spacer preform mit viereckigem Querschnitt aus Mehrlagengestrick (MLG)
Um spacer preforms mit dreieckigem Querschnitt zu fertigen, wurde eine neuartige Nähguthalterung konstruiert und gebaut. Die Montage dieser spacer preform erfolgt ausschließlich mit der CNC-x-y-Nähmaschine KL 102. Auch hier wird das Prinzip der nahtweisen Abarbeitung der Struktur angewandt. Zunächst wird das untere und mittlere Lagenpaket miteinander verbunden und das obere Lagenpaket aus dem Nähbereich herausgeklappt. Für ein reproduzierbares Vernähen sind zusätzliche Fixierelemente notwendig. Anschließend wird das untere Lagenpaket aus dem Nähbereich herausgeklappt und mit dem Verbinden des mittleren und oberen Lagenpaketes begonnen. Dies wird solange wiederholt, bis die gewünschte spacer preform gefertigt ist [1].
2.2
Makrostrukturen
Bislang wurden hauptsächlich spacer preforms mit einer Größe von 900 mm x 900 mm hergestellt. Mittels Konfektionstechnik ist es möglich, spacer preforms großer Dimension zu fertigen. Deshalb wurden Makrostukturen entwickelt, die sich aus Einzelstrukturen zusammensetzen. Die Montage erfolgt mit der robotergestützten Einseitennähtechnik. Weiterhin ist es möglich, die Einzelstrukturen zu größeren Einheiten aneinander zu montieren. Hierfür wurden zwei unterschiedliche Verfahren entwickelt, zum einen wird der Nahtbereich schuppenartig überdeckt und zum anderen wird Verstärkungstextil mittels Einseitennähtechnik zur Überdeckung des Nahtbereiches aufgenäht. Generell besteht eine besondere Herausforderung darin, dass bei der Herstellung der Makrostrukturen kein Zusammendrücken (Einschnüren) im Nahtbereich vorkommen darf. Ebenso ist es möglich, mit der Tuftingtechnik Makrostrukturen herzustellen. Beim Tuften lassen sich Materialdicken bis zu 40 mm verarbeiten. Der Verbindungsfaden liegt gestreckt in z-Richtung im Verstärkungstextil. Da er nicht mit sich verschlungen ist, kann er sich schnell aus dem Verstärkungstextil herauslösen. Deshalb ist die Handhabung nur in einem Werkzeug möglich. Die Fixierung des Tuftingfadens erfolgt mit dem Konsolidierungsprozess [2].
442 2.3
Inserts
Ein weiterer Schritt auf dem Gebiet der konfektionstechnischen Preformfertigung liegt in der Schaffung von Krafteinleitungszonen für nichttextile Inserts. Für die automatisierte Integration der Inserts wurden Programme für die CNC-gesteuerte x-y-Nähmaschine entwickelt.
Bild 2: Mit CNC-x-y-Nähmaschine aufgenähte Inserts, schematisch (links), Ergebnis (rechts)
Beim Aufnähen der Inserts werden mehrerer Lagen verbunden, wobei der Nähfaden in Dickenrichtung verstärkend wirkt. Weiterhin ist es möglich, die Umgebung der Krafteinleitungselemente mit belastungsgerechten Nähten zu versehen (Bild 2).
3
Zugfestigkeit der genähten Verbundbauteile
Durch das Nähen von Faserverbundwerkstoffen können die Delaminationsfestigkeit, die Stoßschadenstoleranz und die Festigkeit an der Verbindungsstelle erhöht werden. Das Nähen jedoch führt auch zu Wellungen, Abweichungen der Filamentausrichtung und zu Brüchen an Filamenten. In diesem Abschnitt wird die Zugfestigkeit der genähten Proben aus GF/PP-Filamenten messtechnisch bestimmt und ausgewertet.
3.1
Einfluss des Nähfadens
Die Ergebnisse der Zugfestigkeitsprüfungen zeigt Bild 3. Die Messwerte von Zugfestigkeit und E-Modul zeigen die gleiche Tendenz. Die Werte der Proben mit Nähten aus Glasfilamentgarnen (GF 30, GF 40, GF 50) und PEEK und der Proben ohne Nähte liegen im gleichen Bereich. Die Nähte längs zur Belastungsrichtung (0°-Nahtrichtung) haben fast keine Wirkung auf die Zugfestigkeit und den E-Modul. Die Nähfäden aus Polyester (PES/CF und Saba 30) erhöhen die Zugfestigkeit um etwa 10 %. Die Proben mit GF/PP- und mGF/PP-Nähfäden besitzen die niedrigsten Werte von Zugfestigkeit und E-Modul. mGF/PP- und GF/PP-Nähfäden verursachen eine Reduzierung der Zugfestigkeit von etwa 6 bis 24 %. Durch die Spannung der Nähstiche bildet sich eine matrixreiche Zone. Diese kann zur Kerbwirkung führen. Bei einer Belastung tritt der Bruch zuerst dort auf. Solche Störungen durch den Nähfäden führen zu einer lokal niedrigeren Zugfestigkeit des Verbundes. Bei der Zugbelastung von ungenähten Proben kommt es zuerst zu einem Matrixbruch. Es folgen dann die Bündeltrennung und schließlich die Delamination. Die Delamination tritt dabei zwischen den Filamentbündeln in 0°-Richtung und 90°-Richtung auf. Diese Delamination breitet sich bei weiterer Belastung aus. Zum Schluss brechen die Glasfilamente und es kommt zu einem Bruch.
443
Bild 3: Vergleich von Zugfestigkeit und E-Modul der Proben mit verschiedenen Nähfäden, Belastung in Kettrichtung, 0°-Naht, 8 mm Nahtabstand
Demgegenüber tritt bei genähten Proben eine geringere Delamination auf, da sie sich nur zwischen nebeneinander liegenden Nähten ausbreitet. Die Ausbreitung der Delamination wird durch die Nähte unterdrückt. Auf diese Weise verbessert sich die Zugfestigkeit des Verbunds durch die Nähte.
3.2
Einfluss der Nahtrichtung
Die Nahtrichtung beeinflusst die Festigkeitseigenschaften. Die Messwerte der Zugfestigkeit bei Nahtrichtungen von 0° und 90° werden in Bild 4 erfasst. Die Zugfestigkeit von allen Proben mit 90°-Nähten ist niedriger als bei den Proben mit 0°-Nähten beziehungsweise von ungenähten Proben. Wie Bild 5 zeigt, stört eine 90°-Naht die Filamentenlage im Verbund, was zu einer Verringerung der Zugfestigkeit führt. Die Verschiebungen der Filamente reduzieren die Kraftübertragung.
Bild 4: Zugfestigkeit in Abhängigkeit der Nahtrichtungen, Belastung in Kettrichtung, 8 mm Nahtabstand (links), Belastung in Kettrichtung, 4 mm Nahtabstand (rechts)
444
Bild 5: Verschiebung der Glasfilamente durch Nähstiche, Lichtmikroskopaufnahme (links), Röntgenaufnahme (rechts)
Eine Wellung in z-Richtung zur Flächennormalen wird durch die 90°-Nähte im Verbund gebildet. Die Wellungen reduzieren die Gleichmäßigkeit der an den Oberflächen liegenden Glasfilamente und führen zur Beeinträchtigung der Kraftübertragung. Da die Nähte nicht in Belastungsrichtung liegen und durch die Wellungen den Verbund stören, reduzieren sie die Zugfestigkeit. Die Proben brechen bei Zugbelastung direkt an der Naht. Für die Herstellung genähter Faserverbundbauteile ist es sinnvoll, die Nahtrichtung entsprechend zu wählen. Sollen die Nähte als Delaminationsschutz oder zur Fixierung von Lagen und Formen oder zur Montage dienen, sind die Nähte möglichst in Belastungsrichtung anzuordnen.
3.3
Einfluss des Nahtabstandes
Die Zugfestigkeiten von Proben unterschiedlicher Nahtabstände sind in Bild 6 dargestellt. Die Nahtabstände betragen 4 und 8 mm. Generell kann festgestellt werden, dass der Einfluss des Nahtabstandes auf die Zugfestigkeit gering ist. Außer bei den Proben mit GF 40 Nähfäden haben die Proben mit 4 mm Nahtabstand eine geringere Zugfestigkeit. Die Ursache dafür liegt in der verstärkten Kerbwirkung infolge der höheren Stichdichte in der Probenfläche.
Bild 6: Zugfestigkeit in Abhängigkeit von Nahtabständen, 0°-Nahtrichtung (links), 90°-Nahtrichtung (rechts)
Es ist festzustellen, dass die Nähte in thermoplastischen Faserverbundwerkstoffen, zum Beispiel GF/PP, sowohl eine positive als auch eine negative Wirkung auf die Zugfestigkeit ha-
445 ben können. Die gemessene Zugfestigkeit ist das Ergebnis einer Kombination von beiden Wirkungen [3].
4
Mikroskopie
Das Vernähen der textilen Preform erfordert besondere, auf den Werkstoff Glas/Polypropylen zugeschnittene Nähzwirne. Da auf dem Markt keine geeigneten Nähzwirne vorhanden sind, wurde ein hochfester, gut verarbeitbarer Mehrfachnähzwirn aus Glas-Polypropylen entwickelt und zum Einsatz gebracht. Die mikroskopischen Untersuchungen belegen, dass die Teflonbeschichtung des industriell gefertigtem GF-Nähfadens im konsolidierten Bauteil eine Grenzfläche zwischen Nähfaden und Verstärkungstextilfläche bildet, welche festigkeitsreduzierend wirkt (Bild 7, links). Der neu entwickelte GF–PP-Nähfaden fügt sich dagegen gut in das Verbundbauteil ein (Bild 7, rechts).
Bild 7: Schnitt durch ein GF-PP-Bauteil – mit GF-Teflon-Nähfaden (links) und GF-PP-Nähfaden (rechts)
5
Zusammenfassung
Beginnend wurden spacer preforms aus GF-PP-Verstärkungstextil mit der Abmessung von 900 x 900 x 30 mm hergestellt. Dabei wird der Einfluss der Nähte auf die Zugfestigkeit des Endbauteils aus Glas/PP-Filamenten bestimmt. Später erfolgte die Entwicklung von Verfahren, diese einzelnen spacer preforms zu Makrostrukturen zusammen zu fügen. Mittels robotergestützter Einseitennähtechnik ist es möglich, diese Einzelstrukturen parallel, senkrecht oder im Winkel zueinander anzuordnen. Auf diese Weise entstehen komplexe Strukturen großer Dimension. Für die automatische Integration von Inserts wurden Programme für CNC- Nähmaschinen entwickelt und nähtechnische Versuche durchgeführt. In Weiterführung dieser Arbeiten ist die Entwicklung und Erprobung von genähten textilen Freiformflächen, beispielsweise für Fahrzeugfrontmodule, unter Berücksichtigung der Prozesssicherheit, der Qualitätssicherung und der Reproduzierbarkeit notwendig.
446
6 [1] [2]
[3]
Literatur DIN EN ISO 527-4, Bestimmung der Zugeigenschaften, Teil 4: Prüfbedingungen für isotrop und anisotrop faserverstärkte Kunststoffverbunde, 1997. Herzberg, C.; Zhao, N.; Schenk, A.; Rödel, H.: Genähte Abstandsstrukturen für komplexe Leichtbauanwendungen. Technische Textilien, Heft 2, Jahrgang 49, S. 128–129, Frankfurt/M., 2006. Zhao, Rödel, H.; Herzberg, C.: Konfektionstechnische Verfahren zur Fertigung textilverstärkter Abstandsstrukturen für den Leichtbau. In: Kurzreferateband. 11. Chemnitzer Textiltechnik Tagung, Chemnitz, 2007.
447
Einfluss des CNT-Anteils auf die thermophysikalischen Eigenschaften von PEEK-Werkstoffen A. Lindemann, J. Blumm, H. Niedrig NETZSCH Gerätebau GmbH, Selb
1
Einführung
Seit vielen Jahren ist die Flash-Technik [1] eine gut bekannte Methode zur Bestimmung der thermophysikalischen Eigenschaften von Kohlenstoffmaterialien und Metallen von Raumtemperatur bis in den Hochtemperaturbereich. Bei dieser Technik wird die Vorderseite einer planparallelen scheibenförmigen Probe durch einen kurzen energiereichen Puls erwärmt. Der resultierende Temperaturanstieg auf der Probenrückseite wird über einen Infrarot-Sensor zeitlich erfasst. Kurze Messzeiten, einfache Probenvorbereitung und eine hohe Messgenauigkeit sind nur einige der Vorteile dieser kontaktlosen und zerstörungsfreien Messmethode. Seit der Einführung von Parker et. al. [1] gab es vielzählige Erweiterungen. Neue Auswertemethoden, welche den Wärmeverlust [3] und finite Pulseffekte [4] berücksichtigen, wurden entwickelt. Einige Auswertemodelle, die beide Effekte auf optimale Weise gleichzeitig berücksichtigen, sind bereits verfügbar [2]. Weiterhin erlauben moderne Flash-Systeme die simultane Bestimmung der Temperaturleitfähigkeit a und der spezifischen Wärmekapazität cp. Mit Kenntnis der Dichte U des Materials ist eine direkte Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit O möglich:
λ(T ) = ρ(T ) ◊ c p (T ) ◊ a(T ).
(1)
In der Vergangenheit wurde die Flash-Technik hauptsächlich für gut wärmeleitende Werkstoffe, wie z. B. für Kohlenstoff-Materialien, angewendet. Neuste Entwicklungen ermöglichen jedoch auch die Messung von geringer wärmeleitenden Materialien, wie z. B. Polymere oder Verbundwerkstoffe. In dieser Arbeit werden Messungen unter Verwendung der NETZSCH LFA 447 NanoFlash vorgestellt. Das System ist mit einer Xenon-Blitzlampe ausgestattet, die sehr kurze Lichtpulse (< 1 ms) zur Erwärmung der Probenvorderseite ermöglicht. Das Antwortsignal auf der Probenrückseite der scheibenförmigen Probe wird über einen InSb-Infrarot-Detektor erfasst. Das LFASystem ist mit einem Ofen ausgestattet, so dass Messungen zwischen Raumtemperatur und 300 °C möglich sind. Die gemessenen Polymer-Komposite basieren auf Polyetheretherketon (PEEK). PEEK ist gehört zu den teilkristallinen Thermoplasten und besitzt außerordentlich gute mechanische Eigenschaften und weist eine sehr gute chemische Beständigkeit auf. Der Elastizitätsmodul liegt typischerweise zwischen 3 und 4 GPa und die Zugfestigkeit liegt bei etwa 100 MPa. PEEK zeigt bei etwa 150 °C einen Glasübergang und hat eine Schmelztemperatur von etwa 350 °C. Die Schmelztemperatur liegt an der Obergrenze für herkömmliche Polymere. PEEK zählt zu
448 den wenigen Polymeren, die für Anwendungen unter Hochvakuum geeignet sind. Das in dieser Arbeit untersuchte PEEK-Material enthielt unterschiedliche Konzentrationen an KohlenstoffNanotubes (CNT). Die Füllstoffkonzentration lag zwischen 0 und 14 %. Untersucht wurden die Einflüsse von Konzentration und Verteilung des Füllstoffes auf die thermophysikalischen Eigenschaften (spezifische Wärmekapazität, Dichte, Temperaturleitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit) zwischen Raumtemperatur und 200 °C.
2
Versuchsdurchführung
In Abbildung 1 ist der schematische Aufbau der NETZSCH LFA 447 NanoFlash dargestellt. Die Xenon-Blitzlampe ist zentral angeordnet. Sie ermöglicht eine zwischen 0.1 und 0.45 ms wählbare Pulslänge sowie eine maximale Pulsenergie von 10 J. Die Blitzlampe ist umgeben von einem elliptischen Spiegelsystem zur Fokussierung des emittierten Lichtes auf den darüber liegenden Probenhalterbereich. Die Energiebereitstellung wird durch eine im hinteren Teil des Gerätes befindlichen Kondensatorbank gewährleistet. Die Blitzlampenleistung wird softwareseitig über die Spannungs-höhe an der Kondensatorbank und über die Pulsbreite kontrolliert. Die zu messenden Proben werden auf einem automatischen Probenwechsler für bis zu 4 Proben positioniert. Dabei erlauben unterschiedliche Probenhaltereinsätze die Verwendung der unterschiedlichsten Probengeometrien (quadratisch, scheibenförmige Proben mit unterschiedlichen Durchmessern usw.). Innerhalb des Probenwechslersystems ist ein Plattenheizelement angeordnet, welches Messungen bei beliebigen Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 300 °C ermöglicht. Die Messung des Temperaturanstieges auf der Probenrückseite übernimmt ein InSb-Infrarot-Detektor. Der Detektor ist in einem flüssigstickstoffgekühlten Dewar-Behälter angeordnet und gewährleistet dadurch eine sehr hohe Empfindlichkeit bei geringem Signalrauschen. Die Datenerfassung erfolgt durch ein Verstärker- und A/DKonvertersystem mit geringster Zeitkonstante, wodurch die hohe Datenerfassungsrate von 500 kHz möglich ist.
Abbildung 1: Messteil der NETZSCH LFA 447 NanoFlash.
Die Überwachung des Messsystems sowie die Analyse der Messdaten wird von einer 32-bit MS® Windows™ Software übernommen. Diese ermöglicht einen vollautomatischen Messablauf und beinhaltet neuste Auswerteroutinen, wie z. B. nichtlineare Regressionen zur Berücks-
449 ichtigung von radialen und axialen Wärmeverlusten sowie finiten Pulseffekten. Vergleichsmessungen an zertifizierten Standard-Materialien (NIST) und reinen Metallen haben gezeigt, dass das System eine Genauigkeit von besser als 3 % aufweist. Die Proben waren Platten mit einer Dicke von ca. 3 mm. Alle Tests wurden senkrecht zur Plattenrichtung durchgeführt. Zusätzlich wurde eine PEEK-Probe (14 % CNT) in Plattenrichtung gemessen.
3
Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 2 zeigt die spezifische Wärmekapazität, die Temperaturleitfähigkeit und die Wärmeleitfähigkeit des reinen PEEK-Material. Die spezifische Wärmekapazität steigt nahezu linear mit der Temperatur an. Bei 150 °C wurde eine Stufe detektiert, die sich auf den Glasübergang zurückführen lässt. Die Temperaturleitfähigkeit nimmt bei steigender Temperatur ab. Dieses Verhalten ist typisch für reine Phononenleiter [5]. Der Glasübergang wird begleitet mit einer sprunghaften Abnahme der Temperaturleitfähigkeit. Ausgehend von ca. 0.3 Wm–1K–1 bei Raumtemperatur steigt die Wärmeleitfähigkeit bis 200 °C nahezu linear an.
Abbildung 2: Spezifische Wärmekapazität, Temperaturleitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit des reinen PEEKMaterials zwischen 25 °C und 200 °C.
In den Abbildungen 3 bis 5 sind die Ergebnisse für die verschiedenen thermophysikalischen Eigenschaften der PEEK-Komposite mit 3 %, 7 % und 14 % CNT-Anteil dargestellt. Die Temperaturleitfähigkeit und die Wärmeleitfähigkeit steigen mit zunehmendem CNT-Anteil. Die spezifische Wärmekapazität nimmt dagegen ab. Auch der Einfluss des Glasübergangs wird mit steigendem CNT-Anteil geringer.
450
Abbildung 3: Spezifische Wärmekapazität, Temperaturleitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit des PEEK-Materials mit 3 % CNT zwischen 25 °C und 200 °C.
Abbildung 4: Spezifische Wärmekapazität, Temperaturleitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit des PEEK-Materials mit 7 % CNT zwischen 25 °C und 200 °C.
451
Abbildung 5: Spezifische Wärmekapazität, Temperaturleitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit des PEEK-Materials mit 14 % CNT zwischen 25 °C und 200 °C.
Die Ergebnisse der Probe PEEK mit 14 % CNT für zwei unterschiedliche Raumrichtungen sind in Abbildung 6 ersichtlich („in-plane“ und „thru plane“). Die Messungen wurden in einem speziellen Laminat-Probenhalter durchgeführt (in-plane). Es ist deutlich erkennbar, dass die Ergebnisse für die Temperatur- und Wärmeleitfähigkeit in Plattenrichtung (in-plane) deutlich
Abbildung 6: Spezifische Wärmekapazität, Temperaturleitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit des PEEK-Materials mit 14 % CNT in und senkrecht zur Plattenrichtung zwischen 25 °C und 200 °C.
452 höher liegen. Dieses ist bedingt durch die Herstellung der PEEK-Platten mittels Spritzgießverfahren. Dabei wird das flüssige Polymer durch eine Einspritzöffnung in das Spritzgießwerkzeug eingebracht und gezielt abgekühlt. Dieses hat Einfluss auf die Orientierung der thermisch gut leitenden CNT-Partikel in der Polymer-Matrix. Typischerweise ist der faserförmige Füllstoff in Spritzrichtung ausgerichtet, so dass in dieser Raumrichtung die höchsten Temperatur- und Wärmeleitfähigkeitswerte gemessen werden. Zudem wurden signifikante Unterschiede von der Mitte zum Rand der PEEK-Platten festgestellt, was auf unterschiedliche Konzentrationen und/ oder Orientierungen der CNT-Partikel zurückzuführen ist.
4
Zusammenfassung
Ein Flash-System wurde zur Untersuchung der thermophysikalischen Eigenschaften von verschiedenen PEEK-CNT-Kompositen (0 %, 3 %, 7 % und 14 % CNT-Anteil) eingesetzt. Es wurde gezeigt, dass die CNT-Additive zu einer deutlichen Erhöhung der Temperatur- und Wärmeleitfähigkeit beitragen. Bedingt durch die Ausrichtung des Füllmaterials konnte eine starke Anisotropie in den thermophysikalischen Eigenschaften nachgewiesen werden. Dennoch ist der Gesamteinfluss des CNT-Füllmaterials vergleichsweise gering und nicht sehr viel größer im Vergleich zu anderen Kompositen mit herkömmlichen Kohlefasern als Füllstoff. Es wurden signifikante Unterschiede zwischen Rand und Plattenmitte festgestellt. Hier könnten weitergehende Untersuchungen, z. B. durch das punktweise Abscannen der gesamten Plattenoberfläche (MTX-Scanning-Erweiterung der LFA 447), weiteren Aufschluss über die Verteilung und Ausrichtung der Füllstoffpartikel geben.
5 [1] [2] [3] [4] [5]
Literatur W. J. Parker, R. J. Jenkins, C. P. Butler, G. L. Abbott, 1961 J. Appl. Phys. ,Vol. 32, 1679–1684 J. A. Cape, G. W. Lehman, 1963 J. Appl. Phys. ,Vol. 34, 1909–1913 R. D. Cowan, 1963 J. Appl. Phys., Vol. 34, 926–929 T. Azumi, Y. Takahaski, 1981, Rev. Sci. Instr., Vol. 52, 1411–1413 C. Kittel, H. Krömer, Thermodynamik, 5. Auflage, Oldenburg Wissenschaftsverlag GmbH, München (2001)
453
Rechnerische Abschätzung der modalen Dämpfung für die Auslegung komplexer Faserverbundstrukturen Werner Hufenbach, Martin Dannemann, Jens Friedrich, Frank Kolbe Technische Universität Dresden, Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK), 01062 Dresden
1
Einleitung
Bei Hochtechnologieanwendungen werden für Leichtbaustrukturen in zunehmendem Maße neben einer hohen spezifischen Steifigkeit und Tragfähigkeit auch geringe Schwingungsamplituden und Schallabstrahlung gefordert, da die Komfort- und Umweltanforderungen stetig steigen. Hier bieten Faserverbundwerkstoffe aufgrund ihres in weiten Bereichen einstellbaren Eigenschaftsprofils das Potential einer gewichtsneutralen Reduktion der Schallemission. Die dämpfungs- und abstrahlungsgerechte Vorauslegung von Faserverbundbauteilen erfordert derzeit z.B. semianalytische Modelle, die jedoch nur für einige Basisstrukturen wie etwa Platten zur Verfügung stehen [1]. Die Übertragbarkeit auf komplexe Geometrien muss im Einzelfall anhand von Experimenten, die insbesondere zur Bestimmung der modalen Verlustfaktoren dienen, abgesichert werden. Um eine Vorauslegung realer Faserverbundbauteile zu ermöglichen, wurde eine Methode entwickelt, die eine Abschätzung der modalen Verlustfaktoren mit Hilfe kommerziell verfügbarer Finite Elemente (FE-) Software erlaubt. Ausgangspunkt hierfür ist die Methode der komplexen Eigenwerte zur Analyse der modalen Verlustfaktoren [2], die für die Verwendung mit kommerzieller FE-Software angepasst wurde. Die Zuordnung der berechneten Moden aus Speicher- und Verlustmodell erfolgt mit dem Modal Assurance Criterion (MAC), welches bislang vorrangig zur Gegenüberstellung der Schwingungsmoden aus Simulation und Experiment genutzt wurde. Die entwickelte Methode wird anhand einer Muldenstruktur aus textilverstärktem Thermoplast experimentell validiert.
2
Konzept zur Berechnung modaler Verlustfaktoren
Kommerziell verfügbare FE-Programmsysteme wie etwa ANSYS oder I-DEAS erlauben die Berücksichtigung von Dämpfungseffekten über die Proportionalitätsfaktoren D und E (vgl. z.B. [3]). Die Möglichkeit richtungsabhängige Dämpfungen in den Berechnungsprozess einzubeziehen ist derzeit nicht gegeben. Ein Lösungsansatz zur Berechnung der modalen Verlustfaktoren von komplexen Faserverbundstrukturen ist die Methode der komplexen Eigenwerte [2]. Da diese Methode im Allgemeinen zu komplexwertigen und vollbesetzten Systemmatrizen führt, ist der direkte Einsatz kommerzieller FE-Software zum Lösen der entstehenden Eigenwertgleichung derzeit nicht möglich. Daher wurde die Methode der komplexen Eigenwerte für die Verwendung mit kommerzieller FE-Software vereinfacht und angepasst. In Bild 1 ist der prinzipielle Berechnungsablauf dargestellt.
454
Bild 1: Schematischer Berechnungsablauf
Aus der Bewegungsgleichung für gedämpfte Schwingungen in komplexer Schreibweise
M u(t ) K * u (t )
(1)
0
entsteht mittels des Lösungsansatzes u (t ) = K ⋅ eiZt das komplexe Eigenwertproblem (vgl. [1]) *
(
)
⎡( K ′ + iK ′′ ) − (Z ′ + iZ ′′) 2 M ⎤ K ′ + iK ′′ = 0 ⎣⎢ ⎦⎥ . * * *2 ⎡ K − Z M ⎤K = 0 ⎣ ⎦ Ein Koeffizientenvergleich liefert dann die Zusammenhänge
(2)
455
⎡ K ′ − (Z ′2 − Z ′′2 ) M ⎤K ′ = 0 ⎣⎢ ⎦⎥ ⎡ K ′′ − 2Z ′Z ′′M ⎤K ′′ = 0 ⎣⎢ ⎦⎥
.
(3)
Aus diesen Gleichungen können mit Hilfe getrennter FE-Berechnungen die Eigenwerte cc 2 2Z cZ cc bestimmt werden. Dazu werden in einem ersten Z FE c 2 Z c 2 Z cc 2 und Z FE Schritt aus der Geometrie und den richtungsabhängigen Materialkennwerten zwei Modelle – ein sog. Speichermodell und Verlustmodell – erstellt. Diese Modelle basieren auf der gleichen Geometrie, unterscheiden sich aber hinsichtlich des zugrundeliegenden Materials, das beim Speichermodell aus den Realteilen und beim Verlustmodell aus den Imaginärteilen des Kennwertsatzes besteht. Aus den paarweise zugeordneten Eigenfrequenzen kann dann der modale Verlustfaktor der n-ten Mode Kn berechnet werden
Kn =
2 f n′′, FE . f n′,2FE
3
Berechnungen am Beispiel einer Muldenstruktur
3.1
Modell- und Berechnungsparameter
(4)
Die Berechnungen wurden an einer vereinfachten quadratischen Muldengeometrie aus Mehrlagengestrick (MLG) mit Glasfaser-Polypropylen (GF/PP)-Hybridgarn durchgeführt. Die Muldengeometrie ist in Bild 2 dargestellt. Für die Berechnungen wurde eine freie Lagerung der Mulde gewählt.
Bild 2: Muldengeometrie
Die richtungsabhängigen dynamischen Materialsteifigkeiten und -dämpfungen des verwendeten Mehrlagengestricks wurden im Biegeresonanzversuch bestimmt (vgl. [4]). In Bild 3 ist exemplarisch der Elastizitätsmodul in Form eines Polardiagrammes dargestellt.
456
Bild 3: Richtungsabhängige dynamische Elastizitätsmoduln von GF/PP-MLG
Die größten Elastizitätsmoduln treten parallel zur Faserrichtung (entspr. Kettrichtung, 0°) auf. Dies ist auf den hohen Anteil gestreckter Fasern in dieser Richtung zurückzuführen. Im Bereich von 30° bis 60° treten die geringsten Steifigkeiten auf. Die Werkstoffdämpfung zeigt ein gegenläufiges Verhalten, sodass hier ein Maximum bei ca. 45° auftritt.
3.2
Ergebnisse der Modalanalyse
Mit Hilfe eines in ANSYS parametrisch aufgebauten FE-Modells wurde der Einfluss der Faserorientierung auf die Eigenfrequenz unterschiedlicher modaler Schwingformen berechnet. Exemplarisch ist in Bild 4 dieser Einfluss für eine Schwingung der Seitenflächen dargestellt.
Bild 4: Eigenfrequenz in Abhängigkeit der Faserorientierung für eine exemplarisch ausgewählte Schwingform
457 Bei der gewählten Eigenform ist eine starke Abhängigkeit der Eigenfrequenz von der Faserorientierung erkennbar. So führt eine Änderung der Faserorientierung von 0° auf 30° zu einer Verringerung der Eigenfrequenz um ca. 3,5 Hz. Dieser Zusammenhang liegt in der komplexen Wechselwirkung zwischen Geometrie und Materialanisotropie begründet.
3.3
Zuordnung der Eigenformen mittels Modal Assurance Criterion (MAC)
Eine Berechnung der modalen Verlustfaktoren nach dem in Bild 1 dargestellten Schema erfordert die Zuordnung der Eigenformen von Speicher- und Verlustmodell, da die Abfolge der berechneten Eigenmoden aufgrund der verwendeten anisotropen Materialien im Speicher- und Verlustmodell im Allgemeinen unterschiedlich ist. Eine solche Zuordnung kann z.B. mittels visueller Gegenüberstellung „von Hand“ erfolgen (vgl. z.B. Bild 5). Dies ist allerdings aufgrund der faserverbundtypisch verzerrten Eigenformen mit hohem manuellen Aufwand verbunden, enthält unter Umständen subjektive Fehler und bietet kein Automatisierungspotential.
Bild 5: Visuelle Zuordnung der Eigenmoden aus Speicher- und Verlustmodell
In Abbildung 5 sind deutlich die Verzerrung der Eigenformen und das Vertauschen der Modennummer ersichtlich. So muss z.B. die vierte Mode im Verlustmodell der dritten im Speichermodell zugeordnet werden. Daher wird im Rahmen dieser Arbeit das vor allem für den Vergleich zwischen Messung und Rechnung bekannte Modal Assurance Criterion (MAC) für eine automatisierte Zuordnung der Eigenformen des Speicher- und Verlustmodells angewandt. Hierfür werden die komplexen Eigenvektoren beider Schwingformen miteinander verglichen (vgl. [5]) *H
MACij =
* 2
n j ni
n j n j ⋅ ni ni *H
*
*H
*
.
(5)
Für den Vergleich reellwertiger Eigenvektoren vereinfacht sich (5) zu T
MACij =
n j ni
2
n j n j ⋅ ni ni T
T
.
(6)
Die Höhe des MAC-Wertes ist ein Maß für die Übereinstimmung von Eigenformen, wobei der Wert 1 vollständiger Übereinstimmung entspricht. Um eine möglichst hohe Übereinstim-
458 mung der Moden sicherzustellen, werden die MAC-Werte zwischen einer Eigenform aus dem Speichermodell mit allen Eigenformen des Verlustmodells berechnet. Anschließend bestimmt der höchste MAC-Wert die Zuordnung der Eigenformen. Diese Berechnung wird für alle Eigenformen des Speichermodells wiederholt, für die eine Bestimmung der modalen Dämpfung notwendig ist.
3.4
Berechnete modale Verlustfaktoren
Das automatisierte Vorgehen nach Abschnitt 3.3 wurde mit Hilfe von ANSYS Parametric Design Language (APDL) implementiert und am Beispiel der Mulde (vgl. Abschnitt 3.1) getestet. Die vom Programm erzeugte Zuordnung der Modennummern, Eigenfrequenzen und berechneten modalen Dämpfungen ist in Tabelle 1 angegeben. Tabelle 1: Übersicht der berechneten Zuordnung, Eigenfrequenzen und modalen Dämpfungen Modennr. Zugeordnete MAC-Wert Frequenz (Real) Modennr. (Real/Hz (Imaginär)
Frequenz (Imaginär)/ Hz
Modale Dämpfung/ %
1
1
1,00
43,5
5,9
1,81
2
2
1,00
90,2
11,3
1,58
3
4
0,96
108,8
14,7
1,83
4
3
0,97
109,1
14,8
1,83
5
5
0,94
111,2
15,3
1,90
6
6
0,80
134,0
17,2
1,65
7
8
0,95
137,8
18,1
1,73
8
9
0,95
135,1
17,6
1,71
9
7
0,95
132,8
18,3
1,91
10
10
0,87
144,3
19,0
1,74
Die automatisierte Zuordnung auf Basis der MAC-Werte zwischen Speicher- und Verlustmode konnte eindeutig vorgenommen werden. Dabei sind durchgehend MAC-Werte von über 0,8 berechnet worden. Weiterhin konnte die manuelle Zuordnung nach Bild 5 bestätigt werden. In Bild 6 ist die Abhängigkeit der modalen Dämpfung von der Faserorientierung in der Mulde dargestellt. Die modale Dämpfung zeigt eine starke Abhängigkeit von der Faserorientierung. Im Vergleich zur Eigenfrequenz (siehe Bild 4) weist die Dämpfung ein gegenläufiges Verhalten auf, sodass die Einstellung einer hohen modalen Dämpfung bei der gewählten Muldengeometrie zu einer Verringerung der Steifigkeit bzw. Eigenfrequenz führt.
459
Bild 6: Modale Dämpfung in Abhängigkeit der Faserorientierung für eine exemplarisch ausgewählte Schwingform
4
Experimentelle Verifizierung
Zur Verifizierung der Berechnungsergebnisse wurden Mulden aus MLG mit verschiedenen Faserorientierungen im Autoklavverfahren gefertigt (vgl. [6]). Die Modalparameter der in den Schwingungsknoten aufgehängten Mulden wurden mit Hilfe der experimentellen Modalanalyse bestimmt. Eine Gegenüberstellung der ermittelten zweiten Eigenfrequenz sowie der modalen Dämpfungen der ersten Mode ist in Bild 7 dargestellt.
Bild 7: Gegenüberstellung von Eigenfrequenz und modaler Dämpfung aus Messung und Berechnung
Sowohl für die Eigenfrequenz als auch für die modale Dämpfung ist eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Berechnung und Messung festzustellen. Die Berechnung bildet den qualitativen Einfluss der Faserorientierung auf die Frequenz und Dämpfung sehr gut ab. Die Abweichungen bei Eigenfrequenz- und Dämpfungswerten sind vor allem auf die vereinfachte Abbildung der sich einstellenden Faserwinkel im Simulationsmodell zu suchen. Eine realitätsnahe Modellierung der Faserwinkel erfordert die Durchführung einer Drapiersimulation und deren experimentelle Verifizierung. Diese Berechnungen sind derzeit Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten. Weiterhin ist gerade die Übereinstimmung von Eigenformen aus Speicher-
460 und Verlustmodell in Winkelbereichen zwischen 30° und 60° nur bedingt gegeben (MAC-Werte unter 0,9), wodurch in diesen Bereichen die berechneten Dämpfungen eher als Abschätzung zu verstehen sind.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen der durchgeführten Arbeiten wurde ein Konzept entwickelt, um die anisotrope Werk-stoffdämpfung von Faserverbundwerkstoffen mit Hilfe kommerzieller FE-Software zu berechnen. Dazu wurden mit Hilfe kommerziell verfügbarer Software zwei getrennte Modalanalysen mit den Speicher- und Verlustkennwerten durchgeführt. Auf Basis von MAC-Werten konnte eine auto-matisierte Zuordnung von berechneten Modenformen aus Speicher- und Verlustmodell vorgenommen werden. Mit Hilfe dieser Zuordnung und der entsprechenden Eigenfrequenzen wurde die modale Dämpfung einer Muldenstruktur für verschiedene Faserorientierungen berechnet und mit umfangreichen Experimenten verifiziert. Dabei konnte eine gute Übereinstimmung zwischen der berechneten und gemessenen Faserwinkelabhängigkeit der modalen Verlustfaktoren gezeigt werden. Die entwickelte Methode ist somit geeignet zur Abschätzung modaler Verlustfaktoren von fa-serverstärkten Strukturen dar und ermöglicht somit eine gezielte Auslegung hochdämpfender Ver-bundwerkstoffe für vibroakustisch relevante Leichtbaustrukturen.
6 [1] [2] [3] [4]
[5] [6]
Literatur Täger, O.: Beitrag zur Analyse der Strukturdynamik und Schallabstrahlung hybrider aniso-troper Mehrschichtverbunde. Dissertation, Technische Universität Dresden, 2003. Altenbach, H.; Altenbach, J.; Rikards, R.: Einführung in die Mechanik der Laminat- und Sandwichtragwerke. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Stuttgart 1996. Stelzmann, U.; Groth, C.; Müller, G.: FEM für Praktiker. Band 2: Strukturdynamik. 3. Auflage, expert verlag, Renningen 2002. Hufenbach, W.; Täger, O.; Meschke, J.; Dannemann, M.: Vibroakustische Auslegung und Tests dynamisch belasteter textilverstärkter Verbundmulden mit hoher Verbunddämpfung. VDI-Berichte Nr. 2003, Schwingungsdämpfung 2007, Tagung, Wiesloch, 16.–17.10.2007, VDI-Verlag, Düsseldorf 2007. Allemang, R. J.; Brown, D. L.: A Correlation Coefficient for Modal Vector Analysis. In: International Modal Analysis Conference, 1982, S. 110–116. Hufenbach, W.; Täger, O.; Dannemann, M.; Krahl, M.; Kolbe, F.: Material Characterization, vibro-acoustic Analysis and Manufacturing of Textile-reinforced complex 3-D Composite Structures. Proceedings of Sixteenth International Conference on Composite Materials ICCM-16, Kyoto, 08–13 July 2007.
461
Micromechanical Processes and Fatigue Behaviour of Reactively Compatibilized PA 6/ABS Blends U.A. Handge,a) C. Sailer,b) H. Steininger,c) M. Weber,c) St. Scholtyssek,d) V. Seydewitz,d) G.H. Michler,d) C. Götz,a) F. Fischer,a) G.T. Lim,a) V. Altstädta) a) Universität Bayreuth, Bayreuth, b)ETH Zürich, Zürich, c)BASF SE, Ludwigshafen, d)MartinLuther-Universität, Halle/S.
1
Einführung
Bei der Entwicklung von Polymerblends wird angestrebt die Eigenschaften der Blendkomponenten in optimaler Weise zu vereinen. Ziel dabei ist, durch gezielte Auswahl der Blendzusammensetzung die vorteilhaften Eigenschaften der Einzelkomponenten zu nutzen und ihre nachteiligen Eigenschaften zu kompensieren. Dieses Vorgehen erlaubt neue, maßgeschneiderte Polymerwerkstoffe herzustellen, und ist aus wirtschaftlicher Sicht äußerst attraktiv [1,2]. Eine optimale Entwicklung von Polymerblends erfordert ein grundlegendes Verständnis ihrer morphologischen, mechanischen und rheologischen Eigenschaften. Daher sind Polymerblends Gegenstand intensiver Forschungsaktivitäten. Aus technologischer Sicht spielen Blends aus Polyamid 6 (PA 6) und einem Acrylnitrilbutadienstyrolcopolymer (ABS) eine bedeutende Rolle. Blends aus PA 6 und ABS vereinen die chemische Beständigkeit der Polyamidkomponente sowie die Zähigkeit und die niedrige Schwindung von ABS. Darüber hinaus sind PA 6/ABS-Blends sehr gut verarbeitbar, und die Kälteschlagzähigkeit von kommerziellen PA 6/ABS-Blends ist gegenüber reinem Polyamid 6 deutlich erhöht. Da PA 6 und ABS wie viele Polymerpaare thermodynamisch nicht mischbar sind, besteht im festen Zustand nur eine geringe Anbindung zwischen der PA 6- und der ABS-Phase. Eine wichtige Methode die Anbindung zwischen den beiden Phasen zu erhöhen, ist die sogenannte Reaktionskompatibilisierung, die bei PA 6/ABS-Blends z.B. mit Hilfe von Styrolacrylnitrilmaleinsäureanhydrid-terpolymeren (SANMA) erfolgen kann. Die Maleinsäureanhydridgruppen des SANMA-Terpolymers reagieren bei der Verarbeitung in der Schmelze mit den Amino-Endgruppen des Polyamid 6 und bilden Pfropfcopolymere, siehe Ref. [3]. In der flüssigen Phase reduzieren diese sogenannten Kompatibilisatormoleküle die Koaleszenz chemisch gleicher Domänen. Die sich ausbildenden Domänen sind daher kleiner und homogener verteilt. Hierdurch und durch die stärkere Anbindung der PA 6- und ABS-Phasen verbessern sich die mechanischen Eigenschaften des Blends. In mehreren Arbeiten wurden die morphologischen, mechanischen und rheologischen Eigenschaften von PA 6/ABS-Blends untersucht [4–10]. Schwerpunkt der Untersuchungen war u.a. der Einfluss der Reaktionskompatibilisierung auf die Blendmorphologie, wobei insbesondere die Zusammensetzung des Kompatibilisators, seine Konzentration sowie die Verarbeitungsparameter systematisch variiert wurden. In den Arbeiten von Kitayama et al. wurde das mechanische Verhalten dieser Blends eingehend erforscht [6,7]. Ziel dieser Arbeit ist, den Einfluss der Blendmorphologie auf die mikromechanischen Eigenschaften von PA 6/ABS-Blends unter Dehnbelastung zu untersuchen. Dazu wurden in situ-Untersuchungen mit einem Transmissions-
462 elektronenmikroskop durchgeführt. Weiterhin wurde der Einfluss der Reaktionskompatibilisierung auf die Ermüdungsrissausbreitung untersucht. Auf diese Weise soll ein grundlegendes Verständnis des Einflusses der Reaktionskompatibilisierung auf die mechanischen Eigenschaften von PA 6/ABS-Blends gewonnen werden.
2
Experimenteller Teil
2.1
Materialien
In dieser Arbeit wurden mikromechanische Zugversuche und Ermüdungsrissausbreitungsexperimente an Blends aus PA 6 und ABS durchgeführt. Die Blendkomponenten sind Polyamid 6 (Ultramid® B40, PA 6, BASF SE) und ein Acrylnitrilbutadienstyrolcopolymer (ABS, BASF SE). Die charakteristischen Eigenschaften der Blendkomponenten sind in Tabelle 1 aufgeführt. Der Butadienanteil in ABS beträgt 10 Gew.-%. Der Durchmesser der Butadienpartikel lag zwischen 40 nm und 90 nm, wobei ein kleiner Anteil von Butadienpartikeln mit einem Durchmesser bis zu 140 nm ebenfalls vorhanden war. Vor der Extrusion wurde das ABS-Copolymer mit einem Styrolacrylnitrilmaleinsäureanhydrid (SANMA)-Terpolymer (Zusammensetzung 2 Gew.-% Maleinsäureanhydrid, 29 Gew.-% Acrylnitrilcopolymer und 69 Gew.-% Styrol) gemischt. Das Zahlen- und das Gewichtsmittel des SANMA-Terpolymers betrugen 52.000 g/mol bzw. 115.000 g/mol.
2.2
Blendherstellung
Für die mikromechanischen Untersuchungen und die Ermüdungsrissausbreitungsexperimente wurden zwei verschiedene Serien von PA 6/ABS-Blends hergestellt. Die Zusammensetzung der PA 6/ABS-Blends ist in Tabelle 2 zusammengefasst. Um den Einfluss der Morphologie auf die mikromechanischen Deformationsmechanismen zu untersuchen, wurden drei PA 6/ABSBlends mit unterschiedlichem Polyamidgehalt (30 Gew.-%, 50 Gew.-% und 70 Gew.-% PA 6) durch Extrusion hergestellt (vgl. Tabelle 2a). Die Konzentration des SANMA-Terpolymers in der ABS-Phase betrug 6.8 Gew.-%. Zur Extrusion der PA 6/ABS-Blends wurde ein Doppelschneckenextruder (Brabender, Duisburg) verwendet. Die Temperatur betrug 240 °C und die Umdrehungszahl der Schnecken 50 min–1. Das Extrudat wurde anschliessend in Platten mit rechteckigem Querschnitt bei 240 °C gepresst. Aus den gepressten Platten wurden Dünnschnitte für in situ-Zugversuche präpariert [11]. Während der Extrusion entstehen durch die Reaktion der Maleinsäureanhydridgruppen mit Aminogruppen von PA 6 Pfropfcopolymere an der Grenzfläche zwischen der PA 6- und der ABS-Phase. Schwerpunkt der Ermüdungsrissausbreitungsversuche war die Untersuchung des Einflusses des Kompatibilisatorgehalts (SANMA-Terpolymer) auf die Ermüdungsrissausbreitungseigenschaften. Dazu wurden zwei Blendserien mit unterschiedlichem Polyamid 6-Konzentrationen mittels Extrusion hergestellt. Der PA 6-Gehalt in den PA 6/ABS-Blends betrug 30 Gew.-% bzw. 70 Gew.-%. In beiden Serien wurde der Kompatibilisatorgehalt von 0 % bis 6 % SANMA erhöht (vgl. Tabelle 2b). Die Blends wurden anschliessend mit einer Spritzgießmaschine Allrounder 420C (Arburg, Lossburg) in Platten mit rechteckigem Querschnitt gespritzt. Um die
463 durch den Spritzguß verursachte Molekülorientierung zu reduzieren, wurden die spritzgegossenen Platten bei 225°C nochmals gepresst. Tabelle 1. Physikalische Eigenschaften der Blendkomponenten PA 6 und SAN. Durch Mischen von SAN mit 10 Gew.-% Polybutadien und 6.8 Gew.-% SANMA wurde die ABS-Charge hergestellt. Tg
Tm
Mn
Mw/Mn
[°C]
[°C]
[g/mol]
PA 6
53
221
23 000
5.3
SAN
109
–
57 800
2.6
Tabelle 2. Zusammensetzung der PA 6/ABS-Blends für (a) mikromechanische in situ-Untersuchungen und (b) Ermüdungsrissausbreitungsversuche. Alle Angaben beziehen sich auf Gewichtsprozent. (a) PA 6
ABS
SANMA
[%]
[%]
[%]
PA 6
100.0
0.0
0.0
PA 6/ABS 70/30
70.0
28.0
2.0
PA 6/ABS 50/50
50.0
46.6
3.4
PA 6/ABS 30/70
30.0
65.2
4.8
ABS
0.0
93.2
6.8
(b) PA 6
ABS
SANMA
[%]
[%]
[%]
PA 6
100.0
0.0
0.0
ABS
0.0
100.0
0.0
PA 6/ABS 30/70 – x % SANMA
30.0
70.0–x
x
x = 0,1,2,4,6
PA 6/ABS 70/30 – x % SANMA
70.0
30.0–x
x
x = 0,1,2,4,6
2.3
Mikromechanische Untersuchungen
Mit Hilfe eines Ultramikrotoms wurden Dünnschnitte (Dicke ca. 1 Pm) für in situ-Zugversuche in einem Transmissionselektronenmikroskop hergestellt. Die Breite der Dünnschnitte betrug 0.5 mm und die Länge mehrere Millimeter. Der Dünnschnitt wurde dann mit Hilfe einer Mikrozugprüfmaschine unter uniaxialer Belastung in einem Transmissionselektronenmikrosop JEM 4000 FX (Jeol Ltd., Tokyo, Japan) deformiert. Die Beschleunigungsspannung betrug 400kV, siehe [12,13] für detaillierte Angaben. Die Dünnschnitte wurden bei zwei unterschiedlichen Feuchtigkeitsgehalten untersucht, die als “trocken” und “feucht” bezeichnet werden. Der tro-
464 ckene Zustand entsprach einem Zugversuch im Vakuum des Elektronenmikroskops. Der “feuchte” Zustand wurde erzeugt, indem vor dem Zugversuch ein Wassertropfen auf dem Dünnschnitt platziert wurde.
2.4
Ermüdungsrissausbreitungsversuche
Für die Ermüdungsrissausbreitungsversuche wurden sogenannte Compact Tension (CT)-Probekörper entsprechend der ASTM-Norm E 647 aus den gepressten PA 6/ABS-Probekörpern hergestellt. In jede Probe wurde eine ca. 9 mm lange Nut und mit Hilfe einer Rasierklinge ein einige Zehntel Millimeter langer Riss in den Kerbgrund der Probe eingebracht. Die CT-Probekörper wurden dann bei Raumtemperatur mit Hilfe einer servohydraulischen Prüfmaschine (Schenck, IST 8800) einer kontinuierlichen, oszillatorischen Belastung mit einer Frequenz von 10 Hz ausgesetzt. Die Spannungsamplitude wurde dabei schrittweise erhöht, wobei das Verhältnis von minimaler zu maximaler Spannung konstant bei 0.1 blieb. Diese schwingende, inkrementell steigende Belastung führte zu einem sich schrittweise erhöhenden Spannungsintensitätsfaktor 'K an der Rissspitze. Mit Hilfe der sogenannten Compliance-Methode wurde dann die Rissausbreitungsgeschwindigkeit bestimmt und als Funktion des Spannungsintensitätsfaktors 'K ausgewertet.
3
Ergebnisse
Polyamid 6 und Acrylnitrilbutadienstyrolcopolymer bilden zweiphasige Polymerblends. Da die Blendkomponenten eine ähnliche Scherviskosität besitzen, tendiert die Majoritätskomponente zur Bildung der Matrixphase. Dies trifft auf die Blends mit 30 Gew.-% PA 6 bzw. 70 Gew.-% PA 6 zu. Das PA 6/ABS-Blend mit der Zusammensetzung 50 % PA 6/ 46.6 % ABS/ 3.4 % SANMA besitzt eine cokontinuierliche Morphologie. Abbildung 1(a) zeigt eine transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme eines PA 6/ABS-Blends mit 30 Gew.-% PA 6. Die PA 6Komponente bildet Inklusionen in der ABS-Matrix, die partiell aggregiert sind. Die Größe dieser PA 6-Domänen liegt zwischen einem halben und mehreren Mikrometern. Die Butadienpartikel in der ABS-Phase befinden sich teilweise an der Grenzfläche zwischen PA 6 und ABS. Die mikromechanischen in situ-Untersuchungen zeigen, dass sich die Deformationsmechanismen in den PA 6/ABS-Blends mit 30 Gew.-% PA 6 bzw. 70 Gew.-% PA 6 unterscheiden. In den PA 6/ABS-Blends mit einer PA 6-Matrix lösten sich unter Dehnung die ABS-Partikel von der PA 6-Matrix ab, so dass Hohlräume um die ABS-Partikel entstanden. Teilweise koaleszierten diese Hohlräume und führten zur Bildung eines Risses. Im Falle einer besseren Anbindung der ABS-Partikel an die PA 6-Matrix entstanden Fibrillen an der Grenzfläche. Bei den Blends mit einer PA 6-Matrix besaß der Feuchtigkeitsgehalt einen erheblichen Einfluss auf das Deformationsverhalten. Im trockenen Zustand verhielten sich die PA 6-Partikel sehr steif. Grössere Partikel brachen und führten zur spröden Rissausbreitung. Im „feuchten“ Zustand verhielten sich die PA 6-Partikel duktil und initiierten eine plastische Deformation in der ABS-Matrix. Mit Hilfe der Ermüdungsrissausbreitungsexperimente kann der Widerstand gegen die Rissausbreitung bestimmt werden. Bei diesem Prüfverfahren findet erst oberhalb eines kritischen Wertes 'Kth des Spannungsintensitätsfaktors ein Risswachstum statt. Polyamid 6 besitzt einen höheren Schwellwert 'Kth für Rissausbreitung als ABS im Ermüdungsversuch. Rasterelektro-
465
Bild 1: Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahmen: (a) PA 6/ABS-Blend (30.0 % PA 6/65.2 % ABS/ 4.8 % SANMA). Der Pfeil zeigt ein PA 6-Teilchen in der ABS-Matrix (Kontrastierung mit Osmium und Formalin). Die Butadienpartikel erscheinen dunkel. (b) Dünnschnitt eines PA 6/ABS-Blends mit 70.0 % PA 6/28.0 % ABS und 2.0 % SANMA unter Dehnbelastung (Pfeil = Dehnrichtung).
nenmikroskopische Aufnahmen der Bruchfläche verdeutlichen, dass sich in den Blends der Riss zusätzlich entlang der Grenzfläche ausbreiten kann. Aufgrund des Versagens an der Grenzfläche zwischen der PA 6- und der ABS-Phase ist der Schwellwert 'Kth der nichtkompatibilisierten Blends (0 % SANMA) niedriger als der Wert der reinen Matrixkomponente (PA 6 bzw. ABS). Weiterhin zeigen die hier durchgeführten Ermüdungsrissausbreitungsexperimente, dass die Reaktionskompatibilisierung mit SANMA bei den Blends mit 30 Gew.-% PA 6 und 70 Gew.-% ABS den Widerstand gegen Rissausbreitung erhöht.
4
Zusammenfassung
In dieser Arbeit wurden die morphologischen und mechanischen Eigenschaften von Blends aus Polyamid 6 (PA 6) und einem Acrylnitrilbutadienstyrolcopolymer (ABS) untersucht. Schwerpunkt der Untersuchungen waren die mikromechanischen Deformationsmechanismen unter Zugbelastung sowie Ermüdungsrissausbreitungsversuche. Dazu wurden in situ-Zugversuche in einem Transmissionselektronenmikroskop bei zwei verschiedenen Feuchtigkeitsgehalten durchgeführt. Die Auswertung der Experimente führt zu folgenden Ergebnissen: 1) Die Analyse der Morphologie der untersuchten PA 6/ABS-Blends verdeutlicht, dass die Minoritätsphase Inklusionen in der Matrixphase bildet. Ist der Gewichtsanteil von PA 6 und ABS gleich, so kann eine cokontinuierliche Struktur entstehen. Des Weiteren zeigen die TEM-Untersuchungen, dass in den reaktiv kompatiblisierten PA 6/ABS-Blends keine Koaleszenz der ABS-Inklusionen in der PA 6-Matrix stattfindet. 2) Die PA 6/ABS-Blends im trockenen Zustand verhielten sich unter Dehnbelastung spröder als die Blends im feuchten Zustand. In den Blends mit 70 Gew.-% PA 6 und 30 Gew.-% ABS war die Anbindung der Phasen nur schwach. Dies führte unter Dehnbelastung zu
466 einer Ablösung der ABS-Partikel. Bei Partikeln mit einer stärkeren Anbindung entstanden Fibrillen an der Grenzschicht zwischen PA 6 und ABS. Die Ermüdungsrissausbreitungsversuche zeigen, dass der kritische Spannungsintensitätsfaktor für die nichtkompatibilisierten Blends kleiner ist als der 'Kth-Wert für die reinen Komponenten. Dieses Verhalten der Blends kann mit dem Versagen an der Grenzfläche zwischen PA 6 und ABS erklärt werden. Durch die Reaktionskompatibilisierung wurde der Widerstand zur Rissausbreitung in den Blends mit 30 Gew.-% PA 6 und 70 Gew.-% ABS erhöht.
5
Danksagung
C. Sailer und U.A. Handge danken dem Schweizer Nationalfonds für die finanzielle Unterstützung des SNF-Projekts “Rheology of PA 6/ABS Blends” (Nr. 200021-103287) und Herrn Prof. Dr. U. Gösele für die Benutzung des Transmissionselektronenmikroskops am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik (Halle/Saale). Diese Untersuchungen wurden im Rahmen des IUPAC-Subcommittee “Structure and Properties of Commercial Polymers” durchgeführt (Projekt-Nr. 2005-023-2-400).
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13]
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467
Das Verfahren der Hochdruckhomogenisierung – Eine neuartige Technologie zur Dispergierung von Nanopartikeln in flüssigen Harzsystemen J. Leib, U. A. Handge, V. Altstädt Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe, Bayreuth, Deutschland
1
Einleitung
Seit in den 1990er Jahren von japanischen Wissenschaftlern bei Toyota entdeckt wurde, dass durch den Zusatz geringer Mengen organisch modifizierter Schichtsilikate zu polymeren Werkstoffen deren Eigenschaften teilweise drastisch verbessert werden können [1], ist auf diesem Gebiet der Nanokomposite weltweit eine große Anzahl an Forschungsarbeiten durchgeführt worden. In den vergangenen Jahren wurden dabei vermehrt Systeme auf Basis von duroplastischen Kunststoffen und insbesondere Epoxidharzen untersucht. Es zeigte sich, dass für die Eigenschaftsverbesserung unter anderem entscheidend ist, ob die Schichtsilikatlamellen exfoliert, d. h. vereinzelt und homogen verteilt in der polymeren Matrix vorliegen [2, 3] und somit ein so genanntes Nanokomposit gebildet wird. Die homogene Dispergierung nanoskaliger Partikel in flüssigen Reaktionsharzen stellt jedoch eine bedeutende Herausforderung dar, da Partikel mit großer spezifischer Oberfläche häufig zur Agglomeration neigen. Neben der Kompatibilität von Füllstoff und Matrixwerkstoff ist das Dispergierverfahren, mit dem die Partikel in der Matrix verteilt werden von entscheidender Bedeutung für die Homogenität des resultierenden Nanokomposits. In der vorliegenden Arbeit wird der Einfluss verschiedener Dispergierverfahren, unter anderem des in diesem Bereich bisher kaum verwendeten Hochdruckhomogenisierverfahrens [3, 4], auf die Morphologie von epoxidharzbasierten Nanokompositen mit organisch modifizierten Schichtsilikaten verglichen.
2
Materialien und Methoden
2.1
Verwendete Werkstoffe
Als Matrixharz wurde ein mittelviskoses, hydriertes Epoxidharz auf Basis von Bisphenol-A verwendet (HEXIONTM EPONEXTM Resin 1510). Die Härtung erfolgte mittels Methyltetrahydrophtalsäureanhydrid (MTHPA, HEXIONTM EPIKURETM Curing Agent 866), das bezüglich der Epoxidharzkomponente 0,9fach stöchiometrisch zugegeben wurde. Auf einen Katalysator bei der Aushärtung konnte verzichtet werden, da die organische Modifizierung des eingesetzten Schichtsilikates einen ausreichenden katalytischen Effekt aufweist. In einer Versuchsreihe wurde ein chemischer Kompatibilisator zu 5 Gew.% bezüglich der Gesamtmasse des Nanokomposits beigefügt. Als Füllstoff diente ein octadecylaminmodifizierter Montmorillonit, der unter der Handelsbezeichnung Nanomer® I.30E von NanocorTM vertrieben wird. In allen hier beschrie-
468 benen Versuchen wurde der Füllstoff zu 5 Gew.% der Gesamtmasse des Nanokomposits eingesetzt. Im Anschluss an die weiter unten beschriebenen Misch- und Dispergierschritte wurde das zähflüssige Gemisch aus Epoxidharz, Härter und Füllstoff (und ggf. chemischem Kompatibilisator) im Vakuumofen so lange entgast bis visuell kein Entweichen von Gasblasen mehr zu erkennen war. Direkt danach wurde das Gemisch in Aluminiumformen zu ca. 5 mm dicken Platten vergossen und für 8 Stunden bei 115 °C im Umluftofen ausgehärtet.
2.2
Methoden des Mischens und Dispergierens
Bei allen durchgeführten Versuchen wurde das organisch modifizierte Schichtsilikat zunächst für 6 Stunden unter ständigem Rühren in der Epoxidharzkomponente (ggf. inklusive des chemischen Kompatibilisators) vorgequollen, wobei die Temperatur auf 100 °C geregelt war. Durch diesen Vorgang wird, wie in Bild 1 schematisch dargestellt, ein Eindringen der Epoxidharzkomponente in die Bereiche zwischen den einzelnen Schichtsilikatlamellen ermöglicht [5]. Dies erleichtert die spätere Exfolierung der Schichtsilikate.
Bild 1: Schematische Darstellung des Eindringens von Epoxidharz in die Silikatzwischenschichtbereiche
Nach Zugabe der entsprechenden Menge der Härterkomponente erfolgte der eigentliche Dispergierschritt, wobei drei verschiedene Dispergiermethoden zum Einsatz kamen, die in Bild 2 schematisch dargestellt sind. Für jede Dispergiermethode wurde je eine Probe mit und ohne chemischen Kompatibilisator hergestellt.
Bild 2: Verwendete Dispergiermethoden
469 2.2.1 Dispergieren mittels Rührwerk und Turbinenrührerscheibe Das technisch einfachste der eingesetzten Dispergierverfahren war eine von einem Rührwerk angetriebene Turbinenrührerscheibe mit einem Durchmesser von 27 mm. Das Rührgut wurde in einem Behälter mit einem Volumen von ca. 500 ml für 30 min bei 2000 rpm dispergiert und direkt im Anschluss entgast und ausgehärtet. 2.2.2 Dispergieren im Walzenspalt auf einem Dreiwalzwerk Die Dispergierung im Walzenspalt fand auf einem Dreiwalzwerk des Typs 120 E der Fa. ExaktTM statt. Beide Walzenspalte waren dabei auf 5 μm eingestellt. Im laufenden Betrieb wurde jeweils eine kleine Menge (< 10 ml) des Harz-Härter-Füllstoff-Gemisches auf die erste Walze gegeben und für 2 Minuten dispergiert. Anschließend wurde das Produkt mittels eines Abstreifers von der dritten Walze abgenommen. Sobald eine ausreichende Menge zur Herstellung eines Probekörpers auf diese Weise hergestellt worden war, wurde diese entgast und ausgehärtet. 2.2.3 Dispergieren mittels Hochdruckhomogenisierung Bei der Hochdruckhomogenisierung wird das Produkt durch eine Kolbenpumpe angesaugt und unter einem Druck von bis zu 1500 bar durch einen engen Spalt gepresst (siehe Bild 2 rechts). Die Pumpe läuft dabei mit konstanter Drehzahl und der Druck wird durch Variation des Spaltabstands eingestellt. Da beim Durchgang des Produkts durch das Homogenisierventil Energie dissipiert und in Wärme umgewandelt wird, erhöht sich die Temperatur des Produkts mit jedem Durchgang. Aus diesem Grund wird, um mehrere Durchläufe durch das Homogenisierventil zu ermöglichen, das Produkt jeweils nach jedem Durchlauf mittels eines Rückflusskühlers wieder auf die Ausgangstemperatur (Raumtemperatur) zurückgekühlt. Für die hier beschriebenen Versuche wurde ein Laborhomogenisator vom Typ Panda 2K des Hersteller Niro-SoaviTM verwendet, der für den Einsatz in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie konzipiert ist. Jede Probe wurde im Mittel 50 Durchläufen durch das Homogenisierventil bei einem Homogenisierdruck von 1500 bar unterzogen, direkt im Anschluss erfolgten Entgasung und Aushärtung.
2.3
Charakterisierung der Morphologie
2.3.1 Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) Die qualitative Charakterisierung der Morphologie der Nanokomposite wurde mit einem Transmissionselektronenmikroskop vom Typ LEO 922 A EFTEM bei einer Beschleunigungsspannung von 120 kV durchgeführt. Dazu wurden zuvor bei Raumtemperatur mit einem Ultramikrotom Ultradünnschnitte der zu untersuchenden Proben mit einer Dicke zwischen 50 und 100 nm hergestellt. 2.3.2 Kleinwinkelröntgendiffraktometrie (SAXS) Für die quantitative Analyse der Nanokompositmorphologie mittels Kleinwinkelröntgenstreuung (SAXS) wurde ein Röntgendiffraktometer mit rotierender Kupferanode (40 kV, 120 mA),
470 gekreuzten Göbel-Spiegeln, Pinhole-Kamera (Seifert) und Image Plate-Detektor (Fuji) eingesetzt. Die Messungen erfolgten im Transmissionsmodus an dünnen Plättchen mit einer Dicke von ca. 0.5 mm, die zuvor auf einer Tellerschleifmaschine hergestellt wurden. Zur Auswertung wurde das erhaltene zweidimensionale Beugungsmuster über den gesamten Umfang integriert, wodurch sich ein eindimensionales Röntgenspektrum ergab. Der Auswertebereich wurde so gewählt, dass Schichtabstände zwischen 2 und 30 nm (entsprechend 0,2 nm–1 < q < 3 nm–1) detektiert werden konnten. Um die Qualität der Auswertung zu erhöhen, wurde jede erhaltene Kurve mittels eines mathematischen Modells (siehe dazu [6]) nachgebildet. Aus der so erhaltenen Simulation wurden der charakteristische Schichtabstand d, die Standardabweichung ? sowie die relative Dispersität („Gleichmäßigkeit der Verteilung“) ermittelt.
3
Ergebnisse
3.1
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM)
In den transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahmen zeigen sich deutliche Unterschiede in der Morphologie der untersuchten Nanokomposite in Abhängigkeit von der Dispergiermethode und von der Anwesenheit des chemischen Kompatibilisators. Während die Dispergierung des Füllstoffs mit dem Turbinenrührer unabhängig von der Anwesenheit des Kompatibilisators bestenfalls zu einer interkalierten Morphologie mit großen (bis zu mehrere μm) Restagglomeraten und einem hohen Anteil an freiem Polymervolumen führt (Bild 3 a und 3 b), gelingt es bereits mit dem Dreiwalzwerk, die Schichtsilikatagglomerate deutlich zu verkleinern, wobei der Kompatibilisator die Wirksamkeit des Dispergierverfahrens noch weiter erhöht. Bild 3 d zeigt, dass neben einigen Restagglomeraten zahlreiche vereinzelte Schichtsilikatlamellen bzw. Schichtstapel, die nur aus wenigen Einzelschichten bestehen, vorhanden sind. Eine weitere Verkleinerung der Agglomerate sowie Homogenisierung der Morphologie zeigt sich bei den mit dem Hochdruckhomogenisator dispergierten Nanokompositen. Hier ist die Dispergierwirkung durch die extremen Dehn- und Scherkräfte im Homogenisierspalt so stark, dass bereits ohne Kompatibilisator eine relativ homogene Verteilung der zahlreichen Einzellamellen und dünnen Schichtstapel neben einigen kleineren Agglomeraten vorliegt (Bild 3 e). Der Kompatibilisator sorgt beim Hochdruckhomogenisierverfahren allenfalls noch für eine weitere Verkleinerung der ohnehin nur geringfügig vorhandenen Restagglomerate.
3.2
Kleinwinkelröntgendiffraktometrie (SAXS)
Die weitere Strukturaufklärung erfolgte mittels Kleinwinkelröntgendiffraktometrie (SAXS). Beispielhaft ist in Bild 4 ein Diffraktogramm eines hochdruckhomogenisierten Nanokomposits ohne Kompatibilisator dargestellt. Der Reflex des charakteristischen Schichtabstands zwischen den einzelnen Silikatlamellen ist deutlich zu erkennen. Aus der Simulation lassen sich weiterhin die relative Dispersität sowie die Standardabweichung des Schichtabstands ermitteln. In Tabelle 1 sind die entsprechenden Werte für alle sechs betrachteten Proben wiedergegeben. Die Auswertung der SAXS-Messungen ergibt, dass der charakteristische Schichtabstand innerhalb der noch vorhandenen Schichtstapel nur geringfügig vom Dispergierverfahren und hauptsächlich vom Einsatz des Kompatibilisators abhängt. Der Grund für den beim Einsatz des
471
Bild 3: TEM-Aufnahmen der mit unterschiedlichen Dispergierverfahren hergestellten Nanokomposite
Kompatibilisators weitaus geringeren mittleren Schichtabstand ist, dass der Kompatibilisator die Geschwindigkeit der Polyadditionsreaktion beim Aushärten beeinflusst und somit das Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten innerhalb und außerhalb der Zwischenschichtbereiche verändert. Dieses Verhältnis ist maßgeblich für den Grad der während der Härtungsreaktion auftretenden Schichtaufweitung [5]. Gleichzeitig bewirkt der Kompatibilisator, dass die verbleibenden Schichtpakete aus weitaus weniger Einzelschichten bestehen. Charakteristisch dafür ist eine Verbreiterung der charakteristischen Schichtsilikatreflexe im Röntgendiffraktogramm. Dieser Befund spiegelt sich auch in den TEM-Aufnahmen wider.
472
Bild 4: Kleinwinkelröntgendiffraktogramm des hochdruckhomogenisierten Nanokomposits ohne Kompatibilisator
Tabelle 1: Aus Simulation der Röntgendiffraktogramme berechnete Morphologieparameter charakteristischer Standardab- relative Schichtabstand weichung Dispersität [nm] [–] [%] Turbinenrührer ohne Kompatibilisator
16,3
0,2
26
Turbinenrührer mit Kompatibilisator
6,0
0,14
28
Dreiwalzwerk ohne Kompatibilisator
20,5
0,14
22
Dreiwalzwerk mit Kompatibilisator
5,35
0,14
32
Hochdruckhomogenisator ohne 20,2 Kompatibilisator
0,2
24
Hochdruckhomogenisator mit Kompatibilisator
0,14
31
4
5,8
Schlussfolgerung
Der Einfluss unterschiedlicher Dispergiermethoden und eines chemischen Kompatibilisators auf das Interkalierungs- und Exfolierungsverhalten und die Homogenität der Füllstoffverteilung von epoxidharzbasierten Nanokompositen mit organisch modifizierten Schichtsilikaten wurde mittels Transmissionselektronenmikroskopie und Kleinwinkelröntgendiffraktometrie untersucht. Während das Interkalierungs- und Exfolierungsverhalten hauptsächlich durch den chemi-
473 schen Kompatibilisator beeinflusst wurde, der zu einer deutlich geringeren Schichtaufweitung führte, konnte die Füllstoffverteilung durch das neue Verfahren der Hochdruckdispergierung im Vergleich zu konventionellen Verfahrenstechniken erheblich verbessert werden.
5
Danksagung
Die Autoren danken den Firmen HEXIONTM und Nordmann-Rassmann ChemieTM für die Bereitstellung der Versuchsmaterialien. Besonderer Dank gilt auch Herrn Dr. Andreas Frömsdorf und seiner Arbeitsgruppe vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Hamburg für die freundliche Unterstützung bei der Anfertigung und Auswertung der Röntgendiffraktogramme.
6 [1] [2] [3] [4] [5] [6]
Literatur A. Usuki, M. Kawasumi, Y. Kijima, A. Okada, T. Kurauchi, O. Kamigaito, J. Mater. Res. 1993, 8, 1179 W. J. Boo, L. Sun, J. Liu, E. Moghbelli, A. Clearfield, H.-J. Sue, H. Pham, N. Verghese, Journal of Polymer Science, Part B: Polymer Physics, 2007, 45, 1459 W. Liu, S. V. Hoa, M. Pugh, Composites Science and Technology, 2005, 65, 307 W. Liu, S. V. Hoa, M. Pugh, Composites Science and Technology, 2005, 65, 2364 T. Lan, P. D. Kaviratna, T. J. Pinnavaia, Chem. Mater. 1995, 7, 2144 V. Causin, C. Marega, A. Marigo, G. Ferrara, Polymer, 2005, 46, 9533
474
Schallemissionsanalyse beschichteter kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe M. G. R. Sause und S. Horn Universität Augsburg, D-86135 Augsburg
1
Einleitung
Zur Verbesserung der funktionalen Oberflächeneigenschaften von Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen (CFK) werden zunehmend Beschichtungen eingesetzt. Diese können als Verschleißschutz oder zur Erhöhung der Leitfähigkeit [1] dienen. In der vorliegenden Untersuchung wurden galvanische Beschichtungen auf CFK-Substraten untersucht, die als Diffusionsbarriere für Leichtbautanksysteme zur Wasserstoffspeicherung dienen sollen. Die Schichtsysteme für diese Tankstrukturen wurden im Rahmen des von der EU geförderten Projektes „StorHy“ entwickelt und auf ihre Wasserstoffpermeabilität untersucht [2]. Eine grundlegende Problematik besteht dabei in der Definition und Beurteilung der mechanischen Belastbarkeitsgrenze, deren Überschreiten zu einem funktionalen Versagen derartiger Schichtsysteme führt. Im Falle von Diffusionsbarrieren stellen bereits kleinste Risse und Delaminationen schwerwiegende Versagensmechanismen dar, die zu einer deutlichen Abnahme der Barrierewirkung führen können [2] und somit diese funktionale Belastbarkeitsgrenze definieren. Mit Schältests oder Stirnzugversuchen lässt sich die Adhäsionskraft zwischen Beschichtung und Substrat gut bestimmen. Sie ist aber nicht hinreichend zur Festlegung dieser Belastbarkeitsgrenze der Beschichtung, da die mechanische Festigkeit einer Beschichtung oftmals weit vor dem Adhäsionsbruch erreicht wird. Die mechanische Festigkeit lässt sich wiederum gut in Einzelzugversuchen an den Beschichtungen ohne Substrat ermitteln. Auf Grund zusätzlicher Verspannungen zwischen Substrat und Beschichtung kann die funktionale Belastbarkeitsgrenze (Risse, Delamination) in Schichtsystemen jedoch unterhalb der mechanischen Festigkeit der Beschichtung liegen. Die Schallemissionsanalyse (SEA) bietet die Möglichkeit, mikroskopische Materialverformungen, wie beispielsweise Risse und Delaminationen, während einer Belastung der Probe im realitätsnahen Spannungsfall zu detektieren. Mittels Lokalisierungsverfahren, Mustererkennung und Frequenzanalysen kann zusätzlich deren Herkunftsort bestimmt und der zugrunde liegende Schadensmechanismus identifiziert werden [3].
2
Messmethoden
In der vorliegenden Untersuchung wurden für fünf verschiedene Beschichtungszusammensetzungen jeweils fünf Proben bei einer Belastung in 4-Punkt-Biegung nach DIN-EN-ISO 14125 untersucht, was einem realitätsnahen Spannungszustand für Beschichtungen in druckbeaufschlagten Tanksystemen nahe kommt. Das CFK-Substrat besteht aus sechs Gewebelagen mit 0°–90° Orientierung des Prepregmaterials SIGRATEX KDK 8054/120 und dem Matrixsystem Araldite LY 564 / HY 2954 mit den äußeren Abmessungen 100 mm x 15 mm x 2 mm. Auf die-
475 sem CFK-Substrat wurde mittig eine Beschichtung mit einer Abmessung von 25 mm x 15 mm aufgebracht. Als erste Lage wurde mittels elektrochemischer Abscheidung eine 10 μm dicke Startschicht aus Nickel aufgebracht. Anschließend wurde mit einem galvanischen Verfahren die eigentliche funktionale Kupferbeschichtung mit einer Dicke von 10 μm, 30 μm, bzw. 50 μm aufgetragen. Zusätzlich wurde ein weiteres Schichtsystem mit einer 10 μm dicken Startschicht aus Kupfer und anschließender funktionaler Kupferschicht von 50 μm Dicke hergestellt. Diese Proben werden im Folgenden als NiCu10, NiCu30 und NiCu50, bzw. CuCu50-Proben bezeichnet. Eine schematische Darstellung des 4-Punkt-Biegeversuchs, sowie eine schematische Darstellung der Schichtsysteme ist in Bild 1 gezeigt. Die bei Belastung auftretende Schallemission wurde mit zwei Breitbandsensoren (Typ: WD, Hersteller: PAC) in linearer Anordnung detektiert. Die Signale wurden dabei über einen 40 dB Vorverstärker und einen Bandpass im Frequenzbereich von 20 kHz – 1 MHz geführt und mit einer Abtastfrequenz von 10 MHz aufgezeichnet. Die Ankopplung der Sensoren an die Probe wurde mit einer mittelviskosen Silikonpaste und zwei Klammern realisiert.
Bild 1: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus (links) und schematische Darstellung der beiden Schichtsysteme (rechts).
2.1
Mikroskopische Analyseverfahren
Zur vergleichenden Analyse der bei Bauteilbelastung entstandenen Schädigung wurden elektronenmikroskopische und ultraschallmikroskopische Aufnahmen der Proben durchgeführt. In Bild 2a und 2b sind hierzu typische Bilder von NiCu-Proben nach einer Probenbelastung von H = 0,8% Dehnung gezeigt. In allen NiCu-Proben wurden in den Ni-Schichten stark verzweigte Rissgeflechte beobachtet (s. Bild 2a), die eine unterschiedlich starke Ausprägung in Abhängigkeit der Cu-Schichtdicke besitzen. Dieses Risswachstum findet nahezu unabhängig von weiteren Schädigungen der Cu-Schichten statt und führt insbesondere nicht zu einer großflächigen Ablösung der Ni-Schichten vom CFK-Substrat. In den Cu-Schichten der NiCu-Proben wurden einzelne, kontinuierlich verlaufende Risse mit bevorzugter Ausrichtung orthogonal zur Spannungsrichtung (x-Richtung) gefunden (s. Bild 2b). Diese Risse nehmen mit steigender Belastung in Anzahl und Länge deutlich zu. Zusätzlich zu den Schädigungen der Beschichtungen durch Risse kommt es bei den NiCu-Beschichtungen abhängig von der Cu-Schichtdicke zu teilweise stark ausgeprägten Delaminationen zwischen Ni-Startschicht und Cu-Schicht.
476
Bild 2: Elektronenmikroskopische (a + b) und ultraschallmikroskopische (c) Aufnahmen der Ni-Cu Beschichtungen in Aufsicht nach einer Belastung von H = 0,8%.
Die delaminierte Fläche konnte hierbei mit ultraschallmikroskopischen Verfahren visualisiert und quantifiziert werden (s. Bild 2c). Die abgelösten Stellen weisen in der Intensitätsdarstellung durch veränderte Schichtspannungszustände, hervorgerufen durch fehlende Anhaftung, deutlich höhere Beiträge (weiße Färbung) auf. In Abhängigkeit von der Probendehnung wurde beobachtet, dass die Delamination zunächst an den Rändern der Beschichtung beginnt und bei zunehmender Belastung in Richtung der Probenmitte fortschreitet. Für die CuCu-Proben wurden hingegen erst bei hohen Belastungen (H > 0,7%) Oberflächenrisse analog zu denen der NiCu-Proben beobachtet. Eine Ablösung der Beschichtung vom Substrat oder Delamination zwischen den beiden Cu-Schichten wurde hier nicht beobachtet.
2.2
Schallemissionsanalyse
Die während der Probenbelastung aufgezeichneten Schallemissionssignale wurden zunächst mit einem linearen Ortungsverfahren innerhalb eines Bereiches von 40 mm um die Probenmitte lokalisiert. In Bild 3a ist die Anzahl der lokalisierten Signale in Abhängigkeit der Dehnung für das CFK-Substrat ohne Beschichtung, eine NiCu10-, eine NiCu30-, eine NiCu50- und eine CuCu50-Probe dargestellt. Es zeigt sich, dass der Einsatz der Schallemission in beschichteten Proben deutlich früher stattfindet als in reinem CFK. Da in keiner unbeschichteten CFK-Probe für H < 0,8% Schallemission detektiert wurde, ist anzunehmen, dass alle Signale in beschichteten Proben unterhalb dieser Schwelle aus Schädigungen in der Beschichtung stammen. Zur Untersuchung der Korrelation zwischen typischen Schallemissionssignalen und den drei mikroskopisch beobachteten Schädigungsarten (Ni-Risse, Cu-Risse und Delamination zwischen Ni- und Cu-Schicht) wurden die aufgezeichneten Wellenformen für H < 0,8% Dehnung mit einem Mustererkennungsverfahren nach Anastassopoulos et. al. untersucht [4]. Hierzu wurde in dem verwendeten Softwarepacket Noesis aus den Wellenformen der Schallemissionssignale zunächst Wellenformparameter extrahiert. Anschließend werden die Wellenformparameter normalisiert und in ihren Eigenwertraum projiziert. Innerhalb dieser Projektion wird nun nach Häufungspunkten mittels Mustererkennungsalgorithmen gesucht. Die Güte der erreichten Partitionierung der Wellenformen lässt sich durch statistische Parameter beschreiben. Eine hohe Güte der Partitionierung lässt dabei auf eine sinnvolle Unterteilung der Schallemissionssignale in verschiedene Klassen schließen. Die Anzahl der Partitionen deutet auf die wahrscheinlichste Anzahl von Schädigungsarten hin. Hierzu werden die Parameter Rij und W eines Datensatzes, wie in Bild 3b beispielhaft für eine NiCu30-Probe gezeigt, in Abhängigkeit der Klassenanzahl untersucht:
477
Rij =
Di + D j ; Dij
(1)
τ ij =
min( Dij ) ; max( Dk )
(2)
Dabei werden mit Di und Dj die mittleren Abstände aller Klassenelemente und mit Dij der Abstand der Klassenmittelpunkte bezeichnet, min(Dij) stellt den minimalen Abstand zweier Klassen und max(Dk) den maximalen Abstand zweier Klassenelemente dar. Folglich unterscheiden sich die Klassen stärker voneinander, wenn niedrige Werte für R und hohe Werte für W erreicht werden. Für jede gefundene Klasse wurde zusätzlich das gemittelte Frequenzspektrum mit einer selbst entwickelten Software errechnet. Durch das Verhältnis der Frequenzanteile bei hohen und niedrigen Frequenzen kann die vorwiegende Abstrahlrichtung der Schallemissionsquelle ermittelt werden, falls frequenzabhängige Dämpfung und Dispersion bei der Laufzeit des Signals vernachlässigbar sind [5]. Dies ist bei den vorliegenden Probenabmessungen mit einem maximalen Abstand zwischen Schallemissionsquelle und Sensor von 40 mm der Fall. Mit dieser Methode lässt sich insbesondere zwischen Rissen (Abstrahlrichtung in der Probenebene) und Delamination (Abstrahlrichtung orthogonal zur Probenebene) unterscheiden, da diese zu unterschiedlichen Frequenzbeiträgen bei Frequenzen oberhalb von 400 kHz führen.
Bild 3: Dehnungsabhängige Anzahl der Schallemissionssignale verschiedener Proben (a) und Untersuchung der Abhängigkeit von R und W von der Klassenanzahl einer NiCu30-Probe (b).
3
Untersuchungsergebnisse
3.1
Ni-Cu Beschichtungen
Für die reine Ni-Beschichtung konnte bei der Untersuchung der Parameter R und W in Abhängigkeit der Klassenanzahl kein eindeutiges numerisches Optimum gefunden werden. Dies ist konsistent mit den mikroskopischen Beobachtungen, die auf nur eine Schädigungsart (Ni-Risse) hindeuten. Die untersuchten Proben zeigen dabei untereinander eine gute Übereinstimmung der
478 Schallemissionssignale in Lokalisierung (Dichteverteilung entlang der x-Achse), dehnungsabhängiger Anzahl und mittlerem Frequenzspektrum. Im Unterschied dazu wurden bei NiCu10-Proben numerische Optima der R- und W-Werte bei zwei, bzw. drei Klassen gefunden. Dieser Unterschied deutet auf eine probenspezifisch unterschiedliche Entwicklung der Schädigung hin. In Proben mit nur zwei Klassen wurde mikroskopisch neben dem Auftreten von Ni-Rissen nur großflächige Delamination zwischen der Ni- und der Cu-Schicht beobachtet, bei den NiCu10 Proben mit drei Klassen zusätzlich die Entstehung von Cu-Rissen. Die Abwesenheit von Rissen in der Cu-Schicht wird auf die niedrige Haftfestigkeit zwischen Ni- und Cu-Schicht zurückgeführt, die einen Spannungsabbau durch Rissbildung in der Cu-Schicht verhindert. In allen NiCu10-Proben wurde zudem eine Klasse gefunden, die im Lokalisierungsbild, der dehnungsabhängigen Entwicklung ihrer Anzahl und in ihrem gemittelten Frequenzspektrum mit den Schallemissionssignalen der reinen Ni-Beschichtungen übereinstimmt. Die in Bild 4a dargestellten drei Frequenzspektren einer NiCu10-Probe weisen zudem charakteristische Unterschiede auf. Dies lässt auf Grund der Intensitäten oberhalb von 400 kHz und dem Lokalisierungsbild eine Unterscheidung zwischen Cu-Rissen (einzelne, abgegrenzte Positionen) und Delamination (flächige Lokalisierung) zu.
Bild 4: Gemitteltes Frequenzspektren der über Mustererkennung gefundenen Klassen einer NiCu10 (a) und einer NiCu30-Probe (b)
Bei den NiCu30-Proben weisen die Parameter R und W ein numerisches Optimum bei 3 bzw. 4 Klassen auf. Die zusätzlich auftretende vierte Klasse besteht allerdings ausschließlich aus mehrfach reflektierten Signalen, denen kein zusätzlicher Schädigungsmechanismus zu Grunde liegt [3]. Die verbleibenden drei Klassen lassen sich analog der Überlegungen zu den NiCu10Proben in Ni-Risse, Cu-Risse und Delamination einteilen. Die entsprechenden gemittelten Frequenzspektren einer NiCu30-Probe sind in Bild 4b gezeigt und zeigen gute Übereinstimmung mit den bei Ni- und NiCu10-Proben gefundenen Spektren. Im Unterschied zu den NiCu10-Proben geht der Anteil der Wellenformen, die der Delamination zugeordnet werden zu Gunsten der Cu-Risse deutlich zurück. In Übereinstimmung damit wurde mittels Ultraschallmikroskopie ein
479 deutlicher Rückgang der delaminierten Fläche bei NiCu30-Proben festgestellt. Dies ist auf die deutliche Zunahme der Haftfestigkeit zwischen Ni- und Cu-Schicht zurückzuführen, die in Schältests nach ASTM-Norm B533-85 zu 0,13 kN/m für NiCu10-Proben und 0,56 kN/m für NiCu30-Proben bestimmt wurde. Aufgrund dieser verbesserten Haftfestigkeit wechselt der dominante Schadensmechanismus von Delamination hin zu Rissbildung in der Cu-Schicht. Für die NiCu50 Proben deuten die Parameter R und W ebenfalls auf drei bzw. vier Klassen und entsprechende Schadensmechanismen hin. Eine ausführliche Diskussion hierzu ist in [3] zu finden. Im Unterschied zu den NiCu10 und NiCu30-Proben geht die Gesamtzahl der Schallemissionssignale jedoch deutlich zurück (s. Bild 3a), wobei die Gewichtung der Delamination erneut zu Gunsten der Zahl der Cu-Risse stark abnimmt. Mikroskopische Analysen zeigen konsistent hierzu einen deutlichen Rückgang der Schädigungen durch Delamination, Cu-Risse und Ni-Risse im Vergleich zu NiCu30-Proben. Diese höhere Belastbarkeit ist einerseits auf die erneute Zunahme der Haftfestigkeit auf über 1,20 kN/m und andererseits auf die durch die Querschnittszunahme erhöhte mechanische Festigkeit der 50μm Cu-Schicht zurückzuführen. Die geringere Anzahl der Schallemissionssignale deutet grundsätzlich auf eine höhere Belastbarkeit der Beschichtung hin, da die Energiefreisetzungsrate der bruchmechanischen Energie proportional zur Energie der Schallemissionssignale ist [6].
3.2
Cu-Cu Beschichtungen
Ein Vergleich der dehnungsabhängigen Entwicklung der Schallemissionsenergie einer NiCu50 und einer CuCu50-Probe ist in Bild 5 gezeigt. Man erkennt bei der CuCu50 im Vergleich zu der NiCu50-Probe eine deutliche Verringerung der Anzahl der Schallemissionssignale unterhalb von H = 0,7% bei gleichzeitig niedrigerem mittleren Energieniveau der aufgezeichneten Schallemissionssignale. Eine Untersuchung mit Mustererkennungsverfahren deutet darauf hin, dass die Signale der CuCu50 Probe bei niedrigen Dehnungen eine eigenständige Klasse bilden. Diese wird auf die Ablösung kugelförmiger Oberflächenpartikel unterhalb von H = 0,7% zurückgeführt, die durch mikroskopische Analysen nachgewiesen wurden. Dies stimmt gut mit dem beobachteten sporadischen Auftreten und dem weit gestreuten Lokalisierungsbild der Schallemissionssignale überein. Schädigung in Form von Rissen oder Delamination wurden für H < 0,7% nicht beobachtet. Damit liegt die funktionale Belastungsgrenze im CuCu50-Schichtsystem oberhalb von H = 0,7%. Diese deutlich überlegene mechanische Belastbarkeit ist auf die bessere Haftfestigkeit zwischen den beiden Cu-Schichten im Vergleich zu den NiCu-Schichtsystemen zurückführen. Die erste chemisch aufgebrachte Lage weist in beiden untersuchten Schichtsystemen eine sehr starke Haftfestigkeit zum CFK-Substrat auf. In den Ni-Startschichten wurde allerdings eine Rissbildung bei geringeren Belastungen beobachtet als bei Cu-Startschichten. Die dadurch entstehende Spannung an der Ni-Cu-Grenzfläche kann sich entweder durch vollständige oder teilweise Delamination der Cu-Decklage abbauen. Im letzteren Fall können lokale Spannungsmaxima auftreten, die eine vorzeitige Rissbildung in der Cu-Schicht zur Folge haben können.
480
Bild 5: Dehnungsabhängige Entwicklung der Schallemissionsenergie einer NiCu50 (a) und einer CuCu50-Probe (b) zusammen mit den jeweiligen Spannungs-Dehnungs-Diagrammen
4
Zusammenfassung
Es wurden galvanisch abgeschiedene Kupferschichten variierender Dicke mit Nickel oder Kupfer Startschicht auf CFK-Substraten mittels Schallemissionsanalyse unter mechanischer Belastung untersucht. Unter mechanischer Belastung treten bei unterschiedlicher Dehnung Risse in der Ni-Startschicht, Risse in der Cu-Schicht sowie Delamination zwischen Startschicht und CuSchicht auf. Die während der Belastung aufgezeichneten Schallemissionssignale konnten mittels Mustererkennungsverfahren in Klassen eingeteilt werden. Für alle Schichtsysteme konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den mikroskopisch nachgewiesenen unterschiedlichen Schädigungen und den durch das vorgestellte numerische Optimierungsverfahren erzielten Klassenanzahlen gefunden werden. Die zu jeder Klasse zugehörigen gemittelten Frequenzspektren weisen untereinander signifikante Unterschiede auf und stimmen in ihrem Lokalisierungsbild und ihrer Häufigkeit mit den assoziierten Schadensmechanismen (Risswachstum und Delamination) überein. Anhand der stark unterschiedlichen Ausprägung der Schallemissionsereignisse, sowie vergleichender mikroskopischer Analysen konnte gezeigt werden, dass die untersuchten CuCu-Beschichtungen den NiCu-Beschichtungen in ihrer funktionalen Belastbarkeitsgrenze deutlich überlegen sind. Die durchgeführten Untersuchungen geben zu der Hoffnung Anlass, dass die Kombination von Mustererkennungsverfahren und Frequenzanalyse als sehr erfolgversprechend für die Schadensdiagnose von beschichteten Systemen oder für die Online-Strukturüberwachung von hybriden Bauteilen betrachtet werden kann.
481
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6]
Literatur R. W. Evans, NASA Contractor Report 4784 1997, 1–71 D. Schultheiß, Dissertation 2007 M. G. R. Sause, S. Horn, J. Acoustic Emission 2009, 24 (akzeptiert) A. A. Anastassopoulos, T. P. Philippidis, J. Acoustic Emission 1995, 13, 11–21 J. Bohse, J. Acoustic Emission 2004, 22, 208–223 J. Bohse, Compos. Sci. Tech. 2000, 60, 1213–1226
482
IMC-Spritzgießcompounder – Potentiale der Langfaserverstärkung Melanie Rohdea, Frank Fischera, Volker Altstädta, Christian Herrmannb, Walter Krenkelc, JanMarcel Hausherrc a Lehrstuhl
für Polymere Werkstoffe, Universität Bayreuth, D-95447 Bayreuth, Germany
b
Fraunhofer ISC-Projektgruppe Keramische Verbundstrukturen, D-95448 Bayreuth, Germany
c
Lehrstuhl Keramische Werkstoffe, Universität Bayreuth, D-95447 Bayreuth, Germany
1
Einführung
Die Entwicklung von langglasfaserverstärkten Thermoplasten (LFT) wurde aufgrund einer Vielzahl von Vorteilen wie beispielsweise hohe Produktivität und hohes Integrationspotential bei gleichzeitiger Senkung der Systemkosten vorangetrieben. Dies führte zu einem stetigen und gegenüber konventionellen Werkstoffen überproportionalen Wachstum mit einer Wachstumsrate von aktuell 8 % p.a. [1]. Dabei dominieren in diesem Marktsegment eindeutig AutomotiveAnwendungen, wie z. B. Frontends und Unterbodenstrukturen [2]. Faserverstärkte polymere Werkstoffe werden aufgrund ihres breiten Eigenschaftsspektrums für ganz unterschiedliche Produkte in den verschiedenen Marktsegmenten eingesetzt. Ihre Haupteinsatzgebiete sind Maschinenbau, Anlagenbau, Verkehrstechnik, Energietechnik, Raumfahrt, der medizinische und nicht zuletzt der Sport- und Freizeitbereich. Durch das Einarbeiten von Verstärkungsfasern in organische Matrizes als tragendes Gerüst von hoher Festigkeit können neue Werkstoffe mit gezielt beeinflussbaren, anwendungsgerechten Eigenschaften geschaffen werden. So werden z. B. durch Zugabe von anorganischen Verstärkungsfasern wesentliche Verbesserungen im Hinblick auf die Werkstoffmechanik (Steifigkeit, Zugfestigkeit, Wärmeformbeständigkeit, Schwindung und Langzeitstabilität), aber auch in Bezug auf das dynamische Verhalten und das Schädigungsverhalten unter schlagartiger Beanspruchung erreicht. LFTs weisen jedoch gegenüber unverstärkten Werkstoffen eine ausgeprägte Anisotropie in Abhängigkeit von der Strömungssituation im Werkzeug beim Spritzgießen auf. Die Materialeigenschaften hängen maßgeblich von Fasergehalt, Faserlängenverteilung, Faserorientierung und Faserdispergierung ab [3]. Aus diesem Grund existieren bereits einige Ansätze, die sich mit der werkstoffgerechten, orientierungsunabhängigen Materialcharakterisierung beschäftigen [2; 4; 5; 6]. Ziel dieser Studie ist es, die Schichtdickenverteilung von langfaserverstärkten Thermoplastbauteilen mit fortschreitendem Fließweg zu untersuchen. Hierzu wurden Proben aus einem Compound aus Polyamid mit einem Gewichtsanteil von 30 Gew% Glasfasern (Faserdurchmesser 10 μm) hergestellt. Aus den Bauteilen wurden Schliffe entlang des Fließwegs der Schmelze während des Formfüllvorganges beim Spritzgießen präpariert. Der Schichtdickenaufbau und insbesondere die Faserorientierung in diesen Proben, die sich während des Spritzgießens ergeben, wurden mittels eines Rasterelektronenmikroskops und eines Computertomographen bestimmt und die Erkenntnisse miteinander verglichen.
483
2
Experimente
2.1
Herstellung von Langfaserverstärkten Thermoplasten (LFT)
Die LFT-Compounds wurden mit einem Spritzgießcompounder KM 200-1400C2-IMC (IMC: Injection Molding Compounder) hergestellt. Bei diesem Konzept ist ein Doppelschneckenextruder zur Aufbereitung des Compounds mit einer Spritzgießmaschine kombiniert. Die Verbindung der kontinuierlichen Arbeitsweise eines Doppelschneckenextruders mit der diskontinuierlichen Arbeitsweise des Spritzgießens erfolgt durch Integration eines SchmelzeZwischenspeichers. Das Verfahren erlaubt eine homogene Einarbeitung von Rovings (Endlosfasern) in die Polymermatrix und eine direkte Weiterverarbeitung des Compounds zu einem spritzgegossenen Formteil. Darüber hinaus ist dieser Prozess aufgrund des Fasereinzugs in die bereits aufgeschmolzene polymere Matrix sehr faserschonend. Im Vergleich zur Verarbeitung von Langfasergranulaten auf konventionellen Einschneckenmaschinen werden bei der Direktcompoundierung erheblich höhere Restfaserlängen erreicht. Zur Herstellung der LFTs wurde eine Polyamid-6-Matrix (Technyl 218 I, Rhodia) mit Glasfasern verstärkt (Tufrov 4510, 2400 tex, Durchmesser 10 μm, PPG). Die Glasfasern wurden in einem Gewichtsanteil von 30 % bei einer Schneckendrehzahl von 110 U/min und einer Massetemperatur von 270 °C in die Matrix eingearbeitet. Es wurden bei der Compoundierung am Ende des Extruders 6 Rovings eingespeist.
2.2
Herstellung der Probekörpern und Probenpräparation
Die Proben für die Computertomographie und die Schliffe wurden an verschieden Stellen entlang des Fließwegs aus einer 4 mm starken gespritzten Platte entnommen. Auf diese Weise konnte der Schichtaufbau und die Faserorientierung in den einzelnen Schichten für verschiedene Faserfüllgrade und mit fortschreitendem Fließweg untersucht werden. Die Entnahmepositionen zeigt Bild 1. Die Proben für die Computertomographie haben einen Durchmesser von 4 mm und wurden mit einem Hohlbohrer an den entsprechenden Stellen aus der Platte präpariert.
Bild 1: Probenentnahmepositionen für CT und REM, Nummerierung Pos 1, Pos 2, Pos 3 entlang Fließweg
484 2.3
Rasterelektronenmikroskopische Untersuchung
Zur Analyse der Schichtdickenverteilung im glasfaserverstärkten Polyamid wurden rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen (Jeol JSM-IC 848) von Schliffen an Position 1 bis 3 gemäß Bild 1 angefertigt. Diese Schliffe lassen sich jedoch nur zweidimensional charakterisieren. Außerdem ist eine zeitaufwändige Probenpräparation durch mehrere Schleifvorgänge erforderlich.
2.4
Computertomographie
Die zerstörungsfreie, dreidimensionale Computertomographie ermöglicht die Bewertung von Morphologien und Werkstoffmodifikationen durch Analyse der computertomographischen Aufnahmen. Bei der Tomographie wird im Gegensatz zur Röntgendurchleuchtung die Probe in festen Winkelinkrementen um den Umdrehungswinkel gedreht und bei jeder Position eine Projektion aufgenommen. Da sich die Probe während der Rotation vollständig im Röntgenstrahl befinden muss, ist aus geometrischen Gründen die erzielbare optische Auflösung ein Kompromiss aus Probekörpervolumen und der gewünschten Detailerkennbarkeit: Je größer die Probe, desto gröber die mögliche Auflösung. Die Untersuchung gliedert sich generell in drei Schritte. So wird zunächst eine Vielzahl zweidimensionaler Röntgenprojektionen von der Probe aufgenommen, aus der mit einer speziellen Software die Querschnittsebenen rekonstruiert werden. Diese Informationen dienen schließlich der Erstellung eines Volumens, welches dreidimensional quantitativ analysiert werden kann. Die hier eingesetzte Computertomographie-Anlage wurde am Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen entwickelt und vom Fraunhofer Entwicklungszentrum für Röntgentechnik (EZRT) in Fürth zusammengestellt. Die Anlage basiert auf einem Yxlon Y.CT Präzisionsmanipulator mit einer Viscom X-9225-TED Transmissionsröhre und 2048² Pixel Flachdetektor vom Typ Perkin Elmer XRD 1621 AN3-CT. Für die Messungen wurde die Röntgenröhre mit einer Spannung von 110 kV und 500 μA Röhrenstrom betrieben. Die Steuerungs- und Rekonstruktionssoftware stammt von Fraunhofer EZRT. Jede CT-Messung bestand aus je 1600 Einzelaufnahmen, wobei eine Einzelaufnahme mit 2,999 ms Belichtungszeit aufgenommen wurde.
3
Ergebnisse und Diskussion
Bei LFT-Werkstoffen liegt eine starke Richtungsabhängigkeit der mechanischen Kennwerte vor. Vorversuche zeigen, dass an Zugstäben, die in Spritzrichtung entnommen werden, die höchsten mechanischen Werte gemessen werden. Das legt die Vermutung nahe, dass die Orientierung der Glasfasern in Spritzrichtung überwiegt. Die entstehende Orientierung kann durch Schliffe über die gesamte Bauteildicke an entsprechenden Probekörpern nachgewiesen werden. Bild 2 zeigt rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Proben, die einen Fasergewichtsanteil von 30 % aufweisen. Die Entnahmepositionen liegen gemäß Bild 1 angussnah (Pos 1), aus der Mitte der Platte (Pos 2) und angussfern (Pos 3). Die gemittelte volumenbezogene Faserlänge dieser Proben wurde im Vorfeld bestimmt und beträgt 1457 μm. Zur Bestimmung der Faserlänge werden die Proben jeweils pyrolysiert, die Fasern dispergiert und unter einem Mikroskop ausgemessen.
485 Zunächst sind deutlich Faserbündel in den Proben zu erkennen. Die Anzahl und Größe der Faserbündel nimmt mit fortschreitendem Fließweg nicht ab. Die Fasern in der Mitte der Probe sind erwartungsgemäß senkrecht zur Spritzrichtung orientiert. Die Orientierung der Fasern in den angrenzenden Schichten ist aus den Aufnahmen nicht zu erkennen. Im Gesamtbild verändern sich die jeweiligen Dicken der Schichten nicht und nehmen mit 1,3 mm ca. ein Drittel der Gesamtdicke ein.
Bild 2: Schliffbild eines Composites aus Polyamid 6 mit 30 Gew.-% Glasfaseranteil, aufgenommen in Spritzrichtung
Die Methode der Computertomographie kann hier Aufschluss bieten. So kann auf der einen Seite die tatsächlich vorliegende Schichtdicke genauer bestimmt werden und auf der anderen Seite durch die dreidimensionale Durchleuchtung auch die Orientierung realitätsnah ausgewertet werden. Die CT-Aufnahmen, die mit den angefertigten REM-Aufnahmen in Entnahmerichtung und -position korrelieren sind in Bild 3 und 4 dargestellt. Es sind die Ansichten der untersuchten Proben von oben gezeigt. Wie in der Literatur beschrieben [7], lassen sich prinzipiell fünf Schichten erkennen. Jedoch zeigen sich z. T. Abweichungen in der Faserorientierung. Bild 3 zeigt den prinzipiellen Schichtaufbau der Probe, die angussnah entnommen wurde (Position 1). Die Außenschichten (Schicht I und V) sind von starken unaufgeschlossenen Faserbündeln, jedoch keiner vorherrschenden Orientierung in Spritzrichtung geprägt. Durch das schnelle Abkühlen frieren diese Bereiche rasch ein und eine Dispergierung von Faserbündeln ist in diesem Fall nicht möglich. Darunter liegen Schichten (Schicht II und IV), die ebenfalls keine Vorzugsorientierung der Fasern aufweisen, in denen die Fasern jedoch einzeln und gut dispergiert vorliegen. Die während der Formfüllung herrschende starke Scherung in diesen Bereichen sorgt für eine gute Dispergierung der anfänglich unaufgeschlossenen Faserbündel und eine regellose Orientierung. Aufgrund der Blockströmung in der Mittelschicht während des Formfüllprozesses beim Spritzgießen zeigen die Fasern in diesen Bereichen eine Orientierung senkrecht zur Spritzrichtung. Auch hier können unaufgebrochene Faserbündel beobachtet werden. Der Schichtdickenaufbau an einer angussfernen Probe (Position 3) ist in Bild 4 dargestellt. Einerseits verringert sich die Anzahl der Faserbündel insgesamt über den Querschnitt, es zeigt sich aber eine ähnliche Schichtdickenverteilung wie bei den Proben die näher am Anspritzpunkt entnommen wurden (siehe Pos 1). Die Außenschichten (I und VII) und die darunter liegenden bezüglich der Faserorientierung isotrop angeordneten Schichten (II und VI) weisen ein ähnliches Aussehen wie die Proben aus Position 1 auf, die Mittelschicht jedoch kann in diesem Fall in drei Bereiche unterteilt werden (Schicht III, IV, V). Im Gegensatz zur Schicht II und VI ist die Mittelschicht durch Fasercluster geprägt. Die Orientierung der Fasern in Schicht III, IV und V
486 kann dabei unterschieden werden. So ist nur der zentrale Bereich der Mittelschicht (Schicht IV) durch eine Faserorientierung senkrecht zur Spritzrichtung geprägt. Die Fasern, die in den beiden äußeren Bereichen liegen (Schicht III und V), weisen keine Vorzugsausrichtung auf.
Bild 3: Prinzipieller Schichtaufbau und exemplarische Einzelbilder der Schichten an Position 1, angussnah
Bild 4: Prinzipieller Schichtaufbau und exemplarische Einzelbilder der Schichten an Position 3, angussfern
Insgesamt ist festzuhalten, dass mit Fließwegzunahme das Auftreten von zusammenhängenden Faserbündeln minimiert wird. In den Außenschichten allerdings, wo eine reine Scherströmung auftritt und im Blockströmungsbereich in der Mitte der Probe treten die meisten Faserbündel auf. Somit scheint für eine ausreichende Dispergierung der Fasern eine Überlagerung von Scher- und Dehnströmung geeignet zu sein. Des Weiteren kann bei den hier untersuch-
487 ten LFT-Materialien eine Änderung des Schichtaufbaus mit dem Fließweg beobachtet werden. Die Mittelschicht weist keine Orientierung senkrecht zur Fließrichtung auf. Auch die Außenschichten sind im Gegensatz zu den in der Literatur beschriebenen Werten nicht in Spritzrichtung orientiert, sondern regellos. Die Beobachtungen hinsichtlich Faserorientierung können auf Faserlänge und unzureichende Benetzung der Fasern zurückgeführt werden. Die Enden der langen, unaufgeschlossenen Fasern richten sich nicht wie diejenigen von Kurzglasfasern auf Linien gleicher Geschwindigkeit aus.
4
Zusammenfassung
In dieser Studie wurde der Schichtdickenaufbau von spritzgegossenen LFT-Bauteilen in Abhängigkeit vom Fließweg zunächst mittels REM-Aufnahmen und im Anschluss durch μ-Computertomographie bestimmt. Die LFT-Bauteile wurden dabei faserschonend mit dem IMCSpritzgießcompounder hergestellt. Insgesamt ist festzustellen, dass die in der Literatur beschriebenen Kurzglasfasermodelle zur Faserausrichtung bei der Formfüllung nur eingeschränkt auf lange Fasern (LFTs) angewandt werden können. Folglich erfordert die Auslegung von LFTBauteilen die Anpassung vorhandener Modelle und zwar dahingehend, dass Faserlänge und Aspekt-Verhältnis von Einzelfaser und Faserbündel bei der Orientierung berücksichtigt werden. Außerdem kann mit der gewählten Methode der schonenden Materialaufbereitung im Doppelschneckenextruder keine zuverlässige Vereinzelung der Fasern erreicht werden. Ziel muss es sein, bereits nach der Materialaufbereitung im Extruder vereinzelte Fasern zu haben, um das volle Potential der Verstärkungswirkung der Fasern auszunutzen. Die in der untersuchten Schmelze vorhandenen Faserbündel lösen sich erst bei der Bauteilfüllung entlang des Fließwegs durch Scher- und Dehnströmungen auf, so dass im Bauteil lokal unterschiedliche Strukturen und folglich auch unterschiedliche Eigenschaften auftreten können. Die angewandten Charakterisierungsmethoden zeigen, dass zwar mit der Rasterelektronenmikroskopie relativ unkompliziert zweidimensionale Aufnahmen des Probenquerschnittes gemacht werden können. Die computertomographischen Aufnahmen und die graphische Rekonstruktion erfordern einen hohen Zeitaufwand, sodass sich diese Methode für eine schnelle Grobabschätzung nicht eignet. Jedoch ist insgesamt festzuhalten, dass die Computertomographie im Gegensatz zur 2D-Schliffanalyse eine weitere Methode darstellt, um die Orientierungen von Fasern in spritzgegossenen Bauteilen sichtbar zu machen. Darüber hinaus können im Gegensatz zu 2D Schliffbildern Inhomogenitäten wie Fasercluster identifiziert und qualitativ ausgewertet werden.
5
Danksagung
Die Autoren danken der Firma Rhodia (Herrn Schwitzer) und PPG Industries für die freundliche Bereitstellung der Materialien und der Neue Materialien Bayreuth GmbH für die Nutzung des IMC-Spritzgießcompounders. Für die experimentelle Unterstützung danken wir weiterhin Herrn Dirk Pessler und Frau Heike Thiele (Neue Materialien, Bayreuth) und Frau Anne Lang (Lehrstuhl Polymere Werkstoffe, Universität Bayreuth).
488
6 [1] [2] [3]
[4] [5] [6] [7]
Literatur M. Schemme, Kunststoffe, 2003, 8, 106. G. A. Martin, Kunststoffe, 2005, 8, 26. W. Tietz, Modelle zur rechnerischen Vorhersage der Mikrostrukturausbildung in thermoplastischen Spritzgussteilen, Dissertation an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, 1984. J. Reichhold, A. Rüegg, W. Schijve, 10. Internationale AVK-Tagung, 2007. W. Schijve, 5. AVK-Tagung, 2002. W. Schijve, A. Rüegg, www.eatc-online.org, 2008. G. Menges, P. Geisbüsch, Colloid & Polymer Science, 1982, 260, 73.
489
Kosteneffiziente Herstellung von Sandwichkernen aus expandiertem Polypropylen (EPP) Christian Trassl, Dieter Kunz Neue Materialien Bayreuth GmbH, Bayreuth
Volker Altstädt Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe, Universität Bayreuth, Bayreuth
1
Einleitung
Blockdicken von über 1000 mm sind bei EPS-Halbzeugen schon seit langem Stand der Technik, im EPP-Bereich jedoch noch Zukunftsvision - hier liegt der Standard im Bereich von 300 mm. Versuchsreihen zeigen allerdings, dass die Wirtschaftlichkeit mit zunehmender Blockdicke gegenüber Einzelplattenfertigung deutlich gesteigert werden kann. Konsequente Prozessoptimierung führte zu einer enormen Steigerung der EPP-Blockdicke erstmals konnten 500 mm dicke Halbzeuge in konventioneller Staudrucktechnik auf unserer Technikumsanlage hergestellt werden. Besonders erwähnenswert ist dabei die konstante Verschweißungsqualität über die gesamte Blockdicke. Bezogen auf eine Einzelplattenfertigung sind Einsparpotenziale von bis zu 80 % bei bestimmten Medien (z. B. Kühlwasser) möglich und in praktischen Versuchen nachgewiesen worden [ROT05]. Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind für EPP die geeigneten Methoden zum Vereinzeln der Halbzeuge zu Plattenware mit gewünschtem Endmaß zu evaluieren. Beim Schneiden spielen vor allem Blockdicke und Blockdichte eine limitierende Rolle. Je nach Schneidmethode mit und ohne Materialverlust werden unterschiedliche Schnittqualitäten erzielt. Die Kosten der Vereinzelung tragen entscheidend zu der Gesamtwirtschaftlichkeit des zweistufigen Prozesses a) Blockfertigung, b) Vereinzelung zu Platten bei.
2
Herstellung großer Blockdimensionen
Zur Herstellung von EPP-Blockware großer Dimensionen (d > 300 mm Dicke) aus nicht druckbeladenen PP-Schaumperlen ist es nötig, das Expansionsverhalten und die Diffusionsvorgänge genauer zu betrachten. Bei EPP wird grundsätzlich zwischen nicht vorbehandeltem und druckbeladenen Schaumperlen unterschieden. Bei der Druckbeladung von EPP erzeugt man im Inneren der Partikel einen Überdruck [SCH03]. Üblicherweise werden die druckbeladenen Partikel ohne Gegendruck (Staudruck) in die Werkzeugkavität gefüllt. Bei der Bedampfung erweichen dann die Zellwände, wodurch das Expansionsbestreben der Perlen aufgrund des Innendrucks erheblich verstärkt wird. Da sich das Volumen der Partikel vergrößert entsteht ein Formteil oder ein EPP-Block mit niedriger Dichte. Das Expansionsverhalten von druckbeladenen EPP ähnelt dem des EPS. Es sind größere Blockdimensionen zu realisieren, da dem Dampf ein geringerer Widerstand entgegengebracht wird. Die nachfolgende grafische Darstellung von Tatzel beschreibt die Zusammenhänge anschaulich (siehe Abbildung 1) nach [TAT93].
490 Bei der Druckbeladung muss zur Herstellung von voluminöser Blockware wegen den großen Schussgewichte eine ausreichend dimensionierte Drucktankanlage zur Verfügung stehen. Die Kosten für den zusätzlichen Druckbeladungsprozess addieren sich zu den Gesamtkosten. Bei Verwendung moderner Druckfüllsysteme kann im Dichtebereich von 30 - 70 g/l die Staudruckmethode gegenüber einer Druckbeladung deutlich wirtschaftlicher sein (vgl. [SCH03]). Um größtmögliche Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten sollten große Blockdicken auch mit unbehandelten EPP-Perlen erzeilt werden. Dies kann nur nach detaillierter Prozessanalyse erfolgen, da mit zunehmender Formteildimension die Steuerung der Bedampfung in immer engeren Prozessfenstern ablaufen muss. Die sensorische Messwerterfassung von Dampf-, Werkzeug- und ggf. Schaumtemperatur ist dabei von Vorteil und ermöglicht zusammen mit der Schaumdruckmessung eine exakte Maschinensteuerung (vgl. [TEU93]).
Abbildung 1: Verarbeitungsverhalten von EPP - unbeladene Partikel im Vergleich zu druckbeladenem Material [TAT93].
Das geringe Prozessfenster resultiert daraus, dass - besonders bei schnell reagierenden EPPTypen - trotz der hohen Strömungsgeschwindigkeit bei der Querbedampfung die Partikel im Randbereich deutlich mehr Energie aufnehmen als die Schaumperlen in der Blockmitte. Eine inhomogene Verschweißung und ggf. deutliche Dichteunterschiede zwischen Rand und Mitte können die Folge einer nicht genau abgestimmten Prozessführung sein. Ab einer gewissen Halbzeugdicke kann dies dazu führen, dass trotz bereits kollabierter Perlen im Randbereich in der Blockmitte keine ausreichende Verschweißungsqualität vorliegt. Die Lösung des Problems liegt in der Kombination einer detaillierten thermischen Rohmaterialevaluierung mit daran angepasster Prozessführung im Formteilautomaten. Abbildung 2 zeigt das optimale Temperaturfeld, in dem der exemplarisch gewählte Rohmaterialtyp zu verarbeiten ist. Das Temperaturfenster bei der Verarbeitung sollte nicht zu weit ausgedehnt werden, da bei zu hohen Temperaturen die Schaumperlen kollabieren und bei zu geringen Temperaturen keine ausreichende Partikelverschweißung stattfinden kann. Wichtig bei der Herstellung maximal dicker Blockware ist die rohmaterialspezifische Definition von Temperaturbereichen einerseits
491 zum Vorwärmen der Partikel und andererseits zum endgültigen Verschweißen. Durch den Vorwärmschritt sollten möglichst alle Partikel auf ein konstantes Temperaturniveau gebracht werden. Danach führt ein genau definierter und möglichst kurzer Dampfstoß die zum Verschweißen nötige Energie zu. EPP-Blockware mit einer Dicke von 500 mm und einer Dichte von ca. 42 g/l konnte so in praktischen Versuchen reproduzierbar ohne Verwendung von druckbeladenem Material hergestellt werden.
Abbildung 2: Optimale Verarbeitungsparameter für einen EPP-Typ mit einer Schüttdichte von ca. 25 g/l.
Abbildung 3 zeigt die konstant guten mechanischen Eigenschaften am Beispiel des Verlaufs der Druckspannungen (nach DIN 53421) bei verschiedenen Stauchungsgraden, gemessen über den gesamten Blockquerschnitt bei annähernd konstanter Dichte.
Abbildung 3: Konstant gute mechanische Eigenschaften (gemessen im Druckversuch nach DIN 53421) über die Blockdicke bei einem 500 mm dicken EPP-Block (Dichte ca. 40 g/l).
492 Die nach der Porezessoptimierung erzielten Blockdimensionen führen zu neuen Fragestellungen bezüglich der Vereinzelung zu Plattenware. Ohne Druckbeladung erweitert sich der mögliche Dichtebereich hin zu höheren Dichten, so dass herkömmliche Schneid- und Trennverfahren an ihre Grenzen stoßen.
3
Schneiden von EPP
Bereits im Jahr 2000 weist Albrecht auf bemerkenswerte Entwicklungen in der Technologie des Schneidens von EPS-Blockware hin [ALB00]. Bei immer größer werdenden Blockdimensionen erfordert das zäh-elastischere Verhalten von EPP gegenüber EPS eine Anpassung der bekannten Schneidtechniken [TAT93]. Generell können die Scheidtechniken in Verfahren zur Herstellung von Plattenware (z. B. Spalten) oder in Verfahren zum Konturenschneiden (z. B. Wasserstrahlschneiden) eingeteilt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Evaluierung von Schneidverfahren ist der Materialverlust durch den Schnitt. Spaltanlagen sind ein Beispiel für Trennverfahren ohne Materialverlust, Bandsägen können je nach Verschränkung des Sägebands zu großem Materialabtrag beim Schnitt führen. Tabelle 1 zeigt exemplarisch Methoden des Schneidens von Partikelschaumstoffen. Tabelle 1: Verfahren zum Schneiden von EPP (unvollständiger Überblick) Mit Schnittabfall
Ohne Schnittabfall
- Bandsägen
- Spalten
- Wasserstrahlschneiden
- Heißdrahtschneiden
- Laserschneiden
4
Wirtschaftlichkeit – Blockproduktion im Vergleich zur Fertigung von Einzelplatten (Beispielrechnungen)
Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit ist meist das wichtigste Kriterium bei der Beurteilung zweier Prozessabläufe. Beim Vergleich von Block- und Einzelplattenfertigung kann nicht generell ein Weg als wirtschaftlicher eingestuft werden als der andere. Der Break Even Punkt der Blockproduktion im Vergleich zur Einzelplatte hängt im Wesentlichen von Geometriefaktoren, Blockdichte und prozessbedingten Verbräuchen ab. In Abbildung 4 ist exemplarisch gezeigt, welche Einsparpotenziale bei den Medienverbräuchen möglich sein können. Hier wurde der Bedarf an Dampf, Kühlwasser und Druckluft bei der Herstellung eines 50 cm dicken EPP-Blocks mit einer Dichte ca. 42 g/l mit den Verbräuchen aus der Herstellung von 9 cm dicken EPP-Einzelplatten verglichen (alle Angaben sind jeweils auf ein kg verarbeitetes EPP normiert). Besonders deutlich wirken sich die Medien aus, die eine große maschinenseitige Abhängigkeit aufweisen wie z. B. Dampf und Kühlwasser. Das Einsparpotenzial beim Druckluftverbrauch, der stark von der eingefüllten Partikelmenge abhängt, fällt nicht so stark ins Gewicht. Hier begründet sich die Einsparung durch die relative Verringerung des Rückblasens bzw. des
493 Nachkühlens mit Luft. Die Gewichtung mit tatsächlichen Kosten muss der jeweiligen Kostensituation des produzierenden Betriebs angepasst werden.
Abbildung 4: Einsparpotenzial bei der Herstellung von Blockware im Vergleich mit der Einzelplattenproduktion einer vergleichbaren Gesamtdicke.
Exemplarisch soll jedoch im Folgenden gezeigt werden, wie sich die Faktoren Dichte und Blockdimensionen auf den Break Even Punkt auswirken können. Als Grundlage für die Preisentwicklung dient die Kostensituation einer Technikumsanlage - eine direkte (auch relative) Übertragung der Angaben auf die Serienfertigung wird nicht empfohlen, da z. B. das Verhältnis aus Kosten für Verbrauchsmedien und Rohmaterialpreis nicht ohne weiteres skalierbar ist. Unter der Annahme, dass aus 30 cm dicker Blockware Platten mit einer Dicke von 3 cm vereinzelt werden sollen, ergibt sich unter den o. g. Bedingungen bei einer Dichte von 40 g/l (Spalten ohne Materialverlust möglich, kein Sägen nötig) eine Einsparung bei der Blockproduktion (inkl. Schneiden) von ca. 62 % gegenüber der Produktion von 10 Einzelplatten. Bei einer Dichte von 100 g/l müßten die Blöcke durch Sägen vereinzelt werden. Durch den damit verbundenen Materialverlust verringert sich die Einsparung bereits auf ca. 43 %. Auf diese Rechnung wirkt sich die Geometrie des EPP-Blocks, hier das Verhältnis von Blockdicke zu Einzelplattendicke, besonders stark aus. Würde unter den o. g. Parametern bei einer Dichte von 100 g/l die Dicke der gewünschten Einzelplatte von 3 cm auf 6 cm verdoppelt werden, sinkt das Einsparpotenzial von 43 % auf knapp 9 %. Ein Beispiel, bei dem eine Einzelplattenfertigung deutlich günstiger ist als eine Blockproduktion mit anschließender Vereinzelung wäre z. B. dann gegeben, wenn bei einer Dichte von 100 g/l aus dem 30 cm dicken Block 10 cm dicke Platten geschnitten werden sollen. Aufgrund des Materialverlusts durch das notwendige Sägen können lediglich zwei Einzelplatten gewonnen werden - der gesamte Materialverlust führt hier dazu, dass die Einzelplattenproduktion um ca. 30 % günstiger wäre.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Eine gezielte Prozessoptimierung bei der Herstellung von EPP-Formteilen mit detaillierten Kenntnissen der thermischen Eigenschaften des Rohmaterials ermöglicht EPP-Blockdimensio-
494 nen von bis zu 50 cm Dicke in der herkömmlichen Staudruckmethode. Eine vorherige Druckbeladung der Partikel ist nicht nötig, so dass auch höhere Raumgewichte darstellbar sind. Um aus den 50 cm Blöcken höherer Dichte die gewünschten Einzelplatten herstellen zu können, sind optimierte Schneidverfahren nötig. Hier spielen vor allem Schnittgeschwindigkeit und Oberflächenqualität entscheidende Rollen. Es wurde jedoch auch gezeigt, dass gerade bei der Betrachtung wirtschaftlicher Einflussfaktoren das Vorhandensein von schnittbedingtem Materialverlust deutliche Auswirkungen auf die Gesamtkostensituation haben kann. Neben der stetigen Optimierung des Formteilprozesses und der kontinuierlichen Steigerung der realisierbaren Blockdicken ist es unumgänglich, parallel auch entsprechende Schneidverfahren weiterzuentwickeln. Ein besonderesr Fokus sollte dabei auf den Verfahren ohne Materialverlust liegen - sie sind bisher im Wesentlichen hinsichtlich höherer Raumgewichte limitiert. Der treibende Motor dieser Entwicklungen kann jedoch nur die Schaffung neuer großvolumiger Märkte für EPP-Plattenware sein.
6
Danksagung
Die wesentlichen Erkenntnisse dieses Manuskripts wurden im Rahmen des Forschungsprojekts – EPP-Kerne für Sandwichanwendungen – bei der Neue Materialien Bayreuth GmbH erarbeitet. Der Autor dankt besonders den daran beteiligten Industriepartnern BASF Aktiengesellschaft, FEBRA-Kunststoffe GmbH, ISL Schaumstoff-Technik GmbH und Teubert Maschinenbau GmbH.
7
Literatur
[ALB00] Albrecht, K.: Schneidtechnologie in der Blockverarbeitung, Particle Foam 2000, VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf (2000) [ROT05] Roth, S.; Traßl, C.; Kunz, D.; Altstädt, V.: Improved cost-performance relationships for expandable polypropylene (EPP) particle foam components by the onlinemonitoring of processing parameters, In ìCellular Metals and Polymersî, Editors: Singer, R. F.; Körner, C.; Altstädt, V.; Münstedt, H., Trans Tech Publications Ltd., Uetikon-Zürich, Schweiz (2005) [SCH03] Schloms, G.: EPP-Fülltechnologie, Particle Foam 2003, VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf (2003) [TAT93] Tatzel, H.: Grundlagen der Verarbeitungtechnik von EPP - Bewährte und neue Verfahren. Thermoplastische Partikelschaumstoffe - Aktuelle Produkte, Verfahren und Anwendungen, VDI Verlag GmbH, Düsseldorf (1993) [TEU93] Teubert, J.: Spezielle Verfahrensschritte und Komponenten bei EPP-Verarbeitungsmaschinen. Thermoplastische Partikelschaumstoffe - Aktuelle Produkte, Verfahren und Anwendungen, VDI Verlag GmbH, Düsseldorf (1993) [VDO93] van Dorp, T.: Eigenschaftsprofil und Anwendungsübersicht EPS. Thermoplastische Partikelschaumstoffe - Aktuelle Produkte, Verfahren und Anwendungen, VDI Verlag GmbH, Düsseldorf (1993)
495
Dynamische Thermische Analyse unter hohen Lasten – eine Betrachtung zur Arbeitsweise und zum Nutzen! Herbert Halm, H. Deckmann Gabo Qualimeter Testanlagen GmbH, Ahlden, Germany
1
Einleitung
Das Verfahren der dynamisch mechanischen thermischen Spektroskopie (DMTS, DMA oder DMTA) gehört heutzutage zu den etablierten Prüfmethoden in den Laboratorien der Materialentwicklung und Qualitätskontrolle. Das Verfahren beruht auf grundlegenden physikalischen Materialeigenschaften, die für viele Werkstoff- oder Substanzklassen allgemein gültig sind. Die molekulare Beweglichkeit der untersuchten Werkstoffe wird in ihren amorphen und kristallinen Strukturen durch eine systematische mechanische Beanspruchung in Form von mechanischen Schwingungen, aber auch durch gezielte Variation der Temperatur angeregt und verändert. Die daraus resultierenden Veränderungen im Werkstoff (z. B. Härte und Dämpfungsverhalten) – das sogenannte Antwortverhalten der getesteten Werkstoffe – wird mit dem Verfahren der DMTS, aufgezeichnet. Normalerweise sind die typischen auf dem Markt angebotenen DMTS Instrumente sehr eingeschränkt bezüglich der maximal zur Verfügung stehenden Kräfte und Verformungen. In vielen Anwendungen sind die in der Praxis auftretenden Belastungen deutlich höher als die mit einem konventionellen DMA Instrument abgedeckten Kraft- und Verformungsbereiche. Dynamisch mechanische Spektrometer für „hohe Lasten“ schließen diese Lücke. Dichtungen, Schläuche aus konventionellen Polymeren, aber auch aus neuen modifizierten Werkstoffen und die große Klasse der Verbundwerkstoffe lassen sich nahe an den realen praxisnahen Bedingungen prüfen. Unter diesem Aspekt ist es nicht verwunderlich, das DMTS Untersuchungen im Polymer, Elastomer und Automotive – Bereich an Bedeutung gewinnen. Folgende Beispiele sollen diskutiert werden. • Wie beeinflusst der Aushärteprozess eines Pre-Pregs die finalen Produkteigenschaften? • Welche Eigenschaften zeigt ein Cockpitcoating aus Slush-PVC bei tiefen Temperaturen? • Welchen Einfluss haben „Tackifier“ auf die Adhäsionskräfte eines im Elastomerverbund einvulkanisierten Reifen-Cords? An dieser Stelle soll detailliert auf das Elastomer Cord Verbund System eingegangen werden.
2
Dynamisch mechanische Spektrometrie
DMTA , DMTS oder nur DMA sind die international verwendeten Abkürzungen für ein weit verbreitetes Messverfahren: die Dynamisch Mechanische Thermische Analyse.
496
Abb. 1: Dynamisches Spektrometer EPLEXOR 500 N High End
Abbildung 1 zeigt eine derartige Prüfanlage aus dem Hause Gabo Qualimeter Testanlagen GmbH. Es handelt sich hier um eine Anlage, die bis zu 500 N Kraft aufbringen kann. Größere Anlagen erreichen Kräfte bis 2000 N bzw. 4000 N – auf Wunsch auch mehr. Eine detaillierte Darstellung des inneren Aufbaus des EPLEXOR® 500 N High End-Systems zeigt Abbildung 2.
Abb. 2: Detaillierte Darstellung EPLEXOR 500 N High End
Die Darstellung zeigt das Maschinengestell, einen fahrbaren Rahmen, indem die Temperierkammer mit Temperatursensoren, der statische Antrieb, das dynamische Schwingersystem, die Wegaufnehmersysteme und die wechselbaren Kraftmessdosen untergebracht sind. Der Maschinengestell enthält die Auswerteelektronik, darunter sämtliche Messverstärker, Schutzkarten,
497 vor allem aber das Herzstück der Anlage: einen 32-bit-Multitasking-Echtzeit-Rechner zur Regelung, Überwachung und Messung. Der wechselbare Kraftmesskopf ist an einer statisch verschiebbaren servomotorgetriebenen Traverse befestigt. Unterhalb der Traverse befindet sich die eigentliche Messzelle mit den Probenhalterungen innerhalb der Temperierkammer. Die periodische Probenanregung erfolgt von unten mit Hilfe des dynamischen Schwingers (Shaker). Die Prüfmethode arbeitet mit erzwungenen Schwingungen. Die dynamisch mechanische Spektroskopie ist ein Off-Resonance-Verfahren. Üblicherweise werden die Prüfkörper mit einer statischen Vorlast beansprucht. Anschließend wird eine sinusförmige mechanische Schwingung mit voreingestellter Frequenz- und Belastungsamplitude überlagert (Frequenzbereich: 0,0001 Hz bis 100 Hz). Das Prüfinstrument erlaubt auch die rein dynamische Prüfung, entweder durch eine sinusförmige Beanspruchung oder durch anwenderspezifische Belastungsformen. Außerdem bietet die Anlage die Möglichkeit vorlastfrei zu prüfen, um Relaxationsprozesse, die beim Einleiten einer statischen Verformung initiiert werden, zu unterdrücken. Für rein elastische Materialien (z. B. Stahlfedern) ist die Probenantwort eine sinusförmige mechanische Beanspruchung in Phase (G = 0°) mit der Probenanregung. Für ein viskoses Material beobachtet man dagegen eine Zeitverzögerung zwischen sinusförmiger Anregung und Probenantwort. Die Phasenverschiebung für ein viskoses Öl kann bis zu G = 90° betragen (siehe Abbildung 3)
Abb. 3: Mechanische Probenanregung und -antwort
Polymere und Gummi wiederum zeigen eine Mischung aus elastischen und viskosen Eigenschaften. Sie sind viskoelastisch. Abbildung 4 zeigt graphisch die Zusammenhänge zwischen viskosen und elastischen Eigenschaften. Der komplexe Modul E* besteht aus zwei Komponenten: Die reale Komponente E‘ (Speichermodul) beschreibt die elastischen Eigenschaften der Probe, die imaginäre Komponente E‘‘ (Verlustmodul) die viskosen Eigenschaften. E‘‘ ist ein Maß für die in die Probe dissipierte mechanische Energie. Während der Schwingung wird der
498 irreversibel in die Probe eingeleitete Anteil an mechanischer Arbeit (Verlustenergie) direkt in Wärme umgesetzt. Der Quotient E‘‘/E‘ beschreibt geometrisch tan G. Tan G ist die Phasenverschiebung zwischen Probenanregung und -antwort. Eine Metallfeder trägt nur elastische, ein Öl nur viskose Komponenten zu E* bei. Die meisten Polymere zeigen eine Mischung dieser Eigenschaften.
Abb. 4: Viskoelastisches Materialverhalten
3
Haftungsprüfung von Reifenkorden – Versagensgrenzen vorab erkennen
Zur Verstärkung von Gummikomponenten und -erzeugnissen wie Reifen, Riemen oder Förderbändern kommen oft Industriegewebe, Garne und/oder sogenannte Textilkorde zum Einsatz. Die Dynamisch-Mechanisch Thermische Analyse gibt Aufschluss darüber, wie haltbar diese Verbunde in der Praxis sind. Textilkorde werden in der Regel während des Fertigungsprozesses in die Elastomerkomponenten einvulkanisiert. Dabei sind besonders die mechanisch-dynamischen Eigenschaften des Verbunds von Bedeutung, die im Wesentlichen von der Temperatur, der Belastung, den Materialeigenschaften von Gummi und Gewebe sowie der Haftvermittlung durch die verwendeten Tackifier abhängen. Tackifier sorgen für eine gute Haftung zwischen der Gummimischung und den Geweben in den späteren Vulkanisaten. Auf diese Haftschicht wirken in der Praxis Zug, Druck- und Scherbelastungen, hervorgerufen zum Beispiel durch Walgbewegungen eines Förderbands auf einer Umlenkrolle oder durch Rotationsbewegungen, durch Kurvenfahrten sowie durch die Bremsund Anfahrmomente eines Reifens. Die Auswahl des Tackifiers beeinflusst die Haftungseigenschaften in hohem Maß.
499 Die Hafteigenschaften des einvulkanisierten Verstärkungsgewebes in Abhängigkeit von den verwendeten Tackifiern lassen sich mit Hilfe der Dynamisch-Mechanisch Thermischen Analyse (DMTA) auf einfache Weise analysieren. Verformungen bis zu 50 mm sind möglich. Daher eignet sich diese Anlage sehr gut für Haftungstests. Üblicherweise werden die Prüfungen im Zugmodus ausgeführt.
Abb. 5: Probenvorbereitung
Aus sogenannten T- oder H-Prüfkörpern wurden Proben (wie in Abbildung 5 dargestellt) präpariert und mit den Zugspannklemmen im Instrument eingespannt. Ein speziell für die DMTA entwickeltes „maßgeschneidertes“ Experiment zur Ermittlung der Hafteigenschaften von Textilkorden in einem Textilkord-Gummiverbund kam hier zum Einsatz. Alle Daten basieren auf identischen Textilkord-Gummi-Systemen mit unterschiedlichen Haftvermittlern (Tackifiern). Sowohl für die statische Zugbelastung als auch für die dynamische Wechsellast wurde eine kontinuierlich ansteigende Belastungssequenz ausgewählt. Das Verhältnis aus statischer und dynamischer Belastung wurde konstant gehalten (Faktor 10). In jeder Belastungsstufe wurde die statische Vorlast logarithmisch (9 Stufen pro Dekade erhöht). Damit ergaben sich folgende typische Belastungssequenzen: 0,5 % statisch und 0,05 % dynamisch, 1 % statisch und 0,1 % dynamisch, 2 % statisch und 0,2 % dynamisch und so fort. Die Prüffrequenz betrug 10 Hz. Auf jeder Belastungsstufe wurden 20 Datenpunkte gesetzt, um einen möglichen Kraftabfall bei Erreichen der Belastungsgrenzen zu detektieren (siehe Abb. 6). Wie die Versuchsergebnisse zeigen, unterscheiden sich die Hafteigenschaften für die Textilkord-Gummi-Verbunde je nach verwendetem Haftvermittler deutlich. Kombination 1 (rote Kurve, Abb. 6) weist schlechtere Haftungseigenschaften auf als die 2. Kombination (blaue Kurve. Abb. 6). Bereits bei Belastungen von 6 % statischer und 0,6 % dynamischer Dehnung zeigt Kombination 1 kein lineares Verhalten mehr, die Kraft fällt ab, die Haftung des Textilkords im Elastomer versagt.
500
Abb. 6: statisch-dynamischer Schwellversuch
Anhand dieser Information lässt sich ein dynamischer Ermüdungstest generieren ( Abb. 7), der beispielsweise eine Gesamtbelastung von 80 bis 90 % der kritischen Belastung nicht überschreitet. Auch ein solcher dehnungsgeregelter Test wurde mit den beiden Textilkord-GummiVerbunden durchgeführt. Die Kombination aus statischer und dynamischer Belastung war etwa 15 % unterhalb der im ersten Test ermittelten Versagensgrenze eingestellt (5 % statische Dehnung, 0,5 % dynamische Dehnung), die Prüffrequenz betrug 50 Hz, gemessen wurde bei Raumtemperatur.
Abb. 7: dynamischer Fatiguetest
501 Erneut ergaben sich für Kombination 1 (rot) deutlich geringere Hafteigenschaften. Auch im dynamischen Alterungstest versagt die Haftung bereits nach 115000 Lastwechseln. Damit beobachtete man eine deutlich schnellere mechanische Alterung als bei der 2. Kombination (blau). Für die Kombination 2 war auch nach 300000 Lastwechseln noch kein alterungsbedingter Abfall des dynamischen Elastizitätsmoduls festzustellen. Mechanisch beobachtet man tatsächlich, dass die Textilkordfaser der Kombination 1 sich bereits nach ungefähr 2300 s aus dem Gummiverbund herauszulösen beginnt, was sich in einem entsprechend starken Abfall im E-Modul bemerkbar macht. Diese Versuchsergebnisse zeigen, dass sich die Versagensgrenze von Textilkord-GummiVerbunden mit Hilfe der DTMA sehr gut voraussagen lässt. Bei der Auswahl der für den Verbund geeigneten Materialen kann dieses Verfahren deshalb wertvolle Dienste leisten.
4
Zusammenfassung
Die Dynamisch Mechanisch Thermische Analyse ermöglicht über den „Fatigue-Test“ sehr schnell einen bestens reproduzierbaren Haftungs-Vergleich von z. B. Gummi-IndustriegarnVerbunden auf deren Eignung in der Praxis, zunächst ohne Aufwendige Bauteiltests. Durch Haftungsvergleiche der „Corde“ in Verbindung zum Gummi über erzwungene Lastwechsel wird eine künstliche mechanische Alterung erreicht, die zu Haftungsverlusten im System führt. Der einvulkanisierte „Cord“ wird aus der Elastomermischung heraus gelöst.
5 [1]
Literatur Deckmann, Dr. H. Haftungsprüfung von Reifencorden, KGK (Kautschuk Gummi Kunststoffe) – Oktober 2008
502
Stahl-Keramik-Verbunde durch Pulverspritzgießen Baumann A., Mayer D., Moritz T., Lenk R.
1
Einleitung
Metallkeramische Werkstoffverbunde vereinen die Duktilität der metallischen Komponente mit der hohen Festigkeit und Temperaturbeständigkeit keramischer Materialien. Die Kombination der beiden Werkstoffe Stahl und Keramik in einem Bauteil führt zur Erhöhung der Funktionsdichte, und kann vor dem Hintergrund einer Miniaturisierung desselben betrachtet werden. Beide Aspekte stellen somit die wirtschaftliche Relevanz entsprechender multifunktioneller (Verbund-)Bauteile und damit deren industrielle Nachfrage, im Sinne eines obligatorischen Entwicklungskriteriums, grundlegend sicher. Das Anforderungsprofil an das Verbundbauteil ist komplex und prägt dessen Ausführung in vergleichbarem Maße wie die zur Verfügung stehende Fertigungstechnologie. Die beiden aus der Kunststoffformgebung stammenden Mehrkomponentenspritzgussverfahren 2K-Spritzgießen (2C-PIM) und Folienhinterspritzen (Inmould Labeling) (Bild 1) sollen im Folgenden zur pulvertechnologischen Herstellung von Stahl-KeramikVerbunden genutzt werden.
Bild 1: Verfahrensvarianten Mehrkomponenten-Pulverspritzgießen
Im Gegensatz zum 2K-Pulverspritzgießen, bei dem i.d.R. zwei thermoplastische Spritzgussmassen miteinander kombiniert werden, wird beim Folienhinterspritzen die zweite Materialkomponente in Form eines pulvertechnologischen Halbzeuges (einer Grünfolie), das in die Kavität des Spritzgusswerkzeuges eingelegt wird, eingebracht. Das durch Großserientauglichkeit, einem hohen Grad an Automatisierbarkeit sowie durch die geometrische Komplexität der zu fertigenden Bauteile/Komponenten gekennzeichnete (2K-) Pulverspritzgießen wird durch die Verfahrensoption Folienhinterspritzen um zwei entscheidende Freiheitsgrade erweitert.
503
Bild 2: gradierter Materialübergang (grün) beim Folienhinterspritzen
Bild 3: Fügezone beim 2K-Spritzgießen (grün)
So erlauben die dünnen (50 μm bis 1 mm), großflächigen Grünfolien die Realisierung von Aspektverhältnissen, die beim herkömmlichen Pulverspritzgießen aufgrund der Beschränktheit der Fließwege, im Regelfall nicht erreicht werden können. Hinzu kommt, dass das Halbzeug Grünfolie werkstofflich so modifiziert werden kann, dass z.B. ein gradierter Materialübergang in die Folie eingebracht wird (Bild 2). Durch das reguläre 2K-Pulverspritzgießen allein wäre es nicht möglich einen Gradienten in die Fügezone einzubringen (Bild 3). Erfolgt die Folienentwicklung so, dass neben dem obligatorischen Stanzen das Prägen bzw. Tiefziehen möglich ist, kann man selbst dreidimensional ausgeformte Werkzeugkavitäten damit auslegen. Eine Grünfolie kann somit entweder als funktionale Oberfläche oder als haftvermittelnde Zwischenschicht des Verbundformkörpers dienen. Die prinzipielle Darstellbarkeit von Metall-Keramik-Verbunden muss grundlegend unter zwei Gesichtspunkten, dem Werkstoffsystem und der zur Verfügung stehenden Fertigungstechnologie, betrachtet werden (Bild 4). Die wesentliche Frage ist, wie haltbar ist der Verbund zwischen zwei Werkstoffen mit jeweils metallischen oder ionischen/kovalenten Bindungen im Vollmaterial bzw. wie kann eine chemische Bindung zwischen beiden Werkstoffen erreicht werden. Es gibt Bestrebungen seitens der Grundlagenforschung die Eigenschaften und Randbedingungen von Metall-Keramik-Verbundzonen z.B. mittels ab initio Rechnungen zu beschreiben [1]. Jedoch hängt die technologische Entwicklung hier in mindestens dem gleichen Maße von empirischen Erfahrungswerten ab. Historisch belegt [2] wird erstmals unter dem Begriff Functional Gradient Materials (FGM) eine Gruppe definierter, maßgeschneiderter, pulvertechnologisch hergestellter Metall-Keramik-Verbunde zusammengefasst. Mit gleicher Wichtung,
504
Bild 4: Aspektebenen Werkstoffverbund
ist hier das Aktivlöten als Verfahren der Wahl nach dem Stand der Technik zum Fügen von Metall und Keramik zu nennen [3]. Das in der vorliegenden Arbeit vorgestellte Konzept zur StahlKeramik-Verbundkörperherstellung ist vollkommen neu und vereint die Aspekte des Fügens und der Formgebung in nur einem Fertigungsschritt.
2
Material und Methoden
2.1
Auswahl Stahl- und Keramikpulver
Voraussetzung für den Erhalt eines Stahl-Keramik-Verbundes ist das erfolgreiche Co-Sintern der gepaarten Pulverwerkstoffe. Da die Versinterung der Fügepartner unter gleicher Temperatur und Ofenatmosphäre stattfindet, ist es unerlässlich, dass beide Partner (Stahl und Keramik) eine im Betrag gleiche Sintertemperatur aufweisen. Für die thermische Wechselbeständigkeit ist es außerdem von maßgeblicher Bedeutung, dass die thermischen Ausdehnungskoeffizienten der Keramik und des Stahls in etwa gleich groß sind. Für den in Bild 5 dargestellten Edelstahl 174PH und die Y-stabilisierte ZrO2-Keramik treffen beide Bedingungen zu. Die gemeinsame Sinterung von Edelstahl- und ZrO2-Pulver zu einem formstabilen Verbund setzt weiterhin voraus, dass die entsprechenden Partikelgrößenverteilungen und Oberflächenmorphologien der verschiedenen Pulver dennoch zu einem betragsmäßig gleichen Sinterschwund führen. D.h., die i.d.R. gröberen Edelstahlpulver müssen in ihrem Packungsverhalten auf die sehr viel feineren ZrO2-Pulver angepasst werden. Die untersuchten ZrO2- und Edelstahlpulver variieren in ihrer Partikelgröße um maximal zwei Zehnerpotenzen. Die in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse wurden sämtlich am System Edelstahl 17-4PH (Sandvik Osprey; 80 % < 22 μm) und YPSZ (Tosoh Ltd.; TZ-3Y-E und Unitec Ceramics Ltd.; Y5-5) gewonnen. Der Standardstahllegierung 17-4PH wurden 2 % Titanpulver (<45μm) zur Verbesserung der Verbundbildung mit der ZrO2-Keramik zugemischt. Die eingestellte Gründichte im Pulverstahl, wie auch in der Keramik betrug 60 Vol.-% (ca. 15 % lineare Sinterschwindung). Damit eine entsprechende Gründichte im Keramikgrünkörper erreicht werden konnte, wurde eine Mischung von TZ-3Y-E und Y5-5 verwendet.
505
Bild 5: Vergleich Sintereigenschaften Stahl 17-4PH und ZrO2
2.2
Bindersysteme und Folien- bzw. Spritzgussmasseherstellung
Zur Feedstockherstellung wird das Keramik- bzw. Stahlpulver mit einem thermoplastischen Binder (auf Basis von Polyamid) unter Temperatur-(150 °C) und Scherenergieeinwirkung auf einem Sigmakneter (Firma Linden) für 3h vermengt. Das homogenisierte Pulver-Binder-Gemisch wird granuliert und in dieser Form dem Spritzgießprozess zugeführt. Zur Folienherstellung wird ein aus PVA und Wasser zusammengesetzter und mit (Keramikbzw.) Stahlpulver gefüllter Schlicker hergestellt. Die Homogenisierung der Suspension erfolgt unter Zuhilfenahme von Mahlkugeln auf dem Walzenstuhl. Eine Ultraschallbehandlung (2 mal 30 s) hilft die Pulveragglomerate im Schlicker zu zerstören. Der gut homogenisierte Schlicker wird auf einer Foliengießanlage (Doctor Blade Methode) vergossen und getrocknet. Die getrocknete Grünfolie (Dicke 500 μm, Breite 20 cm, Länge 1 m) wird von der Gießunterlage entfernt und geometrisch so konfektioniert, dass sie in das Profil der Formkavität des Spritzgießwerkzeugs eingelegt und mit einem Keramik- (bzw. Stahl-) Feedstock angespritzt, werden kann.
2.3
Entbinderung und Sinterung
Alle Probekörper wurden zur Vorentbinderung (Masseverlust Binder ca. 45 %) für 30 h in ein auf 50 °C temperiertes Acetonbad gelegt. Die thermische (Rest-) Entbinderung der VerbundProbekörper erfolgte unter Wasserstoffatmosphäre bei einer Temperatur von 600 °C. Die Anschließende Sinterung der Stahl-Keramik-Verbunde erfolgte unter einer Heizrate von 3K/min und einer Sintertemperatur von 1350 °C unter trockener H2-Atmosphäre in einem VakuumGas-Sinterofen der Firma Heidorn Engineering GmbH.
506 2.4
Probencharakterisierung
Die Sinterverbunde wurden optisch (Computertomographie und FESEM) und mechanisch (Zugfestigkeit) untersucht. Röntgenographische Methoden (EDX) wurden zur Untersuchung der Elementverteilung in der Fügezone angewendet. Im Spritzgussteil vorhandene Spannungen wurden durch Spannungsrissinitiierung freigesetzt. Mittels Computertomographie wurden diese i.d.R. makroskopischen Risse sichtbar gemacht. Zur Initiierung der Spannungsrisse wurden die nicht entbinderten und gekühlten Spritzgussteile (10 °C) für 20h in Aceton (20 °C) gelegt. Dehnungsmessungen an ZrO2- und 17-4PH Spritzgussmassen wurden nach DIN 51 045 / DIN EN 821 im Temperaturbereich von 20 °C bis 90 °C durchgeführt.
3
Ergebnisse
3.1
Spannungen und Defekte im Stahl-Keramik-Spritzgusskörper
Pulvergefüllte thermoplastische Spritzgussmassen werden im thermischen Dehnungsverhalten durch das Dehnungsverhalten des eingesetzten polymeren Binders geprägt. Ein durch Pulverspritzgießen hergestellter Formkörper erfährt i.d.R. beim Abkühlen der Formmasse im Spritzgusswerkzeug sowie beim erneuten Aufheizen während der thermischen (Rest-) Entbinderung eine lineare Schwindung- bzw. Dehnung von bis zu 0,8 % (Bild 6). Unterschiede im Dehnungsverhalten der beiden im 2K-Pulverspritzguss mit einander kombinierten ZrO2- und 17-4PHFeedstocks führen im Extremfall zur Delamination immer jedoch zu Spannungen im Materialverbund im Grünkörper. Selbst wenn die Pulverfüllgrade wie im vorliegenden Fall in beiden Massen gleich hoch sind (60 Vol.-%), so bewirken doch z.B. unterschiedliche Wärmeleitfähigkeiten in metallischer und keramischer Masse Unterschiede im thermischen Dehnungsverhalten des Grünkörpers (Bild 6). Spannungen und Defekte, die bereits im Grünkörper vorliegen übertragen sich zwangsläufig auf den Sinterverbund in Form eines noch ausgeprägteren Defektes. Erstes Ziel bei der Realisierung eines entsprechenden Mehrkomponentenformgebungsver-
Bild 6: Dehnungsverhalten ZrO2 (Z1) und 17-4PH (M1)-Feedstock
507 fahrens muss es also sein, Spannungen, die von Unterschieden im thermischen Dehnungsverhalten der eingesetzten Formmassen herrühren, auf ein tolerierbares Maß zu senken. Zweckmäßig kann dies durch die Wahl geeigneter Materialien (Pulver, Binder, Mischungsverhältnis) oder durch eine geeignete Prozessführung (Verarbeitungstemperatur, -Druck, Extraktionsentbinderung) geschehen. Eine genauere Untersuchung spritzgegossener Stahl-Keramik-Grünverbunde ergab, dass Defekte im späteren Sinterkörper auf im Wesentlichen zwei Ursachen (prozesstechnische und materialspezifische) zurück geführt werden können. Defekte wie z.B. Lufteinschlüsse treten häufig in unmittelbarer Nähe der Fügezone in der zuletzt eingespritzten Komponente auf. Ursache hierfür ist eine oft mangelhafte Entlüftung der Werkzeugkavität, deren reguläre Entlüftungswege bereits durch die zuerst eingespritzte Komponente versperrt sind. Aus prozesstechnischer Sicht sollte hier also eine Entlüftungsmöglichkeit für die zweite Komponente vorgesehen werden (u.U. kann die Werkzeugkavität auch evakuiert werden). Bild 7 zeigt die durch prozesstechnische Fehler (Lufteinschlüsse) sowie durch materialspezifische Unterschiede im thermischen Dehnungsverhalten hervorgerufenen Defektausmaße am Grün- und Sinterkörper.
Bild 7: Computertomographie Stahl-Keramik-Biegebruchstab grün (links) und gesintert (rechts) mit initiierten Spannungsrissen
Die charakteristischen Lufteinschlüsse findet man dabei in direkter Nähe der Fügezone. Risse infolge von Materialspannungen findet man zentral (hier) in der keramischen Komponente. Erwartungsgemäß kann gezeigt werden, dass sich die Defekte im Sinterkörper noch deutlicher zeigen, jedoch eindeutig auf die bereits im Grünkörper beobachteten Defekte zurückzuführen sind. Risse können dabei in der metallischen, weitaus häufiger in der keramischen Komponente beobachtet werden. Unter Berücksichtigung geeigneter (konzentrischer) Probekörpergeometrien können die im Formkörper herrschenden Spannungsverhältnisse durch die Methode der Spannungsrissinitiierung und nachmaligen computertomographischen Untersuchung besonders deutlich sichtbar gemacht werden (Bild 8). Unausgeglichene Spannungsverhältnisse, infolge von nicht dehnungsangepassten Werkstoffverbunden, führen hier zum Abheben des inneren Zahnkranzes (Bild 7 links), wenn der Außenring stärker als der Innenring schwindet oder sich der Innenring stärker als der Außenring dehnt. In beiden Fällen ist eine Druckspannung für den Delaminationseffekt verantwortlich. Schwindet jedoch der Innenring stärker als der Außenring bzw. dehnt sich der Außenring stärker als der Innenring kommt es zum Bruch des Innenringes (Bild 8 rechts). Hier sind in beiden Fällen Zugspannungen für die Rissbildung verantwortlich. Durch Druckspannung und Zug-
508
Bild 8: Darstellung der Spannungsverhältnisse durch Spannungsrissinitiierung im Spritzgussteil (Demonstrator Innenzahnrad)
spannung hervorgerufene Risse lassen sich bei der gewählten Bauteilgeometrie besonders deutlich ihrer Ursache zuordnen. Die hier mittels Spannungsrissinitiierung und Computertomographie sichtbar gemachten Bauteilspannungen würden sich, wenn sie nicht durch eine nachträgliche Materialanpassung (Bild 8 Mitte) beseitigt worden wären, im Sinterkörper manifestieren, und somit zum Versagen des Bauteils führen.
3.2
Festigkeit des Stahl-Keramik-Sinterverbundes
Zum jetzigen Zeitpunkt muss davon ausgegangen werden, dass die oben beschriebenen prozesstechnischen und materialspezifischen Defekte, welche durch die obligatorische Verfahrensführung dem i.d.R. makroskopischen Grünkörper mitgegeben werden, die tatsächliche Verbundfestigkeit des Sinterverbundes wesentlich mindern und diese darüber hinaus nicht statistisch sicher darstellen lassen. Um dennoch belastbare Festigkeitswerte gesinterter Stahl 17-4PH und ZrO2Verbunde zu erhalten, wurde der Maßstab der darzustellenden Probekörper (Mikrozugproben) deutlich reduziert. Die Fügezone wurde dabei auf 1 mm2 (im Grünkörper) verkleinert. Diese Vorgehensweise minimiert den Einfluss von spannungsinitiierenden Dehnungs-/Schwindungsdifferenzen. Lufteinschlüsse konnten bei diesen Aspektverhältnissen ebenfalls nicht beobachtet werden. Somit ist sichergestellt, dass die im Sinterkörper vorhandenen (beabsichtigten) chemischen Werkstoffbindungen nicht mit Defekten, herrührend aus dem Herstellungsprozess, überlagert sind. Das angewendete Prinzip zur Initiierung einer stofflichen Bindung zwischen metallischer und keramischer Komponente während der gemeinsamen Sinterung ist in [4] hinterlegt und soll weiter unten am Beispiel der in der vorliegenden Arbeit untersuchten Werkstoffverbunde dargestellt werden. Bild 9 zeigt die Weibull-Verteilungen gemessener Zugfestigkeiten gesinterter Stahl 17-4PHZrO2-Mikrozugproben. Aufgenommen wurden zwei Messreihen, eine Standardreihe mit der regulären Stahl 17-4PH-Legierung und eine Messreihe mit einer mit 2 % Titan dotierten Stahl 174PH-Legierung. Innerhalb der Standardreihe gilt, dass 63 % der Probekörper bei einer Zugfestigkeit von 53 MPa versagen (m = 1,29). Die Messreihe mit modifizierter Stahlzusammensetzung belegt dagegen, dass die Probekörper Zugfestigkeiten von bis zu 136 MPa aufweisen (m = 3,08). Diese Ergebnisse stellen grundlegend sicher, dass eine stoffschlüssige Verbundbildung mit dem gewählten Verfahren durch Co-Sinterung möglich ist. Des Weiteren wird ge-
509
Bild 9: Zugfestigkeiten 17-4PH und YPSZ (gesintert) in Abhängigkeit des Titananteils im Edelstahl (Traversengeschwindigkeit 2mm/min)
zeigt, dass eine Steigerung der Verbundfestigkeit durch das Zumischen von Refraktärmetallen zur regulären Stahllegierung möglich ist.
3.3
Analyse der Fügezone im Stahl-Keramik-Sinterverbund
Röntgenographische Untersuchungen in der Fügezone eines gesinterten Stahl 17-4PH-ZrO2Verbundes liefern die in Bild 11 dargestellten Ergebnisse. Deutlich wahrnehmbar ist zunächst das Vorhandensein einer aus Chromoxid und Siliziumoxid bestehenden Schicht zwischen dem co-gesinterten Stahl 17-4PH und der ZrO2-Keramik. Weiterhin kann man zwischen Elementen, welche sich in der Fügezone anreichern (Cr, Si, O), in das Material des Fügepartners diffundieren (Ti, Al, Mg) oder gar nicht diffundieren (Zr, Fe) unterscheiden. Die treibende Kraft der beobachteten Diffusionsprozesse ist die Sauerstoffaffinität bestimmter metallischer Elemente, welche zum überwiegenden Teil zu der Gruppe der Refraktärmetalle zählen. Diese Elemente sind entweder reguläre Legierungsbestandteile des Edelstahls oder können diesem Zulegiert werden [4]. Während der Co-Sinterung unter reduzierender Atmosphäre wandern diese in Richtung Oxidkeramik, und bilden wie im vorliegenden Fall eine Zwischenschicht bzw. diffundieren in die Keramik ein. Dieser Mechanismus bewirkt die Bildung eines haftfesten Sinterverbundes zwischen Edelstahl 17-4PH und ZrO2. Der Sauerstoff für die Oxidschichtbildung zwischen metallischer und keramischer Komponente wird dabei durch die Reduktion der Oxidkeramik bereit gestellt. Die Bildung der beobachteten Oxidzwischenschicht sowie die teilweise Durchdringung der Oxidkeramik mit diffundierenden Elementen soll hier als gestaffelter Mechanismus zur haftfesten Verbundbildung betrachtet werden. Spätere Untersuchungen könnten zeigen, welcher der beiden Mechanismen eine höhere Verbundfestigkeit bewirkt.
510
Bild 10: EDX Sinterverbund Stahl 17-4PH und YPSZ
3.4
Bauteilstudien
Die in dieser Arbeit vorgestellten Mehrkomponentenspritzgussverfahren besitzen, wie einleitend bereits erläutert ein hohes Marktpotential für die Herstellung von mikroskopischen und makroskopischen Stahl-Keramik-Verbundbauteilen. Es konnte gezeigt werden, dass die Herstellung mikroskopischer Verbundformkörper als statistisch gesichert und reproduzierbar bezeichnet werden kann. Damit kann hier also dem Anspruch an ein Großserienverfahren genüge getan werden. Makroskopische Verbundformkörper (Bild 11) können aus den oben genannten Gründen (prozesstechnische und materialspezifische Defekte im Grünkörper) im Moment noch nicht mit einer entsprechenden statistisch abgesicherten Reproduzierbarkeit bestätigt werden. Nichts desto trotz war es möglich makroskopische Testbauteile (Bilder 11, 12) über die beschriebene Prozessroute herzustellen und eingehend zu charakterisieren. Die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen werden zu einer für ein potentielles Großserienverfahren obligatorischen Sicherstellung der Reproduzierbarkeit im Sinne eines iterativen Vorgehens führen.
Bild 11: Innenzahnrad Stahl 17-4PH / YPSZ gesintert (Projekt CarCIM)
511
Bild 12: Fadenführer Stahl-17-4PH / YPSZ grün (Projekt GreenTaPIM)
4
Zusammenfassung
Ausgehend von Pulverauswahl und –Charakterisierung konnte am System Edelstahl 17-4PH / YPSZ die Herstellung entsprechender Stahl-Keramik-Verbunde mittels Co-Sinterung gezeigt werden. Durch Anwendung der zwei Prozessvarianten 2K-Spritzgießen und Folienhinterspritzen war es möglich Probekörper und Testbauteile, jeweils bestehend aus metallischer und keramischer Komponente, herzustellen. Mit Hilfe der Computertomographie konnten Defekte im makroskopischen Grün- und Sinterkörper nachgewiesen werden. Spannungsverhältnisse im Grünkörper konnten durch Spannungsrissinitiierung (Aceton) sichtbar gemacht werden. Statistisch abgesicherte Verbundfestigkeiten konnten an Mikrozugproben bestimmt werden. Dabei wurden Werte von bis zu 53 MPa für das System 17-4PH/YPSZ und bis zu 136 MPa für das modifizierte System 17-4PH+Ti/YPSZ gemessen. Das Vorhandensein einer stofflichen Bindung zwischen metallischer und keramischer Komponente konnte durch röntgenographische Methoden (EDX) nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der vorgestellten Untersuchungen an mikroskopischen Probekörpern werden auf makroskopische Verhältnisse und andere Stoffsysteme übertragen.
5
Danksagung
Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des 2-K-Spritzgießens von Stahl-Keramik-Verbunden mit dem Fraunhofer IFAM, insbesondere mit Herrn Dr. Hartwig wird dankend hervorgehoben. Die Ergebnisse dieses Beitrages sind Teil des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWi) geförderten Projektes GreenTaPIM (IN 5060) sowie des EU-Strep Projektes CarCIM (Reference nr. 031462).
512
6 [1] [2] [3] [4]
Literatur Zhu J.C., Yin Z.D., Lai Z.H., Fabrication and microstructure of ZrO2-Ni functional gradient material by powder metallurgy, Journal of Materials Science 31 (1996) 5829–5834. Finnis M.W., The Theory of Metal-Ceramic Interfaces, J. Phys.: Condens. Matter 8 (1996) 5811–5836. Willmann G., Wielage B., Keramik/Metall Füge- und Verbindungstechnik, in Technische Keramik, Vulkanverlag Essen, 1. Ausgabe (1988) 136–181. Baumann A., Moritz T., Lenk R., Haftfester Metall-Keramik-Verbund und Verfahren zu seiner Herstellung, Patentschrift WO 2008/071720 A1, Anmeldetag 13.12.2006.
513
Diamantverschleiß bei der Schleifbearbeitung von StahlKeramik-Werkstoffverbunden Berend Denkena, Niklas Kramer Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW), Leibniz Universität Hannover, Hannover
1
Einleitung
Der Wunsch, die Leistungsdichte von Bauteilen weiter zu erhöhen und die Bauteileigenschaften zu verbessern, wird heute häufig durch lokal optimierte Materialeigenschaften erfüllt [1]. Das kann entweder durch eine lokale Materialbehandlung oder durch Fügen von mehreren Materialien in einem Bauteil geschehen [2]. Sobald zwei Materialien oder Bereiche mit verschiedenen Materialeigenschaften eine gemeinsame Funktionsfläche bilden, wird die Bearbeitung von Materialverbunden notwendig. In dieser Veröffentlichung wird die Schleifbearbeitung von Keramik-Stahl-Verbunden behandelt. Das Schleifen dieser Werkstoffverbunde ist eine Bearbeitung, bei der in Abhängigkeit der individuellen Bauteilgeometrie beide Materialien gleichzeitig oder abwechselnd von einem Werkzeug bearbeitet werden. Der Werkstoffverbund weist stark unterschiedliche mechanische Eigenschaften wie z.B. E-Modul, Härte, thermischer Ausdehnungskoeffizient oder Wärmeleitung auf. Unterschiedliche Materialien führen zu unterschiedlichen Trennmechanismen, welche wiederum starken Einfluss auf den Werkzeugverschleiß, Bearbeitungskräfte und Oberflächenqualität haben [3, 4]. Dies führt im Allgemeinen zu geringerer Produktivität und erhöhten Kosten. Darüber hinaus ist Werkzeugverschleiß auch bezüglich der geometrischen Bauteilqualität ein kritischer Faktor [5]. Genauigkeit und Oberflächenqualität werden durch wechselnde Schleifkräfte, temperaturbedingte Verzüge sowie unterschiedliche Bauteildehnungen negativ beeinflusst [6]. Diesen Herausforderungen müssen alle spanenden Prozesse zur Bearbeitung von Materialverbunden begegnen. In experimentellen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Verbundbearbeitung in Abhängigkeit der Verbundgeometrie bzw. der Bearbeitungsstrategie Verschleißmechanismen hervorruft, die sich gänzlich von denen unterscheiden, welche bei der Bearbeitung nur eines der beiden Werkstoffe auftreten [3, 7]. Auch wenn der makroskopische Verschleiß minimal ist, es also nicht zu einer Durchmesserveränderung der Schleifwerkzeuge kommt, bildet sich bei jedem Werkstoffübergang eine materialspezifische Topographie der Schleifscheibe aus. Dies kann anhand der beobachteten Schleifkräfte nachgewiesen werden [3]. Um eine Prozessauslegung zu ermöglichen, die sowohl eine homogene, werkstoffübergreifende Qualität am Bauteil sicherstellt als auch eine Prozessstabilität über den Werkzeugeinsatz hinweg gewährleistet, müssen die verschleißbedingten Topographieänderungen ermittelt und charakterisiert werden, so dass eine Ursachenanalyse möglich ist. Dazu wurden Schleifversuche unter Variation der verwendeten Diamantkorntypen sowie unterschiedlicher Werkstoffverbundgeometrien durchgeführt [8]. Diese Versuche entsprechen einer Bearbeitungsstrategie mit möglichst wenigen bzw. mit möglichst häufigen Werkstoffübergängen. Die Bearbeitung von Stahl führt zur Zusetzungen der Schleifscheibentopographie, während eine Keramikbearbeitung aufgrund der abrasiven Partikel eine Art Reinigung der Poren bedingt. Folgt die Bearbeitung
514 der beiden Materialien in dichter Folge aufeinander, können sich diese Effekte partiell kompensieren, es kommt jedoch zu instationären Bearbeitungskräften. Liegen die Materialübergänge weit entfernt, kommt es zu starken Zusetzungen, die dann während der Keramikbearbeitung hohe Normalkräfte bedingen und zum Zusammenbruch der keramischen Werkzeugbindung führen. Grundsätzlich zeigen offenporige Schleifscheiben mit keramischer Bindung, hoher Härte und regelmäßigen Diamantkristallen ein verbessertes Leistungsverhalten als Werkzeuge, die über splitterfreudige, stark selbstschärfende Schneidkörnungen verfügen [8]. Die Ursachen für das deutlich gesteigerte Leistungsvermögen von schlagzähen, kristallförmigen Diamanten gegenüber splitterfreudigen, scharfkantigen Schleifkörnungen konnten in den bisherigen Untersuchungen jedoch nicht direkt beobachtet werden. Daher werden in dieser Arbeit einzelne Schleifkörner der verschiedenen Diamantsorten charakterisiert und in Längsritzversuchen an den Materialien Stahl, Keramik und Stahl-Keramik-Verbund eingesetzt, um das diamantspezifische Verschleißverhalten beobachten zu können.
2
Untersuchung des Diamantverschleißes bei der Stahl-, Keramikund Verbundbearbeitung
2.1
Längsritzen als Analogieprozess zum Umfangsflachschleifen
Bei den Verschleißuntersuchungen mit keramisch gebundenen Diamantschleifwerkzeugen wurden die in Tab. 1 gezeigten Stellgrößen verwendet. Tabelle 1: Werkzeugspezifikation und Prozessstellgrößen beim Schleifen der Stahl-KeramikVerbunde
Werkzeug
Prozess
Korngröße
dg
91 μm
Schnittgeschw.
Konzentration
C
100
Vorschubgeschw.
Durchmesser
ds
80 mm
Arbeitseingriff
Korntyp
MBG600 / MBG620 / RVG
vc vft ae
30 m/s 1200 mm/min 25 μm
Hieraus wird nach Tönshoff und Denkena die kinematische Kontaktlänge zu lk = 1414 μm und die mittlere Einzelkornspanungsdicke zu hcu = 0,9 μm bestimmt [9]. Bei einem bezogenem Zerspanvolumen von Vwc = 250 mm³/mm, welches hier eine Schleiflänge von ls = 10 m bedingt, ergibt sich ein kumulierter Schnittweg von lc = 84,4 m nach Gl. 1.
lc = lk
ls vc v ft πds
(1)
Für die Versuche werden die Ritzstifte auf einer gewuchteten Scheibe mir Durchmesser ds = 407 mm eingesetzt. Die Spanungsdicke beim Einkornlängsritzen berechnet sich nach Kassen [10]. Durch Übernahme der Prozessstellgrößen beim Schleifen und Berücksichtigung der
515 veränderten Schneidenanzahl und des vergrößerten Scheibendurchmessers wird für eine identische Spanungsdicke hcu beim Längsritzen die Vorschubgeschwindigkeit vft = 81,2 mm/min berechnet.
2.2
Untersuchte Stellgrößenvariation
In den Ritzuntersuchungen werden die folgenden Stellgrößen variiert und untersucht (Tab. 2). Tabelle 2: Experimentell untersuchte Stellgrößenvariation Stellgröße Schnittgeschwindigkeit
vc
20 / 30 / 40 m/s
Einzelkornspanungsdicke
hc,max
0,45 / 0,90 μm
Material
Stahl / Keramik / Verbund (Übergang alle 10 mm)
Korntyp
D91 MBG600 / MBG620 / RVG
2.3
Herstellung und Charakterisierung der Ritzwerkzeuge
Die untersuchten Diamanten unterscheiden sich durch ihre Kristallform und Schlagzähigkeit sowie thermische Stabilität. Um den Diamanten identische Eigenschaften zu verleihen, wie sie in einem Schleifwerkzeug vorliegen, werden die Diamanten mit einer keramischen Bindungsmischung vermengt und bei üblichen Temperaturen gebrannt. Im Anschluss folgt eine chemische Auflösung der Bindungsmatrix, so dass wieder einzelne Diamantkörner vorliegen. Diese werden auf metallenen Stiften platziert, in die mittels Lasertechnologie minimale Vertiefungen eingebracht wurden, und anschließend mit einem Aktivlot fixiert. Die Ritzwerkzeuge werden im Rasterelektronenmikroskop aufgenommen. Diese Aufnahmen werden sowohl vor als auch nach dem Einsatz mit festgelegter Orientierung angefertigt (Bild 1). Anhand der REM-Aufnahmen wird der Versagensmechanismus der einzelnen Ritzstifte charakterisiert. Aus den Aufnahmen geht deutlich hervor, ob die Diamanten leichte thermisch/abrasive Anflachungen zeigen (Bild 1, oben rechts) oder komplett thermisch verschlissen sind. Zudem sind anhaftende Stahlspäne zu erkennen. Bei mechanischer Überlast kommt es zu Absplitterungen an den Schneiden (Bild 1, unten rechts) bzw. zur vollständigen Zersplitterung des Diamanten. Anhand dieser Einteilung wird der Verschleiß aller Versuchsreihen klassifiziert.
516
Bild 1: REM-Aufnahmen der Diamanten vor und nach der Bearbeitung
3
Experimentelle Ergebnisse und Schlussfolgerung
3.1
Stahlbearbeitung
Bei der Bearbeitung von Stahl und Keramik kommt es zu vollkommen unterschiedlichen Verschleißmechanismen, wie bereits Bild 1 zeigt. Bei der Stahlbearbeitung findet plastischer Materialabtrag statt, so dass hohe Temperaturen gepaart mit der Kohlenstoffaffinität des Stahls zu einem thermischen Verschleiß des Diamanten führen. Bei der Keramikbearbeitung dagegen führt die hohe Härte des Materials zu einer Zerrüttung der Diamanten, so dass diese gesplitterte Schneiden aufweisen oder sogar vollständig zersplittern. Dieses Verhalten ist für die Diamantsorten MBG600 und MBG620 gleichermaßen zu beobachten, wohingegen die splitterfreudige Diamantsorte RVG auch bei der Stahlbearbeitung zersplittert (Bild 2). Es ist deutlich zu erkennen, dass der Schneidstoff MBG600 über eine hohe Kristallförmigkeit verfügt. Bei der Bearbeitung tritt thermisch/abrasiv induzierter Verschleiß auf, der eine gut sichtbare Anflachung bedingt. Der RVG-Diamantkristall ist in seinem Ausgangszustand bereits sehr unregelmäßig, so dass hier wahrscheinlich kein einheitliches Kristallgitter vorliegt. An den Kristallgrenzen innerhalb des Schleifkorns ist daher mit einer höheren Versagenswahrscheinlichkeit zu rechnen, so dass es zu Splitterungen kommt. Diese sollen im Normalfall einen gewünschten Selbstschärfeffekt hervorrufen. Hier kommt es jedoch zur vollständigen Zerrütung des Diamanten. Im Anschluss an die Bearbeitung sind nur noch gesplitterte Fragmente des Schleifkorns in der Metallbindung erkennbar (Bild 2).
517
Bild 2: Verschleißverhalten von MBG600 und RVG bei der Stahlbearbeitung im Vergleich
Der Einfluss der Einzelkornspanungsdicke auf den Verschleißfortschritt zeigt sich bei der Stahlbearbeitung gering (Bild 1, oben und Bild 2, oben). Gleiches gilt für den Vergleich der Schnittgeschwindigkeiten vc = 20 und vc = 40 m/s. In allen betrachteten Fällen führen die hohen Temperaturen zu tribochemischem Verschleiß, der eine Anflachung des Schleifkorns bedingt. Anhand der gewählten Parameter kann jedoch kein unterschiedlich ausgeprägter Verschleißfortschritt festgestellt werden.
3.2
Keramikbearbeitung
Die Bearbeitung der Keramik bedingt grundsätzlich ein ähnliches Verschleißverhalten der Diamantkorntypen. Während die MBG-Körnungen Absplitterungen aufweisen, kommt es bei Verwendung von RVG-Kristallen zur vollständigen Zersplitterung des Schleifkorns. Aufgrund der splitternden Diamanten ist die Ausprägung der Splitterung und damit des Versagens maßgeblich von der Kristallgüte und der Kristallform abhängig, so dass keine Zusammenhänge zwischen gewählter Schnittgeschwindigkeit oder Einzelkornspanungsdicke sichtbar sind.
3.2
Stahl-Keramik-Verbundbearbeitung
Bei der Bearbeitung von Verbunden aus Stahl-Keramik tritt das Schleifkorn nach einer Schleiflänge von ls = 10 mm in den jeweils anderen Werkstoff ein. Dies führt abwechselnd zu den oben beschriebenen Verschleißphänomenen die sich wechselseitig beeinflussen. Eine thermisch bedingte Anflachung während der Stahlbearbeitung führt beim Eintritt in die Keramik zu einem Schleifkorn mit stark negativem Spanwinkel und großer Kontaktfläche. Aufgrund der
518 hohen Härte der Keramik entstehen hohe Flächenpressungen und starke Reibkräfte. Die Scherbelastung innerhalb des Diamanten begünstigt die Splitterung, so dass dieser Verschleiß beschleunigt wird.
Bild 3: Verschleißverhalten bei der Verbundbearbeitung in Abhängigkeit des Diamantkorntyps
In Bild 3 ist am MBG-Korn zu sehen, dass die Kombination der abrasiven Beanspruchung während der Keramikbearbeitung mit der thermischen, tribochemischen Belastung während der Stahlbearbeitung das gesamte Korn angreift. Die an den Kornflanken beobachteten Angriffen sind bei keinem Versuchsdurchgang, bei dem ausschließlich Stahl oder Keramik bearbeitet wurde, zu beobachten. Diese Aufrauhung der Oberfläche begünstigt zudem das Anhaften von Stahlspänen. Mehrere Stifte mit den Korntypen MBG600 oder MBG620 zeigen nach dem Versuchsdurchgang anhaftende Stahlablagerungen. Die RVG-Körner versagen bei der Verbundbearbeitung, das sie vollständig zersplittern (Bild 3, unten). Fragmente des zerstörten Schleifkorns drücken sich in den Ritzstift ein und vermengen sich dort mit den anhaftenden Stahlspänen bzw. dem durch Reibung plastisch verformten Grundkörper des Ritzstiftes. Während bei Stahl- oder Keramikbearbeitung die Schneide absplitterte, der Rumpf des Diamanten jedoch sichtbar blieb (Bild 1), kommt es bei der Verbundbearbeitung zur vollständigen Auflösung des Schleifkorns (Bild 3).
4
Zusammenfassung
Die Ritzuntersuchungen bieten die Möglichkeit, den kornspezifischen Verschleiß zu beobachten und zu charakterisieren. Schlagzähe, kristallförmige Diamanten zeigen bei der Stahlbearbeitung thermisch/abrasive Anflachungen, während es bei der Keramikbearbeitung zu gesplitterten Schneiden kommt. Die splitterfreudigen Diamanten vom Typ RVG versagen: Es kommt bei
519 Stahl- und Keramikbearbeitung zu zersplitterten Schleifkörnern. Die Verbundbearbeitung erhöht die Werkzeugbelastung, da sowohl tribochemische als auch starke mechanische Beanspruchungen vorliegen, die sich gegenseitig verstärken. Das Verhalten der Einkornritzdiamanten korreliert sehr gut mit den eingangs erwähnten Schleifuntersuchungen und erklärt das dort beobachtete Verschleißverhalten. Splitterfreudige Diamantkorntypen zerrüten schneller und bieten verstärkt Angriffspunkte für Zusetzungen, so dass die kristallförmigen, schlagzähen Diamanttypen ein gesteigertes Potential zeigen. Bei der Verbundbearbeitung ist die thermische Belastung während der Stahlbearbeitung prozess-seitig zu kontrollieren. Die während der Stahlbearbeitung abstumpfenden Schneiden führen beim Keramikschleifen zu hohen Prozesskräften und verstärktem Versagen der Diamanten durch Splitterung. Dies bedingt ein stark instationäres Prozessverhalten bei der Verbundbearbeitung.
5 [1] [2] [3]
Literatur
H. Cartsburg, O. Maus, VDI Fortschrittsberichte. 1992, 5/254, 63–78. T. A. Deißer, Berichte aus dem IW, 2006, 4. B. Denkena, N. Kramer, B.-A. Behrens, M. Bistron, Fr.-W. Bach, K. Möhwald, T. A. Deißer, Proceedings 4th International Conference and Exhibition on Design and Production of Machines and Dies/Molds, 21-23 Juni, 2007, 289–297. [4] D. Boehnke, Berichte aus dem IFW, 2007, 7. [5] B. Denkena, M. Reichstein, A. Karyazin, Production Engineering, 2005, XII/1, 41–44. [6] B. Denkena, N. Kramer, wt werkstattstechnik online, 2008, 98/6, 437–445. [7] H. B. Dyer, IDR – Industrial Diamond Review, 1970, 30, 2–26. [8] B. Denkena, N. Kramer, Proceedings Friction, Wear & Wear Protection, 9-11 April, 2008. [9] H. K. Tönshoff, B. Denkena, Spanen, 2. Aufl., Springer, Berlin, 2004. [10] G. Kassen, Dissertation der RWTH Aachen, 1969.
520
Hot Extrusion of Fe-Base MMC: A Novel Method for Producing Wear Resistant Thick Coatings S. Weber1,2, A. Röttger2, P. Silva3, M. Karlsohn4, W. Theisen2, W. Reimers5, A. Pyzalla1 1
Helmholtz-Zentrum Berlin, D-14109 Berlin
2 Ruhr-Universität
Bochum, D-40780 Bochum
3
Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, D-40237 Düsseldorf
4
Köppern Entwicklungsgesellschaft mbH, D-45529 Hattingen
5 Technische-Universität
1
Berlin, D-10587 Berlin
Abstract
Within a joint research project of TU-Berlin, Ruhr-Universität Bochum and the Max-Planck-Institut für Eisenforschung, financed by the German Research Foundation, a novel method for the production of thick wear resistant coatings on steel substrates by hot extrusion was developed in recent years. The coating materials are metal matrix composites, consisting of a mixture of powder metallurgical tool steels and additional hard particles, which can be tailored to the respective abrasive environment. For obtaining a coating, a massive steel bar is inserted into a capsule and the retained cavity filled with the powder mixture. The hot extrusion of these massive and powdery materials leads to a complete densification and the formation of a tough substrate coated with a thick wear resistant layer. The scope of this contribution is to provide an overview of the process and its development as well as to sum up the most important results.
2
Kurzfassung
Im Rahmen eines gemeinsamen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschungsprojektes der TU-Berlin, der Ruhr-Universität Bochum und des Max-Planck-Institutes für Eisenforschung GmbH wurde in den vergangenen Jahren ein neuartiges Verfahren zur Erzeugung dicker verschleißbeständiger Schichten auf Substraten aus Stahl mittels direktem Warmstrangpressen entwickelt. Bei den Schichtwerkstoffen handelt es sich um Metall-MatrixVerbundwerkstoffe (MMC), die sich aus einer Mischung aus pulvermetallurgisch erzeugtem Werkzeugstahl mit karbidischen groben Hartstoffen zusammensetzt und den verschleißtechnischen Anforderungen angepasst werden kann. Um eine verschleißbeständige Schicht zu erhalten wird ein massiver Stahlkern in eine dickwandige Kapsel zentrisch eingesetzt und der verbleibende Hohlraum mit der Pulvermischung gefüllt. Das Warmstrangpressen dieser Kombination eines massiven und eines pulverförmigen Werkstoffes führt zu einer vollständigen Verdichtung und Anbindung des verschleißbeständigen Schichtmaterials an den Grundwerkstoff. Hier soll ein Überblick des Prozesses und seiner Entwicklung gegeben werden um abschließend die wichtigsten Ergebnisse und Eigenschaften darzustellen.
521
3
Einleitung
Unterliegen Bauteile überwiegend einer abrasiven Verschleißbeanspruchung, so werden als bewährte, verschleißbeständige Werkstoffe die weißen Gusseisen, Werkzeugstähle oder auftraggeschweißte Hartlegierungen verwendet. Diese Werkstoffe zeichnen sich bedingt durch ihre chemische Zusammensetzung mit hohen Gehalten an Kohlenstoff sowie Chrom, Molybdän, Vanadium oder Wolfram unter anderem durch aus der Schmelze ausgeschiedene, harte Karbide aus [1]. Diese Karbide behindern das Furchen der Werkstoffe durch angreifende, abrasiv wirkende Partikel und erhöhen somit ihren Verschleißwiderstand. Einen zusätzlichen Einfluss üben die Art der Hartphasen sowie das Gefüge der sie umgebenden metallischen Matrix aus [2,3]. In bestimmten Anwendungsfällen stoßen diese Materialien jedoch an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. So ist die Ausbildung ihres Gefüges im Wesentlichen von der chemischen Zusammensetzung sowie den Erstarrungs- und Wärmebehandlungsparametern abhängig. Eine größere Flexibilität im Gefügedesign und somit eine beanspruchungsgerechte Werkstoffanpassung bietet die Verwendung der Pulvermetallurgie (PM), da sowohl die Metallmatrix als auch die Art und die Menge der zugesetzten Hartstoffe nahezu frei gewählt werden können. Durch eine geeignete Kombination einer metallischen Matrix auf Eisenbasis mit karbidischen Hartstoffen lassen sich über die PM-Route Werkstoffe fertigen, die einen signifikant höheren Verschleißwiderstand als konventionelle, schmelzmetallurgisch gefertigte Materialien aufweisen [4]. Das übliche Verfahren zur Herstellung dieser verschleißbeständigen MMC mit einer Matrix auf Eisenbasis ist das Heiß-Isostatische Pressen (HIP), mit dem sich sowohl Halbzeuge, als auch Beschichtungen herstellen lassen. Der letztere Prozess wird als HIP-Cladding bezeichnet und setzt das Umschließen des zu beschichtenden Grundkörpers mit einer gasdichten Kapsel voraus, die mit dem schichtbildenden Pulver gefüllt wird. Das Verdichten des Pulvers und seine Anbindung an den Grundkörper erfolgen im Temperaturbereich von 1100 bis 1200 °C bei Drücken von 100 bis 200 MPa. Die endkonturnahe Fertigung der Kapsel stellt hohe Anforderungen an die Güte der Schweißverbindungen, die in der HIP-Anlage nicht aufreißen dürfen, und ist zudem mit hohen Kosten verbunden. Dies stellte die Ausgangsbasis für die Entwicklung alternativer Herstellungs- und Beschichtungsverfahren für verschleißbeständige MMC auf Eisenbasis dar. In [5] konnte gezeigt werden, dass es auch mittels Warmstrangpressen möglich ist, Halbzeuge aus verschleißbeständigen MMC zu erzeugen, die sich im Gefüge sowie deren Eigenschaften nur unwesentlich von vergleichbaren HIP-Materialien unterscheiden. Dazu wurden dickwandige Kapseln mit Mischungen aus Warm- oder Kaltarbeitspulver und unterschiedlichen Hartstoffen gefüllt, in einem Ofen mehrere Stunden vorgewärmt und anschließend direkt zu einem Strang verpresst. Eine Weiterentwicklung dieses Prozesses ermöglicht es nun, auch verschleißbeständige dicke Schichten dieser Werkstoffe auf einen Grundwerkstoff aufzubringen [6,7,8]. Die Verfahrensschritte und die resultierenden Materialien sowie ausgewählte Eigenschaften werden nachfolgend beschrieben.
522
4
Experimentelles
4.1
Werkstoffe
Als Grundwerkstoff wurden Stangen des Warmarbeitsstahles 55NiCrMoV7 (1.2714) mit einem Durchmesser von 30 mm eingesetzt. Diese wurden in Kapseln aus X5CrNi18-10 (1.4301) mit einem Innendurchmesser von 73 mm zentrisch fixiert und der verbleibende Hohlraum mit einer Pulvermischung basierend auf Kalt- oder Warmarbeitsstahl (1.2380 oder 1.2344) gefüllt. Die Legierungszusammensetzung der verwendeten Stähle ist in Tabelle 1 aufgeführt. Die Pulvermischungen wurden durch Zugabe von monolithischen Partikeln aus Wolframschmelzkarbid (WC/W2C) oder Titankarbid (TiC) in einer Größe von 40–150 μm zu den Stahlmatrixpulvern hergestellt, wobei der Volumengehalt der zugesetzten Karbide zwischen 0 und 30 % lag. Die mit Substratwerkstoff und der Pulvermischung gefüllten Kapseln wurden verschlossen, gasdicht verschweißt, evakuiert und in einem Ofen bei 1150 °C für 2 Stunden vorgewärmt. Nach der Erwärmung erfolgte ein Wälzen in Glasmehl, das an der Oberfläche der Kapseln anhaftete und während des Pressvorganges als Schmiermittel den direkten Kontakt zwischen der Kapsel und dem Werkzeug verhinderte. Zusätzlich wurde zum Schutz der Matrize eine keramische Pressscheibe eingesetzt. Das Pressen erfolgte auf einer horizontalen 8 MN Strangpresse am Forschungszentrum Strangpressen in Berlin. Gepresst wurde in einem auf 480 °C vorgewärmtem Aufnehmer mit einem Durchmesser von 85 mm, einem Matrizendurchmesser von 35 mm und einem Pressverhältnis von 4,84:1 (d0, Kapsel = 77 mm). Die Stempelgeschwindigkeit betrug für das Verpressen der Verbunde 38 mm/s. Nach dem Abkühlen der Stränge an Luft erfolgte eine gesonderte Wärmebehandlung, um sowohl einen hohen Verschleißwiderstand als auch eine ausreichende Zähigkeit zu erzielen. Die Verbunde mit Kaltarbeitsstahl wurden von 1070 °C an Luft gehärtet und 2x für jeweils 2 h bei 520 °C angelassen. Die Verbunde mit Warmarbeitsstahl als Schichtwerkstoff wurden von 1050 °C in Öl gehärtet und 2x für jeweils 2 h bei 540 °C angelassen. Nach erfolgter Wärmebehandlung wurde das Kapselmaterial spanabhebend entfernt. Tabelle 1: Legierungszusammensetzung des Stahles für den Grundwerkstoff sowie der PMStähle für die Matrix des Schichtwerkstoffs Bezeichnung
1.2380
Schicht
1.2344 1.2714
Grundw.
Legierungsgehalt [Ma.-%] C
Cr
Mo
V
Mn
Si
Cu
Ni
Fe
2,39
12,56
1,10
3,69
0,37
0,55
–
–
Rest
0,40
5,04
1,34
0,97
0,30
0,19
–
–
0,56
1,15
0,46
0,08
0,75
0,29
0,11
1,74
523
Abbildung 1: Prinzipskizzen der (a) mit Substratwerkstoff und Pulver gefüllten Strangpresskapsel sowie (b) des direkten Strangpressprozesses der vorgewärmten Kapseln [8].
4.2
Charakterisierung
Aus dem stranggepressten Halbzeug wurden Proben mittels Drahterodieren entnommen, um einer Rissbildung durch Trennschleifen vorzubeugen. Die Untersuchung des Gefüges erfolgte nach Schleifen auf diamantimprägnierten Scheiben, Polieren mit Diamantsuspension und Ätzen mit V2A oder HNO3. Die Verschleißraten der Schichtwerkstoffe wurden im Stift-Scheibe Versuch unter Verwendung der Abrasive SiO2 (1200 HV0,05) und Al2O3 (2100 HV0,05) jeweils mit einer Körnung von 80mesh geprüft. Die Verschleißraten W = 'm/(U · l · A) wurden aus dem Massenverlust 'm, der Dichte Uder Länge des Verschleißweges l und der scheinbaren Kontaktfläche A berechnet. Zur Untersuchung der mechanischen Eigenschaften der Grenzfläche zwischen Grund- und Schichtwerkstoff wurden Zugversuche an miniaturisierten Zugproben durchgeführt. Diese wurden ebenfalls mittels Drahterodieren radial aus den gepressten Strängen entnommen, so dass die Grenzfläche sich innerhalb der Messlänge befand. Die Prüfung erfolgte quasistatisch bei Raumtemperatur mit einer Zugprüfmaschine vom Typ Zwick-Roell Z100. Zudem wurden über die Grenzfläche hinweg Messungen der Mikrohärte (HV0,05) durchgeführt.
4.3
Diffusionsrechnungen
Unter Verwendung der kommerziellen Software Dictra 2.4 (ThermoCalc AB, Schweden) wurden am Beispiel der Werkstoffkombination 1.2714 mit 1.2380 Diffusionsrechnungen zur Elementverteilung an der Grenzfläche von Grund- und Schichtwerkstoff durchgeführt. Als Datenbasis wurden die Datenbanken TCFe4 und MOB2 verwendet. Für diese Materialkombination ist durch die stark unterschiedliche Legierungszusammensetzung von einer ausgeprägten chemischen Interdiffusion auszugehen (vgl. Tabelle 1). Relevant für die Eigenschaften der Grenzfläche ist vor allem die Kohlenstoffdiffusion, die zu einer lokalen Aufhärtung oder einem Härteverlustes führen kann.
524
5
Ergebnisse und Diskussion
5.1
Mikrostruktur
In Abbildung 2 sind ausgewählte Gefügebilder der gepressten Verbunde dargestellt. Abbildung 2a zeigt die Grenzfläche eines Verbundes bestehend aus 1.2714 mit einem PM-Stahl 1.2380 ohne zusätzliche Hartstoffzugabe, während in Abbildung 2b eine vergleichbare Werkstoffkombination jedoch unter Zugabe von 10 Vol.-% WC/W2C zur Schicht abgebildet ist. In beiden Fällen wird der zuvor pulverförmige Schichtwerkstoff vollständig verdichtet und defektfrei an den Grundwerkstoff angebunden. Im Falle des Schichtwerkstoffes mit zusätzlichen Hartphasen (Abb. 2b) ist zu erkennen, dass sich um jedes der Partikel aus WC/W2C ein heller Saum bildet. Dieser lässt sich röntgenografisch als Karbidsaum vom Typ M6C bestimmen, wobei die metallische Komponente überwiegend aus Fe, W und Mo besteht. Auch andersartige karbidische Hartstoffe lassen sich über den Strangpressprozess in eine Werkzeugstahlmatrix einbinden. In Abbildung 2c ist das Gefüge eines Schichtwerkstoffes aus 1.2380 mit der Zugabe von 10 Vol.-% agglomeriertem TiC (Korngröße 40–100 μm) dargestellt. Aufgrund der Agglomeratstruktur neigen die Hartpartikel bei der Präparation zu Ausbrüchen, ansonsten kann auch dieses Material durch das Warmstrangpressen vollständig verdichtet werden. Verbunde mit anderen Werkstoffen für die Matrix der Schicht können ebenfalls in hoher Qualität hergestellt werden (Abb. 2d) und auch die Darstellung einer korrosionsbeständigen Beschichtung aus einem pulverförmigen Ausgangsmaterial ist denkbar.
Abbildung 2: Gefügebilder stranggepresster Verbunde mit verschiedenen Schichtwerkstoffen: a) Grenzfläche zwischen 1.2714 und 1.2380, b) Grenzfläche zwischen 1.2714 und 1.2380 + 10 % WSC, c) Gefüge der Schicht aus 1.2380 + 10 % TiC, d) Grenzfläche zwischen 1.2714 und 1.2344 + 10 % WSC
525 5.2
Diffusionsrechnungen
Die Diffusionsrechnungen am Beispiel des Verbundes aus 1.2714 und 1.2380 zeigen, dass unter anderem eine up-hill Diffusion des Kohlenstoffs entgegen des Konzentrationsgradienten (vgl. Tabelle 1) vom Grund- in den Schichtwerkstoff stattfindet. Dies ist auf die, vor allem durch Ni hervorgerufene, höhere C-Aktvität in 1.2714 bei der Prozesstemperatur von 1150 °C zurückzuführen. Die Hauptlegierungselemente der beteiligten Stähle weisen an der Grenzfläche typische Interdiffusionsprofile auf, die mittels Mikrosondenmessungen (EPMA) nachgewiesen wurden und gut mit den berechneten Profilen übereinstimmen.
5.3
Mechanische Eigenschaften
Die Ergebnisse der Zugversuche zeigen, dass durch den Strangpressprozess eine gute Anbindung zwischen Grund- und Schichtwerkstoff hergestellt wird. Dies äußert sich darin, dass Verbunde aus 1.2714 und 1.2380 nach Überschreiten der Streckgrenze des Warmarbeitsstahl (810 ± 140 Mpa) eine plastische Dehnung von mehreren Prozent aufweisen, bis ein Versagen eintritt. Der Bruchverlauf folgt nicht der Grenzfläche, sondern liegt innerhalb des Schichtwerkstoffes in einem Bereich, für den mittels Mikrohärtemessungen eine deutliche Aufhärtung gemessen wurde. Für den Schichtwerkstoff 1.2380 ohne Hartstoffzugabe erfolgt eine Aufhärtung in der Nähe der Grenzfläche um 80 HV0,05, was auf die Kohlenstoffdiffusion aus dem Grundwerkstoff in den Schichtwerkstoff zurückzuführen ist und die Ergebnisse der Dictra-Berechnungen bestätigt.
5.4
Verschleißraten
In Tabelle 2 sind die abrasiven Verschleißraten stranggepresster MMC-Schichtwerkstoffe gegen Al2O3 und SiO2 aufgeführt. Tabelle 2: Verschleißraten der Schichtwerkstoffe stranggepresster Verbunde gegen Al2O3 und SiO2 geprüft im Stift-Scheibe Versuch (Probenentnahme radial zur Längachse der Stränge) [8] Verschleißrate gegen Schichtwerkstoff
Al2O3 (80 mesh)
SiO2 (80 mesh)
1.2380
3.48 · 10–5
2.26 · 10–5
1.2380 + 10 Vol.-% WC/W2C
1.22 · 10–5
5.40 · 10–6
1.2380 + 30 Vol.-% WC/W2C
3.72 · 10–6
3.92 · 10–7
1.2380 + 10 Vol.-% TiC
2.69 · 10–5
2.01 · 10–5
1.2380 + 30 Vol.-% TiC
2.64 ·
10–5
1.40 · 10–5
1.2344
4.20 · 10–5
3.04 · 10–5
1.2344 + 10 Vol.-% WC/W2C
2.34 · 10–5
1.58 · 10–5
526 Bedingt durch die Unterschiede in der Abrasivhärte sind die Verschleißraten gegen SiO2 immer geringer als gegen das härtere Al2O3. Betrachtet man lediglich den Verschleiß gegen SiO2, so ist zu erkennen, dass in allen Fällen durch die Zugabe von groben Hartpartikeln aus WC/ W2C oder TiC die Verschleißrate abnimmt.Vor allem die Verschleißrate des Kaltarbeitsstahles 1.2380 nimmt durch die Zugabe von WC/W2C deutlich ab, während dieser Einfluss auf 1.2344 geringer ist. Im Vergleich zu WC/W2C ist der Einfluss von TiC gering, was sich an der vergleichsweise hohen Verschleißrate des Materials mit 30 Vol.-% TiC zeigt. Dieses Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei den TiC-Hartpartikeln um Agglomerate handelt (vgl. Abb. 2c), die bei Furchungsverschleiß zum Ausbrechen neigen. Im Unterschied zu den monolithischen Partikeln aus WC/W2C kann ihre hohe Härte somit nicht für eine entsprechende Absenkung der Verschleißrate genutzt werden.
6
Zusammenfassung
Es konnten Fe-Basis Verbundwerkstoffe aus verschleißbeständigen Schichten und niedrig-legierten zähen Substraten durch Warmstrangpressen hergestellt werden. Die Verdichtung und Anbindung der zuvor pulverförmigen Schicht erfolgt defektfrei. Durch begleitende Berechnungen konnte die Gefügeausbildung an der Grenzfläche zwischen Schicht und Substrat im Detail verstanden werden. Der Verschleißwiderstand der resultierenden Schichten wird durch Hartstoffzugaben erhöht, in besonderem Maße durch die Zugabe von Partikeln aus WC/W2C.
7
Danksagung
Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des Forschungsvorhabens “Strangpressen von Pulverkapseln mit Hartphasen/Metallmatrix-Verbunden auf Fe-Basis” (DFG Projektnummern TH531/3-1 & 2 sowie RE688/5818.2). Herrn Dr. K. Müller vom Forschungszentrum Strangpressen in Berlin sei für die Durchführung aller Strangpressversuche gedankt.
8 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
Literatur H. Berns, Stahl u. Eisen 1985, 105, 813. W. Theisen, Gefügebestandteile und –arten von Hartlegierungen in H. Berns (Hrsg.) Hartlegierungen und Hartverbundwerkstoffe, Springer Verlag, Berlin 1998. H. Berns, B. Wewers, Wear, 2001, 251, 1386. W. Theisen, A. Packeisen, Mat.-wiss. und Werkstofftechnik, 2004, 35, 736. M. Karlsohn, W. Theisen, Mat.-wiss. und Werkstoffechn., 2007, 38, 453. P.A. Silva, S. Weber, A. Röttger, W. Theisen, W. Reimers, A. Pyzalla, International Symposium on Friction, Wear and Wear Protection, 9-11th April 2008, Aachen, Germany. Patent DE 10 2007 005 394, Verfahren zur Herstellung beschichteter Verschleißteile mit Hartstoff-Metallmatrix-Verbunden auf Fe-, Ni- und Co-Basis durch Strangpressen, 2007. M. Karlsohn, Fortschr.-Ber. VDI, Reihe 5, Nr. 733, VDI-Verlag, Düsseldorf, 2008.
527
Interface of Steel Inserts in Al-Si Alloy Castings K.Zimnik1, M.Schöbel1, B.Reitinger2, H.P.Degischer1, U.Noster3 1 Inst.f.Werkstoffwissenschaft 2
und Werkstofftechnologie, Techn.Universität Wien,
Upper Austrian Research GmbH., 3ARC Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen GmbH
Keywords: Al-Si alloy, microstructures, solidification, shrink fit, bonding
1
Introduction
Aluminium silicon alloys are well established for casting processes. Inserts of steel or cast iron provide locally increased strength and wear resistance [1, 2]. The relatively high melting temperature of iron base alloys allows to place iron parts into moulds to be surrounded by the liquid Al-melt, which solidifies embedding the insert. The linear coefficient of thermal expansion (CTE) of Fe is roughly half of that of Al ('CTE > 12 ppm/K) during solidification Al-alloys shrink by about 6 vol %, but the yield strength is so low just below the solidification temperature that plastic deformation will occur around an insert. Assuming that elastic stresses can build up below 275 °C, the misfit volume between Fe and Al amounts to about 1 vol%. The corresponding linear length change surpasses the elastic range. Assuming that the iron insert is tightly embedded into the Al alloy after casting, the shrinkage difference accumulating during cooling causes elastic and plastic straining of the Al alloy surrounding the insert. The elastic stresses building up depend on the yield strength of the alloy. An Al-Si alloy consists of D-Aldendrites and the lamellar AlSi12 eutectic in the interdendritic regions. Mg additions allow precipitation hardening of the D-Al [3]. The room temperature yield strength of pure Al is around 50 MPa, that of the AlSi12 eutectic around 150 MPa and after precipitation hardening > 200 MPa. Thus a deformation of 0.3 % causes different degrees of plastic deformation within the phases of the Al alloy equilibrating the stress around the insert. The micro-structure of the Al-casting has to be determined to estimate the stress of the shrink fit.
2
Description of the Methodology
2.1
Materials
Samples of Al (99.8 %), AlSi7 and AlSi7Mg0.3 with steel inserts were produced using low pressure gravity and squeeze casting processes by LKR Ranshofen, Austria. Different shapes of steel inserts were used: rings, rods, cubes, and tubes. Step samples (Fig.1a) contain of S355 steel inserts without surface coating with outer diameter of 20 mm, inner diameter of 10 mm. Compound samples with AlSi7Mg alloy have been manufactured by low pressure die casting with 720 °C melt temperature. A demo prototype sample has been designed to demonstrate the potential of steel-aluminium composite casting [4, 5] produced by squeeze casting. It joins two inserts made from steel C45E by an AlSi7Mg cast node. It was designed to withstand axial and torsional loading by force and
528
Fig. 1: View of compound castings: a) low pressure die casting with different step heights (10, 15, 20, 25 mm) with steel ring inserts and mounted thermocouples; b) Exploded drawing of the squeeze cast demo prototype with a pair of inserts of shaped steel tubes [5].
form lock. Fig.1b shows an exploded drawing of the demo prototype. The geometry of the steel insert is based on a tube with outer diameter of 26 mm and 3 mm wall thickness. The cross section of the steel insert smoothly varies along the axial direction from a circle to a triagonal profile and widens again to a circle. The spacer ring has no mechanical function - it merely keeps the melt from flowing into the steel inserts. The demo prototype was quenched in water directly after the casting process. Some samples were aged at 250 °C/5 h or 160 °C/2.5 h. The casting basically shrinks on to the steel inserts. Rods and cubic steel inserts were used for the gravity die casting. The rod insert (S235, 10 mm diameter) was surrounded by AlSi7 at different casting temperature (700 °C or 750 °C). Different surface treatments (oxidized and etched) were carried out to study the effect of interface reactions [6, 7] investigated by SEM. Steel cubes (23 mm, S235) were embedded into two different alloys: Al (99,8 %) and AlSi7Mg0.3. The mould was kept at RT or at 700 °C.
2.2
Experimental Methods
Light optical microscopy was used to characterize the micro-structure of the casting and of the interface between aluminium and steel insert. The aim of the SEM analysis was to look for the intermetallic reaction phases, porosity, cracks and the bonding between Al and steel insert. The internal stresses of the aluminium around the steel insert were measured by X-ray diffraction, where the sin²< method was used. The neutron diffraction measurements were performed at Helmholtz Zentrum Berlin [8]. The temperature dependence of the yield strength of the Al-alloy was determined by hot compression tests using a Gleeble Machine 1500. Thermal cycling experiments and push out tests were performed using slices taken from a sample with a rod insert. Pull and push out tests were performed with as cast and heat treated demo-prototype samples. The force of the bonding between steel and Al was measured by a Zwick Z050 test rig. Laser ultrasound (LUS) is a contactless, non-destructive method [9, 10] to detect very high frequency ultrasound waves generated by focusing a pulsed high energy laser with pulse times of picoseconds to nanoseconds on to the surface of a sample as shows Fig. 2. Bulk waves [11] were generated by focussing picoseconds laser pulses with energies of 5 mJ to a small spot on the inner side of the steel tube. On the opposite side (on the aluminium surface) the arriving bulk waves
529 are detected by the photorefractive detector. The interface of the sample is scanned by revolution of the sample and subsequently stepping along the X-axis.
Fig. 2: Measurement setup for non destructive Laser generated ultra sound wave detection; Laser beam scanned the inner cylinder whereas the detector canned the outside.
3
Results
3.1
Light Optical Microscopy
Gaps were observed between the Al casting and steel in most of the ring samples (Fig. 3). The shape of the gaps indicates that they were formed during solidification owing to gas entrapment. We can observe eutectic zones at the bonded interface. The secondary dendrite arms measure of about 15 μm. The changes in solidification rate are indicated by the size of the dendrite arms. Fig.3c shows the borders of the Al casting towards the gap. There, the direction of the solidification i.e. the dendrites are oriented from the bulk to the gap.
Fig.3: LOM micrographs: a, b) of the cross section at the insert in the middle of the plate’s thickness with local gaps, c) dendrites of the Al-Si casting around the gap.
530 3.2
Scanning Electron Microscopy
The samples with the steel cube insert were cut into 5 mm thick slices. The steel didn’t stick to the aluminium in some samples along the whole interface (Fig. 4a), and cracks had been formed in the Al-casting starting from the corners of the insert. Castings into a hot mould did not embed the steel insert at all. Fig.4b shows the intermetallic phases formed with pure Al at the cube insert when cast into the mould at RT. Interface reactions took place at the faces of contact between steel and Al-melt. 10μm to 50 μm islands of intermetallic phases are formed when the mould was heated [Fig. 4c). The intermetallic phase [6] grows into the steel in a columnar front. Cracks in those reaction layers were in all of the investigated samples. Some Fe got dissolved in the liquid Al, which segregated during solidification forming Al-Fe-inclusions on the Al-side [3]. The thermally induced interface shear stresses are relieved by cracks.
Fig. 4: Micrographs showing the sample with the cube insert; a) view of the cross section with cracks along the interface and radialy at the corners of pure Al cast in moulds at RT; b) intermetallic islands in AlSi7 cast into a mould at the 700 °C.
3.3
X-ray Diffraction
Fig. 5: a) Stress analysis by X-ray diffractio of the Al in the cast alloy quenched from 350 °C along a radial line from the steel interface compared with stress values measured in AlSi7 without steel insert; b) Stress change in Al and Si in AlSi7 alloy without insert after quenching from different temperatures (neutron diffraction results).
Fig. 5 shows the stress analysis of the investigated Al casting after quenching from 350 °C. Compressive stresses evolve in the Al of the Al-Si casting with increasing quenching temperature even without any steel insert. The thermal mismatch between the Al and the Si-phase caus-
531 es thermal misfit stresses as shown in Fig. 5b. Only the region close to the interface to the steel insert shows tangential tensile stresses in Fig. 5a, resulting from adding ca. 120 MPa to the level of –90 MPa compressive stress in Al.
3.4
Laser Ultrasound Tests
Fig.6 shows the LUS result for an entire 360° rotation at a certain x-value. The first arriving longitudinal bulk wave can be identified at approximately 2.2 μs. Between 170° and 250° rotation, a defect can be identified by very low signal amplitude. This defect can be interpreted as a debonding between steel and aluminium, which extends in the region 8–15 mm. Fig.6b shows the positions of the maxima, where a second defect can be seen at rotation angles between 60° and 100°.
Fig. 6: a) Ultrasonic raw data of one 360° scan. The green lines show the limits for subsequent longitudinal peak identification. b) Scan along the surface with the positions x of the maxima shown. Brighter colours indicate a later arrival of the longitudinal waves.
3.5
Mechanical Tests
Compression tests were performed after an annealing treatment at 350 °C to eliminate precipitation hardening of the AlSi7Mg0.3 alloy by overaging. The samples were heated to t350 °C then either held or cooled down to the temperature of deformation, where it was compressed. The results are presented in Fig. 7. The temperature dependence of the yield strength of AlSi7Mg0.3 approximated by the strength of 2 % true strain decreases linearly from around 180MPa at 120 °C to about 20 MPa at 500 °C. The corresponding data for pure Al are presented for comparison. Thermal cycling experiments and push out tests were executed with samples with a rod insert. Samples without evident gaps were heated to 120°C and cooled to –30 °C for 5 to 100 cycles.The resulting shear strength amounts to 50 MPa ± 15 %. The results of the push out tests of the demo prototype sample are shown in Fig. 8. The bonding between steel and Al is much stronger after heat treatment than for as cast samples. Highest strength is observed for the peak aged sample #22.
532
Fig. 7: Graph showing the stress at 0,02 true strain with the temperature for AlSi7Mg and pure Al. Linear relationship: V (2 %) = +206 MPa – 0,36 T[°C] (from RT to 525 °C),
Sample 22 52 38 43 42
Condition 165 °C / 2,5 h 250 °C / 5 h 250 °C / 5 h As cast As cast
Fig.8: Push out test of the steel tubes from the as cast and heat treated demo prototype: force versus displacement curves.
4
Discussions of Results
The Al-casting consists of D-dendrites and eutectic Al-Si12. The different secondary dendrite arm spacings (SDA) reflects the local cooling rate in the mould. Close to the mould, the SDA are much smaller, which means that solidification started from the mould. Gaps occur around
533 the insert in most of the samples, caused by a gas entrapment. There is evidence of inter dendritic shrinkage porosity at the interface. In some cases, a second solidification front starts from the cold insert. If solidification starts at the interface (in a hot mould) embedding fails due to heat transfer to the insert, remelting and a second solidification path from the mould causing significant porosity. Shrinkage strains develop not only around the steel insert, but as well in longitudinal direction causing glide and occasionally cracking. Interface reactions were observed extensively with pure Al castings, but only locally for Al-Si castings. Interface reaction zones do not improve the bonding strength due to cracks. Age hardening of the AlSi7Mg alloy improves the bonding strength due the increase in elastic shrink fitting strains. The tangential stresses around the insert could not be measured reliably (> 30 MPa tensile). There is a compressive stress background (–90 MPa) within the AlSi7 alloys due to the expansion mismatch between Al and Si ('CTE > 20 ppm/K). On top of that circumferential tensile stresses are superimposed. The cubic steel insert embedded in 20 times more Al caused at first solidification around the insert which got heated by the melt. During cooling the tensile mismatch strains produced cracks at the corners. When the solidification approaches from the mould walls it pulls the solid Al away from the insert due to the radial shrinkage (Fig. 4a).
5
Conclusions
• Embedding a steel insert into an Al-casting requires, that solidification starts at the interface. The heat balance shall keep the insert well below the solidus temperature of the alloy. No two- fold solidification process (second from the mould wall) should operate. • The interface reactions of the investigated cases showed no effect to the bonding strength tested in push out experiments. Crack initiation in the Al-Fe interface reaction zone occurs during cooling from the melt. • Bonding strength is increased by increasing the yield strength of the embedding Al alloy by age hardening. • The residual stress in Al-Si alloys cause significant compressive stress in D-Al during cooling. Circumferential tensile stresses are superimposed close (< 2 mm) to the interface with the steel insert. • LUS can be used for tubular inserts for non destructive testing of the interface quality.
6
Acknowledgements
The authors would like to thank the ARC Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen GmbH (LKR)/Austria for casting the samples. The authors are grateful to Mr. W.Fragner, Mr. Z.Khalil, Mr. R.Bitsche, Mrs. H.Knoblich and Mrs. A.Danninger for they collaboration in the preparation of this paper. The ALWS project was funded mainly by the Austrian Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung.
534
7 [1] [2]
[3] [4]
[5] [6] [7] [8] [9]
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535
Lebensdauerberechnung von walzplattierten Al-St-Werkstoffverbunden unter Berücksichtigung des Herstellprozesses H. Leitner, A. Lamik Montanuniversität Leoben
1
Einleitung
Um idealen Leichtbau zu realisieren sind in vielen Fällen unterschiedlichste Anforderungen hinsichtlich geringen Gewichtes, hoher Steifigkeit, spezieller physikalischer Eigenschaften wie z.B. der Wärmeleitfähigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Optik etc. zu erfüllen. Oftmals werden Kompromisslösungen entwickelt, da einzelne Werkstoffe diesen vielfältigen Anforderungen nicht in idealer Weise genügen. Der Einsatz von Werkstoffverbunden eröffnet hier völlig neue Gestaltungsfreiheiten für Leichtbaukonstruktionen. Eine Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Werkstoffverbunden ist die Verfügbarkeit von Auslegungsmethoden für die Bauteildimensionierung. Aussagen bezüglich der Lebensdauer und der Steifigkeit der Bauteile müssen bereits zu einem Zeitpunkt getroffen werden, in dem das Bauteil nur virtuell vorhanden ist. Klassische Lebensdauerkonzepte arbeiten auf Basis von lokalen Spannungen oder Dehnungen, welche zulässigen Werkstoffkennwerten gegenübergestellt werden. Die lokale Schwingfestigkeit im Bauteil wird durch Spannungskonzentrationen, Temperatur, Eigenspannungen, Reihenfolge der Belastung etc. beeinflusst. Im Fall von Werkstoffverbunden werden die Eigenschaften des Bauteils neben der Werkstoffpaarung selbst entscheidend durch die gewählten Fertigungsprozesse wie Walzplattieren und Tiefziehen bestimmt. Basierend auf Versuchsergebnissen und erarbeiteten Simulationsmodellen wird in diesem Beitrag ein Lebensdauerberechnungskonzept zur Dimensionierung von walzplattierten Al6016T4/DC06 Bauteilen unter Berücksichtigung der oben genannten Einflussgrößen vorgestellt.
2
Herstellprozess des Werkstoffverbundes
Die Ausgangsmaterialien des vorliegenden Werkstoffverbunds sind kaltgewalzter IF-Stahl DC06 entsprechend EN10130 mit 2,5 mm Bleckdicke und kaltgewalztes Al6016-T4 Blech mit 2 mm Dicke. Tabelle 1 zeigt die chemische Zusammensetzung der beiden Werkstoffe. Der Werkstoffverbund wurde durch Walzplattieren hergestellt. Der Druck im Walzspalt dehnt die Bleche und verursacht ein Aufbrechen der spröden Oberflächenoxidschicht. Die aufgedehnte Oberfläche der metallischen Grundwerkstoffe wird durch die Walzkräfte zusammengedrückt und verschweißt. Die Qualität der Schweißung hängt neben der Werkstoffkombination und deren Gitterstruktur entscheidend von den Fertigungsparametern wie der Dickenänderung im Walzspalt, der Prozesstemperatur und -zeit, dem Druck im Walzspalt, der Löslichkeit von Sauerstoff im Metall, der Metallreinheit und der Oberflächenpräparation ab. Die Mechanismen
536 Tabelle 1: Chemische Zusammensetzung von DC06 und Al6016-T4 (in Gewichts %) C
Si
Mn
P
S
Al
Ti
0,002
0,01
0,12
0,006
0,011
0,045
0,072
Si
Fe
Cu
Mn
Mg
Zn
Ti
1,0–1,5
0,2
0,2
0,2
0,25–0,6
0,2
0,15
DC06
Al6016-T4
des Walzplattierens werden in Bild 1 detailliert beschrieben. Untersuchungen bezüglich des Einflusses des Verformungsgrades und der Festigkeit der Verbindungsschicht des Werkstoffverbundes werden in [1,2] präsentiert.
Bild 1: Schematische Darstellung der Mechanismen von Walzplattieren
Um Diffusionsvorgänge zu erleichtern, wird der Werkstoffverbund nach dem Walzen einem abschließendem Lösungsglühen (LG) bei 540 °C unterworfen, wodurch die Haftfähigkeit der Verbindungsschicht erhöht wird [3]. In den Versuchen zeigte sich, dass für den untersuchten Werkstoffverbund Al6016-T4/DC06 eine Dickenreduktion durch den Walzprozess, dem sogenannten Verformungsgrad (VG), von mindestens 20 % erforderlich ist, um eine zuverlässige Verbindung zu gewährleisten.
3
Einfluss des Verformungsgrades auf die WerkstoffverbundFestigkeit
3.1
Einfluss auf die quasistatische Festigkeit des Werkstoffverbundes
Während des Walzplattierens kommt es zu einer starken Kaltverfestigung der Werkstoffkomponenten. Aufgrund der abschließenden Wärmebehandlung bei 540° C rekristallisiert der Werkstoff Al6016-T4, wodurch die Kaltverfestigung egalisiert wird und kein signifikanter Einfluss der Umformung auf die Festigkeit von Al6016-T4 festgestellt werden kann, Bild 3. Für DC06 sind die 540° C zu gering für eine Rekristallisation, weshalb die Kaltverfestigung aufgrund der
537
Bild 2: Wärmebehandlung des AA6016/FeP06 Werkstoffverbundes
plastischen Umformung im Laufe des Herstellprozesses im Lebensdauersimulationsmodell berücksichtigt werden muss. Bild 4 zeigt die Spannungs-Dehnungskurven von quasistatischen Zugversuchen durchgeführt an Proben entnommen aus DC06 Blechen im Ausgangszustand und mit unterschiedlichen VG von 16 %, 19 %, 25 % und 37 %. Der Verformungsgrad von DC06 entspricht 87 % von VG, jener von Al6016-T4 113 % von VG. Beispielsweise wird durch einen VG = 33 % eine DC06 Dicke von 1,78mm und eine Al6016-T4 Dicke von 1,25 mm erzeugt. Bereits beim geringsten VG kommt es zu einem signifikanten Anstieg der quasistatischen Festigkeitskennwerte durch Kaltverfestigung.
Bild 3: Einfluss des Verformungsgrades auf die statische Festigkeit von Al6016-T4
538 Die Abhängigkeit der Walzrichtung auf die statische Festigkeit der Werkstoffverbundkomponenten wurde in [4] untersucht. Es zeigte sich keine Abhängigkeit der Festigkeit von der Walzrichtung.
Bild 4: Einfluss des Verformungsgrades auf die statische Festigkeit von DC06
Die Dehngrenze Rp0,2, die Zugfestigkeit Rm sowie die Bruchdehnung können in Abhängigkeit des Verformungsgrades VG mit folgenden Gleichungen beschrieben werden: R p 0,2 Rm A
3.2
78,9 ln(VG ) 82,9
89,9 ln(VG ) 78,5 11 ln(VG ) 62,5
(1) (2) (3)
Einfluss des Verformungsgrades auf die Schwingfestigkeit des Werkstoffverbundes
Für Al6016-T4 ist aufgrund der Rekristallisation im Laufe der abschließenden Wärmebehandlung kein Einfluss des VG zu erkennen, weshalb ein Verformungsgrad unabhängiges Haigh-Diagramm für die Lebensdauerberechnung mit einer Mittelspannungsempfindlichkeit M = 0,25 zugrunde gelegt werden kann, Bild 5. Zur Ermittlung der Abhängigkeit der Schwingfestigkeiten von DC06 vom VG wurden zahlreiche Wöhlerversuche unter Zug-/Druckwechsel- und Zugschwellbeanspruchung durchgeführt. Aus dem Zusammenhang Zug-/Druckwechselfestigkeit Vzdw zu Zugschwellbeanspruchung Vschw wird die Mittelspannungsempfindlichkeit M folgendermaßen definiert: M
V zdw V schw V schw
(4)
539 Bild 6 zeigt das Haigh-Diagramm für DC06 in Abhängigkeit des VG. Mit steigendem VG ist eine signifikante Verbesserung der Schwingfestigkeit zu erkennen, wobei auch die Mittelspannungsempfindlichkeit zunimmt.
Bild 5: Haigh Diagramm von Al6016-T4 unabhängig vom Verformungsgrad
Bild 6: Haigh Diagramm von DC06 in Abhängigkeit des Verformungsgrads
4
Lebensdauerberechnungskonzept für Al6016-T4/DC06 Werkstoffverbunde
Bisher verwendete Lebensdauerberechnungskonzepte für metallische Werkstoffverbunde berücksichtigen ausschließlich die Verfestigung des Bauteils aufgrund des Umformprozesses in der Bauteilherstellung z.B. durch Tiefziehen, nicht jedoch die Beeinflussung der Festigkeit aufgrund des VG beim Walzplattieren. Bild 7 zeigt ein Konzept für die Lebensdauerberechnung des untersuchten Werkstoffverbundes unter Berücksichtigung des Verformungsgrades.
540
Bild 7: Lebensdauer-Berechnungskonzept für Al6016-T4/DC06 Werkstoffverbund
Ausgehend von der Umformsimulation (z.B. Tiefziehsimulation) werden die Bauteilgeometrie und die Eigenspannungsverteilung im Bauteil berechnet. Als Eingangsparameter werden die Fließkurven der Einzelkomponenten des Werkstoffverbundes benötigt. Während eine einheitliche Fließkurve für Al6016-T4 angenommen werden kann, werden die Fließkurven für DC06 in Abhängigkeit des VG nach Swift berechnet. Eine detaillierte Beschreibung dieser Berechnung ist in [5] zu finden. In weiterer Folge werden durch linear-elastische Finite Elemente (FE) Simulationen für die verschiedenen Beanspruchungsfälle die Spannungsverteilungen im Bauteil berechnet. Die Schadensakkumulation erfolgt mit Hilfe der Miner Regel, wobei für die lokale Wöhlerlinie die Abhängigkeit des VG und der Mittelspannungsempfindlichkeit berücksichtigt werden. Der Einfluss der Umformung im Rahmen der Bauteilfertigung wird durch das Modell von Masendorf [6] berücksichtigt. Zur Verifikation des vorgeschlagenen Berechnungskonzeptes wurden Druckschwell-Versuche mit einem Spannungsverhältnis R = 0,1 sowie Lebensdauerberechnungen an einer Rundsicke durchgeführt. Der VG des, für die Herstellung der Rundsicke verwendeten, Werkstoffverbundes beträgt 35 %. Die Berechnung zeigt eine beträchtliche Verbesserung der Treffsicherheit durch Berücksichtigung des VG gegenüber dem bisher verwendeten Konzept, Bild 8.
541
Bild 8: Verifikation des Berechnungskonzeptes an einer Rundsicke
5
Schlussfolgerungen
Folgende Schlussfolgerungen können aus den Ergebnissen der Untersuchungen abgeleitet werden: • Mit ausreichendem VG kann die Verbindungsschicht des Werkstoffverbundes Al6016-T4/ DC06 näherungsweise als ideal angenommen werden. • Die Mittelspannungsempfindlichkeit von DC06 steigt durch Kaltverfestigung mit dem VG. • Durch die Berücksichtigung des VG wird die Treffsicherheit der Lebensdauerberechnung von Bauteilen des Werkstoffverbundes Al6016-T4/DC06 entscheidend verbessert.
6
Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei der Austrian Research Centers GmbH und der österreichischen Nationalstiftung für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit im Rahmen des Technologieoffensive-Projekts Austrian Light Weight Structures.
7 [1] [2] [3] [4] [5] [6]
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542
Neue Entwicklungen zu Verbindungen von Kunststoff und Metall unter Zuhilfenahme thermischer Fügeprozesse U. Reisgen, S. Olschok, N. Wagner RWTH Aachen University – Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF), Aachen
1
Einführung
Hybride Werkstoffkombinationen, wie Kunststoff-Metall-Verbindungen, spielen in der industriellen Anwendung eine zunehmend wichtige Rolle. Der Einsatz von diesen Verbundwerkstoffen hat zum Ziel, durch eine vorteilhafte Kombination verschiedener Werkstoffe die Gesamteigenschaften eines Bauteils zu verbessern. Dazu zählt in der Regel eine Reduktion der Masse bei gleichzeitiger Erhöhung der Bauteilleistungsfähigkeit, die sich beispielsweise durch eine Erhöhung der Steifigkeit, der Festigkeit und der Zähigkeit sowie durch eine Verbesserung der Schwingfestigkeit auszeichnet. Insbesondere Kunststoff-Metall-Verbindungen, welche die Vorteile einer geringen Dichte und vielseitigen Verarbeitbarkeit des Kunststoffs mit den Vorteilen der hohen Steifigkeit des Metalls kombinieren, bieten ein hohes Potential für innovative Produktentwicklungen. Überdies kann die Integration verschiedener Funktionen in ein Bauteil durch Einsparungen von Montageschritten und eine verkürzte Fertigungskette einen verbesserten Produktionsprozess ermöglichen. Diese Verbundwerkstoffe sind unter anderem als tragende Leichtbaustrukturen für Anwendungen in der Automobil- und Luftfahrtindustrie von Interesse. So wurde für die 5er-Serie von BMW ein Hybridrahmen mit einem leichten Aluminiumvorderwagen, der an eine Stahlrahmenstruktur gefügt wurde, entwickelt. Im Flugzeugbau zeigt sich die Bedeutung von Verbundwerkstoffen am Beispiel des Airbus A 380. Der Anteil der Gesamtmasse an Verbundwerkstoffen beträgt bei diesem Flugzeugtyp etwa 20 %. Bei neueren Typen, wie der Boeing 787, wird der Anteil voraussichtlich auf über 50 % steigen. Hierbei werden komplette Rumpfsektionen aus Verbundwerkstoffen gefertigt. Allerdings bereitet das Fügen von Kunststoffen mit Metallen noch Schwierigkeiten. Durch ihre unterschiedlichen Eigenschaften, wie die unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten, Ausdehnungskoeffizienten und Schmelzpunkte, kann es zu ungenügender Anbindung der Verbundpartner und zu mechanischen Spannungen kommen. Um hybride Verbindungen zwischen Kunststoff und Metall zu erzeugen, stehen derzeit vor allem Klebeverfahren zur Verfügung. Die Nachteile des Klebens liegen unter anderem in der begrenzten Temperaturbeständigkeit der Verbindung sowie in der erreichbaren Festigkeit, die von der Art der Beanspruchung und der zur Verfügung stehenden Klebfläche abhängt. Zudem muss der Klebstoff entlang der Fügekontur aufgebracht werden und benötigt ausreichend lange Härtezeiten. Neben dem Kleben und den mechanischen Verbindungstechniken, wie Schraub- oder Schnappverbindungen, sind hybride Verbunde auch durch umformende Verfahren, wie Bördeln, möglich. Diesen formschlüssigen Verfahren ist gemein, dass entweder auf der Metalloder der Kunststoffseite geeignete Elemente, wie Nietschafte, Durchgangsbohrungen etc. vorzusehen sind, um eine Verbindung zu realisieren. Dies erfordert eine genaue Positionierung der
543 unterschiedlichen Komponenten vor dem Fügeprozess. Darüber hinaus sind dichte Nähte nicht möglich, da nur punktuell eine Verbindung realisiert werden kann. Durch die beschriebenen Nachteile der existierenden Fügeverfahren ist im Rahmen des Exzellenz-clusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer” an der RWTH Aachen University die Idee entwickelt worden, thermische Fügeverfahren zum Verbinden von Kunststoff und Metallen zu testen und zu verifizieren. So sollen die positiven Eigenschaften wie zum Beispiel hohe Festigkeiten, die beim thermischen Verbinden von artgleichen Materialien entstehen, auf das hybride Bauteil übertragen werden.
2
Untersuchungen zum thermischen Fügen von Kunststoff-MetallVerbindungen
2.1
Kunststoff-Metall-Verbindungen mit Zwischenschicht
Zunächst wurde für das thermische Fügen von Kunststoff-Metall-Verbindungen das Widerstandspunktschweißen unter Zuhilfenahme einer Zwischenlage getestet. Hierbei wurden zwei unterschiedliche Zwischenlagenvarianten untersucht. Bei der ersten Variante wurde eine dreidimensionale Textilstruktur, auch Abstandsgewirk genannt, mit Hilfe des Widerstandspunktschweißverfahrens mit einem metallischen Grundwerkstoff (14 Schweißpunkte) verschweißt. Das dreidimensionale Abstandsgewirk wird aus Kunststofffasern und Metalldrähten hergestellt. Nach dem Verschweißen der eingewobenen metallischen Drähte, Bild 1 oben, links, erfolgt das Aufspritzen der Kunststoffmasse. Die Textilzwischenlage dient der Bildung einer stoff- und formschlüssigen Verbindung zwischen dem Grundwerkstoff und der Kunststoffmasse, Bild 1 unten. Durch diese Prozessschritte ist es gelungen, geschweißte Kunststoff-Metall-Verbindungen mit Zwischenlagen herzustellen, die eine sehr hohe Festigkeit aufweisen. In Bild 1 oben, rechts ist ein mit den beschriebenen Prozesschritten hergestelltes Kunststoff-Metall-Demonstratorbauteil dargestellt. Dadurch dass der Draht des Gewirks nicht über die gesamte Fläche mit der Metallplatte verschweißt wird, kann der Kunststoff beim Einspritzen hinter den Draht fließen und es wird durch den Hinterschnitt ein Formschluss erzeugt. Durch die Verwendung von Kunststoffen im Gewirk, welche einen ähnlichen chemischen Aufbau wie der aufgespritzte Kunststoff aufweisen, kann neben dem beschrieben Formschluss auch eine stoffschlüssige Verbindung zwischen den Kunststoffen entstehen. Bei der zweiten Variante kommt eine metallische Gitterstruktur als Zwischenlage zur Anwendung. Diese wird durch das Kondensator-Impulsschweißen mit dem Grundwerkstoff verbunden. Die Verwendung des Metallgitters als Zwischenlage hat es ermöglicht, den Herstellungsaufwand zu reduzieren, da alle Schweißpunkte gleichzeitig erzeugt werden, Bild 2 oben, links. Durch den anschließenden Spritzgussprozess wird ein Formschluss zwischen dem Grundwerkstoff und der Kunststoffmasse durch die Gitterstruktur erzeugt, Bild 2 unten.
544
Bild 1: Metallgrundplatte mit geschweißtem Textilgewirk (oben, links), Draufsicht auf Kunststoff-Metall-Demonstratorbauteil mit einem niedrigviskosen Polypropylen (PP 579s) (oben, rechts), Schnittbild von zwei übereinander gelegten Proben (unten)
Bild 2: Metallgrundplatte mit geschweißtem Metallgitter (oben, links), Draufsicht auf Kunststoff-Metall-Demonstratorbauteil mit einem thermoplastischer Polyester-Elastomer (TPE-E G3548L) (oben, rechts), Schnittbild von zwei übereinander gelegten Proben (unten)
2.2
Kunststoff-Metall-Verbindungen durch das Induktionsfügen
Ein gravierender Nachteil des in Kapitel 2.1 vorgestellten Fügeverfahrens ist die Verwendung einer Zwischenschicht und der daraus resultierenden langen Prozesskette. Um den Fertigungsaufwand weiter zu reduzieren, wurden Versuche mit dem Induktionsfügen durchgeführt, da hier eine direkte Fügeverbindung zwischen Kunststoff und Metall erzielt werden kann.
545
Bild 3: Schematische Darstellung der Versuchsdurchführung beim Induktionsfügen
Bei diesem Verfahren werden eine Metallplatte und eine Kunststoffplatte übereinander angeordnet. Durch die Induktionswärme wird das Metall kontaktlos erhitzt und durch Wärmeleitung der Kunststoff. Nach dem Aufheizvorgang wird ein Stempel durch einen Druckzylinder auf die beiden Probebauteile gepresst. Durch eine definierte Haltezeit des Stempels kann der erwärmte Kunststoff in die Oberflächenstruktur der Metallplatte fließen und es wird eine Verbindung hergestellt, Bild 3. Tabelle 1 zeigt die Materialpaarungen, welche in den grundlegenden Untersuchungen zu diesem neuartigen Fügeprozess zum Einsatz kamen. Die Untersuchungen hatten das Ziel, geeignete Parameter für den Prozess und potentielle Einflussfaktoren auf das Fügeergebnis zu identifizieren. Tabelle 1: Verwendete Materialien zum Induktionsfügen Kunststoffe
Metalle
Polypropylen (505 P)
Aluminium (AlMg4,5Mn0,7)
Polyamid (Schulamid 6NV12)
Verzinktes Blech (DX51D+Z140MB)
Kunststoff-Compound: (Schulamid 6NV12 + Kupferfasern + Zink-Zinn-Wismut-Legierung)
Rost- und säurebeständiger Stahl (1.4316)
Es zeigte sich, dass die Einflussfaktoren für eine erfolgreiche Verbindung die Aufheizzeit, die Oberfläche der Fügepartner, die Druckzeit und die Anpresskraft sind. Nachdem geeignete Parameter gefunden wurden, wurden Probebauteile der verschiedenen Werkstoffkombinationen für Zugscherversuche hergestellt, Bild 4 links. Der Überlappbereich der beiden Werkstoffe, welcher gleichzeitig auch die Fügezone darstellt, hat eine Abmessung von 40 x 20 mm. Die durchgeführten Zugscherversuche zeigten größtenteils einen Bruch der Probe im Kunststoff außerhalb der Fügezone, Bild 4 rechts. Hierbei sind keine Fehlstellen in der Fügezone zu erkennen, der Kunststoff dehnt sich konstant über die freie Länge.
546
Bild 4: Induktionsgeschweißte Probe aus Polypropylen und verzinktem Blech für Zugversuche (links), gezogene Probe Plyamid-1.4301 mit Bruch im Kunststoff
Eine Übersicht über die aus den Versuchreihen gemittelten Kräfte, welche die Verbindungen der verschieden Materialkombinationen im Zugscherversuch ertragen, ist in Tabelle 2 zusammenfassend dargestellt. Hierbei ist die Zahl in der Klammer neben den Kunststoffen die maximale Zugkraft des Grundwerkstoffes bis zum Versagen. Der Kunststoff-Compound ist aufgrund der Durchsetzung mit Kupfer und Metallfäden ein sehr spröder Werkstoff und versagt deshalb bei geringen Kräften. Es ist erkennbar, dass die Verbindungen von Metall mit Polypropylen bezogen auf die Festigkeiten des Grundwerkstoffes die geringsten Zugfestigkeiten aufweisen. Als hervorragend geeignet erwiesen sich die Proben mit Polyamid, der schon als Grundwerkstoff eine hohe Festigkeit besitzt. Tabelle 2: Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Zugscherversuchen Materialkombination (max. Zugkraft des Grundwerkstoffes)
Aluminium AlMg4,5Mn0,7
Verzinktes Blech DX51D+Z140MB
Rost- und säurebeständiger Stahl 1.4316
Polypropylen (1139 N)
709 N
640 N
186 N
Polyamid (2666 N)
1696 N
1840 N
2108 N
Kunststoff-Compound (1029 N)
1029 N
879 N
1022 N
Proben, deren Oberflächen durch Sandstrahlen vorbehandelt waren, erzielten höhere Festigkeiten (ca. 25 %) als unbehandelte Proben. Durch das Aufrauhen der Metalloberfläche kann der Kunststoff beim Fügevorgang in die Hinterschnitte fließen und einen Formschluss erzeugen, Bild 5 links. Es ist allerdings erkennbar, dass der Kunststoff nicht vollständig in den Hinterschnitt geflossen ist und sich so Lufteinschlüsse gebildet haben, die eine noch höhere Festigkeit verhindern. Ein besonders hoher Haftungsgrad wurde bei den Versuchen Metall mit KunststoffCompound erzielt. Die beim Herstellungsprozess des Kunststoff-Compound eingespritzten Metallkomponenten gehen beim Fügevorgang mit der Metallplatte eine stoffschlüssige Verbindung über Diffusion ein. Dadurch wird eine Verbindung erzeugt, die einer Lötverbindung sehr ähnlich ist und dementsprechend eine sehr hohe Festigkeit aufweist, die auf dem Niveau des Grundwerkstoffes liegt, Bild 5 rechts.
547
Bild 5: Mikroschliff Polyamid und Aluminium (links); Mikroschliff Kunststoff-Compound und verzinkter Stahl (rechts)
3
Fazit und Ausblick
Durch den Trend zum Leichtbau ist eine Anpassung des Werkstoffeinsatzes notwendig geworden. Zunehmend wird in der Industrie ein Materialmix angestrebt, wobei die Werkstoffe genau dort eingesetzt werden, wo sie ihren Eigenschaften entsprechend den größtmöglichen Nutzen erzeugen können. Dabei werden Verbundwerkstoffe aufgrund der hohen Ansprüche an die Vielseitigkeit neben der Gewichtsreduzierung auch weitere Verbesserungspotentiale aufzeigen müssen. Neben der Funktionalität spielt auch die Kostenfrage eine entscheidende Rolle bei der Werkstoffauswahl. Dies bedeutet, dass diese Fertigungsverfahren möglichst viele verschiedene Werkstoffe verarbeiten und vor allem miteinander verbinden können müssen. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse und der daraus resultierenden Herstellbarkeit von thermisch gefügten Kunststoff-Metall-Verbindungen ergeben sich neue Optimierungspotentiale und Entwicklungsmöglichkeiten von industriellen Anwendungen. Durch die Schaffung dieses Werkstoffverbundes ist eine Verbesserung und Optimierung der Lastübertragung insbesondere im Bereich der Werkstoffübergänge für Kunststoff-Metall-Verbindungen möglich. Durch die vorgestellten Metall-Kunststoff-Hybridverbindungen können neuartige Lösungs- und Entwicklungsansätze verfolgt werden, die mit bisherigen Techniken, wie dem Kleben oder Nieten nicht realisiert werden konnten. Beim Einsatz der Kunststoff-Metall-Verbindung mit Textilgewirkzwischenlage können durch gezielte Anpassung und Auswahl des Textilgewirkes, der Kunststoffe und durch eine Optimierung der Schweißparameter und des eingesetzten Schweißverfahrens höhere Festigkeiten, Schwingfestigkeiten, Zähigkeiten oder Steifigkeiten erreicht werden, als es die derzeit zur Verfügung stehenden Techniken im Bereich der Kunststoff-Metall-Verbindungen erlauben. So können zum Beispiel die auftretenden Kräfte und Belastungen durch eine entsprechende Textilstruktur und adäquate Textilwerkstoffe gezielt vom Kunststoff über die Textilzwischenlage auf den Grundwerkstoff übertragen werden. Bei der Anwendung der Kunststoff-Metall-Verbindung mit einer Gitterstrukturzwischenlage kann aufgrund des sich bei der Produktion ergebenden Formschlusses auf zusätzlich benötigte Verbindungshilfsmittel wie zum Beispiel Klebstoffe verzichtet werden.
548 Sehr gute Ergebnisse wurden beim Verbinden von Metallen und Kunststoffen mit Hilfe des Induktionsfügen erzielt. Die Auswertung der Versuche ergab, dass die Beschaffenheit der Oberfläche den größten Einfluss auf die Festigkeit hat. Eine sandgestrahlte Oberfläche der Metallprobe verbessert die Haftung des Kunststoffes deutlich. Auch die Niederhaltezeit mit dem Stempel nach der induktiven Erwärmung hat einen positiven Effekt auf das Ergebnis. Es hat sich gezeigt, dass in dieser Versuchsreihe die Verbindungen aus Polyamid und rost- und säurebeständiger Stahl die höchsten Zugkräfte aushalten. Eine Untersuchung der Schliffbilder von induktionsgeschweißten Proben der Materialkombinationen zeigte, dass eine optimale Haftung in einigen Fällen durch Lufteinschlüsse an der Fügefläche verhindert wurde. Das Kunststoff-Compound mit den eingespritzten Metallkomponenten erwies sich im Zugversuch als sehr spröde und wenig belastbar. Bei Verbindungen aus Kunststoff-Compound und Metall erfolgt ein Bruch im Zugscherversuch im Kunststoff bei Belastungen, die in der Größenordnung des Kunststoff-Compounds liegen. Schliffbilder, die eine stoffschlüssige Verbindung zwischen den Legierungsbestandteilen des Kunststoff-Compounds und der Oberfläche des Blechs zeigen, deuten auf eine Fügeverbindung durch Diffusion der metallischen Bestandteile des Kunststoffes mit der Metallprobe hin. Das Induktionsfügen zeichnet sich durch kurze Bearbeitungszeit und das Einsparen von Hilfsstoffen aus. Die so erzeugten hybriden Verbindungen können durch Variation der Materialkombination unterschiedliche Eigenschaften annehmen und vielfältigen Anwendungen angepasst werden. Die vorgestellten thermischen Fügeverfahren und die damit erzeugten Kunststoff-MetallVerbindungen haben das Potenzial, in industriellen Anwendungen zukünftig eingesetzt zu werden.
4
Danksagung
Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung der beschriebenen Arbeiten im Rahmen des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“.
549
Ultraschallschweißen – Ein innovatives Fügeverfahren für hybride Leichtbaustrukturen aus Metall/CFK-Verbunden F. Balle, G. Wagner, D. Eifler Lehrstuhl für Werkstoffkunde, Technische Universität Kaiserslautern
1
Einführung
Die Verbindung faserverstärkter Kunststoffe (FVK) mit metallischen Komponenten zu hybriden Leichtbaustrukturen setzt geeignete Fügeverfahren voraus. Am Lehrstuhl für Werkstoffkunde konnte nachgewiesen werden, dass durch Metall-Ultraschallschweißen zuverlässige Verbindungen zwischen FVK und Metallen erzeugt werden können [1–3]. Am Beispiel von C-Faser-Kunststoff-Verbunden mit PA66- und PEEK-Matrix sowie der Aluminiumknetlegierung AlMg3 als metallischem Fügepartner wird das Potential dieser Fügetechnik aufgezeigt. Die Verbindungsbildung erfolgt beim Metall-Ultraschallschweißen zunächst durch eine Plastifizierung und Verdrängung der polymeren Matrix des CFK aus der Fügezone. Anschließend bewirkt die hochfrequente transversale Ultraschallschwingung des Schweißverfahrens eine Verbindung zwischen dem metallischen Fügepartner und den lasttragenden Fasern des Verbundwerkstoffs [2]. Zur Realisierung hochfester Werkstoffverbunde wurden die Prozessgrößen Schwingungsamplitude, Schweißkraft und Schweißenergie mittels statistischer Versuchsmethoden systematisch optimiert. Auf diese Weise konnten Verbundfestigkeiten von mehr als 30 MPa erzielt werden. Anhand licht- und rasterelektronenmikroskopischer Untersuchungen sowie mittels optischer Messmethoden wie dem Objekt-Raster-Verfahren konnten zudem detaillierte Erkenntnisse bezüglich der auftretenden Bindungsmechanismen und des lokalen Deformationsverhaltens der erzeugten Verbunde gewonnen werden [3].
2
Ultraschallschweißtechnologie und Versuchswerkstoffe
Das Metall-Ultraschallschweißen ist ein industriell etabliertes Verfahren zur Herstellung von Metall/Metall-Verbindungen. Die Ultraschallschwingung wird dabei parallel zur Fügeteiloberfläche eingebracht [1]. Zur Realisierung der Schwingung wandelt ein Ultraschallgenerator die Netzspannung (50 Hz) in eine hochfrequente Wechselspannung mit einer Frequenz im Bereich von 20 bis 60 kHz um. Mittels eines piezoelektrischen Konverters wird die hochfrequente elektrische Schwingung in eine mechanische Schwingung gleicher Frequenz übertragen. Der mit dem Konverter verbundene Booster stabilisiert und erhöht durch eine geeingete Massenverteilung die Schwingungsamplitude. An den Konverter schließt sich das eigentliche Schweißwerkzeug, die Sonotrode, an, die mittels Schweißkoppelflächen die Energie in den Fügebereich überträgt.
550
Bild 1: Prinzip des Metall-Ultraschallschweißverfahrens
Durch die geometrische Gestaltung der Sonotrode wird eine Schwingungsamplitude zwischen 5 und 50 μm erreicht. Nach dem pneumatischen Aufbringen der Fügekraft mit Werten zwischen 100 und 200 N erfolgt die Einleitung der hochfrequenten Scherschwingung über das oben aufliegende Fügeteil in die Schweißzone. Zur Sicherstellung hinreichend hoher reproduzierbarer mechanischer Eigenschaften wurde für die zu erzeugenden Metall/CFK – Verbunde am WKK eine spezielle Probenaufnahme entwickelt (Bild 2a). Eine im Amboss integrierte Kraftmessdose ermöglicht dabei die hochauflösende Ermittlung der Schweißkraft. Die genaue Regelung dieses Prozessparameters ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Realisierung hoch beanspruchbarer ultraschallgeschweißter Metall/CFK – Verbunde.
Bild 2: a) Einspannvorrichtung (entwickelt am WKK), b) Probengeometrie
Die Probenabmessungen (Bild 2b) des metallischen Fügepartners betragen 70 × 25 mm² bei einer Blechdicke von 1 mm. Das CFK-Organoblech weist eine Geometrie von 70 × 30 mm² bei einer Dicke von 2 mm auf. Die Ultraschalleinbringung in die Fügeteile erfolgt über eine kreuzgeriffelte 10 × 10 mm2 große Sonotrodenkoppelfläche. Im Längsschliff des metallischen Fügepartners (Bild 3a) ist die Walzrichtung (WR) des Blechwerkstoffes in Form länglich gestreckter Kristalle erkennbar. Das AlMg3-Gefüge weist zudem intermetallische Phasen auf, die sich im Schliff als lokal eng begrenzte dunkle Punkte abbilden. Im Querschliff Bild 3b) ist der Aufbau des Faserverbundwerkstoffes dargestellt. Als Kohlenstofffasertextil wurde ein Gewebe (200 tex, 285 g/m²) mit einer Atlas-1/4-Bindung verwendet. Die Organoblechdicke von 2 mm wird durch den symmetrischen Aufbau mit sechs Gewebelagen (Filmstacking-Verfahren) bei einem mittleren Faservolumengehalt von 48 % im Verbundwerkstoff erreicht.
551
Bild 3: Schliffbilder der Versuchswerkstoffe a) AlMg3 (Längsschliff der Blechoberfläche), b) CF-PA66 (Querschliff)
3
Ergebnisse der Schweißuntersuchungen
Optimale Prozessparameter für das Ultraschallschweißen von Metall/CFK-Verbunden wurden durch statistische Versuchsmethoden bestimmt [4]. Nachfolgend sind Ergebnisse der statistischen Versuchsplanung für die Werkstoffpaarung AlMg3/CF-PA66 dargestellt. Die quasistatische Bewertung der ultraschallgeschweißten Metall/CFK–Verbunde erfolgte in Zugscherversuchen. Die angegebenen Zugscherfestigkeitswerte errechnen sich aus der ermittelten Maximalzugscherkraft bezogen auf die Sonotrodenkoppelfläche (100 mm²).
Bild 4: Optimierung der Schweißparameter hinsichtlich maximaler Zugscherfestigkeit mittels statistischer Versuchsplanung: a) FUS = 140 N, b) WUS = 2160 Ws
Die Schweißprozessgrößen wurden hinsichtlich der erreichbaren Verbundfestigkeit optimiert. In Bild 4a) ist die Bestimmung des geeigneten Parameterfeldes für eine fest vorgegebene Schweißkraft von FUS = 140 N bei variabler Schwingungsamplitude und Schweißenergie dargestellt. Bild 4b) zeigt den optimalen Bereich für eine konstante Schweißenergie von WUS = 2160 Ws bei variabler Amplitude und Schweißkraft. Für einen AlMg3/CF-PA66-Verbund kann gemäß dieser Auswertung bei einer Schweißkraft von FUS = 140 N, einer Schweißenergie von WUS = 2160 Ws und einer Schwingungsamplituden von u = 40,5 μm eine maximale Zugscherfestigkeit von 31,5 MPa erwartet werden. Dieser errechnete Wert wurde mit zusätzlichen Schweißversuchen unter Verwendung der optimierten Schweißparameter nochmals experimentell überprüft und bestätigt.
552 Durch eine neuartige Prozessführung können die erreichbaren Verbundfestigkeiten nochmals gesteigert werden. In Bild 5 wird anhand der Werkstoffverbunde AlMg3/CF-PA66 sowie AlMg3/CF-PEEK der positive Einfluss eines abfallend gestuften Schweißkraftverlaufes verdeutlicht. Die mittleren Zugscherfestigkeiten liegen bei Aufbringung einer konstanten Schweißkraft (Fconst) während des Fügevorgangs für beide Werkstoffverbunde mit ca. 32 MPa. Durch Anwendung der im Diagramm rechts dargestellten jeweils individuell auf die Verbunde abgestimmten Kraftprofile können die erreichbaren Zugscherfestigkeiten noch erheblich gesteigert werden. Beispielsweise werden für den AlMg3/CF-PA66-Verbund mit 45 MPa bis zu 40 % höhere Zugscherfestigkeitswerte erzielt.
Bild 5: Erhöhung der Zugscherfestigkeit durch einen abfallend gestuften Schweißkraftverlauf
Die Schmelztemperatur für PEEK liegt mit 335 °C gegenüber PA66 mit ca. 260 °C erheblich höher [5]. Daher müssen Fügekräfte sowie die einzubringende Schweißenergie beim AlMg3/ CF-PEEK-Verbund deutlich höher gewählt werden, um eine Steigerung der Verbundfestigkeit zu erzielen. Der erhöhte Energiebedarf von Wus = 2840 Ws für das Fügen von Verbunden mit CF-PEEK gegenüber 2160 Ws bei CF-PA66 wirkt sich auch auf die Prozesszeiten aus. Diese sind bei AlMg3/CF-PEEK-Verbunden mit über 5 s um ca. 1,5 s länger als bei AlMg3/CF-PA66. Die Festigkeiten konnten bisher für den AlMg3/CF-PEEK-Verbund um ca. 20 % gesteigert werden. In zukünftigen Untersuchungen soll ermittelt werden, ob eine Vorwärmung der Fügeteile zu einer effektiveren und schnelleren Verdrängung der Kunststoffmatrix und somit zu einer Verkürzung der Prozesszeiten sowie höheren Verbundfestigkeiten führen kann. Zum besseren Verständnis des Fügeprozesses wurden thermometrische Untersuchungen durchgeführt. In Bild 6 ist ein charakteristischer Prozesstemperaturverlauf für AlMg3/CFPEEK-Verbunde dargestellt. Die Temperaturen im Bereich der Fügezone werden durch in speziell präparierte Organobleche eingelegte Thermoelemente ermittelt. Im ersten Prozessschritt mit hoher Schweißkraft muss zunächst die Schmelztemperatur Tm,PEEK = 335 °C überschritten werden, bevor das Umschalten auf eine niedrigere Schweißkraft eine reproduzierbare Verbindung ohne Faserschädigung ermöglicht. Die höchste Temperatur während des Schweißprozesses tritt im zentralen Bereich der Sonotrodenkoppelfläche auf (Thermoelement T2) und liegt für die untersuchte Verbundpaarung unterhalb von 500 °C. Die Zersetzungstemperatur von PEEK mit 550° C wird ebenso wie der Schmelzpunkt des metallischen Fügepartners (TS(Al) = 660 °C) folglich nicht erreicht. Weitere Thermoelemente (T1 und T3) im Randbereich der Fügezone bestätigen den Gesamttemperaturverlauf mit Überschreiten der Polymerschmelztemperatur, wo-
553 durch die Verdrängung der Matrix im gesamten Fügebereich ermöglicht und die Bindungsbildung zwischen Metall und Fasern erleichtert wird.
Bild 6: Prozesstemperaturen beim Ultraschallschweißen von AlMg3/CF-PEEK-Verbunden
4
Verformungsanalyse der Werkstoffverbunde
Die Graufeldkorrelation [6] ist eine mathematische Analysemethode, die aus digitalen Bilddaten Verschiebungsvektoren errechnen und zur ortsaufgelösten Verformungssanalyse genutzt werden kann. Durch die Verwendung von zwei abgestimmten Kamerasystemen sind Messungen von 3D-Verschiebungsvektoren möglich. Hierfür wird ein statistisches kontrastreiches Graufeldmuster auf die Fügeteile projiziert, um die auftretenden Verschiebungsvektoren zu bestimmen (Bild 7a).
Bild 7: Optische Deformationsanalyse ausgewählter AlMg3/CF-PA66-Verbunde mittels Objekt-Raster-Verfahren. a) Verbundprobe mit Objekt-Raster, b) Deformationen als Grauwertkorrelation in Fehlfarbdarstellung an der metallischen Oberfläche
In Bild 7b ist in Fehlfarben die Dehnungsverteilung bei einer Zugscherbeanspruchung von 15 MPa dargestellt. Die höchsten Dehnungswerte treten erwartungsgemäß im Bereich der Sonotroden-koppelfläche auf. Verbundversagen erfolgt bei Überschreiten der maximal ertragbaren Spannung im Interface zwischen metallischem und polymerem Fügepartner.
554
5
Zusammenfassung
Untersuchungen am Lehrstuhl für Werkstoffkunde der TU Kaiserslautern belegen, dass MetallUltraschallschweißverfahren geeignet sind, hochfeste Verbindungen zwischen faserverstärkten Verbundwerkstoffen und Aluminiumlegierungen herzustellen. Am Beispiel von AlMg3/CFPA66- und AlMg3/CF-PEEK-Verbunden wurde das Potential dieses Pressschweißverfahrens aufgezeigt. Eine innovative Prozessführung und die damit verbundene Möglichkeit zeitlich variable Schweißkraftprofile zu realisieren, führte zu einer Steigerung der Zugscherfestigkeiten von 30 MPa auf bis zu 45 MPa. Die thermische Beanspruchung der Werkstoffverbunde, insbesondere im Bereich der Fügezone, wurde durch in die CFK-Organobleche integrierte Thermoelemente während des Fügevorgangs ermittelt. Bei AlMg3/CF-PEEK-Verbunden treten Prozesstemperaturen von ca. 485 °C im Fügezonenbereich auf. Eine Zersetzung der polymeren Matrix und eine unzulässig hohe Beanspruchung des metallischen Fügepartners durch den Ultraschallfügeprozess finden demzufolge nicht statt. Die bislang erzielten Ergebnisse lassen auf ein großes Potential für einen erfolgreichen Einsatz der betrachteten Werkstoffverbunde im Bereich der Verkehrstechnik schließen. Mögliche Anwendungen liegen in der Fahrzeugtechnik beispielsweise bei der Fertigung von Außenhautstrukturen sowie in der Entwicklung moderner Leistungssportgeräte.
6
Danksagung
Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die finanzielle Unterstützung des Projektes im Rahmen der Forschergruppe (FOR) 524, ferner Herrn Prof. R. Renz und Herrn M. Bos (Lehrstuhl für Ressourcengerechte Produktentwicklung, TU Kaiserslautern) für die Durchführung der optischen Deformationsanalysen.
7 [1]
[2] [3] [4] [5] [6]
Literatur G. Wagner, D. Eifler: In „Textile Verbundbauweisen und Fertigungstechnologien für Leichtbaustrukturen des Maschinen- und Fahrzeugbaus“, Hrsg.: W. Hufenbach, SDV – Die Medien AG, 2007. S. Krüger, G. Wagner, D. Eifler: Adv. Eng. Mat., 2004, 6, No. 3, p. 157–159. F. Balle, G. Wagner, D. Eifler, Adv. Eng. Mat., 2008, in press. R. Uerkvitz: Effiziente Versuchsplanung. StatSoft Hamburg, 2007. G. W. Ehrenstein: Polymer-Werkstoffe. Carl Hanser Verlag München, Wien, 1999. H. Friebe, D. Winter: GESA-Symposium, Schliersee, GMA-Bericht, 1996, Band 29, S. 169–180.
555
Optimierung von Dünnschichtsystemen für hoch beanspruchte Werkzeuge der Umformtechnik B. Wielage1, A. Wank1, C. Rupprecht1, G. Schmidt2, S. Stark2 1
Technische Universität Chemnitz
2
Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen- und Umformtechnik, Chemnitz
1
Einführung
Im Zuge des Leichtbaus gewinnen Umformteile aus Aluminium zunehmend an Bedeutung. Die damit verbundenen Forderungen nach hoher Verschleißbeständigkeit und Bauteilfestigkeit können durch partikelverstärktes Aluminium bzw. höherfeste Legierungen erfüllt werden. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften des Materials unterliegen die Umformwerkzeuge erhöhten Belastungen, denen mittels Oberflächenbeschichtungen bzw. -modifikationen Rechnung getragen werden muss. Die vorliegende Arbeit beschreibt Ansätze zur Applikation von Dünnschichten für das schmiermittelfreie Umformen. Dazu werden mittels CVD (Chemical Vapour Deposition) und PVD (Physical Vapour Deposition) Schichtsysteme vom Typ TiCN, TiC-TiN und DLC aufgebracht. Mit Hilfe metallografischer Prüfmethoden und Nanoindentertests werden die Schichten charakterisiert. Zudem erfolgen Umformversuche mit beschichteten Werkzeugen. Die Untersuchungsergebnisse werden mit numerischen Berechnungen korreliert, was ferner dazu dienen soll, Gestaltungsrichtlinien für komplexe Umformwerkzeuge abzuleiten.
2
Dünnschichtherstellung und Charakterisierung
Für Umformwerkzeuge bieten sich Dünnschichten an, da einerseits die Verschleißbeständigkeit und die tribologischen Eigenschaften an die Einsatzbedingungen angepasst werden können und andererseits kein zusätzlicher Nachbearbeitungsaufwand anfällt [1–7]. In Abhängigkeit vom eingesetzten Beschichtungsverfahren kann lediglich eine thermische Nachbehandlung erforderlich sein. Diese dient jedoch nicht zur Modifikation des aufgetragenen Werkstoffs, sondern zur Wärmebehandlung des Substrates. Unter den für die Versuche eingesetzten Methoden (Tabelle 1) ist das Hochtemperatur-CVD-Verfahren zur Abscheidung von TiN-TiC ein typisches Beispiel für diesen Prozessschritt. Da die Bauteiltemperaturen beim Beschichten bis zu 1000 °C betragen, verliert der Grundwerkstoff (Stahl 1.3343) seine ursprünglich eingestellte Härte. Die für die Umformung notwendige Grundhärte muss also nachträglich durch eine Wärmebehandlung eingestellt werden. Neben der hohen Festigkeit des Substrats, die ein Versagen der Beschichtung bei hohen lokalen Spannungen (bspw. Punkt- oder Linienlasten) verhindern soll, ist die Beschichtung entscheidend für die Standzeit des Werkzeugs. Zur Kennwertermittlung an Dünnschichten (zwischen 1 μm und 5 μm) können keine klassischen Härteprüfverfahren verwendet werden. Nur mit Hilfe von angepassten Verfahren, wie der Nanoindenterprüfung sind diese Größen zugänglich. Der eingesetzte Prüfstand der Fa. Asmec (Typ UNAT – Universeller Nanomechani-
556 scher Tester) kann auch zur Bestimmung des Schicht-E-Moduls, zur Ermittlung der Fließspannung und für Mikroscratchtests verwendet werden. Diese Untersuchungen liefern die Ausgangsdaten für numerische Betrachtungen, mit denen das Verhalten komplexer Werkzeuggeometrien im Umformvorgang vorhergesagt werden soll. Tabelle 1: Übersicht der eingesetzten Beschichtungsverfahren Material
Beschichtungsverfahren
Substrattemperatur
Nachbehandlung
TiCN
PVD
ca. 450 °C
/
TiN-TiC
HT-CVD
ca. 1000 °C
Wärmebehandlung
a-C:H:X (DLC mod.)
Plasma-CVD
150 °C
/
Zur Bewertung des realen Umformvorgangs wird ein Eindringversuch (Bild 1) verwendet, bei dem die Oberflächenvergrößerung den Verhältnissen beim Stauchen oder Napfrückwärtsfließpressen entspricht.
Bild 1: Schematische Darstellung des Einpresstests für Umformversuche
3
Numerische Simulationsrechnungen
Werden hoch belastete Umformwerkzeuge beschichtet, so muss bei der konstruktiven Auslegung die Beanspruchung von Schicht und Substrat berücksichtigt werden. Eine große Rolle spielt dabei neben der Haftfestigkeit das Verhältnis der E-Moduli von Schicht und Substrat. Beispielsweise wird eine harte und spröde Schicht auf einem relativ nachgiebigen Untergrund bei punktueller Druckbelastung stark auf Biegung beansprucht, so dass Risse entstehen können (Bild 2). Der Ort maximaler Beanspruchung wird dabei sowohl vom Verhältnis der Festigkeiten von Schicht und Substrat als auch von der Schichtdicke und der geometrischen Bauteilgestalt beeinflusst. Aus diesem Grund kann die Geometrie unbeschichteter Werkzeuge nicht unverändert auf beschichtete übertragen werden. Die konstruktive Auslegung muss material- und beanspruchungsgerecht erfolgen. Besonders bei komplex geformten Umformwerkzeugen können die tatsächlich wirkenden Beanspruchungsverläufe nicht mehr intuitiv abgeschätzt werden. Numerische Simulationen, wie die Methode der Finiten Elemente (FEM), sind deshalb eine große Hilfe bei der Werkzeugentwicklung.
557
Bild 2: Spannungsverteilung und Rissbildung bei der Simulation der punktförmigen Belastung einer beschichteten Oberfläche (TiN, Schichtdicke 3 μm) auf verschiedenen Substraten (Belastung in der Symmetrielinie)
Die Genauigkeit numerischer Simulationen hängt in starkem Maße von der Zuverlässigkeit der Modelldaten ab. Speziell für dünne Schichten sind Materialkennwerte nur schwer zu bestimmen. Literaturangaben weisen große Streuungen auf. Das Gleiche gilt für Reibwerte. Deshalb ist es oft notwendig, fehlende Parameter selbst zu ermitteln. Hierzu werden geeignete Versuche durch Simulationsmodelle nachgebildet und deren Parameter durch inverse Identifikation abgeschätzt. Ein Beispiel dafür ist die Bestimmung der Coulombschen Reibung aus dem oben beschriebenen Einpresstest. Dabei wird unter Annahme systematisch variierter Reibbedingungen die resultierende Geometrie der Probe mittels Simulation so eingestellt, dass sie mit den experimentell erhaltenen Konturen möglichst gut übereinstimmt. Eine realitätsnahe Simulation erfordert für den umgeformten Werkstoff elastisch-plastische Materialmodelle mit Berücksichtigung von Ver- und Entfestigung. Versuche mit starr-ideal plastischem Ansatz führen zu berechneten Formen des umgeformten Werkstücks, welche von den realen Bedingungen beträchtlich abweichen. Bei Simulationen des Versagensverhaltens von Werkzeugen gilt dies auch für das Werkzeugmaterial. Hierzu werden außerdem noch Versagensmodelle benötigt, die es ermöglichen, Grenzbelastungen zu bestimmen und Versagensverläufe, wie Rissbildungen und Schichtablösungen, abzuschätzen. Für Untersuchungen dazu werden neben dem oben genannten Eindrucktest auch Experimente mittels Scratchtests, Mikrohärteeindrücken und Mikrobiegeversuchen jeweils in Verbindung mit numerischen Simulationsmodellen eingesetzt.
4
Ergebnisse und Diskussion
Grundlage für die Aufbringung von Dünnschichtsystemen ist eine ausreichende Vorbehandlung der Werkzeugoberfläche. Für tribologische Bedingungen, wie sie typischerweise bei schmiermittelfreien Umformvorgängen vorliegen, sollte eine niedrige Oberflächenrauheit eingestellt werden. Extrem glatte Schichten können jedoch bei Schmiermitteleinsatz nachteilig sein, da diese keine Schmiermitteldepots besitzen. Um die Zielstellung der vorliegenden Arbeit, Schichtsysteme für schmiermittelfreies Umformen zu qualifizieren, bestehen jedoch nur obere
558 Grenzwerte, die mit Hilfe konventioneller Fertigungsverfahren (Strahlen und Polieren) eingehalten werden können. Die Entwicklung der Oberflächenrauheit für einzelne Verfahrensschritte ist im Bild 3 dargestellt. Die Rauheitskenngrößen wurden mittels 3D-Streifenlicht-Profilometer (MicroCAD) bestimmt und geben Richtwerte an, die bedingt durch das Messverfahren größer sind, als Kennwerte, die mittels standardisierter Tastschnittverfahren ermittelt werden. Der Vergleich der nahezu identischen Werte im polierten und beschichteten Zustand zeigt, dass der Auftrag konturkonform erfolgt.
Bild 3: Ergebnisse der Rauheitsprüfung an Oberflächen ermittelt durch 3D-Streifenlichtprofilometrie (MicroCAD) für verschiedene Bearbeitungsschritte (* Rauheitskennwerte in Anlehnung an normgerechte Prüfung)
Die für die Umformversuche beschichteten Prüfstempel sind im Bild 4 zu erkennen. Die beste Oberflächenhomogenität wird bei TiC-TiN erreicht. Mit Hilfe der digitalen Bildanalyse wurden Schichtdicken von 1,5 μm für DLC, 2 μm für TiCN und 5 μm für TiC-TiN bestimmt. Mit Hilfe von Scratch-Tests erfolgte die Untersuchung des mechanischen Verhaltens der Proben. Dabei wurden kritische Lasten bestimmt, welche zur Rissinitiierung bzw. zum Abplatzen der Schicht führen. Das Versagen korreliert mit den Schichtdicken. Die 1,2 μm dicke DLCSchicht zeigt erste durchgängige Risse und großflächige Abplatzungen über der gesamten Ritzbreite bereits bei 5 N Prüflast. Die TiC-TiN-Variante erträgt die maximale Prüflast von 50 N ohne Schichtablösung, lediglich ein sehr feingliedriges Rissnetzwerk stellt sich ein. Um den Versagensmechanismus der DLC-Schichten bei kleinen Lasten genauer zu untersuchen, wurden zusätzliche Scratch-Tests am Nanonindenterprüfstand mit einer Maximallast von 1200 mN durchgeführt. Die Ergebnisse, exemplarisch dargestellt in Bild 5, zeigen, dass bei einem Verfahrweg von 16 μm, das entspricht einer Kraft von 409 mN, ein erster Bruch sattfindet. Zusätzlich geben die Untersuchungen Aufschluss über den Reibwert. Diese Informationen flie-
559 ßen in die numerischen Betrachtungen ein und unterstützen die Modellbildung hinsichtlich der Validierung der Versagensmechanismen.
Bild 4: REM-Aufnahmen der Probenoberflächen bei verschiedenen Vergrößerungen a) TiCN, b)TiC-TiN, c)DLC
Bild 5: Scratchkurven einer Messung mit 1200 mN Maximallast mit Bruch (bei grüner Linie) bei 16,15 μm und 409,20 mN (μ = 0,132); gemessen an DLC-Schicht
Die praxisnahe Bauteilprüfung erfolgte mittels Einpresstest. Die Kraft-Weg-Verläufe (aufgezeichnet durch Messwertschreiber an der Presse) zeigen für alle Beschichtungstypen und unbeschichtete Werkzeuge einen vergleichbaren Verlauf. Daraus folgt, dass beim Einpresstest die unterschiedlichen Reibwerte der Oberflächen keinen Einfluss auf die Umformkräfte haben. Entscheidend für die Vermeidung von Schmiermitteln sind die antiadhäsiven Eigenschaften der Oberflächen. Die Aufnahmen der Stempel nach dem Umformversuch dokumentieren deutlich charakteristische Unterschiede beim Materialübertrag vom Werkstück zum Stempel (Bild 6). Die DLC-Variante schneidet am besten ab. Obwohl die Schicht im Scratchtest am ehesten ver-
560 sagt, konnten nach der Umformung keine Risse oder Abplatzungen an der Oberfläche festgestellt werden.
Bild 6: Darstellung der Anbackungen von Aluminium Al5083 (links) bzw. Al 5754 (rechts) an Stempeln nach dem Einpresstest
Die mit Hilfe der metallografischen Untersuchungen und Nanoindenterprüfung gesammelten Ergebnisse wurden als Eingangsdaten für numerische Betrachtungen verwendet. Eine Übersicht der Schichtkennwerte ist in der Tabelle 2 wiedergegeben. Die ermittelten Kennwerte entsprechen den in der Literatur angegeben Werten [8]. Tabelle 2: Experimentell ermittelte Schichtkennwerte
TiCN
Oberflächen- Schichrauheit tdicke Ra
E-Modul* Kritische Last im Scratchtest
Vickershärte Adähsionshärte
2,0 Pm
372 GPa
2751 HV
gut
1532 HV
gut
1323 HV
sehr gut
2Pm
**
30 N N***
TiC-TiN
1,4 Pm
5 Pm
373 GPa
50
DLC
1,9 Pm
1,2 Pm
160 GPa
5N
*
Der E-Modul wurde an Schichten bestimmt, die auf metallografisch polierte Proben aufgebracht wurden Ergebnis bezieht sich auf die Decklage TN *** Schicht erträgt Maximallast von 50 N **
Mit dem oben beschriebenen Eindringversuch wurde nicht nur die Adhäsionsneigung verschiedener Schichtsysteme beurteilt, sondern in Zusammenhang mit FEM-Simulationen auch die Abschätzung von Reibwerten vorgenommen. Der gewählte elastisch-plastische Ansatz zum Werkstoffverhalten spiegelte dabei die Verhältnisse der praktischen Versuche sehr gut wieder und führt zu Einpresskraft-Einpressweg-Verlaufskurven die den aufgezeichneten Maschinendaten der Presse entsprechen. Die numerisch berechnete Maximalkraft liegt nur etwa 4 % unter dem gemessenen Maximalwert von ca. 121 kN, was für die Realitätsnähe des Simulationsmodells spricht. Auch verschiedene geometrische Charakteristika stimmen sehr gut mit den gemessenen überein. Der berechnete axiale Einzug der Probenoberseite entspricht in Form und Größe den experimentell ermittelten Werten (Bild 7). Weiterhin zeigt sich eine präzise Übereinstimmung der Kontaktbereiche zum eindringenden Stempel. Sowohl im Experiment als auch in der
561 Simulation bildet sich zunächst ein Spalt zwischen dem Schaft des Stempels und dem Aluminiumwerkstoff aus. Im letzten Drittel des Umformvorgangs (ab ca. 10 mm Eindringtiefe) legt sich das Material wieder an den Stempel an. Dies führt zu der im Bild 6 dargestellten Verteilung des anhaftenden Aluminiums im oberen Bereich der Kontaktfläche. Die Simulationsberechnungen zeigen eine deutliche Abhängigkeit der beschriebenen geometrischen Formen von der Reibung zwischen Werkzeug und Werkstück. Durch Variation des angenommenen Reibwertes P in der Simulation gelingt es, die Werkstückendgeometrie für verschiedene Werkstoffe in guter Näherung nachzubilden. Die auf diese Weise ermittelten Reibwerte werden als Modellparameter bei der Analyse weiterer Umformprozesse, wie zum Beispiel Fließpressen, Querfließpressen und Stauchen verwendet.
Bild 7: Charakteristisches Verhalten des verformten Aluminiums beim Einpresstest; gemessene und berechnete Einpresskraft (links) für verschiedne Beschichtungen und Werkstoffe; Gegenüberstellung von simulierter und realer Endform einer Probe (rechts)
Das Bild 8 zeigt den Prozess des Vollvorwärtsfließpressens mit berechneten Werten für die Spannung, Scherspannung und Temperatur.
Bild 8: Simulation der Prozessbedingungen (Spannung, Scherspannung, Temperatur) in der Umformzone beim Vollvorwärtsfließpressen)
Diese Größen sind entscheidend für eine Materialauswahl der Beschichtungswerkstoffe. Im vorliegenden Fall konnte gezeigt werden, dass die getesteten Beschichtungen dem vorliegenden
562 Belastungsregime standhalten würden. Versagensvorgänge nach Überschreiten einer kritischen Belastung wurden dabei noch nicht simuliert. Die dazu erforderlichen Simulationsmodelle befinden noch sich in der Entwicklungsphase. Zur Verifizierung werden auch weitere experimentelle Untersuchungen mit einem speziell entwickelten Experimentator vorgenommen, mit dem unter hohen hydrostatischen Drücken Beschichtungen getestet und ihr Verhalten während des Umformvorgangs bewertet werden können.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Test mit verschiedenen Dünnschichtsystemen TiCN, TiC-TiN und DLC haben gezeigt, dass mit Hilfe angepasster Oberflächen adhäsiver Werkzeugverschleiß drastisch minimiert werden kann. DLC-Beschichtungen sind für das Umformen von Aluminiumlegierungen besonders gut geeignet, da sie eine hohe Verschleißbeständigkeit und gute Adhäsionseigenschaften miteinander kombinieren. Aufgrund der hohen Härtewerte und E-Moduli von TiCN und TiC-TiN bieten aber auch diese Werkstoffe ein hohes Potential zur Werkzeug-oberflächenveredelung, insbesondere dann, wenn partikelverstärkte Aluminiumlegierungen für eine erhöhte abrasive Belastung sorgen. Die Schichteigenschaftscharakterisierung mittels Scratch- und Nanoindentertest haben die kritischen Belastungsgrenzen für die Schichtsysteme aufgezeigt. Die gesammelten Ergebnisse wurden als Eingangsdaten für die Simulation des Einpresstests benutzt. Dabei wurden zum realen Umformvorgang vergleichbare Ergebnisse numerisch berechnet. Dadurch konnte die Grundlage zur Simulation von komplexen Umformprozessen und dem Verhalten beschichteter Werkzeuge erarbeitet werden. In zukünftigen Arbeiten werden die Schichten mit Hilfe eines speziellen Experimentators hohen hydrostatischen Drücken ausgesetzt, um ein noch tiefgreifenderes Prozessverständnis zu entwickeln und Gestaltungsrichtlinien für beschichtete Werkzeuge abzuleiten.
6
Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung der vorliegenden Arbeit im Rahmen des SFB 692.
7 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
Literatur VDI-Richtlinie VDI 2840 (Entwurf);VDI-Handbuch Werkstofftechnik, 2004. Schürer, C.; Filary, G.; Blech, Rohre, Profile, Band 38, 1991, Seite 776–777. Reisel, G.; Wielage, B.; Steinhäuser, S.; Hartwig, H., Diamond and Related Materials, Vol. 12, 2003, Seite 1024–1029. Spaltmann, D.; Löhr, M.; Binkowski, S.; Kelling, N.; Soltwedel, R.; Woydt, M.; Santner, E., Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, Band 36 , 2005, Seite 62–68. Reisel, G.; D.-Reisel, Annett, Diamond and related materials, 2007. Podgornik, B.; Hogmark, S, Journal of Materials Processing Technology, Band 174, 2006. Horng, Y.; Hung, C.-C.; Yih, W.-J.; Shyong, L., Materials Science and Engineering, Band 427, 2006, Seite 268–273. Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF: www.cvd-diamant.de.
563
Oberflächenschichten als Verschleißschutz auf CFK-Komponenten und CFK-Produktionsformen M. Meyer, S. Bürkner*, D. Jonke, M. Englhart EADS Deutschland GmbH, Innovation Works, Ottobrunn, *Premium Aerotec, Augsburg
Die zunehmende Verbreitung von CFK stößt in kritische Anwendungsbereiche vor, die dessen Verschleiß- und Oberflächenschutz erforderlich machen. Im abgeschlossenen national geförderten Projekt "ProCFK" wurden verschiedene Methoden zum Aufbringen von Oberflächenschutz auf großen CFK-Strukturen untersucht und unter den extremen Anforderungsbedingungen erprobt, wie sie an CFK-Produktionsformen gestellt werden. Als erfolgversprechende Schutzsysteme für CFK-Oberflächen wird das Thermisch Spritzen, die stromlose Nickelabscheidung und das Einlaminieren von Folien weiterverfolgt.
1
Einleitung und Zielsetzung
In der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie im Boots- und Windenergieanlagenbau mit ihren geringen „individuellen“ Stückzahlen an CFK-Bauteilen und großen Formwerkzeugen ist der Druck auf die Werkzeugkosten enorm gestiegen. Werkzeuge aus hochfesten bzw. faserverstärkten Kunststoffen, in denen Bauteile aus Kunststoffen gefertigt werden, sind kostengünstig herstellbar auch für die Produktion komplexer Bauteile. Wegen ihrer begrenzten Haltbarkeit (hoher Verschleiß der Oberfläche) werden diese Formen überwiegend in der Prototypenfertigung und nur bedingt in der Produktion eingesetzt. Diese Arbeit fokussiert, welchen Beitrag neue Schichtsysteme und Oberflächen leisten können, um die Lebensdauer dieser CFK-Formen zu erhöhen.
2
Stand der Wissenschaft und Technik
2.1
CFK-Bauteilproduktion in Ni36-Formwerkzeugen
Für die Produktion großer Bauteile in der Luft- und Raumfahrtindustrie, wie z.B. die Produktion des SeitenleitwerBild 1: Schale aus Ni36 für Formen zur Herstellung der CFK-Seitenleitwerksteile des Airbus A330-200, Quelle: ThyssenKrupp VDM.ks eines A330-200 (1), hat sich Ni36 sogen. Invarstahl als Formenmaterial durchgesetzt. Der Werkstoff hat sich wegen seines geringen Längenausdehnungskoeffizienten (3 · 10–6 K–1) im Bereich zwischen –250 °C bis +200 °C in zahlreichen Werkzeug- und Formenbau-Anwendungen bewährt. Ni36 ist schwer zu zerspanen, was im Formenbau zu höheren Herstellkosten führt. Die hohe Wärmekapazität bei großen Formen verlängert den Aushärteprozess bei 180 °C im Autoklaven.
564 2.2
Einsatz von CFK-Formen
In der Luftfahrtindustrie werden Formen zur Herstellung von CFK-Bauteilen immer größer und komplexer und müssen schon aus diesem Grund aus leichteren Materialien gefertigt werden, anstatt aus dehnungsadaptierten, teuren, Ni36-Stählen. Werkzeuge aus Faserverbundkunststoffen (Bild 1) in denen Bauteile aus Faserverbundkunststoffen (FVK) gefertigt werden, zeigen eine hohe Verträglichkeit der Materialien untereinander (geringe Differenz in thermischer Expansion, Wärmeleitfähigkeit und Verzug). Sie sind im Vergleich zu Stahlformen sehr leicht herzustellen und in vielen Fällen sogar von einem (Ur-)Modell direkt abzuformen. Derartige Werkzeuge aus CFK werden im Prototypenbau bereits eingesetzt. Allerdings degradieren CFKFormen auf Epoxidmatrix schnell was sich in Harzausbrüchen aus der Oberfläche der Form bemerkbar macht: freies Harz an der Oberfläche hat einen wesentlich höheren thermischen Ausdehnkoeffizienten als das fasergebundene Harz. Diese mangelnde Verschleißbeständigkeit behindert den produktionstechnischen Durchbruch der CFK-Formen in der Herstellung neuer Faserverbundwerkstoffe. Der Verschleißschutz muss als Konstruktionselement haftfest in die Formoberfläche integriert werden. Dies kann prinzipiell durch Abformen oder durch Auftrag geeigneter Schichtsysteme erfolgen (s. Kapitel 3.1). Durch Abformen vom Modell (vergleichbar „inmould“-Verfahren beim Spritzguss) können prinzipiell spezielle Anstriche, so genannte Gelcoats und/oder feine Fasermatten (Karbon-Vlies) in die CFK-Formoberfläche eingewirkt werden. Beide Möglichkeiten verhindern nur bedingt, dass sich die Struktur der darunter liegenden Fasermatten an die Oberfläche der Form durchdrückt bzw. abzeichnet. Verschleißbeständige Schichten auf großen, einfachen CFK-Bauteilen, z.B. Rollen und Walzen in der Papier-, Textil-, und Druckindustrie werden z.B. durch Thermisch Spritzen oder durch Hartverchromen realisiert.
Bild 1: Schale aus Ni36 für Formen zur Herstellung der CFK-Seitenleitwerksteile des Airbus A330-200, Quelle: ThyssenKrupp VDM.
565
Bild 2: CFK-Formenbau, Quelle: ACG Group
2.3
Anforderungen an CFK-Formen mit Verschleiß- und Trennmittelschichten
Die Anforderungen an den Verschleißschutz von CFK-Formen mit Epoxidmatrix ergeben sich aus der Tatsache, dass das Material, aus dem die Formen sind, nicht viel höher belastet werden kann als das der Bauteile, die darin gefertigt werden. Überall dort, wo das Trennmittel nicht in ausreichender Menge ist, bzw. in Bereichen, wo es nicht effizient wirkt, z.B. an Ecken und Kanten, treten beim Entformen lokal sehr hohe Kräfte auf, die Bauteil- und Formoberfläche verschleißen lassen. Primäres Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die CFK-Formoberfläche durch Beschichtung verschleißfester zu machen. Der höchstbeanspruchte Bereich bestimmt die Lebensdauer der Form. Das Trennmittel wird an diesen Stellen stark beansprucht und abgetragen. Umgekehrt ist der Verschleiß der Formoberfläche geringer je besser die Trennwirkung ist. Ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, auch das Trennmittel verschleißfester zu machen.
3
Herstellung von Verschleißschutzschichten
3.1
Methoden zur Applikation des Verschleißschutzes
Erster Schritt ist es, geeignete Beschichtungstechniken und deren Anwendungsmethodiken zum Aufbringen des Verschleißschutzes auf CFK-Formwerkzeugoberflächen zu finden. Die Techniken sollten sowohl bei der Werkzeugherstellung mit der Prepreg-Legetechnik als auch mit modernen Harzinjektionsverfahren (RTM) einsetzbar sein. Grundsätzlich können die meisten Verfahren in zwei Moden angewandt werden: Auftragender/beschichtender Modus: Die Schichtwerkstoffe werden direkt auf das CFKFormwerkzeug appliziert. Entsprechend dem Beschichtungsverfahren müssen die Substrate (CFK-Formwerkzeuge) vorbehandelt, z.B. vor dem Thermisch Spritzen gestrahlt werden. Als auftragende Verfahren wurden Thermisch Spritzen und galvanische Prozesse eingesetzt. Grundsätzlich gilt in diesem Modus, dass die Dicke der Verschleißschutzschicht bei der Werkzeugherstellung vorgehalten werden muss.
566 Abformender Modus (in mould): Der Verschleißschutz wird auf dem Modell abgelegt und ist nach dem Aushärten des Harzes in die CFK-Werkzeugoberfläche eingebettet bzw. abgeformt. Mit geeignetem Trennmittel muss verhindert werden, dass der abgeschiedene Verschleißschutz zu sehr auf der Oberfläche des Modells haftet, da er von dieser entformt werden muss.
3.2
Beschichtungsverfahren
Die Auswahl der Beschichtungsverfahren wird hauptsächlich dominiert durch die Forderung, CFK-Formwerkzeuge in Dimensionen von mehren Metern und komplizierten Geometrien beschichten zu können. 3.2.1 Thermisch Spritzen Das Thermisch Spritzen hat in den letzten zwanzig Jahren sowohl in der Neuteilfertigung als auch bei Reparaturen eine immer größere Bedeutung gewonnen. Mit dem Thermisch Spritzen besitzt die Oberflächenbeschichtungstechnik ein Verfahren, das viele positive Eigenschaften vereint. Die Gründe dafür liegen in den vielfältigen Verfahrensvarianten dieser Technologie. Insbesondere die große Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten von Grundwerkstoffen mit Schichtwerkstoffen lässt maßgeschneiderte Schutzschichtsysteme zu. Diese Flexibilität des Thermisch Spritzen in der Materialkombination erlaubt die Instandsetzung hochwertiger verschlissener Teile im Sinne einer Reparatur, etwa von Turbinenschaufeln. Für die Beschichtung auf CFK-Formen bzw. Modellen wurde hauptsächlich mit dem Lichtbogendraht-Spritzen sowie dem Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen gearbeitet. Ferner lassen sich mittels Thermisch Spritzen Bereiche, die einen stärkeren Verschleißschutz benötigen, lokal dicker oder modifiziert beschichten. In der Regel müssen alle thermisch gespritzten Schichten nachbearbeitet werden. Besonders sei auf die Mobilität der Lichtbogendraht-Spritzanlage hingewiesen. 3.2.2 Galvanisch chemische Verfahren (chemisch Nickel) Galvanisch chemische Elektrolyte, die ein Redox-System zur Metalabscheidung beinhalten, sind unabhängig von den üblicherweise benötigten Elektroden im Beschichtungsbad. Die metallische Beschichtung kann prinzipiell überall stattfinden, wo der Elektrolyt mit der Oberfläche in Kontakt kommt. Selbst in komplizierten Geometrien, wie z.B. Bohrungen und Hinterschneidungen ist dies möglich. Derartige Elektrolytsysteme, inklusive deren Badführung und Aufarbeitung, werden hauptsächlich für Nickel aber auch für andere Metalle angeboten. Die Abscheidung von chemisch Nickel ist auf metallischen Formen im Spritzgussbereich bekannt. Die EADS Space Transportation verfügt über große Badanlagen und das Know-how zur galvanischen und chemischen Abscheidung von Nickel. Die chemisch Nickel-Schichten werden im allgemeinen in einer Dicke bis 20 μm bei ca. 90 °C Prozesstemperatur abgeschieden. Sie bilden auf Grund ihrer Defektarmut und großen Homogenität einen guten Korrosionsschutz. Auf Kunststoffen – und im besonderen Fall der Abscheidung auf CFK-Werkzeugoberflächen – bedarf die Ni-Abscheidung einer besonderen Vorbehandlung: Diese geht von der mikroskopischen Aufrauung bis zur (plasma-)chemischen Aktivierung und wird nur von wenigen Beschichtern beherrscht.
567 3.2.3 Einbettung von Folien und Vliesen als Korrosionsschutz Bei der Einbettung von feinfaserigen Vliesen an der Oberfläche kann dort der Feststoffgehalt an der CFK-Oberfläche erheblich erhöht werden. Das Oberflächenharz bleibt in dem Vlies gebunden. Dadurch werden die Ausbruchsicherheit des Harzes und die Verscheißfestigkeit der Oberfläche erhöht, was besonders im CFK-Formenbau vorteilhaft ist. Die Vorbehandlung der Vliese ist auf eine maximale Anbindung an das Harz ausgelegt. Bei einfachen Geometrien, die nur eindimensionale Krümmungen aufweisen, können Folien einlaminiert werden. Bei anderen Geometrien wird das Einbetten der Folien und Vliese durch ihre Drapierbarkeit begrenzt. Entscheidend für die Verbindung der Folien mit dem Harz ist ihre Vorbehandlung. Die Aufrauung, die die physikalische Verankerung bewirkt und die (plasma)chemische Aktivierung, die eine chemische Anbindung zum Harz herstellt, müssen optimal aufeinander abgestimmt sein.
4
Voruntersuchungen an beschichteten CFK-Proben
Die qualitative Bewertung der Verschleißschutzschichten erfolgt nach den Kriterien der thermische Stabilität des Verbundsystems Schicht/Substrat, der Haftfestigkeit auf dem CFK-Substrat und der mechanische Bearbeitbarkeit bzw. Finishing und Reparaturverhalten. In einfachen Modellprüfungen wurde eine erste Auswahl geeigneter Beschichtungen getroffen. In produktionsnahen Bauteilabformungen, die praxisnäher und dadurch zeitaufwändiger sind, wurden diese Schichten später eingehender auf ihre Eignung als Verschleißschutz untersucht, bevor sie schließlich auf echte Produktionsformen appliziert wurden. Für die Bestimmung der Haftzugfestigkeit werden im Stirnzugversuch die Probenform sowie der Probendurchmesser, im hier vorliegenden Fall Ø = 25 mm, festgelegt. Alle geprüften CFK„Knopfproben“ wurden im schonenden Verfahren durch Wasserstrahlschneiden aus dem CFKVerbund herausgetrennt. Zum Probenaufbau gehören der untere Stempel (Probenteil), welcher mit der unbeschichteten Seite der CFK-„Knopf“-Probe verklebt wird. Der obere Stempel (Abziehkörper) wird auf die Spritzschicht geklebt. Beim Stirnabzug-Test wird der Verbund durch eine senkrecht zur Haftverbindung wirkende Kraft F getrennt. Das Prinzip der Prüfung ist in Bild 3 dargestellt. Die Haftzugfestigkeit RH ist die im Stirnzugversuch ermittelte Festigkeit, die sich ergibt aus dem Quotienten der Höchstkraft und dem Probenquerschnitt. Die Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der Temperaturzyklisierung bis 220 °C. Die Proben wurden optisch auf Delaminationen und Risse untersucht und entsprechend dem Schadensbild einer Kategorie zugeordnet: (+) „keine sichtbare Oberflächenveränderung“, (0) „farbliche Veränderungen der Schicht“ oder (-) „partiell Risse und Delaminationen sichtbar“. Die meisten Beschichtungen zeigen keine Schädigung nach 100 Zyklen.
568
Bild 3: Ergebnisse der besten Haftzugfestigkeiten Tabelle 1: Bewertung nach 100 Temperaturzyklen von RT bis 220 °C
Nr.
Schichtmaterial
Bewertung
Chemisch Nickel, aufg.
+
8
Zink+Invar, abf.
+
9
Zink/Invar, abf.
+
5
Zink/Bronze, abf.
+
57
Zink, aufg.
+
61
PPS+SiC, aufg.
+
58
PPS
+
59
CuSiC20, aufg.
0
60
AlSi12
0
16
Invar Lochmaske
–
5
Versuche zur Bewertung des Upscaling des Beschichtungsprozesses
5.1
Verschleißschutz durch abformenden Modus mittels Thermisch Spritzen
Aufgrund der Ergebnisse der grundlegenden Tests zur Bewertung der Materialeigenschaften der Schichten als auch der Komponententests – um die Machbarkeit der Beschichtungsverfahren zu bewerten – wurde das Thermisch Spritzen für eine abformende Beschichtung von einem großen Modell und einem komplexen Modell ausgewählt. Das Bild 4 zeichnet den Weg der abformenden Beschichtung nach, angefangen bei den Coupon-Tests bis hin zur komplexen und großen Form. Die anfänglichen Beschichtungen auf Couponproben dienen der grundlegenden und wissenschaftlichen Charakterisierung der Schicht- und Materialeigenschaften. Ein direkter Transfer der Beschichtungsparameter von Couponproben auf sehr große Bauteile bzw. Formen
569 ist nur in den seltenen Fällen möglich. Üblicherweise wird ein Teil des großen Bauteils bzw. Forms oder eine abbildungsähnliche kleinere Komponente beschichtet und getestet. Die hier verwendeten Komponenten beinhalten Geometrien und Bereiche der späteren CFK-Form, die nicht sehr beschichtungsfreundlich sind bzw. an denen die Güte der Beschichtung erst erprobt, nachgewiesen und bewertet werden muss. Diese iterative Vorgehensweise ist zu empfehlen, da das Risiko eine große Form auf Anhieb gut zu beschichten zu groß und damit zu teuer ist. Anhand einiger typischer Formgeometrien, deren Beschichtung in Bild 4 aufgeführt sind, wurden die Aufskalierbarkeit der Thermisch gespritzten Zink/Invar als abformende Beschichtung und Chemisch Nickel als auftragende Beschichtung bewertet werden. Ein Großteil der Erfahrung, die an dem abgeformten Verschleißschutz der komplexen Form gemacht wurden, konnten auf die große Form übertragen werden (siehe Bild 5).
Bild 4: Optimierung der Beschichtungsverfahren begleitet durch Komponentenversuche
Bild 5: Ablegen des Verschleißschutzes auf ein großes Modell, das anschließend mit prepregs belegt und ausgehärtet wurde.
Der Auftrag der Verschleißschutzschicht konnte wegen der fehlenden Programmierzeit nicht mehr automatisiert werden. Der Programmieraufwand wäre für eine Abformung zu aufwändig
570 gewesen; außerdem stand ein Roboterarm stand nicht zur Verfügung. Das Thermisch Spritzen per Hand ist im Allgemeinen ungleichmäßiger als mit dem Roboter.
5.2
Beschichtung einer komplexen bestehenden Versuchsform mit chemisch Nickel (auftragender Modus)
Aufgrund der Ergebnisse der grundlegenden Tests zur Bewertung der Materialeigenschaften der Schichten als auch der Komponententests um die Machbarkeit der Beschichtungsverfahren zu bewerten, wurde chem. Nickel für eine komplexe Versuchsform ausgewählt, ca. 1 × 2 × 0,3 m (siehe Bild 6). Die Applikation der Schicht fand aber nicht wie allgemein üblich in einem großen Ni-Bad statt, sondern – bedingt durch die Größe der CFK-Form – wurde der Elektrolyt in die Form eingegossen. Die zur Abscheidung benötigte Infrastruktur wurde an der Form befestigt und bei der Fa. AHC durchgeführt. Diese Beschichtungsvariante hat u. a. den Vorteil, dass die gewonnenen Erkenntnisse auf sehr viel größere Bauteile angewendet werden können. Insbesondere wenn kein Bad mit entsprechend großem Volumen mehr verfügbar ist. Derzeit entwickelt die Beschichtungsfirma AIMC Elektrolytlösungen, die bei Raumtemperatur betrieben werden und eine Aufskalierung auf sehr große Formen erlauben.
Bild 6: Chemisch vernickelte CFK-Formen
6
Ausblick
Die Abformung des Verschleißschutzes auf CFK-Oberflächen in Verbindung mit den neueren Harzinfusionsverfahren hat hohes Potential Schutzschichten auf komplexen und großen CFKBauteilen und -Formen zu realisieren und damit Zugang zu neuen Anwendungen zu eröffnen.
571
Kostenreduzierung von Aluminiumschaumbauteilen Thümmler, R.; Schneider, F.; Vogel, R. Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik, Chemnitz
1
Einleitung
Am Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik werden seit ca. 10 Jahren insbesondere hochdynamische Werkzeugmaschinenbaugruppen mit Hilfe metallischer Schäume in ihren Eigenschaften verbessert. Mittlerweile konnten mehrere Prototypen in Serienprodukte übergeleitet werden. Um jedoch einen noch größeren Anwenderkreis zu erschließen, müssen die Herstellkosten des Materials und der Bauteile selbst erreicht werden. Ausgehend von der pulver-schmelzmetallurgischen Route (Bild 1) konnte hierzu zum einen ein Schritt innerhalb der Vormaterialherstellung und zum anderen zwei Schritte in der Bauteilgenerierung umgesetzt werden.
Bild 1: Konventionelle pulver-metallurgische Prozessroute der Metallschaumherstellung
2
Schwenkbarer Rezipient
Durch die Zusammenfassung der bisher in getrennten Maschinen stattfindenden Prozessschritte Vorkompaktieren und Strangpressen konnte die Vormaterialherstellung deutlich vereinfacht werden. In Kooperation mit einem Industrieunternehmen wurde hierfür eine Strangpresse mit schwenkbarem Rezipient und Pulvervorratsbehälter entwickelt (Bild 2). Das gemischte Pulver (z. B. AlMg1Si0,5 + TiH2) kann auf einer Anlage erwärmt, vorkompaktiert und anschließend direkt stranggepresst zu werden. Gleichzeitig soll durch den Einsatz eines Vorratsbehälters und eines automatisierten Beschickungssystems eine schnellere Strangherstellung ermöglicht werden.
572
Bild 2: CAD-Modell der Strangpresse mit schwenkbarem Rezipient
In Bild 3 ist schematisch die Arbeitsweise der Anlage verdeutlicht. Im ersten Schritt wird noch kaltes Pulver in einen beheizten 6-Kammer-Revolver eingebracht, auf Presstemperatur erwärmt und anschließend mittels eines Vorpresszylinders in den Rezipient der Strangpresse ausgestoßen und vorkompaktiert. Nachdem der Revolver angehoben wurde, vollzieht der Rezipient eine 90°-Drehung und es wird ein konventioneller indirekter Strangpressvorgang durchgeführt.
Bild 3: Ablaufschema des Strangpressens mit schwenkbarem Rezipienten
Die Vereinfachung der Prozesskette bewirkt eine deutliche Produktionszeit- und Kostensenkung bei der Vormaterialherstellung ohne dabei die Vorteile des konventionellen Strangpressens zu verlieren. Da die im Forschungsprojekt geplanten Prozessuntersuchungen noch ausstehen (die Maschine wird derzeit aufgebaut), können noch keine genauen Angaben zur Kostenersparnis gemacht werden. Voraussichtlich Juni 2009 wird das Projekt beendet sein
3
PolyFoM®
Eine weitere Neuentwicklung betrifft die Optimierung der Vorbereitungschritte der Metallschaumherstellung und wird unter dem Namen PolyFoM® (Polymorphic Foamable Material) geführt [1]. Bisher musste das stranggepresste schäumbare Vormaterial definiert zugeschnitten und in den für die gewünschte Schaumdichte notwendigen Mengen berechnet in eine Form eingelegt werden.
573 PolyFoM® ermöglicht eine Vereinfachung der Prozessvorbereitungen durch die Einbringung des Vormaterials als Schüttgut. Bei Verwendung variierender Schüttgutgeometrien und Schüttgutgrößen lässt sich die gewünschte Schaumdichte durch ein vollständiges Befüllen des jeweiligen Formkörpers bzw. der Schäumkokille einstellen.
Bild 4: Ablaufschema der PolyFoM®-Technologie
Die Schüttung (samt Kokille) wird nun wie im konventionellen Prozess erwärmt. Dabei schäumen die Einzellkörper (Bild 5) auf und verbinden sich zu einer homogenen Schaumstruktur.
Bild 5: Beispiele für PolyFoM®-Geometrien und eine zum Schäumen gefüllte Kokille
Die Werkstoffeigenschaften dieser PolyFoM®-basierten Aluminiumschäume unterscheiden sich nur bezüglich ihres Verhaltens im Druckversuch. Auffällig ist hier das deutlich flacher verlaufende Plateau. Dies führt zu einer in Summe geringeren Energieaufnahme, jedoch zu einer höheren Energieabsorbereffizienz (Bild 6).
Bild 6: Effizienz der Energieabsorbtion
574 In den Bildern 7 und 8 sind Druckkurven von konventionellen (obere 3 Kurven) und PolyFoM®-basierten (untere Kurvenschar) Schäumen mit der jeweiligen Energieaufnahme (farbige Fläche unterhalb der Kurve) zu sehen.
Bild 7: Absorbereffizienz herkömmlicher Aluminiumschäume [1]
Bild 8: Absorbereffizienz PolyFoM®-basierter Aluminiumschäume [1]
Mit Hilfe der PolyFoM®-Technologie sind in Abhängigkeit des zu schäumenden Bauteils zwischen 10 % bis 50 % Herstellkostenersparnis zu erwarten.
575
4
RIFF – Rapid Infrared Foaming metallischer Formteile [2]
Als weiterer Schritt der Kostenreduzierung und Bauteilqualitätsverbesserung wird derzeit am Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik eine Infrarot-Schäumanlage aufgebaut, welche in dem SAB-Forschungsprojekt „Rapid Infrared Foaming von metallischen Formteilen im Industriemaßstab“ in Kooperation mit der Firma XERION® entwickelt wurde. Ziel des Projekts war es, großformatige Panels wie z. B. Sandwiches und Schaumplatten kostengünstig herstellen zu können. Der am Chemnitzer Institut vorrangig genutzte pulvermetallurgische Prozess zur Schaumherstellung benötigt eine sehr große Wärmemenge um den eigentlichen Schäumvorgang zu bewirken. Hierfür wurden bisher zwei große Kammeröfen (Bild 9) genutzt, welche jedoch einige Nachteile aufweisen. Zum einen ist die Art des Wärmeeintrags nachteilig, welche zum Großteil auf Konvektion beruht und weniger effektiv als beispielsweise Strahlung ist. Andererseits muss für jedes zu schäumende Bauteil unabhängig seiner Größe der komplette Ofen aufgeheizt werden.
Bild 9: elektrisch beheizte Kammeröfen
Bild 10: die Erwärmung des kompletten Ofens erfordert sehr viel Energie
Das Ziel der Infrarot-Schäumanlage ist es, weitere Anwendungsgebiete für Metallschaum zu erschließen. Es wird kein geschlossener Kammerofen mehr benötigt und statt Konvektion do-
576 miniert Strahlung den Erwärmungsprozess. Die durch die Anlage bestrahlbare Bauteilfläche beträgt 2500 mm × 1250 mm, welches das „Mittelmaß“ bei Standardblechen darstellt. Letztlich ist es Ziel des Projekts, Metallschaumsandwiches und – Platten dieser Größe zu schäumen. Ein weiterer Punkt der Akzeptanz von Metallschaumbauteilen sind niedrige Kosten, welche über die Senkung laufender Betriebskosten erreicht werden können. Durch die modulare Konstruktion der Anlage kann der Energieeinsatz dem jeweils zu schäumenden Bauteil gut angepasst werden. Insgesamt sind 60 Strahler in zwei Ebenen oberhalb und unterhalb des Nutzraumes angeordnet (Bild 11). Über eine intelligente Steuerung kann jeder Strahler separat geschaltet werden. Dies ermöglicht eine homogene Temperaturverteilung im Bauteil und damit eine verbesserte Bauteilqualität.
Bild 11: Prototyp der Infrarot-Schäumanlage
Um dies zu erreichen, wurden im Vorfeld der Anlagenauslegung verschiedene Simulationen des Erwärmungsprozesses durchgeführt. Dabei spielten Parameter wie Abstand wischen Strahlungsquelle und -empfänger, Abstand der Strahler untereinander und die Strahlertemperatur eine wichtige Rolle. In der Variation der Parameter innerhalb eines festgelegten Bereichs konnte zwar keine optimale Lösung für alle Szenarien gefunden werden, jedoch einige sehr gute Kombinationen. Das Anlagenmodell und eine resultierende Temperaturverteilung im Bauteil sind in den Bildern 12 und 13 zu sehen. Man kann sehr gut sehen, dass die Strahler an den Rändern eine höhere Temperatur haben sollten. Diese Erscheinung lässt sich mit der verstärkten Abstrahlung des Bauteils an den Rändern erklären. Die Simulations- und Messergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit einer präzisen und selektiven Steuerung der Strahler. Alle genannten Fakten zeigen die Vorteile der Infrarotstrahlungserwärmung, welche sich in kürzeren Produktionszeiten, höherer Energieeffizienz und besserer Bauteilqualität niederschlagen.
5
Zusammenfassung
In Summe tragen die verschiedenen Entwicklungen am Institut innerhalb der Vormaterialherstellung, Kokillenbefüllung und letztlich des Schäumvorganges selbst zu einer signifikanten Kostenreduzierung von Metallschaumbauteilen bei. Hauptsächlich die Kostenfaktoren Produktionszeit (schwenkbarer Rezipient, PolyFoM®) und Energieeinsatz (RIFF) können erheblich gesenkt werden. Da noch keines der genannten Projekte gänzlich abgeschlossen und die
577
Bild 12: Simulationsmodell der Anlage
Bild 13: Temperaturverteilung in einer Schaumplatte
Verfahren und Anlagen unter realitätsnahen Bedingungen einer Produktion untersucht wurden, kann noch keine verlässliche Größe der Gesamtkostenreduzierung gegeben werden. Erst nach Abschluss der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen können darüber zumindest Prognosen erstellt werden, was frühestens Mitte 2009 zu erwarten ist.
6 [1] [2]
Literatur R. Schubert: Eigenschaftsanalyse partikelbasierter Metallschäume für Werkzeugmaschinenbaugruppen, Diplomarbeit, TU-Chemnitz, 2007, S. 45– 50. F. Schneider: Technologische Untersuchungen zum Schäumen großformatiger Bauteile mit Infrarotstrahlung, Forschungsbericht, SAB-Förderkennzeichen 11140/1739, FhGIWU, 2007.
578
Glas-Kunststoff-Hybridelemente – Einsatz und Werkstoffeigenschaften M. Göbel, J. Hildebrand, F. Werner Bauhaus-Universität Weimar
1
Einleitung
Transparente Glaskonstruktionen werden in immer größerem Umfang und unter Nutzung modernster Tragsysteme im Bauwesen eingesetzt. Experimentelle Untersuchungen zeigten, dass tragende Glas-Kunststoff Hybridträger möglich und für die Herstellung des Verbundes zwischen Glas und Kunststoff geeignete Klebstoffe vorhanden sowie Oberflächenvorbehandlungen nutzbar sind. Kunststoffe, die sowohl transparent als auch hoch duktil sein können, bieten die Möglichkeit, neuartige Konstruktionselemente als Koppelglied zwischen Glasscheiben sowie als Verbindungselemente zwischen verschiedenen Querschnittsteilen von Profilen bzw. Bauwerksteilen zu entwickeln. Erkenntnisse zum Tragverhalten, zur Herstellungstechnologie, zur Dauerhaftigkeit und zur Robustheit bilden eine notwendige Voraussetzung, um einerseits eine zielführende Entwicklung solcher Elemente zu gewährleisten und andererseits Bemessungsgrundlagen für einen konstruktiven Einsatz aufzustellen. Ziel ist es, ein dauerhaft transparentes und über den Nutzungszeitraum tragfähiges Element unter Verwendung von Glas und Kunststoff herzustellen. Gegenwärtig stehen eine Vielzahl von hochwertigen Glas- und Kunststoffarten zur Verfügung. Die Auswahl eines geeigneten Klebstoffes insbesondere beim großflächigen Zusammenkleben der beiden Werkstoffe zu Scheiben stellt eine zentrale Aufgabenstellung dar. Weiterhin muss eine Technologie entwickelt werden, die es gestattet, eine dauerhafte, möglichst spannungsarme und optische ungestörte Verbindung herzustellen. Umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten werden innerhalb eines DFG-Forschungsvorhabens mit verschiedenen Einrichtunge1n realisiert.
2
Anwendung von Glas-Kunststoff-Hybridelementen
2.1
Konstruktion transparenter Tragelemente
Im Bereich der Ganzglaskonstruktionen ist es das Ziel zu zeigen, dass tragende Glaskonstruktionen mit Verzicht auf jegliche Trag- und Verbindungselemente aus Metallen, die Transparenz und Dauerhaftigkeit der Konstruktionen einschränken, realisierbar sind. Eine zweigeschossige 1
TU Dresden: Prof. Weller, Dipl.-Ing. Härth: Untersuchungen zur Glaskantenfestigkeit; TU Dresden IOF: Dr. Jansen, Dipl.-Ing. Müller: Untersuchung von Adhäsionseigenschaften; TITK Rudolstadt: Dr. Nechwatal, Dipl.-Ing. Müller: Untersuchung von Kunststoffen
579 Vollglaskonstruktion [2] (siehe Abbildung 1) lieferte wesentliche Erkenntnisse zum Tragverhalten von Stützen-Riegel-Konstruktionen im Zusammenwirken mit Wand- und Deckenscheiben. Die Problematik der Verklebung mehrerer tragender Elemente mittels einer Naht aus Silikon-Klebstoff ließ sich am Objekt in technischer Sicht bearbeiten und im Langzeitversuch hinsichtlich Dauerhaftigkeit studieren. Die Untersuchungen verdeutlichen auch den dringenden Bedarf an konstruktiv optimalen Querschnitten, wie z. B. T- oder Doppel-T, um effektive Tragkonstruktionen mit minimalen Abmessungen realisieren zu können. Eine weitere Erkenntnis bezieht sich auf die Möglichkeiten des Fügens von Wand- und Tragelementen, die bisher sowohl eine statische als auch gestalterische Schwachstelle darstellen, da die verwendeten Werkstoffe die Transparenz deutlich stören oder lokale Beanspruchungen (metallische Sicherungselemente) hervorrufen.
Abbildung 1: Ganzglaskonstruktion eines Wintergartens; Einsatz von Glas-Kunststoff-Hybridelementen als tragende Bauelemente
Ausgehend von diesen Erfahrungen wurden grundlegende Untersuchungen zur Möglichkeit der Gestaltung von Glas-Kunststoff-Hybridverbindungen geplant (siehe 2) und an Versuchskörpern realisiert.
2.2
Konstruktion einer Treppe
In Zusammenarbeit mit mehreren Industriefirmen aus Thüringen konnte mit entwickelten GlasKunststoff-Hybridelementen eine Treppe mit einer Glas-Kunststoff-Wange entworfen und praktisch umgesetzt werden (siehe Abbildung 3 links) [3]. Die gebogenen Gurte der transparenten Wange stellen eine konstruktive sowie fertigungstechnische Herausforderung dar. Die geo-
580 metrische Querschnittsgestaltung des sehr leichten Biegeträgers, der aus 5 mm dicken Glasund Kunststoffscheiben aufgebaut ist, ergibt sich auf Grund der vorgegebenen Belastungen für Treppen im öffentlichen Bereich. Die Stufen bestehen aus Glas-Edelstahl Hybridelementen. In Abbildung 3 rechts wird der Kontrast zwischen der transparenten, eleganten Wange aus Glas-Kunststoff und der massiv wirkenden Wange aus Stahl deutlich.
Abbildung 2: Querschnittsaufbau von Hybridelementen
Abbildung 3: Herstellung und Konstruktion der Treppe; links: wichtige Herstellungsschritte; rechts: Gesamtkonstruktion
Für das Zusammenkleben der einzelnen Bauteile zur endgültigen Konstruktion kamen auf Grund der unterschiedlichen Verbindungen bzw. Materialkombinationen fünf verschiedene
581 Klebstoffsysteme zur Anwendung. Die erste aus Glas- Kunststoff-Metall- Hybridelementen hergestellte Treppe zeigt, dass durch Einsatz von ausgewählten Klebstoffen ein dauerhafter Verbund zwischen verschiedenen Materialien realisiert werden kann, wobei die Größe der Konstruktion bei Anwendung geeigneter Verbindungssysteme kaum begrenzt ist.
2.3
Konstruktion einer Kuppel
Eine Kuppel – 2300 mm Durchmesser und 910 mm Höhe – mit 12 Rippen, die aus Hybridelementen Floatglas-Polycarbonat (4 mm Glas-4 mm Kunststoff-4 mm Glas) bestehen, stellt eine weitere Experimentalkonstruktion dar (siehe Abbildung 4) [3]. Die 50 mm hohen Rippen werden im Scheitelpunkt durch ein monolithisches Zentralelement aus transparentem Kunststoff miteinander verbunden und in einem Fußring, der aus mehreren Schichten Glas und Kunststoff aufgebaut ist, fixiert. Die Hülle wird durch geometrisch angepasste VSG-Scheiben – 2 × 4 mm –, die auf die schmale Seite der Rippen geklebt werden, komplettiert. Unterschiedliche horizontale Aussteifungen, z. B. einfache ebene Platten oder Schraubverbindungen (Abbildung 4), zwischen den Rippen gestatten Analysen räumlicher Anschlussvarianten der Elemente. Die Kuppelkonstruktion verdeutlicht, dass eine geometrisch komplexe, tragfähige Struktur ohne metallische Verbindungselemente hergestellt werden kann. Die Möglichkeit der feinmechanischen Bearbeitung von Kunststoff bietet ein weites Feld neuartig gestaltender Verbindungsdetails mit hoher Maßhaltigkeit auch bei komplizierten Geometrieformen.
Abbildung 4: Kuppelkonstruktion aus Glas-Kunststoff-Hybridelemente; links: Details; rechts: Gesamtkonstruktion
Die Herstellung dauerhafter und robuster Bauwerke, die eine praktische Anwendung erfahren sollen, erfordert allerdings noch umfangreiche Untersuchungen auf dem Gebiet der Materialien, deren Verbindungen und der Bauelemente.
3
Untersuchungen an Verbundkomponenten
Bei der Untersuchung der mechanischen Eigenschaften der Verbundkomponenten des Hybridsystems wird unterschieden in:
582 • Glas • Kunststoff • Klebfuge / Glas-Kunststoff bzw. Kunststoff-Kunststoff Bei der Betrachtung der mechanischen Materialeigenschaften des Glases kann aufgrund des wesentlich höheren E-Moduls von Glas (E = 70 000 N/mm²) im Vergleich zum Kunststoff (E | 1500–3000 N/mm²) von einem weitgehend ideal-elastischem Materialverhalten für das Glas ausgegangen werden. Die Festigkeit des Glases ist dabei stark von der Qualität der Glaskante abhängig. In experimentellen Untersuchungen werden Flachgläser mit unterschiedlicher Kantenqualität, wasserstrahlgeschnitten geschliffen und poliert, analysiert. Die Festigkeit der geschliffenen Glaskante übersteigt die Festigkeit der wasserstrahlgeschnittenen Glaskante dabei sehr deutlich. Die Untersuchung des Kunststoffes erfolgt in einem umfangreichen experimentellen Programm. Dabei wird in einem Kurzzeit-Belastungsversuch an Zugstäben nach DIN EN ISO 5274 Last-Verformungsverhalten analysiert. Die Nutzung von zweiaxialen DMS (siehAbbildung 5: Versuchskörper für die Durchführung des einaxialen Zugversuchse 5) erlaubt zusätzlich die Bestimmung der Querkontraktions-Zahl und somit die Berechnung des Schub- und Kompressionsmoduls.
Abbildung 5: Versuchskörper für die Durchführung des einaxialen Zugversuchs
In Kriechversuchen an verschiedenen Kunststoffen werden zeitabhängige Materialeigenschaften untersucht. Aufgrund der belastungsabhängigen Materialantwort des Kunststoffs werden unterschiedliche Zugbeanspruchungen realisiert. Um Temperatureffekte auszuschließen, erfolgt die Versuchsdurchführung in vollklimatisierter Umgebung. Abbildung 6 zeigt den Versuchsaufbau für Polycarbonat bei einer einaxialen Beanspruchung von ca. 26 N/mm². Die Auswertung der mittels DMS ermittelten Versuchsdaten (siehe Abbildung 6 rechts) weist auf ein ausgeprägtes viskoelastisches Materialverhalten des Polycarbonats bei der gegebenen Beanspruchung unter Raumtemperatur hin. Die Kenntnis der Materialkennwerte bildet die Basis für eine numerische Analyse des Kunststoffes an komplexen Bauteilen. Dazu werden die experimentell ermittelten Materialparameter in ein numerisch erfassbares Materialmodell umgerechnet. Im vorliegenden Fall findet ein generalisiertes Maxwell Element Verwendung (Abbildung 7 oben links), um die viskoelastische Reaktion des Polycarbonats in guter Näherung abzubilden.
583
Abbildung 6: Bestimmung der mechanischen Materialeigenschaften von Polycarbonat im Kriechversuch
Abbildung 7: numerische Abbildung des mechanischen Materialverhaltens von Polycarbonat; links oben: generalisiertes Maxwell Modell; links unten: berechneter Dehnungsverlauf im Zugstab für unterschiedliche Zeitpunkte; rechts: experimentell ermittelte Dehnungen und der numerisch berechnete Dehnungen über die Zeit
Die Verifizierung des numerisch formulierten Materialmodells erfolgt über einen Vergleich mit den experimentell mittels DMS bestimmten Dehnungen in Längs- und Querrichtung über die Zeit. Der Vergleich zeigt sowohl qualitativ, als auch quantitativ eine gute Annäherung der Werte. Die hauptsächlich verwendeten Klebstoffe sind lichtaushärtende Acrylate und Epoxidharzklebstoffe. Diese Klebstoffe zeichnen sich durch hohe Festigkeiten und geringer Kriechneigung aus. Die Eigenschaften der Klebverbindungen werden für verschiedene Klebstoffe experimentell bestimmt. Dazu wird eine Laschenklebung (siehe Abbildung 8 links) hergestellt und in einem Versuch auf Schub beansprucht. Die während des Versuchs fortlaufend durchgeführte Messung der Kraft und Verschiebung erlaubt eine Analyse der elastischen und plastischen Tragkapazität der Adhäsionsverbindung. Bei der numerischen Untersuchung der Adhäsionsverbindung wird von einer geringen Klebschichtdicke ausgegangen. Die Modellierung erfolgt mittels Interface-Elementen, die eine Beschreibung des lokalen Versagens der Adhäsionsverbindung bei Überschreitung eines kombinierten Grenzkriteriums aus Grenzspannung und Grenzverformung ermöglichen.
584 Die Auswertung der experimentellen Daten eines UV-härtenden Acrylats im Vergleich mit einer numerischen Analyse zeigt Abbildung 8. Die Übereinstimmung der Werte kann in qualitativer und quantitativer Hinsicht als gut bis sehr gut bezeichnet werden. Die durchgeführten Experimente mit Acrylatklebstoffen verdeutlichen die Bandbreite der mechanischen Eigenschaften verschiedener Klebstoffe, die Verbindungen von hochfest spröde, bis zu duktil und mittelfest ermöglichen. Die Implementierung der Klebschichteigenschaften in numerische Modelle gestattet aussagefähige Analysen des Tragverhaltens geklebter Hybridbauteile. Dies stellt eine wesentliche Hilfestellung bei der Auswahl eines für die spezifische Problemstellung optimalen Klebsystems dar.
Abbildung 8: Scherfestigkeit von Klebverbindungen Glas–Glas; links: Prinzipskizze des Versuchsaufbaus; rechts: experimentell und numerisch ermittelte Scherfestigkeiten von Klebverbindungen für unterschiedliche Klebstoffe
4
Zusammenfassung
Transparente Glaskonstruktionen werden in immer größerem Umfang und unter Nutzung modernster Tragsysteme im Bauwesen eingesetzt. Experimentelle Untersuchungen zeigten, dass tragende Glas-Kunststoff-Hybridelemente möglich und für die Herstellung des Verbundes zwischen Glas und Kunststoff geeignete Klebstoffe sowie Oberflächenvorbehandlungen auf dem Markt vorhanden sind.
5 [1] [2] [3]
Quellen Hess, R.: Konstruieren mit Glas, insbesondere unter Berücksichtigung der Sicherheit, Vortragsskript zum 21. Steinfurter Stahlbau-Seminar, 2002. Werner, F.: Wintergarten - Experimentalbau. In: Gebaute Visionen aus Glas – Akademie der Architekten Sachsen, Leipzig, März 2004. Göbel, M.; Hildebrand, J.; Werner, F.: Glass-plastic-hybrid construction, In: GLASS PERFORMANCE DAYS 2007, Tampere, Finland S. 355-358, ISBN: 952-91-8674-6, 2007.
585
Auslegung und Fertigung von thermoplastverbundkompatiblen Piezokeramik-Modulen für adaptive Leichtbaustrukturen Werner Hufenbach+, Maik Gude+, Thomas Heber+, Manfred Geiger*, Michael Schmidt*, Stephan Neugebauer* +
Technische Universität Dresden, Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK)
* Bayerisches Laserzentrum GmbH (BLZ), Erlangen
1
Einleitung
Aufgrund ihrer hohen spezifischen mechanischen Eigenschaften und vielseitigen Designmöglichkeiten in Kombination mit ökonomischen und reproduzierbaren Fertigungsprozessen bieten faserverstärkte Kunststoffe mit thermoplastischen Matrixsystemen ein hohes Anwendungspotential für großserienfähige Leichtbaustrukturen. Die Integration zusätzlicher Funktionselemente, wie etwa piezokeramische Sensoren und Aktuatoren, ermöglicht zudem die gezielte Beeinflussung des statischen, dynamischen und vibroakustischen Strukturverhaltens. Hierbei kommen derzeit kommerziell erhältliche Module zur klebtechnischen Applikation wie etwa der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte Active Fiber Composite (AFC) und der von der NASA entwickelte Macro Fiber Composite (MFC), aktuell produziert von Smart Material in Dresden, zum Einsatz [1–4]. Aufgrund der zusätzlichen Klebstoffschicht zwischen Aktuator und Leichtbaustruktur kann es bei diesen Modulen zu Kompatibilitätsproblemen und damit verbundenen Leistungseinbußen kommen. Im Rahmen des SFB/TR 39 werden experimentelle und numerische Studien zur systematischen Entwicklung von neuartigen thermoplastverbundkompatiblen Piezokeramik-Modulen (TPM) durchgeführt. Die TPM ermöglichen aufgrund ihres angepassten Trägerfolienmaterials die werkstofflich homogene Integration in faserverstärkte Thermoplastverbundstrukturen über einen Schweißprozess, wodurch Kompatibilitätsprobleme vermieden werden. Der Übergang von der montageorientierten zur technologieorientierten Modulfertigung und -integration unter Verwendung eines automatisierten Fertigungsprozesses bietet zusätzlich das Potential zur kosteneffizienten Serienfertigung von TPM bzw. adaptiven Leichtbaustrukturen [5, 6]. Die durchgeführten Studien belegen den Einfluss geometrischer und technologischer Parameter auf die Leistungsfähigkeit der konsolidierten und polarisierten TPM. Neben der prozessgerechten Gestaltung der TPM wird besonders der Modulentwicklung im Hinblick auf einen automatisierten Konfektionier- und Konsolidierprozess mit nachfolgender Kontaktierung und Polarisierung Rechnung getragen.
2
Auslegung der Module
Der Aufbau des TPM kann als d33-Funktionsprinzip (Hauptdehnungsrichtung parallel zur Richtung des elektrischen Feldes) mit Fingerelektrodenstruktur sowie auch als d31-Funktionsprinzip (Hauptdehnungsrichtung orthogonal zur Feldrichtung) mit flächiger Elektrode ausgeführt sein. Bild 1 zeigt den modularen Aufbau eines d33-TPM.
586
Bild 1: Schichtaufbau eines TPM mit d33-Funktionsprinzip.
Das TPM besteht in der neutralen Ebene aus einer piezokeramischen Funktionsschicht, die als piezokeramische Folie (PZT-Keramik) oder als Verbund aus piezokeramischen Fasern und Thermoplastmatrix ausgeführt sein kann. Die Funktionsschicht wird beidseitig von fingerartigen Elektrodenstrukturen (IDE - interdigitated electrodes) eingeschlossen, über die eine elektrische Spannung zur Induzierung eines elektrischen Feldes an die Funktionskeramik angelegt wird. Abgeschlossen wird der Aufbau durch thermoplastische Trägerfolien aus Polyamid (PA) bzw. Polyetheretherketon (PEEK). Diese werden während der Herstellung in einem Heißpressprozess gezielt aufgeschmolzen und konsolidiert, so dass eine stoffschlüssige Verbindung der einzelnen Komponenten des Piezokeramik-Moduls über das thermoplastische Matrixsystem gewährleistet wird. Die Gestaltung der Elektrodengeometrie hat einen wesentlichen Einfluss auf die Performance des Aktuators. Daher wurden mittels numerischer Berechnungen mit dem Programmpaket ANSYS umfangreiche Parameterstudien hinsichtlich vorteilhafter Elektrodenbreite, Elektrodenabstand und zulässigem Versatz von oberer und unterer Elektrode unter Berücksichtigung fertigungsbedingter Restriktionen durchgeführt. Als Basis für die Simulationen dienen 2D-Modelle unter Annahme eines ebenen Verzerrungszustandes sowie ein repräsentatives Volumenelement (RVE) des TPM mit konstanter Dicke der Piezokeramikschicht von 180 μm und einem konstanten mittleren elektrischen Feld von 3,1 kV/mm. In Bild 2 ist der Einfluss unterschiedlicher Elektrodenbreiten- und abstände auf die resultierende Aktuatordehnung sowie die anzulegende Betriebsspannung aufgezeigt.
Bild 2: Einfluss von Elektrodenbreite und -abstand auf die Aktuatordehnung.
587 Eine zunehmende Elektrodenbreite führt zur Vergrößerung des Verhältnisses von „passiven“ Keramikbereichen unter den Elektroden zu „aktiven“ Bereichen zwischen benachbarten Elektroden und somit zum Rückgang der freien Aktuatordehnung. Elektrodierungsversuche haben ergeben, dass Elektrodenbreiten unterhalb 80 μm in serienfähigen Prozessen nur schwer realisierbar sind. Mit Vergrößerung des Elektrodenabstandes ist eine Zunahme der freien Dehnung zu beobachten. Da die Dehnung über 500 μm Elektrodenabstand aufgrund einer verstärkten Streuung des elektrischen Feldes nicht mehr in dem selben Maße wie die benötigte Betriebsspannung zunimmt und sich somit auch der Aufwand zur Bereitstellung der Hochspannung vergrößert, wird für weitere Untersuchungen ein konstanter Elektrodenabstand von 500 μm verwendet. Ein weiterer wichtiger geometrischer Einflussfaktor ist ein fertigungsbedingter Versatz zwischen oberer und unterer Elektrodenstruktur senkrecht zu den Elektrodenfingern. In Bild 3 ist die freie Dehnung normiert auf die versatzfreie Elektrodenanordnung dargestellt. Die numerischen Untersuchungen ergeben eine starke Abnahme der Aktuatordehnung mit zunehmendem Versatz der Elektrodenstruktur, weshalb der akkuraten Positionierung von oberer und unterer Elektrodenstruktur eine große Bedeutung bei der automatisierten Fertigung von TPM beizumessen ist.
Bild 3: Einfluss des Elektrodenversatzes auf die Aktuatordehnung.
3
Fertigungsstudien zu Elektrodierung, Konsolidierung und Kontaktierung
Im Hinblick auf eine automatisierte Vorkonfektionierung der TPM im Rolle-Rolle-Prozess wurden verschiedene Methoden zur Applikation von Elektrodenstrukturen auf thermoplastische Folien untersucht. Die wesentlichen Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Aufgrund der hygroskopischen Eigenschaften des PA stellten sich die getesteten subtraktiven Elektrodie-
588 rungsmethoden als ungeeignet heraus, da der hohe Feuchtigkeitseintrag besonders während des Ätzprozesses zu irreversiblen Verwerfungen der Folie und somit auch der Elektrodenstrukturen führt. Bei PEEK hingegen erweist sich das Aufdampfen bzw. Aufkaschieren einer Kupferschicht mit anschließendem Ätzprozess als geeignete Methode zur Realisierung von IDE-Strukturen hoher Genauigkeit. Additive Verfahren wie z. B. Siebdruck mit Silberleitlack sind auf beiden Trägerfolien möglich und besonders aufgrund der angesprochenen Hygroskopie bei PA die zielführende Technologie. Tabelle 1: Untersuchungen zur Elektrodierung thermoplastischer Folien
Trägermaterial Elektrodenmaterial
Elektrodierungsverfahren
Schichtdicken [μm]
Bewertung
PA6-Folie
Ag-Leitlack
Siebdruck
5 bis 10
geeignet
PA6-Folie
Cu-Folie
Aufkaschieren + Ätzen
18 bzw. 35
ungeeignet
PA6-Folie
Cu-Folie
Heißlaminieren + Ätzen
18 bzw. 35
PA6-Folie
Cu
Sputtern + Galvanisieren + – Ätzen
ungeeignet
PEEK-Folie
Ag-Leitlack
Siebdruck
5 bis 10
bedingt geeignet
PEEK-Folie
Cu-Folie
Aufkaschieren + Ätzen
18 bzw. 35
geeignet
PEEK-Folie
Cu
Sputtern + Galvanisieren + – Ätzen
ungeeignet
PEEK-Folie
Cu
Aufdampfen + Ätzen
geeignet
2 bis 3
ungeeignet
Die Konsolidierung der TPM erfolgt in einem angepassten Heißpressprozess, indem die vorkonfektionierten Module in ein entsprechendes Presswerkzeug in einer Laborpresse eingelegt werden und das thermoplastische Matrixmaterial unter Temperatur, Druck und Vakuum aufgeschmolzen und konsolidiert wird. In Bild 4 ist dies für je ein PA- und PEEK-TPM veranschaulicht.
Bild 4: TPM-Verarbeitung im Heißpressprozess.
589 Zur Vorkonfektionierung der Module kommt eine automatisierte Montage- und Zuführeinheit zum Einsatz. Nach dem Heißpressen sind die Elektrodenstrukturen durch die Thermoplastmatrix isoliert und müssen aufgrund der dazwischen liegenden Keramikschicht miteinander sowie nach außen kontaktiert werden. In Kooperation mit dem Bayerischen Laserzentrum in Erlangen werden verschiedene laserstrahlbasierte Kontaktierungsverfahren untersucht. Ein viel versprechender Ansatz ist hierbei das Bohren des gesamten TPM an den späteren Kontaktstellen mittels CO2Laser und anschließendes Löten durch die Bohrlöcher hindurch, vgl. Bild 5. Die Bohrungen werden mit je 300 Pulsen (Wellenlänge O = 10,6 μm, mittlere Leistung Pm = 150 W, Fokusdurchmesser df = 200 μm) bei einer Pulsspitzenleistung von PP = 200 W und einer Pulsdauer von tP = 50 μs erzeugt und haben einen Eintrittsdurchmesser von d = 360 μm. Der Bohrprozess dauert insgesamt t = 300 ms. Als vorteilhaft zeigt sich, dass die Laserstrahlung der Wellenlänge O = 10,6 μm sowohl vom Kunststoff als auch von der Keramik sehr gut absorbiert wird und somit Durchgangsbohrungen prozesssicher erzeugbar sind. Die Bohrungen werden im Anschluss mit einer Lotpaste (Sn96,5Ag3Cu0,5) aufgefüllt. Beidseitig wird eine ausreichende Lotreserve vorgesehen, um bei der Schwindung des Pastenvolumens während des Lötprozesses die erforderliche Lotmenge zur Durchkontaktierung und zum Verbinden der elektrischen Leiter bereit zu stellen. Im Anschluss erfolgt die eigentliche Kontaktierung durch Auflegen des elektrischen Leiters, eines verzinnten Cu-Bandes mit der Dicke d = 100 μm, und durch Lötung unter Einsatz eines Diodenlasers (Wellenlänge O = 940 nm, Leistung P = 50 W, Fokusabmessung dx × dy = 700 μm x 1000 μm). Der Leiter wird für eine Dauer von t = 4 s bei einer Maximaltemperatur von T = 250 °C erhitzt. Die Lötzeit ist mit t = 4 s im Verhältnis zu konventionellen Laserlötprozessen lang gewählt [7], um eine Wärmeleitung durch die gesamte Verbindungszone hindurch zu gewährleisten und das Lot beidseitig aufzuschmelzen. Eine Beschränkung der Maximaltemperatur auf T = 250 °C führt dazu, dass das Lot nicht überhitzt und die Ag-Metallisierung wie auch die Keramik nicht zerstört werden.
Bild 5: Schliffbild einer gelöteten Durchkontaktierung an einem TPM mit Ag-IDE Metallisierung.
Durch die Nichtbenetzbarkeit von Kunststoff und Keramik durch das Lot und die verfahrensbedingte Schwindung der Lotpaste während des Lötprozesses besteht die Gefahr der Ausbildung voneinander getrennter Lotdepots bzw. teilweise auch eine nicht zu 100 % reproduzierbare Benetzung, vgl. Bild 5 links oben. Abhilfe können ein Reinigungsschritt durch einen laserbasierten Abtrag der PA-Folie um die Bohrung herum bzw. evtl. eine vorherige lokale Metallisierung im Inneren der Bohrung schaffen, was Gegenstand künftiger Untersuchungen ist.
590 Im Rahmen erster Funktionsnachweise werden prototypische TPM bei einer mittleren elektrischen Feldstärke von 3,1 kV/mm polarisiert und anschließend mit einem Dreieckssignal und einer Frequenz von 0,1 Hz angesteuert. Bild 6 zeigt die Messung der Dehnungshysterese von drei prototypischen TPM mit unterschiedlichen Elektrodenbreiten. Die mittels Grauwertkorrelationsverfahren aufgezeichneten Kurven für die freie Dehnung in Haupt- und Nebenrichtung belegen die Funktionsfähigkeit der verpressten und kontaktierten Module unter dynamischer Beanspruchung. Die erzielten Dehnungen liegen im Bereich kommerziell verfügbarer piezokeramischer Aktuatoren. Weiterführende Untersuchungen zielen auf die heißpresstechnische Integration der TPM in faserverstärkte Thermoplaststrukturen, wobei durch die werkstoffgleiche Wahl von thermoplastischer TPM-Trägerfolie und Matrix der Verbundstruktur eine schweißtechnische Anbindung realisiert wird.
Bild 6: Dehnungshysteresemessung prototypischer TPM mit 0,1 Hz Dreieckssignal (TPM_1: PA, 240 μm Elektrodenbreite, TPM_2: PA, 140 μm Elektrodenbreite, TPM_3: PEEK, 190 μm Elektrodenbreite).
4
Zusammenfassung
Neuartige thermoplastverbundkompatible Piezokeramik-Module bieten den Vorteil einer werkstofflich homogenen Integration in faserverstärkte Thermoplastverbunde für die großserienfähige Fertigung von adaptiven Leichtbaustrukturen. Aufbauend auf umfangreichen experimentellen und theoretischen Untersuchungen zur Konzeption der Module wurden vorteilhafte geometrische und werkstoffliche Gestaltungsvarianten neuer TPM erarbeitet. Begleitende Fertigungsstudien belegen die Möglichkeiten zur beanspruchungsgerechten Metallisierung von thermoplastischen Trägerfolien mit strukturierten Elektroden hoher Dimensionsstabilität anhand des Siebdruckverfahrens und bei PEEK-Trägerfolie zusätzlich anhand subtraktiver Verfahren. Weiterhin wird die Modulfertigung und Konsolidierung über einen angepassten Heißpressprozess ohne Schädigung der spröden Piezokeramikschicht sowie die nachträgliche Kontaktierung der Module durch Laserlöten nachgewiesen.
591
5
Danksagung
Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Unterstützung der Forschungsarbeiten im Rahmen des Sonderforschungsbereiches Transregio 39 (SFB/TR 39).
6 [1] [2] [3] [4] [5]
[6] [7]
Literatur R.B. Williams and D.J. Inman, Proc. 20th Int. Modal Analysis Conf., Los Angeles, CA, 2002. J. High and W. Wilkie, Proc. AIAA/ASME Structures, Structural Dynamics and Materials Conf., La Jolla, CA, April 19-22, 2003. W. Wilkie, et al, US Patent No. 6,629,341, 2003. J. Pretorius, M. Hugo and R. Spangler, Proc. of the SPIE, Volume 5388, pp. 131-142, 2004. W. Hufenbach, M. Gude, O. Täger, N. Modler, M. Dannemann, C. Kirvel, A. Winkler and T. Heber, Int. Symp. on Piezocomposite Applications ISPA, Volkswagen „Gläserne Manufaktur“, Dresden, Germany, 27-28 September 2007. M. Gude, W. Hufenbach, N. Modler and C. Kirvel, XVIIIth Physical Metallurgy and Materials Science Conf. - AMT, Warsaw-Jachranka, Poland, 18-21 June 2007. F. Albert, B. Jahrsdörfer, I. Mys, In: M. Geiger, A. Otto, (Hrsg.): Tagungsband des 7. Erlanger Seminars Laser in der Elektronikproduktion und Feinwerktechnik LEF, Bamberg, Meisenbach Verlag, S. 155-172, 2005.
592
Piezokeramische Fasern, Faserkomposite und LTCC-Module zur Integration in Leichtbaustrukturen U. Scheithauer1, M. Flössel1, S. Uhlig2, A. Schönecker2, S. Gebhardt2, A. Michaelis1 1 TU Dresden, IfWW, Professur für anorg.-nichtmet. Werkstoffe, Dresden 2 Fraunhofer Institut für keramische Technologien und Systeme, Dresden
1
Einführung
Die Anwendungsgebiete piezokeramischer Sensoren und Aktoren werden immer vielfältiger [1]. In gekoppelten Anwendungen dienen Sensoren und Aktoren z.B. zum Health Monitorung von Strukturbauteilen, zur Formkontrolle und zur Schwingungsdämpfung. Nachteilig ist die ausschließliche Applikation der vorgefertigten Piezoelemente durch Aufkleben auf die Oberfläche der Bauteile, wodurch nicht nur die Positionierbarkeit stark eingeschränkt, sondern auch die Ankoppelsteifigkeit stark begrenzt ist. Im Rahmen des Teilprojektes A1 des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereiches (SFB) Transregio 39 „PT-Piesa“ [1] werden piezokeramische Fasern, Faserkomposite sowie Laminate auf LTCC-Basis hergestellt. Diese sind explizit auf die Integrierbarkeit in Leichtbaustrukturen optimiert, Faserkomposite für den Einsatz in Aluminiumverbunden, Fasern für die Integration in thermoplastische Glas- bzw. Kohlefaserverbunde sowie Laminate für Aluminium-Druckgussteile.
2
Piezokeramische Fasern und Komposite
Neben ihrer Verwendung zur Fertigung piezokeramischer Sensoren bzw. Aktoren erlangen piezokeramische Fasern eine immer größere Bedeutung durch ihren Einsatz in Ultraschallwandlern [3]. Zur Herstellung sind verschiedenen Verfahren bekannt: der Viskosespinnprozess [4], das ALCERU-Verfahren [5], das Sol-Gel-Verfahren [6-8] und die an der Eidgenössischen Materialprüfanstalt (EMPA) in Zürich erforschte Herstellung mittels Extrusion [9,10]. Des Weiteren erforschen in Kooperation das Institut für Werkstoffwissenschaften (IfWW) der TU Dresden und das Fraunhofer Institut für keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden, inwieweit sich das sogenannte Polysulfonverfahren eignet und weiterentwickeln lässt, um piezokeramische Vollfasern herzustellen. Diese sollen vorrangig genutzt werden, um in thermoplastische Faserverbunde bzw. als Komposite in Aluminiumverbunde integriert zu werden.
2.1
Faserherstellung mittels Polysulfonverfahren
Das Polysulfonverfahren wurde vom Fraunhofer Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart entwickelt [11] und von der Firma Mann & Hummel zur Fertigung
593 von keramischen Hohlfasern für Filtrationsprozesse genutzt [12]. Es zeichnet sich durch eine sehr einfache und kostengünstige Verfahrenstechnik aus. Die Herstellung erfolgt bei Zimmertemperatur. Zur Binderherstellung wird das Polymer Polysulfon (PSf) vollständig in dem Lösungsmittel N-Methyl-Pyrrolidon (NMP) gelöst. Nach der Zugabe des keramischen Pulvers erfolgt dessen Dispergierung, bevor dieser Schlicker durch eine Düse gepresst in ein Fällbad gesponnen wird und der so entstandene Faden auf einer Rillenplatte abgelegt wird. Dort erfolgt der Austausch zwischen NMP und Wasser, in dem PSf nicht löslich ist und dadurch koaguliert. Die durch die in der Düse wirkenden Scherkräfte ausgerichteten polymeren Makromoleküle bilden das Grundgerüst, an dem sich die keramischen Pulverteilchen anlagern. Nach der Trocknung der Fasern erfolgt zunächst der Ausbrand der organischen Bestandteile, bevor es zur Versinterung der Pulverteilchen kommt und eine vollständige keramische Faser entsteht. Die größte Herausforderung zur Herstellung von nutzbaren piezokeramischen Vollfasern besteht darin, die beim Polysulfonverfahren üblicherweise auftretende Porosität zu verringern und die Vakuolen, bei denen es sich um große Poren handelt, die bis zu einem Dreiviertel der Querschnittsfläche einnehmen können, zu vermeiden (Bild 1). Porenausbildung ist für Filtrationszwecke durchaus erwünscht und somit erforscht sowie beschrieben. Für die Weiterverwendung als piezokeramische Faser jedoch ist die Porosität extrem zu senken und Vakuolen vollständig zu vermeiden. Problematisch wäre nicht nur die schlechtere Handhabbarkeit, aufgrund der geringeren mechanischen Festigkeit sowie die verschlechterten piezokeramischen Eigenschaften, sondern vor allem die Gefahr von elektrischen Kurzschlüssen im Inneren der Fasern. Bei der notwendigen Polarisierung der Piezokeramik wird ein elektrisches Feld von E = 2 kV/mm angelegt, was die Überschlagsfestigkeit der Luft (1,2 kV/mm) deutlich übersteigt. Ist eine an beiden Enden angeschnittene und elektrodierte Faser durch eine Pore ausgehöhlt, kann der dadurch auftretende Kurzschluss zur Zerstörung des gesamten Bauteils führen. Eine weitere Ursache für Poren in der Faser ist ein zu hoher Anteil von Luft im Schlicker (Bild 2). Diese muss vor dem Spinnprozess aus dem Schlicker entfernt werden, was durch eine spezielle Entlüftungseinrichtung realisiert wird.
Bild 1: Typische Porenstruktur einer Polysulfonfaser
Bei Vorversuchen am IfWW / IKTS konnten vier Spinnparameter als ausschlaggebend für die Porosität der späteren Faser ermittelt werden. Dabei handelte es sich um den PSf-Gehalt im Binder, den Feststoffanteil im Schlicker, sowie die Zusammensetzung und Temperatur des Fällbades. Zur optischen Charakterisierung wurden die gesponnenen Fasern nach dem Sintern in
594
Bild 2: Pore infolge einer eingeschlossene Luftblase
Epoxidharz eingebettet und Querschliffe angefertigt. Von diesen wurden am Lichtmikroskop Bilder aufgenommen, an denen softwaregestützt die Porenfläche mit der Gesamtfläche verglichen wird, um die Porosität zu bestimmen. Die eigentlichen Versuche erfolgten, um den Einfluss der vier Parameter zu validieren. Dazu wurde nach dem Prinzip der statistischen Versuchsplanung ein vollständiger Versuchsplan doppelt abgearbeitet. Zur Bestimmung der Porosität wurden die Schliffbilder von jeweils 20 Fasern einer Charge ausgewertet und gemittelt. Dabei stellten sich der Feststoff- sowie der PSf-Gehalt als signifikant für die Porosität der Fasern heraus. Je höher der Feststoffanteil bzw. je geringer der PSf-Gehalt im Schlicker ist, desto geringer ist die Porosität der gesponnenen Fasern. Es konnten keine Wechselwirkungen unter den untersuchten Parametern nachgewiesen werden. Unter Verwendung und Extrapolation der erzielten Ergebnisse wurden Fasern mit einer Porosität von ca. 3 % im gesinterten Zustand hergestellt werden (Bild 3 und 4). Vergleichsmessungen an Fasern der Firma Smart Material zeigen, dass deren Porosität bei ca. 2 % liegt, während Fasern, die aus einer Keramikplatte gesägt wurden, Porositäten von ca. 3 % aufweisen.
Bild 3: Polysulfonfaser mit 3 % Porosität
595
Bild 4: Polysulfonfaser mit 3 % Porosität - Nahaufnahme
Der Faserdurchmesser kann zwischen 100 und 1000 μm variiert werden. Die Geradheit der Fasern beträgt dabei bis zu 97,2 %, d.h. dass zwischen zwei parallelen Linien mit 100 mm Abstand so viele Fasern dazwischen passen, dass die Summe der Faserdurchmesser 97,2 mm beträgt. Diese Geradheit der Fasern ermöglicht Faservolumengehalte im Komposit bis zu 80 %. Bisher wurden nur kreisrunde Querschnitte bei den Fasern realisiert, die aber durch eine entsprechende Düsengeometrie verändert werden kann.
2.2
Faserkompositherstellung
Die hergestellten Fasern werden geschnitten, in einer Kavität angeordnet und mit Epoxidharz zu einem Komposit vergossen. Nach dem Aushärten des Epoxidharzes kann der Komposit mit allen gängigen Säge-, Span- und Schleifprozessen weiterverarbeitet und in die gewünschte Endform überführt werden. Der Werkzeugverschleiß ist dabei deutlich geringer als bei der Bearbeitung von Vollkeramik. Zudem kann durch geschickte Anordnung der Fasern in der Kavität vor dem Eingießen die Ausnutzung der im Vergleich zum Epoxidharz teuren keramischen Komponente deutlich verbessert werden. Faserkomposite werden auch zur Charakterisierung der gesponnenen Fasern bezüglich ihres Kleinsignalverhaltens genutzt. Nach dem Aushärten eines quaderförmigen Komposites wird dieser in Scheiben geschnitten, jeweils beidseitig überschliffen und mit Gold besputtert. Nachdem die Polarisierung der einzelnen Kompositscheiben bei 2 kV/mm in Öl (T = 80 °C) erfolgte, wird deren Charakterisierung mit Hilfe eines HP4194A Impedance/Gain-Phase Analyzer durchgeführt [13].
2.3
Zusammenfassung und Ausblick zur Faser- und Faserkompositherstellung
Am Standort Dresden ist die gesamte Prozesskette vom piezokeramischen Pulver über die Faser bis hin zum Komposit verfügbar. Zudem sind die notwendigen Charakterisierungsmethoden für
596 alle Schritte vorhanden. Dies ermöglicht die optimale Abstimmung aller Prozessschritte, um die Eigenschaften und Geometrien der Faserkomposite genau an die an deren Einsatz gestellten Anforderungen zu erfüllen. Zur Bestimmung der Kennwerte an einzelnen Fasern wurde eine Kooperation mit der EMPA in Zürich geschlossen. Neben dem Einsatz als Ultraschallwandler sollen die Piezo-Faserkomposite im Rahmen des Teilprojektes A2 des SFB/Transregios 39 in ein Aluminiumblech mittels Umformen eingeprägte Struktur integriert werden, in der nach einem weiteren Umformschritt Form- und Kraftschluss zwischen dem Piezokomposit und dem Aluminiumblech hergestellt wird, so dass jegliche äußere Krafteinwirkung auf das Blech von der Piezokeramik detektiert werden kann (Piezokeramik als Sensor) oder das Blech aktiv von der Piezokeramik (als Aktor) verformt bzw. lokal versteift wird. Für den Einsatz in thermoplastischen Faserverbundbauteilen werden die Fasern im Teilprojekt A5 des Transregios in Macro-Fibre-Composit (MFC)-Module integriert, die sich durch die Verwendung der gleichen thermoplastischen Materialien als Verbundmatrix (z.B. PEEK) auszeichnen, die im späteren Verbundbauteil ebenfalls eingesetzt werden.
3
Piezokeramische LTCC-Module (Piezolaminate) zur Integration in Alugussbauteile
Beim Aluminium-Druckgießen treten kurzzeitig sehr hohe mechanische und thermische (T ? 700 °C) Belastungen durch die Metallschmelze und dem nachfolgenden Druckaufbau beim Abkühlvorgang durch thermische Fehlpassungen auf. Die Aufgabe besteht in der Entwicklung von Piezolaminaten, bei denen die mechanische Stabilisierung der Piezokeramik, die elektrische Kontaktierung und die Isolierung gegenüber der Metallmatrix gelöst sind. Solche Laminate, die komplett aus anorganischen Werkstoffen bestehen und diesen Belastungen widerstehen, sind bisher nicht bekannt. 3.1
Modulherstellung
Die Herstellung der Laminate wird auf zwei verschiedenen Technologiewegen realisiert. Modulvariante 1: Die Herstellung von Piezolaminaten wird durch Auftragen einer PZT-Paste als Dickschicht mittels Siebdrucktechnik auf ein Substrat, welches als mechanisch stabilisierendes Trägermaterial dient, durchgeführt. Zusätzlich werden Elektrodenschichten zur Kontaktierung der PZT-Dickschicht aufgetragen. Die wissenschaftliche Herausforderung besteht in der Entwicklung von Funktionsschichten für die elektrische Isolierung und die stoffliche Anpassung an das Metallmatrixmaterial [14]. Modulvariante 2: Ein weiterer Weg der Herstellung ist der Aufbau eines Moduls über die Mehrlagentechnik. Dabei werden fertig gesinterte PZT-Formteile, z. B. Platten, mit Metallisierungsschichten versehen und mit anorganisch nichtmetallischen Folien laminiert und gesintert. Beide Modulvarianten sind in den Bildern 5, 6a und 6b abgebildet. Bisher lag der Schwerpunkt auf Modulvariante 2. Die Abmaße des Laminats sind durch die Druckgussform auf (45 × 20 × 1) mm begrenzt. Voruntersuchungen zum Einfluss der chemischen Zusammensetzung des Substratmaterials auf die elektrischen und mechanischen Eigenschaften einer PZT-Dickschicht haben gezeigt, dass sich Low Temperature Cofired Ceramics (LTCC) sehr gut eignen. Einige LTCC-Materialien enthalten Alumosilikate, die damit stofflich
597
Bild 5: Schematischer Aufbau der Modulvariante 1; Herstellung mittels Siebdrucktechnik
Bild 6a: Schematischer Aufbau der Modulvariante 2; Herstellung mittels Mehrlagentechnik
Bild 6b: Querschnitt der Modulvariante 2 mit integrierter PZT-Platte (schematisch)
gut an die Aluminium-Metalldruckgussschmelze angepasst sind. Die niedrige Sintertemperatur von T = 850 °C minimiert zusätzlich die Reaktion von PZT mit dem Trägermaterial. Erste Untersuchungen zeigten, dass LTCC-Materialien eingesetzt werden müssen, die nahezu 0 % Schwindung in der x-y-Ebene besitzen, um die Entstehung von Schwindungsrissen (Bild 7 und 8) zu verhindern.
Bild 7: LTCC mit Schwindung in x,y-Richtung und daraus resultierenden Rissen nach Sinterung
598
Bild 8: LTCC ohne Schwindung in x,y-Richtung nach Sinterung
3.2
Druckgusstests
Um Schädigungen beim Druckguss und die Anbindung der Module an die Metallmatrix einschätzen zu können, wurden erste Metalldruckgusstests mit reinen LTCC-Laminaten ohne integrierte PZT-Platten durch das Teilprojekt B3 des „Transregios 39“ durchgeführt. In den Bildern 9 und 10 sind die Oberfläche und ein Querschliff des Al-Druckgussteils mit eingeschlossenem LTCC-Laminat dargestellt. Sie zeigen eine gute Anbindung des LTCC-Laminates an die AlMetallmatrix. Das Bauteil wird vollflächig umschlossen und es treten keine Lufteinschlüsse und Kavitäten auf. Allerdings kommt es zur Entstehung von Querrissen im LTCC-Laminat. Durch weiterführende zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen (z. B. Ultraschall, μ-CT) konnte inzwischen nachgewiesen werden, dass diese erst durch die Präparation des Schliffes entstanden sind.
Bild 9: Al-Druckgussteil; Lage des Laminates (graues Rechteck)
599
Bild 10: a) Querschnitt des Al-Druckgussteils mit eingeschlossenem Laminat
Bild 10: b) Ausschnitt aus Bild 10a
3.3
Ausblick LTCC-Module
Aufgrund der vorgestellten Ergebnisse wurde das Design für ein aktives Piezolaminat nach Modulvariante 2 mit integrierter PZT-Platte, Grund- und Deckelektroden sowie Weiterkontaktierungen und Lötpads entworfen. Dabei wurde eine Lage des LTCC-Materials mit einer Aussparung versehen, so dass die PZT-Platte eingelegt werden kann. Die Modulvariante 2 kann sowohl 3- als auch 4-lagig aufgebaut werden. Für eine spätere Verwendung als Aktor, muss das aktive Material außerhalb der neutralen Faser liegen. Der 3-lagige Aufbau ist ein symmetrischer Aufbau, welcher einen asymmetrischen Einbau beim Druckgießen verlangt. Umgekehrt gilt das für den 4-lagigen Modulaufbau. Erste Module sind nach Modulvariante 2 aufgebaut und uneingegossen erfolgreich und funktionstüchtig getestet worden. Das Eingießen dieser Module und dessen Überprüfung der Funktionsfähigkeit im Aluminium-Druckgussteil steht in zukünftigen Untersuchungen im Fokus.
4 [1]
[2] [3] [4] [5] [6]
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601
Untersuchungen zur Entwicklung robuster Fertigungsprozesse für die Herstellung aktiver Thermoplastverbundbauteile mit integrierten neuartigen thermoplastkompatiblen PiezokeramikModulen (TPM) Prof.-Ing. habil. Werner Hufenbach, Dr.-Ing. Maik Gude, Dipl.-Ing. Niels Modler, Dipl.-Ing. Thomas Heber, Dipl.-Ing. Anja Winkler, Dipl.-Ing. Jens Friedrich Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, Technische Universität Dresden
1
Einführung
Zunehmende Komfortansprüche, die steigende Notwendigkeit zur Gewichtsreduktion sowie die zusätzliche Funktionsintegration stellen entscheidende Einflussfaktoren bei der Entwicklung neuer Leichtbaustrukturen dar. In diesem Spannungsfeld kommt dem Einsatz neuartiger aktiver thermoplastischer Faserverbundwerkstoffe mit integrierten Piezokeramik-Modulen eine besondere Bedeutung zu. Im Vergleich zu klassischen passiven Werkstoffen bieten diese aktiven Verbundwerkstoffe eine sehr große Flexibilität zur gezielten Anpassung der Werkstoffstruktur an mechanische und akustische Belastungen. Grundlegende Voraussetzung für den Einsatz derartiger aktiver Thermoplastverbunde ist die Bereitstellung geeigneter serientauglicher und robuster Fertigungsprozesse. Derzeit werden konventionelle Piezokeramikmodule manuell auf die entsprechenden Strukturen meist mittels Klebtechnik appliziert oder auch einlaminiert. Erste Ansätze für eine Integration dieser Module in Thermoplastverbunde auf der Basis eines Diaphragma Verfahrens werden in [1] erwähnt. Das Ziel der Untersuchungen im Rahmen des SFB TR 39 ist die Entwicklung eines Herstellungsverfahrens von endlosfaser- bzw. textilverstärkten thermoplastischen Faserverbundhalbzeugen mit integrierten, neuartigen thermoplastverbundkompatiblen Piezokeramik-Modulen (TPM) zu einem aktiven Bauteil auf der Basis einer werkstoff- und aktorangepassten Heißpresstechnologie. Die gezielte Positionierung der TPM sowie deren Integration in den Verbund stellen dabei einen entscheidenden Schwerpunkt der Entwicklungsarbeiten dar. Um kurze Zykluszeiten, funktionsfähige Piezokeramikaktoren und reproduzierbare Bauteilqualitäten zu erreichen, ergeben sich während des Pressprozesses bzw. für die Konsolidierung der faser- und textilverstärkten Thermoplastverbunde mit speziell in die Thermoplastmatrix eingebetteten Piezokeramik-Modulen folgende wesentliche Fragestellungen: • Imprägnierung sowie Haftung von Verstärkungsfaser und TPM mit der Matrix, • Anschmelzen der Modulträgerfolien, • Laminatverdichtung einschließlich Entfernung von Lufteinschlüssen und anderen unerwünschten gasförmigen Substanzen insbesondere in den Modul-Einbettungsbereichen, • Autohesion (Autodiffusion der Thermoplastpolymerketten in die benachbarten Schichten), • Kontaktierung der Piezokeramik-Module und • Online-Polarisierung des piezokeramischen Materials (2–5).
602
2
Konzeption einer robusten Herstellungstechnologie
Die neuartigen aktiven Thermoplastverbundbauteile mit integrierten thermoplastkompatiblen Piezokeramik-Modulen, deren Trägerfolien speziell an die thermoplastische Matrix der Verbundstruktur angepasst sind, sollen mittels der Filmstacking-Technologie hergestellt werden. Die dabei entstehenden Verbundhalbzeuge bestehen aus: • thermoplastischen Folien auf denen bereits Leiterbahnen und die TPM aufgebracht und kontaktiert worden sind, • thermoplastischen Folien und • textilen Verstärkungslagen. Für die Herstellung der Thermoplastfolien mit applizierten TPM und Leiterbahnen wird die Folie zunächst strukturiert metallisiert und somit die jeweilige Leiterbahnstruktur hergestellt. Anschließend werden die thermoplastkompatiblen Piezokeramikmodule (TPM) exakt zu den Leiterbahnstrukturen positioniert, elektrisch kontaktiert, auf den Folien vorfixiert und diese zu handhabbaren Folienabschnitten für die spätere Integration in den Gesamtverbund zugeschnitten (Bild 1).
Bild 1: Metallisierung der Thermoplastfolie und Kontaktierung der TPM
Das Konzept für den zweiten Fertigungsprozessabschnitt, die eigentliche Verbundfertigung, umfasst zunächst eine Organoblechfertigung aus Thermoplastfolien und Verstärkungslagen. Der Gesamtverbund wird aus diesen Organoblechen, der aktiven Thermoplastfolie sowie einer Deckschicht in einem speziellen Spannrahmensystem zusammengestellt und anschließend in einem schnellen, an die TPM angepassten Heißpressprozess konsolidiert (siehe Bild 2). Parallel zur Verbundkonsolidierung erfolgt eine Online-Polarisierung der Piezokeramik-Module bei angepassten Prozesstemperaturen und -drücken.
603
Bild 2: Verbundaufbau und Heißpressprozess aktiver Thermoplastverbundstrukturen mit integrierten TPM
3
Untersuchungen zur Entwicklung einer robusten Herstellungstechnologie
3.1
Experimentelle Untersuchungen
Bei ersten Untersuchungen zur Identifizierung geeigneter Prozessparameter für die Verbundherstellung zeigte sich, dass der aufgebrachte Pressdruck sehr genau auf die spröde Piezokeramik der TPM abgestimmt werden muss. Bild 3 zeigt einen derartigen textilverstärkten Verbund mit einem eingebetteten Piezokeramikmodul, welches während des Verarbeitungsprozesses geschädigt wurde. Diese Schädigung wird hauptsächlich durch zu hohe Pressdrücke in Kombination mit der Welligkeit der textilen Verstärkungsstruktur und der daraus resultierenden ungünstigen Biege- bzw. Mikrodeformation der Piezokeramikfasern verursacht.
Bild 3: Schädigungsbild eingebetteter Piezokeramikfasern
Die Ausprägung der Biegebelastung auf die Keramikfasern hängt dabei stark von den Verstärkungsfaserdurchmessern und damit auch vom Flächengewicht der verwendeten textilen Verstärkung ab. Um den Einfluss der Faserdurchmesser bzw. der Verstärkung auf die kritische Pressdruckbelastung der Piezokeramik zu untersuchen, wurden experimentelle Untersuchungen sowie analytische Berechnungen durchgeführt. Für den Versuchsaufbau wurden Piezokeramik-
604 wafer verwendet, die zwischen textile Architekturen eingelegt und mit verschiedenen Pressdrücken bei Raumtemperatur beaufschlagt wurden. Eine Gegenüberstellung der experimentell ermittelten kritischen Pressdrücke von Glas- und Kohlefasergeweben (Bindungsart Köper) unterschiedlicher Flächengewichte zeigt Bild 4.
Bild 4: Einfluss des textilen Flächengewichtes auf den Pressdruck beim Einbetten von Piezokeramikwafern.
Die niedrigen Flächengewichte bei den Kohlefasergeweben, zeigen entgegen der Erwartungen nur relativ geringe ertragbare Pressbelastungen der Piezokeramikwafer. Diese werden durch auftretende Ungleichmäßigkeiten in den Geweben, die als lokale Störstellen wirken, verursacht. Ebenfalls nur niedrige Pressdrücke können bei hohen Flächengewichten, die durch relativ große Faserabstände und -durchmesser gekennzeichnet sind, realisiert werden. Die textilen Verstärkungen der mittleren Flächengewichte (Glasfaser: 160 g/m² bis 280 g/m², Kohlefaser: 245 g/m²) zeigen hier die besten Ergebnisse. Anhand dieser Erkenntnisse wurden Piezokeramikwafer in einem labormaßstäblichen Filmstacking-Verfahren in textilverstärkte Thermoplastverbunde eingebettet. Es zeigte sich, dass die Keramikwafer geschädigt werden, wenn der für die Konsolidierung der Faserverbundstruktur notwendige Pressdruck bereits bei der Aufheizphase am Verbund anliegt. Ursachen dafür sind die Biegebelastung der Piezokeramikwafer infolge der Mikrodeformation der textilen Verstärkung sowie die stark unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten zwischen der Polyamidmatrixfolie und der Piezokeramik. Durch eine deutliche Reduzierung des Pressdruckes beim Aufheizen bis zum Erreichen des Schmelzpunktes wurde diese Schädigung in weiteren Versuchen verhindert (Bild 5).
Bild 5: Einfluss des Pressdrucks beim Aufheizen von Thermoplastverbund-Lagenaufbauten auf die integrierten Piezokeramikwafer.
605 Zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit der eingebetteten Piezokeramikwafer ist ein weiterer Filmstackingaufbau verpresst worden. Dort sind unidirektionale Glasfaserverstärkungslagen, Polyamidfolie sowie zwei flächig mit Silberleitlack metallisierte Polyamidfolien als Elektrodenstrukturen und ein Piezokeramikwafer symmetrisch zueinander positioniert und verpresst worden. Anschließend wurde dieser Verbund polarisiert und mit einem optischen Messsystem hinsichtlich der Ausdehnungen in der Verbundebene unter elektrischer Spannung vermessen (Bild 6).
Bild 6: Optische Vermessung eines unidirektional glasfaserverstärkten Polyamidverbundes mit eingebettetem Piezokeramikwafer mit flächiger Elektrode.
Aus dem Diagramm in Bild 6 ist quantitativ erkennbar, wie die Ausdehnung des Verbundes in Faserrichtung (x-Richtung) aufgrund des höheren E-Moduls geringer als senkrecht zur Faserorientierung (y-Richtung) ausgeprägt ist. Mit einer gezielten Einstellung der Faserlage kann somit eine definierte richtungsabhängige Deformation des Verbundes erzielt werden.
3.2
Simulation
Für die Abschätzung der erforderlichen bzw. maximal einsetzbaren Materialdicken der Thermoplastverbunde hinsichtlich der erreichbaren Aktorperformance sind grundlegende analytische und numerische (FEM) Berechnungen durchgeführt worden. Basismodell dieser Simulationen ist ein einseitig fest eingespannter Biegebalken. Dieser setzt sich aus einer gewebeverstärkten Verbundstruktur mit 50 % Faservolumengehalt und einem TPM mit einer Trägerfolie aus Polyamid zusammen (Bild 7).
Bild 7: Biegebalken
606 Untersucht wurden Glasfaser- und Kohlefaser-(HT-Faser)Verbunde mit Polyamid (PA6) und Polyetheretherketon (PEEK) als Matrixwerkstoff. Anhand der erreichbaren Durchbiegung des Biegebalkens kann eine optimale Verbunddicke (h2) bestimmt werden (Bild 8).
Bild 8: Berechnete Durchbiegungen verschiedener Verbund-Biegebalken mit integrierten TPM
Aus den Diagrammen geht hervor, dass die Wahl der Verstärkungsart aufgrund der stark unterschiedlichen Steifigkeiten (E-Modul in Faserrichtung: Glas 74 000 MPa, Kohlefaser (C-HT): 230 000 MPa) einen großen Einfluss auf die Balkendurchbiegung hat. Die glasfaserverstärkten Verbunde lassen größere Verbunddicken aber geringere maximale Durchbiegungen im Vergleich zu den kohlefaserverstärkten Verbundstrukturen zu. Der Einfluss des Matrixwerkstoffes hingegen ist weniger stark ausgeprägt, da die Steifigkeitsunterschiede zwischen PA6 und PEEK nur verhältnismäßig gering sind.
4
Zusammenfassung
Faserverstärkte Thermoplastverbunde mit eingebetteten neuartigen thermoplastkompatiblen Piezokeramikmodulen eröffnen neue Möglichkeiten für die Gestaltung aktiver Strukturen. Es wurden dahingehend Untersuchungen zur Gestaltung eines effizienten Herstellungsprozesses für diese aktiven Verbundbauteile auf der Basis eines materialangepassten Heißpressprozesses durchgeführt. Dabei zeigt sich, dass speziell angepasste Matrixsysteme sowie fein abgestimmte Prozessparameter für die Integration der sensitiven Piezokeramikmodule in die thermoplastische Faserverbundstruktur notwendig sind. Erste aktive Strukturen sind im Labormaßstab hergestellt und vermessen worden. Für die Auslegung und Gestaltung der Faserverbunde mit integrierten TPM sind Simulationsrechnungen bezüglich der Verbunddurchbiegung durchgeführt worden. Bisher erzielte Erkenntnisse sollen zukünftig auf größere, zunächst flächige Strukturen übertragen und diese vor allem auch auf deren Realisierbarkeit und Funktionalität untersucht werden.
5
Danksagung
Die Autoren danken der DFG (Deutschen Forschungsgemeinschaft) für die finanzielle Unterstützung der Untersuchungen im Rahmen des Sonderforschungsbereiches/Transregio 39.
607
6 [1] [2]
[3] [4] [5]
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608
Strukturelle Integration von Sensorsystemen in Leichtbauverbundstrukturen im Massenfertigungsverfahren Autoren: H. Elsner, L. Kroll Technische Universität Chemnitz, Chemnitz
1
Einführung
Werkstoffe und Werkstoffsysteme mit einem hohen Potenzial zur Energieeinsparung sind faserverstärkte Verbundwerkstoffe, Schichten und Schichtsysteme. Verbundwerkstoffe bieten zahlreiche Vorteile gegenüber konventionellen Konstruktionswerkstoffen und ermöglichen innovative Entwicklungen insbesondere im Fahrzeug-, Maschinen- Anlagen- und Brückenbau, bspw. in Bezug auf ein geringes Eigengewicht. Bauteile aus faserverstärkten Verbunden können unter Beachtung technischer und wirtschaftlicher Möglichkeiten in Form von Leichtbaukomponenten und durch weniger energieintensive Herstellungsstrategien (Polymermatrixverbunde) gegenüber konventionellen Lösungen zur Energieeinsparung und Ressourcenschonung beitragen. Insbesondere die vielfältigen Möglichkeiten einer gezielten Einflussnahme bei der Eigenschaftsgestaltung und auf die Integrationsdichte des Faserverbundwerkstoffes haben dazu geführt, dass dieses Werkstoffsystem besonders hohe Steigerungsraten zu verzeichnen hat. Die Hauptherausforderung liegt in der Schaffung und Umsetzung intelligenter Strukturkonzepte. Damit sind Strukturen gemeint die in der Lage sind ihr Verhalten und ihre Eigenschaften an eine Vielzahl von äußeren Einflüssen anzupassen. Erst die hohe Flexibilität in der konstruktiven Gestaltung und technologischen Ausführung von Faser-Kunststoffverbunden (FKV) erlaubt, aktive Strukturen mit integrierten Sensoren und Aktoren auszustatten und mit einer geeigneten Kontrollstrategie in Kombination mit einer leistungsfähigen Signalverarbeitung zu intelligenten und komplexen Systemen zu verbinden. [1, 2, 3] Diese Lösungsansätze konnten zwar im Labormaßstab ihre Funktionsfähigkeit nachweisen bisher jedoch nicht mit geeigneten Herstellungsstrategien in eine wettbewerbsfähige Serienfertigung für Bauteile in der Fahrzeug- und Maschinentechnik untersetzt werden. Ein entscheidendes Hindernis, dass den Durchbruch von derartigen aktiven Leichtbaukomponenten verhindert, sind die fehlenden großserientauglichen Produktionstechnologien. Denn der Einbau dieser komplexen Systeme erfolgt im Regelfall mit vorgefertigten Schichtmaterialien oder als Einzelelement mittels Handeinlegeverfahren in den Faserverbund bzw. durch Applikation auf der Oberfläche des Faserverbundbauteils und wirkt damit einer Automatisierbarkeit entgegen. Eine entscheidende Voraussetzung für die Eignung einer Faserverbundbaulösung als Massenprodukt ist die Fähigkeit, einen möglichst hohen Vorfertigungs- und Automatisierungsgrad zu erzielen. Eine effektive Fertigung von strukturintegrierten Faserverbundbauteilen erfolgt, wenn bereits vor der Einbringung in die Matrix funktionsbestimmende Eigenschaften direkt in die textile Struktur integriert bzw. auf diese appliziert werden. Die Preform-Technologie selbst hat hierzu gemeinsam mit textiltechnologischen Weiterentwicklungen in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte erreicht und besitzt inzwischen Seriencharakter. [4]
609
2
Einsatz der Sticktechnologie zur Herstellung intelligenter Faserverbundstrukturen
Eine der ersten Voraussetzungen für intelligente Faserverbundstrukturen ist das Vorhandensein sensorischer Eigenschaften zur Zustandserfassung. Entsprechend des Verständnisses zu aktiven Faserverbundstrukturen sind derartige Eigenschaften im Verstärkungsmaterial so integriert, dass sie auch eine lasttragende Funktion übernehmen können. Daraus ergibt sich in Folge der Lösungsansatz, strukturintegrierte Funktionalitäten mit geeigneten Technologien in die FKV einzubringen. In vielen Anwendungsbereichen ist eine Ja/ Nein- Aussage bzw. eine kalibrierte Signalgenerierung bereits ausreichend. Eine weitere wichtige Voraussetzung zur Erzeugung einer signalorientierten Faserverbundfunktionsstruktur ist die individuelle Anpassung der Signalgenerierung an das jeweilige Bauteil um die konkrete belastungsgerechte Strukturausrichtung zu nutzen bzw. zu unterstützen. Im Rahmen von textiltechnologischen Untersuchungen zur Herstellung sensorischer Funktionen während der Preformherstellung unter Berücksichtigung großserientauglicher Herstellungsverfahren, richtete sich der Focus immer mehr auf die Technologie des „Stickens“. [5, 6] Die Sticktechnologie ist unter den bekannten textiltechnologischen Verfahren das Verfahren, dass in der Lage ist, punktgenau und in ausreichender Genauigkeit, bei hoher Strukturdichte sowie gleichbleibender Reproduzierbarkeit, auch sehr ausgefallene Layoutstrukturen auf geeigneten Materialien zu realisieren. Insbesondere diese verfahrenstechnischen Vorteile sind notwendig, um funktionsorientierte Preforms für intelligente Faserkunststoffverbundstrukturen wirtschaftlich herstellen zu können. Die Herstellung von funktions- und strukturintegrierter Sensorik durch Sticken ist dabei eine erfolgversprechende Möglichkeit, wodurch für diese und gleich gelagerte Problemfelder Lösungen angeboten werden können. Es entstehen sogenannte Direct-Material-Control (DMC)-Systeme. Gleichzeitig werden vollkommen neue Möglichkeiten der hochintegrativen Bauteilentwicklung in Faserverbundbauweise erschlossen. Das textiltechnologische Verfahren Sticken wurde zur Einbringung und gleichzeitigen Herstellung komplexer Systeme während der Preformherstellung und auf Eignung für die Großserienfertigung näher untersucht. Dazu wurden Konzepte erarbeitet und an einfachen Funktionsmustern erprobt, die eine großseriennahe Fertigung aktiver Basiskomponenten gestatten. Hierbei wird konsequent das Ziel verfolgt, großseriennahe Einzeltechnologien so miteinander zu verknüpfen, dass eine durchgängige Prozesskette für stückzahlorientierte Produkte entsteht. Diese Vorgehensweise kennzeichnete auch die Entwicklung eines ebenen Sensorsystems, bei dem ein 2D-Drahtsensor (s. Bild 1) mittels dem großserienadäquaten Stickverfahren auf eine textile Trägerstruktur eingebracht und in ein Laminat integriert wurde. Die ersten Pilotversuche zeigen eine hohe Reproduzierbarkeit der Messergebnisse und die Möglichkeit bei entsprechender Strukturierung die Unterscheidung zwischen den Belastungsrichtungen in der Messebene. [7] Das dabei entstehende Sensormodul wirkt exakt positioniert im Halbzeug, welches textiltechnologisch auch dreidimensional eingebunden werden und damit Signale in Dickenrichtung generieren kann. Die Sticktechnik verfügt hierbei über die Möglichkeit einer flexiblen Strukturierung und Flächenbestückung. Dabei können gleichzeitig Stickfolgen variiert sowie verschiedene Verarbeitungsmaterialien kombiniert werden.
610
Bild 1: Schematische Darstellung einer gestickten Sensorstruktur
Bild 2: Fest eingespannter Biegebalken als Prüfkörper
Die qualitative Beurteilung der eingebrachten strukturintegrierten Sensorstruktur erfolgte an Federprüfkörpern im duroplastischen Matrixsystem in Form von laminierten Biegebalken die gleichzeitig auf ihrer Oberfläche mit einem DMS als Vergleichsgröße bestückt wurden (Bild 2). Für die strukturintegrierte Sensorstruktur wurde sticktechnologisch ein Widerstandsdraht in das Verstärkungstextil eingearbeitet. Beide Systeme wurden anschließend zeitgleich gemessen. Die Signalverläufe besitzen eine gute Übereinstimmung. Obwohl der eingebrachte Drahtsensor nicht für eine hochgenaue Messaufgabe vorgesehen ist, eignet sich das generierte Signal für Steuer- und Reglungsaufgaben sehr gut. In vielen Fällen reicht eine Schwellwerterfassung, die mit der Drahtsensorik einfach zu realisieren ist. Im Hinblick auf weitere Entwicklungen ist der Einsatz von gezielt beschichteten Textilträgern mit elektrischen Eigenschaften in fadenförmiger Aufmachung vorgesehen. Zur sticktechnologischen Herstellung der Sensorstrukturen in die textile Trägerstruktur bestehen verschiedene Möglichkeiten. Die Verarbeitung eines verstickbaren Sensormaterials kann grundsätzlich sowohl als Oberfaden (Schiffli- oder Mehrkopftechnik) als auch Unterfaden (Mehrkopftechnik) erfolgen. Als Unterfaden ist jedoch die Materialbelastung aufgrund geringerer Fadenumlenkstellen kleiner und gerade bei der Verarbeitung dünner leitfähiger Fadenmaterialien von Vorteil. Über die Variierung der Fadenspannung lässt sich das Sensormaterial auch in Dickenrichtung des Stickgrundes, je nach gewünschter Funktionseigenschaft des Sensors, beeinflussen. Eine weitere Möglichkeit der hochpräzisen Verarbeitung von textilen und nicht-
611 textilen Sensormaterialien besteht in der Anwendung des Tailored-Fiber-Placement-Verfahrens, bei dem die Sensorik auf textilen Grund abgelegt und anschließend sticktechnologisch befestigt wird. [8]
3
Anwendungsmöglichkeiten
Das Bild 3 zeigt ein Faserverbundfederelement wie es beispielhaft in ein Steuerelement nach dem Joystickprinzip (Bild 4) eingesetzt werden kann.
Bild 3: Faserverbundfederelement mit integriertem Sticksen- Bild 4: Sensorisierte Faserverbundfederelemente sor als Funktionselement im Joystick
Der textiltechnologisch hergestellte Sensor ist Bestandteil einer differenziert aufgebauten Leichtbauverbundstruktur und dient bei Verformung der Struktur zur Generierung von Steuersignalen. Dazu wurden vier Stück ca. 40 × 10 mm große kontaktierte Faserverbundfederelemente um jeweils 90° versetzt auf einem Kreisring fest angeordnet. Zur eindeutigen Signalgenerierung in XY-Richtung sind zwar nur zwei sensorisierte Federelemente die im rechten Winkel zueinander angeordnet sind erforderlich, aus konstruktiven Gründen und zugunsten einer redundanten Ausführung wurde die kreuzförmige Anordnung, wie im Bild 4 ersichtlich, gewählt. Die erzeugten Signale sind bei entsprechender Verarbeitung geeignet komplexe Strukturen wie zum Beispiel einen Mehrachsroboter wegproportional anzusteuern. Bei ersten Funktionsnachweisen verfügte das System über eine selbstadaptierende Auswerteelektronik, die einerseits die Anpassung an äußere Bedingungen gestattet und andererseits eine standardisierte Datenausgabe realisiert. Ein wesentliches Ziel bei der Entwicklung der neuen Integrationssysteme ist ferner, energieeffiziente Produkt- und Prozessinnovationen kurzfristig zu tragfähigen wirtschaftlichen Verwertungen zu führen. Als nachfolgende Ausbaustufe ist die bisher drahtgebundene Signalübertragung (Bild 4) vom Steuerelement auf das Steuersystem über eine drahtlose Datenübertragung zu realisieren. Weitere Untersuchungen verfolgen die Zielrichtung, die bisherigen Ergebnisse auf der Basis duroplastischer Matrixsysteme mit thermoplastischen Werkstoffsystemen zu kombinieren bzw. auf diese zu übertragen, um solche intelligenten Verbundstrukturen kostengünstig über Massenfertigungsverfahren bereitzustellen. In den nachfolgenden Abbildungen wird eine Konstruktionsvariante vorgestellt die geeignet ist, einen Steuerhebel nach dem Joystickprinzip (Bild 5 und Bild 6) vollständig im Spritzgussverfahren herzustellen. Die U-förmigen Verformungsteile (Bild 7) werden mit einem Sticksensor hinterspritzt und erzeugen die notwendigen Signale bei Betätigung des Steuerhebels für die Steuerung geeigneter Systeme.
612
Bild 5: Fertigungsgerechte Kon- Bild 6: Funktionselemente in der Bild 7: Verformungsteile mit hinterspritzter Sensorik struktion einer Steuereinheit nach Steuereinheit dem Joystickprinzip
Untersuchungen zu thermoplastischen, faserverstärkten Matrixsystemen für hoch belastete Strukturbauteile haben prinzipiell, mit Einschränkungen, auch die Eignung von Thermoplastwerkstoffen für Federelemente aufgezeigt. Da Herstellungsverfahren auf der Basis thermoplastischer Werkstoffe besondere Vorteile für ein Massenfertigungsverfahren bieten, wird sich zukünftig der Focus darauf ausrichten. Ideale Voraussetzungen zur Entwicklung einer komplexen Serientechnologie im Massenmarktsegment bietet die synergetische Zusammenführung der Sticktechnologie mit dem Kunststoff- Spritzgießverfahren. Die sich daraus ergebenen Möglichkeiten sind sehr vielfältig und lassen die Entwicklung ganz neuer Produktgruppen erwarten. Eine vorstellbare Prozesskette ist im Bild 8 dargestellt.
4
Ausblick
Faserverbundwerkstoffe werden sich weiter gegenüber konventionellen Werkstoffen durchsetzen, wenn es gelingt, eine höhere Funktionalität in die Bauteile mittels Massenfertigungsverfahren zu integrieren und dadurch wettbewerbsfähig zu werden. Gleichzeitig gilt es aber auch die fehlende Materialduktilität der Faserverbundwerkstoffe (Glas-, Kohle-, Aramidfaser u. a.) mittels intelligenter Strategien zu kompensieren. Einen ganz wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung solcher Strategien haben bisher technische Textilien geleistet. Die wichtigsten Leichtbaukomponenten werden mit bekannten textiltechnologischen Verfahren zur Verfügung gestellt. Der hier verfolgte Weg, der Zusammenführung von Sticktechnologie, Kunststoffspritzgießverfahren und der Mikrosystemtechnik bietet die Möglichkeit serientaugliche Produkte mit integrierten Funktionen nach optimalen faserverbundgerechten Konstruktionsprinzipien zu fertigen.
613
Bild 8: Prozesskette von der Preform mit integrierter Sensorik zum Bauteil
Die Zustandserfassung der Faserverbundstruktur auf äußere, sich ändernde Bedingungen mittels strukturintegrierter Sensorik eröffnen in vielen Anwendungsbereichen neue, innovative Lösungen mit der Option der Großserienherstellung. [9–11] Die Sticktechnologie bietet somit die Grundlage für die Entwicklung neuer Wege zur Massenfertigung wettbewerbsfähiger Erzeugnisse in Faserkunststoffverbundbauweise mit integrierten Sensoreigenschaften. Neuen Produktfamilien wird der Weg in die Serienfertigung erst dadurch ermöglicht. Der entscheidende Beitrag liegt dabei in der Schaffung der technologischen Voraussetzungen für Bauteilentwicklungen, die erstmalig den Bedingungen eines Massenmarktes gerecht werden. Somit können die derzeit bestehenden fertigungstechnologischen Defizite für eine Vielzahl marktrelevanter Problemstellungen unter Einsatz der Sticktechnologie einer Lösung zugeführt werden, wie z. B. Handcontrols, Strukturüberwachungseinrichtungen oder automatische Getriebesteuerungen für den Fahrzeugbereich.
5 [1] [2]
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615
TiO2 Thick Film Coated on Alumina Foams for UV Light Stimulated Photocatalytic Phenol Mineralization U.F. Vogt1,3, M. Gorbár1,2, M. Vargová2, G. Plesch2 1
Laboratory Hydrogen & Energy, Empa, Swiss Federal Laboratories for Materials Testing and Testing and
Research, Ueberlandstr. 129, 8600 Duebendorf , Switzerland. 2
Department of Inorganic Chemistry, Faculty of Natural Sciences, Comenius University, SK-84215 Bratislava
3
Department of Crystallography, University of Freiburg, D-79104 Freiburg Germany
1
Introduction
For applications like filters and catalyst supports, reticulated ceramic foams are well established for several industrial applications [1–3] as they exhibit high porosity and low flow resistance. The open three dimensional reticular structure is capable of homogenizing non-uniform flows as well as the concentration of species in the flow. Ceramic alumina foams are prepared frequently by the Schwartzwalder replica method, [4] where a polyurethane sponge is coated with a fine powder suspension and subsequently the organic template is burned out. The pore size of the PU foams, quoted in pores per inch (ppi) is available in a great range from 10 pores per inch (ppi) to 100 ppi, which corresponds to 4500 to 500 μm. [5] The growing concern in respect of water and air contamination from organic pollutants leads to a rising interest in photocatalytic processes, catalyzed by oxide semiconductors, mainly TiO2 [6-8]. Under UV irradiation in presence of air or oxygen, TiO2 is able to destruct many organic contaminants completely. [8] The activation of TiO2 by UV light in presence of water generates reactive hydroxyl radicals with high oxidation ability. The gap energy of TiO2 in anatase is 3.2 eV, which corresponds to a wavelength of 388 nm. Actually, the photoacatalysis with TiO2 takes place in the range of 300–388 nm. [8] Titanium dioxide P25 from Degussa is a nanopowders of anatase and rutile in the relation 80 : 20. It is the most commonly used semiconductor photocatalyst since it exhibits high effectivity, low toxicity, adequate price and stability. In conventional heterogeneous photocatalytic reactions, where titania is added to the contaminated solution, the separation of nano-sized catalyst powders from waste-water is demanding and uneconomical. Thus it is advantageous to immobilize the catalysts on a porous support. Phenolic compounds constitute an important group of pollutants in wastewater, produced by various chemical industries. Therefore the removal of their residues from the water, which exists in trace amounts, is a highly topical necessity. Various support systems like glass, silica, quartz, activated carbon, glass fibers, etc. have already been used as substrate materials for TiO2. [7] Less interest has been devoted to macroporous inorganic materials. [9,10] Honeycomb monolithic reactors as supports for TiO2, has been used for indoor air purification. [11] New possibilities arise for water purification systems, based on ceramic reticular foam substrates with open porosity which offer porosities over 90 %, a high specific surface area and only low flow resistance. Recently it has been reported that TiO2, deposited on 15 ppi alumina foam supports outperforms the photocatalytic activity of TiO2, applied as powder slurries. [12]
616 It is the aim of this study to investigate the influence of the open porosity of TiO2 washcoated reticular alumina foams to the photocatalytic activity in purified water. Phenol was taken as a model compound and its mineralization in aqeous solution concerning the photocatalytic reaction was measured by determining the total organic carbon (TOC).
2
Experimental
The preparation of reticulated Al2O3 ceramic foams with a pore size of 25, 20 and 15 ppi by the Schwartzwalder replica method is described in detail elsewhere [1–5]. Alumina foams of the dimension 79 × 79 mm and a thickness of 19 mm were prepared. The geometrical density of 25 ppi foam was U = 373 g/dm3, for 20 ppi foam it was U = 288 g/dm3 and for 15 ppi U = 278 g/ dm3. TiO2 nanopowder (Degussa P25) was used for wash coating the alumina foam scaffolds. For this purpose, 20 wt.% of TiO2 powder was stirred in distilled water and acidified with 10 % HNO3 to obtain a pH of 2.4. The TiO2 coating was performed by dipping the pre-sintered alumina foams into the titania slurry for 5 minutes, followed by a 10 minute ultrasonic bath treatment causing a homogeneous surface coating. The TiO2 coated samples were dried at 80 °C for 10 minutes and heat treatment at 600 °C for 1 hour with a heating and cooling rate of 60 °C/h. For an adequate TiO2 thick film with good adhesion behaviour, the coating process and the annealing temperature was optimized. The viscosity of the TiO2 slurries was adjusted by adding an adequate amount of distilled water. While viscosities from K = 2.23 to 3.64 mPa.s led to TiO2 films with a high crack fraction, crack-free films were achieved by using TiO2 slurries with a viscosity in the range of K = 1.88 to 1.94 mPa.s. An annealing temperature of 600 °C leads to a film with a sufficient adhesion between the TiO2 layer and the alumina substrate. According to XRD measurements on TiO2 P25 powder, heated at the same conditions, an anatase to rutile ratio of 68:32 could be reached at at 600 °C. Scanning electron microscopy of the supported catalysts were obtained by a TESCAN Vega TS 5136 MM. The photocatalytic activity was determined as the ability of phenol mineralization by the determination of total organic carbon (TOC) in a water-phenol solution. The TiO2 coated alumina foams were immersed into 250 ml of aqueous solution with a phenol concentration of 0.3 mmol/dm3. A 400 W UV lamp (HPA 400 W, Philips) was utilized as the source of irradiation. Between the UV lamp and the sample, a pyrex glass filter was mounted for the elimination of radiation with a wavelength less than 300 nm. The temperature of the phenol solution was kept constant at 50 °C and intensely bubbled with air, to ensure an adequate amount of oxygen for enhancing the degradation reaction and for an adequate flow of the phenol-water solution through the open pore structures of the TiO2 coated alumina substrate. The samples were irradiated from the site of their square surface, as shown in the reactor scheme in figure 1. For the determination of TOC, a Shimadzu TOC 5050 PC device was used. For achieving an equilibrium between the aqueous phenol solution and the TiO2 coated ceramic foam, the UV irradiation and measurement was started 1 hour after immersing the foam into the reactor. The photocatalytic experiments were performed for 240 min. For the TOC measurement, ca. 3 ml of the solution was taken every 20 min. The TOC concentration was expressed in ppm per ml solution. The photocatalytic activity was standardised by converting the TOC per mg of supported TiO2 (tab. 1).
617
Figure 1: Scheme of the photochemical reactor.
3
Results and Discussion
Crack free TiO2 coated alumina foams of 15, 20 and 25 ppi with a sufficient stability has been prepared for the photocatalytic reaction (fig.2, left). In the above described coating procedure, TiO2 thick films with a thickness between 5–10 Pm could be applied (fig. 2, right).
Figure 2: Alumina foams with a pore size of 25 ppi (left), porous TiO2 layer of 8 μm (arrow) after annealing at 600 °C for 1 hour (right)
Depending on the alumina pore size and thus the geometrical density, the amount of supported TiO2 varies between 44 mg for 15 ppi foams and 107 mg for 25 ppi foams (tab.1). The amount of TiO2 correlates with the geometrical densities of the foams, as for increasing ppi increasing amounts of struts in the same volume are available. The presence of the TiO2 catalyst in the system enhances the rate of the catalytic reaction. For given reaction conditions, the optimal amount of TiO2 catalyst has to be determined. The initial rate of photocatalytic reactions of TiO2, prepared either as slurry in the polluted solution or as coated layer on a porous substrate, increases proportionally to the amount of TiO2 until a plateau is reached. [15–17] This is caused by the effect of light absorption and scattering until saturation is reached. In our case the activity of the investigated systems is influenced also by
618 the fact that catalysts are supported on a highly irregular substrate, where both of the above mentioned effects can play a crucial role. The TOC loss of the supported catalysts under investigation increases with the amount of TiO2 supported on the alumina foam (tab. 1) and thus indicates that the reaction plateau was still not reached. Table 1: Relation of pore size to geometrical density, TiO2 loading, total TOC loss and TOC loss per mg TiO2
Pore size of the foams (ppi)
25 3
20
15
Geometrical density U (g/dm )
373,11 286,76
277.78
TiO2 loading (mg) on alumina foams
107
52
44
TOC loss after 240 min reaction time (ppm)
6.313
4.836
4.532
TOC loss after 240 min per mg TiO2 (ppm/mg)
0.059
0.093
0.103
Since the aim of our investigations was to study the optimal porosity and TiO2 load on the porous substrates for the highest efficiency of the phenol decomposition, the amount TiO2 present on the foam substrates has to be considered. Therefore we expressed the photocatalytic activity as ppm of phenol, mineralized per 1 mg of TiO2 (tab. 1). It could be shown, that with increasing pore sizes from 25 to 20 to15ppi, the standardized photocatalytic activity of the TiO2 supported foams increases (fig. 3).
Figure 3: Relative loss of phenol per mg of TiO2, which equals to the relative TOC loss (specific TOC/ TOC0 ) per mg TiO2 as a function of reaction time.
Figure 3 demonstrates that the loss of phenol (corresponding to TOC loss), decomposed per mg of supported TiO2, is significantly higher for foams with 15 ppi pore size compared to 25 ppi. The photocatalytic properties of the 15 and 20 ppi foams are in the same order of magnitude. Thus, it could be approved that a TiO2 thick film coated 15 ppi foam represents a good compromise between sufficient pore size and thus good permeability, adequate geometrical density and high phenol decomposition rate.
619
4
Conclusion
The developed wash coating process of open cell reticular alumina foams with pore sizes of 25, 20 and 15 ppi with a suspension of TiO2 nanopowders (Degussa P25) leads to TiO2 thick films of 5–10 Pm. These TiO2 coated foams act as catalyst supports for photomineralization reactions of phenol in water solution. It could be shown, that the standardized photocatalytic activity (the photoactivity per mg of supported TiO2) increases with rising pore size. Although theTiO2 coating, supported on alumina foams with a pore size of 15 ppi, shows the lowest total TOC conversion of the photocatalytic reactions, it shows the highest total efficiency concerning the TiO2 loading. This effect is obvious, as with increasing pore size a higher permeability of the solution through the porous foam structure is obtained and simultaneously a better access of UV light to the active TiO2 surface is realized. The results of this studies are promising for applications in heterogeneous catalyst supports for photocatalytic treatment of contaminated water.
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18]
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620
Mittels Verbundguss hergestellte Schneidaktivelemente A. Mackensen, S. Hippmann, Technische Universität München, Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen utg, Garching
1
Einführung
Steigende Qualitätsanforderungen an die gefertigten Bauteile bei stetig ansteigenden Blechwerkstofffestigkeiten und der zunehmende Preisdruck sind Herausforderungen, mit welchen die blech- verarbeitende Industrie zunehmend konfrontiert wird. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Betriebe kosten- und qualitätsgerecht fertigen. Diese Anforderungen wirken sich auch auf die Herstellung von Schneidwerkzeugen aus. Um den hohen Qualitätsansprüchen zu genügen, wird durch den Einsatz hochwertiger und kostenintensiver Werkzeugwerkstoffe versucht, den Verschleiß der Werkzeuge zu minimieren bzw. die Werkzeugstandzeit zu erhöhen. Mit dieser Strategie kann eine dauerhafte und möglichst gleichbleibende hohe Qualität der Bauteile gewährleistet werden. Der Einsatz entsprechend verschleißfester Werkstoffe ist dabei i.d.R. mit erhöhten Kosten verbunden. Die Herausforderungen der Hersteller von Schneidwerkzeugen bestehen sowohl in der kontinuierlichen Verbesserung der Schnittflächenqualität, als auch in der Verarbeitung hochund höchstfester Blechwerkstoffe ohne Einschränkung der Standmenge, bei einer gleichzeitigen Kostenreduzierung der Schneidwerkzeugherstellung. Für die Auswahl eines geeigneten Werkzeugwerkstoffs sind vor allem eine hohe Festigkeit, Zähigkeit, Verschleißbeständigkeit und Härte von entscheidender Bedeutung [1]. Diesen Anforderungen gerecht zu werden, stellt allerdings immer einen Kompromiss dar, da ein Werkstoff mit einer hohen Härte zwar verschleißund formbeständig ist, aber im Gegenzug eine reduzierte Zähigkeit besitzt. Von den genannten Anforderungen ist die Härte des Schneidstempels ein entscheidender Faktor. Nach Untersuchungen von [2, 3] nimmt der Verschleiß der Schneidkanten mit zunehmender Härte ab. Um Material- und Herstellungskosten zu senken, gibt es u. a. die Möglichkeit die Aktivelemente hinsichtlich des Werkstoffes belastungsangepasst zu konstruieren. Dabei werden für die jeweils unterschiedlich beanspruchten Bereiche des Werkzeugs verschieden verschleißfeste Werkstoffe verwendet. Ein wichtiger Aspekt ist der Verbund der verschiedenen Werkstoffkomponenten.
Bild 1: Prinzipdarstellung der durch Verbundguss hergestellten Schneidaktivelemente
621 Ein für diese Anwendungen bislang noch nicht verwendeter Lösungsansatz ist der Verbundguss. Mit ihm ist ein stoffschlüssiger und/oder formschlüssiger Verbund im Anbindungsbereich der Werkstoffe möglich. Im vorgestellten Konzept erfolgt die Aktivelementherstellung von Schneidwerkzeugen zum Trennen von Feinblech durch Umgießen eines hochwertigen, pulvermetallurgischen Werkstoffs (PM-Stahl) im Bereich der Schneidleiste mit einem kostengünstigen Gusswerkstoff als Werkzeuggrundkörper (s. Abb. 1). Durch dieses Verfahren können die Vorteile beider Werkstoffe - hochwertiger Werkstoff in Bereichen hoher Belastung und gute Verschleißbeständigkeit, und ein weniger hochwertiger, dafür kostengünstigerer Werkstoff in Form von Gusseisen in Bereichen geringerer Belastungen - optimal genutzt werden.
2
Gießtechnische Voraussetzungen
Eine wesentliche Voraussetzung im Verbundguss ist die Bildung von Mischkristallen zwischen den beiden beteiligten Werkstoffen. Dazu ist ein wechselseitiger Atomaustausch durch Grenzflächendiffusion nötig. Einer der beiden Werkstoffe muss hierzu für eine bestimmte Zeit im thixothropen oder schmelzflüssigen Zustand vorliegen. Beim Verbundgießen zweier Eisenbasislegierungen (PM-Stahl und Gusseisen) ist die Mischbarkeit der beiden Werkstoffe grundsätzlich gegeben, so dass neben einer formschlüssigen auch eine stoffschlüssige Anbindung realisierbar ist. Die thermischen Bedingungen in der Verbundschicht sind für die Ausbildung eines stoffschlüssigen Verbunds von entscheidender Bedeutung, da sie für die Benetzung und Anbindung der beiden Werkstoffe verantwortlich sind. Des Weiteren ist die Bildung einer Interdiffusionszone von den vorherrschenden thermischen Bedingungen abhängig [4]. Um eine ausreichende stoff- bzw. formschlüssige Werkstoffverbindung zwischen einem Grundkörper (PM-Stahl) und dem Umguss (Gusseisen) herzustellen, sollten die thermischen Verhältnisse nach Möglichkeit so gewählt werden, dass sich an der Kontaktfläche der Werkstoffe eine Temperatur einstellt, die oberhalb der Solidustemperatur einer der beiden Werkstoffe liegt (Abb. 2a). Dabei sind nach [4] die Kontaktflächentemperatur (TKF) und der Zeitraum bis zur Einstellung dieser Temperatur abhängig von der Vorwärmtemperatur TV des Grundkörpers und der Gießtemperatur TG der Schmelze. Daneben ist das Verhältnis der Masse des flüssigen Metalls zur Kontaktoberfläche mS/AKF und das Verhältnis der Masse von flüssigem Metall zur Masse des Grundkörpers mS/ mGK von Bedeutung.
Bild 2: a) Schematische Darstellung des Kontaktflächenbereichs eines Verbundgusswerkstücks; b) Einstellung der Ausgleichstemperatur an der Kontaktfläche (nach [4])
622 Eine Erhöhung der Kontaktflächentemperatur (TKF) lässt sich zum einen durch eine Anhebung der Gießtemperatur (TG) erreichen. Diese Maßnahme kann jedoch nur in gewissen Grenzen eingesetzt werden, da eine zu niedrige Gießtemperatur zu Kaltläufen und eine Überhitzung der Schmelze zu unerwünschten Gusseigenschaften führt. Zum anderen kann eine Erhöhung der Kontaktflächentemperatur (TKF) durch eine Erhöhung der Vorwärmtemperatur des Probenkörpers (TV) erreicht werden. In Abbildung 2b sind der Verlauf der Schmelzetemperatur und der Temperaturverlauf des umgossenen Bauteiles für zwei verschiedene Bauteilvorwärmtemperaturen exemplarisch dargestellt. Hierbei ist zu erkennen, dass die Ausgleichstemperatur an der Kontaktfläche bei höherer Vorwärmtemperatur des Probenkörpers TKF2 höher liegt als bei der geringeren Vorwärmtemperatur TKF1. Die Kontaktflächentemperatur ist umso höher, je größer das Verhältnis der Massen des flüssigen Metalls (mS) zur Kontaktoberfläche (TKF) ist. Je mehr Schmelze die Kontaktfläche umgibt, desto größer ist die eingebrachte Wärme in den Grundkörper. Je größer das Gewichtsverhältnis der Schmelzemenge (mS) zum Probenkörper (mPK) ausfällt, desto höher ist die sich einstellende Kontaktflächentemperatur (TKF). Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die Auswahl geeigneter Werkstoffe hinsichtlich ihrer Schmelztemperaturen. Grundsätzlich kann zwischen Umgießen eines niedrig schmelzenden Werkstoffs mit einem höher schmelzenden sowie Umgießen eines höher schmelzenden Werkstoffs mit einem niedrig schmelzenden unterschieden werden. Nach [5] stellt die letztere Kombination die günstigere Variante für die Wahl der Vorwärmtemperatur TV des Grundkörpers dar und entspricht der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Werkstoffkombination aus PM-Stahl und Gusseisen als Umguss.
3
Vorversuche
Ausgehend von den beschriebenen gießtechnischen Voraussetzungen zur Erzeugung von Verbundstrukturen mittels Verbundguss wurde im Rahmen von Vorversuchen die erreichbare Qualität des Werkstoffverbunds PM-Stahl/Gusseisen untersucht, u.a. auch mit dem Ziel prozessrelevante Gießparameter zu identifizieren. Zu diesem Zweck wurden Stahl-Probekörper gemäß Abbildung 3a mit einer Gusseisenschmelze stirnseitig umgossen.
Bild 3: a) Abmessung der Versuchsproben; b) fertiger Verbundgusskörper; c) Zugprobe
Da die Gießtemperatur maßgeblichen Einfluss auf die Ausprägung der Verbundqualität hat, wurden in den Vorversuchen zwei verschiedene Gießtemperaturen TG der Gusseisenschmelze, 1350 °C sowie eine leicht überhitzte Gießtemperatur von 1500 °C, berücksichtigt. Der Einfluss des Grundkörperwerkstoffs auf die Verbundbildung wurde durch Variation des Stahlwerkstoffs untersucht. Neben einer pulvermetallurgischen Ausführung eines Stahls vom Typ 1.3344 wurde
623 ein ledeburitischer Kaltarbeitsstahl (1.2379) eingesetzt. Beide Werkstoffe wurden im weichgeglühten Lieferzustand für die Untersuchungen herangezogen. Bei den Probekörpern wurde zusätzlich die stirnflächge Oberflächenstruktur variiert (glatt, gestrahlt, rilliert) um den Einfluss der formschlüssigen Anbindung zu untersuchen. Dies wurde durch metallographische Untersuchungen sowie in Zugversuchen ermittelt (Abb. 3c/4).
Bild 4: Einflussparameter auf die Anbindungsqualität von (PM-)Stahl/Gusseisen Verbundguss
Aus Abb. 4 geht hervor, dass die maximal erreichbaren Zugspannungen starke Abhängigkeit von der Oberflächenstruktur aufweisen. So erreichen Proben mit rillierter Probenkörperoberfläche die höchsten Zugspannungen von ca. 260 N/mm². Verbundgussproben mit sandgestrahlter Substratoberfläche erreichen Werte um 170 N/mm². Referenzkörper mit glatter Oberfläche versagen bereits bei ca. 50 N/mm². Der Einfluss des Probenkörperwerkstoffs auf die erreichbare Zugspannung und damit auf den Werkstoffverbund ist sehr gering. Die Temperatur der Schmelze hingegen hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildung eines stoff- bzw. formschlüssigen Werkstoffverbunds. Bei glatter oder sandgestrahlter Oberfläche lässt sich ein ausreichender Verbund nur mit hoher Schmelzetemperatur von ca. 1500 °C erreichen. Versuchsproben mit rillierter Grundkörperoberfläche erreichen bei einer geringeren Schmelzetemperatur von ca. 1350 °C bereits eine Werkstoffverbindung, die größtenteils formschlüssig, teilweise auch stoffschlüssig ist und Zugspannungen um 170 N/mm² standhält. Bei höherer Gießtemperatur steigt der Anteil der stoffschlüssigen Anbindungsbereiche und die Verbundproben versagen bei Zugspannungen von ca. 260 N/mm². Bei diesen Verbundproben stellt der Gusswerkstoff jedoch teilweise den begrenzenden Faktor dar, da dessen maximale Zugspannung im vorliegenden Fall bei ca. 230–260 N/mm² liegt.
4
Aufbau von Demonstrator-Schneidaktivelementen
Aufbauend auf den durchgeführten Vorversuchen wurden die Erkenntnisse auf die Auslegung, Konstruktion und Fertigung eines Demonstrator-Schneidmessers aus Verbundguss übertragen, um im realen Schneidprozess die Funktionsweise zu untersuchen. Abb. 1 zeigt das Grundprinzip des Schneidmessers bestehend aus Ober- und Untermesser. Die Schneidleisten wurden dabei aus einer pulvermetallurgischen Variante des Werkstoffs 1.2379 ausgeführt und mit lamellaren Gusseisen (EN-GJL-250) im Handformguss umgossen (Abb. 5). Die Anbindung PMStahl/Gusseisen soll dabei zwei Anforderungen genügen. Zum einen muss der Werkstoffver-
624 bund den im Betrieb des Werkzeugs gestellten Belastungen standhalten. Zum anderen soll der Aufwand zur Herstellung einer geeigneten Kontaktoberfläche möglichst gering sein, um das Verfahren möglicherweise im industriellen Umfeld einsetzen zu können. Im Rahmen der Voruntersuchungen hat sich gezeigt, dass Probekörper mit sandgestrahlter Oberfläche beim Umgießen mit Gusseisenschmelze ein gutes Anbindungsverhalten zeigen. Da dies zugleich ein sehr einfach zu realisierendes Verfahren ist, kommt es bei der Herstellung der Schneidstempel zum Einsatz. Bei der Dimensionierung der Schneidkanteneinsätze aus PM-Stahl wurde ein Kompromiss aus möglichst großer Kontaktfläche und guter Bearbeitbarkeit der Schneidaktivelemente eingegangen. Die Gussform wurde so konzipiert, dass beide Aktivelemente in einem Abguss gefertigt werden können. Um die gleiche Gussqualität bei beiden Stempeln zu erreichen, werden diese in der Gussform nebeneinander angeordnet. Zudem wird in die Form ein Schmelzeüberlauf integriert, der die Möglichkeit bietet die Schneidleisten indirekt durch die überströmende Schmelze vorzuwärmen und somit eine günstigere Anbindungsqualität mittels erhöhter Kontaktflächentemperatur einzustellen (vgl. Abb. 2b). Die flüssige Schmelze überströmt hierbei die Schneidleistenoberfläche und gelangt anschließend in einen Formhohlraum. Als Gießtemperatur wurde 1500 °C gewählt.
Bild 5: Demonstrator-Versuchsschneidwerkzeug; a) fertige Gussformhälfte mit eingesetzten Schneidleisten und Schmelzeüberlauf, b) Verbundgussrohteil mit gekennzeichnetem Schneidmesserbereich; c) fertiges gefrästes und geschliffenes Untermesser
Die Schneidversuche werden auf einer einfachwirkenden, mechanischen Schnellläuferpresse vom Typ BSTA 800-145 B der Fa. Bruderer durchgeführt. Als Versuchswerkstoff wurde ein 50 mm breites Stahlblech (Blechwerkstoff H320LA) der Dicke 1,75 mm bei einer Anschnittgeschwindigkeit von 0,25 m/s geschnitten. Die Schneidkanten wurden im Ausgangszustand mit einem Radius von ca. 40 μm versehen. Der Verschleiß der Schneidkanten wurde in Intervallen von 0, 10 000, 30 000, 50 000 und 100 000 Hüben mit einem Profilmessgerät ermittelt (Abb. 6a).
Bild 6: a) Profilmessgerät und Messpositionen am Untermesser; b) Verschleißentwicklung der Schneidkante von 0 bis 100.000 Hub; c) Härtemessung der PM-Stahl-Schneidleisten
625 Insgesamt konnte kein Versagen der Schneidstempel im Bereich des Werkstoffverbunds festgestellt werden. Auch sind keine Ausbrüche entlang der Schnittlinienkontur erkennbar. Nach 100 000 Hub konnte lediglich ein geringfügig ausgeprägter Verschleiß der Schneidkanten gemessen werden, was deutlich aus den in Abb. 6b dargestellten Messdaten hervorgeht. Die geringe Verschleißneigung der Schneidkante ist u.a. auf den Wärmeeintag Schmelze in den PMStahl während des Gießens zurückzuführen, der zu einer thermischen Vergütung geführt hat. Dieser Zusammenhang zeigt sich deutlich im Vergleich der Härtewerte der PM-Stahl-Schneidleisten im Lieferzustand und umgossenen Zustand (Abb. 6c).Nach Beendigung der Schneidversuche wurde das Obermesser zertrennt und die Verbundzone metallographisch untersucht (Abb. 7).
Bild 7: Schliffbilder der PM-Stahl/Gusseisen-Verbundzone des Obermessers (ungeätzt)
In Abb. 7 ist eine charakteristische stoffschlüssige Anbindung der beiden Werkstoffe zu sehen. Dabei können drei Gefügebereiche klar unterschieden werden. Zum einen der Bereich des Gusseisens sowie der Bereich des PM-Stahls. Zwischen diesen beiden Bereichen ist die Ausbildung einer Interdiffusionszone zu erkennen. Auch zeigt sich, dass der Bereich der Werkstoffkante durch die Gusseisenschmelze teilweise angeschmolzen wurde.
5
Zusammenfassung
Vorgestellt wird ein neuartiger Lösungsansatz zur Herstellung von Schneidaktivelementen zum Trennen von Feinblechen; realisiert durch Umgießen eines hochwertigen pulvermetallurgischen Werkstoffs (PM-Stahl) für den Bereich der Schneidleiste mit einem kostengünstigen Gusseisenwerkstoff als Werkzeuggrundkörper. Die für eine qualitative, stoffschlüssige Anbindungsqualität relevanten gießtechnischen Einflussgrößen wie Gießtemperatur der Gusseisenschmelze und Oberflächenbeschaffenheit der PM-Stahl Probekörper konnten in Grundlagenversuchen identifiziert werden. Durchgeführte Schneidversuche des Blechwerkstoffs H320LA mit Demonstrator-Schneidaktivelementen zeigen lediglich einen geringfügig ausgeprägten Schneidkantenverschleiß. Somit ist das Potential des Verbundguss zur Herstellung von hoch beanspruchten Schneidwerkzeugen belegt und weiterführende Forschungen zu diesem Thema sind angestoßen.
626
6 [1] [2] [3] [4] [5]
Literatur M. Hoogen, Einfluss der Werkzeuggeometrie auf das Scherschneiden und Reißen von Aluminiumblechen, Dissertation, TU München, 1999. W. Kienzle, Verschleißmerkmale beim Schneiden von Stahlfeinblechen zwischen Stempel und Schnittplatte, Dissertation, TH Hannover, 1957. K. Buchmann, Beitrag zur Verschleißbeurteilung beim Schneiden von Stahlfeinblech, Dissertation, TH Hannover, 1961. A. Ißleib, A. Friedel, I. Lubojanski, in Gießerei-Praxis 7/8, 1995, p. 146–150. A. Ißleib, A. Friedel, I. Lubojanski, in Gießerei-Praxis 15/16, 1995, p. 286–289.
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Suspensionsplasmaspritzen thermisch aktivierbarer triboaktiver Schichtverbunde Fr.-W. Bach, K. Möhwald, M. Erne, D. Kolar Leibniz Universität Hannover, Witten
1
Einführung
Titanoxidbasierte Schichtverbundsysteme haben über längere Zeit das Interesse auf Grund ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten geweckt. Sie wurden u.a. hinsichtlich photokatalytischer Eigenschaften und dem Ziel einer einstellbaren spezifischen elektrischen Leitfähigkeit untersucht. In der Anwendung befinden sich Titanoxide hingegen im Feld des Thermischen Spritzens seit geraumer Zeit, um als Beimischung zu anderen oxidkeramischen Spritzzusatzwerkstoffen wie z. B. Al2O3 den Nachbearbeitungsaufwand und den Gleitreibwert von abrasions- und korrosionsfesten Schichten zu reduzieren. Allen diesen Anwendungen gemein ist die Verwendung unterstöchiometrischer Oxide des Titans, die gegenüber dem stöchiometrischen TiO2 ein Anionendefizit (TiO2 – x) aufweisen. Um das Potenzial einer unter Beanspruchung der Schichtsysteme im Einsatz auftretende Minderung des Gleitreibwerts zu nutzen, erscheinen sie jedoch auf Grund ihrer Neigung, sich zum thermodynamisch stabilen stöchiometrischen Rutil umzuwandeln, nicht geeignet. In diesem Beitrag werden die grundsätzlichen Möglichkeiten erörtert, das System Ti-O durch Einführen weiterer Kationen zu einem Dreistoffsystem zu erweitern. Mit diesem Vorgehen sollen Phasenbestände in thermisch gespritzten Schichtverbunden erzielt werden, die zu den TiO2 – xPhasen homolog sind und ein ähnlich günstiges Einsatzverhalten aufweisen, jedoch im Einsatz stabil sind. Als Verfahren wurde das Suspensionsplasmaspritzen gewählt, weil es die Möglichkeit eröffnet, den Phasenbestand im Schichtverbund durch Aufgabe zweier oxidkeramischer Systeme in Suspension und Durchmischung der Phasen im Plasma gezielter zu beeinflussen, als es mit herkömmlichen Thermischen Spritzverfahren möglich ist. Weiterhin sollen die mit dem Verfahren einstellbaren homogenen Schichtgefüge geringer Dicke die Anwendung … ermöglichen, die hohe Anforderungen an die Kohäsion und Maßhaltigkeit der Schichtsysteme stellen.
2
Gleitreibminderung in Oxidkeramiken durch thermische Aktivierung
2.1
Das System Titan-Sauerstoff
Im System Ti-O stellt der tetragonale Rutil die thermodynamisch stabilste Modifikation des stöchiometrischen Titandioxids TiO2 dar. Bei Erhöhung der Energie des Kristallgitters z.B. durch Teilchen wie Ionenstrahlung oder eine Anhebung der Temperatur in Bereiche > 500 °C tendiert er dazu, an den Oberflächen Sauerstoff aus dem Gitter abzugeben [1]. Es verbleiben zwei Elektronen an der Vakanzstelle, um die Oberflächenladung neutral zu halten und es redu-
628 ziert sich lokal die Koordination des Titans durch Sauerstoff. Durch diese oberflächennahe Änderung der Gitterstruktur kommt es zu einer Aktivierung von kristallographischen Gleitebenen, an denen ähnlich den metallischen Gittertypen Abscherungen stattfinden können. Diese die Duktilität erhöhende Wirkung überwiegt dabei auch das Bruchverhalten entlang der Spaltflächen. Die Anzahl und Orientierung der Gleitebenen, die zusammengefasst als Gleitebenensysteme betrachtet werden können, hängen in erster Linie von der Anzahl und der Konzentration der Sauerstoffvakanzen ab. Ausgehend vom Rutil werden während des zunehmenden Sauerstoffverlusts aus dem Gitter kontinuierlich andere Gleitebenensysteme aktiviert. In den 1980er-Jahren wurden Versuche unternommen, durch Oxidation der Oberflächen von titanhaltigen Legierungen dünne Beläge dieser Phasen mit günstigen tribologischen Eigenschaften zu erhalten. Ein gezielter Versuch, die gewünschten Eigenschaften über den Phasenbestand einzustellen, erfolgte in diesen Arbeiten jedoch nicht [1]. Im Zentrum des Interesses standen dabei die Phasen mit einer Stöchiometrie der Formel TinO2n – 1 mit 4 d n d 10, entsprechend einem Verhältnis Sauerstoff zu Titan von 1,75 bis 1,90 (siehe Bild 1). Sie sind nach dem Kristallographen Arne Magnéli benannt, der sie erstmalig beschrieb [2]. Die grundlegenden kristallographischen Untersuchungen u.a. zur Aktivierung der Gleitebenensysteme an diesen Phasen waren bereits in den 1970er-Jahren erfolgt [u. a. 3, 4].
Bild 1: Phasendiagramm des Systems Titan-Sauerstoff (links) und Hochtemperaturbildungsbereich der durch Arne Magnéli beschriebenen Phasen (Markierung, rechts) [nach 5]
Im Feld des Thermischen Spritzens wurde mit unterschiedlichen Verfahren (für eine Übersicht siehe [6]) die Applikation von Schichtsystemen mit einem Phasenbestand angestrebt, der überwiegend dem Bereich der Magnéli-Phasen entspricht und daher die Schichten im Einsatz eine Gleitreibminderung zeigen sollen. Dabei ergeben sich zwei Probleme: Der Phasenbestand einer thermisch gespritzten oxidkeramischen Schicht lässt sich nicht direkt über die Zusammensetzung des Spritzusatzwerkstoffs einstellen, da dieser im Prozess aufgeschmolzen wird. Beim Auftreffen der Spritzpartikel auf dem Substrat bestimmt die Abkühlrate und damit einhergehend die für Redistributionsvorgänge verbleibende Zeit die Koordination der Kationen im Gitter durch Sauerstoff [7]. Weil die Abkühlbedingungen für die einzelnen Partikel deutlich
629 voneinander unterschiedlich sind, lässt sich der Phasenbestand nicht kontrollieren. Weiterhin ist der Bereich der Phasen, in denen Gleitebenensysteme aktiviert werden können, im binären System nur sehr schmal. Ein weiterer negativer Aspekt der unterstöchiometrischen Titanoxide im Einsatz unter dem angestrebten Temperaturregime in Atmosphäre ist ihre Neigung, unter Sauerstoffaufnahme aus der Umgebung und durch Diffusion im Gitter die Sauerstoffvakanzen auszuheilen [1, 8]. Mit dieser Umwandlung zum stöchiometrischen Rutil sind keine Gleitebenen mehr vorhanden und der Gleitreibwert steigt [9].
2.2
Das System Ti-Cr-O
Um die gewünschten triboaktiven Schichtverbundysteme mittels Thermischen Spritzens zu erzielen, bietet sich die Erweiterung des Systems Ti-O durch Chrom an. In einem relativ breiten Bereich bilden sich zu den Magnéli-Phasen homologe feste Lösungen aus [9], so genannte Andersson-Phasen.
Bild 2: Phasendiagramm des Systems Titanoxid-Chromoxid mit Bildungsbereich der Andersson-Phasen (Markierung) bei 1300 °C [nach 10]
Der Einbau von Chrom in das Gitter der Titanoxide erfolgt dabei als Cr3+ bzw. auch als Cr4+ anstelle des Titankations, sowie auf Kationenfehlstellen [10] aufgrund seiner zum Ti4+ ähnlichen Ionenradien und Valenzen. Es bilden sich in einem Bereich von ca. 10 bis 45 Mol-% CrO1,5 homologe Strukturtypen, deren stöchiometrisches Verhältnis von Kationen zu Anionen zu dem der Magnéli-Phasen identisch ist und die auch kristallographisch isotyp sind. Sie bieten damit zwei Vorteile gegenüber der Applikation von Magnéli-Phasen: • Die Rückoxidation im Einsatz hin zu den stöchiometrischen Oxiden wie Rutil im Fall der Titanoxide wird unterdrückt, wie durch Berger et al. im Rahmen des AiF-Forschungsvorhabens Nr. 14.926 B nachgewiesen worden ist (bisher nicht veröffentlicht). Damit werden die positiven Gleitreibeigenschaften der Beschichtung im Betrieb gegenüber den MagnéliPhasen länger gewahrt.
630 • Die Andersson-Phasen sind in einem bedeutend breiteren Mischungsbereich von TiO2 und Cr2O3 gegenüber Titan und Sauerstoff im Fall der Magnéli-Phasen stabil. Daher ist davon auszugehen, dass es eher gelingt, definierte oder zumindest an den erwünschten Phasen reiche Beschichtungen reproduzierbar auf dem Substrat abzuscheiden. In [12–14] wurden gezielt die Möglichkeiten untersucht, Andersson-Phasen des Systems TiCr-O mittels Thermischer Spritzverfahren zu applizieren. Die Ergebnisse weisen u.a. das Potenzial der Schichten hinsichtlich einer Gleitreibminderung durch thermische Aktivierung der Gleitebenensysteme auf. In [10] wurde jedoch in Temperversuchen nachgewiesen, dass das Chrom auf Grund seines hohen Dampfdrucks in Abhängigkeit von Temperatur und Temperdauer aus dem Gitter diffundiert. Eine Verarmung solcher Schichtverbundsysteme an Chrom und eine damit einhergehende Änderung des Phasenbestands kann daher nicht ausgeschlossen werden. Im Weiteren wird der Ansatz dieser Arbeit erläutert, durch homo- und heterovalente Substitution des Titans Phasen zu erzielen, die zu den Andersson-Phasen isotyp sind, jedoch keine Änderung der Phasenzusammensetzung unter den angestrebten Einsatzbedingungen aufzeigen sollen.
3
Substitution von Kationen in oxidkeramischen Systemen
Um Kationen auf ihre Eignung hinsichtlich der Substitution des Ti4+ zu untersuchen, empfiehlt es sich, die Auswahl nach kristallchemischen Aspekten einzuengen. Nach den drei durch den Geochemiker Victor Moritz Goldschmidt aufgestellten Regeln können Ionen gegenseitig in einem Kristallgitter ausgetauscht werden, wenn das einzubringende Ion • um bis zu ca. 15 % größer oder kleiner als das zu ersetzende Ion ist, • die gleiche Valenz r1 und • die gleiche Koordination durch die es umgebenden Ionen aufweist. Bei einem Ionenradius des Ti4+ in den Titanoxiden von 0,61 Å (1 Å = 10 nm) und einer Koordinationszahl von 6 [15] kommen neben Cr3+ v.a. (Al, Co, Fe, Mn, Mo, Nb, Ni, Sn, Ta, V, Wo, Zr)-Kationen unterschiedlicher Ladung in Betracht. Dass die Bildung der AnderssonPhasen nach diesen Gegebenheiten abläuft, legen auch empirische Untersuchungen an ternären Systemen der Kationen der Metalle Ti, Ta, Mo, V, Nb und Ta mit Sauerstoff [16] nahe. Wie bereits in [12] berichtet, ist jedoch die Stabilisierung des Gitters mit Vanadium und Molybdän nicht geeignet, um Andersson-Phasen zu erzielen, die unter hoch tribologischer Beanspruchung stabil sind. Darüber hinaus sind die Trioxide beider Metalle ebenso wie die Nickeloxide toxisch, so dass sie als Werkstoffe des Thermischen Spritzens nicht Verwendung finden sollten. Die aufgrund ihrer geringen Vorkommen kostenintensiven Elemente Niob und Tantal sind ökonomisch von untergeordnetem Interesse. Das Wolframtrioxid weist hingegen einen noch höheren Dampfdruck als das Chromoxid auf [17], so dass es für das Schichtsystem im geplanten Einsatz ebenfalls ausscheidet. Als für die Anwendung aussichtsreich erscheinende Kationen verbleiben neben Cr3+ somit Al3+, Fe3+, Mn3+, Co3+ und Sn4+. Obwohl das Zirkonium nach den Goldschmidt'schen Regeln wegen seiner Koordination für einen Einbau in das Gitter der Titanoxide ungeeignet erscheint, wird jedoch in der Literatur der Nachweis geführt, dass das als Spritzwerkstoff übliche ZrO2 mit dem dem Rutil ähnlichen Korundgitter einen Mischkristall bildet [18]. Dies wird vermutlich durch heterovalente Substitution des Aluminiumkations durch Zirkonium zusammen mit dem im Spritzwerkstoff zur Stabilisierung beigemengten
631 Y2O3 ermöglicht. Weil diese Zirkonium-Yttriumoxidmischungen marktgängige, gut verarbeitbare und untersuchte Spritzwerkstoffe darstellen, könnte auch ein Versuch der Synthese der Andersson-Phasen unter Beigabe von Zirkonium-Yttriumoxidgemischen zum Titanoxidspritzwerkstoff hier Erfolg versprechend sein.
4
Experimentelle Durchführung
4.1
Prinzip des Suspensionsplasmaspritzens
Das Prinzip des Suspensionsplamsaspritzen (SPS) beruht im Gegensatz zum konventionellen atmosphärischen Plasmaspritzen (APS) darauf, dass der pulverförmige Spritzwerkstoff in Suspension aufgegeben und diese in das Plasma gefördert wird. Dadurch ist es möglich, nanoskalige Spritzwerkstoffe einzusetzen, die in Pulverform nicht förderbar sind. Die Suspension besteht aus dem Dispersionsmittel als flüssige Trägerphase (meist Ethanol oder Wasser), dem Spritzzusatzwerkstoff sowie einem Dispergierhilfsmittel. Letzteres stabilisiert die Suspension und hindert den Feststoff daran zu sedimentieren. Nach der Injektion in das Plasma wird die Suspension in kleine Tröpfchen fragmentiert. Das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen steigt stark an und das Dispersionmittel verdampft. Die freigesetzten Spritzwerkstoffpartikel schmelzen auf, agglomerieren zu größeren Tropfen und werden auf dem Substrat ausgebreitet, wo sie erstarren und die Schicht bilden. Eine umfassende Übersicht zum Stand der Forschung und Technik des SPS ist in [19] gegeben. Mit diesem Verfahren sind gegenüber konventionellen Thermischen Spritzprozessen sehr dünne und homogene Schichtverbundsysteme realisierbar. Weiterhin belegen Arbeiten [u.a. 20], in deren Verlauf in der Suspension zwei unterschiedliche oxidkeramische Systeme gemischt wurden, dass je nach Bedingungen eine Durchmischung der Phasen im Prozess erreicht werden kann. Mit dem konventionellen APS ist dies durch einfaches Mischen zweier Systeme im Spritzzusatzwerkstoff jedoch nicht möglich [21]. Deswegen scheint das SPS-Verfahren besonders dazu geeignet zu sein, die Eignung einer größeren Anzahl oxidkeramischer Systeme im Plasma zu durchmischen und den sich ergebenden Phasenbestand auf seine Eignung hinsichtlich den Anforderungen zu untersuchen.
4.2
Eingesetzte Gerätschaften und Werkstoffe
Als Plasmabrenner wurde ein Triplex-II-System (Sulzer Metco AG, Wohlen) eingesetzt. Gegenüber konventionellen APS-Brennersystemen verfügt es über drei Kathoden, so dass eine höhere Ladungsträgerdichte bei gleichzeitig besser stabilisiertem Plasma erreicht werden kann. Im Gegensatz zu Einkathodensystemen ist das System auf die Injektion des Spritzwerkstoffs über drei Düsen ausgelegt. Diese Möglichkeit wurde im Gegensatz zu früheren Arbeiten [u.a. 22] durch die Adaption von drei Zweistoffdüsen mit variablem Innendurchmesser an den Brennerkopf genutzt. Als Fördersystem wurde ein pneumatisches System entwickelt, das die Förderung der Suspension aus dem Vorratsbehälter durch Beaufschlagung mit einem Fördergas ermöglicht. Davon unabhängig kann ein Sekundärgasfluss eingestellt werden, mit dem die Suspension in den Düsen zerstäubt wird.
632 Um Kenntnisse über das Fenster geeigneter Prozessparameter mit dem System zu erlangen wurden in ersten Versuchen mit 15 Gew.-% TiO2 und Al2O3 beladene Suspensionen mit Korngrößen der Oxidkeramiken zwischen 60 und 100 nm gespritzt. Als Dispersionmittel kamen Wasser und Wasser-Ethanolgemische zum Einsatz. Als Dispergierhilfsmittel wurde auf Grund seiner in [23] beschriebenen hervorragenden Eignung für Oxidkeramiken Dolapix CE 64 (Zschimmer & Schwarz, Lahnstein) gewählt. Es erfüllt die Anforderungen einer geringen notwendigen Aufgabemenge, der vollständigen Zersetzung im Plasma sowie der Stabilisierung der Suspension im annähernd pH-neutralen Bereich sehr gut.
4.3
Ergebnisse
Die Stabilisierung der Suspensionen wurde mittels Sedimentationstests untersucht und die Ergebnisse mit dem Vorgehen bei dem Dispergieren der oxidkeramischen Partikel in den polaren Dispersionsmedien korreliert. Auf diese Weise konnten Suspensionen hergestellt werden, die auch bis zu sehr geringen Massebeladungen von 5 Gew.-% länger als eine Woche stabil sind und nicht absedimentieren. Neben der leichteren Handhabbarkeit im Fördersystem bringt eine gute Stabilisierung der Suspension den Vorteil mit sich, auch mit bis zu 20 Gew.-% Massebeladung in der Suspension einen stabilen Prozess ohne Verstopfen der Injektionsdüsen (Innendurchmesser 0,15 und 0,30 mm) zu gewährleisten. Die aufgegebene Menge Dispergierhilfsmittel liegt dabei unter einem mg pro m2 Feststoffoberfläche. Mit dem erläuterten Fördersystem wurden Förder- und Injektionsversuche einer wasserbasierten Al2O3-Suspension in Ar/He-Plasmen unterschiedlicher Gesamtdurchflüsse und angelegter Leistungen durchgeführt. Dabei wurden die Parameter wie folgt variiert. Tabelle 1: Prozessparameter Ar/He-Flüsse [NLPM] 25 bis 42/8 bis 14
Stromstärke [A] 250 bis 550
Spritzabstand [mm] 40 bis 90
Suspensionsfördermenge [ml/min] 30 bis 170
Die anschließend erfolgten Beschichtungsversuche zeigten auf, dass sich bei einer Durchsatzmenge von 120 ml Suspension pro Minute hohe Gesamtgasflüsse und hohe Plasmaleistungen positiv auf den Schichtauftrag auswirken. So konnte der höchste Schichtauftrag mit ca. 9 μm pro Brennerüberlauf bei einer konstanten Verfahrgeschwindigkeit von 2 m/s bei einer angelegten Stromstärke von 540 A auf einen Spritzabstand von 60 mm erzielt werden (siehe Abbildung 3). Mit den gewählten hohen Gesamtplasmagasflüssen von 56 NLPM entspricht die an das Plasma angelegte Leistung dem maximal mit dem System realisierbaren Wert von 65 kW entsprechend ca. 40 kW Nettoplasmaleistung. Die für das Verdampfen des Wassers und das Aufschmelzen des Korunds notwendige Leistung kann über die Verdampfungs- und Schmelzenthalpien bei diesen Förderbedingungen jedoch auf nur ca. 10 kW geschätzt werden. Als erste Folgerung wurde das Dispersionsmittel zu 50 Vol.-% mit Ethanol versetzt. Dadurch sollte die für das Verdampfen des Trägerfluids aufzubringende Leistung reduziert werden. Mit Suspensionen auf dieser Basis ergibt sich ein neues Parameterfenster optimalen Schichtauftrags mit deutlich geringeren Plasmanettoleistungen geringer 30 kW. Durch die Ver-
633
Bild 3: Gefüge eines ca. 80 μm dicken Al2O3-Schichtsystems (15 Gew.-% Feststoffanteil der Suspension, Dispersionsmittel Wasser)
brennung des Alkohols wird jedoch die Gesamtnettoleistung im Prozess auf ca. 50 kW erhöht. Obwohl durch den Knudsen-Effekt der Wärmübertrag vom Plasma auf Partikel sehr geringen Durchmessers deutlich zurückgehen kann [19], sollte die optimale Plasmaleistung bedeutend geringer sein. Deswegen wurden die Injektionsbedingungen mit einer Digitalkamera durch ein Filter fotografiert (siehe Abbildung 4). Es ist deutlich zu erkennen, dass mit den gewählten Injektionsbedingungen die Suspension nicht in die heiße Kernzone des Plasmafingers eindringt. Nur bei geringen angelegten Stromstärken reicht der Impuls aus, um die Suspension in das Plasma zu injizieren. Bei höheren Stromstärken und damit steigender Geschwindigkeit und Viskosität des Plasmas neigt die Suspension dazu, vom Plasmafinger abzuprallen.
Bild 4: Injektionsbedingungen einer wasser-alkoholbasierten Suspension in ein Ar/He-Plasma bei a) 300 A, b) 350 A und c) 400 A angelegter Stromstärke
Weil die Strömungsgeschwindigkeit der Suspension durch die Beaufschlagung mit dem Fördergas nicht unabhängig von der geförderten Menge erhöht werden kann, muss der Durchmesser der Injektionsdüsen verringert werden. Zusammen mit einer näheren Platzierung der Düsen am Plasma sollte so eine Erhöhung des Impulses der Suspension beim Auftreffen auf das Plasma zu gewährleisten sein.
5
Ausblick
Neben einer verbesserten Injektion der Suspension wird mit einem geringeren Injektionsdüsendurchmesser eine Reduktion des Schichtauftrags angestrebt. Das ist notwendig, weil die bis-
634 her erzielten hohen Schichtauftragsraten zu hohe Spannungszustände in den Schichtsystemen erzeugen und diese deshalb zur Delamination neigen (siehe Abbildung 3). Weil sich die untersuchten Bedingungen (Beladung und Stabilisierung der Suspension) als für den Prozess günstig erwiesen haben, erscheint eine Reduktion des Injektordurchmessers als viel versprechend. Nach der Optimierung der Injektionsbedingungen sollen systematisch binäre oxidkeramische Systeme in Suspension gegeben und der sich ergebende Phasenbestand im Schichtsystem mit den Spritzparametern korreliert werden.
6
Danksagung
Die diesem Beitrag zugrunde liegenden Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1299 „Adaptive Oberflächen für Hochtemperatur-Anwendungen“ gefördert. Die Autoren danken für diese Unterstützung.
7 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23]
Literatur M. N. Gardos, Tribol. Trans. 1988, 31/4, 427. A. Andersson, B. Collén, U. Kuylenstierna, A. Magnéli, Acta Chem. Scand., 1957, 11/ 10, 1641. L. A. Bursill et al., Philosophical Magazine 1969, 20, 347. L.A. Bursill, B. G. Hyde, D. K. Philp, Philosophical Magazine 1971, 23, 1501. M. Cancarevic, M. Zinkevich, F. Aldinger, Calphad 2007, 31/3, 330. L.-M. Berger, in Proceedings International Thermal Spray Conference ITSC 2004, Osaka, DVS Verlag 2004. P. Chraska et al., Journal of Thermal Spray Technology, 1997, 6/3, 320. I. E. Grey et al., Jour. Solid State Chem., 2000, 150, 128. M. Woydt, Tribol. Letters, 2000, 8/2-3, p. 117. S. Andersson, A. Sundholm, A. Magnéli, Act. Chem. Scand., 1959, 13, 989. H.-D. Werner, Neues Jahrbuch für Mineralogie. Monatshefte, 1974, 5, 218. M. Woydt, Tribologie und Schmierungstechnik, 2005, 52, 5. C.C. Stahr, L.-M. Berger, S. Thiele, Mat.-wiss. u. Werkstofftech., 2008, 39/1, 24. C.C. Stahr, L.-M. Berger, S. Thiele, S. Saaro, in Proceedings International Thermal Spray Conference ITSC 2008, Maastricht, DVS-Verlag 2008. R.D. Shannon, Acta Cryst., 1976, 32, 751. B.-O. Olov, A. Magnéli, Acta Chem. Scand., 1958, 6, 1345. Internetressource: http://www.roempp.com/prod/index1.html ; Online-Ausgabe der Römpp-Lexika , Thieme Verlag, 01.10.2008. T. Horiuchi, et al., Catalysis Letters, 1999, 62,107. P. Fauchais et al., Journal of Thermal Spray Technology, 2008, 17/1, 31. H. Kassner et al., Journal of Thermal Spray Technology, 2008, 17/1, 115. C. C. Stahr et al., Journal of Thermal Spray Technology, 2007, 16/5-6, 822. Fr.-W. Bach, K. Möhwald, D. Kolar, in Proceedings International Thermal Spray Conference ITSC 2005, Basel, DVS-Verlag 2005. R. P. Prakash, S. S. Tripathy, A.M. Ashok, Colloids and Surfaces A, 2007, 302/1-3, 553.
635
Erzeugung von Nanokomposit-Schichten auf dünnen Blechen mittels Laserstrahlauftragschweißen S. Claußen, N. Weidlich, D. Herzog, H. Haferkamp Laser Zentrum Hannover e.V., Hannover
1
Einleitung
Unter Einsatz des Laserstrahlauftragschweißens können komplexe Geometrien auf unterschiedlichsten Substratmaterialien endkonturnah gefertigt werden. Das Auftragschweißen von Dispersionsschichten ermöglicht mit Hilfe einer kontrollierten Prozessführung die schichtweise Erzeugung von verschleißbeständigen Metall-Keramik-Verbundschichten mit maßgeschneiderten Eigenschaften. In den hier vorgestellten Arbeiten kommen als metallische bzw. keramische Komponenten Stahlpulver der Güte X5CrNi18-10 bzw. agglomeriertes Al2O3-Nanopulver zum Einsatz. Als Substratmaterialien werden Stahlbleche mit Dicken von 0,1 und 0,2 mm verwendet. Ziel dieser Arbeiten ist es, auf den dünnen Blechen nahezu verzugsfrei auftragzuschweißen und die keramischen Nanopartikel homogen in die Stahlmatrix einzulagern, um tribologisch hochbeanspruchbare Nanokomposit-Schichten zu erzeugen.
2
Grundlagen und eigene Vorarbeiten
Durch Einbetten keramischer Partikel in eine Stahlmatrix können hochverschleißbeständige Schichten mit herausragenden Eigenschaften unter Einsatz des Laserstrahlauftragschweißens bzw. -dispergierens hergestellt werden. Die am Laser Zentrum Hannover e.V. durchgeführten Arbeiten befassen sich mit dem Aufbau dieser Schichten unter Verwendung von keramischen Nanopartikeln wie beispielsweise Al2O3. Die keramischen Partikel führen zu verbesserten tribologischen Eigenschaften der Stahlmatrix und verringern außerdem die Oberflächenadhäsion der aufgebauten Schichten. Sie werden zuvor mittels Laserstrahlabtragen von keramischen Festkörpern in einem Lösungsmittel erzeugt. Das Abtragen mit ultrakurzen Laserpulsen führt dabei zur Generierung von Partikeln, die in der gleichen chemischen Zusammensetzung vorliegen wie das Ausgangsmaterial [1]. Je nach verwendetem Material, ist die Zugabe von Stabilisatoren notwendig, um die Agglomeration der erzeugten Nanopartikel zu verhindern und eine gleichmäßige Dispersion beizubehalten. So konnten bereits Nanopartikel aus Metallen, Oxiden und Polymeren in Flüssigkeiten wie Wasser, Aceton, Ethanol und Ethylacetat hergestellt werden [2, 3]. Angestrebt ist die Einbettung von Partikeln, die in einer Größenordnung von etwa 50 nm bis 100 nm vorliegen. Die Zugabe von Nanopartikeln dieser Größe erlaubt eine Festigkeitssteigerung der Matrix, ohne deren Duktilität wesentlich einzuschränken. Dies ist darin begründet, dass eine homogene Verteilung dieser Partikel in der Matrix dazu führt, dass Versetzungen nicht vor ihnen aufgestaut werden und zu unerwünschten Spannungsspitzen führen. Gemäß dem Orowanmechanismus werden die Partikel, die für die Versetzungsbewegung Hindernisse
636 darstellen, von den Versetzungen umgangen, so dass Versetzungsringe ausgebildet werden, die zu einer Verfestigung der umgebenden Matrix führen [4]. Faktoren, die den Einbau der Keramikpartikel in die metallische Matrix beeinflussen sind unter anderem die Benetzung der Partikel durch die Metallschmelze sowie die kinetische Energie der Partikel [5, 6, 7]. Die Realisierung einer geeigneten Nanokomposit-Schicht wird durch eine genaue Abstimmung der Prozessparameter unter Einbezug dieser Faktoren ermöglicht.
3
Durchgeführte Arbeiten
Die vorgestellten Arbeiten befassen sich mit dem Auftragschweißen von NanokompositSchichten auf Stahlblechen mit Dicken von 0,1 und 0,2 mm unter Einsatz von Laserstrahlung. Zur Parameterfindung wurden einstufige Versuche ohne Zugabe von keramischen Nanopartikeln sowie zweistufige Versuche zur Untersuchung der Verteilung von Aluminiumoxid-Partikeln in der Stahlmatrix durchgeführt. Bei den einstufigen Versuchen wurde das Stahlpulver dem Laserprozess simultan über einen Pulverförderer und eine koaxiale Pulverdüse zugeführt. Zum Dispergieren von Nanopartikeln in einer Stahlmatrix wurde ein Pulverbett in der Prozesszone deponiert und anschließend in einem zweiten Schritt mit Laserstrahlung beaufschlagt.
3.1
Eingesetzte Materialien
Im zweistufigen Prozess wird zunächst agglomeriertes Aluminiumoxid-Nanopulver zur Untersuchung der Verteilung der Partikel in der Stahlmatrix eingesetzt. Ziel der vorgestellten Arbeiten ist es, durch Laserablation am Laser Zentrum Hannover e.V. hergestellte, stabilisierte Aluminiumoxid-Nanopartikel dem Prozess zuzuführen, um Nanokomposit-Schichten auf den vorhandenen Blechen aufzubauen. Eine geeignete Fördertechnik wird im Rahmen der laufenden Arbeiten entwickelt, um einen einstufigen Prozess realisieren zu können. Als Matrixmaterial wurde sphärisches Stahlpulver (X5CrNi18-10, Werkstoffnummer: 1.4301) eingesetzt. Nähere Angaben zu den verwendeten Pulverwerkstoffen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Tabelle 1: Daten der verwendeten Pulver. Pulver
Hersteller
Partikelgröße
X5CrNi18-10 (1.4301)
TLS Technik GmbH
45–90 μm, sphärisch
AluC (Al2O3)
Degussa (Evonik)
Primärpartikel: ~100 nm Agglomerate: ~10 μm
Das folgende Bild 1 zeigt rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen des Al2O3-Pulvers in unterschiedlichen Vergrößerungen. Im linken Teilbild sind Al2O3-Pulveragglomerate mit Größen von etwa 10 μm zu erkennen, wohingegen die durchschnittliche Größe der Primärpartikel etwa 100 nm beträgt (vgl. rechtes Teilbild).
637
Bild 1: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen des Al2O3-Pulvers, links: Agglomerate, rechts: Primärpartikel
3.2
Versuchsaufbau und -durchführung
Das Auftragschweißen der Stahlbahnen sowie die Erzeugung von Nanokomposit-Schichten im zweistufigen Prozess wurde unter Verwendung eines Nd:YAG-Festkörperlasers HL 4006D der TRUMPF Laser GmbH mit einer maximalen Ausgangsleitung von 4 kW durchgeführt. Die laserspezifischen Daten können der folgenden Tabelle entnommen werden. Tabelle 2: Spezifische Daten des eingesetzten Lasers. Nd:YAG-Festkörperlaser HL 4006D Wellenlänge
1064 nm
Leistungsbereich
40–4000 W
Leistungsstabilität
r1 % bei 4000 W r3 % bei 400 W
3.2.1 Auftragschweißen auf dünnen Blechen Die einstufigen Auftragschweißversuche wurden auf Blechen mit einer Kantenlänge von 100 × 100 mm und einer Dicke von 0,1 mm bzw. 0,2 mm durchgeführt, welche zweiseitig durch einen Rahmen gespannt wurden. Die Laserstrahlbeaufschlagung erfolgte bei den Blechen der Dicke 0,1 mm leicht defokussiert mit Leistungen zwischen 50 W und 70 W und Vorschubgeschwindigkeiten zwischen 250 mm/min und 350 mm/min. Höhere Leistungen von bis zu 100 W führten zu einem Durchschweißen der Bleche und somit nicht zu einem Schichtaufbau. Die erforderlichen Leistungen bei den Versuchen mit den Blechen der Dicke 0,2 mm lagen zwischen 50 W und 100 W bei einer Vorschubgeschwindigkeit von 300 mm/min. Hier wurde ebenfalls defokussiert gearbeitet.
638 3.2.2 Herstellung von Nanokomposit-Bahnen im zweistufigen Prozess Zur Untersuchung der Benetzung der Nanopartikel durch die Stahlschmelze sowie deren Verteilung in der Stahlmatrix, wurden Nanokomposit-Bahnen im zweistufigen Prozess hergestellt. Dazu wurde eine Mischung des Stahl- und des Nanopulvers mit Volumenanteilen von etwa 50:50 ohne vorausgehendes Stampfen des Nanopulvers hergestellt. Vor der Beaufschlagung mit Laserstrahlung wurde diese Pulvermischung auf einer Substratplatte innerhalb eines Langlochs deponiert (vgl. Bild 2), um eine seitliche Abgrenzung des Pulverbetts zu erhalten. Der gesamte Prozess wurde in einer mit Argon gefluteten Schutzgaskammer durchgeführt. Die benötigte Laserleistung, um eine Anbindung des Pulvers an die Substratplatte zu erzielen, lag hierbei zwischen 150 W und 200 W bei einer Vorschubgeschwindigkeit von 350 mm/min.
Bild 2: Versuchsaufbau mit Schutzgaskammer (links) und schematische Darstellung des Pulverbetts (rechts).
4
Ergebnisse
4.1
Ergebnisse zum Auftragschweißen auf dünnen Blechen
Im einstufigen Prozess ohne Zugabe von keramischen Nanopartikeln konnten unter Verwendung des Stahlpulvers Bahnen auftraggeschweißt werden. Dabei wurden sowohl auf den 0,2 mm als auch auf den 0,1 mm dünnen Blechen Bahnen mit guter Haftung auf dem Substratmaterial, jedoch mit leichtem Verzug der Bleche erzeugt (vgl. dazu Bild 3). Zum Teil bestehen die aufgebauten Schichten aus mehreren Lagen, so dass Bahnen mit einer Höhe von bis zu 0,7 mm aufgebaut worden sind. Besonders bei den mehrlagigen Schichten sind durch Biegen der Bleche Risse im Grundmaterial in Schweißrichtung entstanden. Durch eine geeignete Prozessführung hinsichtlich beispielsweise eines Vorheizens der Bleche und angepassten Abkühlzeiten zwischen dem Auftragen der einzelnen Lagen, kann dieses Verhalten bei weiteren Versuchen positiv beeinflusst werden.
639
Bild 3: Laserauftraggeschweißte Bahnen auf 0,1 mm (links) und 0,2 mm dickem Blech (rechts).
4.2
Ergebnisse der zweistufigen Versuche mit keramischen Nanopartikeln
Zur Untersuchung der erzeugten Bahnen wurden im Rasterelektronenmikroskop (REM) betrachtet. Die genaue Zusammensetzung der Schicht bzw. einzelner Bestandteile wurde dabei mit Hilfe der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDX) durch Detektion der charakteristischen Röntgenstrahlung der enthaltenen Elemente bestimmt. Die EDX-Analyse des in den REM-Aufnahmen in Bild 4 sichtbaren hellen Grundbereichs hat eine Elementverteilung gemäß der vorgegebenen chemischen Zusammensetzung des Stahlpulvers ergeben. Sowohl innerhalb der Matrix in Form von groben Partikeln als auch im Randbereich zwischen der Schweißbahn und Anhaftungen konnten Bereiche mit dunklerer Färbung, vgl. Bild 4, beobachtet werden. Diese Bereiche weisen einen hohen Gehalt an Aluminium und Sauerstoff auf.
Bild 4: REM-Aufnahmen der aluminium- und sauerstoffhaltigen Bereiche, links: eingelagerter Partikel, rechts: Anlagerung im Randbereich der Spur.
In den REM-Aufnahmen einer Anhaftung in Bild 5 sind Bereiche mit kleinen, zum Teil kreisrunden dunklen Partikeln zu erkennen, die größtenteils einen mittleren Durchmesser unterhalb von 1 μm besitzen. Die EDX-Analyse dieser Bereiche zeigt, dass auch hier ein gegenüber der Grundbahn erhöhter Aluminium- und Sauerstoffgehalt vorliegt und lässt die Vermutung zu,
640 dass es sich bei den Partikeln um gering agglomerierte Al2O3-Partikel, die im Matrixmaterial eingebettet sind, handelt.
Bild 5: REM-Aufnahmen einer Anhaftung, links: Übersichtsaufnahme, rechts: eingebettete Partikel.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Die durchgeführten Arbeiten haben ergeben, dass mehrlagige Schichten von bis zu 0,7 mm Höhe auf den verwendeten Blechen geringer Dicke mittels Laserstrahlauftragschweißen erzeugt werden können. Der Verzug der Bleche soll bei fortführenden Versuchen durch modifizierte Spannung und ein Vorheizen der Bleche auf unterschiedliche Temperaturen minimiert werden. Ebenso muss die Rissbildung entlang der Schweißbahn bei Biegebeanspruchung durch eine geeignete Prozessführung unterbunden und eine ausreichende Duktilität der Anbindungszone erreicht werden. Die Schichthöhe auf den dünneren Blechen wird darüberhinaus optimiert. Hinsichtlich der Herstellung von Nanokomposit-Schichten konnte gezeigt werden, dass mittels zweistufigem Laserstrahlauftragschweißen mit vorausgehendem Mischen und Deponieren des Pulvers Schweißbahnen erzeugt werden können, die eine gute Anhaftung an das Substratmaterial besitzen. Allerdings ließen die mikroskopischen Untersuchungen bzw. EDX-Analysen am Rasterelektronenmikroskop erkennen, dass die keramischen Partikel nicht gleichmäßig verteilt in der Stahlmatrix sondern als große Partikel innerhalb der Matrix bzw. zwischen der Schweißbahn und Anhaftungen vorliegen. Die Zugabe geringer Mengen an Zusatzwerkstoffen zur Erhöhung der Benetzbarkeit der keramischen Partikel durch die Stahlschmelze sowie die Untersuchung unterschiedlicher Prozessgeschwindigkeiten und Mischungsverhältnisse des Stahl- und des Keramikpulvers sollen bei weiteren Versuchen der gleichmäßigeren Verteilung der Partikel dienen.
6 [1]
Literatur J. Koch, A. von Bohlen, R. Hergenröder, K. Niemax, Journal Anal. At. Spectrom. 2004, 19, 267– 272.
641 [2] [3]
[4] [5] [6] [7]
S. Barcikowski, B. Chichkov, Proceedings of Russian-German Laser Symposium (DFG 436RUS121/3/05), 30.Sept.-04.Oct, 2005, Nizhny Novgorod, RU, 18–19. Barcikowski, S.; N. Bärsch, M. Hustedt, R. Sattari, A. Ostendorf: Continuous Production and Online-Characterization of Nanoparticles from Ultrafast Laser Ablation and Laser Cracking. Proceedings of 23nd ICALEO 2005, 31.Oct.-03.Nov, Miami, CA, USA., 81–87. G. Gottstein, Physikalische Grundlagen der Materialkunde, 2. Auflage, Springer Verlag, 2001. A. Gasser, Oberflächenbehandlung metallischer Werkstoffe mit CO2-Laserstrahlung in der flüssigen Phase. Dissertation, RWTH Aachen, 1993. G. Ibe, Grundlagen der Verstärkung in Metallmatrix-Verbundwerkstoffen. Konferenz-Einzelbericht: Metallische Verbundwerkstoffe, Clausthal-Zellerfeld, 1994. P. von den Brincken, Verfahren zur Herstellung von Metallmatrix-Keramik-Dispersionswerkstoffen unter Mikrogravitation – Der Einfluss der Benetzbarkeit. VDI FortschrittBerichte, Reihe 5, 209, 1990.
642
Die Verbundplatte gegen Verschleiß – eine maßgeschneiderte metallkundliche Lösung durch Auftragschweißen Helmut Riegger VAUTID GmbH; 73744 Ostfildern
1
Einleitung
Die Verschleißverbundplatte ist ein Blechhalbzeug, das aus einem zähen Grundwerkstoff (vorwiegend Baustahl) und einer hochverschleißfesten, auftraggeschweißten Hartschicht besteht (Bild 1). Sie eignet sich als Konstruktionselement zum großflächigen Einsatz gegen Abrasion.
Bild 1: Schnitt durch die Verschleißverbundplatte aus einem 8 mm Baustahlblech und einer 5 mm dicken Auftragschweißung aus Chromkarbiden
In den letzten Jahrzehnten hat die Verschleißverbundplatte als Halbzeug einen beinahe unbemerkten Siegeszug angetreten. Der Einsatz dieser Platten verlängert die Lebensdauer der betreffenden Maschinenelemente um das fünf- bis zehnfache gegenüber den üblichen Baustählen, aber auch gegenüber den ebenfalls gegen Verschleiß eingesetzten Feinkornbaustählen ist eine Verlängerung der Lebensdauer um einen Faktor 2 bis 4 leicht zu erreichen. Der höhere finanzielle Aufwand für eine Verbundplatte wird durch Einsparungen in der Instandhaltung, durch Erhöhung der Produktivität und durch verschobene Reinvestitionen mehr als ausgeglichen: der Einsatz von Verschleißverbundplatten bedeutet ein Sparprogramm für das Instandhaltungsund Investitionsbudget.
2
Beschreibung und Möglichkeiten
Da sich Verschleiß in der Bauteiloberfläche vollzieht, ist es nahe liegend, allein diesen dem Abtrag ausgesetzten Bereich in Richtung einer verbesserten Verschleißbeständigkeit zu verändern.
643 In Bild 1 ist ein Schnitt durch eine Verschleißverbundplatte dargestellt, der den Baustahl als „Konstruktionsbasis“ und den wesentlich härteren und verschleißresistenteren Auftrag verdeutlicht. Bild 2 zeigt die Gesamtansicht einer Verbundplatte. Der Auftrag wird nach tribologischen Gesichtspunkten ausgewählt, das heißt, dass das Beanspruchungskollektiv an die großflächigen Bauteile zuerst definiert werden muss und danach die Zusammensetzung der Legierung bestimmt wird. Abrasion, Schlag, Korrosion und Wärme sind die häufigsten Beanspruchungen, nach denen die Verbundplatte maßgeschneidert hergestellt wird. Die „Schleißschärfe“ des transportierten oder bearbeiteten, vorwiegend mineralischen Materials bestimmt ebenfalls die Auftragslegierung, denn der Auftrag sollte doch in jedem Fall deutlich härter sein als das „prozessierte“ mineralische Material.
Bild 2: Ansicht einer auftraggeschweißten Verschleißverbundplatte
Aufgrund dieser Überlegungen entsteht eine maßgeschneiderte Lösung für den speziellen Anwendungsfall, da sowohl die Dicken der beiden Verbundschichten als auch ihre Qualitäten ausgewählt werden können. So entsteht ein Portfolio der Auswahlmöglichkeiten nach Dicke und Qualität des Grund- und Auftragswerkstoffs. Es ist selbstverständlich, dass der Konstrukteur die Werkstoffauswahl für den Verbund einheitlich bestimmt: ein Edelstahl wird in Verbindung mit einer nicht korrodierenden Schicht, ein hitzebeständiger Stahl wird in Verbindung mit einem hitzeresistenten Auftragschweißwerkstoff eingesetzt. Die beiden Dicken bestimmt ebenfalls der Konstrukteur. Es haben sich jedoch ohne Norm die Kombinationen 5+3, 6+4 und 8+5 für den europäischen Markt durchgesetzt. Für den amerikanischen Markt, der ebenfalls bedeutende Mengen Verschleißverbundplatten benötigt (z. B. Verarbeitung von Ölsand etc. ...), richten sich die Dicken der Bleche nach nichtmetrischen Maßen.
3
Metallkunde der Auftragschweißschicht
Das „Geheimnis“ der längeren Standzeiten von Verbundplatten und Auftragschweißwerkstoffen gegenüber konventionellen Lösungen liegt in der Metallkunde dieser Legierungen und im verwendeten Auftragschweißverfahren. Im Lehrbuch von H. Uetz et al. (1) wird unter anderem auch der wesentliche Einfluss des Gefüges auf die Verschleißfestigkeit beschrieben.
644 3.1
Verschleißwiderstand
Entscheidend für den Verschleißwiderstand ist das Härteverhältnis von Grundkörper (Maschinenelement) zu Gegenkörper (Prozesswerkstoff, vorwiegend mineralisch). Eine isolierte Betrachtung der Härte nur eines Partners ist für die Verschleißanalyse wenig hilfreich. Die überlegene Härte des Grundkörpers „Verschleißplatte“ wird durch extrem harte Karbide eingestellt, die in einer zähen Matrix gebunden sind. Bei den Verschleißplatten handelt es sich vorwiegend um Chromkarbide mit einer Härte von 1650–2000 HV (1), eingebettet in einer duktilen, eutektischen Matrix auf Eisenbasis, so dass eine Gesamthärte von ca. 750–850 HV 10 entsteht (Bild 3).
Bild 3: Primäre Chromkarbide in einer eutektischen Matrix aus Austenit und Chromkarbid. Die Legierung enthält 4,5 % C, 28 % Cr und ca. 65 % Fe.
Es ist auch möglich, die wesentlich härteren Wolframkarbide mit 2200 HV in eine Eisenmatrix einzubetten. Das Gefüge dieser Pseudolegierung ist in Bild 4 wiedergegeben.
Bild 4: Kugelige Wolframschmelzkarbide in Eisenmatrix. Die Legierung enthält ca. 40 Vol.-% WSC.
Im Gegensatz zu Feinkornbaustählen, bei denen thermomechanische Behandlungen zur Erhöhung von Härte und Verschleißfestigkeit führen, besitzt die Hartschicht von Verbundplatten
645 ein übereutektisches Gefüge im Dreistoffsystem Fe-Cr-C, deren Karbidhärte wesentlich höher ist als die von Fe3C. Sie wird vom Legierungselement Chrom und vom Typ der harten Phase bestimmt. Auch andere Legierungselemente, die gezielt zulegiert werden, tragen zur Härte und den Gesamteigenschaften bei. Die Härte von MC-Karbiden ist höher als die von M7C3-Karbiden (1). Der Verschleißwiderstand wird sowohl mit steigendem Karbidgehalt und damit abnehmendem freiem Karbidabstand als auch mit zunehmender Karbidgröße verbessert. Die mit zunehmendem Karbidgehalt verbundene Zähigkeitsabnahme kann insbesondere bei Schlagbeanspruchung zu Ausbrüchen aus der Oberfläche führen. Hier gegen lassen sich wiederum durch geeignete Legierungselemente wie Niob die Matrix und die Karbide so verändern, dass die Auftragschweißschicht bis zu einem gewissen Grade auch Schlagbeanspruchung widersteht. Die Auswirkungen der Legierungselemente wurden eingehend untersucht (2, 3), so dass nicht nur die Gesamtplatte, sondern auch das Mikrogefüge einen maßgeschneiderten Charakter besitzen.
3.2
Korrosionseigenschaften
Die Korrosionsbeständigkeit von Verbundplatten auf Fe-Cr-C-Basis ist ähnlich der von hochchromhaltigen Stählen. Das Chrom ist jedoch zu einem hohen Maße in den Chromkarbiden gebunden, so dass die Matrix ohne Zugabe von weiteren Legierungselementen einem chemischen Angriff nicht widerstehen kann. Zusätze von Nickel erhöhen die Korrosionsbeständigkeit, das Grundmaterial sollte in solchen Fällen ebenfalls aus Edelstahl sein.
3.3
Wärmebeständigkeit
Die Standardqualitäten auf Fe-Cr-C-Basis sind bis ca. 350 °C einsetzbar. Für Einsätze bei höheren Temperaturen bis 550 °C (Gichtglocken) oder bis 850 °C (Hochofenschurren) sind spezielle Hochtemperaturqualitäten kommerziell erhältlich. In Verbindung mit hitzebeständigen Stählen sind diese Lösungen sehr erfolgreich, da sie mit konstruktiven Lösungen gegen Verschleiß wie autogener Verschleißschutz etc...kombiniert werden.
3.4
Auftragschweißverfahren und Schweißraupen
Betrachtet man verschiedene Auftragschweißverfahren, so ist für großflächige Auftragungen die Abschmelzleistung des Verfahrens aus wirtschaftlichen Gründen von entscheidender Bedeutung. Mit unterschiedlichen Schweißzusatzwerkstoffen wie Elektrode, Fülldraht, Pulver oder kombinierter Sonderverfahren werden mehr oder weniger breite Schweißraupen über das Grundblech gezogen. (Bild 5). Die Schweißgeschwindigkeit und die Abschmelzleistung bestimmen die Dicke der Auftragsschicht.
646
Bild 5: Schweißraupen und ihre Dickenmessung
Für den Verschleißwiderstand ist die Richtung der Schweißraupen zur Bewegungsrichtung der Abrasion von entscheidender Bedeutung. Es ist nicht sehr vorteilhaft, die Schweißraupen parallel zur Förderrichtung zu konstruieren: In Rohren sollten die Schweißraupen entlang des Rohrumfanges gelegt werden, also senkrecht zur Fließrichtung (Bild 6). Ebenfalls sollten die Schweißraupen an Vibrationstischen senkrecht zur Transportrichtung angeordnet sein.
Bild 6: Empfohlene Schweißraupenrichtung in Rohren
In Ventilatoren wird eine Anordnung unter 45° empfohlen. Hierbei ist die bekannte „Auswaschung“ durch Erosion im Ventilator am geringsten. Da die Erosion in der Natur und die Abrasion in technischen Prozessen vergleichbare Vorgänge sind, führte eine Überlegung aus der Bionik zur so genannten Zickzackplatte; die Betrachtung einer Anordnung im Weinberg zur Vermeidung von Erosion (Bild 7) zeigt einen zickzackförmigen Anbau der Weinreben, um dem bergab fließenden Wasser keinen zusätzlichen Angriff zu bieten. Aus dieser Überlegung wurde die Zickzack-Verschleißplatte entwickelt, die mit der modernen NC-Technologie hergestellt werden kann (Bild 8). Die „windschiefen“ Schweißraupen bilden einen zusätzlichen Widerstand gegen Verschleiß.
647
Bild 7: Zickzackanbau von Reben zur Vermeidung von Erosionsabtrag in Weinbergen
Bild 8: Zickzackverschleißplatte zur Vermeidung von Abrasion in technischen Prozessen
4
Verarbeitung von Verbundplatten
Verschleißverbundplatten können mit konventionellen, spanenden Verfahren nicht mehr bearbeitet werden. Das Zuschneiden der Bleche ist nur mit Plasmaschneiden, Wasserstrahlschneiden oder Laserschneiden möglich. Für den normalen Stahlbau wird das Plasmaschneiden empfohlen. Die Bleche werden auf die Hartschichtseite gewendet und von der weichen Seite aus geschnitten. Der umgekehrte Vorgang ist ebenfalls möglich, wäscht jedoch den Baustahl breiter aus, da die Chromkarbide beim Schneiden eine zusätzliche erodierende Wirkung haben.
648 Bei der Herstellung von Sieben durch Wasserstrahlschneiden wird dieser Effekt ausgenutzt, um dem Siebloch eine öffnende Neigung nach unten zu geben. Verbundplatten benötigen in der Regel keine Unterkonstruktion des Stahlbauers. Sie kann stabilisierend angebracht werde, muss aber nicht sein, da die Platte durch das Grundmaterial eine selbst tragende Wirkung besitzt. Völlig überraschend können die beschichteten Bleche auch verformt werden. Dies wird in 3oder 4-Rollen-Biegewalzwerken durchgeführt (Bild 6). Bei 8 mm starken Grundblechen mit einer Auftragsdicke von 5 mm kann ein Biegeradius von 200 mm erzielt werden. Befindet sich die Auftragsschicht im Innern des Rohres, so ist die Biegung bezogen auf die systemimmanenten Risse unkritisch, da die Risse „zugedrückt“ werden. Befindet sich die Auftragsschicht beim Biegen an der Außenhaut, so vergrößern sich die Risse und klaffen auseinander. Es wird empfohlen, diese „Aufklaffungen“ durch Nachschweißen mit Fülldraht oder Elektrode zu schließen. Der Fülldraht sollte unbedingt zur selben Schweißgutanalyse führen wie die Auftragsschicht.
5
Zusammenfassung
Verbundplatten sind eine kostengünstige Lösung für Auskleidungen und für großflächigen Verschleißschutz. Durch eine geeignete Auswahl der Verschleißschutzschicht (korrosionsbeständig, schlagbeständig, hitzebeständig etc.) lassen sich intelligente Lösungen für spezielle Fälle erzeugen. Bei Verbundplatten ist eine Reparatur oder Regeneration des Bauteils mit Fülldraht oder Elektrode immer möglich. Der Einsatz dieser Verschleißverbundplatten führt zu Kosteneinsparungen im Instandhaltungsbereich, er führt aber bereits auch beim Neueinsatz von Maschinen zu wirtschaftlichen Lösungen gegen Abrasion und Verschleiß.
6 [1] [2] [3]
Literatur H. Uetz (Hrsg.), Abrasion und Erosion, Carl Hanser Verlag München Wien (1986). W. Wahl, DVS – Berichte, Band 162. F. Maratray, R. Usseglio-Nanot, Einflussfaktoren auf die Gefügestruktur des chrom- und chrom-molybdän-legierten weißen Gusseisens, CLIMAX Molybdenum, Paris.
649
Rapid Prototyping als innovative Herstellungsmethode für individuell angepassten Knochenersatz auf Basis von Calciumphosphat-Keramiken U. Deisinger1, G. Ziegler1,2 1 2
Friedrich-Baur-Forschungsinstitut für Biomaterialien, Universität Bayreuth BioCer Entwicklungs-GmbH
1
Einführung
Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und der Fortschritte in der Chirurgie gewinnen synthetische Knochenersatzmaterialien zunehmend an Bedeutung. Dabei sollte das synthetische Knochenersatz-Implantat mit dem Knochen interagieren, so dass Knochen in das Implantat einwachsen kann und das Implantat integriert wird. Zudem sollte das Knochenersatzmaterial im weiteren Verlauf der Heilung in den Remodelling-Prozess einbezogen werden. Diese Interaktion kann zum Einen durch die chemische Beschaffenheit des Implantat-Materials und zum Anderen durch dessen Struktur gesteuert werden. Die Calciumphosphat (CaP)-Keramiken Hydroxylapatit (HA) und Tricalciumphosphat (TCP) werden aufgrund ihrer chemischen Ähnlichkeit zum natürlichen Knochen und wegen ihrer Osteokonduktivität häufig als Knochenersatzmaterial eingesetzt. Seit einigen Jahren werden auch vermehrt biphasische Mischungen von HA und TCP (sogenannte biphasische CaP, BCP) verwendet, um das Abbauverhalten des Implantats zu steuern. Die Struktur des keramischen Implantats sollte eine dreidimensional interkonnektierende Porosität (>50 Vol.-%) zum Einwachsen des Knochens beinhalten. Trotz dieser hohen Porosität sollte die Festigkeit der Knochenersatzmaterialien mindestens die Festigkeit des spongiösen Knochens (0,5–10 MPa, [1]) aufweisen, um eine Primärstabilität bis zur vollständigen Integration des Implantats zu gewährleisten. Ein optimales Einwachsen von Knochengewebe wurde für Porengrößen zwischen 200 und 800 μm nachgewiesen [2]. In ca. 10 % der Fälle, bei denen Knochenersatzmaterial eingesetzt wird, ist eine exakte Anpassung der äußeren Geometrie des Knochenersatzmaterials an den Knochendefekt nötig [3]. Dies kann mit den bisher auf dem Markt befindlichen Materialien nicht gewährleistet werden. Eine Möglichkeit, die innere und äußere Struktur komplexer Implantate gezielt zu steuern, bieten sogenannte Rapid Prototyping (RP)-Verfahren. Während diese Verfahren für die Herstellung polymerer oder metallischer Formteile bereits etabliert sind, befinden sie sich für die Herstellung keramischer Formteile derzeit noch in der Entwicklung. Verschiedene Verfahren, wie das 3D-Drucken [4, 5] oder das Dispensplotten [6], wurden bereits erfolgreich zur Herstellung von Scaffolds aus CaP-Keramiken genutzt. In der vorliegenden Studie sollen verschiedene RP-Verfahren zur Herstellung von individuell angepasstem Knochenersatz aus CaP-Keramik vorgestellt werden. Diese umfassen das indirekte RP-Verfahren Wachsabformen sowie die direkten Verfahren 3D-Drucken und Dispensplotten. Über diese Verfahren können in verschiedenen Grenzen und Genauigkeiten die äußere Geometrie (ermittelt über CT-Daten) und die innere Struktur, also Porengröße, Stegdurchmesser und Gesamtporosität, für jedes Implantat maßgeschneidert werden. Anhand der
650 verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten (Geometrie, Material und Verfahren) des Implantats an den jeweiligen Patienten wird das Potential der RP-Technologie für die klinische Anwendung aufgezeigt.
2
Material und Methoden
2.1
RP-Verfahren zur Herstellung individueller Scaffolds bzw. Implantate
Für die Herstellung individuell maßgeschneiderter Scaffolds und Implantate wurden die drei RP-Verfahren Wachsabformen, 3D-Drucken und Dispensplotten verwendet. Alle drei Verfahren beruhen auf dem Prinzip des schichtweisen, generativen Aufbaus von Formteilen. Zunächst wird das benötigte Formteil bzw. Implantat mittels CAD konstruiert oder aus CT-Daten generiert. Dieser Datensatz wird anschließend in einzelne Schichten zerlegt (gesliced). Mit Hilfe der verschiedenen RP-Maschinen wird das Formteil bzw. Implantat anschließend Schicht für Schicht aufgebaut. Je nach verwendetem Verfahren wird dazu eine unterschiedliche Technik genutzt. Wachsabformen Das Wachsabformen ist ein indirektes RP-Verfahren (siehe auch Beitrag von Schumacher et al.). Hier wird zunächst ein Negativmodell des gewünschten Implantats bzw. der gewünschten Struktur konstruiert und über das RP-Verfahren Ink-Jet-Printing aus Wachs hergestellt (BT66, Solidscape). Anschließend wird das Negativmodell mit einem dünnflüssigen CaP-Schlicker vollständig infiltriert. Nach dem Trocknen wird das Wachs-Keramik-Konstrukt einem Wärmebehandlungsschritt unterzogen, bei dem zunächst das Wachs pyrolisiert und anschließend der keramische Formkörper bei 1300 °C 1h gesintert wird. In Bild 1 ist das Prinzip des Wachsabformens schematisch skizziert.
Bild 1: Prinzip-Skizze des indirekten RP-Verfahrens Wachsabformen.
3D-Drucken Bei den direkten RP-Verfahren wird im Gegensatz zum indirekten RP-Verfahren das Formteil bzw. Implantat direkt aus der gewünschten Keramik (HA, TCP oder BCP) gefertigt. Das 3D-
651 Drucken basiert auf der schichtweisen Aushärtung eines Pulverbetts (Bild 2). Um eine homogene, glatte Oberfläche des Pulverbetts zu erzeugen, wird das keramische Ausgangspulver über Sprühtrocknung zu einem feinen, rieselfähigen Granulat mit einem mittleren Granaliendurchmesser von 50–60 μm verarbeitet. Dieses Granulat wird mittels einer Rolle auf die Bauplattform aufgetragen (Design Mate MX, Contex). Das Pulverbett wird mittels eines Tintenstrahl-Drucker-Kopfs mit einem wässrigen Binder (auf Polyvinylpyrrolidon-Basis) entsprechend der jeweiligen Schicht des Datensatzes bedruckt, wobei der Binder das Granulat „verklebt“. Anschließend wird die nächste Schicht Granulat aufgetragen (Recoating) und bedruckt, bis das Formteil fertig gestellt ist. Während der Fertigung dient das nicht verfestigte Granulat als Stützmaterial. Nach dem Trocknen wird das Formteil bei 1300 °C 1h gesintert. Dispensplotten Das Dispensplotten zählt ebenfalls zu den direkten RP-Verfahren (Bild 3; siehe auch Beitrag von Schlechte et al.). Es basiert auf der druckluftunterstützten Extrusion einer pastösen Masse (keramischer CaP-Schlicker mit 60 Gew.-% Feststoffgehalt) durch eine feine Düse. Die so entstehenden Stränge werden computergesteuert parallel zueinander auf der Bauplattform abgelegt. Anhand des Ablagemusters wird die Porengeometrie festgelegt und Formteile mit einer dreidimensional interkonnektierenden Porosität erhalten. Die Formteile werden nach dem Trocknen bei 1300 °C 1h gesintert.
Bild 2: Prinzip-Skizze des direkten RP-Verfahrens 3D-Drucken.
2.2
Bild 3: Prinzip-Skizze des direkten RP-Verfahrens Dispensplotten.
Charakterisierung der unterschiedlichen RP-Formteile
Mit allen drei Verfahren wurden zylinderförmige Scaffolds aus HA hergestellt. Dabei wurden die Grenzen der Verfahren hinsichtlich der minimal und gegebenenfalls maximal möglichen Poren- und Steg-Durchmesser sowie die Genauigkeit der RP-Verfahren evaluiert. Die Druckfestigkeit der unterschiedlichen Scaffolds wurde mit einer Vorschubgeschwindigkeit von 1 mm/ min (Instron 1362, mit einer 5 kN Kraftmessdose) bestimmt.
652
3
Ergebnisse und Diskussion
3.1
Herstellung und Charakterisierung der unterschiedlichen RP-Scaffolds
Mit allen drei vorgestellten RP-Verfahren können HA-Scaffolds mit dreidimensional interkonnektierender Porosität hergestellt werden (Bild 4). Die Gesamtporosität kann dabei jeweils beliebig zwischen 30 und 80 Vol.-% eingestellt werden. Eine Übertragung der drei Herstellungsverfahren auf die Fertigung von Scaffolds aus TCP und BCP war erfolgreich (s. Bild 4, rechts). Zur besseren Übersicht sollen im Folgenden die Ergebnisse nur anhand der HA-Scaffolds beschrieben werden.
Bild 4: Photographische Aufnahmen der unterschiedlich hergestellten RP-Scaffolds. Links: Wachsabgeformte Scaffolds mit unterschiedlicher Porengröße, Mitte: 3D-gedruckter Zylinder, rechts: dispensgeplottete Formteile aus HA, BCP und TCP.
Anhand der Darstellungen der wachsabgeformten und dispensgeplotteten Scaffolds in Bild 4 (links und rechts) ist bereits zu erkennen, dass sowohl Poren- als auch Stegdurchmesser in großen Bereichen variiert werden können. In Tabelle 1 sind die möglichen Poren- und Stegdurchmesser in Abhängigkeit vom RP-Verfahren dargestellt. Die kleineren Werte bezeichnen die minimal auflösbaren Poren- und Stegdurchmesser. Die angegebene Obergrenze stellt dagegen nicht den maximal möglichen, sondern den bisher maximal realisierten Durchmesser dar. Technisch sind auch größere Durchmesser einstellbar, jedoch für die Anwendung als Knochenersatzmaterial nicht relevant. Tabelle 1: Minimal realisierbare Poren- und Stegdurchmesser in Abhängigkeit vom RP-Verfahren. Porendurchmesser Stegdurchmesser [μm] [μm] Wachsabformen 3D-Drucken Dispensplotten
120–800 500–2000 200–1600
120–800 500–3000 230–1500
Die Poren- und Steggeometrie kann mittels Wachsabformen beliebig eingestellt werden. Sowohl Rundungen als auch Kanten werden exakt wiedergegeben (Bild 5, links). Beim 3D-Drukken sind Poren- und Steggeometrie ebenfalls beliebig variierbar. Kanten werden jedoch bei diesem Verfahren abgerundet (Bild 5, Mitte). Die Genauigkeit ist dabei geringer als beim
653 Wachsabformen. Beim Dispensplotten dagegen ist die Steggeometrie durch die Düsenform vorgegeben und somit auf runde Stege begrenzt. Durch das Ablagemuster (z.B. 0/90° oder 0/60/ 120°) kann die Porengeometrie in xy-Richtung, also in der Bauebene, mit verschiedenen Winkeln variiert werden (Bild 5, rechts oben). Runde Poren sind dabei nicht realisierbar bzw. nur durch eine Vielzahl an Sekanten annäherbar. In z-Richtung sind die Poren immer „viereckig“. Aufgrund des Aufbaus aus Strängen ergeben sich an den Kontaktstellen zwischen den einzelnen Lagen zudem jeweils spitze Winkel (Bild 5, rechts unten).
Bild 5: Beispiele von Porengeometrien, die mit den verschiedenen RP-Verfahren realisiert werden können (Links: wachsabgeformter, Mitte: 3D-gedruckter und rechts: dispensgeplotteter Scaffold: oben: dreieckige Poren durch 0/60/120° Ablagemuster und unten: Seitenansicht: „viereckige“ Poren).
Die Druckfestigkeit der über die unterschiedlichen RP-Verfahren hergestellten HA-Scaffolds lag zwischen 1 und 43 MPa (Bild 6), wobei die 3D-gedruckten Formkörper mit 1–5 MPa die geringste Druckfestigkeit und die dispensgeplotteten Scaffolds mit maximal 43 MPa die höchste Druckfestigkeit aufwiesen. Die wachsabgeformten HA-Scaffolds erreichten eine mittlere Druckfestigkeit von ca. 10 MPa.
Bild 6: Maximale Druckfestigkeitswerte der unterschiedlich hergestellten RP-Scaffolds.
Die Unterschiede in der Druckfestigkeit können durch Mikroporosität und auftretende Fehlstellen erklärt werden. Die 3D-gedruckten Scaffolds weisen wegen ihres Aufbaus aus Granulaten eine hohe Mikroporosität in den Stegen auf. Die mittels Binder „verklebten“ Granulate
654 sintern bei 1300 °C zusammen, die „Zwickel“ zwischen den Granulaten bleiben dabei jedoch erhalten. Durch diese Mikroporosität, die bis zu 57 Vol.-% betragen kann [7], wird die Druckfestigkeit der Scaffolds deutlich erniedrigt. Bei den wachsabgeformten Scaffolds treten dagegen Mikrorisse in den Stegen auf. Diese sind vermutlich sowohl auf Trocknungsrisse als auch auf Vorgänge beim Sintern zurückzuführen. Beim Trocknen wird die Trocknungsschwindung des keramischen Grünkörpers durch das Negativmodell behindert, wodurch Risse im Grünkörper entstehen können. Beim Sintern können zum Einen Gase beim Ausbrennen des Negativmodells entstehen und zu Fehlstellen führen, zum Anderen ist auch eine Mikrorissbildung aufgrund der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten des Wachs-Negativmodells und des keramischen Grünkörpers möglich. Die dadurch bereits im Scaffold enthaltenen Fehlstellen reduzieren die Druckfestigkeit des Formteils. Die höchste Druckfestigkeit weisen daher die dispensgeplotteten Scaffolds auf, da sie kaum geschlossene Mikroporen und keine Mikrorisse enthalten. Dabei ist bei den dispensgeplotteten Scaffolds eine starke Abhängigkeit der Druckfestigkeit von der Lasteinleitungsrichtung (parallel oder senkrecht zu den Strängen) zu beobachten. Insgesamt weisen die RP-Scaffolds eine Druckfestigkeit im Bereich des spongiösen Knochens (0,5–10 MPa, [1]) oder sogar darüber auf. Damit sind alle hergestellen RP-Scaffolds für die Anwendung als Knochenersatzmaterial im Bereich der Spongiosa geeignet.
4
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurden drei verschiedene Rapid Prototyping-Verfahren zur Herstellung von individuellen Formteilen aus CaP-Keramiken beschrieben. Über alle drei Verfahren Wachsabformen, 3D-Drucken und Dispensplotten können Scaffolds und Implantate mit einer Druckfestigkeit im Bereich des spongiösen Knochens bzw. sogar darüber gefertigt werden. Die höchste Festigkeit (bis zu 43 MPa) erreichten dabei die dispensgeplotten, die niedrigste Festigkeit (bis zu 5 MPa) die 3D-gedruckten Formteile. Die Gesamtporosität der Formteile kann dabei für die untersuchten RP-Verfahren zwischen 30 und 80 Vol.-% variiert werden. Die Porengröße kann je nach Verfahren insgesamt zwischen 120 und 2000 μm in unterschiedlichen Grenzen eingestellt werden. Damit entsprechen die RP-Scaffolds genau den Anforderungen an Knochenersatzmaterialien. Zudem ist ein Maßschneidern der Porengeometrie über die RP-Verfahren möglich. Die höchste Genauigkeit wird dabei mit dem Wachsabformen realisiert. Beim 3D-Drucken werden Kanten abgerundet dargestellt. Das Dispensplotten führt dagegen aufgrund des Aufbaus der Scaffolds aus runden Strängen zu Poren mit spitzwinkligen Ecken. Alle drei RP-Verfahren bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die äußere Geometrie des Implantats anhand der CT-Daten des Patienten individuell an den jeweiligen Knochendefekt anzupassen. Durch die gezielte Auswahl des zu verwendenden RP-Verfahrens ist eine weitere Anpassung des Implantats an den Defekt denkbar. Die vorgestellten RP-Verfahren zeigen damit ein großes Potential für die klinische Anwendung.
655
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
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656
Innovatives Materialverbundkonzept für Knie-Endoprothesen B. Wielage, L. Meyer, T. Müller TU-Chemnitz, Chemnitz
G. Leonhardt, F. Trommer InnoMat GmbH, Chemnitz
K. Liefeith IBA e.V., Heiligenstadt
1
Einführung
Durch die zunehmende Lebenserwartung und die Fortschritte bei der Operationstechnik hat die Bedeutung der Gelenkendoprothetik im Allgemeinen, aber besonders die Zahl der Kniegelenkprothesen innerhalb der letzten 20 Jahre stark zugenommen [1,2]. Es wurden ausgereifte, ungekoppelte (non-constrained), kraftschlüssige Knie-Endoprothesen entwickelt, die ein annähernd normales, anatomiegerechtes Rollgleitverhalten im Zuge der Beuge- und Streckbewegung zulassen. Dabei werden vorwiegend statische Kräfte auf die Prothese übertragen, wogegen dynamische Kräfte zwischen Oberschenkelteil und Schienbeinkopf durch den Bandapparat des Kniegelenkes umgeleitet werden. Voraussetzung ist dabei ein intakter Bandapparat [3]. Für jedes Gelenk existieren bestimmte Bewegungsfreiheitsgrade. Die Knochen Tibia und Femur können um eine wandernde transversale Achse Flexions- und Extensionsbewegungen durchführen (Bild 1). Gleitbewegungen nach vorne und hinten werden ebenso wie Ab- und Adduktionsbewegungen durch starke Bandsysteme weitgehend verhindert.
Bild 1: Vereinfachte Darstellung des Kniegelenks
Bislang werden hauptsächlich Knieprothesen verwendet, die aus CoCrMo-Legierungen hergestellt werden [4]. Dabei kommt es zu sehr großen Steifigkeitsunterschieden zwischen Knochen und Prothesenmaterial. Dies führt dazu, dass es infolge der Implantation zu einer
657 biomechanisch stimulierten, massiven Knochenumbildung im Bereich des Kniegelenkes kommt. Die unmittelbare Folge ist eine verringerte Langzeitstabilität dieser Prothesen [5]. Um eine ausreichende dynamische Festigkeit für ein Implantat aus dem Werkstoff CoCrMo zu erhalten, ist eine dickwandige Ausführung der Prothese notwendig. Diese Tatsache widerspricht der medizinischen Forderung nach einer minimalen Knochenresektion. Die grundsätzliche Prämisse in der Medizin lautet dabei: Entfernen krankhafter Knochen- und Knorpelbereiche bei gleichzeitigem Erhalt gesunder Knochensubstanz. Ein weiteres Problem bei dem Einsatz von CoCrMo-Implantaten ist die hohe Dichte dieses Materials. Die Lebensqualität von Patienten mit Knie-Endoprothesen wird deutlich verbessert, wenn das Gewicht der Implantate auf ein Minimum reduziert wird. Dieser Beitrag beschreibt die Untersuchung verschiedener Methoden zur Reduktion der Größe des Implantates sowie der Anpassung der Prothesensteifigkeit an die Steifigkeit des Knochens bei gleichbleibender Festigkeit. Es wurden zunächst Versuche mit kohlefaserverstärkten Titanlegierungen unternommen. Da die gewünschte Steifigkeitsanpassung mit diesem Material jedoch nicht erreicht werden kann, wurde die Knieprothese als geschlossene Titankapsel mit einer Füllung aus Epoxidharz oder faserverstärktem Epoxidharz konstruiert. Unterstützung erfährt die Entwicklung der Prothese durch die Simulation der auftretenden Spannungsverhältnisse bei definierten Bewegungsabläufen. Dabei werden unversorgte Kniegelenke, Gelenke mit herkömmlichen CoCrMo-Prothesen sowie die neu entwickelten Prothesenformen miteinander vergleichen. Ein weiteres Ziel der Simulation ist die Abschätzung der Knochenumbaureaktion, die zur aseptischen Lockerung führen kann. Neben dem Polyethylenabrieb ist dies der häufigste Revisionsgrund bei Knieprothesen [6].
2
Untersuchungen an faserverstärktem Titan
2.1
Titanlegierungen mit hoher Schmelztemperatur
Titan und besonders die Titan-Legierung TiAl6V4 werden ebenfalls sehr erfolgreich als Prothesenwerkstoffe eingesetzt. Sie zeichnen sich besonders durch höhere Korrosionsbeständigkeit und Bioverträglichkeit (verglichen mit CoCrMo) aus [7]. Implantate auf Titanbasis besitzen die geringste Lockerungsrate und damit die geringste Ausfallwahrscheinlichkeit infolge allergener Reaktionen oder Infektionen. Beim Einsatz von Titan-Gussmaterial wirkt sich das Problem einer unzureichenden Festigkeit auf die Notwendigkeit höherer Wandstärkedimensionierungen der Implantate aus. Abhilfe könnte da eine Faserverstärkung der Titanlegierung schaffen. Angedacht waren zunächst keramische Fasern auf Basis Al2O3 oder SiC. Während des Infiltrationsprozesses mit flüssigem Titan kam es allerdings zu Reaktionen zwischen den Fasern und der Matrix, so dass in Querschliffen nur noch die Reaktionsprodukte zu finden waren. Die Kohlenstofffasern zeigten sich in ersten Infiltrationsversuchen resistenter gegenüber einer chemischen Reaktion mit der Titanmatrix. Zwar bildet sich hier ein breiter Hof aus Titancarbid (TiC), aber die Fasern waren im Querschliff noch deutlich zu erkennen. Um verschiedene Kohlenstofffaserarten auf ihre Eignung zur Titanverstärkung hin zu untersuchen, wurden Faserbündel mit Hilfe des PVD-Verfahrens mit Titan beschichtet und anschließend temperiert. Die Ergebnisse des Faserbündelzugversuchs vor und nach dieser Behandlung sind in Bild 2 für Pech- und Pan-Kohlenstofffasern sowie für SiC-Monofilamente dargestellt. Es zeigt sich,
658 das Pan-Fasern chemisch beständiger sind als Pechfasern. Bei den SiC-Monofilamenten trat die geringste Schädigung auf. Untersuchungen am Raserelektronenmikroskop (REM) zeigen, dass die Fasern nach dem Tempern beim Zerreißen eher zersplittern (Bild 3b) wohingegen vor der thermischen Behandlung ein relativ glatter Bruch zu erkennen ist (Bild 3a).
Bild 2: Maximal übertragene Kräfte im Faserbündelzugversuch (3000 Fasern) bzw. Einzelfaserzugversuch bei den SiC-Monofilamenten
Bild 3: a) Faserbruch bei C-Faser (Pech) mit Titanschicht, aber ohne thermische Behandlung; b) Faserbruch nach thermischer Behandlung.
2.2
Titanlegierungen mit niedriger Schmelztemperatur
Um Faserschädigungen zu vermeiden, können theoretisch Titanlegierungen zum Einsatz kommen, deren Schmelzpunkt niedriger liegt als der von Reintitan. Aus dem Phasendiagramm für das Zweistoffsystem Titan-Kohlenstoff [8] ist zu erkennen, dass es oberhalb 920 °C zur ver-
659 mehrten Bildung von TiC kommt. Eine Absenkung der Prozesstemperatur unter 1000 °C und eine möglichst kurze Prozesszeit wirken somit einer Faserschädigung entgegen. Der Einsatz von TiCu15Ni15 mit einer Schmelztemperatur von 960 °C belegt diese These. Bild 4 zeigt, dass sich um die Faser wieder ein Hof aus Titancarbid bildet, allerdings nimmt der Faserdurchmesser nicht so stark ab wie bei den Versuchen mit Titan Grade 2.
Bild 4: Vergleich des Reaktionsverhaltens von Pech (a) und Pan (b) Kohlenstofffasern in TiCu15Ni15
Aufgrund der allergenen Wirkung des Nickelanteiles in der Legierung TiCu15Ni15 können Prothesen aus diesem Werkstoff in der Praxis nicht zum Einsatz kommen. Auch eine Kapselung dieses Werkstoffes in eine Hülle aus TiAl6V4, bei der im Regelfall der Körper nicht mit dem Nickel in Verbindung kommt, ist aus Sicherheitsgründen abzulehnen. Ein weiteres Problem haftet den Metallmatrixverbundwerkstoffen (MMCs) an: Der E-Modul des Werkstoffes kann durch die Faserverstärkung nur vergrößert und nicht verringert werden. Das Ziel, die Steifigkeit der Prothese an die Steifigkeit des Knochens anzupassen, lässt sich nicht erreichen. Abhilfe schafft ein völlig neues Konzept, welches im Folgenden beschrieben wird.
3
Die Knieprothese als Titan-PMC-Sandwichverbund
Der Aufbau des Implantates aus einer äußeren Hülle aus Titan und einer Füllung aus PolymerMatrix-Verbundwerkstoffen hat viele Vorteile: • Die äußere Hülle aus Titan bleibt bestehen. Dadurch werden die guten physiologischen Eigenschaften des Titans genutzt. Speziell entwickelte Verschleißschutzschichten können auf der Unterschale weiterhin zum Einsatz kommen und das gute Einwachsverhalten des Titans bleibt erhalten. • Die Untere Schale kann durch Schmieden aus Titanblech hergestellt werden wodurch sich die Festigkeit im Vergleich zum Titanguss verbessert. • Die Variation des E-Moduls im inneren des Implantates ist sehr variabel je nach Fasergehalt und Faserorientierung. Die Herstellung des Verbundwerkstoffs ist erheblich einfacher und kostengünstiger, da die extrem hohen Temperaturen (1700 C°) entfallen.
660
Bild 5: Ober und Unterschale der Titanhülle der Knieendoprothese
Problematisch ist die Verbindung zwischen Titan und Polymer. Diese muss eine sehr hohe dynamische Festigkeit besitzen, um die Sicherheit der Prothese über lange Zeit zu gewährleisten. Erste Versuche zeigen, dass eine Oberflächenbehandlung des Titans dringend notwendig ist (Bild 6a). Die Entfernung der Oxidschicht und eine Aufrauung der Titanoberfläche durch Strahlbehandlung brachte bei einer gemittelte Rautiefe RZ von rund 9 μm sehr gute Ergebnisse (Bild 6b). Zur Herstellung des Verbundes wurde das Titanblech mit Abstandhaltern versehen, der Zwischenraum mit Harz befüllt und vakuumentgast. Die Aushärtung erfolgte bei 80 °C und Aushärtzeit von 7 h.
Bild 6: REM –Aufnahmen (Sekundärelektronen) des Interfaces zwischen Titan und Epoxidharz ohne Strahlbehandlung (a) und mit Strahlbehandlung (b).
Biegeversuche an Titan-Epoxidharz-Sandwichverbunden zeigen, dass selbst bei großen Dehnungen keine Ablösung zwischen beiden Verbundpartnern stattfindet (Bild 7). Weitere Versuche auch mit anderen Methoden zur Oberflächenbehandlung, wie dem Plasmaanodisieren, werden in weiterführenden Untersuchungen geprüft.
661
Bild 7: Optische Aufnahme der Zone mit der maximalen Biegung eines Titan-Epoxidharz-Sandwichverbundes (3-D-Mikroskop)
Die Versuche zeigen, dass eine Knieprothese im Schalenaufbau prinzipiell möglich und vielversprechend ist. In weiteren dynamischen Tests muss eine Langzeitstabilität erst bewiesen werden. Zurzeit ist ein Prototyp dieser Prothese in Fertigung.
4
Simulation von Knieendoprothesen
Die Simulation des mechanischen Verhaltens und der Spannungsverteilung in der Knieendoprothese sowie im umliegenden Knochenmaterial ist von großer Wichtigkeit für die Entwicklung neuer Prothesen. Zur Verbesserung des Prothesenausfalls durch aseptische Lockerung ist besonders die Vorhersage des natürlichen Bone-Remodeling-Vorgangs von großer Wichtigkeit. Die Geometrie zur Modellierung des Knochens wurde aus CTs ermittelt. Diese liefern über die Hounsfield-Werte auch eine Möglichkeit, den ortsabhängigen E-Modul des Knochens zu berechnen.
Bild 8: Simulation des Bone-Remodeling-Vorgangs: a) das vernetzte Modell mit Prothese; b) Dichterverteilung vor der Operation; c) Berechnete Dichteverteilung bei einem Titanimplantat (Beta-Titan, voll ausgefüllt)
662 Bild 8a zeigt das vernetzte geometrische Simulationsmodell. Die Prothese wurde durch einen Chirurgen genau an die aus dem CT abgeleitete Knochenform angepasst. Im Ausgangszustand (Bild 8b) ist die Dichteverteilung relativ homogen. Die postoperativen Veränderungen zeigen hingegen eine starke Dichtezunahme in den Randbereichen sowie eine Abnahme der Dichte im Zentrum des Knochens. Dort bildete sich das unbelastete Knochenmaterial zurück. Zurück bleibt im schlimmsten Falle nur noch Bindegewebe. Diese Ergebnisse unterstreichen einmal mehr die Wichtigkeit der Entwicklung neuer Prothesen, die ein ausgeglichenes Belastungregime auf den Knochen übertragen und so einer Knochenumbildung entgegenwirken.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Die Weiterentwicklung von Knieendoprothesen ist für die Erhaltung eines guten Lebensstandards für betroffene Patienten unerlässlich. Die offensichtlichen Nachteile aktueller Implantate, wie die Knochenrückbildung, die Größe und das hohe Gewicht, können durch Verbundimplantate aus Titanhülle und PMC-Füllung gelöst werden. Obgleich das Konzept vielversprechend ist, steht eine genaue Prüfung unter dynamischer Belastung über einen langen Zeitraum sowie die Optimierung (Faserverteilung, Oberflächenbehandlung usw.) noch aus. Eine wichtige Grundlage für diesen Prozess bildet die simulatorische Untersuchung der Prothese.
6
Danksagung
Die Autoren danken der AIF für die Förderung dieser Arbeiten im Rahmen des Förderprogramms PRO INNO II. (Förderkennzeichen: KF0016212UL6)
7 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
Literatur W. Glien, T. Oberbach, J. Rahm, in Thüringer Werkstofftag 2002, Verlag Dr. Köster 2002, p. 13. A. König, S. Kirschner, in Der Orthopäde, Springer Berlin 2003, p. 516-526. J. Eulert, J. Hassenpflug. Praxis der Knieendoprothetik, Springer Verlag Berlin 2001, p. 19-29. W. Plitz, in Der Orthopäde, Springer Berlin 2002, p. 727-731. W.H. Harris, in Clinical orthopaedics and related research, Springer Verlag Heidelberg 1995, p. 46-53. O. Robertsson, K. Knutson, S. Lewold, L. Lidgren, in Acta Orthop Scand, 2001, p. 503–513. R. Bader, P. Bergschmidt, A. Fritsche, S. Ansorge, P. Thomas, W. Mittelmeier, in Der Orthopäde, Springer Berlin 2008, p. 136–142. J.L. Murray, Phase Diagrams of Binary Titanium Alloys, Asm Intl, 1987.
663
Dispensgeplottete Scaffolds aus Hydrogel/Keramik-Composites für die Anwendung als Knochenersatzmaterial A. Schlechte1, U. Deisinger2, F. Uhl1, G. Ziegler1,2 1 2
BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth Friedrich-Baur-Forschungsinstitut für Biomaterialien, Bayreuth
1
Einführung
Für die Auffüllung von Knochendefekten mit synthetischen Knochenersatzmaterialien werden heute standardmäßig Calciumphosphat (CaP)-Keramiken eingesetzt. Diese sind aufgrund ihrer chemischen Ähnlichkeit zum Knochen sehr gut geeignet und weisen eine hohe Biokompatibilität und Osteokonduktivität auf. Die Keramiken besitzen jedoch im Vergleich zum natürlichen Knochen ein sprödes Bruchverhalten, das für diesen Einsatz ungünstig ist. Neben den CaP-Keramiken werden auch Biopolymere, wie z.B. Polycaprolacton (PCL), Polylactidsäure (PLA), Polyglycolsäure (PGA) [1] sowie Hydrogele (z.B. Polyethylenglycol (PEG) und Alginat) für den Einsatz als Knochenersatzmaterial erforscht. Einige Polymere sind rasch abbaubar und weisen im Gegensatz zu den Keramiken ein elastisches oder plastisches Verhalten bei Belastung auf. Ihre Festigkeit ist jedoch deutlich geringer als die der Keramiken. Mit dem Rapid Prototyping (RP)-Verfahren Dispensplotten existiert ein Verfahren, ein Composite aus CaP-Keramik und einem Biopolymer zu individuellen Scaffolds bzw. Implantaten zu verarbeiten, um die Vorteile beider Materialien zu kombinieren [2–4]. Das Dispensplotten beruht auf der Extrusion einer pastösen Masse durch eine feine Düse zu einem Strang, der schichtweise auf einer Bauplattform abgelegt wird. Durch Variation der Strangausrichtung kann ein Formkörper mit dreidimensional interkonnektierender Porosität gefertigt werden. In der vorliegenden Arbeit wurde das Dispensverfahren zur Herstellung von Scaffolds aus einem Alginat/Hydroxylapatit (HA)-Composite untersucht. Dazu wurde zunächst das Fließverhalten des Composites in Abhängigkeit vom HA-Gehalt rheologisch untersucht und mit der Verarbeitbarkeit im Dispensplotter korreliert. Der Einfluss der Prozessparameter Ablagegeschwindigkeit und Dosiernadeldurchmesser auf den Stegdurchmesser der Scaffolds wurde exemplarisch für eine Composite-Zusammensetzung ermittelt. Zudem wurden die möglichen Grenzen des Dispensplottens von Alginat/HA-Compositen bestimmt.
2
Material und Methoden
2.1
Dispensplotten
Das Rapid Prototyping-Verfahren Dispensplotten (siehe auch Beitrag von Deisinger et al.) wurde bereits zur Herstellung von keramischen Formteilen beschrieben [5]. Es basiert auf einem pastösen Material, das mittels Druckluft aus einer Kartusche durch eine feine Düse extrudiert und computergesteuert als parallele Stränge in einer 6-Well-Platte abgelegt wird (Bild 1). Der Abstand der Stegmitten zueinander wird durch die CAD-Konstruktion der Scaffolds festgelegt.
664 Nach jeder Schicht wird die Orientierung der Stränge um einen definierten Winkel variiert (Ablagemuster), so dass Schicht für Schicht ein Bauteil mit dreidimensional interkonnektierenden Poren aufgebaut wird. In der vorliegenden Arbeit wurde ein 0/90° Ablagemuster verwendet.
Bild 1: Schematische Darstellung des Dispensplottens zur Herstellung von Alginat/HA-Composite Scaffolds. Die Parameter HA-Gehalt, Ablagegeschwindigkeit, Dosiernadeldurchmesser und Stegmittenabstand wurden zur Untersuchung ihres Einflusses auf die geometrischen Eigenschaften der Scaffolds systematisch variiert.
Die Fließeigenschaften der pastösen Masse sind für das verwendete RP-Verfahren Dispensplotten entscheidend: Zum Einen muss die Masse dünnflüssig genug sein, um ohne Entmischungserscheinungen durch die feine Düse extrudiert zu werden und zum Anderen muss das extrudierte Material stabil genug sein, um als Strang abgelegt zu werden. Das in dieser Studie untersuchte Composite bestand aus einer 8 Gew.-%-igen Alginat-Lösung (Fa. Sigma), zu der 0–60 Gew.-% gesintertes HA-Sprühgranulat (gesintert bei 1300 °C) gemischt wurde. Zur Stabilisierung dieses Composites nach dem Plotten wurde eine 100 mM CaCl2-Vernetzerlösung schrittweise zugegeben und so die Alginat-Lösung geliert.
2.2
Bestimmung der Materialeigenschaften
Die Viskosität des Composites wurde in Abhängigkeit vom HA-Gehalt (0– 60 Gew.-%) mittels Rotationsrheometer (Platte-Platte Messeinrichtung, HAAKE RheoStress 600, Fa. ThermoFisher) bestimmt und mit der Verarbeitbarkeit im Dispensplotter korreliert. Zur Beurteilung der Granulatverteilung im Strang wurden die Proben eingebettet (EpoFix Kit, Fa. Struers) und angeschliffen (TegraPol-35, Fa. Struers). Die Anschliffe wurden mittels Rasterelektronenmikroskop (REM, Quanta 200, Fa. FEI) im ESEM-Mode (environmental scanning electron microscope) untersucht. Dabei sollten auch eventuelle Entmischungserscheinungen während der Extrusion ermittelt werden.
2.3
Untersuchung des Einflusses der Prozessparameter
Der Einfluss der Prozessparameter Ablagegeschwindigkeit und Dosiernadeldurchmesser auf die Stegdurchmesser wurde beispielhaft für das Composite mit einem HA-Anteil von 50 Gew.-
665 % untersucht. Die Ablagegeschwindigkeit wurde von 2,5–20 mm/s variiert, wobei der angelegte Luftdruck konstant bei 5 bar gehalten wurde. Diese Untersuchungen wurden mit einem Dosiernadeldurchmesser von 600 μm durchgeführt. Bei Änderung des Düsendurchmessers von 340–840 μm musste der Luftdruck an die jeweilige Dosiernadel angepasst werden. Die Ablagegeschwindigkeit wurde konstant gehalten und betrug 3 mm/s für die Dosiernadel mit dem Durchmesser 340 μm und 15 mm/s für die Dosiernadeln von 410–840 μm. Mit allen Einstellungen wurden zylindrische Scaffolds mit einem Durchmesser von 13 mm geplottet. Der jeweils resultierende Stegdurchmesser wurde aus lichtmikroskopischen Aufnahmen mit einer Analysensoftware (analySIS, Fa. Soft Imaging System) ausgemessen. Die Grenzen des RP-Verfahrens Dispensplotten wurden anhand der maximal möglichen Porengröße in Abhängigkeit des Dosiernadeldurchmessers ermittelt. Dazu wurden Stegmittenabstände von 0,7; 1,0; 1,5; 2,0 und 2,35 mm in der CAD-Konstruktion eingestellt und Scaffolds mit Dosiernadeln der Durchmesser 340–840 μm hergestellt. Die Porengrößen wurden ebenfalls aus lichtmikroskopischen Aufnahmen bestimmt. Die Gesamtporosität der Scaffolds wurde anhand der CAD-Konstruktion (SolidWorks 2008, Fa. SolidWorks) abgeschätzt.
3
Ergebnisse und Diskussion
Zur Herstellung der Alginat/HA-Composite-Scaffolds ist die Zugabe einer Vernetzerlösung unverzichtbar. Alginat gehört zu den Polysacchariden und besteht aus den Monomeren -D-Mannuronsäure (M) und -L-Guluronsäure (G). Diese ordnen sich sowohl in homopolymeren Blöcken (MM oder GG) als auch in gemischten Blöcken (MGMG) innerhalb des Polymers an. Die Vernetzung des Alginats erfolgt über bivalente Kationen, zum Beispiel Ca2+ aus einer Calciumchloridlösung, das sich in die Faltstruktur der homopolymeren GG-Bereiche des Alginats einlagert [6]. Die Viskosität der unvernetzten Alginatlösung beträgt bei einer Schergeschwindigkeit J von 50 1/s ca. 12 Pas und steigt mit zunehmendem Anteil an HA-Granulat kontinuierlich auf bis zu 84 Pas an (Bild 2). Mit allen rheologisch untersuchten Mischungen wurden außerdem Versuche am Dispensplotter durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass sowohl das reine Alginat als auch die Mischungen mit bis zu 55 Gew.-% HA-Granulat gut verarbeitbar waren (schwarze Balken in Bild 2). Das Composite mit 60 Gew.-% HA-Granulat dagegen konnte nicht mehr extrudiert werden (gemusterter Balken in Bild 2). Die Grenze der Verarbeitbarkeit liegt damit bei einer Viskosität von maximal 61 Pas. Die verwendeten Sprühgranulate hatten eine runde Morphologie (Vollkugeln) und wiesen einen mittleren Durchmesser von 42 μm auf (Bild 3, links). Die Granulate waren homogen in den Strängen verteilt, wie aus der rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme eines Strang-Querschnitts in Bild 3 (Mitte) zu erkennen ist. Die Granulate waren jeweils vollständig von Alginat umschlossen (Bild 3, rechts). Entmischungen während der Extrusion können damit ausgeschlossen werden.
666
Bild 2: Viskosität der unvernetzten Alginat/HA-Composite bei einer Schergeschwindigkeit J von 50 1/s in Abhängigkeit vom Gehalt an HA-Granulat. Schwarze Balken stellen die im Dispensplotter verarbeitbaren Composite dar, der gemusterte Balken die nicht mehr plottbare Mischung.
Bild 3: Links: REM-Aufnahme des zugemischten HA-Granulats (Rückstreuelektronendetektor). Mitte und rechts: REM-Aufnahmen vom Querschnitt eines Strangs eines Alginat/HA (50 Gew.-%)-Scaffolds (ESEM Mode). Die homogene Verteilung des Granulats im Strang ist deutlich zu erkennen.
Für die Untersuchung des Einflusses der Prozessparameter wurde das Composite mit 50 Gew.-% HA-Granulat gewählt. Die Abhängigkeit des Stegdurchmessers von der Ablagegeschwindigkeit ist im Bild 4 (links) dargestellt. Mit Zunahme der Ablagegeschwindigkeit von 2,5 auf 7 mm/s nahm der Strangdurchmesser von 950 auf 600 μm stark ab und blieb bei weiterer Erhöhung der Ablagegeschwindigkeit (bis 20 mm/s) annähernd konstant. Bei gleichem Druck wird bei langsamen Ablagegeschwindigkeiten mehr Material an einer Position extrudiert, was zu dickeren und ungleichmäßigeren Strängen im Scaffold führt. Dadurch kann auch die größere Standardabweichung bei diesen Geschwindigkeiten erklärt werden (Bild 4, links). Eine Ablagegeschwindigkeit von 7–20 mm/s scheint optimal zu sein, da hier der Strangdurchmesser annährend gleich dem Dosiernadeldurchmesser war. Mit diesen Einstellungen konnten Scaffolds mit definierten Strangdurchmessern hergestellt werden (Bild 4, rechts). Bei höheren Ablagegeschwindigkeiten wurde der Strang nicht mehr exakt auf der Bauplattform abgelegt bzw. wurden die Stränge so stark beansprucht, dass sie während des Plottens rissen.
667
Bild 4: Links: Darstellung der Strangdurchmesser der Alginat/HA-Scaffolds in Abhängigkeit von der Ablagegeschwindigkeit (p = 5 bar, Dosiernadeldurchmesser: 600 μm). Rechts: Alginat/HA-Scaffold mit 50 Gew.-% HAAnteil, hergestellt mit optimaler Ablagegeschwindigkeit.
Bei optimal eingestellter Ablagegeschwindigkeit wird der Strangdurchmesser also durch die Wahl des Dosiernadeldurchmessers vorgegeben. Dies wurde für alle untersuchten Dosiernadeln von 340–840 μm bestätigt (Tab. 1). Tabelle 1: Mögliche Strang- und Porendurchmesser von Alginat/HA-Scaffolds. Der Strangdurchmesser wird durch die Dosiernadel vorgegeben. Die angegebenen Porendurchmesser entsprechen dem für die jeweiligen Dosiernadeln realisierbaren Bereich. Dosiernadeldurchmesser [μm]
Strangdurchmesser [μm]
Porendurchmesser [μm]
340
360 ± 36
290–1000
410
400 ± 6
250–1600
600
690 ± 34
200–1350
840
850 ± 50
400–1000
Die Porengrößen werden durch den Stegmittenabstand in der CAD-Konstruktion des Scaffolds und durch den Strangdurchmesser definiert. Daher sind kleine Stegmittenabstände bei großen Strangdurchmessern nicht realisierbar, da die parallel liegenden Stränge sonst überlappen. Dagegen wurde bei kleinen Strangdurchmessern und großen Stegmittenabständen beobachtet, dass die Stränge durchhängen und somit keine dreidimensional interkonnektierende Porosität vorhanden ist. Es konnten Porengrößen zwischen 200 und 1600 μm eingestellt werden. Größere Porendurchmesser sind mit den Dosiernadeln 600 und 840 μm zwar realisierbar, wurden jedoch in der vorliegenden Studie nicht untersucht, da Porengrößen >1000 μm für Knochenersatzmaterialien nicht relevant sind. Aus der Literatur ist zu entnehmen, dass Poren für die Knochenneubildung und Einsprossung von Blutgefäßen zwischen 200 und 800 μm liegen sollten [2]. Dies kann mit den Alginat/HA-Scaffolds realisiert werden. Die abgeschätzte Porosität der Scaffolds lag zwischen 40 und 80 Vol.-%, was im Bereich der Porosität des natürlichen Knochens liegt (50–90 Vol.-%; [2]).
668 Damit sind mittels Dispensplotten Scaffolds aus einem Alginat/HA-Composite herstellbar, die die Anforderungen an Knochenersatzmaterialien bezüglich der Porengrößen, Strangdurchmesser und Gesamtporosität erfüllen.
4
Zusammenfassung
In der vorliegenden Studie wurden Alginat/HA-Scaffolds über das Rapid Prototyping-Verfahren Dispensplotten hergestellt. Dabei wurden die unterschiedlichen Parameter HA-Gehalt, Ablagegeschwindigkeit, Dosiernadeldurchmesser und Stegmittenabstand hinsichtlich ihres Einflusses auf die geometrischen Scaffoldeigenschaften untersucht. Composites mit einem HA-Gehalt von 0–55 Gew.-% konnten gut verarbeitet werden. Die parallel dazu durchgeführte rheologische Charakterisierung zeigte, dass die Grenze der Verarbeitbarkeit bei einer Viskosität von maximal 61 Pas liegt. Die HA-Granulate waren homogen in den Strängen verteilt; es traten damit während der Extrusion keine Entmischungen auf. Bei Einstellung einer optimalen Ablagegeschwindigkeit wird der Stegdurchmesser durch den Dosiernadeldurchmesser bestimmt. Damit sind Stegdurchmesser von 360–850 μm realisierbar. Die Porengrößen der Scaffolds werden durch den Stegmittenabstand in der CAD-Konstruktion und den Strangdurchmesser vorgegeben und konnten zwischen 200 und 1600 μm eingestellt werden. Die Gesamtporosität der Composite-Scaffolds war abhängig von den eingestellten Herstellungsparametern und wurde zwischen 40 und 80 Vol.-% abgeschätzt. Anhand der Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass Alginat/HA-Scaffolds mit interkonnektierender Porosität erfolgreich mit dem Verfahren Dispensplotten hergestellt werden können und die Anforderungen an Knochenersatzmaterialien erfüllen. Die Variation des HA-Granulatgehaltes macht es darüber hinaus möglich, Scaffolds mit einem Feststoffgradienten sowie einem Porengradienten für die Anwendung als Knochen-Knorpel-Konstrukt zu entwickeln.
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6]
Literatur X. Liu, P. X. Ma, Annals of Biomedical Engineering 2004, 32, 477–486. V. Karageorgiou, D. Kaplan, Biomaterials, 2006, 26, 5474–5491. L. Shor, S. Guceri, X. Wen, M. Gandhi, W.Sun, Biomaterials, 2007, 28, 5291–5297. J. Russias, E. Saiz, S. Deville, K. Gryn, G. Liu, R. K. Nalla, A. P. Tomsia, J. Biomed. Mater. Res. Part A, 2007, 83, 434–445. U. Deisinger, S. Hamisch, M. Schumacher, F. Uhl, R. Detsch, G. Ziegler, Key Eng. Mater., 2008, 361–363, 915–918. O. Smidsrød, G. Skjåk-Bræk, Trends Biotech., 1990, 8, 71–78.
669
Indirektes Rapid Prototyping biphasischer CalciumphosphatKeramiken: biomechanische und zellbiologische Eigenschaften M. Schumacher 1, U. Deisinger 2, R. Detsch 2, G. Ziegler 1,2 1
Universität Bayreuth, Friedrich-Baur-Forschungsinstitut für Biomaterialien, Bayreuth
2
BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth
1
Einführung
Aufgrund ihrer hervorragenden biokompatiblen Eigenschaften werden Calciumphosphat (CaP)Keramiken, insbesondere Hydroxylapatit (HA) und Tricalciumphosphat (TCP) seit Jahren erfolgreich als synthetisches Knochenersatzmaterial eingesetzt. Die hohe mineralogische Ähnlichkeit der CaP-Keramiken zum natürlichen Knochenapatit erlaubt eine feste Anbindung des Knochengewebes an das Implantatmaterial sowie in einigen Fällen eine Einbeziehung des synthetischen Werkstoffs in den natürlichen Knochenumbau [1]. Dabei wird das implantierte Material durch physiko-chemische sowie zelluläre Prozesse abgebaut und durch nachwachsendes Knochengewebe ersetzt. Von entscheidender Bedeutung ist dabei neben der Biokompatibilität die Löslichkeit des Materials. Diese ist im Fall von TCP höher, wodurch TCP vergleichsweise schnell, HA dagegen nur in geringem Maße abgebaut wird [2]. Mischungen von HA und TCP, sogenannte biphasische Calciumphosphatkeramiken (BCP) bieten die Möglichkeit, die Eigenschaften beider Keramiken zu kombinieren [3]. Weiterhin spielen die Oberflächenbeschaffenheit und Porosität eines Implantats eine entscheidende Rolle [4]. Um eine Penetration des umliegenden Gewebes in das Implantat sowie eine Vaskularisierung zu ermöglichen, sind Makroporen mit Durchmessern von 200–800 μm sowie eine Gesamtporosität von >30 Vol.-% optimal [5, 6]. Die gleichen Anforderungen gelten auch für Scaffolds für das Bone Tissue Engineering, bei dem Gewebe in vitro auf eine Träger (Scaffold) gezüchtet und später Implantiert wird. Zur Herstellung makroporöser Implantate und Scaffolds werden verschiedene Verfahren eingesetzt. Eine statistische Porenverteilung lässt sich beispielsweise mit Hilfe des gas-foaming [7] oder der sog. Schaum-Replika-Technik [8] realisieren. Eine gezielte Einstellung beispielsweise der Porenorientierung oder eine anisotrope Verteilung von Porendurchmesser und –querschnittsgeometrie lässt sich so jedoch nicht realisieren, obgleich dies im Sinne einer Optimierung der mechanischen Eigenschaften oder im Hinblick auf Individualimplantate erforderlich wäre. Mittels Rapid Prototyping (RP) lassen sich makroporöse Strukturen mit hoher Genauigkeit aus CaP-Keramiken herstellen. Neben direkten Verfahren wie dem 3D Drucken [9] oder Dispensplotten [10] existieren auch sog. indirekte RP-Verfahren. Dabei wird zunächst mit Hilfe eines RP-Verfahrens eine Negativform des Bauteils hergestellt, diese anschließend mit keramischem Schlicker abgeformt und die Keramik gesintert, wobei die Negativform ausbrennt. Mittels Wachsdruckverfahren hergestellte Formen lassen sich als Gussform für keramische Schlicker verwenden. Makroporöse Scaffolds aus CaP-Keramiken mit Porendurchmessern zwischen 150 und 2000 μm wurden mit Hilfe des Wachsabformverfahrens hergestellt [10]. Der
670 Vorteil des Wachsabformverfahrens liegt dabei in der hohen Auflösung der Wachsformen sowie der Genauigkeit des Abformschrittes. Innere und äußere Geometrie eines Scaffolds, insbesondere Porenform, -durchmesser und -orientierung lassen sich mit diesem Verfahren in einem weiten Bereich variieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden mit Hilfe des Wachsabformverfahrens Proben mit unterschiedlicher Porenkonfiguration aus CaP-Keramiken variierender Phasenzusammensetzung hergestellt und hinsichtlich des Einflusses der Porenstruktur auf die Bauteilfestigkeit untersucht. Darüber hinaus wurden makroporöse Scaffolds in vitro auf ihren Einfluss auf Wachstum und Differenzierung osteoblastärer Vorläuferzellen hin untersucht.
2
Material und Methoden
2.1
Probenherstellung und Charakterisierung
Probekörper aus Calciumphosphat-Keramik mit variierender Phasenzusammensetzung (HA, TCP sowie eine biphasische Keramik mit einem HA/TCP Gewichtsverhältnis von 60/40, HA60) wurden mit Hilfe des sog. Wachs-Abformverfahrens hergestellt. Dieses indirekte RPVerfahren besteht aus zwei Schritten: zunächst wird eine negative Form der gewünschten Struktur aus Wachs hergestellt und diese im zweiten Schritt mit keramischem Schlicker abgeformt. 2.1.1 Herstellung der Wachs-Negativformen In der vorliegenden Arbeit wurden 2 Arten von Scaffolds hergestellt: • Quaderförmige Proben mit einem vollständig interkonnektierenden Netzwerk aus orthogonal angeordneten Poren (Durchmesser: 320 μm) mit kreisförmigem Querschnitt sowie Proben mit quadratischem Porenquerschnitt in orthogonaler bzw. 60° gegeneinander verkippter Anordnung (HA60) (Abb. 1). Untersucht wurden die mechanischen Eigenschaften in Abhängigkeit von Phasenzusammensetzung und Porengeometrie bzw. Porosität (26, 32 bzw. 49 Vol.-%). • Zylinderförmige Proben aus HA, TCP und HA60 mit einem vollständig interkonnektierenden Netzwerk aus orthogonal angeordneten, kreisrunden Poren mit einem Durchmesser von ca. 320 μm zur in vitro Untersuchung des Einflusses der Phasenzusammensetzung auf osteoblastäre Vorläuferzellen. CAD-Modelle der hergestellten Probekörper zur Untersuchung der Druckfestigkeit sind in Abbildung 1 dargestellt. Zur Herstellung der Wachs-Negativformen wurden inverse CAD-Modelle der in Abbildung 1 gezeigten Probengeometrien konstruiert (Solid Works 2007) und in 13 μm dicke Schichten gesliced. Anschließend wurden die Negativformen mit Hilfe eines Wachsdruckers (BT66, Solidscape) hergestellt (siehe auch Beitrag von Deisinger et al.). Bei diesem RP-Verfahren wird ein sog. build-Wachs durch einen beweglichen Druckkopf auf eine Bauplattform gedruckt und die Negativform so Schicht für Schicht aufgebaut. Hohlräume der Form werden parallel dazu mit einem zweiten, sog. support-Wachs gefüllt, wodurch Hinterschneidungen sowie überhängende Strukturen möglich werden. Nach jeder vollendeten Schicht wird die Bau-
671 plattform abgesenkt, das Wachs auf eine einstellbare Schichtdicke (hier 13 μm) abgefräst und die nächste Schicht gedruckt. Nach abgeschlossenem Druckvorgang wurde das Support-Wachs mit Hilfe eines Lösungsmittels entfernt.
Abb. 1: Skizzen der Probengeometrien (Aufsicht): Orthogonal angeordnete runde (A) bzw. quadratische Poren (B) sowie quadratische Poren in 60°-verkippten Lagen (C).
2.1.2 Schlickerherstellung Zum detailgetreuen Abformen der Wachs-Negativformen wird ein niedrigviskoser keramischer Schlicker benötigt. HA- und TCP-Pulver (Merck) wurden als Reinstoff sowie als Pulvermischung (60 Gew.-% HA und 40 Gew.-% TCP) bei 900 °C calziniert. Anschließend wurde ein wässriger Schlicker mit 60 Gew.-% Feststoffgehalt hergestellt und mittels Kugelmühle homogenisiert, wobei 5 Gew.-% organischer Binder (Styrol-Butadien Copolymerisat) und 0,5 Gew.% Dispergator (Acrylsäure Copolymer) zugegeben wurden. Die Negativ-Wachsformen wurden mit Schlicker infiltriert und die getrockneten Probekörper anschließend für 1 h bei 1300 °C gesintert (Nabertherm), wobei Wachs und organische Additive vollständig ausbrannten. 2.1.3 Charakterisierung Licht- (MZM1, Askania, Mikroskop Technik Rathenow) und rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen (REM, Quanta 200, FEI) wurden zur Charakterisierung der Probekörper herangezogen (analySIS, Soft Imaging Corp.). Die Dichte der Proben wurde mit Hilfe eines Helium-Pyknometers (AccuPyc 1330, Micromeritics) bestimmt. Zur Untersuchung der Druckfestigkeit wurde eine Instron Prüfmaschine (Instron 1362) mit 5 kN Kraftmessdose und einem Vorschub von 1 mm/min verwendet (n = 5) und die Ergebnisse statistisch ausgewertet (Origin 6.1G, Origin Lab. Corp.). 2.2
In vitro Untersuchung
Zur Untersuchung der Scaffolds in vitro wurden murine Knochenmark-Vorläuferzellen (ST-2, Deutsche Sammlung für Mikroorganismen und Zellkultur) verwendet. Die Zellen wurden in RPMI 1640 Medium (Gibco) mit 10 Vol.-% FBS (Sigma-Aldrich), 1 Vol.-% Penicillin/Streptomycin (Sigma-Aldrich) und 1 Vol.-% Glutamax (Gibco) vorkultiviert. Die osteogene Differenzierung wurde während der Versuche mittels 50 μg/ml Vitamin C (Sigma-Aldrich), 10 mM EGlycerolphosphat (Sigma-Aldrich) und 100 nM Dexamethason (Sigma-Aldrich) stimuliert. Die Scaffolds (n = 4) wurden mit je 2 Mio. Zellen von beiden Seiten besiedelt und anschließend bei 37 °C und 5 % CO2 für 17 Tage inkubiert.
672 Zur Ermittlung der Zellvitalität wurde der WST-1 Assay (Roche) herangezogen. Die Zellproliferation wurde anhand der Lactatdehydrogenase (LDH)-Aktivität mittels eines kommerziell erhältlichen Kits (Sigma-Aldrich) im Zellysat bestimmt. Die osteogene Differenzierung der Zellen nach 17 Tagen wurde anhand der Produktion von extrazellulärer Matrix (Kollagen I-Gehalt) mit Hilfe der Sirius Rot Methode (Sirius Red F3BA, Chroma) sowie der Aktivität der Alkalischen Phosphatase (ALP) im Zellysat (ALP-Kit, Sigma-Aldrich) untersucht. Alle Ergebnisse werden als Mittelwerte ± Standardabweichung angegeben und auf HA bezogen (100 %). Die Ergebnisse wurden mittels Ein-Wege-Anova (Analysis of variance) statistisch untersucht (Signifikanzebene p < 0,05; Origin 6.1G, Origin Lab. Corp.).
3
Ergebnisse und Diskussion
3.1
Probencharakterisierung
Abbildung 2 zeigt Detailaufnahmen der hergestellten Probekörper mit unterschiedlichen Porenkonfigurationen. Die angestrebten Porengeometrien (runder oder quadratischer Porenquerschnitt) sowie Porenorientierungen (orthogonal oder in 60°-Lagen) wurden exakt wiedergegeben. Da Wachsnegativformen mit identischen Abmessungen zur Herstellung von Proben aus unterschiedlichen CaP-Keramiken verwendet wurden, wichen die Abmessungen der KeramikProben aufgrund der materialspezifischen Sinterschwindung (HA ca. 25 %, TCP rund 15 %) zwischen den Materialien voneinander ab. Die Porendurchmesser aller Proben lagen zwischen 315 und 350 μm. Proben einer Materialzusammensetzung wiesen dagegen nur geringe Variationen (kleiner 6 %) in ihren äußeren Abmessungen sowie im Porendurchmesser auf, was die hohe Genauigkeit und Reproduzierbarkeit des beschrieben Verfahrens unterstreicht. Aufgrund der variierenden Porenform und -orientierung unterschieden sich die hergestellten Proben trotz vergleichbaren Porendurchmessern in ihrer Makroporosität. Diese betrug für Proben mit rund- und rechteckig-orthogonal angeordneten Poren 26 bzw. 32 Vol.-% und für rechteckigen Poren in 60°- Lagen 49 Vol.-%.
Abb. 2: Lichtmikroskopische Aufnahmen gesinterter Probekörper aus HA60 mit unterschiedlicher Porengeometrie: orthogonal angeordnete Poren mit rundem (links) bzw. quadratische Querschnitt (Mitte) sowie Poren mit quadratischem Querschnitt, angeordnet in 60°-Lagen (rechts).
673 3.2
Druckfestigkeit
Die Untersuchung der Druckfestigkeit an Proben variierender Phasenzusammensetzung zeigte einen direkten Einfluss der Phasengehalte auf die mechanischen Eigenschaften. HA- und TCPProben erreichten mit 8,5 und 9,6 MPa eine vergleichbare Festigkeit. Die gegenüber HA sogar leicht erhöhte Festigkeit von TCP ist dabei vermutlich auf eine verminderte Bildung von Mikrorissen aufgrund der geringeren Schwindung in TCP-Proben zurückzuführen. Die höchste Festigkeit wiesen HA60-Proben auf (27,6 MPa). Eine vergleichbare Festigkeitserhöhung HAreicher CaP-Mischkeramiken wurde auch in der Literatur beschrieben [11]. Der Vergleich der Druckfestigkeitswerte von Probekörpern mit unterschiedlichen Porengeometrien und -anordnungen ergab eine maximale Druckfestigkeit für Proben mit rundem Porenquerschnitt sowie eine niedrigere Festigkeit bei Proben mit orthogonal (19,7 MPa) und in 60°Lagen angeordneten Poren (9,9 MPa). In Übereinstimmung mit der Literatur [12] kann die Festigkeit der untersuchten Proben auf deren jeweilige Makroporosität zurückgeführt werden (Abb. 3). Der exponentielle Abfall der Festigkeit mit zunehmender Porosität überwiegt dabei gegenüber dem Einfluss der Porenquerschnittsgeometrie. Alle Proben erreichten eine mit aus der Literatur bekannten Festigkeitswerten humaner Spongiosa (0,6–15 MPa [4, 13]) vergleichbare oder sogar höhere Druckfestigkeit. Somit eignen sich die mit dem hier beschriebenen Verfahren hergestellte CaP-Scaffolds aus mechanischer Sicht sehr gut als Knochenersatzmaterial im Bereich des spongiösen Knochens.
Abb. 3: Druckfestigkeit von Proben mit unterschiedlicher Porosität (26 bis 49 Vol.-%).
3.3
In vitro-Untersuchungen
Nach 17-tägiger Kultivierung von ST-2 Zellen auf HA, TCP und HA60 konnte auf der Oberfläche aller Scaffolds eine homogene Besiedelung beobachtet werden (Abb. 4). Auf HA und HA60 wurde eine gegenüber TCP signifikant erhöhte Zellproliferation festgestellt. Ebenso wurde auf TCP eine niedrigere Zellvitalität gemessen (26 % gegenüber HA), während zwischen
674 HA und HA60 kein signifikanter Unterschied gefunden wurde (Ergebnisse hier nicht dargestellt). Kollagen I wurde in vergleichbarer Konzentration auf HA und HA60 nachgewiesen, die geringste Menge auf TCP. Zusammen mit der maximalen ALP-Aktivität auf Scaffolds aus HA60 lässt dies auf eine auf der biphasischen CaP-Keramik am weitesten fortgeschrittene osteoblastäre Differenzierung der Zellen schließen (Abb. 5). Dies konnte in weiteren, internen Untersuchungen bestätigt werden. Somit eignen sich insbesondere HA-reiche CaP-Mischkeramikscaffolds als Werkstoff für Knochenersatz und Bone Tissue Engineering.
Abb. 4: REM-Aufnahme von ST-2 Zellen nach 17-tägiger Kultur auf einem HA60-Scaffold.
5
Abb. 5: Kollagen I-Gehalt und ALP-Aktivität von ST-2 Zellen nach 17-tägiger Kultivierung auf CaP-Scaffolds.
Zusammenfassung
Mit Hilfe eines indirekten Rapid Prototyping-Verfahrens, basierend auf der Abformung von Wachs-Negativformen mit keramischem Schlicker, wurden Probekörper aus CaP-Keramik unterschiedlicher Phasenzusammensetzung hergestellt und charakterisiert. Die hohe Genauigkeit des RP-Verfahrens erlaubt die reproduzierbare Herstellung feinster (150–2000 μm Porendurchmesser) innerer Strukturen mit genau definierter Geometrie und eignet sich somit für die Herstellung filigraner, dem Knochen angepasster Strukturen. Die Druckfestigkeit von CaP-Proben unterschiedlicher Porenstruktur (9,9–27,6 MPa) liegt im Bereich humaner Spongiosa und darüber, wobei die Festigkeit mit der Makroporosität der Proben (26–49 Vol.-%) exponentiell korreliert werden kann. Die höchste Festigkeit erreichten Proben mit rundem Porenquerschnitt aus einer biphasischen HA/TCP Mischung mit 60 Gew.-% HA. In vitro konnte die Eignung der hergestellten Proben als Knochenersatz sowie als Scaffolds für das Bone Tissue Engineering gezeigt werden. Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchungen zur Zellproliferation, Vitalität und insbesondere der osteoblastären Differenzierung, aber auch wegen der besseren mechanischen Eigenschaften erscheinen Scaffolds aus biphasischen CaP-Mischungen mit hohem HA-Anteil besonders geeignet.
675
4 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13]
Literatur S. Dorozhkin, M. Epple, Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 2002, 41, 3130–3146. H. Mayr, S. Schlüfter, R. Detsch, G. Ziegler, Key. Engin. Mat. 2008, 361–363, 1043–1046. G. Daculsi, Biomaterials 1998, 19, 1473–1478. K. H. Hing, Philos. Transact. A Math. Phys. Eng. Sci. 2004, 362, 2821–2850. V. Karageorgiou, D. Kaplan, Biomaterials 2005, 26(27), 5474–5491. K. Frosch, F. Barvencik, V. Viereck, C. H. Lohmann, K. Dresing, J. Breme, E. Brunner, K. M. Sturmer, J. Biomed. Mater. Res. A 2004, 68, 325–334. A. Almirall, G. Larrecq, J. A. Delgado, S. Martinez, J. A. Planell, M. P. Ginebra, Biomaterials 2004, 25, 3671–3680. U. Deisinger, F. Stenzel, G. Ziegler, Key Engin. Mat. 2004, 254–256, 977–980. U. Deisinger, F. Irlinger, R. Pelzer, G. Ziegler, CFI-Ceram. Forum Int. 2006, 13, 75–78. U. Deisinger, S. Hamisch, M. Schumacher, F. Uhl, R. Detsch, G. Ziegler, Key Engin. Mat. 2008, 361–363, 915–918. S. Raynaud, E. Champion, J. P. Lafon, Biomaterials 2002, 23(4), 1081–1089. A. Bignon, J. Chouteau, J. Chevalier, J. Mater. Sci. Mater. Med. 2003, 14, 1089–1097. D. R. Carter, W. C. Haynes, J. Bone Joint Surg. Am. 1977, 59, 954– 962.
676
Calciumphosphat-basierte Knochenersatzmaterialien: Studie zur in vitro-Osteoklastogenese R. Detsch1, S. Schlüfter2, G. Ziegler1,2 1
BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth
2Friedrich-Baur-Forschungsinstitut
1
für Biomaterialien, Universität Bayreuth
Einführung
Das menschliche Knochenskelett dient dem Körper als Stützapparat sowie als Schutz für innere Organe. Die Knochen enthalten 99,9 % des Körper-Calciums und sind am Calciumstoffwechsel aktiv beteiligt. Das Knochengewebe weist dabei einen intensiven Stoffwechsel auf und besitzt die Fähigkeit, seine Struktur allen Veränderungen der mechanischen Belastung neu anzupassen. Der stetige Knochenumbau stellt unter physiologischen Bedingungen ein Zusammenspiel aus Osteoklastogenese (Differenzierung von Osteoklasten – knochenabbauenden Zellen) und Osteogenese (Differenzierung von Osteoblasten – knochenaufbauenden Zellen) dar. Nicht nur für den Knochenumbau, sondern auch für die Regeneration von Knochendefekten und für die Frakturheilung ist die Aktivität der Osteoklasten ein entscheidender Faktor [1]. Idealerweise sollte ein synthetischer Knochenersatz als „eigener Knochen“ erkannt und in die natürlichen Ab- und Umbauvorgänge einbezogen werden. Deshalb spielt für den Knochenersatz die Erforschung von osteoklastogenen Prozessen auf molekularer und zellulärer Ebene eine entscheidende Rolle. Als synthetischer Knochenersatz werden vor allem Calciumphosphat-basierte Materialien wie Hydroxylapatit (HA, Ca10(PO4)6(OH)2) und Tricalciumphosphat (TCP, Ca3(PO4)2) eingesetzt [2]. Natürlicher HA stellt den Hauptbestandteil der mineralischen Phase des Knochens und des Zahnschmelzes dar. HA-Keramiken werden seit ca. 30 Jahren für den Einsatz im Knochenkontakt untersucht. Ihre Biokompatibilität sowie ihre osteokonduktive Wirkung wurden vielfach belegt. HA-Materialien werden in der Literatur als unlöslich mit einem begrenzten Abbau durch zelluläre Resorption beschrieben [3]. Im Gegensatz dazu gehören TCP-Keramiken zu den löslichen Calciumphosphaten [4]. In Bezug auf den Abbau von TCP-Materialien finden laut Literatur stets zwei unterschiedliche Mechanismen statt: zum Einen die Hydrolyse, zum Anderen die Resorption durch Monozyten, Makrophagen, Fremdkörperriesenzellen und Osteoklasten. Die Angaben über Abbauzeiten variieren dabei zwischen 6 Monaten und 5 Jahren. Biphasische (BCP-) Calciumphosphat- (CaP-) Keramiken werden aus Mischungen von HA und TCP hergestellt. Dabei kann aus der Kombination von schneller löslichem TCP mit kaum abbaubarem HA ein Material mit definiertem Abbauverhalten gewonnen werden, da das Löslichkeitsverhalten biphasischer CaP-Keramiken vorwiegend von ihrer Phasenzusammensetzung abhängt. Für die Knochenheilung werden in der Literatur allerdings unterschiedliche Mischungen aus HA und TCP als bestmögliches Biomaterial beschrieben. Eine optimierte Mischung aus HA und TCP speziell für die Osteoklastogenese wurde bisher noch nicht definiert. Es konnte zwar bereits die Resorption von HA und TCP mittels U-937 Zellen aufgezeigt werden, wie der resorptive Abbau von CaP-Keramiken erfolgt und welche Materialparameter einen Einfluss auf die Entwicklung von Osteoklasten haben, ist jedoch nicht vollständig geklärt
677 [5]. Aus diesem Grund wurden in dieser Studie in vitro-Untersuchungen zur Osteoklastogenese auf unterschiedlichen Calciumphosphat-basierten Knochenersatzmaterialien (HA-, TCP- und BCP-Keramiken) durchgeführt. Für die Untersuchungen der osteoklastären Zelldifferenzierung und der resorptiven Aktivität auf den CaP-Keramiken wurden monozytäre Vorläuferzellen verwendet, welche 14 Tage mittels Wachstumsfaktoren stimuliert wurden. Bei den zellbiologischen Untersuchungen kamen sowohl Enzymaktivitätstests sowie mikroskopische und molekularbiologische Analysen zum Einsatz. Die resorptive Aktivität von Osteoklasten wurde anhand der gebildeten Lakunen quantifiziert.
2
Material und Methoden
2.1
Herstellung der Keramikproben
Zur Herstellung der verwendeten Keramikproben (HA, TCP sowie HA/TCP-Mischungen aus 80/20, 60/40, 40/60 und 20/80 Gewichtsprozent) wurde kommerziell erhältliches HA und TCP Pulver der Firma Merck verwendet. Für die zellbiologischen Untersuchungen wurde eine runde, plättchenförmige Probengeometrie mit einem Durchmesser von 15 mm ausgewählt. Die Herstellung der CaP-Keramiken beinhaltete die Pulveraufbereitung, Granulat- und Grünkörperherstellung sowie den Sintervorgang bei 1100 °C, 1200 °C und 1300 °C für HA und TCP. Bei den fortlaufenden Untersuchungen mit unterschiedlichen HA/TCP-Gehalten wurden ausschließlich bei 1300 °C gesinterte Proben eingesetzt. Im Anschluss an die Herstellung erfolgte eine ausführliche materialwissenschaftliche Charakterisierung (XRD-, IR-, RAMAN-Analysen, Gefügeanalyse und Ermittlung der Korndurchmesser) aller CaP-Materialien.
2.2
Osteoklasten-ähnliche Zellen
Für die Untersuchungen der Resorption von CaP-Keramiken wurden monozytäre Zellen der murinen Vorläuferzelllinie RAW 264.7 (Fa. Invitrogen) verwendet. Durch diese verwendete Zell-Linie können spenderunabhängig, reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden. Die Zellen wurden in D-MEM (Fa. Gibco) mit 10 Vol.-% FKS (Fötales Kälberserum, Fa. Sigma) sowie 1 Vol.-% PS (Penicillin-Streptomycin, Fa. Sigma) kultiviert und können durch Stimulierung mittels 25 ng/ml M-CSF und 40 ng/ml RANKL innerhalb 14-tägiger Kultivierung Osteoklasten-ähnliche Riesenzellen bilden, die die Keramik resorbieren können.
2.3
In vitro-Analysemethoden
Zelldifferenzierung Die Differenzierung der RAW 264.7 Zellen wurde mit Hilfe der RT-PCR (Reverse Transkriptase- Polymerase Ketten Reaktion) untersucht. Proteine, deren zugehörige mRNA mittels RTPCR nachgewiesen werden kann, werden entweder bereits von der Zelle synthetisiert oder mit hoher Wahrscheinlichkeit kurz darauf exprimiert. Zum Nachweis wurde in einem ersten Schritt aus den Zellen die mRNA isoliert und gereinigt, mit einem unspezifischen Primer markiert und
678 anschließend mit Hilfe der Reversen Transkriptase in cDNA umgeschrieben. Diese wurde während der PCR, mit Hilfe von für die zu untersuchenden Gene spezifischen Primern, vervielfältigt. Folgende Primer-Sequenzen kamen dabei zum Einsatz: RANK: forward: 5’ CTGGCTACCACTGGAACTCA, reverse: 5’ ACCACAGAGATGA-AGAGGAGC, TRAP: forward: 5’ ACTTCCCCAGCCCTT-ACTACCG, reverse: 5’ GCCGCACAGGTAGGCAGTG, Carbonanhydrase II (CA II): forward: 5’ ACA-CAGCAACTGCCCACCAT, reverse: 5’ CCAAAACAGCCAATCCATCC), Cathepsin K (Cath K): forward: 5’ CTTGTGGACTGTGTGACT, reverse: 5’ AACACTGCATGGTTCACA. Als Referenz diente die GAPDH (Glycerinaldehyd3-phosphat-Dehydrogenase) mit folgender Primersequenz: forward: 5’ ACCACAGTCCATGCCATCAC, reverse: 5’ TCCACCACCCTGTTGCTG-TA. Durch eine Gelelektrophorese wurden die entstandenen PCR-Produkte anhand ihrer Größe aufgetrennt. Durch Färbung konnten die Banden zugeordnet und ausgewertet werden. Zellvitalität Zur Bestimmung der Zellvitalität dient der WST-1 Assay (Fa. Roche), bei dem ein Tetrazoliumsalz von vitalen Zellen zu wasserlöslichem Formazan umgesetzt wird, was anhand der Absorption bei 450 nm mittels UV/Vis Spektrometer (Fa. Beckman) quantifiziert wird. Das für die Umsetzung verantwortliche Enzym stammt aus der mitochondrialen Atmungskette, weshalb der Assay eine direkte Aussage über die Mitochondrienaktivität bzw. die Zellvitalität zulässt. Resorption Durchmesser und Tiefe der gebildeten Lakunen lässt auf die resorptive Aktivität der Osteoklasten schließen. Dazu wurden die stimulierten RAW 264.7 Zellen nach 14-tägiger Kultivierung auf Keramikproben mittels Lysepuffer entfernt und die Oberflächen in einem Ultraschallbad gereinigt. Die Lakunenbildung wurde dann mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM, Fa. Fei) ausgewertet. Dazu wurden von Lakunen mittels REM zwei Stereobilder erzeugt, die mit Hilfe der MEX 4.2-Software (Fa. Alicona) überlagert und 3-dimensional ausgewertet wurden.
3
Ergebnisse und Diskussion
Alle untersuchten Keramiken konnten anhand von XRD-, IR- und RAMAN-Spektren eindeutig als CaP-Keramiken identifiziert werden. Dabei wurden phasenreine, monophasige HA- und ETCP Keramiken detektiert. Weiterhin wurden polyphasige Materialien aus HA, D- und E-TCP analysiert. Grobe Verunreinigungen konnten dabei ausgeschlossen werden. Bei der Sinterung von 1100, 1200 und 1300 °C wurde für HA ein Wachstum des Korndurchmessers von 0,5, 1,5 auf 3 μm und für E-TCP von 2, 5 auf 12 μm ermittelt. Die Korndurchmesser der bei 1300 °C gesinterten BCP-Keramiken lagen im Mittel zwischen 6 und 10 μm. Zur Untersuchung der in vitro-Osteoklastogenese auf CaP-Keramiken wurden monozytäre Vorläuferzellen mittels M-CSF und RANKL stimuliert. Die Differenzierung der Monozyten zu Osteoklasten ließ sich auch auf molekularer Ebene mittels RT-PCR verfolgen. Der Nachweis für die osteoklastentypischen Marker RANK, TRAP, CA II und Cath. K wurde auf den meisten Proben erbracht. Geringere bzw. inhibierte Differenzierungen der RAW 264.7 Zellen wurden vor allem auf den Proben HA 1100 °C, HA 20, TCP 1300 °C und TCP 1200 °C ermittelt.
679 Tab. 1: Zusammenfassung der RT-PCR Ergebnisse der kultivierten RAW 264.7 Zellen auf verschiedenen CaP-Proben (+ exprimierter osteoklastentypischer Marker, - keine Exprimierung). HA 1100
HA 1200
HA 1300
TCP 1100
TCP 1200
TCP 1300
HA 80
HA 60
HA4 HA 0 20
GAPDH
+
+
+
+
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+
+
+
+
+
RANK
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TRAP
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CA II
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+
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+
Cath. K
–
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–
+
+
+
–
Die zellmorphologischen Veränderungen während der Differenzierung werden am Beispiel von Zellen auf HA 1300 °C Proben in Bild 1 verdeutlicht. Monozyten (Bild 1, links, weißer Pfeil) haben eine runde Morphologie mit einem geringen Durchmesser von 8–10 μm, wohingegen eine sich differenzierende Zelle einen maximalen Durchmesser von 60–80 μm (Bild 1, rechts, gestrichelter Kreis) erreichen kann.
Bild 1: REM-Aufnahmen von RAW 264.7 Zellen nach 3-tägiger (links) und 14-tägiger Kultivierung auf HA 1300 °C (rechts).
Nach einer Kultivierungszeit von 14 Tagen wurde die Mitochondrienaktivität der Zellen auf allen CaP-Keramiken analysiert (Bild 2). Bei dieser Messung konnten verschiedene Trends festgestellt werden: Zum Einen ist die Mitochondrienaktivität in Zellen auf HA-Proben höher als auf TCP. Mit steigendem HA-Anteil in den BCP-Keramiken wurden erhöhte Zellvitalitäten gemessen. Zum Anderen haben die Sintertemperaturen von 1100–1300 °C bei HA und TCP gegenläufige Wirkungen. Während bei HA die Mitochondrienaktivität mit steigender Sintertemperatur zunimmt, steigt die Vitalität der Zellen auf TCP mit der Abnahme der Sintertemperatur von 1300 auf 1100 °C an.
680
Bild 2: Ergebnisse der Bestimmung der Mitochondrienaktivität der RAW 264.7 Zellen nach 14-tägiger Kultivierung auf (von links nach rechts): HA 1100–1300 °C, TCP 1300 °C–1100 °C, HA 80–HA 20 (Sintertemperatur 1300 °C).
Die resorptive Aktivität der gebildeten Osteoklasten wurde ebenfalls nach 14 Tagen anhand der Lakunenbildung untersucht (Bild 3). Die Detailaufnahme in Bild 3 (rechts) zeigt den Lakunenrand, der sowohl an den Korngrenzen als auch durch einzelne Keramikkörner hindurch verläuft. Einzelne teilresorbierte Keramikkörner sind in der Lakune zu erkennen. Die ausdifferenzierten Osteoklasten-ähnlichen Zellen können, wie bereits erwähnt, bis zu 80 μm im Durchmesser sein, weiterhin bis zu 8 Zellkerne aufweisen und einen Bürstensaum unterhalb der Zelle ausbilden. Protonenpumpen in diesem Bürstensaum transportieren Protonen in das Areal unterhalb der Zelle. Nachfolgend sinkt der pH-Wert in dieser Region von 7,4 auf ca. 4. Das entstandene, saure Milieu ist der Grund für die Bildung von Lakunen, da CaP-Materialien im Sauren löslich sind.
Bild 3: REM-Aufnahmen von einer resorbierten HA-Oberfläche (links). Detailaufnahme vom Lakunenrand (rechts) auf einer HA 1300 °C Keramik.
681 Mittels Stereobildanalyse können die entstandenen Resorptionsareale 3-dimensional dargestellt und quantifiziert werden (Bild 4). Der Profilverlauf der Lakune in Bild 4 (rechts) zeigt eine Tiefe von ca. 16 μm und einen Durchmesser von 45 μm an.
Bild 4: Darstellung einer 3D-rekonstruierten Resorptionslakune (links) und einer daraus ermittelten Profildarstellung (rechts).
Die Auswertung der Resorptionsanalyse zeigt, dass auf HA-Keramik bei 1300 °C die größten Lakunen entstanden, während auf TCP 1300 °C keine erkennbare Resorption stattfand (Tab. 2). Eine Steigerung der Resorptionsaktivität der Zellen auf TCP konnte zum Einen durch ein Absenken der Sintertemperatur, das vor allem eine Reduzierung der Korngrößen hervorruft und zum Anderen durch die Beimischung von HA zu TCP (BCPs) erreicht werden. Eine Reduzierung der Sintertemperatur bei der Herstellung von HA-Keramiken führte, im Gegensatz zu den Ergebnissen bei TCP zu einer geringeren Resorption. Tab. 2: Ergebnisse der Messung der Lakunendurchmesser und der Lakunentiefe auf unterschiedlichen CaP-Proben nach 14-tägiger Inkubation mit RAW 264.7 Zellen. HA HA HA TCP TCP TCP HA 1100 1200 1300 1100 1200 1300 80
HA 60
HA HA 40 20
Max. Lakunendurchmesser [μm]
20
30
65
40
25
–
60
55
40
15
Max. Lakunentiefe [μm]
7
8
16
6,5
4
–
6,5
6,5
6
5
4
Zusammenfassung
Für die Untersuchungen der Resorption von CaP-Keramiken wurden monozytäre Zellen durch 14-tägige Stimulierung mit M-CSF und RANKL zu Osteoklasten-ähnlichen Zellen differenziert. Bei allen durchgeführten Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass HA eine höhere in vitro-Osteoklastenaktivität als TCP hervorruft. Obwohl HA schwerer löslich als TCP ist und somit langsamer degradiert, war die in vitro-Osteoklastogenese und letztlich auch die Resorption auf HA-Keramiken deutlich ausgeprägter als auf TCP. Gründe dafür sind vor allem die „knochenähnliche“ HA-Phase, aber auch die geringeren Korngrößen von HA gegenüber TCP.
682 Körner mit einem Durchmesser von 12 μm, wie sie bei 1300 °C gesinterten TCP-Keramiken entstanden, konnten von Osteoklasten nicht resorbiert werden. Die in vitro-Osteoklastogenese stieg auf den HA-Keramiken mit steigender Sintertemperatur deutlich an. Im Gegensatz zu den verschieden gesinterten HA-Proben war bei den TCP-Keramiken mit reduzierter Sintertemperatur eine gesteigerte in vitro-Osteoklastogenese zu beobachten. Optimal für den Abbau von HA- und TCP-Keramiken ist demnach eine dichte Oberfläche mit kleiner Korngröße. Dafür eignet sich eine Sintertemperatur von HA bei 1250– 1300 °C und von TCP bei 1100–1150 °C. Um die jeweiligen Vorteile von HA und TCP zu kombinieren, wurden biphasische Calciumphosphat-Keramiken verwendet. Auf den HA-reichen Proben (HA 80 und HA 60) ist sowohl die Osteoklastendifferenzierung als auch die resorptive Aktivität stärker ausgebildet als auf den HA-armen Keramiken (HA 40 und HA 20). Eine optimierte Mischung aus HA und TCP für die Osteoklastogenese ist somit eine 60/40 BCP-Keramik. Diese Ergebnisse zeigen, dass ein Calciumphosphat-basiertes Knochenersatzmaterial einerseits durch die Wahl der Phasenzusammensetzung und andererseits durch verfahrentechnische Parameter (z.B. Sintertemperatur) für die Osteoklastogenese optimiert werden kann.
5 [1] [2] [3] [4] [5]
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683
Spinnenseidenproteine – Biopolymerische Materialien für medizintechnische Anwendungen Lammela, K. Spießb, C. Blümb, M. Schwabc, G. Winterc, T. Scheibelb a
Technische Universität München, München; b Universität Bayreuth, Bayreuth; c Ludwig-Maximilians-Univer-
sität, München
1
Einführung
Zahlreiche natürliche Biopolymere wurden über Jahr Millionen für bestimmte Funktionen und Einsatzbereiche optimiert. Beispielsweise ist Spinnenseide ein Material mit einzigartiger Stabilität, Elastizität und Zähigkeit das auf molekularer Ebene vorwiegend aus Proteinen (Spidroin) besteht [1]. Seit vielen Jahren besteht ein großes Interesse daran Spinnenseide als Material industriell nutzbar zu machen. Besonders in der biomedizinischen Technologie besitzt die Spinnenseide aufgrund ihrer Eigenschaften der Biokompatibilität, biologischen Abbaubarkeit und Funktionalisierbarkeit ein hohes Anwendungspotential [2-4]. Allerdings war die Nutzung von Spinnenseide lange Zeit mit gewissen Einschränkungen verbunden. Eine klassische Produktion wie bei der in der Textilindustrie verwendeten Seide des Maulbeerspinners (Bombyx Mori) ist aufgrund des kannibalistischen Verhaltens der Spinnen stark eingeschränkt. Aus diesem Grund wird seit einigen Jahren intensiv an der biotechnologischen Produktion der zugrunde liegenden Seidenproteine geforscht. Unserer Forschungsruppe um Professor Thomas Scheibel herum ist es gelungen, maßgeschneiderte Spinnenseidengene für die Produktion von Seidenproteinen in einem Bakterienwirtssystem herzustellen und so rekombinante Spinnenseidenproteine zu produzieren [5, 6].
2
Spinnenseidenproteine
Im Vergleich zu anderen Strukturproteinen und Enzymen unterscheiden sich Seidenproteine vor allem in der Aminosäurensequenz. Sie haben einen hochrepetitiven Charakter aus immer wiederkehrenden Modulen bestehend aus 20 bis 100 Aminosäuren [7]. Für unsere Forschung verwenden wir engineerte Proteine (eADF4 und eADF3), die von den im Abseilfaden der Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) vorkommenden Proteinen (ADF3 und ADF4) abgeleitet sind und ihnen hinsichtlich der Aminosäuresequenz gleichen. Der repetitive Anteil von ADF4 beispielsweise besteht im Wesentlichen aus einem einzigen sich wiederholendem Element. Dieses Element, welches C-Modul genannt wurde, besteht vorwiegend aus Glycin und Alanin mit geringen Anteilen an Prolin und Glutamin. Unsere etablierte biotechnologische Herstellungsmethode ermöglicht die Kombination und Vervielfältigung derartiger einzelner Module [5]. So besteht eADF4(C16) aus 16 gleichen sich wiederholenden C-Einheiten, was zu einem Molekulargewicht von 48 kDa führt. Durch die hohe Repititivität und die große Anzahl der intermolekularen schwachen Wechselwirkungen (van-der-Waals-Kräfte) der Spinnenseidenproteine lässt sich die außerordentliche Stabilität und Flexibilität der Fäden erklären. In der Natur treten Spin-
684 nenseidenproteine in assemblierter Form ausschließlich in Form von Fäden auf. Jedoch ist es durch verschiedene verfahrenstechnische Prozesse in vitro auch möglich, weitere Morphologien wie beispielsweise Filme und Membranen, Gele, Schäume, Mikrokapseln, Mikrokugeln und Vliese herzustellen [8]. Diese Morphologien könnten auf verschiedenste Weise in der Biomedizinischen Technik genutzt werden. Mikrokugeln und -kapseln könnten als neue innovative und effektive Wirkstoffträgersysteme dienen; Filme und Membranen beispielsweise als funktionelle Implantatbeschichtungen oder Therapeutische Depotsysteme. Hier möchten wir uns auf Wirkstofftransport- und Therapeutische Systeme fokussieren und über den derzeitigen Stand und Fortschritt der Forschung auf diesem Gebiet berichten.
3
Wirkstofftransportsysteme
Die Entwicklung von Wirkstoffstransportsystemen ist seit vielen Jahren ein sehr forschungsaktives Gebiet der biomedizinischen und pharmazeutischen Technologie. Zahlreiche Strategien zur Lösung dieses Problems wurden verfolgt, angefangen von löslichen Konjugaten bis hin zu kolloidalen Trägersystemen [9]. Während der letzten Jahrzehnte haben partikuläre Trägersysteme im Mikro- und Nanometerbereich zunehmend an Bedeutung gewonnen, da sie verschiedenste Vorteile gegenüber der konventionellen Administration von ungebundenen Wirkstoffen aufweisen. So wurde beispielsweise gezeigt, dass die Kopplung an Trägersubstanzen zu einer verbesserten zellulären Aufnahme vieler Arzneistoffe führt, und sich toxische Nebenreaktionen reduzieren lassen [10-12]. Die zusätzliche Möglichkeit der Funktionalisierung des Trägermaterials mit spezifischen Erkennungsmolekülen, die beispielsweise nur von erkranken Zellen erkannt werden, ermöglicht einen sogenannten gezielten Wirkstofftransport. Spinnenseidenproteinbasierte partikuläre Träger sind biologisch abbaubar und nach bisherigen Erfahrungen nicht antigen. Aufgrund der Proteinstruktur ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der Oberflächenmodifikation. Die Arzneistoffbeladung kolloidaler Trägersysteme kann durch Einschluss des Wirkstoffs in die Partikelmatrix, aber auch durch Adsorption oder kovalente Bindung an die Partikeloberfläche erfolgen. Im Folgenden werden wir kurz den kontrollierten Herstellungsprozess von Mikro- und Nanokugel auf Basis von Spinnenseidenproteinen und deren Beladung mit Modelwirkstoffen erläutern.
3.1
Herstellung von Spinnenseidenmikrokugeln
Der Ausgangszustand unseres Herstellungsprozesses ist eine wässrige Proteinlösung von eADF4(C16). Für die Herstellung von supramolekularen Kolloiden ist es notwendig unter kontrollierten Bedingungen eine Phasenseparation herbeizuführen. Im Allgemeinen wird die Proteinaggregation durch eine Verschiebung des thermodynamischen Gleichgewichts beeinflusst. Dies kann zum Beispiel durch eine Temperaturänderung oder einer Erhöhung der in der Lösung vorliegenden Ionenstärke (Aussalzen) erreicht werden [13]. Die Phasenseparation und Konformationsänderung von Spinnenseidenproteinen kann durch Kaliumphosphat ausgelöst werden, was hinsichtlich der Biokompatibilität von Wirkstofftransportsystemen von großer Bedeutung ist. Wir stellten fest, dass sich durch Aussalzen einer Spinnenseidenproteinlösung (c ? 0.1 mg/ ml) ab einer Konzentration von 500 mM Kaliumphosphat stabile Mikrokugeln bilden [14]. Um den Einfluss der Mischung von Spinnenseiden- und Kaliumphosphatlösung zu analysieren, tes-
685 teten wir verschiedene Methoden mit unterschiedlicher Mischungsintensität wie Dialyse, Mischen durch Pipettieren und Verwendung einer Mikromischapparatur mit einstellbarer Mischrate. Anschließend wurden die durch unterschiedliche Präparationsmethoden erhaltenen Mikrokugeln mittels Rasterelektonenmikroskopie (REM) und Laserdiffraktionsspektrometrie (LDS) hinsichtlich ihrer Größe, Größenverteilung und Stabilität untersucht. Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Eigenschaften der Spinnenseidenkugeln durch Parameter wie Konzentration der Spinnenseiden- und Kaliumphosphatlösung, sowie durch die Mischintensität während des Aussalzprozesses kontrolliert werden kann. So können durch eine Konzentrationserhöhung der Spinnenseidenlösung größere Mikrokugeln hergestellt werden, wobei eine erhöhte Mischungsrate und gleichmäßige Mischung zu kleineren Kugeln mit einer engeren Größenverteilung führt [15].
Abbildung 1: a) Mittlerer Durchmesser von eADF4(C16) Mikrokugeln nach unterschiedlichen Präparationsmethoden und verschiedener Proteinkonzentration. b) Rasterelekronenmikroskopische Aufnahmen der Mikrokugeln nach unterschiedlichen Präparationsmethoden bezüglich der eingesetzten Proteinkonzentration und verwendeten Mischtechnik.
3.2 Wirkstoffverpackung und Freisetzung Der Herstellungsprozess im wässrigen Medium bei Umgebungstemperaturen und -drücken hat ein hohes Potential für die Verpackung von empfindlichen Proteinwirkstoffen. Generell besteht die Möglichkeit die Mikrokugel durch Anlagerung der Wirkstoffe an der Kugeloberfläche durch Adsorption zu beladen, einen Wirkstoff kovalent an die Kugeloberfläche oder an das Protein zu koppeln oder ihn während der Kugelbildung einzuschließen, wobei es zu einer Matrixbeladung kommt. Hierfür ist es von großer Bedeutung, die anziehenden und abstoßenden Wechselwirkungen in Lösung zu verstehen und zu kontrollieren, um eine möglichst hohe Beladungseffizienz zu erhalten. Derzeit untersuchen wir die Interaktion und Wechselwirkungen verschiedener niedrig- und höhermolekularer Modelwirkstoffe mit unterschiedlichem physikochemischen Charakter (Phenolrot, Kristallviolett, HSA, Lysozym etc.) mit Spinnenseidenproteinen, um Einblicke in den Verpackungs- und Beladungsprozess zu erhalten. In vitro Freisetzungs- und Degradationsexperimente unter physiologischen Bedingung und anschließende Analytik der freigesetzten Wirkstoffe geben Aufschluss über Freisetzungsraten, Funktionalität und Langzeitstabilität der spinnenseidenproteinbasierten Wirkstoffträger.
686 3
Lokale therapeutische Systeme
Ein lokales therapeutisches System wird an einer spezifischen Stelle innerhalb des Körpers oder auf der Körperoberfläche appliziert. Zielsetzung dabei ist es, den darin enthaltenen Wirkstoff kontinuierlich mit einer steuerbaren und zeitlich konstanten Rate freizusetzen, um so eine gleichmäßige und wirksame Konzentration im Blutplasma oder Gewebe über einen bestimmten Zeitraum zu erhalten. Dadurch werden zum Einen geringere Substanzmengen benötigt, und zum Anderen können unerwünschte Nebenreaktionen entscheidend reduziert werden. Wir forschen an der Anwendung von Spinnenseidenfilmen für membranbasierte Systeme, bei denen der Wirkstoff in eine semipermeable Membran eingebettet wird. Bei dieser Anwendung ist die Verarbeitung von Spinnenseide bei milden Temperaturen und aus wässriger Lösung ein entscheidender Vorteil gegenüber bisher verwendeten synthetischen Polymeren, insbesondere für die Verarbeitung und Inkorporation von empfindlichen Proteinwirkstoffen. Hierzu charakterisieren wir die Permeabilität der Spinnenseidenmembranen für verschiedenartige Moleküle, die sich hinsichtlich ihrer Ladung und Molekülgröße unterscheiden (Phenolrot, Kristallviolett, Nipagin, HSA, Lysozym etc.). Die Spinnenseidenmembranen werden durch Gießen einer Spinnenseidenlösung auf eine Teflonoberfläche mit definierter Geometrie hergestellt. Nach dem Abdampfen des Lösungsmittels werden die Filme mit Methanol oder Kaliumphosphat stabilisiert [4]. Durch die Stabilisation findet eine Konformationsänderung der Spinnnenseidenproteine von einer wasserlöslichen ?-helikalen in eine wasserunlösliche ?-Faltblattstruktur statt. Diese Filme werden in einer Diffusionskammer hinsichtlich ihrer Permeabilität untersucht. Zur experimentellen Bestimmung der Permeationskoeffizienten verwenden wir die Methode nach Liang et al [16]. Zur Berechnung des Permeationskoeffizienten trägt man die Funktion –(V/A)·ln[1–2·(ct/c0)] über die Zeit auf und bestimmt anschließend über die Steigung der Geraden den zur Membrandicke normalisierten Permeationskoeffizienten. Hierbei ist V das Volumen der Probe, A die Fläche der Membran, ct die Konzentration der Probe in der Akzeptorphase zum Zeitpunkt t und c0 die Ausgangskonzentration der Probe. Abbildung 2 zeigt eine
Abbildung 2: a) Schematischer experimenteller Aufbau zur Bestimmung der Permeationskoeffizienten. b) Beispielhafter Graph zur Bestimmung des Permeationskoeffizienten (P = 1.63 · 10–3 cm·s–1 /μm) von Nipagin.
687 schematische Darstellung des experimentellen Aufbaus, sowie einen beispielhaften Graphen zur Bestimmung des Permeationskoeffizienten von Nipagin. Eine Diffusion von Arzneistoffen mit höherem Molekulargewicht kann durch mikro- und nanoporöse Membranen ermöglicht werden, wobei hierfür eine Einstellung der Porengröße entsprechend der freizusetzenden Moleküle notwendig ist. Im Falle von Spinnenseidenmembranen kann dies durch geeignete Porenbildner wie beispielsweise Polyethylenoxid (PEO) erreicht werden. Hierzu mischt man eine wässrige PEO Lösung in einem bestimmten Verhältnis mit einer wässrigen Spinnenseidenlösung. Das weitere Verfahren ähnelt dem der Herstellung von geschlossenen Membranen mit dem Unterschied, dass das PEO nach dem Stabilsierungsschritt wasserlöslich bleibt und somit durch einen Inkubationsschritt in Wasser herausgelöst werden kann und Poren hinterlässt. Abbildung 3 zeigt eine Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer derartigen porösen Spinnenseidenmembran mit Porendurchmesser von 250 nm bis 1 μm. Kraftmikroskopische Aufnahmen zeigten, dass sie Oberfläche der Membranen mit einer mittleren Oberflächenrauigkeit von Rz = 24.5 nm sehr glatt ist.
Abbildung 3: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer porösen Spinnenseidenmembran a) 3000 fache Vergrößerung b) 10000 fache Vergrößerung.
4
Spinnenseidenverbundwerkstoffe
Grundlage für die Entwicklung und Produktion von Verbundwerkstoffen auf Spinnenseidenproteinbasis ist es die verfahrenstechnischen Prozesse zur Herstellung der unterschiedlichen Morphologien (z.B. Filme und Mikrokugeln) zu beherrschen, um physikochemische Eigenschaften kontrollieren und einstellen zu können. Die zuvor beschriebene Charakterisierung der Mikrokugeln und Membranen bildet somit die Basis für die erfolgreiche Kombination der einzelnen Komponenten zu einem Kompositmaterial. So können beispielsweise durch Multischichtsystemen aus Spinnenseidenproteinen mit unterschiedlichen Eigenschaften (hydrophob, hydrophil, unterschiedlich modifiziert und funktionalisiert, etc.) Multifunktionsverbundsysteme mit neuen Eigenschaften geschaffen werden. Über dies hinaus ist es möglich Spinnenseidenfilme nicht nur durch die Wahl des Proteins und entsprechender Prozessparameter zu variieren, sondern auch durch die Einbettung bestimmter Funktionspartikel (z.B. mit Wirkstoff beladen) um für bestimmte Anwendungen geforderte Eigenschaften zu erzielen.
688
5
Zusammenfassung
Die jüngsten Ergebnisse zeigen, dass rekombinant hergestellte Spinnenseide ein vielversprechendes Biopolymer ist, aus dem sich durch verschiedene verfahrenstechnische Prozesse unterschiedliche Morphologien herstellen lassen. Die Möglichkeit Spinnenseidenproteine aus wässrigen Medien zu verarbeiten, macht die Spinnenseidenfilme und – mikrokugeln zu einer guten und interessanten Alternative zu den konventionell eingesetzten synthetischen Polymeren in der biomedizinischen und pharmazeutischen Technologie.
6
Danksagung
Diese Arbeit wurde von der International Graduate School of Science and Engineering der Technischen Universität München und dem Graduiertenkolleg Complex Interfaces im Rahmen des Elitenetzwerks Bayern unterstützt.
7 [1] [2]
[3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16]
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689
Verspinnen von Proteinfasern für technische Anwendungen David Keerl, Felix Bauer, John Hardy, Ute Slotta, Thomas Scheibel Lehrstuhl für Biomaterialien, Universität Bayreuth, Bayreuth
1
Einführung
Proteine sind Polypeptide (bestehend aus 20 natürlich vorkommenden Aminosäuren) die einerseits als essentielle Bestandteile des Körpers in vielen physiologischen und biologischen Prozessen involviert sind, aber andererseits auch als Grundbausteine in Funktionsmaterialien Verwendung finden.[1] Diese in der Natur in zahlreichen Konstrukten vorkommenden faserigen Proteinfunktionsmaterialien, sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Wissenschaft und der Forschung gerückt. Vornehmlich wegen ihrer herausragenden Eigenschaften, die sie im Laufe der Evolution hinsichtlich ihrer Funktion weiter entwickelten und verbesserten. Abbildung 1 zeigt einige ausgewählte Vertreter dieser Proteinfasern, die auf Grund der Kombination mechanischer Eigenschaften wie z.B. Festigkeit und Dehnbarkeit, vielen Vertretern der synthetischen Polymere überlegen sind.[1, 2]
Bild 1: Übersicht über einige ausgewählte Vertreter der Proteinfasern
Ein prominentes Beispiel für ein solches Funktionskonstrukt in der Natur ist das Spinnennetz, das aus Spinnenseide, einem faszinierendem Vertreter der faserigen Proteinmaterialien, hergestellt wird. Spinnennetze gibt es in verschiedenen Bauformen und Größen, die am weitesten verbreitete Form ist die des sogenannten Radnetzes, und sie dienen der Spinne in allererster Linie als Beutefangwerkzeug. Hauptbestandteil des Radnetzes sind zwei Seidenfäden: der Abseilfaden und die Fangspirale. Insbesondere der stabilere Abseilfaden, der der Spinne als Abseilfaden in Gefahrensituationen dient, sowie den Rahmen und die Speichen eines Radnetzes bildet, wird intensiv untersucht. Das liegt vor allem daran, dass der Abseilfaden sich durch eine einzigartige Kombination von Stabilität und Dehnbarkeit auszeichnet, die ihn gegenüber anderen natürlichen und synthetischen Fasern überlegen macht (Tabelle 1). Der zweite Faden, die Fangspirale, ist deutlich dehnbarer, was ihn hervorragend für die Dissipation größerer Mengen Energie (wie im Falle des Eintreffens der Beute) eignet.
690 Tabelle 1: Mechanische Eigenschaften natürlicher und synthetischer Fasermaterialien [3] Material
Dichte [g/ Zugfestigkeit cm³] [GPa]
Dehnbarkeit [%]
Zähigkeit [MJ/m³]
Araneus diadematus Seide (Abseilfaden)
1,3
1,1
27
180
Araneus diadematus Seide (Fangspiralfaden)
1,3
0,5
270
150
Bombyx mori Seide (Kokon)
1,3
0,6
18
70
Elastin
1,3
0,002
15
2
Nylon 6.6
1,1
0,95
18
80
Kevlar 49TM
1,4
3,6
2,7
50
Stahl
7,8
1,5
0,8
6
Kupfer (weich)
8,9
0,2
40
-
Wolle (@100% Luftfeuchtigkeit)
1,3
0,2
5
60
Carbonfaser
1,8
4
1,3
25
Das Interesse des Menschen an Spinnenseide besteht aber schon seit jeher. Bereits in der Antike entdeckten die Griechen Spinnenseide als Wundverband, da es neben seiner gezeigten Stabilität und Dehnbarkeit auch keine allergischen Reaktionen bzw. Entzündungen hervorruft. In der Australasischen Region werden zum Teil heute noch ganze Spinnennetze zum Fischen verwendet. Der Spinnenfaden stellt ein Paradebeispiel für natürliche Verbundwerkstoffe dar, da er im Kern aus einer amorphen Proteinmatrix mit Einschlüssen von kristallinen Proteineinheiten besteht, und abschließend von anderen Molekülen wie Lipiden oder Glycoproteinen beschichtet wird. Aus diesem Grund stieg in den letzten Jahren das Interesse der Forschung an Seiden für die Verwendung in technischen Verbundmaterialien. So gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, bei denen mit Blends aus Bombyx Mori Seiden und synthetischen Polymeren bzw. anorganischen Materialien Verbundwerkstoffe hergestellt werden. Im Vergleich dazu ist die Anzahl an Spinnenseiden-Polymer Blend Verbundwerkstoffen noch eher gering, was vorrangig auf die leichtere Gewinnung des Seidenmaterial aus Bombyx Mori zurück zuführen ist. Ein Beispiel für einen technischen Verbundwerkstoff aus Spinnenseide und einem Polymer ist ein aus dem Spidroin der Agelena labyrinthica Spinne und Polylactiden mittels Elektrospinnen hergestelltes Flies.[4] Andere Arbeiten konnten erfolgreich anorganische Nanopartikel an Seidenfasern diverser Spinnen koppeln, und so Verbundwerkstoffe mit völlig neuen Eigenschaften erzeugen: z.B. magnetische Spinnenseide durch Beschichtung mit superparamagnetischem Magnetit Fe3O4 an Nephila edulis Fasern.[5] Darüberhinaus kann die Beschichtung von Spinnenseide der Pholcidae Spezies mit Hydroxyapatit die Erstellung neuer Knochenersatzmaterialien ermöglichen.[6]
691
2
Biotechnologische Herstellung
Auf Grund der genannten außergewöhnlichen Eigenschaften und dem damit verbundenen großen Potential für technische Anwendungen wird seit Jahrzehnten nach effektiven Methoden zur großtechnischen Produktion von Spinnenseide gesucht. Eine Haltung von Spinnen wie es beispielsweise mit Bombyx Mori Raupen (Seidenspinner) gehandhabt wird, ist auf Grund des kannibalistischen Verhaltens der Spinnen nicht möglich.[7] Daher wurde nach anderen Lösungen gesucht, um große Mengen an Spinnenseide zu gewinnen. Dabei zeigte sich allerdings eine Vielzahl an Hindernissen: so resultierte beispielsweise die Gewinnung von Spinnenseidenprotein aus natürlichen Fasern mit anschließender Prozessierung in bekannten technischen Faserproduktionsmethoden (z.B. Nassspinnverfahren) meist in Fasern mit signifikant schlechteren Eigenschaften. Andererseits ist die rekombinante Herstellung von Spinnenseidenproteinen in Bakterien durch die ungewöhnliche Gensequenz des Spinnenseidenproteins limitiert. Versuche, Spinnenseidenproteine in anderen Wirtsorganismen (z.B. Insektenzellen) herzustellen, waren auf Grund der hohen Kosten bzw. der geringen Effizienz ebenfalls nicht sehr erfolgsversprechend. Daher versuchten wir dieses Problem mit einer neuen biotechnologischen Methode zu lösen.[8] Die biotechnologische Herstellung von Spinnenseidenproteinen, den molekularen Bausteinen der Spinnenseide, konnte von uns erreicht werden, indem wir die Spinnenseidengensequenzen der natürlichen Abseilfadenproteine ADF3 und ADF4 von Araneus diadematus in Teilsequenzen bzw. Motive zerlegten, die für charakteristische amorphe oder kristalline Bereiche der Proteine kodierten. Diese Teilsequenzen können an einen Wirt angepasst und mit unserem neuen Verfahren nahtlos miteinander verknüpft und so die Originalseidengensequenz nachgeahmt werden. [9]
Bild 2: Schematische Darstellung der rekombinanten Herstellung von Spinnenseide
Mittels traditioneller Fermentationstechniken können nun die Proteine in größeren Mengen für das anschließende Verspinnen in Bakterien produziert werden.
692
3
Verspinnen
Die rekombinant hergestellten Proteine können unter Anwendung verschiedener Spinnverfahren in Fasermaterialien prozessiert werden. Beispielhaft für ein Spinnverfahren sei hier die bionische Umsetzung des natürlichen Spinnprozesses dargestellt (s. Abbildung 4).
Bild 3: Darstellung eines bionischen Spinnprozesses [10]
Beim natürlichen Spinnprozess wird eine hochkonzentrierte (bis zu 50 Gewichtsprozent) Spinnlösung durch den Spinnkanal geleitet und dabei durch Ionenaustausch und Ansäuerung ein Flüssig-Fest Phasenübergang bewirkt. Die dabei entstehende, noch nicht vollständig vollendete Faser wird anschließend an der Spinnwarze von der Spinne durch mechanischen Zug, z.B. mit ihren Hinterbeinen, sowie durch Verdunstung des restlichen Wassers an Luft verfestigt und der Faden finalisiert. Bei der Umsetzung des natürlichen Spinnprozesses in einen technischen Prozess müssen diese Schritte nachgeahmt werden. Dafür ist es entscheidend, die Vorgänge des natürlichen Prozesses zu verstehen.
4 [1]
Literatur
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693
Bone Tissue Engineering: Einfluss unterschiedlich hergestellter Calciumphosphat-Scaffolds auf die osteogene Stimulierung von Knochenmarkzellen F. Uhl1, R. Detsch1, U. Deisinger2, G. Ziegler1,2 1
BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth
2
Friedrich-Baur-Forschungsinstitut für Biomaterialien, Universität Bayreuth
1
Einführung
Jährlich treten weltweit ungefähr 1,5 Mio. Knochenfrakturen auf, von denen ca. 10 % nicht mit konventionellen Methoden behandelt werden können [1]. Einen neuen Therapieansatz bietet hierbei das Bone Tissue Engineering (BTE), welches zur Regeneration eines bestehenden Knochendefektes zellbesiedelte dreidimensionale Matrizen (Scaffolds) einsetzt. Calciumphosphat-basierte Keramiken wie Hydroxylapatit (HA) sind aufgrund ihrer chemischen Ähnlichkeit zum natürlichen Knochen häufig gewählte Ersatzmaterialien. Zur Realisierung einer dreidimensionalen Scaffoldgeometrie mit interkonnektierender Porosität dienen u.a. Rapid Prototyping (RP)- Verfahren, mit denen auch individuelle Implantate angefertigt werden können. Die Adaption dieser ursprünglich für die Metall- und Kunststoffverarbeitung entwickelten Verfahren auf Keramiken macht ihren Einsatz im Bereich des Hartgewebeersatzes möglich. Zur Erzeugung vitaler Konstrukte werden die Scaffolds mit Vorläuferzellen (z.B. MSC = mesenchymale Stammzellen, Knochenmarkzellen) besiedelt, die in vitro zum Einen vorkultiviert und dabei vermehrt und zum Anderen zur Differenzierung zu Osteoblasten stimuliert werden. Zur Erforschung neuer Materialien und Verfahren hinsichtlich ihrer Eignung für das Tissue Engineering werden vor allem Zelllinien verwendet um reproduzierbare, verlässliche Ergebnisse zu erhalten. In der vorliegenden Studie wurden über drei verschiedene Verfahren (herkömmlich und RP) hergestellte HA-Keramik Scaffolds (PU-Schaumabformung, Dispensplotten und Wachsabformung) mit einer murinen Knochenmarkzelllinie (ST-2) besiedelt und nach 17 Tagen osteogener Stimulation im Bioreaktor hinsichtlich Zellproliferation und Differenzierung (Osteogenese) verglichen.
2
Material und Methoden
2.1
Herstellung und Eigenschaften der Scaffolds
Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Calciumphosphat-Scaffolds wurden mittels drei verschiedener Verfahren hergestellt. Die als S-Scaffolds bezeichneten Scaffolds (Bild 1, links) basieren auf dem Abformen eines kommerziell erhältlichen Polyurethan (PU)-Schaums (35 ppi = pores per inch) durch Beschichtung mit HA-Schlicker. Nach der Trocknung wurde der PU-Schaum ausgebrannt und die Scaffolds für 1 h bei 1300 °C gesintert. Zur Stabilitätserhöhung erfolgte eine zweite Beschichtung und Sinterung. Mittels des direkten RP-Verfahrens
694 Dispensplotten wurden die P-Scaffolds (Bild 1, Mitte) hergestellt. Das Prinzip beruht auf der Extrusion eines pastösen keramischen HA-Schlickers durch eine Düse. Das Material wird als Strang (Steg) auf einer Bauplattform abgelegt und dabei das Scaffold schichtweise aufgebaut, wobei die Orientierung der Stege von Schicht zu Schicht um 90° gedreht wurde. Nach der Trocknung erfolgte ebenfalls eine Sinterung bei 1300 °C für 1 h. Die „W-Scaffolds“ (Bild 1, rechts) wurden mittels des indirekten „negative mould“ RP-Verfahrens erzeugt. Eine polymere Negativform (Wachs) des späteren Scaffolds wurde über ein RP-Verfahren hergestellt und mit HA-Keramik abgeformt. Das Scaffold wurde ebenfalls bei 1300 °C für 1 h gesintert. Alle drei Scaffoldarten hatten Abmessungen von ca. (12×12×10,5) mm3.
Bild 1: Verwendeten Scaffolds, Abmessungen je ca. (12 x 12 x 10,5) mm3; S: PU-schaumabgeformtes Scaffold, P: dispensgeplottetes Scaffold, W: wachsabgeformtes Scaffold.
Aufgrund der unterschiedlichen Herstellungsmethoden ergaben sich für die Scaffolds verschiedene Oberflächenrauheiten, die nur qualitativ anhand von REM (Rasterelektronenmikroskop)-Aufnahmen beurteilt wurden (Bild 2). Die höchste Rauheit wiesen dabei die W-Scaffolds, die geringste die P-Scaffolds auf.
Bild 2: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der Oberflächenstrukturierung der verschiedenen Scaffolds; S: PU-schaumabgeformtes Scaffold, P: dispensgeplottetes Scaffold, W: wachsabgeformtes Scaffold.
Die Porosität der Scaffolds nahm von 97,6 Vol.-% für die S-Scaffolds über 43,6 Vol.-% für die W-Scaffolds zu 37,4 Vol.-% für die P-Scaffolds ab. Die Poren- und Stegdurchmesser wurden mit ca. 300 bzw. ca. 500 μm hergestellt (Tab. 1). Abweichungen ergaben sich bei den SScaffolds aufgrund der Struktur des abgeformten PU-Schaums, was zu einer bimodalen Porengrößenverteilung von 300–550 μm und 900–1300 μm führte. Da für die biologischen Prozesse vor allem die kleinen Poren von Bedeutung sind, lagen auch bei diesen Scaffolds die Porengröße bei 300 μm. Die Stege waren herstellungsbedingt nur 100–250 μm breit.
695 Tabelle 1: Geometrische und Materialeigenschaften der verschiedenen Scaffoldtypen. Scaffoldtyp
Porendurchmesser [μm]
S (PU-Schaumabformung)
300-550
900-1300
Stegdurchmesser [μm]
offene Porosität [Vol.%]
100-250
97,6
P (Dispensplotten)
300 ± 5 %
500 ± 5 %
37,4
W (Wachsabformung)
300 ± 5 %
545 ± 2 %
43,6
2.2
In vitro-Kultivierung
Zur Besiedelung der Scaffolds wurden murine Knochenmarkzellen der Linie ST-2 gewählt und in RPMI 1640 (Fa. Gibco) mit 10 Vol.-% FKS (fötales Kälberserum, Fa. Sigma), 1 Vol.-% Antibiotikum (Fa. Sigma) und 1 Vol.-% Glutamin (Fa. Sigma) kultiviert. Diese Zellen sind fibroblastär und können durch ihren Stammzellcharakter osteogen differenzieren. Bei erfolgreicher Stimulation weisen sie eine osteoblastäre, kuboidale Morphologie auf. Zur osteogenen Differenzierung wurde dem Kulturmedium Ascorbinsäure (50 μm/ml, Fa. Sigma), Dexamethason (100 nM, Fa. Fluka) und E-Glycerolphosphat (10 mM, Fa. Sigma) zugesetzt [2, 3]. Die Scaffolds wurden mit 1 Mio. Zellen beimpft und für drei Tage statisch vorinkubiert. Anschließend erfolgte eine „dynamische“ Kultivierung über 14 Tage in einem Perfusionsreaktor mit einer Kulturmediumflussrate von 5 ml/min.
2.3
Analysemethoden
Zur Evaluierung der Zellzahl wurde die LDH (Laktatdehydrogenase)-Aktivität im Zelllysat mit dem TOX7-Kit (Fa. Sigma) gemäß der Anleitung des Herstellers bestimmt. Mittels WST-1 (Fa. Roche) wurde die Mitochondrienaktiviät der ST-2 Zellen auf den Scaffolds nach 17 Tagen dynamischer Kultivierung als Maß für die Zellvitalität ermittelt. Zur Beurteilung des Differenzierungsstadiums der Zellen erfolgte der Nachweis des Kollagen I-Gehalts, der spezifischen ALPAktivität sowie osteoblastenspezifischer Marker mittels RT-PCR (Reverse Transkriptase Polymerase Kettenreaktion). Der Kollagen I-Gehalt wurde mittels Sirius Rot (Fa. Fluka)-Färbung und Absorptionsmessung des gebundenen Farbstoffes analysiert. Der Nachweis der ALP-Aktivität erfolgte durch photometrische Bestimmung des Umsatzes von p-Npp (p-Nitrophenylphosphat, Fa. Sigma) zu Nitrophenolphosphat. Durch Bezug auf die vorhandene Proteinkonzentration im Zelllysat und die Inkubationszeit konnte die spezifische ALP-Aktivität berechnet werden. Für die RT-PCR wurde die mRNA mittels Master-Pure RNA Purification Kit (Fa. Epicentre) gemäß der Anleitung des Herstellers aufgereinigt und mit der M-MLV RT (200 U, Fa. Promega) und einem Oligo dT15 (Fa. Promega) unspezifisch in cDNA umgeschrieben. Zur Amplifikation fand der GoTag Green Master Mix 2X (Fa. Promega) Anwendung. Die Fragmente wurden auf ein 1,8 Gew.-% Agarosegel (SeaKem LE Agarose, Fa. Biozym) aufgetragen und mittels SybrSafe (10.000X, Fa. Invitrogen) sichtbar gemacht. Als Referenz zur Einordnung der Fragmente diente eine 100 Basenpaar (bp) Leiter (Fa. Invitrogen). Folgende Primer und Annealing-
696 Temperaturen wurden für die Amplifizierung in der PCR verwendet: GAPDH („housekeeping gene“), forward (fw): accacagtccatgccatcac, reverse (rv): tccaccaccctgttgctgta, 48 °C; Kollagen I D2 (Koll I), fw: gaacggtccacgattgcatg, rv: ggcatgttgctaggcagaag, 48 °C; Osteocalcin (OC), fw: aagcaggagggcaataagg, rv: cagagtttggctttagggc, 55 °C; Bone Sialoprotein (BSP), fw: accggccacgctactttcttt, rv: gaccgccagctcgttttca, 55 °C. Für die Auswertung der Zellmorphologie und Verteilung der Zellen in den Scaffolds mittels REM wurden die Proben mit Glutaraldehyd (3 Vol.-%, Fa. Aldrich), Formaldehyd (3 Vol.-%, Fa. Sigma) und Natriumcacodylat (0,2 M, Fa. Sigma) fixiert. Das Wasser wurde über eine gradierte Acetonreihe entzogen und die Proben anschließend mit CO2 überkritisch getrocknet und besputtert. Alle Untersuchungen wurden mit einer Probenanzahl von N = 3 durchgeführt. Aus den Messwerten erfolgte die Berechnung der Mittelwerte und der Standardabweichungen. Die statistische Analyse wurde mit einer Ein-Wege ANOVA (analysis of variance) Signifikanzprüfung auf der Signifikanzebene von 0,05 durchgeführt.
3
Ergebnisse und Diskussion
Alle Scaffolds waren mechanisch ausreichend stabil und gut handhabbar. Die höchste Stabilität wiesen die P-Scaffolds auf, die geringste die S-Scaffolds. Nach 17 Tagen Inkubation zeigte sich eine durchwegs homogene Besiedelung aller Scaffolds, wobei auch in der Mitte der Scaffolds ein dichter Zellrasen gebildet wurde (Bild 3). Die Zellen waren überwiegend kuboidal und wiesen starke Membranstrukturierungen auf, die auf eine hohe metabolische Aktivität zurückzuführen sind. Bei den S- und P-Scaffolds bildeten sich zusätzlich Zellanhäufungen, die bei den P-
Bild 3: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen zur Darstellung der Ergebnisse der morphologischen Untersuchungen der ST-2 Zellen auf den verschiedenen Scaffolds nach 17 Tagen Kultivierung; Mittelebene der Scaffolds; S: PU-schaumabgeformte Scaffolds, P: dispensgeplottete Scaffolds, W: wachsabgeformte Scaffolds.
697 Scaffolds allerdings nur auf die äußeren Scaffoldbereiche beschränkt waren. Es wird vermutet, dass es sich dabei um sogenannte „bone nodules“ handelt. Diese „nodules“ sind Regionen, bestehend aus mehreren Zellen, in denen Osteoid durch Mineralisierung der extrazellulären Matrix aufgebaut wird. Die Ergebnisse der biochemischen Untersuchungen sind in Bild 4 dargestellt. Die Mitochondrienaktivität (= Vitalität) der Zellen war bei den S-Scaffolds signifikant am höchsten. Die geringste Vitalität wiesen die ST-2 Zellen auf den P-Scaffolds auf. Aus der Analyse der LDHAktivität ließ sich schließen, dass auf allen Scaffolds die gleiche Anzahl an ST-2 Zellen lokalisiert war, da hier keine Unterschiede gemessen wurden. Kollagen I-Gehalt und spezifische ALP-Aktivität waren gegenläufig. Während der niedrigste Kollagen I-Gehalt auf den P-Scaffolds gemessen wurde, war hier die spezifische ALP-Aktivität der Zellen am höchsten. Das meiste Kollagen I konnte hingegen in den Zellen auf den S-Scaffolds nachgewiesen werden. Die einzige Ausnahme bildete hierbei die spez. ALP-Aktivität der S-Scaffolds die nicht niedriger als die der W-Scaffolds sondern vergleichbar war.
Bild 4: Ergebnisse der biochemischen Untersuchungen der ST-2 Zellen auf den verschiedenen Scaffolds nach 17 Tagen Kultivierung; links: Mitochondrien-, LDH-Aktivität; rechts: Kollagen I-Gehalt, spezifische ALP-Aktivität; S: PU-schaumabgeformte Scaffolds, P: dispensgeplottete Scaffolds, W: wachsabgeformte Scaffolds. S = 100 %.
Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse des Nachweises osteoblastenspezifischer Marker mittels RTPCR. BSP, ein Knochenprotein der späten Differenzierungsphase von Osteoblasten, konnte auf keinem Scaffold nachgewiesen werden, was darauf hindeutet, dass die Zellen sich noch in der frühen Differenzierungsphase befanden. OC, ein Protein, das ausschließlich von reifen Osteoblasten exprimiert wird, konnte nur auf den P-Scaffolds nicht detektiert werden. Koll I und GAPDH wurden erwartungsgemäß auf allen Scaffolds positiv exprimiert. Aus den Ergebnissen der biochemischen Untersuchungen lässt sich schließen, dass die Proliferation auf keinem Scaffold gehemmt wurde und daher der Einfluss der Oberflächenrauheit vernachlässigbar war. Eine Beeinflussung der Zellvitalität trat jedoch ein. Dies ist wahrscheinlich auf die unterschiedlichen Porengeometrien und Gesamtporosität der Scaffolds zurückzuführen. Durch die hohe Porosität und komplexe innere Geometrie der S-Scaffolds wurden die Zellen vermutlich besser mit Nährstoffen versorgt, was zu der (im Gegensatz zu den P- und WScaffolds) erhöhten Zellvitalität führte [4, 5].
698 Tabelle 2: Nachweis der Knochenproteine Koll I, OC und BSP und des „housekeeping“ Gens GAPDH der ST-2 Zellen auf den verschiedenen Scaffolds nach 17 Tagen Kultivierung. Scaffoldtyp
OC
BSP
S (PU-Schaumabformung)
GAPDH +
Koll I +
+
–
P (Dispensplotten)
+
+
–
–
W (Wachsabformung)
+
+
+
–
Die stärkste Differenzierung der ST-2 Zellen trat auf den S-Scaffolds auf. Dies kann aus der positiven Expression von OC, der niedrigen spezifischen ALP-Aktivität und dem hohen Kollagen I-Gehalt geschlussfolgert werden. Während der Differenzierung der ST-2 Zellen zu reifen Osteoblasten steigt der Kollagen I-Gehalt stetig an, wohingegen die ALP-Aktivität zunächst ansteigt und mit fortschreitender Differenzierung wieder absinkt [6, 7]. Demnach wurde die Differenzierung der Zellen auf den P-Scaffolds verlangsamt. Dies zeigte sich nicht nur an der noch hohen spezifischen ALP-Aktivität und dem niedrigen Kollagen I-Gehalt, sondern auch an der fehlenden OC-Expression. Die Ergebnisse der biochemischen Untersuchungen stehen damit im Einklang mit den molekularbiologischen Analysen. Eine Erklärung für die verschiedenen Differenzierungsgeschwindigkeiten der Zellen auf den Scaffolds liegt in den Unterschieden in der Geometrie und Porosität der Scaffolds. Durch die bessere Versorgung der Zellen mit Nährstoffen aufgrund der höheren Porosität konnte eine Differenzierung auf den S-Scaffolds schneller eintreten. Weiterhin spielt die komplexe innere Struktur eine wichtige Rolle bei der Differenzierung der Zellen. Mechanische Belastung kann laut Li et al. [8] die Differenzierung der Zellen beschleunigen. Durch die Anordnung der Poren in unregelmäßigen Abständen und Größen kommt es zu einer stärkeren Verwirbelung des Kulturmediums, woraus wahrscheinlich eine turbulente Strömung mit hohen Scherkräften entsteht. Die Zellen werden dadurch mit einem stärkeren mechanischen Stimulus beaufschlagt als in den P- und W-Scaffolds (bei denen die Strömung eher einer laminaren Rohrströmung gleicht). Dennoch wurden die Zellen auf allen Scaffolds ausreichend mit Nährstoffen versorgt und konnten erfolgreich osteogen differenziert werden, so dass sich alle Scaffolds für das BTE eignen.
4
Zusammenfassung
In der vorliegenden Studie wurden unterschiedlich hergestellte Hydroxylapatit-Scaffolds (PUSchaumabformung, Dispensplotten und Wachsabformung) mit murinen Knochenmarkzellen besiedelt und über 17 Tage in einem Bioreaktor unter osteogener Stimulation kultiviert. Anschließend wurden die Morphologie und Verteilung der Zellen auf den Scaffolds sowie die Zellvitalität und der Differenzierungszustand beurteilt. Die Zellen auf den S-Scaffolds wiesen die höchste Zellvitalität und Differenzierung auf, wohingegen bei den P-Scaffolds eine verlangsamte Osteogenese eintrat. Dies ist auf die unterschiedlichen Porositäten und inneren Geometrien der Scaffolds zurückzuführen. Durch die hohe Porosität, komplexe innere Geometrie und bimodale Porengrößenverteilung wurden die Zellen auf den S-Scaffolds besser mit Nährstoffen versorgt und mit einem komplexeren Stimulus durch das Kulturmedium beaufschlagt, weshalb diese am besten abschnitten. Durch die Analysen konnte dennoch gezeigt werden, dass die ST-
699 2 Zellen auf allen Scaffolds osteogen differenzierten und homogen verteilt waren. Dadurch zeigt sich die Eignung aller Scaffolds für das BTE. Damit ist es möglich, je nach vorliegender Applikation das optimale Scaffold bzw. Herstellungsverfahren auszuwählen.
5 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
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700
In vitro-Abbauuntersuchungen an makroporösen 3D-Scaffolds auf Calciumphosphatbasis S. Schlüfter1, R. Detsch2, U. Deisinger1, G. Ziegler1,2 1
Friedrich-Baur-Forschungsinstitut für Biomaterialien, Universität Bayreuth, 2BioCer Entwicklungs-GmbH,
Bayreuth
1
Einführung
Biokompatible, synthetische Keramiken auf Calciumphosphatbasis werden zunehmend als Knochenersatz zur Auffüllung von Defekten, nach Tumoroperationen oder bei der Korrektur von Fehlbildungen verwendet. Durch die chemische Ähnlichkeit zu natürlichem Knochen weisen Calciumphosphate wie Hydroxylapatit (HA) und Tricalciumphosphat (TCP) eine hohe Biokompatibilität auf. Zudem sind HA und TCP für ihre Osteokonduktivität bekannt. Ideal für den klinischen Einsatz, vor allem im Bereich der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, wären somit Calciumphosphat-Implantate mit einer an den Defekt angepassten äußeren Geometrie und einer interkonnektierenden Porosität, die das Einwachsen des natürlichen Knochens erleichtern und eine Integration des Implantates ermöglichen. Makroporen von 200– 800 μm unterstützen die Zellbesiedelung auf dem Material und fördern außerdem die Angiogenese [1–3]. Durch die Neovaskularisierung des Implantates ist somit eine Versorgung des neugebildeten Gewebes gewährleistet. Im Rahmen der regenerativen Behandlung sollen diese Knochenersatzmaterialien in angemessener Zeit abgebaut und durch körpereigenen Knochen ersetzt werden. Der Abbau solcher temporären Implantate erfolgt zum Einen durch die Lösung (Degradation) der verwendeten Calciumphosphate (CaP) und zum Anderen durch resorbierende Zellen, hauptsächlich Osteoklasten (Resorption). Für in vitro-Untersuchungen zum Resorptionsverhalten von Calciumphosphaten eignet sich die monozytäre Zelllinie RAW 264.7. Diese Zellen differenzieren durch die Zugabe von Stimulanzien wie M-CSF (Macrophage Colony Stimulating Factor) und RANKL (Receptor Activator of NF-NB Ligand) zu mehrkernigen Zellen, die in der Lage sind, die Keramik abzubauen [4]. Anhand zellmorphologischer Merkmale und der Expression spezifischer Gene kann die Zellentwicklung und -differenzierung verfolgt und anhand der Lakunenbildung die Resorption nachgewiesen werden. Für die Untersuchung des Abbauverhaltens von porösen, synthetischen Calciumphosphaten wurden in dieser Arbeit makroporöse 3D-Scaffolds aus HA, TCP und einer Mischkeramik aus HA/TCP 60/40 Gew.-% (HA60) verwendet. Die Degradationsuntersuchungen wurden in einer physiologischen, gepufferten Lösung, die Resorptionsuntersuchungen mit Osteoklasten-ähnlichen RAW 264.7 Zellen durchgeführt.
701
2
Material und Methoden
2.1
Herstellung der makroporösen 3D-Scaffolds
Die makroporösen 3D-Scaffolds wurden durch das Abformen eines Polyurethan (PU)-Schaums mit einer Porengröße von 45 ppi (pores per inch) erzeugt. Dafür wurden Schlicker aus kommerziell erhältlichem HA- bzw. TCP-Pulver (Fa. Merck) sowie einer Mischung von HA und TCP im Gewichtsverhältnis 60/40 (HA60) hergestellt. Der PU-Schaum wurde mehrmals mit dem Schlicker tauchbeschichtet, anschließend luftgetrocknet und bei 1300 °C 1 h gesintert. Dabei wurde der PU-Schaum ausgebrannt. Zur Stabilitätserhöhung wurden die Schäume noch einmal tauchbeschichtet und gesintert. Durch dieses Herstellungsverfahren entstehen makroporöse, keramische 3D-Scaffolds (Bild 1, links und Mitte) mit einer Gesamtporosität von ca. 92 Vol.-% (HA, HA60) bis ca. 94 Vol.-% (TCP) mit einer bimodalen Porenverteilung von 200–600 μm und 700–1000 μm. Die Oberfläche weist eine starke Mikroporosität mit Poren von 0,4 - 4 μm auf (Bild 1, rechts).
Bild 1: Photographische (links) und rasterelektronenmikroskopische (REM-) Aufnahmen (Mitte und rechts) von den verwendeten makroporösen 3D-Scaffolds.
Im Rahmen einer Analyse mittels Röntgendiffraktometrie (XRD 3000 P, Fa. Seifert) wurde neben E-TCP die Entstehung von ca. 9 % D-TCP bei den TCP-Proben und ca. 16 % D-TCP bei der Mischkeramik festgestellt. Die HA-Proben erwiesen sich als phasenrein.
2.2
In vitro-Abbauuntersuchungen an makroporösen 3D-Scaffolds
Der Abbau keramischer Implantate erfolgt einerseits durch die Auflösung (Degradation) der verwendeten Calciumphosphate und andererseits durch resorbierende Osteoklasten (Resorption). Degradation: Die Degradationsuntersuchungen wurden in einer physiologischen, gepufferten Lösung durchgeführt. Die Proben wurden darin analog zu den Zelluntersuchungen 21 d ausgelagert. An definierten Analysentagen (3, 5, 7, 10, 12, 14, 17, 19, 21) wurde die Degradationslösung gewechselt und die freigesetzte Ca2+-Konzentration mittels CPC (Cresophthaleincomplexon)-Reagenz (Fa. Fluka) spektroskopisch als Maß für die Degradation bestimmt. Resorption: Für die in vitro-Resorptionsuntersuchungen wurden monozytäre Zellen der murinen Zelllinie RAW 264.7 verwendet. Diese Zellen differenzieren durch die Stimulation mit
702 M-CSF und RANKL zu Osteoklasten-ähnlichen Zellen und können Keramik resorbieren. Für die Resorptionsuntersuchungen wurden die 3D-Scaffolds 21 d mit 2,5 · 105 stimulierten Zellen inkubiert. Die Mitochondrienaktivität der Zellen wurde anhand des Umsatzes an WST-1 (Water Soluble Tetrazolium 1, Fa. Roche) bestimmt. Die spezifischen Aktivitäten der Sauren Phosphatase (SAP), sowie der Carbonanhydrase (CA) wurden ebenfalls spektroskopisch anhand des Umsatzes von p-Nitrophenylphosphat bzw. p-Nitrophenylacetat (Fa. Sigma) bezogen auf den Proteingehalt analysiert. Der Proteingehalt wurde dafür mittels Bradford Reagenz (Fa. Sigma) nach dem Standard Assay Protokoll von Sigma bestimmt. Zur Identifizierung von Osteoklastenähnlichen Zellen wurde eine TRAP (Tartrate Resistent Acid Phosphatase)-Färbung mittels Testkit (Acid Phosphatase Leukocyt, Fa. Sigma) durchgeführt. Die gefärbten Proben wurden lichtmikroskopisch ausgewertet. Zusätzlich wurde die Expression von osteoklastenspezifischen Genen mittels RT-PCR überprüft. (Verwendete Primer: RANK: forward (fwd): 5’ CTGGCTACCACTGGAACTCA, reverse (rev): 5’ ACCACAGAGATGAAGAGGAGC, TRAP: fwd: 5’ ACTTCCCCAGCCCTTACTACCG,
rev: 5’ GCCGCACAGGTAGGCAGTG, CA II: fwd: 5’ ACACAGCAACTGCCCACCAT, rev: 5’ CCAAAACAGCCAATCCATCC, Cathepsin K: fwd: 5’ CTTGTGGACTGTGTGACT, rev: 5’ AACACTGCATGGTTCACA.) Das Gen für die GAPDH (Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase, fwd: 5’ ACCACAGTCCATGCCATCAC, rev: 5’ TCCACCACCCTGTTGCTGTA) dient dabei als Referenz. Zur RNA-Isolation und Aufreinigung wurde der Master-Pure RNA Purification Kit (Fa. Biozym) verwendet. Die anschließende cDNA-Synthese wurde mit M-MLV Reverse Transkriptase (Fa. Promega) und einem Oligo dT15 (Fa. Promega), die PCR mit dem GoTaq Green Master Mix (Fa. Promega) durchgeführt. Die PCR-Produkte wurden mittels einer horizontalen Agarosegelelektrophorese nach ihrer Fragmentlänge aufgetrennt. Dazu wurde SeaKem EL Agarose (Fa. BioZym) mit dem Gelfarbstoff SybrSafe (Fa. Invitrogen) verwendet. Unter blauem Licht (SaveImager, Fa. Invitrogen) wurden die Ergebnisse ausgewertet. Für morphologische Untersuchungen wurden die Zellen auf den Scaffolds fixiert, überkritisch getrocknet und anschließend für die Rasterelektronenmikroskopie (REM, Quanta 200, Fa. FEI) mit Kohlenstoff und Gold besputtert. Für die Resorptionsuntersuchungen wurden die Zellen von den Keramiken entfernt, die Keramiken gesäubert und ebenfalls für die REM-Untersuchungen besputtert.
3
Ergebnisse und Diskussion
Die Abbauuntersuchungen zeigten Unterschiede hinsichtlich der Degradation der verschiedenen CaP-Scaffolds auf. HA degradierte sehr gering, TCP dagegen wesentlich stärker. Dies ist anhand der höheren Löslichkeit von TCP gegenüber HA erklärbar [1]. Die Mischkeramik degradierte dagegen am stärksten (Bild 2). In institutsinternen Untersuchungen mit dichten 2DKeramikplättchen lag die Degradation der Mischkeramiken zwischen der von HA und TCP bzw. auf dem Niveau von TCP [5]. Auch LeGeros et al. [1] beschreiben eine steigende Löslichkeit von biphasigen Keramikproben mit ansteigendem Anteil an TCP.
703 Die hohe Degradation von HA60 widerspricht diesen Ergebnissen. Die Ursache könnte zum Einen darin liegen, dass die Mikroporosität der Oberfläche und das sich ausbildende Mikromilieu in der 3D-Struktur zu einer verstärkten Degradation von HA60 im Vergleich zu TCP führt. Zum Anderen könnte die Ursache in der Tatsache liegen, dass in den HA60-Proben ein höherer Anteil an D-TCP entstanden ist, das leichter löslich als E-TCP ist (–log(Ksp)D-TCP,37 °C = 25,5; –log(Ksp)E-TCP,37 °C = 29,5) [6].
Bild 2: Degradationsverhalten der 3D-Scaffolds aus HA, HA60 und TCP bei einer Inkubationszeit von 21 d.
Die Bestimmung der Zellvitalität ergab, dass die RAW 264.7 Zellen eine hohe Mitochondrienaktivität aufwiesen, wobei die Zellen auf HA60 die signifikant höchste Mitochondrienaktivität zeigten. Dies zeigt zum Einen, dass die drei Phasenzusammensetzungen erwartungsgemäß keine toxische Wirkung auf die Zellen haben, es weist zum Anderen aber auch auf eine höhere Zellaktivität auf HA60 hin. Die Aktivität der SAP, die bei Monozyten besonders hoch ist, zeigte bei Zellen auf den verschiedenen Proben keinen deutlichen Unterschied. Die Aktivität der CA, deren Isoenzym II besonders in resorbierenden Zellen aktiv ist, ist in Zellen auf TCP niedriger als auf HA und HA60 (Bild 3). Dies deutet darauf hin, dass die Zellen auf TCP in einem geringeren Maß resorbieren als auf HA und HA60.
Bild 3: Mitochondrienaktivität (links) sowie SAP- und CA-Aktivität (rechts) der stimulierten RAW 264.7 Zellen nach 21 d Inkubation auf 3D-Scaffolds aus HA, HA60 und TCP.
704 Mittels TRAP-Färbung konnte das Vorhandensein von TRAP-positiven Zellen auf allen drei CaP-Scaffolds nachgewiesen werden. Dies zeigt die Bildung von Osteoklasten-ähnlichen Zellen auf allen Proben. Anhand der lichtmikroskopischen Auswertung konnte jedoch keine Abhängigkeit der Bildung von TRAP-positiven Zellen von der verwendeten Phasenzusammensetzung beobachtet werden. Die Fusion der Monozyten ist ein weiteres Differenzierungsmerkmal der Zellen. In den lichtmikroskopischen (LM) Aufnahmen in Bild 4 (links und Mitte) wurden multinukleäre (drei Zellkerne), Osteoklasten-ähnliche Zellen dokumentiert.
Bild 4: LM-Aufnahmen von TRAP-positiven Zellen auf HA (links, mehrkernige Zelle), HA60 (Mitte, mehrkernige Zelle) und TCP (rechts) nach 21 d Inkubation.
Die Ergebnisse der RT-PCR-Auswertung sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Zellen auf HA60 exprimierten die Gene für TRAP, Cathepsin K und CA II qualitativ am stärksten. TRAP, Cathepsin K und die CA II sind drei Enzyme, die besonders von reifen Osteoklasten exprimiert werden [7], da sie für die Resorption essentielle Stoffwechselreaktionen katalysieren. Zellen auf HA und TCP exprimierten das Gen RANK am stärksten. RANK ist der Rezeptor für RANKL, einer Stimulans für die Zellentwicklung und -aktivierung. Diese Ergebnisse zeigen also eine weiter fortgeschrittene Differenzierungsphase der Zellen auf HA60 im Vergleich zu den anderen CaP-Keramiken. Tabelle 1: Ergebnisse der Genexpression der stimulierten RAW 264.7 Zellen nach 21 d Inkubation auf den 3D-Scaffolds aus HA, HA60 und TCP.
HA
GAPDH
RANK
TRAP
Carbonanhydrase II
Cathepsin K
+
++
+
++
+
HA60
+
+
++
++
++
TCP
+
++
+
+
+
(Die Anzahl an + gibt die Stärke der Exprimierung an)
REM-Aufnahmen der inkubierten 3D-Scaffolds zeigten die Morphologie der Zellen (Bild 5), die auf den Proben proliferierten und differenzierten. Osteoklasten-ähnliche Zellen auf den verschiedenen CaP-Keramiken besitzen eine typische Struktur mit einer deutlichen Auffaltung der Zellmembran. Die osteoklastären Zellen sind mit einem Durchmesser von 20– 40 μm im Vergleich zu den Monozyten deutlich größer. Typische morphologische Merkmale von Osteoklasten-ähnlichen Zellen sind auf allen drei CaP-Keramiken ausgeprägt.
705 Die resorptive Aktivität der Zellen, durch die die Calciumphosphat-keramiken abgebaut werden, kann nur anhand der Lakunenbildung nachgewiesen werden. Für diese Untersuchungen wurden die Zellen von den Proben entfernt. Es wurden lediglich auf HA und HA60 vereinzelt Lakunen gefunden, wobei die Lakunen auf HA60 deutlich größer waren (Bild 6).
Bild 5: REM-Aufnahmen der stimulierten RAW 264.7 Zellen nach 21d Inkubation auf den 3D-Scaffolds aus HA (links), HA60 (Mitte) und TCP (rechts).
Bild 6: REM-Aufnahmen der Lakunenformation auf HA (links) und HA60 (rechts) nach 21 d Inkubation mit stimulierten RAW 264.7 Zellen.
Die höhere resorptive Aktivität der Zellen auf HA60 gegenüber HA und auch TCP, auf dem keine Resorption stattfand, werden durch die Ergebnisse der RT-PCR bestätigt. Dies steht in guter Korrelation zu den Ergebnissen der Untersuchungen auf dichtgepressten CaP-Plättchen, die bei 1300 °C gesintert wurden. Auf diesen Plättchen waren ebenfalls keine Lakunen auf TCP nachweisbar [8]. Das Abbauverhalten der untersuchten CaP-Keramiken ist also abhängig von der Phasenzusammensetzung. Während TCP hauptsächlich degradiert wird, werden HA und HA60 auch resorbiert. Dabei wird die Differenzierung der Monozyten zu Osteoklasten-ähnlichen Zellen vor allem durch HA60 gefördert. Eine Ursache für die geringe Ausbildung von Resorptionslakunen auf den untersuchten Proben ist möglicherweise die starke Mikroporosität der Oberfläche der untersuchten CaP-Keramiken (Bild 1, rechts). Durch diese starke Mikroporosität wird eine Rauheit der keramischen Oberfläche erzeugt, die direkt auf die Zelldifferenzierung und -aktivierung wirkt. Untersuchungen, die den Einfluss verschiedener Rauheiten auf die Zelldifferenzierung bzw. Knochenresorption analysierten, zeigten, dass die Zellentwicklung und Resorption vor allem durch glatte Oberflächen gefördert wird [9–10].
706
4
Zusammenfassung
Für die Untersuchung des Abbauverhaltens von porösen, synthetischen Calciumphosphaten wurden Degradations- und Resorptionsuntersuchungen an makroporösen 3D-Scaffolds aus HA, TCP und HA/TCP 60/40 Gew.-% durchgeführt. Die Ergebnisse dieser in vitro-Abbauuntersuchungen zeigen eine deutliche Abhängigkeit des Abbauverhaltens von der verwendeten CaPPhase. Anhand von Degradationsuntersuchungen wurde festgestellt, dass die Mischkeramik HA60 am meisten und reines HA am geringsten degradierte. Es wurde auch gezeigt, dass das Resorptionsverhalten von Calciumphosphaten mit dreidimensionalen, makroporösen Strukturen mit Hilfe der Zelllinie RAW 264.7 prinzipiell untersucht werden kann. Es konnte sowohl die Zelldifferenzierung als auch die resorptive Aktivität der Zellen nachgewiesen werden. Die Differenzierung von Monozyten zu Osteoklasten-ähnlichen Zellen fand auf allen CaP-Keramiken statt, jedoch resorbierten die Zellen nur die reine HA- und die Mischkeramik. Dabei waren die resorbierten Flächen auf HA60 größer als auf HA. Aufgrund der Ergebnisse kann das poröse 3D-Scaffold mit der Phasenzusammensetzung HA/TCP 60/40 als ideales Knochenersatzmaterial angesehen werden.
5 [1]
Literatur
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707
Charakterisierung von Knochenwachstum auf einer Calciumphosphat-Mischkeramik: Beurteilung einer zerstörungsfreien und 3-dimensionalen Charakterisierungsmethode R. Detsch1, J. Hausherr2, S. Schlüfter3, U. Deisinger3, J.C. Roldán4, J. Fischer2, E. Chang5, G. Ziegler1,3, W. Krenkel2 1
BioCer Entwicklungs-GmbH, Bayreuth Keramische Werkstoffe, Universität Bayreuth 3 Friedrich-Baur-Forschungsinstitut für Biomaterialien, Universität Bayreuth 4 Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Universitätsklinik Regensburg 5 Laboratory for Microvascular Surgery and Vascular Tissue Engineering, Stanford University, USA 2
1
Einführung
Die Entwicklung von funktionellen Implantatmaterialien als Knochenersatz ist von großer Bedeutung. Ziel bei ihrem Einsatz ist es, nach Unfall, Krankheit oder altersbedingter Funktionsbeeinträchtigung Heilungsprozesse zu beschleunigen und eine bessere Lebensqualität zu erreichen. Die Bemühungen in Forschung und Entwicklung zielen bei Langzeitimplantaten im Knochenbereich stets auf eine dauerhafte Osseointegration ab, da nur eine knöcherne Verbindung mit dem umgebenden Gewebe die Funktionserfüllung des Implantats garantiert [1]. Hier kommen sowohl neuentwikkelte poröse Materialien als auch zusätzlich eingebrachte Wirkstoffe, sog. Wachstumsfaktoren, bei Tierversuchen zum Einsatz [2]. In dieser Arbeit wurde das ektope Knochenwachstum im Kleintierversuch untersucht. Dieses Tiermodell wurde gewählt, um die Knochenneubildung im knochenfreiem Gewebe zu analysieren. Dazu wurden über die PU-Schaum-Replika-Technik hergestellte, hochporöse, biphasische Calciumphosphat-Keramiken (BCP) verwendet. Diese Scaffolds wurden mit dem Wachstumsfaktor Bone Morphogenetic Protein BMP-7 beladen und subkutan 12 Wochen in schwarze 57/ BL6 Mäuse implantiert. Die ektope Mineralisierung wurde herkömmlich mittels Licht-, Fluoreszenz- und Rasterelektronenmikroskopie analysiert. Zusätzlich wurde eine μCT (Computertomografie) als zerstörungsfreie, 3-dimensionale Methode angewendet und deren Eignung zur Beurteilung der Knochenneubildung untersucht. Die einzelnen Verfahren wurden miteinander verglichen und zueinander in Relation gesetzt.
2
Material und Methoden
2.1
Herstellung und Eigenschaften der Scaffolds
Die verwendeten Knochenersatzimplantate wurden mittels PU-Replika-Technik hergestellt. Dazu wurden kommerziell erhältliche Polyurethan (PU)-Schäume (45 ppi = pores per inch) mit BCP-Schlicker (Hydroxylapatit/Tricalciumphosphat im Gewichtsverhältnis von 60 zu 40) beschichtet. Nach der Trocknung wurde der PU-Schaum pyrolisiert und die Scaffolds für 1 h bei 1300 °C gesintert. Zur Stabilitätserhöhung erfolgte anschließend eine zweite Beschichtung und
708 Sinterung. Die erhaltene BCP-Keramik wies eine Gesamtporosität von 92 Vol.-% mit einer bimodalen Porenverteilung von 200–600 μm und 800–1100 μm (Bild 1, links) auf.
2.2
Implantation
Die in vivo-Studie wurde an 15 Schwarzen 57/BL6 Mäusen durchgeführt. Jedem Tier wurden zwei Scaffolds der Größe 6 x 4 x 4 mm³ subkutan über dem Muskel rectus abdominalis (je ein Scaffold pro Seite, Bild 1, rechts) implantiert. Alle Scaffolds wurden direkt vor der Implantation mit 5 μg BMP-7/ 20μl Pufferlösung (Stryker Biotech, USA) beladen. Der Wirkstoff BMP-7 wurde dadurch adsorptiv an der Keramikoberfläche gebunden. Die Knochenneubildung wurde durch Fluorochromfärbung verfolgt. Dazu wurde 2 Wochen nach der Implantation Xylenol orange (0,45 ml/Tier), nach 3 Wochen Calcein green (0,15 ml/ Tier), nach 4 Wochen Alizarin complexon (0,02 ml/Tier) und nach 5 Wochen Doxycyclin (0,03 ml/Tier) intraperitoneal (in die Bauchhöhle) injiziert. Durch die Farbabfolge orange - grün - rot - braun kann der jeweilige Zeitpunkt der Knochenneubildung anhand fluoreszenzmikroskopischer Aufnahmen bestimmt werden.
Bild 1: Links: In dieser Arbeit verwendete BCP-Scaffolds. Rechts: Schematische Darstellung der Lokalisation der beiden Implantate subkutan bei einer Schwarzen 57/BL6 Maus.
Nach 12 Wochen erfolgte die Explantation der Scaffolds. Anschließend wurden die Präparate für die Analyse in Poly-Methylmethacrylat (PMMA) eingebettet.
2.3
Analysemethoden
Die Explantatpräparate wurden mittels Lichtmikroskop (LM, Axioplan 2, Zeiss), Fluoreszenzmikroskop (FM, Axioplan 2, Zeiss) und zusätzlich durch ESEM (Environmental Scanning Electron Microscopy, Quanta 100, FEI)-Analysen (bei 0,7 mbar und 15 kV Beschleunigungsspannung) untersucht. Zur Darstellung und Quantifizierung der Mineralisierung innerhalb der untersuchten Implantate wurde für die ESEM-Analysen ein Rückstreuelektronendetektor (2Quadranten Szintilatordetektor) verwendet. Rückstreuelektronen (backscattered elektrons, BSE) sind primäre Elektronen mit einer Eindringtiefe von ca. 100 nm. Anhand der Aufnahmen
709 konnte auch bei geringer Vergrößerung die Knochenneubildung im Scaffold durch unterschiedliche Grauwerte dargestellt und mittels der analySIS-Software (analySIS Pro3.2, Soft Imagine Systems) quantifiziert werden. Für die μCT-Messungen wurde eine am Fraunhofer IIS entwickelte ComputertomografieAnlage verwendet. Diese Anlage basiert auf einem Yxlon Y.CT Präzisionsmanipulator mit einer Viscom X-9225-TED Transmissionsröhre und einem 2048² Pixel Flachdetektor vom Typ Perkin Elmer XRD 1621 AN3-CT. Für die Messungen wurde die Röntgenröhre mit einer Spannung von 55 kV und 200 μA Röhrenstrom betrieben. Die jeweilige CT-Messung bestand aus je 1600 Einzelaufnahmen, wobei eine Einzelaufnahme mit 500 ms Belichtungszeit aus drei Einzelbildern aus verschiedenen Raumrichtungen aufgenommen wurde. Das Ergebnis der Rekonstruktion liefert die 3-dimensionale Dichteverteilung der gesamten Keramik-Knochen-Struktur mit einer räumlichen Auflösung von ca. 5 x 5 x 5 μm³.
3
Ergebnisse und Diskussion
Alle Mäuse überstanden die Implantation der BCP-Scaffolds gut. Während der gesamten Versuchsdauer wurden keine Entzündungsreaktionen beobachtet. Durch die Analyse der LM-Aufnahmen konnte die Knochenneubildung am Implantat nachgewiesen werden (Bild 2, links). Die FM-Auswertung der Explantate ergab, dass die Knochenbildung an den Calciumphosphat-Scaffolds nach 3 Wochen begann. Das rote (Alizarin complexon) und braune (Doxycyclin) Fluorochrom zeigten an, dass in der 4. und 5. Woche nach der Operation weiterer Knochen gebildet wurde (Bild 2).
Bild 2: LM-Aufnahme von einem eingebetteten Explantat (links), FM-Aufnahme zur Beurteilung der Knochenbildung (rechts: schwarz/weiß Darstellung).
Die Knochenneubildung erfolgte direkt an der Oberfläche der Keramikstege, wobei die Stege von neuem Knochen umschlossen wurden, wie anhand der ESEM-Aufnahmen deutlich zu erkennen ist (Bild 3). Die Aufnahme mit höherer Vergrößerung zeigt, dass der Knochen sogar in Mikroporen (ca. 5 μm) des Scaffolds nachweisbar ist (Bild 3, rechts). Analysen von Schliffebenen der Präparate zeigten eine homogene Verteilung des neugebildeten Knochens im Scaffold. Durch Flächenscans konnte eine Quantifizierung der Knochenneubildung an den untersuchten Flächen durchgeführt werden (siehe Auswertung Tabelle 1).
710
Bild 3: ESEM-Aufnahmen der eingebetteten Explantatproben, + = BCP-Keramiksteg, * = neugebildeter Knochen.
Im Gegensatz zur ESEM-Untersuchung, die nur Oberflächen-nahe Bereiche einer Ebene berücksichtigt, kann man mit der μCT das Knochenexplantat 3-dimensional darstellen und analysieren. Die Schwierigkeit der μCT-Auswertungen besteht in einer zuverlässigen Erfassung und Unterscheidung der beteiligten Materialien [3]. Eine μCT-Messung beschreibt die lokale Dichteverteilung im gemessenen Volumen, wobei der Probekörper in kleine zu messende Dichtebereiche (Voxel) von 5 x 5 x 5 μm³ aufgeteilt wird. Durch diese messbedingte Aufteilung wird aufgrund der hohen Porosität und dem heterogenen Aufbau des Scaffolds eine zuverlässige Zuweisung einzelner Dichtebereiche schwierig. Besonders an Dichteübergängen, d.h. an Materialgrenzen, ergeben sich Unsicherheiten in der Größenordnung von bis zu 3 Voxel, was zu einer überlagerten Dichteverteilung führt. Bilder 4 und 5 zeigen zum Vergleich identische Ebenen einer Knochen-Keramik-Struktur, die mittels ESEM analysiert bzw. aus einem μCT-Volumen extrahiert wurden. Durch die hohe Porosität und die Vielzahl an Dichteübergängen in der Knochen-Keramik-Struktur können anhand von μCT-Messungen Bereiche mit und ohne Knochen nicht eindeutig unterschieden werden (weiße Pfeile in Bild 4 und 5).
Bild 4: ESEM-Aufnahme eines Schliffs der Knochen-Keramik-Struktur mit hoher Auflösung.Bild 5: CT-Aufnahme des Schliffs der Knochen-Keramik-Struktur aus Bild 4.
711 Die Dichte der ektopen Knochenmasse ist größer als die von PMMA und kleiner als die der verwendeten Keramiken, sie kann allerdings eindeutig von beiden unterschieden werden. Aufgrund verschiedener Effekte vor allem im Bereich der Übergänge PMMA/Keramik, Knochen/ Keramik, PMMA/Knochen und mikroporösen Teilstücken der Keramik sind die Knochenvolumina mittels der eingesetzten μCT nicht eindeutig abgrenzbar. Da während der μCT-Messung die Dichteverteilungen digitalisiert werden, wird die Dichte in kleinen Volumenbereichen (sogenannte Voxeln) gemittelt zusammengefasst. So kann z.B. die Dichte an bestimmten Übergängen (Keramik/PMMA) ähnliche Werte wie die der Knochenmasse annehmen. Dadurch können diese Bereiche nicht eindeutig einem Material zugeordnet werden (Bild 6).
Bild 6: Schematische Darstellung der Digitalisierung: die vorliegende Knochen-Keramik-PMMA-Struktur (links) wird anhand ihrer Dichte digitalisiert (Mitte), wodurch die einzelnen Materialien in Übergangsbereichen nicht eindeutig zugeordnet werden können (rechts).
Eine genaue Lokalisierung ektoper Knochenvolumina ist daher mit der μCT-Bildgebung nicht möglich (Bild 7). Der Volumenanteil der Knochenmasse kann jedoch durch eine statistische Auswertung abgeschätzt werden. Dazu werden die Dichteverteilungen eines Scaffolds mit Knochenmasse (Explantat) und eines nicht implantierten BCP-Scaffolds ohne Knochenmasse verglichen. Die unterschiedlichen volumetrischen Dichteverteilungen werden dabei voneinander abgezogen. Die Differenz des dabei berechneten Volumenanteils entspricht dem der Knochenmasse (Bild 8).
Bild 7: 3-dimensionale μCT Darstellung des Scaffolds
Bild 8: Graphische Darstellung der Grauwertverteilung eines Scaffolds ohne (schwarz) und mit Knochenanteilen (grau).
712 An ausgewählten Explantaten wurden sowohl eine μCT- (3-dimensionale) als auch zum Vergleich eine ESEM- (2-dimensionale) Analyse durchgeführt. In Tabelle 1 sind die jeweils ermittelten Anteile an neugebildetem Knochen in der BCP-Keramik dargestellt. Es zeigt sich eine gewisse Übereinstimmung der mit beiden Methoden berechneten Werte. Mittels beider Methoden konnte eine erhöhte subkutane Knochenneubildung durch die Verwendung von BMP-7 nachgewiesen werden. Unter Einbeziehung einer statistischen Auswertung kann die μCT demnach als Analysenmethode zur Beurteilung der Knochenneubildung verwendet werden. Für eine umfassende und detailreiche, bildgebende Darstellung des ektopen Knochenwachstums an einem Implantatmaterial sollten allerdings weitere Charakterisierungsmethoden mit einer höheren Auflösung hinzugezogen werden. Tabelle 1: Vergleich der Analysen in der Schliffebene mittels ESEM und des gesamten Scaffolds mittels μCT. Die an zwei repräsentativen Explantaten ermittelten Werte zeigen eine gute Übereinstimmung der beiden Analysenmethoden. Flächenanteil Knochen ESEM
Volumenanteil Knochen μCT
BCP
27 %
24 %
BCP + BMP-7
52 %
46 %
4
Zusammenfassung
Zur Beurteilung des ektopen Knochenwachstums wurden hochporöse BCP-Scaffolds für 6 Wochen in Schwarze 57/BL6 Mäuse implantiert. Anschließend wurden die Explantatpräparate mittels Licht-, Fluoreszenz- und Rasterelektronenmikroskopie sowie μCT analysiert. Mit allen Charakterisierungsmethoden war eine Aussage über das Knochenwachstum in der untersuchten BCP-Keramik möglich. Es zeigte sich außerdem, dass sich die unterschiedlichen Charakterisierungsmethoden sehr gut ergänzen. Mittels der LM war die eindeutige Identifizierung von neu gebildetem Knochen an dem Implantat möglich. Weiterhin konnte durch die FM der Zeitraum der Knochenneubildung bestimmt werden. Anhand der ESEM-Analysen konnten Detailaufnahmen und die Quantifizierung der Knochenneubildung einer Schliffebene realisiert werden. Mittels μCT konnte das gesamte Explantat zerstörungsfrei 3-dimensional untersucht und der Anteil an neugebildetem Knochen über statistische Auswertung ermittelt werden. Die in dieser Studie durchgeführten Charakterisierungen zeigen, dass eine verlässliche Aussage über die induzierte Bildung von neuem Knochengewebe an der untersuchten BCP-Keramik durch Kombination der verschiedenen Analysenmethoden getroffen werden kann. Diese Methoden haben für die Weiterentwicklung innovativer und funktioneller Knochenersatzmaterialien ein großes Potential.
5 [1] [2] [3]
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713
Autoren A Aisenbrey, N. 401 Altstädt, V. 174, 354, 395, 461, 467, 482, 489 Amancio-Filho, S. 1 Aneziris, C. 39, 147 Angermann, Kay 27 B Bach, F.-W. 627 Baier, H. 345 Ballaschk, U. 147 Balle, F. 333, 549 Ballmes, H. 80 Bangarusampath, D.S. 174 Barthmann, F. 285 Bauer, F. 689 Baumann, A. 502 Becker – H. 420 – S. 312 Behnisch, T. 195 Beier, U. 395 Biermann – D. 298 – H. 39, 87, 147 Blüm, C. 683 Blumm, J. 447 Böhm, S. 319 Borbély, A. 87 Brendel, A. 127 Brunke, O. 312 Buchs, W. 395 Bührig-Polaczek, A. 73 Burbach, T. 73 Bürkner, S. 563
C Chang, E. 707 Claußen, S. 635 Cloetens, P. 94 Crippa, M. 257 D Daimer, J. 270 Dannemann, M. 453 Danninger, H. 109 Datashvili, L. 345 Deckmann, H. 495 Degischer, H.P. 94, 527 Deisinger, U. 649, 663, 669, 693, 700, 707 Denkena, B. 513 Detsch, R. 669, 676, 693, 700, 707 Deuerler, F. 219 Dilger, K. 319 dos Santos, J.F. 1 E Eifler, D. 333, 549 Elsner – H. 608 – P. 361 Englhart, M. 563 Erne, M. 627 F Feldhoff, M. 298 Fischer – F. 461, 482 – J. 707 Flössel, M. 592 Forero, S. 181 Frauenhofer, M. 319
714
Friedrich, J. 453, 601 Frieß, M. 257 Frormann, L. 401 G Gebhardt, S. 592 Geiger, M. 585 Göbel, M. 326, 578 Gorbár, M. 615 Gottstein, G. 134, 140 Götz, C. 461 Greiner, C. 174 Grigo, M. 361 Grünert, J. 382 Gude, M. 427, 585, 601 Gussone, J. 122 Gutmann, P. 174 Gutwinski, M. 413 H Haferkamp, H. 635 Hajas, D. 134 Halle, T. 116 Halm, H. 495 Hammers, T. 155, 168 Handge, U. 461, 467 Hardy, J. 689 Hartmann, M. 66 Hausherr, J. M. 202, 210, 233, 249, 482, 707 Hausmann, J.M. 122 Heber, T. 585, 601 Heidenreich, B. 257 Heinrich, H.J. 382 Helbig – F. 407 – R. 189 Hepp, F. 181 Herrmann, C. 233, 249, 482 Herzberg, C. 440
Herzog, D. 635 Hilbinger, M. 66 Hildebrand, J. 578 Hippmann, S. 620 Hofmann – M. 94 – S. 257 Hohlfeld, J. 189 Horn, S. 474 Hoyer, I. 162 Hu, W. 134, 140 Hufenbach, W. 195, 427, 453, 585, 601 Hulman, M. 181 J Jansen, T. 298 Jonke, D. 563 K Kalinichenka, S. 102 Karlsohn, M. 520 Kausch, M. 382 Keerl, D. 689 Kerscher, E. 155, 168 Kieback, B. 102 Kim, Y.-E. 226 Kitzmantel, M. 181 Klimera, A. 270 Koch – D. 219 – I. 427 Köck, Th. 127 Kolar, D. 627 Kolbe, F. 453 Krämer, J. 395 Kramer, N. 513 Krenkel, W. 202, 210, 226, 233, 249, 285, 292, 305, 482, 707 Kroll, L. 376, 382, 407, 608 Kuckhoff, B. 73
715
Kühne, E. 388 Kuna, M. 39 Kunz, D. 305, 489 Kunze, W. 433 Kuroda, K. 226 L Lamik, A. 535 Lammel, A. 683 Lampke, T. 116 Langkamp, A. 195 Lehmann, J. 285 Leib, J. 467 Leitner, H. 535 Lenk, R. 502 Leonhardt, G. 656 Liefeith, K. 656 Lies, C. 189 Lim, G.T. 461 Lindemann, A. 447 Lohmüller, A. 66 M Mackensen, A. 620 Martin, U. 147 Mayer, D. 502 Maysenhölder, W. 401 Meier, U. 1 Meinhardt, J. 270 Merzkirch, M. 155, 168 Meyer – L. 656 – M. 563 Michaelis, A. 592 Michler, G.H. 461 Modler, N. 601 Möhnwald, K. 627 Montealegre Meléndez, I. 109 Moritz, T. 502 Motz, G. 292
Mozdzen, G. 109 Mucha, H. 226 Mücklich, S. 52 Müller, T. 656 N Nendel, W. 376 Neubauer, E. 109, 181 Neubert, H. 285 Neubrand, A. 46 Neugebauer, S. 585 Niedrig, H. 447 Noster, U. 527 O Ohno, H. 265 Olschok, S. 542 Opel, S. 66 P Paffenholz, V. 127 Pambaguian, L. 181 Park, H.-S. 277 Philipp, K. 376 Plesch, G. 615 Podlesak, H. 52, 116 Pritzkow, W. 219 Pyzalla, A. 520 R Rabenstein, M. 277 Raether, F. 270 Rauber, C. 66 Reichert, V. 420 Reimers, W. 520 Reinhold, B. 27 Reisgen, U. 542 Reitinger, B. 527 Richter, H. 195 Riegger, H. 642
716
Rinberg, R. 376 Rödel, H. 440 Rohde, M. 482 Roldan, C. 707 Roser, T. 395 Röttger, A. 520 Rottmair, C.A. 80 Ruckdäschel, H. 174 Rüdinger, A. 219 Rupprecht, C. 555 S Sailer, C. 461 Sause, M. 474 Schärfl, W. 147 Schäuble, R. 413 Scheibel, T. 683, 689 Scheithauer, U. 592 Schennen, M. 433 Schiffl, A. 59 Schimitschek, J. 345 Schlechte, A. 663 Schlüfter, S. 676, 700, 707 Schmidt – G. 555 – M. 585 Schneider, F. 571 Schöbel, M. 94, 527 Scholtyssek, S. 461 Schönecker, A. 592 Schubert – M. 339 – T. 102, 181 Schulz, J. 388 Schumacher, M. 669 Schurmann, H. 122 Schwab, M. 683 Seeger, M. 189 Seydewitz, V. 461 Sha, J. 202
Siegel, S. 241 Silva, P. 520 Singer, R.F. 66, 80 Slotta, U. 689 Smid, I. 181 Song, J. 134, 140 Spanner, H. 395 Spatz, C. 233 Spieß, K. 683 Stark, S. 555 Starzmann, J. 312 Stauber, R. 12 Steger, H. 116 Steininger, H. 461 T Theisen, W. 520 Thümmler, R. 571 Tolnai, D. 87 Trassl, C. 489 Tröltzsch, J. 407 Trommer, F. 656 Tushtev, K. 219 U Uhl, F. 663, 693 Uhrlig, S. 592 V Vargová, M. 615 Vaucher, S. 94 Vogel, R. 571 Vogt, U. 615 Voigt, R. 292 W Wagner – G. 333, 549 – N. 542 Wamser, T. 285
717
Wank, A. 555 Weber – M. 461 – S. 520 Weidenmann, K.A. 155, 168, 361 Weidlich, N. 635 Weimer, C. 395 Weis, S. 162 Weißgärber, T. 102 Werner – C. 1 – F. 326, 578 Wielage, B. 52, 116, 162, 226, 388, 555, 656 Willert-Porada, M. 277 Winkler, A. 601
Winter, G. 683 Wolff-Fabris, F. 354 Wolfrum, J. 368 Y Yang, F. 277, 305 Z Zeppenfeld, T. 210 Zhao, N. 440 Zhong, Y. 140 Ziegler – G. 649, 663, 669, 676, 693, 700, 707 – T. 46 Zimnik, K. 527 Zuber, C. 257
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Sachregister 1 3D siehe auch dreidimensional 3D-Netzwerke, aus KohlenstoffNanomaterial (CNF/CNT) 181 3D-Scaffolds, makroporöse 700 A Abstandsstrukturen, beanspruchungsgerechte 440 adaptive Leichtbaustrukturen 585 aktive Thermoplastverbundbauteile 601 akustisch wirksame Bauelemente 401 Algorithmen, Computertomografie 210 Al-Matrix-Verbundwerkstoffe, partikelverstärkte 87 Al-Si alloy laboratory castings, interfaces to steel inserts 527 Al-St Werkstoffverbunde, Lebensdauerberechnung 535 alumina foams siehe Aluminiumschäume Aluminium, Diamant verstärktes 94 Aluminiumschaumbauteile, Kostenreduzierung 571 Aluminiumschäume 615 – Gewebe- und gewirkeverstärkter 189 Aluminiumverbundwerkstoffe, langfaserverstärkte 73 AMC-Lötverbindungen, Kriechverhalten 162 angepasste Algorithmen, Computertomografie 210 Auftragschweißen – Nanokomposit-Schichten 635 – Verbundplatte 642 Automobilbau – Werkstoffe und Technologien 12
– Werkstoffverbunde 27 B Bauelemente, akustisch wirksame 401 Bauwesen, Faserverbundwerkstoffe 1 beschichtete Kunststoffe, kohlenstofffaserverstärkte 474 Beschichtung siehe auch coatings; films bildsame Formgebung, MMC 147 biofunktionelle Polymermatrices 1 biopolymerische Materialien, medizintechnische Anwendungen 683 Bleche, dünne 635 blends, PA 6/ABS 461 Bone Tissue Engineering 693 C C/C-Materialien, poröse 270 Calciumphosphat, Basis für makroporöse 3D-Scaffolds 700 Calciumphosphat-basierte Knochenersatzmaterialien 676 Calciumphosphat-Keramiken, Rapid Prototyping 649, 669 Calciumphosphat-Mischkeramik, Knochenwachstum 707 Calciumphosphat-Scaffolds, Einfluss auf die osteogene Stimulierung von Knochenmarkzellen 693 carbon fibers – high performance pitch based 265 – siehe auch Kohlestofffaser... castings, Al-Si alloy 527 C-Faser-verstärkte Materialien siehe kohlenstofffaserverstärkte ... CFK siehe auch kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe
719
CFK-Komponenten, Verschleißschutz 563 CFK-Organobleche, MetallUltraschallschweißen 333 CFK-Produktionsformen, Verschleißschutz 563 CFK-Schaum-Sandwichstrukturen 413 CFRP step, of fiber fabrication process 202 CMC-Bauteile, für Heißgasanwendungen 257 CNT-Anteil, PEEK-Werkstoffe 447 coatings – TiO2 thick film 615 – wear resistant 520 coinjection siehe Sandwich-Spritzgießen Computertomografie – Bestimmung von morphologischen Eigenschaften 210 – C-SiC-Hochleistungskeramiken 233 – Faserverbundwerkstoffe 249 continuous Mo wire reinforced NiAl composites 134 C-SiC-Verbundkeramiken – Computertomografie 233 – Matrixharzkonzepte 305 – Pyrolyse mittels Mikrowellen 277 D Dämpfung, modale 453 Diamantverschleiß, Schleifbearbeitung 513 Diamant verstärktes Aluminium, thermische Ermüdung von 94 Differenzkalorimetrie, dynamische 433 dispensgeplottete Scaffolds 663 Dispergierung, Nanopartikel 467 dispersionsverstärkte Kontaktwerkstoffe, auf Silberbasis 116 dreidimensional siehe auch 3D
dreidimensionale Charakterisierungsmethode, Knochenwachstum auf Calciumphosphat Mischkeramik 707 dreidimensionelle Mikrostrukturanalyse, nanoCT 312 Druckguss, Herstellung von KohlenstofflangfaserAluminiumverbunden 80 DSC siehe Dynamische Differenzkalorimetrie 433 dünne Bleche, Laserstrahlauftragschweißen 635 Dünnschichtsysteme, Optimierung 555 Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) 433 dynamische thermische Analyse, unter hohen Lasten 495 E EN AW 2017-Matrix 52 Epoxide, triaxiale C-Faserverstärkte 345 Epoxidharze – Kohlestofffaser-Kompositmaterialien 354 – Resin Transfer Moulding 339 – siehe auch Harzsysteme EPP siehe expandiertes Polypropylen Ermüdung, partikelverstärkte Al-MatrixVerbundwerkstoffe 87 – siehe auch fatigue behaviour expandiertes Polypropylen (EPP) 489 F Faserkomposite, Leichtbaustrukturen 592 Fasern, piezokeramische 592 Faserverbundbereich, Klebungen 319 Faserverbundkunststoffe, Prefomtechniken 388
720
Faserverbundstrukturen, komplexe 395, 453 Faserverbundwerkstoffe – Bauwesen 1 – Computertomografie 249 faserverstärkte Klebstoffe, Verbundtragwirkung 326 faserverstärktes Siliziumkarbid, Nutenund Zirkularbearbeitung 298 Faservolumengehalte, HochtemperaturMMCs 122 fatigue behaviour, PA 6/ABS blends 461 Fe-based MMCs 520 Fertigungsprozesse, robuste 601 fiber-matrix interface bonding, CFRP step 202 fibers – carbon siehe carbon fibers – push-out technique 202 films 615 flexible Preformprozesskette 395 flüssige Harzsysteme 467 foams – alumina 615 – siehe auch Schäume Fügeprozesse, thermische 542 Fügetechnik – Polymer-Metall Werkstoffverbunde 1 – Ultraschallschweißen 549
Harzsysteme – flüssige 467 – Härtungsvorgang 433 – siehe auch Epoxidharze Heißgasanwendungen, CMC-Bauteile 257 high performance pitch based carbon fibers 265 Hochdruckhomogenisierung, Nanopartikel 467 Hochleistungs-FaserverbundStrukturbauteile, komplexe 395 Hochtemperatur-MMCs, Zugeigenschaften 122 Hot Extrusion, Fe-based MMCs 520 hybride Leichtbaustrukturen, Ultraschallschweißen 549 Hybridelemente, Glas-Kunststoff 578 Hydrogel-Keramik-Komposite 663
G Gewebe- und gewirkeverstärkter Aluminiumschaum 189 Glas-Kunststoff-Hybridelemente 578 Grenzflächenreaktionen, SiCPMagnesium- oder -AluminiumMetallmatrix-Verbundwerkstoffe 59
K Karbidkeramiken, Ultrahochtemperaturbeständige 292 Keramiken – Knochenersatzmaterial 649 – Knochenwachstum 707 – Rapid Prototyping 669 – textilverstärkte 195 Keramik-Werkstoffverbunde – Knochenersatzmaterial 663
H Härtungsvorgang, DSC 433
I IMC-Spritzgießcompounder 482 indirektes Rapid Prototyping 669 infiltrierte Hochtemperatur-MMCs, Zugeigenschaften 122 interfaces – between steel inserts and Al-Si alloy castings 527 – NiAl-Al2O3 140
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– Pulverspritzgießen 502 – Schleifbearbeitung 513 keramische Leichtbaumodule, mit hoher geometrischer Variabilität 241 Klebstoffe, faserverstärkte 326 Klebungen, Anfangsfixierung 319 Knie-Endoprothesen, Materialverbundkonzept 656 Knochenersatzmaterial – Calciumphosphat-Keramiken 649, 676 – Hydrogel-Keramik-Composites 663 Knochenmarkzellen, osteogene Stimulierung 693 Knochenwachstum, CalciumphosphatMischkeramik 707 kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) 368 – beschichtete 474 – Silikone und Epoxide 345 Kohlenstofflangfaser-Aluminiumverbunde, Herstellung von 80 Kohlenstoff-Nanomaterial (CNF/CNT), 3D-Netzwerke 181 Kohlestofffaser-Kompositmaterialien, nicht-thermisch härtende 354 komplexe Faserverbundstrukturen, modale Dämpfung 453 Kontaktwerkstoffe, dispersionsverstärkte 116 Kostenreduzierung, Aluminiumschaumbauteile 571 Kunststoffbauteile, textilverstärkte 407 Kunststoffe – kohlenstofffaserverstärkte siehe kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe – naturfaserverstärkte 401 – Verbindung mit Metall 542 Kunststoffverbunde, mehrlagengestrickverstärkte 427
Kupfermatrix-Verbundwerkstoffe, SiCfaserverstärkte 127 Kupfer-PCM-Verbundwerkstoffe, Anwendungen im thermischen Management 102 Kupfer und Kupferlegierungen, Infiltration von 3D-Netzwerken 181 Kurzzeitverhalten, kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe 368 L laboratory castings, Al-Si alloy 527 lamellare Strukturen, Metallmatrixverbundwerkstoffe 46 langfaserverstärkte Aluminiumverbundwerkstoffe, Herstellung von 73 langfaserverstärkte Thermoplaste, mechanische Beanspruchung 361 Langfaserverstärkung, IMCSpritzgießcompounder 482 Langzeitverhalten, kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe 368 Laserstrahlauftragschweißen, Nanokomposit-Schichten 635 Lebensdauerberechnung, walzplattierte Al-St Werkstoffverbunde 535 Leichtbauanwendungen, Abstandsstrukturen für 440 Leichtbaukonstruktionen, Gewebe- und gewirkeverstärkter Aluminiumschaum 189 Leichtbaumodule, keramische 241 Leichtbauprofile, verbundstranggepresste 155, 168 Leichtbaustrukturen 592 – adaptive 585 – Integration von Sensorsystemen 608 – kosteneffiziente 376 – Ultraschallschweißen 549
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Lötverbindungen, AMC 162 LTCC-Module, Leichtbaustrukturen 592
M Magnesiumspritzgießen, Herstellung von Verbundwerkstoffen 66 Makro-Fehlstellen, oxidkeramische Verbundwerkstoffen 219 makroporöse 3D-Scaffolds, Abbauuntersuchungen 700 Massenfertigungsverfahren, strukturelle Integration von Sensorsystemen 608 Materialien – biopolymerische 683 – C/C 270 – C-Faser-verstärkte siehe kohlenstofffaserverstärkte Materialverbundkonzept, KnieEndoprothesen 656 Matrixharzkonzepte, C/SiCVerbundkeramiken 305 MAX-phase interlayer, NiAl-Al2O3 interface modification 140 mehrlagengestrick-verstärkte Kunststoffverbunde 427 Metall, Verbindung mit Kunststoff 542 Metall/CFK-Verbunde, Ultraschallschweißen 549, 333 Metallmatrixverbundwerkstoffe, Modellierung der Eigenschaften und des Versagens 46 MgO teilstabilisiertes ZrO2, MMCHerstellung 147 Mikrostrukturanalyse, dreidimensionelle 312 Mikrowellen, Herstellung von C-SiC Verbundkeramiken 277 mineralization, photocatalytic phenol 615
MMCs – aus TRIP-Stahl und MgO teilstabilisiertem ZrO2 147 – Fe-based 520 – Hochtemperatur- 122 modale Dämpfung, komplexe Faserverbundstrukturen 453 morphologische Eigenschaften, Bestimmung durch Computertomografie 210 Mo wire reinforced NiAl composites 134 N nachwachsende Rohstoffe, kosteneffiziente Leichtbaustrukturen 376 Nähtechnik, funktionsgerechte 440 nanoCT 312 Nanokomposit-Schäume, PolystyrolAcrylnitril- 174 Nanokomposit-Schichten, Laserstrahlauftragschweißen 635 Nanopartikel, Dispergierung 467 nano-reinforced titanium matrix composites, fabrication of 109 naturfaserverstärkte Kunststoffe 401 Neutronen-Experimente, Diamant verstärktes Aluminium 94 NiAl-Al2O3 interface, modified by MAX-phase interlayer 140 NiAl composites, continuous Mo wire reinforced 134 nicht-thermisch härtende KohlestofffaserKompositmaterialien 354 Nuten- und Zirkularbearbeitung, faserverstärktes Siliziumkarbid 298 O Oberflächenschichten, als Verschleißschutz 563
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osteogene Stimulierung von Knochenmarkzellen, Calciumphosphat-Scaffolds 693 Osteoklastogenese, Calciumphosphatbasierte Knochenersatzmaterialien 676 oxidkeramische Verbundwerkstoffe – auf Basis von Yttrium-AluminiumGranat (YAG) 285 – Makro-Fehlstellen 219 P PA 6/ABS blends, reactively compatibilized 461 partikelverstärkte Verbundwerkstoffe – Herstellung durch Magnesiumspritzgießen 66 – tomographische Analyse der Schädigungsentwicklung 87 partikelverstärkte Weichlote, AMCLötverbindungen 162 PEEK-Werkstoffe, CNT-Anteil 447 Phenolharzmatrices, Porosität 226 phenol mineralization, UV light stimulated 615 photocatalytic phenol mineralization, UV light stimulated 615 Piezokeramik-Module, thermoplastverbundkompatible 585, 601 piezokeramische Fasern 592 PIP-Verfahren, textilverstärkte Keramiken 195 pitch based carbon fibers, high performance 265 Polymermatrices, biofunktionelle 1 Polymer-Metall-Werkstoffverbunde 1 Polystyrol-Acrylnitril-NanokompositSchäume 174 Porosität – C/C-Materialien 270
– in Phenolharzmatrices 226 powder metallurgy, nano-reinforced titanium matrix composites 109 Prefomtechniken 388 Preformprozesskette, flexible 395 Prepregs – Harzsysteme 339 – thermoplastische 382 Proteinfasern, Verspinnen von 689 Pulverspritzgießen, Stahl-KeramikVerbunde 502 Pyrolyse, Mikrowellen 277 Q quasistatische Belastung, verbundstranggepresste Leichtbauprofile 155 R Rapid Prototyping, CalciumphosphatKeramiken 649, 669 regenerative Therapien, biofunktionelle Polymermatrices für 1 Reibnieten, Polymer-MetallWerkstoffverbunde 1 Resin Transfer Moulding Epoxidharzsystem 339 robuste Fertigungsprozesse, Thermoplastverbundbauteile 601 Rohstoffe, nachwachsende 376 S Sandwichkerne, kosteneffiziente Herstellung 489 Sandwich-Spritzgießen 420 Sandwichstrukturen, CFK-Schaum 413 Scaffolds – Calciumphosphat- 693 – dispensgeplottete 663 – makroporöse 700
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Schädigungsverhalten, mehrlagengestrick-verstärkte Kunststoffverbunde 427 Schallemissionsanalyse, beschichtete kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe 474 Schäume – Aluminium 189 – Nanokomposit- 174 Schaum-Sandwichstrukturen 413 Schichtverbunde, thermisch aktivierbare triboaktive 627 Schleifbearbeitung, Stahl-KeramikWerkstoffverbunde 513 Schmelzmetallurgie, Grenzflächenreaktionen 59 Schneidaktivelemente, Verbundguss 620 Schubbeanspruchung, Kunststoffverbunde 427 Schwingfestigkeitsverhalten, mehrlagengestrick-verstärkte Kunststoffverbunde 427 Sensorsysteme, strukturelle Integration 608 SiC-faserverstärkte KupfermatrixVerbundwerkstoffe 127 SiCP-Aluminium-MetallmatrixVerbundwerkstoffe, Grenzflächenreaktionen 59 SiCP-Magnesium-Verbundwerkstoffe, Grenzflächenreaktionen 59 Silberbasis, für dispersionsverstärkte Kontaktwerkstoffe 116 Silikone – C-Faser-verstärkte 345 – triaxialer C-Faser-verstärkte 345 Siliziuminfiltration, von porösen C/CMaterialien 270 Siliziumkarbid, faserverstärktes 127, 298
single fiber push-out technique 202 Spinnenseidenproteine, medizintechnische Anwendungen 683 Spritzgießcompounder, IMC 482 Spritzgießen – Sandwich- 420 – textilverstärkte Kunststoffbauteile 407 Stahl-Keramik-Werkstoffverbunde – Pulverspritzgießen 502 – Schleifbearbeitung 513 steel inserts, interfaces to Al-Si alloy castings 527 Strukturbauteile, komplexe 395 Suspensionsplasmaspritzen, thermisch aktivierbare triboaktive Schichtverbunde 627 Synchrotron-Experimente, Diamant verstärktes Aluminium 94
T textilverstärkte Keramiken, Einfluss des PIP-Verfahrens 195 textilverstärkte Kunststoffbauteile 407 thermische Analyse, dynamische 495 thermische Fügeprozesse 542 thermisches Management, Kupfer-PCMVerbundwerkstoffe 102 Thermoplaste, langfaserverstärkte 361 thermoplastische Prepregs 382 thermoplastische Werkstoffverbunde 420 thermoplastkompatible PiezokeramikModule (TPM) 585, 601 Thermoplastverbundbauteile, robuste Fertigungsprozesse 601 thick coatings, wear resistant 520 TiO2 thick films 615 titanium matrix composites, nanoreinforced 109
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tomographische Analyse, partikelverstärkte Al-MatrixVerbundwerkstoffe 87 TPM siehe thermoplastkompatible Piezokeramik-Module triboaktive Schichtverbunde, thermisch aktivierbare 627 TRIP-Matrix-Komposite 39 TRIP-Stahl, MMC-Herstellung 147 U Ultrahochtemperatur-beständige Karbidkeramiken 292 Ultraschallschweißen, Metall/CFKVerbunde 549 Umformtechnik, Dünnschichtsysteme 555 V Verbundguss, Schneidaktivelemente 620 Verbundplatten, Auftragschweißen 642 Verbundpulver, hochenergie-gemahlene 52 verbundstranggepresste Leichtbauprofile, mechanisches Verhalten 155, 168 Versagenseffekte, auf Grund von MakroFehlstellen 219 Verschleißschutz, durch Oberflächenschichten 563 Verschleißverringerung, Auftragschweißen 642 Verspinnen, Proteinfasern 689 W walzplattierte Al-St Werkstoffverbunde 535 wear resistant thick coatings 520 Weichlote, partikelverstärkte 162 Werkzeuge, Dünnschichtsysteme 555
Y Yttrium-Aluminium-Granat (YAG) 285 Z Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzip, kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) 368 Zug/Druck-Schubbeanspruchung, mehrlagengestrick-verstärkte Kunststoffverbunde 427 Zugbelastung, kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe 368