Volker Kiefel (Hrsg.) Transfusionsmedizin und Immunhämatologie
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Volker Kiefel (Hrsg.) Transfusionsmedizin und Immunhämatologie
Volker Kiefel (Hrsg.) Begründet von C. Mueller-Eckhardt
Transfusionsmedizin und Immunhämatologie Grundlagen – Therapie – Methodik 4. überarbeitete und erweiterte Auflage
Mit 112 Abbildungen
13
Prof. Dr. Volker Kiefel Abteilung für Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Rostock AöR Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock
ISBN-13 ISBN-13
978-3-642-12764-9 4. Auflage Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 978-3-540-00991-4 3. Auflage Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1988, 1996, 2004, 2010 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen und MarkenschutzGesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Ulrike Hartmann, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Schmitt, Heidelberg Copy-Editing: Heidrun Schoeler, Bad Nauheim Layout und Einbandgestaltung: deblik Berlin Satz: Crest Premedia Solutions (P) Ltd., Pune, India SPIN: 11306269 Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 4. Auflage Auch bei der Vorbereitung der vorliegenden Auflage dieses Buches wurde das Ziel verfolgt, sowohl die naturwissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen des Fachs als auch dessen klinische Gesichtspunkte ausgewogen darzustellen. Neu hinzugenommen wurden deshalb Abschnitte zu den klinischen Aspekten durch Antikörper ausgelöster Anämien, zu Immunthrombozytopenien und Immunneutropenien. Adressaten für dieses Buch sind unter anderem Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt für Transfusionsmedizin und ärztliche Kollegen am Krankenbett mit Aufgaben im Bereich klinischer Hämotherapie, Hämostaseologie, therapeutischer Apheresen, immunhämatologischer Laboruntersuchengen und angrenzender Gebiete. Außerdem soll es Studierenden der Medizin die Möglichkeit zu vertiefendem Studium geben. Der Herausgeber ist allen Autoren zu Dank verpflichtet, die sich die Mühe gemacht haben, oft unter Zeitdruck neue Kapitel zu konzipieren oder ihre Kapitel z.T. umfassend zu aktualisieren. Besonderer Dank gilt auch den Mitarbeitern des Springer Verlages, ohne deren Hilfe bei der der Lösung organisatorischer Probleme und ohne deren sorgfältige Lektoratsarbeit diese Auflage kaum so rasch zu verwirklichen gewesen wäre Volker Kiefel Rostock, im August 2010
VI
Vorwort zur 1. Auflage
Vorwort zur 1. Auflage Ein Buch über Transfusionsmedizin – warum und zu welchem Ende? Die Transfusionsmedizin, die Lehre von der Therapie mit Blut und Blutbestandteilen, hat sich seit den fünfziger Jahren als selbständige Disziplin entwickelt. Während bis vor wenigen Jahren noch die Übertragung von sogenanntem Vollblut die Basis der Bluttherapie war, ist heute die gezielte Hämotherapie unstrittige Richtschnur therapeutischen Handelns. Sie hat wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung anderer medizinischer Bereiche geschaffen, von denen stellvertretend die Herz- und Gefäßchirurgie, Organ- und Knochenmarkstransplantationen, die Onkologie, die Neonatologie, therapeutische Plasma- und Zytapheresen genannt seien. Die rasche Ausweitung unseres Wissens über Physiologie und Pathophysiologie des komplexen Organs Blut erfordert deshalb nicht nur vom Transfusionsmediziner, sondern auch von jedem mit Blutbestandteilen behandelnden Arzt fundierte Kenntnisse in den Grundlagen und der praktischen Anwendung der Hämotherapie. Über 600 genetisch determinierte Blutgruppenmerkmale an Erythrozyten, an weißen Blutzellen und Thrombozyten sind heute bekannt. Das HLA-System ist das komplexeste System des menschlichen Genoms. Unser Verständnis der Blutgerinnung hat sich vom einfachen Morawitz-Schema zu einem verästelten Schaubild mit vielfältigen Interaktionen zwischen Gefäßinhalt und Gefäßwand ausgeweitet. Vertiefte Einsichten in immunologische und genetische Grundphänomene lassen uns die Wirksamkeit, aber auch unerwünschte Komplikationen der Hämotherapie besser verstehen. Angeborene und erworbene Defektsyndrome wie Koagulopathien, Immundefizienzen und Hämozytopenien kann nur lege artis behandeln, wer um Möglichkeiten, aber auch Risiken der Hämotherapie weiß. Das unerwartete Auftreten der durch Blut übertragbaren HIV-Infektion hat diesen Sachverhalt einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerufen. Als Herr Professor Götze mit dem Ansinnen an mich herantrat, ein Buch über Transfusionsmedizin im Springer-Verlag herauszugeben, habe ich diese Herausforderung gerne angenommen. Nach dem Konzept, das mir für dieses Werk vorschwebte, sollten Grundlagen und praktische Handhabung der Hämotherapie umfassend und gleichgewichtig dargestellt werden. Detaillierte Literaturhinweise sollten dem wissenschaftlich Interessierten ermöglichen, sich mit den vielen Problemen der Transfusionsmedizin kritisch auseinanderzusetzen. So war klar, dass dieses Unterfangen die Kräfte eines einzelnen überfordern musste und nur als Gemeinschaftswerk realisiert werden konnte. Ich danke deshalb an erster Stelle allen Autoren, die durch ihre fast einmütige Zusage zur Mitarbeit das Werden dieses Buches ermöglicht haben. Die bei einem Vielautorenbuch unvermeidlichen Überschneidungen sind soweit wie möglich vermieden worden, zum Teil mit schmerzlichen Abstrichen in manchen Kapiteln. Das Verständnis der betroffenen Autoren hat mir bei der redaktionellen Arbeit viel geholfen. Unterschiedliche Auffassungen vor allem in bezug auf therapeutische Grundsätze wurden belassen; sie spiegeln ungelöste Probleme am besten wider. Der methodische Anhang wichtiger blutgruppenserologischer und immunhämatologischer Methoden wurde von erfahrenen Mitarbeitern unseres Instituts gestaltet; wir hoffen, so den sich aus der Notwendigkeit zur Beschränkung ergebenden Nachteil durch die Erfahrungen einer Arbeitsgruppe wettmachen zu können. Dem Springer-Verlag, insbesondere Herrn Dr. Wieczorek, danke ich für großzügiges Entgegenkommen und Verständnis für mancherlei redaktionelle Wünsche, vor allem aber für die Zustimmung zu der gegenüber dem ursprünglichen Plan unvermeidlichen Umfangserweiterung. Dankbar erwähnen möchte ich schließlich den engagierten Einsatz meiner Sekretärin, Frau Inge Lenssen, die mir durch ihre stets zuverlässige Hilfe die Arbeit sehr erleichtert hat. Es war unser Anliegen, mit dem vorliegenden Werk den umschriebenen, aber gewichtigen Platz der Transfusionsmedizin im Kontext der Humanmedizin aufzuzeigen. Ich hoffe, dass dies gelungen ist. Christian Mueller-Eckhardt Gießen, im Februar 1988
VII
Inhaltsverzeichnis I
Grundlagen der Transfusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1
Geschichte der Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 J. Benedum†
1.1 1.2 1.3 1.4
Die Ära vor der Entdeckung des Blutkreislaufs: Blut als Lebensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Die Ära nach der Entdeckung des Blutkreislaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Die vorserologische Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Die serologische Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2
Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 J. Dengler und P. Dreger
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Hämatopoetische Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Erythrozytäres System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Granulozytäres System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Monozyten-Makrophagen-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Thrombozytäres System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Lymphatisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3
Kreislaufphysiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 T. Scheeren, S.M. Hergert und G. Nöldge-Schomburg
3.1 3.2 3.3
Blutvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Rheologische Eigenschaften des Blutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Leukozyten-Endothel-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4
Physiologie des Hämostasesystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 A. Greinacher
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 Endothel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Plasmatische Gerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Fibrinolysesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
5
Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 B. Fleischer
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Präsentation von Antigenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B-Lymphozyten und Antikörper-produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Komplementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 T-Lymphozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Physiologie der Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Immunpathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Immundefizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
6
Immunreaktionen gegen Erythrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 A. Salama
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8
Erythrozytäre Antigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 Erythrozytäre Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 Extra- und intravasale Immunhämolysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 Alloimmunhämolysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Autoimmunhämolytische Anämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Medikamentös induzierte Immunhämolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86 Transplantationsinduzierte Immunhämolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
VIII
Inhaltsverzeichnis
7
Immunreaktionen gegen Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 V. Kiefel
7.1 7.2 7.3
Wirkungen von Autoantikörpern gegen Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Thrombozytäre Alloimmunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Immunthrombozytopenie nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen und nach Transplantation solider Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
8
Immunreaktionen gegen neutrophile Granulozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 J. Bux
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Neonatale Immunneutropenie (NIN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Immunneutropenie nach Knochenmark- und Stammzelltransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Autoimmunneutropenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Medikamenten-induzierte Immunneutropenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .102 Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .102 Transfusionsassoziierte Alloimmunneutropenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103 Febrile nichthämolytische Transfusions-reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103 Ineffektive Granulozytentransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103
9
Eisenstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 P. Schuff-Werner
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8
Homöostase und physiologische Bedeutung des Eisens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Molekulare Mechanismen der Eisenresorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Eisenspeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Eisenüberladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Eisenmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Blutspende, Transfusion und Eisenstatus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Laboruntersuchungen zur Erfassung des Eisenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
10
Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123 A. Sputtek
10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6
Historischer Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124 Grundlegende Vorgänge beim Gefrieren von Zellsuspensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124 Erythrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Leukozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 Hämatopoetische Progenitorzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129
11
Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 W. A. Flegel und F. F. Wagner
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6
Blutgruppe und Blutgruppenantigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Klinische Bedeutung der Blutgruppenantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Die ABO-, H- und Lewis-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Das Rhesussystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Weitere Protein-basierte Blutgruppensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
12
Alloantigene auf Granulozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 J. Bux
12.1 12.2 12.3 12.4
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Systemische Antigene (HLA, ABH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Humane Neutrophilen-Alloantigene (HNA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Antikörpernachweismethoden und Antigenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Inhaltsverzeichnis
IX
13
Alloantigene von Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 V. Kiefel und S. Santoso
13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 ABH-Antigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 HLA-Antigene auf Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Thrombozytäre Alloantigene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Niedrig frequente Alloantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Bisher nicht sicher anerkannte Alloantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Das Isoantigen Nak(a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Thrombozytäre Alloantigene als Risikomarker für arterielle Thrombosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
14
Das HLA-System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 G. F. Fischer und W. R. Mayr
14.1 14.2 14.3 14.4
Historische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Allgemeine Methodik und Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Genetischer Aufbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Funktion und biologische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
15
Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 R. Zimmermann, A. W. Bender und R. Eckstein
15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7 15.8 15.9 15.10
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 Begriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 Transfusionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .208 Standard im Blutspende- und Transfusionswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Anwendung von Blutprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Autologe Hämotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Risikokommunikation, Rückverfolgung und Meldewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Haftungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
II
Blutkomponenten und Plasmaderivate
16
Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 U. J. H. Sachs und J. Bux
16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6 16.7 16.8 16.9 16.10
Physiologische Grundlagen der Blutspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Blutspender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Blutentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Herstellung von Blutkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Lagerung von Blutkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Sonderpräparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Hämapherese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Blut für Neugeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Sterile Schlauchverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Transport von Blutkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
17
Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 M. Wiesneth
17.1 17.2 17.3 17.4 17.5
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Mobilisation von peripheren Blutstammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Blutstammzellapherese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Präparation von Blutstammzelltransplantaten: Selektion und Depletion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
18
Stammzellen aus Nabelschnurblut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .261 P. Schlenke, U. Cassens und W. Sibrowski
18.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
X
Inhaltsverzeichnis
18.2 18.3 18.4 18.5 18.6 18.7 18.8
Nabelschnurblut als Arzneimittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Gewinnung und Aufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Stammzelldosis und Stammzelleigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .264 Immunologische Verträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .264 Indikationen und klinische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .266 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
19
Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A. Gröner und M. Konrad
19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 19.6 19.7 19.8
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Ausgangsmaterial Plasma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Verfahren zur Proteinreinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Therapeutische Plasmaproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Verfahren zur Virusreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Verfahren zur Prionenreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Rekombinante Plasmaproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Qualitätsmanagement bei der Produktion von Plasmaderivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
III
Therapie mit Blutkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
20
Technik der Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 A. Greinacher
20.1 20.2 20.3 20.4
Vorbereitung der Transfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .290 Durchführung der Transfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Erwärmen von Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Transfusionen bei kleinen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .294
21
Akuter Blutverlust in der operativen Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 T. Scheeren, S. M. Hergert und G. Nöldge-Schomburg
21.1 21.2 21.3 21.4 21.5 21.6
Allgemeine Richtgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .298 Für den Volumenersatz verfügbare Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Fremdblutsparende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Stufenkonzept der Substitution von Blutverlusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Einfl uss des Alters der Erythrozytenkonzentrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .306 Klinische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
22
Therapie mit Erythrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 A. Salama und M. Welte
22.1 22.2 22.3 22.4 22.5 22.6 22.7 22.8 22.9 22.10 22.11 22.12 22.13
Grundlagen der Sauerstoff versorgung und physiologische Kompensationsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Lagerungseff ekte auf Erythrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Verfügbare Erythrozytenkonzentrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Indikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Therapie bei akutem Blutverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Chronische Anämien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 EK-Transfusionen bei Feten und Kleinkindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Dosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Indikationen für spezielle Erythrozytenkonzentrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Auswahl und Dosierung von Erythrozytenkonzentraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Art der Anwendung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
23
Therapie mit Granulozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .321 J. Bux und U. J. H. Sachs Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
23.1
Inhaltsverzeichnis
XI
23.2 23.3 23.4
Bildung, Kinetik und Verteilung der Granulozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Herstellung von Granulozytenkonzentraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Granulozytentransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
24
Therapie mit Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .327 H. Kroll und V. Kiefel Historische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Thrombozytenkinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Thrombozytenpräparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Auswahl, Dosierung und Art der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Wirksamkeitskriterien und Refraktärzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Unerwünschte Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
24.1 24.2 24.3 24.4 24.5 24.6 24.7 24.8
IV
Therapie mit Plasmaderivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
25
Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 E. Seifried, M. M. Müller, W. Miesbach und J. Oldenburg Hämophilie A und B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .344 Andere hereditäre Faktorenmangelzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 von-Willebrand-Syndrom (vWS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
25.1 25.2 25.3
26 26.1 26.2 26.3 26.4 26.5 26.6 26.7 26.8 26.9
27 27.1 27.2 27.3 27.4
28 28.1 28.2 28.3 28.4
29 29.1 29.2 29.3
Erworbene Gerinnungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .361 B. Pötzsch und K. Madlener Verlust- und Dilutionskoagulopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .364 Hepatische Gerinnungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Urämische Gerinnungsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .368 Leukämische Gerinnungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .368 Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura und andere mikroangiopathische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .369 Hemmkörperhämophilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Blutungen durch Antithrombotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Gerinnungsstörungen unklarer Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Thrombophile Gerinnungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 I. Pabinger Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Angeborene Thrombophilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Erworbene thrombophile Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Therapie angeborener und erworbener thrombophiler Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .380 Therapie mit Albumin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 J. Stange Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .384 Pathophysiologie: Hypoalbuminämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .384 Therapeutischer Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Zusammenfassende klinische Bewertung und weitere Aussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Therapie mit Immunglobulinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .389 U. Nydegger Struktur und Funktion von Immunglobulinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .390 Therapeutische Immunglobulinpräparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .390 Klinische Anwendung von Immunglobulinpräparaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
XII
Inhaltsverzeichnis
29.4
Unerwünschte Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .399 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .400
V
Therapie mit Blut und Blutbestandteilen in speziellen klinischen Situationen . . . . . . .403
30
Notfall- und Massivtransfusion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .405 V. Kretschmer und M. Weippert-Kretschmer Patientengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .406 Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Durchführung der Substitutionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
30.1 30.2 30.3 30.4
31 31.1 31.2 31.3
32 32.1 32.2 32.3 32.4
33 33.1 33.2 33.3 33.4
34 34.1 34.2 34.3 34.4
Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 H. Kroll und R. F. Maier Erkrankungen des Feten und Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .420 Erkrankungen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .442 Gewinnung von autologem Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .443 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .444 Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .449 N. Schmitz und B. Glaß Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .450 Transfusionen vor Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .450 Transfusion während und nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .454 Therapeutische Hämapherese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 B. Mansouri Taleghani Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .458 Therapeutischer Plasmaaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .462 Selektive Aphereseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .464 Therapeutische Zytapherese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 Immunmodulatorische Wirkung von Bluttransfusionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 G. Bein Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .480 Mechanismen der transfusionsinduzierten Immunmodulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .480 Klinische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .482 Gezielte Immunmodulation durch zelltherapeutische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .484 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .484
VI
Blutsparende Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487
35
Autologe Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 T. Zeiler Rechtliche Grundlagen autologer Hämotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .490 Präoperative Eigenblutspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .490 Intra- bzw. postoperative Blutrückgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .493 Hämodilution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .494 Aktueller Stellenwert der autologen Hämotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .495 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .496
35.1 35.2 35.3 35.4 35.5
36
Blutersatzlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .499 C. Weinstock, S. Dinkelmann und H. Northoff
36.1 36.2 36.3
Elektrolytlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Kolloidale Plasmaersatzlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Künstliche Sauerstoffträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
Inhaltsverzeichnis
XIII
VII
Unerwünschte Wirkungen von Blutübertragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .509
37
Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 V. Kiefel
37.1 37.2
Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 Nichtimmunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524
38
Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 G. Caspari und W. H. Gerlich
38.1 38.2 38.3 38.4
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 Strategien zur Erkennung und Verhütung von durch Blut übertragbaren Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Maßnahmen zur Verbesserung der Infektionssicherheit bei der Herstellung von Plasmaderivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Virusinfektionen durch Plasmaderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Virussicherheit rekombinanter Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
38.5 38.6
VIII
Methodischer Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
39
Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 A. Salama und G. Heymann
39.1 39.2 39.3 39.4 39.5 39.6 39.7 39.8
Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 Blutgruppenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 Nachweis und Spezifitätsbestimmung (Differenzierung) erythrozytärer Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Spezielle Verfahren in der Diagnostik von Immunhämolysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 Befundkonstellationen und ihre Interpretation bei immunhämolytischen Syndromen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Blutgruppenidentitätstest am Krankenbett (Bedside-Test) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .588 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588
40
Nachweis von thrombozytären Antigenen und Antikörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 V. Kiefel und S. Santoso
40.1 40.2 40.3 40.4 40.5 40.6 40.7 40.8
Isolierung von Thrombozyten für immunologische Untersuchungen durch Differenzialzentrifugation . . . 592 Enzymimmunoassay für thrombozytäre Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 Thrombozyten-Suspensions-Immunfluoreszenztest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 MAIPA-Assay (»monoclonal antibody immobilization of platelet antigens«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Immunpräzipitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Nachweis medikamentabhängiger thrombozytärer Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Absorption/Elution von thrombozytären Antikörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Bestimmung thrombozytärer Alloantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595
41
Nachweis von granulozytären Antigenen und Antikörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 A. Reil und J. Bux
41.1 41.2 41.3 41.4 41.5 41.6
Granulozytenimmunfluoreszenztest (GIFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Granulozytenaggregations- oder-agglutinationstest (GAT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweis medikamentenabhängiger granulozytärer Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphozytenimmunfluoreszenztest (LIFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glykoproteinspezifischer Enzymimmuntest (MAIGA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der HNA-1-, -3-, -4- und -5-Genotypen durch allel(sequenz)spezifische Polymerasekettenreaktion (PCR-SSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laboruntersuchung von antikörperbedingter TRALI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41.7
598 599 599 600 600 601 602 602
42
Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .605 R. Waßmuth
42.1 42.2
HLA-Typisierung: Serologische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 HLA-Antikörpernachweis und -spezifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
XIV
Inhaltsverzeichnis
42.3 42.4 42.5 42.6
HLA-Typisierung: molekulargenetische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 Indikation und Auflösungsgrad der Genotypisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617
XV
Autorenverzeichnis Bein, Gregor, Prof. Dr. Institut für Klin. Immunologie u. Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Gießen u. Marburg GmbH Langhansstr. 7 35385 Gießen
Eckstein, Reinhold, Prof. Dr. Transfusionsmedizinische u. Hämostaseologische Abteilung in der Chirurgischen Klinik Universitätsklinikum Erlangen Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen
Bender, Albrecht W., Dr. jur. Universitätsklinikum Erlangen Maximiliansplatz 2 91054 Erlangen
Fischer, Gottfried, Prof. Dr. Univ.-Klinik für Blutgruppenserologie u. Transfusionsmedizin Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien
Bux, Jürgen, Prof. Dr. DRK-Blutspendedienst West gemeinnützige GmbH Feithstr. 182 58097 Hagen Caspari, Gregor, PD Dr. LADR GmbH MVZ Berlin Alt-Moabit 91a 10559 Berlin Cassens, U., PD Dr. Institut für Transfusionsmedizin Kliniken Dortmund gGmbH Alexanderstr. 30 44137 Dortmund
Flegel, Willy A., Prof. Dr. Department of Transfusion Medicine, Clinical Center National Institutes of Health 9000 Rockville Pike 20892-1184 Bethesda MD United States of America Fleischer Bernhard, Prof. Dr. Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Bernhard-Nocht-Str. 74 20359 Hamburg Institut für Immunologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 20246 Hamburg
Dengler, Jolanta, Dr. Abt. Innere Medizin V Universitätsklinikum Heidelberg Medizinische Klinik Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg
Gerlich, Wolfram H., Prof. Dr. Institut für Med. Virologie Justus-Liebig-Universität Frankfurter Str. 107 35392 Gießen
Dinkelmann, Stephanie, Dr. med. Eugen-Bindewalstr. 62 67657 Kaiserslautern
Glaß, B., Prof. Dr. Abt. für Hämatologie, Onkologie u. Stammzelltransplantation Asklepios Klinik St. Georg Lohmühlenstr. 5 20099 Hamburg
Dreger, Peter, Prof. Dr. Abt. Innere Medizin V Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg
Greinacher, Andreas, Prof. Dr. Abtg für Transfusionsmedizin Inst. für Immunologie Universitätsklinikum Greifswald AöR Ferdinand-Sauerbruch-Str. 17475 Greifswald
Gröner, Albrecht, Dr. CSL Behring GmbH Emil-von-Behring-Str. 76 35041 Marburg Hergert, Stephan, M. Dr. Klinik u. Poliklinik f. Anästhesiologie u. Intensivtherapie Univ.-Klinikum Rostock AöR Schillingallee 35 18057 Rostock Heymann, Guido, Dr. Zentrale Abteilung für Labormedizin DRK-Kliniken Berlin Spandauer Damm 130 14050 Berlin Kiefel, Volker, Prof. Dr. Abteilung für Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Rostock AöR Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock Konrad, Manfred, Dipl. HTL-Ing. Hermann-Bahner-Straße 15 63225 Langen Kretschmer, Volker, Prof. (em) Dr. Ehemaliger Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie der Philipps-Universität Marburg Am Weitenmoor 9 18198 Kritzmow Kroll, Hartmut, Dr. Institut für Transfusionsmedizin Dessau DRK-Blutspendedienst NSTOB Altener Damm 50 06847 Dessau Madlener, Katharina, Dr. Funktionsbereich Hämostaseologie u. Transfusionsmedizin Kerckhoff-Klinik Benekestr. 2-8 61231 Bad Nauheim
XVI
Autorenverzeichnis
Maier, Rolf F., Prof. Dr. Zentrum für Kinder- u. Jugendmedizin Universitätsklinikum Gießen u. Marburg GmbH Standort Marburg Baldingerstr. 35033 Marburg Mansouri Taleghani, Behrouz, PD Dr. Klinik und Poliklinik für Hämatologie und Hämatologisches Zentrallabor Bereich Transfusionsmedizin Inselspital, Universitätsspital Bern CH-3010 Bern Mayr, Wolfgang R., Prof. Dr. Univ.-Klinik für Blutgruppenserologie u. Transfusionsmedizin Währinger Gürtel 18 -20 A-1090 Wien Miesbach, Wolfgang, Dr. Medizinische Klinik III - Hämophilieambulanz Johann-Wolfgang-Goethe-Universitätsklinik Frankfurt Haus 31 Theordor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt Müller, Markus M., Dr. Institut für Transfusionsmedizin u. Immunhämatologie; Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main DRK-Blutspendedienst BadenWürttemberg - Hessen gemeinnützige GmbH Sandhofstr. 1 60528 Frankfurt am Main Nöldge-Schomburg, Gabriele, Prof. Dr. Klinik u. Poliklinik f. Anästhesiologie u. Intensivtherapie Univ.-Klinikum Rostock AöR Schillingallee 35 18057 Rostock Northoff, Hinnak, Prof. Dr. Zentrum für klinische Transfusionsmedizin Tübingen gGmbH (ZKT) und Institut für Klinische und Experimentelle Transfusionsmedizin(IKET) Universitätsklinikum Tübingen Otfried-Müller-Str. 4/1 72076 Tübingen
Nydegger, Urs, Prof. Dr. Labormedizinisches Zentrum Dr. Risch Waldeggstrasse 37 CH-3097 Liebefeld (Bern) Oldenburg, Johannes, Prof. Dr. Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn Pabinger-Fasching, Ingrid, Univ.-Prof. Klinische Abt. für Hämatologie u. Hämostaseologie Universitätsklinik für Innere Medizin I Medizinische Universität Wien Allg. Krankenhaus Wien Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Pötzsch, Bernd, Prof. Dr. Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin Rheinische FriedrichWilhelms-Universität Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn Reil, Angelika, Dr. DRK Blutspendedienst West gGmbH Feithstr. 182 58097 Hagen Sachs, Ulrich, PD Dr. Institut für klinische Immunologie u. Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Gießen Langhansstr. 7 35392 Gießen Salama, Abdulgabar, Prof. Dr. Campus Virchow-Klinikum Institut für Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Charité Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Santoso, Sentot, Dr. rer. nat. Institut für Klin. Immunologie u. Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Gießen u. Marburg GmbH Langhansstr. 7 35385 Gießen
Scheeren, Thomas, Prof. Dr. Abteilung Anästhesiologie Universitätsmedizinisches Zentrum Groningen Universität Groningen Hanzeplein 1 NL-9700 RB Groningen Schlenke, Peter, PD Dr. Institut für Transfusionsmedizin u. Transplantationsimmunologie Universitätsklinikum Münster Domagkstr. 11 48149 Münster Schmitz, N., Prof. Dr. Abt. für Hämatologie, Onkologie u. Stammzelltransplantation Asklepios Klinik St. Georg Lohmühlenstr. 5 20099 Hamburg Schuff-Werner, Peter, Prof. Dr. Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Universitätsklinikum Rostock AöR Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock Seifried, Erhard, Prof. Dr. med. Dr. h.c. Institut für Transfusionsmedizin u. Immunhämatologie; Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main DRK-Blutspendedienst BadenWürttemberg - Hessen gemeinnützige GmbH Sandhofstr. 1 60528 Frankfurt/Main Sibrowski, Walter, Prof. Dr. Institut für Transfusionsmedizin und Transplantationsimmunologie Universitätsklinikum Münster Domagkstr. 11 48149 Münster Sputtek, Andreas, Dr. Institut für Transfusionsmedizin Univ.-Klinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg
XVII
Autorenverzeichnis
Stange, Jan, Prof. Dr. Sektion Nephrologie der Abteilung für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin Medizinische Klinik II des Zentrums für Innere Medizin Universitätsklinikum Rostock (AÖR) Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock Wagner, Franz F., PD Dr. DRK-Blutspendedienst NSTOB Zentralinstitut Springe Eldagsener Str. 38 31830 Springe Waßmuth, Ralf, Prof. Dr. Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstr. 5 40225 Düsseldorf Weinstock, Christof, Dr. med. Immunhämatologie und Transplantationsimmunologie DRK-Blutspendedienst Rheinland-Pfalz und Saarland gGmbH Burgweg 5-7 55543 Bad Kreuznach Weippert-Kretschmer, Monika, Dr. med. Medizinisches Labor Rostock Südring 81 18059 Rostock Welte, Martin, Prof. Dr. Institut für Anästhesiologie u. operative Intensivmedizin Klinikum Darmstadt Grafenstr. 9 64283 Darmstadt
Wiesneth, Markus, Dr. Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm, Universitätsklinikum Ulm Helmholtzstraße 10 89081 Ulm Zeiler, Thomas, PD Dr. DRK-Blutspendedienst West gGmbH Zentrum für Transfusionsmedizin Breitscheid Linneper Weg 1 40885 Ratingen Zimmermann, Robert, Prof. Dr. Transfusionsmedizinische u. Hämostaseologische Abteilung in der Chirurgischen Klinik Universitätsklinikum Erlangen Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen
1
Grundlagen der Transfusionstherapie Kapitel 1
Geschichte der Bluttransfusion – 3 J. Benedum†
Kapitel 2
Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen – 17 J. Dengler und P. Dreger
Kapitel 3
Kreislaufphysiologische Grundlagen – 35 T. Scheeren, S. M. Hergert und G. Nöldge-Schomburg
Kapitel 4
Physiologie des Hämostasesystems – 45 A.Greinacher
Kapitel 5
Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems – 63 B. Fleischer
Kapitel 6
Immunreaktionen gegen Erythrozyten – 79 A. Salama
Kapitel 7
Immunreaktionen gegen Thrombozyten – 91 V. Kiefel
Kapitel 8
Immunreaktionen gegen neutrophile Granulozyten – 99 J. Bux
Kapitel 9
Eisenstoffwechsel – 105 P. Schuff-Werner
Kapitel 10
Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen – 123 A. Sputtek
Kapitel 11
Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten – 133 W. A. Flegel und F. F. Wagner
Kapitel 12
Alloantigene auf Granulozyten – 169 J. Bux
I
Kapitel 13
Alloantigene von Thrombozyten – 177 V. Kiefel und S. Santoso
Kapitel 14
Das HLA-System – 189 G. F. Fischer und W. R. Mayr
Kapitel 15
Rechtliche Grundlagen – 205 R. Zimmermann, A. W. Bender und R. Eckstein
3
Geschichte der Bluttransfusion J. Benedum†
1.1
Die Ära vor der Entdeckung des Blutkreislaufs: Blut als Lebensträger – 4
1.2
Die Ära nach der Entdeckung des Blutkreislaufs – 5
1.2.1
Die »Chirurgia transfusoria« – 5
1.3
Die vorserologische Ära – 8
1.3.1
Die Wiederaufnahme der Tierversuche und die ersten Bluttransfusionen von Mensch zu Mensch – 8 Der Streit um die Defibrination und der Rückfall in die Lammbluttransfusion – 9
1.3.2
1.4
Die serologische Ära – 11
1.4.1 1.4.2
Die Entdeckung der Blutgruppen – 11 Der Ausbau der Bluttransfusion – 12
Literatur – 13
1
4
1
Kapitel 1 • Geschichte der Bluttransfusion
Die Bedeutung des Blutes für Gesundheit, Leben und Sterben hat die Menschen zu allen Zeiten in ihren Bann gezogen. Der historische Abriss von den dem Blut im Altertum zugeschriebenen wundertätigen Wirkungen bis hin zur allmählichen Aufklärung seiner vielfältigen Funktionen und Krankheitszustände in den letzten Jahrhunderten ist ein faszinierendes Kapitel der Medizingeschichte.
» Die Geschichte der Wissenschaft (ist) die Wissenschaft selbst « J. W. von Goethe (Vorwort zur Farbenlehre, 1810)
1.1
Die Ära vor der Entdeckung des Blutkreislaufs: Blut als Lebensträger
Blut gilt von alters her als Sitz des Lebens und des Bewusstseins. Sein Verlust bedeutet Tod, seine Zufuhr Nahrung, Kraft und Gesundheit. »Die Seele wird vom Blut genährt«, soll Pythagoras [1] gesagt und Empedokles [2] hinzugefügt haben: »Des Herzens Blut ist der Menschen Denkkraft.« Hippokrates [3] überlieferte: »Das Blut verleiht dem Menschen das Bewusstsein.« So hatte schon Odysseus die Schatten der Unterwelt durch Bluttrank zeitweilig ins Leben zurückgerufen [4]. Da Epilepsie als Bewusstseinsstörung infolge Blutleere des Gehirns galt, überrascht die Bluttherapie beim Morbus sacer nicht. »Sie reinigen die Fallsüchtigen mit Blut« schrieb Hippokrates [5], und Plinius [6] bemerkte: »Das Trinken von Tierblut wird als Heilmittel für Epilepsie in höchstem Maße gepriesen.« Wie spätere Autoren anführten, wurde möglichst frisches und lebensspendendes Blut z. B. von Schildkröten und Tauben [7], von Schwalben und Geiern [8] entweder direkt aus dem Blutgefäß gesogen oder dem Kranken in den Mund geträufelt. Auch das Besprengen mit Maulwurfsblut ließ nach Plinius [9] Besessene wieder zum Bewusstsein gelangen. Noch wirksamer war jedoch Menschenblut. So schilderte Plinius [10]: »Die Epileptiker trinken das Blut der Gladiatoren wie aus lebenden Bechern …, indem sie aus dem Kuss der Wunden die lebendige Seele aussaugen.« Denn das Blut von Gladiatoren und Märtyrern war das Blut gewaltsam und nicht aus Alter und Krankheit Verstorbener und daher besonders stärkend und heilkräftig. So fand z. B. Faustina, die Gemahlin des Kaisers Mark Aurel, durch Gladiatorenblut die Heilung ihres Gemütsleidens. War kein frisches Fremdblut greifbar, stach man nach Plinius [11] dem Kranken in beide Großzehen und bestrich mit den hervorquellenden Blutstropfen sein Gesicht. Das brachte den Niedergestürzten wieder zum Aufstehen. Auch war das Bestreichen mit Menschenblut weniger barbarisch als das Trinken. Doch sollte das frische, vom Menschen in voller Lebenskraft gewonnene Blut wegen seiner euergetischen und kathartischen Wirkung über die Jahrhunderte hinaus seine hohe Wertschätzung behalten (Übersicht bei [12]). Ein Beispiel für viele sei vor Augen geführt (. Abb. 1.1): In dem Petrus Ansolinus de Ebulo zugeschriebenen »Carmen de rebus siculis«, das wohl dem 13. Jahrhundert angehören dürfte, ist im Zusammenhang mit den »Scelera Bigami« eine Szene abgebildet, bei der ein als Bigamus bezeichneter »Matheus cancellarius« seine Füße in einem Becken badet, in das das Blut eines soeben geköpften Knaben fließt. Die Beischrift lautet in deutscher Übersetzung: »Jedesmal, wenn der Bigamus am Podagraschmerz litt, ließ er Knaben töten und hielt seine Füße in deren Blut« [13]. Von einer Bluttherapie ist damit sowohl beim Morbus sacer als auch beim Morbus podagricus auszugehen.
. Abb. 1.1 Hämotherapie beim Morbus podagricus nach Petrus Ansolinus de Ebulo, De rebus siculis carmen, a cura di E. Rota, Città de Castello 1904, Particula XVII, S. 71 f., Tafel XVIII
Dies gilt besonders für den uralten Traum des Menschen, das Leben durch Verjüngung zu verlängern. Dabei war der Glaube an die Übertragbarkeit der Gesundheit des jungen Menschen auf den Greis grundlegend [14]. So hatte schon Galen [15] den vom Wärmedefizit geplagten Alten empfohlen, bei Magenbeschwerden ein Kind oder einen Hund auf den Leib zu legen. Aus dieser empirisch begründeten Wärmetherapie war dann im Secretum secretorum [16] die Anweisung geworden, bei Magenschmerzen »ein warmes und hübsches Mädchen zu umarmen«, woraus R. Bacon [17] dann seine Theorie vom »Fumus iuventutis« entwickelte. Dank dieser geheimnisvollen »Ausdünstung der Jugend« soll selbst noch H. Boerhaave [18] einen greisen Amsterdamer Bürgermeister, den er »zwischen zwey jungen Leuten« schlafen ließ, wieder zu Kräften gebracht haben. Damit schien die alte Nachricht bestätigt, wonach bereits Clodius Hermippus [19] durch den »Anhauch von Mädchen« (»Puellarum anhelitu«) 115 Jahre alt geworden war. So gab es schließlich noch 1797 im aufgeklärten Paris ein Institut, das müde Greisenkörper – gegen Honorar – im »Dunstkreis der Jugend« wieder auffrischte [20]. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, die tastenden Anfänge einer Blutübertragung in der Gerokomie anzutreffen. So empfahl der Florentiner Arzt Marsilius Ficinus [21] bereits 1489: »Greise sollen nach Art der Blutegel aus der frisch eröffneten linken Armvene eine oder zwei Unzen saugen«, und der sterbende Papst Innozenz VIII., dem G. Zerbis 1489 das erste Lehrbuch der Greisenbetreuung gewidmet hatte, trank 1492 das Blut 10-jähriger
1.2 • Die Ära nach der Entdeckung des Blutkreislaufs
Knaben [22], freilich ohne Erfolg. Rückblickend urteilte bereits 1557 der Mailänder Naturforscher H. Cardanus [23]: »Die einen hoffen, Blut mit doppelter, die anderen mit einfacher Röhre austauschen zu können«, und 1593 sprach der Rostocker Arzt M. Pegel [24] von einem einzigartigen chirurgischen Verfahren, das »von außen Gutes (bona) eingeben und innen vieles Schädliche (noxia) abwenden könne«. Ebenso beschrieb der Alchemist A. Libavius [25] im Jahre 1615 zwei ineinander passende Silberröhren, durch die »das arterielle, warme und gasreiche Blut vom Gesunden auf den Kranken überspringen wird«. Triebfeder dieser »operatio nova incognita« war die Hoffnung auf Erneuerung (»Spes renovationis«), derzufolge »die jugendliche Kraft auf den Greis und die gesunde Veranlagung vom Gesunden auf den Kranken übergehe« (»ut vis juvenilis migret in senem et sana constitutio ex sano in aegrotum«). Schließlich bestätigt 1628 der Paduaner Arzt J. Colle [26], dass die Blutübertragung im Jahr der Entdeckung des Blutkreislaufs schon längst zu den lebensverlängernden Maßnahmen zählte. Wenn Colle schreibt, »dass Blut von der Vene eines bislang gesunden Jünglings über eine Röhre noch warm in die Vene eines Greises gelange«, dagegen aber A. Libavius rät, die Arterie des Gesunden mit der Arterie des Kranken durch eine Röhre zu verbinden, dann wird man am technischen Erfolg [27], nicht aber an den Versuchen zur Durchführung einer Blutübertragung zweifeln dürfen. Denn die Übertragung von Vene zu Vene bzw. von Arterie zu Arterie entsprach ganz der wissenschaftlichen Lehrmeinung, wonach es zwei weitgehend voneinander getrennte Gefäßsysteme im menschlichen Körper gab: ein bluthaltiges venöses und ein Pneuma-Blut-Gemisch führendes arterielles System, die beide ohne Kreislauf vom Zentrum zur Peripherie nach dem Prinzip von Ebbe und Flut strömten. Die epochale Entdeckung bzw. Publikation des Blutkreislaufs durch W. Harvey [28] im Jahre 1628 sollte sich erst allmählich auswirken. 1.2
Die Ära nach der Entdeckung des Blutkreislaufs
1.2.1
Die »Chirurgia transfusoria«
Am Anfang der intravenösen Injektion stand die Anekdote vom experimentierfreudigen Rittmeister Hans Gürge von Wahrendorff, der »anno 1642« Hunde zum Spaß mit Wein betrunken gemacht hatte. Am Beginn der Bluttransfusion steht der englische Landgeistliche F. Potter (1594–1678), der bereits um 1640 Überlegungen zur Bluttransfusion angestellt haben soll [29]. Da er seine diesbezüglichen Pläne der erst 1660 ins Leben gerufenen Royal Society mitteilte und diese ihn am 11.11.1663 zu ihrem Mitglied ernannte, dürften die Versuche wohl erst nach 1660 bzw. 1663 erfolgt sein. Selbst wenn Vorversuche vor 1660 stattgefunden haben sollten, so haben diese keine Aufnahme in die seit 1665 erschienenen Philosophical Transactions gefunden. Vielleicht waren sie insgesamt zu dilettantisch. Zumindest soll eine von Potter um 1650 vorgenommene »Blutübertragung« lediglich aus der zaghaften Injektion einer geringen Blutmenge in die Vene eines Tieres bestanden haben. Auch wenn demnach die ersten intravenösen Injektionen von Medikamenten erst 6 Jahre später, nämlich 1656 durch C. Wren erfolgt sind, so bleibt doch davon die Tatsache unberührt, dass die »Chirurgia infusoria« Vorreiterin ihrer geheimnisumwitterten jüngeren Schwester war. Dieses Geheimnis lag in der bangen Erwartung, ob einem Hund, dem Schafsblut verabreicht worden war, Wolle und Hörner wachsen würden. Würde er seine Natur verlieren und die Furchtsamkeit des Schafes annehmen? Oder würde ein Schaf, dem Hundeblut übertragen worden war, die Bissigkeit des Hundes annehmen? Würden
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Hunde, deren Blut ausgetauscht worden war, überhaupt noch ihre Herren wiedererkennen? Würden durch Blutübertragungen Leben verlängert, Eigenschaften verpflanzt, Wachstum verändert, Krankheiten geheilt oder übertragen werden können? Schließlich hatte bereits Elsholtz [30] die Bluttransfusion zur Aussöhnung zerstrittener Geschwister oder Ehegatten empfohlen, Purmann beklagt, dass Patienten nach Schafsbluttransfusion noch jahrelang an »Schaf-Melancholie« litten und dass der geisteskranke Theologe A. Coga, dem am 23.11.1667 Lammblut übertragen worden war, einen Bericht an die Royal Society mit »Agnus Coga« unterzeichnete. War er doch nach der Zufuhr von Lammblut zu einer neuen Spezies geworden [31]. Die in uraltem Volksglauben wurzelnden Anschauungen vom Blut als Lebenselixier und von der Blutübertragung als Metempsychose sollten auf die ersten Transfusionsversuche stimulierend wirken (Übersicht bei [32]). Am 16.9.1663 hatte die Royal Society die Durchführung von Bluttransfusionen an Hunden angeregt. Doch waren die entsprechenden Versuche von T. Clarke im Jahr 1664 ebenso wie die von T. Coxe (1615–1703) im Mai 1665 an Tauben und im Juni 1665 an Hunden gescheitert. Eine u. a. aus T. Coxe, dem Physiker J. Wilkins (1614–1672) und dem berühmten R. Hooke (1635–1703) am 31.5.1665 gebildete Kommission sollte die Vorgänge bei der Blutübertragung prüfen. Am 26.6.1666 bat jedoch R. Boyle im Auftrag der Royal Society den Physiologen R. Lower (1631–1691) um einen schriftlichen Bericht über die von ihm Ende Februar 1666 in Oxford durchgeführten Bluttransfusionen. Der Mathematiker J. Wallis (1616–1703) war Augenzeuge gewesen und hatte sogleich die Royal Society unterrichtet. Der Bericht Lowers ging am 6.7. 1666 ein, wurde aber erst am 16.9.1666 vor dem Plenum verlesen. Danach hatte Lower [33] nach verschiedenen Vorversuchen, bei denen nur mühsam Blut über eine Röhre von einer V. jugularis zur anderen übertragen worden war, Blut von Hund zu Hund direkt aus der A. cervicalis in die V. jugularis geleitet. Der Versuch verlief ohne Zwischenfall, ja der Hund, dem mehrfach das gesamte Körperblut ausgetauscht worden war, sprang am Ende vom Tisch, »wälzte sich im Gras und zeigte kein anderes Zeichen von Beeinträchtigung, als wenn er ins Wasser geworfen worden wäre« [34]. Am 5.11.1666 wurde der Versuch vor der Royal Society in London wiederholt. Die Experimentatoren waren der spätere Leibarzt Karls II. E. King (1629–1709) und der schon genannte T. Coxe, der erstmals eine Uhr zur Messung der transfundierten Blutmenge benutzte und auch die erste störungsfreie Übertragung von Vene zu Vene durchführte. Liest man die einzelnen Berichte, so ist nur selten vom Tod des Empfängertieres, von Zuckungen oder von Apathie die Rede. Misserfolge hielt man offenbar einer besonderen Erwähnung für unwürdig. Immerhin wurde klar, dass eine Bluttransfusion keine Wesensänderung beim Empfängertier hervorrief, aber bei Verwendung verschiedener Tierarten meist der Tod eintrat. Dies führte zu ersten Überlegungen über das Wesen der Bluttransfusion. Die englischen Erfolge mit der Blutübertragung von Tier zu Tier verfehlten natürlich auf dem Festland ihre Wirkung nicht. Vor allem in Frankreich, wo man nicht so sehr am physiologischen Experiment als vielmehr am therapeutischen Einsatz der Bluttransfusion interessiert war, waren seitens der Académie des Sciences bereits zwischen dem 22.1. und 21.3.1667 allein 7 Bluttransfusionen an Tieren mit Erfolg durchgeführt worden (. Tab. 1.1). Daran beteiligt waren der Arzt C. Perrault (1613–1688) und der Chirurg L. Gayant. Nähere Einzelheiten sind jedoch nicht bekannt. Denn die Ergebnisse wurden zumeist an entlegeneren Orten publiziert, weil die Koryphäen der Schulmedizin wie z. B. Patin (1601–1672) die »Chirurgia transfusoria« scharf verurteilten. Abgesehen vom Prioritätsanspruch, den die Franzosen mit dem Benediktinermönch Dom
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Kapitel 1 • Geschichte der Bluttransfusion
. Tab. 1.1 Chirurgia transfusoria im 17. Jahrhundert Land
Tier → Tier
Tier → Mensch
England
Februar 1666: Lower
23.11.1667: Lower
Frankreich
22.1.1667: Perrault
15.6.1667: Denis
Italien
28.5.1667: Cassini
10.12.1667: Riva
Deutschland
1667: Elsholtz
1668: Purmann
. Abb. 1.3 Lamm-Mensch-Bluttransfusion nach P. Manfredi, De nova et inaudita medico-chirurgica operatione, sanguinem transfundente de individuo in individuum, prius in brutis et deinde in homine experta, Rom 1668
. Abb. 1.2 »Transfusion mutelle« nach C. Perrault, Essais de Physique, Bd. IV, Paris 1688, S. 411
Robert des Gabets aus Cluny begründeten und abgesehen vom Streit um technische Details, den Perrault mit einer von ihm konstruierten und eigens beim Tierversuch abgebildeten Spezialdoppelkanüle sowie mit der Forderung nach Verwendung der Schenkelgefäße führte (. Abb. 1.2), unterlag in Frankreich die Bluttransfusion am Menschen keiner größeren rechtlichen Beschränkung. Frankreich war daher gegenüber England wie auch Italien im Vorteil. So konnten nach insgesamt 19 angeblich ohne Todesfall verlaufenen Trans-
fusionsversuchen an Hunden – der erste hatte am 3.3.1667 stattgefunden – der Mathematiker und spätere königliche Leibarzt J.B. Denis (um 1635–1704) sowie der Chirurg P. Emmerez (gestorben 1690) am 15.6.1667 in Paris die erste Tierblutübertragung auf den Menschen vollziehen. Einem wegen fieberhafter Erkrankung durch zahlreiche Aderlässe geschwächten 15-jährigen Patienten wurde ohne schädliche Folgen das Blut eines Lammes transfundiert. Die präliminare Phlebotomie hatte dickflüssiges Blut ergeben, das als Ursache des Fiebers galt, sodass die Verdünnung durch Fremdblut berechtigte Hoffnung auf Erfolg versprach. Sträflicher Leichtsinn oder grenzenloser Wagemut? Die »Transfusoren« waren entschlossen, den Wert des therapeutischen Verfahrens am Menschen zu überprüfen. Die angewandte Technik war die der Engländer, bei der das Blut der A. cervicalis in die V. cubitalis übergeleitet wurde. Diese Methode ist z. B. auch in Italien zur Anwendung gekommen und von P. Manfredi [35] abgebildet worden (. Abb. 1.3). In Italien hatten übrigens nach ersten erfolgreichen Blutübertragungen durch D. Cassini am 28.5.1667 von Lamm zu Lamm und durch A. Carassini am 20.5.1668 vom Lamm auf einen alten und tauben Hund [36] der Wundarzt J. G. Riva (1627–1677) am 10., 11. und 15.12.1667 Lammblut bei 3 Patienten und P. Manfredi am 2.1.1668 Widderblut bei einem kranken Tischler z. T. mit Erfolg transfundiert [37]. Größtes Aufsehen erregten jedoch die anschließenden 3 weiteren Bluttransfusionen von Denis und Emmerez. Der erste Patient, ein stämmiger Sänftenträger von 45 Jahren, hatte nach der Lammblutübertragung das Spendertier auf der Stelle geschlachtet und den Rest des Tages mit Zechen zugebracht. Der zweite Patient, bei dem wegen eines vermutlichen Ileus die Bluttransfusion ohnehin nur mehr eine »ultima ratio« war, erhielt 200 cm3 Kalbsblut. Sein erst 30 h später erfolgter Tod blieb weitgehend unbeachtet. Schließlich endeten die beiden am 19. und 20.12.1667 an dem Kammerdiener Antoine Mauroy mit Kalbsblut vorgenommenen Transfusionen mit dem Ergebnis, dass die angebliche geistige Verwirrtheit zunächst behoben schien. Obwohl der erst Monate später erfolgte Tod von einem Pariser Gericht als Tod durch Vergiftung festgestellt wurde, führten die Transfusionsgegner den Tod auf die Blutübertragung zurück. Da der Prozess von Denis gegen die als Gattenmörderin verdächtigte Frau des Kammerdieners nie entschieden worden ist, ist eine Klärung nicht mehr möglich. Immerhin waren bei dieser Bluttransfusion Schweißausbruch, Nasenbluten, Erbrechen, Nierenschmerzen und Hämaturie aufgetreten. Doch konnten solche Zei-
1.2 • Die Ära nach der Entdeckung des Blutkreislaufs
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. Abb. 1.4 Blutaustausch: Aderlass mit gleichzeitiger Lammbluttransfusion nach J. Scultetus, Armamentarium Chirurgiae renovatum et auctum, Amsterdam 1672; Appendix von J. B. von Lamzweerde, Amsterdam 1671
chen auch als Beweis für die einsetzende Reinigung des verdorbenen Eigenblutes durch Fremdblut angesehen werden. Ob dabei das Blut auf chemisch-fermentativem oder physikalisch-mechanischem Wege aus dem gröberen in den feineren Zustand überführt wurde, war nur eine Frage der Auslegung und der dogmatischen Abhängigkeit vom iatrochemischen oder iatrophysikalischen Konzept. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der präliminare Aderlass, bei dem z. B. bis zu 64 Unzen (= 1,8 l) Blut abgelassen wurden, um die regenerierende Wirkung des transfundierten Fremdblutes voll zur Wirkung zu bringen. Auch die Verwendung von Tierblut lag in der Vorstellung begründet, dass Tiere von unmäßiger Lebensweise frei und daher rein sind. Ein solches reines Tier war in mehrfacher Hinsicht das Lamm. Auch herrschte Einigkeit darüber, dass man danach trachten müsse, das Blut mit den für Spender und Empfänger günstigsten »Lebensgeistern« zu finden und zusammenzuführen und gleichzeitig die drohende Gerinnungsgefahr, die Perrault als »délicatesse du sang« bezeichnete, abzuwenden. Dieser Absicht suchten zahlreiche technische Hilfsmittel zu entsprechen: Vom anfänglichen transparenten Federkiel über den Lerchen- und Entenknochen bis hin zu den kunstvoll gearbeiteten Silberkanülen. Wie die Abbildung bei J. Scultetus (1595–1645) vom Jahre 1672 lehrt, waren diese Kanülen mit einem Stück Darmrohr verbunden (. Abb. 1.4). Die Abbildung bei M. G. Purmann vom Jahre 1692 verdeutlicht, dass sie auch von einem kleinen Heißwassertank umgeben sein konnten (. Abb. 1.5). Auch ein gut beheiztes Zimmer sollte bereits einer Blutkoagulation entgegenwirken können. Die beiden abgebildeten Transfusionsszenen dürften darüber hinaus ein treffendes Bild des von Denis und Emmerez so eindringlich beschriebenen Vorganges wiedergeben: Zwar sind den Blutempfängern hier nicht die Augen verbunden, doch ist ihr Blick auch nicht auf den Transfusionsvorgang gerichtet, der seitlich und rückwärts von ihnen erfolgt. Es fällt besonders auf, dass sie dabei nicht liegen, sondern sitzen. Die Bluttransfusionen von Denis und Emmerez hatten großes Aufsehen erregt, und es kam, wie es kommen musste. Die unvermeidlichen Fehlschläge brachten die »Chirurgia transfusoria« in Verruf. So schränkte der französische Gerichtshof »Le Châtelet« am 17.4.1668 die Ausübung der Bluttransfusion durch Urteilsspruch in der Weise ein, dass »von nun an … keinem erlaubt sein sollte, ohne die Einwilligung eines der Pariser Fakultät angehörenden Arztes die Transfusion anzustellen«. Da niemand mehr einen Antrag zu stellen wagte, kam dieser richterliche Entscheid einem Todesurteil
. Abb. 1.5 Lammbluttransfusion nach präliminarem Aderlass nach M. G. Purmann, Großer und gantz neugewundener Lorbeer-Krantz oder Wund-Arztney, Frankfurt/Leipzig 1692, S. 284
über die »Chirurgia transfusoria« gleich. In Deutschland hatten nur der Feldchirurg des Großen Kurfürsten M. Purmann und der Regimentschirurg B. Kaufmann den Schritt in die Praxis gewagt. Im Jahre 1668 übertrugen sie nach ausgiebigem Aderlass aus der Medianvene dem angeblich an Lepra erkrankten Berliner Kaufmannssohn Wesslein mehrmals Blut aus der Carotis eines Lammes mit dem Ergebnis vollständiger Heilung. Die übrigen Bluttransfusionen an zwei skorbutischen Soldaten und an einem an Ausschlag leidenden Fischer blieben erfolglos. Die Patienten erkrankten an der noch gefährlicheren »Schaf-Melancholie«. Damit war die so erwartungsvoll begonnene Ära der Tierbluttransfusion fürs erste zu Ende. Im Jahre 1679 veröffentlichte der Nürnberger Arzt G. A. Mercklin (1644–1700) seine Schrift »Vom Aufgang und Untergang der Bluttransfusion« [38]. Obwohl das Titelkupfer Blutübertragungen vom Tier auf den Menschen und vom Menschen auf den Menschen zeigt, waren letztere bislang zu keinem Zeitpunkt erfolgt (. Abb. 1.6). Selbst Elsholtz [39], der in seiner »Clysmatica nova« vom Jahre 1667 eine Bluttransfusion vom Menschen auf den Menschen abgebildet (. Abb. 1.7) und die Anweisungen dazu gegeben hatte, hatte die Transfusion menschlichen Blutes abgelehnt, weil »es als barbarische Tat erscheinen könnte, zur Rettung des einen Menschen das Blut des anderen zu verwenden« [40]. Der Nürnberger Arzt und Schüler von M. Hofmann (1621–1698), der seinerseits Prioritätsansprüche in Sachen Bluttransfusion erhob, weist jedoch mit dem Titelkupfer in die Zukunft, wenn er die Tierbluttransfusion ablehnt und die Transfusion menschlichen Blutes für unverzichtbar erklärt. Da bislang aber nur wenig über den Menschen als Blutspender und Blutempfänger bekannt sei, verleiht er am Ende der Schrift seiner Forderung nach experimenteller Erforschung der Bluttransfusion
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Kapitel 1 • Geschichte der Bluttransfusion
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. Abb. 1.7 Bluttransfusion vom Menschen auf den Menschen nach J. S. Elsholtius, Clysmatica nova, Berlin/Köln 1667, Tafel IV, Figur V
. Abb. 1.6 Titelkupfer von G. A. Mercklin, De ortu et occasu transfusionis sanguinis, Nürnberg 1679
vom Menschen auf den Menschen mit den Worten Ausdruck [41]: »Mögen daher zu dieser Bluttransfusion möglichst viele Experimente gemacht werden!« Doch sollte zunächst eine Pause von rund 100 Jahren eintreten. 1.3
Die vorserologische Ära
1.3.1
Die Wiederaufnahme der Tierversuche und die ersten Bluttransfusionen von Mensch zu Mensch
Die Wiederaufnahme der Tierversuche zur Bluttransfusion erfolgte gegen Ende des 18. Jahrhunderts (Übersicht bei [42]). In Italien hatte der Professor medicinae practicae M. Rosa (1731–1812) zusammen mit dem Chirurgen A. Scarpa (1752–1832) 1783 zahlreiche Bluttransfusionen an Lämmern, Eseln, Kälbern, Stieren, Gemsen und sogar an Schildkröten vorgenommen, um Aufschluss über die Frage der Plethora, der Auswirkung venöser und arterieller sowie
gleichartiger und fremdartiger Blutübertragung zu erlangen. In England waren u. a. B. Harwood (um 1750–1814) im Jahre 1792 und ein Wundarzt Russell in Suffolk sogar mit der Transfusion von Lammblut bei einem hydropischen Kranken gefolgt. In Frankreich hatten sich u. a. A. Portal (1742–1832) bereits 1771 und in Dänemark 1796 u. a. P. Scheel (1773–1811), der Verfasser der noch heute unentbehrlichen Geschichte der Bluttransfusion, mit Transfusionsversuchen an Pferden und Hunden beschäftigt. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, sei nur bemerkt, dass abwertende Urteile wie das von J. D. Metzger (1739–1805) vom Jahre 1792, der die Transfusion »ein redendes Beyspiel von den Verirrungen des menschlichen Geistes« [43] nannte, neben Empfehlungen wie der von C. W. Hufeland (1762–1836) standen, die Bluttransfusion weiter zu erforschen und v. a. bei Asphyxie zur Anregung von Herz und Kreislauf einzusetzen [44]. Derjenige Arzt, der den Ausspruch tat: »Je mehr die Operation zur Auseinandersetzung, zum Widerspruch und zur Befürwortung anregt, umso besser. Wenn sie auf Irrtum beruht, lasst sie zugrunde gehen, wenn auf richtigen Grundsätzen, dann muss sie weiterleben …«, war jedoch der Engländer J. Blundell (1790–1877). Gemäß dem am 3.2.1818 von dem Chirurgen H. Cline (1750–1827) vor der »Medical and Chirurgical Society of London« ausgebreiteten Bericht [45] hatte sich der Physiologe und
9 1.3 • Die vorserologische Ära
. Abb. 1.9 Postpartale Bluttransfusion nach G.-J. Witkowski, Histoire des . Abb. 1.8 Blutübertragung nach J. Blundell, »Observations on Transfu-
Accouchements chez tous les Peuples, Appendice, L’Arsenal obstétrical, Paris 1887, S. 164, Figur 1060
sion of Blood«, The Lancet 1828/1829, 321
1.3.2 Geburtshelfer Blundell durch den uterinen Blutungstod einer frisch Entbundenen zu experimentellen Untersuchungen der Bluttransfusion veranlasst gesehen. Insgesamt 15 Versuche an Hunden z. T. mit menschlichem Blut hatten ihn zum Ergebnis geführt, dass einem drohenden Verblutungstod bereits durch Transfusion einer geringen Blutmenge begegnet werden kann, wobei arterielles Blut geeigneter als venöses erschienen war und Luft bis zu 20 cm3 ohne Schaden vom Organismus hatte verkraftet werden können. Insbesondere war klar geworden, dass fremdartiges Blut nicht vertragen wurde, dem Menschen also nur menschliches Blut übertragen werden durfte. Durch die Tierversuche ermutigt, wagte Blundell schließlich an einem kachektischen Patienten mit dessen Einwilligung die erste Bluttransfusion von Mensch zu Mensch. Die Obduktion des 56 h später Verstorbenen ergab einen »Scirrhus pylori« mit Tod infolge Inanition und Blutleere, aber keine Schädigung durch die Blutübertragung. Auch das von Blundell konstruierte und erstmals zur Direktübertragung eingesetzte Transfusionsgerät mit Trichter, Spritze und Mehrweghahn hatte sich zunächst bewährt [46]. Den Ruf als »Vater der modernen Transfusion« erwarb sich Blundell jedoch erst, als er 1825 die Bluttransfusion erstmals mit Erfolg an post partum ausgebluteten Frauen anwandte (. Abb. 1.8). Obwohl die Patientinnen z. T. bereits bewusstlos waren, konnten sie durch den Blutersatz wieder ins Leben zurückgerufen werden [47]. Wenn auch insgesamt nur die Hälfte der anfänglich von Blundell und seinen Mitarbeitern z. T. nach schweren puerperalen Blutungen vorgenommenen Transfusionen erfolgreich war [48], so hatte die Bluttransfusion doch damit einen Platz in der Therapie des akuten Blutverlustes erhalten, und ihr späterer Einsatz bei traumatischen und inneren Blutungen z. B. aus Magen und Lungen war vor gezeichnet. Es versteht sich, dass das englische Beispiel Blundells auf dem Festland Nachahmer fand. Stellvertretend sei hier nur auf den Heilbronner Stadtarzt G. A. E. Klett (1797–1855) und den Wundarzt E. W. Schrägle (1797–1841) hingewiesen, die beide am 17.1.1828 die vermutlich erste Bluttransfusion auf deutschem Boden an einer 41-jährigen Frau mit einem »Gebärmutterblutflusse, welcher in seinem Beginnen mässig, bald höchst profus ward und bereits 18 Stunden angedauert hatte«, erfolgreich durchführten [49]. Das Blut (2 Unzen) war zuvor »ihrem robusten, gesunden Manne« entzogen worden. Zahlreiche Abbildungen (. Abb. 1.9) belegen die in der Folgezeit vielfach vorgenommene lebensrettende Notfallintervention, wobei postpartale Blutungskomplikationen obenan standen [50].
Der Streit um die Defibrination und der Rückfall in die Lammbluttransfusion
Blundell war bei seinen spektakulären Blutübertragungen an Ausgebluteten trotz Vorwärmung des Transfusionsgerätes mit »tepid water« immer wieder mit dem Problem der Blutgerinnung konfrontiert worden. Auch bei den Tierversuchen war die Gefahr der Koagulation des Blutes im Apparat und der Gerinnselübertragung auf den Empfänger aufgetreten. Doch wurden Vorgang und Bedeutung der Blutgerinnung zu Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts keineswegs einheitlich beurteilt. So werteten z. B. J. Hunter (1728–1793) und F. Magendie (1783–1855) die Gerinnung als Zeichen der Vitalität und Funktionstüchtigkeit des Blutes [51] und erblickten damit in ihr das »Lebensprinzip«, dem das Blut die Fähigkeit verdankte, alle soliden Körperteile aus sich heraus entstehen zu lassen. Demgegenüber wertete der spätere Gießener Embryologe T. L. W. Bischoff (1807–1882) die Blutgerinnung als Zersetzungsbeginn und Zeichen sich auflösenden Lebens [52]. Versuche waren auf beiden Seiten, von den Gegnern und Befürwortern der Defibrination, unternommen worden. Begonnen hatte es mit dem Hunter-Schüler W. Hewson (1739–1774), der 1771 in einer Erstlingsschrift der Hämatologie [53] seine Untersuchungen über die einzelnen Phasen der Blutgerinnung vorgelegt hatte. Danach trat innerhalb des Körpers durch Stagnation und außerhalb des Körpers durch Berührung mit der Luft Gerinnung in der Weise ein, dass sich das Blut in Blutwasser (Serum) und Blutkuchen (Cruor) trennte, wobei letzterer aus Faserstoff (Gluten) und roten Blutkörperchen bestand. Besonders wichtig war seine Beobachtung, dass, wenn »man frisches Blut mit einem Stecken umrühre, und also diese Substanz (= Gluten) an dem Stecken sammle, … das übrige vom Blute flüssig bleibt« [54]. Damit war der Gedanke geboren, durch Quirlen den Faserstoff aus dem Blut entziehen und so die Gerinnung ausschalten zu können. Es waren die Chemiker A.-A. Parmentier (1737–1813) und N. Deyeux (1753–1837), die sich von der Theorie der Humoralpathologie lösten und die erste Blutanalyse vorlegten [55]. Darin machten sie nicht nur auf den Gasstoffwechsel im Blut und den Zusammenhang von Blutfarbe und Eisengehalt aufmerksam, sondern wiesen das Fibrin als Gerinnungsstoff nach, nach dessen Entfernung die Gerinnung ausbleibe, zugleich aber auch das »Lebensprinzip« des Blutes aufhöre. An diese Untersuchungen knüpften 1821 J.-L. Prévost (1790–1850) und J.-B. Dumas (1800–1884) mit ihrer Theorie an, wonach der Faserstoff aus den Kernen zerfallener Erythrozyten entstehe und eine »agglomération des globules« darstelle [56]. Die
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Kapitel 1 • Geschichte der Bluttransfusion
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. Abb. 1.10 »Injection of defibrinated blood into the patient« nach W. L. Moss, The American Journal of the Medical Sciences, new series, 147, 1914, S. 701, Fig. 2
Störungen, die beide Forscher bei ihren zahlreichen Transfusionen mit defibriniertem Fremdblut feststellten, erklärten sie durch die unterschiedliche Größe und Form der Erythrozyten bei den einzelnen Tierarten. So sollten z. B. die großen, runden Erythrozyten des Schafes auf die kleinen, ovalen der Ente unter Krampfbildung sofort tödlich wirken, die gleichförmigen, aber unterschiedlich großen Erythrozyten der Kuh im Kaninchen nur zu Schädigungen führen. Allein artgleiches Blut sollte belebend wirken. Ein Unterschied zwischen Voll- und defibriniertem Blut bestand dabei jedoch nicht. F. Magendie überprüfte daraufhin das Verhalten der Erythrozyten im Empfängerorganismus durch Transfusion z. B. von Vogel- und Froschblut auf Hunde sowie von Hundeblut auf Gänse. Wie er feststellte, wurden die transfundierten Erythrozyten im Empfänger zerstört oder in körpereigene umgewandelt. Mit dem Fibrin hatte dies jedoch nichts zu tun. Der Faserstoff war seiner Meinung nach kein Bestandteil der Erythrozyten, sondern nur als »Coaguline« im Serum suspendiert, um bei der Gerinnung auszufallen. So hatte Magendie nach Reinfusion von körpereigenem, aber defibriniertem Blut an Hunden immer wieder Kapillarblutungen festgestellt und daraus geschlossen, dass der Faserstoff dem Blut die zur Passage der Kapillaren notwendige Viskosität verleihe. Das gerinnungsfähige Fibrin durfte daher auf keinen Fall aus dem Blut entfernt werden [57]. In die Reihe der Gegner der Defibrination gehörten dann in der Folgezeit – um nur zwei Namen zu nennen – der Berliner Geburtshelfer E. A. Martin (1809–1875), der die Gerinnungsgefahr für unwesentlich und die Defibrination für zeitraubend erklärte [58], sowie der französische Hämatologe G. Hayem (1841–1933), der das defibrinierte Blut als »frappé à mort« bezeichnete, weil es keine Hämatoblasten mehr enthalte [59]. Diese Hämatoblasten waren übrigens identisch mit den Blutplättchen, deren Erstbeschreibung durch den Histologen M. Schultze (1825–1874) sowie den italienischen Forscher G. Bizzozero (1846–1901) im Zusammenhang mit dem Gerinnungsprozess erfolgte [60]. Schließlich waren alle Anhänger der von dem deutschen Hämatologen A. Schmidt (1831–1894) im Jahre 1861 aufgestellten Blutgerinnungslehre [61] Gegner der Defibrination und Befürworter der Vollbluttransfusion. Für die Verwendung defibrinierten Blutes war jedoch der schon genannte T. L. W. Bischoff eingetreten, weil das Blut durch Schlagen seinen spezifischen Klassencharakter verliere. In mehreren Ver-
suchsreihen mit Voll- und defibriniertem Blut, wobei er Säugetierblut auf Vögel und Vogelblut auf Säugetiere übertrug, kam er zu dem Ergebnis, dass defibriniertes Blut wegen der Gefahrlosigkeit der Transfusion vorzuziehen sei. Bei der Übertragung artgleichen Blutes war seiner Meinung nach die wiederbelebende Wirkung allein von den Erythrozyten ausgegangen. In dieser Ansicht wurde er von J. Müller (1801–1858) unterstützt, der im gleichen Jahr 1835 betont hatte, dass durch die Defibrination die Blutkörperchen völlig unverändert blieben [62]. Auch der französische Physiologe C.-E. Brown-Séquard (1817–1894) vertrat die Wirksamkeit des defibrinierten O2-reichen Blutes durch Nachweis der übertragenen fremden Blutkörperchen in allen Organen des Empfängers [63]. Das Fibrin war dabei bedeutungslos, nicht dagegen der O2-gesättigte rote Blutfarbstoff. Auch der in Kiel lehrende Däne P. L. Panum (1820–1885) erblickte im Fibrin ein bedeutungsloses Nebenprodukt der Zellbildung und wies die volle Funktionsfähigkeit der Erythrozyten im defibrinierten Blut nach [64]. Das Fibrin bilde sich zudem rasch wieder nach. Erstmals kommt Panum dabei auf die Hämolyse zu sprechen, wenn er im Gegensatz zur unbedenklichen artgleichen Bluttransfusion die artfremde Blutübertragung in ihrer zerstörenden Wirkung beschreibt. Beachtung verdient dabei seine Feststellung: »Auch durch Eis gleich nach der Entleerung abgekühltes und kalt gehaltenes gequirltes Blut, das unmittelbar vor der Anwendung wieder zur Körpertemperatur erwärmt wurde, erwies sich zur Transfusion vollkommen brauchbar.« Für die Blutbeschaffung in der Militärchirurgie sah er bereits eine Art »Conservationsmethode« voraus [65]. Hauptindikation für die Bluttransfusion blieb aber der akute Blutverlust und Hauptgefahr die Gerinnselübertragung mit all ihren Folgen. Dies war auch letztlich der Grund, weshalb der Physiologe L. Landois (1837–1902) dem defibrinierten Blut den Vorzug vor dem Vollblut gab [66]. Zahlreiche Ärzte wie z. B. W. H. Heinecke (1834–1901), K. Uterhart (1835–1895), C. H. Demme (1831–1864) und E. Ponfick (1844–1913) waren diesem Beispiel gefolgt. Ein Bericht [67] bestätigt, dass noch 1914 am Johns Hopkins Hospital defibriniertes Blut transfundiert wurde (. Abb. 1.10). Ausführlich hatte Landois sowohl den Vorgang der Hämolyse, bei dem sich das Hämoglobin vom Stroma trennte, als auch die Verklumpung der Blutkörperchen durch das sog. Stromafibrin dargelegt und dabei auf die Gefahr der globulösen Embolie hingewiesen. Eigene Untersuchungen hatten zudem eine Abhängigkeit der Stärke der Hämolyse vom Verwandtschaftsgrad der Tierarten ergeben und ihn daher vor der Übertragung von Tierblut auf den Menschen warnen lassen. In seiner Monographie »Die Transfusion des Blutes« hatte Landois aber auch eine von 1666–1874 zusammengestellte Statistik veröffentlicht [68]. Darin waren 347 mit menschlichem und 129 mit tierischem Blut vorgenommene Transfusionen gezählt. Von letzteren 129 Tierblutübertragungen waren allein 62 tödlich verlaufen, wobei den größten Anteil da ran die von dem baltischen Arzt F. Gesellius 1873 eingeläuteten Lammbluttransfusionen bildeten. Der Petersburger Arzt hatte nämlich gegen die Defibrination Front gemacht und die Übertragung vollwertigen arteriellen Blutes verlangt. Nach seinen Angaben waren von 102 Transfusionen mit defibriniertem menschlichem Blut nur 36 erfolgreich verlaufen, von den 19 am Krankenbett vorgenommenen Lammbluttransfusionen waren dagegen nur 2 erfolglos geblieben [69]. Warum Gesellius auf Lammblut und nicht auf vollwertiges arterielles menschliches Blut zurückgriff, hat wohl auch mit romantischen und magisch-animistischen Vorstellungen zu tun. Vom Sendungsbewusstsein der neuen Lehre wurde auch der Nordhausener Arzt O. Hasse (1837–1898) erfasst. Obwohl er 16 Menschenblutübertragungen ohne ernstere Zwischenfälle durchgeführt und gerade nach Lammbluttransfusionen Schockerscheinungen festgestellt hatte, will er 21 Lammblut-
11 1.4 • Die serologische Ära
. Abb. 1.11 Lammbluttransfusion nach O. Hasse. Lammblut-Transfusion beim Menschen, St. Petersburg 1874, Titelbild . Abb. 1.12 Bluttransfusion mit dem Apparat von Roussel nach G.-J. Wit-
übertragungen (. Abb. 1.11) nur mit einem einzigen Todesfall vorgenommen haben [70]. Zweck der Lammbluttransfusionen war »die einmalige Speisung der Verdauungsdrüsen mit den nötigen Blutbestandteilen«, wobei die auftretende Hämolyse als Heilfaktor galt. Immerhin blieben die Lammbluttransfusionen im wesentlichen auf Fälle von Lungentuberkulose und chronische Magen-Darm-Leiden beschränkt. Trotzdem sollte die »Lammbluttransfusionssucht« 1874 auch den Deutschen Chirurgenkongress in Berlin erfassen, dessen Thema »Bluttransfusion« hieß [71]. Danach hatte der Chirurg E. Küster (1839–1930) in Berlin bereits 16 Lammblutübertragungen vorgenommen. Nebenwirkungen wie Erbrechen, Hustenreiz, Schüttelfrost, Temperatursteigerung, Pulsbeschleunigung, Erstickungsanfälle und Hämaturie wurden jedoch von den Transfusoren in Kauf genommen. Hierzu zählte z. B. auch der sonst so kritische F. Sander (1833–1878), der jedoch von sich selbst sagte, er »gehöre keineswegs zu den Enthusiasten für die Lammbluttransfusion« [72]. Schließlich sei der Militärchirurg in russischen Diensten O. Heyfelder (1828–1890) genannt, der Untersuchungen zur Technik der Tierbluttransfusionen vornahm [73]. Denn gerade von militärärztlicher Seite bestand großes Interesse an der Bluttransfusion, die nach den Zahlen von A. Köhler (1850–1936) im Verlauf des deutschfranzösischen Krieges 1870/71 rund 37-mal ausgeführt worden war [74]. Von dem Kriegschirurgen J. N. Nussbaum (1829–1890) ist in diesem Zusammenhang bekannt, dass er zwei Verblutenden sein eigenes Blut gespendet hat. Anhänger der Lammbluttransfusion wie J. F. Eckert empfahlen dagegen, ein Schaf mit freigelegter Carotis auf dem Tornister mitzuführen [75]. Doch zog selbst Hasse statt dessen einen »Lammbraten nebst einer guten Flasche Rotwein« vor. Insgesamt dürften die Erfolge der Transfusion im Felde gering gewesen sein, nicht zuletzt wegen der erst aufkommenden Antiseptik und der unüberwindlichen organisatorisch-technischen Schwierigkeiten. Zumindest bereiste der Genfer Verfechter der Bluttransfusion J.-A. Roussel (1837–1901) weite Teile Europas, um den von ihm entwickelten Apparat (. Abb. 1.12) v. a. den Militärärzten vorzustellen [76]. Während Roussel der Tierbluttransfusion stets skeptisch gegenüberstand, sollte der Italiener N. de Dominicis (geb. 1845) unentwegt noch insgesamt 44 Kranken Hundeblut transfundieren und 1894 über seine »Hämatotherapie« referieren. Doch wurde es nicht nur wegen der zahlreichen Fehlschläge um die Tierbluttransfusion stiller. Auch die Mitteilung von H. K. Kronecker (1839–1914) und J. Sander aus dem Jahre 1879, wonach bei drohender Verblutung als brauchbarer Blutersatz im Tierversuch auch eine Kochsalzlösung mit Erfolg verwendet worden war, verfehlte ihre Wirkung nicht [77]. Die Vorarbeit zu dieser Maßnahme hatte F. L. Goltz
kowski, Histoire des Accouchements chez tous les Peuples, Appendice, L\9Arsenal obstétrical, Paris 1887, S. 164, Fig. 1061
(1834–1902) geleistet [78]. So konnte E. v. Bergmann (1836–1907) in seiner Rede zum Stiftungstag der Militärärztlichen Bildungsanstalten am 2. 8. 1883 erklären [79]: »Die vor noch nicht zehn Jahren prophezeite neue, blutspendende Aera in der Medicin ist, insofern sie von der Lammblut-Transfusion ihren Ausgang nehmen wollte, bereits im Keime erstickt und schnell zu Grabe getragen worden. Wir müssen uns eben im Können bescheiden, solange wir noch im Wissen zurückstehen.« Was das kurze Zwischenspiel der Lammbluttransfusionen angeht, so soll der Hallenser Chirurg R. v. Volkmann (1830–1889) den treffenden Ausspruch getan haben: »Zur Übertragung von Schafblut gehören drei Schafe: eines, dem man das Blut entnimmt, ein zweites, das es sich übertragen lässt, und dazu ein drittes, das die Übertragung ausführt.« 1.4
Die serologische Ära
1.4.1
Die Entdeckung der Blutgruppen
Schaut man auf die Entwicklung der Bluttransfusion zwischen 1780 und 1880 zurück, dann wird man angesichts des endlosen Streits um die Defibrination, des Rückfalls in die Tierbluttransfusion und schließlich angesichts der enttäuschten Abkehr von der Bluttransfusion kaum von Errungenschaft auf diesem Zweig der Heilkunde sprechen können. Bergmanns freilich allzu voreilige »Leichenrede« (A. Köhler) auf die Bluttransfusion mag Kennzeichen genug sein. Doch sind historische Epochen nicht erst dann von Bedeutung, wenn sie Fortschritt und Erfolg ihr eigen nennen können. Auch negative Resultate sind wertvoll, zumal aus ihnen oft erst das Grundverständnis für neue tragfähige Voraussetzungen erwächst. Hierzu zählte im 19. Jahrhundert die Erkenntnis, dass Tierblutübertragungen gefährlich sind und auch defibriniertes Blut schwere Schäden anrichten kann. Für die Zusammensetzung des Blutes, seine Bestandteile und Funktionen, für die Blutgerinnung und Hämodynamik hatte die experimentelle Forschung sogar positive Ergebnisse aufzuweisen. Schließlich bedeutete auch die Gewissheit, dass es im Blut noch ein Geheimnis zu lüften gilt – »hier liegt ein Rätsel für uns vor« hatte T. Billroth (1829–1894) gesagt –, einen großen Ansporn für die Hämatologie und die ihr verbundene Transfusionslehre. So fallen nicht von ungefähr die Vorarbeiten für die Entdeckung der Blutgruppen in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Eine Auflösung der Erythrozyten durch den fremden Faserstoff hatte
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Kapitel 1 • Geschichte der Bluttransfusion
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. Abb. 1.13 Karl Landsteiner (1868–1943). Nach R. Herrlinger, Nobelpreisträger der Medizin, München 1963, S. 56
Panum bereits 1863 festgestellt, und der Göttinger Medizinstudent A. Creite [80] war 1869 beim Zusatz von Hammelblut- bzw. Katzenblutserum zu Kaninchenblut darauf gestoßen, dass die Blutkörperchen des Kaninchens »plötzlich in einer eigentümlichen Weise zu tropfenartigen, verschieden gestalteten Anhäufungen« zusammenliefen. Eine Erklärung für diese erste Beobachtung der Agglutination blieb er jedoch schuldig. Die Bemühungen, dieser seitdem mehrfach beobachteten Agglutination entgegenzuwirken, führten zunächst dazu, dem transfundierten Blut gewisse Substanzen beizugeben. So hatte der Wiener Krebsforscher E. Freund (1863–1946) die Adhäsion und Gerinnung des Blutes in den zur Transfusion benötigten Geräten durch Ausgießen der Glasröhren mit Vaseline verhütet [81] und damit die Beobachtung seines Lehrers E. Brücke (1819–1892) bestätigt, wonach das Blut nicht gerinnt, wenn die Gefäßwände intakt sind [82]. L. Landois und Mitarbeiter wie die Doktoranden E. Schultze und G. E. Molien hatten darüber hinaus die Gerinnungshemmung durch Zusatz von Blutegelextrakt oder Natriumoxalatlösung erzielt [83]. Die eigentliche Ursache für die Hämolyse und Agglutination hatte Landois jedoch in »eigentümlichen, uns noch unbekannten Mischungsverhältnissen« erblickt. Der Anstoß zur Lösung der Frage ging von der Beobachtung aus, dass das Blutserum Kranker das Blut Gesunder agglutinieren kann. So hatte der italienische Forscher E. Maragliano (1849–1940) 1892 in pathologisch verändertem Serum die Ursache für die Nekrobiose der Blutkörperchen festgestellt [84]. Diese bakterielle Agglutination
wurde von S. G. Shattock am 7.5.1899 vor der »Pathological Society« in London am Beispiel der »Verklumpung der Chromocyten bei akuter Pneumonie« dargelegt. Die Mischung von krankem mit gesundem Blut hatte eine bereits im hängenden Tropfen gut sichtbare Geldrollenbildung (»granularity«) ergeben [85]. Da diese Erscheinung bei der Zusammenbringung von gesundem menschlichem Blut angeblich nicht eintrat, wurden die Untersuchungen in Richtung der bakteriellen Agglutination an Patienten mit Erysipel, Typhus, Gelenkrheumatismus und Leukämie fortgesetzt. Als Erklärung für die Agglutinationsreaktion wurde die Entstehung von Isoagglutininen angenommen. P. Ehrlich (1854–1915) und J. Morgenroth (1871–1924) war es gelungen, durch Injektion von artgleichem Blut an Ziegen die von ihnen benannten Isolysine und Isoagglutinine hervorzurufen [86]. Die Aufklärung des Problems konnte jedoch nur von der Untersuchung gesunder Seren ausgehen. Es war K. Landsteiner (1868–1943, . Abb. 1.13), der am Pathologischen Institut in Wien die antifermentativen und lytischen Eigenschaften v. a. von tierischen Seren und Lymphen prüfte. Bei diesen am 23.3.1900 publizierten Forschungen war ihm die Agglutination von »Serum gesunder Menschen« aufgefallen. Obwohl er zunächst einen möglichen Zusammenhang seiner Beobachtung mit den Ergebnissen zur bakteriellen Agglutination der anderen Forscher erwog, war seine Vermutung, es könnte sich um eine individuelle Eigenschaft des Blutes handeln, von fundamentaler Bedeutung [87]. An 12 Probanden vorgenommene Untersuchungen ergaben 3 verschiedene Isoagglutinine, wobei die Agglutinationsreaktion selbst mit ausgetrockneten Seren möglich war. Landsteiner zog am 14.11.1901 daraus den Schluss, »dass die angeführten Beobachtungen die wechselnden Folgen therapeutischer Menschenbluttransfusionen zu erklären gestatten« [88]. Schließlich gelang A. von¬Decastello (geb. 1872) und A. Sturli in Wien im Jahre 1902 der Nachweis der 4. Blutgruppe, die sich durch »Unempfindlichkeit der Erythrozyten« und »Fehlen der Isoagglutinine« auszeichnete [89]. Damit war das menschliche Blut in 4 Gruppen eingeteilt. Von der seltenen 4. Gruppe abgesehen kam Landsteiner zu dem Ergebnis, dass das Serum von A die Blutkörperchen von B agglutinierte und umgekehrt das Serum von B die Blutkörperchen von A agglutinierte. Eine Antigen-AntikörperReaktion zwischen dem Serum und den Blutkörperchen derselben Blutgruppe fand nicht statt. Ferner ballte das Serum von C die Blutkörperchen sowohl von A als von B. Die Blutkörperchen von C wurden jedoch weder vom Serum A noch vom Serum B beeinflusst. Mithin nahm Landsteiner zwei Isoagglutinine an: Die eine Art war in Blut A und die andere in Blut B enthalten, während Blut C beide aufwies. Mit dieser Entdeckung der antigenen Blutgruppeneigenschaften A, B, AB und O war das entscheidende Hindernis für eine gefahrlose Anwendung der Bluttransfusion von Mensch zu Mensch überwunden. Doch sollte es noch etwa 10 Jahre dauern, bis sich die Theorie in der Praxis durchsetzte.
1.4.2
Der Ausbau der Bluttransfusion
Kennzeichnend für die nur zögernde Aufnahme und Anwendung der neuen biologischen Grundlagen durch die praktische Medizin ist die 1909 erschienene Monographie »Hemorrhage and Transfusion« [90] des amerikanischen Chirurgen G. W. Crile (1864–1943). Obwohl die Schrift für die weitere Bluttransfusionsforschung grundlegend war und den Führungsanspruch der Amerikaner auf diesem Sektor dokumentierte, hatte sich der Autor auf die Bestimmung der hämolytischen Faktoren beschränkt und das Problem der Agglutination der Bearbeitung durch andere Forscher überlassen. Hier waren es der Heidelberger A. F. Coca (geb. 1875), der zunächst
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die Agglutination als Ursache für die Gefäßverstopfung und den plötzlichen Tod nachwies [91] und im Anschluss daran v. a. R. Ottenberg (geb. 1882) in New York, der die Vornahme eines Agglutinationstests vor jeder Bluttransfusion verlangte und dazu seine Glaskanülenmethode empfahl [92]. Schließlich gab W. Schultz (geb. 1878) 1910 das Ergebnis von 9 Transfusionen mit defibriniertem Blut bei anämischen Patienten bekannt. Danach war nur in dem Fall, bei dem die serologische Voruntersuchung nicht erfolgt war, der Tod der Patientin eingetreten [93]. Die Vorprüfung von Blutkörperchen und Serum war damit zur unerlässlichen Voraussetzung jeder Bluttransfusion geworden. Eine handelsmäßige Herstellung internationaler Testseren [94] begann erst 1925 in Wien durch P. Moritsch, wobei im wesentlichen mit 2 Testseren die Blutgruppen von Spender und Empfänger ermittelt wurden. In diesem Zusammenhang nahm die 1928 von dem Hamburger F. Oehlecker (1874–1957) entwickelte biologische Vorprobe einen besonders segensreichen Platz ein [95]. Sie stützte sich auf die Erfahrung, dass die Unverträglichkeitserscheinungen bei Transfusion einer nur kleinen Blutmenge von 20–50 ml bereits nach 20 min auftreten. Schließlich übte die Wiederentdeckung der bereits von Freund und Landois empfohlenen Ungerinnbarmachung des Blutes durch Natriumcitrat, die 1924 durch mehrere Forscher unabhängig voneinander geschah, einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung aus. Die gründliche Studie von P. Morawitz (1879–1936), der die Aufdeckung der Thrombokinase verdankt wird, hatte hierzu wichtige Vorarbeit geleistet [96]. Diese bis zu einer Woche haltbaren Zitratblutkonserven waren der Beginn der Blutkonservierung. Während man in Deutschland an der direkten Frischblutübertragung festhielt, die nicht nur chirurgisches Können erforderte [97], sondern bei dringlichen Transfusionen und bei größerem Bedarf sich sogar als nachteilig herausstellte, wurde in den USA bereits 1919 im Rockefeller-Institut ein Blutdepot eingerichtet, der Vorläufer der späteren Transfusionszentralen. Diese Blutdepots erlaubten die Bevorratung größerer Mengen von Transfusionsblut aller Gruppen und in dringlichen Fällen auch den sofortigen Einsatz. In den USA hatten sich sogar private Blutspendeagenturen entwickelt, die mit Hilfe eines eigenen Banksystems, von dem sich der irrig verwendete Ausdruck »Blutbank« [98] herleitet, die Bluttransfusion zu einem florierenden Geschäft machten. Gegen diesen Missbrauch erhob 1929 K. Landsteiner mit Erfolg seine Stimme unter Hinweis auf die allenthalben in Europa sich ausbildenden staatlich organisierten wissenschaftlichen Transfusionszentralen. Deutschland sollte jedoch erst um 1950 mit den entsprechenden Transfusionsdiensten und blutgruppenserologischen Laboratorien wieder den Anschluss gewinnen. Vorausgegangen waren freilich schon einzelne Blutspenderzentralen wie z. B. der am 1.3.1934 von P. Morawitz eingerichtete Leipziger Blutspendernachweis [99]. Im Jahre 1930 erhielt K. Landsteiner den Nobelpreis für seine Entdeckung der Blutgruppen. Die in seinem Vortrag [100] anlässlich der Nobelpreisverleihung beschriebene Individualität des Blutes sollte sich in vollem Umfang bewahrheiten. Denn gemeinsam mit P. Levine (geb. 1900) war ihm bereits 1927 die Entdeckung der Gruppensysteme MN und P gelungen [101], und gemeinsam mit A. S. Wiener (geb. 1907) sollte ihm 1940 im Zusammenhang mit dem Morbus haemolyticus neonatorum auch die Entdeckung der Rhesusfaktoren glücken [102]. Wieweit sich das Arbeitsgebiet schon 20 Jahre nach Landsteiners Tod (1943) erweitert hatte, kann das Vorwort der 1964 in 2. Auflage und deutscher Übersetzung erschienenen Monographie des ehemaligen Landsteiner-Mitarbeiters P. Levine »Blutgruppen, Antigene und Antikörper in ihrer Anwendung bei der Bluttransfusion« zeigen.
Nimmt man die jüngste Entwicklung hinzu, die wegen der Kürze der zeitlichen Distanz und der fehlenden historischen Perspektive hier unberücksichtigt bleiben muss, dann ergibt sich im Rückblick eine beachtliche Bilanz: Seit der ersten Blutübertragung durch R. Lower (1666) musste ein Vierteljahrtausend vergehen, bis die mit Ausübungsverbot belegte und für tot erklärte »Chirurgia transfusoria« über Um- und Irrwege sich beharrlich zu jener »Medicina transfusoria« entwickelte, deren Platz in Diagnostik und Therapie heute unumstritten ist. Damit bestätigt sich einmal mehr der Aphorismus von G. C. Lichtenberg: »Wo damals die Grenzen der Wissenschaft waren, da ist jetzt die Mitte.«
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Kapitel 1 • Geschichte der Bluttransfusion
Libavius A (1615) Appendix necessaria syntagmatis arcanorum chymicorum contra H Scheunemannum. Frankfurt, Kap IV, S 7 Colle J (1628) Methodus facile parandi iucunda, tuta et nova medicamenta. Venedig 1628, Abschnitt: Pro vita et senectute long ius producenda, Kap 7, S 170 Die bisherige Literatur erblickt in den frühen Berichten in der Regel nur »theoretische Betrachtungen über die möglichen Wirkungen einer Bluttransfusion sowie der Vorschläge zu ihrer Ausführung«. (Mayrhofer B, MMW 84, 1937, 1417) Harvey W (1628) Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus. Frankfurt Hoff EC, Hoff M (1936) The life and times of Richard Lower, physiologist and physician (1631–1691). Bull Inst Hist Med 4:517–535. Vgl Artelt W (1941) Der Volksglaube als Wegbereiter der Bluttransfusion. Arch Gesch Med 34:29–34; Buess H (1946) a a O, S 21 f Elsholtius JS (1667) Clysmatica nova. Berlin Kölln, S 59 f Hoff EC, Hoff PM, a a O, S 527 f. Vgl Lower R (1667) An account of transfusion, practised upon a man in London. Philosophical Transactions 2, 30:557–559 Buess H (1956) Die Bluttransfusion. Ciba-Zeitschrift Wehr/Baden 7, 79; Schiller J (1965) La transfusion sanguine et les débuts de l\9Académie des Sciences. Clio Medica 1:33–40; Sachs V (1968) Einst und Jetzt: Bluttransfusion. Zur Geschichte des Transfusionswesens bis zum Zweiten Weltkrieg. MMW 110:73–79; Matthes M (1974) Bluttransfusion und Immunhämatologie. In: Einführung in die Geschichte der Hämatologie. Von BoroviczŠny K-G, Schipperges H, Seidler E (Hrsg) Stuttgart, S 110– 117; Müller N (1979) Die Transfusionsmedizin in Vergangenheit und Gegenwart. Rhein Ärztebl 33:565, 568, 570, 613-614, 616-617; Müller N (1979) Zur Entwicklung der Transfusionsmedizin. MMW 121:1485–1488. Ferner seien 2 Dissertationen genannt: Denis E (1940) Zur Geschichte der Bluttransfusion. Diss Med, Düsseldorf, 57 S; Isbruch E-J (1954) Zur Geschichte der Bluttransfusion. Diss Med, Münster, 87 S Lower R (1666) The Method observed in Transfusing the Bloud (!) out of one Animal into another. Philos Trans 1, 20:353–358. Vgl ferner Lower R (1669) Tractatus de Corde item de Motu et Calore Sanguinis et Chyli in eum Transitu. Amsterdam, Kap IV, S 181–189. Dort ist auch der Brief von Boyle R und Lower R abgedruckt Lower R (1669) a a O, S 186: »(canis) in gramine sese volutare, non aliter omnino, neque majore incommodi aut offensae indicio, quam si in profluentem solummodo conjectus fuisset.« Manfredi P (1668) De nova et inaudita medico-chirurgica operatione, sanguinem transfundente de individuo in individuum, prius in brutis et deinde in homine experta. Rom Scheel P (1803) Die Transfusion des Blutes und Einsprützung (!) der Arzneyen in die Adern, Bd 2. Copenhagen, S 8–10 Scheel P (1803) a a O, Bd II, S 15–19 Mercklin GA (1679) De Ortu et Occasu Transfusionis Sanguinis. Nürnberg Elsholtz JS (1667) a a O, Taf IV Elsholtz JS (1667) a a O, S 36: »At vero barbarum facinus videri posset, ad servandum unum hominem, alterius uti sanguine.« Mercklin GA, a a O, S 112: »Fiant ergo crebriora, circa hanc Transfusionis Sanguinis speciem, experimenta« An Übersichtswerken zur Entwicklung der Bluttransfusion seit dem Ende des 18. Jahrhunderts seien genannt: Dieffenbach JF (1828) Die Transfusion des Blutes und die Infusion der Arzneien in die Blutgefäße, Theil I, Berlin (= Scheel P, Die Transfusion des Blutes und die Einspritzung der Arzeneien in die Adern, Theil III); Köhler A (1906) Transfusion und Infusion seit 1830. Mit besonderer Berücksichtigung ihrer Verwendung im Kriege, Gedenkschrift für Dr Rudolph von Leuthold, Bd 2. Berlin, S 271–370; Ebbinghaus A (1937) Die Geschichte der Bluttransfusion im 19. Jahrhundert. Diss Med, Düsseldorf; Von Brunn W (1942) Zur Geschichte der Bluttransfusion. Zentralbl Chir 69:961–968; Buess H (1953) Der Ausbau der Bluttransfusion in neuester Zeit. Bull Schweiz Akad Wissensch 9:248–269; Schorr M (1956) Zur Geschichte der Bluttransfusion im 19. Jahrhundert (Basler Veröffentlichungen zur Geschichte der Medizin und der Biologie, Fasc VII), Basel Stuttgart;
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99
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1
17
Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen J. Dengler und P. Dreger
2.1
Hämatopoetische Organe – 18
2.1.1 2.1.2 2.1.3
Blut – 18 Hämatopoetische Stammzellen – 18 Knochenmark – 21
2.2
Erythrozytäres System – 23
2.2.1 2.2.2
Erythrozyten – 23 Kinetik des erythrozytären Systems – 24
2.3
Granulozytäres System – 25
2.3.1 2.3.2
Granulozyten – 25 Kinetik des granulozytären Systems – 28
2.4
Monozyten-Makrophagen-System – 29
2.4.1 2.4.2
Aufbau und Funktion von Monozyten und Makrophagen – 29 Monopoese und Kinetik des Monozyten-Makrophagen-Systems – 30
2.5
Thrombozytäres System – 30
2.5.1 2.5.2 2.5.3
Aufbau und Funktion der Thrombozyten – 30 Thrombopoese und Kinetik der Thrombozyten – 31 Untersuchungsverfahren – 31
2.6
Lymphatisches System – 31
2.6.1 2.6.2
Lymphatische Organe – 32 Lymphatische Zellen – 32
Literatur – 34
2
18
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
Die zellulären Elemente des Blutes werden im Knochenmark aus pluripotenten Stammzellen gebildet, die sich zu proliferierenden, hochspezialisierten Zellen entwickeln und für die Aufrechterhaltung der Homöostase des menschlichen Körpers von entscheidender Bedeutung sind.
2 2.1
Hämatopoetische Organe
2.1.1
Blut
Die normalerweise im Blut vorkommenden zellulären Elemente bestehen aus Erythrozyten, Thrombozyten, neutrophilen, eosinophilen und basophilen Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten vom T-, B- oder »Natural-Killer-Zelltyp« (NK). Die Normalwerte der Zellen des peripheren Blutes von Kindern und Erwachsenen sind in . Tab. 2.1 [2][28] wiedergegeben. . Tab. 2.2 zeigt die Normalbereiche des Differenzialblutbildes in absoluten und relativen Werten.
Blutbildung: Erythropoese Zum Zeitpunkt der Geburt besteht der größte Anteil des kindlichen Hämoglobins noch aus HbF (α2, γ2). Im Verlauf der ersten 6 Lebensmonate geht dieser Anteil nahezu vollständig zugunsten von HbA (α2, β2) zurück, welches nun und im gesamten weiteren Leben mit mehr als 90 % deutlich überwiegt. Der normale Hämoglobinwert liegt mit 16,8 g/dl noch über dem Durchschnittswert des Erwachsenen. Gegen Ende des 2. Lebensmonats erreicht der Hämoglobinwert ein Minimum; man spricht von einer physiologischen Anämie. Die O2-Affinität des Neugeborenhämoglobins ist gegenüber dem späteren Lebensalter erhöht, d. h. es kommt zu einer Linksverschiebung der O2-Dissoziationskurve. Die Verformbarkeit der Erythrozyten ist bei Neugeborenen geringer als bei Erwachsenen und die Blutviskosität entsprechend höher.
Blutbildung: Myelopoese Die Zahl der Leukozyten ist bei der Geburt mit 10–15 × 109/l gegenüber späteren Lebensabschnitten erhöht; dies wird v. a. durch eine Vermehrung der Granulozytenzahl hervorgerufen. Funktionell sind die neutrophilen Granulozyten noch nicht völlig ausgereift.
Blutbildung: Lymphopoese T-Lymphozyten sind bereits bei der Geburt zur antigeninduzierten Effektorfunktion befähigt. Im Gegensatz dazu ist die Antikörperproduktion der B-Lymphozyten eingeschränkt. Während IgM und IgA aber schon vom Neugeborenen gebildet werden können, ist das vorhandene IgG via Plazenta passiv von der Mutter erworben. Die IgM-Isoagglutinine werden in der Regel zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat nachweisbar. Auch die Aktivität der NK-Zellen ist trotz relativ hoher Anzahl zum Zeitpunkt der Geburt noch vermindert [19].
2.1.2
Hämatopoetische Stammzellen
Die Basis der Hämatopoese bilden die hämatopoetischen Stammzellen. Die Stammzellen stellen einerseits die Vorläuferzellen der zur Differenzierung in reife Blutzellen befähigten unreifen Knochenmarkzellen dar, andererseits besitzen sie die Kapazität zur Selbsterneuerung. Obwohl die Selbsterneuerungsfähigkeit grundsätzlich
nicht unerschöpflich zu sein scheint, übersteigt sie unter physiologischen Bedingungen die Lebensdauer des Gesamtorganismus bei weitem [28]. Das derzeit akzeptierte Konzept der Hämatopoese geht von einer primären, »pluripotenten« Stammzelle mit Differenzierungsmöglichkeit in myelo-, erythro- oder thrombopoetische Richtung einerseits sowie in lymphopoetische Richtung andererseits aus. Es wird angenommen, dass die pluripotente Stammzelle normalerweise nur eine geringe Teilungsaktivität zeigt, während die Neubildung ausdifferenzierter Zellen nachgeordneten, oligo- oder unipotenten (sog. determinierten) Progenitorzellen obliegt. Den Stamm- bzw. Progenitorzellen ist die Fähigkeit zur Selbsterneuerung und zur Proliferation gemeinsam, während das wichtigste Kennzeichen der reiferen hämatopoetischen Zellen die Differenzierung mit Ausbildung spezifischer Zellfunktionen ist.
Kultureller Nachweis hämatopoetischer Progenitorzellen Da die Progenitorzellen einerseits nur einen geringen Anteil der hämatopoetischen Zellen im Knochenmark ausmachen (Frequenz von Stammzellen etwa 1 in 105, von determinierten Progenitorzellen etwa 1 in 200) und ihnen andererseits eindeutige morphologische Charakteristika fehlen, beruht ihre Identifizierung und Quantifizierung v. a. auf immunphänotypischen und kulturell/funktionellen Verfahren. Bei den früher ausschließlich verwendeten kulturellen Verfahren werden Progenitorzellen durch Zugabe von Wachstumsfaktoren (Zytokinen) zur Koloniebildung (»colony-forming unit«, CFU; »burst-forming unit«, BFU) in semisolidem Kulturmedium angeregt. Je nach Art der zugefügten Zytokine kann man auf diese Weise Kolonien granulozytär-monozytärer (CFU-GM), erythrozytärer (CFU-E, BFU-E), megakaryozytärer (CFU-meg) oder gemischter Differenzierung (CFU-GEMM) erzeugen und quantifizieren. Sehr unreife, der pluripotenten Stammzelle nahestehende Progenitoren lassen sich in semisolidem Kulturmedium nicht direkt zur Koloniebildung anregen, sondern müssen erst durch Vorinkubation auf in vitro gezüchtetem Knochenmarkstroma zur Proliferation und Differenzierung gebracht werden (sog. »long term culture-initiating cell«, LTC-IC) [29][28].
Immunphänotypischer Nachweis hämatopoetischer Progenitorzellen, CD34-Antigen Weil die Zellkulturverfahren sehr langwierig und störanfällig sind, stellen heutzutage immunphänotypische Methoden den Standard zum Nachweis hämatopoetischer Progenitorzellendar. Die Immunphänotypisierung bedient sich zellulärer Oberflächenstrukturen, die von hämatopoetischen Zellen je nach Differenzierungslinie und Ausreifungsstufe in unterschiedlicher Weise exprimiert werden. Die Entwicklung monoklonaler Antikörper erlaubte es, diese Strukturen spezifisch zu erkennen und zu charakterisieren. Mittlerweile hat man auf hämatopoetischen Zellen über 300 verschiedene membranständige Oberflächenmoleküle identifiziert, die nach der sog. CD-Klassifikation (»clusters of differentiation«, CD) eingeteilt werden [30]. . Tab. 2.3 gibt einen Überblick über die wichtigsten CD-Antigene und ihre Zuordnung zu den Zellreihen oder Differenzierungsstadien, auf denen sie charakteristischerweise exprimiert sind und mittels immunzytochemischer oder durchflusszytometrischer Verfahren spezifisch nachgewiesen werden können. Die diagnostisch wichtigste Oberflächenstruktur hämatopoetischer Progenitorzellen ist das CD34-Antigen. Dabei handelt es sich um ein Membranprotein mit einem Molekulargewicht von 115 kD,
2
19 2.1 • Hämatopoetische Organe
. Tab. 2.1 Normalwerte des peripheren Blutes von Kindern (Mittelwerte) und Erwachsenen (zentrales 95-%-Konfidenzintervall bei nichtparametrischer Verteilung). (Nach [2][28]) Parameter
Einheit
Neugeborene
Kinder
Erwachsene
1 Jahr
6 Jahre
Männer
Frauen
Erythrozyten
1012/l
5,3
4,5
4,7
4,5–5,9
4,1–5,1
Hämoglobin
g/l
16,8
11,2
12,9
14,0–17,5
12,3–15,3
Hämatokrit
%
53
35
37
36–48
35–45
MCV
μm3
107
78
80
80–96
MCH
pg/Zelle
34
25
27
28–33
MCHC
g/dl
32
32
34
33–36
Retikulozyten
% 1012/l
2–6 65–230
– 11,4
– 8,5
0,5–2 30–100
Leukozyten
109/l
18,0
k. A.
k. A.
4,5–11,0
Thrombozyten
109/l
223
k. A.
k. A.
177–360
187–406
MCH mittlerer zellulärer Hämoglobingehalt des Erythrozyten, MCHC mittlere erythrozytäre Hämoglobinkonzentration, MCV mittleres erythrozytäres Volumen, k. A. keine Angaben.
. Tab. 2.2 Normalwerte des Differenzialblutbildes bei Kindern und Erwachsenen nach Thomas [28] Parameter
Einheit
Neugeborene
1 Jahr
6 Jahre
Erwachsene
Eosinophile
109/l %
0,4 (0,02–0,85) 2,2
0,3 (0,05–0,7) 2,6
0,23 (0–0,65) 2,7
0,2 (0–0,45) 2,7
Basophile
109/l %
0,1 (0–0,64) 0,6
0,05 (0–0,2) 0,4
0,05 (0–0,2) 0,6
0,04 (0–0,2) 0,5
Lymphozyten
109/l %
5,5 (2,0–11,0) 31
7,0 (4,0–10,5) 61
3,5 (1,5–7,0) 42
2,5 (1,0–4,8) 34
Monozyten
109/l %
1,1 (0,4–3,1) 5,8
0,6 (0,05–1,1) 4,8
0,4 (0–0,8) 4,7
0,3 (0–0,8) 4
das auf allen hämatopoetischen Vorläuferzellen einschließlich der pluripotenten Stammzelle und der lymphopoetischen Stammzelle exprimiert ist. Daneben existieren allerdings offenbar auch CD34negative Stammzellen [3][5]. Im normalen Knochenmark lässt sich das CD34-Antigen auf 0,5–4 % der mononukleären Zellen nachweisen; im peripheren Blut unstimulierter gesunder Individuen liegt dieser Anteil unter 0,3 %. Die CD34-positive Zellfraktion des Knochenmarks beinhaltet die große Mehrheit der zur Koloniebildung befähigten Zellen. Mit zunehmender Differenzierung geht die CD34-Expression zurück, sodass sich das CD34-Molekül auf Zellen im Blastenstadium in der Regel nicht mehr findet. Mit Hilfe weiterer, differenzierungsspezifischer Membranantigene (z. B. CD33 für die myeloische Richtung, CD2 für die T-lymphatische Richtung oder CD19 für die B-lymphatische Richtung) lassen sich durch Mehrfachmarkierungen CD34-positive Progenitorzellen entsprechend ihrem Entwicklungsstadium und ihrer Entwicklungsrichtung voneinander unterscheiden [8]. So exprimieren die determinierten Progenitorzellen der myelomonozytären Reihe (CFU-GM) CD34 zusammen mit CD33 und HLA-DR, während die pluripotente Stammzelle durch das Fehlen von CD33, CD38 und anderer linienspezifischer Antigene bei Vorhandensein von CD34,
CD117 (KIT, SCF-Rezeptor) und CD133 (AC133) charakterisiert ist. Die Bestimmung der Gesamtzahl CD34-positiver Zellen mittels Durchflusszytometrie ist heute das Standardverfahren zur Ermittlung des hämatopoetischen Potenzials von Blutstammzelltransplantaten. Die durchflusszytometrischen Messprotokolle zur Bestimmung der CD34-positiven Stamm- und Progenitorzellen basieren auf einer sequenziellen Gatingstrategie nach den »ISHAGE«Richtlinien und werden nach Single-Plattform- oder Dual-Plattform-Verfahren mit oder ohne Zunahme von Vitalitätsfarbstoffen wie 7-AAD durchgeführt [27]. Außer zur Quantifizierung werden monoklonale Antikörper mit Spezifität gegen das CD34- oder das CD133-Antigen – aber auch andere Antikörper – zur selektiven Anreicherung oder Depletion definierter Zellpopulationen aus heterogenen Progenitorzelltransplantaten benutzt. Im Rahmen der haploidenten Stammzelltransplantation wird neben der CD34-Positivselektion (. Abb. 2.1, 7 s. auch Kap. 17, 18) [12] die CD19/CD3-Negativselektion zur TZell-Depletion angewandt. In der autologen und HLA-kompatiblen allogenen Stammzelltransplantation spielen die Anreicherungsverfahren allerdings derzeit keine nennenswerte Rolle.
20
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
. Tab. 2.3 Oberflächenantigene hämatopoetischer Zellen entsprechend der CD-Klassifikation (Auswahl). (Nach [23] sowie Protein Reviews on the Web www.sciencegateway.org/resources/prow/)
2
Eigenschaft
CD-Nummer
Exprimierende Zellen
Funktion (Synonym)
T-zelltypisch
CD2
T, NK
Adhäsion (LFA-2,CD58-Ligand)
CD3
T
Teil des T-Zellrezeptorkomplexes
CD4
T-Helferzellen, Mo
HLA-Klasse-II-Ligand
CD8
T-Killerzellen, NK-Subpop.
HLA-Klasse-I-Ligand
CD19
B
Signaltransduktion
CD20
B
Signaltransduktion
CD22
B-Subpop.
Signaltransduktion
CD79a/b
B
Teil des B-Zellrezeptorkomplexes
CD56
NK, T-Subpop.
Adhäsion (NCAM)
CD57
NK-Subpop., T-Subpop.
Adhäsion (HNK1)
CD158
NK
KIR-Familie
CD314
NK, T-Subpop.
NKG2D; Zellaktivierung nach Ligandenbindung (z. B. MICA, MICB)
CD13
G, Mo
Aminopeptidase N, Virusrezeptor (Corona, CMV)
CD14
Mo, Mp
Signaltransduktion (LPS-Rezeptor)
B-zelltypisch
NK-zelltypisch
Myeloisch
CD33
G, Mo, CFU-GEMM
Signaltransduktion/Adhäsion (Siglec-3)
CD1a, b, c
DC-Subpop., B-Subpop.
Antigenpräsentation
CD205
DC
DEC205
CD206
DC (unreif ), Mp
Mannoserezeptor
CD11a
Alle Leukozyten
Adhäsion (LFA-1, CD54-Ligand)
CD54
Mo, aktivierte T, aktivierte B,
Adhäsion (ICAM-1, CD11a-Ligand)
CD80
Aktivierte T, aktivierte B, Mp, DC
Kostimulation T-Zellaktivierung
CD86
DC, B-Subpop.
Kostimulation T-Zellaktivierung
CD16
NK, G, Mp, Mo
Fcγ-Rezeptor III (niedrig affin)
CD23
B, Mo, G
Fcε-Rezeptor II (niedrig affin)
CD32
Mp-Subpop., B, Mo, G
Fcγ-Rezeptor II (intermediär affin)
CD64
Mo, Mp, DC-Subpop.
Fcε-Rezeptor I (hoch affin)
CD11b
G, Mo, NK, T-Subpop., B-Subpop.
C3bi-Rezeptor
CD35
G, Mo, B
C3b-Rezeptor
CD55
G, Mo, P, Erythrozyten, Thrombozyten
C3b/C4b-Inaktivator, DAF (decay accelerating factor«)
CD59
G, Mo, P, Erythrozyten, Thrombozyten
C5b-Inaktivator
CD123
Progenitorzellen, DC, Basophile
Interleukin-13-Rezeptor
CD117
Progenitorzellen, Mastzellen
SCF-Rezeptor (KIT-Rezeptor)
Chemokinrezeptoren
CD184
Progenitorzellen, DC, reife Leukozyten, Thrombozyten, Endothel- und Epithelzellen, Astrozyten
CXCR4; SDF-1-Rezeptor; Bedeutung für die medikamentöse Stammzellmobilisierung
Stammzelltypisch
CD34
Stamm- und Progenitorzellen
Ligand für L-Selektin/CD62L
CD133
Stamm- und Progenitorzellen
?
CD235a
Erythropoetische Reihe
Glycophorin A
DC-typisch
Adhäsion/Kostimulation
Fc-Rezeptoren
Komplementrezeptoren
Zytokinrezeptoren
Erythropoese
B B-Zellen, DC dendritische Zellen, G Granulozyten, Mo Monozyten, Mp Makrophagen, NK NK-Zellen, P Thrombozyten, Subpop. Subpopulationen, T T-Zellen.
2
21 2.1 • Hämatopoetische Organe
TM2434.004
104
TM2438.004
104
5.6%
98.1%
99.5%
R2
101
103
CD34 PE
103
CD34 PE
CD34 PE
103
102
R2
102
101
100 200
400 600 SSC-Height
800
1000
R2
102
101
100 0
TM2439.004
104
100 0
200
start
400 600 SSC-Height
800
1000
0
200
CD34+
400 600 800 SSC-Height
1000
CD34+B-
. Abb. 2.1 Anreicherung von mobilisierten humanen Blutstammzellen über das CD34-Antigen (durchflusszytometrischer Nachweis mittels nichtkompetitivem Fluoreszenzfarbstoff-markiertem anti-CD34-Antikörper). CD34-positive Zellen (Stamm- und Progenitorzellen) kommen grün, CD34-negative Zellen (Neutrophile/Monozyten/Lymphozyten) rot zur Darstellung. Start unselektiertes Leukaphereseprodukt; CD34+ Produkt nach einfacher CD34-Positivselektion; CD34+B− Produkt nach zusätzlicher Depletion von B-Zellen mittels anti-CD19- und anti-CD20-Antikörpern
2.1.3
Knochenmark
. Tab. 2.4 Prozentuale Verteilung des blutbildenden Knochenmarkes auf die jeweiligen Skelettabschnitte
Aufbau des Knochenmarks Das Knochenmark befindet sich im Bereich der von der Corticalis umhüllten Knochenspongiosa. Ein Erwachsener besitzt ca. 1,6– 3,7 kg Knochenmark; dies entspricht etwa 5 % des Körpergewichts. Rotes, d. h. blutbildendes Knochenmark nimmt altersabhängig einen Anteil von 25–50 % der Gesamtmasse ein; der restliche Anteil wird von gelbem oder Fettmark gebildet. Die Verteilung des blutbildenden Knochenmarks auf die verschiedenen Skelettabschnitte ist in . Tab. 2.4 dargestellt. Das rote Knochenmark enthält beim Erwachsenen 14–18 × 109 kernhaltige Zellen pro kgKG. Das Verhältnis von myeloischen zu erythropoetischen Zellen beträgt durchschnittlich 2,3:1. Die hämatopoetischen Zellen, die auch als Knochenmarkparenchym bezeichnet werden, liegen zwischen den von ortsständigen Zellen (Makrophagen/Histiozyten, Endothelien, Fibroblasten, Mastzellen, Fettzellen) ausgekleideten Spongiosabälkchen, dem Knochenmarkstroma.
Regulation der Hämatopoese, hämatopoetische Wachstumsfaktoren Die Blutbildung vollzieht sich unter physiologischen Bedingungen im Knochenmark. Die Regulation der Hämatopoese beruht einerseits auf genetisch vorgegebenen und entwicklungsabhängigen Aktivierungsschritten (»intrinsic control«), andererseits auf exogenen Faktoren wie dem Knochenmarkstroma und den hämatopoetischen Wachstumsfaktoren bzw. anderen Zytokinen (»extrinsic control«) [29]. Die Wachstumsfaktoren werden von den Knochenmarkstromazellen, von lymphatischen Zellen oder von den hämatopoetischen Zellen selbst gebildet und in den Extrazellularraum sezerniert; teilweise sind sie aber auch an Oberflächen, z. B. die Membran von Stromazellen, gebunden. Eine Übersicht über die wichtigsten Zytokine einschließlich hämatopoetischer Wachstumsfaktoren gibt . Tab. 2.5.
Skelettabschnitt
Knochenmark [%]
Kopf
13
Schultergürtel
8
Rippen, Sternum
10
Wirbelkörper
28
Becken
34
Femur
4
Hinsichtlich ihrer Wirkung kann man die Wachstumsfaktoren in 3 Gruppen einteilen [29]: 1. Faktoren, die v. a. in relativ späten Stadien der Hämatopoese wirken und für eine Differenzierungsreihe spezifisch sind. Hierzu gehören Erythropoetin für die rote Reihe, M-CSF für die monozytäre Reihe, G-CSF für die Neutrophilen und Thrombopoetin für die megakaryozytäre Reihe. 2. Faktoren, die auf multipotente Vorläuferzellen wirken und nicht linienspezifisch sind: GM-CSF, Interleukin-4 (IL-4). 3. Faktoren, die die ruhende pluripotente Stammzelle zur Teilung anregen. Eine solche Wirkung wird v. a. IL-3, IL-11, Thrombopoetin sowie v. a. Stammzellfaktor (SCF) und dem flt3-Rezeptorliganden (FL) zugeschrieben. Auch G-CSF kann ruhende Stammzellen stimulieren, darüber hinaus gehört es wie Thrombopoetin zur 1. Gruppe, da es spezifisch die späteren Differenzierungsstadien der Neutrophilen beeinflusst. Wachstumsfaktoren können über ihren spezifischen Rezeptor eine Reihe unterschiedlicher Prozesse in der Zelle auslösen: Zum einen
22
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
. Tab. 2.5 Wichtige Zytokine. (Nach [11])
2
Zytokin
Quelle
Biologische Effekte (Auswahl)
Klinische Indikationen für Anwendung als Pharmakon
Erythropoietin
Niere
Stimuliert Erythropoese
Renale Anämie und Tumoranämie
Thrombopoietin
Niere, Leber, KMStroma
Stimuliert Thrombopoese
Thrombopoietinanaloga: Behandlung von Autoimmunthrombopenien
G-CSF
Mo, Mp, G, Fib, En
Stimuliert Neutrophilenproduktion, -reifung, -aktivierung; Stammzellmobilisierung
Neutropenieverkürzung nach Chemotherapie, Stimulation von Stammzell- und Granulozytenspendern
GM-CSF
T, Mp, G, Fib, En
Stimuliert multipotente Vorläuferzellen, Neutrophilen-, Eosinophilen-, Monozytenreifung; Aktivierung von DC
Anwendung im Rahmen experimenteller Immuntherapie (Tumorvakzinierung)
Stammzellfaktor (SCF)
Fib
Stimuliert Stammzellen und primitive Progenitorzellen, stimuliert Mastzellen
Bisher keine
Interferon-α
Virusinfizierte Zellen
Induktion unspezifischer Entzündungsreaktionen; Proliferationshemmung
Anwendung bei Virusinfektionen (HBV, HCV); Tumortherapie (Melanom, Haarzellleukämie, chronische myeloische Leukämie)
Interferon-β
Virusinfizierte Zellen
Induktion unspezifischer Entzündungsreaktionen
Therapie der multiplen Sklerose
Interferon-γ
Th1-T-Helferzellen, NK
Modulation zellulärer Abwehrreaktionen
Anwendung zur Stimulation der zellulären Abwehrfunktionen bei chronischer Granulomatose
Interleukin-1
Mp, Mo
Aktivierung von T-Zellen und Makrophagen; Entzündungsmediator
IL-1-Rezeptorantagonisten in der Therapie der rheumatoiden Arthritis
Interleukin-2
Th1-T-Helferzellen
Aktivierung von T- und NK-Zellen und Makrophagen
Experimentelle Tumortherapie (Melanom, Nierenzellkarzinom)
Interleukin-3
T, NK, En, Mo
Stimulation multipotenter Progenitoren
Bisher keine
Interleukin-4
Th2-T-Helferzellen, Mastzellen, Eo, Baso
Aktivierung von T- und Monozyten
Bisher keine
Interleukin-5
Th2-T-Helferzellen, Mastzellen, Eo
Stimuliert Produktion, Reifung und Aktivierung von Eosiniophilen
Bisher keine
Interleukin-6
Th2-T-Helferzellen, Mp
Aktivierung von Lymphozyten, Stimulation der B-Zelldifferenzierung
Anwendung von IL-6-Antagonisten in der Myelomtherapie und bei M. Castleman
Interleukin-7
KM-Stromazellen, Thymusstromazellen
Stimuliert Proliferation und Differenzierung lymphatischer Vorläuferzellen zu B-, T-Lymphozyten und NK-Zellen, Inflammation
Bisher keine
Interleukin-8
Lymphozyten, Makrophagen, Epithel
Chemotaxis der Neutrophilen
Bisher keine
Interleukin-9
Th2-T-Lymphozyten
Stimulation von T-Zellen, B-Zellen und Mastzellen
Bisher keine
Interleukin-10
Th2-T-Lymphozyten
Regulation der Zytokinproduktion
Bisher keine
Interleukin-11
KM-Stromazellen
Stimulation früher Progenitoren und der Thrombopoese
Bisher keine
Interleukin-12
Dendritische Zellen, B- und T-Zellen
Differenzierung von T-Zellen
Bisher keine
Interleukin-13
Aktivierte Th2-T-Lymphozyten, NK-Zellen, Mastzellen
Stimulation von B-Zellen, Inhibierung von Th1-T-Lymphozyten
Bisher keine
Interleukin-35
Regulatorische TZellen
Suppression der Aktivierung von CD4+-THelferzellen
Bisher keine
Tumornekrosefaktor-α
Mp, NK, T, B
Entzündungsmediator
TNF-α-Antagonisten in der Therapie der rheumatoiden Arthritis
B B-Zellen, Baso Basophile, DC dendritische Zellen, Endothelzellen, Eo Eosininophile, Fib Fibroblasten, G Granulozyten, G-CSF granulozytenstimulierender Faktor, GM-CSF Granulozyten-Makrophagen-stimulierender Faktor, Mo Monozyten, Mp Makrophagen, NK NK-Zellen, T T-Zellen.
23 2.2 • Erythrozytäres System
vermögen sie eine Proliferation der entsprechenden Zielzellen zu bewirken, zum anderen sind sie in der Lage, Differenzierungsvorgänge anzuregen, und schließlich können sie auch eine Aktivierung der Zelle verursachen. Ein wichtiges Merkmal der komplexen Regulation der Hämatopoese ist, dass determinierte Progenitoren auf Signale einzelner Wachstumsfaktoren (wie G-CSF, Erythropoetin oder Thrombopoetin) ansprechen, während die Stimulation pluripotenter Zellen des Zusammenspiels einer ganzen Reihe von Mediatoren bedarf. Ob eine Stammzelle im Rahmen der Zellteilung sich selbst erneuert oder in ein weiter entwickeltes nachgeordnetes Differenzierungsstadium übergeht, ist dabei einem stochastischen Prozess unterworfen, dessen Ergebnis auf Einzelzellniveau nicht vorhersehbar ist [29]. Schließlich beeinflussen Zytokine auch die Freisetzung hämatopoetischer Zellen aus dem Knochenmark ins zirkulierende Blut. Durch exogene Zufuhr unphysiologisch hoher Dosen bestimmter hämatopoetischer Wachstumsfaktoren wie G-CSF kann man diese Regulation stören und erreichen, dass nicht nur unreife, aber schon determinierte Zellen (z. B. Myelozyten und Promyelozyten), sondern sogar hämatopoetische Progenitorzellen einschließlich der Stammzellen in die Peripherie ausgeschwemmt werden. Am Homing und an der Mobilisation der hämatopoetischen Stammzellen sind der Chemokinrezeptor CXCR4 und sein Ligand SDF-1 entscheidend beteiligt [12]. Der Mechanismus der G-CSF-induzierten Stammzellmobilisierung beruht im Wesentlichen darauf, dass G-CSF u. a. zur Freisetzung proteolytischer Enzyme wie der Neutrophilenelastase aus Granulozyten führt, welche wiederum die Degradation von Adhäsionsmolekülen auf Knochenmarkstromazellen zur Folge hat. Auf diese Weise vermindert sich die Bindungsaffinität der Progenitorzellen im Stroma, und es kommt zur Ausschwemmung in die Blutzirkulation [22]. Mittels Leukapherese können CD34-positive Progenitoren aus dem peripheren Blut gewonnen werden [14]. Klinisch wird dieser Effekt in der autologen oder allogenen Stammzelltransplantation genutzt [14] (7 Kap. 17). Möglicherweise wird die »klassische« GCSF-basierte Stammzellmobilisierung, die eine mehrtägige, in der Regel nicht ganz nebenwirkungsfreie Zytokinapplikation erfordert, künftig durch Substanzen ersetzt, die direkt mit der CXCR4-SDF1-Bindung interferieren [12]. Mit Plerixafor wurde mittlerweile der erste Vertreter der CXCR4-Antagonisten (in den USA) zugelassen. 2.2
Erythrozytäres System
2.2.1
Erythrozyten
Aufbau und Funktion Die wichtigste Funktion der Erythrozyten, der zur Versorgung des Gewebes bis in die kleinsten Gefäßbezirke erforderliche Transport von Sauerstoff, wird durch eine Reihe von biochemischen und strukturellen Besonderheiten gewährleistet. Ein normaler Erythrozyt besitzt die Gestalt einer von beiden Seiten eingedellten Scheibe mit einem Durchmesser von 7,5–8,3 μm und einer Dicke von 1,7 μm. Angaben zum durchschnittlichen Volumen, dem Hämoglobingehalt und der Hämoglobinkonzentration sind in . Tab. 2.1 zu finden. Die bikonkave Form gewährleistet eine gute Verformbarkeit der Erythrozyten, die für die Blutviskosität von großer Bedeutung ist und die Sequestration der Zellen, z. B. während der Passage durch die Milz, verhindert. Dementsprechend sind die unter pathologischen Bedingungen möglichen diversen Formanomalien des Erythrozyten mit einer verkürzten Lebensdauer der Zelle verbunden.
Für die mechanische Flexibilität ist die biochemische Zusammensetzung der Erythrozytenmembran entscheidend. Sie besteht überwiegend aus Lipiden, die an ein Glyceringerüst gebunden und derart angeordnet sind, dass eine zweischichtige Lage mit hydrophilen Außenseiten und einem hydrophoben Inneren entsteht. Eingelagert in die Membran sind verschiedene Proteine, deren Funktionen beispielsweise im transmembranösen Molekültransport (»Band3-Protein«) oder in der Aufrechterhaltung der negativen Oberflächenladung des Erythrozyten (Proteine der Glycophoringruppe) bestehen. Auf der zytoplasmatischen Seite der Membran bilden andere Proteine wie Spektrin, Ankyrin und Actin ein Gerüst in Form eines Netzwerkes, welches als Zytoskelett bezeichnet wird und für die Funktion und Flexibilität der Membran von essenzieller Bedeutung ist. So führt ein fehlerhaftes Spektrin beispielsweise zum Krankheitsbild der hereditären Sphärozytose. Die Bewahrung der Integrität der Membran ist ein aktiver, ATP-abhängiger Prozess. Entsprechend kann ein Glucosemangel wie bei hereditärem Glykolysedefekt (Pyruvatkinasemangel) zu Membrandefekten mit pathologischen Veränderungen der Erythrozytenform und zur Hämolyse führen [2].
Hämoglobin Hämoglobin macht mehr als 90 % des Trockengewichtes des Erythrozyten aus. Ein Molekül Hämoglobin besteht aus 4 Globinketten, von denen jede mit einem Molekül Häm verbunden ist. Das Hämoglobin besteht zum ganz überwiegenden Teil aus HbA (α2, β2), während HbA2 (α2, δ2) nur 2,5 % ausmacht und HbF (α2, γ2) nur in Spuren vorliegt. Die α-Ketten sind genetisch auf Chromosom 16 kodiert und bestehen aus 141 Aminosäuren. Die Gene der anderen Ketten liegen auf Chromosom 11; die β-Ketten enthalten 146 Aminosäuren, die γ-Ketten treten in 2 verschiedenen Unterformen auf. Der Sauerstoff wird an das Fe2+-Ion des Häms gebunden, welches chemisch Ferroprotorphyrin IX darstellt. Die räumliche Anordnung der Globinketten bewirkt, dass Häm überwiegend von apolaren Gruppen umgeben ist und dadurch eine oxidierende Wirkung der O2-Bindung verhindert wird. Zwischen den β-Ketten des deoxygenierten Hämoglobins wird 2,3-Di-phospho-glycerat (DPG) gebunden. DPG ist für die O2-Abgabe des Hämoglobins von Bedeutung. Die O2-Affinität des Hämoglobins, die in der O2-Dissoziationskurve erfasst wird, wird hauptsächlich beeinflusst durch Temperatur, pH-Wert und Konzentration von DPG in den Erythrozyten. Eine erhöhte O2-Affinität, d. h. eine Linksverschiebung der O2-Dissoziationskurve, entsteht bei niedrigen Temperaturen, erhöhtem pH-Wert oder verminderter DPG-Konzentration. Eine Umkehr dieser Parameter ist mit einer erniedrigten O2-Affinität verbunden, sodass die O2-Abgabe des Hämoglobins erhöht ist. Hinsichtlich der Zusammensetzung von Stabilisatoren bei der Blutkonservenlagerung spielt DPG insofern eine besondere Rolle, als seine Stabilität pH-abhängig ist, d. h. bei saurem pH-Wert wird DPG abgebaut.
Stoffwechsel Energieabhängige Prozesse im Erythrozyten stellen hauptsächlich die Stabilisierung des zweiwertigen Zustandes des Eisenions im Häm, die Aufrechterhaltung des transmembranösen Elektrolytgradienten, der Erhalt der reduzierten Form der SH-Gruppen des Hämoglobins und der intrazellulären Enzyme und schließlich die Bewahrung von Form und Funktion der Zellmembran dar. Da der reife Erythrozyt keine Mitochondrien enthält, ist sein Stoffwechsel durch anaerobe Glucoseverwertung gekennzeichnet,
2
24
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
. Tab. 2.6 Normale Eisenverteilung im Körper. (Nach [20])
2
Kompartiment
Eisen [mg]
Hämoglobin
2500
Eisenspeicher
500–2000
Gewebeeisen (Myoglobin, Zytochrome, Katalasen)
150–200
Transporteisen
3
Gesamt
3000–4500
die vorwiegend durch direkte Glykolyse erfolgt. Hierdurch werden ATP sowie NADH und NADPH gewonnen. NADPH dient u. a. dazu, Glutathion in reduziertem Zustand zu halten. Glutathion beseitigt H2O2, reduziert SH-Gruppen von Hämoglobin, Enzymen und Membranproteinen und schützt diese vor Oxidation. Ist die Bildung von reduziertem Glutathion vermindert, wie z. B. beim heriditären Glucose-6-Phosphatdehydrogenasemangel (»Favismus«), so kann es bei exogener Zufuhr von Peroxidbildnern (Favabohne, Chloroquin, Sulfonamide, ASS usw.) zur Hämolyse kommen. NADH dient zur Reduktion der Methhämoglobinreduktase, die ihrerseits Fe3+-Hämoglobin reduziert.
Eisenstoffwechsel Die normale Verteilung des Eisens im menschlichen Körper ist in . Tab. 2.6 dargestellt. Der größte Anteil befindet sich im Hämoglobin und damit in den Zellen der Erythropoese. Ein kleinerer Teil ist in Form von Ferritin und Hämosiderin gespeichert. Ferritin besteht aus Eisenhydroxid und Apoferritin, welches ein aus 24 Untereinheiten aufgebautes Protein mit einem Molekulargewicht von 444 kD ist. Es bildet eine abgerundete Würfelstruktur mit Poren, durch die das Eisen passieren kann. Gesättigtes Ferritin enthält ca 4500 Eisenatome und weist in dieser Form ein Molekulargewicht von 900 kD auf [28]. Die Synthese von Ferritin wird durch Eisen stimuliert. Ferritin kommt in fast allen Körperzellen vor und ist auch im zirkulierenden Blut nachweisbar. Seine Bestimmung ist für die Diagnostik von Eisenstoffwechselstörungen und Anämien von Bedeutung. Hämosiderin besteht aus präzipitierten Ferritinaggregaten, deren Proteinanteile z. T. bereits abgebaut sind, sodass das Verhältnis Eisen zu Protein größer ist; im Gegensatz zu Ferritin ist es lichtmikroskopisch darstellbar (Berliner-Blau-Reaktion) [20]. Da seine bevorzugte Lokalisation die Makrophagen von Knochenmark, Leber und Milz sind, stellt es im Vergleich zum Ferritin eine stabilere und weniger leicht mobilisierbare Form des Speichereisens dar. Der Anteil des Eisens außerhalb des Hämoglobins und der Eisenspeicher ist gering. Die Eisenresorption muss den physiologischen Eisenverlust ausgleichen. Dieser beträgt bei Frauen vor der Menopause durchschnittlich 2 mg pro Tag, bei Schwangeren 3 mg pro Tag, und bei postmenopausalen Frauen und Männern 1 mg pro Tag. Resorbiert wird Eisen v. a. im Duodenum und oberen Jejunum. In zweiwertiger Form gelangt das Eisen mittels eisenbindender Proteine durch die Mukosazelle und wird im Plasma als Fe3+ an das Transportprotein Transferrin gekoppelt. Transferrin ist ein Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von 75–81 kD und kann auch andere Metallionen binden, besitzt aber zu Eisen die größte Affinität. Das mit 2 FeAtomen beladene Transferrin wird in die mit Eisen zu versorgenden Zellen, also v. a. in die Zellen der Erythropoese und in rasch proliferierende Gewebe, aber auch in die eisenspeichernden Zellen wie
Hepatozyten und Makophagen über den Transferrinrezeptor TfR1 (CD71) aufgenommen. Die Regulation der Eisenresorption aus dem Darm ist bisher nicht komplett verstanden. Beteiligt sind der divalente Metalltransporter DMT-1, der die Aufnahme von Fe2+ aus dem Darmlumen in die Enterozyten bewerkstelligt und Ferroportin-1, welches für den Transport aus den Enterozyten in das Portalblut zuständig ist [1]. Eine zentrale Rolle bei der Regulation der Eisenaufnahme aus der Nahrung spielt ein in der Leber gebildetes Peptidhormon Hepcidin, welches DMT-1 und Ferroportin-1 herabregulieren kann [17]. Die Produktion und Freisetzung von Hepcidin wird unter anderem durch die Transferrinrezeptoren TfR1 und TfR2 beeinflusst. Bei einer Eisenmangelanämie wird die Hepcidinproduktion in der Leber vermindert, um die Eisenaufnahme aus dem Darm zu steigern. Trotzdem bleibt die Bioverfügbarkeit des Nahrungseisens in der Regel kleiner als 25 %. Das beim Abbau überalterter Erythrozyten in den Zellen des retikuloendothelialen Systems freiwerdende Eisen (täglich ca. 20 mg) wird ins Plasma abgegeben, dort erneut an Transferrin gebunden und so wieder der Hämatopoese zur Verfügung gestellt. Bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wird Eisen aus der Speicherform wesentlich langsamer freigesetzt, sodass die erythropoetische Aktivität abnimmt und trotz erhöhter Mengen an Speichereisen eine hypochrome Anämie resultieren kann. Der geringe physiologische Eisenverlust wird v. a. durch die Abschilferung von Schleimhautepithel in Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt sowie durch den Zellumsatz der Haut und des Respirationstraktes hervorgerufen. Bei Frauen entsteht zusätzlicher Eisenverlust durch Menstruation und Gravidität.
2.2.2
Kinetik des erythrozytären Systems
Erythropoese Die Erythropoese nimmt ihren Ausgang von der pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle (7 Abschn. 2.1.3). Nach Differenzierung in die multipotente myeloische Stammzelle erfolgt unter dem Einfluss von u. a. SCF, IL-11, IL-6 und G-CSF die weitere Ausreifung zum CFU-GEMM, aus dem sich unter der Regulation von u. a. IL3, GM-CSF und Erythropoetin das erythropoetisch determinierte BFU-E entwickelt. Das durch weitere Differenzierung hieraus entstehende, noch CD34-positive CFU-E ist die Vorläuferzelle der ersten morphologisch identifizierbaren Vorstufe der Erythropoese, dem Proerythroblasten (E1). Dieser ist ebenso wie die folgenden Reifungstufen des basophilen Erythroblasten (E2) und des polychromatischen Erythroblasten (E3) noch zur Zellteilung befähigt. Demgegenüber entwickelt sich der während der weiteren Differenzierung entstehende polychromatische Normoblast (E4) ohne weitere Teilung zum orthochromatischen Normoblast (E5) und nach Ausstoßung des Kerns schließlich zum Retikulozyten. Während die Synthese von RNA und Proteinen im Laufe der erythropoetischen Differenzierung abnimmt, steigt die Hämoglobinbildung deutlich an. Die Eisenspeicherung im Zytoplasma ist bereits von der Stufe der basophilen Erythroblasten an in Form der typischen Granula durch Berliner-Blau-Färbung nachweisbar. Die Dauer der Erythropoese vom Stadium des Proerythroblasten bis zum Retikulozyten beträgt etwa 5 Tage. Aus einem Proerythroblasten entstehen 8–16 Retikulozyten, die sich innerhalb von 2–5 Tagen in reife Erythrozyten umwandeln. Während dieser Zeit verlässt der Retikulozyt gewöhnlich das Knochenmark und wird in die Peripherie ausgeschwemmt, wo sich die letzte Phase der Aus-
25 2.3 • Granulozytäres System
reifung vollzieht. Der normale Retikulozyt ist 8–10 μm groß und weist charakteristische RNA-Reste im Zytoplasma auf, die sich mit Supravitalfärbungen darstellen lassen. Der Anteil der Retikulozyten an den zirkulierenden erythrozytären Zellen beträgt normalerweise 0,5–2 %. Täglich werden ca. 3 × 109 Erythrozyten pro kg Körpergewicht produziert. Die Regulation der Erythropoese hängt von der O2-Versorgung des Organismus ab. In der Niere wird in Abhängigkeit vom O2-Angebot Erythropoetin produziert, welches die Proliferation der erythropoetischen Vorläuferzellen determiniert. Bei verminderter O2-Verfügbarkeit steigt der Erythropoetinspiegel im Blut und damit die erythropoetische Aktivität im Knochenmark. Die Erythropoese kann bis zum 10-fachen der normalen Produktion zunehmen. Sowohl äußerer O2-Mangel (z. B. Höhenaufenthalt) als auch innere Ursachen wie kardiopulmonale Erkrankungen oder erniedrigter O2-Gehalt des Blutes bei Anämie führen zu einer Steigerung des Erythropoetinspiegels und damit der Erythropoese.
Erythrozytenabbau Die durchschnittliche Überlebenszeit normaler Erythrozyten beträgt 120 Tage. Der Abbau gealterter Erythrozyten vollzieht sich v. a. in Knochenmark, Leber und Milz. Daneben werden geschädigte Erythrozyten in Abhängigkeit vom Ausmaß ihrer morphologischen Veränderungen in der Milz und bei stärkerer Alteration auch in der Leber sequestriert. Bei geeigneten Noxen kann es aber bereits im Gefäßsystem zum Zerfall der Erythrozyten kommen (intravasale Hämolyse). Die für den Erythrozytenabbau verantwortlichen Zellen sind Monozyten und Makrophagen. Für die Sequestration in der Milz spielt der anatomische Aufbau des Organs (7 Abschn. 2.6.1) eine besondere Rolle. Täglich wird etwa die Menge an Erythrozyten abgebaut, die in 40 ml Blut enthalten ist [20]. Neben der normalen Alterung können pathologische Prozesse zu einer Schädigung oder Veränderung der Erythrozytenmembran führen und auf diese Weise eine vorzeitige Sequestrierung der Zelle verursachen. So resultiert die Bindung von Immunglobulinen an erythrozytäre Oberflächenstrukturen in komplementabhängiger Zytolyse oder bewirkt die Fc-Rezeptor-vermittelte Elimination der Zellen durch Makrophagen oder andere Effektorzellen in der Milz. Auch die Beladung der Erythrozytenmembran mit Komplementkomponenten wie C3b (welche auch ohne Beteiligung von Immunglobulin möglich ist) kann über Komplementrezeptorbindung zur Ingestion durch Makrophagen führen [10]. Nach enzymatischer Inaktivierung von C3b verbleibt das Fragment C3d auf der Zelloberfläche, das zwar keine opsonisierende Aktivität mehr besitzt, aber zum serologischen Nachweis einer Komplementbeladung des Erythrozyten verwendet werden kann und daher eine zentrale Rolle in der immunhämatologischen Diagnostik spielt. Neben den immunhämolytischen Prozessen ist eine Vielzahl weiterer angeborener oder erworbener Defekte des Erythrozytenaufbaus oder des Erythrozytenstoffwechsels mit einer verkürzten Erythrozytenlebensdauer assoziiert (7 Abschn. 2.2.1). Bei der Desintegration von Erythrozyten in den Makrophagen des retikuloendothelialen Systems wird auch Hämoglobin abgebaut. Die Globinanteile werden in die einzelnen Aminosäuren aufgespalten und dem allgemeinen Aminosäurepool zur Verfügung gestellt. Eisen wird an Transferrin gebunden und gelangt über das Blutplasma zurück in den Eisenkreislauf. Häm wird zu Biliverdin und unkonjugiertem (»indirektem«) Bilirubin metabolisiert, welches nach Transport in die Leber an Glukuronsäure gekoppelt wird. Aus dem so entstandenen konjugierten (»direkten«) Bilirubin entwickeln sich nach Sekretion in die Gallenflüssigkeit im Darm durch bakterielle Einwirkung verschiedene Metaboliten, die unter dem Begriff
Urobilinogen zusammengefasst werden. Der größte Teil des Urobilinogens wird mit dem Stuhl ausgeschieden, ein kleinerer Anteil gelangt nach enteraler Rückresorption erneut in die Leber (enterohepatischer Kreislauf) bzw. wird renal eliminiert. Freies Hämoglobin im Blutplasma tritt nicht nur pathologischerweise auf, sondern auch im Rahmen des physiologischen Abbaus der Erythrozyten, der zu 10–20 % intravasal stattfindet. Das freie Hämoglobin wird im Blut an Haptoglobin gebunden, der Hämoglobin-Haptoglobin-Komplex gelangt zur Leber, in der Hämoglobin in Bilirubin umgewandelt wird. Bei umfangreicherer Hämolyse führt dieser Prozess zu einer messbaren Verminderung des Haptoglobinspiegels im Blut. Der Haptoglobinabfall ist der sensitivste Indikator einer intravasalen Hämolyse, sofern nicht gleichzeitg die Produktion von Haptoglobin als unspezifische Folge entzündlicher Prozesse gesteigert ist. Im Urin tritt freies Hämoglobin nur auf, wenn die Bindungskapazität des Haptoglobins und die Kapazität der tubulären Rückresorption überschritten sind. Ein Teil des freien Hämoglobins im Blut wird zu Methämoglobin (Fe3+-Hämoglobin) umgewandelt. Nach Abspaltung der Globinanteile entsteht hieraus Hämin (Fe3+-Häm), das im Blut an Hämopexin gebunden wird. Eine ausgedehnte intravasale Hämolyse ist daher auch durch erniedrigte Hämopexinspiegel gekennzeichnet.
Untersuchungsverfahren Zur Bestimmung der Erythrozytenüberlebenszeit verwendet man Radionuklide, vorzugsweise 51Cr, welches ex vivo in patienteneigene Erythrozyten inkorporiert wird. Nach Reinjektion der auf diese Weise radioaktiv markierten Zellen werden dem Patienten in bestimmten Zeitabständen Blutproben entnommen. Der Abfall der gemessenen Radioaktivität gibt Auskunft über die Geschwindigkeit der Elimination der Erythrozyten aus der Zirkulation und kann auch zur Bestimmung des intrakorporalen Gesamtvolumens der Erythrozyten herangezogen werden [1]. Letzteres beträgt beim Erwachsenen etwa 25 ml pro kgKG. 51Cr- oder 99mTc-markierte Erythrozyten können auch zur Quantifizierung der Zellsequestration in der Milz und zur Lokalisation gastrointestinaler Blutungsquellen verwendet werden, die von anderen bildgebenden oder endoskopischen Untersuchungsverfahren nicht erfasst werden konnten. Eisenisotope (meist 59Fe) finden Anwendung bei der Bestimmung von Eisenresorption, Eisenverlust und Verteilung des Eisens im Organismus. 2.3
Granulozytäres System
2.3.1
Granulozyten
Aufbau und Funktion der neutrophilen Granulozyten Reife neutrophile Granulozyten haben einen Durchmesser von 12– 15 μm. Der Kern weist die typische Segmentierung in 2–4 (selten 5) Untereinheiten auf; bei weiblichen Personen erkennt man außerdem in 1–10 % der Neutrophilen ein weiteres, kleines Segment, das über ein feines Chromatinfilament mit dem Kern in Verbindung steht: das sog. »drumstick«. Das Zytoplasma des neutrophilen Granulozyten ist morphologisch durch charakteristische Granula gekennzeichnet. Man unterscheidet azurophile Primärgranula, welche u. a. saure Phosphatase, unspezifische Kollagenase, Elastase sowie Myeloperoxidase enthalten, von den zahlreicheren spezifischen Granula (u. a. mit den Enzymen spezifische Kollagenase und Lysozym). Diese Enzyme ermöglichen den Granulozyten die Ausübung ihrer physiologischen
2
26
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
. Tab. 2.7 Oberflächenmoleküle auf Granulozyten und Monozyten. (Nach [11][23])
2
Oberflächenstruktur
Neutrophile
Eosinophile
Basophile
Mastzellen
Monozyten
HLA-Klasse I
+
+
+
+
+
HLA-Klasse II
–
–
–
–
+
CD13
+
–
(+)
–
+
CD14
(+)
–
–
–
+
LFA-1 (CD11a)
+
+
+
+
+
C3bR (CD35)
+
+
+
+
+
FcγR I (CD64)
–
–
(+)
k. A.
k. A.
FcγR II (CD32)
+
+
+
–
+
FcγR III (CD16)
+
(+)
+
+
+
FcεR I
–
k. A.
–
+
+
FcεR II (CD23)
–
+
–
–
+
+ wird exprimiert (+) wird schwach exprimiert, – wird nicht exprimiert, k. A. keine Angaben.
Funktionen, die in unspezifischen zellulären Abwehrreaktionen (Phagozytose, Zytolyse) bestehen. Auch Granulozyten besitzen ein Zytoskelett, dessen wesentliche Bestandteile Actin und Myosin sind. Das Zytoskelett ist für die Motilität der Zellen von großer Bedeutung; Granulozyten haben die Fähigkeit, sich auf Oberflächen amöboid fortzubewegen. Immunzytologisch lässt sich eine Vielzahl distinkter Oberflächenstrukturen auf der Granulozytenmembran abgrenzen. Hierunter finden sich neben den HLA-Antigenen der Klasse I und den myeloischen Differenzierungsantigenen (CD13, CD33) v. a. Adhäsionsmoleküle, Komplementrezeptoren (CD11b), Fc-Rezeptoren (CD16), Zytokinrezeptoren und Bindungsstellen für Liganden, die Chemotaxis induzieren. Letztere werden auch als Chemokine bezeichnet. Ihnen scheint eine besonders wichtige Rolle für die physiologischen Funktionen der Granulozyten zuzukommen [25]. Eine Übersicht der granulozytären Oberflächenstrukturen ist in . Tab. 2.7 wiedergegeben. Die Hauptfunktion der neutrophilen Granulozyten besteht in der Phagozytose und der Elimination von Mikroorganismen. Um Erreger wirkungsvoll beseitigen zu können, müssen 1. die Neutrophilen an den Ort der Infektion gelangen, 2. die Erreger an die Zelloberfläche binden und inkorporieren, wobei ein von Zellmembran umschlossenes Gebilde entsteht, das sog. Phagosom, und 3. die enzymhaltigen Granula mit dem Phagosom verschmelzen (Fusion). Während der 5–20 min dauernden Fusion sinkt der intrazelluläre pH-Wert, sodass die in den Granula enthaltenen zytotoxischen Enzyme bei ihrem pH-Optimum wirken können. Spezifische Granula können ihren Inhalt auch nach außen in den Extrazellularraum abgeben (Degranulation). Die Abtötung phagozytierter Mikroorganismen erfolgt nicht nur über zytotoxische Proteine, sondern auch über Sauerstoffradikale: Als »respiratory burst« wird eine abrupte Steigerung des oxidativen Stoffwechsels im Rahmen der Phagozytose bezeichnet. Es resultiert die Freisetzung von mikrobiziden Verbindungen wie Superoxid Hydroxylradikal (OH), Wasserstoffperoxid (H2O2) und hypohalogenisierten Säuren (HOCl) [9].
Die wichtigsten am »respiratory burst« beteiligten Enzyme sind die Myeloperoxidase und die NADPH-Oxidase. Neutrophile Granulozyten können zytotoxische Effekte auch ohne vorhergehende Phagozytose z. B. im Rahmen der antikörperabhängigen Zytotoxizität (ADCC) ausüben. Hierbei werden durch Immunglobuline oder C3b opsonisierte Mikroorganismen an die Granulozytenoberfläche gebunden und durch Degranulation den toxischen Wirkstoffen der Granula ausgesetzt. Um den Ort der Entzündung zu erreichen, müssen die Granulozyten aus dem Gefäßlumen in den extravasalen Raum gelangen. Die Durchquerung der Gefäßwand erfordert eine komplexe Abfolge von Attraktions-, Adhäsions- und Transmigrationsprozessen. Eine entscheidende Rolle bei Induktion und Steuerung dieser Vorgänge kommt dabei den Chemokinen zu. Chemokine sind Mediatormoleküle, die am Ort der Entzündung von den betroffenen Zellen, aber auch vom Gefäßendothel freigesetzt werden [9][25]. Mittlerweile kennt man mehr als 20 verschiedene Chemokine und dazugehörige Chemokinrezeptoren, die in 4 Familien eingeteilt werden (C, CC, CXC, CX3C; . Tab. 2.8). Den Prozess der chemokingesteuerten Rekrutierung von Granulozyten an den Ort der Entzündung bezeichnet man auch als Chemotaxis. Weitere wichtige chemotaktisch wirksame Faktoren sind einerseits körpereigene Substanzen wie der Komplementfaktor C5a oder Leukotriene (LTB4), andererseits mikrobielle Produkte wie Formyl-Methionyl-Peptide. Zur Aktivierung der Neutrophilen tragen außerdem Zytokine wie G-CSF, GM-CSF, IL-1, Tumornekrosefaktor (TNF) und Interferon-γ bei. Auf der anderen Seite kann ihre Funktion durch verschiedene Stoffe (Magnesium, Calcium, Colchicin, Prostaglandine, Parasympathikomimetika, Lokalanästhetika, Glucokortikoide, Zytostatika, andere immunsuppressiv wirkende Substanzen) gehemmt werden.
Aufbau und Funktion der eosinophilen Granulozyten Der Durchmesser reifer Eosinophiler liegt zwischen 12 und 17 μm. Der in der Regel zweigelappte Kern zeigt keine Nucleoli; das Zytoplasma ist durch die charakteristischen eosinophilen, ovoiden, bis zu 1,5 μm großen Sekundärgranula gekennzeichnet. Letztere enthalten hauptsächlich ein zytotoxisches und heparinneutralisierendes
27 2.3 • Granulozytäres System
Protein, welches als »major basic protein« (MBP) bezeichnet wird. Daneben finden sich weitere zytotoxische Substanzen wie eosinophiles kationisches Protein, Eosinophilenneurotoxin und Eosinophilenperoxidase. Die Charcot-Leiden-Kristalle, die im Bronchialschleim von Patienten mit allergischem Asthma und im Stuhl bei parasitären Darmerkrankungen gefunden werden, entsprechen kristallisierter Lysophospholipase, einem membranständigen Protein, welches außer in eosinophilen auch in basophilen Granulozyten vorkommt [20]. Wie neutrophile exprimieren auch eosinophile Granulozyten an der Zelloberfläche HLA-Klasse-I-Antigene, myeloische Differenzierungsantigene, Adhäsionsmoleküle (CD11a/CD18), Chemokinrezeptoren, Komplementrezeptoren (CD11b, CD35), den Fcγ-Rezeptor mittlerer Affinität (CD32) und Zytokinrezeptoren. Ferner sind Histaminrezeptoren und auch ein niedrigaffiner Rezeptor für IgE vorhanden (FcεRII, CD23). Die physiologische Aufgabe der Eosinophilen ist die Beteiligung an zellulären Abwehrvorgängen. Obwohl eosinophile Granulozyten zur Phagozytose befähigt sind, erfolgt in der Regel keine Ingestion des Mikroorganismus, gegen den sich die zytotoxische Aktivität richtet. Nach Oberflächenkontakt (z. B. mit einer opsonisierten Zielzelle im Rahmen der antikörperabhängigen Zytotoxizität) wird der Inhalt der Granula durch Exozytose nach außen an den Wirkort abgegeben. Eine wichtige Rolle spielen die Eosinophilen v. a. bei der Abwehr parasitärer Organismen. Eine noch nicht restlos geklärte Bedeutung kommt den Eosinophilen im Rahmen allergischer Reaktionsabläufe zu; so sind sie an der Entzündungsreaktion bei allergischem Asthma und anderen atopischen Erkrankungen beteiligt. Eosinophile Granulozyten werden ebenfalls mittels Chemotaxis an ihren Wirkort geleitet. Wichtige auf Eosinophile wirkende chemotaktische Faktoren sind Chemokine, C5a und Leukotriene. Klinisch ist dies insofern von Bedeutung, als man durch Blockade entsprechender LigandRezeptor-Interaktionen eosinophilenvermittelte Entzündungsprozesse beeinflussen kann. Beispielsweise haben Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten einen Stellenwert in der Behandlung des Asthma bronchiale. Verschiedene Mediatoren führen zu einer Aktivierung der Eosinophilen, wobei vor anderen Interleukinen IL-5 die wichtigste Rolle zu spielen scheint. Daneben können auch andere von T-Lymphozyten sezernierte Zytokine wie GM-CSF und IL-3 Eosinophile aktivieren.
Aufbau und Funktion der basophilen Granulozyten Im Blut zirkulierende Basophile haben einen Durchmesser von 14– 18 μm. Der nur schwach segmentierte Kern ist häufig von den kräftigen, bis zu 0,8 μm großen Granula bedeckt. Letztere besitzen eine Matrix aus Proteoglykanen und enthalten im Wesentlichen Histamin. Basophile stellen die Hauptquelle des im Blut nachweisbaren Histamins dar. Das Spektrum der von Basophilen exprimierten Oberflächenmoleküle ist dem der Eosinophilen ähnlich; darüber hinaus besitzen Basophile einen hochaffinen Fc-Rezeptor für IgE (FcεRI), der sich ansonsten nur noch auf Mastzellen findet. Werden über diesen Rezeptor gebundene IgE-Moleküle durch Antigenbindung vernetzt, tritt eine sofortige Degranulation auf, bei der Histamin und andere Mediatoren der anaphylaktischen Reaktion freigesetzt werden; außerdem kommt es zur Sekretion von Zytokinen wie GM-CSF, IL-1, IL-5 und Interferon-γ [20]. Die Liberation von Histamin kann auch ohne Antigen-Antikörper-Wirkung durch verschiedene Substanzen (Komplementfaktoren, Granulozytenenzyme) induziert werden. Typischerweise exprimieren Basophile an ihrer Oberfläche Rezeptorstrukturen und
. Tab. 2.8 Chemokine und Chemokinrezeptoren (Auswahl). (Nach [25]) Chemokinfamilie
Chemokin (frühere Bezeichnung)
Chemokinrezeptor (CD-Nummer)
CXC
CXCL1 (GRO/MGSA)
CXCR2
CXCL4 (PF4)
CXCR3B
CXCL7 (NAP-2)
CXCR2 (CD182)
CXCL8 (Interleukin-8)
CXCR1 (CD181)
CXCL9 (MIG)
CXCR3
CXCL10 (IP-10)
CXCR3
CXCL12 (SDF-1)
CXCR4 (CD184)
CXCL13 (BCA-1, BCL)
CXCR5 (CD185)
CCL1 (I-309, TCA-3)
CCR8 (CDw198)
CCL2 (MCP-1)
CCR2 (CD192)
CCL3 (MIP-1α)
CCR1 (CD191)
CCL4 (MIP-1β)
CCR5
CCL5 (RANTES)
CCR1 (CD191)
XCL1 (Lymphotactin a)
XCR1
XCL2 (Lymphotactin b)
XCR2
CX3CL1 (Fractalkine)
CX3CR1
CC
C
CX3C
Differenzierungsantigene wie CD11b, CD13, CD123, CD35 in Abwesenheit von CD117. Die basophilen und eosinophilen Granulozyten entstehen aus einer gemeinsamen Vorläuferzelle und spielen neben ihrer Beteiligung an allergischen Prozessen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Fremdorganismen, insbesondere Parasiten.
Aufbau und Funktion der Mastzellen Trotz großer morphologischer und funktioneller Ähnlichkeiten konnte für die Mastzellen keine kontinuierliche Entwicklung aus basophilen Granulozyten nachgewiesen werden. Mastzellen exprimieren keine myeloischen Antigene wie CD11b oder CD13, werden dagegen durch die Koexpression von CD117 (KIT) mit CD2 und CD25 charakterisiert. CD117 stellt den Rezeptor für den Stammzellwachstumsfaktor (SCF) dar. Mastzellen, deren Zytoplasma mit zahlreichen dichten metachromatischen Granula bepackt ist, finden sich als langlebige Zellen in vaskularisierten Geweben und nicht im Blut. Der Kern der spindelförmigen Mastzellen ist meistens oval. Ihre Granula enthalten neben Proteoglykanen auch Histamin, Heparin sowie »slow-reacting substance of anaphylaxis« (SRS-A). Es wurde ermittelt, dass in 106 Mastzellen 2,4–7,8 μg Heparin enthalten sind [24]. Ähnlich wie basophile Granulozyten besitzen Mastzellen den hochaffinen Fc-Rezeptor für IgE (FcεRI). Nach IgE-vermittelter Degranulation werden aus Mastzellen Histamin und andere Mediatoren der anaphylaktischen Reaktion freigesetzt. Zudem können Mastzellen zahlreiche Zytokine (TNF-α, IL-5, IL-6, IL-13, IL-16), Chemokine und Wachstumsfaktoren (VEGF, SCF, GM-CSF, PDGF) sezernieren. Mittlerweile konnte gezeigt werden, dass Mastzellen aus einer CD34+-, CD117+-, CD13+- Progenitorzelle im Knochenmark entstehen [24].
2
28
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
. Tab. 2.9 Kinetik von Granuloyzten und Monozyten Knochenmark
2
Peripherie
Mitotisches Kompartiment
Speicherkompartiment
Blut
Gewebe
2–4 Tage
4–7 Tage
6–8 h
1–3 Tage
1–2
5–7
0,7–1,3
?
Durchgangszeit
?
2–6 Tage
6–8 h
1–3 Tage
Zellzahl [×109/kgKG]
?
0,05–0,1
0,005–0,01
?
Durchgangszeit
?
7–10 Tage
?
?
Zellzahl [×109/kgKG]
?
0,02–0,05
0,002–0,005
?
6 Tage
2 Tage
1–3 Tage
Monate bis Jahre
?
0,6–0,8
0,13–0,26
?
Neutrophile Durchgangszeit Zellzahl
[×109/kgKG]
Eosinophile
Basophile
Monozyten Durchgangszeit Zellzahl
2.3.2
[×109/kgKG]
Kinetik des granulozytären Systems
Granulopoese Der gemeinsame Vorläufer von neutrophilen, eosinophilen, auch basophilen Granulozyten ist die multipotente myeloische Stammzelle. Aus dieser entwickelt sich einerseits über das Stadium des CFU-GEMM v. a. unter dem Einfluss von IL-3 und GM-CSF das CFU-GM, welches sich entweder in granulozytäre oder monozytäre Richtung differenzieren kann. Durch Wirkung von u. a. G-CSF erfolgt die weitere Reifung zum Myeloblasten, der die erste morphologisch charakterisierbare Vorstufe des neutrophilen Granulozyten darstellt. Andererseits entsteht, gefördert durch IL-3, aus der myeloischen Stammzelle das CFU-eo/baso als früheste Form der eosinophilen/basophilen Differenzierungsrichtung. Hieraus entwickeln sich die determinierten Vorläuferzellen CFU-eo bzw. CFUbaso. Letzteres reift zu den morphologisch erkennbaren Formen der Basophilen im Wesentlichen unter Einfluss von IL-3 aus, während bei der Ausreifung der Eosinophilen IL-5 eine zentrale Rolle spielt. Im Weiteren durchläuft die Granulopoese die Stadien des Promyelozyten, des Myelozyten, des Metamyelozyten und des Stabkernigen, bis schließlich der reife segmentkernige Granulozyt des peripheren Blutes entstanden ist. Die für die verschiedenen Granulozytenreihen charakteristischen neutrophilen, eosinophilen und basophilen Granula treten erstmals im Stadium der Promyelozyten bzw. Myelozyten auf.
Kinetik der neutrophilen Granulozyten Neutrophile Granulozyten kommen in 3 Bereichen vor: 1. im Knochenmark, 2. im Blut und 3. im sog. Gewebepool. Im Knochenmark lässt sich ein mitotisch aktives Zellkompartiment (Myeloblasten, Promyelozyten, Myelozyten) von den reiferen Formen (Metamyelozyten, Stabkernige, Segmentkernige) unterscheiden, die einen rasch abrufbaren Speicher für den Bedarfsfall bilden. Die Gesamtproduktion von neutrophilen Granulozyten pro
Tag liegt bei 0,85 × 109 Zellen/kgKG. Während die Durchgangszeit vom Myelozytenstadium bis zur Freisetzung von reifen neutrophilen Granulozyten ins Blut normalerweise zwischen 5 und 7 Tagen liegt (. Tab. 2.9), kann diese bei Infektionen stark verkürzt sein. Bei erhöhtem Bedarf kann auch die Granulozytenproduktion erheblich gesteigert werden. Die Regulation der Granulopoese unterliegt verschiedenen Zytokinen, wobei insbesondere G-CSF eine besondere Rolle zukommt. Neben einer deutlichen Beschleunigung der Proliferation bewirkt es auch eine drastische Verkürzung der Reifungsphase nach Erreichen des Metamyelozytenstadiums, sodass die Ausschwemmung unreifer Formen einschließlich des Promyelozyten resultiert. Bei gesunden Individuen verursacht G-CSF eine exzessive Vermehrung der zirkulierenden Neutrophilen (dosisabhängig auf mehr als das 10-fache der Norm) [15]. Die endogene Produktion von G-CSF vollzieht sich u. a. in Makrophagen, Fibroblasten sowie Endothelzellen und ist offenbar von der zirkulierenden Granulozytenmenge abhängig: Während neutropenischer Phasen nach Chemotherapie oder Knochenmarktransplantation werden besonders hohe G-CSF-Serumspiegel beobachtet. Die ins Blut freigesetzten neutrophilen Granulozyten bilden einen sog. Randspeicher, der durch Adhärenz der Zellen an den Wänden der kleinen Gefäße entsteht, und einen zirkulierenden Speicher von Zellen im freien Blutstrom. Eine Verschiebung vom Randspeicher zum zirkulierenden Speicher tritt unter Stressbedingungen auf. Die Verweilzeit von neutrophilen Granulozyten ist kurz mit einer Halbwertszeit von nur 6–8 h. Der Umsatz neutrophiler Granulozyten nach Abwanderung ins Gewebe unter normalen Bedingungen ist wenig untersucht. Zu den Organen, in denen Neutrophile vermehrt vorkommen, gehören Lunge, Mundhöhle, Gastrointestinaltrakt, Leber und Milz. Über die Schleimhäute gehen neutrophile Granulozyten verloren. Andere die Überlebenszeit begrenzende Vorgänge sind die Sequestration durch Makrophagen oder Absterbevorgänge im Gewebe. Es ist anzunehmen, dass die Ausübung ihrer physiologischen Funktion (Phagozytose und Zytolyse von Mikroorganismen) mit einem frü-
29 2.4 • Monozyten-Makrophagen-System
Aufbau und Funktion von Monozyten und Makrophagen
heren Absterben der Granulozyten verbunden ist. Die Überlebenszeit der Neutrophilen beträgt nur 2–3 Tage.
2.4.1
Kinetik der eosinophilen Granulozyten
Der reife Monozyt hat einen Durchmesser von 12–20 μm. Der in der Regel gelappte Kern ist von einem breiten Zytoplasma umgeben, welches feine Granula besitzt. Die Granula enthalten lysosomale Enzyme wie saure Hydrolasen und Peroxidase und sind für die intrazelluläre Lyse von phagozytierten Mikroorganismen von Bedeutung [9]. Immunzytologisch lassen sich zahlreiche unterschiedliche Oberflächenmoleküle nachweisen. Die für die spezifischen Funktionen der Monozyten (Phagozytose, Antigenpräsentation, Zytokinsekretion) wichtigsten Oberflächenstrukturen sind in . Tab. 2.7 angeführt und umfassen HLA-Antigene der Klassen I und II, Adhäsionsmoleküle, Fc-Rezeptoren, Komplementrezeptoren, Zytokinrezeptoren und die myeloischen Differenzierungsantigene CD13, CD14 und CD33. Mit dem Übertritt des Monozyten ins Gewebe wandelt er sich zum Makrophagen um. Diese Entwicklung ist mit einer Größenzunahme der Zelle sowie mit einem zunehmenden Gehalt an lysosomalen Enzymen verbunden. Gleichzeitig nehmen die Zahl der Mitochondrien und der Energiestoffwechsel zu. Ortsständige Makrophagen haben in bestimmten Organen ein angepasstes morphologisches Erscheinungsbild wie die Kupffer-Sternzellen in der Leber, die Alveolarmakrophagen in der Lunge, die mehrkernigen Riesenzellen in granulomatösen Bezirken, die Mikrogliazellen im Gehirn sowie die Peritoneal- und Pleuramakrophagen. Zu den Entwicklungsformen der Makrophagen gehören auch die Osteoklasten. Es handelt sich dabei um Phagozyten mit besonderer Fähigkeit zum Knochenabbau. Auch die Mastzellen leiten sich vom Monozyten-Makrophagen-System her; sie sind vornehmlich im Bindegewebe, insbesondere im Bereich der Schleimhäute angesiedelt. Neben diesen überwiegend phagozytotisch aktiven Zellen gehören auch die verschiedenen Formen der antigenpräsentierenden Zellen zum Monozyten-Makrophagen-System. Hierzu zählen die Langerhans-Zellen der Haut, die »veiled cells« in den Lymphbahnen, die interdigitierenden dendritischen Retikulumzellen des T-Zell-dominierten Parakortex des Lymphknotens (7 Abschn. 2.6.1) sowie die follikulären dendritischen Retikulumzellen lymphatischer Keimzentren [10]. Auch im peripheren Blut sind dendritische Zellen mit starker antigenpräsentierender Funktion vorhanden [11]. Die Funktionen der Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems umfassen: 5 die Phagozytose, 5 das Zusammenspiel mit den Zellen der spezifischen Immunabwehr durch Verarbeitung und Präsentation von Antigen, 5 die Produktion und Sekretion von Zytokinen und anderen Mediatoren.
Die Zuordnung der morphologisch erfassbaren eosinophilen Reifungsstufen zum mitotischen und differenzierenden Zellkompartiment sowie zum Knochenmarkspeicher entspricht den Verhältnissen bei der neutrophilen Reihe, wobei die Anzahl der eosinophilen Granula während der Reifung zunimmt. Die Durchgangszeit im Knochenmark für eosinophile Zellen beträgt etwa 9 Tage (. Tab. 2.9). Im Blut finden sich weniger als 1 % der insgesamt im Körper vorhandenen eosinophilen Granulozyten, die Mehrzahl der Zellen befindet sich im Knochenmark oder in anderen Geweben. Die bevorzugt besiedelten Gebiete sind Haut, Lunge und Gastrointestinaltrakt, also die Organe, die als Eintrittspforte für Erreger dienen können. Die Halbwertszeit der Eosinophilen im Blut liegt zwischen 8 und 12 h. Die Überlebenszeit der Eosinophilen scheint ebenfalls etwas länger als die der Neutrophilen zu sein, im Mittel liegt sie zwischen 7 und 10 Tagen. Physischer und emotionaler Stress fördern die Ausschwemmung von Eosinophilen ins Blut, während die Applikation von Glucokortikoiden zur Verminderung der Eosinophilenzahl führt.
Kinetik der basophilen Granulozyten Die Durchgangszeit im Knochenmark für Basophile beträgt zwischen 7 und 10 Tagen. Das weitere Schicksal der Basophilen nach Übertritt ins Blut ist nicht eindeutig geklärt. Insgesamt dürfte ihre Überlebenszeit etwa der der Eosinophilen entsprechen, wohingegen Mastzellen eine wesentlich längere Überlebenszeit aufweisen.
Untersuchungsverfahren Zur Quantifizierung von Granulozytenproduktion und -verbrauch genügt für praktische Zwecke in der Regel die Bestimmung der Leukozytenzahl und des Differenzialblutbildes sowie die Untersuchung der quantitativen Knochenmarkzusammensetzung. Zelluläre Defekte können durch zytochemische, immunzytologische und molekularbiologische Methoden erfasst werden. Daneben gibt es In-vitro-Funktionstests zur gezielten Untersuchung spezifischer funktioneller Eigenschaften der Granulozyten (z. B. den Chemilumineszenz-Assay zur Messung des »respiratory burst«). Zur Lokalisation von Entzündungsherden werden in vitro mit 111In-Oxin markierte Granulozyten verwendet. Nach Reinjektion in den Patienten reichern sie sich insbesondere an Stätten gesteigerten Granulozytenverbrauchs wie Abszessen oder anderen Infektionsherden an. Alternativ werden an ein Nuklid gekoppelte monoklonale Antikörper gegen granulozytenspezifische Oberflächenantigene oder isotopenmarkierte Chemokine zur Lokalisationsdiagnostik von entzündlichen Foci eingesetzt [4].
2.4
Monozyten-Makrophagen-System
Das Monozyten-Makrophagen-System stellt eine morphologische und funktionelle Einheit dar. Es wird auch als retikuloendotheliales System (RES) bezeichnet. Der synonyme Begriff »mononukleäres Phagozytensystem« weist auf eine der Hauptfunktionen dieser Zellen, die Phagozytose, hin.
Die Phagozytose durch Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems bildet eine wesentliche Komponente der unspezifischen Abwehr von Mikroorganismen. Zu ihren Funktionen gehört auch der Abbau von Zelltrümmern in zerstörtem Gewebe. Unter den phagozytierten Mikroorganismen gibt es solche, die von den Makrophagen primär nicht lysiert werden, sondern sich sogar in ihnen vermehren (Mykobakterien, Listerien, Salmonellen, Brucellen, Legionellen u. a.). Erst die Aktivierung der Makrophagen durch antigenstimulierte T-Lymphozyten mittels Zytokinen (z. B. Interferon-γ) führt zur Zerstörung der phagozytierten Erreger. Die antigenpräsentierenden Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems sind für die Einleitung der spezifischen Immunantwort gegen Fremdantigene von essenzieller Bedeutung. Die entscheiden-
2
30
2
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
de Komponente sind dabei die dendritischen Zellen (DC) in ihren verschiedenen Erscheinungsformen (7 s. oben). DC phagozytieren kontinuierlich extrazelluläre Moleküle wie Proteine und Kohlenhydrate. Nachdem ein Molekül in die Zelle aufgenommen und teilweise abgebaut worden ist, wird es intrazellulär an HLA-Strukturen der Klasse I oder II gebunden, welche anschließend auf der Zelloberfläche exprimiert werden. Man unterschiedet zwei Klassen von HLA-Molekülen (HLA: humane Leukozytenantigene bzw. Haupthistokompatibilitätskomplex) [21]: Klasse-I-Moleküle umfassen die 3 Genloci A, B und C, während Klasse-II-Moleküle die Loci DR, DQ und DP darstellen. Da jeder Mensch 2 Allele für diese 6 Genloci aufweist, sind also maximal 12 verschiedene HLA-Moleküle auf der Zelloberfläche vorhanden. Die HLA-Moleküle sind wegen ihrer besonderen Funktion für die immungenetische Identität eines Individuums von herausragender Bedeutung; die Diversität im HLA-System stellt die Hauptursache für Abstoßungsreaktionen im Rahmen von Organtransplantationen dar. Da alle 6 Loci eng benachbart auf Chromosom 6 liegen, wird in der Regel jeweils ein kompletter Haplotyp vererbt, sodass Geschwister mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % HLA-identisch sind. Diese Tatsache ist für die Verfügbarkeit von Organspendern, speziell für die Stammzelltransplantation, von enormer Wichtigkeit. Zur effektiven Präsentation des phagozytierten Moleküls als Antigen auf der Zelloberfläche bedarf es aber einer vorherigen Aktivierung der DC. Eine solche Aktivierung kann z. B. durch die Bindung von pathogen assoziierten »molekularen Mustern« an sog. Mustererkennungsrezeptoren auf der Oberfläche der DC erfolgen. Hierunter versteht man Rezeptoren für Kohlenhydratstrukturen, die normalerweise in Vertebratenorganismen nicht vorkommen, wie beispielsweise Mannose, und die auf diese Weise der DC eine primitive Form der Diskriminierung von »fremd« und »selbst« erlauben [10]. Weitere Aktivatoren von DC stellen endogene Gefahrsignale wie die Freisetzung von Interferon-γ durch virusinfizierte Zellen oder Heat-shock-Proteine im Gefolge von nekrotischem Zelltod dar. Die Aktivierung führt zur Expression von kostimulatorischen Molekülen wie CD80/CD86 auf der DC-Oberfläche. Erst durch Bindung dieser Moleküle an entsprechende Liganden (CD28) auf einer T-Zelle kommt es zur Koaktivierung. Die aktivierten DC gelangen in den das betroffene Gewebe drainierenden Lymphknoten, wo sie mit T-Zellen in Kontakt treten. Die Bindung des T-Zellrezeptors einer passenden T-Zelle an den vom Makrophagen präsentierten HLA-Antigenkomplex führt dann zur Proliferation der T-Zelle, die letztlich in eine antigenspezifische Immunantwort einmündet. Für die erfolgreiche Stimulation der TZelle ist neben der Antigen-T-Zellrezeptor-Bindung und dem Zusammenspiel verschiedener Adhäsionsmoleküle auch die Sekretion von Mediatorsubstanzen durch die antigenpräsentierende Zelle erforderlich. Das wichtigste dieser Zytokine ist IL-1. Neben IL-1 umfassen die von Makrophagen sezernierten Substanzen Mediatoren der unspezifischen Abwehr wie Interferon-α und -β, TNF sowie Prostaglandine und Leukotriene, Wachstumsfaktoren wie GM-CSF, G-CSF und M-CSF, Komplementfaktoren und chemotaktische Wirkstoffe und schließlich zytotoxische Effektorsubstanzen wie Sauerstoffradikale und proteolytische Enzyme. Viele der sekretorischen Produkte werden erst nach Aktivierung der Makrophagen liberiert. Dies verdeutlicht abermals das enge Zusammenwirken der verschiedenen an der Abwehr beteiligten Zellpopulationen, bei dem die Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems eine zentrale regulatorische Rolle spielen.
2.4.2
Monopoese und Kinetik des MonozytenMakrophagen-Systems
Die Monopoese ist bis zum determinierten Stadium des CFU-GM mit der Granulopoese identisch (7 Abschn. 2.3.2). Unter hauptsächlichem Einfluss von M-CSF und GM-CSF entstehen hieraus die monozytären Vorläuferzellen und im Weiteren der Monoblast, der sich lichtmikroskopisch aber noch nicht sicher vom Myeloblasten unterscheiden lässt. Bereits die nächste Reifungsstufe, der Promonozyt, kann morphologisch, zytochemisch und immunzytochemisch identifiziert werden. Die Durchgangszeit vom Monoblasten bis zum Monozyten beträgt etwa 6 Tage (. Tab. 2.9). Die herangereiften Monozyten werden nach der letzten Teilung relativ rasch (nach ca. 2 Tagen) ins Blut ausgeschwemmt, sodass im Gegensatz zu den Granulozyten kein Reservoir im Knochenmark entsteht. In der Zirkulation haben die Monozyten eine Halbwertszeit von 1–3 Tagen. Nach Übertritt ins Gewebe und Umwandlung in Makrophagen hängt die weitere Überlebenszeit der Zellen von ihrer spezifischen Aufgabe und Funktion ab; im Durchschnitt beträgt sie 60 Tage, wobei es aber auch Makrophagen gibt, die Jahre überdauern. Entsprechend ist die Zahl der Gewebsmakrophagen um ein Vielfaches höher als die der Blutmonozyten. 2.5
Thrombozytäres System
2.5.1
Aufbau und Funktion der Thrombozyten
Native, im Blut zirkulierende Thrombozyten sind diskusförmig und haben eine Größe von 2–3,5 × 0,5–0,75 μm. Form und Funktion der Thrombozyten stehen in enger Beziehung zueinander (7 Kap. 4). Der Thrombozyt setzt sich aus 3 Zonen zusammen: 1. periphere Zone, die v. a. der Adhäsion dient, 2. Sol-Gel-Zone, die der Kontraktion dient, 3. Organellenzone, die der Sekretion dient. 5 Die periphere Zone setzt sich zusammen aus einer extramembranösen Glykokalix, der bei der Thrombozytenadhäsion und -aggregation eine funktionelle Bedeutung zukommt, einer darunterliegenden dreischichtigen Plasmamembran, die sich tief ins Zellinnere einstülpt und ein System offener Kanälchen bildet, und dem Submembranbereich. Letzterer stellt einen Übergang zwischen peripherer Zone und Sol-Gel-Zone dar. 5 Die Sol-Gel-Zone gewährleistet die Kontraktilität und Aufrechterhaltung der Scheibchenform der Thrombozyten. Sie besitzt ein Gerüst aus Mikrotubuli und Mikrofilamenten sowie ein kontraktiles System aus Actomyosinfilamenten. 5 In der Organellenzone finden sich elektronendichte Granula (»dense bodies«), die Calcium, energiereiche Phosphate, v. a. ADP, und Serotonin enthalten. Daneben gibt es α-Granula mit Gerinnungsfaktoren, Plättchenfaktoren (wobei es sich um teilweise thrombozytenspezifische Proteine handelt, deren Funktion hauptsächlich in einer Modulation der Blutgerinnung besteht) und anderen Effektorproteinen sowie lysosomale Granula. Der Inhalt all dieser Granula wird bei Aktivierung in die tief ins Zellinnnere reichenden Ausläufer des offenen Kanalsystems der Plasmamembran entleert. Weiter gibt es im Plättcheninneren noch ein geschlossenes Kanalsystem, bei dem es sich um Reste des megakaryozytären endoplasmatischen Retikulums handelt.
31 2.6 • Lymphatisches System
. Tab. 2.10 Wichtige Thrombozytenoberflächenantigene. (Nach [7][23] sowie Protein Reviews on the Web) Glykoprotein
CD-Nummer
Synonym
Funktion (klinische Bedeutung)
Ia/IIa
CD49b/CD29
Integrin α2β1
Adhärenz an subendotheliale Strukturen (Kollagenrezeptor)
Ibα/β/V/IX
CD42a–d
–
Rezeptor für von-Willebrand-Faktor und Thrombin (Moleküldefekt oder -defizienz beim Bernard-Soulier-Syndrom)
IIb/IIIa
CD41/CD61
Integrin α2bβ3
Rezeptor für Fibrinogen, von-Willebrand-Faktor und Fibronectin (Moleküldefekt oder -defizienz bei Glanzmann-Thrombasthenie)
Die Energiegewinnung der Thrombozyten erfolgt durch oxidative Phosphorylierung in ihren Mitochondrien und durch anaerobe Glykolyse unter Heranziehung ihrer Glykogenreserven. Die wichtigsten für Thrombozyten charakteristischen Oberflächenantigene sind die Glykoproteine der Zellmembran, die die Interaktion des Thrombozyten mit zellulären Oberflächen (Adhäsion), anderen Thrombozyten oder Plasmaproteinen vermitteln. Eine Übersicht ist in . Tab. 2.10 zusammengestellt [7]. Die Hauptaufgabe der Thrombozyten ist die Bildung von Thromben im Rahmen der physiologischen Blutstillung. Nach Aktivierung des Thrombozyten, beispielsweise durch Adhäsion an eine subendotheliale Basalmembran oder Kollagen, kommt es zur intrazellulären Freisetzung von ADP mit nachfolgender reversibler Verformung und Aggregation der Zelle. Schreitet dieser Prozess fort, führt er zur Ausschüttung von ADP, Serotonin, Katecholaminen, Plättchenfaktoren und anderen Mediatoren in den Extrazellularraum, die eine irreversible Plättchenaggregation und die Aktivierung der Gerinnungskaskade nach sich zieht und darüber hinaus vasokonstriktorisch wirksam ist. Durch Umwandlung von Membranphospholipiden in Arachidonsäure kommt es außerdem zur Bildung von Prostaglandinen und Thromboxan A2, welches ebenfalls die Vasokonstriktion und Plättchenaggregation fördert. Die Thrombozyten entwickeln bei diesem Vorgang pseudopodienartige Fortsätze, die zu einer Verzahnung der einzelnen Thrombozyten innerhalb der Aggregate führen.
2.5.2
Thrombopoese und Kinetik der Thrombozyten
Wie die Progenitoren der erythrozytären, granulozytären und monozytären Reihen leitet sich auch die determinierte Vorläuferzelle der Thrombopoese, das CFU-meg, von dem gemeinsamen Vorläufer CFU-GEMM her. Unter Einfluss von v. a. IL-6 und IL-11 entwickelt sich im Weiteren der Megakaryoblast, der unter stetiger Vergrößerung seines Zytoplasmavolumens durch endomitotische Teilungen zum Megakaryozyten heranreift. Wesentliche Bedeutung für die Proliferation und Differenzierung megakaryozytärer Vorläufer kommt dabei dem Thrombopoetin (TPO) zu. TPO hat für die Thrombopoese eine ähnlich spezifische Funktion wie Erythropoetin für die Erythropoese und G-CSF für die Granulopoese [15]. Daher versprach man sich vom TPO in Analogie zur Wirkung von G-CSF bei Neutropenien eine positive Beeinflussung von Zuständen gestörter Thrombozytenbildung, beispielsweise nach Chemotherapie oder Knochenmarktransplantation. Leider haben jedoch entsprechende Studien einen relevanten Effekt von TPO auf den Thrombozytentransfusionsbedarf nicht nachweisen können. Zudem kam es unter den ursprünglich verwendeten TPO-Präparationen zur Induktion irreversibler Autoimmunreaktionen (gegen TPO), sodass dieser Ansatz zunächst nicht
weiter verfolgt wurde. Erst in jüngster Zeit gelang es, in dieser Beziehung inerte TPO-Analoga (Romiplostim und Elthrombopag) zu entwickeln, welche mittlerweile zur Behandlung ansonsten refraktärer Immunthrombopenien zugelassen sind [18]. Kernvermehrung und Wachstum des Megakaryozyten kommen in der Regel nach Ausbildung von 8 Zellkernen zum Stillstand. Das Zytoplasma nimmt jetzt zunehmend granuläres Aussehen an, und Thrombozyten beginnen sich durch Fragmentation aus seinem Pasmaverband zu lösen. Dieser Vorgang wird durch Bildung von Mikrovesikeln im Zytopasma vorbereitet, die miteinander verschmelzen und sich dadurch zu Plättchendemarkationsmembranen entwickeln. Aus jedem Megakaryozyten entstehen ca. 1000– 4000 Thrombozyten. Die Ausreifung der determinierten Vorläufer zu reifen Thrombozyten dauert etwa 5–10 Tage. Täglich werden durchschnittlich 35 × 109 Thrombozyten/kgKG produziert. Nach Ausschwemmung aus dem Knochenmark verweilen die Thrombozyten bis zu 36 h in der Milz, die unter normalen Umständen damit bis zu 1/3 der Knochenmarkproduktion abfängt. Bei diesem Milzpooling werden die Zellen nicht geschädigt. Die Überlebenszeit der Thrombozyten beträgt im Durchschnitt 7–10 Tage. Sie ist verkürzt bei erhöhtem peripherem Verbrauch, beispielsweise bei septischen Zuständen, oder aber durch Autoantikörper bei Immunthrombopenien. Bei schweren Immunthrombozytopenien liegt die Überlebensdauer häufig unter 24 h.
2.5.3
Untersuchungsverfahren
Orientierenden Aufschluss über die Thrombozytenproduktion gibt die Bestimmung der Thrombozytenzahl im Blut, ggf. in Zusammenschau mit der zytologischen Knochenmarkuntersuchung. Diese einfachen Methoden reichen in der Regel aus, um Zustände verminderter Thrombozytenproduktion von solchen erhöhten Thrombozytenverbrauchs zu unterscheiden. Für spezielle Fragestellungen wie der Thrombozytenüberlebenszeit oder den Orten gesteigerten Thrombozytenabbaus existieren nuklearmedizinische Verfahren, die im Grundsatz den 7 Abschn. 2.2.2 beschriebenen Methoden gleichen.
2.6
Lymphatisches System
Das lymphatische System ermöglicht die spezifische Immunreaktivität. Es stellt den höchstentwickelten Mechanismus des Körpers zur Abwehr von Fremdorganismen dar. Das lymphatische System erfüllt seine Funktion durch das Zusammenwirken verschiedener Elemente: die lymphatischen Organe und die lymphatischen Zellen. Eingebunden in dieses komplexe Zusammenspiel sind neben vielen
2
32
Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
anderen Faktoren auch die Zellen der primär unspezifischen Abwehr wie Granulozyten und Makrophagen.
2
2.6.1
Lymphatische Organe
Als primäre lymphatische Organe man bezeichnet solche, die der Entwicklung und Reifung von Lymphozyten dienen. Beim Menschen sind dies Knochenmark, Thymus und evtl. die lymphatischen Gewebe im Bereich der Bronchial- und Gastrointestinalschleimhaut (»mucosa-associated lymphoid tissue«; MALT). Demgegenüber stellen Lymphknoten, Milz und andere lymphatische Bezirke die sekundären lymphatischen Organe dar. Ihre Aufgabe besteht darin, die Interaktion der verschiedenen an der Immunantwort beteiligten Zellen mit dem Fremdantigen und untereinander zu vermitteln; sie sind also die Stätten, an denen die lymphatischen Zellen ihre Funktion ausüben. In den primären lymphatischen Organen differenzieren sich die Lymphozyten aus lymphopoetischen Vorläuferzellen, proliferieren und reifen zu funktionellen Effektorzellen heran. Hier erhalten die lymphatischen Zellen ihr Repertoire an spezifischen Antigenrezeptoren, das sie befähigt, gezielt gegen Fremdantigen zu reagieren. Auch die Toleranz gegenüber körpereigenen Strukturen wird in den primären lymphatischen Organen erworben. Während sich die lymphopoetische Stammzelle im Knochenmark befindet (welches das größte lymphatische Organ des Körpers ist), wandern die T-Vorläuferzellen in den Thymus, wo sie unter dem Einfluss von Zytokinen sowie weiteren humoralen und membranständigen Mediatoren zu T-Lymphozyten heranreifen (oder im Rahmen der Herstellung der klonalen Anergie ausgeschaltet werden). Die reifen T-Zellen gelangen ins Blut und besiedeln von dort die sekundären lymphatischen Organe. Die B-Lymphozyten reifen im Knochenmark heran (wo auch die Antigenspezifität erworben wird). Auch die NK-Zellen entwickeln sich im Knochenmark unter Zytokineinfluss aus CD34-positiven Vorläuferzellen [16].
Thymus Der Thymus entsteht aus dem Epithel der 3. und 4. Schlundtasche. Bereits bei der Geburt voll ausgebildet, nimmt der Thymus während der ersten Lebensjahre an Größe weiter zu, um sich aber bereits im frühen Erwachsenenalter wieder zurückzuentwickeln. Anatomisch wird der Thymus in Rinde (Kortex) und Mark (Medulla) unterteilt. Der Kortex enthält überwiegend kleine und mittlere Lymphozyten, daneben Epithelzellen und Makrophagen. Die Medulla ist durch reife Thymozyten und Epithelzellen sowie die charakteristischen Hassall-Körperchen (welche konzentrische Ringe keratinproduzierender Epithelzellen darstellen) gekennzeichnet. Das Thymusepithel vermittelt über zelluläre und humorale Mechanismen die T-Zellreifung einschließlich der Fähigkeit, zwischen eigenen und körperfremden Strukturen zu unterscheiden. Obgleich wesentliche Teile des Organs früh atrophieren, bleibt diese wichtige Funktion während des gesamten Lebens erhalten.
Mukosaassoziierte lymphatische Gewebe (MALT) Multiple fokale Ansammlungen von lymphatischen Zellen finden sich in der Mukosa, Submukosa und Lamina propria der Bronchiolen und des Gastrointestinaltraktes. Einige dieser Areale, wie z. B. die Tonsillen, erreichen beträchtliche Größe. Die lymphatischen Ansammlungen des MALT weisen keine Kapsel auf und befinden sich in der Nähe der Schleimhautoberfläche. Die wesentliche Funktion des MALT scheint in der lokalen Abwehr von Mikroorganis-
men und anderem Fremdantigen zu bestehen, welche v. a. durch die Produktion und transmukosale Sekretion von spezifischem IgA bewirkt wird. Daneben stellen die Gewebe des MALT möglicherweise eine zweite Quelle der Lymphopoese dar. Dem MALT entstammende T- und B-Lymphozyten können in sekundäre lymphatische Organe wie Lymphknoten und Milz zirkulieren.
Lymphknoten Die Lymphknoten sind Teil eines Netzwerks, das über die Peripherie in den Organismus gelangte Fremdantigene aus der interstitiellen Flüssigkeit und der Lymphe herausfiltert. Sie haben beim Menschen einen Durchmesser von 1–25 mm, sind rund oder nierenförmig und weisen eine Eindellung auf, den Hilus, durch den Blutgefäße in sie eintreten oder sie verlassen. Die afferenten Lymphgefäße münden an der Konvexität des Lymphknotens, während die efferenten Gefäße die Lymphe über den Hilus drainieren. Lymphknoten sind von einer Kapsel umgeben und bestehen anatomisch aus Rinde (Kortex), Mark (Medulla) sowie einer dazwischen gelegenen Zone, dem sog. Parakortex. Lymphatische Sinus, die sich in Kapsel und unterteilenden Trabekeln befinden, stehen in Verbindung mit medullären Sinus und den efferenten Gefäßen. Die Lymphfollikel im Kortex enthalten ganz überwiegend B-Lymphozyten sowie der Antigenpräsentation dienende dendritische Retikulumzellen. Im Parakortex dominieren T-Zellen mit dazwischenliegenden, zur Antigenverarbeitung befähigten interdigitierenden Retikulumzellen.
Milz Die Milz ähnelt sowohl in der Funktion der Antigenaufnahme als auch im Aufbau den Lymphknoten. Man unterscheidet die weiße Pulpa, die lymphatischem Gewebe entspricht, von der sie umgebenden, aus Sinus und Blut bestehenden roten Pulpa. Die Anordnung von weißer und roter Pulpa entspricht der Gefäßarchitektur. Ausgehend vom Hilus verlaufen die größeren Arterien zunächst in den bindegewebigen Trabekeln, die das Milzgewebe unterteilen. Die die Trabekel verlassenden Gefäße werden von strangförmigem oder follikulärem lymphatischem Gewebe umgeben und als Follikelarterie (A. centralis) bezeichnet. Die weiteren Aufzweigungen versorgen zum einen die weiße Pulpa mit der sie umgebenden sog. Marginalzone, zum anderen enden sie in der roten Pulpa oder münden in die venösen Sinus der roten Pulpa. Der in die rote Pulpa führende Blutfluss ist von besonderer Bedeutung für die neben der Antigenverarbeitung und Antigenpräsentation zweite wichtige Funktion der Milz: die Sequestration von Blutzellen. Um aus der roten Pulpa erneut in die Zirkulation zu gelangen, muss das Blut die schlitzförmigen Öffnungen der Sinus passieren. Dadurch bleiben geschädigte oder überalterte, weniger verformbare Zellen in der Pulpa hängen und können abgebaut werden.
2.6.2
Lymphatische Zellen
Lymphozyten proliferieren und reifen in den primären lymphatischen Organen (Thymus und Knochenmark), von wo aus täglich ca. 109 reife Zellen in die Zirkulation freigesetzt werden. Vom Blut aus gelangen die Lymphozyten in die sekundären lymphatischen Organe. Ein erwachsener Mensch besitzt im Durchschnitt etwa 1012 lymphatische Zellen; das lymphatische Gewebe als Ganzes macht etwa 2 % des Körpergewichts aus. Viele reife lymphatische Zellen sind langlebig und können, z. B. als Gedächtniszellen, Jahre überdauern. Die Lymphozyten des peripheren Blutes haben Durchmesser von 6–10 μm, wobei kleine Zellen mit schmalem Zytoplasmasaum
33 2.6 • Lymphatisches System
vorherrschen. Daneben finden sich aber auch sog. »large granular lymphocytes« (LGL), größere Lymphozyten mit weitem Zytoplasma, welches azurophile Granula aufweist. Die Morphologie der Lymphozyten korreliert mit ihrer Funktion. So sind natürliche Killerzellen (NK-Zellen) und Subgruppen zytotoxischer T-Zellen (z. B. γδT-Zellen) durch die LGL-Form charakterisiert, während B-Zellen und T-Helferzellen in der Regel kleine Zellen sind. Eine weitergehende Unterscheidung von B-Zellen, NK-Zellen und den verschiedenen T-Zellsubtypen gelingt lichtmikroskopisch aber nicht, sondern bedarf immunzytologischer und/oder molekularbiologischer Methoden (. Tab. 2.3). T-Zellen machen beim erwachsenen Menschen mit insgesamt etwa 70 % die Hauptmasse der im peripheren Blut zirkulierenden Lymphozyten aus, während der Anteil an B- und NK-Zellen jeweils etwa 15 % beträgt.
T-Lymphozyten Für die Charakterisierung und Funktion von T-Lymphozyten sind Oberflächenstrukturen von wesentlicher Bedeutung: T-Zellen sind definitionsgemäß die Lymphozyten, die den T-Zellrezeptor exprimieren. Hierbei handelt es sich um ein zweikettiges Rezeptormolekül, welches genetische Verwandtschaft zu den Immunglobulinen besitzt und zusammen mit dem aus 3 Komponenten aufgebauten CD3-Molekül den T-Zellrezeptorkomplex (TCR) bildet. Letzterer stellt die spezifische Bindungstelle für Fremdantigen dar und kann in 2 verschiedenen Formen vorkommen: Der γδ-TCR (TCR-1) wird auf einer kleinen Fraktion zirkulierender T-Zellen (<15 %) exprimiert, die v. a. zytotoxische Funktion haben. Der TCR-1 besitzt nur eine eingeschränkte Diversität. Alle übrigen T-Zellen tragen den αβ-TCR (TCR-2), welcher ähnlich dem B-Zellrezeptor, einem Oberflächenimmunglobulin, durch variable Rekombination einer begrenzten Anzahl von Genen eine außerordentliche Diversität aufweist: Man schätzt, dass individuelle αβ-T-Zellrezeptoren für etwa 1015 verschiedene Spezifitäten vorgehalten werden. Wird ein Fremdantigen von antigenpräsentierenden Zellen nach Degradation zu Peptiden auf HLA-Molekülen der T-Zelle angeboten, setzt der TCR eine Signalkaskade in Gang, die letztlich in Aktivierung und Proliferation der T-Zelle einmündet [11]. Die TCR-2-positiven Zellen lassen sich weiter unterteilen in eine CD8-positive Fraktion, die hauptsächlich zytotoxische Funktionen wahrnimmt, und eine nicht überlappende, CD4-positive Fraktion, deren Aufgabe im Wesentlichen in der Anregung und Regulation von Immunreaktionen besteht (T-Helferzellen). Die Funktion von CD4- und CD8-Molekülen besteht in der Interaktion mit den HLA-Strukturen der antigenpräsentierenden Zelle: Während CD8 eine Bindung mit HLA-Klasse-I-Molekülen eingeht, bindet CD4 an HLA-Strukturen der Klasse II. CD4-positive T-Zellen sind hauptsächlich zytokinsezernierende Helferzellen, während CD8-Zellen im Wesentlichen zytotoxische Funktionen ausüben. Neben den genannten findet sich eine Vielzahl weiterer Oberflächenantigene auf T-Lymphozyten, die teilweise für T-Zellen charakteristisch sind, teilweise aber auch auf anderen Zellen vorkommen und v. a. Adhäsionsmolekülen und Zytokinrezeptoren entsprechen. Manche Antigene werden erst nach Aktivierung der T-Zelle auf der Zelloberfläche exprimiert. Die Funktion der T-Lymphozyten besteht in der Initiierung und Regulation antigenspezifischer Abwehrreaktionen. Darüber hinaus sind sie in Form von zytotoxischen Effektorzellen auch direkt an der Immunabwehr beteiligt. T-Lymphozyten sind in der Regel langlebig und bilden den wesentlichen Teil des rezirkulierenden Pools der kleinen Lymphozyten bzw. halten sich in den T-Zellregionen der sekundären lymphatischen Organe (Parakortex des Lymphknotens, periarterioläre Areale der weißen Milzpulpa) auf. Nach Anti-
genkontakt erfolgt je nach Art und Präsentation des Antigens die Stimulation und Proliferation der verschiedenen T-Zellsubpopulationen, die dann unterschiedliche Aufgaben bei der zellulären Immunantwort übernehmen. Während der Proliferation nehmen die Zellen vorübergehend eine blastenartige Gestalt an. Die T-Helferzellen sind in der Regel CD4-positiv und spielen bei der Aktivierung und Regulation der Immunreaktion eine Schlüsselrolle. Helferzellen kommen in 2 Formen vor, die jeweils nach Antigenpräsentation durch HLA-Klasse-II-Moleküle auf antigenpräsentierenden Zellen Immunreaktionen fördern: Typ-1-Helferzellen (Th1) produzieren IL-2 bzw. Interferon-γ und sind für die spezifische Stimulation von CD8-positiven zytotoxischen T-Zellen von Bedeutung. Kommt es hierbei auch zur Aktivierung von Makrophagen, resultiert eine antigenspezifische Entzündungsreaktion, die der Hypersensitivitätsreaktion vom verzögerten Typ entspricht. Prototyp dieser Form der Immunantwort ist die Tuberkulinreaktion. Hauptaufgabe der Typ-2-Helferzellen (Th2) ist dagegen die Aktivierung des B-Zellsystems [11]. Es resultiert eine antigenspezifische Antikörperbildung, die unter Beteiligung von Fc-Rezeptor-tragenden Effektorzellen wie Granulozyten ebenfalls in eine zelluläre Abwehrreaktion einmünden kann. Auch dieser Reaktionsweg erfordert die Ausschüttung von Zytokinen (v. a. IL-4, IL-5, IL-6 bzw. IL-10). Werden hierbei hauptsächlich IL-4 und IL-5 freigesetzt, resultiert die Stimulation von IgE-exprimierenden B-Zellen. Eine Störung dieses Prozesses bildet die Grundlage atopischer Erkrankungen wie dem allergischen Asthma oder dem atopischem Ekzem [6]. Kürzlich wurde eine Subpopulation der CD4-positiven T-Zellen beschrieben, die durch eine hohe Oberflächenexpression der Interleukin-2-Rezeptor-α-Kette (CD25) und durch die Koexpression des Transkriptionsfaktor forkhead box P3 (FoxP3) im Zellkern charakterisiert sind. Diese sogenannten regulatorischen T-Zellen (»T reg«) haben die Fähigkeit zur Kontrolle und Suppression der Immunantwort, zur Regulation der peripheren T-Zellhomöostase und zur Erhaltung der Selbsttoleranz [26]. Die T-Killerzellen sind Effektororgane der spezifischen Immunabwehr. Sie vernichten durch direkten Zellkontakt körpereigene Zielzellen, die – z. B. aufgrund eines Virusbefalls – HLA-I-gebundenes Fremdantigen auf der Oberfläche exprimieren, und tragen über Sekretion von Zytokinen wie Tumornekrosefaktor (TNF-α) zur Aktivierung auch unspezifischer Abwehrvorgänge bei [11].
B-Lymphozyten Reife B-Lymphozyten tragen an ihrer Oberfläche membranständige Immunglobulinmoleküle, in der Regel IgM. Häufig findet sich daneben oder stattdessen die Expression von IgD an der Zelloberfläche, während IgG-, IgE-, oder IgA-tragende Zellen im Blut selten sind. Auch wenn verschiedene Immunglobulinklassen auf derselben Zelle exprimiert werden, gehören ihre Leichtketten stets nur zu einer Klasse (κ oder λ); auch die Antigenspezifität (der Idiotyp) ist bei allen Immunglobulinen eines B-Lymphozyten identisch. Neben den Immunglobulinen finden sich zahlreiche weitere Oberflächenstrukturen, die für die Funktion der B-Zelle von Bedeutung sind: Fc-Rezeptoren, Komplementrezeptoren, Adhäsionsmoleküle, HLA-Antigene der Klassen I und II, Zytokinrezeptoren sowie B-zelltypische Differenzierungsantigene. Letztere erlauben im Zusammenhang mit molekulargenetischen Untersuchungen des Immunglobulinschwerketten-Rearangements, die verschiedenen Entwicklungsstufen der B-Zelle während der primären Reifung im Knochenmark zu unterscheiden. Klinische Bedeutung haben sie für die Diagnostik von Leukämien und Lymphomen. B-Zellen sorgen dafür, dass antigenspezifische Antikörper als humorale Effektormoleküle oder im Rahmen zellulärer Abwehr-
2
34
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Kapitel 2 • Bildung, Aufbau, Funktion und Kinetik hämatopoetischer Zellen
reaktionen (antikörperabhängige Zytotoxizität) zur Verfügung stehen. Reife B-Lymphozyten finden sich außer im Blut vorzugsweise in den Lymphfollikeln der sekundären lymphatischen Organe: im Kortex der Lymphknoten, in den peripheren Zonen der weißen Milzpulpa, im Knochenmark sowie in den lymphatischen Arealen des MALT. Hier kommt es nach Antigenkontakt unter dem regulierenden Einfluss der T-Helferzellen zur Proliferation der antigenspezifischen B-Zellklone in Keimzentren, wobei die Zellen ein (nach der primären Ausreifung im Knochenmark) zweites Blastenstadium durchlaufen: Es entstehen Zentroblasten und Immunoblasten. Letztere reifen schließlich zu Plasmazellen aus, welche die Antikörper sezernieren. Auch bei diesem Reifungsprozess sind Zytokine beteiligt; die wichtigsten sind IL-2, IL-4, IL-5 und IL-6. Die physiologische Reaktion von B-Lymphozyten ist polyklonal, d. h. gegen ein bestimmtes Antigen werden unterschiedliche Antikörper von verschiedenen Lymphozytenklonen gebildet.
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NK-Lymphozyten NK-Zellen sind immunzytologisch definiert durch die Expression von CD16 (Fcγ-Rezeptor niedriger Affinität) und CD56 (entspricht dem Adhäsionsmolekül N-CAM) sowie dem Fehlen von CD3. Morphologisch haben sie das Aussehen großer granulärer Lymphozyten (LGL); die Granula enthalten lysosomale Enzyme. Entsprechend der Intensität der CD56-Expression unterscheidet man zwei verschiedene Typen von NK-Zellen: Während etwa 90 % der NK-Zellen zytotoxische Funktionen ausüben und durch eine schwache CD56Expression gekennzeichnet sind, kommt den restlichen NK-Zellen mit starker CD56-Expression eher eine regulatorische Funktion zu. Die Aufgabe der NK-Zellen besteht im Wesentlichen in der unspezifischen Zytolyse von Tumorzellen oder virusinfizierten Zellen. Im Gegensatz zur T-Zellreaktivität, die auf der Erkennung spezifischer Fremdstrukturen beruht, richtet sich die NK-Zytotoxizität gegen Zellen, die nicht eigen sind, d. h. keine oder keine eigenen HLAKlasse-I-Moleküle exprimieren. Eine vorangehende Sensibilisierung ist hierzu nicht erforderlich. Eine wichtige regulierende Bedeutung kommt dabei den sog. »killer cell immunglobulin-like receptors« bzw. »killer cell inhibitory receptors« (KIR) der NK-Zellen zu [16]. Darüber hinaus spielen NK-Zellen auch bei spezifischen Abwehrvorgängen im Rahmen der antikörperabhängigen Zytotoxizität eine Rolle.
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35
Kreislaufphysiologische Grundlagen T. Scheeren, S. M. Hergert und G. Nöldge-Schomburg
3.1
Blutvolumen – 36
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4
Bestimmung des Blutvolumens – 36 Regulation des Blutvolumens – 36 Hämatokrit des Gesamtblutes – 37 Kreislaufreaktionen und Methoden zur Abschätzung des Schweregrades eines Blut-/Volumenverlustes – 37
3.2
Rheologische Eigenschaften des Blutes – 39
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5
Plasmaviskosität – 39 Viskosität des Vollblutes – 40 Flexibilität und Strömungsverhalten der Erythrozyten – 40 Einfluss des Gefäßdurchmessers – 41 Hämodilution und O2-Transport – 41
3.3
Leukozyten-Endothel-Interaktion – 41 Literatur – 42
3
36
3
Kapitel 3 • Kreislaufphysiologische Grundlagen
Das Blutvolumen bezeichnet die Gesamtmenge des zirkulierenden Blutes und unterliegt normalerweise nur geringen Schwankungen. Es wird durch verschiedenste Regulationsmechanismen beeinflusst. Als Grundlage dient hier die optimale Anpassung des Volumens und der Zusammensetzung des Blutes an die speziellen Erfordernisse des Kreislaufes. Die Hauptaufgaben des Blutes sind die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen, der Abtransport von Stoffwechselprodukten und Giftstoffen, die Abwehr von Infektionserregern, die Reparatur von Läsionen sowie die Aufrechterhaltung eines konstanten inneren Milieus (Homöostase). Die dafür notwendigen Anpassungsvorgänge zielen besonders auf das Verhalten des Blutes in der Endstrombahn (Mikrozirkulation) ab, da hier die »Kommunikation« der freien Zellen des Blutes mit den residenten Zellen des Gewebes stattfindet. Ist dieses Zusammenwirken gestört, kommt es zur Organdysfunktion.
3.1
Blutvolumen
3.1.1
Bestimmung des Blutvolumens
Die wichtigsten Nenngrößen zur Abschätzung des menschlichen Blutvolumens sind Alter, Geschlecht, Körpergröße und -gewicht. Grundsätzlich muss man zwischen Kindern (unter 14 Jahre) und Erwachsenen unterscheiden, wobei die gängigen Nomogramme unter Berücksichtigung eines gesunden Alterskollektives zwischen 16 und 77 Jahren erstellt worden sind. Die Erstellung der Nomogramme erfolgt über Verdünnungsverfahren (Dilutionsmethode, 7 s. unten). Das Blutvolumen (BV) unterteilt sich in den Anteil der korpuskulären Bestandteile und das Plasmavolumen (PV). Den größten Anteil der korpuskulären Bestandteile machen rote Blutkörperchen (RCV) aus, einen geringen Teil (ca. 1 % des Blutvolumens) der sogenannte »buffy coat«, bestehend aus Leukozyten und Blutplättchen. Bei der Dilutionsmethode wird eine definierte Menge eines Indikators in das zu bestimmende unbekannte Volumen gegeben, sodass nach Durchmischung über die Verdünnung des Indikators das Gesamtvolumen berechnet werden kann. Im Fall der Bestimmung des RCV wird zunächst eine vordefinierte Menge an Erythrozyten mit einer Tracersubstanz (z. B. 99mTc) markiert. Nach Reinjektion der markierten Erythrozyten in den Kreislauf kann über den prozentualen Anteil der markierten Erythrozyten nach ausreichender Verteilung auf den gesamten Erythrozytenbestand geschlossen werden. Das Gesamtblutvolumen kann anschließend mithilfe des Hämatokritwertes (Hkt) errechnet werden, der den Volumenanteil der Erythrozyten am Gesamtblutvolumen bezeichnet. Zur Bestimmung des RCV unterscheidet man zunächst zwischen radioaktiven und nichtradioaktiven Tracern. Als gebräuchlichste radioaktive Tracer sind 99mTc sowie 51Cr zu nennen. Nichtradioaktive Marker sind Natrium-Fluorescein oder 53Cr. Als Goldstandard gilt immer noch das radioaktive 51Cr. Allerdings konnte auch nachgewiesen werden, dass mit Natrium-Fluorescein ähnlich gute Messergebnisse erzielt werden können. Neben dem nicht unwesentlichen Vorteil der Vermeidung radioaktiver Substanzen hat Natrium-Fluorescein ein schnelles Verteilungsvolumen von etwa 4 min und eine Halbwertszeit von ca. 30 min. Dies hat den Vorteil einer schnellen Wiederholbarkeit der Messung am gleichen Individuum. Außerdem ist die Anwendung von Natrium-Fluorescein auch bei Schwangeren oder Kindern möglich, da es nicht teratogen ist [12][22]. Auch das Plasmavolumen, also der nichtzelluläre Anteil des Blutes, kann mittels der Dilutionsmethode bestimmt werden, z. B. mit dem Farbstoff Evansblau. Allerdings ist Evansblau in Deutsch-
land nicht zugelassen, sodass zur Bestimmung des Plasmavolumens radioaktiv markiertes Albumin (RISHA) in Deutschland als Goldstandard gilt. Besonders die Bestimmung des Plasmavolumens birgt zahlreiche Probleme, da das Plasmavolumen von vielen Einflussfaktoren wie Orthostase, Sepsis, Schock, Schwangerschaft sowie von verschiedenen Organerkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankungen abhängig ist. Der Gründe hierfür sind unter anderem die Veränderung der Scherkräfte und die Veränderung der Membranpermeabilität der Gefäßwände, was die Tracerelimination schwer vorhersagbar macht [27][34]. Außerdem findet ein ständiger Wasseraustausch zwischen dem Blutplasma und der interstitiellen Flüssigkeit statt, der die exakte Bestimmung des Plasmavolumens erschwert. Ein Problem bei der Bestimmung des Blutvolumens besteht darin, dass sich aufgrund der unterschiedlichen Fließeigenschaften von Plasma und Erythrozyten der Hämatokrit in den großen Gefäßen von dem in der Mikrozirkulation zum Teil deutlich unterscheidet. Dieses unter dem Namen »Plasma-Skimming« bekannte Problem führt zu einer Unterschätzung des »wahren« Hämatokrits, wenn Blutproben aus den großen Gefäßen gewonnen werden. Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze, das Blut- bzw. Plasmavolumen zu berechnen: zum einen nach der 1962 von Nadler vorgeschlagenen Methode auf der Grundlage des Körpergewichtes und zum anderen nach der 1975 von Hurlay propagierten Methode, welche von der Körperoberfläche ausgeht (. Tab. 3.1). Unter normalgewichtigen Personen kann bei Männern von einem Blutvolumen von 70 ml/kgKG (RCV 30 ml/kgKG + PV 40 ml/kgKG) und bei Frauen von einem Blutvolumen von 65 ml/kgKg (RCV 25 ml/kgKg + PV 40 ml/kgKg) ausgegangen werden. Bei Nichtnormalgewichtigen empfiehlt es sich, als Berechnungsgrundlage die Körperoberfläche zu nehmen, da Fettgewebe deutlich weniger als Muskelgewebe durchblutet ist. Stark vereinfacht kann die Gesamtblutmenge mit 7–8 % oder 1/13 des Körpergewichts abgeschätzt werden. Zur genauen Berechnung können die Formeln nach Hurlay (. Tab. 3.1) herangezogen werden. Diese Formeln können selbstverständlich nur Näherungswerte ergeben, sind aber für den klinischen Gebrauch bestens geeignet. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Die klinische Anwendung der oben beschriebenen Verfahren zur exakten Bestimmung des Blutvolumens stoßen oft auf logistische Probleme, sind zeitraubend und ihre Genauigkeit leidet besonders in Notfallsituationen (z. B. Schock) mit eingeschränktem HZV, wo die Equilibrierungszeit (gleichmäßige Verteilung des Tracers im Blut) deutlich erhöht ist.
3.1.2
Regulation des Blutvolumens
Zur Aufrechterhaltung eines konstanten Blutvolumens gibt es zahlreiche Regulationsmechanismen. Einen zentralen Platz nehmen dabei die hormonellen Regulationsmechanismen ein, wobei die Regulation des Blutvolumens eng mit der Regulation des Natrium- und Wasserhaushaltes verknüpft ist. Für die Konstanthaltung des Blutvolumens ist das im Hypophysenhinterlappen gebildete antidiuretische Hormon (ADH, auch bekannt als Adiuretin oder Vasopressin) von zentraler Bedeutung. Die ADH-Freisetzung wird vor allem durch die Osmolarität des Plasmas gesteuert, die wiederum über Osmosensoren im Hypothalamus und in der Leber registriert wird. Bei hyperosmolarem Volumenmangel aufgrund von Flüssigkeitsverlust wird ADH ausgeschüttet und bewirkt durch einen vermehrten Einbau von Aquaporin-2 in die Zellmembranen im distalen Konvolut und in die Henle-Schleife der Niere eine erhöhte Wasserrückresorption aus dem Primärharn, was zu einer Harnkonzentrierung einer-
37 3.1 • Blutvolumen
seits und zu einer Erhöhung des Plasma-/Blutvolumens andererseits führt. Bei Flüssigkeitsüberschuss im Sinne einer Hyperhydratation hingegen wird die ADH-Freisetzung gedrosselt, was zu einem deutlichen Rückgang der Wasserrückresorption in der Niere führt mit der Folge einer Wasserdiurese. Darüber hinaus reguliert ADH das Trinkverhalten (Durstauslöser), während Alkoholgenuss die ADHSekretion hemmt [38]. Neben der Regulation über die Osmolarität wird das Blutvolumen über die Freisetzung von A- und B-Typ-natriuretischem Peptid (ANP, BNP) geregelt. ANP und BNP werden vor allem durch eine Dehnung der Herzhöhlen und herznahen Venen (Volumensensoren) aus den Kardiomyozyten freigesetzt, aber auch durch die Mediatoren Endothelin, Angiotensin sowie ADH. Zusätzlich wird ihre Freisetzung über die Aktivität des Sympathikus und des Parasympathikus reguliert. Ihre Aktivität auf den Volumenstatus entfalten sie unter anderem durch die Suppression der Katecholaminfreisetzung, durch die Dämpfung von peripheren Barorezeptoren sowie durch Erhöhung der renalen Salz- und Flüssigkeitsausscheidung [16][26]. Außerdem hemmen sie die Freisetzung von Renin und Aldosteron und antagonisieren die zentralen Effekte von Angiotensin II (ADHFreisetzung, Durstauslösung). Dieser volumenregulatorische Mechanismus ist auch als Gauer-Henry-Reflex bekannt. Wie schon angesprochen, nimmt die Niere als Effektororgan einen wichtigen Platz in der Blutdruck- und Volumenregulation ein. Neben der Reaktion der Niere auf die beschriebenen Peptide ADH, ANP und BNP regiert sie auch direkt auf veränderte Druck- und Volumenverhältnisse, indem sie Mediatoren zur Aufrechterhaltung der Homöostase freisetzt. Dabei spielt vor allem das Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem eine entscheidende Rolle. Renin wird in den Zellen des juxtaglomerulären Apparates gebildet. Die Ausschüttung erfolgt bei abnehmender Salzkonzentration an den Maculadensa-Zellen sowie bei mangelnder Gefäßdehnung an den Vasa afferentia der Glomeruli. Renin sorgt für die Freisetzung des ebenfalls in der Niere gebildeten Proenzyms Angiotensin I, das durch das Angiotensin-Converting-Enzym (ACE) aus den Endothelzellen in Angiotensin II umgewandelt wird und stark vasokonstriktorisch wirkt. Zusätzlich stimuliert es die Natriumrückresorption im proximalen Tubulus und die Ausschüttung von Aldosteron sowie ADH. Aldosteron wiederum sorgt für eine vermehrte Natrium- und Wasserrückresorption aus dem distalen Tubulus. Insgesamt bewirkt das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eine Erhöhung des Blutvolumens bei Blutdruckabfall bzw. eine Reduktion bei Blutdruckanstieg. Somit wird das Blut-/Plasmavolumen letztlich durch den Perfusionsdruck der Nieren und durch die Natriumkonzentration im Blut gesteuert [10][39]. Die aufgeführten Mechanismen dienen allerdings nur der mittelfristigen Regulation des Blutvolumens. Langfristig wird diese vornehmlich über die Bildung und Wirkung von Erythropoetin geregelt. Die Erythropoetinfreisetzung aus Niere und Leber ist jedoch weniger vom Gesamtblutvolumen als vielmehr von den darin enthaltenen Sauerstoffträgern (Hämoglobingehalt) abhängig. Somit ist es nur logisch, dass Hypoxie ein Hauptstimulus der Erythropoetinfreisetzung ist, was eine vermehrte Blutzellbildung nach sich zieht [29].
3.1.3
Hämatokrit des Gesamtblutes
Der Hämatokrit (Hkt), also der Volumenanteil der Erythrozyten, variiert leicht je nach Abnahmeort und beträgt im Mittel 0,47 beim Mann und 0,42 bei der Frau. Erhöhte Werte findet man bei der Höhenanpassung oder nach medikamentöser Stimulation der Erythro-
. Tab. 3.1 Formeln zur Berechnung des Blutzell- und des Plasmavolumens nach Hurlay [10][7][22] Blutzellvolumen
Plasmavolumen
Männer
RCV [ml] = 1486 × BSA2 – 4106 × BSA + 4514
PV = 995e0,8085×BSA
Frauen
RCV [ml] = 1167 × BSA – 479
PV = 1278 × BSA1,289
BSA Körperoberfläche, PV Plasmavolumen, RCV rote Blutkörperchen.
poese, erniedrigte Werte bei Neugeborenen und Kleinkindern. Der in den großen venösen Gefäßen gemessene Hämatokrit ist meist etwas geringer als der Gesamtkörperhämatokrit. Ursächlich dafür ist, dass während der verlangsamten Passage des Blutes durch das Kapillarnetz aufgrund unterschiedlicher Gefäßpermeabilität immer etwas Plasma in das Gewebe abgegeben wird. Eine Extremform stellt das sog. Plasma-skimming dar: Hierunter versteht man eine vollständige Separation von Plasma und zellulären Bestandteilen (»skimming«) an Verzweigungen von Kapillaren, sodass einzelne Gefäßabschnitte nur mit Plasma durchströmt und somit minderversorgt werden. Der Quotient zwischen Körperhämatokrit und dem gemischt venösen Hämatokrit beträgt normalerweise 0,91±0,026. Bei schwerer Anämie kann der Quotient bis über 1 ansteigen, bei kongestiver Herzinsuffizienz hingegen kann er unter 0,91 abfallen. In Akutsituationen wie z. B. bei Traumata scheint er sich allerdings innerhalb der ersten 6 h nicht zu ändern. Bei der herkömmlichen Hämatokritbestimmung nach Wintrobe, bei der das Plasma von den Erythrozyten mittels Zentrifugation separiert wird, ergibt sich ein systematischer methodischer Fehler, da die verbleibende Erythrozytensäule noch etwa 4 Vol.-% Plasma enthält. Zur Korrektur dieses Fehlers muss der ermittelte Messwert mit dem Faktor 0,96 multipliziert werden. Wird das Plasma hingegen mittels Mikrozentrifugen separiert, ergibt sich ein Faktor von 0,985, da wegen der höheren Zentrifugalkraft nur 1,5 Vol-% Plasma in der Erythrozytensäule verbleiben. Damit ergibt sich ein Korrekturfaktor für die Umrechnung des gemischtvenösen Hämatokrits auf den Gesamtkörperhämatokrit für die Zentrifugation nach Wintrobe von 0,87 und für das Mikrozentrifugationsverfahren von 0,896 [2][5].
3.1.4
Kreislaufreaktionen und Methoden zur Abschätzung des Schweregrades eines Blut-/Volumenverlustes
Die vorangehend beschriebenen Regulationsmechanismen des Körpers zur Konstanthaltung des Blutvolumens sind bei akuten Blutverlusten eher von sekundärem Interesse, da es eine gewisse Zeit braucht, bis diese Regulationsmechanismen greifen. In der Akutsituation wird der Blutdruck vor allem über eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems und die Ausschüttung von Katecholaminen konstant gehalten. Durch eine Vasokonstriktion, eine Erhöhung des Herzzeitvolumens über eine Herzfrequenzerhöhung sowie eine Flüssigkeitsverschiebung vom Interstitium in die Gefäße, können Blutverluste von 10–15 % gut kompensiert werden. Der mittlere arterielle Blutdruck (MAD) ändert sich in dieser Phase nicht wesentlich, lediglich die Blutdruckamplitude nimmt ab (als Ausdruck des reduzierten Schlagvolumens des Herzens). Zu beachten ist, dass einzelne dieser Kompensationsmechanismen (z. B. kompen-
3
38
3
Kapitel 3 • Kreislaufphysiologische Grundlagen
satorische Erhöhung der Herzfrequenz) durch anästhesiologische Techniken modifiziert bis aufgehoben werden. Als Beispiele seien die Applikation von Herzfrequenz-senkenden Opiaten oder ß-Blockern sowie die Ausschaltung des Baroreflexes durch eine thorakale Periduralanästhesie genannt. Bei einem akuten Verlust von mehr als 30 % des Gesamtblutvolumens versagen die Kompensationsmechanismen des Kreislaufs ebenfalls, und es treten Symptome eines Volumenmangelschocks (schneller, immer schwächer werdender Puls; fahle Blässe; kalte Haut; schweißnasse Stirn; Frieren; Teilnahmslosigkeit) auf. Diese sind mit dem sog. Basismonitoring – wie der Messung von Blutdruck, Herzfrequenz und Atemfrequenz – nicht frühzeitig und zuverlässig zu erkennen [13][36]. Zur genaueren Einschätzung des Ausmaßes eines Volumendefizits können die aus einer Blutgasanalyse zu erhebenden Werte wie Basendefizit, Hb, Hkt und Laktat hinzugezogen werden. Diese Werte korrelieren gut mit der Mortalität bei akutem Blutverlust, wobei ihr Stellenwert bei hämodynamisch stabilen Patienten zur Abschätzung des Schweregrades des Blutverlustes noch nicht abschließend geklärt ist [1][30]. Zur genaueren Evaluation des Volumenstatus und der erweiterten hämodynamischen Diagnostik bieten sich als invasive Verfahren der Pulmonalarterienkatheter sowie die PiCCO-Messung, als wenig invasive Verfahren die arterielle Pulskurvenanalyse mit kontinuierlicher Messung von Herzzeitvolumen und den sog. dynamischen Variablen wie Schlagvolumenvariation oder Blutdruckvariation und bei Verfügbarkeit als nichtinvasives Verfahren die Echokardiographie an.
Der Pulmonalarterienkatheter Mittels Pulmonalarterienkatheter (PAK) lassen sich genauere Aussagen über die Hämodynamik, den Volumenstatus und die Herzfunktion treffen. Als kontinuierlich verfügbarer Messwert für den Volumenstatus beziehungsweise den venösen Füllungszustand wird herkömmlich der zentrale Venendruck (ZVD) angeben, der normalerweise in flacher Körperlage zwischen 3 und 8 cm Wassersäule liegt. Da der ZVD ein statischer Wert ist und vielen Einflussfaktoren (Körperlage, maschinelle Beatmung, Position des Druckaufnehmers) unterliegt, ist es oft schwierig, ihn als Einzelwert zu beurteilen, zumal der venöse Füllungszustand nicht zwangsläufig mit dem Volumenstatus des Körper korreliert. Beim anaphylaktischen oder septischen Schock zum Beispiel kann das Gesamtblutvolumen zwar normal oder erhöht sein, der ZVD ist aber aufgrund von peripherer Vasodilatation sowie Flüssigkeitsverschiebung meist erniedrigt. Ebenso kann der ZVD trotz Vorliegen eines Volumenmangels erhöht sein, z. B. bei Rechtsherzinsuffizienz (Infarkt), Druckerhöhung im pulmonalarteriellen Kreislauf (z. B. Emphysem, Fibrose, COPD, Embolie) sowie Klappenvitien (z. B. Trikuspidalinsuffizienz). Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die absolute Höhe des ZVD nicht mit einer Steigerung des Blutflusses als Reaktion auf eine Volumengabe korreliert und damit kein geeignetes Maß für die Volumenreagibilität darstellt. Insgesamt ist somit der ZVD zur Beurteilung des Volumenstatus im klinischen Alltag ungeeignet und daher entbehrlich. Er besitzt lediglich eine gewisse Aussagekraft im Verlauf (Trend) bei einwandfreien Mess- und konstanten Umgebungsbedingungen (Körperlage, Beatmung etc.) [15][24]. Während der ZVD auch mit einem herkömmlichen zentralvenösen Katheter ermittelt werden kann, bietet der Pulmonalarterienkatheter zusätzlich die Möglichkeit, den Blutfluss, also das Herzzeitvolumen, sowie die Drücke im kleinen Kreislauf und den pulmonalen Kapillarverschlussdruck (Wedge-Druck, PCWP), der dem Druck im linken Vorhof entspricht, zu bestimmen. Schließlich kann gemischtvenöses Blut abgenommen und dessen Sättigung
als Zeichen der Sauerstoffausschöpfung des Organismus gemessen werden. Das Herzzeitvolumen (HZV) kann je nach verwendetem Katheter entweder intermittierend oder kontinuierlich bestimmt werden, wobei in beiden Fällen die Thermodilutionsmethode angewandt wird. Bei der intermittierenden Thermodilutionsmessung wird eine vordefinierte kalte Flüssigkeitsmenge zentralvenös injiziert und am distalen Katheterende in der Pulmonalarterie der Temperaturabfall gemessen. Die Fläche unter dieser Thermodilutionskurve ist dem Fluss (= HZV) umgekehrt proportional (Stewart-Hamilton-Verfahren). Bei guter Herzfunktion wird der Flüssigkeitsbolus schnell weiter transportiert, und es wird nur ein geringer Temperaturunterschied gemessen. Allerdings ist auch diese Methode fehlerbehaftet (Abhängigkeit vom Anwender und vom Beatmungszyklus, refluxbedingte Verwirbelungen bei Trikuspidalinsuffizienz), sodass meist der Mittelwert aus mehreren Einzelmessungen verwendet wird. Hinzu kommt, dass die HZV-Messung beim Pulmonalarterienkatheter auf dem rechtsventrikulären Auswurfvolumen basiert und die linksventrikuläre Funktion daraus rückgeschlossen wird. Kontinuierlich lässt sich das HZV über eine im Pulmonalarterienkatheter proximal sitzende Heizspirale messen, die nach einem bestimmten Algorithmus Wärme abgibt. Über den distalen Anstieg der Temperatur wird ähnlich der intermittierenden Methode das rechtsventrikuläre Auswurfvolumen bestimmt. Diese Methode ist somit Anwender- und Beatmungs-unabhängig und korreliert gut mit dem intermittierenden Bolusverfahren. Im Zusammenspiel mit diesen Messwerten hilft die Bestimmung der gemischtvenösen Sättigung insofern weiter, als dadurch auf die Sauerstoffextraktion des Organismus und somit auf den Sauerstoffverbrauch im Körper rückgeschlossen werden kann. Doch auch hier sind Fehlerquellen: Am Beispiel der höhergradigen Trikuspidalinsuffizienz würde das HZV aufgrund einer Blutvermischung unterschätzt, wohingegen anhand einer normalen gemischtvenösen Sättigung auf eine gute Perfusion des Gesamtorganismus geschlossen werden kann. Anstelle der gemischtvenösen Sättigung (SvO2) wird neuerdings zunehmend die Messung der zentralvenösen Sättigung (ScvO2) empfohlen, da sie keinen Pulmonalarterienkatheter benötigt, sondern über jeden zentralen Venenkatheter (ZVK) bestimmt werden kann. Man muss sich bei der Interpretation der Werte jedoch darüber im Klaren sein, dass hiermit lediglich Blut aus der oberen Körperhälfte analysiert wird, da die meisten ZVK in der oberen Hohlvene liegen. Dementsprechend liegen die Werte der zentralvenösen in der Regel ca. 5 % höher als die der gemischtvenösen Sättigung. Über den Wedge-Druck lässt sich die Gefahr eines interstitiellen Lungenödems abschätzen bzw. zwischen Permeabilitäts- und hydrostatischem Lungenödem unterscheiden. Der Normbereich liegt bei 5–10 mmHg, die kritische Grenze bei etwa 15–18 mmHg. Von Einfluss sind weiterhin der onkotische Druck des Blutes und der transalveoläre Druckgradient, der auch ursächlich für die Entwicklung eines akuten Lungenödems bei kardial vorgeschädigten Patienten im Flugzeug oder in großen Höhen ist [4]. Bezüglich der Aussagekraft des PCWP für den Volumenstatus bzw. die Volumenreagibilität eines Patienten gelten die gleichen Einschränkungen wie für den ZVD [15][24]. Insgesamt liefert der Pulmonalarterienkatheter somit mit ZVD, Pulmonalarteriendruck und Wedge-Druck sowie insbesondere dem HZV Informationen, die eine Berechnung der Widerstände beider Kreisläufe ermöglichen und somit eine umfassende Beschreibung der hämodynamischen Situation eines Patienten ermöglichen. Allerdings ist der Pulmonalerterienkatheter in den letzten 10 Jahren in die Kritik geraten, da er nicht frei von Komplikationen
39 3.2 • Rheologische Eigenschaften des Blutes
ist (z. B. Pulmonalerterienruptur, Knotenbildung, Herzrhythmusstörungen, Lungeninfarkt) und mehrere große Studien bislang keinen Nutzen von Therapiekonzepten zeigen konnten, die auf PAKMesswerten basieren [32][35]. Als mögliche Ursache werden hier unzureichende Kenntnisse und Erfahrungen der behandelnden Ärzte im Umgang und in der Interpretation der Werte diskutiert [8].
Das PiCCO-System Aufgrund der Einschränkung, dass mit dem Pulmonalarterienkatheter nur die rechtsventrikuläre Funktion erfasst wird, wurde das PiCCO-Messverfahren entwickelt. Wie beim Pulmonalarterienkatheter wird über einen zentralvenösen Zugang eine vordefinierte Flüssigkeitsmenge injiziert. Die Temperaturmessung erfolgt allerdings erst jenseits der Lungenpassage im arteriellen System über einen zweiten Thermodilutionskatheter, der meist in einer großen, herznahen Arterie (A. femoralis) platziert wird. Dieses transpulmonale Verfahren hat den Vorteil einer geringeren Fehleranfälligkeit bei der Bestimmung des HZV, da beispielsweise die Beatmung oder Klappenvitien wegen der verlängerten Messperiode das Thermodilutionssignal nicht nachhaltig beeinflussen. Weitere wichtige Variablen neben dem Herzzeitvolumen (HZV) sind die volumetrischen Messungen des PiCCO wie das globale enddiastolische Volumen (GEDV), das intrathorakale Blutvolumen (ITBV) und das extravaskuläre Lungenwasser (EVLW). Das GEDV gibt das enddiastolische Blutvolumen in den Herzhöhlen (Vorhöfe + Kammern) an, der Normwert liegt zwischen 600 und 800 ml/m2 Körperoberfläche. Der Normwert des ITBV liegt zwischen 850 und 1000 ml/m2 Körperoberfläche. Beide Variablen korrelieren weitaus besser mit Änderungen des HZV bzw. der kardialen Vorlast als die klassischen Füllungsdrücke ZVD und PCWP [15][21]. Das EVLW korreliert mit dem tatsächlichen Wassergehalt der Lunge und wird zur Beurteilung des Ausmaßes einer Volumenbelastung bzw. einer Lungenschädigung genutzt. Das EVLW kann nämlich einerseits durch einen Anstieg des hydrostischen Druckes bei Volumenüberlastung oder andererseits durch eine vermehrte Permeabilität der Lungenkapillaren (z. B. bei Sepsis) ansteigen. Als Normwert gilt ein Wert von unter 10 ml/kg Körpergewicht [28]. Die Höhe des EVLW hat prognostischem Wert [31]. Zusätzlich bietet das System die Möglichkeit der kontinuierlichen HZV-Messung über die sog. Pulskonturanalyse. Dabei wird die Fläche unter der arteriellen Druckkurve vermessen, die nach Kalibration mit der Thermodilutionsmethode dem Schlagvolumen des Herzens entspricht und durch Multiplikation mit der Herzfrequenz das HZV ergibt. Jüngste Daten haben jedoch gezeigt, dass das Pulskontur-HZV bei Änderungen der arteriellen Compliance (z. B. durch Volumentherapie oder vasoaktive Pharmaka) ohne erneute Kalibration bereits nach 60 min erheblich vom Thermodilutions-HZV abweicht [6]. Außerdem kann mit diesem Verfahren die linksventrikuläre Schlagvolumenvariation (SVV) und die Pulsdruckvariation (PPV) erfasst werden, die als sog. dynamische Variablen Aussagen über den Volumenstatus bzw. eine Volumenbedürftigkeit ermöglichen [20].
Das Vigileo/FloTrac-System Auch bei diesem System wird das HZV kontinuierlich aus der arteriellen Druckkurve bestimmt. Im Gegensatz zum PiCCO-System kann der FloTrac-Sensor an jede konventionelle arterielle Kanüle angeschlossen werden . Abb. 3.1 und benötigt keine Kalibration durch die Thermodilutionsmethode. Stattdessen kalibriert sich das System selbst, indem es hochauflösend die Form und die Standardabweichung der arteriellen Druckkurve analysiert und somit Änderungen des Gefäßtonus erkennt. Auch die dynamische Variable
SVV wird gemessen, sodass das System zur Volumenüberwachung und -steuerung geeignet ist. Wegen seiner einfachen Handhabung eignet sich das Vigileo/FloTrac-System auch als Screening-Tool bei potenziell gefährdeten Patienten z. B. im Schockraum oder im OP.
Die Echokardiographie Der Vorteil vor allem der transthorakalen Echokardiographie (TTE) ist die Nichtinvasivität. Die Echokardiographie dient vor allem der Beurteilung der Herzfunktion. Der Volumenstatus und das HZV lassen sich aber ebenfalls beurteilen. Die beiden gebräuchlichsten Parameter sind die Ejektionsfraktion und das Schlagvolumen. Die Ejektionsfraktion liegt normalerweise bei etwa 60 % des Blutvolumens der linken Herzkammer, was bei normaler Herzgröße einem Schlagvolumen von 70–100 ml entspricht. Ein leichter Volumenmangel führt zunächst zu keiner Veränderung des Schlagvolumens, allerdings steigt die Ejektionsfraktion oft an (bei einer Abnahme des GEDV). Dies geht mit einer messbaren Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes durch die Aortenklappe einher. Noch besser lässt sich der Volumenstatus über die Darstellung des rechten Ventrikels und die Beurteilung der septalen Bewegung abschätzen. Bei Volumenüberlastung nimmt die Größe des rechten im Vergleich zum linken Ventrikel zu. Dies lässt sich am besten im TTE von abdominell aus beurteilen. Die septale Bewegung ändert sich erst bei starker Volumen- oder Druckänderung. Hierbei unterscheidet man zwischen einer systolischen paradoxen septalen Bewegung (Bewegung in Richtung des rechten Ventrikels) und einer diastolischen paradoxen septalen Bewegung (Bewegung in Richtung des linken Ventrikels). Erstere tritt infolge einer Druckerhöhung im Pulmonalkreislauf (z. B. bei Lungenarterienembolie) auf, Letztere bei Volumenüberlastung. Darüber hinaus lässt sich aus dem Verhalten und der Morphologie der ebenfalls darstellbaren Leberpfortader auf den Volumenstatus schließen. Bei nicht beatmeten Patienten korreliert ein geringer Durchmesser dieser Vene (<12 mm) und ein Kollabieren während des Vasalvamanövers gut mit einem normalen ZVD. Bei ansteigendem ZVD nimmt der Durchmesser der Lebervenen zu, und sie kollabieren nicht mehr während eines Vasalvamanövers. Bei einer Trikuspidalinsuffizienz und bei beatmeten Patienten ist dieser Zusammenhang jedoch nicht mehr gegeben, da positiver Atemwegsdruck und zurückströmendes Blut den ZVD stark beeinflussen. 3.2
Rheologische Eigenschaften des Blutes
Die Perfusion des Gewebes ist vom Strömungswiderstand des Blutes in den Gefäßen und damit vor allem von der Blutviskosität abhängig. Da Blut eine inhomogene Zusammensetzung hat, ist die Viskosität des Gesamtblutes keine konstante Größe, sondern ergibt sich aus der Viskosität der flüssigen Phase (dem Plasma) und dem Anteil der korpuskulären Bestandteile (den Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten) sowie der Schubspannung und dem Gefäßdurchmesser.
3.2.1
Plasmaviskosität
Die Viskosität des Plasmas hängt vom Proteingehalt ab und ist etwa doppelt so groß wie die des Wassers (ca. 2 centipoise, cp). Der Name der Einheit für die Viskosität stammt von dem französischen Physiker und Mediziner Jean Louis Marie Poiseuille; es gilt:
3
40
Kapitel 3 • Kreislaufphysiologische Grundlagen
Kältebolus
Kältebolus
Messpkt.2 Messpkt.1
3
Messpkt.2a Messpkt.1 Messpkt.1a
Messpkt.2b
Pulmonalarterienkatheter
Messpkt.1b
PiCCO-System
Vigileo/Flo Trac
. Abb. 3.1 Messprinzipien zur Bestimmung des Herzzeitvolumens (HZV): Beim Pulmonalarterienkatheter (PAK) wird ein kalter Flüssigkeitsbolus in die V. cava superior injiziert (Messpunkt 1) und die Temperatur in der Pulmonalarterie gemessen (Messpunkt 2). Aus der Fläche unter der Kurve des Temperaturabfalls lässt sich das Herzzeitvolumen errechnen. Beim PiCCO-System wird ebenfalls ein Bolus kalter Flüssigkeit über einen herznahen zentralen Venenkatheter (ZVK) injiziert (Messpunkt 1). Gemessen wird der Temperaturabfall aber erst nach der Lungenpassage (transpulmonale Thermodilution) in einer großen Arterie (Messpunkt 2a oder b). Das Vigileo/FloTrac-System benötigt zur HZV-Bestimmung keine Injektion eines Indikators und somit keinen ZVK oder PAK. Es kann an jeden beliebigen arteriellen Katheter angeschlossen werden (Messpunkt 1a oder b) und errechnet das HZV aus einer Analyse der arteriellen Druckkurve. Es ist somit das am wenigsten invasive Messsystem zur Bestimmung des HZV
1 cp = 0,1 mPa × s. Die Plasmaviskosität wird vor allem durch die hochmolekularen Proteine wie IgM, α2-Makroglobulin, γ-Globulin und Fibrinogen generiert [3][14].
3.2.2
Viskosität des Vollblutes
Die Viskosität des Vollblutes ist stark vom jeweiligen Hämatokrit abhängig und liegt normalerweise bei etwa 4,5 cp. In den großen Gefäßen sorgt ein Abfall des Hämatokrits um 50 % für einen Abfall der Viskosität um etwa 2 cp. Im mikrozirkulatorischen Bereich hingegen ist die Beziehung zwischen Gesamtbluthämatokrit und Blutviskosität eher gering ausgeprägt. Neben Plasmaviskosität und Hämatokrit haben die Fließgeschwindigkeit, die Verformbarkeit (Fluidität) sowie die Aggregationsneigung der Erythrozyten großen Einfluss. So haben Erythrozyten die Eigenschaft, bei einer Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit Aggregate und Geldrollenformationen zu bilden, die die Blutströmung erschweren. Dieses Phänomen wird vor allem in den postkapillären Venolen beobachtet, da hier die niedrigste Schubspannung und die geringsten Scherkräfte wirken. Unter Schubspannung versteht man die tangenziale Kraft, die auf zylindrische Flüssigkeitsschichten wirkt, wenn diese gegeneinander verschoben werden. Bei einer zu geringen Schubspannung von
unter 1 dyn/cm2 steigt die Viskosität exponenziell an, und es kommt zur Stase. Steigt die Schubspannung wieder an, zerfallen die Erythrozytenaggregate. Ausreichend hierfür sind bei normalen Blut etwa 3 dyn/cm2. Bei starker Strömung mit hoher Schubspannung nähert sich die Blutviskosität asymptotisch der Plasmaviskosität. Wichtige Einflussfaktoren sind ebenfalls der Hämatokrit, Fibrinogen und hochmolekulare Blutbestandteile wie α2-Makroglobulin [18][33].
3.2.3
Flexibilität und Strömungsverhalten der Erythrozyten
Ursächlich für die im Vorangegangen angesprochenen Bildung von Geldrollenformation ist die bikonkave Form der Erythrozyten. Diese Form hat zur Folge, dass strömende Erythrozyten sich in der Gefäßmitte aufhalten. Des weiteren wird durch die bikonkave Konfirmation ein Maximum an Deformierbarkeit gewährleistet, sodass bei schneller Strömung eine widerstandsarme Form (Glocken- oder Tropfenform) angenommen und in Extremfällen (z. B. in den Milzsinusoiden) Gefäßduchmesser von 1 μm passiert werden können. Bei eingeschränkter Deformierbarkeit, z. B. bei gealterten Erythrozyten, fungiert die Milz somit als Filter. Zusätzlich sorgt eine Veränderung der Zusammensetzung der Membranoberfläche (Oberflächenladung durch Änderung der H+-Konzentration) für eine Veränderung des Aggregationsverhaltens.
41 3.3 • Leukozyten-Endothel-Interaktion
Eine ebenfalls wichtige Rolle spielt das Verhältnis zwischen Membranphospholipiden und Cholesterin. Die dadurch erhöhte Aggregationsneigung sorgt auch dafür, dass die sich bildenden Geldrollenformationen stabiler werden. Als Resultat dieses Prozesses werden die im Blut enthaltenen weißen Blutzellen vermehrt an die Gefäßwand gedrückt (Margination von Leukozyten). Die Deformierbarkeit der Erythrozyten hängt hauptsächlich vom Zytoskelett ab. Dabei spielt Spektrin eine wesentliche Rolle. Unter oxidativem Stress (z. B. Inflammation) oder bei Hämoglobinopathien neigt Spektrin zum »Crosslinking« (Vernetzung), was wesentlich zur Rigidität der Zytomembran beiträgt. Im Zellinneren der Erythrozyten bestimmt im Wesentlichen das Hämoglobin die Viskosität des Zytosols. Ein erhöhter Hämoglobingehalt verstärkt die intrazelluläre Viskosität, was die Defomierbarkeit der Erythrozyten massiv einschränken kann. Ähnliche Auswirkungen hat abnormales Hämoglobin, wie z. B. bei der Thalassämie oder der Sichelzellanämie [40].
3.2.4
Einfluss des Gefäßdurchmessers
Auch der Gefäßdurchmesser übt einen großen Einfluss auf die Viskosität des strömenden Blutes aus: in kleineren Blutgefäßen (<300 μm) werden die Erythrozyten in die Gefäßmitte gedrängt (Axialstrom), während im Wandbereich eine gleitfähige Plasmaschicht verbleibt. Mit abnehmendem Gefäßdurchmesser vermindert sich somit die Viskosität, um sich in Kapillarnähe dem Plasmawert asymptotisch anzunähern. Dieses Phänomen wird auch Fåhraeus-Lindqvist-Effekt genannt. Bei Kapillaren mit einem Durchmesser <4 μm ist die Passage der Erythrozyten trotz ihrer oben dargelegten Fähigkeit zur Verformbarkeit deutlich erschwert, sodass die Blutviskosität wieder steil ansteigt.
3.2.5
Hämodilution und O2-Transport
Die Senkung der Blutviskosität ist umgekehrt proportional zum Herzzeitvolumen. Eine isovolumetrische Hämodilution mit blutisotonen Kolloidallösungen führt bei einem geringen Druckabfall im arteriellen und venösen System zu einem Anstieg des rechtsventrikulären Druckes und somit zu einer vermehrten Füllung des Herzens (erhöhte Vorlast). Hieraus resultiert über den FrankStarling-Mechanismus eine erhöhte kardiale Kontraktilität sowie ein erhöhtes Herzzeitvolumen. Dadurch werden insgesamt weniger Erythrozyten schneller in die Kapillaren transportiert, was zu einem nahezu konstanten Sauerstoffangebot führt. Die Möglichkeit zur Absenkung des Hämatokrits ist jedoch limitiert, da durch eine verminderte Viskosität zwar der Fluss zunimmt, dies aber mit einer Abnahme von Sauerstoffträgern erkauft wird. Hierbei ist die Sauerstoffversorgung des Herzens besonders gefährdet, da das Herz schon unter normalen Bedingungen die höchste Sauerstoffextraktion aller Organe aufweist. Besonders ischämisches Gewebe profitiert von einer Hämodilution, wie schon 1973 durch Versuche von Messner gezeigt wurde. Neben einer besseren Perfusion wurde auch die Gewebeoxygenierung durch Hämodilution verbessert. Die kritische Grenze liegt dabei etwa bei einer Hämatokritreduktion auf 30 % [19]. Eine Erklärung dafür ist unter anderem, dass verschiedene Gewebe und Organe eine Autoregulation ihres Hämatokritwertes aufweisen, welcher bis zu 50 % vom systemischen Hämatokritwert abweichen kann. Diese Regulation wird durch ein System von präkapillären Shunts im jeweiligen Gewebe gewährleistet. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung des Scherstresses durch erhöhte
Fließgeschwindigkeit oder Viskosität in den Kapillaren eine durch Stickstoffmonoxid (NO) vermittelte Vasodilatation bewirkt. So hielt eine Hämodilution durch Dextran 60 die kardiovaskuläre Funktion ohne Notwendigkeit einer Bluttransfusion aufrecht, wenn die Viskosität über einen Wert von 2 cp angehoben wurde [17][18]. 3.3
Leukozyten-Endothel-Interaktion
Verglichen mit der Erythrozytenzahl ist der Leukozytenanteil im Blut relativ gering. Der Normalwert liegt beim Erwachsenen zwischen 4000 und 10.000 Zellen je μl Vollblut. Leukozyten sind die ersten Zellen, die im Falle eines Gewebetraumas, einer Infektion oder Entzündung rekrutiert und aktiviert werden. Im Normalfall zirkulieren sie zumeist in einem inaktiven Status durch die Blutbahn. Im Zuge der Entwicklung der intravitalen Mikroskopie konnten die sich hierbei abspielenden Prozesse genau untersucht werden. Da Erythrozyten durch ihre Form dazu neigen, sich vornehmlich in der Mitte des Blutstroms aufzuhalten (7 s. oben), verdrängen sie praktisch die wenigen Leukozyten an die Seite (Margination). Dies wird noch durch die im vorigen Abschnitt beschriebene Aggregat- und Geldrollenbildung der Erythrozyten in strömenden Flüssigkeiten verstärkt. In der Mikrozirkulation (Gefäßdurchmesser < 150 μm) führt die Margination dazu, dass sich die Erythrozyten hinter den größeren und langsameren Leukozyten stauen. Eine der wichtigsten Eigenschaften der Leukozyten ist ihre Fähigkeit, das Gefäßlumen zu verlassen und in den interstitiellen Raum eindringen zu können. Diesen Prozess kann man in 3 Phasen einteilen (. Abb. 3.2): 1. Die erste Phase entsteht als Folge der schon beschriebenen Eigenschaft der Leukozyten, sich am Gefäßrand aufzuhalten, wo sie beginnen, an der Gefäßwand entlangzurollen. Dieses Entlangrollen der Leukozyten wird durch Bindungen zwischen Oberflächenmolekülen aus der Selektinfamilie vermittelt. Die Bindungen werden dabei als mechanisch relativ fest beschrieben. Bei den Selektinen handelt es sich um sog. Adhäsionsmoleküle, also Proteine, die einen Zell-Zell- oder Zell-Gewebekontakt bewirken. Ihre Fähigkeit, schnell Bindungen aufbauen und lösen zu können, ist entscheidend für den Prozess des Entlangrollens. Dafür müssen die Leukozyten nicht unbedingt aktiviert sein. Adhäsionsmoleküle werden vorwiegend auf der Endotheloberfläche exprimiert, um mit Membranproteinen der Leukozytenoberfläche zu interagieren. 2. Der genaue Ablauf des Übergangs vom Rollen zur Adhäsion ist nicht bekannt. Es wird angenommen, dass für den Übergang (die Transduktion) vom Rollen in die zweite Phase, die Adhäsion, proinflammatorische Zytokine (TNF-α, IL-1, IFγ), der plättchenaktivierende Faktor, bakterielle Endotoxine, Viren, hämodynamische Faktoren (Scherstress), NO und Arachidonsäurederivate sowie die Ligation der endothelialen und leukozytenständigen Selektine ursächlich sind. Diese Vorgänge führen binnen kurzer Zeit zur Expression von sog. Integrinen, die mit hoher Affinität an die intrazellulären Adhäsionsmoleküle (ICAM) 1 und 2 sowie an das vaskulär-zelluläre Adhäsionsmolekül-1 (VCAM-1) binden. Dieser Synergismus zwischen dem Schließen von Selektinbindungen und der Ausbildung von Integrinbindungen sorgt für den Übergang vom Rollen zur »stabilen« Adhäsion. 3. Die dritte Phase, die Transmigration oder Diapedese der Leukozyten durch das Endothel, wird durch ihre Fähigkeit zur Trennung von Bindungen zwischen Endothelzellen und der Basalmembran bestimmt. Wichtig hierbei sind PECAM-1 (Plateled Endothelial Cell Adhesion Molecule-1 oder CD31) und
3
42
Kapitel 3 • Kreislaufphysiologische Grundlagen
Rollen
Adhäsion
Transmigration
3 . Abb. 3.2 Leukozyten-Endothel-Interaktion: In der ersten Phase, dem Rollen, sind auf der leukozytären Seite L-Selektin, PSGL-1 sowie α4β1-Integrin und von endothelialer Seite E-Selektin (CD62E) sowie P-Selektin (CD62P) involviert. In der Adhäsionsphase werden die intrazellulären Bindungen von α4β1-Integrin, αL-Integrin sowie αMβ2-Integrin auf den Leukozyten und von ICAM-1, ICAM-2, VCAM-1 sowie stationären Zytokinen auf den Endothelzellen gebildet. Die Transmigration wird bei den Leukozyten von α4β1-Integrin, αL-Integrin, αMβ2-Integrin, DNAM-1, CD99, SIRP-α und PECAM-1 gesteuert. Bei den Endothelzellen sind ICAM-1, ICAM-2, PECAM-1, CD99, PVR, CD47, JAM-C, JAM-A und Chemokine beteiligt
CD99. CD99 ist ein stark glykosyliertes Transmembranprotein, das sowohl von Endothelzellen als auch von Leukozyten exprimiert wird. PECAM-1 kommt aus der Familie der Immunoglobulingen-Superfamilie und ist in den Zell-Zell-Verbindungen des Endothels zu finden. Beide Moleküle interagieren mit ihrem jeweiligen Gegenstück auf der anderen Zelle. Eine weitere wichtige Proteinfamilie sind die »junctional adhesion molecules« (JAM). In-vivo-Versuche zeigten, dass durch Blockierung der JAMs die chemotaktisch gesteuerte Leukozytentransmigration zum Erliegen kommt. Ebenfalls wichtige Proteine beim Vorgang der Transmigration, deren Rolle aber noch nicht vollständig geklärt ist, sind der von den Endothelzellen exprimierte Poliovirusrezeptor, DNAM-1 (CD226) und CD47 [25][37]. Trotz ihres prozentual geringen Anteils an der Gesamtzahl der Blutzellen kann die Anheftung der Leukozyten am Endothel in der Mikrozirkulation zur Beeinträchtigung bis hin zur vollständigen Blockade des Blutstroms und somit der Gewebsperfusion führen. Diese Mikrozirkulationsstörung bewirkt wiederum, dass Blut über präkapilläre Anastomosen an bestimmten Gewebsarealen vorbeifließt (»shunting«), wodurch die Gewebeoxygenierung erschwert wird. Hierzu trägt ein interstitielles Ödem erschwerend bei, indem es die O2-Diffusionsstrecke zu den Zellen zusätzlich verlängert. So kann es letztendlich zu einem O2-Partialdruckgefälle zwischen der Mikrozirkulation und den venösen Gefäßen kommen, mit niedrigeren pO2-Werten in der Mikrostrombahn [9]. Dieses O2-Shunting wurde sowohl für den Blutungsschock als auch in der Sepsis nachgewiesen. Die generalisierte Form der Leukozytenaktivierung ist unter dem Namen SIRS (»systemic inflamatory response syndrome«) bekannt. Klinisch ist das SIRS durch folgende Kriterien definiert:
kommen. Dabei spielt die generalisierte Form der Leukozytenaktivierung eine maßgebliche Rolle. Das am häufigsten betroffene Organ ist hierbei die Lunge. Als akute Form gilt das ARDS (»acute respiratory distress syndrome«). Das ARDS ist weniger eine eigenständige Krankheit als vielmehr ein Symptomkomplex bzw. die entzündliche Entität verschiedenster Krankheiten, die primär die Lunge betrifft. Im Verlauf des ARDS kommt es zur Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und reaktiven Nitrogenspezies (RNS). Die an den Endothelzellen der Alveolargefäße haftenden Granulozyten setzen toxische Sauerstoffprodukte, lysosomale Proteasen und Lipidmediatoren frei. In ihrer Zusammenwirkung schädigen die freigesetzten Enzyme die Membranen der Endothelzellen und führen zu deren Zerstörung. Infolgedessen kommt es zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität und zur Ausbildung einer akuten Lungenschädigung. Aufgrund der einschränkten Gefäßfunktion entstehen schwere Perfusionsstörungen, die die Bildung von freien Radikalen wie ROS oder RNS noch begünstigen und den Prozess im Sinne eines Circulus vitiosus perpetuieren.
Literatur 1
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Körpertemperatur > 38 °C oder < 36 °C Herzfrequenz > 90/min Atemfrequenz > 20/min oder arterieller pCO2 < 32 mmHg Leukozytenzahl >12.000/μl oder < 4000/μl oder > 10 % unreife Leukozyten
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Ein SIRS kann Folge von Verbrennungen, Sepsis, Schock oder Trauma sein. Im Zuge dieser schwerwiegenden Erkrankungen kann es zu einer Multiorgandysfunktion bzw. einem Multiorganversagen
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3
45
Physiologie des Hämostasesystems A. Greinacher
4.1
Einleitung – 46
4.2
Thrombozyten – 46
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.2.9 4.2.10
Thrombozytopoese – 46 Primäre Hämostase – 47 Adhäsion der Thrombozyten – 47 Von-Willebrand-Faktor – 48 Der thrombozytäre Glykoproteinkomplex Ib/IX – 49 Formänderung der Thrombozyten – 50 Thrombozytäre Granula und ihre Inhaltsstoffe – 50 Amplifikation der Thrombozytenaktivierung über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren – 52 Thrombozytenaggregation – 52 Zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP) – 52
4.3
Endothel – 52
4.3.1 4.3.2
Endothelzelle und Vasomotorik – 53 Prokoagulatorische Aktivitäten des Endothels – 53
4.4
Plasmatische Gerinnung – 55
4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5
Der Gerinnungsweg über Gewebefaktor – 55 Der Gerinnungsweg über die Kontaktaktivierung – 55 Faktor XIII und Stabilisierung des Thrombus – 56 Fibrinogen – 57 Antikoagulatorische Aktivitäten des Gerinnungssystems – 58
4.5
Fibrinolysesystem – 60
4.5.1 4.5.2
Aktivatoren der Fibrinolyse – 60 Inhibitoren der Fibrinolyse – 60
Literatur – 61
4
46
4
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
Unter dem Begriff »Hämostasesystem« werden alle Funktionen der Blutstillung zusammengefasst. Neben der offensichtlich im Vordergrund stehenden Aufgabe des Hämostasesystems, der Blutstillung bei verletzter Gefäßwand, sind die Mechanismen, die eine überschießende Gerinnung verhindern und das Fließen des Blutes in den Gefäßen sicherstellen, mindestens ebenso wichtig. Zunehmend wird deutlich, dass das Hämostasesystem mit Mechanismen der Keimabwehr und mit Prozessen der Gefäßentstehung und Zellmigration eng verbunden ist. Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen der Interaktion von plasmatischen Gerinnungsfaktoren, Thrombozyten, Endothelzellen und des Fibrinolysesystems. Daneben werden Hinweise auf pathologische Prozesse gegeben, die zu Fehlfunktionen des Hämostasesystems führen, und auf Verflechtungen des Hämostasesystems mit den Funktionen des angeborenen Abwehrsystems. Es wurde hier bewusst darauf verzichtet, die Grundlagen des Gerinnungssystems im Einzelnen mit Referenzen zu belegen. Am Ende der einzelnen Abschnitte wird jeweils eine Auswahl empfohlener Lehr- und Fachbücher zur weiteren Vertiefung des Gebietes angegeben.
4.1
Einleitung
Die Blutstillung (Hämostase) ist eine vital wichtige Funktion des Organismus. Verletzungen der Gefäßwand erfordern rasch wirksame, innerhalb von Sekunden aktivierbare Wirkmechanismen. Diese müssen die Verletzungsstelle durch Thrombusbildung verschließen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Thrombusbildung auf den Verletzungsort beschränkt bleibt. Ähnlich wie in vielen anderen Systemen des Organismus tragen sowohl humorale als auch zelluläre Systeme zu einer physiologischen Hämostase bei. Die verschiedenen Systeme beeinflussen sich gegenseitig durch komplexe Kaskaden von Rückkopplungsmechanismen. Das Wechselspiel zwischen Aktivatoren und Inhibitoren stellt unter physiologischen Bedingungen ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Systemen her. Dieses erlaubt das Fließen des Blutes im Gefäßsystem und stellt gleichzeitig sicher, dass im Fall einer Verletzung eine Gefäßläsion schnell verschlossen wird. Zwei neue Konzepte beeinflussen dabei unser heutiges Verständnis der Blutgerinnung: 1. Die plasmatische Gerinnung läuft nicht primär im Plasma ab, sondern vor allem auf der Oberfläche aktivierter Thrombozyten und Endothelzellen. 2. Die zellulären und die plasmatischen Faktoren der Blutstillung spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Pathogenen. Vor allem Zellen und lösliche Proteine des angeborenen Immunsystems (»innate immunity«) interagieren stark mit Gerinnungsfaktoren, Endothelzellen und Thrombozyten. Damit sind an der Hämostase beteiligt: Thrombozyten, Endothelzellen, plasmatische Gerinnungsfaktoren, das Fibrinolysesystem, aber auch Monozyten, Makrophagen, aktivierte Granulozyten, Komplementfaktoren und das Bradykinin-Histamin-System. Letzteres ist z. B. über aktivierten FXII eng mit der plasmatischen Gerinnung verbunden. Das Zusammenspiel dieser Faktoren wird entscheidend durch die bekannten Elemente der Virchow-Trias beeinflusst: dem Blutfluss, der Blutzusammensetzung und der jeweiligen Gefäßwand (. Abb. 4.1). Das Hämostasesystem im arteriellen Gefäßsystem unterliegt anderen Regulationsmechanismen als das Hämostasesystem im venösen Gefäßsystem, da in beiden Systemen völlig andere Strömungsverhältnisse vorliegen.
Das als Endprodukt der plasmatischen Gerinnungskaskade entstehende Fibringerinnsel ist relativ locker, weich und zunächst wenig stabil (vergleiche Blutgerinnsel bei Nasenbluten). Diese Gerinnsel haben im Bereich des arteriellen Stromgebietes keine besondere Bedeutung. Sie werden durch die hohen Scherkräfte des Blutes im arteriellen System aufgelöst und weggespült. Plasmatische Gerinnsel können jedoch, wenn sie in Gebieten mit niedrigen Scherkräften entstehen – z. B. beim Vorhofflimmern – in die arterielle Endstrombahn embolisieren und dort arterielle Gefäßverschlüsse, – z. B. einen Schlaganfall– auslösen. Die wichtigsten Bestandteile des zellulären Hämostasesystems, die Thrombozyten, benötigen für die Adhäsion den von-Willebrand-Faktor. Die Bindungsstellen des von-Willebrand-Faktors für den thrombozytären Rezeptor (Glykoproteinkomplex GPIb/IX) ist jedoch nur unter Bedingungen mit hohen Scherkräften zugänglich, sodass Thrombozyten vor allen Dingen im arteriellen Gefäßsystem – nicht aber im venösen Gefäßsystem – eine Rolle für die Hämostase spielen. In den folgenden Abschnitten sind aus didaktischen Gründen Thrombozyten, Endothel, plasmatische Gerinnungsfaktoren und Fibrinolyse getrennt dargestellt. 4.2
Thrombozyten
4.2.1
Thrombozytopoese
Thrombozyten entstehen aus den Megakaryozyten im Knochenmark. Die Megakaryozyten schnüren aus ihrem Plasma lange dünne Zytoplasmaausläufe ab, in denen, wie in einer Perlenkette, mehrere Prothrombozyten aufgereiht sind (. Abb. 4.2). Diese sind bereits mit ihren Organellen und den Proteinen des Zytoskeletts ausgestattet. Die Fragmentierung dieser Prothrombozytenketten, die aus 5–8 einzelnen Thrombozyten bestehen, führt dann zur Bildung der endgültigen Thrombozyten. Der größte Teil der Prothrombozyten wird in den Sinusoiden des Knochenmarkes fragmentiert. Wahrscheinlich wird ein Teil der Prothrombozyten auch bis in die Lungenstrombahn transportiert und fragmentiert erst dort. Auch wenn Thrombozyten keinen Kern mehr besitzen, enthalten sie RNA und die Enzyme, die zum Spleißen von RNA benötigt werden. Thrombozyten können diese RNA dazu nutzen, um auch noch nach dem Abschnüren von Megakaryozyten Proteine zu synthetisieren. Durch Abbau von Proteinen (Alterung) und Proteinneosynthese kann sich die Zusammensetzung der Thrombozytenproteine (Proteom) in Abhängigkeit vom Alter und vom Aktivierungsgrad der Zelle ändern. In der Zirkulation haben Thrombozyten eine Lebenszeit von ca. 7–10 Tagen. Danach werden sie aus der Zirkulation entfernt. Die Menge an täglich produzierten Thrombozyten entspricht in etwa 15.000 Thrombozyten/μl. Die Syntheserate der Thrombozyten wird durch das Thrombopoetin gesteuert. Thrombopoetin ist ein Wachstumsfaktor, der in der Leber synthetisiert wird. Er bindet sich an Rezeptoren auf den Megakaryozyten und regt diese zur Proliferation und zum Abschnüren von Thrombozyten an (. Abb. 4.3). Die Menge des von der Leber synthetisierten Thrombopoetins ist relativ konstant. Die Regulation der Stimulation der Megakaryozyten erfolgt über die Menge an Thrombozyten im Blut. Auch Thrombozyten tragen den Thrombopoetinrezeptor auf ihrer Oberfläche und binden so Thrombopoetin. Je weniger Thrombozyten gebildet werden und in der Zirkulation vorhanden sind, desto mehr freies Thrombopoetin steht zur Verfügung, um die Megakaryozytopoese im Knochenmark zu stimulieren. Angeborene Defekte im Thrombopoetinrezeptor und seines Signalweges führen zur amegakaryo-
47 4.2 • Thrombozyten
Gefäßwand
Gefäßinhalt
Strömung
. Abb. 4.1 Die Virchow-Trias beschreibt das Zusammenspiel zwischen Gefäßwand, Gefäßinhalt und Strömung als wesentliche Faktoren für das Hämostasesystem
zytären Thrombozytopenie. Eine unkontrollierte Stimulation des Thrombopoetin-Rezeptor-Signalweges – unabhängig von der gebundenen Menge an Thrombopoetin – ist eine wichtige Ursache für die essenzielle Thrombozytämie (z. B. führt die Jak-2-Mutation zur Entkopplung dieses Thrombopoetin-Rezeptor-Signalweges). Am Ende Ihrer Lebensspanne werden die »gealterten« Thrombozyten im retikuloendothelialen System, vor allem in der Milz, aus der Zirkulation entfernt.
4.2.2
Primäre Hämostase
Thrombozyten zirkulieren im Gefäßsystem im engen Kontakt mit dem Endothel. Dies wird dadurch bedingt, dass sich große Partikel in einer Strömung zentral anordnen, während kleine Partikel, im Fall des Blutes die Thrombozyten, an den Rand gedrängt werden. Daher hat für die physikalische Lokalisation der Thrombozyten im Gefäß die Anzahl und Größe der Erythrozyten und damit der Hämatokrit eine herausragende Bedeutung (. Abb. 4.4). Bei einem Absinken des Hämatokrits unter ca. 25 % wird der Kontakt der Thrombozyten mit dem Endothel reduziert und damit die primäre Hämostasekapazität der Thrombozyten verringert. Ebenso haben kleinere Thrombozyten einen engeren Kontakt zur Gefäßwand als größere Thrombozyten. Thrombozyten werden am intakten Endothel nicht aktiviert. Dies ist bedingt durch thrombozytenfunktionshemmende Substanzen, die von den Endothelzellen freigesetzt werden. Aufgrund der Zerstörung der Endothelzellschichten wird die subendotheliale Matrix freigelegt. An diese adhärieren Thrombozyten über den vonWillebrand-Faktor. Aktivierte Endothelzellen (z. B. bei einer Entzündung, also einer Verbindung zum Immunsystem) präsentieren Adhäsionsmoleküle (z. B. P-Selektin) auf ihrer Oberfläche, über die Thrombozyten auch an die intakte Endothelzellschicht adhärieren. Die Aktivierung von Thrombozyten setzt folgende Kaskade in Gang: 5 Adhäsion der Thrombozyten, 5 Signalvermittlung von Thrombozytenrezeptoren in das Zytoplasma des Thrombozyten mit Reorganisation des Zytoskeletts, 5 Aktivierung weiterer Rezeptoren, 5 Formwandel mit Ausbildung von Pseudopodien, 5 Zentralisierung der Thrombozytengranula, 5 Freisetzung der Granula, die Faktoren der plasmatischen Gerinnung enthalten und Botenstoffe, die weitere Thrombozyten aktivieren.
Proplatelets
. Abb. 4.2 In vitro kultivierte Megakaryozyten schnüren aus ihrem Zytoplasma Prothrombozyten ab. Von diesen werden dann mit dem Eintritt in die Sinusoide des Knochenmarks bzw. in den Lungenarterien einzelne Thrombozyten abgespalten. (Foto: Dr. Hansjörg Schwertz, Salt-Lake City, USA)
Parallel zur Aktivierung werden Signale aus dem Zellinneren an den auf der Zelloberfläche befindlichen GPIIb/IIIa-Komplex, den Fibrinogenrezeptor, weitergeleitet. Dies führt zur Konformationsänderung des Fibrinogenrezeptors, der dann Fibrinogen bindet. Darüber entstehen Brücken zwischen benachbarten Thrombozyten, die zur Vernetzung mehrerer Thrombozyten führen und schließlich zur Ausbildung eines Thrombozytengerinnsels. Gleichzeitig mit der Freisetzung der Granula und der Reorganisation des Zytoskeletts wird die Zellmembran von innen nach außen gewendet (Flip-Flop der Zellmembran), wodurch negativ geladene Phospholipide von der Zellinnenseite der Membran an die Zelloberfläche gelangen. Diese jetzt negativ geladene Zellmembran ist dann die katalytische Oberfläche für die Aktivierung der Gerinnungskaskade der plasmatischen Gerinnungsfaktoren. Die freigesetzten Substanzen aus den Thrombozyten aktivieren auch Endothelzellen und subendotheliale glatte Muskelzellen. Dies führt zur Vasokonstriktion. Zwischen den vernetzten Thrombozyten entsteht – durch Aktivierung der Gerinnungskaskade – ein Fibringerinnsel. Letztendlich kontrahieren sich Aktin und Myosin im Thrombozytenskelett, dies verfestigt den Gefäßthrombus und führt zum Zusammenziehen und Verschluss der Gefäßverletzung.
4.2.3
Adhäsion der Thrombozyten
Thrombozyten adhärieren über den von-Willebrand-Faktor an die Gefäßwand. Auch über andere Bindungen können sie an Endothelzellen adhärieren, diese Bindungen sind jedoch viel schwächer.
4
48
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
Leber konstante Synthese von Thrombopoetin
4 wenig freies Thrombopoetin
viel freies Thrombopoetin
(+)
+++ Knochenmark variable Produktion von Thrombozyten
. Abb. 4.3 Thrombopoetin wird in der Leber gebildet und ins Blut abgegeben. Thrombozyten tragen einen Rezeptor für Thrombopoetin. Bei einer hohen Anzahl von Thrombozyten im peripheren Blut oder einem hohen Umsatz an Thrombozyten binden diese Thrombopoetin, sodass nur wenig Thrombopoetin an die Megakaryozyten im Knochenmark bindet und diese stimuliert. Liegen wenige Thrombozyten im peripheren Blut vor, steht viel Thrombopoetin zur Verfügung. Bei Erkrankungen mit hohem Thrombozytenumsatz, z. B. der Autoimmunthrombozytopenie, liegen zwar wenige Thrombozyten im peripheren Blut vor, durch den hohen Umsatz an Thrombozyten wird dennoch viel Thrombopoetin an Thrombozyten gebunden, sodass in diesen Fällen trotz niedriger Thrombozytenzahl die Thrombopoetinspiegel normal bis leicht erniedrigt sind
Scherkräfte
. Abb. 4.4 Im Gefäß finden sich größere Partikel in der Mitte der Strömung, kleine Partikel am Gefäßrand. Dadurch werden Thrombozyten an den Gefäßrand gedrängt. Hierfür ist die Zahl der Erythrozyten von besonderer Bedeutung
4.2.4
Von-Willebrand-Faktor
Der von-Willebrand-Faktor ist ein multimeres Protein, bei dem sich mehrere gleiche Untereinheiten aneinander lagern. Synthetisiert wird er in Endothelzellen und Megakaryozyten (. Abb. 4.5). Im Golgi-Apparat dieser Zellen wird dabei von Vorstufen des vonWillebrand-Faktors zunächst das Propeptid abgespalten, so dass zwei Monomere aneinander binden können. Im Zytoplasma werden dann diese von-Willebrand-Faktor-Dimere zu einem großen globulären Protein zusammengefügt und in dieser Form freigesetzt.
Dieses sehr große von-Willebrand-Faktor-Multimer wird zunächst durch das Enzym ADAMTS13 in kleinere Untereinheiten aufgespalten (Anmerkung: Verlust dieser Enzymfunktion führt zur thrombotisch thrombozytopenischen Purpura). Die immer noch sehr großen von-Willebrand-Faktor-Multimere sind so »aufgerollt«, dass die Bindungsstellen des von-Willebrand-Faktors für den thrombozytären Rezeptor GPIb/IX nicht zugänglich sind. Die Bindungsstellen des von-Willebrand-Faktors für Kollagen liegen jedoch frei. An die Kollagenfibrillen der subendothelialen Matrix bindet der von-Willebrand-Faktor und wird dann durch die Scher-
4
49 4.2 • Thrombozyten
von-Willebrand-Faktor-Propeptid C C
N
N
C
N C
C N
N
C
N N
C
C
N
C N
N
C
. Abb. 4.5 Der von-Willebrand-Faktor wird in den Endothelzellen und in Megakaryozyten gebildet. Hierbei werden aus Monomeren zunächst Dimere gebildet, die dann zu sehr großen Multimeren verbunden und in dieser Form sezerniert werden
= vWF
= GPIb/IX, GPV
= Kollagen
= Glykocalicin-Teil
= GPIa/IIa
= GPVI mit Fcγ-Kette = Zytoskelett
Endothel
. Abb. 4.6 Adhäsion von Thrombozyten. Nach Verletzung der Endothelzellschicht bindet von-Willebrand-Faktor an Kollagen und wird durch die Scherkräfte »aufgerollt«, sodass die Bindungsstellen für GPIb freigelegt werden. Hieran binden Thrombozyten. Die Bindung wird über die Kollagenrezeptoren GPIa/IIa und GPVI weiter verstärkt
kräfte des arteriellen Blutstroms auseinandergerollt. Dabei werden die Bindungsstellen für den thrombozytären GPIb/IX freigelegt (. Abb. 4.4). 4.2.5
Der thrombozytäre Glykoproteinkomplex Ib/IX
Der GPIb/IX-Komplex ist eines der Hauptmembranproteine auf der Thrombozytenmembran und der der wichtigste Rezeptor für den von-Willebrand-Faktor auf der Thrombozytenoberfläche. Er besteht aus der Ib-α-Kette, an deren Ende sich die Bindungsstellen für von-Willebrand-Faktor und Thrombin befinden, und einer Ib-β-Kette. Die Ib-α-Kette hat eine Schnittstelle für die Protease Calpain. Durch deren Wirkung an dieser Stelle kommt es zum Ver-
lust des von-Willebrand-Faktor-Rezeptors während der Lagerung von Thrombozyten. Die GPIb-α-Kette ist mit dem Zytoskelett des Thrombozyten verbunden. GPIX ist mit GPIb nichtkovalent verbunden, beide können nur zusammen auf der Thrombozytenmembran exprimiert werden. Zwischen zwei GPIb/IX-Komplexen liegt ein GPV-Molekül. Die Bindungsstelle für den von-Willebrand-Faktor ist am äußeren Ende der GPIb-α-Kette lokalisiert. Die α-Kette ist in etwa 60 nm lang und ragt damit weit über die Thrombozytenoberfläche hinaus (zum Vergleich: andere Thrombozytenproteine wie Plättchenfaktor 4 haben eine Höhe von in etwa 5 nm). Damit erkennt der Thrombozyt, während er entlang der Gefäßwand rollt, seine Bindungsstelle auf dem von-Willebrand-Faktor. Mit ca. 40.000 GPIb-Molekülen auf der Thrombozytenoberfläche erfolgt eine starke Anbindung an den von-Willebrand-Faktor (. Abb. 4.6).
50
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
= α-Granula
= dichte Granula
= GPIIb / IIIa = Aktivierungssignal
4
. Abb. 4.7 Beginnende Aktivierung von Thrombozyten. An die erste Schicht der adhärierten Thrombozyten bindet wieder von-Willebrand-Faktor, an den weitere Thrombozyten binden (oberer Teil der Abb.). Die Quervernetzung von GPIa/IIa und besonders von GPVI löst eine Signaltransduktion in das Zytoplasma des Thrombozyten aus (unterer Teil der Abb.)
Auf der Innenseite der Zelle ist der GPIb/IX-Komplex mit dem thrombozytären Zytoskelett verbunden. Dies gibt dem Rezeptor die Stabilität, damit die Zellen auch unter hohen Scherkräften anhaften können. An die adhärierenden Thrombozyten kann wieder von-Willebrand-Faktor binden. Hierdurch entsteht eine Mehrfachschicht von Thrombozyten. Im nächsten Schritt werden die Rezeptoren für Kollagen, GPVI und GPIa/IIa in enge räumliche Nähe mit den freiliegenden Kollagenfibrillen gebracht. Die Vernetzung mehrerer Rezeptoren führt dann zur Induktion der Signaltransduktionskette in den Thrombozyten. Für die Übermittlung des Signals von den Rezeptoren in das Zellinnere ist die Fcγ-Kette besonders wichtig (Anmerkung: dieses Protein hat die gleiche Struktur wie der intrazelluläre Anteil des Fcγ-Rezeptors IIa, daher der Name FcγKette) (. Abb. 4.7). Das Signal führt dann zur Reorganisation des Zytoskeletts und damit zum Formwandel der Thrombozyten. Weitere wichtige Rezeptoren auf der Thrombozytenoberfläche binden Vitronektin und Fibronektin. Nach erfolgter Adhäsion wird die Thrombozytenaktivierung über diese Rezeptoren weiter verstärkt, und es werden weitere Rezeptoren aus dem Zellinneren an die Oberfläche umgelagert, wie z. B. P-Selectin. Über diese Rezeptoren können Thrombozyten auch an aktivierte Endothelzellen und Leukozyten binden. Diese Bindungen sind jedoch weniger stabil als die Bindung über von-Willebrand-Faktor. Binden nur wenige Rezeptoren oder sind die Scherkräfte stärker als die Verankerung der Rezeptoren in der Zellmembran, so werden kleine Partikel aus der Thrombozytenmembran herausgerissen, die dann prothrombogene Mikropartikel bilden. Dies ist wahrscheinlich einer der Gründe dafür, dass Thrombozyten »altern«.
4.2.6
Formänderung der Thrombozyten
Thrombozyten zirkulieren in Form einer diskoiden Scheibe im Blut. Diese Form wird durch das Zytoskelett und durch einen Ring von Mikrotubuli am Äquator der Thrombozyten aufrechterhalten. Mit
der Aktivierung der Thrombozyten wird das Zytoskelett reorganisiert. Die Thrombozyten zentralisieren ihre Organellen und breiten ihr Zytoplasma aus, sie nehmen die Form eines Spiegeleis an. Damit können sie eine möglichst große Oberfläche abdecken (. Abb. 4.8). In diesem Prozess werden die Granula der Thrombozyten ausgeschüttet, indem sie mit der äußeren Thrombozytenmembran verschmelzen und ihre Inhaltsstoffe freigeben. Hierdurch werden auch erhebliche Membranteile aus dem Inneren des Thrombozyten in die Außenmembran integriert. Dadurch wird die Anzahl der GPIIb/ IIIa-Moleküle, die zunächst ungefähr zur Hälfte auf Membranen innerhalb des Thrombozyten lokalisiert ist, auf der Zelloberfläche verdoppelt.
4.2.7
Thrombozytäre Granula und ihre Inhaltsstoffe
Die thrombozytären Granula werden in α-Granula, dichte Granula und Lysosomen unterteilt. Die α-Granula enthalten Faktoren der plasmatischen Gerinnung, vor allen Dingen von-Willebrand-Faktor, Fibrinogen und Faktor V, aber auch Thrombospondin, Vitronektin, Plasminogenaktivator-Inhibitor und eine Vielzahl von Chemokinen, wie RANTES, Plättchenfaktor 4 oder den Platelet Derived Growth Factor (PDGF). Die Gerinnungsfaktoren und der von-Willebrand-Faktor unterstützen das Hämostasesystem, die Chemokine beeinflussen die Interaktion mit Leukozyten und die Aktivierung des Entzündungssystems. Die Wachstumsfaktoren sind von Bedeutung für die Wundheilung und Gefäßaussprossung. Aus den dichten Granula setzen Thrombozyten ADP, ATP und Serotonin frei, außerdem große Mengen an negativ geladenen Polyphosphaten. Polyphosphate sind ein sehr wichtiges Verbindungsglied zwischen Thrombozyten und Aktivierung des intrinsischen Gerinnungssystems über Faktor XII (7 Abschn. 4.4). Die Lysosomen enthalten saure Hydrolasen, die für die Gerinnung wenig Bedeutung haben, eventuell sind sie für die Interaktion von Thrombozyten mit Bak-
51 4.2 • Thrombozyten
FII FXa
= Prothrombinase-Komplex
= aktivierter GPIIbIIIa
FVa
Thrombin
Gerinnungsfaktoren vWF Fibrinogen
ADP Serotonin Polyphosphate
-
- -
- -
TXA2
FII FXa FVa
-
-
- -
- -
- -
- -
. Abb. 4.8 Aktivierung von Thrombozyten und plasmatischer Gerinnung. Die Signalkaskade in den Thrombozyten führt zum Formwandel, zur Aktivierung des GPIIb/IIIa, zur Ausbreitung der Thrombozyten, zur Zentralisierung der Granula und Freisetzung ihrer Inhaltsstoffe, zur Bildung von Thromboxan A2 und zum Flip-Flop der Thrombozytenmembran mit Exposition von geladenen Phospholipiden, an denen die Gerinnungsfaktoren binden und die Gerinnungskaskade aktiviert wird
= aktiviertes GPIIbIIIa TXA2
= dichte Granula
ADP 5HT
Thrombin
FII FXa FVa
2+
PLC
Ca
n
Sekretio
Endothel
. Abb. 4.9 Amplifikationsphase der Thrombozytenaktivierung. Aus den aktivierten Thrombozyten freigesetztes Thromboxan A2, ADP und Serotonin binden an weitere Thrombozyten und aktivieren diese über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Protease-aktivierte Rezeptoren, wie z. B. die Thrombinrezeptoren PAR2 und PAR4, werden durch Thrombin gespalten, sodass ein neues N-terminales Ende entsteht, welches an den Rezeptor bindet und diesen aktiviert
terien von Bedeutung. Zusammen mit dem Formwandel wird aus dem Zytoplasma der Thrombozyten Faktor XIII freigesetzt (Quervernetzung von Fibrin). Die Cyklooxygenase in der Zellmembran initiiert den Prostaglandinstoffwechsel mit der Freisetzung von Thromboxan. Thromboxan aktiviert Thrombozyten über den Thromboxanrezeptor, freigesetztes ADP über die ADP-Rezeptoren P2X1 und P2Y12, und Serotonin aktiviert Thrombozyten über den Serotoninrezeptor. Die parallel dazu auf der veränderten Membran beginnende plasmatische Gerinnungskaskade resultiert in der Bildung von Thrombin, welches selber wieder ein starker Aktivator für Thrombozyten ist. Damit werden weitere Thrombozyten aktiviert und in den Thrombus eingebunden (. Abb. 4.9).
Nebenbemerkung In diese Phase der Thrombozytenaktivierung greifen die wichtigsten antithrombozytären Medikamente ein: Acetylsalicylsäure hemmt die Cyclooxygenase und damit die Bildung von Thromboxan A2, ADP-Rezeptorantagonisten blockieren den P2Y12-Rezeptor für ADP und somit die ADP-vermittelte Aktivierung weiterer Thrombozyten. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Antidepressiva) hingegen depletieren Thrombozyten von Serotonin und reduzieren damit diesen Verstärkungsmechanismus.
4
52
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
≈ Fibrinogen Aktin-MyosinKontraktion
4
. Abb. 4.10 Thrombozytenaggregation. An die aktivierten GPIIb/IIIa-Komplexe bindet Fibrinogen und vernetzt so die Thrombozyten untereinander – ein Thrombozytengerinnsel entsteht
4.2.8
Amplifikation der Thrombozytenaktivierung über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
Die thrombozytären Rezeptoren für ADP, Thromboxan, Serotonin und Thrombin haben mehrere transmembranäre Regionen und sind an ihrer Innenseite an G-Proteine gekoppelt. Die Bindung von Agonisten an diese Rezeptoren führt zur Induktion der Signaltransduktion innerhalb des Thrombozyten, zur Aktivierung des Proteinkinase-C-Aktivierungsweges und der Phospholiphase C mit Freisetzung der Calciumspeicher aus den Thrombozyten (. Abb. 4.9). z Protease-aktivierte Rezeptoren (PAR) Thrombozyten exprimieren mindestens 4 PAR, von denen PAR1 und PAR4 Rezeptoren für Thrombin sind. Gemeinsam ist den PAR, dass eine Protease, z. B. Thrombin, ein N-terminales Peptid des Rezeptors abspaltet. Das neue freie N-terminale Ende ist dann der aktivierende Ligand des Rezeptors (. Abb. 4.9 zeigt dies für einen Thrombinrezeptor). Dies macht deutlich, warum bei der Produktion von Thrombozytenkonzentraten eine Aktivierung der Thrombozyten vermieden werden muss, da ansonsten die PAR aktiviert werden.
4.2.9
Thrombozytenaggregation
Die Thrombozytenaggregation wird durch GPIIb/IIIa vermittelt. Fibrinogen verbindet über seine bivalente Struktur jeweils 2 GPIIb/IIIa-Rezeptoren auf 2 benachbarten Thrombozyten miteinander und stabilisiert so das Thrombozytenaggregat. Der GPIIb/ IIIa-Komplex bindet Fibrinogen nur, wenn er selber aktiviert wurde. Diese Aktivierung wird durch eine Signalvermittlung aus dem Inneren der Zelle induziert (sogenanntes »inside-out signaling«). Bei
Blutungen aus kleinen Gefäßen kann durch die vernetzten Thrombozyten die Blutung zum Stillstand gebracht werden. Im nächsten Schritt wird das Gerinnsel stabilisiert. Dies erfolgt über die Spaltung von Fibrinogen zu Fibrin durch Thrombin, Quervernetzung von Fibrin durch Faktor XIIIa, vor allem aber auch durch Kontraktion des thrombozytären Zytoskelettes über Aktin und Myosinfilamente (. Abb. 4.10 u. . Abb. 4.11). 4.2.10
Zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP)
cAMP ist eine wichtige inhibitorische Substanz in Thrombozyten. cAMP stimuliert indirekt eine Calciumpumpe, welche das zytosolische Calcium aus den Thrombozyten entfernt und so die Aktivierungsschwelle der Thrombozyten reduziert. Es verhindert nicht nur die Thrombozytenaggregation, sondern auch die Sekretion der Granulainhaltsstoffe und die Formänderung und stellt damit die »Bremse« des Thrombozyten dar. cAMP entsteht über die Adenylatcyclase aus ATP. Die Wirkung der Adenylatcyclase wird durch Prostaglandin D2 der Thrombozyten und durch Prostacyclin in Endothelzellen verstärkt. Weiterführende Literatur zu Thrombozyten findet sich bei [4] [5][8][9][10]. 4.3
Endothel
Endothelzellen bilden eine einschichtige Innenauskleidung aller Gefäße. Sie sind die Grenzfläche zwischen zirkulierendem Blut und dem Gewebe der Gefäßwand. Über sie erfolgt der Austausch von Nährstoffen, Hormonen und Sauerstoff, und sie sind eine Barriere gegen Toxine und infektiöse Erreger. Endothelzellen tragen
53 4.3 • Endothel
= Fibrinnetz
. Abb. 4.11 Konsolidierung des Gerinnsels. In den über Fibrinogenbrücken miteinander verbundenen Thrombozyten interagiert Aktin mit Myosin. Dadurch werden das Gerinnsel und das verletzte Gefäß zusammengezogen. Auf der Thrombozytenoberfläche wird die Gerinnungskaskade aktiviert, das entstehende Thrombin spaltet Fibrinogen zu Fibrin und aktiviert Faktor XIII, der das Fibrinnetz kovalent miteinander verbindet
entscheidend zur Regulation der Hämostase bei (. Abb. 4.12). Sie haben prokoagulatorische und antikoagulatorische Faktoren der Gerinnung gespeichert, enthalten von-Willebrand-Faktor und Komponenten der Fibrinolyse. Sie beeinflussen die Vasomotorik, die Leukozytenmigration und die Gefäßpermeabilität. Je nach ihrem Aktivierungszustand sind Endothelzellen prokoagulatorisch (oberer Abschnitt in . Abb. 4.12) oder antikoagulatorisch (unterer Abschnitt in . Abb. 4.12). Unter physiologischen Bedingungen sind Endothelzellen antikoagulatorisch. Die thromboresistente Eigenschaft des Endothels kommt durch die Endothelzelloberfläche und durch die von den Endothelzellen sezernierten Faktoren auf ihrer Oberfläche zustande. Endothelzellen hemmen die Thrombozytenaktivierung durch die Freisetzung von Prostaglandin E2 und Stickstoffmonoxid (NO) und setzen eine ADPase frei, die ADP abbaut (. Abb. 4.13). Sie hemmen die Gerinnungskaskade durch die Synthese von Thrombomodulin und Heparansulfaten und modulieren die Fibrinolyse durch die Synthese von Gewebeplasminogenaktivator und Plasminogenaktivator-Inhibitor. Diese sowohl hämostatischen als auch thromboresistenten Eigenschaften des intakten Endothels sind bei gestörter Gefäßwandfunktion reduziert. Dies kann Blutungen bzw. Thrombosen begünstigen. Blutungen können dann auftreten, wenn das Endothel für Blutzellen verstärkt permeabel wird oder wenn das Gefäß nicht mehr in der Lage ist, sich adäquat eng zu stellen. Bei Entzündungsreaktionen und Infektionen kann die Endothelzellfunktion direkt oder indirekt über Substanzen beeinträchtigt sein, die aus den Leukozyten freigesetzt werden, sodass die Gefäßpermeabilität erhöht wird. Durch Enzyme (z. B. Thrombin), Hypoxie, extrem hohe Scherkräfte, Zytokine oder bakterielle Toxine werden Endothelzellen aktiviert und prothrombogen. Sie präsentieren dann Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, an die Leukozyten und Thrombozyten adhärieren und setzen Mediatoren frei, die Thrombozyten und Leukozyten aktivieren, z. B. von-Willebrand-Faktor und plättchenaktivierenden Faktor (PAF) (. Abb. 4.12 u. . Abb. 4.13).
4.3.1
Endothelzelle und Vasomotorik
Endothelzellen synthetisieren und sezernieren Substanzen, die den Gefäßtonus beeinflussen. Dies sind Prostacycline (PGI2) und vor allem Stickstoffmonoxid (NO). NO hemmt zum einen die Thrombozytenaggregation (7 Abschn. 4.2), zum anderen hat es einen starken vasodilatierenden Effekt. NO wird aus den Endothelzellen in vivo freigesetzt, wenn erhöhte Scherkräfte einwirken, aber auch durch Bradykinin, Histamin, Thrombin, Vasopressin und ADP. Die Bildung von NO in der Endothelzelle erfolgt über die NO-Synthase, deren Aktivität bei Aktivierung der Endothelzelle um das 400-fache gesteigert werden kann. NO bindet auch an Hämoglobin in Erythrozyten. Aus transfusionsmedizinischer Sicht ist von Bedeutung, dass der NO-Bindungsmechanismus an Hämoglobin bzw. die Freisetzung von NO aus Hämoglobin in gelagerten Erythrozyten gestört ist. Dies stört die Balance der Interaktion zwischen Endothelzellen, Thrombozyten, Gefäßtonus und Erythrozyten, besonders bei der Massivtransfusion. Die Endothelzelle trägt – über die Synthese und Freisetzung von Endothelin 1 und Thromboxan A2 – auch zur Vasokonstriktion bei. Sie synthetisiert ebenfalls das Angiotensin Converting Enzyme (ACE), welches Angiotensin 1 in den Vasokonstriktor Angiotensin 2 überführt.
4.3.2
Prokoagulatorische Aktivitäten des Endothels
Aktivierte Endothelzellen exprimieren den wichtigsten Aktivator der plasmatischen Gerinnung, das Gewebethromboplastin, auch als Tissue Factor (TF) bezeichnet. Auf der Phospholipidoberfläche aktivierter Endothelzellen binden die plasmatischen Gerinnungsfaktoren und können sich so räumlich optimal für die Interaktion mit ihren Reaktionspartnern ausrichten. Hierüber wird die Gerinnungskaskade katalysiert. Die antikoagulatorischen Aktivitäten des Endothels werden unter den jeweiligen Kapiteln zu den Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung abgehandelt.
4
54
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
--- - -- - -- - Phospholipide
TF
PAF +
Thrombin +
PAI1 +
Thrombozyten
Gerinnungskaskade
Fibrinolyse
–
–
–
vWF
4
ADPase
PGI2
TFPI
EDRF
APC
Heparansulfat
t-PA
Annexin 2
Thrombomodulin
. Abb. 4.12 Prokoagulatorische und antikoagulatorische Funktion der Endothelzelle. Aktivierte Endothelzellen (oberer Teil der Abbildung, gepunktete Zellwand) sezernieren von-Willebrand-Faktor, setzen Plättchenaktivierenden Faktor (PAF) frei, der Leukozyten und Thrombozyten aktiviert; sie exprimieren negativ geladene Phospholipide, an die sich Gerinnungsfaktoren binden, wodurch Thrombin entsteht. Schließlich sezernieren aktivierte Endothelzellen Plasminogenaktivator-Inhibitor 1 (PAI1), der die Fibrinolyse hemmt. Nicht aktivierte Endothelzellen (unterer Teil der Abbildung, glatte Zellwand) reduzieren den Gefäßtonus durch die Freisetzung von Prostaglandin I2 (PGI2) und Endothelial Cell Derived Relaxing Factor; über eine ADPase hemmen sie die ADP-abhängige Thrombozytenaktivierung. Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) und aktiviertes Protein C (APC) sind Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung; TissuePlasminogenaktivator induziert die Fibrinolyse, und Annexin 2 hemmt die Bindung der Gerinnungsfaktoren an die prokoagulatorischen Phospholipide
Regulation des Gefäßtonus bei intaktem Endothel
Vasokonstriktion nach Endothelzellschädigung
Thrombozyten Plättchenaktivierung
Plättchenaktivierung ADP 5-HT
No
TXA2
PGI2 ADP
5-HT
TXA2
Thrombozytenpfropf
Endothelzellen No, PGI2
ADP
5-HT
TXA2
Glatte Muskelzellen
Vasodilatation
Vasokonstriktion
. Abb. 4.13 Wechselwirkungen zwischen Thrombozyten, Endothelzellen und glatten Muskelzellen. Links ist die Wechselwirkung zwischen Thrombozyten und einer intakten Gefäßwand und rechts die Wechselwirkung nach Zerstörung des Endothels dargestellt
4
55 4.4 • Plasmatische Gerinnung
Weiterführende Literatur zu Endothelzellen findet sich bei [1] und [5]. 4.4
Plasmatische Gerinnung
4.4.1
Der Gerinnungsweg über Gewebefaktor
TF/FVIIa
FIX
Durch die plasmatische Gerinnung kann sich das fließende Blut in eine gelartige feste Masse verwandeln. Dies wird durch eine Kaskade von Gerinnungsfaktoren verursacht, die letztendlich zur Bildung von Thrombin führt, welches Fibrinogen in Fibrin umwandelt. Der erste Schritt der Aktivierung der plasmatischen Gerinnungskaskade ist die Freisetzung von Gewebefaktor (Gewebethromboplastin oder Tissue Factor; TF). TF liegt im Subendothel in hoher Konzentration vor, wird aber auch von aktivierten Endothelzellen und aktivierten Monozyten exprimiert. An TF bindet aktivierter Faktor VII (. Abb. 4.14). Aus diesem Grund ist Faktor VIIa der einzige Gerinnungsfaktor, der unter physiologischen Bedingungen bereits in geringen Mengen aktiv im Blut zirkuliert. Damit steht er sofort zur Verfügung, um an TF zu binden. Der Komplex aus TF und Faktor VIIa aktiviert weiteren Faktor VII zu Faktor VIIa (Autoaktivierung) und Faktor X zu Faktor Xa, der dann Prothrombin (Faktor II) zu Thrombin (Faktor IIa) umwandelt. Der Faktor-VIIa/TF-Komplex aktiviert ebenfalls Faktor IX zu Faktor IXa, welcher zusammen mit aktiviertem Faktor VIII (Faktor VIIIa) weiteren Faktor X zu Faktor Xa umwandelt. Die am Anfang der Gerinnungsaktivierung gebildete Menge an Thrombin ist viel zu gering, um größere Mengen Fibrinogen zu Fibrin zu spalten. Sie reicht aber aus, um Thrombozyten zu aktivieren. Die aktivierten Thrombozyten bilden dann die Oberfläche, auf der die Gerinnungskaskade verstärkt abläuft. Auch aktivierte Thrombozyten können TF exprimieren. Im Sinne einer positiven Rückkopplung (. Abb. 4.15) aktiviert Thrombin Faktor V zu Faktor Va, Faktor VIII zu Faktor VIIIa und Faktor XI zu Faktor XIa. Hierdurch wird die Gerinnungskaskade um den Faktor 1000 amplifiziert. Die plasmatischen Gerinnungsfaktoren sind Glykoproteine und weisen sehr unterschiedliche Konzentrationen und unterschiedliche Halbwertszeiten auf (. Tab. 4.1). Für die Substitutionstherapie mit Frischplasma bei generellem Faktorenmangel sind die Halbwertszeiten der beiden Faktoren mit der kürzesten Halbwertszeit (Faktor V und Faktor VII) bestimmend für die Häufigkeit der Plasmagabe (alle 8 h). Faktor IIa, Faktor VIIa, Faktor IXa, Faktor Xa und Faktor XIa sind Serinproteasen. Sie liegen im Blut als Proenzyme vor und werden im Verlauf des oben geschilderten Gerinnungsprozesses in ihre aktive Form überführt. Die Faktoren Va und VIIIa sind keine Enzyme. Sie sind jedoch als Co-Faktoren notwendig, damit die zugehörigen Enzyme ihre volle Aktivität entfalten können. Die Faktoren II, VII, IX und X werden in der Leber synthetisiert, müssen jedoch carboxyliert werden, um funktionsfähig zu sein. Dieser Schritt ist Vitamin-K-abhängig, worauf das Grundprinzip der Gerinnungshemmung mit Vitamin-K-Antagonisten basiert. Die Carboxylierung der Glutaminsäurereste dieser Gerinnungsfaktoren erlaubt deren Bindung über Calcium an die negativ geladene Phospholipidoberfläche aktivierter Zellen (Endothelzellen und Thrombozyten). Der Faktor VIII bildet im Plasma mit dem von-WillebrandFaktor einen Komplex und muss vor seiner Aktivierung durch Thrombin von diesem dissoziieren. (Anmerkung: Dieser Komplex mit von-Willebrand-Faktor schützt FVIII vor dem Abbau. Deshalb haben Patienten mit ausgeprägtem von-Willebrand-Faktor-Mangel oder -Dysfunktion oft einen zusätzlichen FVIII-Mangel.)
FX
FVIIa
FIXa FII
FV
FVa FXa
FIIa
Fibrinogen
Fibrin
. Abb. 4.14 Startphase der Gerinnungsaktivierung. Der wichtigste Initiator der Gerinnung ist Tissue Factor (TF), an den Faktor (F) VIIa bindet
Die Geschwindigkeit der Gerinnungskaskade ist abhängig von der Aktivierung des Faktors X zu Faktor Xa und damit von Faktor IXa und Faktor VIIIa. Entscheidend für die Geschwindigkeit der Reaktionen ist die Konzentration der Gerinnungsfaktoren auf der Oberfläche aktivierter Zellen. So wird beispielsweise die Wirkung des Faktors Xa durch Komplexbildung mit Prothrombin und Faktor Va auf der Oberfläche von Phospholipiden in Anwesenheit von Calciumionen gegenüber der Aktivität dieses Komplexes im Plasma um ca. das 300-fache gesteigert.
4.4.2
Der Gerinnungsweg über die Kontaktaktivierung
Die Gerinnungskaskade kann auch über Faktor XII aktiviert werden. Dieser auch als intrinsischer Gerinnungsweg beschriebene Prozess ist das Grundprinzip für die Gerinnungszeitmessung in der PTT. Allerdings zeigen Faktor-XII-Mangelpatienten keine erhöhte Blutungsneigung, sodass ein Faktor-XII-Mangel hinsichtlich einer erhöhten Blutungsneigung ohne klinische Bedeutung ist. Faktor XII bildet mit Präkallikrein und hochmolekularem Kininogen das Kontaktphasensystem. Diese Faktoren werden an negativ geladenen Oberflächen aktiviert. Dieser Aktivierungsweg der Gerinnungskaskade scheint auf der Thrombozytenoberfläche eine wichtige Rolle zu spielen. Interessanterweise werden Faktor XII und Präkallikrein auch über Polyphosphate stark aktiviert. Polyphosphate sind in den dichten Granula der Thrombozyten gespeichert und werden bei der Thrombozytenaktivierung freigesetzt. Möglicherweise wird die Inhibition der Faktor-XII-abhängigen Aktivierung der Gerinnungskaskade zukünftig eine wichtige Therapieoption bei der Sekundärprophylaxe von Thrombozyten-vermittelten
56
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
FXII TF/FVIIa
TF/FVIIa FXI FXIIa FX
FIX
FVIIa
FVII
FXIa
4
FVIII
FVIIIa FIXa FII
FVa FXa
FV
FXIII FIIa
FXIIIa Fibrinogen
Fibrin
Fibrinnetz
. Abb. 4.15 Amplifikationsphase der Gerinnung. Thrombin aktiviert in einem Rückkopplungsmechanismus FV, FVIII und FXI. Hierdurch wird die Gerinnungskaskade um den Faktor 1000 verstärkt
. Tab. 4.1 Faktoren des plasmatischen Gerinnungssystems. (Nach [7]) Name
Abkürzung
Molekulargewicht
Plasmakonzentration [mg/l]
Plasmakonzentration [mmol/l]
Fibrinogen
–
340.000
3000
8800
Prothrombin
–
72.000
100
1400
Faktor X
FX
56.000
10
180
Faktor IX
FIX
56.000
5
90
Faktor VII
FVII
50.000
0,5
10
Faktor VIII
FVIII
330.000
0,1
0,3
Faktor V
FV
330.000
10
30
Faktor XI
FXI
160.000
5
30
Faktor XIII
FXIII
320.000
10
30
von-WillebrandFaktor
vWF
225.000a
10
40
Gewebefaktor
TF
37.000
0,0
–
a Molekulargewicht
der kleinsten Untereinheit.
Gefäßverschlüssen im arteriellen System darstellen. Kallikrein und Kininogen aktivieren ebenfalls die Komplementkaskade. Hierüber sind das Gerinnungssystem und die angeborene Immunabwehr eng miteinander verbunden. Ebenso aktivieren Kallikrein und Kininogen Bradykinin, welches über die Kinin-B1- und -B2-Rezeptoren die Endothelzellen beeinflusst.
4.4.3
Faktor XIII und Stabilisierung des Thrombus
Der Faktor XIII wird primär in der Leber synthetisiert. 50 % der Faktor-XIII-Aktivität findet sich im Plasma und 50 % im Zytosol der Thrombozyten. Faktor XIII wird durch Thrombin zu Faktor XIIIa umgewandelt. Faktor XIIIa verbindet Lysin und Glutamin kovalent und vernetzt so die γ-Kette sowie die α-Kette zweier verschiedener Fibrinmoleküle. Faktor XIIIa kann Fibrin auch mit anderen Pro-
57 4.4 • Plasmatische Gerinnung
D
E
D Fibrinogen Thrombin Fibrinmonomer D
D E D
Fibrindimer
E D
Fibrintrimer
Fibrinpolymer (Protofibrille)
FXIIIa Querverbetztes Fibrinpolymer
Plasmin
Fibrindegradationsprodukte YD
YY
XY
XX
XXD
. Abb. 4.16 Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin und fibrinolytische Spaltprodukte durch sequenzielle Wirkung von Thrombin, FXIIIa und Plamin. D und E stellen die Domänen des Fibrinogenmoleküls dar. Nach Abspaltung der Fibrinopeptide A durch Thrombin entsteht aus Fibrinogen Fibrinmonomer. Mehrere Fibrinmonomere können durch Polymerisation Protofibrillen bilden, die sich durch laterale Assoziation zusammenlagern. Durch FXIIIa kommt es zur kovalenten Verknüpfung von γ-Ketten durch DD-Trans-Kontakt. Nicht dargestellt ist die α-Kettenverknüpfung. Das durch FXIII-Wirkung erzeugte Fibrin wird als quervernetztes Fibrin bezeichnet. Nach Einwirkung von Plasmin auf quervernetztes Fibrin entstehen unterschiedliche Fibrindegradationsprodukte. Diese durch Plasmineinwirkung in vivo entstehenden Produkte sind verschieden zusammengesetzt; sie enthalten die Fragmente X, Y und XD
teinen vernetzen, z. B. mit Fibrinogen, Fibronektin und von-Willebrand-Faktor. Über diese Reaktionen verbindet Faktor XIII das Gerinnsel fest mit der Gefäßwand. Faktor XIII ist damit von besonderer Bedeutung für die Gerinnselfestigkeit. Blutungen bei Faktor-XIII-Mangel treten typischerweise mit einer Verzögerung von 1–2 Tagen auf, wenn das primäre Gerinnsel seine Stabilität verliert.
4.4.4
Fibrinogen
Das Fibrinogenmolekül (. Abb. 4.16) liegt im Plasma in einer Konzentration von ungefähr 3–4 g/l vor. Es ist ein kovalent verknüpftes Dimer, das aus 3 paarig angeordneten Polypeptidketten besteht, die als α-, β- und γ-Kette bezeichnet werden. Fibrinogen hat drei wichtige Funktionen:
1.
Während des Gerinnungsprozesses wird Fibrinogen in Fibrin umgewandelt. Es ist damit von essenzieller Bedeutung für die Ausbildung eines plasmatischen Gerinnungsthrombus. 2. Fibrinogen bindet an die GPIIb/IIIa-Rezeptoren der Thrombozyten und ist damit essenziell für die Entstehung eines Thrombozytenaggregates. 3. Fibrin selbst ist ein Aktivator des Fibrinolysesytems. Thrombin spaltet vom Fibrinogenmolekül Fibrinopeptid A und Fibrinopeptid B ab. Damit entsteht ein Fibrinmonomer. Die Abspaltung von Fibrinopeptid A ist die Grundvoraussetzung dafür, dass mehrere Fibrinmonomere zu einem Fibringerinnsel polymerisieren können. Das daraus entstehende Fibrinpolymer wird dann durch den aktivierten Faktor XIII kovalent quervernetzt (. Abb. 4.16). Die Mengen an Fibrinopeptid A und B im Blut sind ein direktes Maß für die Thrombinaktivität.
4
58
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
Heparansulfat Antithrombin
TFPI
TF/FVIIa
TF/FVIIa
FIX
FX
FVII
FVIIa
FXIa
FVIII
4
FVIIIa FIXa FII
FVa FXa
FV
FIIa APC Protein S
Protein C
Thrombomodulin/FIIa EZ
Plasminogen FXIIIa
Antithrombin Heparansulfat
Fibrinogen
Fibrin
Fibrin Netz
Plasmin
. Abb. 4.17 Regulationsphase der Gerinnung. Antithrombin-Heparansulfat, Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI), aktiviertes Protein C (APC) sowie Plasmin sind wichtige Regulatoren der plasmatischen Gerinnung
Das Fibringerinnsel wird wiederum durch die Enzyme der Fibrinolyse aufgelöst bzw. durch zellulären Abbau und Phagozytose umgebaut. Bei der Fibrinolyse entstehen Fibrindegradationsprodukte. Liegen diese in hoher Konzentration im Plasma vor, inhibieren sie die Bildung neuer Fibrinpolymere, indem sie sich an neu entstandene Fibrinmoleküle anlagern.
4.4.5
Antikoagulatorische Aktivitäten des Gerinnungssystems
Für die antikoagulatorischen Wirkungen des Gerinnungssystems ist die Oberfläche von Endothelzellen von herausragender Bedeutung. Der wichtigste Rezeptor der Endothelzelle zur Inhibierung der plasmatischen Gerinnung ist der Membranrezeptor Thrombomodulin (. Abb. 4.17 u. . Abb. 4.18). Dieser bindet Thrombin, welches dadurch seine prokoagulatorische Aktivität verliert und jetzt Protein C zu aktiviertem Protein C umwandelt (7 Abschn. 4.4.5.1). Endothelzellen exprimieren auch Heparansulfat. Heparansulfat wiederum bindet Antithrombin und katalysiert (ähnlich wie Heparin) die Inaktivierung von Faktor Xa und von Thrombin durch Antithrombin. Endothelzellen synthetisieren und sezernieren Tissue Faktor Pathway Inhibitor (TFPI). Dieser wird kontinuierlich ins Plasma abgegeben, er bildet mit Faktor Xa und Faktor VIIa/TF einen Komplex und inhibiert damit die weitere Aktivierung der Gerinnungskaskade über Faktor VIIa/TF. Dermatansulfat auf der Oberfläche der Endothelzellen bindet Heparinkofaktor II und kann so ebenfalls Thrombin inaktivieren. In . Tab. 4.2 sind die Inhibitoren des plasmatischen Gerinnungssystems zusammengefasst.
Der Thrombomodulin-Protein-C-Reaktionsweg Protein C ist nicht nur zentraler Bestandteil des wichtigsten antikoagulatorischen Systems, es scheint auch eine besondere Bedeutung bei der Regulation des Immunsystems im Rahmen schwerer Infektionen zu haben. Endothelzellen exprimieren das Transmembranprotein Thrombomodulin (. Abb. 4.18). Thrombomodulin ist ein zellgebundener Kofaktor für Thrombin. Nach Bindung an Thrombomodulin verändert Thrombin seine Substratspezifität. Es bindet jetzt nicht mehr die prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren, sondern aktiviert – zusammen mit dem endothelialen Protein-C-Rezeptor (EPCR) – Protein C zu aktiviertem Protein C. Aktiviertes Protein C bildet nun auf der Oberfläche aktivierter Thrombozyten und Endothelzellen mit Protein S einen Komplex. Dieser Protein-C-Protein-SKomplex inaktiviert die Gerinnungsfaktoren Faktor Va und Faktor VIIIa. Da Protein C ebenfalls Vitamin-K-abhängig carboxyliert werden muss, damit es an den endothelialen Protein-C-Rezeptor binden kann, ist unter der Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten der Protein-C-Weg in seiner Aktivität deutlich reduziert. Aktiviertes Protein C wird im Plasma durch α1-Proteinase-Inhibitor (oder α1-Antitrypsin), Protein-C-Inhibitor und α2-Makroglobulin neutralisiert. Thrombomodulin wird durch Abspaltung von der Oberfläche aktivierter Endothelzellen inaktiviert, was auch mit Hilfe von Proteasen erfolgen kann, die nach der Aktivierung von Granulozyten freigesetzt werden. Dies ist ein wichtiger Mechanismus der verstärkten Gerinnungsaktivierung bei der Sepsis.
Das Antithrombinsystem Antithrombin ist der wichtigste Inhibitor der Serinproteasen des Gerinnungssystems. Es inhibiert vorzugsweise Faktor Xa und Thrombin (Faktor IIa), aber auch Faktor IXa. Durch Heparansulfat auf der Endothelzelle, jedoch auch durch Heparin, wird die Geschwindigkeit der Reaktion von Antithrombin erheblich gesteigert
59 4.4 • Plasmatische Gerinnung
TF FVIIa
FXa
TFPI PC IIa
TM
FVIIIa
IIa
APC
FVa
AT AT
PS
FXa
Heparansulfat
ECPR
. Abb. 4.18 Inhibitoren der Gerinnung. Die Startphase der Gerinnung über Tissue Factor (TF) und FVIIa wird über den Tissue Faktor Pathway Inhibitor gehemmt. Dieser bindet den Komplex aus TF, FVIIa und FXa. Wenn Thrombin (FIIa) durch die Aktivierung der Gerinnungskaskade entsteht, bindet Thrombin auch an Thrombomodulin. Der Komplex aus Thrombomodulin, Thrombin und endothelialem Protein-C-Rezeptor aktiviert Protein C zu aktiviertem Protein C (APC), das zusammen mit Protein S die wichtigen Kofaktoren der Gerinnungsenzyme, FVIIIa und FVa, inaktiviert
. Tab. 4.2 Inhibitoren des plasmatischen Gerinnungssystems Name
Abkürzung
Molekulargewicht
Plasmakonzentration [mg/l]
Plasmakonzentration [nmol/l]
Antithrombin
AT
58.000
290
470
Heparinkofaktor II
HC-II
66.000
87
1.400
Tissue Factor Pathway Inhibitor
TFPI
46.000
0,1
0,025
Protein C
PC
62.000
4
65
Protein S
PS
80.000
10
145
α 1-Proteinaseinhibitor
α1PI
53.000
2.500
47.000
α2-Makroglobulin
α2M
725.000
2.100
2.900
C1-Inhibitor
C1-Inh
105.000
180
1.700
Histidin-reiches Glykoprotein
HRGP
75.000
100
1.300
(eine weitere Wirkung von medikamentös zugeführtem Heparin ist wahrscheinlich, die auf der Endothelzelloberfläche an Heparansulfat gebundenen positiv geladenen Proteine vom Heparansulfat abzulösen, damit dieses vermehrt Antithrombin binden kann). Während Antithrombin sehr gut freies Thrombin und freien Faktor Xa inhibiert, kann der Komplex aus Heparin und Antithrombin nicht das an Fibrin gebundene, weiterhin aktive Thrombin im Gerinnsel inhibieren (Anmerkung: Direkte Thrombininhibitoren wie z. B. Hirudin können auch Fibrin-gebundenes Thrombin hemmen). Ein weiterer Inhibitor des Thrombins, Heparinkofaktor II, wird ebenfalls durch Heparansulfat und Dermatansulfat auf der Endotheloberfläche katalysiert.
Der Tissue Faktor Pathway Inhibitor (TFPI) TFPI wird von Endothelzellen synthetisiert. Er kann an Faktor-VIIa/ TF-Komplex binden und mit einer weiteren Bindungsstelle auch an Faktor Xa (. Abb. 4.18). Damit kann TFPI die Gerinnungskaskade über einen negativen Rückkopplungsmechanismus sehr schnell inhibieren. TFPI wird nicht nur von den Endothelzellen freigesetzt, sondern ist auch in Thrombozyten gespeichert und wird nach der Stimulierung von diesen freigesetzt. Heparin setzt ebenfalls TFPI frei durch ladungsabhängige Verdrängung von der Endothelzelloberfläche.
4
60
Kapitel 4 • Physiologie des Hämostasesystems
Abluminal Endothelzelle Luminal
Luminal Endothelzelle Abluminal PAI-1
PAI-1 XII
XIIa
Pro-UK
HK PräKK
sct-PA Fibrin
KK
4 UK
tct-PA Fibrin Plasmin
Plasminogen
α2-AP
Fibrindegradationsprodukte
Fibrin
. Abb. 4.19 Kaskade der Fibrinolyseaktivierung. Der instrinsische Weg stellt die Kontaktaktivierung dar. KK Kallikrein, HK hochmolekulares Kininogen, Pro-UK Pro-Urokinase, UK Urokinase, sct-PA »single chain tissue-type plasminogen activator«, tct-PS »two-chain tissue-type plasminogen activator«, PAI1 Plasminogenaktivator-Inbibitor
Weitere Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung sind α1-Proteinaseinhibitor, der die Aktivierung von Faktor IX durch Faktor XIa inhibiert, und α2-Makroglobulin, welches Thrombin, Kallikrein und Plasmin hemmt. Weiterführende Literatur findet sich bei [2][3][4][5][6][10][11]. 4.5
Fibrinolysesystem
Ist ein Gerinnsel entstanden, so wird es durch das Fibrinolysesystem (. Abb. 4.19) wieder aufgelöst. Damit stellt die Fibrinolyse einen Mechanismus zur Begrenzung der Gerinnselbildung dar und ist gleichzeitig eine wichtige Komponente bei der Wundheilung und Rekanalisation eines durch einen Thrombus verschlossenen Gefäßes. Das Fibrinolysesystem ist weiterhin wichtig für die Angiogenese. Es wird wie das Gerinnungssystem durch eine Kaskade von profibrinolytischen und antifibrinolytischen Faktoren geregelt. Das wichtigste Enzym der Fibrinolyse ist Plasmin. Es entsteht aus Plasminogen, das in der Leber synthetisiert wird. Plasmin bindet an Fibrin und spaltet es in die Fibrindegradationsprodukte (. Abb. 4.16); sowohl lösliches Fibrin als auch Fibringerinnsel können dabei gespalten werden. Der Abbau von Fibrin erfolgt schrittweise. Dabei entstehen Zwischenprodukte, an die Plasminogen mit höherer Affinität bindet, wodurch am Ort der Fibrinbildung der fibrinolytische Prozess konzentriert und verstärkt wird.
4.5.1
Aktivatoren der Fibrinolyse
Der wichtigste Aktivator der Fibrinolyse ist der Gewebeplasminogen-Aktivator (Tissue (t)-PA). Dieser wird von Endothelzellen, Megakaryozyten und Monozyten gebildet und bei Aktivierung dieser Zellen freigesetzt. t-PA bindet mit hoher Affinität an Fibrin. Nach der Bindung an Fibrin wird die katalytische Aktivität von t-PA um das ca. 1000-fache gesteigert. t-PA wird wiederum gesteuert durch
Plasminogenaktivator-Inhibitor, der ebenfalls in der Endothelzelle synthetisiert wird und normalerweise im Komplex mit t-PA im Plasma zirkuliert. Auch Urokinase aktiviert Plasminogen. Urokinase findet sich in hoher Konzentration im Urin, da sie auch in den epithelialen Zellen des Nierentubulus produziert wird. Endothelzellen synthetisieren Prourokinase, geben diese aber vor allem in Richtung des subendothelialen Gewebes ab. Monozyten sind wahrscheinlich die wichtigste Quelle für Urokinase im Plasma. Urokinase liegt im Plasma in niedrigerer Konzentration vor als t-PA. Sie spaltet das Plasminogenmolekül an den gleichen Stellen wie t-PA und wird ebenfalls durch Plasminogenaktivator-Inhibitor inhibiert. Die Aktivierung von Plasminogen zu Plasmin erfolgt auch über Kallikrein. Kallikrein entsteht aus Präkallikrein durch Faktor XIIa (7 Abschn. 4.4.2). Damit hat ein zentraler Aktivator des intrinsischen Gerinnungssystems ebenfalls eine wichtige Funktion bei der Aktivierung der Fibrinolyse.
4.5.2
Inhibitoren der Fibrinolyse
Der wichtigste Inhibitor der Fibrinolyse ist α2-Antiplasmin (. Abb. 4.19). Dieses wird in der Leber synthetisiert und bildet einen stabilen Komplex mit freiem Plasmin. An Fibrin gebundenes Plasmin wird von α2-Antiplasmin nicht gehemmt. α2-Antiplasmin hemmt nicht nur Plasmin, es verhindert auch die Adsorption von Plasminogen an Fibrin und kann durch Faktor XIIIa an Fibrin quervernetzt werden, dort hemmt es dann die Fibrinolyse. Patienten mit einem α2-Antiplasmin-Mangel haben eine erhöhte Blutungsneigung. Anmerkung: Plasminogen enthält 5 Kringelstrukturen, die wegen ihres hohen Lysinanteils positiv geladen sind. Antifibrinolytika wie Tranexamsäure binden an diese Strukturen und hemmen so die Aktivierung von Plasminogen zu Plasmin.
61 Literatur
Thrombin-aktivierbarer Fibrinolyseinhibitor (TAFI) TAFI wird durch den Thrombin-Thrombomodulin-Komplex auf der Endothelzelle aktiviert. Es spaltet die Bindungsstelle des Fibrins ab, über die Plasminogen bzw. Plasmin an Fibrin binden. TAFI hemmt ebenfalls die weitere Aktivierung von Plasminogen. Weiterführende Literatur findet sich bei [2][3][4][5][10][11].
Literatur 1 2
3
4
5
6 7
8
9 10 11
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4
63
Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems B. Fleischer
5.1
Einleitung – 64
5.2
Präsentation von Antigenen – 64
5.3
B-Lymphozyten und Antikörperproduktion – 67
5.3.1 5.3.2
Entstehung des Antikörperrepertoires – 68 Immunglobulinklassen – 69
5.4
Komplementsystem – 70
5.5
T-Lymphozyten – 70
5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4
αβ-T-Lymphozyten – 72 γδ-T-Lymphozyten – 73 Entstehung des T-Zellrepertoires – 73 Alloreaktivität – 73
5.6
Physiologie der Immunantwort – 73
5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.6.6
Interleukine – 73 T-Zell-B-Zell-Kooperation bei der Antikörperbildung – 75 Steuerung der T-Zellantwort – 75 Weitere Effektorzellen in der Immunantwort – 76 Mechanismen der Toleranz – 76 Immunologisches Gedächtnis – 77
5.7
Immunpathologie – 77
5.8
Immundefizienz – 78 Literatur – 78
5
64
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
Als Antwort auf die andauernde Bedrohung des Organismus durch die verschiedenartigsten Erreger mit vielfältigen Infektionsstrategien haben Wirbeltiere ein kompliziertes Verteidigungssystem entwickelt, das Immunsystem. Es kombiniert Erkennungsvorgänge des angeborenen natürlichen Immunsystems, die die Art des Erregers erkennen und die Art der Immunantwort bestimmen, mit spezifischen, dem individuellen Erreger angepassten Verteidigungsmaßnahmen des adaptiven Immunsystems.
5.1
5
Einleitung
Zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Rezeptoren bewerkstelligen das Erkennen von Erregern. Nichtpolymorphe Rezeptoren für Pathogen-assoziierte Strukturen, die spezifisch für eine Klasse von Erregern sind, wurden in Millionen Jahren in der Evolution hervorgebracht und sind bereits bei Drosophila zu finden. Dazu gehören u. a. die Toll-like-Rezeptoren (TLR) auf Makrophagen und dendritischen Zellen [8], die NOD-Rezeptoren für bakterielles Muramyldipeptid im Darm [3] und die alternativen Aktivierungswege des Komplementsystems. Von entscheidender Bedeutung für die Immunantwort sind die 13 verschiedenen TLR, die z. B. bakterielles Lipopolysaccharid (TLR4), bakterielle DNA (TLR9) oder doppelsträngige RNA (TLR3) erkennen [8]. Die Bindung eines TLR an eine derartige Struktur ist hochspezifisch und löst die Produktion von Zytokinen aus, die die Art der entstehenden Immunantwort beeinflussen (7 Abschn. 5.6.3). Pathogen-assozierte Strukturen wirken also als spezifische »Gefahrensignale«, die zu einer Aktivierung des Immunsystems führen. Für die feinspezifische Erkennung von Antigenen durch das adaptive Immunsystem stehen mindestens 4 polymorphe Rezeptorsysteme zur Verfügung: 5 Immunglobulin, 5 αβ-T-Zellrezeptor (TCR), 5 γδ-TCR und 5 die MHC-Moleküle. Diese Rezeptoren erkennen die Antigene auf sehr unterschiedliche Weise und besitzen eine unterschiedliche zelluläre Verteilung. Allen Rezeptoren ist dabei gemeinsam, dass sie nur kleine Bereiche eines Antigenmoleküls erkennen, die antigenen Determinanten oder Epitope. Zu beachten ist, dass die meisten immunologischen Reaktionen gegen eine Vielzahl von einzelnen Determinanten auf einem Antigen gerichtet sind. Das Immunsystem ist eines der größten Organsysteme des Körpers. Es umfasst verschiedene Organe und eine Vielzahl von zellulären Elementen. In den primären lymphoiden Organen (Thymus und Knochenmark) entwickeln sich die Lymphozyten aus Vorläuferzellen, in den peripheren oder sekundären lymphoiden Organen finden die Immunreaktionen statt. Zu diesen Organen gehören neben der Milz und den Lymphknoten auch die Tonsillen und das ausgedehnte mukosaassoziierte lymphoide Gewebe im Bronchialsystem und Darm, darunter die Peyer-Platten und der Appendix. Diese lymphoiden Gewebe der Schleimhäute enthalten die Mehrzahl der Lymphozyten. Sie differieren in ihrer zellulären Zusammensetzung und Reaktivität deutlich von anderen sekundären lymphoiden Organen [3]. Die wichtigsten Zellen des Immunsystems sind in . Tab. 5.1 zusammengefasst. Zur spezifischen Erkennung sind nur B- und T-Lymphozyten befähigt, jeder einzelne T- oder B-Lymphozyt besitzt Rezeptoren mit der Spezifität für nur ein bestimmtes Epitop. Auf die Erkennung ihres spezifischen Antigens reagieren T- oder
B-Lymphozyten mit Zellteilung (klonale Expansion). Antigene selektionieren also aus einem vorhandenen Repertoire von Zellen mit vorgeformten Rezeptorspezifitäten diejenigen Zellklone, die spezifisch reagieren (klonale Selektion). Einige der expandierten T- und B-Zellen kehren in den Zustand kleiner Lymphozyten zurück, in dem sie möglicherweise lebenslang für die Gedächtnisfunktion des Immunsystems verantwortlich sind. Weitere Zellen des Immunsystems sind Zellen der Monozyten/Makrophagenlinie, verschiedene dendritische Zellen und natürliche Killerzellen (NKZellen, 7 Abschn. 5.6.4). Alle Zellen des Immunsystems zeigen auf ihrer Oberfläche charakteristische Muster von Oberflächenmolekülen. Die Moleküle werden nach ihrer Reaktivität mit monoklonalen Antikörpern in »cluster of differentiation« (CD) eingeteilt und fortlaufend nummeriert (. Tab. 5.2). 5.2
Präsentation von Antigenen
Antigene können auf zwei verschiedene Arten von Lymphozyten erkannt werden: in nativer Form durch Antikörper oder in aufgearbeiteter, prozessierter Form als Proteinbruchstücke von TLymphozyten mit dem αβ-TCR. Antikörper reagieren mit allen Substanzklassen: Proteinen, Kohlenhydraten, auch mit DNS oder niedermolekularen Substanzen (sog. Haptenen). Antikörper erkennen entweder eine zusammenhängende Sequenz von z. B. Aminosäuren oder Zucker (sequenzielle Determinante) oder ein Epitop, das durch die dreidimensionale Faltung des Moleküls gebildet wird (konformationelle Determinante). Mit ihren Immunglobulinrezeptoren binden B-Lymphozyten an lösliche Antigenmoleküle oder an intakte Antigenmoleküle, die auf der Oberfläche von spezialisierten präsentierenden Zellen im Keimzentrum präsentiert werden. Die Präsentation des Antigens für αβ-T-Lymphozyten erfolgt durch im Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) kodierte Moleküle (zu Struktur und Genetik 7 Kap. 14). Es handelt sich um heterodimere Glykoproteine, die zur Immunglobulinsuperfamilie gehören und 4 Domänen besitzen. Die Klasse-I-Moleküle bestehen aus einer α-Kette mit 3 Domänen sowie dem β2-Mikroglobulin als 4. Domäne, die Klasse-II-Moleküle bestehen aus einer monomorphen α- und einer polymorphen β-Kette mit je 2 Domänen. Die Funktion dieser Moleküle besteht darin, Peptide von Proteinen aus dem Zellinneren an die Oberfläche zu transportieren und für αβT-Lymphozyten erkennbar zu machen. Die Aufklärung der dreidimensionalen Struktur von Klasse-I- und Klasse-II-Molekülen zeigte eine hohe strukturelle Ähnlichkeit dieser Moleküle. Die Peptidbindungsstelle ist eine Grube an der zellabgewandten Seite der Moleküle, sie liegt bei den Klasse-I-Molekülen zwischen den α1- und α2-Domänen, bei Klasse-II-Molekülen zwischen den α1- und β1-Domänen. Sie wird von zwei α-Helices gebildet, darunter eine β-Faltblattstruktur. Diese Grube bindet ein einzelnes Peptid, wobei Wechselwirkungen der Aminosäureseitenketten des Peptids mit polymorphen Aminosäuren, deren Seitenreste in die Grube hineinragen, die Spezifität der Peptidbindung bestimmen. T-Lymphozyten sind also in der Regel auf die Erkennung von Proteinantigenen beschränkt. Zwar können T-Lymphozyten durch niedermolekulare Substanzen, wie Nickelionen oder Picrinsäure, stimuliert werden (Kontaktekzem), jedoch wirken diese Substanzen meist dadurch, dass sie in MHC-Molekülen befindliche Peptide modifizieren. Diese modifizierten Peptide werden dann vom TCR erkannt. Trotz der Ähnlichkeit der Klasse-I- und Klasse-II-Moleküle gibt es grundsätzliche Unterschiede in der Art der Präsentation (. Abb. 5.1). MHC-Klasse-I-Moleküle transportieren Peptide von in der Regel 9 Aminosäuren (selten auch 8–14) an die Oberfläche,
65
5.2 • Präsentation von Antigenen
. Tab. 5.1 Wichtige Zellen des Immunsystems Zellen
Typische Oberflächenmarker
Funktion
T-Helferzellen
CD2+, 3+, 4+, 8-, αβ-TCR+, CD28+
Regulation, Interaktion über Zytokine
Zytotoxische T-Zellen (CTL)
CD2+, 3+, 4-, 8+, αβ-TCR+
Zerstörung anderer Zellen, Zytokinproduktion
γδ-T-Zellen
CD2+, 3+,
Infektabwehr
B-Lymphozyten
CD19+,
Natürliche Killerzellen
CD2+, 3-,
Interdigitierende dendritische Zellen
MHC II+, CD80+, CD11c
Antigenpräsentation für T-Zellen, Erkennung pathogen-assozierter Strukturen
Makrophagen/Monozyten
CD11b+, CD14+, MHC II+
Abtötung von Parasiten, Präsentation, Erkennung pathogen-assozierter Strukturen
Follikuläre dendritische Zellen
CD11b+, MHC II+, CD21+, CD35+
Anitgenpräsentation für B-Zellen, Antigenspeicherung
4-,
20+,
8- ,
γδ TCR+
40+,
16+,
Ig+,
MHCII+
56+
Antikörpersynthese Zerstörung virusinfizierter oder transformierter Zellen, antikörperabhängige Zytotoxizität, Zytokinproduktion
. Tab. 5.2 CD-Nomenklatur wichtiger Oberflächenmoleküle CD-Nr.
Verteilung
MW [kDa]
Bekannte Eigenschaften
CD1a, b, c
Thy, LC, DC
45
MHC-Klasse-I-artige-Moleküle auf Chromosom 1
CD2
T, NK
50
Adhäsionsmolekül, Ligand für CD58
CD3
T
16–25
TCR-assoziierteTransmembran-Glykoproteine (γ, δ, ε, ξ, η)
CD4
T-Subpopulation
55
Rezeptor für MHC-II-Moleküle, assoz. mit lck
CD8
T-Subpopulation
32
Rezeptor für MHC-I-Moleküle, αβ-Heterodimer, assoz. mit lck
CD11a, b, c
Leukozyten
95 + 150
Integrin-α-Ketten, assoz. mit CD18, Rezeptoren für ICAM bzw. C3b
CD14
Mo, B
55
Rezeptor für Komplex aus LPS und LPS-binding-protein
CD16
NK, Mo, Gr
50–65
Fcγ-Rezeptor III, verschiedene Isoformen
CD18
Leukozyten
95
Integrin-β2-Untereinheit, assoz. mit CD11
CD19
B
95
gibt Signale an B-Zelle
CD20
B
35
Regulation der B-Zellaktivierung und -proliferation
CD21
B, FDC
145
Rezeptor für C3d und Epstein-Barr-Virus, reguliert B-Zellproliferation
CD23
B, Mo, Eo
45
Fcε-Rezeptor mit niedriger Affinität
CD25
Aktivierte T, B
55
α-Kette des IL-2-Rezeptors
CD28
T-Subpopulation
44
Adhäsions- und Signalmolekül, Ligand für CD80 und CD86
CD32
B, Mo, Gr
40
Fcγ-Rezeptor II, verschiedene Isoformen
CD35
Ery, Mo, B, FDC
250
C3b-Rezeptor, Bindung von C3b-beladenen Immunkomplexen
CD40
B, DC
50
Rezeptor für CD154 (gp39) auf aktivierten T-Zellen, induziert Klassenwechsel und Überleben der B-Zelle, Aktivierung der DC, TNF-Rezeptor homolog
CD45
Leukozyten
180–240
Verschiedene Isoformen auf verschiedenen Leukozyten, Tyrosin-Phosphatase, nötig für Funktion der T- und B-Zellen
CD54
Breit
85
ICAM-1 (»intercellular adhesion molecule-1«), Ligand für CD11a/CD18
CD55
Breit
60
Decay-accelerating factor (DAF), schützt vor Komplementlyse
CD56
NK, aktivierte T
185
N-CAM-Isoform
CD58
Breit
55
Ligand für CD2
CD74
B, Mo, DC
33–43
invariante Kette der MHC-II-Moleküle
5
66
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
. Tab. 5.2 Fortsetzung CD-Nr.
Verteilung
MW [kDa]
Bekannte Eigenschaften
CD79a, b
B
33, 49
Igα, Igβ, Membran-Ig-assoziierte Proteine, Signaltransduktion
CD80, CD86
B, DC
60
Liganden für CD28 und CD154 (sog. B7-Moleküle)
CD95
Breit
42
Fas oder Apo-1, induziert Zelltod, Ligand für Molekül auf zytotoxischen Zellen
CD152
Aktivierte T
33
CTLA-4, Rezeptor für CD80, CD86, negativer Regulator der T-Zelle
CD154
Aktivierte T
39
Ligand für CD40
B B-Zellen, DC interdigitierende dendritische Zellen, Eo eosinophile Granulozyten, Gr Granulozyten, LC Langerhans-Zellen, Mo Monozyten, MW Molekulargewicht, T T-Zellen, Thy Thymozyten.
5 die von intrazellulär hergestellten Proteinen stammen. Diese Proteine werden im Zytoplasma im sog. Proteasom degradiert, die entstandenen Peptide werden durch den Peptidtransporter TAP in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums gebracht. TAP besteht aus 2 Untereinheiten, die im MHC kodiert sind. Die Peptide werden möglicherweise im endoplasmatischen Retikulum weiter verkürzt, sie bilden dann mit der schweren Kette des Klasse-I-Moleküls und β2M einen Komplex, der über den Golgi-Apparat zur Zelloberfläche transportiert wird. Klasse-I-Moleküle benötigen das Peptid und β2M zur stabilen Konformation. Zellen, die keinen Peptidtransporter besitzen, exprimieren keine Klasse-I-Moleküle. Die KlasseI-Moleküle einer gegebenen Zelle sind also gefüllt mit passenden Peptiden aus allen möglichen intrazellulären Proteinen. Die Sequenzierung dieser natürlich vorkommenden Peptide ergab, dass jedes MHC-Molekül Peptide mit spezifischen Sequenzeigenschaften bindet. Alle Peptide, die z. B. im HLA-B27-Molekül gebunden sind, sind 9 Aminosäuren lang und haben grundsätzlich Arginin als zweite Aminosäure. Peptide aus HLA-A2 haben Leucin an 2. Position und Valin an Position 9. Diese konservierten Aminosäuren sind für die allelspezifische Verankerung in der Peptidbindungsstelle des MHC-Moleküls nötig. MHC-Klasse-II-Moleküle enthalten Peptide von 12–18 Aminosäuren Länge. Im Gegensatz zu den Klasse-I-Molekülen hängen hier die Peptide aus der Bindungsstelle heraus. Es gibt ebenfalls allelspezifische Sequenzmotive bei diesen Peptiden, sie sind allerdings noch weniger gut definiert. Bei der Biosynthese der Klasse-II-Moleküle ist die Peptidbindungsstelle durch eine zusätzliche Kette, die invariante Kette, blockiert. Diese Kette dirigiert die Klasse-II-Moleküle nach dem Golgi-Apparat zum Endosom, in dem die invariante Kette abgespalten wird und Peptide vom Klasse-II-Molekül aufgenommen werden können (. Abb. 5.1). Auf diese Weise präsentieren Klasse-II-Moleküle vorwiegend Peptide solcher Proteine, die in das Endosom gelangen. Dies sind exogene, von der Zelle aufgenommene Proteine, aber auch endogen synthetisierte Proteine, in erster Linie Membranproteine. Da das CD4-Molekül auf T-Lymphozyten als Rezeptor an das gleiche MHC-Klasse-II-Molekül wie der TCR bindet, erkennen CD4-positive T-Lymphozyten die von Klasse-II-Molekülen präsentierten Peptide. Im Gegensatz zu Klasse-I-Molekülen sind Klasse-IIMoleküle nur auf bestimmten präsentierenden Zellen konstitutiv exprimiert: auf dendritischen Zellen, B-Zellen und Monozyten. Durch Zytokine, insbesondere Interferon-γ, kann aber eine De-novo-Synthese dieser Moleküle auch auf anderen Zelltypen initiiert werden. Die restriktive Verteilung der Klasse-II-Moleküle führt dazu, dass Helfer-T-Zellen sich auf die Interaktion mit professionellen antigenpräsentierenden Zellen und B-Lymphozyten beschränken.
Neben den klassischen, hoch polymorphen Klasse-I-Molekülen mit breiter Gewebsverteilung (HLA-A, -B, -C bei Menschen, H2-K, -D, -L bei der Maus) gibt es bei allen Spezies eine Reihe von weiteren Klasse-I-Genen, die nicht oder nur wenig polymorph sind und meist eine engere Gewebsverteilung besitzen [2]. Zu diesen sog. Klasse-Ib-Molekülen gehören beim Menschen die HLA-E-, -F- und -G-Moleküle, bei der Maus die Qa- und M3-Moleküle. Auch die Klasse-Ib-Moleküle können Peptide binden und an T-Zellen präsentieren. Das H2-M3-Molekül der Maus ist z. B. in der Lage, selektiv Peptide mit N-terminalem Formylmethionin zu binden. Dies deutet auf eine spezialisierte Präsentationsfunktion gegen bakterielle Erreger hin, da nur bei Prokaryonten und in Mitochondrien Proteine mit N-Formylmethionin begonnen werden. HLA-E schützt Zellen wahrscheinlich gegen die Zerstörung durch NK-Zellen, HLA-G ist involviert in maternale Toleranz gegenüber dem Föten. Die Funktion anderer Klasse-Ib-Moleküle ist noch unklar [2]. Jedes Individuum hat nur eine bestimmte Anzahl von MHCAllelen und kann daher nur eine Auswahl von antigenen Peptiden präsentieren. Die Erkennungsfähigkeit des T-Zellsystems ist somit beschränkt: 5 Es müssen in einem Antigen Peptidsequenzen vorliegen, die in die vorhandenen MHC-Allele des Individuums passen. 5 Sie müssen mit genügender Affinität passen, damit nicht andere, aus zellulären Proteinen stammende Peptide sie verdrängen. 5 Beim Prozessieren dürfen die antigenen Peptide nicht völlig degradiert werden. 5 Es müssen T-Zellrezeptoren vorhanden sein, die diesen PeptidMHC-Molekülkomplex auch erkennen können. In der Tat gibt es relativ häufig Situationen, in denen ein Individuum nicht mit einem gegebenen Proteinantigen reagieren kann (sog. Non-Responder). Es ist daher postuliert worden, dass der Sinn des hohen Polymorphismus der MHC-Gene darin liegt, zu gewährleisten, dass innerhalb einer Spezies möglichst viele Individuen mit Antigenen aller möglichen Infektionserreger reagieren können. Auch die Expression mehrerer MHC-Moleküle innerhalb eines Individuums vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Individuum in einem Antigen Peptide erkennen kann. Eine besondere Rolle bei der Abwehr von Bakterien spielen die CD1-Moleküle, die den MHC-Klasse-I-Molekülen ähnlich sind, aber nicht im MHC kodiert werden: Sie können bestimmte bakterielle Glycolipide präsentieren, die von einer Subpopulation der αβ-T-Lymphozyten mit invariantem TCR erkannt werden, welche eher dem angeborenen Immunsystem zuzuodnen sind [2].
67
5.3 • B-Lymphozyten und Antikörperproduktion
. Abb. 5.1 Intrazelluläre Prozessierung und Präsentation von Antigen. Peptide zytoplasmatischer Proteine (gepunktet) werden von MHC-Klasse-IMolekülen, Peptide exogen aufgenommener Peptide (schraffiert) von MHCKlasse-II-Molekülen präsentiert. Das vom TCR erkannte Klasse-I-Molekül bindet das CD8-Molekül, das Klasse-II-Molekül das CD4-Molekül
rend die Fähigkeit zur Phagozytose und die Expression von Fc-Rezeptoren verloren geht. Unreife IDC können daher wegen Mangel an CD80- und CD86-T-Zellen nicht stimulieren, sondern induzieren sogar Toleranz (7 Abschn. 5.6.5). Makrophagen sind die entscheidenden Effektorzellen bei der Abwehr von intrazellulären Mikroorganismen. Sie präsentieren deren Antigene an T-Lymphozyten und werden dann durch Zytokine der T-Zelle zur intrazellulären Vernichtung der Keime befähigt. Durch ihre Fähigkeit zur Phagozytose sind sie auch Teil des unspezifischen Abwehrsystems. Als antigenpräsentierende Zellen für T-Lymphozyten sind Makrophagen deutlich weniger effektiv als IDC, besonders bei der Stimulierung von naiven T-Lymphozyten. B-Lymphozyten sind ebenfalls wichtige antigenpräsentierende Zellen für CD4+-T-Zellen in Sekundärreaktionen. Dies gilt für voraktivierte oder Gedächtnis-B-Lymphozyten, aber nicht für naive B-Zellen. Naive T-Zellen scheinen ebenfalls nicht von B-Zellen stimuliert zu werden. Über ihr Oberflächenimmunglobulin können B-Lymphozyten Antigene binden und durch rezeptorvermittelte Endozytose aufnehmen. Damit können sie ihr jeweiliges Antigen spezifisch anreichern und bei sehr niedrigen Konzentrationen präsentieren. B-Lymphozyten exprimieren auch die wichtigen kostimulierenden Moleküle. Die Präsentation von antigenen Peptiden durch die MHC-Klasse-II-Moleküle der B-Zelle führt dazu, dass die THelferzelle direkt mit dem B-Lymphozyten interagiert und ihm die nötige Hilfe bei der Antikörperproduktion gibt (7 Abschn. 5.6.2). Follikuläre dendritische Zellen sind große verzweigte Zellen, die nur in den Keimzentren der Lymphknoten vorkommen. Sie exprimieren C3b-Rezeptoren und Fc-Rezeptoren, akkumulieren Immunkomplexe und können dadurch Antigene, ohne sie zu endozytieren, für sehr lange Zeit speichern. Sie sind mesenchymalen Ursprungs sind und leiten sich nicht von Knochenmarkstammzellen her. Ihre Aufgabe scheint die Präsentation von intaktem Antigen für B-Lymphozyten sowie die Akkumulation von Antigenen als Immunkomplexe über längere Zeiträume zu sein, um eine lange Stimulkation der B-Zellen zu gewährleisten.
z Antigenpräsentierende Zellen
5.3
Die effizientesten antigenpräsentierenden Zellen für T-Lymphozyten, besonders in primären Reaktionen, sind die MHC-Klasse-IIreichen dendritischen Zellen (genauer: interdigitierende dendritische Zellen, IDC), die in den T-Zellarealen der peripheren lymphoiden Organe gefunden werden. Sie entstammen wie die mononukleären Phagozyten aus CD34-positiven Knochenmarkstammzellen, wobei es mehrere Linien mit unterschiedlicher Funktion gibt [11]. Viele Gewebe enthalten Vorläufer dendritischer Zellen, die sich in ihren Eigenschaften von den interdigitierenden dendritischen Zellen unterscheiden und als unreife IDC bezeichnet werden. Zu diesen Vorläuferzellen gehören auch die Langerhans-Zellen in der Epidermis der Haut, ähnliche Zellen sind in allen Geweben vorhanden. Unreife IDC können gut phagozytieren und wandern nach Antigenkontakt über die Lymphwege zu den sekundären lymphatischen Organen, wo sie zu den typischen IDC differenzieren. Auf diese Weise wird Antigen effizient an den Körperoberflächen aufgenommen und zu den Orten der Immunreaktion transportiert, wo TLymphozyten es erkennen können. Die hohe Effizienz der interdigitierenden dendritischen Zellen, T-Zellen zu stimulieren, beruht auf der Expression einer Reihe von sog. kostimulierenden Molekülen, insbesondere CD80 und CD86, die an Liganden wie CD28 auf der T-Zelloberfläche binden. Bei der Differenzierung von Langerhans-Zellen und anderen Vorläufern der dendritischen Zellen aus dem Gewebe zu interdigitierenden dendritischen Zellen werden diese Moleküle neu exprimiert, wäh-
B-Lymphozyten entstehen aus hämatopoetischen Stammzellen durch eine Reihe von Differenzierungsschritten, im Säugetier in der fötalen Leber und später im Knochenmark. Typische Oberflächenmarker von reifen B-Lymphozyten sind Immunglobulin, MHCKlasse-II-Moleküle, CD19, CD20, CD40 und CD72. Eine Subpopulation von B-Lymphozyten exprimiert zusätzlich das CD5-Molekül. Diese Zellen scheinen sich in einer separaten Linie zu entwickeln und im Gegensatz zu normalen B-Lymphozyten zur Selbsterneuerung fähig zu sein. Die Funktion der CD5-postiven B-Zellen ist noch unklar. Viele von ihnen produzieren Antikörper gegen Autoantigene. Chronisch-lymphatische B-Zellleukämien scheinen vorwiegend von diesen Zellen herzustammen. B-Lymphozyten tragen auf der Oberfläche Immunglobuline als Rezeptoren für Antigen. In der Regel exprimiert jeder Lymphozyt nur einen Antikörper, auf den er sich im Lauf seiner Reifung festlegt. Dieser Antikörper wird dann auch als lösliches Protein sezerniert. Ein IgG-Molekül als typischer Vertreter eines Immunglobulins ist in . Abb. 5.2 dargestellt. Immunglobuline sind heterodimere Moleküle, die aus schweren und leichten Ketten bestehen, welche durch Disulfidbrücken zusammengehalten werden. Die Grundeinheit der Immunglobuline ist ein sog. Monomer, ein Molekül, das aus 2 leichten (L) und 2 schweren (H) Ketten besteht. L- und H-Kette haben jeweils am N-Terminus eine variable Region, die die Antigen-
CD8+ T-Zelle CD8
Klasse I
TCR
CD4+ T-Zelle CD4
TCR
Klasse II
Endosom
Golgi
Endoplasm. Retikulum Proteasom
B-Lymphozyten und Antikörperproduktion
5
68
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
26 -5
90 7 12
s
s s
2
NH
5
s
-9
s
s
s
s s
12
1
s
s
31 - 37 hyper51 - 68 variable 84 - 91 Regionen 101 - 110
s
s s s s s s
CH2
s s
CH3
biologische Aktivität
1 CH
5
CL
Fab
2 -3 5
48
VL VH
AntigenBindung
Papain Pepsin Kohlenhydrat
Fc
COOH . Abb. 5.2 Struktur des menschlichen IgG-Moleküls
bindungsstelle bildet und durch die sich verschiedene Antikörper des gleichen Typs unterscheiden. Innerhalb der variablen Teile gibt es Regionen mit besonders hoher Variabilität. Die Aminosäurereste dieser hypervariablen Regionen sind für die Interaktion mit dem Antigen verantwortlich (sog. »complementarity determining regions«).
5.3.1
Entstehung des Antikörperrepertoires
Die genetischen Elemente, die für die variablen Teile der leichten und schweren Kette kodieren, liegen in der Keimbahn-DNS als einzelne Genstücke in Gruppen getrennt voneinander. Während der Reifung des B-Lymphozyten werden diese Genstücke mit dem Gen für den konstanten Teil der jeweiligen Kette zusammengeführt (. Abb. 5.3). In jedem B-Lymphozyten wird demnach ein individuelles Antikörpergen für schwere und für leichte Ketten aus Millionen verschiedener Möglichkeiten zusammengebaut (sog. Rekombination oder Rearrangement). Die Gene für die H-Ketten liegen auf Chromosom 14, für die κL-Kette auf Chromosom 2 und für die λL-Kette auf Chromosom 22. Die schwere Kette des menschlichen IgM wird z. B. aus einem variablen Gen (VH), einem D- (»diversity«-)Gen von 2–8 Aminosäuren und einem J- (»joining«-)Gen von etwa 12 Aminosäuren sowie dem konstanten Teil Cμ zusammengesetzt. Es gibt mehr als 100 VH-Gene, mehr als 10 DH-Gene und 6 JH-Gene. Die Kombination dieser Gene ergibt mehr als 104 mögliche H-Kettensequenzen. Die κL-Kette wird aus mehr als 70 Vκ- und 5 Jκ-Genen und einem konstanten Cχ-Gen gebildet, bei der λL-Kette gibt es mehr als 20 VGene und mehrere Cλ-Gene mit je eigenen J-Genen. Die Vielfalt der Antikörpermoleküle entsteht also zum einen aus den Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Gene und Ketten. Zwei weitere molekulare Mechamismen tragen zur Diversität entscheidend bei: 5 Es entstehen durch Ungenauigkeiten beim Rekombinationsvorgang, durch Leserahmenwechsel und durch das Einfügen
zusätzlicher Nukleotide (N-Regionen) an den Stellen der Genfusionen hohe Variabilitäten. 5 In den variablen Teilen der Immunglobulingene sammeln sich selektiv Mutationen an. Diese somatischen Mutationen entstehen während der Immunantwort im Keimzentrum (7 Abschn. 5.6.2). Die reifen B-Lymphozyten können also durch Mutationen in den »complementarity-determining regions« die Affinität und Bindungseigenschaften ihrer Antikörper immer wieder ändern. Durch Selektion der B-Lymphozyten mit den höchsten Affinitäten für ein bestimmtes Antigen wird die Affinität der Antikörper im Lauf einer Immunantwort immer besser (Affinitätsreifung). Im Lauf der Differenzierung der Stammzelle zum B-Lymphozyten erfolgt zunächst die Rekombination der schweren Kette. Ist diese erfolgreich und führt zur Synthese einer H-Kette, wird das 2. Allel nicht umgelagert (Allelausschluss). Führt die Umlagerung an beiden Allelen nicht zu einer funktionellen H-Kette, stirbt die Zelle. Nach erfolgreicher H-Kettenumlagerung exprimiert die PräB-Zelle dann die schwere Kette des IgM mit einer vorläufigen »Ersatz-L-Kette« an der Oberfläche. Anschließend werden die Allele der leichten Ketten nacheinander umgelagert, bis eine Umlagerung erfolgreich war und ein intakter Antikörper produziert wird. Dann wird die Rekombination beendet. Dieser Allelausschluss führt dazu, dass jeder B-Lymphozyt nur eine Antikörperspezies produziert. Der unreife B-Lymphozyt trägt nur IgM auf der Oberfläche und muss noch Selektionsschritte passieren. Der reife, naive B-Lymphozyt zeigt als Antigenrezeptor sowohl IgM als auch IgD, mit den gleichen variablen Teilen. Eine mRNS wird über VDJ-, Cμ- und Cδ-Gensegmente abgelesen und zu mRNS für VDJ-Cμ bzw. VDJ-Cδ prozessiert. Die in der Membran verankerten H-Ketten aller membranständigen Immunglobuline sind mit 2 kleinen Transmembranproteinen assoziiert, Igα und Igβ, die für die Signaltransduktion ins Innere des B-Lymphozyten verantwortlich sind (entsprechend den CD3-Molekülen des TCR).
69
5.3 • B-Lymphozyten und Antikörperproduktion
VH
D
J
Cμ
Cδ
Cγ3
Cγ1
Cα1
Cγ2
Cγ4
A 5′
Cε
Cα2 3′
VH
D J
Cμ
Cδ
B V
DJ
Cμ
Cδ
Cγ3
Cγ1
Cα1
Cγ2
Cδ
Cγ3
Cγ1
Cα1
Cγ2
C Transkription
V
DJ
V
DJ
Cμ
Cγ4
Cε
Cα2
D Cγ2
Cγ4
Cε
Cα2
E Transkription
. Abb. 5.3 Rekombination der humanen Immunglobulingene: A Keimbahnkonstellation, VH-, D- und J-Gene liegen getrennt, B nach D-J-Rekombination, C vollständig rekombiniertes Gen, es wird ein Transkript für IgM und IgD abgelesen, D zum Klassenwechsel wird der VDJ-Komplex an das Cγ2-Gen herangebracht, E Konfiguration nach Klassenwechsel zu IgG2, die Gene für Cμ–Cα1 sind deletiert
5.3.2
Immunglobulinklassen
Im Lauf der klonalen Expansion des B-Lymphozyten nach Antigenkontakt kommt es zu einem Klassenwechsel des produzierten Immunglobulins. Hierbei wird das rekombinierte VDJ-Gensegment der H-Kette an ein Gen für einen anderen konstanten Teil der HKette gesetzt (. Abb. 5.3). Somit produziert der B-Lymphozyt den Antikörper der gleichen Spezifität dann als IgG, IgA oder IgE. Der Klassenwechsel ist abhängig von der Interaktion mit T-Helferzellen. Er ist irreversibel, da die dazwischenliegenden Gensegmente für andere H-Ketten deletiert werden. Antikörper liegen beim Menschen in folgenden Klassen und Subklassen (Isotypen) vor: IgM, IgD, IgG (mit den Subklassen 1–4), IgA (mit 2 Subklassen) und IgE. Während der variable Teil die Spezifität des Antikörpers bestimmt, ist der konstante Teil der H-Kette für die Effektorfunktion des Antikörpers verantwortlich, z. B. die Bindung von Komplement oder Fc-Rezeptoren. 5 IgM ist als membranständiger Rezeptor ein Monomer aus 2 L- und 2 H-Ketten, letztere besitzen je ein Transmembransegment. Als sezerniertes Produkt ist IgM ein Penta- oder Hexamer, das durch eine zusätzliche J-Kette kovalent zusammengehalten wird. Der Transmembranteil fehlt durch alternatives Splicing der mRNS. Da IgM der Rezeptor der naiven B-Lymphozyten ist, tritt es im Verlauf einer Immunantwort als erstes auf, spezifisches IgM gilt z. B. als Indiz für eine Erstinfektion. Bei fehlender T-Zell-Hilfe, z. B. bei der Immunantwort gegen Polysaccharide, wird IgM über lange Zeiträume gebildet. Aufgrund der hohen Zahl von Antigenbindungsstellen pro Molekül hat IgM eine hohe Avidität für Antigene mit multiplen Epitopen. Ein einziges IgM-Molekül ist ausreichend, um Komplement zu aktivieren. 5 IgD tritt in sehr geringen Konzentrationen im Serum auf. Es wird als membranständiges Immunglobulin zusammen mit IgM auf bestimmten B-Lymphozyten gefunden, die meisten naiven reifen B-Lymphozyten tragen IgM und IgD. Die genaue Funktion des Membran-IgD ist noch nicht geklärt, IgD scheint eine regulatorische Rolle bei der Aktivierung und Tolerisierung der B-Zelle zu spielen.
5 IgG stellt im Serum 75 % der Immunglobuline dar. Wie alle Immunglobuline kann es mit einem Transmembranteil auch als Antigenrezeptor auf der Oberfläche der B-Lymphozyten vorkommen. Die 4 Subklassen liegen in sehr unterschiedlicher Konzentration vor (. Tab. 5.3) und unterscheiden sich deutlich in ihren biologischen Eigenschaften. IgG1 und IgG3 sind effektive Aktivatoren von Komplement und binden gut an die hochaffinen Fcγ-Rezeptoren vom Typ 1 (CD64) auf Makrophagen. IgG4 bindet nicht an C1q und schlecht an CD64, IgG2 aktiviert Komplement schlecht und bindet nicht an CD64. Die IgG-Moleküle sind die einzigen Immunglobuline, die die Plazenta durchqueren und dadurch die Neugeborenen einerseits schützen, andererseits infolge fetomaternaler Inkompatibilitäten schädigen können. Neben CD64 gibt es noch 2 weitere Fcγ-Rezeptoren, die an die schwere Kette der IgG-Moleküle binden: CD32 (Fcγ-Rezeptor II) und CD16 (Fcγ-Rezeptor III). CD32 wird auf B-Lymphozyten, Granulozyten, Monozyten und Thrombozyten exprimiert, es dient in B-Lymphozyten der Regulation, in anderen Zellen der Aufnahme von Immunkomplexen. CD16 kommt in verschiedenen Formen vor (transmembran oder lipidgebunden) und wird auf natürlichen Killerzellen, Granulozyten (7 Kap. 12) und Monozyten exprimiert. Die transmembrane Form von CD16 ist in der Lage, antikörperabhängige Zytotoxizität gegen antikörperbedeckte Zellen oder Parasiten in Lymphozyten oder Granulozyten auszulösen. CD32 und CD16 haben eine niedrige Affinität für IgG, daher sind nur viele gebundene IgG-Moleküle (z. B. in Immunkomplexen oder auf antikörperbedeckten Zellen) in der Lage, über diese Rezeptoren Zellen zu aktivieren. 5 IgA ist nicht nur im Serum vorhanden (als zweithäufigstes Immunglobulin), sondern auch in vielen Körperflüssigkeiten und Sekreten. Zwar stellt IgA im Serum nur 15 % des Gesamtimmunglobulins, im Gesamtorganismus ist es aber das häufigste Immunglobulin mit höchster Syntheserate. Das IgA im Serum liegt zu 80 % in Form von Monomeren vor, der Rest sind vorwiegend Dimere oder Oligomere. In der dimeren Form werden jeweils 2 IgA-Moleküle durch eine J-Kette zusammengehalten. IgA kann Komplement über den alternativen Weg aktivieren sowie an Fcα-Rezeptoren auf Makrophagen binden. Das
5
70
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
. Tab. 5.3 Eigenschaften von Immunglobulinisotypen des Menschen
5
Serumkonzentration [mg/ml]
Halbwertszeit [Tage]
Valenz
Bindung an C1q
Bindung an CD16
Opsonisierung
IgM
1,5
5
10, 12
+++
–
+++
IgG1
8
22
2
++
+++
++
IgG2
4
22
2
(+)
+
+
IgG3
0,8
8
2
++
+++
+
IgG4
0,4
22
2
–
+
+
IgA1
3
6
2, 4 (6)
–
–
+
IgA2
0,5
6
2, 4 (6)
–
–
+
IgD
0,03
2–8
2
–
–
–
IgE
0,0003
1–5
2
–
–
–
+++ stark, ++ mittel, + schwach, (+) sehr schwach, – negativ.
sezernierte IgA besteht aus 2 Monomeren, einer J-Kette und einer nichtkovalent gebundenen sekretorischen Komponente von etwa 70 kD. Dieses Glykoprotein ist der Rest des Poly-IgRezeptors (Rezeptor für die J-Kette), der von den Epithelzellen synthetisiert und zum Transport des IgA durch das Epithel hindurch auf die Schleimhautoberfläche benötigt wird. Dieser Rezeptor wird dann mit dem IgA zusammen abgespalten. Er schützt das IgA-Molekül vor proteolytischer Spaltung. Durch die Lokalisation auf den Schleimhäuten bildet IgA einen spezifischen lokalen Schutz vor Infektionen. 5 IgE kommt im Serum nur in Spuren vor. Seine Bedeutung liegt in seiner Fähigkeit, mit hoher Affinität an Fcε-Rezeptoren auf Mastzellen und basophilen Granulozyten zu binden. Werden so gebundene IgE-Moleküle durch ihr Antigen vernetzt, kommt es durch Signalisation durch den Fcε-Rezeptor zur Exozytose der Granula und zur Ausschüttung von Mediatoren und anderen biologisch aktiven Proteinen. Dieser Mechanismus spielt eine wesentliche Rolle bei der Abwehr von Parasiten und in der Pathogenese von allergischen Erkrankungen. 5.4
Komplementsystem
Das Komplementsystem ist ein komplexes System von Proteasen, Regulatorproteinen, Zelloberflächenrezeptoren und inflammatorischen Peptiden. Es kann über 2 verschiedene Wege zur biologischen Wirksamkeit aktiviert werden (. Abb. 5.4). Der zentrale Vorgang der Komplementaktivierung ist die Spaltung der 3. Komponente (C3) in die Bruchstücke C3a, das als löslicher Mediator wirkt, und C3b, das sich an Zelloberflächen anlagert. Membrangebundenes C3b wird benötigt, um den sog. lytischen Komplex aus den Komponenten C5–C9 als Pore in die Membran einzulagern. C3b wird außerdem von verschiedenen Rezeptoren erkannt, die für die Aufnahme von Mikroorganismen in Makrophagen und Granulozyten entscheidend sind (Opsonisierung). C3b-Beladung ist essenziell für die Entfernung von Immunkomplexen durch CD35-tragende Zellen. Komplementdefekte führen daher zur Immunkomplexerkrankung. Außerdem entstehen bei der Spaltung der verschiedenen Komplementkomponenten eine Reihe von kleineren Bruchstücken, die Wirkungen auf andere Zelltypen haben. Die Bruchstücke C3a, C4a und C5a, die sog. Anaphylatoxine, bewirken eine Permeabili-
tätssteigerung von Gefäßen, Spasmen, Chemotaxis und die Freisetzung von Mediatoren aus Mastzellen, basophilen Granulozyten und Thrombozyten. Es gibt verschiedene Aktivierungswege, um C3 zu spalten. Beim klassischen Aktivierungsweg bindet die erste Komponente C1q an Immunkomplexe aus einem IgM oder mehreren IgG-Molekülen und bildet darauf ein Enzym, das die Komponenten C4 und C2 spalten kann. Spaltprodukte von C4 und C2 bilden ein C3-spaltendes Enzym, die C3-Konvertase. Aktivierung von C4 und C2 kann auch durch Bindung des Mannose-bindenden Lektins erfolgen, das spezifisch an bakterielle Kohlenhydrate bindet. Beim sog. alternativen Weg entsteht eine C3-Konvertase, die aus dem C3b-Bruchstück und einem Bruchstück eines Faktors B besteht. Faktor B wird von einem Faktor D gespalten, wenn dieser an C3b gebunden hat. Da C3b gleichzeitig Produkt und Aktivator des alternativen Weges ist, kann der alternative Weg durch Aktivierung des klassischen Weges zusätzlich aktiviert werden. Ausgelöst wird der alternative Weg durch Bindung von C3b an bestimmte aktivierende Oberflächen, insbesondere von Bakterien oder Pilzen. Alternative Aktivierung und Aktivierung durch das Mannose-bindende Lektin sind phylogenetisch älter und Teil der natürlichen Resistenz. Dieses sich selbst amplifizierende System wird durch eine große Zahl von Regulatorproteinen kontrolliert. CD35 ist ein Rezeptor für C3b und C4b, CD21 ein Rezeptor für C3d, die Integrine CD11b und CD11c zusammen mit CD18 sind Rezeptoren für inaktiviertes C3b. Weitere Rezeptoren für Bruchstücke oder Komponenten des Komplementsystems sind CD46, CD55, des C8-Bindungsprotein und andere mehr. Diese membranständigen Regulatorproteine kommen nicht auf Zellen mikrobiellen Ursprungs vor, daher führt ihre Anwesenheit zu einem erhöhten Schutz der eigenen Zellen gegen den Angriff des Komplements. Defekte in diesen Regulatorproteinen sind beschrieben worden und führen z. B. zum hereditären Angioödem und zur paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie. 5.5
T-Lymphozyten
Die zweite große Klasse der Lymphozyten, die T-Lymphozyten, entstehen aus hämatopoetischen Vorläuferzellen und differenzieren sich zum größten Teil im Thymus [13]. Bestimmte Subtypen können auch außerhalb des Thymus reifen, z. B. in den Epithelien
71
5.5 • T-Lymphozyten
Klassischer Aktivierungsweg (Ag-AK-Komplex)
Alternativer Aktivierungsweg (aktivierende Oberflächen)
C1q, r, s C4 C2
D C3 B C3
Membranlyse C5, C6, C7, C8, C9
C3a + C3b
Indirekte Wirkungen: Anaphylatoxine: Vasopermeabilität, Spasmogenese, Chemotaxis, Mediatorfreisetzung aus Mastzellen, Basophilen u. Thrombozyten (C3a, C4a, C5a) Opsonisation (C3b) B-Zell-Stimulation (C5a, C3d) Verstärkung des alternativen Weges (C3b)
. Abb. 5.4 Schematische Darstellung der Aktivierung des Komplementsystems und der resultierenden Effektormechanismen
des Darms. Durch die Art des Antigenrezeptors lassen sich 2 Typen unterscheiden, T-Lymphozyten mit αβ-TCR und solche mit γδ-TCR. Diese Rezeptoren bestehen, wie die Immunglobuline, aus 2 durch eine Disulfidbrücke verbundenen Ketten mit variablen Teilen am N-Terminus. Diese Ketten haben ein Molekulargewicht von etwa 45 kD und reichen mit einem sehr kurzen intrazytoplasmatischen Teil ins Zellinnere. Wie bei den Immunglobulinen entsteht die Vielfalt der T-Zellrezeptoren durch Zusammenbau von V-, Dund J-Genelementen, wobei bei den αβ-TCR die Variabilität höher ist. Ein entscheidender Unterschied zu den Immunglobulingenen ist das Fehlen von somatischen Mutationen, sodass T-Zellen die Spezifität ihrer Rezeptoren nicht mehr ändern können. Für die α-Kette gibt es mehr als 100 Vα-Gene und etwa 50 JαGene, bei der β-Kette können eine noch unbekannte Zahl von VβElementen mit 2 verschiedenen Dβ-, Jβ-, Cβ-Genkomplexen assoziieren. Der Locus für die TCRγ-Kette des Menschen besteht aus mehr als 14 Vγ-, 5 Jγ- und 2 Cγ-Genen. Der Locus für die Gene der δ-Kette liegt interessanterweise zwischen Vα- und Jα-Genen und wird daher bei der Rekombination der α-Kette deletiert. Auch hier gibt es eine große Zahl von Vδ-Genen, die mit 2 Jδ- und 2 DδGenen rekombinieren können. Sowohl αβ- als auch γδ-TCR sind in der Membran mit mehreren Transmembranproteinen assoziiert, dem CD3-Komplex, der für die Signalweiterleitung verantwortlich ist. Innerhalb von Sekunden nach Antigenerkennung werden von Tyrosinkinasen der src-Familie (lck, fyn) die zytoplasmatischen Teile der CD3-Moleküle phosphoryliert. Dies führt zur Bindung und Aktivierung weiterer Kinasen, die durch Tyrosinphosphorylierung verschiedener zellulärer Proteine eine Kaskade von Signalen in Gang setzen, wobei mehrere Signalwege parallel aktiviert werden. Verschiedene »second messenger« werden gebildet und der intrazelluläre zytosolische Ca2+Spiegel vorübergehend erhöht. Im Endeffekt werden eine Reihe von Transkriptionsfaktoren aktiviert, die die Produktion von Zytokinen in Gang setzen und die Expression des Rezeptors für Interleukin-2 bewirken. Calciumabhängige Schritte im Lauf der Aktivierung werden durch die Immunsuppressiva Cyclosporin A und Tacrolimus (FK 506) gehemmt, die die Aktivierung des Transkriptionsfak-
tors NF-AT durch Calcineurin, einer Serinphosphatase, und damit die Expression der induzierten Zytokine verhindern. Diese intrazellulären Ereignisse werden durch zusätzliche Signale verstärkt oder ergänzt, die über Adhäsionsmoleküle auf der Oberfläche der T-Zelle gegeben werden. Diese Moleküle binden Liganden auf der antigenpräsentierenden interdigitierenden dendritischen Zelle oder B-Zelle oder – im Fall der zytotoxischen TZelle – der Zielzelle (. Abb. 5.5). Eine entscheidende Rolle spielen die CD4- bzw. CD8-Moleküle auf αβ-T-Zellen, die an monomorphe Teile der MHC-Moleküle binden. Da an ihren zytoplasmatischen Domänen die Tyrosinkinase lck assoziiert ist, wird durch die Bindung des CD4- oder CD8-Moleküls an das vom TCR erkannte MHC-Molekül auch diese Kinase an den TCR herangebracht. Dieser molekulare Mechanismus führt dazu, dass T-Zellen durch die Expression von CD4 MHC-Klasse-II-Moleküle und durch die Expression von CD8 MHC-Klasse-I-Moleküle erkennen. Neben den CD4- und CD8-Molekülen benötigt die T-Zelle weitere Adhäsionsmoleküle für eine effiziente Aktivierung. Es gibt mindestens 10 weitere derartige Moleküle auf T-Zellen, die spezifische Liganden auf den antigenpräsentierenden Zellen binden. Dazu gehören z. B. CD2, das an CD58 bindet. Die meisten dieser Moleküle wirken verstärkend auf das durch den TCR gegebene Signal. Antikörper, die die Bindung an den Liganden blockieren, können die Aktivierung der T-Zelle verhindern. Die meisten der Liganden sind auf vielen Zelltypen vorhanden, ihre Expression wird durch Entzündungsmediatoren verstärkt. Diese Adhäsionsmoleküle besitzen unterschiedliche Bedeutung für die T-Zellaktivierung und können sich z. T. gegenseitig ersetzen. Besonders wichtig und einzigartig ist die Interaktion des CD28Moleküles, das auf CD4+-Zellen und einem Teil der CD8+-Zellen exprimiert ist, mit seinen Liganden, den CD80- und CD86-Molekülen (sog. B7-Moleküle), ebenfalls alle Mitglieder der Immunglobulingensuperfamilie. Bindung von CD28 an einen Liganden führt nicht, wie bei anderen Molekülen, nur zu einer Verstärkung des TZellrezeptorsignals, sondern gibt ein qualitativ anderes, zusätzliches Signal an die T-Zelle. Dieses sog. kostimulierende Signal ist nötig, um die T-Helferzelle voll zur Zytokinproduktion zu aktivieren. Eine TCR-Bindung an eine antigentragende Zelle ohne gleichzeitige Bin-
5
72
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
5.5.1 T-Lymphozyt CD4+ TCR ε γ δ
CD18
CD11a
CD2
ζζ
lck CD28
CD3 CD4
5
CD54
CD58
α β MHC-Klasse II
CD80 (B7)
Antigen präsentierende Zelle . Abb. 5.5 Molekulare Interaktionen bei der Antigenerkennung durch CD4+-T-Lymphozyten. Dargestellt sind die Erkennung von prozessiertem Peptid auf MHC-II-Molekül durch den TCR, die Bindung des CD4-Moleküls an einen nichtpolymorphen Teil der MHC-II-β-Kette, die zur Assoziation der Tyrosinkinase lck an den TCR führt. Von den vielen Adhäsionsmolekülen sind nur die Ligandenpaare CD2-CD58, CD11a/CD18-CD54 und CD28-CD80 dargestellt. Die Interaktion der CD8+-T-Zelle mit einer antigenpräsentierenden Zelle verläuft analog, hier bindet das CD8-Molekül an die α3-Domäne des MHC-I-Moleküls; viele CD8+-Zellen besitzen kein CD28
dung an kostimulierende Moleküle durch CD28 löst in vielen Fällen nicht nur keine T-Zellaktivierung aus, sondern führt sogar zum Tod der T-Zelle durch Apoptose oder zur Abschaltung der T-Zelle. Bei dieser sog. Anergie ist die T-Zelle anschließend unfähig, auf einen adäquaten Reiz zu reagieren. Die restriktive Verteilung von CD80 und CD86 auf nur wenigen Zelltypen ist ein wichtiger Beitrag zur immunologischen Toleranz. Eine Zelle, der die entscheidenden kostimulierenden Moleküle fehlen, ist daher nicht nur eine sehr ineffiziente antigenpräsentierende Zelle, sondern kann die funktionelle Deletion der sie erkennenden T-Zelle auslösen. Im Gegensatz zur Induktion der Immunantwort benötigen bereits voraktivierte zytotoxische CD8+-Effektorzellen zur Zerstörung von Zellen kein kostimulierendes Signal. Einige weitere Verwandte von CD28 regulieren ebenfalls die Aktivierung der T-Zelle. Insbesondere negativ regulierende Moleküle der T-Zelle, wie z. B. CD152 oder PD-1, sorgen dafür, dass die Proliferation der T-Zellken und damit die Immunantwort begrenzt wird. Defekte in diesen Molekülen führen zu Autoimmunkrankheiten [6]. Zusammengefasst ist die Interaktion der T-Zelle mit der antigentragenden Zelle ein komplexer multimolekularer Vorgang, dessen Spezifität vom TCR bestimmt wird, der aber durch ein Zusammenwirken verschiedener Ligandenpaare in quantitativer und qualitativer Hinsicht modifiziert wird. Auf diesem Zusammenspiel beruht die einzigartige Sensitivität der T-Zelle: Eine virusinfizierte Zelle enthält nur etwa 300 Exemplare eines bestimmten Viruspeptides, das von einer gegebenen T-Zelle erkannt werden kann. Von diesen Exemplaren wird nur ein Bruchteil an die Oberfläche gelangen und dort für die Erkennung zur Verfügung stehen, sodass die Interaktion von wenigen TCR-Molekülen zur Aktivierung der T-Zelle ausreichen muss.
αβ-T-Lymphozyten
Die CD4 + 8−-αβ-T-Zellen werden als Helfer-T-Zellen bezeichnet. Sie sind durch die Rezeptorfunktion des CD4-Moleküls fast immer spezifisch für Antigenpeptide, die von Klasse-II-Molekülen präsentiert werden. Ihre Hauptfunktion ist die Produktion von Zytokinen, mit denen sie die Immunantwort steuern. So interagieren sie u. a. mit B-Lymphozyten, um die Antikörperproduktion, insbesondere den Klassenwechsel, zu steuern. Sie aktivieren Makrophagen zur intrazellulären Vernichtung von Erregern, sie erlauben das Wachstum von CD8+-T-Zellen, greifen regelnd in die Hämatopoese ein und sind für die Aufrechterhaltung von Toleranz verantwortlich. Die CD4+-Zellen stellen keine einheitliche Population dar, sondern sind hinsichtlich der von ihnen produzierten Zytokine und damit ihrer Funktionen heterogen. Ein akzeptiertes Modell besagt, dass naive CD4+-Zellen zunächst nur IL-2 produzieren und erst während der primären Immunreaktion durch exogene Einflüsse zu der spezialisierten Funktion differenzieren, die in der jeweiligen Immunantwort benötigt wird (7 Abschn. 5.6.3). TH1-Zellen produzieren insbesondere IFN-γ und sind verantwortlich für den Schutz gegen intrazelluläre Erreger, die sich in Phagozyten vermehren, wie Mykobakterien. TH2-Zellen produzieren IL-4, das u. a. die IgE-Synthese induziert und vermitteln Schutz gegen Würmer. TH17-Zellen, die u. a. Interleukin-17 produzieren, werden bei der Abwehr extrazellulärer Bakterien benötigt, sie sind verantwortlich für die Induktion von Entzündungen und spielen daher eine entscheidende Rolle bei entzündlichen Autoimmunerkrankungen [10]. Eine weitere (selbst heterogene) Subpopulation stellen die regulatorischen T-Zellen (Treg) dar, die durch Zellkontakt und die Produktion von inhibitorischen Zytokinen die Immunantwort unterdrücken [4]. CD8 + 4−-T-Zellen stellen etwa 1/3 der αβ+-T-Zellen dar. Es ist gezeigt worden, dass alle CD8+-T-Zellen zytotoxische Aktivität besitzen. Diese zytotoxischen T-Lymphozyten (CTL) sind in der Lage, nach Antigenerkennung die antigentragende Zelle zu zerstören. Hierzu stehen ihnen 2 verschiedene Mechanismen zur Verfügung: 1. CTL besitzen Granula, die ein porenbildendes Protein (Perforin) und Serinesterasen (Granzyme) enthalten. Nach Antigenerkennung wird der Inhalt der Granula durch Exozytose in den Zwischenraum zwischen CTL und Zielzelle ausgeschüttet. Perforinmoleküle bilden Poren in der Membran der Zielzelle, durch die die Granzyme in das Innere der Zelle gelangen und die Apoptose (Desintegration der zellulären DNS und des Zellkerns) durch Aktivierung der proteolytischen Caspasen bewirken. 2. Der zweite lytische Mechanismus besteht in der Induktion eines Selbstmordprogramms in der Zielzelle. Hierbei bindet der CTL mit einem Oberflächenmolekül, dem sog. Fas-Liganden, an das CD95-Molekül. Dieses sog. Fas-Molekül, auch APO-1 genannt, gehört zur Tumornekrosefaktor-Rezeptorfamilie und führt über eine Signalkaskade zur Aktivierung der Caspasen, die in der Zelle Apoptose induzieren. CD95 hat eine breite zelluläre Verteilung. Der CTL kann beide Mechanismen benutzen, wobei verschiedene Zielzellen unterschiedlich empfindlich gegen den einen oder anderen Mechanismus sind. Fibroblasten werden eher durch Perforin und Granzyme getötet, hämatopoetische Zellen sind besonders auf Fas-Ligation empfindlich. Das Fas-Antigen spielt eine Rolle auch bei der Steuerung der Überlebenszeit von T-Zellen. Ein genetischer Defekt des Fas-Gens führt in lpr-Mäusen zur lymphoproliferativen Erkrankung und zum Lupus erythematodes.
73
5.6 • Physiologie der Immunantwort
CD8+-Zellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von virusinfizierten Zellen, von Tumorzellen, aber auch von intrazellulären Erregern wie Plasmodien oder Mykobakterien. Neben der zytotoxischen Aktivität besitzen diese Zellen auch die Fähigkeit, Lymphokine, insbesondere Interferon-γ, zu produzieren. Noch nicht ganz verstanden sind die Mechanismen der Unterdrückung und Abschaltung der T-Zellantwort. Daran sind Mechanismen innerhalb der T-Zelle und auch regulatorische T-Zellen beteiligt. Zwei Tage nach Aktivierung exprimieren T-Zellen das negativ regulierende Molekül CTLA-4 (CD152), das in Konkurrenz zu CD28 die T-Zelle negativ beeinflusst. CD152-negative Mäuse sterben an einer massiven Lymphoproliferation [6]. Ähnliche negative Regulatoren sind PD-1 und BTLA [6]. Regulatorische T-Helferzellen, die an der Koexpression von CD4 und CD25 sowie an der Expression desTranskriptionsfaktors Foxp3 identifiziert werden können, sind in der Lage, Antigen-spezifische T-Helferzellen zu unterdrücken. Sie produzieren große Mengen von IL-10 und auch TGF-ß, aber kein IL-2. Sie entstehen u. a. dann, wenn unreife IDC, die noch keine kostimulatorischen Moleküle tragen, Antigen an naive T-Zellen präsentieren [12].
5.5.2
γδ -T-Lymphozyten
T-Zellen mit dem γδ-TCR entstammen einer eigenen Linie, unabhängig von αβ-T-Zellen [5]. Sie stellen im peripheren Blut nur etwa 5 % der T-Zellen. In bestimmten Epithelien, z. B. im Darm oder im Urogenitalsystem, können sie jedoch stark angereichert sein. Bei einzelnen γδ-T-Zellen konnte Reaktivität mit so unterschiedlichen Molekülen wie Klasse-Ib-Molekülen oder Hitzeschockproteinen gefunden werden. Dies scheinen jedoch nicht die repräsentativen Antigene zu sein. Inzwischen ist klar, dass γδ-T-Zellen kleine Moleküle wie mikrobielle Pyrophosphate oder phosphorylierte Fettsäuren erkennen können, wobei eine MHC-Abhängigkeit der Antigenerkennung nicht besteht. Dies steht im Einklang damit, dass der γδ-TCR den Immunglobulinmolekülen strukturell ähnlicher ist als dem αβ-TCR. Bei bestimmten Infektionserkrankungen, wie Malaria oder Brucellose, sind die γδ-Zellen im Blut deutlich vermehrt. Die bisher vorliegenden Befunde sprechen dafür, dass γδ-Zellen eine Rolle bei der frühen Abwehr von Infektionen spielen [5].
5.5.3
Entstehung des T-Zellrepertoires
Der Thymus stellt den wichtigsten Ort der Reifung von T-Lymphozyten dar, obwohl T-Zellen auch im Knochenmark oder im Darm unabhängig vom Thymus heranreifen können. Nach Eintritt in den Thymus durchlaufen Stammzellen eine Serie von Reifungsschritten, in denen die TCR-Gene rekombiniert und schrittweise die T-zellspezifischen Marker erworben werden, αβ- und γδ-T-Zellen entstehen aus einer gemeinsamen Stammzelle, aber in separaten Linien unabhängig voneinander. Bei den αβ-T-Zellen wird zunächst die β-Kette rekombiniert, danach die α-Kette. Allelausschluss gibt es bei der β-Kette, aber nicht bei der α-Kette, sodass etwa 30 % der peripheren T-Zellen eine β-Kette und 2 α-Ketten und damit 2 TCR mit unterschiedlicher Spezifität tragen. Die β-Kette wird zuerst rekombiniert und dann mit einer nichtpolymorphen Kette an der Oberfläche exprimiert. Diese erfolgreiche Expression einer funktionellen β-Kette ist nötig für die weitere Entwicklung, erst dann kann die Umlagerung der α-Kette stattfinden. Zellen, die keinen funktionellen T-Zellrezeptor produzieren, nehmen an der weiteren Entwicklung nicht teil und sterben ab. Der
größte Teil der Zellen im Thymus sind die unreifen sog. doppeltpositiven Thymozyten, die CD4 und CD8 sowie den αβ-TCR auf der Oberfläche tragen. Nur wenige Prozent dieser Zellen reifen zu CD4 + 8−- oder CD4−8+-T-Zellen heran und verlassen den Thymus. Der größte Teil der CD4 + 8+-T-Zellen stirbt innerhalb von wenigen Tagen nach Entstehung ab. Auf der Ebene dieser doppeltpositiven Zellen erfolgen Selektionsschritte. Es werden sowohl diejenigen T-Zellen eliminiert, die Selbstpeptide auf antigenpräsentierenden Zellen im Thymus erkennen (negative Selektion, Eliminierung potenziell gefährlicher, autoreaktiver T-Zellen) als auch solche Thymozyten, deren TCR nicht funktioniert oder keine Interaktionsmöglichkeit mit den MHC-Molekülen des Thymus besitzt (positive Selektion, Eliminierung nutzloser T-Zellen, die nicht mit eigenen MHC-Molekülen reagieren können) [13][14]. Es wird angenommen, dass Thymozyten zum Überleben und weiteren Differenzieren ein Signal über den TCR von intermediärer Stärke benötigen. Ein zu starkes Signal führt zum Tod der Zelle (negative Selektion), ein zu schwaches Signal erlaubt keine weitere Proliferation (fehlende positive Selektion) und führt letztlich auch zum Absterben der Zelle [13]. Im Lauf dieser Selektionsvorgänge wird die Expression von CD4 oder CD8 abgeschaltet, sodass einzelpositive Zellen entstehen. Für die positive Selektion ist anscheinend die Bindung von CD4- bzw. CD8-Molekülen an das antigenpräsentierende MHC-Molekül nötig. Eine positive Selektion kann nur stattfinden, wenn der T-Zellrezeptor einer CD4-positiven Zelle auch mit Klasse-II-Molekülen reagiert bzw. eine CD8+-Zelle mit Klasse-I-Molekülen. Das Repertoire der aus dem Thymus entlassenen T-Zellen sollte also keine T-Zelle mehr enthalten, die mit Peptiden reagiert, die im Thymus präsentiert worden waren, und ist beschränkt auf die Erkennung von Peptiden auf denjenigen MHC-Molekülen, die im Thymus vorhanden sind (MHC-Restriktion). Ein spezieller Transkriptionsfaktor (Autoimmunregulator, AIRE) sorgt dafür, dass in den medullären Thymusepithelzellen alle möglichen Proteine peripherer Gewebe hergestellt werden [14].
5.5.4
Alloreaktivität
Da also im Thymus T-Zellen auf die Erkennung von autologen MHC-Molekülen selektioniert werden, war das Phänomen der alloreaktiven T-Zellen lange Zeit schwer zu verstehen. Alloreaktive T-Zellen nehmen einen großen Teil des Repertoires ein, gegen manche allogenen MHC-Moleküle reagieren mehrere Prozent aller T-Zellen. Die wahrscheinliche Erklärung ist, dass die alloreaktive Antwort darauf beruht, dass der Komplex (Selbstpeptid + fremdes MHC-Molekül) für einen gegebenen TCR genauso »aussieht« wie der Komplex aus seinem spezifischen Fremdpeptid + eigenem MHC-Molekül. Da die allogenen MHC-Moleküle zahllose Selbstpeptide aus dem Zellinneren präsentieren, führt diese Kreuzreaktion zur Aktivierung vieler, eigentlich selbstrestringierter T-Zellen. 5.6
Physiologie der Immunantwort
5.6.1
Interleukine
Interleukine (IL) sind Mediatoren, die von Leukozyten produziert werden und auf andere Leukozyten wirken. Viele Interleukine werden aber auch von nichthämatopoetischen Zellen produziert. Als Lymphokine werden Interleukine bezeichnet, die von T-Lymphozyten nach Antigenerkennung produziert werden. Die Wirkung
5
74
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
. Tab. 5.4 Zytokine
5
Zytokin
Vorwiegend produzierende Zellen
Hauptsächliche Wirkungen
IL-1
Makrophagen, fast alle Zellen
Inflammatorisch, pyrogen, aktivierend für fast alle Zellen des Immunsystems
IL-2
CD4+- und CD8+-T-Zellen
Wachstum von T-Zellen, NK-Zellen und B-Zellen
IL-3
CD4+-T-Zellen
Wachstum von hämatopoetischen Vorläuferzellen (Multi-CSF) und Mastzellen
IL-4
CD4+-T-Zellen (vorwiegend TH2), Mastzellen
Proliferation von B-Lymphozyten, Klassenwechsel zu IgE, Wachstum und Mastzellen, Wachstum von TH2-Zellen, Klassenwechsel zu IgG4, Hemmung der Bildung von TH1-Zellen
IL-5
T-Lymphozyten
Wachstum und Aktivierung von eosinophilen Granulozyten, Wachstum von B-Lymphozyten
IL-6
Viele verschiedene Zellen, besonders Makrophagen
Wachstum von B-Lymphozyten, Induktion von Akutephaseproteinen in der Leber
IL-8
Monozyten, T-Zellen, Thrombozyten, Endothelzellen
Mitglied der Familie der Chemokine, inflammatorisch, chemotaktisch für verschiedene Zellen, aktivierend für verschiedene myeloide und lymphoide Zellen
IL-10
Makrophagen, B-Zellen, T-Zellen
Unterdrückung von Wachstum und Interferon-γ-Produktion bei TH1-Zellen, Hemmung der Wirkung von Interferon-γ, Antigenpräsentation von Makrophagen
IL-12
Makrophagen, interdigitierende dendritische Zellen
Aktivierung von NK-Zellen zur Interferon-γ-Produktion, Stimulation von TH1-Zellen, Differenzierung von zytotoxischen T-Zellen, Induktion einer TH1-Antwort
IL-13
T-Lymphozyten (vorwiegend TH2)
Dem IL-4 sehr ähnlich, aber keine Wirkung auf T-Zellen
IL-17
TH17-Zellen
Entzündung, Makrophagenaktivierung
Transforming-GrowthFactor-β (TGF-β)
Treg
Unterdrückung der Immunantwort, Induktion von Treg
Interferon-γ
TH1-Zellen, zytotoxische T-Zellen, NKZellen
Aktivierung von Makrophagen zur Abtötung intrazellulärer Bakterien und Parasiten und zur Produktion von Mediatoren wie IL-1, Tumornekrosefaktor-α, IL-6; verstärkte Expression von MHC-Molekülen, Verstärkung der Phagozytose, Hemmung des Wachstums von TH2-Zellen, Klassenwechsel zu IgG1, Hemmung des Klassenwechsels zu IgE
Tumornekrosefaktor-α
Monozyten, T-Zellen
Inflammatorisch, pyrogen, zytotoxisch, aktivierend für Granulozyten, Makrophagen, B-Zellen, synergistisch mit vielen Zytokinen; Freisetzung von PGE2; Hypotension; Akutphaseantwort
der Interleukine wird von der Verteilung spezifischer Rezeptoren auf verschiedenen Zellen bestimmt. Die meisten Interleukine haben pleiotrope Wirkungen auf viele Zielzellen. Bemerkenswert ist die ausgeprägte Redundanz bei vielen Zytokinen, sie beruht darauf, dass eine gegebene Zelle Rezeptoren für verschiedene Interleukine besitzen kann. Das Wachstum von T-Zellen wird z. B. von IL-2, IL-4, IL-9 und IL-15 bewirkt, oder jeweils IL-1, IL-6 und Tumornekrosefaktor-α induzieren Akutphaseproteine in Hepatozyten. In . Tab. 5.4 werden die wichtigsten produzierenden Zellen und die wichtigsten Wirkungen einiger Interleukine aufgezählt. Zu den Interleukinen gehören auch die koloniestimulierenden Faktoren (»colony stimulating factors«, CSF), die die Hämatopoese regeln. Zu diesen hämatopoetischen Wachstums- und Differenzierungsfaktoren (7 Kap. 2) gehören IL-3 und IL-5 (die nur von T-Lymphozyten produziert werden), der Granulozyten/Makrophagen-CSF (GM-CSF), der von T-Zellen, Makrophagen, Endothelzellen u. a. produziert wird, Makrophagen- und Granulozyten-CSF
(M-CSF und G-CSF), die vorwiegend von Fibroblasten und Makrophagen produziert werden. Aktivierte Makrophagen produzieren eine große Zahl von sog. proinflammatorischen Zytokinen mit inflammatorischer Wirkung. Zu diesen Zytokinen gehören neben IL-1 und IL-6 auch Interferon-α und -β und Tumornekrosefaktor-α. Tumornekrosefaktor-α hat pleiotrope Wirkungen auf viele Zellen, zytotoxische Effekte auf verschiedene Zelltypen, es führt zu Lipolyse, Pyrogenität, Aktivierung von Endothelzellen, Makrophagen, Granulozyten, Fibroblasten u. v. a. Er ist der wichtigste Mediator des septischen Schocks. Es besteht ein starker Synergismus mit Interferon-γ. Das Lymphokin Tumornekrosefaktor-β (jetzt als Lymphotoxin-α bezeichnet) wirkt auf die gleichen Rezeptoren wie Tumornekrosefaktor-α. Zu den proinflammatorischen Zytokinen gehören auch die sog. Chemokine, mit IL-8 als Prototyp, eine große Familie kleiner Peptide (8–11 kD) mit chemotaktischer und inflammatorischer Wirkung, produziert insbesondere von Monozyten und T-Zellen, mit einer eigenen Klasse von Rezeptoren mit 7 Transmembranregionen. Sie
sind entscheidend für die Lokalisierung der Immunantwort, die durch die Produktion von Chemokinen und die selektive Expression von Chemokinrezeptoren durch verschiedene Zelltypen geschieht. Wichtig ist, dass viele proinflammatorische Zytokine nicht nur sequenziell wirken (ein Zytokin bewirkt die Ausschüttung von weiteren), sondern in ihren Wirkungen teils synergistisch, teils antagonistisch sind. Dies bedeutet, dass die Wirkungen eines einzelnen Zytokins in vivo außerordentlich komplex sind und dass die Aktivierung eines einzelnen Zelltyps multiple biologische Wirkungen über verschiedene Zytokine haben kann.
5.6.2
CD80
CD28 TCR CD4+
B CD40
CD4+
T-Zell-B-Zell-Kooperation bei der Antikörperbildung
Vernetzung der membranständigen Immunglobuline auf B-Lymphozyten führt zur Aktivierung. Bei Antigenmolekülen mit vielen repetitiven Epitopen, z. B. Polysacchariden, kann die B-Zelle auch ohne zusätzliche zelluläre Interaktion zur Antikörperproduktion stimuliert werden, weil dieses Signal über den Immunglobulinrezeptor sehr stark ist. Zytokine werden auch für die Produktion von Antikörpern gegen solche »T-Zell-unabhängigen« Antigene benötigt. Es werden jedoch nur Antikörper der IgM-Klasse produziert. Für den Klassenwechsel ist die Interaktion der voraktivierten BZelle mit CD4+-T-Zellen nötig. Voraktivierte B-Zellen tragen CD80 u. a. kostimulierende Moleküle und sind ausgezeichnete antigenpräsentierende Zellen. Antigen wird über den Immunglobulinrezeptor aufgenommen und an CD4+-Zellen präsentiert. Wie in . Abb. 5.6 dargestellt, führt die Erkennung von Antigenen auf B-Lymphozyten zur Expression von CD154 auf der T-Zelle, das ein spezifischer Ligand für das CD40-Molekül der B-Zelle ist. Dieses Signal über das CD40-Molekül ist für für das Überleben der B-Zelle entscheidend, bleibt es aus, muss die B-Zelle sterben [16]. Ein Defekt im Gen für den CD40-Liganden CD154 führt zum sog. Hyper-IgM-Syndrom: der – normale – B-Lymphozyt erhält sein Überlebenssignal nicht, weil in den T-Zellen CD154 nicht exprimiert wird. Die B-Zellen müssen sterben, der Klassenwechsel findet nicht statt. Es wird nur kompensatorisch IgM produziert, aber keine andere Antikörperklasse. Interessanterweise fehlen bei diesen Patienten auch die Keimzentren. Der Ablauf der humoralen Immunantwort in den Keimzentren von Lymphknoten und Milz sieht folgendermaßen aus [16]: Nach Antigenbindung, -präsentation und CD40-Signal durch T-Zellen beginnen B-Zellen zu proliferieren und häufen in den variablen Regionen ihrer Antikörper somatische Mutationen an. Die meisten Mutationen werden dazu führen, dass die B-Lymphozyten Antigen nicht mehr binden und präsentieren können, daher kein Überlebenssignal von den T-Zellen bekommen und sterben. In einigen B-Zellen wird nach den Mutationen ein Immunglobulinrezeptor vorhanden sein, der das Antigen effizient und besser bindet als zuvor. Diese Zellen werden weiterhin Antigen aufnehmen können, an T-Zellen präsentieren, ein Signal über CD40 erhalten und weiter in den Keimzentren proliferieren. Einige von ihnen differenzieren zu Plasmazellen, die ins Knochenmark wandern, andere werden zu langlebigen Gedächtniszellen. Treffen diese das Antigen wieder, werden sie hochaffine Antikörper produzieren. Follikuläre dendritische Zellen speichern Antigen und sorgen für eine langdauernde Reaktion.
5
75
5.6 • Physiologie der Immunantwort
B TCR CD40
CD154
. Abb. 5.6 Interaktion von T-Helferzelle und B-Lymphozyt bei der Antikörperproduktion. Die CD4+-T-Zelle erkennt Antigen, das vom B-Lymphozyten präsentiert wird, und erhält ein kostimulierendes Signal über CD28. Die T-Zelle exprimiert daraufhin den Liganden für CD40, der der B-Zelle das Signal zu Proliferation und Klassenwechsel gibt, und produziert Lymphokine, die den Klassenwechsel dirigieren
5.6.3
Steuerung der T-Zellantwort
In der frühen Phase der Immunantwort wird entschieden, welcher Art die Immunantwort sein wird, die gegen den jeweiligen Erreger aufgebaut wird. Zytokine, die in dieser frühen Phase auf die T-Zellen einwirken, steuern die Differenzierung in TH1-, TH0oder TH2-Zellen (. Abb. 5.7). Gegen intrazelluläre Bakterien und Parasiten wird eine Immunantwort mit TH1-Zellen benötigt. Die Bestandteile dieser Erreger, wie LPS oder CpG-haltige bakterielle DNA, stimulieren die entsprechenden TLR auf IDC und Makrophagen, was zur Produktion von IL-12 führt [8]. IL-12 ist ein starker Stimulator der Produktion von Interferon-γ in NK-Zellen und fördert die Proliferation von TH1-Zellen direkt. Das Interferon-γ der TH1-Zellen vermittelt die Überempfindlichkeit vom Spättyp und ist das entscheidende Effektormolekül gegen intrazelluläre Erreger wie Mykobakterien oder Protozoen. Es aktiviert Makrophagen, diese Mikroorganismen abzutöten, u. a. durch Bindung von reaktiven Sauerstoffradikalen, von Stickoxiden oder proteolytischen Enzymen. Eine Wurminfektion induziert über noch nicht ganz verstandene Mechanismen eine TH2-Antwort, bei der IL-4 zu IgE-Produktion und Mastzellwachstum führt und IL-5 die Eosinopoese anregt. Mastzellen, eosinophile Granulozyten und IgE sind die Effektoren gegen Helminthen. Die starke Ausprägung der Immunantwort gegen Helminthen beruht auf der häufigen Infektion mit Helminthen, die die Menschen – wie andere Spezies – in Tausenden von Jahren erfahren haben und auf die das Immunsystem eingestellt ist. Damit ist das Immunsystem stark in der (nutzlosen) allergischen Antwort, denn allergische Reaktionen nutzen die gleichen Mechanismen. In mehreren Infektionsmodellen konnte gezeigt werden, dass die richtige Wahl einer TH1- oder TH2-Antwort den Ausgang der Infektion entscheidet. Bei der Infektion mit Leishmania major sind C57Bl/6-Mäuse, die eine TH1-Antwort bilden, geschützt. BALB/cMäuse, die eine TH2-Antwort bilden, können das Wachstum der Parasiten nicht kontrollieren und sterben. Ähnliche Verhältnisse scheinen auch bei der Lepra vorzuliegen: Bei der lepromatösen
76
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
Th 1
IFN-γ
Immunität gegen intrazelluläre Erreger
Th 2
IL-4 IL-5
Immunität gegen Würmer, allergische Reaktion
Th 17
IL-17
Immunität gegen extrazelluläre Bakterien, Entzündung
Treg
IL-10 TGF-β
Suppression der Immunantwort
12
IL-
IL-4
CD4+ naiv IL-2
IL-6, TG
F-β, IL-2
3
TG
F-β
, IL
-10
5
. Abb. 5.7 Differenzierung von naiven CD4+-T-Zellen zu spezialisierten Subtypen unter Einfluss verschiedener Zytokine
Lepra werden vorwiegend IL-4-produzierende T-Zellen gefunden, bei der tuberkuloiden Lepra Interferon-γ-produzierende. In den meisten Fällen ist die Immunantwort allerdings nicht derartig polarisiert. Beim Menschen werden sehr häufig Zellen gefunden, die IL-4 und IFN-γ produzieren (TH0) oder ein Gemisch von TH0-, TH1- und TH2-Zellen. Die Art der Immunantwort (ob z. B. mehr in Richtung einer TH1- oder TH2-Antwort) wird also von Zellen des angeborenen Systems gesteuert (z. B. durch die IL-12-Produktion von Makrophagen und dendritischen Zellen). Sie hängt ab von der chemischen Beschaffenheit des Antigens (Pathogen-assoziierte Strukturen von Bakterien, Protozoen, Würmern), die diese Zellen des angeborenen Immunsystems erkennen, und von der genetischen Disposition des Wirtes. Die sog. Atopie führt z. B. dazu, dass die Immunantwort dieser Individuen von IL-4 dominiert wird, auch gegen Antigene, die normalerweise eine TH1-Antwort auslösen würden [7].
5.6.4
Weitere Effektorzellen in der Immunantwort
Monozyten und Makrophagen spielen eine zentrale Rolle bei der Infektabwehr. Eines der wichtigsten Ziele der zellulären Immunität ist die Aktivierung von Makrophagen, um intrazelluläre Erreger abzutöten. Das wichtigste Zytokin ist hierbei Interferon-γ. Makrophagen produzieren reaktive Sauerstoffintermediate, Stickoxide und Proteasen, die direkt intrazelluläre Mikroorganismen abtöten. Interferon-γ führt auch zur Verarmung von Zellen an Tryptophan, das dadurch intrazellulären Erregern nicht mehr zur Verfügung steht, in der Zelle aber an t-RNS gebunden genutzt werden kann. NK-Zellen sind große granuläre Lymphoyzten mit mehreren Funktionen im Immunsystem. Sie tragen keinen TCR, sondern spezielle Rezeptoren mit stimulatorischer oder inhibitorischer Funktion [1]. Mit ersteren werden sie zwar zur Zerstörung jeder Zelle befähigt, die NK-Zellen werden aber an der Zerstörung gehindert, wenn die inhibitorischen Rezeptoren an MHC-Klasse-I-Moleküle der Zielzelle binden. Da MHC-Moleküle bei virusinfizierten und entarteten Zellen herunterreguliert werden, sind die NK-Zellen
durch die selektive Lyse dieser Zellen verantwortlich für eine natürliche Resistenz gegen Virusinfektion und Tumorentstehung. NK-Zellen besitzen außerdem Fcγ-Reptoren (CD16), durch die sie zur zytotoxischen Aktivität (antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität, ADCC) und zur Interferon-γ-Produktion aktiviert werden können. Die Eigenschaft von Interleukin-12, NK-Zellen zur starken Produktion von Interferon-γ zu stimulieren, spielt eine entscheidende Rolle in der frühen Begrenzung von Infektionen und ist nötig, um eine TH1-Antwort auszulösen [1]. Mastzellen und basophile Granulozyten exprimieren Fcε-Rezeptoren, über die sie IgE binden können. Vernetzung dieser Rezeptoren führt zur Freisetzung von Mediatoren, wie Histamin, Serotonin und verschiedenen Enzymen, die die anaphylaktische Reaktion bestimmen. Außerdem scheinen diese Zellen Interleukine produzieren zu können, z. B. IL-3, IL-4 und andere, die ebenfalls die Immunantwort beeinflussen können. Wichtig bei der Abwehr von Parasiten sind sowohl Mastzellen, die über IgE zytotoxisch auf Parasiten wirken können, als auch eosinophile Granulozyten, die über Fcε- und Fcγ-Rezeptoren zytotoxisch wirken können.
5.6.5
Mechanismen der Toleranz
Da der Zusammenbau der Antigenrezeptoren auf T-Zellen und BZellen ungerichtet erfolgt, entstehen hierbei auch autoreaktive Zellen. Durch Selektionsprozesse bei der Reifung im Thymus bzw. im Knochenmark werden diese Zellen zum großen Teil eliminiert [13] [14]. Dieser Prozess führt zur sog. zentralen Toleranz. Im Thymus werden allerdings offensichtlich nicht alle autoreaktiven T-Zellen eliminiert, denn solche Zellen sind in der Peripherie vorhanden. Die sog. periphere Toleranz, die verhindert, dass diese Zellen gefährlich werden können, beruht auf vielen verschiedenen Mechanismen. Wesentlich scheint bei der Aufrechterhaltung der Toleranz die Aktivität der regulatorischen T-Zellen zu sein. Außerdem spielt das das Bedürfnis der T-Lymphozyten für kostimulatorische Signale eine Rolle. Erkennt eine T-Zelle ein Antigen ohne das kostimulatorische »zweite« Signal für CD28, z. B. auf unreifen IDC, muss sie durch Apoptose sterben oder wird (irreversibel?) abgeschaltet (Anergie)
5.7 • Immunpathologie
[12]. Es ist daher wichtig, dass nur die reifen, »professionellen« antigenpräsentierenden Zellen CD80 oder verwandte Moleküle tragen und dass diese durch »Gefahrsignale« (z. B. über TLR) erst induziert werden. Eine Immunisierung mit einem gereinigten Protein ohne gleichzeitiges »Gefahrsignal« für das angeborene Immunsystem führt daher nicht zur Immunität, sondern zur Toleranz. Die Abwesenheit von MHC-Klasse-II-Molekülen auf den meisten Geweben verhindert ebenfalls eine Aktivierung potenzieller selbstreaktiver T-Helferzellen. T-Lymphozyten zeigen keine somatischen Mutationen in ihren Rezeptorgenen. Autoreaktive B-Zellen, die der zentralen Toleranz entkommen sind oder durch somatische Mutationen im Rahmen der Keimzentrumsreaktion entstehen könnten, erhalten keine Hilfe von T-Lymphozyten. Diese B-Zellen sterben daraufhin ab [16]. Toleranz kann durchbrochen werden, wenn ein Selbstantigen auf professionellen Antigen-präsentierenden Zellen präsentiert wird, die T-Zellen das entscheidende Signal geben können. Wenn in dieser Situation gleichzeitig eine starke Aktivierung des angeborenen Immunsystems aufttritt, können die tolerogenen Mechanismen überrollt werden. Dies könnte z. B. geschehen, wenn eine antigene Verwandtschaft eines Erregermoleküls (z. B. eines Virusproteins) mit einem Selbstantigen vorliegt (Mimikry), die im Rahmen einer Entzündung durch Reifung der tolerogenen DC zur Aktivierung sonst unterdrückter autoreaktiver T-Zellen führt [9].
5.6.6
Immunologisches Gedächtnis
Die zelluläre Grundlage des immunologischen Gedächtnisses ist noch umstritten. Es beruht wahrscheinlich bei B- und T-Lymphozyten auf unterschiedlichen Mechanismen. Manche Befunde deuten darauf hin, dass Gedächtnis-B-Lymphozyten nur so lange vorhanden sind, wie auch Antigen im Organismus – von follikulären dendritischen Zellen gespeichert – persistiert, andere Befunde zeigen eine Antigen-unabhängige Etablierung des immunologischen Gedächtnisses. Lebenslange Antikörpertiter werden von langlebigen Plasmazellen aufrecht erhalten [17]. Gedächtniszellen von T-Lymphozyten können anscheinend über längere Zeiträume (lebenslang?) im Organismus vorhanden sein. Die bisherigen Befunde deuten darauf hin, dass hierfür eine wiederholte Stimulierung mit den spezifischen Antigenen nicht notwendig ist [15]. 5.7
Immunpathologie
Immunreaktionen können zu schweren Schäden im Organismus führen. Historisch wurden immunpathologische Reaktionen bislang nach den zugrundeliegenden Mechanismen in die Typen I–IV eingeteilt: 5 Als Typ I wird die »anaphylaktische Reaktion« bezeichnet, die unmittelbar nach Vernetzung zellgebundener IgE-Moleküle auf Mastzellen durch die Freisetzung von Mediatoren eintritt (Beispiel: Heuschnupfen, anaphylaktischer Schock). 5 Als Typ II werden Reaktionen bezeichnet, die durch die Bindung von Antikörpern an zellgebundene Antigene ausgelöst werden. Der Fc-Teil des Antikörpers vermittelt durch Bindung von Komplement oder Fc-Rezeptoren Entzündungen oder Gewebsschäden. Ein Beispiel ist die Schädigung der Basalmembran bei Goodpasture-Syndrom. Auch der antikörperabhängige Abbau durch Phagozyten z. B. bei autoimmunhämolytischen Anämien oder Autoimmunthrombozytopenien wird als eine Typ-II-Reaktion betrachtet.
77
5 Reaktionen vom Typ III werden durch Immunkomplexe ausgelöst. Klassisches Beispiel mit eher historischer Bedeutung sind die sog. »Serumkrankheit« (Injektion einer größeren Menge von xenogenem Serum) und das »Arthus-Phänomen« (lokale Injektion eines Antigens in einen vorimmunisierten Wirt). Gleichzeitige Anwesenheit von Antigen und spezifischen Antikörpern führt zur Bildung von Immunkomplexen, die dann systemisch (Serumkrankheit) oder lokal (Arthus-Phänomen) Entzündungsreaktionen hervorrufen. Neuere Befunde zeigen, dass die Bindung der Immunkomplexe an den Fcγ-Rezeptor CD16 dabei eine entscheidende Rolle spielt. 5 Als Typ-IV-Reaktion oder Überempfindlichkeitsreaktion vom Spättyp (»delayed type hypersensitivity«, DTH) wird die T-Zell-vermittelte Entzündung durch Infiltration mit mononukleären Zellen bezeichnet. Typisches Beispiel ist die Tuberkulinreaktion. Eine Typ-IV-Reaktion ist aber bei den meisten T-zellvermittelten Entzündungen beteiligt, z. B. bei Kontaktekzem, rheumatoider Arthritis oder entzündlichen Darmerkrankungen. Die Typ-IV-Reaktion wird von TH1-Zellen vermittelt, entscheidendes Zytokin ist Interferon-γ. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass nicht die TH1-Zellen, sondern TH17Zellen für die begleitende Entzündungsreaktion verantwortlich sind. Wird eine Immunantwort von TH2-Zellen vermittelt, entsteht keine Typ-IV-Reaktion, TH2-Zellen sind daher antiinflammatorisch. In der Tat kann die experimentelle allergische Enzephalitis in Ratten, die durch TH1-Zellen vermittelt wird, verhindert werden, wenn TH2-Zellen gegen das Autoantigen sensibilisiert werden. Diese Einteilung der immunpathologischen Reaktionen in isolierte Typen ist heute allerdings nicht mehr angebracht, sie wird der Komplexität der Immunreaktion nicht gerecht und ist nicht vollständig. Sie erfasst nicht die pathogenetisch direkt (ohne Beteiligung von Komplement oder Zellen) wirksamen Autoantikörper, wie z. B. bei Myasthenia gravis gegen den Acetylcholinrezeptor und bei Pemphigus gegen Desmosomen, und auch nicht die zytotoxische Aktivität von CD8+-T-Zellen. Immunpathologische Reaktionen sind nicht nur Konsequenzen einer Immunantwort gegen Selbstantigene, sondern entstehen auch bei fast jeder normalen Antwort gegen Infektionserreger. Virusoder bakterienspezifische TH1- und TH17-Zellen können durch Zytokine Entzündungen und damit Organschäden hervorrufen, z. B. bei der Tuberkulose. CD8+-CTL, die z. B. virusinfizierte Zellen zerstören, richten damit starke Organschäden an. Viele Viren sind nicht zytopathisch, sondern infizieren Zellen, ohne sie zu zerstören. In diesen Fällen, wie z. B. bei Hepatitis A oder der Mumpserkrankung, wird der eigentliche Organschaden durch zytotoxische CD8+T-Zellen hervorgerufen. Eine immunpathologische Reaktion kann auch aus einer übermäßigen Aktivierung des Immunsystems resultieren. Die dann massiv ausgeschütteten Zytokine führen zum Schock. Der entscheidende Mediator des Schocks ist vermutlich Tumornekrosefaktor-α. Er kann durch TLR-Stimulation bei der gramnegativen Sepsis oder durch polyklonale Stimulation der T-Zellen durch Toxine von Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes, den sog. Superantigenen, oder durch Gabe des monoklonalen Antikörpers OKT 3 gegen das CD3ε-Molekül hervorgerufen werden.
5
5
78
Kapitel 5 • Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems
5.8
Immundefizienz
In dem komplexen System verschiedener Zellen, multipler Interaktionen und mannigfaltiger Rezeptoren können einzelne Defekte starke Auswirkungen auf das Funktionieren des Ganzen haben. Angeborene Immundefekte sind auf der Ebene fast aller Zellen und vieler Rezeptoren gefunden worden. Fast alle sind inzwischen molekular definiert. Die Untersuchung von Immundefekten hat entscheidend zum Verständnis des Immunsystems beigetragen. Beim schweren kombinierten Immundefekt (SCID) sind sowohl T-Zell- als auch B-Zellsystem betroffen. Dies kann mehrere Ursachen haben. Ein Defekt in den sog. rekombinaseaktivierenden Genen, der die Rekombination der Immunglobulin- und TCR-Gene nicht erlaubt, führt zum Ausbleiben der T-Zell- und B-Zelldifferenzierung. Defekte sind auch in einzelnen Linien beschrieben worden, sie betreffen sowohl Defekte in der Expression einzelner Membranrezeptoren als auch in signaltransduzierenden Molekülen in Lymphozyten, in vielen Fällen X-chromosomal vererbt. Die X-chromosomale Agammaglobulinämie beruht z. B. auf der fehlenden Expression der Tyrosinkinase btk, die in einer frühen Phase der B-Zellreifung benötigt wird. Defekte sind auch beschrieben worden in verschiedenen Komponenten des TCR, die dann zu Ausfällen des T-Zellsystems führen. Beispiele von Defekten, die die Kommunikation der Zellen betreffen, sind z. B. der Defekt des CD40-Liganden (führt zum Hyper-IgM-Syndrom) oder der Defekt der signaltransduzierenden γ-Kette, die den Rezeptoren für IL-2, IL-4, IL-7 und IL-13 gemeinsam ist (führt zum X-chromosomalen SCID). Viele Immundefekte verlaufen ohne klinische Manifestationen. Ein typisches Beispiel ist der sog. angeborene selektive totale IgAMangel, ein relativ häufiger Defekt, bei dem IgM die Funktionen des IgA übernehmen kann. Die Möglichkeit, gezielt Gene aus der Keimbahn von Mäusen durch genetische Rekombination zu entfernen (sog. »k.o.-Mäuse«), hat interessante Einblicke in die Funktion vieler immunologisch wichtiger Moleküle gegeben und erlaubt es, Modelle für angeborene Immundefekte zu etablieren. Immundefekte können auch erworben werden, am bekanntesten bei der Infektion mit dem HIV. Hier ist zwar der Verlust der CD4+T-Zellen besonders auffällig, es darf aber nicht vergessen werden, dass andere Komponenten des Immunsystems, z. B. die follikulären dendritischen Zellen, ebenfalls betroffen sind. Ein Immundefekt liegt auch bei Mangelernährung, konsumierenden Erkrankungen oder schweren Infektionen vor, wie z. B. bei der Masernerkrankung oder der Malaria.
Literatur 1
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79
Immunreaktionen gegen Erythrozyten A. Salama
6.1
Erythrozytäre Antigene – 80
6.2
Erythrozytäre Antikörper – 80
6.2.1 6.2.2 6.2.3
Natürliche Antikörper – 80 Immunantikörper – 80 Autoantikörper – 80
6.3
Extra- und intravasale Immunhämolysen – 80
6.4
Alloimmunhämolysen – 81
6.4.1 6.4.2
Hämolytische Transfusionsreaktionen – 81 Morbus haemolyticus neonatorum – 83
6.5
Autoimmunhämolytische Anämien – 83
6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4
Autoimmunhämolytische Anämie vom Wärmetyp – 83 Autoimmunhämolytische Anämie vom Kältetyp – 85 Autoimmunhämolytische Anämie vom Mischtyp – 85 Paroxysmale Kältehämoglobinurie (autoimmunhämolytische Anämie vom Donath-Landsteiner-Typ) – 85
6.6
Medikamentös induzierte Immunhämolyse – 86
6.7
Transplantationsinduzierte Immunhämolyse – 87
6.8
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) – 87 Literatur – 88
6
80
Kapitel 6 • Immunreaktionen gegen Erythrozyten
Erythrozyten tragen zahlreiche spezifische Merkmale (Antigene), die Immunreaktionen stimulieren und durch die Bildung von Antikörpern zur Immunhämolyse führen können. Der Nachweis und die Klassifizierung einer Immunhämolyse gestalten sich häufig schwierig, eine Verkennung der Diagnose jedoch kann bei einer schweren Hämolyse zum Tod führen.
6.1
6
Erythrozytäre Antigene
Erythrozytenantigene sind Membranstrukturen, die aus Proteinen oder Glykoproteinen zusammengesetzt sind (7 Kap. 11). Sie können zur Bildung von Antikörpern führen, die gegen Erythrozytenantigene anderer Individuen (Alloantikörper) und/oder gegen eigene Antigene (Autoantikörper) gerichtet sind. Die Immunogenität der einzelnen erythrozytären Antigene wird durch die Frequenz der Alloimmunisierung (Alloantikörperbildung) gegen das jeweilige Antigen bestimmt. Sie ist nicht nur von der Antigendichte, sondern auch von anderen Faktoren, wie dem individuellen Immunsystem, der chemischen Zusammensetzung, der Gesamtantigenmenge, der Verabreichungsform, der Expositionsdauer und Reexpositionen, aber auch von anderen, bisher nicht bekannten Faktoren abhängig [15]. Möglicherweise spielt auch die Beteiligung eng benachbarter Antigene bei einer primären Immunantwort eine bedeutende Rolle, z. B. das Auftreten von Kombinationsalloantikörpern oder von Autoantikörpern im Rahmen einer Alloimmunisierung [3][4]. Die meisten Erythrozytenantigene sind relativ schwach immunogen, denn es lassen sich nur bei 1–1,5 % der allogen transfundierten Patienten Immunantikörper feststellen. Weiterhin ist der Prozess der primären Immunisierung gegen Erythrozytenantigene langsam. Die Bildung von Alloantikörpern dauert meistens mehr als 4 Wochen; in Einzelfällen sogar bis zu mehreren Monaten [13]. Dagegen findet eine sekundäre Immunisierung (Boosterung) innerhalb von zwei bis wenigen Tagen statt. Es ist bisher unklar, ob bei einer primären Alloimmunisierung gegen erythrozytäre Antigene die Bildung von IgM-Antikörpern als Vorstufe für die Bildung von IgG-Antikörpern notwendig ist. Grundsätzlich lassen sich serologisch bei einer Immunisierung gegen Erythrozyten nur Antikörper der IgG-Klasse nachweisen. Schwache IgM-Antikörper sind serologisch schwer nachzuweisen und können deshalb nicht immer ausgeschlossen werden [16][20][31]. 6.2
Erythrozytäre Antikörper
Serologisch werden erythrozytäre Antikörper – nach ihrer agglutinierenden Wirkung auf Erythrozyten – als komplette und inkomplette und – nach ihrer Temperaturamplitude – als Wärme- oder Kälteantikörper bezeichnet (7 Kap. 39). Die klinische Bedeutung eines Antikörpers ist charakterisiert durch seine Eigenschaft, eine intra- und/oder extravasale Immunhämolyse zu verursachen. Darüber hinaus werden die Antikörper nach der Immunisierungsursache und ihrer Spezifität in Gruppen unterteilt [16][20].
6.2.1
Natürliche Antikörper
Erythrozytäre Antikörper, die ohne erkennbare Ursache entstehen, werden als natürliche Antikörper bezeichnet. Die Bildung dieser Antikörper wird möglicherweise durch verschiedene bakterielle Polysaccharidstrukturen und andere Heteroantigene stimuliert. Die Immunisierung geschieht offensichtlich ohne T-Zell-Aktivie-
rung. Die Antikörper gehören meistens zur IgM-Klasse, z. T. auch zur IgG- und selten zur IgA-Klasse. Hierzu gehören die regulären und klinisch relevanten Blutgruppenisoagglutinine Anti-A und Anti-B. Diese Antikörper aktivieren Komplement und verursachen intravasale Immunhämolysen (7 Abschn. 6.3). Häufig entstehen auch schwache, irreguläre Kälteantikörper. Diese haben meistens eine niedrige Temperaturamplitude (<20 °C) und deshalb keine klinische Bedeutung, wie z. B. Anti-A1, Anti-P1 und Anti-Lewis (. Tab. 6.1). 6.2.2
Immunantikörper
Erythrozytäre Immunantikörper sind Alloantikörper, die durch spezifische Stimulation entstehen, z. B. bei allogenen Bluttransfusionen oder fetomaternalen Hämorrhagien im Rahmen von Schwangerschaften. Die Antikörper gehören in aller Regel zur IgG-Klasse und können zur Alloimmunhämolyse (hämolytische Transfusionsreaktion und Morbus haemolyticus neonatorum) führen. Die in Bezug auf die Auslösung Immunhämolysen am meisten relevanten Antikörper sind gegen Rhesus-, Kell-, Kidd- und Duffy-Antigene gerichtet (. Tab. 6.1). 6.2.3
Autoantikörper
Autoantikörper sind gegen autologe Antigene gerichtet, die bei den meisten Menschen vorkommen (hochfrequente Antigene). Je nach ihrer Temperaturamplitude können sie Autoimmunhämolysen vom Wärme-, Kälte- und Donath-Landsteiner- (DL-)Typ verursachen (7 s. unten). Während DL und die meisten Wärmeautoantikörper zur IgG-Klasse gehören und klinisch relevant sind, ist die klinische Relevanz der Kälteantikörper von der Antikörperkonzentration und der Temperaturamplitude abhängig. 6.3
Extra- und intravasale Immunhämolysen
Bei der extravasalen Immunhämolyse werden die sensibilisierten (mit Antikörpern beladenen) Erythrozyten vor allem über den FcγRezeptor I (bindet IgG3 und IgG1, selten IgG2) und/oder über den C3b-Komplementrezeptor (CR1) von Makrophagen phagozytiert. Dies geschieht vor allem in der Milz. Bei einer starken Sensibilisierung mit Antikörpern und/oder C3b kommt es auch in der Leber zur Phagozytose. IgM-Antikörper aktivieren in der Regel Komplement, und IgA-Antikörper kommen selten allein vor. Antikörper der IgG-Subklasse 4 aktivieren weder Komplement noch führen sie zur Phagozytose [1][5][27]. Die intravasale Immunhämolyse resultiert aus der klassischen Komplementaktivierung durch spezifische Antikörper und der Einwirkung der terminalen Komplementkomponenten (C5b–9 bzw. Membran attackierender Komplementkomplex) auf die Zellmembran (. Abb. 6.1). C5b–9-Komplexe bilden durchlässige Zylinder in der Membran und führen zur sofortigen Hämolyse [30]. Da normale Erythrozyten den C3b-Rezeptor (CD35/CR1) exprimieren, können sie während der Komplementaktivierung über den CR1-Rezeptor der Makrophagen phagozytiert werden. Der CR1-Rezeptor führt aber auch zur Inaktivierung der Komplementkaskade auf der Stufe von C3b. Diese Erythrozyten tragen dann C3dg und können normal in der Zirkulation verweilen [17][18]. Dementsprechend wird der direkte Coombs-Test nach jeder intravasalen Immunhämolyse außer bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie
81
6.4 • Alloimmunhämolysen
. Tab. 6.1 Die bekanntesten erythrozytären Alloantikörper und ihre Fähigkeit zur Auslösung von Immunhämolyse Hämolytische Transfusionsreaktionen und/oder Morbus haemolyticus neonatorum Sehr häufig
Häufig
Vereinzelt
Nicht bekannt
Nein
Anti-A, -B Anti-Rh (D,C,c,E,e) Anti-Kell Anti-Kidd Anti-Duffy Anti-P, -PP1pK Anti-H bei Oh-Phänotyp
Anti-S, -s, -U Anti-Colton Anti-Vel Anti-Lan
Anti-M, - N Anti-Lewis Anti-Indian Anti-Dombrock Anti-AnWj Anti-OKa Anti-Diego Anti-Lutheran Anti-Cromer Anti-Yta Anti-Jra Anti-JMH
Anti-GIL1 Anti-MAM2 Anti-ABTI
Anti-LW Anti-Scianna Anti-Gerbich Anti-Knops Anti-Cost Anti-Xga Anti-Sda Anti-Chido Anti-Rodgers Anti-HLA Anti-PEL Anti-Er Anti-EMM Anti-LKE Anti-Ducls Anti-MER2
1 2
Nur in der Kälte wirksam. Nur im Enzymansatz wirksam.
(7 Abschn. 6.8) und der reaktiven Hämolyse [32] mit Anti-C3d positiv (. Abb. 6.1 und 7 Kap. 39). Während die extravasale Immunhämolyse von der Antikörperklasse, -subklasse und -konzentration sowie von der individuellen Kapazität der Makrophagen abhängig ist, wird die intravasale Immunhämolyse allein von der Komplementaktivierung bestimmt. 6.4
Alloimmunhämolysen
Alloimmunhämolysen werden durch Alloantikörper bzw. Immunantikörper verursacht. Diese Antikörper können sowohl hämolytische Transfusionsreaktionen als auch Morbus haemolyticus neonatorum verursachen.
6.4.1
Hämolytische Transfusionsreaktionen
Hämolytische Transfusionsreaktionen (HTR) werden durch die Transfusion inkompatibler Erythrozyten, selten auch durch passive Übertragung von Alloantikörpern in plasmahaltigen Blutprodukten (Frischplasma, Thrombozytenkonzentrate, Stammzellkonzentrate oder andere Plasmaprodukte) verursacht. Die Reaktionen können sofort (akut) oder allmählich (verzögert) innerhalb von wenigen Tagen nach Transfusion beginnen. Bei der akuten Form sind die ursächlichen Antikörper in genügender Konzentration nachweisbar und können bereits zum Beginn, während oder unmittelbar nach der Transfusion zur Hämolyse führen, z. B. bei ABO-inkompatiblen Bluttransfusionen. Bei der verzögerten HTR liegt bereits eine Immunisierung vor, aber die Antikörper lassen sich vor der Transfusion nicht nachweisen. Durch die Transfusion wird die Antikörperbildung stimuliert (sekundäre Immunreaktion, Boosterung), und die sensibilisierten Erythrozyten werden je nach Antikörperstärke und -eigenschaft entweder sofort durch Komplementaktivierung intravasal hämolysiert, von Makrophagen phagozytiert oder verweilen unbeschadet in der Zirkulation. Im letzteren Fall handelt es sich eher um
eine serologische Transfusionsreaktion ohne klinische Relevanz (7 Kap. 37). Komplementaktivierende Antikörper wie die Isoagglutinine Anti-A und Anti-B führen in der Regel abrupt zur intravasalen Hämolyse, und die meisten transfundierten Erythrozyten können dabei sofort zerstört werden. Dadurch werden C3a, C5a und zahlreiche Zytokine (IL-1, TNF, IL-6, IL-8 u. a.) freigesetzt, die den klinischen Verlauf bestimmen. Nichtkomplementaktivierende Antikörper verursachen eher eine extravasale Immunhämolyse. Dies schließt jedoch nicht immer eine Komplementaktivierung in vivo aus. Auch bekanntlich nichtkomplementaktivierende Antikörper (wie Rhesusantikörper) können gelegentlich eine massive Hämolyse verursachen, die zum Teil durch Komplementaktivierung und/oder eine Beteiligung der zytotoxischen Killerzellen erklärt werden kann. Hinweisend auf die Komplementaktivierung ist die regelmäßige C3d-Positivität im direkten Coombs-Test (Antiglobulintest) nach HTR (. Abb. 6.1). Die meisten HTR (>95 %) werden durch Antikörper gegen ABO-, Rhesus-, Kell-, Kidd-, und Duffy-Antigene verursacht [16] [20][24]. Alle anderen Antikörper kommen selten als Ursache in Frage, oder sie verursachen keine Immunhämolyse (. Tab. 6.1). Interessanterweise treten bei Alloimmunisierung häufig Autoantikörper auf. Der genaue Mechanismus hierfür ist nicht bekant [3]. Möglicherweise sind diese Autoantikörper nur in der akuten Phase einer hämolytischen Transfusionsreaktion von Bedeutung. Serologisch lassen sich gelegentlich die ursächlichen Alloantikörper und/ oder Autoantikörper von zirkulierenden Erythrozyten über Monate nach der HTR absprengen und im indirekten Coombs-Test nachweisen, z. B. Anti-E, Anti-K usw. Die betroffenen Patienten sind jedoch asymptomatisch und zeigen keine Hinweise auf eine Hämolyse [29]. Die genaue Inzidenz hämolytischer Transfusionsreaktionen ist nicht bekannt, und die Angaben in der Literatur erlauben keine definitive Schlussfolgerung (7 Kap. 37).
6
82
Kapitel 6 • Immunreaktionen gegen Erythrozyten
Komplementaktivierung Alternativer Weg: verschiedene Ursachen ohne erythrozytäre Antikörper
Klassischer Weg: IgM>IgG3>IgG1
C3-unabhängiger Weg: ?
C1 C1-Esterase C2
Anaphylatoxin C3a
6
C3dg
C4
C4b 2a C3Konvertase C3
Inaktivierung
Immunphagozytose CR1 (CD35)
C3b
C4b 2a C3b C3-Konvertase C5
Anaphylatoxin C3a
C5b C6 C7 C8 C9
C5b - 9 Membranattackierender Komplex
Zelllyse . Abb. 6.1 Schematische Darstellung der möglichen Komplementaktivierungswege
z Klinisches Bild Die Symptomatik bei der aktuen HTR ist sehr variabel und nicht spezifisch. Die Patienten entwickeln initial oder im Lauf der Reaktion verschiedene Symptome. Die klinisch relevante verzögerte* HTR ist meistens mild und durch leichte Anämie- und/oder Hämolysezeichen gekennzeichnet, die sich innerhalb weniger Tage (2–9 Tage) nach der Transfusion entwickeln (7 Kap. 37). z Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch kommen klinisch sowohl bei der akuten als auch bei der verzögerten HTR verschiedene Krankheitsbilder in Frage. Beweisend für eine hämolytische Transfusion ist eine zeitnahe Transfusion, der Nachweis der ursächlichen Alloantikörper und ein positives Resultat im direkten Coombs-Test (direkten Antiglobulintest, DAT), vor allem die C3d-Positivität.
Klinische und serologische Differenzialdiagnosen der hämolytischen Transfusionsreaktionen 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Allergische, nichthämolytische Transfusionsreaktionen Septische Reaktionen Blutverlust Medikamentös induzierte Immunhämolyse Lungenödem Lungenembolie Toxisch bedingte Hämolyse Mechanisch bedingte Hämolyse Transfusions-assoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) Nichtimmunologisch bedingte Hämolyse Autoimmunhämolyse vom Wärmetyp Grunderkrankungs-assoziierte Anämie und/oder Hyperbilirbinämie
83
6.5 • Autoimmunhämolytische Anämien
z Therapie Bei ABO-inkompatiblen Knochenmark/Stammzellen-Transplantationen sind schwere hämolytische Transfusionsreaktionen durch Enfernen der inkompatiblen Erythrozyten bzw. des Plasmas in der Regel vermeidbar. Die Therapie bei einer milden Hämolyse ist symptomatisch. Bei anämischer Hypoxie sollten kompatible Erythrozyten transfundiert werden. Bei schweren hämolytischen Transfusionsreaktionen muss die Transfusion unter Beibehaltung des venösen Zuganges sofort beendet werden. Die Blutkonserve und, sofern möglich, Blutproben des Patienten sind zu asservieren. Eine Überwachung der Vitalfunktionen muss sichergestellt werden (7 Kap. 37). Bei Schock besteht die Therapie aus der Gabe von Vollelektrolytlösung (1000 ml und je nach ZVD weitere Volumengaben), Adrenalin (1–3 ml einer 0,01 %igen Adrenalinlösung langsam i. v. [5–10 mg/min], ggf. auch Adrenalininfusionen [10–100 ng/min] und Kortikoide (100–250 mg Methylprednisolon). Die weiteren Therapiemaßnahmen, wie Dopamin-Dauerinfusion, Natriumbicarbonat und Furosemid richten sich nach dem klinischen Verlauf und den Komplikationen. z Prognose Massive intravasale Hämolysen führen häufig zu schwerwiegenden Komplikationen wie Nierenversagen, Schock, Verbrauchskoagulopathie und bei 10 % der Patienten sogar zum Tod. Nach der akuten Phase bilden sich die Komplikationen in der Regel zurück und die Prognose ist günstig.
6.4.2
Morbus haemolyticus neonatorum
Der Morbus haemolyticus neonatorum (Mhn) wird durch nichtkomplementaktivierende mütterliche IgG-Antikörper verursacht. Die Antikörper binden sich an kindliche Erythrozyten und können eine extravasale Immunhämolyse verursachen. Die Hämolyse kann zu einer mehr oder minder ausgeprägten Anämie und ihren Folgeerscheinungen führen. Hierbei spielen die Konzentration der Antikörper, die Antigenität der fetalen Erythrozyten, die Phagozytosekapazität der fetalen Makrophagen, die Subklassen der Antikörper und die Stärke der fetalen Erythropoese eine Rolle. Die schwersten Hämolysen werden durch Rhesusantikörper, vor allem Anti-D, seltener Anti-c ausgelöst. Alle anderen Antikörper verursachen nur selten schwere fetale und/oder neonatale Immunhämolysen. Nach Einführung der Rhesusprophylaxe bei rhesusnegativen Frauen ist der Mhn durch Anti-D selten geworden. Ohne Rhesusprophylaxe lag das Risiko einer rhesusnegativen Frau, durch eine Schwangerschaft mit rhesuspositiven Kindern immunisiert zu werden, bei ca. 12–17 %. Mit Hilfe der Prophylaxe liegt dieses Risiko zurzeit unter 0,1 %. Bei ABO-Inkompatibilität wird die Hämolyse durch den natürlichen IgG-Anteil der Isoantikörper gegen die Blutgruppenantigene A und/oder B verursacht. Am häufigsten liegt eine 0-(Mutter)/A(Kind)Konstellation vor. Obwohl ca. 20–25 % aller Schwangerschaften ABO-inkompatibel sind, wird ein Morbus haemolyticus neonatorum dabei nur selten (1:100, mit schwerer Hämolyse: 1:1000) beobachtet. Die Hämolyse manifestiert sich erst nach der Geburt [20]. Zum Verlauf und zur Behandlung des Mhn 7 Kap. 31.
Autoimmunhämolytische Anämien
6.5
Klinisch und serologisch werden die autoimmunhämolytischen Anämien (AIHA) in verschiedene Klassen unterteilt.
6.5.1
Autoimmunhämolytische Anämie vom Wärmetyp
z Pathogenese Die AIHA vom Wärmetyp wird durch die Wirkung spezifischer Wärmeautoantikörper verursacht. Der genaue Entstehungsmechanismus der Autoantikörper ist bisher nicht geklärt. Es werden u. a. eine strukturelle Alteration der Erythrozytenmembran durch exogene Faktoren einschließlich Haptene (Medikamente), Viren, mikrobielle Strukturen sowie somatische Mutationen vermutet. Eine genetische Disposition ist nicht bekannt [23][34]. Die Erkrankung tritt isoliert und ohne erkennbare Ursachen bei etwa der Hälfte der betroffenen Patienten auf (idiopathische bzw. primäre Form). Bei dem Rest der Patienten kommt die AIHA als Begleiterkrankung vor (symptomatische bzw. sekundäre Form). Zu den ursächlichen Grunderkrankungen zählen im Kindesalter vor allem Infektionen [8][14] und im Erwachsenenalter systemische Autoimmunerkrankungen und lymphoproliferative Erkrankungen. Mögliche Grunderkrankungen bei der symptomatischen/ sekundären AIHA vom Wärmetyp 5 Lymphoproliferative Erkrankungen 5 Kollagenosen: systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis und selten andere 5 Immundefekte 5 Infektionen (meistens akut und reversibel) 5 Lebendimpfungen (sehr selten) 5 Thymome (sehr selten) 5 Leukämien (sehr selten) 5 Solide Tumoren (sehr selten) 5 Benigne Tumoren (sehr selten)
Wärmeautoantikörper sind meistens inkomplette IgG-Antikörper, die in vivo nur teilweise oder gar nicht Komplement aktivieren. Die mit solchen Autoantikörpern sensibilisierten Erythrozyten werden über Fc- für IgG und/oder C3b-Rezeptoren der Makrophagen in der Milz und bei starker Beladung auch in der Leber phagozytiert (siehe extravasale Immunhämolyse). Stark komplementaktivierende Wärmeautoantikörper (Wärmehämolysine) sind sehr selten, gehören meistens zur IgM-Klasse und verursachen eine intravasale Immunhämolyse [9]. Sehr selten kommen IgA-Wärmeautoantikörper allein als Ursache einer AIHA vor [11]. Bei etwa 20 % der Patienten mit AIHA kann mehr als eine Antikörperklasse nachgewiesen werden [23]. Die Inzidienz der Erkrankung wird auf 1:70.000 Einwohner geschätzt. Ältere Menschen und Erwachsene erkranken viel häufiger als Kinder. Frauen sind häufiger als Männer betroffen [23]. z Klinisches Bild Die betroffenen Patienten können allmählich oder akut eine milde, mäßige bzw. starke Anämie entwickeln. Die Symptomatik ist von der Dauer und der Hämolyserate abhängig. Patienten mit milder Hämolyse fühlen sich in der Regel relativ wohl, Patienten mit massiver Hämolyse sind schwer krank. Bei der akuten Form klagen die Patienten häufig über Flanken- bzw. Bauchschmerzen. Bei der chro-
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Kapitel 6 • Immunreaktionen gegen Erythrozyten
nischen Form können verschiedene Anämie- und Hämolysezeichen das klinische Bild prägen. Im Allgemeinen sind die Patienten blass, ikterisch, tachykard und dyspnoisch. Milz und Leber sind oft tastbar vergrößert. Gelegentlich ist die Hämolyse kompensiert und lässt sich nur durch die auffälligen Hämolyseparameter erkennen. Bei der sekundären Form können die Symptome der Grunderkrankung früh oder spät auch in Erscheinung treten. Das Blutbild ist durch verminderte Erythrozytenzahlen, niedrige Hämoglobinkonzentration und Hämokrit gekennzeichnet. Eine mäßige bis sehr starke Leukozytose ohne Linksverschiebung findet sich beim akuten Schub mit massiver Hämolyse. Eine Begleitthrombozytopenie und/oder eine Begleitleukopenie spricht häufig für das Vorliegen eines Evans-Syndroms (AIHA und Autoimmunthrombozytopenie bzw. Autoimmunneutropenie). Bei diesem Syndrom überwiegt in der Regel nur eine Zytopenie, z. B. die Hämolyse oder die Thrombozytopenie bzw. die Leukopenie. Eine Bi- oder Trizytopenie (Panzytopenie) kommt nur selten vor. Im peripheren Blutausstrich lassen sich mit unterschiedlicher Ausprägung Anisozytose, Mikrozytose, Sphärozytose, Polychromasie und Retikulozytose nachweisen. Eine passagere Retikulozytopenie kommt selten im akuten Schub oder nach Parvovirus B19 vor. Das Haptoglobin ist fast immer stark vermindert, indirektes Bilirubin und LDH sind leicht bis mäßig und selten stark erhöht (>5 mg/ dl bzw. >800 U/l). Das Knochenmark zeigt eine erheblich verstärkte Erythrozytose [23]. Mögliche serologische Befunde bei der Autoimmunhämolyse vom Wärmetyp 5 Positiver direkter Coombs-Test: IgG (30 %) IgG + C3d (40–50 %) IgG + C3d ±; IgA ±; IgM (20 %)1 5 Positiver indirekter Coombs-Test (40–60 %) 5 Negativer direkter Coombs-Test (<3 %) 5 Autoantikörper nur im Eluat nachweisbar (sehr selten) 1
IgM-Autoantikörper lassen sich serologisch nicht immer nachweisen. Hinweisend auf IgM-Autoantikörper ist häufig nur die C3d-Positivität im Coombs-Test.
Der direkte Antiglobulintest (Coombs-Test) ist im klassischen Fall stark positiv. Bei mehr als 90 % der Fälle lassen sich zellgebundene IgG-Autoantikörper nachweisen und bei etwa der Hälfte der Patienten auch zellgebundene C3d-Fragmente. IgA- und IgM-Autoantikörper sind selten allein als Ursache einer AIHA vom Wärmetyp zu finden. In Einzelfällen lassen sich die ursächlichen Autoantikörper nur im Eluat nachweisen. Freie Autoantikörper finden sich bei etwa 40–60 % der Fälle [34]. z Differenzialdiagnosen Die AIHA vom Wärmetyp lässt sich meistens relativ einfach von anderen differenzialdiagnostisch relevanten, nichtimmunologisch bedingten hämolytischen Anämien durch das charakteristische serologische Bild und den Nachweis von Wärmeautoantikörpern abgrenzen. Serologisch kommen Wärmeautoantikörper bei der medikamentös induzierten Immunhämolyse und bei hämolytischen Transfusionsreaktionen relativ häufig vor. Bei den hämolytischen Transfusionsreaktionen sind die Transfusionsanamnese und der Nachweis von spezifischen Alloantikörpern charaktareristisch. Die medikamentös induzierte Immunhämolyse ist in der Regel abrupt und intravasal. Die medikamentös induzierten Autoanti-
körper (ohne Medikamenten-abhängige Antikörper) lassen sich serologisch von den klassischen Wärmeautoantikörpern nicht unterscheiden (7 Abschn. 6.6). In diesem Fall muss das verdächtige Medikament abgesetzt und der spontane Verlauf abgewartet werden. Bei der Chimärismus-assoziierten Immunhämolyse handelt es sich häufig um eine Alloimmunisierung des Spenders und selten um eine manifeste Autoimmunisierung. Bei der paroxysmalen Kältehämoglobinurie und bei der Autoimmunhämolyse vom Kältetyp sind die Antikörper bei Temperaturen ≥37 °C in der Regel nicht reaktiv [34]. z Therapie Bluttransfusionen sind bei anämischer Hypoxie nach Einleitung der spezifischen Therapie am schnellsten wirksam. Die Transfusion wird mit relativ frischen (nicht gewaschenen) Erythrozyenkonzentraten vorgenommen. Eine positive serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) durch freie Autoantikörper darf auf keinen Fall zur Verzögerung einer notwendigen Tranfusion führen [33]. Die spezifische Therapie besteht primär aus Prednisolon (initial 1–2 mg/kgKG und Tag). Falls keine Stabilisierung unter Beibehaltung einer niedrigen Prednisolon-Dosis und Berücksichtigung der Vielzahl von Nebenwirkungen möglich ist, ist eine zusätzliche Gabe von Azathioprin (1,5–3 mg/kgKg und Tag) und als Alternative Mycophenolatmofetil (2–3 g/Tag) erforderlich. Sollte diese Therapie den gewünschten Effekt nicht erzielen, kommt bei Patienten ohne weitere Erkrankungen und Kontraindikationen eine Dexamethason-Stoßtherapie in Frage (0,5 mg/kgKg an 4 aufeinanderfolgenden Tagen und Wiederholung je nach Verlauf alle 4 Wochen, insgesamt bis zu 6 Zyklen bei Respondern). Cyclophosphamid (1–2 mg/kgKg) gilt unter Beibehaltung einer niedrigen Kortikosteroiddosis als Reservetherapie [21][34]. Beim unkomplizierten Verlauf sollte die Behandlung unter kompletter Remission der Erkrankung nicht vor 6 Monaten beendet werden, um ein schnelles Rezidiv zu vermeiden. Nur wenn diese Therapiekombinationen unwirksam bleiben sollten oder gar nicht möglich sind, ist die Behandlung mit AntiCD20 (Rituximab®) zu versuchen (375 mg/m2 über 5 h pro einer Woche bis zu 4 Wochen). Abgesehen von den schwerwiegenden Nebenwirkungen und Todesfällen kann nur ein Drittel der behandelten Patienten von dieser Therapie langfristig profitieren [2][38]. Eine hochdosierte intravenöse IgG-Therapie (2–5 g/kgKG auf 2 bzw. 5 Tage verteilt) kommt nur bei Kleinkindern mit Verdacht auf Infekt-assoziierte AIHA vom Wärmetyp in Frage. Die Splenektomie ist selten wirksam und wird nur noch als Ultima-ratio-Maßnahme angesehen. Weitere therapeutische Maßnahmen wie Plasmaaustausch, Immunadsorption, Ciclosporin und Danazol führen nur in Einzelfällen zum Erfolg [34]. Die bisherigen therapeutischen Versuche mit hämatopoetischen Stammzelltransplantationen bei der AIHA sind weitgehend experimentell. Bei einer Therapierefraktärität und lebensbedrohlicher Hämolyse durch komplementaktivierende Autoantikörper kommt eine Therapie mit Anti-C5b (Eculizumab) in Frage (7 Abschn. 6.8). z Prognose Der Verlauf hängt bei der symptomatischen Form von der Grunderkrankung ab. Die infektassoziierte Form ist meistens unkompliziert und akut reversibel. Bei der chronischen idiopathischen Form ist der Verlauf variabel, bei adäquater und konsequenter Therapie lässt sich meistens eine komplette Remission erzielen. Die Prognose ist meistens günstig. Insgesamt sind Todesfälle bei der AIHA vom Wärmetyp selten geworden. Der Effekt und die langfristige Neben-
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6.5 • Autoimmunhämolytische Anämien
wirkung polytransfundierter Patienten sind bisher allerdings nicht geklärt.
6.5.2
Autoimmunhämolytische Anämie vom Kältetyp
Nach dem klinischen Bild und dem Verlauf lassen sich akut reversible und chronische Krankheitsbilder unterscheiden [23][26].
Akute AIHA vom Kältetyp z Pathogenese Es handelt sich um eine akute und stets reversible Form, die im Anschluss an eine Infektion (meistens atypische Pneumonie oder Mononukleose) auftritt und durch die Bildung polyklonaler, kältewirksamer und komplementaktivierender Autoantikörper gegen Erythrozyten verursacht wird. Die Krankheit ist selten und tritt vorwiegend ab dem 14. Lebensjahr auf. Der Mechanismus für die Kälteautoantikörperbildung ist nicht bekannt. Die Hämolyse wird meist durch IgM-Autoantikörper verursacht, die meistens gegen den Erythrozytenantigen-Komplex I/i gerichtet sind. Die Autoantikörper führen in der Kälte zu Erythrozytenagglutination und bei Temperaturen über 10 °C zur Komplementaktivierung bzw. intravasalen Hämolyse. Die Hämolyse ist abhängig von der Temperaturamplitude und der Konzentration der Antikörper sowie von der betroffenen Gesamterythrozytenmasse, die bei der Reaktion involviert ist. Klinisch relevante IgG- und IgA-Kälteautoantikörper kommen extrem selten vor. Kälteautoantikörper mit niedriger Temperaturamplitude (<20 °C) sind klinisch nicht relevant [23]. z Klinisches Bild Die Patienten entwickeln in der Regel akut oder allmählich Anämiezeichen, Ikterus, Hämoglobinurie und laborchemisch Hämolysezeichen. Die spontane Agglutinabilität der Erythrozyten und die Urinfarbe sind die ersten Hinweise auf das Vorliegen einer AIHA vom Kältetyp. Die Symptome der ursächlichen Infektion klingen meistens vor der Hämolysemanifestation ab [23]. z Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch kommen vor allem in Frage die paroxysmale Kältehämoglobinurie, die medikamentös induzierte Immunhämolyse, die autoimmunhämolytische Anämie vom Wärmetyp und das hämolytische urämische Syndrom. Der Nachweis von hochtitrigen Kälteagglutininen im Serum und C3d-Komponenten an den autologen Erythrozyten (C3d-positiver direkter Antiglobulintest) sind beweisend für das Vorliegen einer autoimmunhämolytischen Anämie vom Kältetyp [34]. z Therapie und Prognose Die am schnellsten wirksame Therapie bei der AIHA vom Kältetyp ist der Schutz vor Kälteeinwirkungen. Gegebenfalls sollten Bluttransfusionen über ein für Bluttransfusionen zugelassenes Wärmegerät durchgeführt werden. Es handelt sich um eine akut reversible Erkrankung, die sich meistens nach wenigen Tagen komplett zurückbildet [34].
Chronische AIHA vom Kältetyp z Pathogenese Es handelt sich vorwiegend um eine intravasale Hämolyse, die durch die Bildung von monoklonalen, IgM-kältewirksamen Autoantikörpern gegen Erythrozyten verursacht wird. Sie tritt als idiopathisch
benigne monoklonale IgM-Gammopathie oder symptomatisch im Rahmen einer lymphoproliferativen Erkrankung auf. Die klinisch relevanten Antikörper sind meistens gegen den I/i-Antigenkomplex und selten gegen andere Antigene gerichtet [23][26]. Die Hämolyse tritt nach Kälteeinwirkung und Komplementaktivierung verstärkt auf [34]. z Klinisches Bild Das klinische Bild ist bei niedrigen Temperaturen durch eine livide Hautfärbung, eine Akrozyanose sowie Zeichen der intravasalen Hämolyse gekennzeichnet. z Differenzialdiagnose In seltenen Fällen zeigen die Autoantikörper eine extrem hohe Temperaturamplitude (>32 °C) und können mit Wärmeautoantikörpern verwechselt werden. z Therapie und Prognose Die schnellstwirksame Therapie besteht aus dem Schutz vor Abkühlung. Ggf. können Transfusionen über entsprechende Wärmegeräte durchgeführt werden. Die Behandlung mit Rituximab ist nur bei bestimmten Patienten mit schwerer Verlaufsform oder vor Operationen zur Vermeidung der Hämolyse bei Unterkühlung wie bei Herzoperationen indiziert. Die Krankheit ist bei der idiopathischen Form chronisch und ohne Therapie irreversibel. Die Prognose bei der symptomatischen Form ist von der Grunderkrankung abhängig [6][10]. Bei einer Therapierefraktärität und lebensbedrohlicher Hämolyse durch Autoantikörper mit hoher Temperaturamplitude kommt eine Behandlung mit Anti-C5b (Eculizumab) in Frage (7 Abschn. 6.8). 6.5.3
Autoimmunhämolytische Anämie vom Mischtyp
Diese Erkrankung kommt sehr selten vor und wird gleichzeitig sowohl durch Wärme- als auch durch Kälte-Autoantikörper mit hoher Temperaturamplitude (≥32 °C) verursacht. Die Behandlung besteht wie bei der AIHA vom Wärmetyp aus einer Immunsuppression [19].
6.5.4
Paroxysmale Kältehämoglobinurie (autoimmunhämolytische Anämie vom Donath-Landsteiner-Typ)
z Pathogenese Die AIHA vom Donath-Landsteiner-Typ (DL-Typ) bzw. die paroxysmale oder bithermische Kältehämoglobinurie wird durch komplementaktivierende und meist niedrigtitrige Kälteautoantikörper der Klasse IgG und seltener der Klasse IgM verursacht. Die Antikörper reagieren mit den Erythrozyten in der Kälte und führen bei Temperaturen über 10 °C zur Komplementaktivierung mit intravasaler Hämolyse. Die AIHA vom DL-Typ ist die häufigste autoimmunhämolytische Anämie im Kindesalter. Sie verläuft akut reversibel, kommt fast ausschließlich bei Kindern unter 10 Jahren nach viralen Infektionen (Atemwegsinfekten, Masern, Mumps, Windpocken, Grippe) und selten nach Impfungen vor. Die früher bekannte Form der AIHA vom DL-Typ bei tertiärer Lues tritt heute praktisch nicht mehr auf. Der pathogenetische Zusammenhang zwischen Infektionen und der Bildung von Kälteauto-
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Kapitel 6 • Immunreaktionen gegen Erythrozyten
antikörpern vom DL-Typ ist bisher nicht geklärt. Ein chronischer Verlauf der Erkrankung (idiopathische Form) ist eine Rarität [12] [37]. z Klinisches Bild Die AIHA vom DL-Typ ist durch eine akute intravasale Hämolyse gekennzeichnet. Die betroffenen Patienten entwickeln meistens nach Kälteexposition schlagartig eine Hämoglobinurie und nachfolgend Blässe. Sie klagen häufig über heftige, krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Rückenschmerzen, Schüttelfrost und Fieber. Phasen der Hämoglobinurie gehen dem Fieber oft voraus [12] [34].
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z Differenzialdiagnose Die meisten differenzialdiagnostisch relevanten Erkrankungen sind die autoimmunhämolytische Anämie vom Wärmetyp, die autoimmunhämolytische Anämie vom Kältetyp, die medikamentös induzierte Immunhämolyse, das hämolytisch urämische Syndrom, die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie und die angeborenen hämolytischen Anämien. Der Donath-Landsteiner-Hämolyse-Test ist in der akuten Phase praktisch immer positiv [12]. z Therapie Die schnellstwirksame Therapie ist der Schutz vor Kälteeinwirkung und ggf. Bluttransfusionen über ein Wärmegerät für Bluttransfusionen. Bei Lues-Erkrankungen ist eine hochdosierte Penicillintherapie notwendig. Die Hämolyse bildet sich in der Regel innerhalb weniger Tage spontan und komplett zurück. Rezidive nach Infektionen oder Impfung sind in Einzelfällen beschrieben [34]. Bei der seltenen idiopathischen Form kommt ggf. eine Therapie mit Rituximab in Frage (7 Abschn. 6.5.1). z Prognose Der klinische Verlauf bei der akuten Form ist trotz des in vielen Fällen schwerwiegenden hämolytischen Syndroms ausgesprochen gutartig. Die Prognose bei der chronischen Form ist mit der Prognose der chronischen AIHA vom Kältetyp vergleichbar [12]. 6.6
Medikamentös induzierte Immunhämolyse
z Pathogenese Als medikamentös induzierte Immunhämolysen werden alle hämolytischen Syndrome bezeichnet, die durch Medikamenten-induzierte Antikörper (Autoantikörper und/oder Medikamenten- bzw. Metaboliten-abhängige Antikörper) verursacht werden. Die genauen Mechanismen der Immunisierung sind bisher nicht geklärt. Möglicherweise entstehen durch Medikamente bzw. Metabolite an der Zelloberfläche Neoantigene, die zur Bildung von Autoantikörpern und/oder Medikamenten-abhängigen Antikörpern führen können. Die Zeit für eine primäre und klinisch relevante Immunantwort beträgt mindestens 5–6 Tage. Die Immunisierung kann während der Therapie und häufig nach Absetzen des Medikamentes bzw. durch eine Reexposition entstehen. Theoretisch kann jedes Medikament eine Immunhämolyse verursachen. Zur Zeit werden die medikamentös induzierten Immunhämolysen am häufigsten durch nichtsteroidale Antirheumatika, insbesondere Diclofenac, Cephalosporine der dritten Generation und Tuberkulostatika ausgelöst [28]. Die medikamentös induzierten Autoantikörper ohne Medikamenten-abhängige Antikörper sind serologisch und klinisch von
den sogenannten idiopathischen IgG-Autoantikörpern nicht zu unterscheiden. Sie aktivieren kein Komplement, liegen in der Regel in hoher Konzentration vor und verursachen extravasale Immunhämolysen. Die Medikamenten abhängigen IgG- und/oder IgM-Antikörper reagieren nur in Anwesenheit des ursächlichen Medikamentes bzw. seiner Metaboliten und führen zu Komplementaktivierung bzw. intravasaler Zellzerstörung. Es muss beachtet werden, dass die Medikamenten-abhängigen Antikörper in Begleitung von Autoantikörpern auftreten können. Hier handelt es sich meistens um schwache Autoantikörper, die sich relativ schnell zurückbilden. Penicillin und bestimmte Cephalosporine können auch zur Bildung von nichtkomplementaktivierenden Antikörpern führen, die nur mit Erythrozyten-Medikament-Komplexen reagieren. α-Methyldopa verursacht dosis- und zeitabhängig fast ausschließlich die Bildung von nichtkomplementaktivierenden IgG-Autoantikörpern gegen Erythrozyten, die nur bei einem Teil der Patienten Hämolysen verursachen können [28]. z Klinisches Bild Das klinische Bild der medikamentös induzierten Autoimmunhämolyse ist von dem Bild bei den idiopathischen Formen nicht zu unterscheiden. Die Hämolyse beginnt meistens allmählich und bildet sich langsam, gelegentlich über Wochen und Monate nach Antigenkarenz zurück. Komplementaktivierende Medikamentenabhängige Antikörper verursachen eine akute intravasale Immunhämolyse, die häufig innerhalb von wenigen Minuten bis Stunden nach Einnahme des Medikamentes ausgelöst wird. Die Hämolyse ist durch Hämoglobinämie und -urie gekennzeichnet. Die Patienten klagen häufig über Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie, Luftnot, Bauchbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen. Nierenversagen und Schocksymptomatik kommen vor [28]. z Differenzialdiagnose Die meisten differenzialdiagnostisch relevanten Erkrankungen sind die autoimmunhämolytische Anämie vom Wärmtyp, der anaphylaktische Schock, das hämolytisch urämische Syndrom, die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, der septische Schock, eine toxische Hämolyse und die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura. Die genaue Anamnese ist absolut notwendig für die Diagnosestellung einer medikamentös induzierten Immunhämolyse. Die serologische Untersuchung gibt genauen Aufschluss über die Art der vorliegenden Antikörper [28]. Zum Nachweis Metabolitenspezifischer Antikörper werden ggf. Ex-vivo-Antigene des ursächlichen Medikamentes verwendet (Serum und/oder Urin von anderen Personen nach Medikamenteneinnahme). z Therapie und Prognose Alle verdächtigen Medikamente müssen sofort abgesetzt werden. Bei klinisch relevanter Anämie werden Erythrozytenkonzentrate transfundiert. Komplikationen wie Schocksymptome und Gerinnungsstörungen werden symptomatisch behandelt. Bei Nierenversagen und persistierender Hämolyse durch Medikamentenreste in der Zirkulation ist der Plasmaaustausch bzw. Hämodialyse angezeigt. Die Prognose hängt zum Teil von dem Zeitpunkt der richtigen Diagnosestellung ab. Wird das ursächliche Medikament rechtzeitig erkannt, können der Verlauf und die Prognose nach Antigenkarenz trotz des initial dramatischen Krankheitsbildes insgesamt günstig sein. Meist bilden sich die Krankheitssymptome innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen zurück. Auch die Niereninsuffizienz ist durch entsprechende Behandlung fast immer vorübergehend und heilt ohne Residuum aus. Dennoch kommt es in der akuten Phase als Folge von begleitenden Komplikationen wie Schock, Verbrauch-
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6.8 • Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)
skoagulopathie und Nierenversagen immer wieder zu Todesfällen [28]. 6.7
Transplantationsinduzierte Immunhämolyse
z Pathogenese Es handelt sich meist um milde und selten um starke Hämolyse, die nach Knochenmark-(/Stammzell-)Transplantation und Organtransplantation durch ABO-Inkompatibilität, Alloimmunisierung oder Autoimmunisierung auftreten und je nach Chimärismus und Immunisierung mehrere Tage, Wochen und Monate andauern kann [23]. Die Hämolyse tritt häufig nach ABO-inkompatiblen Transplantationen, vor allem Knochenmarktransplantationen auf. ABOinkompatible Organe werden wegen der gehäuften Abstoßungsreaktionen bisher nur selten transplantiert. Das Vorkommen von Immunhämolysen durch Immunantikörper von sensibilisierten Knochen- oder Organspendern ist relativ selten. Bei den bisher beschriebenen Fällen fanden sich am häufigsten Antikörper gegen Rhesusantigene. Auch die Bildung von Autoantikörpern wird nur selten beobachtet. Der genaue Mechanismus für die Autoimmunisierung ist nicht bekannt. Bei ABO-Inkompatibilität werden IgG- und IgM-Isoagglutinine gebildet, und die inkompatiblen Eythrozyten können phagozytiert oder durch Komplementaktivierung intravasal zerstört werden. Bei Allo- und Autoimmunisierung gehören die Antikörper in der Regel zur IgG-Klasse und können zur extravasalen Immunhämolyse führen. z Klinisches Bild Das klinische Bild ist wie bei den hämolytischen Transfusionsreaktionen sehr variabel. Immunantikörper verursachen meistens milde oder keine Hämolysen [35]. Die Hämolyse ist abhängig von der Menge antikörperbildender Zellen (transplantierte Lymphknoten) und bildet sich häufig relativ schnell zurück. In seltenen Fällen kann die Hämolyse mehrere Monate anhalten. Dagegen können Isoantikörper auch zur massiven Hämolyse mit schwerwiegenden Komplikationen führen [23]. z Differenzialdiagnosen Differenzialdiagnostisch kommen Grunderkrankungs-assoziierte Anämie, aplastische Anämie, hämolytische Transfusionsreaktionen, nichtimmunologisch bedingte Hämolyse, medikamentös induzierte Hämolyse und nichttransplantationsinduzierte Autoimmunhämolyse vom Wärmetyp in Frage. z Therapie Bei Bedarf müssen kompatible Erythrozytenkonzentrate transfundiert werden. Bei massiver Hämolyse durch ABO-Inkompatibilität kommen auch Plasma und/oder Erythrozytenaustauschtransfusionen in Frage. In seltenen Fällen kann die Hämolyse über längere Zeit persisitieren, und die betroffenen Patienten werden spezifisch mit Immunsuppressiva behandelt (z. B. Stoßdosistherapie mit Prednisolon und ggf. Azathioprin).
6.8
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)
z Pathogenese Die PNH ist eine seltene (Inzidenz 1:100.000–500.000) erworbene klonale Stammzellerkrankung, die aus einer Mutation des PIG-A Gens (Phosphatidyl-Inositol-Glycan-Class-A) auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms resultiert. Durch diese Mutation wird das PIG-Ankerprotein nicht oder nur teilweise an der Zellmembran exprimiert. Da an diesem Ankerprotein sehr viele Membranproteine (Antigene) gebunden werden, können diese Proteine nicht mehr an der Zellmembran exprimiert werden. Zu diesen Proteinen gehören unter anderem Komplementregulatoren wie CD55 (»decay accelerating factor«, DAF) und CD59 (»membrane inhibitor of reactive lysis«, MIRL). Das Fehlen des letzteren Proteins ist die Hauptursache für eine gesteigerte Empfindlichkeit von PNH-Erythrozyten gegenüber Komplement [7][22][25]. Die Hämolyse wird offensichtlich allein durch die Aktivierung der terminalen Komplementkomponenten C5–9 verursacht. Deshalb lassen sich auf den Erythrozyten der betroffenen Patienten keine C3d-Fragmente feststellen (. Abb. 6.1), und der DAT bleibt negativ. z Klinisches Bild Die klassische PNH ist charakterisiert durch hämolytische Attacken mit Hämoglobinurie, Anämie, Thrombophilie, Infektanfälligkeiten und Hämorrhagien. Ausprägung und Kombinationen der Symptome sind variabel. Der klinische Verlauf ist meistens chronisch. Etwa die Hälfte der Patienten entwickeln initial oder im Verlauf der Erkrankung eine Thrombose. Begleitend treten häufig neurologische Symptome, Knochenmarkaplasie, aplastische Anämie, myelodysplastisches Syndrom oder myeloproliferative Erkrankungen auf [36]. Anhand des klinischen Bildes wird die PNH in 3 Gruppen unterteilt: 1. die klassische Form mit intravasaler Hämolyse ohne Anhaltspunkt für Knochenmarkerkrankung, 2. PNH mit weiterer Knochenmarkerkrankung wie aplastischer Anämie, refraktärer Anämie und Myelodysplasie und 3. subklinische PNH ohne klinische Manifestation der Hämolyse; dabei finden sich nur kleine GPI-defiziente Zellpopulationen, die mit speziellen Methoden nachgewiesen werden können. z Differenzialdiagnose Je nach der klinischen Manifestation und Symptomatik kommen verschiedene Erkrankungen in Frage. Deshalb wird die Diagnose häufig erst nach 2–5 Jahren nach der klinischen Manifestation festgestellt. Bei der symptomatischen Form mit Hämolyse ist der SäureHämolyse-Test (Ham-Test) positiv und der DAT negativ. Weitere charakteristische Laborbefunde sind vor allem die Anämie und die Hämolysezeichen.
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Kapitel 6 • Immunreaktionen gegen Erythrozyten
Symptomatik, Komplikationen und Laborbefunde der PNH
z Prognose Symptome: 5 Rücken-, Abdomen- und Kopfschmerzattacken 5 Anämie 5 Hämoglobinurie 5 Thrombosenbildung 5 Infektionen 5 Neurologische Störungen 5 Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie 5 Hämorrhagische Zeichen 5 Nierenfunktionsstörung
Vor der Therapie mit Eculizumab war die Prognose bei schwerkranken Patienten ungünstig. Inwieweit das neue Medikament die Mortalität bei den Patienten reduziert, bleibt abzuwarten.
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Komplikationen: 5 Thrombosenbildung 5 Hämorrhagische Diathese 5 Panzytopenie 5 Akute Leukämie Laborbefunde: 5 Anämie mit und ohne Thrombozytopenie und/oder Neutropenie 5 Hämolysezeichen 5 Niedrige Eisenkonzentration 5 Freies Hämoglobin erhöht 5 CD14-, CD16-, CD55-, CD58- und CD59-Defekt 5 Acetylcholinesterase der Erythrozyten vermindert
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z Therapie Der Nutzen eine Kortikoidtherapie ist nicht gesichert. Bei symptomatischer Anämie sind Bluttransfusion mit normalen (nicht gewaschenen und frischen) Erythrozytenkonzentraten indiziert. Auch der Nutzen von Erythropoietin ist nicht gesichert. Es gibt Hinweise darauf, dass durch Erythropoietin nur die normale Erythropoese und nicht die defekten Klone stimuliert werden. Eine Stammzelltransplantation kommt nur bei ausgeprägter Zytopenie und bedrohlichen, rezidivierenden Thrombosen in Frage. Eine völlig neue Therapie ist die Verwendung des humanisierten monoklonalen Antikörpers gegen C5 (Eculizumab/Soliris® von der Firma Alexion). Dieser Antikörper verhindert die Spaltung von C5 in C5a und C5b, und somit wird die Aktivierung der terminalen Komplementkomponente C5b-9 blockiert (. Abb. 6.1). Die ersten Studien zeigen eine deutliche Reduktion der Hämolyse mit Abfall der Hämolysparameter. Der Transfusionsbedarf konnte während der Behandlung deutlich gesenkt werden. Auch andere typische PNH-Symptome werden offensichtlich durch Eculizumab gebessert. Trotz des fast vollständigen Rückgangs der intravasalen Hämolyse kommt es zu keiner vollständigen Normalisierung aller Hämolyseparameter [7]. Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine extravasale Immunhämolyse durch C3-Aktivierung, da die Behandlung zum positiven DAT mit Anti-C3d führt. Voraussetzung für eine Behandlung mit Eculizumab ist die Impfung gegen Meningokokken mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Therapiebeginn. Zunächst erfolgt eine Aufsättigung mit 600 mg Eculizumab wöchentlich für vier Wochen, anschließend die Gabe von 900 mg und schließlich eine Erhaltungstherapie mit 900 mg alle zwei Wochen. Die Applikation erfolgt intrevenös über mindestens 25–45 min, gefolgt von einer Beobachtungszeit von ca. 60 min.
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6
91
Immunreaktionen gegen Thrombozyten V. Kiefel
7.1
Wirkungen von Autoantikörpern gegen Thrombozyten – 92
7.1.1 7.1.2
7.1.4
Autoimmunthrombozytopenie – 92 Immunthrombozytopenie in der Schwangerschaft, fetale/ neonatale Immunthrombozytopenie duch passiv übertragene mütterliche Autoantikörper – 93 Thrombozytäre Funktionsstörungen durch thrombozytäre Autoantikörper – 94 Medikamenten-induzierte Immunthrombozytopenie – 94
7.2
Thrombozytäre Alloimmunisierung – 95
7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4
Alloimmunisierung und Thrombozytentransfusion – 95 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie – 95 Posttransfusionelle Purpura – 96 Passive alloimmune Thrombozytopenie – 96
7.3
Immunthrombozytopenie nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen und nach Transplantation solider Organe – 96
7.1.3
Literatur – 97
7
92
Kapitel 7 • Immunreaktionen gegen Thrombozyten
Antikörper gegen Thrombozyten werden als Alloantikörper nach Transfusion von Blutprodukten und während Schwangerschaften gebildet. Sie können ausgeprägte Thrombozytopenien induzieren (bei der fetalen/neonatalen Alloimmunthrombozytopenie und im Rahmen von Transfusionsreaktionen) und die Wirksamkeit von Thrombozytentransfusionen bei immunisierten Empfängern fast völlig verhindern. Warum Patienten plötzlich thrombozytäre Autoantikörper bilden und deshalb an einer Autoimmunthrombozytopenie erkranken, ist nach wie vor unklar. Auch bei Medikamenten-induzierten Antikörpern führen autoreaktive thrombozytäre Antikörper zu teilweise schweren, meist reversiblen Immunthrombozytopenien.
7.1
7
Wirkungen von Autoantikörpern gegen Thrombozyten
Thrombozytäre Autoantikörper sind die Hauptursache für einen beschleunigten Thrombozytenabbau bei Patienten mit einer Autoimmunthrombozytopenie. Manche Patienten entwickeln dagegen thrombozytäre Autoantikörper, die vor allem eine thrombozytäre Funktionsstörung auslösen, weniger eine Thrombozytopenie. Solche Autoantikörper liegen z. B. der erworbenen Thrombasthenie zugrunde.
7.1.1
Autoimmunthrombozytopenie
Erste wegweisende Arbeiten zur Pathogenese der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP) stammen von Harrington und Shulman [20][47]. Diese Autoren wiesen in der 7s-Gammaglobulinfraktion des Plasmas von Patienten mit ITP einen Faktor nach, der bei Infusion von Plasmapräparaten, die von diesen Patienten gewonnen wurden, bei gesunden Probanden einen reversiblen Abfall der peripheren Thrombozytenzahl bewirkten. Seitdem wird die ITP als Erkrankung mit einer immunologischen Pathogenese betrachtet, die idiopathischen und sekundären Formen werden im Folgenden unter dem Begriff der Autoimmunthrombozytopenie (AITP) zusammengefasst. Die Inzidenz der AITP bei Erwachsenen in Dänemark wurde mit 3,2 pro 100.000 und Jahr bestimmt, wenn ein Grenzwert von 50×109 Thrombozyten/l zugrunde gelegt wurde [16], eine britische Studie ermittelte eine Inzidenz von 1,6 pro 100.000 jährlich [36]. Während bisher die Grenze zwischen akuter und chronischer Autoimmunthrombozytopenie bei 6 Monaten festgelegt wurde, wird heute etwas differenzierter zwischen »neu diagnostizierter Autoimmunthrombozytopenie« (»newly diagnosed ITP«, Dauer <3 Monate), persistierender AITP (»persistent ITP«, Dauer 3–12 Monate) und chronischer AITP (Dauer mehr als 12 Monate) unterschieden [43]. Für die Diagnose und die Bestimmung der Dauer bzw. Verlaufsform bei AITP soll ein Schwellenwert für die Thrombozytenzahl von 100×109/l zugrunde gelegt werden [43]. Sekundäre (in der Regel chronisch verlaufende) Immunthrombozytopenien sind zwar ebenfalls durch thrombozytäre Autoantikörper bedingt, treten aber begleitend im Rahmen anderer Grunderkrankungen auf wie bei systemischem Lupus erythematodes (SLE) oder CLL. z Klinische Symptome Die akute, postinfektiöse Verlaufsform der AITP tritt besonders häufig bei Kindern bis zum 10. Lebensjahr auf, wobei der Erkrankung meist einige Tage ein viraler Infekt vorausgeht. In seltenen Fällen kann auch eine Immunisierung mit Impfstoffen (Varizellen, Hepa-
titis B) eine akute AITP auslösen. Die Thrombozytenzahl ist in der Regel stark erniedrigt, meist liegt sie unter 20×109/l. Als Symptome der vermehrten Blutungsneigung fallen am häufigsten spontan entstandene Petechien im Bereich der Haut und Hämatome bereits nach geringfügigen Traumen auf. In der Regel verschwinden die Symptome nach Tagen oder Wochen. Bei der chronischen AITP können die Symptome schleichend beginnen, die Thrombozytenzahl kann fluktuieren, zeitweilig kann es zu vorübergehender Normalisierung kommen. Nicht selten wird die Diagnose anlässlich einer Blutbilduntersuchung gestellt, die aus anderen Gründen veranlasst wurde. Die chronische AITP wird in allen Altersstufen beobachtet, weibliche Patienten sind etwa bis zu zweimal häufiger betroffen. Die Kombination einer AITP mit einer autoimmunhämolytischen Anämie vom Wärmetyp wird als EvansSyndrom bezeichnet. Manchmal schließt dieses Syndrom zusätzlich noch eine Autoimmunneutropenie mit ein. Eine sekundäre AITP tritt nicht selten in Begleitung eines systemischen Lupus erythematodes, anderer Kollagenosen oder einer chronischen lymphatischen Leukämie auf, sie wird gelegentlich auch in Begleitung von Karzinomen beobachtet. Auch bei Patientinnen mit einer zyklischen Thrombozytopenie, bei denen thrombozytopenische Phasen teilweise mit den Monatsblutungen synchronisiert sind, sprechen nachweisbare Autoantikörper gegen thrombozytäre Glykoproteine dafür, dass in einem Teil der Fälle ein einer AITP ähnliches Krankheitsbild vorliegt [27] [30][42]. Bei den betroffenen Patientinnen besteht eine oft ausgeprägte Thrombozytopenie zu Beginn der Menses, die einige Tage später verschwindet [50]. Bei den meisten Patienten mit einer ausgeprägteren Thrombozytopenie im Verlauf einer AITP sind Zeichen der vermehrten Blutungsneigung im Bereich der Haut sichtbar: Petechien im Bereich der abhängigen Körperpartien, aber auch in anderen Hautbereichen. Größere flächenhafte Blutungen können spontan, nach minimalen Traumen oder an Punktionsstellen entstehen. Gelegentlich kommt es zu gastrointestinalen Blutungen, Menorrhagien oder Hämaturie. Gelenkblutungen sind dagegen ganz untypisch für Patienten mit einem allein durch Störung der primären Hämostase bedingten Blutungstyp. Die am meisten gefürchtete Komplikation, eine zerebrale Blutung, tritt bei Kindern mit einer AITP in weniger als 1 % der Fälle auf, bei 25 % der Patienten einer Analyse von Verläufen aus den USA war der Ausgang tödlich [39]. Die Prophylaxe einer zerebralen Blutung ist ein häufiger Grund für die Einleitung einer Therapie bei Patienten, die nicht an einer manifesten Blutung leiden. Bei Kindern geht der intrazerebralen Blutung häufiger ein stumpfes Kopftrauma voraus, zu einer Blutung kann es auch während der Therapie einer AITP kommen [39]. z Diagnose Die Diagnose der »idiopathischen« AITP, vor allem der postinfektiösen Form im Kindesalter, erfolgt meist anhand von Kriterien, bei denen eine thrombozytäre Bildungsstörung, eine Verteilungsstörung (z. B. im Rahmen einer Splenomegalie) und ein beschleunigter Verbrauch oder Abbau von Thrombozyten aufgrund nichtimmunologischer Mechanismen ausgeschlossen wird. In der Regel – zumindest bei erwachsenen Patienten – wird die Untersuchung eines Patienten mit einer länger anhaltenden Thrombozytopenie auch eine Knochenmarkbiopsie einschließen. Beim Einsatz von Untersuchungsverfahren, die direkt oder indirekt eine Schätzung des Thrombozytenumsatzes erlauben, wird man Hinweise auf eine Steigerung durch beschleunigte Thrombozytenelimination finden. In allen Fällen, bei denen eine weitergehende Absicherung der Diagnose wünschenswert erscheint, sollten thrombozytäre Auto-
93
7.1 • Wirkungen von Autoantikörpern gegen Thrombozyten
antikörper untersucht werden. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist die Bestimmung glykoproteinspezifischer Antikörper auf den GPIIb/IIIa, Ib/IX, und V autologer Thrombozyten der für die Diagnose einer AITP spezifischste Parameter (GP-PAIgG, Einzelheiten zur Bestimmung sind in 7 Kap. 40 beschrieben). Ein alternatives Verfahren zur Messung von GP-PAIgG besteht in der Untersuchung eines von den autologen Thrombozyten hergestellten Eluats in einem Antiglobulinbindungstest. Weiterhin kann man GP-spezifische thrombozytäre Autoantikörper im Serum/Plasma nachweisen, jedoch hat dieser Parameter eine niedrigere Sensitivität [22]. Bei den beschriebenen Verfahren hat ein positiver Befund einen hohen prädiktiven Wert für eine AITP, während ein negativer Befund eine AITP nicht ausschließt. Die früher geübte quantitative Messung von plättchenassoziiertem IgG (IgM, IgA) entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen, da es für die Diagnose einer AITP eine zu geringe Spezifität aufweist. z Therapie Eine Indikation zur Therapie ist in der Regel bei einer manifesten Blutung gegeben, die vital bedrohlich ist oder die die Funktion eines Organs bedroht. Bei einer ausgeprägten Thrombozytopenie wird häufig aus einer prophylaktischen Indikation heraus therapiert. Die Indikation zur Therapie sollte dabei weniger von der Thrombozytenzahl als von der Blutungsneigung abhängig gemacht werden. Bei kleinen Kindern wird in der kritischen Phase einer akuten AITP mit extrem niedriger Thrombozytenzahl das Risiko für eine intrazerebrale Blutung geringer, wenn es gelingt, die körperliche Aktivität einzuschränken. Bei der Entscheidung über die Therapieoptionen zur AITP ist auch zu berücksichtigen, dass das Risiko für Blutungen mit zunehmendem Alter zunimmt. Acetylsalicylsäure und andere Medikamente, die die Thrombozytenfunktion beeinträchtigen, sollten vermieden werden. Gut etablierte therapeutische Prinzipien sind 5 Kortikosteroide: Prednison (oral) in einer Dosis von 1–2 mg/ kgKG pro Tag, 5 hochdosiertes i.v. IgG (7s) in einer Dosis von 0,4 g/kgKG an 5 aufeinanderfolgenden Tagen, 5 bei Patienten mit einer konservativ nicht beherrschbaren chronischen AITP: Splenektomie. Hochdosiertes IgG führt meist innerhalb von 1–7 Tagen zu einer Abnahme der Blutungsneigung und zu einem Anstieg der Thrombozytenzahl, die dann aber meist innerhalb der darauffolgenden Tage oder Wochen wieder absinkt. Es ist damit für die Dauertherapie der chronischen AITP wenig geeignet, sondern eher zur Beherrschung von schweren thrombozytopenischen Phasen und vor der Durchführung von operativen Eingriffen. Auch Kortikosteroide sollten zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Ein alternatives Therapieschema zur Behandlung der AITP besteht in der Gabe von Dexamethason in 6 Zyklen von 28 Tagen, bei denen an Tag 1–4 jeweils 40 mg Dexamethason verabreicht werden [2]. Eine Splenektomie führt in 60–70 % der Fälle zu einer kompletten Remission [26]. Ein besonderes Risiko splenektomierter Patienten besteht in einer gesteigerten Neigung zu septischen Komplikationen. Deshalb sollten Patienten zuvor mit einer polyvalenten Pneumokokkenvakzine und ggf. einer Haemophilus-influenzaeTyp-b-Vakzine und einer Meningokokkenvakzine geimpft werden. Im Kindesalter sollte eine Splenektomie nicht vor dem 6. Lebensjahr vorgenommen werden, und auch später sollte die Indikation bei Kindern nur zurückhaltend gestellt werden.
Eine relativ nebenwirkungsarme Therapieform bei Rhesus-(D-) positiven Patienten ist die Infusion von i.v. Anti-D (IgG). Dabei werden zwei Einzeldosen von 20 μg/kg KG injiziert. Wenn eine intravenöse Präparation nicht zur Verfügung steht, kann Anti-D auch über eine subkutane Infusion verabreicht werden [31], darüber hinaus soll die Rate von Nebenwirkungen bei subkutaner Gabe niedriger liegen. Wenn die Gabe von Kortikosteroiden nicht ausreichend wirksam ist oder mit dieser Substanzgruppe verbundene Risiken vermieden werden sollen, können immunsuppressive Substanzen wirksam sein. Azathioprin wird in einer Dosierung von ca. 2 mg/ kgKG bei AITP eingesetzt [40]. Bei Azathioprin, besonders aber bei Gabe von Cyclophosphamid zur Behandlung von Patienten mit bedrohlicher therapierefraktärer chronischer AITP (7 s. unten) sind akute Risiken und mögliche Langzeitfolgen sorgfältig gegen einen möglichen Nutzen abzuwägen [41]. Zur Therapie eines akut blutenden Patienten kann man i.v. IgG verabreichen, die Gesamtdosis (2 g/kgKG) kann, auf zwei Gaben aufgeteilt, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht werden. Während es im Rahmen einer prophylaktischen Indikation bei AITP keine Indikation für Thrombozytentransfusionen gibt, können sie als ultima ratio bei bedrohlich blutenden Patienten eingesetzt werden. Dann sollten sie aber in deutlichen höheren Dosen als bei Patienten mit hyporegenerativer Thrombozytopenie gegeben werden. Bei bedrohlichen Blutungen, die durch andere Maßnahmen nicht beherrschbar sind, kann auch eine Behandlung mit rFVIIa versucht werden [4][15]. Ein besonderes Problem stellt die Behandlung von Patienten mit chronischer therapierefraktärer Autoimmunthrombozytopenie dar. Bei diesen Patienten werden vielfach neue, experimentelle Therapieoptionen eingesetzt. Rituximab, ein therapeutischer CD20Antikörper, wird in einer Dosierung von 375 mg/m2 jeweils einmal wöchentlich über einen Zeitraum von 4 Wochen gegeben. Zu einer teilweisen Remission kommt es bei etwa 63 % der behandelten Patienten [3]. Ein neues Therapieprinzip zur Behandlung der therapierefraktären AITP sind Thrombopoetinagonisten. Gegenwärtig bestehen die meisten Erfahrungen mit Romiplostim (Nplate®) [13] und das für die orale Therapie geeignete Eltrombopag [12].
7.1.2
Immunthrombozytopenie in der Schwangerschaft, fetale/ neonatale Immunthrombozytopenie duch passiv übertragene mütterliche Autoantikörper
Bei einer Thrombozytopenie während der Schwangerschaft ist differentialdiagnostisch neben einem HELLP-Syndrom oder einer sogenannten schwangerschaftsassoziierten Thrombozytopenie (»gestational thrombocytopenia«, »incidental thrombocytopenia of pregnancy«) [44] auch eine AITP in Erwägung zu ziehen. Eine schwangerschaftsassoziierte Thrombozytopenie tritt bei ca. 5 % der Schwangerschaften im dritten Trimester auf, sie ist meist mild, mit Thrombozytenzahlen über 70×109/l. Die Patientinnen hatten vor der Schwangerschaft keine Thrombozytopenie, und die Thrombozytopenie verschwindet spontan nach der Geburt. Die schwangerschaftsassoziierte Thrombozytopenie führt nicht zu einer Thrombozytopenie beim Feten und ist nicht behandlungsbedürftig. Ein Problem besteht lediglich in der Abgrenzung gegenüber anderen Zuständen mit einer Thrombozytopenie.
7
94
7
Kapitel 7 • Immunreaktionen gegen Thrombozyten
Bei schwangeren Patientinnen mit (meist zuvor bekannter/diagnostizierter) Autoimmunthrombozytopenie kann es während der Schwangerschaft zum diaplazentaren Transfer von thrombozytären Autoantikörpern auf den Feten mit dem möglichen Risiko einer fetalen Thrombozytopenie und letztlich einer intrakraniellen Blutung kommen. Grundsätzlich können mütterliche thrombozytäre Autoantikörper bei Feten eine Thrombozytopenie sogar dann auslösen, wenn die Thrombozytenzahl bei der Mutter normal ist. In einer Serie von sechs Studien über Schwangerschaften bei 427 Patientinnen mit AITP lag die Häufigkeit der Neugeborenen mit einer Thrombozytenzahl unter 50×109/l bei 13,5 %, zu einer zerebralen Blutung kam es bei 1,1 % der Neugeborenen. Der Nachweis von mütterlichen Autoantikörpern (GP-PAIgG) ist geeignet, die Diagnose bei der Mutter zu bestätigen, aber er ermöglicht nach gegenwärtiger Kenntnis keine zuverlässige Vorhersage der Thrombozytenzahl beim Feten. Ähnlich wie bei der NAIT erlaubt auch bei der durch übertragene mütterliche Autoantikörper verursachten Thrombozytopenie des Feten/Kindes die Schwere der Thrombozytopenie bei einem älteren Geschwister eine annähernde Prognose auf das Ausmaß der Thrombozytopenie bei einem späteren Kind [14]. Das perioperative »Management« der kindlichen Thrombozytopenie schließt bei der Planung des Geburtsmodus ein möglichst wenig traumatisches Vorgehen für das Kind ein, eine mütterliche Therapie der AITP während der Schwangerschaft ist in ihrer Wirkung auf die Thrombozytopenie beim Feten umstritten, kann aber unmittelbar das mütterliche Blutungsrisiko bei der Entbindung/Sectio vermindern [11]. Nach der Geburt sollte umgehend die Thrombozytenzahl beim Neugeborenen bestimmt werden, die Thrombozytenzählungen sollten dann auch (bei nahezu normalen Thrombozytenzahlen) in den darauffolgenden drei bis vier Tagen fortgesetzt werden [18]. Grenzwerte der Thrombozytenzahl für eine Therapie (ivIgG, ggf. kombiniert mit Kortikosteroiden) beim Neugeborenen ohne intrazerebrale Blutung lassen sich wegen fehlender Daten schlecht begründen, sie liegen nach Empfehlung eines Expertengremiums zwischen 20×109/l und 50×109/l [18].
7.1.3
Thrombozytäre Funktionsstörungen durch thrombozytäre Autoantikörper
Bei den meisten Patienten mit einer AITP, die sehr niedrige Thrombozytenzahlen aufweisen, deutet die oft überraschend geringe Ausprägung der beobachteten Blutungsneigung darauf hin, dass die thrombozytären Autoantikörper bei den zirkulierenden Thrombozyten – wenn überhaupt – nur eine geringe Hemmung ihrer Funktionen bewirken. In seltenen Fällen können thrombozytäre Autoantikörper gegen den GPIIb/IIIa-Komplex eine ausgeprägte Thrombozytenfunktionsstörung im Sinne einer erworbenen Thrombasthenie bei normalen oder diskret verminderten Thrombozytenzahlen induzieren [37]. Bei der ersten, von Niessner et al. beschriebenen Patientin wurde ein Antikörper gegen GPIIb/IIIa nachgewiesen, der zu einer verlängerten Blutungszeit führte; bei Untersuchung der Thrombozyten im Aggregometer war die durch ADP und Kollagen induzierte Aggregation – bei normaler Ristocetin-induzierter Aggregation – gehemmt. Die Expression der thrombozytären Glykoproteine wies keine Auffälligkeiten auf. Bei einigen später publizierten Patienten wechselten sich Phasen von Thrombasthenie mit einem AITP-ähnlichen Bild ab [49]. Teilweise kommt es zu therapiebedingten oder spontanen Remissionen. Einige der publizierten Patienten wiesen auch Non-Hodgkin-Lymphome oder andere maligne Erkrankungen auf.
Zur Diagnose trägt neben der erworbenen Thrombozytenfunktionsstörung ein positiver Nachweis von Antikörpern gegen GPIIb/ IIIa auf den autologen Thrombozyten bei. Die funktionshemmende Eigenschaft des Autoantikörpers kann in Eluaten von autologen Thrombozyten und teilweise im Serum der Patienten bei Aggregationsuntersuchungen mit gesunden Spenderthrombozyten nachgewiesen werden. Autoantikörper gegen das thrombozytäre Glykoprotein VI führen zu einer Thrombozytopenie und zu thrombozytären Funktionsstörungen bei betroffenen Patienten [32][48]. Dabei bewirken die Antikörper offenbar eine Immundepletion des GPVI/FcR(γ)Komplexes von den Thrombozyten. Die Thrombozyten betroffener Patienten sind dann in vitro nicht mehr durch Kollagen stimulierbar [10].
7.1.4
Medikamenten-induzierte Immunthrombozytopenie
Als Prototyp einer durch Medikamenten-abhängige Antikörper (ddab, »drug dependent antibodies«) ausgelösten Immunthrombozytopenie kann die durch Chinin/Chinidin induzierte Immunthrombozytopenie gelten. Bei dieser Form der Medikamenten-induzierten Immunthrombozytopenie (MIT) kommt es nach einer ersten Einnahme des Medikaments zu einer Thrombozytopenie mit meist sehr niedrigen Thrombozytenzahlen [46]. Wenn bereits immunisierte Patienten diese Substanz erneut einnehmen, kann es zu einem raschen Abfall der Thrombozytenzahl kommen. Da Fälle von MIT mit einer ausgeprägten Blutungsneigung einhergehen können, ist von Reexpositionsversuchen aus diagnostischen Gründen dringend abzuraten. Die zugrundeligenden medikamentabhängigen Antikörper reagieren in vitro (und sehr wahrscheinlich auch in vivo) mit thrombozytären Membranglykoproteinen nur in Gegenwart des Medikaments. Das Spektrum der thrombozytären Zielantigene ähnelt dem thrombozytärer Autoantikörper bei Patienten mit einer AITP, meist sind sie gegen GPIb/X oder IIb/IIIa gerichtet. Inzwischen wurde eine Fülle von Substanzen verdächtigt, eine dem Chinin/Chinidintyp entsprechende MIT auszulösen [17]. Im eigenen Labor wurden (in abnehmender Reihenfolge der Häufigkeit) in MIT-Verdachtsfällen von Chindin, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Diclofenac, Rifampicin, Carbamazepin, Chinin, Ibuprofen, Nomifensin (nicht mehr im Handel), Paracetamol, Ranitidin und Vancomycin abhängige Antikörper nachgewiesen. Manchmal ist es nicht das Medikament selbst, sondern einer seiner Metaboliten, der die MIT auslöst, bei den im eigenen Labor untersuchten Fällen war dies bei Immunthrombozytopenien der Fall, die durch Sulfamethoxazol [21], Paracetamol und Ibuprofen ausgelöst wurden. Typische medikamentabhängige Antikörper weisen eine Bindung an die Struktur der Thrombozytenmembran auf, solange sich das Medikament (ggf. Metabolite) im Reaktionsmedium befindet. Die Bindung löst sich jedoch, wenn das Medikament aus dem Medium entfernt wird. Diese Eigenschaften sind beim Nachweis dieser Antikörper, der meist sehr aufwendig ist, zu berücksichtigen. Einzelheiten des Reaktionsmechanismus sind immer noch weitgehend unklar. Sofern ein medikamentabhängiger Antikörper nachgewiesen wurde, sollte der Patient darüber unterrichtet werden, dass entsprechende Medikamente, die die auslösende Substanz enthalten, nicht mehr eingenommen werden dürfen. Die wichtigste Maßnahme bei einer MIT ist das Absetzen des Medikaments; weitere therapeutische Optionen sind nicht untersucht worden. Bei bedrohlichen
95
7.2 • Thrombozytäre Alloimmunisierung
Blutungen kann man notfalls versuchen, durch Transfusion großer Dosen von Thrombozyten eine Blutstillung zu erreichen. 7.2
Thrombozytäre Alloimmunisierung
7.2.1
Alloimmunisierung und Thrombozytentransfusion
Zu einem Refraktärzustand gegenüber Thrombozytentransfusionen kommt es bei einem Teil derjenigen Patienten, die wegen einer Thrombozytopenie Plättchenkonzentrate transfundiert erhalten. Neben einer Reihe von anderen Ursachen (Splenomegalie, Temperaturanstieg, Verbrauch im Rahmen einer allgemeinen Gerinnungsaktivierung) kann der Refraktärzustand durch Immunisierung des Transfusionsempfängers gegen Alloantigene auf Thrombozyten bedingt sein. Die Antikörper, die beim Refraktärzustand am häufigsten gefunden werden, reagieren mit HLA-Klasse-I-Antigenen (HLA-A, HLA-B). Bei etwa 20 % der Patienten, die HLA-Alloantikörper gebildet haben, kann zusätzlich ein plättchenspezifischer Alloantikörper festgestellt werden, hier handelt meist um Anti-HPA-5b oder Anti-HPA-1b, während Anti-HPA-1a in diesem Zusammenhang nur extrem selten gefunden wird [23]. Bei thrombozytopenischen Patienten, bei denen es zu febrilen Transfusionsreaktionen kommt und die einen sogenannten Refraktärzustand gegenüber Thrombozytentransfusionen aufweisen, wird man rasch klären, ob thrombozytenreaktive Antikörper hierfür verantwortlich sind und welche Spezifität die Antikörper aufweisen. Von praktischer Bedeutung ist eine solche Untersuchung deshalb, da es nach Eintritt einer Alloimmunisierung bei einem meist über längere Zeiträume mit Blutpräparaten behandelten Patienten nur durch Verwendung von Apherese-Thrombozytenkonzentraten von nach immunologischen Kriterien ausgewählten Thrombozytenspendern gelingt, wieder ein befriedigendes posttransfusionelles Thrombozyteninkrement zu erzielen. Zunächst sollte man nach HLA-Klasse-I-Antikörpern suchen, am besten mit einem Verfahren, das auch nichtkomplementabhängige HLA-Antikörper erkennt (z. B. einem kommerziellen ELISA-Test oder dem HLA-Klasse-IAntigen-MAIPA-Assay; mit dem lymphozytotoxischen Test wird man dagegen einen Teil der relevanten Antikörper übersehen). Wenn man eine oder mehrere serologische HLA-Klasse-I-Spezifitäten bestimmen kann (z. B. Anti-HLA-A2), ist mit dieser Information die Auswahl potenzieller Spender möglich. Leider wird die Suche nach Spendern schwieriger, je höher die sogenannte Panelreaktivität eines Empfängerserums ist, d. h. der Prozentsatz der Zellen eines Testzellpanels, mit dem die Antikörper reagieren. In diesem Fall wird man die HLA-Klasse-I-Antigene des Patienten bestimmen (mindestens HLA-A, HLA-B) und möglichst identische Spender suchen. Spender, die in allen vier Antigenen passen, sind naturgemäß oft schwierig zu finden. In manchen Fällen kann es ausreichend sein, wenn nichtidentische Spenderantigene wenigstens gleichen kreuzreagierenden Gruppen (CREG) wie Patientenantigene angehören (7 Kap. 14). Die voraussichtliche immunologische Verträglichkeit kann man dann mit einem plättchenserologischen Crossmatch (ELISA, MAIPA) überprüfen. Spätestens wenn HLA-kompatible Thrombozyten nicht zu einem ausreichenden Inkrement führen, muss das Empfängerserum auf thrombozytenspezifische (HPA-)Antikörper untersucht werden, die im Fall eines positiven Nachweises ebenfalls zu berücksichtigen sind.
7.2.2
Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
Die Immunisierung einer Schwangeren gegen ein thrombozytäres Alloantigen kann durch diaplazentaren Transfer des Alloantikörpers (IgG) zu einer Alloimmunthrombozytopenie beim Feten und Neugeborenen (neonatale Alloimmunthrombozytopenie, NAIT) führen. Die Pathogenese der NAIT ähnelt damit der des Morbus haemolyticus neonatorum, wobei ein Unterschied darin besteht, dass eine NAIT bereits das erste Kind betreffen kann; in einer großen retrospektiven Untersuchung war dies bei 42 % der Schwangeren der Fall [33]. Am häufigsten werden Antikörper der Spezifität HPA-1a gefunden, die mit einem Antigen auf dem thrombozytären GPIIIa reagieren. Von der Immunisierung sind nur Frauen mit dem Genotyp HPA-1a-b+ (Frequenz ca. 2,5 %) betroffen, wenn die Thrombozyten des Feten HPA-1a+ sind. Die klinisch bedrohlichste Komplikation, eine zerebrale Blutung, kann intrauterin, unter der Geburt oder in den ersten Lebenstagen auftreten. Bei gegebener Antigenkonstellation (Mutter HPAa-b+, Kind HPA-1a+) kommt es nur in etwa 10 % der Fälle zu einer Immunisierung [52], wobei sich fast ausschließlich Schwangere immunisieren, bei denen sich das HLA-Antigen HLA-DRB3*0101 nachweisen lässt. Anti-HPA-1a ist für etwa 85 % der Fälle einer NAIT verantwortlich, der zweithäufigste Antikörper ist Anti-HPA5b. Alloantikörper gegen weitere, in 7 Tab. 13.3 genannte Antigene sind viel seltener Ursache einer NAIT. Der HPA-4-Polymorphismus wurde bei Japanern entdeckt und inzwischen auch in anderen ostasiatischen Populationen nachgewiesen, Europäer weisen fast ausschließlich den Phänotyp HPA-4a+b- auf. Eine NAIT kann auch durch einen Alloantikörper gegen ein extrem niedrig frequentes Antigen ausgelöst werden. Solche Fälle werden nur durch ein Crossmatch bei der Analyse einer mütterlichen Probe entdeckt, bei der die Thrombozyten des Kindsvaters (der das immunisierende Antigen an das Kind vererbt haben muss) in die Untersuchung mit einbezogen werden. Die inzwischen entdeckten niedrig frequenten Alloantigene sind in 7 Tab. 13.2 aufgeführt. Antikörper gegen HLA-Klasse-I-Antigene werden von etwa 20–30 % aller Schwangeren gebildet und reagieren in vitro stark mit Thrombozyten. Aufgrund einiger publizierter Einzelfällen, bei denen nur HLA-Klasse-I-Antikörper, nicht aber Antikörper gegen Determinanten auf den Glykoproteinen IIb/IIIa, Ib/IX/V, Ia/IIa, CD109 im Serum der Mutter identifiziert wurden, wurde gefolgert, dass diese Antikörper in seltenen Fällen auch eine NAIT auslösen können. Diese Frage ist z. Zt. noch umstritten [25][45]. Bei den »plättchenspezifischen Alloantikörpern« lösen Antikörper gegen Determinanten auf GPIIb/IIIa häufiger Thrombozytopenien aus, die in der Regel auch schwerer sind, während Anti-HPA-5b eher für milde Verlaufsformen von NAIT verantwortlich ist, obwohl es nach Beobachtungen einer Arbeitsgruppe bei diesen durch Anti-HPA-5b ausgelösten Fällen offenbar auch bei nur geringgradig verminderten Thrombozytenzahlen zu zerebralen Blutungen kommen kann [19]. z Klinische Symptome Bei Neugeborenen mit einer NAIT werden als häufigste Symptome Petechien und flächenhafte Blutungen der Haut beobachtet. Danach folgen (in abnehmender Reihenfolge) Blutungen in den Gastrointestinaltrakt (Melaena, Hämatemesis), Hämoptysen und Hämaturie [33]. Intrakranielle Blutungen wurden in einer Serie von Fällen, die durch Anti-HPA-1a bedingt waren, bei 14 % gefunden [33]. Die zum Zeitpunkt der Geburt erniedrigten Thrombozytenzahlen fallen meist noch innerhalb der ersten 48 h ab. Eine Knochenmarkpunktion lässt in den seltenen Fällen, wo sie durchgeführt wird, eine gesteigerte Thrombozytopoese erkennen. In einem publizierten Fall
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Kapitel 7 • Immunreaktionen gegen Thrombozyten
. Tab. 7.1 Kriterien zur Einschätzung des Risikos einer fetalen intrazerebralen Blutung bei einer HPA-1a-alloimmunisierten Schwangeren. (Nach [6])
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Risiko
Konstellation
Extrem hoch
Antenatale intrazerebrale Blutung bei NAIT durch mütterliches Anti-HPA-1a bei einem älteren Geschwister
Hoch
Perinatale intrazerebrale Blutung bei einem älteren Geschwister oder Thrombozytenzahl <20×109/l zu Beginn der Bestimmung fetaler Thrombozytenzahlen
Standardrisiko
Keine perinatale intrazerebrale Blutung bei einem betroffenen älteren Geschwister und Thrombozytenzahl >20×109/l zu Beginn der Bestimmung fetaler Thrombozytenzahlen
einer NAIT durch Anti-HPA-2b ging die Thrombozytopenie mit einer Amegakaryozytose einher [9]. z Diagnose Bei jedem klinischen Verdacht einer NAIT sollte eine immunologische Untersuchung veranlasst werden. Ein klinischer Verdacht muss stets dann entstehen, wenn sich eine Thrombozytopenie bei einem Neugeborenen nicht durch andere als immunologische Ursachen nicht erklären lässt. Eine Untersuchung ist nicht nur für die Bewertung und Behandlung der Thrombozytopenie im aktuellen Fall wichtig, sondern sie ist auch deshalb erforderlich, um im Falle einer nachgewiesenen mütterlichen Alloimmunisierung das Risiko für eine darauffolgende Schwangerschaft einschätzen zu können. z Therapie/Prophylaxe Nach Geburt eines Kindes mit einer unerwartet festgestellten Thrombozytopenie, bei der sich andere als immunologische Ursachen nicht finden lassen (keine Hinweise auf eine Infektion, eine Sepsis oder eine hereditäre Thrombozytopenie bei eher gutem Allgemeinzustand) und bei normaler Thrombozytenzahl der Wöchnerin besteht der klinische Verdacht auf eine NAIT. Eine Untersuchung auf thrombozytäre Antikörper bei der Mutter sollte veranlasst werden. Die Therapie der Wahl ist in dieser Situation die Transfusion immunologisch kompatibler Thrombozyten. Sofern diese für ein Neugeborenes mit hoher Gefahr für eine Blutung oder für ein manifest blutendes Neugeborenes nicht innerhalb kurzer Zeit beschafft werden können, ist die Transfusion eines unausgewählten Thrombozytenkonzentrats eine meist funktionierende Alternative [24]. Das Vorgehen bei einer Schwangeren mit einer bekannten HPA-1a-Vorimmunisierung gehört zu den komplexesten ärztlichen Problemen im Zusammenhang mit der Diagnostik und Behandlung der NAIT. Die Seltenheit und Bedrohlichkeit der Erkrankung bedingt, dass es hierzu nur Studien mit eingeschränkter methodischer Aussagekraft gibt. Obwohl es einen lockeren Zusammenhang zwischen Antikörperkonzentration und dem Ausmaß der fetalen Thrombozytopenie und der daraus resultierenden Blutungsneigung gibt, ist das Resultat einer semiquantitativen HPA-1a-Bestimmung für die Prognose der Thrombozytopenie bei einzelnen Patienten ungeeignet. Einen gewissen Anhalt gibt lediglich das klinische Bild bei betroffenen älteren Geschwistern und die aktuelle Thrombozytenzahl beim Feten, bestimmt durch eine Blutentnahme im Rahmen einer Cordozentese (. Tab. 7.1).
Bei Patienten der höchsten Risikogruppe kann eine Behandlung mit intrauterinen Thrombozytentransfusionen erforderlich sein, die dann aber ausnahmslos in einem mit dem Management der NAIT erfahrenen Zentrum vorgenommen werden sollte. Bei Patienten mit einem hohen Risiko und mit »Standardrisiko« (. Tab. 7.1) werden gegenwärtig wöchentliche mütterliche i.v.-IgG-Infusionen (1 g/kg Körpergewicht mit/ohne Prednison in einer Dosierung von 1 mg/ kg täglich) etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche empfohlen [6] [35]. In den letzten Jahren werden intrauterine Thrombozytentransfusionen zunehmend kritisch bewertet, da sie wegen der kurzen Thrombozytenlebenszeit relativ häufig durchgeführt werden müssen und es wegen der ausgeprägten hämorrhagischen Diathese beim Kind häufig zu Blutungen im Bereich der Punktion mit einem Abort kommt. Auch in der Hand geübter Therapeuten wird dieses Risiko pro behandelter Schwangerer auf 5,5 % geschätzt [35], es liegt damit im Bereich der Rate spontaner Blutungen bei NAIT durch AntiHPA-1a [34].
7.2.3
Posttransfusionelle Purpura
Bei der posttransfusionellen Purpura (PTP) handelt es sich um eine Transfusionsreaktion, an deren Beginn eine sekundäre Alloimmuniserung gegen ein thrombozytäres Alloantigen meist auf dem GPIIb/IIIa steht. Bei den betroffenen, fast immer weiblichen Patienten kommt es dann zu einer schweren Immunthrombozytopenie, obwohl ihre (autologen) Thrombozyten das von dem Alloantikörper erkannte Antigen gar nicht tragen. Pathophysiologie, klinischer Verlauf und Therapie sind in 7 Kap. 37.1.7 beschrieben. 7.2.4
Passive alloimmune Thrombozytopenie
Durch Übertragung von Blutprodukten, deren Plasma einen thrombozytären Alloantikörper enthält, kann beim Empfänger eine passive alloimmune Immunthrombozytopenie ausgelöst werden. Auch diese Transfusionsreaktion ist in 7 Kap. 37.1.8 beschrieben. 7.3
Immunthrombozytopenie nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen und nach Transplantation solider Organe
Nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen kann die Thrombozytopenie zunächst länger als üblich persistieren. Bei einigen der bisher publizierten Fälle sprechen nachweisbare thrombozytäre Autoantikörper und Hinweise auf einen beschleunigten Thrombozytenumsatz dafür, dass ein AITP-ähnliches Bild vorliegen kann [1][5][7]. Nach hämatopoetischen Stammzelltransplantationen sind durch Alloantikörper induzierte Immunthrombozytopenien dann beobachtet worden, wenn vom Empfänger stammende persistierende B-Zellklone nach der hämatopoetischen Stammzelltransplantation Alloantikörper bilden und damit eine Immunreaktion gegen die Thrombozyten von Spender induzieren [8][28][29][38]. Die umgekehrte Konstellation wurde bei Transplantation von Organen eines Organspenders mit einem HPA-1a-Antikörper beobachtet. Die Empfänger entwickelten extrem schwere Immunthrombozytopenien, weil ihnen mit den Organen im Rahmen eines »Passenger-lymphocyte-Syndroms« Lymphozyten vom Spender übertragen worden waren [51].
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Literatur
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Kapitel 7 • Immunreaktionen gegen Thrombozyten
after allogeneic marrow transplantation due to antibodies against donor platelets with anti-Pl(A1) specificity: evidence for a host-derived immune reaction. Br J Haematol 71:259–264 Psaila B, Petrovic A, Page LK, Menell J, Schonholz M, Bussel JB (2009) Intracranial hemorrhage (ICH) in children with immune thrombocytopenia (ITP): study of 40 cases. Blood 114:4777–4783 Quiquandon I, Fenaux P, Caulier MT, Pagniez D, Huart JJ, Bauters F (1990) Re-evaluation of the role of azathioprine in the treatment of adult chronic idiopathic thrombocytopenic purpura: a report of 53 cases. Br J Haematol 74:223–228 Reiner A, Gernsheimer T, Slichter SJ (1995) pulse cyclophosphamide therapy for refractory autoimmune thrombocytopenic purpura. Blood 85:351–358 Rice L, Nichol JL, McMillan R, Roskos LK, Bacile M (2001) Cyclic immune thrombocytopenia responsive to thrombopoietic growth factor therapy. Am J Hematol 68:210–214 Rodeghiero F, Stasi R, Gernsheimer T, Michel M, Provan D, Arnold DM, Bussel JB, Cines DB, Chong BH, Cooper N, Godeau B, Lechner K, Mazzucconi MG, McMillan R, Sanz MA, Imbach P, Blanchette V, Kuhne T, Ruggeri M, George JN (2009) Standardization of terminology, definitions and outcome criteria in immune thrombocytopenic purpura of adults and children: report from an international working group. Blood 113:2386–2393 Samuels P, Bussel JB, Braitman LE, Tomaski A, Druzin ML, Mennuti MT, Cines DB (1990) Estimation of the risk of thrombocytopenia in the offspring of pregnant women with presumed immune thrombocytopenic purpura. N Engl J Med 323:229–235 Sharon R, Amar A (1981) Maternal anti-HLA antibodies and neonatal thrombocytopenia. Lancet i:1313 Shulman NR, Jordan JV (1987) Platelet immunology. In: Colman RW, Hirsh J, Marder VJ, Salzman EW (eds) Hemostasis and thrombosis. Basic principles and practice. Lippincott, Philadelphia, pp 452–529 Shulman NR, Marder VJ, Weinrach RS (1965) Similarities between known antiplatelet antibodies and the factor responsible for thrombocytopenia in idiopathic purpura. Physiologic, serologic and isotopic studies. Ann NY Acad Sci 124:499–542 Sugiyama T, Okuma M, Ushikubi F, Sensaki S, Kanaji K, Uchino H (1987) A novel platelet aggregating factor found in a patient with defective collagen-induced platelet aggregation and autoimmune thrombocytopenia. Blood 69:1712–1720 Tholouli E, Hay CR, O’Gorman P, Makris M (2004) Acquired Glanzmann’s thrombasthenia without thrombocytopenia: a severe acquired autoimmune bleeding disorder. Br J Haematol 127:209–213 Tomer A, Schreiber AD, McMillan R, Cines DB, Burstein SA, Thiessen AR, Harker LA (1989) Menstrual cyclic thrombocytopenia. Br J Haematol 71:519–524 West KA, Anderson DR, McAlister VC, Hewlett TJ, Belitsky P, Smith JW, Kelton JG (1999) Alloimmune thrombocytopenia after organ transplantation. N Engl J Med 341:1504–1507 Williamson LM, Hackett G, Rennie J, Palmer CR, Maciver C, Hadfield R, Hughes D, Jobson S, Ouwehand W (1998) The natural history of fetomaternal alloimmunization to the platelet-specific antigen HPA-1a (Pl(A1), Zw(a) as determined by antenatal screening. Blood 92:2280– 2287
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Immunreaktionen gegen neutrophile Granulozyten J. Bux
8.1
Einführung – 100
8.2
Neonatale Immunneutropenie (NIN) – 100
8.3
Immunneutropenie nach Knochenmark- und Stammzelltransplantation – 101
8.4
Autoimmunneutropenie – 101
8.4.1 8.4.2
Primäre Autoimmunneutropenie – 101 Sekundäre Autoimmunneutropenie – 101
8.5
Medikamenten-induzierte Immunneutropenie – 102
8.6
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz – 102
8.7
Transfusionsassoziierte Alloimmunneutropenie – 103
8.8
Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion – 103
8.9
Ineffektive Granulozytentransfusion – 103 Literatur – 103
8
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Kapitel 8 • Immunreaktionen gegen neutrophile Granulozyten
Wie gegen Erythrozyten könnnen Menschen auch irreguläre Antikörper gegen neutrophile Granulozyten bilden. Diese können allogener oder autologer Natur sein. Folgen sind möglicherweise eine neonatale Immunneutropenie, eine verzögerte Myelopoese nach ablativer Stammzelltransplantation sowie febrile und pulmonale Transfusionsreaktionen. Granulozytäre Autoantikörper können isoliert auftreten und führen dann zu einer primären Autoimmunneutropenie, oder sie enstehen im Gefolge einer bereits bestehenden Grundkrankheit wie dem systemischen Lupus erythematodes. Nach Stammzelltransplantationen können granulozytäre Autoantikörper Ursache einer erneuten Granulozytopenie nach initialem Angehen der Myelopoese sein. Schließlich können Medikamente Anlass zur Autoantikörperbildung geben, die eine Medikamenten-induzierte Immunneutropenie verursachen.
8.1
8
Einführung
1926 beschrieb Doan, dass Seren die Leukozyten anderer Individuen agglutinieren können [12]. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zeigten Lalezari und Mitarbeiter, dass es Antikörper gibt, die ausschließlich an neutrophile Granulozyten binden [21]. Diese Antikörper können zu einem Mangel an neutrophilen Granulozyten, d. h. zu einer Granulozytopenie bzw. genauer Neutropenie führen. Da neutrophile Granuolzyten 55–70 % der weißen Blutkörperchen und mehr als 90 % der Granulozyten im peripheren venösen Blut stellen, werden im Folgenden Neutropenie und Granulozytopenie synonym verwendet; der Begriff »granulozytär« meint: »die neutrophilen Granulozyten betreffend«. Neben den antikörperbedingten »Immunneutropenien« oder »Immungranulozytopenien« können diese Antikörper auch neutrophile Granulozyten aktivieren und dadurch Transfusionsreaktionen auslösen. Wie andere Antikörper auch können granulozytäre Antikörper allogener oder autologer Natur sein. 8.2
Neonatale Immunneutropenie (NIN)
Wie der Morbus haemolyticus neonatorum wird auch die neonatale Immunneutropenie (NIN) durch mütterliche Antikörper ausgelöst, die während der Schwangerschaft diaplazentar auf den Feten übergehen und dort einen beschleunigten Abbau der neutropilen Granulozyten bewirken. Nach der Beschreibung einer Alloimmunisierung gegen Leukozyten während der Schwangerschaft infolge fetomaternaler Inkompatibilität [26] wurde die NIN erstmals 1960 von Lalezari et al. näher beschrieben [21]. Es handelt sich mehrheitlich um Alloantikörper, die einen bestimmten Antigenpolymorphismus erkennen, man spricht in diesem Fall auch von »alloimmuner neonataler Neutropenie«, ANN. Die Antikörper können jedoch auch ein Antigen erkennen, das auf den neutrophilen Granulozyten der Mutter überhaupt nicht exprimiert wird; die Rede ist hier daher auch von »Isoantikörpern« und von »isoimmuner neonataler Neutropenie«, INN. Isoantikörper sind die Antikörper gegen das HNA-2-Merkmal, das NB1-Glykoprotein (CD177) [17]; es gibt auch Isoantikörper gegen den Fcγ-Rezeptor IIIb, den Träger des HNA-1-Polymorphismus [16]. In seltenen Fällen können auch granulozytäre Autoantikörper der Mutter zu einer mitunter schwerwiegenden NIN führen [10]. z Häufigkeit Die Inzidenz der NIN liegt unter 0,1 %. Eine Alloimmuniserung der Mutter gegen neutrophile Granulozyten wurde bei 1–3 % al-
ler Schwangerschaften gefunden, wobei sich Antikörper bekannter Spezifität nur bei 0,1–0,3 % der Schwangerschaften nachweisen ließen [7]. z Klinik Die NIN ist gekennzeichnet durch eine vorübergehende, mehr oder minder stark ausgeprägte Neutropenie des Neugeborenen, die zu lokalen und ggf. auch schweren systemischen Infektionen führen kann. Da die mobilen Granulozyten die Plazenta aktiv passieren können, kann es schon im Verlauf der ersten Schwangerschaft zu einer Alloimmunisierung kommen und die NIN damit bereits beim ersten Kind auftreten. Die Neutropenie tritt mit einer möglichen Verzögerung von bis zu drei Tagen post partum in Erscheinung. In utero ist der Fetus vor Infektionen geschützt, sofern keine Amniondefekte bestehen. Allerdings erhöht die Granulozytopenie die aufgrund der immunologischen Unreife bestehende Infektionsanfälligkeit des Neugeborenen erheblich. In unkomplizierten Fällen dominieren bakterielle Infektionen des Nabels (Omphalitis), der Haut (Pyodermie) sowie des Respirationstraktes. Seltener ist der Urogenitaltrakt involviert. Wird die Neutropenie jedoch nicht rechtzeitig erkannt, kann es zu einer Pneumonie, Meningitis und Sepsis mit bleibenden Schäden bis hin zu tödlichen Verläufen kommen. Die Granulozytopenie kann bis zu vier Monate anhalten, im Mittel dauert sie 11 Wochen [7]. Als Ursache für die zum Teil sehr langen Granulozytopeniephasen werden einerseits eine Erschöpfung der Granulopoese im Knochenmark durch vermehrten Abbau der antikörperbeladenen Granulozyten und andererseits auch infektionsbedingter Verbrauch angenommen. Es kann auch eine antikörperbedingte Hemmung der Granulopoese bestehen, wenn die Antikörper Antigene erkennen, die auch auf Vorläuferzellen exprimiert werden, wie z. B. das HNA-2-Merkmal. Die antikörperbeladenenen Zellen werden in Milz, Leber und bereits im Knochenmark von Makrophagen phagozytiert. Darüber hinaus kann es infolge Aktivierung durch die Antikörper zur Bildung von Granulozytenagglutinaten kommen, die in den Gefäßkapillaren insbesondere der Lungen hängen bleiben und dort abgebaut werden. z Diagnostik Da der direkte Nachweis der Antikörper auf den Granulozyten des Neugeborenen wegen der Neutropenie in der Regel nicht gelingt, wird die Diagnose über den Nachweis granulozytärer Antikörper im Blut der Mutter und dem genotypischen Nachweis des von diesen Antikörpern erkannten Antigens im Erbgut des Neugeborenen und des biologischen Vaters geführt. Die hierfür eingesetzten Techniken sind in 7 Kap. 41 ausführlich beschrieben. Am häufigsten wird die NIN durch Alloantikörper gegen die Antigene HNA-1a (NA1), HNA-1b (NA2) und HNA-2 (NB1) ausgelöst, selten werden HNA-1c-, HNA-3a-, HNA-4a- und HNA-5a-Antikörper als Auslöser einer NIN gefunden. Unklar ist die Auslösung einer NIN durch HLA-Antikörper. Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion muss man davon ausgehen, dass unter besonderen Umständen bestimmte HLA-Antikörper wie Anti-HLA-A2 eine NIN auszulösen vermögen [15]. In seltenen Fällen können auch granulozytäre Autoantikörper Ursache einer NIN sein [10]. z Therapie Im Vordergrund stehen die Prophylaxe von Infektionen sowie die gezielte Behandlung bakterieller Infektionen mit Antibiotika. Bei schwerwiegenden Infektionen kann zur Anhebung der Granulozytenzahlen G-CSF (3–10 μg/kgKg und Tag) eingesetzt werden [10] [14]. Hochdosiertes intravenöses Immunglobulin wurde mit wechselndem, oft ausbleibendem Erfolg eingesetzt [14].
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8.4 • Autoimmunneutropenie
8.3
Immunneutropenie nach Knochenmarkund Stammzelltransplantation
Nach Stammzelltransplantation können ebenfalls Immunneutropenien auftreten. Unerwartet erneut aufgetretene Neutropenien nach Knochenmark- und Stammzelltransplantationen oder verlängerte Neutropeniephasen nach Transplantation konnten auf neu gebildete Autoantikörper vom Donor-versus-Donortyp oder präformierte Alloantikörper beim Patienten gegen ein Granulozytenmerkmal des Transplantats zurückgeführt werden. In einer Studie wurden bei 16 von 36 Transplantierten neutrophile Autoantikörper nachgewiesen, wobei diese einen im Median um 3,5 Tage späteren Anstieg der Granulozytenzahl über 500 × 109/l zeigten [18]. Vier der 16 Patienten entwickelten eine signifikante Post-engraftment-Neutropenie. 8.4
Autoimmunneutropenie
Die Autoimmunneutropenie (AIN) wird verursacht durch Autoantikörper, die sich gegen körpereigene neutrophile Granulozyten richten. Obwohl schon lange eine immunologische Ursache vermutet wurde, gelang erst 1975 [2][22]der eindeutige Nachweis von granulozytären Autoantikörpern als Ursache der Neutropenie und in der Folge die Anerkennung der AIN als eigene klinische Entität. Man unterscheidet eine primäre von einer sekundären AIN.
8.4.1
Primäre Autoimmunneutropenie
Bei der primären AIN besteht eine isolierte Granulozytopenie ohne nachweisbare weitere Erkrankungen oder Faktoren, die für die Neutropenie verantwortlich sein können. z Auftreten Die primäre AIN betrifft am weitaus häufigsten Säuglinge und Kleinkinder im 5.–15. Lebensmonat – durchschnittliches Diagnosealter 8 Monate –, sehr viel seltener wird sie bei Erwachsenen gefunden [9]. In Einzelfällen kann sie schon sehr früh auftreten, so wurde sie auch bei erst einen Monat alten Säuglingen beobachtet. Das weibliche Geschlecht ist geringfügig häufiger betroffen als das männliche. In einer älteren britischen Untersuchung wurde für die primäre AIN im Kindes- und Säuglingsalter eine Inzidenz von 1:100.000 beschrieben [23]. Allerdings kann man heute durch verbesserte und standardisierte Antikörpernachweisverfahren bei den meisten Kindern mit der Diagnose einer »chronisch benignen Neutropenie« Autoantikörper gegen Granulozyten nachweisen. z Klinisches Bild Das Spektrum der klinischen Befunde reicht von völliger Symptomlosigkeit, wie es oft bei Erwachsenen der Fall ist, bis hin zur allerdings sehr seltenen lebensbedrohlichen bakteriellen Sepsis bei Säuglingen. In der Regel leiden die Patienten an Infektionen der Haut (Folikulitiden, Furunkel), des Respirationstrakts (Pharyngitis, Otitis media, Tonsillitis, Bronchitiden, Pneumonie) und des Gastrointestinaltrakts (Gastroenteritiden, Kolitiden) [9]. Mittelohrentzündungen sind typisch für die primäre AIN im Kindesalter und können bei wiederholten Rezidiven infolge ungenügender Therapie zur Ertaubung des betroffenen Ohres führen. Schwerwiegende Infektionen wie Pneumonie, Meningitis oder Sepsis sind die Ausnahme. Eine geringgradige Vergrößerung der Milz lässt sich häufig feststellen, während eine Splenomegalie jedoch die Ausnahme ist. Im Gegensatz zu Kleinkindern führt die Mehrzahl der erwachsenen
Patienten mit primärer AIN ein durch die Krankheit wenig beeinträchtigtes Leben. Die Diagnose wird nicht selten erst bei der Abklärung einer unklaren Granulozytopenie im Rahmen einer Operationsvorbereitung gestellt. z Verlauf Im Kindesalter zeigt die primäre AIN regelhaft einen selbstlimitierenden Verlauf von durchschnittlich 13–17 Monaten [9]. Nur bei 5–10 % der Kinder persistiert die primäre AIN über das vierte Lebensjahr hinaus. Ein vermehrtes Auftreten von Autoimmunerkrankungen im weiteren Lebensverlauf wurde bisher nicht beobachtet. Im Erwachsenenalter kann es ebenfalls zu Spontanremissionen kommen, jedoch bei weitem nicht so regelhaft wie im Kleinkindesalter. z Pathogenese Da die primäre AIN bevorzugt im Säuglingsalter auftritt und keine Assoziation zu einer vorausgehenden Virusinfektion besteht, wird angenommen, dass ihr Auftreten und der selbstlimitierte Verlauf mit der Keimbesiedlung des Darmes und der transitorischen Unreife der regulatorischen T-Zellen zusammenhängt. Auffällig ist, dass die Autoantikörper häufig gegen das HNA-1a-Antigen, einen Polymorphismus des Fcγ-Rezeptors IIIb, gerichtet sind, welcher die Phagozytose von Bakterien durch neutrophile Granulozyten begünstigt. Patienten mit HNA-1a-Autoantikörpern zeigen signifikant häufiger bestimmte HLA-Klasse-II-Merkmale [5]. Eine rein genetische Ursache scheidet jedoch aufgrund von Untersuchungen bei eineiigen Zwillingen aus. Wie bei anderen immunhämatologischen Erkrankungen ist die Milz auch bei der AIN ein wesentlicher Ort des Zellabbaus, weshalb bei erwachsenen Patienten die Splenektomie zu einer – wenn auch meist temporären – Remission führte. Allerdings wurden auch bereits durch Knochenmarksmakrophagen phagozytierte neutrophile Granulozyten bei Patienten mit primärer AIN beobachtet.
8.4.2
Sekundäre Autoimmunneutropenie
Die sekundäre AIN tritt im Gefolge bestimmter Erkrankungen oder nach der Einnahme von Medikamenten auf und ist eine typische Erkrankung des Erwachsenenalters [6]. Gehäuft wurden autoantikörperbedingte Neutropenien u. a. bei lymphoproliferativen Erkrankungen und im Verlauf von deren Behandlung beobachtet. So kann es bei der chronisch lymphatischen Leukämie durch die Behandlung mit Fludarabin und anderen Immunsuppressiva zu einer verschlechterten T-Zell-Kontrolle und damit zum Auftauchen aberranter B-Zell-Klone kommen, die neutrophile Autoantikörper bilden [29]. Beim autoimmunen lymphoproliferativen Syndrom (ALPS), dem ein lymphozytärer Apoptosedefekt zugrunde liegt, tritt eine AIN in 19–46 % der Fälle auf [20]. Unter den Autoimmunerkrankungen können insbesondere der systemische Lupus erythematodes und das Sjögren-Syndrom mit einer autoantikörperbedingten Neutropenie einhergehen. Patienten mit autoimmunhämolytischer Anämie, Immunthrombozytopenie oder mit dem Evans-Syndrom (autoimmunhämolytische Anämie mit Autoimmunthrombozytopenie) entwickeln ebenfalls häufig Immunneutropenien. Selten hingegen findet man Granulozytenautoantikörper bei Patienten mit Felty-Syndrom, d. h. einer rheumatoiden Arthritis mit Neutropenie und Splenomegalie. Die oft beschriebenen erhöhten Werte von granulozytenassoziiertem Immunglobulin beim Felty-Syndrom sind in der weit überwiegenden Zahl Folge der Anlagerung von Immunkomplexen aus dem
8
102
Kapitel 8 • Immunreaktionen gegen neutrophile Granulozyten
Plasma und nicht Ausdruck der Bindung von granulozytenspezifischen Autoantikörpern [8]. Schließlich können im Verlauf bestimmter viraler Infektionskrankheiten wie Epstein-Barr-Virus- und HI-Virus-Infektionen Autoimmunneutropenien auftreten.
8
z Diagnostik Im peripheren Blutbild findet sich neben der Granulozytopenie eine relative Lymphozytose, jedoch ist die absolute Lymphozytenzahl selten erhöht. Reaktive Monozytosen können auftreten, kommen aber nicht regelhaft vor. Im Knochenmarkausstrich zeigt sich gewöhnlich ein normo- bis hyperzelluläres Mark mit mehr oder minder stark ausgeprägter Linksverschiebung, gelegentlich fehlen die reifen und stabkernigen Granulozyten völlig, so dass der – falsche – Eindruck eines Reifungsstopps entstehen kann. Nur in wenigen Fällen zeigt die Knochenmarksuntersuchung eine ausgeprägte Hypozellularität mit reduzierter Myelopoese. Die Diagnose wird serologisch durch den Nachweis freier, d. h. nicht zellgebundener granulozytärer Autoantikörper im Plasma des Patienten gestellt. Der direkte Nachweis von Antikörpern auf den Granulozyten ist auf Grund der geringen Granulozytenzahl im Patientenblut und der raschen Autolyse von Granulozyten in vitro oft nicht möglich und angesichts der unspezifischen Anlagerung von Immunglobulinen an die Membran aktivierter Patientengranulozyten von geringer Aussagekraft. z Therapie Da die neutropeniebedingten Infektionen gewöhnlich nicht lebensbedrohend sind, stehen die symptomatische Therapie und die Infektionsprophylaxe mit Antibiotika im Vordergrund. So hat sich bei Patienten mit rezidivierenden Infektionen die prophylaktische Gabe von Cotrimoxazol bewährt [19]. Eine spezifische Therapie zur Anhebung der Granulozytenzahlen ist nur bei schwerwiegenden Infektionen oder bei Risikopatienten notwendig. Kortikosteroide sind nicht zuverlässig wirksam [9] und schwächen die körpereigene Abwehr zusätzlich. Hochdosiertes intravenöses Immunglobulin (IVIG) wurde in Dosierungen von 0,4 g/kg für 5–7 bzw. 1 g/kg für 2–3 aufeinanderfolgende Tage besonders im Kindesalter mit Erfolg eingesetzt [9]. Allerdings ist auch IVIG nicht regelhaft wirksam, und die Erhöhung der Granulozytenzahlen ist in zumeist nur vorübergehend. Mit gutem Erfolg wurde hingegen der Wachstumsfaktor G-CSF angwandt [32]. In Dosierungen von 3–10 μg/kg und Tag kommt es vergleichsweise regelhaft zu einem Anstieg der Neutrophilenzahl innerhalb weniger Tage. Schließlich wurde in anekdotischen Fällen eine Vielzahl anderer Medikamente (u. a. Cyclophosphamid, Anti-RhD-Immunglobulin, Campath-1H, Cyclosporin, Vincristin, Anti-CD20) zur spezifischen Behandlung der AIN eingesetzt. Die Splenektomie wurde wegen der damit verbundenen Infektionsgefahr nur im Erwachsenenalter durchgeführt. Die AIN sprach zwar initial gut auf die Splenektomie an, jedoch waren Rezidive häufig. 8.5
Medikamenten-induzierte Immunneutropenie
Erstmals 1952 bei Pyramidon-induzierter Agranulozytose wahrscheinlich gemacht [25], wurden in der Folge zahlreiche Medikamente angeschuldigt, Immunneutropenien induzieren zu können [33]. Hierzu gehören u. a. Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine), Thyreostatika (Carbimazol, Propylthiouracil, Methamizol) und Anti-Malaria-Mittel (Chinin, Amodiaquin). Einige Medikamente
induzieren die Bildung klassischer granulozytärer Autoantikörper, während die Mehrzahl mit Strukturen der Granulozytenmembran Neoantigene bilden, die zur Bildung medikamentabhängiger Antikörper führen. Bislang konnten nur für wenige Medikamente die Bindungspartner auf der Granulozytenmembran identifiziert werden. So vermögen Chinin mit dem NB1-Glykoprotein (CD177) und Carbimazol mit dem Adhäsionsmolekül PECAM-1 und dem Fcγ-Rezeptor IIIb (CD16b) Neoantigene bilden, die zur Bildung chinin- und carbimazolabhängiger Granulozytenantikörper führen. Im Gegensatz zu den klassischen Autoantikörpern sind medikamentabhängige Antikörper nur bei Anwesenheit des Medikamentes oder seiner Metaboliten in vivo wirksam und können in vitro nur in deren Anwesenheit serologisch nachgewiesen werden. Da die Antikörperkonzentration nach Absetzen des Medikamentes innerhalb kurzer Zeit unter die Nachweisgrenze sinken kann, sollte die Antikörperdiagnostik frühzeitig erfolgen. 8.6
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz
Die transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) wurde erstmals 1951 beschrieben [1]. Sie ist gekennzeichnet durch eine akute Atemnot und/oder deutliche Hypoxämie (bewusstlose Patienten) im Verlauf oder innerhalb von 6 h nach einer Bluttransfusion. Häufig findet man auch Hypotension und Fieber. Pathologisch zeigt sich das Bild eines nichtkardiogenen Lungenödems. Zur Diagnose einer TRALI gehören neben der akuten Atemnot bzw. Hypoxämie radiologisch nachweisbare bilaterale Lungeninfiltrate innerhalb von 6 h nach einer Bluttransfusion sowie fehlende Hinweise auf eine kardiale Ursache oder eine Volumenüberladung [3]. Hinsichtlich der TRALI-Auslöser unterscheidet man eine antikörperbedingte Form von einer nichtimmunogenen TRALI. Für erstere sind leukozytäre Antikörper des Blutspenders im transfundierten Blutpräparat verantwortlich, die an die Granulozyten des Empfängers binden und deren Akkumulation im Kapillarbett der Lunge verstärken. Die Antikörper können auch zu einer Granulozytopenie und über die Freisetzung von Pyrogenen aus den Granulozyten zu einem Temperaturanstieg führen. In den Lungenkapillaren setzen die stimulierten Granulozyten Sauerstoffradikale und Enzyme frei, welche das Kapillarendothel schädigen und so zum Austritt von Plasma und der Granulozyten selbst in das umgebende Gewebe führen [4]. Unter den leukozytären, d. h. HLA- und HNA-Antikörpern kommt den HNA-3a-, HLA-A2- und HLA-Klasse-II-Antikörpern besondere klinische Bedeutung zu [28]. Mit der Einführung der generellen Leukozytenreduktion von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten ist die Auslösung von TRALI durch leukozytäre Antikörper im Patientenblut nicht mehr beobachtet worden. Für die nichtimmunogene TRALI wird die Bildung Granulozyten-aktivierender Substanzen (bioaktive Lipide, Zytokine) in gelagerten Thrombozyten- und Erythrozytenkonzentraten als ursächlich für die Granulozytenstimulation angenommen. Patienten mit antikörperbedingtem TRALI müssen in 70 % der Fälle intubiert und künstlich beatmet werden [27]. Die Letalität schwankt je nach Untersuchung zwischen 5 % und 28 %. Der Verlauf der nichtimmunogenen TRALI ist hingegen blander; in einer Studie mussten nur 4 % der Patienten künstlich beatmet werden, und die Letalität lag bei 1 % [31]. Schwere TRALI-Reaktionen zeigen oft chirurgische und Intensivpatienten. Typisch ist das aus Sicht der behandelnden Ärzte plötzliche, völlig unerwartete Auftreten. Nicht selten äußert sich die antikörperbedingte TRALI dadurch, dass der beatmete Patient trotz adäquatem Sauerstoffanteils im Be-
103
Literatur
atmungsgemisch plötzlich hypoxisch wird und Schaum aus dem Tubus quillt. Wichtig für die Prognose sind das rechtzeitige Erkennen von TRALI und die Einleitung der künstlichen Beatmung. Der Wert der Kortikosteroidgabe ist unklar, von der Diuretikagabe wird abgeraten. Da leukozytäre Antikörper vor allem von Frauen während der Schwangerschaft gebildet werden – ohne dass diese für die Frauen selbst von Nachteil wären – werden von einigen Blutspendediensten zur TRALI-Prophylaxe nur noch Plasmen von Männern oder von auf leukozytäre Antikörper getesteten Frauen ausgegeben. 8.7
Transfusionsassoziierte Alloimmunneutropenie
Nach der Gabe von plasmareduziertem Blut sowie Erythrozytenkonzentrat ohne Additivlösung (Restplasmamengen 20–100 ml), die einen granulozytären Alloantikörper der Spezifität Anti-HNA1b enthielten, wurde bei den Blutempfängern eine transiente Neutropenie beobachtet. Die Patienten zeigten jedoch keine Atemnot oder radiographisch nachweisbare Lungeninflitrate, wie sie typisch für die transfusionsassoziierte Lungeninsuffizienz sind. Nach Gabe von G-CSF normalisierte sich die Granulozytenzahl wieder [34]. 8.8
Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion
Gelegentlich können auch granulozytäre Antikörper im Blut des Empfängers eine febrilen Transfusionsreaktion auslösen [11]. Mit der Einführung der Leukozytenreduktion für Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten dürften solche Reaktionen jedoch nur noch ausnahmsweise auftreten. 8.9
Ineffektive Granulozytentransfusion
Präformierte granulozytäre Alloantikörper beim Patienten führen zu einer verminderten Wiederfindungsrate der transfundierten Granulozyten, wobei es zu einer Akkumulation u. a. in der Lunge sowie zu einer Hemmung der Auswanderung der Granulozyten aus der Blutbahn an den Infektionsort kommt [24]. Ferner muss damit gerechnet werden, dass sie nach Transfusion eines inkompatiblen Granulozytenkonzentrats eine schwere pulmonale Transfusionsreaktion (TRALI) auslösen können [30].
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Kapitel 8 • Immunreaktionen gegen neutrophile Granulozyten
for chronic lymphcytic leukaemia: a report of three cases. Br J Haematol 136:345–349 Sachs UJH, Bux J (2003) Transfusion-related acute lung injury (TRALI) after the transfusion of cross-match positive granulocytes. Transfusion 43:1683–1686 Silliman CC, Boshkov LK, Mehdizadehkashi Z, Elzi DJ, Dickey WO, Podlosky L, Clarke G, Ambruso DR (2003) Transfusion-related acute lung injury: epidemiology and a prospective analysis of etiologic factors. Blood 101:454–462 Smith MA, Smith JG (2001) The use of granulocyte colony-stimulating factor for treatment of autoimmune neutropenia. Curr Opin Haemtol 8:165–169 Stroncek DF (1993) Drug-induced immune neutropenia. Transfus Med Rev 7:268–274 Wallis JP, Haynes S, Stark G, Green FA, Lucas GF, Chapman CE (2002) Transfusion-related alloimmune neutropenia: an undescribed complication of blood transfusion. Lancet 360:1073–1074
105
Eisenstoffwechsel P. Schuff-Werner
9.1
Homöostase und physiologische Bedeutung des Eisens – 106
9.2
Molekulare Mechanismen der Eisenresorption – 106
9.2.1 9.2.2
Hepcidin – 107 Zelluläre Eisensensoren und Regulation der Eisenhomöostase – 108
9.3
Eisenspeicherung – 110
9.4
Eisenüberladung – 110
9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4
Hereditäre Hämochromatose – 110 Molekulare Pathogenese und Pathophysiologie der primären Hämochromatose – 112 Sekundäre Hämochromatose – 112 Therapie der Eisenüberladung – 113
9.5
Eisenmangel – 114
9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4
Eisenmangelanämie – 114 Anämie der chronischen Entzündung – 114 Eisenrefraktäre Eisenmangelanämie – 115 Therapie des Eisenmangels – 115
9.6
Blutspende, Transfusion und Eisenstatus – 116
9.7
Laboruntersuchungen zur Erfassung des Eisenstatus – 117
9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4 9.7.5 9.7.6 9.7.7 9.7.8 9.7.9 9.7.10 9.7.11 9.7.12
Serumeisen – 117 Eisenbelastungstest – 117 Eisenbindungskapazität – 117 Serumferritin – 117 Serumtransferrin – 117 Transferrinsättigung – 118 Transferrinrezeptor – 118 Löslicher Transferrinrezeptor im Serum (sTfR) – 118 sTfR-Index – 118 Retikulozytenhämoglobin – 118 Hepcidin – 118 Molekulargenetische Untersuchungen – 118
9.8
Perspektiven – 119 Literatur – 119
9
106
Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
Eisen ist als Spurenelement ein essenzieller Nahrungsbestandteil, der für die Aufrechterhaltung des Zellmetabolismus und der aeroben Atmung unentbehrlich ist. Die notwendige exogene Zufuhr von Eisen ist Voraussetzung für eine ausreichende Erythropoese. Auch als Coenzym und Katalysator lebenswichtiger biochemischer Reaktionsabläufe ist Eisen für den humanen Organismus unverzichtbar
9.1
9
Homöostase und physiologische Bedeutung des Eisens
Elektrochemisch ist Eisen sowohl Elektronenakzeptor als auch Elektronendonator: Eisen kann sehr schnell von der elektrochemischen Wertigkeit des zweiwertigen Eisens (Fe2+) in dreiwertiges Eisen (Fe3+) übergehen. Ein solcher Transfer von Elektronen zwischen Molekülen, die als Elektonendonatoren bzw. Elektronenakzeptoren dienen, ist für klassische Redoxreaktionen charakteristisch und bildet die Basis der Energiegewinnung des Organismus. Oxidation und Reduktion spielen eine vitale Rolle bei vielen metabolischen Prozessen. Eisen wird unter anderem für die DNASynthese benötigt, es katalysiert als Schlüsselelement in den Cytochrom-P450-Enzymen die mitochondriale oxidative Phosphorylierung und hat entscheidende Bedeutung als zentrales Molekül im Häm für Bindung, Transport und Freisetzung von Sauerstoff. Aufgrund seiner chemischen Reaktivität als Oxidationsmittel besitzt Eisen aber auch ein hohes Schädigungspotenzial [20], was insbesondere durch die Generierung hochreaktiver toxischer Sauerstoffspecies (sog. »respiratory burst«) und die damit verbundene Peroxidation zum Beispiel von Membranlipiden zum Ausdruck kommt [41][85]. Im Laufe der Evolution haben sich komplexe Mechanismen entwickelt, die einerseits die extrazelluläre Eisenmenge in ausreichender Konzentration aufrecht erhalten, andererseits aber eine Akkumulation oder Überladung mit Eisen verhindern. Der menschliche Organismus verfügt über keinen wirksamen oder gar regulierten Mechanismus der Eisenausscheidung: Sie erfolgt über die physiologische Abschilferung von Haut- und Darmschleimhautzellen sowie über einen in der Regel minimalen intestinalen Blutverlust, bei Frauen außerdem über den menstruellen Blutverlust [26]. Die extrazelluläre Eisenkonzentration und damit die Versorgung der Zellen mit dem notwendigen Eisen hängen also von der Eisenabsorption, der Eisenspeicherung und der Eisenwiederverwertung ab. Das gesamte Körpereisen beträgt beim Mann ungefähr 35– 45 mg/kg Körpergewicht, das entspricht etwa 3-4 g für einen Mann mit einem Körpergewicht zwischen 75 und 80 kg, davon entfallen etwa zwei Drittel auf den Hämanteil des Hämoglobins der erythropoetischen Vorläuferzellen und der reifen Erythrozyten. Weitere 10 % sind im Myoglobin der Muskelfasern und in anderen Geweben als Enzyme oder Zytochrome gebunden. Das verbleibende Eisen wird in der Leber oder in Makrophagen des mononukleären phagozytären Systems (MPS) und im Knochenmark gespeichert. Die reguläre Erythrozytenüberlebenszeit beträgt etwa 120 Tage. Das bedeutet, dass unter normalen Umständen täglich ein gepacktes Erythrozytenvolumen von maximal 20 ml abgebaut wird, was einem Eisenverlust von etwa 20 mg entspricht. Die gleiche Menge wird täglich für die Hämoglobinproduktion neu gebildeter Erythrozyten benötigt. Ein entsprechend höherer Bedarf besteht zwangsläufig im Rahmen von akuten, mehr noch von chronischen Blutverlusten, einschließlich der Blut- oder Erythrozytenspende.
Die in ganz engen Grenzen regulierte tägliche Eisenaufnahme über die Nahrung beträgt nur etwa 1–2 mg. Der weitaus größere Bedarf wird aus dem Hämoglobinabbau im Rahmen der Erythrozytenmauserung gedeckt. Diese Eisenreutilisierung erfolgt nach Phagozytose alter und beschädigter Erythrozyten durch die Makrophagen des MPS, wobei das aus Hämoglobin stammende Häm von Leber- und Milzmakrophagen abgebaut wird. Die Katabolisierung erfolgt durch die zytosolische Hämoxigenase-1, bei der Eisen freigesetzt und direkt durch den Eisentransporter Ferroportin in die Zirkulation gebracht wird. Häm kann aber auch direkt über den Hämexporter FLVCR (»feline leukemia virus subgoup C receptor«) der Makrophagenmembran exportiert werden. Dieser Rezeptor spielt eine entscheidende Rolle bei der Entfernung von überschüssigem Häm aus unreifen Erythrozyten und Hepatozyten [51]. Häm wird im Plasma von Hämopexin gebunden und zum Hepatozyten transportiert, wo es dann endgültig abgebaut wird. Nur geringe Mengen des rezirkulierenden Eisens stammen aus abgebautem Myoglobin und degradierten eisenhaltigen Redoxenzymen. Die meisten Zellen decken ihren Eisenbedarf über die Expression des Transferrinrezeptors 1 (TfR1). Dieser bindet Transferringebundenes Eisen, und nach Internalisiserung des Rezeptor-Liganden-Komplexes wird hieraus im sauren Milieu der Endosomen Eisen freisetzt. Das 3-wertige Eisen wird durch die Eisenreduktase Steap 3 reduziert und steht dann für den Bedarf der Zelle oder für die Speicherung zur Verfügung [84]. 9.2
Molekulare Mechanismen der Eisenresorption
Von der Resorption bis hin zur Utilisierung muss Eisen über unterschiedliche Zellmembranen transportiert werden. Hierfür stehen spezifische Transmembranproteine (»Eisentransporter«) zur Verfügung. Die resorptiven Duodenalzellen nehmen Hämeisen und NichtHämeisen aus der Nahrung auf, wobei einerseits der intestinale Hämtransporter HCP1 [105] und andererseits divalente Metalltransporter wie der Protonen-Metall-Symporter DMT1 beteiligt sind [44]. Das intestinale Hämeisen wird nach dessen Resorption durch die Hämoxygenase-1 (HMOX-1) freigesetzt. Das nicht in die Hämstruktur eingebaute Nahrungseisen liegt in der schwerlöslichen 3-wertigen Form als Fe3+ vor und muss daher zunächst durch die duodenale Cytochrom-b-ähnliche Ferrireduktase (Dcytb) zu Fe2+ reduziert werden, bevor es über den divalenten Metalltransporter (DMT1) der Bürstensaummembran in den Enterozyten transportiert werden kann . Abb. 9.1. Das solchermaßen aufgenommene Eisen wird in Ferritinmolekülen als 3-wertiges Eisen gespeichert oder bei Bedarf als 2-wertiges Eisen direkt aus der Zelle über den Eisenexporter Ferroportin wieder ausgeschleust. Wenn der Zelle ein entsprechender zusätzlicher Eisenbedarf signalisiert wird, erfolgt die Freisetzung und Reduktion von in Ferritin gespeichertem Eisen. Das über die basolaterale Bürstensaummembran transportierte Eisen kann erst nach erneuter Oxidation durch die Eisenoxidase Hephaestin oder durch Ceruloplasmin als 3-wertiges Eisen an Transferrin (TF) gebunden im Plasma transportiert werden. Wenn eine Zelle Eisenbedarf hat, signalisiert sie diesen Bedarf über die Expression von Transferrinrezeptoren. Die Menge an Eisen, die über die Enterozyten transportiert wird, ist letztendlich vom Eisenbedarf des Organismus abhängig. Die enterale Eisenaufnahme ist erhöht, wenn Körpereisenvorräte erniedrigt sind oder ein durch eine gesteigerte Erythropoese bedingter erhöhter Bedarf be-
107
9.2 • Molekulare Mechanismen der Eisenresorption
Hämeisen (Fe2+)
Fe 2+ DMT1 Eisenaufnahme (Darmlumen)
Intrazellulärer Eisenpool
Eisentransfer und -speicherung (Enterozyt)
FERRITIN
Fe2+
TfR1
Fe2+
HFE ß2MG
Transferrin
Ferroportin Hephaestin Fe2+
Eisenabgabe und -rezirkulation (Plasma)
Fe3+ + Transferrin
»Fe-Transferrin« . Abb. 9.1 Der duodenale Enterozyt absorbiert 3-wertiges Eisen (Fe3+) aus der Nahrung nach Reduktion zu 2-wertigem Eisen (Fe2+) durch die DcytB-Reduktase in der apikalen Membran des Darmenterozyten. Der Transport über die Bürstensaummembran erfolgt mit Hilfe des divalenten Metalltransporters DMT1. Die Abgabe von Fe2+ erfolgt durch den Eisentransporter Ferroportin an der basolateralen Enterozytenmembran. Nach Oxidation durch Hephaestin oder Ceruloplasmin wird das Eisen als Fe3+ in Transferrin inkorporiert und so im Plasma transportiert. DMT1 Dimetalltransporter 1, HFE Hämochromatoseprotein, TfR1 Transferrinrezeptor 1, β2MG β2-Mikroglobulin
steht. Die Faktoren, die die Eisenabsorption verändern bzw. regulieren, wirken über Expressionsänderungen der wichtigsten Transportermoleküle an der apikalen Bürstensaummembran der duodenalen Enterozyten, insbesondere von DMT1, Dcytb und Ferroportin. Hierbei handelt es sich aber nicht (wie bisher angenommen) um eine überwiegend lokale zelluläre Regulation der Ausschleusung des Ferroportin-Eisen-Komplexes aus den Enterozyten, sondern vielmehr um eine systemische Regulation. Das entscheidende Regulatorprotein ist das in der Leber in Abhängigkeit vom Eisenbestand bzw. -bedarf des Körpers gebildete Peptidhormon Hepcidin. Damit spielt die Leber eine zentrale Rolle in der Regulation der Eisenhomöostase.
9.2.1
Hepcidin
Hepcidin hält als eigentliches regulatorisches Peptidhormon des Eisenstoffwechsels (»watcher of iron«) die Eisenhomöostase, insbesondere die extrazelluläre Eisenkonzentration, in engen Grenzen aufrecht. Hepcidin wird durch das sogenannte HAMP-Gen kodiert. Die Synthese in der Leberzelle erfolgt als Präprohepcidin, ein aus 87 Aminosäuren bestehendes Peptid. Unter Einwirkung einer Signalpeptidase und der Prohormon-Konvertase Furin entsteht im Hepatozyten die bioaktive Form, ein 25 Aminosäuren enthaltendes Peptid, das im Plasma zirkuliert und über den Urin ausgeschieden wird [120].
Hepcidin reguliert sowohl die Abgabe von Eisen aus den resorptiven Enterozyten des Dünndarms als auch die Abgabe von Eisen aus eisenspeichernden Hepatozyten und Makrophagen, die das Eisen untergehender Erythrozyten rezirkulieren. Auf molekularer Ebene bindet Hepcidin an Ferroportin, den einzigen bisher bekannten Eisen-ausschleusenden Transporter. Der Hepcidin-Ferroportin-Komplex wird dann phosphoryliert, internalisiert und lysosomal degradiert [75]. Hierdurch wird die weitere Auschleusung von Eisen aus der Zelle unterbunden (. Abb. 9.2). Die um das N-terminale Ende verkürzten Abbauprodukte des Hepcidins, die nicht mehr an Ferroportin binden können und damit biologisch für den beschriebenen Prozess nicht mehr wirksam sind, lassen sich im Plasma und im Urin nachweisen. Die Hepcidinsynthese wird physiologischerweise bei erhöhtem Plasmaeisenspiegel herauf- und bei erhöhter erythropoetischer Aktivität mit entsprechendem Eisenbedarf heruntergeregelt. Im Zusammenhang mit entzündlichem Geschehen ist die Hepcidinbildung aufgrund des Einflusses von IL-6 (Akute-Phase-Reaktion) pathologisch gesteigert [74]. Erhöhte Hepcidinkonzentrationen spielen daher eine entscheidende Rolle bei der entzündungsinduzierten Anämie sowie der Eisenmangelanämie. Bei der Eisenüberladung im Zusammenhang mit den meisten hereditären Hämochromatosen und im Zusammenhang mit den eisenspeichernden Anämien wie der Thalassämie werden fehlende oder stark erniedrigte Hepcidinspiegel [73][90] als ursächlich angesehen.
9
108
Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
Hämeisen (Fe 2+)
Fe 2+ DMT1
Eisenaufnahme (Darmlumen)
Intrazellulärer Eisenpool
Eisentransfer und -speicherung (Enterozyt)
FERRITIN
FERRITIN
Fe2+
Fe2+
ß2MG
9
Fe2+
HFE
TfR1
Transferrin
Intrazellulärer Eisenpool
Ferroportin
Eisenabgabe und -rezirkulation (Plasma) Ferroportin
Hephaestin Fe2+
Hepcidin Fe3+ + Transferrin
Fe2+
»Fe-Transferrin« . Abb. 9.2 Die Bildung und Freisetzung des »eisenregulierenden Hormons« Hepcidin in der Leberzelle erfolgt negativ reguliert in Abhängigkeit vom Körpergesamteisenspiegel. Als »Akute-Phase-Protein« kann Hepcidin durch zirkulierende Entzündungsmediatoren wie z. B. lnterleukin-6 heraufreguliert werden. Hepcidin führt zur Internalisierung und Degradierung von Ferroportin, wodurch enterozytäres oder makrophagozytäres Eisen in der Zelle zurückgehalten wird bzw. nicht ausgeschleust werden kann. Bei Eisenbedarf oder infolge einer chronischen Hypoxie wird die Hepcidinexpression herunterreguliert. Eisen kann dann vermehrt über das exprimierte Ferroportin aus der Zelle exportiert, an Transferrin gebunden und zu den erythrozytären Vorstufen transportiert werden. DMT1 Dimetalltransporter 1, HFE Hämochromatoseprotein, TfR1 Transferrinrezeptor 1, β2MG β2-Mikroglobulin
9.2.2
Zelluläre Eisensensoren und Regulation der Eisenhomöostase
Die Zellen, insbesondere die unreifen Blutzellen, decken ihren Eisenbedarf über die bedarfsorientierte Expression des Transferrinrezeptors 1 (TfR1), der die Aufnahme von Transferrin-gebundenem Eisen vermittelt. Der Rezeptor-Transferrin-Eisenkomplex wird anschließend internalisiert, das Eisen im sauren Milieu der Endosomen aus der Bindung an das Transportprotein gelöst und durch die Ferrireduktase Steap 3 reduziert. Der für den Transport über die Vesikelmembran notwendige Eisentransporter in unreifen Blutzellen ist der Dimetalltransporter 1 (DMT1), der damit der Zelle Eisen z. B. für die Hämsynthese oder zur Speicherung zur Verfügung stellt [84]. Der Eisenbedarf bzw. die Eisenaufnahme ist in etwa der TfR1Expression an der Zelloberfläche proportional; diese wird nach heutiger Kenntnis über sog. »Eisenresponseproteine« (IRP) und »mRNA-stem-loop-Strukturen«, den sog. »Eisenresponseelementen« (IRE), vermittelt [24][126]. Die an TfR1-mRNA bindenden Eisenresponseelemente destabilisieren die mRNA des Transferrinrezeptors 1, wenn der zytosolische Eisenspiegel hoch ist. Ist der zelluläre Eisenspiegel niedrig und damit der Eisenbedarf erhöht, dann binden die Eisenresponseelemente an Eisenresponseproteine und nicht an die Rezeptor-RNA, wodurch die TfRm-RNA stabili-
siert wird. Die Bedeutung der Eisenresponseproteine wird dadurch unterstrichen, dass das Fehlen von IRP1 und IRP2 in Knock-outMäusen letal ist, da die Epithelzellen des Darmes aufgrund eines Eisenmangels absterben [33]. Nach heutigem Wissen wird angenommen, dass die Leber oder vielmehr der Hepatozyt eine zentrale Rolle bei der Erfassung des aktuellen Eisenbedarfs und damit des gespeicherten Gesamtkörpereisens spielt. Die besondere Rolle der Leber im Eisenstoffwechsel beschränkt sich nicht nur auf die Bildung und Freisetzung von Hepcidin: Lebermakrophagen nehmen Hämoglobin aus zugrundegehenden Erythrozyten über den Hämoglobin-Haptoglobin-Rezeptor auf, bergen das aus dem Häm freigesetzte Eisen und stellen es als zweiwertiges Eisen gebunden an Ferroportin (FPN) wieder zur Verfügung. Hepatozyten synthetisieren darüber hinaus Ferritin, das die Speicherung von Eisen ermöglicht, und Coeruloplasmin, das die Ausschleusung von Speichereisen mittels Ferroportin aus den Zellen erst durch Reduktion des 3-wertigen Speichereisens ermöglicht. Hepatozyten nehmen sowohl an Transferrin gebundenes Eisen über die Transferrinrezeptoren 1 und 2 als auch Eisen in nicht an Transferrin gebundener Form (»non-transferrin bound iron«, NTBI) auf, so z. B. das im Häm eingebaute Eisen, das über den Häm-Hämopexin-Rezeptor internalisiert wird. Hepatozyten sind in der Lage, Eisen sowohl in Ferritin als auch in degradiertes Ferritin (Hämosiderin) einzulagern.
109
9.2 • Molekulare Mechanismen der Eisenresorption
Tf
BMP
HJV
Tf
?
Tf
Tf HJV
neogenin
BMPR
TfR2
SMAD4 HJV
HFE
?
Tf
Hepcidin
? Nukleus
neogenin
DNA furin
Hepcidin-mRNA
Transskription
. Abb. 9.3 Die Hepcidintranskription wird durch Hämojuvelin (HJV) reguliert, das als Korezeptor für BMP agiert. Zuvor muss allerdings Hämojuvelin freigesetzt werden, was eine intrazelluläre Bindung an Neogenin voraussetzt, dies wiederum ist abhängig von der Abspaltung des HJV durch die Protease Furin. Durch die Bindung der mit HJV komplexierten BMP an BMP-Rezeptoren wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt, die zur Translokation von SMAD4 zum Zellkern führt. Hierdurch wird die Hepcidintranskription induziert. Die HJV-Freisetzung wird durch Transferrin (Tf) blockiert; lösliches HJV inhibiert das BMPvermittelte Signal. Mutationen von TfR2, HFE oder Tf resultieren in einem erniedrigten Hepcidin-mRNA-Signal. Tf stabilisiert TfR2. Der genaue Mechanismus der durch den Tf-TfR2-HFE-Komplex beeinflussten Hepcidintransskription ist derzeit noch unbekannt. BMP »bone morphogenic proteins«, HFE Hämochromatoseprotein, SMAD4 »sons of mothers against decapentaplegic homologues«,TfR2 Transferrinrezeptor 2. (Mod. n. [129])
Die Eisenhomöostase wird im Wesentlichen über die Regulation der Hepcidinexpression geregelt; hierbei sind neben den durch chronisch hypoxämische Zustände induzierbaren Faktoren (HIF) auch erythropoetische Faktoren und Entzündungsmediatoren sowie weitere beim Eisenstoffwechsel beteiligten Komponenten wie das Hämojuvelin, die »bone morphogenic proteins« (BMP), der Transferrinrezeptor 2, das hereditäre Hämochromatoseprotein (HFE) und das Transferrin regulativ beteiligt (. Abb. 9.3). Hämojuvelin ist ein über Glykosylphosphoinositid an die Zelloberfläche gebundenes Protein, das Homologien zu den im ZNS exprimierten »repulsive-guidance«-Molekülen (RGM) aufweist. Diese haben einen neuronal wachstumsfördernden Effekt als Korezeptoren für BMP, was wiederum darauf hinweist, das Eisen auch von zentral-nervöser Bedeutung ist [65]. Offensichtlich kommt dem Hämojuvelin, das insbesondere im Skelett- und Herzmuskel, dagegen weniger stark in der Leber exprimiert wird, eine zentrale Rolle bei der Regulation der hepatischen Hepcidinfreisetzung zu. Hämojuvelin ist Korezeptor für BMP und kann über Verstärkung der BMP-vermittelten Signaltransduktion die hepatische Hepcidinexpression erhöhen. Diese als »bone morphogenic proteins« bezeichneten Zytokine gehören zur sogenannten TGF-β-Superfamilie [3]. Es handelt sich um lösliche parakrine oder autokrine Faktoren, die über Phosphorylisierungsschritte eine intrazelluläre Signalkaskade, welche sog. SMAD (»sons of mothers against decapentaplegic homologues«) einschließt, aktivieren. Nach Translokation von SMAD4 in den Zellkern und Bindung an »BMPresponsive DNA elements« (BREs) wird die Hepcidintranskription stimuliert [25].
Die Freisetzung von Hämojuvelin aus der Zelle setzt allerdings eine Bindung an Neogenin und eine proteolytische Spaltung durch Furin voraus. Lösliches Hämojuvelin inhibiert die durch BMPs ausgelöste Signaltransduktion. Transferrin wiederum kann die Freisetzung von löslichem Hämojuvelin inhibieren (. Abb. 9.3). Die Bedeutung der BMP-SMAD-Signalkaskade geht daraus hervor, dass bei leberspezifischer Unterbrechung dieser Kaskade in Mäusen die Hepcidinexpression unterdrückt und Eisen vermehrt in der Leber und anderen Organen abgelagert wird. Es gibt Hinweise darauf, dass das lösliche Hämojuvelin und das an Leberzellmembranen exprimierte Hämojuvelin um die begrenzte Menge an BMP konkurrieren. Andererseits gibt es auch Anhaltspunkte dafür, dass nicht alle BMPs an Hämojuvelin binden; so konnte für BMP7 und BMP9 gezeigt werden, dass sie auch ohne Bindung an Hämojuvelin eine deutliche Hepcidinexpression induzieren können [4][128]. Der hier beschriebene Signaltransduktionspfad über Zytokine der TGF-β-Superfamilie und SMAD4 ist wohl auch bei der im Rahmen von Entzündungen veränderten Hepcidinexpression beteiligt, zumindest weisen Veränderungen der Hepcidinantwort auf IL-6 nach Unterbrechung der SMAD-Signalkette im Tierexperiment darauf hin [122]. Die regulierte Freisetzung von Hämojuvelin hängt von seiner Interaktion mit dem in vielen Geweben exprimierten Membranprotein Neogenin ab. Die Freisetzung unter Einwirkung der Protease Furin wird durch eisenbeladenes Transferrin und möglicherweise auch von nicht an Transferrin gebundenem Eisen negativ reguliert [58][108][128]. Obwohl die molekularen Mechanismen noch nicht
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110
9
Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
im Detail geklärt sind, besteht wohl kaum Zweifel daran, dass der Freisetzung von Hämojuvelin in Abhängigkeit vom Gesamtkörpereisen bei der Regulation des Eisenhaushaltes durch Hepcidin eine Schlüsselrolle zukommt [4]. Der Transferrinrezeptor 2 (TfR2), der Transferrin-gebundendes Eisen mit einer gegenüber dem TfR1 um etwa ein Drittel verminderten Affinität aufnimmt, scheint für die Erfassung bzw. Erkennung des Gesamtkörpereisenstatus ebenfalls Bedeutung zu haben [123]. So ist eine Mutation des TfR2 Ursache einer sehr seltenen Form einer rezessiv vererbten Hämochromatose [12]. Die Regulation des TfR2 erfolgt auf der Ebene der Proteindegradation und ist – abhängig von der Anwesenheit von mit 3-wertigem Eisen beladenem Transferrin – offensichtlich auf die Leber beschränkt. Diese durch Transferrin geregelte TfR2-Expression geht nicht mit einer Änderung der TfR2-mRNA einher, sondern ist von einer Veränderung der Halbwertszeit des Rezeptorproteins abhängig, die wiederum mit der Bindung von Transferrin einhergeht. Das bedeutet, dass der Eisenstatus durch den TfR2 über die Bindung von eisenhaltigem Transferrin erfasst werden kann [49]. Das Hämochromatosegen HFE ist mit TfR2 komplexiert. Mutationen von HFE oder von TfR2 resultieren bei vorgegebener Eisenbeladung in einer deutlichen Abnahme der Hepcidin-mRNA mit entsprechender Steigerung der Eisenaufnahme durch das Darmendothel. Hieraus kann gefolgert werden, dass der HFE-TfR2-Komplex an der Erkennung des Gesamteisenstatus beteiligt ist und dass die HFE-Expression an der Hepatozytenmembran eine Eisenüberladung der Leberzellen verhindert bzw. einer solchen entgegenwirkt [38][103]. Bei chronischer Hypoxie wird die hepatische Hepcidinexpression durch sog. Hypoxie-induzierbare Transkriptionsfaktoren (HIFs) supprimiert. Sie binden an den Promotor des Hepcidingens und regeln damit die Hepcidinexpression herunter, wodurch entsprechend dem gesteigerten erythropoetischen Bedarf vermehrt diätetisches Eisen aufgenommen wird [88]. Die molekulare Kommunikation zwischen den Körpereisenspeichern und dem erythropoetischen System wird noch nicht im Detail verstanden. Sicherlich sind Hepcidin und lösliche Faktoren des Blutes wie Ferritin, eisenbeladenes Ferritin und löslicher Transferrinrezeptor 1 hieran beteiligt; zumal letztere mit dem jeweiligen Eisenstatus fluktuieren. Allerdings spricht einiges dagegen, dass sie der eigentliche Mittler zwischen Erythropoese und Eisenspeicher sind. So wird zwar der Serumspiegel des löslichen Transferrinrezeptors 1 zu etwa 80 % vom Bedarf im Rahmen der Erythrozytenreifung bestimmt [102], er wird aber erst freigesetzt, wenn die Zelle kein weiteres Eisen für die Hämoglobinsynthese benötigt. Neuerdings gilt der Wachstumsdifferenzierungsfaktor GDF15 als möglicher Kandidat für den lange gesuchten »erythroiden Faktor« des Eisenhaushaltes. Er gehört ebenfalls der TGF-ß-Superfamilie an und wird von erythropoetischen Vorläuferzellen gebildet. Entsprechend hoch ist sein Spiegel bei Patienten mit β-Thalassämie und korreliert mit dem Ausmaß der defekten Erythropoese. In vitro konnte der suppressive Effekt von GDF15 auf die Hepcidinexpression bereits belegt werden, womit die These bekräftigt wird, dass die Erythropoese positiv mit der intestinalen Eisenaufnahme und der Mobilisierung der Eisenspeicher verknüpft ist und dass der »erythroide Faktor« vornehmlich die Hepcidinexpression supprimiert, auch wenn bereits eine Eisenüberladung des Organismus besteht [116]. Das erklärt einerseits den dramatischen Anstieg des Eisenumsatzes bei ineffektiver Erythropoese und andererseits auch, warum Patienten mit einer noch nicht transfusionspflichtigen Thalassämie bereits eine Eisenüberladung entwickeln können.
9.3
Eisenspeicherung
Die Zelle kann Eisen in zwei unterschiedlichen Formen speichern: einerseits im Zytosol als Ferritin und andererseits nach Abbau bzw. Degradierung von Ferritin als Hämosiderin in den Siderosomen. Das als Hämosiderin vornehmlich in Makrophagen gespeicherte Eisen stellt normalerweise eine nur sehr kleine Fraktion dar, die aber im Rahmen einer Eisenüberladung dramatisch ansteigen kann. Die Speicherung von Eisen in Makrophagen ist relativ sicher, zumindest führt sie nicht zu oxidativer Schädigung. Unter Einfluss von EPO vermindert sich allerdings die Eisenretention in Makrophagen infolge einer verminderten Expression von DMT1 und einer verstärkten Expression des Eisentransporters Ferroportin 1 [56]. Die Leber ist der andere Hauptspeicherort für Eisen, was insbesondere bei primären und sekundären Eisenspeichererkrankungen mit einer vermehrten eisenabhängigen Bildung freier Radikale und der damit verbundene Lipidperoxidation klinisch relevant ist, da es hierdurch zu einer progressiven Gewebsschädigung mit konsekutivem zirrhotischen Umbau der Leber und letztlich sogar zur Bildung eines hepatozellulären Karzinoms kommen kann. Eisen sequestriert in den Leberzellen vornehmlich in Form von Ferritin oder Hämosiderin. Die Aufnahme des an Transferrin gebundenen Plasmaeisens durch die Leber erfolgt über die Transferrinrezeptoren TfR1 und TfR2. Bei Eisenüberladung wird der TfR1 in den Hepatozyten zwar herunterreguliert, der TfR2 dagegen wird stark exprimiert. Der Transferrinrezeptor 2 wird offensichtlich nicht über ein eisenregulierendes Element (IRE) in Abhängigkeit vom Eisenplasmaspiegel, sondern über die Transferrinsättigung reguliert und daher bei Eisenüberladung heraufreguliert. Offensichtlich spielt dieser Rezeptor eine wesentliche Rolle bei der Eisenspeicherung von Leberzellen im Rahmen der Hämochromatose [106]; zumindest konnte gezeigt werden, dass eine Mutation des TfR2 für die Hämochromatose vom Typ 3 verantwortlich ist [46]. 9.4
Eisenüberladung
Wenn die Mechanismen zur Aufrechterhaltung der Eisenversorgungshomöostase in naturgewollt engen Grenzen allerdings im Sinne einer gesteigerten Eisenresorption gestört sind, dann lagern die Organe und Gewebe vermehrt zelluläres Eisen ein, was bei den angeborenen Formen der Hämochromatose über eine unterschiedlich lange Latenzzeit zum Organversagen führt [111].
9.4.1
Hereditäre Hämochromatose
Grundsätzlich muss zwischen angeborenen (primären) und erworbenen (sekundären) Formen der Eisenüberladung bzw. Eisenablagerung in verschiedenen Organsystemen unterschieden werden. Die primären hereditären Hämochromatosen werden in Abhängigkeit der zugrundeliegenden Mutationen 4 Hämochromatosetypen zugeordnet (. Tab. 9.1). Die »klassische« hereditäre Hämochromatose (Typ 1) ist eine autosomal-rezessiv vererbbare Krankheit, die auf Mutationen im HFE-Gen, das auf dem Chromosom 6 lokalisiert ist [28], zurückgeführt wird. In der Regel basiert diese auf einem einzelnen Basenaustausch, der an der Position 282 des HFE-Proteins zu einer Substitution von Cystein durch Tyrosin führt (C282Y). In der nordeuropäischen Bevölkerung wird diese Mutation in homozygoter Ausprägung bei 5 von 1000 Personen gefunden; das entspricht
111
9.4 • Eisenüberladung
. Tab. 9.1 Vergleichender Überblick über die in der OMIM-Datenbasis (Online-Mendelian-Inheritance-in-Man) geführten hereditären Hämochromatosen HFE-bedingte hereditäre Hämochromatose
Juvenile hereditäre Hämochromatose
TfR2-bedingte hereditäre Hämochromatose
Ferroportin-bedingte Hämochromatose
OMIM -Klassifizierung
Typ 1
Typ 2a
Typ 2b
Typ 3
Typ 4
Betroffenes Gen
HFE
HJV (HFE2)
HAMP
TfR2
SLC40A1
Chromosom
6p21.3
1q21
19q13.1
7q22
2q32
Genprodukt
HFE
Hämojuvelin
Hepcidin
Transferrinrezeptor 2
Ferroportin
Erbgang
Autosomal-rezessiv
Autosomal-rezessiv
Autosomal-rezessiv
Autosomal-dominant
Manifestationsalter
4.–5. Lebensjahrzehnt
2.–3. Lebensjahrzehnt
4.–5. Lebensjahrzehnt
4.–5. Lebensjahrzehnt
Organschädigung
Unterschiedlich
Hoch
Unterschiedlich
Gering
einer 10-fach höheren Prävalenz als der des Genotyps für zystische Fibrose. Die hereditäre Hämochromatose vom Typ1 ist eine Erkrankung, die im Erwachsenenalter manifest wird, wobei Frauen etwa ein Jahrzehnt später als Männer betroffen sind. Die phänotypische Ausprägung ist sehr unterschiedlich [66], manche genotypisch dieser Form der Hämochromatose zuzuordnenden Patienten werden bereits in der 2. Lebensdekade symptomatisch, von anderen Patienten mit homozygotem Genotyp werden weder eine klinische Symptomatik noch laborchemisch fassbare Störungen des Eisenstoffwechsels berichtet [89]. Der Anteil der phänotypisch unauffälligen Patienten mit homozygotem Genotyp wird allerdings mit zunehmendem Alter geringer, d. h. dass die Erkrankung im höheren Lebensalter dann doch klinisch auffällig wird. Eine Vorhersage, in welchem Ausmaß bzw. wann oder ob sich die Mutation überhaupt phänotypisch manifestiert, ist solange nicht sicher möglich, wie man die offensichtlich beteiligten Kofaktoren nicht kennt. HFE-Mutationen wurden auch im Zusammenhang mit anderen Lebererkrankungen gefunden: Bei der Porphyria cutanea tarda (PCT) lassen sich bei 40 % der Patienten molekulargenetische Veränderungen des HFE-Gens nachweisen, was z. B. auch mit erhöhten Serumferritinkonzentrationen und histologisch nachgewiesenen Eisenablagerungen in der Leber einhergeht [98][115]. Häufig bestehen bei Patienten mit Hämochromatose initial uncharakteristische Symptome wie Müdigkeit, allgemeines Krankheitsgefühl und Gelenkbeschwerden, aber auch unklare abdominelle Beschwerden, bevor die Organschädigungen die Symptomatik bestimmen. Bevorzugtes Organ für die Ablagerung von überschüssigem Eisen ist die Leber. Eisen wird vermehrt in den Periportalzellen abgelagert, was mit Fortschreiten der Erkrankung zu einer perilobulären Fibrose führt. In diesem Stadium stehen erhöhte Transaminasen und gegebenenfalls auch eine Hepatomegalie im Vordergrund der fassbaren Symptomatik. Mit zunehmenden Eisenablagerungen in den Kupfferzellen, den Bindegewebssepten und Gallengängen entwickelt sich letztlich eine Leberzirrhose, die mit erhöhtem Risiko der Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms einhergeht [7] [14][80]. Im Pankreas wird Eisen vornehmlich in den B-Zellen des Inselapparates abgelagert, was zum Hämochromatose-assoziierten Diabetes mellitus führen kann [92]. Im Zusammenhang mit einer durch Eisenablagerungen in der Haut bedingten, für die Hämochromatose charakteristischen, braun-grauen Pigmentierung entstand die Bezeichnung »Bronzediabetes«. Aber auch andere endokrine Störungen wie hypogonadotroper Hypogonadismus, Impotenz und
Hypothyreose werden beobachtet und können durchaus erste Symptome einer Eisenüberladung des Organismus sein [92]. Weitere zu organspezifischer klinischer Symptomatik führende Eisenablagerungen findet man im Myokard. Im fortgeschrittenen Stadium imponieren Herzrhythmusstörungen und Myokardiopathien mit konsekutiver Herzinsuffizienz [89]. Seltener werden durch Eiseneinlagerungen bedingte Arthropathien vornehmlich in den Metakarpophalangealgelenken II und III beschrieben, die auch als Arthrose oder rheumatoide Arthritis fehlgedeutet werden [13][39]. Trotz eines abnormen Eisenstoffwechsels wurden bisher keine Auswirkungen auf die Hämatopoese berichtet. Von den anderen bisher beschriebenen, aber seltenen Mutationen des HFE-Gens hat nach derzeitigem Kenntnisstand der Austausch von Histidin gegen Asparagin an der Position 63 (H63D) eine gewisse, wenn auch nur geringe klinische Bedeutung: Wenn eine Heterozygotie für C282Y und H63D zusammentreffen, entwickelt sich bei 1–2 % dieser Patienten phänotypisch eine Hämochromatose Typ 1. Seltenere Formen einer »Compound-Heterozygotie« von C282Y oder H63D und S65C sind in ihrer klinischen Bedeutung umstritten. Eine neue HFE-»splice-site«-Mutante (IVS5+1G/A), die bei einem für diese Mutante homozygoten, in Norddeutschland lebenden Vietnamesen mit einer klinisch-chemisch und leberbioptisch gesicherten Hämochromatose beschrieben wurde, betrifft offensichtlich die transmembrane Domäne des HFE-Proteins, die wiederum für die regulatorische Interaktion mit dem Transferrinrezeptor verantwortlich zeichnet [112]. Die Hoffnung, damit zumindest einen Teil der nicht mit den bisher bekannten Genotypen einhergehenden Eisenüberladungen bei Patienten vietnamesischer Herkunft erklären zu können, ließ sich allerdings nicht bestätigen: Die IVS5+1G/A-Mutante war in größeren Kollektiven nur mit einer geringen Allelfrequenz nachzuweisen. In einem europäischen Kontrollkollektiv ließ sich diese Mutante nicht nachweisen [93][110]. Die wenigen bisher mitgeteilten Fälle einer Hämochromatose Typ 3, die mit der Mutation des Gens, das den Transferrinrezeptor 2 (TfR2) kodiert, assoziiert sind [46], zeigen in der klinischen Ausprägung und auch im Manifestationsalter eine weitgehende Übereinstimmung mit der HFE-assoziierten Hämochromatose (Typ 1); beide werden deshalb auch als hereditäre Hämochromatosen des Erwachsenenalters bezeichnet. Die Formen, die bereits im jugendlichen Alter, d. h. in der zweiten Lebensdekade phänotypisch in Erscheinung treten, verlaufen klinisch sehr viel schwerer und zeigen schon sehr früh laborchemische Zeichen einer massiven Eisenüberladung in Form deutlich erhöhter Ferritinwerte und einer hohen Transferrinsättigung.
9
112
Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
Offensichtlich sind die Organe in der Entwicklungs- und Wachstumsphase deutlich suszeptibler für eine Eisenablagerung als beim Erwachsenen. Die Patienten versterben häufig vor dem 30. Lebensjahr an Herzinsuffizienz infolge der massiven Eisenüberladung des Myokards [89]. Seltene Fälle einer juvenilen hereditären Hämochromatose sind mit einer Mutation des Hepcidin-kodierenden Gens (HAMP-Gen) assoziiert [99]; weit häufiger ist die Form, die mit einer Mutation auf dem Chromosom 1q einhergeht. Auf diesem Chromosom befindet sich das Gen, das Hämojuvelin, ursprünglich auch »HFE2« genannt, kodiert. In Fällen mit familiärer 1q-assoziierter jugendlicher Hämochromatose wurden gehäuft Mutationen des Hämojuvelins gefunden [86]. Phänotypisch unterscheiden sich beide Formen der juvenilen erblichen Hämochromatose kaum, daher werden sie in der OMIMKlassifikation als Typ 2a und 2b zusammengefasst [43].
9.4.2
9
Molekulare Pathogenese und Pathophysiologie der primären Hämochromatose
Die peptidbindende Region des MHC-Klasse-1-ähnlichen HFEProteins (HFE) ist für eine Antigenpräsentation ungeeignet. Ebensowenig ist das HFE-Protein in der Lage, Eisen zu binden. Vielmehr bindet es an β2-Mikroglobulin, um an der Zelloberfläche und an endosomalen Membranen exprimiert werden zu können, wo es mit dem Transferrinrezeptor 1 (TfR1) interagiert [29]. Die C282Y-Mutation des HFE vermindert die Bindungsfähigkeit an β2-Mikroglobulin, wodurch seine Zelloberflächenexpression und die Interaktion mit dem Transferrinrezeptor 1 beeinträchtigt werden. Neuere Untersuchungen an Makrophagenzelllinien von Patienten mit Hämochromatose lassen vermuten, dass intaktes HFE die Aufnahme von an Transferrin gebundenem Eisen über den Transferrinrezeptor begünstigt und direkt oder über noch unidentifizierte Proteine des Eisenstoffwechsels einen Einfluss auf den endosomalen Eisentransport hat [23][127]. Aufgrund des immunhistochemischen Nachweises von HFE in Vorläuferzellen der Enterozyten der intestinalen Krypten und seine Assoziation mit TfR1 wurde postuliert, dass unreife Enterozyten über Mechanismen, die einen aktuellen Eisenmangel signalisieren, ausreifen und in die villösen Krypten einwandern (»crypt-programming model«), um dort vermehrt Eisen aufzunehmen [101]. Die Aufgabe des HFE nach dieser Hypothese war, Eisen im Enterozyten zurückzuhalten, u. a. durch vermehrte Aufnahme von Transferrin und durch Verminderung oder Verhinderung der Eisenabgabe. Dieses Modell wurde durch die Beobachtung gestützt, dass die Enterozyten und Makrophagen, die normalerweise im Rahmen der Reutilisation von Eisen aus dem Häm abgebauter Erythrozyten deutlich mehr Eisen als Enterozyten enthalten bzw. an das Plasma abgeben können, bei Patienten mit hereditärer Hämochromatose relativ eisenarm sind. Sie geben offensichtlich mehr Eisen ab und halten weniger Eisen in der Zelle zurück als gesunde Vergleichspersonen. Aufgrund dieser Beobachtungen wurde angenommen, dass die veränderte Funktionalität des HFE-Proteins zu einer unangemessen hohen Eisenabgabe des Makrophagen ähnlich wie beim Enterozyten führen müsste [68]. Nach dieser Hypothese aus Zeiten vor der Beschreibung des Hepcidins als regulatorisch verantwortliche Komponente des Eisenstoffwechsels galten Enterozyten und Makrophagen und nicht die Leber als primäre Ziele der regulatorischen HFE-Funktion.
Dieses Modell musste allerdings verlassen werden, als erkannt wurde, dass eine Mutation des Hepcidin-kodierenden Gens pathogenetisch für die Entwicklung einer – phänotypisch wie die HFEassoziierte Form verlaufenden – juvenilen hereditären Hämochromatose (Typ 2b) verantwortlich ist. Auch die Beobachtungen, dass bei der klassischen hereditären Hämochromatose die Hepcidinplasmaspiegel deutlich erniedrigt sind und dass die Hepcidinexpression in der Leberzelle herunterreguliert ist, sprechen gegen das »cryptprogramming«. Damit steht fest, dass Hepcidin als »eisenregulierendes Hormon« eine zentrale Rolle bei der phänotypischen Expression der Hämochromatose spielt. Hierfür sprechen auch Untersuchungen in einem entsprechenden »Knock-out- Mausmodell« und ebenfalls die Beobachtung, dass die Eisenablagerung in den Hepatozyten vermieden werden kann, wenn Hepcidin überexprimiert wird [79]. Heute weiß man, dass die 4 autosomal-rezessiv vererbten, genetisch aber unterschiedlichen hereditären Hämochromatoseformen (. Tab. 9.1) ein pathophysiologisch ähnliches Muster aufweisen, obwohl die Mutationen unterschiedliche Proteine wie HFE, Hepcidin (HAMP), Hämojuvelin und den Transferrinrezeptor 2 betreffen: Trotz hoher systemischer Eisenspiegel werden unverhältnismäßig große Mengen Eisen aus dem Darm aufgenommen! Daher findet man bei den autosomal-rezessiven Formen unabhängig von der zugrunde liegenden Mutation einen ungewöhnlich niedrigen Hepcidinspiegel, obwohl das Körpergesamteisen erhöht ist [87]. Offensichtlich korreliert das Ausmaß des Hepcidinmangels mit dem Schweregrad des klinischen Phänotyps. Die parenchymale Eisenüberladung und der relative Eisenmangel im Makrophagen und im Enterozyten charakterisieren den Phänotyp eines niedrigen Hepcidinspiegels und einer übermäßigen Ferroportinexpression bzw. -persistenz [121]. Die autosomal-dominante Form der hereditären Hämochromatose beruht auf einer Mutation des Ferroportins (FPN1), das sich dadurch bedingt funktionell der durch Hepcidin induzierten Herabregulation entzieht. Dieser durch die Natur belegte Zusammenhang zeigt eindeutig, dass die Dysregulation der Hepcidin-Ferroportin-Achse für den Phänotyp der hereditären Hämochromatose entscheidend ist [67][82].
9.4.3
Sekundäre Hämochromatose
Auch die erworbene Eisenüberladung im Sinne einer sekundären Hämochromatose kann zu den von der hereditären Hämochromatose her bekannten Organschäden führen. Eine sekundäre Hämochromatose ist bei Patienten mit Thalassämie, insbesondere der Thalassämia major in ihrer homozygoten Ausprägung, lebenslimitierend, sofern sie nicht konsequent mit einer intensiven EisenchelatbildnerTherapie behandelt wird. Die unbehandelten Patienten sterben häufig in der dritten Lebensdekade aufgrund eines Herzversagens infolge der massiven Eisenablagerung im Myokard [124]. Eine schwere Thalassämie als Grunderkrankung bei sekundärer Hämochromatose ist im Wesentlichen auf den mediterranen Lebensraum begrenzt, gewinnt aber aufgrund der Migration in Europa auch im nordeuropäischen Raum immer mehr an Bedeutung. Andere Erkrankungen, die mit einer sekundären Eisenablagerung einhergehen, sind die insbesondere im höheren Alter auftretenden myelodysplastischen Syndrome mit einer jährlichen Inzidenz über alle Altersgruppen von etwa 4 von 100.000 Personen; bei über 70-Jährigen steigt sie allerdings bis auf das 10-fache an. Wegen der mit dieser Krankheit in der Regel einhergehenden Anämie sind myelodysplastische Syndrome chronisch transfusionsbedürftig [21].
113
9.4 • Eisenüberladung
Für die Ablagerung von überschüssigem Eisen in den Organen spielen Transfusionen bei beiden Erkrankungen eine Rolle, sie sind aber wohl nicht die einzige Ursache. Die intestinale Eisenaufnahme ist offensichtlich unabhängig von der Transfusionsbehandlung gesteigert. Der zugrunde liegende Mechanismus beruht nach derzeitigem Wissen auf der Freisetzung des Wachstums- und Differenzierungsfaktors GDF15 durch Erythroblasten, die – bedingt durch die bei Thalassämie vorliegende ineffektive Erythropoese (vorzeitiger Untergang erythropoetischer Vorläuferzellen und kompensatorische Hyperplasie der Erythropoese) – vermehrt vorhanden sind. GDF15 supprimiert, wie schon an anderer Stelle beschrieben, die Bildung von Hepcidin, das normalerweise bei erhöhtem Eisenspiegel die Eisenresorption in den Enterozyten des Dünndarms herunterregelt [116]. Weitere hereditäre oder erworbene Grunderkrankungen, die wegen der notwendigen Transfusionsbehandlung zu einer sekundären Hämochromatose führen können, sind in der folgenden 7 Übersicht: »Die häufigsten Erkrankungen, die zu einer sekundären Hämochromatose führen können« zusammengefasst.
Die häufigsten Situationen, die zu einer sekundären Hämochromatose führen können [36] 5 Hereditäre Erkrankungen: – Thalassämie – Sichelzellanämie – Pyruvatkinasemangel – Kongenitale dyserythropoetische Anämie – Diamond-Blackfan Anämie – Hereditäre Sphärozytose – X-chromosomale sideroblastische Anämie (ALAS2Mangel) 5 Erworbene Erkrankungen: – Erworbene idiopathische sideroblastische Anämie – Andere myelodysblastische Syndrome – Myelofibrose – Therapieresistente aplastische Anämie 5 Exzessive orale oder parenterale Eisenüberladung (selten)
Mit jeder transfundierten Erythrozyteneinheit werden dem Patienten mit dem Hämpigment des Hämoglobins 190–210 mg Eisen zugeführt, was der 100-fachen Menge der täglich aus der Nahrung aufgenommenen Menge an Eisen entspricht. Bei der späteren Aufnahme und dem Abbau der transfundierten Erythrozyten in Makrophagen wird das Eisen freigesetzt. Da der menschliche Organismus über keinen effektiven oder gar geregelten Mechanismus für die Ausscheidung von überschüssigem, nicht benötigtem Eisen verfügt, wird dieses in verschiedenen Geweben als freies, nicht an Transferrin gebundenes Eisen abgelagert [40]. Der tägliche physiologische Eisenverlust über die Abschilferung von Haut und Mukosazellen und über den Schweiß beträgt nur 1 % der über eine Erythrozyteneinheit zugeführten Eisenmenge. Eine sekundäre Eisenüberladung bleibt lange unerkannt und wird klinisch aufgrund unspezifischer Beschwerden wie Müdigkeit und uncharakteristischem abdominellen Unwohlsein in der Regel erst dann diagnostiziert, wenn es bereits zu irreversiblen Organschäden gekommen ist. Auch wird im Zusammenhang mit transfusionsbedüftigen Grunderkrankungen nicht immer das mit
wiederholten Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten einhergehende potenzielle Risiko einer Eisenüberladung beachtet [104]. Die mit einer chronischen Transfusionsbedürftigkeit assoziierte Eisenüberladung führt ähnlich wie bei den hereditären Formen zu Organschädigungen, wobei insbesondere in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit Leber, Herz, Pankreas und endokrine Organe, wie zum Beispiel die Schilddrüse, betroffen sind. Mehrere Studien belegen, dass bei transfusionsbedürftigen Patienten mit Sichelzellanämie, Thalassämie oder myelodysplastischem Syndrom die Zahl der transfundierten Erythrozytenkonzentrate und die damit verbundene Erhöhung des Serumferritins mit dem Auftreten eines Organversagens bzw. mit der Prognose im Sinne einer erhöhten Mortalität korrelliert [5][64][91][97]. Häufige Bluttransfusionen führen zu einem zunehmenden Anstieg der Transferrinsättigung, die normalerweise bei 30 % liegt. Eine hohe Transferrinsättigung wird vom Anstieg des normalerweise im Plasma nicht vorhandenen, nicht an Transferrin gebundenen Eisens (NTBI) begleitet. Dieses sogenannte »freie Eisen« akkumuliert in den Makrophagen, wenn die eisenspeichernden Proteine nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Freies Eisen begünstigt oxidative Reaktionen, die infolge der Bildung hochreaktiver Sauerstoffspezies zur Zelltoxizität und zur DNS-Schädigung führen.
9.4.4
Therapie der Eisenüberladung
Primäres Ziel jeder therapeutischen Intervention bei der hereditären Hämochromatose ist die Entfernung von überschüssigem Eisen. Sekundäre therapeutische Ziele sind die Diagnose und Behandlung von Organschäden, die durch die parenchymale Ablagerung von Eisen bedingt sind. Hierbei stehen die Schädigungen von Leber und Herzmuskel ganz im Vordergrund notwendiger Behandlungsmaßnahmen [17]. Diätetische Therapieansätze im Sinne einer eisenarmen Ernährung sind bei der hereditären Hämochromatose kaum von therapeutischem Nutzen, während regelmäßig durchgeführte Phlebotomien, deren Häufigkeit und Intensität sich an der Ferritinveränderung und am Verlauf des Hämoglobinspiegels orientierten, therapeutisch Sinn machen. Diese Aderlassbehandlung wird bei prämenopausalen Frauen ab einem Ferritinwert von über 200 μg/l und bei postmenopausalen Frauen sowie bei Männern ab 300 μg/l empfohlen, bis Zielwerte von 50 μg/l erreicht sind. Je nach Ausgangslage sind hierfür etwa 8–25 Aderlässe notwendig, wobei man davon ausgeht, dass mit jeder Behandlung etwa 250 mg Eisen entfernt werden. Wenn dieses Ziel erreicht ist, reicht in den meisten Fällen ein Aderlass alle 3–4 Monate aus [83]. Der Nutzen von Chelatbildnern bei Patienten mit hereditärer Hämochromatose ist bisher nicht belegt und beschränkt sich auf Patienten, die eine regelmäßige Aderlassbehandlung wegen Anämie, hypertensiven Reaktionen oder aus kardialen Gründen nicht tolerieren [81]. Wegen der nicht unerheblichen Nebenwirkungen wird aber auch diese Behandlung nicht auf Dauer toleriert, wie an anderer Stelle noch dargestellt wird. Anstelle einer Phlebotomie kann auch die Erythrozytapherese zur Eisenelimination eingesetzt werden. Sie soll für den Patienten schonender und effektiver sein, insbesondere wenn sie mit der Gabe von rekombinantem Erythropoietin kombiniert wird [53][71][100]; allerdings liegen die Therapiekosten deutlich über denen des konventionellen Vorgehens. Die Lebertransplantation ist insbesondere dann indiziert, wenn eine durch die Eisenüberladung bedingte Leberzirrhose vorliegt, wobei die Komplikations- und Überlebensraten eher enttäuschend
9
114
9
Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
sind [22][57]. Der zugrunde liegende metabolische Eisenspeicherdefekt soll allerdings nach erfolgreicher Transplantation behoben sein [19]. In einem in der Literatur berichteten Fall erhielt ein für die HFE-Mutation H63D heterozygoter Empfänger eine Leber von einem Spender mit der homozygoten HFE-Mutation C282Y. Obwohl vor der Transplantation weder der Spender noch der Empfänger Anzeichen einer Eisenüberladung hatten, entwickelte der Empfänger nach der Transplantation eine Hämochromatose [47]. Dieses bedauerliche Ereignis ist allerdings ein weiterer Beleg für die zentrale Rolle der Leber beim Eisenstoffwechsel. Aufgrund der neueren Erkenntnisse zur Wirkung von fehlendem oder niedrigem Hepcidin auf die Eisenüberladung der Zellen liegt eine Substitutionsbehandlung mit synthetischem Hepcidin nahe. Klinische Studien hierzu liegen derzeit allerdings nicht vor. Bei den sekundären Hämochromatosen verbietet sich die Aderlasstherapie wegen der in der Regel vorliegenden transfusionspflichtigen Anämie (Iron-loading-anemia). Auch eine eisenarme Ernährung kann die Eisenüberladung weder verzögern noch verringern. Daher ist bei diesen Patienten die Behandlung mit Eisenkomplexbildnern, den sogenannten Chelaten, indiziert [8]. Mit Chelatbildnern lassen sich auch bei regelmäßig notwendigen Transfusionen negative Eisenbilanzen erzielen, allerdings ist immer nur ein kleiner Anteil des nicht an Transferrin gebundenen Eisens (»non-transferrin-bound iron«, NTBI) in der Lage, mit dem Chelat zu komplexieren. Daher müssen Chelate kontinuierlich gegeben werden, die sog. Hochdosistherapie machen keinen Sinn [36]. Derzeit stehen drei Eisenchelatbildner für die klinische Anwendung zur Verfügung: Deferoxamin (Desferrioxamin, DFO), Deferipron (DFP) und Deferasirox (DFX). Obwohl die gültigen Richtlinien noch nicht vereinheitlicht sind [2][35], sollte die Behandlung mit Chelatbildnern bei Patienten, die aufgrund multipler Transfusionen ein erhöhtes Risiko für eine Eisenüberladung haben, dann begonnen werden, wenn bei Erwachsenen die kumulative Menge von 120 ml gepackte Erythrozyten pro kg Körpergewicht erreicht ist und das Ferritin beständig den Grenzwert von 1000 μg/l überschreitet. Bei Kindern wird die Einleitung einer solchen Behandlung bereits empfohlen, wenn mehr als 10 Erythrozytenkonzentrate verabreicht wurden. Für regelmäßig transfusionsbedürftige Patienten mit myelodysplastischem Syndrom wird die Einleitung einer Chelattherapie nach Gabe von insgesamt 20–30 Erythrozytenkonzentraten und Serumferritinspiegeln von >2500 μg/l [72], von anderen Autoren bereits bei Ferritinwerten von 1000–2000 μg/l [37] empfohlen. Die Therapieüberwachung sollte mit Hilfe regelmäßiger Serumferritinbestimmungen in etwa vierteljährigem Abstand erfolgen. Das konsequente Management der transfusionsbedingten Eisenüberladung hat zu einer verringerten Morbidität und Mortalität und damit zu einem verlängerten Überleben geführt. Allerdings ist die Compliance von Patienten und behandelnden Hausärzten wegen der mit der Behandlung verbundenen unerwünschten Wirkungen, insbesondere für das parenteral zu verabreichende Deferoxamin, nicht optimal. 9.5
Eisenmangel
Unter physiologischen Bedingungen ist das Gesamtkörpereisen zwischen bedarfsgerechter Absorption, Transport und Reutilisation sowie Speicherung so ausbalanciert, dass eine Eisenmangelsituation auch in Situationen mit erhöhtem Eisenbedarf, wie zum Beispiel in der Wachstumsphase und in der Schwangerschaft, nicht entstehen kann. Dennoch stellen Eisenmangel und die dadurch bedingte Ei-
senmangelanämie eine häufige klinische Situation insbesondere bei chronisch oder kritisch kranken internistischen oder chirurgischen Patienten dar. Hierbei spielen im Wesentlichen 3 Risikofaktoren eine Rolle. Das sind im Einzelnen: 1. ein erhöhter Eisenbedarf im Zusammenhang mit der Gabe von Faktoren, die die Erythropoese stimulieren, in der Schwangerschaft und nach größeren akuten Blutungen einschließlich der Dysmenorrhoe sowie bei regelmäßigen Blutspendern, deren Eisenverluste nicht ausreichend substituiert werden, 2. eine limitierte externe Eisenverfügbarkeit bzw. Eisenabsorption bei eisenarmer Ernährung (streng vegetarische Lebensweise) oder im Rahmen eines Maladsorptionssyndroms bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, bei Achlorhydrie im Rahmen einer autoimmunologisch bedingten Gastritis, bei chronischem Gebrauch von Antazida oder auch bei gastrointestinaler Infektion mit Heliobacter pylorii, ohne dass damit eine Blutung verbunden sein muss, oder 3. ein kontinuierlicher, gesteigerter Blutverlust, z. B. bei chronischen gastrointestinalen Blutungen unterschiedlicher Genese.
9.5.1
Eisenmangelanämie
Da die eisendefiziente Erythropoese einem manifesten Eisenmangel mit entleerten Eisenspeichern vorausgeht, können Veränderungen geeigneter Marker einer aufgrund von Eisenmangel veränderten Erythropoese frühzeitig die Indikation für eine präventive Eisensubstitution anzeigen. Ein solcher Frühmarker ist die Bestimmung des Hämoglobingehaltes der Retikulozyten [10], da die Reifungszeit vom eisenaufnehmenden Erythroblasten bis zum im peripheren Blut nachweisbaren Retikulozyten nur wenige Tage beträgt. Die Bestimmung des Retikulozytenhämoglobins ist derzeit allerdings noch an die Verfügbarkeit bestimmter hämatologischer Analyseautomaten geknüpft [11]. Ein anderer, allerdings weniger zuverlässiger Ansatz ist die Bestimmung des prozentualen Anteils abnormal kleiner oder Hb-armer Erythrozyten mit Hilfe eines Hämatologieautomaten [60]. Eine Unterscheidung der unterschiedlichen Stadien bzw. Formen des Eisenmangels ist durch die Bewertung der Konzentration der löslichen Transferrinrezeptoren (sTfR), des Ferritinwertes im Plasma und des Hämoglobingehaltes der Retikulozyten möglich [118]. Als empfindlichster Marker für die Diagnose eines Eisenmangels gilt der sTFR/log-Ferritin-Index.
9.5.2
Anämie der chronischen Entzündung
Grundsätzlich kann zwischen funktionellem und absolutem Eisenmangel unterschieden werden. Beim absoluten Eisenmangel sind die Eisenspeicher entleert, beim funktionellen Eisenmangel werden die Eisenspeicher nicht bedarfsgerecht mobilisiert. Diese Situation ist charakteristisch für die Anämie bei (chronisch) entzündlichen Erkrankungen (»anemia of inflammation«, AOI), wird aber auch im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen gefunden. Hierbei wird das Speichereisen im MPS zurückgehalten und trotz signalisiertem Bedarf nicht über die Makrophagen dem Knochenmark bzw. den erythropoetischen Vorläuferzellen zur Verfügung gestellt. Diese Situation wird im angelsächsischen Sprachgebrauch als »inflammatorischer Block« bezeichnet [117]. Normalerweise wird ein Viertel des gesamten Körpereisens (0,5–1,0 g) in Makrophagen und Hepatozyten als Reserveeisen gespeichert, das sich bei Bedarf, d. h. bei notwendiger Steigerung der erythropoetischen Aktivität, leicht mobili-
115
9.5 • Eisenmangel
sieren lässt. Wie man heute weiß, ist die Synthese von Hepcidin bei klassischem Eisenmangel vermindert, wodurch die Aufnahme von Nahrungseisen und die Abgabe von internalisiertem oder gespeichertem Eisen gesteigert wird. Im Falle der entzündungsbedingten Blockierung der Eisenversorgung der erythropoetischen Vorläuferzellen im Knochenmark ist die Hepcidinsynthese jedoch gesteigert. Der dadurch bedingte Hepcidinüberschuss führt zu einer verminderten intestinalen Eisenresorption, einer Sequestrierung von Eisen in den Makrophagen und einem verminderten Recycling von Eisen aus dem Erythrozytenabbau, was letztlich zu einer mikrozytären Anämie wie beim klassischen Eisenmangel führt [50], zunächst aber eher als normozytäre, normochrome Anämie imponiert. Charakteristisch sind die verkürzte Erythrozytenüberlebenszeit, ein erhöhtes Serumferritin, eine verminderte Transferrinsättigung und ein vermindertes Ansprechen auf Erythropoetin. Ursächlich ist eine im Sinne der Akute-Phase-Reaktion erhöhte Hepcidinexpression, induziert durch Interleukin-6, das über eine STAT3-Signaltransduktion die Hepcidin-Gentransskription aktiviert [125].
9.5.3
Eisenrefraktäre Eisenmangelanämie
Einige der Patienten mit den typischen Zeichen einer Eisenmangelanämie sprechen nur gering oder gar nicht auf eine Eisentherapie an. Diese im Englischen als IRIDA (»iron-refractory iron deficiency anemia«) bezeichnete Form der mikrozytären hypochromen Anämie ist durch einen niedrigen Eisenspiegel, eine erniedrige Transferrinsättigung, einen erhöhten Serumferritinspiegel und eine normale Konzentration der löslichen Transferrinrezeptoren charakterisiert [119]. Nachdem die zugrunde liegenden Ursachen dieser Form der Eisenmangelanämie lange Zeit unklar waren, konnte kürzlich gezeigt werden, dass zumindestens eine Form der eisenrefraktären Anämie auf eine Mutation der Matriptase-2 (auch als TMPRSS6 bezeichnet) zurückgeführt werden kann [31][45][96]. Es handelt sich hierbei um eine eine transmembranöse Typ-II-Serinprotease der Leber. Die physiologische Funktion der Matriptase-2 ist die proteolytische Degradierung von Hämojuvelin in der Zellmembran [108]. Wie bereits weiter oben erwähnt, ist Hämojuvelin ein Korezeptor für BMP; beide zusammen stimulieren die Hepcidinexpression. Eine Form der Gegenregulation ist offensichtlich die Matriptase-2-Aktivität. Bei einer durch die TMPRSS6-Mutation bedingten fehlenden oder verminderten Aktivität der Matriptase-2 sind die Hämojuvelinund damit die Hepcidinspiegel erhöht, was konsekutiv zu gestörter Eisenaufnahme und verminderter Eisenrezirkulation führt. Unabhängig von der Erythropoese gibt es auch einen essenziellen sytemischen Bedarf an Eisen, so zum Beispiel für die Bildung von Myoglobin, für Cytochrome und andere Enzyme sowie für die Mitochondrienfunktion. Da diese Funktionen aber sowohl beim absoluten als auch beim funktionellen Eisenmangel aufrecht erhalten bleiben, muss es noch einen alternativen Weg des Eisenumsatzes – unabhängig von der Hepcidin-Ferroportin-Interaktion – geben. In diesem Zusammenhang ist die Beschreibung eines alternativen RNA-Transkriptes von Ferroportin (Ferroportin 1B) interessant [129]. Im Gegensatz zum klassischen Ferroportin (Ferroportin 1A) fehlt ein »iron-responsive-element« (IRE) in der nichttranslatierten 5´-Region, was dazu führt, dass die Ausschleusung von Eisen aus den Duodenalenterozyten auch dann noch möglich ist, wenn Ferroportin 1A durch einen hohen Hepcidinspiegel inaktiviert oder vermindert exprimiert wurde. Da auch erythrozytäre Vorstufen dieses alternative Ferroportin 1B exprimieren können, ist es vorstellbar, dass über einen solchen alternativen Weg erythrozytäre Vorläufer-
zellen einen begrenzten systemischen Bedarf an Eisen sicherstellen können [50], was allerdings die Ausprägung einer durch Eisenmangel charakterisierten Erythropoese noch verstärkt.
9.5.4
Therapie des Eisenmangels
Wenn die Diagnose eines Eisenmangels gestellt ist und die zugrunde liegenden Ursachen identifiziert bzw. abgestellt sind, gilt es, die Eisendepots wieder aufzufüllen. Dies ist in begrenztem Umfang durch eine Umstellung der Ernährung auf eine eisenhaltigere Diät, die reichlich an Häm gebundenes, leicht resorbierbares Eisen enthält, zu erreichen. Eine solche Diät sollte rotes Fleisch, das im Wesentlichen Hämoglobin und Myoglobin enthält, aber auch Leber, die sehr eisenhaltig ist, beinhalten. Nicht-Häm-gebundenes Eisen findet sich in Getreide, grünblättrigem Gemüse und im Eigelb, wird aber weniger gut absorbiert. Durch den Genuss von Zitrusfrüchten lässt sich die Eisenabsorption verbessern, der Genuss von Tee hingegen inhibiert die Eisenabsorption. Im Falle eines manifesten Eisenmangels mit bestehender Anämie reicht allerdings die Eisensubstitution durch Nahrungsumstellung in der Regel nicht aus. Die medikamentöse Eisensupplementierung erfolgt mit Eisensalzen; hierfür stehen Präparate als Elixier oder als Tabletten unterschiedlicher Galenik zur Verfügung. Es gibt Eisentabletten, die als Retardform das Eisensalz erst im Dünndarm freisetzen und somit besser verträglich sein sollen. Da Eisen im Duodenum absorbiert wird, haben diese magensaftresistenten Retardtabletten den potenziellen Nachteil, dass ein Großteil des Eisens erst in tiefer gelegenen Darmabschnitten verfügbar wird und damit nicht mehr aufgenommen werden kann. Hinzu kommt, dass die Eisenabsorption im Duodenum durch einen eher sauren pH begünstigt wird, der aber physiologischerweise nur in den oberen Duodenalabschnitten vorhanden ist [95]. Aus diesem Grund sollte bei der Eisensubstitution ein mindestens 1- bis 2-stündiger Abstand zur Einnahme von Antazida gehalten werden; bei Einahme von H2-Rezeptorenblockern ist die Eisenabsorption sogar noch länger beeinträchtigt. Auch die Einahme von Tetracyclinen und der Genuss von Milch sowie von Phosphat- und Kohlensäure-haltigen Getränken, aber auch die Einnahme von eisenhaltigen Multivitamintabletten, die gleichzeitig Calcium-, Phosphat- und Magnesiumsalze enthalten, interferieren mit der Eisenaufnahme. Idealerweise werden Eisensalztabletten zwischen den Mahlzeiten oder vor dem Schlafengehen eingenommen, um den alkalisierenden Effekt von Mahlzeiten zu umgehen bzw. die absorptionsfördernde nächtliche Spitze der Magensäureproduktion zu nutzen. Um ein Eisendefizit bei Erwachsenen auszugleichen, sollten täglich 150–200 mg »elementares« Eisen verabreicht werden, das entspricht der Gabe von 3 über den Tag verteilten Eisensulfattabletten mit einem Gehalt von ungefähr 60 mg »elementarem« Eisen. Angenommen, dass 10 % des zugeführten Eisens absorbiert werden, wären die Eisenspeicher in 4 Wochen mit etwa 500–800 mg Eisen aufgefüllt, was einem Hämoglobinanstieg von 2–3 g/dl oder, anders ausgedrückt, der Menge von 500–800 ml Erythrozytenkonzentrat entspricht. Bei ausgeprägterem Eisenmangel muss die Eisensubstitution konsequent fortgesetzt werden, allerdings lässt die Compliance der Patienten mit zunehmender Behandlungsdauer nach, da die Einnahme von Eisenpräparaten mit unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit und epigastrischen Beschwerden etwa eine Stunde nach Tabletteneinnahme einhergeht. Andere Patienten klagen über Obstipationen, denen man mit der Gabe von Magnesiumcitrat begegnen kann, oder über Durchfall. In solchen Fällen sind eine Dosisre-
9
116
9
Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
duktion oder ein Präparatwechsel mit entsprechender Verlängerung des Behandlungsintervalls angezeigt [6], bevor dann letztendlich die Indikation einer parenteralen Eisengabe gestellt wird. Kürzlich wurde empfohlen, die orale Eisensubstitution nicht als tägliche Langzeitapplikation durchzuführen, sondern in Form eines dosisorientierten Einnahmezyklus, dessen Intensität und Dauer die Patienten aufgrund der individuellen Verträglichkeit bezüglich der Tagesdosis und des gewählten Präparates selber festlegen können. Da erfahrungsgemäß etwa 10 % des supplementierten Eisens aufgenommen werden, definiert sich ein solcher Zyklus über eine oral einzunehmende Gesamtdosis von 5000 mg elementarem Eisen. Hierbei werden die Eisenspeicher mit ca. 500 mg Eisen aufgefüllt; bei deutlicher ausgeprägter Eisenmangelanämie muss die Gesamtdosis eines Zyklus entsprechend angepasst werden [1]. Bei zuverlässigen Patienten, die nicht auf eine orale Eisensubstitution ansprechen, ist die Indikation zur parenteralen Eisengabe zu stellen, nachdem eine akute Maldigestion, z. B. bedingt durch eine Infektion mit H. pylorii, eine Autoimmungastritis oder eine Zöliakie ausgeschlossen wurde; diese wären dann zusätzlich zu therapieren. Bei der parenteralen Eisensubstitution ist zu beachten, dass sie nur dann indiziert ist, wenn eine orale Gabe nicht möglich ist oder zur Auffüllung der Eisenspeicher nicht ausreicht, da im Gegensatz zur oralen Eisensubstitution bei der intravenösen oder intramuskulären Eisenverabreichung ernsthafte unerwünschte Wirkungen berichtet wurden. Aufgrund schwerer anaphylaktischer Reaktionen ist das früher zur Schnellaufsättigung bevorzugte Eisen-Dextran in Deutschland nicht mehr zugelassen. Gesicherte anaphylaktische Reaktionen sind bisher von den alternativen Präparaten (komplexiertes Sorbitol-Citrat-Eisen, Gluconat-Eisen und Hydroxid-Saccharose-Eisen) nicht berichtet worden. Allerdings klagen Patienten gelegentlich über passagere Atemnot und Throraxschmerzen sowie verzögerte allergische Hautreaktionen mit Hautausschlag. Bei den beiden zur i.v.-Applikation zugelassenen Präparaten (Eisensaccharat und Eisengluconat) können schwere Reaktionen auftreten, wenn durch eine zu schnelle und/oder zu hoch dosierte Applikation die Bindungskapazität des freien Serumtransferrins überschritten wird und dadurch nichttransferringebundenes, »freies« Eisen zirkuliert. Diesem »freien« Eisen werden insbesondere die bei der i.v.-Gabe von Eisengluconat beobachteten unerwünschten Effekte wie Flushsymptomatik, Hypotonie, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall zugeschrieben [113]. Die intramuskuläre Injektion muss zudem ausreichend tief in den Muskel erfolgen, weil es sonst zu Hautverfärbungen und Schmerzen kommt. Das Ansprechen einer Eisenmangelanämie auf die Eisensubstitution lässt sich in der Regel innerhalb von 3–7 Tagen durch einen dramatischen Retikulozytenanstieg im peripheren Blut (»Retikulozytenkrise«) und durch einen Hämoglobinanstieg innerhalb von 2–4 Wochen sicher erfassen. Es gibt bisher keinen verlässlichen Test, um Patienten zu selektieren, die oral substituiertes Eisen gut oder weniger gut absorbieren können. Der differenzialdiagnostische Wert des Eisenabsorptionstests ist bisher nicht belegt; bei diesem Test soll der Verlauf des Serumeisenanstiegs nach definierter oraler Eisenbelastung Aufschluss über das individuelle Eisenabsorptionsverhalten geben [16][18]. 9.6
Blutspende, Transfusion und Eisenstatus
Aufgrund des weltweit zunehmenden Bedarfs an Blutkonserven bzw. Erythrozytenkonzentraten und angesichts der steigenden Zahl an Spendern, die aufgrund ihres Alters, ihrer Begleiterkrankungen oder ihres sozioökonomischen Umfeldes von einer Spende auszu-
schließen sind, ist einerseits die Transfusionsindikation streng zu stellen, andererseits sind Blutprodukte möglichst sparsam einzusetzen. Ebenso wichtig ist es aber auch, Blutspender vor potenziellen unerwünschten Wirkungen einer regelmäßigen Blutspende zu schützen. Blutspendeeinrichtungen sind deshalb grundsätzlich in der Pflicht, ihre Dauerspender medizinisch regelmäßig zu untersuchen. Hierbei ist insbesondere der Entwicklung einer Anämie vorzubeugen, indem der Eisenstatus regelmäßig laboranalytisch kontrolliert und die Eisensubstitution individuell angepasst wird. Immerhin gehen dem männlichen Spender mit einer Blutspende von 450 ml 242±17 mg und einer weiblichen Spenderin 217±11 mg Eisen verloren [109], das entspricht etwa 66–97 % des gespeicherten Eisens. Dieser Verlust wird beim gesunden Spender relativ schnell durch Mobilisierung der körpereigenen Eisenspeicher kompensiert. Obwohl es gemäß europäischen Richtlinien nicht vorgeschrieben ist, vor der Spende die Ferritinspiegel zu messen, sollten zumindestens bei weiblichen Spendern der Hämoglobingehalt des Blutes und der Ferritinspiegel regelmäßig kontrolliert und die Häufigkeit der Blutspende auf 2- bis 3-mal pro Jahr begrenzt werden, um der Entwicklung einer Eisenmangelanämie vorzubeugen. Unmittelbare Auswirkungen einer einmaligen Blutspende sind lokale Blutungskomplikationen oder durch akuten Volumenverlust bedingte Synkopen, die in der Regel schnell behoben werden können. Zu Häufigkeit, Schweregrad und Ausgang unerwünschter Wirkungen einer regelmäßigen Blutspende gibt es kaum sorgfältige systematische Untersuchungen. Unter der Annahme, dass der Gesamtkörpereisenspiegel und die Entstehung von Malignomen assoziiert sein könnten, wurde eine umfangreiche skandinavische Blutspenderkohorte in einer sogenannten Fall-Kontroll-Studie untersucht [27]. Obwohl insgesamt keine Korrelation der regelmäßigen Blutspende mit einem allgemein erhöhten Krebsrisiko bestand, so fand sich eine mit aller Vorsicht zu bewertende Assoziation mit dem Risiko eines Non-Hodkin-Lymphoms. Von einigen Untersuchern wird das sog. »restless-leg-syndrome« mit einem durch regelmäßige Blutspende bedingten Eisenmangel in Zusammenhang gebracht, die Datenlage ist allerdings nicht überzeugend [69][107]. Nach einer einmaligen Blutspende klagen immerhin 11 % der weiblichen und 4 % der männlichen Spender über Müdigkeit und Abgeschlagenheit [77], was angeblich etwa 20 % der Spender veranlasst, nach ungefähr einem Jahr der Spende fernzubleiben [77][78]. Durch eine niedrig dosierte Eisensubstitution lässt sich die Entwicklung eines Eisenmangels wirksam verhindern und die Hämoglobinwerte zwischen zwei Spenden relativ schnell wieder normalisieren, was auch zur Folge hat, dass die Spendewilligkeit erhalten bleibt [61][62]. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wird von indischen Blutbanken berichtet, dass durch entsprechende Eisensupplementierung die Häufigkeit einer mit regelmäßiger Spende einhergehenden Anämie von früheren 73,8 % auf 9,5 % bei männlichen Spendern bzw. auf 12,5 % bei weiblichen Spendern zurückgegangen ist [63]. Da mit zunehmender Entleerung der Eisenspeicher auch die Eisenabsorption aus dem Darm zunimmt, machen eine orale Eisensubstitution bzw. eine vermehrt eisenhaltige Diät für den Spender durchaus Sinn. Um den zukünftigen Blutbedarf eines modernen Gesundheitswesens decken zu können, wird unter anderem diskutiert, Patienten mit hereditärer Hämochromatose zur Blutspende zuzulassen [76]. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sie als homozygote Merkmalsträger bereits im frühen Erwachsenenalter identifiziert werden, bevor die – durch die Eisenablagerung bedingten – Organschäden
117
9.7 • Laboruntersuchungen zur Erfassung des Eisenstatus
den Spender wieder ausschließen. Dieses Vorgehen würde bei einer angenommenen Inzidens von 5 auf 1000 in den USA zu mehr als 600.000 zusätzlichen Spendern führen [9]. Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA verbietet zwar die Nutzung von Blut solcher Patienten nicht, fordert aber die Kennzeichnung des im Rahmen des therapeutischen Aderlasses gewonnenen Blutes und die Aufklärung bzw. Zustimmung des Empfängers, was zu einer nur geringen Akzeptanz dieser Blutprodukte geführt hat [48]. Patienten mit hereditärer Hämochromatose tolerieren je nach Eisenüberladung bei Behandlungsbeginn zwischen 2 und 5 Aderlasse von 500 ml; die Richtlinien erlauben allerdings nur eine Blutspende in 8 Wochen. Der Blutspendedienst der Zentralschweiz lässt heterozygote und auch homozygote Spender zur Blutspende zu, sofern sie nach den üblichen Spenderkriterien spendetauglich sind, keine Organveränderungen vorliegen, keine Eisenüberladung zum Spendezeitpunkt besteht und normale Spendeintervalle eingehalten werden. Wenn der Spender zwecks Eisenabsenkung häufiger spenden muss, gilt die Spende als therapeutischer Aderlass, der kostenpflichtig ist und vom Arzt mit der Krankenkasse abgerechnet wird (Ê http//www. bsd-luzern.ch). In Deutschland waren Hämochromatosepatienten bisher nicht zur Blutspende zugelassen. Dass die von Patienten mit hereditärer Hämochromatose gewonnenen Erythrozytenkonzentrate qualitativ mit denen von Normalspendern auch bei längerer Lagerung vergleichbar sind, hat eine Studie in den Niederlanden [59] erwiesen. 9.7
Laboruntersuchungen zur Erfassung des Eisenstatus
Um einen absoluten von einem funktionellen Eisenmangel zu unterscheiden oder um eine Eisenüberladung möglichst frühzeitig zu erfassen, sind differenzierte laboranalytische Strategien hilfreich. Die einzelnen für den Eisenumsatz relevanten Laboranalyte werden im Folgenden beschrieben und bewertet.
9.7.1
Serumeisen
Die klassische Bestimmung des Serumeisens hat nur eine geringe Aussagekraft, da sie in Abhängigkeit von der Methode und der exogenen Eisenbelastung stark schwanken kann und die Serumeisenspiegel einem zirkadianen Rhythmus unterliegen. Die Schwankungsbreiten betragen bis zu 10 μmol/l mit einem Minimum abends und einem Maximum mittags. Der Referenzwert für Frauen beträgt 6,6–26 μmol/l und für Männer 11–28 μmol/l.
9.7.2
Eisenbelastungstest
Bei manifestem Eisenmangel ist die intestinale Eisenresorption erhöht. Sie kann orientierend mit dem Eisenbelastungstest erfasst werden: Nach Bestimmung des Nüchterneisens werden 200 mg Eisen als Tabletten verabreicht und 4 Stunden später erneut das Serumeisen bestimmt. Bei Gesunden ist ein Anstieg von >50 μg/ dl (30 μmol/l) ml normal. Niedrigeres Serumeisen nach Belastung weist auf eine Resorptionsstörung hin, ein Anstieg auf mehr als das Dreifache des Ausgangswertes ist charakteristisch für einen Eisenmangel [16][18].
9.7.3
Eisenbindungskapazität
Man unterscheidet die sogenannte totale Eisenbindungskapazität (TEBK) von der latenten oder freien Eisenbindungskapazität (FEBK). Bei der Bestimmung der TEBK wird das von Serumtransferrin gebundene Eisen bei Zusatz von Eisen im Überschuss bestimmt. Dies entspricht im Prinzip der Transferrinkonzentration und lässt sich näherungsweise wie folgt berechnen: 7(%.>ȝJGO@ 7UDQVIHUULQ>PJGO@î Die freie Eisenbindungskapazität entspricht den nicht mit Eisen beladenen Transferrinmolekülen, sie hängt daher indirekt mit der Transferrinsättigung zusammen. Die Bestimmung der totalen und der freien Eisenbindungskapazität wird heute in der Regel durch die Transferrin- bzw. Ferritinbestimmung ersetzt. Der Referenzbereich für die TEBK beträgt 260–430 μg/dl und für die FEBK 150–300 μg/dl.
9.7.4
Serumferritin
Das für den aktuellen Eisenumsatz nicht benötigte Eisen wird als Ferritin gespeichert, wobei 1 μg/l Ferritin 8–10 mg Speichereisen entspricht. Die Serumferritinkonzentration korrelliert unter normalen Umständen mit der Menge des gespeicherten Körpereisens. Eine Serumferritinkonzentration unterhalb des Referenzwertes ist daher in der Regel ein eindeutiger Hinweis auf einen Eisenmangel. Allerdings kann im Rahmen von akuten bakteriellen Infekten oder chronisch entzündlichen Begleiterkrankungen im Sinne von Akute-Phase-Reaktionen ein erhöhter Ferritinwert als Hinweis auf gefüllte Eisenspeicher fehlinterpretiert werden, obwohl in Wirklichkeit eine Eisenunterversorgung im Sinne eines »funktionellen Eisenmangels« vorliegt. Solche reaktiven Erhöhungen des Ferritins findet man bei chronischen Lebererkrankungen, bei Malignomen, dem Still-Syndrom des Erwachsenen und beim hämophagozytischen Syndrom [54]. Die Referenzwerte für Ferritin im Serum werden für den Mann mit 30–400 μg/l und für die Frau mit 15–150 μg/l angegeben. Bei prä-menopausalen Frauen sind Serumferritinspiegel >200 μg/l und bei Männern >300 μg/l in Verbindung mit einer beim nüchternen Patienten bestimmten Transferrinsättigung von >50 % bzw. >60 % ein sensitiver Marker für einen erhöhten Anteil an gespeichertem Eisen. Eine manifeste Eisenüberladung geht definitionsgemäß mit wiederholt über 1000 μg/l gemessenen Ferritinwerten einher [70]; das sind Werte, die durchaus im Rahmen von Mehrfachtransfusionen erreicht werden können. Allerdings können die Serumferritinwerte bei Patienten, die eine Langzeittransfusionstherapie erhalten, erheblich schwanken [30]. Bisher konnten für das Serumferritin keine kritischen Werte sicher definiert werden, die mit einer Eisenüberladung assoziiert sind, welche sich toxisch im Sinne einer Organschädigung auswirkt. Dennoch geht man heute aufgrund von Fallbeobachtungen davon aus, dass ein wiederholt über 1000 ng/ml gemessenes Serumferritin bei chronisch transfusionsbedürftigen Patienten die Schwelle für die Einleitung einer eisensenkenden Behandlung darstellt [94].
9.7.5
Serumtransferrin
Das für den Eisentransport im Serum zuständige Transferrin wird von der Leber in Abhängigkeit vom aktuellen Eisenbedarf des Kör-
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Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
pers gebildet, d. h. dass sich ein Eisenmangel unter normalen Umständen durch den Anstieg des Serumtransferrins bemerkbar macht. Allerdings sind bei bakteriellen Infekten und Entzündungszuständen die Transferrinkonzentrationen eher niedrig, zum Teil sogar unterhalb des unteren Referenzwertes (Referenzwert 200–400 mg/ dl). Damit steht unabhängig vom Bedarf nur eine begrenzte Menge an Eisentransportmolekülen zur Verfügung, was zu einem »funktionellen Eisenmangel« und später dann zu einer echten Eisenmangelsituation führen kann. Bei einem Zusammentreffen von solchen »negativen Akute-Phase-Reaktionen« und echtem Eisenmangel machen normale Transferrinkonzentrationen eine Aussage zum Eisenmangel allein mit diesem Laborparameter unmöglich. Im Rahmen einer Schwangerschaft oder bei Einnahme von Kontrazeptiva werden erhöhte Transferrinwerte gemessen, obwohl formal kein Eisenmangel vorhanden ist, andererseits aber ein höherer Bedarf für die Entwicklung des Föten besteht.
9.7.6
ropoese wider. Im Gegensatz zu Ferritin und Transferrin wird die Serumkonzentration des löslichen Transferrinrezeptors nicht durch Akute-Phase-Reaktionen beeinflusst. Auch in der Schwangerschaft und unter oraler Kontrazeption sind mit Hilfe dieses Parameters verlässliche Aussagen zum Eisenbedarf möglich, obwohl die physiologischerweise hohen Transferrinwerte eine Eisenmangelsituation vortäuschen. Einschränkungen bestehen jedoch im Zusammenhang mit den myelodysplastischen Syndromen (MDS). Bei dieser früher unter dem Begriff »sideroachrestische Anämie« beschriebenen Dyserythropoese weisen die erythropoetischen Zellen eine deutlich reduzierte oder sogar fehlende Expression von Transferrinrezeptoren auf. Die Folge ist, dass bei dieser Form der Anämie die Konzentration der sTfR niedrig ist und auch bei Eisenmangel im Rahmen der Grunderkrankung auch nicht ansteigt. Die Bestimmung der löslichen Transferrinrezeptoren erfolgt mit Hilfe geeigneter Immunoassays oder turbidimetrisch.
Transferrinsättigung 9.7.9
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Die Transferrinsättigung gibt an, wieviel des verfügbaren Transferrins Eisen gebunden hat. Hierfür wird das beim nüchternen Patienten gemessene Serumeisen durch die totale Eisenbindungskapazität dividiert. Die Transferrinsättigung wird in Prozent angegeben. Sie beträgt normalerweise etwa 30 % (16–45 %). Wenn die Transferrinsättigung allerdings 10 % unterschreitet, ist von einem manifesten Eisenmangel auszugehen, insbesondere wenn der Ferritinwert weniger als 30 μg/l beträgt. Bei niedriger Transferrinsättigung von etwa 15 % und gleichzeitig hohem Ferritinwert (>200 μg/l) liegt ein funktioneller Eisenmangel z. B im Rahmen einer Entzündung vor. Inwieweit die Transferrinsättigung unabhängig vom Serumferritin von Nutzen für die Abschätzung des Gesamtkörpereisens bei Patienten mit transfusionsbedingter Eisenüberladung ist, bleibt offen.
9.7.7
Transferrinrezeptor
Da sich alle Körperzellen in Abhängigkeit von ihrer Funktion mit Eisen versorgen müssen, exprimieren sie je nach Bedarf unterschiedlich viele Transferrinrezeptoren an ihrer Oberfläche, um die mit Eisen beladenen Transferrinmoleküle zu binden. Findet diese Bindung aufgrund einer nicht ausreichenden Zahl an verfügbaren zirkulierenden Transferrinmolekülen nicht statt, so lösen sich Anteile dieser Transferrinrezeptoren, die dann als sog. lösliche Transferrinrezeptoren zirkulieren. Die membranständigen Transferrinrezeptoren lassen sich nur durchflusszytometrisch oder im Ausstrichpräparat nachweisen.
9.7.8
Löslicher Transferrinrezeptor im Serum (sTfR)
Patienten mit chronischen Erkrankungen erfordern aufgrund der geringen Sensitivität des Ferritins für die Erkennung eines Eisenmangels weitere labordiagnostische Analysen. Hier ist die Bestimmung des löslichen Transferrinrezeptors (sTfR) hilfreich; dieser steigt immer dann an, wenn das benötigte Eisen nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Der Referenzwert beträgt 0,81–1,75 mg/l. Da 70–80 % der Transferrinrezeptoren auf erythropoetischen Zellen exprimiert werden, spiegelt die Bestimmung der löslichen Transferrinrezeptoren hauptsächlich den Eisenbedarf der Eryth-
sTfR-Index
Zusätzlich zur Messung von sTfR hat es sich bewährt, den Quotienten aus sTfR und dem Logarithmus der Ferritinkonzentration (sTfR-Index) zu bilden, da dieser es neben einer besseren differenzialdiagnostischen Einordnung der Anämien bei chronisch kranken und älteren Patienten auch ermöglicht, Frauen mit subklinischem Eisenmangel zu identifizieren. Bei Frauen beträgt der normale Index 0,9–3,7 und bei Männern 0,9–3,4.
9.7.10
Retikulozytenhämoglobin
Die Bestimmung des Hämoglobingehaltes von Retikulozyten (CHr; Ret-He), erlaubt vor allen anderen Laborparametern die frühzeitige Erkennung eines Eisenmangels. Sie erfolgt in geeigneten hämatologischen Analyseautomaten und beruht auf der Analyse fluoreszenz- oder farbstoffmarkierter Retikulozyten im Vorwärtsstreulicht. Wenn die Werte kleiner sind als die mittlere zelluläre Hämoglobinkonzentration (<28 pg), gilt das als Hinweis auf einen beginnenden Eisenmangel [32].
9.7.11
Hepcidin
In vielen der vorliegenden Studien zur Bedeutung des Hepcidins wurde die Expression von Hepcidin-RNA mittels PCR in der Leber quantifiziert. Die direkte Bestimmung des Hepcidins mittels Immunoassay oder Massenspektrometrie [34][55][114] ist aufwendig und hat sich in der Routinediagnostik noch nicht durchgesetzt; auch gibt es erst wenige, allerdings vielversprechende Studien, in denen dieser wichtige Parameter des Eisenstoffwechsels bezüglich seiner diagnostischen Relevanz untersucht wurde [15]. Ein anderer methodischer Ansatz ist die Bestimmung des Hepcidinspiegels im Urin, der nach vorliegenden Berichten gut mit der mRNA-Synthese in der Leber korrelieren soll [52].
9.7.12
Molekulargenetische Untersuchungen
Die routinemäßige Genotypisierung zur Diagnosesicherung beschränkt sich derzeit noch auf den Nachweis der beiden häufigsten HFE-Mutationen C282Y und H63D bei der hereditären Hämochro-
119
Literatur
matose. Die seltenen Mutationen zur Abklärung seltener Hämochromatoseformen sind Speziallaboratorien vorbehalten. Für die Genotypisierung stehen zahlreiche methodische Ansätze zur Verfügung; so zum Beispiel die konventionelle Polymerasekettenreaktion mit nachfolgendem Restriktionsverdau, die durch die Real-Time-PCR heute weitgehend ersetzt wird, sowie die Allelspezifische Amplifikation und die SSCP mit Kapillarelektrophorese [42]. 9.8
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Perspektiven 15
Die Einblicke in den bis vor einigen Jahren nur sehr stiefmütterlich erforschten Eisenstoffwechsel, der eigentlich besser »Körpereisenumsatz« genannt werden sollte, sind mit der Einführung moderner molekularer Untersuchungsmethoden förmlich explodiert. Die pathobiochemischen und vor allem die molekularen und genetischen Erkenntnisse haben wesentlich dazu beigetragen, dass man die Regulation der Eisenhomöostase heute besser versteht und damit auch die Ursachen der Eisenüberladung, aber auch des Eisenmangels bei chronischen Erkrankungen und Infektionen erklären und nach neuen therapeutischen Ansätzen suchen kann. Obwohl sich die therapeutischen Ansätze im Wesentlichen auch heute noch auf die seit medizinischen Frühzeiten bekannte Aderlasstherapie, sowie auf die problembehaftete diätetisch-medikamentöse Eisensubstitution und die nicht minder problematische Therapie mit Chelatbildnern beschränken, rücken die pharmakologische oder auch die gentherapeutische Korrektur der auf fehlerhafte Regulationen zurückzuführenden Störungen des Eisenstoffwechsels in greifbare Nähe.
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Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
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Kapitel 9 • Eisenstoffwechsel
tosis gene in German porphyria cutanea tarda patients. Virchows Arch 439:1–5 Tanno T, Bhanu NV, Oneal PA, Goh SH, Staker P, Lee YT, Moroney JW, Reed CH, Luban NL, Wang RH, Eling TE, Childs R, Ganz T, Leitman SF, Fucharoen S, Miller JL (2007) High levels of GDF15 in thalassemia suppress expression of the iron regulatory protein hepcidin. Nat Med 13:1096–1101 Theurl I, Aigner E, Theurl M, Nairz M, Seifert M, Schroll A, Sonnweber T, Eberwein L, Witcher DR, Murphy AT, Wroblewski VJ, Wurz E, Datz C, Weiss g (2009) Regulation of iron homoestasis in anemia of chronic disease and iron deficient anemia: diagnostich and therapeutic implications. Blood 113:5277–5286 Thomas C, Thomas L (2002) Biochemical markers and hematologic indices in the diagnosis of functional iron deficiency. Clin Chem 48:1066–1076 Thomas C, Thomas L (2005) Anemia of chronic disease: pathophysiology and laboratory diagnosis. Lab Hematol 11:14–23 Valore EV, Ganz T (2008) Posttranslational processing of hepcidin in human hepatocytes is mediated by the prohormone convertase furin. Blood Cells Mol Dis 40:132–138 Viatte L, Lesbordes-Brion JC, Lou DQ, Bennoun M, Nicolas G, Kahn A, Canonne-Hergaux F, Vaulont S (2005) Deregulation of proteins involved in iron metabolism in hepcidin-deficient mice. Blood 105:4861– 4864 Wang RH, Li C, Xu X, Zheng Y, Xiao C, Zerfas P, Cooperman S, Eckhaus M, Rouault T, Mishra L, Deng CX (2005) A role of SMAD4 in iron metabolism through the positive regulation of hepcidin expression. Cell Metab 2:399–409 West AP Jr, Bennett MJ, Sellers VM, Andrews NC, Enns CA, Bjorkman PJ (2000) Comparison of the interactions of transferrin receptor and transferrin receptor 2 with transferrin and the hereditary hemochromatosis protein HFE. J Biol Chem 275:38135–38138 Wood JC (2009) Cardiac complications in thalassemia major. Hemoglobin 33:S81–86 Wrighting DM, Andrews NC (2006) Interleukin-6 induces hepcidin expression through STAT3. Blood 108:3204–3209 Wrighting DM, Andrews NC (2008) Iron homeostasis and erythropoiesis. Curr Top Dev Biol 82:141–167 Zhang AS, Davies PS, Carlson HL, Enns CA (2003) Mechanisms of HFEinduced regulation of iron homeostasis:Insights from the W81A HFE mutation. Proc Natl Acad Sci USA 100:9500–9505 Zhang AS, Anderson SA, Meyers KR, Hernandez C, Eisenstein RS, Enns CA (2007) Evidence that inhibition of hemojuvelin shedding in response to iron is mediated through neogenin. J Biol Chem 282:12547–12556 Zhang DL, Hughes RM, Ollivierre-Wilson H, Ghosh MC, Rouault TA (2009) A ferroportin transcript that lacks an iron-responsive element enables duodenal and erythroid precursor cells to evade translational repression. Cell Metab 9:461–473
123
Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen A. Sputtek
10.1
Historischer Rückblick – 124
10.2
Grundlegende Vorgänge beim Gefrieren von Zellsuspensionen – 124
10.3
Erythrozyten – 126
10.4
Thrombozyten – 127
10.5
Leukozyten – 128
10.5.1 10.5.2
Granulozyten – 128 Lymphozyten und Monozyten – 128
10.6
Hämatopoetische Progenitorzellen – 129 Literatur – 129
10
124
Kapitel 10 • Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen
Die Kryokonservierung ermöglicht das Haltbarmachen biologischer Zellen für praktisch beliebig lange Zeit, sofern geeignete Kryoprotektive, Abkühlverfahren, hinreichend tiefe Lagertemperaturen und geeignete Wiedererwärmungstechniken angewandt werden. Sie stellt die Methode der Wahl dar, wenn Blutzellen oder hämatopoetische Progenitorzellen monate- oder jahrelang gelagert werden sollen.
10.1
10
Historischer Rückblick
1948 entdeckten Polge et al. [72], dass Glycerin dazu geeignet ist, Spermatozoen vor den beim Einfrieren und Auftauen auftretenden Schäden zu bewahren. Nach Untersuchungen mit Erythrozyten berichtete Smith [87] 1950, dass das Kryoprotektiv Glycerin wirksam auch deren Gefrier- und Auftauhämolyse verhindern kann. Das Hämolyseproblem bei der vor einer Transfusion erforderlichen Glycerinentfernung löste Sloviter [86] 1951, indem er dazu ein Dialyseverfahren einsetzte. Die erste Transfusion von zuvor kryokonservierten Erythrozyten führten Mollison u. Sloviter [69] bereits im selben Jahr durch. Über erste Versuche, thrombozytopenisch bedingte Blutungen mit tiefgefrorenen Thrombozyten zu therapieren, wurde 1956 von Klein et al. [42] berichtet. Djerassi et al. [21] waren 1966 die ersten, die das seitdem nicht mehr aus der Kryokonservierung wegzudenkende Dimethylsulfoxid (DMSO) auch zum Tiefgefrieren von Blutplättchen mit anschließender Transfusion einsetzten. Lundberg et al. [60] führten einen Waschschritt zur Entfernung des DMSO nach dem Auftauen ein, um die bei der intravenösen Verabreichung auftretenden unerwünschten Wirkungen zu vermeiden. Insbesondere war und ist die Kryokonservierung von Erythrozyten (aber auch von Thrombozyten) für die Vorbereitung auf Katastrophenfälle und unter militärischen Aspekten von Interesse; dazu besteht aber keine einhellige Meinung [35][55][106]. Auf Atkins [6], Ashwood-Smith [5] und Pegg [71] gehen die ersten erfolgreichen Versuche zurück, Lymphozyten und Monozyten einzufrieren. Entgegen einigen anderslautenden früheren Berichten ist dies aber bis heute mit humanen Granulozyten nicht überzeugend gelungen. Die erste erfolgreiche Transfusion von kryokonservierten homologen Knochenmarkstammzellen gelang Barnes u. Loutit [9] im Tierexperiment bereits 1955. Sechs Jahre später führte Ashwood-Smith [4] auch für diesen Zweck das bis heute verwendete DMSO ein. Stiff et al. [99] ersetzten das DMSO teilweise durch Hydroxyethylstärke (HES), dessen Verwendung bis heute in einigen Zentren üblich ist. 1986 beschrieben Körbling et al. [48] die erste erfolgreiche Behandlung mit autologen, mittels Leukozytapherese gewonnenen und anschließend kryokonservierten hämopoetischen Stammzellen. Es ist also gelungen, für alle im Blut vorkommenden Zellarten mit Ausnahme der Granulozyten jeweils zellartspezifisch angepasste Kryokonservierungsprotokolle zu entwickeln. Diese Methoden unterscheiden sich jedoch deutlich v. a. hinsichtlich der verwendeten Kryoprotektive sowie der Temperaturführung beim Einfrieren und Wiedererwärmen [90][91][89]. 10.2
Grundlegende Vorgänge beim Gefrieren von Zellsuspensionen
Dem transmembranösen Wassertransport kommt beim Einfrieren und Auftauen von Zellsuspensionen eine zentrale Rolle zu [62]. Die Lagerungstemperatur selbst ist von untergeordneter Bedeutung, solange sie hinreichend tief ist. Für wässrige Systeme ist dies bei Temperaturen unterhalb der Glasübergangstemperatur für reines Wasser
Osmotische Dehydrierung Zelle Elektrolyte H2O Elektrolyte
inaktives Restvolumen
Elektrolyte Eis
H2O Elektrolyte
Elektrolyte Bilanzvolumen . Abb. 10.1 Schematische Darstellung des Wasseraustritts beim Einfrieren aus dem Zellinneren in den Extrazellulärraum infolge der Elektrolytanreicherung in der noch ungefrorenen Restlösung
(–138 °C) der Fall [27]. Für das Verständnis der beim Abkühlen und Erwärmen ablaufenden Vorgänge ist es zunächst sinnvoll, die Situation auf das in . Abb. 10.1 gezeigte Schema zu reduzieren. Bei dieser Modellbetrachtung wird davon ausgegangen, dass sich der Extrazellulärraum im Wesentlichen durch eine wässrige Elektrolytlösung (z. B. Natriumchlorid in Wasser) beschreiben lässt. Bei Suspensionsmedien, die mehrere gelöste Komponenten enthalten, gelten die im Weiteren beschriebenen Phänomene ebenfalls; der Zusammenhang wird allerdings komplexer. Der intrazelluläre Raum lässt sich vereinfacht in ein osmotisch aktives Volumen und in ein osmotisch inaktives Restvolumen einteilen. Die zwischen den beiden Räumen (Intra- bzw. Extrazellulärraum) befindliche Zellmembran kann als ideal semipermeabel für Wasser und als nahezu undurchdringlich für Elektrolyte angesehen werden. Sinkt die Temperatur der Suspension nun unter die Gefriertemperatur des Extrazellulärraums, so kommt es dort zunächst zum Ausfrieren von Wasser in Form von Eis. Daraus ergibt sich wegen der darin enthaltenen Elektrolyte eine Aufkonzentrierung in der verbleibenden Restlösung. Infolge des dadurch auftretenden osmotischen Ungleichgewichts diesseits und jenseits der Zellmembran kommt es zum Wasseraustritt aus den Zellen, was ihr Schrumpfen bewirkt. Dieser Prozess setzt sich bis zur Erreichung des eutektischen Punktes fort, der für das System NaCl-H2O durch eine Salzkonzentration von 23,3 Gew.-% und eine Temperatur von –21,2 °C gekennzeichnet ist [50]. Dies entspricht einer Anreicherung auf das 26-fache des isotonen Ausgangszustandes (0,9 %). Unterhalb des eutektischen Punktes erstarrt die Lösung vollständig. Die zuvor auftretenden hohen Elektrolytkonzentrationen wirken sich auf die Zellen in hohem Maß schädigend aus. Sie reagieren – abhängig von der hydraulischen Membranpermeabilität – mit einer Wasserabgabe, um das thermodynamische Ungleichgewicht zwischen Zellinnerem und Extrazellulärraum auszugleichen. Dabei streben sie asymptotisch ihrem inaktiven Restvolumen entgegen. Dies kann zu einer irreversiblen Schädigung führen, falls die »Entwässerung« über ein gewisses, für verschiedene Zellarten unterschiedliches kritisches Restvolumen hinausgeht. Diesen Zusammenhang zwischen der jeweils herrschenden Temperatur und dem Ausmaß der Gefrierschädigung unter Gleichgewichtsbedingungen konnte Lovelock [58] bereits 1953 nachweisen. Dazu suspendierte er zum einen Erythrozyten bei Raumtem-
125
10.2 • Grundlegende Vorgänge beim Gefrieren von Zellsuspensionen
CNaCl (Gew.–%) 0
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16
intrazelluläres Eis
osmotische Dehydrierung
1
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Hämolyse (%)
80 Temperaturexperiment
60
resultierende Überlebensrate S
40 Konzentrationexperiment
20
0 Kühlrate
0 0
–2
–4
–6 –8 Temperatur (°C)
–10
–12
. Abb. 10.2 Hämolyse von initial in isotoner NaCl-Lösung suspendierten Humanerythrozyten infolge der Elektrolytanreicherung beim Einfrieren (ausgefüllte Symbole) und bei den gleichen Elektrolytkonzentrationen bei Raumtemperatur (offene Symbole). (Mit Daten aus [58])
peratur in hypertonen Salzlösungen definierter Konzentrationen. Zum anderen generierte er die gleichen Konzentrationen, indem er initial in einer isotonen NaCl-Lösung suspendierte Zellen auf die über das Phasenzustandsdiagramm für das System NaCl-H2O [50] zugeordneten Temperaturen abkühlte. Das Ausmaß an hämolysierten Erythrozyten im »Gefrierexperiment« deckte sich weitgehend mit dem im »Konzentrationsexperiment« (. Abb. 10.2; nach [58]). Das legt nahe, dass sich in erster Linie nicht die Eiskristallbildung selbst, sondern der damit verbundene Anstieg der Elektrolytkonzentration im Extrazellulärraum schädigend auswirkt. Wesentlich für das Überleben biologischer Zellen ist weiterhin die Kinetik der Temperaturabsenkung. Diese bestimmt zusammen mit der o. g. hydraulischen Membranpermeabilität maßgeblich die während des Einfriervorgangs stattfindende Volumenverringerung, welche asymptotisch auf das osmotisch inaktive Restvolumen hinausläuft [45]. Je schneller die Temperaturabsenkung pro Zeit erfolgt, d. h. je höher die Kühlrate (Einheiten: °C/min oder K/min) ist, desto weniger Zeit verbleibt den Zellen, Wasser abzugeben. Dies kann bei zu hohen Kühlraten dazu führen, dass dann bei tiefen Temperaturen und hohem Restwassergehalt die in der Regel letale intrazelluläre Eiskristallbildung stattfindet. Das Ausmaß des transmembranösen Wassertransports beim Einfrieren hängt u. a. vom Verhältnis der Zelloberfläche zum Zellvolumen, der hydraulischen Membranpermeabilität und der Aktivierungsenergie für diesen Prozess ab. Die bikonkave Scheibenform von Erythrozyten bietet gegenüber der »Kugelform« von Lymphozyten für den Wasseraustritt ein nahezu 3-mal größeres Verhältnis von Oberfläche zum Volumen. Die hydraulische Membranpermeabilität roter Blutkörperchen (Lp = 1,7 × 10-2 cm/s) liegt außerdem um 2 Größenordnungen über der von Lymphozyten (Lp = 4,2 × 10-4 cm/s [73]), was ihr schnelles Reagieren auf Tonizitätsunterschiede erklärt. Das Auftreten sog. Überlebensmaxima bei der Tieftemperaturkonservierung lässt sich qualitativ mit der von Mazur et al. [64] vorgeschlagenen 2-Faktoren-Hypothese beschreiben. Dieses Modell beruht auf der Kombination zweier gegenläufiger Effekte: Bei
. Abb. 10.3 Abhängigkeit der Wiederfindungsrate biologischer Zellen beim Einfrieren von der Kühlrate (schematisch) nach der 2-FaktorenHypothese. Der linke Ast der resultierenden glockenförmigen Kurve wird hauptsächlich durch die osmotische Dehydrierung infolge Elektrolytanreicherung bei niedrigen Kühlraten bestimmt, der rechte Ast durch die letale intrazelluläre Kristallisation bei hohen Kühlraten
langsamer Abkühlung sind die Zellen über längere Zeit höheren Salzkonzentrationen ausgesetzt, woraus eine gewisse Schädigung resultiert. Dies wird üblicherweise mit dem Begriff Lösungseffekte bezeichnet und ist in . Abb. 10.3 durch die linke Kurve zum Ausdruck gebracht. Findet die Temperaturabsenkung zu schnell statt, steht den Zellen nur wenig Zeit zur Verfügung, um genügend Wasser abzugeben. Bei tiefen Temperaturen nimmt wegen des relativ hohen Wassergehaltes die Wahrscheinlichkeit der in der Regel letalen intrazellulären Kristallisation zu. Dieser Schädigungseffekt wird durch die rechte Kurve in . Abb. 10.3 wiedergegeben. Aus der Kombination der beiden Effekte ergibt sich eine vom jeweiligen Zelltyp abhängige optimale Kühlrate (grau unterlegt). Diese – in Abwesenheit von Kryoprotektiven – zellartspezifisch unterschiedliche Abhängigkeit der Wiederfindungsrate nach dem Auftauen von der einwirkenden Kühlrate ist exemplarisch für 3 verschiedene Zellarten (Saccharomyces cerevisiae [63], Knochenmarkstammzellen Maus [56], Humanerythrozyten [83]) in . Abb. 10.4 zusammengestellt. Die Zugabe von Kryoprotektiven verändert diese Abhängigkeit grundlegend. Wie in . Abb. 10.5 beispielhaft für murine Knochenmarkstammzellen gezeigt, steigt mit zunehmender Glycerinkonzentration zum einen die Wiederfindungsrate, zum anderen verschiebt sich die optimale Kühlrate zu niedrigeren Werten [56]. Der Schutzeffekt niedermolekularer Kryoprotektive (z. B. Glycerin, DMSO), die auch durch die Zellmembran ins Zellinnere eindringen können, beruht vermutlich auf ihren kolligativen Eigenschaften: Konzentrationsabhängig erniedrigen sie die Gleichgewichtsgefriertemperatur, sodass es erst bei tieferen Temperaturen zur schädlichen Elektrolytanreicherung infolge Eiskristallbildung im Extrazellulärraum kommt. Bei tieferen Temperaturen ist aber auch die hydraulische Membranpermeabilität (Lp) erniedrigt, die, einem ArrheniusZusammenhang folgend (lineare Abhängigkeit des Logarithmus von der reziproken absoluten Temperatur), mit fallender Temperatur ebenfalls abnimmt. Daraus ergibt sich eine verringerte Wirksamkeit der »Lösungseffekte«, wodurch die letale Zellschrumpfung vermieden werden kann. Da penetrierende Additive in die Zellen eindringen, setzen sie auch dort die Temperatur herab, bei der es
10
126
Kapitel 10 • Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen
80
100 Erythrozyten Überlebensrate (%)
Überlebensrate (%)
Hefe
10
Knochenmarkstammzellen 1
60
1,25 M Glycerin
40 0,8 M Glycerin
20 0,4 M Glycerin 0 M Glycerin
0.1
1
10
100 1000 Kühlrate (°C/min)
10000
. Abb. 10.4 Vergleich der Wiederfindungsrate verschiedener Zellarten ohne Kryoprotektiv als Funktion der Kühlrate in doppeltlogarithmischer Auftragung
10
zur intrazellulären Eisbildung kommen kann. Für die erfolgreiche Kryokonservierung ist es also erforderlich, die Temperatur soweit abzusenken, bis es zur – vermutlich glasartigen – Erstarrung im Zellinneren ohne Eiskristallbildung kommt. Die Wirkungsmechanismen makromolekularer Kryoprotektive (z. B. Polyvinylpyrrolidon [PVP], Polyethylenoxid [PEO], Polyethylenglycol [PEG], Dextrane, modifizierte Gelatine, HES, Albumin) sind Gegenstand der Forschung [90][91]. Für Hydroxyethylstärke konnten Körber et al. [46] immerhin nachweisen, dass 1 g HES etwa 0,5 g Wasser vermutlich kinetisch an der Kristallisation hindert, woraus sich ebenfalls eine Verringerung der Lösungseffekte ergibt. Neben diesen beiden hauptsächlichen Schädigungsmechanismen treten beim Abkühlen, Lagern und Erwärmen allerdings noch weitere Phänomene auf (z. B. Toxizität der Kryoprotektive, Kälteschock, pH-Verschiebungen, Phasenumwandlungen und -separationen in den Membranen, Lipidperoxidation, Vesikulation, Proteindenaturierung, Entstehung freier Radikale, thermoelastischer Stress, Versprödung, Rissbildung, Devitrifikation und Rekristallisation beim Wiedererwärmen), deren Bedeutung, Zusammenspiel und wechselseitige Abhängigkeit erst teilweise untersucht sind. 10.3
Erythrozyten
z Verfahren Nach der ersten klinischen Anwendung kryokonservierter Erythrozyten [69] haben im Wesentlichen 3 verschiedene Verfahren klinische Bedeutung erlangt, die sämtlich das Kryoprotektiv Glycerin verwenden (Übersichten z. B. bei [36][67][79][91][89]). Ansonsten variieren sie deutlich hinsichtlich der Verfahrensparameter Additivkonzentration, Additivzugabe, Hämatokrit, Volumen, Kühlrate, Lagertemperatur, Erwärmungsrate und Additiventfernung. Die Angaben in der Literatur über die In-vitro-Wiederfindungsrate nach dem Auftauen (Recovery: 90–99 %), den weiteren Verlust bei der Entfernung des Kryoprotektivs Glycerin (5–30 %) und den dafür erforderlichen Zeitbedarf (0,5–2 h) bewegen sich verfahrens- und autorenabhängig innerhalb weiter Grenzen. Gleiches gilt für den Gehalt an »freiem« Hämoglobin (50–250 mg/dl), die »Leukozyten-
0 0,1
1
10 Kühlrate (°C/min)
100
1000
. Abb. 10.5 Abhängigkeit der Überlebensrate von Knochenmarkstammzellen von der Kühlrate bei unterschiedlichen Konzentrationen des Kryoprotektivs Glycerin. Mit zunehmender Glycerinkonzentration steigt einerseits die maximale Wiederfindungsrate, andererseits wird die optimale Kühlrate zu niedrigeren Werten verschoben. (Nach [56])
kontamination« (1–20 % des Ausgangswerts) im aufgetauten und gewaschenen Präparat, die Dosierung, die In-vivo-Überlebensrate der Erythrozyten nach 24 h (75–95 %) und die Kosten. Tullis et al. [103] und Haynes et al. [33] waren die ersten, die über eine klinisch anwendbare Methode für die Zugabe des Glycerins vor dem Einfrieren und seine Entfernung nach dem Auftauen berichteten (»high glycerol/slow cooling technique«). Sie benutzten dazu den »Cohn-ADL fractionator«, eine der ersten Continuous-flow-Zentrifugen. Die benötigte Additivkonzentration betrug 400–500 g/l; langsam abgekühlt (<1 K/min) und gelagert wurde in einem –80 °C-Tiefkühlschrank. Der hohe apparative und zeitliche Aufwand ließ jedoch andere Untersucher nach Alternativen suchen. Auf Huggins [38] geht das heute nur noch selten angewendete Zytoagglomerationsverfahren zur Glycerinentfernung zurück. Sumida [100] führte die Kryokonservierung von Erythrozyten nach diesem Verfahren in Japan ein. Krijnen et al. [49] und Rowe et al. [76][77] verringerten die bei der Glycerinentfernung auftretenden Probleme, indem sie dessen Konzentration in der Konserve auf 190 bzw. 175 g/l herabsetzten. Diese in Europa bevorzugten Methoden erfordern allerdings höhere Kühlraten (60–120 K/min) und tiefere Lagertemperaturen (<–150 °C), die durch den Einsatz von Flüssigstickstoff als Kältemittel gelöst wurden (»low glycerol/rapid cooling technique«). Aufgetaut wird innerhalb weniger Minuten in einem Wasserbad. Um die bei der Additiventfernung mit isotonen Waschlösungen auftretende, osmotisch bedingte Hämolyse zu vermeiden, werden die Zellen nach dem Auftauen zunächst mit hypertonen und dann mit sukzessive in der Konzentration abfallenden Elektrolytlösungen bis zum Erreichen der Isotonie gewaschen. Ein spezieller apparativer Aufwand ist für die Deglycerinisierung bei dieser Technik nicht erforderlich [89]. Meryman u. Hornblower [66] vereinfachten die Zugabe und Entfernung des Glycerins gegenüber dem ursprünglichen TullisVerfahren, woraus sich die in den USA bevorzugt angewandte Methode zur Kryokonservierung von Erythrozyten gemäß der »high glycerol/slow cooling technique« entwickelt hat. Arbeitsanleitungen finden sich u. a. bei [13][68][89][111]. Da die erforderliche Lagertemperatur nur –80 °C beträgt, ist auch ein tiefgefrorener Versand über Trockeneis möglich. Der Waschschritt zur Glycerinentfernung
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10.4 • Thrombozyten
erfolgt üblicherweise mit einer Continous-flow- oder einer automatischen, diskontinuierlich arbeitenden Zentrifuge. Valeri et al. [105] entwickelten zum einen eine Methode zur »Rejuvenierung« überalterter Erythrozyten vor dem Einfrieren, zum anderen untersuchten sie ausführlich die Lagerung der Konserven in tiefgefrorenem Zustand sowie nach dem Auftauen. Sie konnten zeigen, dass die kryokonservierten Einheiten mehr als 30 Jahre ohne Qualitätseinbußen lagerbar sind [106]. Nach der Automatisierung sowohl der Zugabe als auch der Entfernung des Glycerins nach dem Auftauen soll es auch möglich sein, die Präparate noch bis zu 3 Wochen lang zu lagern [108][109]. Auf Rinfret et al. [75] geht die Verwendung makromolekularer Kryoprotektive (z. B. Polyvinylpyrrolidon) zurück, die den prinzipiellen Vorteil besitzen, nicht in die Zellen einzudringen, sodass sie nach dem Auftauen leichter zu entfernen sind. Dieser Schritt kann notfalls sogar entfallen, wenn organismusverträgliche Additive wie Hydroxyethylstärke (HES) eingesetzt werden [44]. Nach der Optimierung relevanter Verfahrensparameter [93][94] wurde von den Autoren eine Methode vorgestellt, die sich nach Tier- [51] und Selbstversuchen [95] auch in einer autologen klinischen PhaseII-Studie bewährt hat [37]. Weitere Untersuchungen mit größerem Transfusionsumfang und homologer Anwendung stehen noch aus. z Indikationen Tiefgekühlte Erythroyzten in kleinen Mengen haben sich in vitro als Testerythrozyten, zur Durchführung von Verträglichkeitstests und zur langfristigen Aufbewahrung für wissenschaftliche Untersuchungen bewährt (Arbeitsanleitung auf deutsch in [68]). Die In-vivo-Anwendung war in den USA im zivilen Bereich vor der Etablierung der Leukozytenendepletion mittels Filtration in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts verbreitet [67]; sie stellte eine effektive Methode zur Reduzierung des Risikos einer Allosensibilisierung gegen Leukozytenantigene dar. Die Filter der heutigen Generation leisten dies jedoch weitaus effektiver und ökonomischer. Bei gravierenden Immundefekten des Empfängers ist infolge des Restgehaltes an allogenen immunkompetenten Zellen in aufgetauten und gewaschenen Konserven aber eine Graft-vs.-hostReaktion denkbar. Die Kryokonservierung stellt für sich genommen somit keinen Ersatz für die auch in diesem Fall erforderliche Bestrahlung der Präparate dar. Heute sind – ggf. autologe – Tiefkühlerythrozyten indiziert bei Patienten mit seltenen Antigenmustern (z. B. Oh [Bombay], Rhnull, -D-, Knull) oder bei Antikörpern gegen hochfrequente Antigene (z. B. anti-k [Cellano], anti-Lub [Lutheran], anti-Kpb [Rautenberg], anti-Coa [Colton]). Zu nationalen und europäischen Möglichkeiten für die Beschaffung solcher Kryokonserven 7 Kap. 11. Zusätzlich könnten kryokonservierte Erythrozyten bei Katastrophenfällen ziviler oder militärischer Art (insbesondere Blutgruppe 0 Rh neg) oder zur Überbrückung temporärer Engpässe von Nutzen sein. Tiefgefrorene Erythrozytenkonzentrate ermöglichen darüber hinaus eine Quarantänelagerung, wie sie für gefrorenes und nicht virusinaktiviertes Frischplasma vorgeschrieben ist. Dadurch kann das transfusionsbedingte Restrisiko der Virusübertragung nahezu vollkommen ausgeschlossen werden, was beispielsweise vor der Spendersensibilisierung für die Gewinnung von Seren zur Anti-DProphylaxe vorgeschrieben ist. Tiefgefrorene Erythrozyten sind zudem prinzipiell zur Erweiterung der präoperativen Eigenblutgewinnung für elektive Eingriffe geeignet, falls ausreichend Zeit vorhanden ist. Wegen der begrenzten Haltbarkeit von flüssig gelagerten Eigenblutkonserven können diese nämlich meist nicht in ausreichender Zahl gewonnen werden, ohne den Patienten gleichzeitig wieder zu anämisieren. Das spe-
kulative Anlegen von Eigenblutdepots ohne nennenswerte Transfusionswahrscheinlichkeit wird wegen der im Bedarfsfall schwierigeren Verfügbarkeit (Logistik) und den höheren Kosten bei der derzeitigen Infektionssicherheit von Blutpräparaten i. d. R. nicht für sinnvoll gehalten. ! Die Gabe von tiefgekühlten Erythrozytenkonzentraten eines Blutstammzell- oder Knochenmarkspenders an den potenziellen Empfänger vor der Transplantation ist ebenfalls unbedingt zu vermeiden. Das Einfrieren, Auftauen und Auswaschen des Additivs Glycerin verringert plasmatische und intraleukozytäre Viruskontaminationen [1] deutlich, ist aber nicht geeignet, die Übertragung von Viren vollständig auszuschließen [32].
z Hinweise Die Lagerung tiefkühlkonservierter Erythrozytenkonzentrate hat bei hinreichend tiefen Temperaturen zu erfolgen. Die Lagerungstemperatur ist abhängig von der Art und Konzentration des verwendeten Kryoprotektivs, wobei z. B. im Falle der Low-glycerol-Technik (7 s. oben) –80 °C nicht ausreichend sind. Es wird empfohlen, die Erythrozyten innerhalb von 7 Tagen nach der Entnahme tiefzugefrieren. Die Lagerungsfähigkeit bei hinreichend tiefen Temperaturen beträgt mehr als 10 Jahre und kann bis zu 30 Jahre erreichen. Nach dem Auftauen und dem Waschen sind die Konserven zur sofortigen Transfusion bestimmt. Verlangt wird auch die Überprüfung auf die ausreichende Entfernung des Kryoprotektivs Glycerin bei jeder Konserve [112]. Der Mindestzeitraum für die Quarantänelagerung von kryokonservierten Erythrozyten zur homologen Transfusion ist in der Bundesrepublik auf 4 Monate festgesetzt. 10.4
Thrombozyten
z Verfahren Seit der Beschreibung von Lundberg et al. [60], die zur Vermeidung der unerwünschten Wirkungen des von Djerassi et al. [21] für die Kryokonservierung von Thrombozyten eingeführten Dimethylsulfoxids (DMSO; Übelkeit, Erbrechen, lokale Vasospasmen, unangenehmer Geschmack und Körpergeruch) einen Waschschritt vor der Transfusion eingeführt hatten, hat sich am Konservierungsverfahren selbst nur wenig geändert (Übersichten bei [90][91][89][98]). Je nach Autor variieren die seitdem beschriebenen Modifikationen der Methode hauptsächlich hinsichtlich der DMSO-Konzentration (4–6 %) und der Kühlrate (1–10 °C/min). Bei einer Beurteilung der vorliegenden Literatur ist sorgfältig zwischen der jeweils beschriebenen zahlenmäßigen Wiederfindungsrate, der mit einem In-vitro-Test gemessenen Vitalität und der In-vivo-Überlebensrate zu unterscheiden [90]. Die zahlenmäßige Wiederfindungsrate variiert dabei deutlich methodenabhängig [74][110] und bewegt sich üblicherweise zwischen 70 und 90 %. Die angegebene In-vitro-Vitalität hängt stark von der überprüften Funktion ab und erreicht in der Regel etwa 20–60 % des Wertes der unbehandelten Kontrollgruppe. Die benutzten Tests sind vielfältig: Volumennormalisierung nach hypotoner Belastung (HSR, »hypotonic stress reaction«), Serotoninaufnahme, Retraktionszeit, induzierte Aggregation mit verschiedenen Agenzien, Gehalt an Adenosinnukleotiden, Freisetzung von β-Thromboglobulin, Malondialdehydproduktion und Freisetzung von Plättchenfaktor 4 nach Stimulation mit Thrombin. Es ist jedoch nicht möglich, von diesen Ergebnissen auf die voraussichtliche In-vivo-Überlebensrate und hämostatische Effektivi-
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Kapitel 10 • Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen
tät der Thrombozyten zu schließen. Bei der derzeit am weitesten verbreiteten, auf Schiffer et al. [84][85] zurückgehenden Methode beträgt das anhand der Körperoberfläche korrigierte 1-h-Inkrement für kryokonservierte Thrombozyten etwa die Hälfte des Wertes, der mit ungefrorenen Thrombozyten erzielt werden kann [10] [74][84]. Daraus ergibt sich, dass die Dosierung gefroren/getauter Thrombozyten doppelt so hoch wie bei ungefrorenen sein sollte, um einen vergleichbaren Anstieg zu erzielen. Detaillierte Arbeitsanleitungen für dieses Konservierungsverfahren finden sich bei [89] [111]. Die DMSO-Konzentration beträgt dabei 5 %, die Kühlrate ca. 10 °C/min (dies wird in der Gasphase über Flüssigstickstoff oder in einer Tiefkühltruhe mit Temperaturen <–120 °C erreicht), die Lagertemperatur für eine mehrmonatige Aufbewahrung liegt unterhalb von –120 °C. Das Auftauen erfolgt im 37 °C warmen Wasserbad innerhalb weniger Minuten, die Entfernung des DMSO durch einen Waschschritt mit ACD-A-haltigem autologem Plasma. Ähnlich wie bei den Erythrozyten wurde auch bei den Thrombozyten nach einer Alternative zum DMSO gesucht, um den Waschschritt zur Entfernung des Kryoprotektivs vor der Transfusion zu vermeiden. Auf Dayian u. Rowe [20] geht ein Glycerin-Glucose-Verfahren zurück, das ohne einen Waschschritt nach dem Auftauen auskommt, da die Kryoprotektive in der dabei zur Transfusion kommenden Konzentration unschädlich sind. Kim. u. Baldini [41] und Armitage [3] konnten nachweisen, dass der osmotischen Belastung der Plättchen eine wichtige Rolle zukommt, die bei der Zugabe des im Vergleich zum DMSO nur relativ langsam in die Zellmembran permeierenden Glycerins in Erscheinung tritt. Anders als Erythrozyten verlieren Thrombozyten bereits bei relativ geringen Tonizitätssprüngen einen wesentlichen Teil ihrer Funktion, wohingegen erstere ohne Probleme Unterschiede bis zu 1500 mosmol/l tolerieren [58]. Die beim Hinzufügen des Kryoprotektivs infolge Wassereffluxes zumindest kurzfristig auftretenden Volumenänderungen sollten 60 % des Ausgangsvolumens nicht unterschreiten [3]. Am wenigsten schädlich war die DMSO-Zugabe, wenn die dabei erfolgende Konzentrationsänderung 1 % pro 15 min nicht überschritt. Über andere Kryoprotektive für Thrombozyten gibt es nur wenige Untersuchungen. Chaudhury u. Gunstone [15] wandten 1978 zum ersten Mal mittels Hydroxyethylstärke (HES) kryokonservierte Plättchen beim Menschen an. Sie fanden, dass die in 4 % HES mit 1 °C/min abgekühlten Blutplättchen hämostatisch aktiv waren. Optimale Ergebnisse bei einer HES-Konzentration von ca. 4 % sind bei Kühlraten von 5–15 °C/min und einem reduzierten Elektrolytgehalt von 240 mosmol/l in der kryoprotektiven Lösung zu erwarten [89] [92]. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass Thrombozyten möglicherweise auch mit nur 2 % DMSO kryokonserviert werden können, wenn Substanzen, die »second messengers« und zelluläre Enzyme beeinflussen, hinzugefügt werden [59][104]. Bislang hat diese neue Technik jedoch – abgesehen von ersten Pilotstudien bei gesunden Freiwilligen [17] und Patienten [70] – noch keinen Eingang in die klinische Praxis gefunden. z Indikationen Für Patienten, die sich einer zytostatischen Therapie unterziehen, beispielsweise der einer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation vorangehenden myeloablativen Behandlung, könnten sich mit autologen, zuvor kryokonservierten Thrombozyten neue Möglichkeiten eröffnen. Entweder prophylaktisch oder spätestens bei akuten Blutungen könnte auf die zuvor tiefgefrorenen Präparate zurückgegriffen werden. Im homologen Fall – und v. a. bei bereits immunisierten Empfängern – könnten tiefgefrorene, ABO-, HLAbzw. HPA-kompatible Präparate einiger weniger Spender eingesetzt
werden. Dies gilt insbesondere für pränatale und neonatale Alloimmunthrombozytopenien (7 Kap. 13, 24). Die Bevorratung mit tiefgefrorenen Thrombozyten von Spendern mit der Blutgruppe 0 Rh neg und häufigen HLA- bzw. HPAHaplotypen könnte sich für Katastrophenfälle und zur Überbrückung temporärer Engpässe als sinnvoll erweisen. Brauchbar sind tiefgefrorene HLA- bzw. HPA-typisierte Thrombozytenpanels auch zur Bestimmung thrombozytärer Allo- und Autoantikörper in vitro [34][53]. 10.5
Leukozyten
10.5.1
Granulozyten
Es tauchen gelegentlich immer wieder Untersuchungen auf, die die erfolgreiche Kryokonservierung von Granulozyten (in der angelsächsischen Literatur häufig als »polymorphonuclear cells«, PMNC, bezeichnet) für sich reklamieren (Übersichten: [8][43]). Die große Variabilität der berichteten Ergebnisse beruht hauptsächlich auf der unterschiedlichen Sensitivität und Spezifität der eingesetzten Tests. Membran-Integritätstests wie beispielsweise der Trypanblau-Ausschlusstest oder der kombinierte Vital-Avital-Färbetest mit Fluorescein-Diacetat/Ethidiumbromid [18] sind insbesondere dann wenig aussagekräftig, wenn sich bei Anwendung funktioneller Tests (z. B. Chemotaxis, Bakterizidie) herausstellt, dass die zellartspezifischen Funktionen den Kryokonservierungsprozess nicht überstanden haben. Die erhaltene Membranintegrität stellt zwar ein notwendiges, aber keinesfalls hinreichendes Kriterium für eine intakte Zelle dar. Takahashi et al. [101] haben verschiedene Ursachen ermittelt, die für das Versagen der bisherigen Versuche zur Kryokonservierung von Granulozyten verantwortlich sein könnten: Bereits unterhalb von –5 °C kommt es auch ohne Eisbildung zu einem deutlichen Funktionsverlust, der durch die Zugabe von DMSO, aber nicht durch Glycerin vermieden werden kann. Wegen ihrer geringen osmotischen Toleranz – bereits bei Osmolaritäten, die dem Doppelten der Isotonie entsprechen, kommt es zum Funktionsverlust – sind sie für die beim Einfrieren auftretende Elektrolytanreicherung ungeeignet. Aber auch hypotonen Belastungen gegenüber, wie sie beim Auftauen auftreten können, weisen sie wenig Widerstandsfähigkeit auf. Dies hat dazu geführt, dass die Kryokonservierung von Granuloyzten derzeit noch als ein ungelöstes Problem angesehen wird.
10.5.2
Lymphozyten und Monozyten
Lymphozyten und Monozyten weisen im Gegensatz zu den Granulozyten eine hohe osmotische Belastbarkeit auf. Deshalb – und wegen ihrer prinzipiell guten Gefrier- und Auftautoleranz – haben sie häufig auch als »Modellzellen« für kryobiologische Grundlagenuntersuchungen gedient [45][47]. Sowohl für Lymphozyten [5][6][71] als auch für Monozyten [12][39][65] sind bereits seit langem brauchbare Kryokonservierungsverfahren beschrieben (Übersichten z. B. bei [90][91][98]). Sie wurden früher hauptsächlich zu diagnostischen Zwecken tiefgefroren. Besonders wichtig sind dabei Lymphozytenpanels mit verschiedenen HLA-Antigenen zur Bestimmung von HLA-Antikörpern in Seren von Patienten auf Wartelisten für Organtransplantationen. Frische oder kryokonservierte Spenderlymphozyten (»donor lymphocyte infusion«, DLI) sind geeignet, Remissionen bei Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) zu induzieren, bei denen nach der Transplantation ein zytogenetischer
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Literatur
oder hämatologischer Rückfall beobachtet wurde [88]. Inzwischen haben sie den Status eines klinisch genutzten Zelltherapeutikums erreicht [54], und allein in Deutschland wurden im Jahr 2007 bereits ca. 500 Patienten mit DLI therapiert [23]. Die Gewinnung und Kryokonservierung von DLI bereits bei der Gewinnung allogener HPC zur Therapie von Hochrisikopatienten kann dazu beitragen, Verzögerungen bei deren Beschaffung im Falle eines Rückfalls zu vermeiden [28]. Die zum Tiefgefrieren von Lymphozyten und Monozyten benutzten Kryokonservierungsverfahren sind relativ einfach. Sie bestehen im Wesentlichen aus dem Zusatz von 10 % DMSO als Kryoprotektiv, wobei die Zellen in der Regel in einer Elektrolytlösung suspendiert sind. Bei für Laborzwecken tiefgefrorenen Zellsuspensionen wird mitunter auch fetales Kälberserum zugefügt, bei für die Anwendung am Menschen vorgesehenen Präparationen sollte heute aber besser autologes oder zumindest virussicheres Plasma bzw. zur Infusion geeignetes Humanalbumin verwendet werden. Abgekühlt wird in tieftemperaturbeständigen Kunststoffröhrchen oder -beuteln mit Kühlraten von 1–2 °C/min in programmierbaren Einfriergeräten. Ab Temperaturen unterhalb von –40 °C kann aus Gründen der Zeitersparnis mit höheren Kühlraten (5–10 °C/min) fortgefahren werden. Die Einhaltung der erforderlichen Kühlrate im oberen Temperaturbereich (0 bis –40 °C) ist auch hier wichtig; das Auftauen erfolgt i. d. R. in einem 37 °C warmen Wasserbad. Es werden Wiederfindungsraten von 70–90 % berichtet, wobei die Angaben über die Vitalität und die Beeinträchtigung spezifischer Funktionen variieren [90][91]. 10.6
Hämatopoetische Progenitorzellen
Barnes u. Loutit [9] setzten im Zusammenhang mit der ersten erfolgreichen Transplantation von tiefgefrorenen Knochenmarkstammzellen das Kryoprotektiv Glycerin ein. Basierend auf den Arbeiten von Ashwood-Smith [4] hat sich dafür ebenfalls das Dimethylsulfoxid (DMSO) durchsetzen können. Auf Stiff et al. [99] geht die Vorgehensweise zurück, das DMSO bei Knochenmarkstammzellen zur Hälfte durch Hydroxyethylstärke (HES) zu ersetzen, deren kryoprotektive Eigenschaften für Stammzellen bereits Schaefer u. Beyer [82] beschrieben hatten. Dadurch können die bei der Transfusion auftretenden, DMSO-bedingten unerwünschten Wirkungen (z. B. Übelkeit, Erbrechen, lokale Vasospasmen) verringert werden. Makino et al. [61] übertrugen dies auf periphere Blutstammzellen. Kontrollierte klinische Studien zum Vergleich der beiden kryoprotektiven Lösungen liegen bislang aber nicht vor – und auch systematische In-vitro-Untersuchungen stellen eher die Ausnahme dar [97]. Nicht zuletzt wegen der ausgezeichneten osmotischen Widerstandsfähigkeit der hämatopoetischen Stammzellen [52] konnten sich verschiedene Konservierungsprotokolle etablieren (Übersichten z. B. bei [7][11][26][78][91][96]; eine Zusammenstellung mehrerer detaillierter Arbeitsvorschriften findet sich bei [30]). Sie stimmen i. d. R. dahingehend überein, dass die schrittweise Zugabe der bei Raumtemperatur zytotoxischen kryoprotektiven Lösungen deshalb bei 0–4 °C zu erfolgen hat. Die einzufrierende Zellsuspension enthält schließlich entweder 10 % DMSO oder 5 % DMSO plus 6 % HES. Die erforderliche optimale Kühlrate variiert je nach Autor von 1–4 °C/min. Das Abkühlen erfolgt vorzugsweise in einem mit Flüssigstickstoff zu betreibenden, programmierbaren Einfriergerät. Allerdings sind auch erfolgreiche Studien ohne die Verwendung solcher Automaten beschrieben [16][22]. Dabei ist wichtig, dass die erforderliche Abkühlkinetik reproduzierbar erreicht wird. Wegen
der großen Bedeutung, die autologen Stammzellpräparaten zukommt, sollte mit Thermoelementen der Temperatur-Zeit-Verlauf mehrfach gemessen werden, um so einen Eindruck von dessen Reproduzierbarkeit zu gewinnen. Es sei darauf hingewiesen, dass die dabei gemessenen Verläufe zum einen vom Gefriergut selbst (z. B. zylindrische oder plattenförmige Geometrie, Gefriergutschichtdicke, Zusammensetzung, thermische Eigenschaften des Behältnisses) und zum anderen von der Größe und Position des Messfühlers [31] bezüglich der Hauptwärmestromrichtung abhängen. Die in mitgeführten kleinen Referenzproben (z. B. Reagenzröhrchen) gemessenen Temperaturverläufe unterscheiden sich deshalb durchaus von den im Gefriergut (üblicherweise in Beuteln) auftretenden Verläufen [24]. Allerdings fanden sich in eigenen Untersuchungen im Kühlratenbereich von 1–5 °C keine signifikanten Unterschiede in der Klonogenität (Zellkultur-Assay) nach dem Auftauen. Dies dürfte auch erklären, weshalb trotz ggf. unterschiedlicher Temperaturverläufe im Produktbeutel bzw. Referenzröhrchen ähnliche Wiederfindungsraten erhalten wurden [97]. Die für eine mehrmonatige Lagerung einzuhaltende Temperatur liegt unterhalb von –100 °C [2], wobei für eine kurzfristige Aufbewahrung (Wochen) auch Temperaturen von –80 °C möglich sind. Für einen evtl. erforderlichen Transport im tiefgefrorenen Zustand sollten zum Trockenversand geeignete, auslaufgeschützte Flüssigstickstoffbehälter (sog. »dryshipper«) verwendet werden, die die erforderlichen tiefen Temperaturen sicher aufrecht erhalten. Das Auftauen – üblicherweise in einem 37 °C warmen Wasserbad oder einem Gerät, das mit einem Heißluftgebläse versehen ist – erfolgt unmittelbar vor der Transfusion, wobei mancherorts auf einen Waschschritt zur Entfernung des Kryoprotektivs aus Sorge um einen eventuellen Stammzellverlust verzichtet wird. Gelegentlich wurden bei der Verabreichung unerwünschte kardiale Wirkungen gesehen [19][40]. Kryokonservierte Blutstammzellpräparate haben zwar auch im allogenen Fall ihren festen Platz [28][57] gefunden, vor allem aber sind sie das Mittel der Wahl für die autologe hämopoetische Restitution nach myelosuppressiven bzw. -ablativen Therapieschemata (7 Kap. 32). Nachdem ursprünglich die Tieftemperaturkonservierung von aus dem Knochenmark stammenden hämatopoetischen Zellen im Vordergrund stand, hat sich das Interesse zunehmend auf die mittels Leukozytapherese aus dem peripheren Blut zu gewinnenden Stammzellen verlagert (7 Kap. 17). Andere »Quellen« für hämatopoetische Vorläuferzellen (HPC) sind fetales Leber- [102] und Nabelschnur- bzw. Plazentarestblut (7 Kap. 18) [14][26][29] [113]. Während die allogene Transplantation mit HPC aus Nabelschnurblut bei Patienten mit weniger als 30 kg Körpergewicht bei bestimmten Erkrankungen möglich ist [80], gestaltet sich die erfolgreiche Behandlung Erwachsener mit tiefgefronenem Plazentarestblut schwieriger [81]. Skepsis ist allerdings angebracht, was den Sinn der kommerziellen Einlagerung von tiefgefrorenem Nabelschnurblut in privaten Einrichtungen für eine spätere autologe Nutzung angeht [25].
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Kapitel 10 • Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen
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10
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99
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Kapitel 10 • Kryokonservierung von Blutzellen und hämatopoetischen Stammzellen
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133
Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten W. A. Flegel und F. F. Wagner
11.1
Blutgruppe und Blutgruppenantigen – 134
11.1.1 11.1.2 11.1.3
Klassifikation von Blutgruppenantigenen – 134 Schreibweise von Antigenen und Allelen – 140 Grundlegende Begriffe für Blutgruppenantigene und -antikörper – 141
11.2
Klinische Bedeutung der Blutgruppenantigene – 144
11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4
Häufigkeit in der Bevölkerung – 145 Immunogenität – 145 Praktische Aspekte der klinischen Versorgung – 146 Relevanz von Blutgruppenantigenen außerhalb der klinisch-praktischen Transfusionsmedizin – 148
11.3
Die ABO-, H- und Lewis-Systeme – 148
11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5 11.3.6 11.3.7 11.3.8
ABO-System – 148 H-System – 151 Lewis-System – 151 Molekulare Struktur der A-, B-, H-, und Le-Antigene – 151 I-System und molekulare Struktur der I-Antigene – 152 Molekulare Struktur der Glykosyltransferasen im ABO-System – 154 P-System – 156 GLOB-System und GLOB-Kollektion – 156
11.4
Das Rhesussystem – 157
11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.4.6 11.4.7 11.4.8 11.4.9 11.4.10
Überblick – 157 Rhesusphänotypen – 157 Antigen D – 158 Weitere wichtige Antigene im Rhesussystem – 159 Serologische Antigen-D-Bestimmung – 160 Serologische Bestimmung der Rhesusformel – 161 Rhesusbestimmung bei Neugeborenen – 161 Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) durch Anti-D – 161 Molekulare Basis der Rhesusantigene – 161 RHD-Genotypisierung – 163
11.5
Weitere Protein-basierte Blutgruppensysteme – 163
11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.5.4 11.5.5
Kell-System – 163 Duffy-System – 164 Kidd-System – 164 MNS-System – 165 Lutheran-System – 166
11.6
Ausblick – 166
11.6.1
Danksagung und Schlussbemerkung – 167
Literatur – 167
11
134
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
Die erythrozytären Antigene und die gegen sie gerichteten Autound Alloantikörper sind der bedeutendste Teilbereich der Immunhämatologie, die sich auf die klinischen Aspekte von Auto- und Alloantikörpern gegen Blutzellen im Allgemeinen bezieht. Die anderen Teilbereiche werden in separaten Kapiteln behandelt und betreffen die Antigene auf Granulozyten und auf Thrombozyten sowie die besonders vielfältige und klinisch wichtige Gruppe von Antigenen der Leukozyten, die durch das HLA-System beschrieben wird. Immunhämatologisch relevante erythrozytäre Antigene befinden sich auf Molekülen der Erythrozytenmembran und werden wegen ihrer erheblichen klinischen Bedeutung mit großem Aufwand wissenschaftlich untersucht. 308 Antigene sind durch Serologie und molekulare Methoden charakterisiert. Ein wesentlicher Teil des Verständnisses wurde erst seit Mitte der 1990er Jahre gewonnen. Aufgrund aktueller Erkenntnisse gibt es auch in jüngster Zeit immer wieder Anpassungen der Routine-Typisierungsverfahren. Die allermeisten der Antigene sind molekular definiert und können unterschiedlichen Funktionen wie Membrantransportern, Komplementregulatoren, Adhäsionsmolekülen und Ektoenzymen zugeordnet werden. Im Jahr 2009 sind 30 Blutgruppensysteme, 6 Kollektionen und je eine Serie von Antigenen mit seltenem bzw. häufigem Vorkommen in der Bevölkerung definiert. Die Genotypisierung von Blutgruppen wird bereits in der Pränataldiagnostik eingesetzt und wird in Zukunft sicher eine noch breitere Anwendung finden. Molekulare und funktionale Untersuchungen von Blutgruppenantigenen stellen eine Grundlage für eine kosteneffiziente Transfusionsmedizin dar und tragen darüber hinaus erheblich zum Verständnis der Biologie der Erythrozytenmembran und genetischer Polymorphismen des Menschen bei.
11.1
11
Blutgruppe und Blutgruppenantigen
Der Begriff »Blutgruppe« wird mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet: Ist einfach von »der Blutgruppe« die Rede, so meint man meist die ABO-Blutgruppe. Mit der Blutgruppe kann auch der Phänotyp innerhalb des ABO-, des H- oder des Rhesussystems gemeint sein, wie zum Beispiel »Blutgruppe A«, »Bombay-Blutgruppe« und »Blutgruppe 0 Rhesus-negativ«. Von diesem umgangssprachlichen Gebrauch einmal abgesehen, ist der Begriff »Blutgruppe« im wissenschaftlich strengen Sinne definiert als synonym mit »(Blutgruppen-)System«. So ist zum Beispiel die »Rhesusblutgruppe« synonym mit »Rhesusblutgruppensystem«. Alle erythrozytären Antigene gelten als Blutgruppenantigene, wenn sie auf der Oberfläche des Erythrozyten vorhanden und durch definierte Antikörper nachweisbar sind sowie vererbt werden. Blutgruppenantigene beruhen auf genetisch bedingten Polymorphismen von Kohlenhydraten, die durch Transferasen gebildet werden, oder von Proteinen (. Tab. 11.1). Intrazellulär lokalisierte Antigene, genetische Polymorphismen ohne korrespondierenden Antikörper und nicht genetisch bedingte Antigene (z. B. »acquired B«) erfüllen nicht die Kriterien eines Blutgruppenantigens. Das Verzeichnis der erythrozytären Antigene wird durch eine Arbeitsgruppe der ISBT (International Society for Blood Transfusion, Working Party on Red Cell Immunogenetics and Blood Group Terminology) fortlaufend aktualisiert, die Kriterien für eine Klassifikation und eine numerische Terminologie entwickelt hat. Die Blutgruppenantigene werden – basierend auf ihrer bisher bekannten genetischen Grundlage – 4 Klassen zugeteilt: 1. den Systemen (»001 bis 030«), 2. den Kollektionen (»205, 207 bis 211«), 3. einer Liste niedrig frequenter Antigene (»700 Serie«) und schließlich
4. einer Liste hoch frequenter Antigene (»901 Serie«). Die Zuordnung zu Kollektionen und Listen (»Serien«) ist provisorisch. Gerade in jüngster Zeit ermöglichte der enorme Wissenszuwachs in Bezug auf die molekulare Struktur die Zuordnung zahlreicher Antigene zu bekannten oder neuen Blutgruppensystemen. Etliche frühere Kollektionen konnten formal den Status eines Blutgruppensystems erhalten. Für die wissenschaftliche Abhandlung der strukurellen und funktionellen Vielfalt der Blutgruppen [11][31][32][39][43][52] [53][55][67] gibt es ebenso wie für die praktische Anwendung im blutgruppenserologischen Labor [19][35][46][50][56] umfassende Lehrbücher bzw. Nachschlagewerke, die in aktueller Form jedoch oft nur in englischer Sprache zur Verfügung stehen. Wir verweisen auf eine ganze Reihe ausgezeichneter Übersichtarbeiten [1][2][3] [5][8][9][11][18][23][24][25][26][33][34][41][42][44][47][49][50] [57][61][67][72] und einige aktuelle bzw. grundlegende Originalarbeiten [7][10][27][28][29][30][36][37][40][48][54][60][62][65] [66][67][68][71][73][74][75]. Zunehmende Bedeutung gewinnen Referenzen auf Internetseiten, die am besten die Aktualität gewährleisten können [4][14][38][68].
11.1.1
Klassifikation von Blutgruppenantigenen
Die Nomenklatur wurde letztmalig 2004 zusammenfassend dargestellt [14] und seitdem zwei Mal aktualisiert [14][15].
Systeme Ein Blutgruppensysteme setzt sich aus einem oder mehreren Antigenen zusammen, die von einem einzigen Gen oder von mehreren eng verbundenen ähnlichen (homologen) Genen kontrolliert (kodiert) werden. Im Jahr 2010 werden 30 Blutgruppensysteme unterschieden, für die zur Zeit zwischen 1 und bis zu 50 Antigene bekannt sind (. Tab. 11.2) [4][5]. Jedes zukünftig zu definierende Blutgruppensystem muss genetisch unterschiedlich von den bisher bekannten Systemen sein.
Kollektionen Antigene werden in »Kollektionen« zusammengefasst, wenn sie serologisch, biochemisch oder genetisch zusammengehören, jedoch die Kriterien für ein eigenes Blutgruppensystem (z. B. Ausschluss aller bekannten Systeme) zurzeit (noch) nicht erfüllen (. Tab. 11.3).
Listen (»Serien«) niedrig bzw. hoch frequenter Antigene Für eine Reihe weiterer erythrozytärer Antigene ist die Beziehung zu Systemen oder Kollektionen völlig unbekannt. Dies kann bedeuten, dass ein Antigen eine von den bekannten Systemen unabhängige molekulare Basis hat oder dass die Zugehörigkeit zu einem der bekannten Systeme noch nicht erkannt wurde. Da die Zuordnung zu Systemen und Kollektionen für Antigene mit mittlerer Häufigkeit recht einfach ist, bleiben meist solche Antigene »übrig«, die in der Bevölkerung sehr selten oder sehr häufig vorkommen. Diese niedrig bzw. hoch frequenten Antigene, die (noch) nicht zu Systemen oder Kollektionen gehören, werden in mehr oder weniger chronologischer Reihenfolge in zwei Serien aufgelistet (. Tab. 11.4).
Nicht klassifizierte Antigene Einige erythrozytäre Antigene werden bisher nicht von der ISBTNomenklatur erfasst. Hierzu gehören z. B. eine ganze Reihe von
135
11.1 • Blutgruppe und Blutgruppenantigen
. Tab. 11.1 Derzeit definierte Blutgruppensysteme und ihre molekulare Basis ISBTNummer
Name des Systems
KlinischeRelevanz
Name des Gens
Typ des Proteins
Ligand/ Substrat
Chromosomale Position
CD
Jahr der Entdeckung(a)
001
ABO(b)
Ja
ABO(b)
α-1,3-Glykosyltransferase
N-Acetylgalaktosamin Galaktose
9q34.1-q34.2
n. v.
1900
002
MNS
Ja
GYPA GYPB GYPE
Glykophorin(c)
Nicht bekannt
4q28-q31
CD235A CD235B
1927
003
P
Variabel
P1
Nicht bekannt
Nicht bekannt
22q11.2-qter
n. v.
1927
004
Rh
Ja
RHD RHCE
Membrantransporter-assoziiert
Nicht bekannt
1p36.2-p34
CD240D CD240CE
1939
005
Lutheran
Variabel
LU
Adhäsionsmolekül
Laminin 10 Laminin 11
19q13.2
CD239
1945
006
Kell
Ja
KEL
Ektoenzym
»big endothelin 3«
7q33
CD238
1946
007
Lewis
Variabel
FUT3
α-1,4-Glykosyltransferase
Fukose
19p13.3
n. v.
1946
008
Duffy
Ja
DARC
Bindungsprotein
IL8 RANTES MGSA MCP-1
1q22-q23
CD234
1950
009
Kidd
Ja
SLC14A1
Membrantransporter
Harnstoff
18q11-q12
n. v.
1951
010
Diego
Ja
SLC4A1
Membrantransporter
Anionen NO
17q21-q22
CD233
1955
011
Yt
Ja
ACHE
Ektoenzym
Acetylcholin
7q22
n. v.
1956
012
Xg
Nein
XG MIC2
Adhäsionsmolekül?
Nicht bekannt
Xp22.32 Yp11.3
CD99
1962
013
Scianna
Ja
ERMAP
Adhäsionsmolekül
Nicht bekannt
1p34
n. v.
1962
014
Dombrock
Ja
ART4
Ektoenzym
ADP-Ribose
12p13.2-p12.1
n. v.
1965
015
Colton
Ja
AQP1
Membrantransporter
Wasser
7p14
n. v.
1967
016
LandsteinerWiener
Ja
ICAM-4
Adhäsionsmolekül
Diverse Integrine
19p13.3
CD242
1940/1982
017
Chido/Rodgers
Nein
C4A C4B
Komplement
C4
6p21.3
n. v.
1967
018
Hh
Ja
FUT1
α-1,2-Glykosyltransferase
Fukose
19q13
CD173
1952
019
Kx
Ja
XK
Membrantransporter?
Nicht bekannt
Xp21.1
n. v.
1975
020
Gerbich
Ja
GYPC GYPD
Glykophorin
Nicht bekannt
2q14-q21
CD236C CD236D
1960/1990
021
Cromer
Ja
CD55 (DAF)
Komplementregulator
»Decay-accelerating factor«
1q32
CD55
1965/1990
022
Knops
Nein
CR1
Komplementregulator
Komplementrezeptor 1
1q32
CD35
1970/1992
11
136
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.1 Fortsetzung ISBTNummer
Name des Systems
KlinischeRelevanz
Name des Gens
Typ des Proteins
Ligand/ Substrat
Chromosomale Position
CD
Jahr der Entdeckung(a)
023
Indian
Ja
CD44
Adhäsionsmolekül
Hyaluronsäure Diverse Proteine
11p13
CD44
1963/1994
024
Ok
Ja
CD147
Adhäsionsmolekül?
Nicht bekannt
19pter-p13.2
CD147
1979/1998
025
Raph
Nein
MER2
Nicht bekannt
Nicht bekannt
11p15.5
n. v.
1985/1998
026
JMH
Nein
SEMA7A
Adhäsionsmolekül?
Nicht bekannt
15q23-q24
CD108
1982/2000
027
I
Variabel
IGNT3
β-1,6-Glykosyltransferase
N-Acetylglucosamin
6p24-p23
n. v.
1956/2002
028
GLOB
Ja
α4GalT1
α-1,4-Glykosyltransferase
Galaktose
22q13.2
n. v.
1951/2002
029
GIL
Ja
AQP3
Membrantransporter
Wasser Glycerin
9p13
n. v.
1981/2002
030
RHAG
Ja
RHAG
Membrantransporter
NH 3 CO2
6p12
CD241
1978/2008
CD cluster of differentiation [12], n. v. nicht vergeben. Jahr der Beschreibung des ersten Antigens im System/Jahr der Definition als System. (b) Im deutschen Sprachgebrauch ist die Bezeichnung »ABO« (sprich: A B Null) üblich, die zudem die biologische Grundlage korrekt widergibt. (c) Glykophorine sind stark verzuckerte Transmembranproteine und tragen deshalb wesentlich zur negativen Ladung der Erythrozyten bei. (a)
11
. Tab. 11.2 Systeme und vollständige Liste aller definierten Antigene in diesen Systemen ISBTNummer
Symbol
Name
Antigen (ISBT-Nummer, Name des Antigens und Frequenz in Deutschland)(a)
001
ABO
ABO
001 A 43 %
002 B 11 %
003 AB 6 %
004 A1 34 %
005 Obsolet
002
MNS
MNS
001 M 78 %
002 N 72 %
003 S 55 %
004 s 89 %
005 U >99 %
006 He <0,1 %
007 Mia <0,1 %
008 Mc <0,1 %
009 Vw <0,1 %
010 Mur <0,1 %
011 Mg <0,1 %
012 Vr <0,1 %
013 Me 78 %
014 Mta 0,3 %
015 Sta <0,1 %
016 Ria <0,1 %
017 Cla <0,1 %
018 Nya <0,1 %
019 Hut <0,1 %
020 Hil <0,1 %
021 Mv <0,1 %
022 Far <0,1 %
023 sD <0,1 %
024 Mit <0,1 %
025 Dantu <0,1 %
026 Hop <0,1 %
027 Nob <0,1 %
028 Ena 100 %
029 ENKT 100 %
030 ‘N’ 100 %
031 Or <0,1 %
032 DANE <0,1 %
033 TSEN <0,1 %
034 MINY <0,1 %
035 MUT <0,1 %
036 SAT <0,1 %
037 ERIK <0,1 %
038 Osa <0,1 %
039 ENEP 100 %
040 ENEH 100 %
041 HAG <0,1 %
042 ENAV 100 %
043 MARS <0,1 %
044 ENDA 100 %
045 ENEN 100 %
046 MNTD <0,1 %
001 P1 79 %
002 Obsolet
003
P1
P
003 Obsolet
11
137
11.1 • Blutgruppe und Blutgruppenantigen
. Tab. 11.2 Fortsetzung ISBTNummer
Symbol
Name
Antigen (ISBT-Nummer, Name des Antigens und Frequenz in Deutschland)(a)
004
RH
Rhesus
001 D 83 %
002 C 68 %
003 E 29 %
004 c 80 %
005 e 98 %
006 f 65 %
007 Ce 68 %
008 Cw 2 %
009 Cx <0,1 %
010 V 1 %
011 Ew <0,1 %
012 G 84 %
013 Obsolet
014 Obsolet
015 Obsolet
016 Obsolet
017 Hr0 100 %
018 Hr 100 %
019 hrS 98 %
020 VS <0,1 %
021 CG 68 %
022 CE 0,3 %
023 Dw <0,1 %
024 Obsolet
025 Obsolet
026 c-like 80 %
027 cE 28 %
028 hrH <0,1 %
029 Rh29 100 %
030 Goa <0,1 %
031 hrB 98 %
032 Rh32 <0,1 %
033 Rh33 <0,1 %
034 HrB 100 %
035 Rh35 <0,1 %
036 Bea <0,1 %
037 Evans <0,1 %
038 Obsolet
039 Rh39 100 %
040 Tar <0,1 %
041 Rh41 70 %
042 Rh42 <0,1 %
043 Crawford <0,1 %
044 Nou 100 %
045 Riv <0,1 %
046 Sec 100 %
047 Dav 100 %
048 JAL <0,1 %
049 STEM <0,1 %
050 FPTT <0,1 %
051 MAR 100 %
052 BARC <0,1 %
053 JAHK <0,1 %
054 DAK <0,1 %
055 LOCR <0,1 %
056 CENR <0,1 %
057 CEST 100 %
001 Lua 8 %
002 Lub >99 %
003 Lu3 100 %
004 Lu4 100 %
005 Lu5 100 %
006 Lu6 100 %
007 Lu7 100 %
008 Lu8 100 %
009 Lu9 1 %
010 Obsolet
011 Lu11 100 %
012 Lu12 100 %
013 Lu13 100 %
014 Lu14 1 %
015 Obsolet
016 Lu16 100 %
017 Lu17 100 %
018 Aua 82 %
019 Aub 51 %
020 Lu20 100 %
021 Lu21 <0,1 %
001 K 9 %
002 k >99 %
003 Kpa 2 %
004 Kpb 100 %
005 Ku 100 %
006 Jsa <0,1 %
007 Jsb 100 %
008 Obsolet
009 Obsolet
010 Ula <0,1 %
011 K11 100 %
012 K12 100 %
013 K13 100 %
014 K14 100 %
015 Obsolet
016 K16 >99 %
017 K17 0,3 %
018 K18 100 %
019 K19 100 %
020 Km 100 %
021 Kpc <0,1 %
022 K22 100 %
023 K23 <0,1 %
024 K24 <0,1 %
025 VLAN <0,1 %
026 TOU 100 %
027 RAZ 100 %
028 VONG <0,1 %
029 KALT 100 %
030 KTIM 100 %
031 KYO <0,1 %
032 KUCI 100 %
033 KANT 100 %
011 Moa <0,1 %
005
006
LU
KEL
Lutheran
Kell
034 KASH 100 % 007
LE
Lewis
001 Lea 22 %
002 Leb 72 %
003 Leab Entfällt
004 LebH Entfällt
005 ALeb Entfällt
006 BLeb Entfällt
008
FY
Duffy
001 Fya 66 %
002 Fyb 83 %
003 Fy3 100 %
004 Fy4 <0,1 %
005 Fy5 100 %
006 Fy6 100 %
009
JK
Kidd
001 Jka 77 %
002 Jk b 74 %
003 Jk3 100 %
010
DI
Diego
001 Dia <0,1 %
002 Dib 100 %
003 Wra <0,1 %
004 Wrb 100 %
005 Wda <0,1 %
006 Rba <0,1 %
007 WARR <0,1 %
008 ELO <0,1 %
009 Wu <0,1 %
010 Bpa <0,1 %
012 Hga <0,1 %
013 Vga <0,1 %
014 Swa <0,1 %
015 BOW <0,1 %
016 NFLD <0,1 %
017 Jna <0,1 %
018 KREP <0,1 %
019 Tra <0,1 %
020 Fra <0,1 %
021 SW1 <0,1 %
138
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.2 Fortsetzung ISBTNummer
Symbol
Name
Antigen (ISBT-Nummer, Name des Antigens und Frequenz in Deutschland)(a)
011
YT
Yt
001 Yta >99 %
002 Ytb 8 %
012
XG
Xg
001 Xga 89/66 %(b)
002 CD99 100 %
013
SC
Scianna
001 Sc1 >99 %
002 Sc2 1 %
003 Sc3 100 %
004 Rd 0,1 %
005 STAR 100 %
006 SCER 100 %
014
DO
Dombrock
001 Doa 67 %
002 Dob 82 %
003 Gya 100 %
004 Hy 100 %
005 Joa 100 %
006 DOYA 100 %
015
CO
Colton
001 Coa >99 %
002 Cob 10 %
003 Co3 100 %
016
LW
LandsteinerWiener
001 Obsolet
002 Obsolet
003 Obsolet
004 Obsolet
005 LWa 100 %
006 LWab 100 %
007 LWb <1 %
017
CH/RG
Chido/ Rodgers
001 Ch1 96 %
002 Ch2 91 %
003 Ch3 93 %
004 Ch4 Nicht bekannt
005 Ch5 Nicht bekannt
006 Ch6 Nicht bekannt
007 WH 15 %
008–010 Nicht vergeben
018
H
Hh
001 H 100 %
019
XK
Kx
001 Kx 100 %
020
GE
Gerbich
001 Obsolet
002 Ge2 100 %
003 Ge3 >99 %
004 Ge4 100 %
005 Wb <0,1 %
006 Lsa <0,1 %
007 Ana <0,1 %
008 Dha <0,1 %
009 GEIS <0,1 %
021
CROM
Cromer
001 Cra 100 %
002 Tca 100 %
003 Tcb <0,1 %
004 Tcc <0,1 %
005 Dra 100 %
006 Esa 100 %
007 IFC 100 %
008 WESa <0,1 %
009 WESb 100 %
012 SERF 100 %
013 ZENA 100 %
014 CROV 100 %
015 CRAM 100 % 005 Yka 92 %
006 McCb <0,1 %
007 Sl2 98 %
008 Sl3 98 %
009 KCAM Variabel
11
022
KN
Knops
001 Kna 98 %
002 Knb 4 %
003 McCa 98 %
004 Sl1 98 %
023
IN
Indian
001 Ina 0,1 %
002 Inb 99 %
003 INFI 100 %
004 INJA 100 %
024
OK
n. v.
001 Ok a 100 %
025
RAPH
n. v.
001 MER2 92 %
007 SCAN 100 %
011 Rg1 98 %
012 Rg2 95 %
010 UMC 100 %
011 GUT1 100 %
139
11.1 • Blutgruppe und Blutgruppenantigen
. Tab. 11.2 Fortsetzung ISBTNummer
Symbol
Name
Antigen (ISBT-Nummer, Name des Antigens und Frequenz in Deutschland)(a)
026
JMH
JMH1
001 JMH 100 %
027(c)
I
I
001 J 100 %
028(c)
GLOB
Globosid
001 P 100 %
029
GIL
GIL
001 GIL 100 %
030
RHAG
RHAG
001 Duclos 100 %
002 JMHK 100 %
003 JMHL 100 %
004 JMHG 100 %
005 JMHM 100 %
002 Ola <0,1 %
a Die
ISBT-Nummer für das Antigen C lautet beispielsweise 004.002 (Antigen 002 in dem (Blutgruppen-)System Rhesus mit der ISBT-Nummer 004). Für eine ganze Reihe der aufgeführten Antigene gibt es Synonyme, deren vollständige Auflistung in einschlägigen Verzeichnissen zu finden ist [4] [53]. Die Angaben zu den Antigenfrequenzen beziehen sich auf die deutschsprachigen Länder. 100 % bezeichnet eine Frequenz von 99,9 % und häufiger. b Antigen Xga hat unter Frauen eine Häufigkeit von 89 % und unter Männern von 66 %. c Provisorische Symbole und Namen, da identisch mit gleichnamigen Kollektionen 207 und 209.
. Tab. 11.3 Kollektionen ISBT-Nummer
Symbol
Name
Antigene(a) (ISBT-Nummer, Name, Frequenz)
205
COST
Cost
001 Csa 98 %
002 Csb 34 %
207
I
Ii
001 Obsolet
002 i >99 %
208
ER
Er
001 Era >99 %
002 Erb <0,1 %
003 Er3 >99 %
209
GLOB
Globosid
001 Obsolet
002 Pk <0,1 %(b)
003 LKE 98 %
210
Unbenannt
Unbenannt
001 Lec 1 %
002 Led 6 %
211
VEL
Vel
001 Vel >99 %
002 ABTI >99 %
(a)
Die ISBT-Nummer für das Antigen Csa lautet beispielsweise 205.001 in der (Blutgruppen-)Kollektion COST mit der ISBT-Nummer 205. Die Angaben zu den Antigenfrequenzen beziehen sich auf die deutschsprachigen Länder. (b) Das Antigen Pk, die Vorstufe des Antigens P, ist in Spuren nahezu immer vorhanden (100 %), jedoch nur beim äußerst seltenen P-negativen Phänotyp stark ausgeprägt nachweisbar.
11
140
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.4 Listen der niedrig und hoch frequenten Antigene Hoch frequente Antigene(a)
Niedrig frequente Antigene
11
ISBT-Nummer
ISBT-Nummer
Symbol
ISBT-Nummer
Symbol
Name
700.002
By
Batty
901.002
Lan
Langereis
700.003
Chra
Christiansen
901.003
Ata
August Junior
700.005
Bi
Biles
901.005
Jra
700.006
Bxa
Box
901.008
Emm
n. v.(b)
700.017
Toa
Torkildsen
901.009
AnWj
Anton
700.018
Pta
Peters
901.012
Sda
Sid
700.019
Rea
Reid
901.014
PEL
n. v.
700.021
Jea
Jensen
901.016
MAM
n. v.
700.028
Lia
Livesay
700.039
n. v.
Milne
700.040
RASM
Rasmussen
700.044
JFV
n. v.
700.045
Kg
Katagiri
700.047
JONES
Jones
700.049
HJK
n. v.
700.050
HOFM
n. v.
700.052
SARA
n. v.
700.054
REIT
n. v.
n. v. nicht vergeben. Diese Antigene konnten bisher keinem System bzw. keiner Kollektion zugeordnet werden (s. Text).
a
. Tab. 11.5 Einige erythrozytäre Antigene, denen keine ISBT-Nummer zugeordnet ist
klinisch relevanten Zielantigenen von Kälteautoantikörpern, Zielantigene von obligat vorhandenen Antikörpern (Polyagglutinine) sowie einige HLA- bzw. System-assoziierte Antigene (. Tab. 11.5).
Zielantigen
Typ
Antigene
Von Kälteautoantikörpern
I
IF, ID, j, IH, IA, IB, iH, IT, IP1, ITP1, IP, IBH, IAB
11.1.2
Pr
Pr1h, Pr1d, Pr2, Pr3h, Pr3d, Pra, PrM, PrN
Andere
Gd1, Gd2, Sa, Fl, Lud, Vo, Li, Me, Om, Ju
T
T, Tn, Tk, Th, Tx, Tr
Angeboren
Cad, NOR, HEMPAS
Andere
VA, HbM
HLA-assoziiert
Bg
Bg a, Bgb, Bgc
System-assoziiert
MNS
M1, Tm, Hu, Sj, Can, EnaTS, EnaFS, EnaFR
Lewis
Lex, LebL, A1Led, BLed, ILebH
GLOB
p
Historisch wurden Blutgruppenantigene häufig mit einzelnen Buchstaben oder Buchstabenkombinationen bezeichnet, oft abgeleitet aus den Namen der ersten Patienten, wobei groß und klein geschriebene Buchstaben häufig unterschiedliche Antigene bezeichneten (z. B. »C« und »c« im Rhesussystem). Diese Bezeichnungen werden weiterhin verwendet, neue Antigene sollten allerdings ausschließlich mit Großbuchstaben bezeichnet werden. Zusätzlich vergibt die ISBT eine spezifische Nummer (z. B. 004.002 für C) für jedes anerkannte Blutgruppenantigen (. Tab. 11.2). Hinweise zum Gebrauch und Schreibweise wurden 2001 veröffentlicht (. Tab. 11.6) [26]. Für Allele ist noch keine einheitliche Terminologie festgelegt. Die üblichen Symbole wie FY*A und FY*B sind akzeptable Alternativen zu FY*1 und FY*2 [15]. Die vom Human Genome Organization (HUGO) Gene Nomenclature Committee (HGNC) anerkannten Symbole, wie DARC für FY, sollen immer verwendet werden, außer wenn man sich auf Allele bezieht, die ein serologisch definiertes Antigen exprimieren [15], zum Beispiel FY*1 oder FY*A, aber nicht DARC*1 oder DARC*A.
Bei Polyagglutination
Schreibweise von Antigenen und Allelen
141
11.1 • Blutgruppe und Blutgruppenantigen
11
. Tab. 11.6 Beispiele zum richtigen Gebrauch der Terminologie Terminus
Richtig
Falsch
Antigen
Rh33
Rh33; Rh:33
K; K1
Kell
Fya;
FYa;
Antikörper
Phänotyp
11.1.3
FY1
Kommentar
Kell ist die Blutgruppe Fy1,
Fy
a
Jk a
Ik a
Anti-H
Anti-A2
Anti-Cw
Anti-C(w)
Anti-K
Anti-Kell
Anti-Jk3
Anti-Jk3; Anti-Kidd3
A2
A 2+
A2 ist kein Antigen
»weak D«
Du, Dw, Dweak, D weak
Dw ist Rh23
Rh: 1,2,-3,4,5
Rh: +1,+2,-3,+4,+5 Rh: 1+,2+,3-,4+,5+
Kp(a+)
Kpa(+); Kpa+; Kpa(a+)
Js(a+b+)
Jsa+b+; Jsa+Jsb+
Fy(a+b-)
Fyaa
P1+
P1+; P1(+); P:1+
Grundlegende Begriffe für Blutgruppenantigene und -antikörper
Antithetisches Antigen Zwei oder mehr Antigene werden als »antithetisch« bezeichnet, wenn eine Person jeweils mindestens eines, aber höchstens zwei Antigene aus dieser Gruppe von antithetischen Antigenen aufweisen kann. Ursache sind im Regelfall zwei Varianten eines Proteins, die sich z. B. an einer Aminosäureposition voneinander unterscheiden. Ein bekanntes Beispiel sind die Rhesusantigene E und e: Alle RHCE-Allele, die an Aminosäureposition 226 die Aminosäure Prolin aufweisen, bilden (»exprimieren«) Antigen E. RHCE-Allele mit Alanin an dieser Aminosäureposition exprimieren Antigen e. Von extrem seltenen Ausnahmen abgesehen, besitzt eine Person somit mindestens eines der beiden Antigene E und e.
Epitop (Antigendeterminante) Das Epitop ist die Bindungsstelle eines Antikörpers auf einem Antigen und wird auch als Antigendeterminante bezeichnet. Ein Antigen setzt sich oft aus sehr vielen, sich auch überlappenden Epitopen zusammen. Polyklonale Antiseren stellen eine Mischung von Antikörpern unterschiedlicher Spezifität dar, die gegen eine mehr oder minder große Zahl von Epitopen eines Antigens gerichtet sind. Entsprechend der Definition sind monoklonale Antikörper nur gegen ein bestimmtes Epitop gerichtet. Fehlt einem Antigen gerade dieses Epitop, so bindet ein gegen dieses Epitop gerichteter monoklonaler Antikörper das Antigen überhaupt nicht.
Partielles Antigen Ist nur ein Teil der üblicherweise vorhandenen Epitope eines Antigens exprimiert, spricht man von einem partiellen Antigen (»partial antigen«). Ursache sind zumeist seltene Proteinvarianten, denen einige Epitope aufgrund bestimmter Veränderungen (z. B. Mutatio-
Cw ist eigenständig
nen) fehlen. Personen, die ein partielles Antigen tragen, können sich gegen die fehlenden Epitope des normalen Antigens immunisieren. Der gebildete Antikörper ist ein echter Alloantikörper, obwohl er sich scheinbar gegen ein Antigen richtet, das eine Person mit partiellem Antigen selbst trägt. In der Praxis besonders wichtig sind die partiellen Antigene des Rhesus D (»partial D«).
Antigendichte, Dosiseffekt, homozygote und heterozygote Vererbung von Antigenen Die Erbanlage für ein bestimmtes Antigen kann homozygot oder heterozygot vorliegen. Bei Antigenen, die durch Proteine gebildet werden, besteht häufig ein ausgeprägter Dosiseffekt: Erythrozyten von Personen mit homozygoter Erbanlage exprimieren etwa doppelt soviel Antigen wie die Erythrozyten von Personen mit heterozygoter Erbanlage. Ist die Antigendichte (Anzahl der Antigene pro Erythrozyt) wegen homozygoter Erbanlage erhöht, führt dies in der Praxis zu einer oft merklich verstärkten Reaktion der Erythrozyten mit den entsprechenden Antikörpern. Beim Antigen D gibt es die Besonderheit, dass eine hemizygote Erbanlage vorliegen kann. In diesem Fall trägt nur ein Chromosom das RHD-Gen, während auf dem anderen Chromosom das RHDGen vollständig deletiert ist. Die Antigendichte täuscht eine heterozygote Erbanlage vor. Tatsächlich liegt lediglich ein Allel für den RHD-Genort vor. Häufig wird aus dem Fehlen eines antithetischen Antigens auf das Vorliegen einer homozygoten Erbanlage geschlossen; beispielsweise wird für eine Person mit dem Phänotyp Fy(a+b-) angenommen, dass der Genotyp FY*1/FY*1 (FY*A/FY*A) vorliegt. Es ist jedoch zu beachten, dass bei einigen Antigenen (z. B. bei Fy und S/s) Null-Allele mit merklicher Frequenz vorkommen und keines der antithetischen Antigene exprimieren. Eine Person mit dem Phänotyp Fy(a+b-) könnte somit auch den Genotyp FY*A/FY*B-33 aufweisen, wobei FY*B-33 ein unter Afrikanern häufig vorkommendes
142
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.7 Klinische Auswirkung von Null-Phänotypen Klinische Relevanz
System
Vorkommen des NullPhänotyps
Symptom oder klinischer Vorteil, Anmerkungen
Obligat symptomatisch oder Erkrankungs-assoziiert
Diego
Sehr selten
Schwerste hämolytische Anämie
RHAG
Sehr selten
Hämolytische Anämie, oft kompensiert
Kx
Sehr selten
McLeod-Syndrom: Akanthozytose, neurologische Symptome
GLOB (P)
Sehr selten
Bei einigen Personen rezidivierende Frühaborte, Resistenz gegen Parvovirus B19
I
Sehr selten
Bei manchen Formen angeborene Katarakt
Ch/Rg
Sehr selten
Systemischer Lupus erythematodes gehäuft
Unter Stress symptomatisch
Colton
Sehr selten
Urinkonzentrationsstörung
Kidd
Sehr selten
Urinkonzentrationsstörung
Nie symptomatisch, kein Vorteil gesichert
Rhesus
Fehlen beider Rhesusproteine, RhD und RhCE, sehr selten
Funktion unbekannt, Seltenheit kann auf eine biologische Relevanz der fehlenden Proteine beim Null-Phänotyp hinweisen
Kell, Scianna, Dombrock, LW, Hh, Cromer, Knops, Indian, Ok, JMH, GIL
Selten
Die Rarität dieser Null-Phänotypen könnte auf erhebliche, z. Z. noch nicht erkannte Nachteile bzw. auf die biologische Relevanz der fehlenden Strukturen (Proteine, Zucker) hindeuten
ABO, Lewis, P1, Raph, Xg
Häufig
Erhebliche nicht erkannte Nachteile unwahrscheinlich, bedeutende biologische Relevanz aber möglich
Lutheran
Selten
Verminderte Thromboseneigung bei Sichelzellanämie möglich; bei »Inhibitor«-Typ: Akanthozytose
MNS und Gerbich
In betroffenen Populationen häufig
Resistenz gegen Plasmodium falciparum Bei Gerbich-Null: milde Elliptozytose (»Leach-Phänotyp«)
Duffy
In betroffenen Populationen häufig
Resistenz gegen Plasmodium vivax
Nie symptomatisch, unter bestimmten Bedingungen vorteilhaft
11
stummes FY-Allel bezeichnet, das infolge einer «GATA-box-Mutation« auf der Erythrozytenoberfläche kein Antigen exprimiert [6]. Bei Kohlenhydrat-Antigenen ist ein Dosiseffekt im Regelfall nicht vorhanden. Eine mögliche Ausnahme bildet das Antigen P1. Auch beim wichtigsten Proteinantigen, dem Rhesus D, ist kein Rückschluss von der Stärke der Antigenexpression auf die Anzahl der Erbanlagen (homozygote bzw. heterozygote Erbanlage) – oder umgekehrt – möglich.
Null-Phänotypen Bei einem Null-Phänotyp fehlen alle Antigene eines bestimmten Blutgruppensystems. Bekanntestes Beispiel ist die Blutgruppe 0, bei der weder Antigen A noch Antigen B vorhanden ist. Null-Phänotypen sind im Regelfall mit dem Fehlen des Proteins gleichzusetzen, das den Antigenen im Blutgruppensystem zugrundeliegt. Die funktionale Bedeutung dieses Proteins bestimmt, ob der Träger des Null-Phänotyps eine klinische Symptomatik aufweist (. Tab. 11.7) [21]. Da einige Proteine der Erythrozytenmembran in Komplexen auftreten, fehlen bei bestimmten Null-Phänotypen auch Antigene von solchen Blutgruppensystemen, die nicht ursächlich beteiligt sind. Beispielsweise ist beim RhNull-Phänotyp auch die Expression der verschiedenen Antigene des Duffy-Blutgruppensystems beeinträchtigt.
Genotyp, Haplotyp und Genotypisierung Der Genotyp eines Individuums bezeichnet das Paar von Allelen (Varianten eines Gens), das eine Person für ein bestimmtes Gen besitzt. Demgegenüber bezeichnet der Begriff Haplotyp eine bestimmte Kombination von Allelen oder allgemeiner von Varianten einer Nukleotidsequenz, die auf demselben Chromosom eng beieinander liegen und deswegen meist zusammen vererbt werden. Zunehmend besser kann der Phänotyp (das Antigen) durch die Genotypisierung (Bestimmung des Genotyps) vorhergesagt werden [23][25][36][44]. Bei der Genotypisierung wird das Antigen nicht direkt untersucht, sondern das Vorliegen eines Antigens auf Grund der molekularen Basis abgeleitet. Die Spezifität der Genotypisierung ist bereits heute in vielen Situationen für den klinischen Einsatz ausreichend. Die Sensitivität der Genotypisierung ist ohnehin weit höher als die der üblichen serologischen Phänotypisierung mittels Antiseren. Die Indikationen zur Genotypisierung bei Blutgruppen haben sich von den ersten Anwendungen ausgehend beträchtlich erweitert [2][16][21][23][34]. Nach Einschätzung der DGTI-Sektion Immunhämatologie/Gentechnik ist in den aufgeführten klinischen Situationen die molekulare Typisierung der Phänotypisierung überlegen. Bei einer Reihe weiterer Indikationen wurde das Vorgehen als gleichwertig erachtet [21].
143
11.1 • Blutgruppe und Blutgruppenantigen
Gesicherte Anwendungsgebiete der molekularen Immunhämatologie Erythrozyten nicht vorhanden oder zur serologischen Antigenbestimmung nicht geeignet 5 Typisierung des Fetus aus peripherem Blut der Mutter zur Feststellung des kindlichen Antigenstatus bei immunisierten Müttern oder aus Amniozyten oder Chorionzotten zur Vorhersage des MNH-Risikos, wenn aus anderen Gründen invasive Maßnahmen durchgeführt wurden 5 Typisierung bei chronisch transfundierten Patienten 5 Typisierung bei serologischen Problemen wie Autoimmunhämolyse mit positivem direktem Antiglobulintest Nachweis schwacher Antigene, die mit serologischen Methoden nicht sicher gefunden werden 5 Untersuchung von Blutspendern auf RHD zur Erfassung von DEL und »weak D« 5 Untersuchung von Patienten auf FY*B-33 oder FY*X 5 Mütter mit Anhalt auf »weak D« zur Bestimmung der Transfusionsstrategie Situationen, in denen keine serologische Bestimmung möglich ist 5 Antigentypisierung, wenn geeignete Seren fehlen 5 Aufklärung von Phänotypen, die serologisch nicht sicher bestimmt werden können Feststellung der Zygosität und Vorhersage der Antigenstärke 5 Testung eines Vaters auf RHD-Zygosität, wenn die Mutter Anti-D-immunisiert ist (prädiktive Testung) 5 Nachweis der Homozygosität für RHD oder Genotypsieirung für FY*A etc. (Qualitätskontrolle von Antikörpersuch- und Identifizierungszellen) Ersatz serologischer Testverfahren in Hochdurchsatzsituationen 5 Screenen von Blutspendern auf seltene Antigenkombinationen oder seltenen Antigenstatus
Antikörper gegen Blutgruppenantigene (antierythrozytäre Antikörper) Im Folgenden werden einige grundsätzliche Begriffe erläutert; die technischen Aspekte der Blutgruppenserologie werden in 7 Kap. 39 näher beschrieben. Insbesondere wird auf die Antiglobulintechnik (»Coombs-Test«) verwiesen. Alloantikörper sind Antikörper gegen ein Blutgruppenantigen, das eine Person nicht trägt. »Natürliche Antikörper« (»nichtimmune Antikörper«) sind meist vom IgM-Typ und kommen vor, ohne dass eine vorherige Exposition mit dem korrespondierenden erythrozytären Antigen stattgefunden hat. Typische Beispiele sind Anti-Lea und Anti-P1. Aufgrund ihrer Antigenspezifität weisen sie, wenn überhaupt, nur eine geringe klinische Relevanz auf. Unter der Voraussetzung, dass ein Alloantikörper obligat vorhanden ist, wird er auch als Isoagglutinin bezeichnet (z. B. Anti-A, Anti-B und Anti-AB). Isoagglutinine sind eine Mischung von IgM, IgG und IgA, wobei der IgM-Typ meist überwiegt und in Gegenwart von Komplement eine Hämolyse bewirken kann. Sie sind gegen Antigene des ABO-, H- bzw. GLOB-Systems gerichtet. Autoantikörper sind Antikörper gegen ein meist hoch frequentes erythrozytäres Antigen, das eine Person selber trägt.
11
. Tab. 11.8 Assoziation zwischen Infektionen und Kälteautoantikörpern Antikörper
Erreger
Anti-I
Mycoplasma pneunomiae
Anti-i
Epstein-Barr-Virus (EBV, Mononukleose)
Anti-Pr
Varizellen und Rubella
Kälteautoantikörper (»komplette« [Kälte-]Autoantikörper oder Kälteagglutinine; meist vom IgM-Typ) weisen ein Reaktionsoptimum bei +4°C auf und verursachen typischerweise im indirekten Antiglobulintest oder »in der Wärme« (bei +37°C) keine Agglutination. Mit niedrigem Titer sind sie normalerweise klinisch unbedeutend. Manche dieser Kälteautoantikörper können aber schwere Hämolysen insbesondere bei Kälteexposition verursachen. Zielantigene von Kälteautoantikörpern sind meist Kohlenhydratstrukturen, am häufigsten I, gefolgt von i (7 Abschn. 11.3.5). Selten richten sich Kälteautoantikörper gegen Kohlenhydratketten der Glykophorine; derartige Antikörper weisen die Spezifität Anti-Pr auf (. Tab. 11.5). Eine gewisse Assoziation zwischen Spezifität der Kälteautoantikörper und Infektionen ist bekannt (. Tab. 11.8). Obwohl die Antigenspezifität der Kälteautoantikörper sehr detailliert bestimmt werden kann (. Tab. 11.5), ist dies in der Praxis wegen fehlender klinischer Konsequenz im Allgemeinen nicht notwendig. Eine klinisch wichtige Besonderheit sind biphasische Kältehämolysine, sogenannte Donath-Landsteiner-Antikörper, die nach Virusinfektionen bei Kindern auftreten können und deren Zielantigen im Regelfall das Antigen P (ISBT 028.001) ist. Wärmeautoantikörper (»inkomplette« [Wärme-]Autoantikörper; meist vom IgG-Typ) weisen ein Reaktionsoptimum im indirekten Antiglobulintest oder »in der Wärme« (bei +37°C) auf, sind oft klinisch relevant und manchmal hämolytisch wirksam. Auch hier könnte die Antigenspezifität näher bestimmt werden, was ebenfalls nur in Ausnahmesituationen notwendig ist. Sie richten sich oft gegen hoch frequente Antigene der Proteine im Rhesuskomplex wie z. B. ISBT 004.018 und ISBT 030.001 oder gegen hoch frequente Antigene des Diego-Systems (. Tab. 11.2). Die Antigene werden mittels monoklonaler oder polyklonaler Antiseren bestimmt. Oligoklonale Antiseren sind Mischungen aus einigen wenigen monoklonalen Antikörpern mit oder ohne Beimischung von polyklonalen Antiseren. Nach § 4 Abs. 6 des Arzneimittelgesetzes (AMG) wird der Begriff Testsera als Arzneimittel definiert, die aus Blut, Organen, Organteilen oder Organsekreten gesunder, kranker, krank gewesener oder immunisierend vorbehandelter Lebewesen gewonnen werden, spezifische Antikörper enthalten und die dazu bestimmt sind, wegen dieser Antikörper verwendet zu werden, sowie die dazu gehörenden Kontrollsera.
Antigenverlust bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) Bei der PNH treten hämatopoetische Klone mit erworbenen Mutationen des PIG-A-Gens auf. Das PIG-A-Gen ist an der Synthese des GPI-Ankers beteiligt, über den eine ganze Reihe von erythrozytären Proteinen an die Membran gebunden sind. Die Proteine und ihre Antigene können auf den Erythrozyten (und anderen hämatopoetischen Zellen) fehlen, die von diesen Klonen abstammen. Alle Antigene der Systeme Yt (ISBT 011), Do (ISBT 014), Cromer (ISBT 021) und JMH (ISBT 026) sowie das hoch frequente Antigen Emm (ISBT 901.008) können betroffen sein. Auf Erythroyzten, Leukozyten und
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Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.9 Bedeutung von Antigenen in Abhängigkeit von ihrer Häufigkeit Eigenschaften
Ungefähre Häufigkeit des Antigens in der Bevölkerung <1 %
1–99 %
>99 %
Niedrig frequent
Typisches Zielantigen für die »üblichen« Antikörper
Hoch frequent
Im Antikörpersuchtest
Fast nie vorhanden
Mindestens einmal vorhanden
Immer auf allen Zellen vorhanden
Auf Differenzierungszellen
Meist nicht vorhanden
Immer positive und negative Zellen vorhanden
Meist auf allen Zellen vorhanden
Möglich
Häufig nicht
Immer
Meistens, aber sehr schwierig
Notwendig
Meistens nicht, aber bei Schwangeren immer erforderlich
Immer
Immer
Klinische Relevanz in Abhängigkeit von Spezifität
Oft gegeben, wenn Erythrozytenpräparat inkompatibel
Meist gegeben
Immer Spezifität bestimmen, um klinische Relevanz zu beurteilen
Versorgung mit kompatiblen Erythrozytenpräparaten
Immer möglich
Meist möglich, aber schwierig in Abhängigkeit von (kumulativer) Frequenz bei multiplen Antikörpern
Sehr schwierig bis äußerst schwierig
Typische Beispiele aus der klinischen Praxis für solche Antigene
Wra, Kpa, Goa, Vw
D, c, K, Fya
Chido, Vel, Lan, H
Bezeichnung Vorkommen auf Testerythrozyten
Spezifische Erkennung
11
Thrombozyten können auch Antigene betroffen sein, die nicht als Blutgruppenantigene definiert sind. Zur Diagnose wird meist der Durchfluss-zytometrische Nachweis des fehlenden Antigens CD59 verwendet [40].
die darin enthaltenen, im allgemeinen niedrig titrigen Antikörper gegen die betreffenden Antigene nicht mehr nachweisbar sind. Monoklonale Antiseren können ohnehin keine Kreuzreaktion mit solchen Antigenen aufweisen [9].
Freisetzung von Kryptantigenen bei Polyagglutinabilität
11.2
Eine Polyagglutinabilität liegt vor, wenn die Erythrozyten eines Patienten von der Mehrzahl unausgewählter polyklonaler Antiseren, z. B. von Seren gesunder Probanden, agglutiniert werden. Derartige Erythrozyten besitzen Antigene, die auf der Oberfläche von normalen Erythrozyten nicht vorhanden sind und gegen die gesunde Probanden häufig natürliche Antikörper in ihrem Serum haben. Polyagglutinabilität von Erythrozyten ist meist ein erworbener Zustand. Wichtigste und häufigste Form ist die T-Aktivierung, die Leitsymptom für bakterielle Infektionen sein kann [18]. Infolge des bakteriellen Enzyms Neuraminidase werden Neuraminsäuren von den Kohlenhydratketten auf Erythrozyten abgespalten und dadurch normalerweise verdeckte Antigene (Kryptantigene) freigelegt. Ein anderes Kryptantigen ist Tn, das Leitsymptom bei hämatologischen Erkrankungen sein kann (7 Abschn. 11.2.4, . Tab. 11.10) [18]. Die molekularen Strukturen sind im Detail bekannt (T und Tn, 7 Abschn. 11.3.4.1, . Abb. 11.3). Eine weitergehende Differenzierung der Zielantigene ist möglich, wird aber in der Praxis wegen fehlender klinischer Konsequenz selten durchgeführt. Angeborene Formen der Polyagglutinabilität sind äußerst selten. Die Erythrozyten von solchen gesunden Probanden können z. B. das Cad- oder NOR-Antigen tragen. Erythrozyten von Patienten mit der dyserythropoetischen Anämie Typ II tragen das HEMPAS-Antigen. Seit längerem stellt die Polyagglutinabilität von Erythrozyten keinen wesentlichen Störfaktor bei der Blutgruppenbestimmung mehr dar. Polyklonale Testseren sind meist so stark verdünnt, dass
Klinische Bedeutung der Blutgruppenantigene
Die klinische Bedeutung der Blutgruppenantigene in der Transfusionsmedizin leitet sich ganz überwiegend aus den Immunisierungen gegen diese Antigene her [11]. Die entsprechenden Antikörper können akute und verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen oder einen Morbus haemolyticus neonatorum auslösen. Die Wahrscheinlichkeit dieser Ereignisse hängt von der Häufigkeit der Antigene in der Bevölkerung, der Immunogenität der Antigene und der Art der induzierten Antikörper ab. Die Eigenschaften dieser Antikörper zusammen mit denen des korrespondierenden Antigens bestimmen die klinische Bedeutung. Serologisch verzögerte Transfusionsreaktionen sind mit einer Frequenz von ca. 0,1 % aller Patienten viel häufiger als allgemein angenommen. Eine ganze Reihe von technischen und klinischen Aspekten haben Einfluss auf die Bestimmung der Immunogenität eines Antigens und die Wahrscheinlichkeit einer Immunisierung (7 Übersicht: Einflussgrößen zur Bestimmung der Immunogenität eines Antigens) [20]. Einflussgrößen zur Bestimmung der Immunogenität eines Antigens Technische Aspekte Antikörperverlust 5 Verlust der Nachweisbarkeit eines Antikörpers
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11.2 • Klinische Bedeutung der Blutgruppenantigene
. Tab. 11.10 Blutgruppenserologische Routine. (Nach [35], § 13 Rz. 17, S. 331) Maßnahme
Zweck
Transfusionsmedizinische Anamnese
Bekannte Alloantikörper, Vortransfusionen
Blutgruppenbestimmung und Antikörpersuchtest
Erkennen von Antikörpern gegen häufige Antigene, Auswahl blutgruppenidentischer Blutpräparate
Serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe)
Erkennen von Antikörpern gegen seltene Antigene, ABO-Verwechslungskontrolle
ABO-Identitätstest (Bedside-Test)
ABO-Verwechslungskontrolle
Antigenhäufigkeit 5 in der Bevölkerung des Empfängers 5 in der Bevölkerung des Spenders
Immunisierungsereignis Transfusion von Blutkomponenten wie Erythrozyten 5 iatrogen induzierte Antikörper Kontakt mit bakteriellen und anderen Umgebungsantigenen 5 natürlich vorkommende Antikörper Kontakt mit fötalen Antigenen 5 schwangerschaftsbedingte Antikörper
Klinische Situtation Immundefekte 5 angeboren, wie schwerer kombinierter Immundefekt (SCID) 5 erworben, wie Immunsuppression bei Transplantation, Chemotherapie und Schwangerschaft Scheinbares Fehlen eines Antigens 5 schwach exprimierte Antigen 5 angeborener oder erworberner Chimärismus Vorbestehende Immunantwort zu verwandten Antigenen 5 Alloimmunisierung gegen weitere erythrozytäre Antigene
11.2.1
Häufigkeit in der Bevölkerung
Alloimmunisierungen gegen Blutgruppenantigene können nur auftreten, wenn ein Transfusionsempfänger bzw. eine Mutter Antigen-negativ und der Blutspender bzw. Fötus Antigen-positiv ist. Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Konstellation ist am größten, wenn die Häufigkeit des Antigens in der Bevölkerung etwa 50 % beträgt. Die Frequenz der meisten für die Transfusionsmedizin wichtigen Antigene liegt daher zwischen 1 % und 99 % (. Tab. 11.9). Immunisierungen gegen Antigene werden nur selten bemerkt, wenn die Antigene in der Bevölkerung mit einer Frequenz von weniger als 1 % vorkommen (Liste der niedrig frequenten Antigene in . Tab. 11.2 und . Tab. 11.4), da diese Antigene häufig nicht im Antikörpersuchtest vertreten sind. Sie fallen meist durch eine
11
vereinzelte, unerklärte positive Verträglichkeitsprobe auf. Klinisch relevant können sie werden, wenn sie einen Morbus haemolyticus neonatorum auslösen. Jedoch können selbst hoch titrige Antikörper gegen viele niedrig frequente Antigene mit den routinemäßig in der Schwangerschaft durchzuführenden Antikörpersuchtesten nicht erkannt werden, da die Antigene auch auf den drei erforderlichen Testerythrozyten in aller Regel nicht vorhanden sind. Immunisierungen gegen Antigene sind selten, wenn die Antigene in der Bevölkerung mit einer Frequenz von über 99 % vorkommen (Liste der hoch frequenten Antigene in . Tab. 11.2 und . Tab. 11.4), da es kaum Antigen-negative Patienten gibt. Die transfusionsmedizinische Versorgung solcher Patienten bereitet allerdings erhebliche logistische Probleme, da Antigen-negative Präparate nicht ohne weiteres verfügbar sind. Der Nachweis von Antikörpern ist denkbar einfach, da das korrespondierende Antigen praktisch auf jedem Testerythrozyten vorkommt. Die Identifizierung der Spezifität des einmal nachgewiesenen Antikörpers ist demgegenüber sehr aufwendig und deshalb wenigen Referenzlaboren vorbehalten, da die entsprechenden seltenen Antigen-negativen Testerythrozyten und einschlägige Erfahrung erforderlich sind. Erythrozyten des Nabelschnurbluts weisen ein besonderes Antigenmuster auf, was in der serologischen Diagnostik hilfreich ist. Nabelschnurerythrozyten sind negativ für die Antigene Lea, Sda, Cha, Rga und AnWj, schwach positiv für P1, I, Lua, Yta, Vel, Xga und die Antigene des Dombrock-Systems sowie stark positiv für LWa und LWb.
11.2.2
Immunogenität
Neben der Frequenz der Blutgruppenantigene ist ihre Immunogenität entscheidend für die klinische Bedeutung. Die relative Immunogenität eines Antigens kann bestimmt werden, wenn man das beobachtete Vorkommen eines Antikörpers unter Patienten mit der berechneten Wahrscheinlichkeit vergleicht, mit der die Patienten dem korrespondierenden Antigen exponiert wurden. Von den Antigenen der obligat vorkommenden Antikörper einmal abgesehen, hat das Antigen D unter den »üblichen« Antigenen (. Tab. 11.9) die höchste Immunogenität, gefolgt von den Antigenen K, Cw, Lua, Jka und weiteren Antigenen im Rhesussystem. Aktuelle Berechnungsverfahren führten zu geänderten Einschätzungen, die Einfluss auf klinische Entscheidungen und Kosteneffizienzüberlegungen haben können [63]. Aus klinisch-praktischer Sicht lassen sich folgende Arten von Antigenen in abnehmender klinischer Bedeutung unterscheiden: z Antigene, gegen die obligat klinisch relevante natürliche Antikörper (Isoagglutinine) gebildet werden Diese Art von Antigenen wird durch das Antigen A und das Antigen B des ABO-Blutgruppemsystems repräsentiert und muss bei jeder Transfusion beachtet werden. Ein weiteres Beispiel ist das Antigen H des H-Blutgruppensystems (ISBT 018.001 in . Tab. 11.2), das allerdings so häufig in der Bevölkerung vorkommt, dass ein Anti-H-Alloantikörper nur sehr selten auftritt, dann aber erhebliche klinische und logistische Probleme bereiten kann. z Antigene, gegen die nach Exposition mit großer Wahrscheinlichkeit klinisch relevante Antikörper gebildet werden Das Antigen D des Rhesussystems würde bereits nach einmaliger Exposition bei bis zu 80 % der D-negativen Transfusionsempfänger zur Anti-D-Immunisierung führen. Transfusionen müssen deshalb grundsätzlich D-kompatibel durchgeführt werden, auch wenn kein
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Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
Anti-D-Antikörper nachweisbar ist; Ausnahmen sind nur in Notfällen gerechtfertigt. Weitere immunogene Antigene sind die Rhesusantigene C, c, E und e sowie das Antigen K; eine Transfusion soll bezüglich dieser Antigene kompatibel erfolgen bei Frauen vor der Menopause, bei chronischem Transfusionsbedarf sowie bei Patienten, die bereits gegen ein anderes Antigen immunisiert sind. z Antigene, gegen die nur selten - jedoch meist klinisch relevante - Antikörper gebildet werden In diese Gruppe gehören die »üblichen« transfusionsrelevanten Antigene wie z. B. Jka, Jkb, Fya, Fyb, S und s. Diese Antigene werden bei Transfusionen im Regelfall nicht beachtet, solange es nicht zu einer Alloimmunisierung gegen eines dieser Antigene gekommen ist. Wurden einmal Antikörper gebildet, müssen diese lebenslang beachtet werden. Hierbei ist auf eine gute Dokumentation und Transfusionsanamnese zu achten. z Antigene, gegen die häufig natürliche - jedoch meist klinisch nicht relevante - Antikörper gebildet werden In diese Gruppe gehören z. B. die Antigene A1, P1, Lea, Leb, M und N. Antikörper dieser Spezifitäten kommen als natürliche Antikörper vor, d. h. sie treten ohne vorherige Exposition mit dem korrespondierenden Antigen auf und sind häufig klinisch nicht relevant. Im Allgemeinen beachtet man sie bei Transfusionen nur, wenn diese Antikörper in Techniken mit indirektem Antiglobulintest oder »in der Wärme« (bei +37°C) nachweisbar sind. Eine Dokumentation in Blutgruppenausweisen erübrigt sich weitgehend, da diese Antikörper bei fehlendem Nachweis in einem aktuellen Antikörpersuchtest in keinem Fall zu beachten sind.
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z Antigene, gegen die praktisch nie klinisch relevante Antikörper gebildet werden Bei einigen Antigenen ist bekannt, dass die korrespondierenden Antikörper praktisch nie klinisch relevant sind. Man kann sie bei Transfusionen ignorieren, wenn man sicher ist, dass die positive Verträglichkeitsprobe lediglich durch diesen Antikörper hervorgerufen wird. Ein Beispiel wären die Antigene des Chido/RodgersBlutgruppensystems (ISBT 017 in . Tab. 11.2). In diese Gruppe gehören auch die Bg-Antigene, die HLA-Antigene auf Erythrozyten repräsentieren (Bga = HLA-B7, Bgb = HLA-B17, Bgc = HLA-A28, früher HLA-A2).
11.2.3
Praktische Aspekte der klinischen Versorgung
Der Rahmen für die klinisch-transfusionsmedizinische Versorgung wird durch das Transfusionsgesetz und einige wenige davon abhängige Richtlinien vorgegeben. Für die blutgruppenserologische Routine sind insbesondere die Hämotherapierichtlinien in der jeweils gültigen Fassung und die Richtlinien zur Qualitätssicherung in der Immunhämatologie maßgeblich. Die folgenden kurzen Ausführungen können nur den Rahmen umreißen, bezüglich der sich wandelnden Vorschriften muss auf die jeweils aktuelle weiterführende Literatur verwiesen werden [19][35].
Blutgruppenserologische Routine zur Versorgung von Patienten Die transfusionsmedizinische Versorgung kann nur im Zusammenwirken zwischen den Anwendern und Laboren klinisch sinnvoll und wirtschaftlich gestaltet werden (. Tab. 11.10). Generell sollten die transfusionsmedizinische Anamnese und die Blutgruppenbe-
stimmung so früh wie möglich durchgeführt werden und nicht erst im Zusammenhang mit der Verträglichkeitsprobe. Dies bietet zwei Vorteile: Zum einen bleibt im Falle eines positiven Antikörpersuchtests Zeit, die Versorgung kostengünstig ggf. regional abzuklären und zu organisieren. Zum anderen kann eine Blutgruppenverwechslung durch die zweite – zeitnah zur Transfusion abgenommene – Blutprobe noch rechtzeitig im Labor erkannt werden. Die eigentliche Bedeutung der blutgruppenserologischen Routine liegt nicht in der Bestimmung der Blutgruppe, die meist recht schnell und unproblematisch ist, sondern im Antikörpersuchtest. Ist dieser positiv, so kann die Abklärung oft mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Mit einem positiven Antikörpersuchtest muss man bei ca. 1–5 % aller stationär aufgenommenen Patienten rechnen, wobei bis zu 10 % aller chronisch transfundierten Patienten klinisch relevante Alloantikörper entwickeln. Obwohl Patienten mit Alloantikörpern also vergleichsweise selten sein können, ist im Falle einer planbaren Operation die »notfallmäßige« Abklärung eines positiven Antikörpersuchtests unwirtschaftlich. Seit ungefähr 1960 wird der Antiglobulintest allgemein als empfindliche Methode zum Nachweis von Antikörpern und zur Verträglichkeitsprobe zwischen Spender und Empfänger (»Kreuzprobe«) angewendet. Eine serologische Unverträglichkeit, die eine sofortige oder verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion verursachen kann, ist heute selten geworden (ca. 0,1 % aller transfundierten Patienten). Die zunehmende Verbreitung von Matrix(Gel-) und Festphasenteste seit 1990 erhöhte die Empfindlichkeit des Antikörpernachweises und kann zur weiteren Standardisierung und Automatisierung der Verfahren beitragen.
Transfusionsspezifische Anamnese Die Bedeutung einer geordneten, frühzeitigen Blutanforderung ist kaum zu überschätzen. Präzise Angaben zur Transfusionsanamnese sind wichtig (7 Checkliste s. unten; [35] § 13 Rz. 37, S. 340) und können durch noch so aufwendige Laboruntersuchungen nicht ersetzt werden, helfen aber oft Laboruntersuchungen und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden. Etwa die Hälfte aller Antikörper in den klinisch besonders relevanten Systemen Duffy und Kidd sind nach 5 Jahren nicht mehr nachweisbar [64]. Durch die sekundäre Immunantwort mit der Folge verzögert hämolytischer Transfusionsreaktionen sind sie dennoch klinisch sehr wichtig. Solchen Transfusionsreaktionen kann nur durch die Transfusionsanamnese und die Erhebung der dokumentierten Antikörper vorgebeugt werden. Checkliste: Transfusionsspezifische Anamnese 5 Frühere Transfusionen, insbesondere Transfusionen in den letzten 6 Monaten 5 Schwangerschaftsanamnese 5 Blutgruppenausweise: 5 (insbesondere alle Einträge von Alloantikörpern) – Blutspenderausweis – Mutterpass – Bundeswehrausweis 5 Ggf. Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantationen (immer erforderlich, falls Transfusionsbedarf auftretenkann) Informationen müssen dem Blutdepot ggf. dem Referenzlabor mitgeteilt werden.
11.2 • Klinische Bedeutung der Blutgruppenantigene
Versorgung von Patienten mit multiplen Alloantikörpern Bei alloimmunisierten Patienten müssen Antigen-negative Präparate zur Verfügung gestellt werden. Liegt eine multiple Alloimmunisierung vor, so sind verträgliche Präparate oft überraschend selten. Die Blutgruppensysteme werden voneinander unabhängig vererbt. Deshalb ergibt sich der erwartete Anteil verträglicher Erythrozytenpräparate aus der Multiplikation der bekannten Antigenfrequenzen. Beispielsweise sind 23 % aller in Frage kommenden Blutpräparate negativ für das Antigen Jka (ISBT 009.001, . Tab. 11.2) und lediglich 11 % negativ für s (ISBT 002.004). Um die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, ein für beide Antigene kompatibles Blutpräparat zu finden, müssen die einzelnen Frequenzen mulipliziert werden: î= Mit anderen Worten: Nur 2,5 % oder jedes 40. in Frage kommende Blutpräparat ist kompatibel. Wenn ein Patient 6 Blutpräparate benötigt, berechnet sich die Zahl der zu untersuchenden Blutpräparate in dem konkreten Beispiel wie folgt: îQ= Q= Q= Im Durchschnitt wird man also ca. 250 ABO- und rhesuskompatible Blutpräparate gezielt untersuchen müssen, um den Blutbedarf bereitzustellen. Bei einem dritten Antiköper gegen z. B. das Antigen e (ISBT 004.005; Antigenfrequenz 98 %, Frequenz Antigen-negativer Blutpräparate 1–0,98 = 0,02) können sich die Chancen, kompatible Präparate zu finden, dramatisch verschlechtern: îî= Q= Q= Für 6 bereitgestellte Blutpräparate müsste aus ca. 12.000 ABO-kompatiblen Blutpräparaten und für nur 2 bereitgestellte Blutpräparate immer noch aus ca. 4000 Blutpräparaten ausgewählt werden. Alle diese Überlegungen sollten rechtzeitig vor einer planbaren Operation stattfinden, was vereitelt wird, wenn man den Antikörpersuchtest gewohnheitsmäßig auf den Vorabend der Operation legt. Es versteht sich von selbst, dass man bei einem überraschend höher als erwarteten Blutbedarf nicht – wie sonst sehr wohl möglich – schnell weitere Blutpräparate bereitstellen kann, sodass ohnehin ein gewisser Verlust der Sicherheit bei unerwartetem zusätzlichem Blutbedarf besteht. Deshalb ist es bei Patienten mit Alloantikörpern generell abzulehnen, die sonst übliche Anzahl bereitgestellter Blutpräparate nur wegen einer scheinbar kostenaufwendigen oder schwierigen Blutversorgung zu unterschreiten. Wenn ein solches Vorgehen z. B. durch besonders blutsparende Operationstechnik gerechtfertigt ist, sollte dies im Einzelfall prospektiv dokumentiert werden.
Versorgung von Patienten mit Antikörpern gegen hoch frequente Antigene Auch Patienten mit besonderen Blutgruppenkonstellationen, zum Beispiel Antikörpern gegen häufige Antigene wie Antigen e oder k, können im Allgemeinen sehr effizient versorgt werden, obwohl dies noch in den 1980er Jahren ein gewisses Problem darstellte. Demgegenüber gibt es auch heute noch bestimmte Antikörper, die ein
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11
ernstes Problem für die Patientenversorgung bedeuten. Die korrespondierenden Antigene treten typischerweise in der Bevölkerung – und damit unter den Blutspendern – mit einer Häufigkeit über 99 % auf und können mangels verlässlicher Testseren oder aus Kostengründen nicht routinemäßig bei allen Blutspenden untersucht werden. Eine Suche nach geeigneten Blutpräparaten mittels Testung der gelagerten Blutpräparate ist sehr kostenaufwendig, u. U. sogar aussichtslos. Aufgrund unterschiedlicher Häufigkeiten in den Bevölkerungen trifft man Antikörper in gewisser Abhängigkeit von der ethnischen Zugehörigkeit des Patienten an, was in der serologischen Diagnostik hilfreich ist. Typische Antikörper gegen hoch frequente Antigene unter Europäern sind k, Kpb, Lub, Yta, Vel, Lan, Gya, Cha und Kna; unter Afrikanern Jsb, U, hrs, hrb, Rh:-46, Ata, Cra, Tca, Joa, Hy, Sla und Yka; unter Asiaten Jk3, unter Asiaten und Indianern Dib sowie in der hispanischen Bevölkerung Ge [53]. Manche Blutgruppeneigenschaften sind so selten, dass überhaupt nur wenige Blutspender bekannt sind. Ein Beispiel ist der Null-Phänotyp im H-System (ISBT 018, . Tab. 11.2, . Tab. 11.7 und . Tab. 11.9), auch als Blutgruppe Bombay (0h) bezeichnet und durch das Fehlen des hoch frequenten Antigens H verursacht, mit nur einem unter 300.000 Blutspendern. Entsprechend schwierig ist die Blutversorgung, wenn Patienten rasch und mehrere solche Blutpräparate für ihre klinische Versorgung benötigen. Die Suche nach geeigneten Blutspendern und das Bereithalten von Erythrozytenpräparaten durch Tiefkühllagerung (Kryokonservierung) stellt ein erhebliches logistisches Problem dar, das im Verhältnis zu den üblichen Blutpräparaten zu zusätzlichen Kosten führt. Das Vorgehen in den deutschsprachigen Ländern und in der internationalen Kooperation soll die Sicherheit der Versorgung dieser Patienten erhöhen und dieses Ziel in kosteneffizienter Weise erreichen. Deshalb wird die schwierige Versorgung von verschiedenen Institutionen und Arbeitskreisen koordiniert, wie der Arbeitsgruppe »Seltene Blutgruppen« [38] im Rahmen der DGTI-Sektion Immunhämatologie und Gentechnik, der »European Frozen Blood Bank« in Amsterdam [1], dem »International Panel of Rare Blood Donors« in Bristol und der »ISBT Rare Donor Working Party« [45]. Die Entwicklung der Gentypisierung mit hohem Durchsatz hat die Suche nach seltenen Spendern revolutioniert, die lange durch den Mangel geeigneter Testseren behindert war. Kompatibles Blut kann bzw. muss nicht immer bereitgestellt werden. Begleitende Faktoren in der klinischen Situation eines Patienten können allerdings die Nebenwirkungen einer Antigen-inkompatiblen Transfusion erschweren, die sich einer spezifischen Therapie weitgehend entziehen. Deshalb muss man vorbeugend eine an die bekannte klinische Bedeutung adaptierte Entscheidung – zunächst basierend auf den In-vitro-Befunden – treffen. Ergeben sich nach Transfusion neue Aspekte, wird man die Einschätzung der Wertigkeit im Einzelfall an den klinischen und Laborbefunden anpassen. Dies kann in der Praxis – durch logistische Engpässe erzwungen – neben bestimmten hoch frequenten Antigenen wie Yta (ISBT 011.001, . Tab. 11.2) und Lan (ISBT 901.002, . Tab. 11.4) auch andere Antigene aus Systemen mit bekannt variabler klinischer Relevanz (. Tab. 11.1) betreffen [11]. Antikörper gegen Antigene der Chido/Rodgers- (ISBT 017) und Knops-Systeme (ISBT 022) werden vergleichsweise häufig beobachtet und können ein serologisch-diagnostisches Problem darstellen. Bei der Transfusionen werden sie im Regelfall nicht beachtet, da diese Antikörper als klinisch nicht relevant gelten.
148
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.11 Pathognomonische und auf Erkrankungen hinweisende Blutgruppenphänotypen Erkrankung
Phänotyp Antigen
Status
Kongenitale dyserythropoetische Anämie (CAD Typ II)
HEMPAS-Antigen(a)
Angeboren
Akanthozytose, neurologische Symptome (McLeod-Syndrom)
McLeod-Phänotyp (Kx-)(b)
Angeboren
Hämatologische Neoplasien, oft akute Leukämie
Verlust von Antigen A oder B
Erworben
Bakterielle Infektionen, Tumoren (oft Kolonkarzinom)
Freilegung von Krypt- oder Neo-Antigenen: acquired B, T-Antigene(a)
Erworben
(a) Vgl. (b) Vgl.
. Tab. 11.5. . Tab. 11.2, ISBT 019.
. Tab. 11.12 Typische Reaktionsmuster bei der ABO-Blutgruppenbestimmung Agglutination der Erythrozyten durch
Reaktion des Serums mit Testerythrozyten
Anti-A
Anti-B
A1
A2
B
0
–
–
++++
++++
++++
++++
–
–
–
–
++++
++++
++++
++++
++++
–
–
11.2.4
11
ABO-Blutgruppe (Phänotyp)
Mögliche Genotypen
Häufigkeiten in Deutschland [67]
–
0
OO
41 %
++++
–
A
AA, AO
43 %
–
–
B
BB, BO
11 %
–
–
AB
AB
5 %
Relevanz von Blutgruppenantigenen außerhalb der klinisch-praktischen Transfusionsmedizin
Blutgruppenantigene können Andockstellen von Infektionserregern sein. Besonders eindeutig ist die Beziehung bei der Malaria- bzw. Parvovirus-B19-Resistenz einiger Null-Phänotypen (. Tab. 11.7) [30][41][42]. Weitere Beispiele sind die Bindung von uropathogenen E.-coli-Stämmen an P1 (ISBT 003.001) und Dra (ISBT 021.005), von H. pylori an Leb (ISBT 007.002), Norovirus (früher NorwalkVirus) an H Typ 1 und Haemophilus influenzae an AnWj (ISBT 901.009). Unterschiede in der Glykosylierung beeinflussen zahlreiche Rezeptoren und Enzyme. Es wurden immer wieder Assoziationen von ABO-Phänotyp und Erkrankung beschrieben, z. B. sei die Inzidenz der koronaren Herzkrankheit und einiger Tumoren bei Trägern der Blutgruppe A erhöht, Magenulzera und Ulkusblutungen dagegen bei Trägern der Blutgruppe 0. Einige Gerinnungsfaktoren zeigen in Assoziation mit Blutgruppe A eine höhere Aktivität; der von-Willebrand-Faktor (vWF) ist bei Blutgruppe AB fast doppelt so aktiv wie bei Gruppe 0. Durch vWF-Mangel bedingte Blutungen werden deshalb öfters bei Blutgruppe 0 beobachtet. Bei bestimmten seltenen Erkrankungen ist der Blutgruppen-Phänotyp pathognomonisch (. Tab. 11.11) [11][18]. 11.3
Die ABO-, H- und Lewis-Systeme
Diese drei Systeme werden durch Kohlenhydratantigene definiert und sind strukturell verwandt, weswegen sie gemeinsam besprochen werden. Die drei weiteren Kohlenhydrat-basierten Systeme
sind P, I und GLOB (. Tab. 11.1). Auch ein Antigen der Kohlenhydrat-basierten Kollektion GLOB kann in seltenen Situationen klinisch relevant sein (. Tab. 11.3). 11.3.1
ABO-System
Überblick Das ABO-System ist die bedeutendste Blutgruppe. Die Antigene A und B definieren die vier unterschiedlichen Phänotypen 0, A, B und AB (. Tab. 11.12). Ihre molekulare Struktur beruht auf bestimmten endständigen (terminalen) Verzweigungen von Kohlenhydratketten, die an Lipide (Glykolipide) bzw. Proteine (Glykoproteine) der Erythrozytenmembran außen angeheftet sind [47]. Kohlenhydratstrukturen, die den Antigenen A und B ähneln, sind in der Natur z. B. auf humansymbiotischen Bakterien weit verbreitet. Personen, die diese Antigene nicht selbst besitzen, werden daher im Laufe ihres ersten Lebensjahres gegen sie immunisiert. Diese obligat vorhandenen, klinisch relevanten natürlichen Antikörper Anti-A und Anti-B nennt man auch Isoagglutinine. Für jedes der beiden Antigene A und B ist immer das Antigen auf den Erythrozyten oder der korrespondierende Antikörper (Isoagglutinin) im Plasma vorhanden. Beispielsweise besitzen Personen der Blutgruppe B stets ein Anti-A im Plasma (. Tab. 11.12). Wegen der Isoagglutinine kann nicht ABO-inkompatibel transfundiert werden. Sichere Transfusionen wurden überhaupt erst möglich, nachdem im Jahre 1900 das ABO-System durch die Anwendung der Agglutination entdeckt wurde. Erythrozyten werden major-kompatibel transfundiert, d. h. der Spender darf nur solche Antigene aufweisen, die auch der Empfänger besitzt (z. B. Spender A oder 0 für Empfänger A). Plasma wird minor-kompatibel transfundiert (z. B. Spender AB oder A für Empfänger A), d. h. der Spen-
Erythrozyten
Plasma
0
AB
A
B
11
149
11.3 • Die ABO-, H- und Lewis-Systeme
A
A1
A2
B
AB
0
majorkompatibel
minorkompatibel
. Abb. 11.1 Piktogramm zur ABO-Kompatibilität von Blutkomponenten
der muss alle Antigene aufweisen, die auch der Empfänger besitzt (. Abb. 11.1). Die Antigene A und B werden kodominant vererbt. Nichtfunktionale (stumme, Null-)O-Allele sind häufig. Der Phänotyp ergibt sich aus dem Vorhandensein bzw. dem Fehlen eines A- oder B-Allels. Eine heterozygote (Genotyp A/O) und eine homozygote Erbanlage (Genotyp A/A) sind phänotypisch praktisch nicht voneinander zu unterscheiden.
A- und B-Untergruppen Je nach der Stärke der Antigenausprägung und dem Nachweis von Antigen A1 bzw. von bestimmten Antigenen im Speichel lassen sich Untergruppen von A und B unterscheiden. Selbst schwächste Antigenausprägungen führen in der Regel zum Fehlen des korrespondierenden Isoagglutinins. Von praktischer Bedeutung ist in Europa vor allem die Unterteilung eines Antigens A in die Antigene A1 bzw. A2 (analog AB in A1B bzw. A2B): A1-Erythrozyten tragen mehr Antigen A als A2-Erythrozyten. Mit Routinemethoden werden dennoch Erythrozyten beider Untergruppen einheitlich als Antigen-Apositiv bestimmt. Bei der Untergruppe A1 wird zusätzlich zum Antigen A das Antigen A1 exprimiert. Antigen A1 ist ein von Antigen A unterscheidbares Antigen mit eigener Struktur, die mit einem Anti-A1 spezifisch nachweisbar ist. In der Praxis benutzt man zum Nachweis meist Dolichos-biflorus-Lektin (»Anti-A1«). Personen mit Untergruppe A2 können ein Anti-A1 bilden; um dies zu erkennen, sind bei der Blutgruppenbestimmung A1- und A2-Testerythrozyten vorgeschrieben. Im Gegensatz zu Anti-A und Anti-B ist dieses »irreguläre« Anti-A1 klinisch häufig nicht relevant. Bei Transfusionen wird ein Anti-A1 im Regelfall nur beachtet, wenn es in Techniken mit indirektem Antiglobulintest oder »in der Wärme« (bei +37°C) nachweisbar ist. Der Unterschied zwischen A1 und A2 ist sowohl quantitativ als auch qualitativ (. Abb. 11.2): A2-Erythrozyten tragen weniger AAntigene als A1-Erythrozyten. Aufgrund der strukurellen Unterschiede kann eine Person mit dem Antigen A2 einen Antikörper gegen das Antigen A1 bilden, obwohl sie nicht in der Lage ist, einen Antikörper gegen das Antigen A zu bilden. Die Untergruppe A2 grenzt man serologisch von der Untergruppe A1 durch die Agglutination mit Anti-H ab, wofür sowohl Lektine (Ulex europaeus) als auch Antiseren geeignet sind. Anti-H agglutiniert allerdings auch Erythrozyten der Blutgruppen 0 und B sowie alle Untergruppen von A mit schwacher Antigenexpression. Mit Anti-H kann man deswegen nicht zwischen der Untergruppe A2 und noch schwächeren A-Untergruppen differenzieren.
H Typ 2 A Typ 2 H Typ 3/Typ 4 H Typ 3/Typ 4 (A1-Antigen)
. Abb. 11.2 Glykosylierungsunterschiede zwischen den Antigenen A1 und A2. Das A1-Antigen beruht auf dem Vorhandensein »repetitiver« A-Antigene, die dadurch entstehen, dass die A-Antigene zu H-ähnlichen Strukturen (H Typ 3 und H Typ 4) verlängert werden, die wiederum von der A1-Transferase in A-Antigene (A Typ 3 und A Typ 4) umgewandelt werden (linke Seite). Die A2-Transferase kann dagegen nur die »ursprünglichen« H-Typ-2-Ketten zu A umwandeln; die Verlängerung (H Typ 3 und Typ 4) bleibt als endständige Struktur erhalten (rechte Seite). H Typ 3 und Typ 4 können mit Anti-H-aktiven Lektinen oder Antikörpern nachgewiesen werden, die oft nicht ganz korrekt als »Anti-A2« bezeichnet werden. Die Antigene A1 und A2 treten nicht gleichzeitig auf einem Erythrozyten auf
Mit der Ausnahme der Untergruppen A1 und A2 fallen alle anderen A-Untergruppen meist schon mit Routinemethoden auf Grund ihrer schwachen Agglutination durch Anti-A auf (. Tab. 11.13). Sie werden mit abnehmender Antigenexpression als A3, Aend, Ax und Ael bezeichnet. Alle weiteren Untergruppen sind extrem selten, und ihre schwierige serologische Differenzierung ist für die Praxis unbedeutend. Sie werden heute oft unter dem Oberbegriff »A weak« zusammengefasst. Die Unterteilung der Blutgruppe B ist serologisch schwierig. Einzig gesichert abgrenzbar ist bisher die Untergruppe B3, die in Ostasien etwas häufiger vorkommt (. Tab. 11.13) [74]. Durch Deacetylierung entsteht aus dem Antigen A ein Bähnliches Antigen, das sogenannte »acquired B«. Ursächlich sind meist bakterielle Enzyme oft in Assoziation zu Kolonkarzinomen (. Tab. 11.11) [18]. Polyklonale und einzelne monoklonale Anti-BSeren agglutinieren auch Erythrozyten mit dem »acquired-B-Antigen«, was zu Fehlbestimmungen der Blutgruppe A als AB führen kann. Diese gefährliche Fehlerquelle lässt sich durch den Einsatz von solchen monoklonalen Anti-B-Seren vermeiden, die das »acquired-B-Antigen« nicht erkennen.
Serologische ABO-Blutgruppen-Bestimmung Zur Bestimmung der ABO-Blutgruppe werden immer die Erythrozyten auf Antigene und das Plasma auf Isoagglutinine untersucht. Der Nachweis der Antigene A und B auf den Erythrozyten erfolgt mit je einem monoklonalem Anti-A- und Anti-B-Serum in Ein-
150
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.13 Reaktionsmuster der ABO-Untergruppen
11
Phänotyp
Anti-A
Anti-A1
Anti-B
Anti-H
HelixpomatiaLektin(a)
Antigene im Speichel
Ungefähre Häufigkeit
Molekulare Basis, Allel, Bemerkung
A1
++++
++++
0
0
++++
A und H
75 %
A101
Aint
++++
++
0
+++
++++
A und H
Entfällt
Molekulare Basis nicht geklärt
A2
++++
0
0
++++
++++
A und H
24 %
Meist A201
A3
++MF
0
0
++++
0
A und H
0,02 %
Heterogen, oft normale Nukleotidsequenz
Aend
+wMF
0
0
++++
0
H
0,003 %
Zum Teil Aw03
Abantu
+MF
0
0
++++
0
H
Bei Bantu
Aend-ähnlich, molekulare Basis nicht geklärt
Afinn
+w
0
0
++++
0
H
Bei Finnen
Aend-ähnlich, Mutation an der SpleißStelle von Intron 6
Ax
+w
0
0
++++
0
H
0,005 %
Heterogen, oft Allele mit AminosäureAustausch F216I
Am
+w
0
0
++++
0
A und H
0,001 %
Exon 6–7 normal; verändertes Expressionsmuster möglich
Ael
0
0
0
++++
0
H
Sehr selten
Meist Ael01
Alae
0
+++
0
++++
0
H
Entfällt
Wohl kein separates A-Allel; Cad-Polyagglutination möglich
B
0
0
++++
+++
0
B und H
>99 %
B101
B3
0
0
++MF
++++
0
B und H
0,01 %
Bei Asiaten 0,1 %; dort meist B303
Bx
0
0
+w
++++
0
H
Sehr selten
Heterogen, molekulare Basis nicht geklärt
Bm
0
0
+w
++++
0
B und H
Sehr selten
Heterogen, molekulare Basis nicht geklärt
Bel
0
0
0
++++
0
H
Sehr selten
Heterogen, molekulare Basis nicht geklärt
Typisches Reagenz
MoAb
DolichosbiflorusLektin
MoAb
MoAb oder Ulexeuropaeus-Lektin
k. A.
k. A.
k. A.
k. A.
MF Mischfeldagglutination, MoAb monoklonaler Antikörper, +w schwache einfach positive Reaktion, k. A. keine Angaben. Helix-pomatia-Lektin agglutiniert die A-Untergruppen A1 und A2, jedoch nicht schwächere A-Untergruppen.
(a)
fachbestimmung. Das früher verwendete »Anti-AB-Serum« ist auf Grund der hohen Sensitivität der monoklonalen Anti-A- und AntiB-Antikörper obsolet. Als Kontrolle werden zudem die Isoagglutinine mit A1-, A2- und B-Testerythrozyten nachgewiesen, damit stark abgeschwächte Untergruppen nicht übersehen werden. 0-Testerythrozyten werden als Negativkontrolle mitgeführt, um falschpositive Reaktionen zu erkennen. Diskrepanzen zwischen den nachgewiesenen Antigenen und Isoagglutinen können in der Perinatalperiode, im hohem Alter oder bei Immunglobulinmangel auftreten, weil die Isoagglutinine fehlen. Stark abgeschwächte Antigenausprägungen, die bei der Erythrozytentypisierung nicht erfasst werden, fallen durch das isolierte Fehlen des entsprechenden Isoagglutinins auf; eine analoge Situation kann nach allogener Stammzelltransplantation auftreten. Falsch-positive Reaktionen beim Nachweis der Isoagglutinine können durch ein irreguläres Anti-A1, andere irreguläre direkt agglutinierende Allo-
antikörper (z. B. Anti-M) oder Kälteautoantikörper bedingt sein; ebenso sollten technische Phänomene wie Geldrollenbildung nicht mit Isoagglutininen verwechselt werden (7 Kap. 39).
ABO-Antigene bei Neugeborenen Bei Erwachsenen sind die Kohlenhydratketten verzweigt, sodass eine Kette viele endständige Antigene A bzw. B aufweisen kann. Demgegenüber sind beim Neugeborenen die Kohlenhydratketten noch kaum verzweigt; eine Kette trägt meist nur ein einzelnes endständiges Antigen. Wegen der verminderten Anzahl endständiger Antigene erscheinen die kindlichen Antigene serologisch schwächer ausgeprägt (7 Abschn. 11.3.5). Auch die Isoagglutinine fehlen oder spiegeln die mütterlichen Verhältnisse wider. Beide Phänomene können die Rate von Fehlbestimmungen der ABO-Blutgruppe erhöhen. Deshalb sollten Blutgruppenbefunde bis zum ersten Lebensjahr als vorläufig betrachtet werden. Vor einer
151
11.3 • Die ABO-, H- und Lewis-Systeme
sicheren Bestimmung sollten keine Blutgruppenausweise ausgestellt werden. Bei Transfusionen in der Neugeborenenperiode sollte die Blutgruppe der Mutter mitbeachtet werden. So kann z. B. bei einem Neugeborenen mit Blutgruppe A und der Mutter mit Blutgruppe 0 die Transfusion des Kindes mit Blutgruppe 0 sinnvoll sein.
ABO-Erythroblastose Der Begriff ABO-Erythroblastose bezeichnet den Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) durch Isoagglutinine. Isoagglutinine sind überwiegend vom IgM-Typ, selten auch vom IgG- oder IgA-Typ. Insbesondere bei Neugeborenen der Blutgruppe A1 von Müttern der Blutgruppe 0 kann nach wiederholter Schwangerschaft ein hoher IgG-Titer gegen kindliche Erythrozyten auftreten. Nur die IgG-Antikörper gelangen diaplazentar in den kindlichen Kreislauf. Wegen der zunächst geringen Ausprägung der ABO-Antigene auf fötalen Erythrozyten ist eine intrauterine Anämie jedoch sehr selten. Postpartal nimmt die Ausprägung der ABO-Antigene rasch zu und kann beschleunigten Abbau bzw. Ikterus zur Folge haben. Im Gegensatz zum MHN durch Anti-D kann der direkte Antiglobulintest gelegentlich, besonders bei wenig empfindlichen Techniken, negativ bleiben.
11
diagnostischen Tests zunutze, weil die Blutgruppe 0 mit Anti-H (= »Anti-A2«) positiv wäre. Der Bombay-Phänotyp weist obligat ein hoch titriges klinisch wirksames Anti-H Isoagglutinin auf. Es bedeutet eine besondere transfusionsmedizinische Herausforderung für die klinische Versorgung (7 Abschn. 11.2.3.4), weil eine Transfusion ausschließlich mit »Bombay-Erythrozyten« möglich ist.
11.3.3
Lewis-System
Bei der Antikörperdifferenzierung können gelegentlich Antikörper gegen die beiden Antigene Lea und Leb im Lewis-System auffallen. Diese Antikörper werden bestenfalls dann beachtet, wenn sie im indirekten Antiglobulintest oder »in der Wärme« (bei +37°C) eine Agglutination bewirken. Bei der Expression der Lewis-Antigene wirken zwei Glykosyltransferasen zusammen (7 Abschn. 11.3.4.3). 11.3.4
Molekulare Struktur der A-, B-, H-, und Le-Antigene
Syntheseweg der Antigene H bzw. A und B ABO und Stammzelltransplantation Nach erfolgreicher Knochenmark- oder Stammzelltransplantation weist der Empfänger die ABO-Blutgruppe des Spenders auf. Da zahlreiche Körperzellen und -sekrete nach wie vor die Empfängerantigene exprimieren, bleibt im Regelfall eine Immuntoleranz gegen die Empfängerantigene bestehen. Selbst wenn die Hämatopoese vollständig vom Spendertyp ist, können die Erythrozyten ABO-reaktive Glykolipide aus dem Plasma adsorbieren. Die Antigene dieser Glykolipide unterscheiden sich strukturell von denen auf Erythrozyten; je nach benutztem Antikörper können so bisweilen auch auf Erythrozyten der Spenderhämatopoese die Antigene A oder B des Empfängers nachgewiesen werden. Dieses biologische Phänomen sollte nicht mit einem Rezidiv verwechselt werden. Beginnend mit der vorbereitenden Behandlung bis zum Anwachsen des Stammzelltransplantats werden Blutpräparate ausgewählt, die eine ABO-Kompatibilität sowohl zum Empfänger als auch zum Spender gewährleisten (. Tab. 11.14).
ABO-Antigene in unterschiedlichen Geweben ABO-Antigene befinden sich auf Glykoproteinen und Glykolipiden zahlreicher Körperzellen; es mag überraschen, aber die Antigenexpression z. B. auf Nierengewebe übertrifft die auf Erythrozyten bei weitem. Die Antigene werden deshalb auch bei der Organtransplantation beachtet. ABO-Antigene modulieren die Aktivität zahlreicher Proteine. Beispielsweise ist die Aktivität des von-WillebrandFaktors bei Blutgruppe 0 merklich geringer als bei Blutgruppe A. Bei etwa 80 % der Europäer (»Sekretoren«) tragen die Kohlenhydrate im Speichel die Antigene H sowie A und B (7 Abschn. 11.3.4.3). 11.3.2
H-System
Die A- und B-Antigene entstehen durch das sequenzielle Zusammenwirken unterschiedlicher Glykosyltransferasen [47]. Ausgangspunkt sind eine Reihe unterschiedlicher, jedoch ähnlicher Kohlenhydratstrukturen, die als »Grundsubstanz« Typ 1 bis Typ 6 bezeichnet werden (. Abb. 11.3). Die auf Erythrozyten vorherrschenden Antigene leiten sich von Typ 2 ab; aus dem Plasma adsorbierte Glykolipide tragen dagegen ausschließlich Typ-1-Strukturen. In einem ersten Schritt wird aus der Grundsubstanz das Antigen H synthetisiert, indem eine Fukose in α-1,2-glykosidischer Bindung angefügt wird (. Abb. 11.3, . Abb. 11.4). Dieser Syntheseschritt wird im Erythrozyten durch die H-Transferase, im epithelialen Gewebe durch die Se-Transferase bewirkt. Die Gene für beide Transferasen liegen sehr nah beieinander und werden deshalb als Haplotyp gekoppelt vererbt. Als zweiter Schritt wird an die H-Struktur N-Acetylgalaktosamin (Blutgruppe A) bzw. Galaktose (Blutgruppe B) in α-1,3-glykosidischer Bindung angefügt (. Abb. 11.3, . Abb. 11.4). Bei Blutgruppe 0 bricht die Synthese auf der Stufe des H-Antigens ab, da keine aktiven A- oder B-Glykosyltransferasen vorhanden sind. Aus der A-Struktur kann durch zusätzliches Anfügen von Galaktose in β-1,3-glykosidischer Bindung die Grundsubstanz Typ 3 und daraus H Typ 3 entstehen. Die Glykosyltransferase der Untergruppe A1, nicht jedoch die schwächerer A-Untergruppen (z. B. A2), ist in der Lage, daraus wiederum A Typ 3 zu synthetisieren. Auf diese Art entstehen repetitive A-Strukturen, die die Grundlage des A1Antigens sind (. Abb. 11.2, . Abb. 11.4). Alle Glykosyltransferasen der schwächeren A-Untergruppen (A2, A3 usw.) vermögen diesen Syntheseschritt nicht auszuführen; deshalb bricht die Synthese der Kohlenhydrat-Ketten bei den Untergruppen A2 usw. auf der Stufe von H Typ 3 ab, was deren gute Agglutination durch Anti-H erklärt.
H-defiziente Phänotypen Das Antigen H ist die erforderliche Vorstufe, um die Antigene A und B synthetisieren zu können [49]. Praktisch alle Menschen tragen das Antigen H. Nur beim extrem seltenen Null-Phänotyp des H-Systems wird das Antigen H nicht gebildet. Dieser Phänotyp wird nach dem Ort seiner ersten Beschreibung und relativen Häufung als »Bombay-Phänotyp« bezeichnet. Die Erythrozyten tragen weder Antigen A noch B, sind aber auch bei der Bestimmung von Antigen H (»Anti-A2«) negativ. Dies macht man sich im Rahmen des
Ist weder eine aktive H-Transferase noch eine aktive Se-Transferase vorhanden, kann kein Antigen H und folglich auch kein Antigen A und B synthetisiert werden: Es liegt der Bombay-Phänotyp vor (7 Abschn. 11.3.2) [49]. In sehr seltenen Fällen können Bombay-Phänotypen auch Folge eines Defekts im GDP-Fukose-Transporter 1 sein (Ramban-Hasharon-Syndrom = Leukozyten-Adhäsions-Defizienz Typ II, LAD Typ II, mit zusätzlicher Immundefizienz und neurologischer Sym-
152
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.14 Transfusionsstrategie bei ABO-inkompatibler Stammzelltransplantation. (Mod. n. [24]) Inkompatibilität
Blutgruppe der Blutpräparate Blutgruppe
Major-inkompatibel
Minor-inkompatibel
Major- und minor-inkompatibel
Thrombozyten
Patient
Spender
Erythrozyten
1. Wahl
2. Wahl
Plasma
0
A
0
A
AB, B, 0
A, AB
0
B
0
B
AB, A, 0
B, AB
0
AB
0
AB
A, B, 0
AB
A
AB
A
AB
A, B, 0
AB
B
AB
B
AB
B, A, 0
AB
A
0
0
A
AB, B, 0
A, AB
B
0
0
B
AB, A, 0
B, AB
AB
0
0
AB
A, B, 0
AB
AB
A
A
AB
A, B, 0
AB
AB
B
B
AB
B, A, 0
AB
A
B
0
AB
A, B, 0
AB
B
A
0
AB
B, A, 0
AB
Blutpräparate mit hoch titrigen Hämolysinen sollten vermieden werden. Gewaschene Erythrozytenpräparate sind nicht indiziert.
11
ptomatik). Ist bei inaktiver H-Transferase die Se-Transferase aktiv, entsteht der Phänotyp eines »H-defizienten Sekretors«, bei dem Spuren von H- und eventuell A- und B-Antigen aus dem Plasma auf die Erythrozyten adsorbiert werden; das hochtitrige Anti-H fehlt. Die Bezeichnung »Para-Bombay« umfasst sowohl H-defiziente Sekretoren als auch Non-Sekretoren mit minimaler Restaktivität der H-Transferase. Das alleinige Fehlen der Se-Transferase bei aktiver H-Transferase tritt bei etwa 20 % der Europäer auf und äußert sich im Non-Sekretorphänotyp, bei dem keine Blutgruppensubstanzen im Speichel ausgeschieden werden (7 Abschn. 11.3.4.3).
turen zu vernachlässigen. Lediglich nach Stammzelltransplantation und beim H-defizienten Sekretor überwiegen auf den Erythrozyten die Typ-1-Antigene. Kommerzielle monoklonale Anti-A- und Anti-B-Seren reagieren unterschiedlich gut mit Typ-1-Antigenen, was sich in variabel positiven, oft diskrepanten Reaktionen äußern kann (7 Abschn. 11.3.1.6).
Lewis-Antigene
Bereits die Vorstufen der A- und B-Antigen-tragenden Kohlenhydratketten sind normalerweise verzweigt, wodurch eine Kette zahlreiche A- oder B-Antigene trägt (. Abb. 11.5) [75]. Die Verzweigungen der Typ-2-Grundstruktur werden durch eine ß-1,6-NAcetyl-Glucosaminyltransferase eingefügt und bilden das Antigen I (. Abb. 11.3). Dieses Enzym ist beim Neugeborenen praktisch inaktiv; Nabelschnurerythrozyten sind I-negativ und besitzen deshalb eine verminderte Anzahl von A- und B-Antigenen (7 Abschn. 11.3.1.4). Dafür reagieren Nabelschnurerythrozyten stärker mit Anti-i, da dieser Antikörper bevorzugt an unverzweigte Ketten bindet. Das Antigen I und alle Antigene, die aus I und A, B sowie H (z. B. IH) zusammengesetzt sind, stellen häufig die Zielantigene von Kälteautoantikörpern dar. Ein echtes Allo-Anti-I gibt es lediglich beim sehr seltenen »adult i«-Phänotyp (dem Null-Phänotyp der I-Blutgruppe, ISBT 027) mit inaktiver ß-1,6-N-Acetyl-Glucosaminyltransferase. Das Antigen »i« entspricht den nicht verzweigten Ketten und wird gelegentlich auch als Zielantigen von Kälteautoantikörpern beobachtet.
Grundsubstanz Typ 1 und H Typ 1 sind auch Substrat für die Lewis-Transferase, eine α-1,3-Fukosyltransferase. Aus Grundsubstanz Typ 1 entsteht das Lea-Antigen, aus H Typ 1 das Leb-Antigen. LeTransferasen werden nicht im Erythrozyten exprimiert, sodass dieser Syntheseweg nur extra-erythrozytär ablaufen kann (. Abb. 11.4). Andererseits werden Le-tragende Glykolipide aus dem Plasma an Erythrozyten adsorbiert und in die Membran eingebaut; deshalb passen sich die Le-Antigene transfundierter Erythrozyten nach einigen Tagen an den Le-Phänotyp des Empfängers an. Die Aktivität der Le-Transferase entscheidet darüber, ob überhaupt Lewis-Antigene exprimiert werden, die Aktivität der SeTransferase bestimmt die Art der Antigene (. Tab. 11.15). Die Leb-Struktur ist mögliches Substrat der A- und B-Transferase; in seltenen Fällen können Antikörper gegen die daraus entstehenden ALeb und BLeb-Strukturen gebildet werden (. Abb. 11.4).
Adsorbierte ABO-Antigene Analog zu den Lewis-Antigenen tragen die an Erythrozyten adsorbierten Glykolipide von Grundsubstanz Typ 1 abgeleitete A-, Boder H-Antigene. Bei der Bestimmung von A, B, und H sind diese Typ-1-Strukturen im Normalfall gegenüber den auf den Erythrozyten vorherrschenden, von Grundsubstanz Typ 2 abgeleiteten Struk-
11.3.5
I-System und molekulare Struktur der I-Antigene
153
11.3 • Die ABO-, H- und Lewis-Systeme
Chemische Struktur
Antigen, Substanz
Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest
Grundsubstanz Typ 1 (Lec)
Galβ1→4GlcNAcβ1→Rest
Grundsubstanz Typ 2
Galβ1→3GalNAαβ1→Rest
Grundsubstanz Typ 3
Galβ1→3GalNAcβ1→Rest
Grundsubstanz Typ 4
Galβ1→3Galβ1→Rest
Grundsubstanz Typ 5
Galβ1→4Glcβ1→Rest
Grundsubstanz Typ 6
Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest
H Typ 1 (Led)
2 ↑ Fucα1 Galβ1→4GlcNAcβ1→Rest
H Typ 2
2 ↑ Fucα1 GalNAcα1→3Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest
A Typ 1
2 ↑ Fucα1 Galα1→3Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest
B Typ 1
2 ↑ Fucα1 GalNAcα1→3Galβ1→4GlcNAcβ1→Rest
A Typ 2
2 ↑ Fucα1 GalNα1→3Galβ1→4GlcNAcβ1→Rest
“Acquired B”
2 ↑ Fucα1 Galα1→3Galβ1→4GlcNAcβ1→Rest
B Typ 2
2 ↑ Fucα1 Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest
Lea
4 ↑ Fucα1 Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest 2
Leb
4
↑
↑
Fucα1
Fucα1
GalNAcα1→3Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest 2
4
↑
↑
Fucα1
Fucα1
Galα1→3Galβ1→3GlcNAcβ1→Rest 2
4
↑
↑
Fucα1
Fucα1
. Abb. 11.3 Chemische Struktur der verschiedenen Kohlenhydratantigene
ALeb
BLeb
11
154
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
*DOȕ→*OF1$Fȕ→5HVW
/H[
↑ )XFĮ *DOȕ→*OF1$Fȕ→5HVW ↑
↑
)XFĮ
)XFĮ
*DOȕ→*DO1$FĮ→*DOȕ→*OF1$Fȕ→5HVW
/H\
+7\SUHSHWLWLY
↑
↑
)XFĮ
)XFĮ
*DO1$FĮ→*DOȕ→*DO1$FĮ→*DOȕ→*OF1$Fȕ→5HVW
$7\SUHSHWLWLY
↑
↑
)XFĮ
)XFĮ
*DOȕ→*OF1$Fȕ→*DOȕ→*OF1$Fȕ→*DOȕ→*OF→5HVW
L
*DOȕ→*OF1$Fȕ→*DOȕ→*OF1$Fȕ→*DOȕ→*OF→5HVW
,
↑ *DOȕ→*OF1$Fȕ *DOȕ→*OFȕ→&HUDPLG *DOĮ→*DOȕ→*OFȕ→&HUDPLG *DO1$Fȕ→*DOĮ→*DOȕ→*OFȕ→&HUDPLG 1HX$FĮ→*DOȕ→*DO1$Fȕ→*DOĮ→*DOȕ→*OFȕ→&HUDPLG *OF1$Fȕ→*DOȕ→*OFȕ→&HUDPLG
11
*DOȕ→*OF1$Fȕ→*DOȕ→*OFȕ→&HUDPLG
/DFWRV\OFHUDPLG 3N 3 /.( /DFWRWULDRV\OFHUDPLG 3DUDJORERVLG
*DOĮ→*DOȕ→*OF1$Fȕ→*DOȕ→*OFȕ→&HUDPLG
3
*DO1$FĮ→6HU7KU
7Q
*DOȕ→*DO1$FĮ→6HU7KU 1HX$FĮ→*DOȕ→*DO1$FĮ→6HU7KU
7 1RUPDOH2*O\NRV\OLHUXQJ
↑ 1HX$FĮ
. Abb. 11.3 Fortsetzung
11.3.6
Molekulare Struktur der Glykosyltransferasen im ABO-System
Die A- und B-Transferase werden durch unterschiedliche Allele desselben Gens exprimiert, das 7 Exons umfasst und für ein 353 Aminosäuren langes Protein kodiert (. Abb. 11.6) [47][48][73]. Der größte Teil des Proteins einschließlich des gesamten enzymatisch aktiven Bereichs wird von Exon 6 und 7 kodiert. Die aktuell übliche Nomenklatur für ABO-Allele geht vom Phänotyp aus, man nummeriert die bei diesem Phänotyp beobachteten Allele fortlaufend in annähernd historischer Reihenfolge. Die aktuelle Zusammenstellung der Allele ist im Internet zu finden [4]. Diese Nomenklatur ist recht unübersichtlich, da ein erheblicher Teil der beobachteten Allele unvollständig sequenziert wurde (meist nur Exon 6 und 7), dafür aber Allele mit identischer Proteinsequenz einen eigenen Namen erhal-
ten, wenn sie sich auch nur durch stille oder im Intron gelegene Mutationen unterscheiden. Mutationen im ABO-Gen wirken sich nicht direkt auf die ABOAntigene aus, sondern beeinflussen Aktivität, Substratspezifität und Expressionsmuster der entsprechenden Glykosyltranferase. Bei seltenen Allelen treten keine neuen Antigene auf, sondern die Antigene A, A1 und B werden stark oder (meist) weniger stark als normal exprimiert. Mit geringen Vereinfachungen lassen sich die Allele in folgende Gruppen einteilen: a. Es sind 6 A1-Allele (A101 bis A106) beschrieben, die jedoch alle Wildtypproteinsequenz oder Wildtypsequenz mit einer P156L-Substitution (»japanischer Typ«) zeigen und sich ansonsten nur in stummen Mutationen unterscheiden. b. Das häufigste B-Allel B101 unterscheidet sich vom häufigsten A-Allel A101 in 7 Nukleotidsubstitutionen (297A>G; 526C>G;657C>T; 703G>A; 796C>A; 803G>C; 930G>A), die
155
11.3 • Die ABO-, H- und Lewis-Systeme
11
Erythrozyt Adsorption an Erythrozyten von Glykolipiden mit Typ 1-KohlenhydratKetten aus dem Plasma
A Typ 3 A (nur bei A1)
H Typ 3 H, Se
Grundsubstanz Typ 3
nur extra-erythrozytär BLeb
ALeb B
A
B Typ 1
Leb
A Typ 1 B
A
B
Ley
A
Le
Le
H Typ 2
H Typ 1 Se
Lea
A Typ 2
B Typ 2
H
Le
Se
Lex
H
Le Grundsubstanz Typ 1
Grundsubstanz Typ 2
. Abb. 11.4 Synthese der Kohlenhydrate des ABO-, H- und Le-Systems. Ausgangspunkt der Synthese sind als »Grundsubstanz« bezeichnete Kohlenhydratstrukturen. Se- und H-Transferase synthetisieren daraus die H-Struktur, aus der wiederum A- und B-aktive Kohlenhydrate entstehen. Aus A Typ 2 kann durch eine Galaktosyltransferase Grundsubstanz Typ 3 und daraus H Typ 3 erzeugt werden. Bei Blutgruppe A2 bricht der Syntheseweg auf dieser Stufe ab. Bei Blutgruppe A1 ist die A-Transferase in der Lage, H Typ 3 als Substrat zu benutzen und A Typ 3 zu erzeugen. So können lange repetitive Ketten (repetitives A) entstehen, die neben A Typ 4 (nicht gezeigt) die strukturelle Basis des A1-Antigens bilden. Grundsubstanz und H sind auch Substrat der Lewis-Transferase, die daraus Lea- bzw. Leb-Antigen erzeugt. Se-Transferase und Lewis-Transferase werden nicht im Erythrozyten exprimiert, die entsprechenden Syntheseschritte finden nur extra-erythrozytär statt. Erythrozyten adsorbieren jedoch Glykolipide mit Typ-1-Kohlenhydratketten aus dem Plasma, die je nach Lewisund Sekretorphänotyp Lea-, Leb- oder keine Lewis-Antigene tragen. Antikörper gegen »Lec« (Grundsubstanz Typ 1) und »Led« (H Typ 1) werden sehr selten beobachtet und gehören nicht zum Lewis-Blutgruppensystem. Grundsubstanz Typ 2 ist auch Ausgangspunkt der P1-Synthese (. Abb. 11.7)
zu 4 Aminosäureaustauschen (R176G; G235S; L266M; G268A) führen (. Abb. 11.6). Entscheidend für die A- versus B-Spezifität sind die Positionen 266 und 268; Position 176 hat keinen Einfluss auf die Substratspezifität. Sechs weitere B-Allele unterscheiden sich nur in stummen oder offensichtlich funktionell nicht relevanten Punktmutationen. c. Allele mit dem A-typischen Leucin an Position 266 und dem B-typischen Alanin an Position 268 (die umgekehrte Kombination wurde bisher nicht beobachtet) sind »cis-AB-Allele«, die sowohl A- als auch B-Transferase-Aktivität aufweisen. Beim B(A)-Phänotyp werden neben B-Antigen nur Spuren von A-Antigen synthetisiert; dies ist z. B. bei einem A-spezifischen Glycin 235 in einem B-Allel der Fall. Ein zweiter Mechanismus, der zu cis-AB- und B(A)-Allelen führt, sind Punktmutation an Position 234 in einem B-Allel (P234S bei cisABO3, P234A bei B(A)02). Cis-AB kann zu Fehldeutungen bei der Abstammungsdiagnostik führen (bei Vater AB, Mutter 0 hat der Vater üblicherweise den Genotyp A/B und somit Kinder
Blutgruppe A oder B; ist der väterliche Genotyp jedoch cisAB/0, so können die Kinder die Antigene AB oder 0 erben). d. Die häufigste Ursache von Null-Allelen ist eine einzelne Nukleotiddeletion in Exon 6 (261delG), die zu einer Verschiebung des Leserahmens mit vorzeitigem Stoppkodon und Verlust des enzymatisch aktiven Anteils führt (O01, früher O1, . Abb. 11.6). Auf Grund weiterer, meist stiller Mutationen werden diesem Null-Allel insgesamt nicht weniger als 28 weitere Allele zugeordnet. Diese Allele lassen sich in drei Gruppen unterteilen: Das häufigste Null-Allel O101 besitzt bis auf die beschriebene Nukleotiddeletion, die A101-Sequenz (Wildtyp A1); 13 weitere Allele sind sehr ähnlich. O102 (»O1var«) weicht mit 9 Nukleotidsubstitutionen deutlich von O101 ab; 12 Allele ähneln O102. Das sehr seltene Allel O24 hat eine wichtige Sonderstellung, da es distal der Deletion eine B-Sequenz besitzt, was in vielen ABO-Genotypisierungsverfahren zu falsch-positiven Befunden für B führt.
156
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.15 Lewis-Phänotypen und Sekretorstatus. (Mod. n. [9]) Le-Transferase
Se-Transferase
Lewis-Phänotyp
Sekretorstatus
Antigene im Speichel
Häufigkeit in Deutschland [%]
+
+
Le(a-b+)
Sekretor
Le, H, A, B
72
+
–
Le(a+b-)
Non-Sekretor
Le
22
–
+
Le(a-b-)
Sekretor
H, A, B
5
–
–
Le(a-b-)
Non-Sekretor
Keine
1
A
A A A A i i
neugeboren
11
I-Transferase
I
I I
erwachsen
. Abb. 11.5 Stark vereinfachte Darstellung der Kohlenhydratketten (Grundsubstanz) bei Neugeborenen und Erwachsenen. Beim Neugeborenen ist die Grundsubstanz noch weitgehend unverzweigt. Sie trägt das Antigen i (schwarzes Quadrat), das Substrat der I-Transferase ist. Nach einigen Lebensmonaten wird die I-Transferase allmählich exprimiert, die eine weitgehend vollständige Verzweigung der Kohlenhydratketten synthetisiert; diese Verzweigungen bilden das Antigen I (schwarze Kreise). Durch die Aktivität der I-Transferase [75] reduziert sich die Menge an Antigen i, und es wird viel Antigen I ausgebildet. Bei einer Person der Blutgruppe A tragen die Endpunkte der Kohlenhydratketten das Antigen A. Da die verzweigten Ketten (rechts) wesentlich mehr ABO-Antigene tragen können als die unverzweigten Ketten (links), sind die ABO-Antigene beim Erwachsenen viel stärker ausgeprägt als beim Neugeborenen
e. Die zweithäufigste Ursache von Null-Allelen ist eine Missense-Mutation (G268R) im aktiven Zentrum (O03, früher O2) des Enzyms (. Abb. 11.6). O03 ist in Europa für etwa 5 % der Blutgruppe-0-Phänotypen verantwortlich und muss bei der Genotypisierung auf jeden Fall spezifisch erkannt werden. Das Anti-A ist häufig nur schwach ausgebildet [58]. Weitere Ursachen sind selten und umfassen einen Frameshift (800ins G bei O08), ein vorzeitiges Stoppkodon (Y309X bei O15) und Missense-Mutationen (A298 V bei O14). Bei O19 und O20 ist die Ursache des Null-Phänotyps unklar, da die Proteinsequenz Ax gleicht. f. Das häufigste A2-Allel weist durch eine einzelne Nukleotiddeletion (1060 delC) am carboxyterminalen Ende bedingt einen verschobenen Leserahmen auf (. Abb. 11.6). Es entsteht ein »verlängertes« Protein mit verminderter Aktivität. Andere seltene A2-Allele beruhen auf Punktmutationen. g. Die Mehrzahl der Ax-Allele besitzt in Exon 6 und 7 eine Sequenz, die der zweiten Gruppe Null-Allele (O102) ähnelt und durch die Missense-Mutation F216I gekennzeichnet ist, meist
zusammen mit V277M. Der Aminosäure-Austausch V277 M alleine bewirkt meist nur eine mäßige Abschwächung der Enzymaktivität und wurde schon bei A2- und A3-Phänotypen beobachtet. Die genotypische Differenzierung der wichtigsten Ax-Allele ist durch die Ähnlichkeit mit O102 schwierig. h. Es wurden zwar zwei A3-Allele beschrieben, diese sind jedoch selten, und die Mehrzahl der A3-Proben zeigt auch bei vollständiger Bestimmung eine normale Nukleotidsequenz. i. Das »ostasiatische B3« B303 ist auf eine 5 Nukleotide von der Spleiß-Stelle (IVS3 + 5G>A) entfernte Substitution zurückzuführen, die vermutlich dazu führt, dass der mRNA das Exon 3 fehlt [74]. Ein ähnlicher Mechanismus in der Spleiß-Stelle von Intron 6 wurde für Afinn beschrieben. j. Zahlreiche weitere Allele unterscheiden sich von häufigen A- oder B-Allelen durch Punktmutationen und kodieren für abgeschwächte A- und B-Untergruppen. Da die entsprechenden Phänotypen variabel sind und von unterschiedlichen Labors oft unterschiedichen Untergruppen zugeordnet werden, spricht man verallgemeinernd von Aweak und Bweak. Interessanterweise sind auch Allele mit einem Frameshift ab Position 269 (Ael01 mit 800insG) oder einem Stoppkodon an Position 332 (Ax07) noch in der Lage, eine gewisse Restaktivität zu exprimieren. Die weitgehende Aufklärung der molekularen Struktur der ABOAllele erlaubt die Vorhersage des Phänotyps mittels molekularbiologischer Methoden. Hierbei ist zu beachten, dass eine Erkennung der häufigsten Allele zwar einfach ist, Rekombinationen und Überlagerungen ähnlicher Allele jedoch erhebliche bisher nicht gelöste Schwierigkeiten bereiten können.
11.3.7
P-System
Antikörper gegen des einzige Antigen P1 im P-System (ISBT 003) werden klinisch nur beachtet, wenn sie im indirekten Antiglobulintest oder »in der Wärme« (bei +37°C) eine Agglutination bewirken. Die Antigenstruktur ist aufgeklärt (. Abb. 11.3). Die P-Blutgruppe beruht auf unterschiedlichen Varianten des GALT4-Genortes. Die exakte genetische Basis und der molekulare Mechanismus ist noch nicht abschließend geklärt (. Abb. 11.7). 11.3.8
GLOB-System und GLOB-Kollektion
Das GLOB-System umfasst nur das Antigen P (ISBT 028.001, . Tab. 11.2), dessen Synthese die Pk-Struktur voraussetzt (. Abb. 11.7). Das Antigen Pk ist derzeit der GLOB-Kollektion (ISBT 209, . Tab. 11.3) zugeordnet. Beide Antigene P und Pk sind sehr hoch frequent. Die Null-Phänotypen im GLOB-System, Pk [29], bzw. der
157
11.4 • Das Rhesussystem
A1
A2
O1
B 796
11
O2 802
803 703 261
467 1060
Golgilumen
A2: 1060
Zytoplasma
A2: 467
NH2
NH2
526
526 B: 796 B: 803
O: 261
O: 802
B: 526 B: 703 NH2
B: 526 NH2
NH2
. Abb. 11.6 Schematische Darstellung der häufigsten Varianten der Glykosyltransferase im ABO-System. Das Protein dieser Glykosyltransferase weist ein kurzes Amino-(NH2-)terminales intrazelluläres Proteinsegment, eine einzige hydrophobe transmembränere Domäne und eine große globuläre extrazelluläre Domäne auf, die die enzymatische Aktivität der Transferase bewirkt. Die globuläre katalytische Domäne kann nahe der Membranoberfläche abgespalten werden, wodurch die Transferase ins Golgilumen freigesetzt wird und sich schließlich im Plasma und in anderen Körperflüssigkeiten löst. Die unterschiedliche enzymatische Aktivität wird durch einige wenige Aminosäureaustausche bedingt, die mit den betroffenen Nukleotidpositionen markiert sind. Der Unterschied in der Substratspezifität zwischen der A- und der B-Transferase wird im Wesentlichen durch die Aminosäuren an Position 266 (Nukleotidposition 796) und 268 (Nukleotidpositionen 803) bedingt [73]. Der Unterschied zwischen der A1- und der A2-Transferase ist durch eine Verlängerung des Proteins um 21 Aminosäuren an seinem carboxyterminalen Ende bedingt. Inzwischen sind eine ganze Reihe von nichtfunktionalen »Null-Allelen« beobachtet worden, von denen die beiden häufigsten O1 und O2 sind und inzwischen als O01 bzw. O03 bezeichnet werden. Die häufigere Form weist eine Nukleotiddeletion an Position 264 auf, sodass auf Grund eines verschobenen Leserahmens und eines vorzeitigen Stoppkodons kein funktionales Protein mehr exprimiert wird. Die zweithäufigste Form wirkt trotz ihrer großen strukturellen Ähnlichkeit nicht als A1-Transferase, da der Aminosäure-Austausch an der funktionell besonders wichtigen Position 268 (Nukleotidposition 802) die entsprechende enzymatische Aktivität blockiert. (Nach [9][27])
GLOB-Kollektion, p [62], sind obligat mit klinisch sehr relevanten Isoagglutininen verbunden (Anti-P und Anti-Tj[a] = Anti-PPkP1) und erfordern eine aufwendige transfusionsmedizinische Versorgung (7 Abschn. 11.2.3.4). 11.4
Das Rhesussystem
Mit der Bestimmung der molekularen Basis der Scianna-Blutgruppe im Jahr 2003 [71] sind alle Protein-basierten Systeme auch molekular charakterisiert. Das Rhesussystem ist die bedeutendste Blutgruppe, deren Antigene auf einem Protein exprimiert werden [3].
11.4.1
Überblick
Die wichtigsten Rhesusantigene sind D, C, c, E sowie e und werden als Haplotypen vererbt. Das Rhesussystem ist phänotypisch und molekular mit Abstand das komplizierteste System und zusammen mit dem ABO-System das klinisch wichtigste. Im Vergleich zum ABO-System gibt es wesentlich mehr unterscheidbare Antigene, es werden aber nur selten natürliche Antikörper gebildet. Von praktischer Bedeutung sind vor allem die immunogenen mittelfrequenten Antigene C, c, D, E und e. Am wichtigsten ist das Antigen D (»der Rhesusfaktor«). D-positive Personen nennt man Rhesus-positiv (Rh-positiv), D-negative Rhesus-negativ (Rh-negativ). Das Antigen D ist ausgesprochen immunogen, nach einmaliger Transfusion eines D-positiven Präparats wurde bei Dnegativen Probanden eine Immunisierungsrate von bis zu 80 % beobachtet. Anti-D ist nach wie vor die Hauptursache des Morbus hä-
molyticus neonatorum (MHN); alle anderen Antikörperspezifitäten zusammen verursachen auch heute weniger MHN als Anti-D allein.
11.4.2
Rhesusphänotypen
Die Rhesusantigene werden gemeinsam »als Haplotypen« vererbt (. Tab. 11.16). Ein Haplotyp kodiert jeweils für eines der Antigene C oder c, eines der Antigene E oder e, und – im Fall eines D-positiven Haplotyps – für das Antigen D. Ein zu D antithetisches Antigen »d« gibt es nicht, dieser Buchstabe wird lediglich benutzt, um die Abwesenheit von D anzudeuten. Beim Genotyp CDe/cDE werden die beiden Antigen C und e vom gleichen Haplotyp (CDe) exprimiert, man spricht von einer Erbanlage in cis. Die beiden Antigene C und E werden dagegen von zwei unterschiedlichen Haplotypen (CDe und cDE) – auf je einem Chromosom – exprimiert, man spricht von einer Erbanlage in trans. In Deutschland werden die Rhesusphänotypen (. Tab. 11.17) meist mit der CDE-Nomenklatur von Fisher und Race bezeichnet. Dabei deutet die Verdoppelung der Buchstaben das Fehlen der antithetischen Antigene an; »dd« kennzeichnet die Abwesenheit von D. Der häufigste D-positive Phänotyp ist CcD.ee; hierbei ist sowohl das Antigen C als auch das Antigen c vorhanden (»Cc«). Das Antigen E fehlt jedoch, statt dessen wird das antithetische Antigen e exprimiert (deswegen »ee«). »D.« steht sowohl für den heterozygoten (Antigendosis »Dd«) als auch den homozygoten Genotyp (Antigendosis »DD«), die mit serologischen Methoden nicht zu unterscheiden sind. Auch wenn die Vermischung von Genotyp und Phänotyp immer wieder kritisiert wurde, ist die CDE-Nomenklatur für die
158
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
P (GLOB-System) Pk-Phänotyp Globosid-Synthetase GaINAc Pk (GLOB-Kollektion)
P1 (P-System) P1-negativ
p-Phänotyp (»Tja-«) ?
α-1,4-Galaktosyltransferase Gal
H, A, B
Gal Laktosylceramid
Paraglobosid (Grundsubstanz Typ 2)
. Abb. 11.7 Synthese der Kohlenhydratstrukturen für die Antigene P, Pk und P1. Das P-Antigen entsteht durch die sequenzielle Einwirkung zweier Glykosyltransferasen – der α-1,4-Galaktosyltransferase [29] und der Globosid-Synthetase – aus Laktosylceramid. Das P1-Antigen entsteht in einem der Pk-Synthese parallelen Schritt aus Paraglobosid. Das P1-Antigen definiert das »P-System«; etwa 20 % der Europäer sind P1-negativ. Die Antigene P und Pk sind dagegen hoch frequent. Das P-Antigen definiert das GLOB-System; beim Null-Phänotyp Pk ist die Globosid-Synthetase inaktiv. Beim p-Phänotyp fehlen P, Pk sowie P1 [62]; die Pk-synthetisierende α-1,4-Galaktosyltransferase ist inaktiv. Sowohl Pk als auch P1 werden durch die α-1,4-Galaktosyltransferase synthetisiert; die unterschiedlichen P1-Phänotypen beruhen auf einem Polymorphismus in einem »alternativen Exon 1«. Der exakte Mechanismus ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Mutationen, die die Aktivität der α-1,4 Galaktosyltransferase zerstören, führen zum p-Phänotyp, bei dem Pk und P1 sowie das von Pk abgeleitete P fehlen. Die Beziehung von Pk- und P1-Synthese ist derzeit unklar: Obwohl beim p-Phänotyp stets P1 fehlt, ist Paraglobosid in vitro nicht Substrat der Pksynthetisierenden α-1,4 Galaktosyltransferase. Bei der Globosid-Synthetase handelt es sich um eine β-1,3-N-Acetylgalaktosaminyltransferase. Paraglobosid ist als Grundsubstanz Typ 2 auch Ausgangspunkt der erythrozytären Synthese von H, A und B (. Abb. 11.4). Gal Galaktose, GalNAc N-Acetyl-Galaktosamin
11
Praxis gut geeignet, da der Antigenstatus für die häufigsten Antigene direkt ersichtlich ist. In den USA ist auch die Nomenklatur von Wiener weit verbreitet, die auf Haplotypen aufbaut (. Tab. 11.16 . Tab. 11.17). Für wissenschaftliche und EDV-technische Zwecke existiert eine numerische Nomenklatur (. Tab. 11.2: ccddee entspricht z. B. Rh:-1,-2,-3,4,5; CcD.ee entspricht Rh:1,2,-3,4,5).
Klinisch am wichtigsten ist die D-Kategorie VI; deren Träger sind relativ häufig (ca. 1:6000) und können leicht Anti-D bilden. Im Unterschied dazu kommt die D-Kategorie VII häufiger vor (ca. 1:900), wobei man jedoch kaum Anti-D-Immunisierungen beobachtet, obwohl ihre Träger im Regelfall D-positiv transfundiert werden. Unter Europäern am häufigsten ist das »partial D« DNB (bis zu 1:300 bei Schweizern).
D-Epitope 11.4.3
Antigen D
Antigen D ist das wichtigste Protein-basierte Antigen. Es weist eine hohe Immunogenität für D-negative Transfusionsempfänger auf und wird deshalb bei jeder Blutgruppenbestimmung getestet und bei jeder Transfusion beachtet. Deshalb können selbst seltenere Varianten des Antigens D eine erhebliche praktische Bedeutung haben.
»Partial D« und D-Kategorie Personen mit »partial D« besitzen ein »partielles« Antigen D, dem einige Epitope des normalen Antigen D fehlen. »Partial D« fällt auf, wenn derartige Personen einen Alloantikörper gegen normales D bilden, obwohl sie selbst D-positiv bestimmt werden, oder wenn manche monoklonale Anti-D die Partial-D-Erythrozyten nicht agglutinieren. Partial-D-Typen unterscheiden sich in ihrer Häufigkeit, Anti-D-Immunisierbarkeit und ihrem Reaktionsverhalten mit monoklonalen Anti-D. Seit 1962 wurden »partial D« aufgrund der gegenseitigen Reaktivität der von ihnen gebildeten Anti-D in unterschiedliche Kategorien (D-Kategorie II bis VII, D-Kategorie I ist obsolet) eingeteilt. Diese Namen werden noch heute benutzt, obwohl seit 1994 eine Partial-D-Nomenklatur verwendet wird und sich zahlreiche neu beschriebene Partial-D-Typen nicht mehr in das Schema der D-Kategorien einordnen ließen.
Monoklonale Anti-D reagieren in charakteristischer Weise nicht mit bestimmten Partial-D-Typen. Anhand der Reaktionsmuster werden unterschiedliche D-Epitope (»epD«) beschrieben. Es gibt 15 (Haupt-)Epitope (epD1 bis epD16; epD7 nicht besetzt), die in eine unterschiedliche Anzahl weiterer Epitope unterteilt werden [57]. Die meisten zugelassenen monoklonalen Anti-D binden an eines der Subepitope von epD6, die bei D-Kategorie VI fehlen.
»Weak D« Personen mit »weak D« exprimieren eine verminderte Anzahl von D-Antigenen auf ihren Erythrozyten; ihr Antigen D entspricht dabei entweder dem normalen Typ, oder es ist qualitativ verändert. Als Begriff wird »weak D« meist für Antigen-D-Varianten benutzt, bei denen die quantitative Veränderung deutlich im Vordergrund steht und eine allenfalls geringfügige qualitative Veränderung vorliegt. Der Weak-D-Phänotyp kann mittels molekularer Techniken in unterschiedliche »Weak-D-Typen« unterteilt werden [68]. Zumindest bei den am häufigsten vorkommenden Weak-D-Typen 1, 2 und 3 besteht derzeit kein Anhalt für eine mögliche Immunisierung und Bildung eines Allo-Anti-D. Ist das Antigen D so extrem abgeschwächt, dass es lediglich mit Adsorptions-/Elutions-Methoden nachgewiesen werden kann, spricht man von DEL.
159
11.4 • Das Rhesussystem
11
. Tab. 11.16 Die wichtigsten Rhesushaplotypen. (Mod. n. [9][43][67]) Häufigkeit(a)
Nomenklatur Fisher-Race CDE
Wiener Kürzel
Rh-Hr
Deutsche
Chinesen
Afrikaner
CDe
R1
Rh1
43,1 %
73,0 %
13,4 %
cde
r
rh
39,4 %
2,3 %
22,3 %
cDE
R2
Rh2
13,6 %
18,7 %
2,9 %
cDe
R°
Rh°
2,1 %
3,3 %
52,9 %
Cde
r’
rh’
1,1 %
1,9 %
2,7 %
cdE
r’’
rh’’
0,6 %
k. A.
k. A.
CDE
Rz
RHz
0,1 %
0,4 %
5,8 %
CdE
ry
rhy
<0,01 %
0,4 %
k. A.
k. A. keine Angaben. (a) In der Reihenfolge der Häufigkeit in Deutschland.
Der nicht mehr gebräuchliche Begriff Du Der veraltete Begriff »Du« sollte nicht mehr verwendet werden (. Tab. 11.6). Er bezeichnete ein Antigen D, dass erst im indirekten Antiglobulintest nachweisbar war, wobei noch zwischen starker Abschwächung (»low grade Du«) und geringer Abschwächung (»high grade Du«) unterschieden wurde. Dem »low grade Du« könnten sowohl typische »weak D« ohne wesentliche Veränderungen des Antigens D als auch »partial D« mit geringer Antigendichte, z. B. D-Kategorie VI, entsprochen haben. Das »high grade Du« wurde durch zunehmend bessere Testseren seit längerem nicht mehr bemerkt; ihm lag z. T. eine Abschwächung des Antigens D durch die gleichzeitige Expression des C-Antigens in trans (»Ceppellini-Effekt«) beim Genotyp Cde/cDe zu Grunde; allerdings kann C auch in cis die D-Expression supprimieren. Dw ist ein eigenes Antigen (ISBT 004.023) und keinesfalls mit »weak D« zu verwechseln (. Tab. 11.6). 11.4.4
Weitere wichtige Antigene im Rhesussystem
Insgesamt sind im Rhesussystem z. Z. 50 verschiedene Antigene definiert (. Tab. 11.2). Allerdings sind die meisten dieser Antigene in Europa von geringer klinischer Relevanz. Sie verursachen nur selten Immunisierungen, da die Antigene entweder zu häufig oder zu selten vorhanden bzw. nicht besonders immunogen sind. Die fünf folgenden Antigene können praktische Bedeutung haben. z Antigen Cw Antigen Cw (ISBT 004.008) hat eine Frequenz von 2 % und tritt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur bei C-positiven Haplotypen auf. Es ist relativ immunogen; Anti-Cw wird oft zusätzlich zu anderen Rhesusantikörpern beobachtet. Seit 2000 muss Antigen Cw im Antikörpersuchtest vorhanden sein. z Antigen f Antigen f (ISBT 004.006) tritt immer auf, wenn die Antigene c und e durch dasselbe Protein exprimiert, d. h. in cis vererbt werden. Anti-f-Immunisierungen können diagnostische Probleme bereiten, da der Antigenstatus bzw. der zu Grunde liegende Haplotyp für Identifizierungszellen oft nicht angegeben wird. Anti-f wird typi-
. Tab. 11.17 Häufigkeiten der Rhesusphänotypen. (Nach [67]) Phänotyp (»Rhesusformel«)
Häufigkeit(a)
Fisher-Race
Wiener
CcD.ee
R1 r
35,6 %
CCD.ee
R1 R1
19,5 %
ccddee
rr
15,8 %
CcD.Ee
R1 R2
12,5 %
ccD.Ee
R2r
11,3 %
ccD.EE
R 2R2
2,0 %
ccD.ee
R 0r
1,7 %
Ccddee
r’r
0,8 %
ccddEe
r’’r
0,4 %
Seltenere Rhesusformeln zusammen (a)
<0,4 %
In der Reihenfolge der Häufigkeit in Deutschland. Einige Phänotypen kommen sehr selten vor: z. B. tritt der Phänotyp CCD.EE mit einer Frequenz von 0,0005 % nur bei einer unter 200.000 Personen auf.
scherweise bei Personen mit der Rhesusformel CcD.Ee beobachtet, die sich nicht gegen die fünf wichtigsten, immunogeneren Rhesusantigene immunisieren können, jedoch meist den Genotyp CDe/ cDE besitzen und somit Antigen-f-negativ sind. z Antigen G Antigen G (ISBT 004.012) wird – von wenigen Ausnahmen abgesehen – immer dann exprimiert, wenn ein Haplotyp C- oder D-positiv ist. Anti-G erscheint wie eine Mischung von Anti-C und Anti-D, es stellt jedoch einen einheitlichen Antikörper dar. Bei einer D-negativen Mutter mit Anti-G ist nach wie vor eine Rh-Prophylaxe indiziert; die Unterscheidung von Anti-G und Anti-D ist somit in der Mutterschaftsvorsorge wichtig.
160
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
NPD014 P29
SMP1
RH
anzestraler Zustand
A
B P29 NPD014
RHD
SMP1 »downstream Rhesus box«
RHCE RHD positiv
»upstream Rhesus box« . Abb. 11.8 Struktur des Rhesus-Genortes auf dem kurzen Arm des menschlichen Chromosoms 1: Das RHCE-Gen repräsentiert die ursprüngliche Position des RH-Gens, während das RHD-Gen das verdoppelte Gen darstellt. Urspünglich gab es nur ein RH-Gen (A), an dessen Position im menschlichen Genom sich heute das RHCE-Gen befindet (B). Zur Verdoppelung kam es durch das Einfügen des ursprünglichen RH-Gens in umgekehrter Orientierung. Das RHGen am ursprünglichen Genort entwickelte sich zum RHCE-Gen weiter, das RH-Gen am neuen Genort zum RHD-Gen. An dem Ereignis der Verdoppelung waren möglicherweise die beiden »hybrid Rhesus boxes« ursächlich beteiligt, da sie noch heute Reste von Retrotransposonen enthalten. Die Orientierung der heutigen RH-Gene ist End-zu-End als »Cluster« im Unterschied zu der eher üblichen gleichgerichteten Orientierung (in »Tandem«) anderer vervielfachter Gene. (Nach [66])
z Antigene V und VS Antigen V (ISBT 004.010) und Antigen VS (ISBT 004.020) sind bei Europäern niedrig frequente Antigene, jedoch bei Personen afrikanischer Abstammung häufig. Sie sind relativ immunogen und können durch einzelne positive Reaktionen in der Antikörperdifferenzierung auffallen.
11
11.4.5
Serologische Antigen-D-Bestimmung
Zur Bestimmung des Antigens D bei Transfusionsempfängern und in der Mutterschaftsvorsorge benutzt man nach den z. Z. gültigen Hämotherapie-Richtlinien zwei unterschiedliche monoklonale Anti-D vom IgM-Typ (unterschiedliche Klone monoklonaler Antikörper), die mit D-Kategorie VI nicht reagieren. Der Ansatz wird in direkter Agglutination durchgeführt. Für Blutproben mit schwachen Antigen D und für die Bestimmung eines Rhesus-Dnegativen Phänotyps ist weder eine Objektträgermethode noch eine Plattenmethode ausreichend. Bei fraglicher und negativer Reaktion mit monoklonalen Anti-D-Reagenzien vom IgM-Typ sind zusätzlich die optimierten Inkubationszeiten und -temperaturen nach Angaben der Hersteller zu beachten. Ist der Reaktionsausfall mit beiden Antikörpern eindeutig positiv, so ist der Patient D-positiv, kann D-positiv transfundiert werden und benötigt keine Anti-DProphylaxe. Ist der Reaktionsausfall fraglich oder negativ, muss der Patient D-negativ transfundiert werden und sollte ggf. eine Anti-DProphylaxe erhalten [35]. Es ist – besonders bei schwach positiven Ergebnissen – sorgfältig auf Autoagglutination zu achten. Da ein falsch-positives Ergebnis eine D-positive Transfusionsstrategie und somit eine Anti-D-Immunisierung zur Folge hat, dürfen nur eindeutig positive Ergebnisse als D-positiv bewertet werden. Der immer parallel durchzuführende Kontrollansatz ohne Anti-D (Prüfung auf Autoagglutination) muss negativ bleiben. Dieses empfohlene Verfahren zur Antigen-D-Bestimmung führt dazu, dass Patienten mit D-Kategorie VI absichtlich als »falsch-negativ« bestimmt werden. Das Verfahren ist jedoch transfusionsme-
dizinisch vorteilhaft, da es eine D-negative Transfusion bzw. eine Anti-D-Prophylaxe gerade bei diesen Patienten gewährleistet, die leicht Anti-D-immunisierbar wären. Bekannte Träger von anderen »partial D«, wie z. B. DNB, D-Kategorie IV und DHar (»Rh33«), bei denen ein klinisch relevantes Risiko der Anti-D-Immunisierung besteht, sollen ebenfalls D-negativ transfundiert werden. Die zur Typisierung eingesetzten Antikörper und Techniken sollten derart ausgewählt sein, dass die häufigen Weak-D-Typen 1, 2 und 3, die nach derzeitigem Wissensstand nicht Anti-D-immunisierbar sind, im Regelfall als D-positiv bestimmt werden. Eine Bestimmung der weiteren, zum Teil sehr schwachen Weak-D-Typen als D-positiv ist hingegen nicht sinnvoll, da für viele dieser selteneren aberranten RhD-Formen das Anti-D-Immunisierungsrisiko z. Z. nicht abschätzbar ist. Fraglich positive Befunde sollten abgeklärt werden; die allermeisten dieser Blutproben repräsentieren »weak D« vom Typ 1, Typ 2 oder Typ 3, deren spezifischer Nachweis nur mit molekularen Methoden gelingt. Das beschriebene Verfahren ist für alle potenziellen Transfusionsempfänger einschließlich Schwangere und Neugeborene ausreichend. Auch Patienten, denen Eigenblut abgenommen wird, werden nur nach diesem Verfahren untersucht, da aus ihrem Blut keinesfalls Blutprodukte zur (allogenen) Transfusion hergestellt werden. Mithin ist bei allen diesen Patientengruppen der Antiglobulintest für die Antigen-D-Bestimmung nicht mehr erforderlich. Wer ihn trotzdem anwendet, sollte sich der unnötigen Zusatzkosten bewusst sein, sich mit den Problemen in der Interpretation dieses beim Patienten nicht empfohlenen Verfahrens auseinandersetzen und dementsprechend über ausreichend einschlägige Erfahrung verfügen [35]. Beim Blutspender müssen alle D-Antigene nachgewiesen werden, was den indirekten Antiglobulintest mit einem Gemisch unterschiedlicher monoklonaler Antikörper unter Anwendung sensitiver Techniken erfordert. Vom Gebrauch polyklonaler Antiseren zur Antigen-D-Bestimmung raten wir seit über 10 Jahren ab.
11.4.6
Serologische Bestimmung der Rhesusformel
Die beiden Begriffe »Rhesusformel« und »Rhesusphänotyp« (. Tab. 11.17) werden synonym verwendet und bezeichnen die Antigene CcDEe einer Person. Die Bestimmung der Antigene erfolgt im Regelfall mit monoklonalen Antikörpern in Doppelbestimmung mit unterschiedlichen Klonen. Steht C in cis zu E (z. B. im Haplotyp CDE), erscheint das Antigen C vergleichsweise schwach ausgeprägt und kann mit einigen Antikörpern falsch-negativ bestimmt werden.
Beachtung des Rhesusphänotyps bei Transfusionen Bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter sollte die vollständige Rhesusformel beachtet werden, um Immunisierungen gegen die entsprechenden Rhesusantigene zu vermeiden. Das gleiche Vorgehen empfiehlt sich für Patienten mit Alloimmunisierung gegen andere Antigene und alle längerfristig zu transfundierenden Patienten. Immunisierungen gegen die relativ häufigen Antigene c oder e können die weiteren diagnostischen Möglichkeiten erheblich einschränken. Bei allen anderen Patienten mit einmaliger Transfusion (z. B. chirurgischer Eingriff) und leerer Transfusionsanamnese (7 Checkliste: Transfusionsspezifische Anamnese) wird z. Z. nur das Antigen D beachtet.
11.4.7
Rhesusbestimmung bei Neugeborenen
Auf die Besonderheiten der ABO-Bestimmung bei Neugeborenen wurde bereits hingewiesen (7 Abschn. 11.3.1.4). Bei der Rhesusbestimmung ist zu beachten, dass unspezifische Agglutination im Nabelschnurblut und ein positiver direkter Antiglobulintest z. B. bei ABO-Inkompatibilität zu falsch-positiven Ergebnissen führen können. Andererseits kann bei einem MHN mit hochtitrigem Anti-D der Mutter und stark positivem direktem Antiglobulintest das Antigen D des Kindes leicht falsch-negativ bestimmt werden, da sämtliche D-Antigene durch den nicht direkt agglutinierenden mütterlichen Antikörper abgedeckt sind (»Antigenmaskierung«). Die Antigen-D-Bestimmung bei Neugeborenen wird nach den z. Z. gültigen Hämotherapie-Richtlinien wie bei Patienten durchgeführt (7 Abschn. 11.4.5). 11.4.8
Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) durch Anti-D
Nach wie vor verursacht Anti-D mehr als 50 % aller MHN. Die mütterlichen IgG-Antikörper sind plazentagängig, das Antigen D ist auf fötalen Erythrozyten normal stark ausgeprägt. Zur Primärimmunisierung ausreichende Mengen an Erythrozyten treten meist erst nach der 28. Schwangerschaftswoche oder nach invasiven Eingriffen vom Fötus auf die Mutter über. Die Anti-D-Prophylaxe zur Vermeidung der Primärimmunisierung erfolgt daher in der 28. Schwangerschaftswoche und nach der Geburt bzw. nach invasiven Eingriffen. Ist die Mutter bereits gegen Antigen D immunisiert, reichen sehr geringe, bereits ab der Frühschwangerschaft übertretende Mengen an Erythrozyten aus, um zu einer Sekundärimmunisierung zu führen. Eine Anti-D-Prophylaxe ist in diesem Fall wirkungslos, jedoch sollte ein Anti-G ausgeschlossen sein (7 Abschn. 11.4.4). Die Anti-D-Immunisierung einer Frau im gebärfähigen Alter durch eine unbeabsichtigte D-positive Transfusion ist die schwerwiegende Folge des Fehlgebrauchs eines Blutpräparats; wird dieses
11
161
11.4 • Das Rhesussystem
»downstream Rhesus box« »upstream Rhesus box« RHD
RHCE
»unequal crossing over« A
B RHCE »hybrid Rhesus box«
RHD negativ
. Abb. 11.9 Mechanismus der RHD-Deletion. Im Unterschied zu den RH-Genen sind die beiden »hybrid Rhesus boxes« in Tandem angeordnet. Aufgrund ihrer hohen Homologie können sie ein »unequal crossing over«Ereignis zwischen zwei Chromosomen erlauben (A). In der dargestellten Konstellation bildet sich eine »hybrid Rhesus box«, und das komplette RHD-Gen geht verloren (B). Unter Europäern entspricht diese chromosomale Struktur (B) dem häufigsten Rhesus-Haplotyp (RHD-negativ) und ist praktisch immer die Grundlage für einen D-negativen Phänotyp. Deshalb kann man durch die molekulare Bestimmung der »hybrid Rhesus box« spezifisch die Erbanlage für D-negativ nachweisen, was z. B. für die Frage der RHD-Heterozygotie bei Vätern einen entscheidenden Fortschritt darstellt. (Nach [65])
Ereignis rechtzeitig bemerkt, sollte eine ausreichend dosierte AntiD-Prophylaxe gegeben werden (25 μg Anti-D pro ml transfundierter Erythrozyten i. m.). Es ist zu beachten, dass die effektive Anti-DProphylaxe mit einer Zerstörung der D-positiven Erythrozyten einhergeht, was nach massiver D-positiver Transfusion die Möglichkeit zur Anti-D-Prophylaxe stark einschränkt. Die klinische Relevanz anderer Antikörper kann vergleichbar zu Anti-D sein. Auch der Pathomechanismus mit Hämolyse der reifen Erythrozyten unterscheidet sich nicht. Antikörper im KellSystem bilden jedoch eine klinisch wichtige Ausnahme. Da Antikörper des Kell-Systems bereits früh in der Erythropoiese zur Zelllyse führen, tritt eine Anämie auf, ohne dass die typischen Zeichen einer Hämolyse, wie erhöhtes LDH und Bilirubin, vorliegen.
11.4.9
Molekulare Basis der Rhesusantigene
Die Antigene des Rhesussystems werden von zwei eng benachbarten, hochgradig homologen Genen determiniert, RHD und RHCE (. Abb. 11.8) [3][7][66]. Die durch die Gene kodierten Proteine RhD und RhCE sind Transmembranproteine mit jeweils 416 Aminosäuren und 6 extrazellulären Schlaufen. Das Antigen D wird vom RhD-Protein exprimiert; bei D-negativen Europäern fehlt das RHD-Gen fast immer vollständig (. Abb. 11.9). Die Antigene C, c, E und e werden vom RhCE-Protein exprimiert und beruhen auf Aminosäurepolymorphismen der betreffenden Allele. Die aktuelle Zusammenstellung der Allele ist im Internet zu finden [68]. Bei einer ganzen Reihe von klinischen Fragestellungen, Typisierungsverfahren und Entscheidungen zur Transfusionsstrategie leistet die Genotypisierung bereits heute entscheidende praktische Beiträge (7 Übersicht: Gesicherte Anwendungsgebiete der molekularen Immunhämatologie).
162
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.18 Repräsentative RHD-Allele und ihre Korrelation mit bestimmten Phänotypen des Antigens D Molekularer Mechanismus
Abweichendes Nukleotid(a)
Aminosäureaustausch
Bezeichnung des RHD-Allels
Trivialname
Antigen-DPhänotyp
Neues Antigen(b)
– Auf der Außenseite
329T>C
Leu110Pro
RHD(L110P)
D-Kategorie VII
»Partial D«
Tar (Rh40)
– In der Membran
809T>G
Val270Gly
RHD(V270G)
Weak-D-Typ 1
»Weak D«
Nein
– Verteilt
186G>T, 410C>T, 455A>C, 1048G>C
Multipel
RHD(L62F,A137 V, N152T,D350H)
D-Kategorie IVa
»Partial D«
Go(a) (Rh30)
1227G>A
Keine
RHD(K409K)
Entfällt
Del
Nein Nein
Aminosäureaustausch
Nukleotidaustausch – In einer Spleißstelle – Zu einem Stoppkodon
48G>A
Stopp bei Kodon 16
RHD(W16X)
Entfällt
D-negativ(c)
Genkonversion
RHCE Exon 3–6
Hybridprotein
RHD-CE(3-6)-D
D-Kategorie VI Typ III
»partial D«
BARC (Rh52)
– Kurzstreckig oder einzelnes Nukleotid
711 del
Verschobener Leserahmen ab Kodon 237
RHD(711del)
Entfällt
D-negativ(c)
Nein
– Langstreckig
Deletion von RHD
Fehlen von RhD
RHD-Deletion
RHD-Deletion
D-negativ(d)
Nein
Deletion
(a)
In Bezug auf das unter Europäern prävalente RHD-Allel. Zusätzlich exprimiertes niedrig frequentes Antigen im Rhesussystem. (c) Sehr seltene Ursache von D-negativ unter Europäern. (d) Unter Europäern häufigster Rhesus-Haplotyp (RHD-negativ) und praktisch immer die Grundlage für D-negativ. (b)
11
Der Polymorphismus der Rhesusphänotypen spiegelt die Vielfalt der molekularen Basis von den Rhesushaplotypen und den Allelen beider Rhesus-Gene wider. Das Verständnis der molekularen Basis ist Voraussetzung für eine effiziente Genotypisierung; diesbezüglich kann Rhesus als Modell für andere Systeme betrachtet werden. Bestimmte molekulare Mechanismen korrelieren mit den phänotypischen Veränderungen und werden im Folgenden an ausgewählten Beispielen dargestellt (. Tab. 11.18). Häufig wirken in der Primärstruktur weit auseinander liegende Proteinsegmente bei der Bildung eines Epitops zusammen; nur ausnahmsweise werden RhEpitope durch lineare Aminosäurestrukturen gebildet. Als häufigste Ursache für Allele generell sind einzelne Nukleotidaustausche, sogenannte »single nucleotide polymorphisms« (SNP) bekannt. Diese können einen Aminosäureaustausch (»Missense-Mutation«) bewirken, was zur Expression eines aberranten RhD-Proteins führt (. Tab. 11.18). Verursacht ein SNP ein vorzeitiges Stoppkodon (»Nonsense-Mutation«) oder verändert es eine Spleiß-Stelle (»Splice-site-Mutation«), so verhindert dies oft die Expression eines funktionalen Proteins [67]. Dieser Effekt wird auch durch kurzstreckige Deletionen oder Insertionen bewirkt, wenn sie eine Verschiebung des Leserahmens verursachen (»Frame-shiftMutation) [60]. Die Struktur des Rhesus-Genorts (. Abb. 11.8, B) erleichtert Genkonversionen. Dabei entstehen Hybridproteine, bei denen typischerweise in dem einen Rhesus-Gen einige homologe Exons des anderen Rhesus-Gens eingefügt sind (. Abb. 11.10). Eine Besonderheit ist die RHD-Deletion mit dem vollständigen Fehlen des RHD-Gens [65], was sicher die Ursache der besonderen Immunogenität des Antigens D beim Menschen ist. Einige andere mögli-
che molekulare Mechanismen wurden bei RHD noch nicht beobachtet. Dazu gehören Promotormutationen, die bei Duffy klinisch sehr wichtig sind, oder Insertionen unter Wahrung des regulären Leserahmens. Der Phänotyp eines aberranten RhD-Proteins hängt ganz wesentlich davon ab, wo die einzelnen oder die verteilten Aminosäureaustausche relativ zur Erythrozytenmembran lokalisiert sind (. Abb. 11.11). Liegen die betroffenen Aminosäuren nicht auf der Erythrozytenoberfläche, d. h. in der Membran oder im Inneren des Erythrozyten, so tritt typischerweise eine verminderte Expression eines allerdings qualitativ weitgehend unveränderten Antigens D auf (»weak D«). Ist die veränderte Aminosäure extrazellulär lokalisiert, führt dies meist zu einem Partial-D-Phänotyp mit Verlust einiger epD. Die Träger sind oft gegen normales Antigen D immunisierbar [68]. In der umgekehrten Situation kann das extrazellulär veränderte RhD-Protein für Träger des normalen Antigens D immunogen sein, was durch die Beobachtung von Immunisierungen gegen niedrig frequente Antigene der betreffenden Partial-D-Phänotypen dokumentiert ist (z. B. Anti-Tar = Anti-Rh40 nach Transfusion von Erythrozyten mit dem Phänotyp D Kategorie VII). In den extrazellulären Proteinschlaufen 3, 4 und 6 finden sich immer Unterschiede zwischen dem RhD- und dem RhCE-Protein, während die beiden Schlaufen 1 und 5 bei RhD und RhCE immer identisch sind und bei der Schlaufe 2 das C-Allel von RhCE mit RhD identisch ist. Deshalb bestimmt sich auch bei Hybridproteinen der Phänotyp weitgehend aus den betroffenen extrazellulären Proteinschlaufen (. Abb. 11.12), z. B. sind bei der klinisch wichtigen D-Kategorie VI die Schlaufen 3 und 4 durch RhCE-spezifische Aminosäuresequenzen ersetzt, sodass die Träger in der Lage sind,
163
11.5 • Weitere Protein-basierte Blutgruppensysteme
gegen diese Proteinsegmente des Antigens D ein Anti-D zu bilden. Ein weiteres klinisch relevantes Beispiel ist DHar, bei dem die extrazelluläre Schlaufe 4 im RhCE-Protein durch das RhD-spezifische Proteinsegment ersetzt ist. Diese recht seltenen DHar-Phänotypen können – obwohl sie kein RHD-Gen tragen – mit monoklonalem Anti-D als D-positiv typisiert werden. Langstreckiger Ersatz im RhCE-Protein durch RhD-spezifische Proteinsegmente führt zum teilweisen (D..-Phänotyp) oder vollständigen Verlust der CcEe-Antigene (Phänotyp D--, auch als -Dbezeichnet). Während aberrante RHD-Allele unter Europäern insgesamt doch selten sind, treten beim RHCE-Gen mehrere häufige und klinisch relevante Allele auf. Auch für diese Allele ist inzwischen fast immer die molekulare Basis bekannt (. Tab. 11.19). Beim RhNull-Phänotyp fehlen alle Rh-Proteine und somit alle Rh-Antigene. Zwei unterschiedliche Mechanismen sind bekannt. Beim »amorphen« Typ ist kein funktionales RHD- oder RHCE-Gen vorhanden, z. B. durch eine inaktivierende Mutation im RHCE-Gen im Haplotyp mit der RHD-Deletion. Beim »Regulatortyp« sind die vorhandenen RH-Gene unauffällig. Vielmehr liegt eine inaktivierende Mutation im RHAG-Gen vor. RHAG (»Rhesus-associated glycoprotein«) zeigt strukturelle Ähnlichkeiten mit beiden RH-Genen, d. h. es ist ein Paralog. Das RhAG-Protein bildet mit den beiden Rhesusproteinen einen Komplex in der Erythrozytenmembran. RhD und RhCE können nur in diesem Komplex in die Membran gelangen. Beim Rhmod-Phänotyp sind Spuren von RhAG-Protein vorhanden, dementsprechend werden geringe Mengen von Antigenen des Rhesussystems exprimiert.
11.4.10
RHD-Genotypisierung
Die Kenntnis der verschiedenen RHD-Allele, ihrer Phänotypen und ihrer Häufigkeit in unterschiedlichen Bevölkerungen erlaubt eine Vorhersage des Rhesusphänotyps mittels molekularer Methoden. Da in Europa das häufigste D-negative Allel die RHD-Deletion ist, basieren die meisten Genotypisierungsverfahren auf dem Nachweis »RHD-spezifischer« Nukleotid-Polymorphismen (SNP). Um Hybridallele zu erkennen, sollten mindestens zwei Stellen der RH-Gene, z. B. Intron 4 und Exon 7, untersucht werden [67]. Die spezifische Erkennung des bei Afrikanern häufigen RHDψ gehört heute ebenso zum Standard [60]. Weitere seltenere Allele, deren Träger häufig Anti-D bilden, können ebenfalls nur auf Grund ihrer Punktmutationen spezifisch erkannt werden. Die geeignete Methode hängt wesentlich von der Indikation ab: Zur Abklärung fraglicher serologischer Befunde bei Patienten empfiehlt sich die Testung auf charakteristische Punktmutationen der häufigen Allele (z. B. für »partial D« und »weak D«) und auf Hybridallele. Eine Vorhersage von D-positiv bzw. D-negativ in der Pränataldiagnostik erfordert die korrekte Erkennung aller relevanten D-negativen Haplotypen. Schließlich sind für die Zygositätsbestimmung bei Vätern der Nachweis der »hybrid Rhesus box« oder quantitative PCR-Verfahren notwendig (7 »Gesicherte Anwendungsgebiete der molekularen Immunhämatologie«). 11.5
Weitere Protein-basierte Blutgruppensysteme
Obwohl derzeit 30 Systeme bekannt sind, werden die meisten klinischen Probleme durch einige wenige Systeme und Antigene verursacht [11]. Dazu gehören neben ABO und Rhesus vor allem Kell,
11
SMP1 A
RHD
RHCE
B
RHD-CE(3-6)-D
RHCE
. Abb. 11.10 Möglicher Mechanismus für die Entstehung der häufig beobachteten Genhybride in einem der beiden RH-Gene. Da sich die beiden RH-Gene als »Cluster« auf dem Chromosom befinden (. Abb. 11.8), können sich die beiden Gene in cis mit gleicher Orientierung aneinander lagern, wenn das Chromosom wie eine Haarnadel konfiguriert ist (A). Diese Konfiguration kann eine Genkonversion in cis erlauben (B). In diesem Beispiel sind Exon 3 bis Exon 6 des RHD-Gens ersetzt durch die homologen Exons des RHCE-Gens. Dies entspricht einem RHD-CE(3-6)-D-Allel, das für eine DKategorie VI vom molekularen Typ III kodiert. (Nach [67])
Duffy, Kidd, MNS und in geringerem Maß auch Lutheran. Auf diese Systeme wurde mit Beispielen bereits in den früheren Abschnitten zu Antigenen und Frequenz (. Tab. 11.2), zu Null-Phänotypen (7 Abschn. 11.1.3.5 und . Tab. 11.7) bzw. zur klinischen Relevanz (7 Abschn. 11.2) eingegangen. Einige Besonderheiten dieser Protein-basierten Systeme und Antigene sind im Folgenden zusammengefasst.
11.5.1
Kell-System
Klinische Relevanz Anti-K ist nach den Antikörpern gegen die Rhesusantigene D, C, c, E und e der wichtigste transfusionsrelevante Antikörper [33]. Antikörper gegen alle Antigene des KellSystems können einen MHN verursachen, der als klinisch zu beachtende Besonderheit eine Suppression der frühen Hämatopoese aufweist. Deswegen ist die fötale Hämolyse (Bilirubin) kein geeigneter Verlaufsparameter. Molekulare Basis Die Antigene des Kell- (KEL-)Systems (ISBT 006) beruhen auf Polymorphismen des Kell-Proteins, eines Ektoenzyms (Ektopeptidase). Das Protein besteht aus 732 Aminosäuren und weist ein transmembranäres Proteinsegment auf; die 665 carboxyterminalen Aminosäuren liegen extrazellulär. Das KellProtein wird zusammen mit dem Kx-Protein exprimiert, an das es über eine Cys-S-S-Cys-Brücke kovalent gebunden ist. Wichtige Antigene, abgeschwächte und Null-Phänotypen Antithetische Antigene sind K und k sowie Kpa und Kpb. Beim McLeod-Phänotyp (Kxnull-Phänotyp) sind die Kell-Antigene abgeschwächt (. Tab. 11.7). Der Knull-Phänotyp (Ku-) ist sehr selten und seine Träger sind klinisch unauffällig.
164
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
Außenseite
32
53
94
11 72
110
75 131
154
169
134
226
188
238
207
283
257
286 352
264
307
370
333
389
417 2
Innenseite
. Abb. 11.11 Einzelne Aminosäureaustausche als Ursache von Varianten des Antigens D. Aminosäureaustausche, die einen abgeschwächten AntigenD-Phänotyp verursachen, sind schwarz unterlegt; solche, die einen Partial-D-Phänotyp einschließlich der D-Kategorie II und VII verursachen, sind grau mit schwarzem Rand markiert. Die betroffenen Aminosäurepositionen bei »weak D« sind auf der Innenseite der Membran oder in transmembranären Proteinsegmenten lokalisiert; Aminosäurepositionen bei »partial D« finden sich in einer der 6 extrazellulären Proteinschlaufen. DAU-0 ist bisher als einziges Allel bekannt, dessen Aminosäureaustausch (grau) keinen auffälligen quantitativen oder qualitativen Effekt auf die Antigenexpression hat. Bei einer Reihe weiterer Allele mit einzelnen Aminosäurenaustauschen (durchgekreuzte Aminosäuren) ist die serologische Charakterisierung unzureichend. (Nach [68])
11 11.5.2
Duffy-System
Klinische Relevanz Anti-Fya und Anti-Fyb gehören nach den Antikörpern gegen die Rhesusantigene und K zu den häufigen transfusionsrelevanten Antikörpern [50]. Sie können schwere Transfusionsreaktionen und schweren MHN auslösen. Fünf Jahre nach ihrer Beobachtung sind mehr als die Hälfte dieser Antikörper serologisch nicht mehr nachweisbar und nur noch über die Transfusionsanamnese fassbar. Fya ist deutlich immunogener als Fyb. Die Antikörper werden serologisch im indirekten Antiglobulintest nachgewiesen. Die Duffy-Antigene können leicht durch Enzyme zerstört werden.
Null-Phänotyp Der Fy(a-b-)-Phänotyp (Fy:-3) verhindert die Invasion durch Plasmodium vivax und ist deshalb bei Afrikanern häufig (Frequenz 68 %). Ursache ist eine Promotorveränderung, die selektiv die erythrozytäre Fyb-Expression verhindert. Da in anderen Geweben Antigen Fyb exprimiert wird, kommen AntiFyb-Immunisierungen praktisch nicht vor. Andere Allele mit NullPhänotyp sind selten, nicht populationsspezifisch, führen meist zum Fehlen jeglicher DARC-Expression und erlauben daher Anti-Fy3-Immunisierungen. Träger des Null-Phänotyps sind klinisch unauffällig.
11.5.3 Molekulare Basis Die Antigene des Duffy- (FY-)Systems (ISBT 008) beruhen auf Polymorphismen des FY-Glykoproteins (Synonyme: DARC, Glycoprotein D). Es ist Rezeptor für C-X-C- und C-C-Chemokine (IL8, RANTES, MGSA und MCP-1). DARC wird von Plasmodium vivax als Rezeptor benutzt. Außer auf Erythrozyten wird DARC auf Endothelzellen und in zahlreichen Geweben exprimiert. Das Protein besteht aus 338 Aminosäuren und weist 7 transmembranäre Proteinsegmente auf; die 66 aminoterminalen Aminosäuren liegen extrazellulär. Wichtige Antigene und abgeschwächter Phänotyp Antithetische Antigene sind Duffy a (Fya; FY*1-Allel) und Duffy b (Fyb; FY*2-Allel). Fyx (FY[42D,R89C]-Allel) repräsentiert ein stark abgeschwächtes Fyb.
Kidd-System
Klinische Relevanz Anti-Jka und Anti-Jkb gehören zusammen mit den Duffy-Antikörpern jedoch nach den Antikörpern gegen die Rhesusantigene und K zu den häufigen transfusionsrelevanten Antikörpern, die schwere Transfusionsreaktionen auslösen können [11]. Eine Besonderheit der Anti-Jk-Antikörper ist ihr schneller Titerabfall. Deshalb sind Anti-Jk-Antikörper eine Hauptursache für schwere verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen. Fünf Jahre nach ihrer Beobachtung sind mehr als die Hälfte dieser Antikörper serologisch nicht mehr nachweisbar und nur noch über die Transfusionsanamnese fassbar. Jka ist deutlich immunogener als Jkb. Die Antikörper werden serologisch im indirekten
165
11.5 • Weitere Protein-basierte Blutgruppensysteme
11
Proteine (RhD bzw. RhCE) und D-bzw. CE-Spezifität der extrazellulären Proteinschlaufen(a) RhD
RhCE
Phänotyp
Bemerkung und niedrig frequente Antigene
Schlaufe 3
Schlaufe 4
Schlaufe 6
Schlaufe 3
Schlaufe 4
Schlaufe 6
D
CE
D
D
D
CE
CE
CE
D
CE
Typisch D-positiv
CE
D
D
CE
CE
CE
DFR
CE
FPTT (Rh50)
D
CE
D
CE
CE
CE
DVa
CE
w D (Rh23)
D
D
CE
CE
CE
CE
DIVb
CE
Evans (Rh37)
CE
CE
D
CE
CE
CE
DVI
CE
BARC (Rh52)
D
CE
CE
CE
CE
CE
DBT
CE
Rh32
Deletion
Deletion
Deletion
CE
CE
CE
dd
CE
Typisch D-negativ
CE
CE
CE
CE
CE
CE
dd
CE
Seltene Ursache von D-negativ
Deletion
Deletion
Deletion
CE
D
CE
dd
Har D und CE
Rh33, FPTT (Rh50)
D
D
D
D
CE
CE
D
RN
Rh32
D
D
D
CE
D
CE
D
E Kategorie III
–
D
D
D
D
D
CE
D
CE schwach
Evans (Rh37)
D
D
D
CE
D
D
Dc-
c-positiv
Antigene E und e fehlen
D
D
D
D
D
D
D--
CE-negativ
Antigene C, E fehlen vollständig
(a)
Die extrazelluläre Proteinschlaufe 3 wird kodiert vom RHD bzw. RHCE Exon 4, die Schlaufe 4 von Exon 5 und die Schlaufe 6 von Exon 7.
. Abb. 11.12 Bedeutung der extrazellulären Proteinschlaufen für den Phänotyp
Antiglobulintest nachgewiesen; ihr Nachweis wird durch eine Enzymbehandlung der Erythrozyten oft verstärkt. Molekulare Basis Die Antigene des Kidd- (JK-)Systems (ISBT 009) beruhen auf Polymorphismen HUT11-Proteins, dem Harnstofftransporter. Außer auf Erythrozyten wird HUT11 auf Neutrophilen und in Nierengewebe exprimiert. Das Protein besteht aus 391 Aminosäuren und weist 10 transmembranäre Proteinsegmente auf; amino- und carboxyterminales Ende liegen intrazellulär. Wichtige Antigene, abgeschwächte und Null-Phänotypen Antithetische Antigene sind »Kidd a« (Jka; HUT11[280D]Allel) und »Kidd b« (Jkb; HUT11[280N]-Allel). Abgeschwächte Phänotypen sind nicht bekannt. Der Jk (a-b-)-Phänotyp (Jk:-3) ist selten; nur bei Polynesiern beträgt die Frequenz bis zu 1 %. Träger des Null-Phänotyps weisen eine Urinkonzentrationsstörung auf.
11.5.4
MNS-System
Klinische Relevanz Anti-S und Anti-s gehören nach den Antikörpern gegen die Rhesusantigene, K, JK und FY zu den häufigen transfusionsrelevanten Antikörpern, die schwere Transfusionsreaktionen und MHN auslösen können. Anti-M ist ein häufiger, Anti-N ein seltener natürlicher Antikörper, die beide nur beachtet werden müssen, wenn sie im indirekten Antiglobulintest oder »in der Wärme« (bei +37°C) nachweisbar sind. Anti-M kann einen MHN mit negativem direktem Antiglobulintest verursachen [9]. Die Antigene M und N können durch Enzymbehandlung der Erythrozyten zerstört werden. Andere Antigene dieses Systems sind teilweise oder vollständig resistent gegen Enzymbehandlung. Molekulare Basis Die Antigene des MNS-Systems (ISBT 002) beruhen auf Polymorphismen von Glykophorin A (GPA, Antigene M und N) bzw. Glykophorin B (GPB, Antigene S, s, und U), die beide stark glykosylierte Transmembranproteine vom Typ I unbekannter Funktion sind. GPB wird von Plasmodium falciparum als Rezeptor
166
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
. Tab. 11.19 Repräsentative CcEe-Phänotypen und ihre Korrelation mit bestimmten RHCE-Allelen CcEe-Antigene
Molekularer Mechanismus(a)
Abweichende Nukleotide
Aminosäureaustausch
Bemerkung
c und e Häufig Selten
Entfällt 16 Cys
Keine 48G>C
Keiner Trp 16 Cys
Standard-RHCE-Allel Häufiges RHCE-Allel bei Afrikanern, Antigen e abgeschwächt
C
Genkonversion RHD Exon 2 und 16 Cys
48G>C; 150C>T; 178C>A; 201A>G; 203A>G; 307C>T
Trp 16 Cys; Leu 60 Ile; Asn 68 Ser; Pro 103 Ser
Position 16 muss Cystein sein, sonst ist das Protein Antigen-C-negativ
E
226 Pro
676G>C
Ala 226 Pro
G
103 Ser
307C>T
Pro 103 Ser
103 Ser in RHCE oder RHD
Cw
41 Arg
122A>G
Gln 41 Arg
Meist in Ce; Verlust von Mar (Rh51)
Cx
36 Thr
106G>A
Ala 36 Thr
Meist in Ce; Verlust von Mar (Rh51)
V und VS
245 Val
733G>C
Leu 245 Val
–
Nur VS
245 Val und 336 Cys
733G>C; 1006G>T
Leu 245 Val; Gly 336 Cys
RHCE(L245V) ist VS+V+; RHCE(L245 V,G336C) ist VS+V-
(a)
11
Im Vergleich zum Standard RHCE-Allel unter Europäern; V- und VS-Allele tragen in der Regel 16 Cys.
benutzt. Außer auf Erythrozyten werden beide Glykophorine auf Nierenepithel exprimiert. GPA besteht aus 131 Aminosäuren und weist ein transmembranäres Proteinsegment auf; die 72 aminoterminalen Aminosäuren liegen extrazellulär. Das zum GPA hoch homologe GPB besteht aus 72 Aminosäuren und weist ein transmembranäres Proteinsegment auf; die 43 aminoterminalen Aminosäuren liegen extrazellulär. Obwohl der Name »Glykophorine« bereits auf die starke Glykosilierung hinweist, ist der Einfluss der Verzuckerung auf die Ausbildung der Antigene begrenzt. Die klinisch relevanten Antigene korrelieren klar mit bestimmten bekannten Aminosäure-Polymorphismen. Ähnlich wie beim Rhesussystem beruht die molekulare Vielfalt zu einem erheblichen Teil auf Rekombinationen zwischen zwei homologen, eng benachbarten Genen, GYPA und GYPB [8][9] [10][11][41]. Solche Hybridproteine und SNP in einem der beiden Gene bilden die molekulare Basis zahlreicher hoch und niedrig frequenten Antigene. Es ist sicher kein Zufall, dass die chromosomale Organisation der Gene in beiden Systemen sich ähnelt und diese beiden Systeme zugleich die mit Abstand meisten Antigene aufweisen. Neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es eine Reihe wichtiger molekularer Unterschiede zum Rhesussystem: 5 GYPA und GYPB (sowie das weitere Glykophoringen GYPE) weisen auf ihrem Chromosom die gleiche Orientierung auf, d. h. sie sind in Tandem angeordnet. Deshalb kann die Mehrzahl der Hybridgene durch ein »unequal crossing over«-Ereignis in trans entstehen. Hierbei kommt es entweder zum Ersatz der beiden GYPA- und GYPB-Gene durch ein GYPA/ GYPB-Hybrid-Gen (diese Genstruktur wird als »Lepore-Typ« bezeichnet), oder ein zusätzliches GYPB/GYPA-Hybrid-Gen tritt auf, das zwischen GYPA und GYPB gelegen ist (»Anti-Lepore-Typ«). 5 GYPB weist ein Pseudoexon (»Exon 3«) auf, das wegen einem SNP an der Spleiß-Stelle bei der Bildung der mRNA entfernt wird. Bei einigen GYPB-Allelen ist dieser SNP so verändert, dass ein Glykophori B mit Exon 3 exprimiert wird. 5 Viele Antigene im MNS-System können direkt einer linearen Aminosäuresequenz zugeordnet werden [10].
Wichtige Antigene, abgeschwächte und Null-Phänotypen Antithetische Antigene sind M (GPA[1S,5G]-Allel) und N (GPA[1L,5E]-Allel) sowie S (GPB[29M]-Allel) und s (GPB[29T]Allel). Abgeschwächte Phänotypen sind nicht bekannt. Die NullPhänotypen des Glykophorins A (Ena-) oder beider Glykophorine (MkMk) sind Raritäten [41]. Der Null-Phänotyp des Glykophorins B (U- bzw. auch als S-s- bezeichnet) behindert die Invasion durch Plasmodium falciparum und ist deshalb bei Afrikanern vergleichsweise häufig (Frequenz 1 %). Träger der unterschiedlichen NullPhänotypen sind klinisch unauffällig.
11.5.5
Lutheran-System
Klinische Relevanz Anti-Lub und Anti-Lua verursachen selten Transfusionsreaktionen oder MHN. Molekulare Basis Die Antigene des Lutheran- (LU-)Systems (ISBT 005) beruhen auf Polymorphismen des LU-Glykoproteins, einem Adhäsionsprotein. Außer auf Erythrozyten wird das Protein in zahlreichen Geweben exprimiert. Das Protein besteht aus 597 Aminosäuren und weist ein transmembranäres Proteinsegment auf; die 518 aminoterminalen Aminosäuren liegen extrazellulär [61]. Wichtige Antigene, abgeschwächte und Null-Phänotypen Antithetische Antigene Lua und Lub. Der Lu(a-b-)-Phänotyp ist meist Folge eines dominanten Inhibitors und bei Afrikanern vergleichsweise häufig. Zusammen mit LU sind bei ihm die Antigene P1 (ISBT 003.001), MER2 (025.001) und AnWj (901.009) sowie alle Antigene der Knops- (022) und Indian- (023-)Systeme abgeschwächt. Träger des Null-Phänotyps sind klinisch unauffällig. 11.6
Ausblick
Die Genotypisierung von Blutgruppen findet eine breite Anwendung, die sich noch ausweiten wird [2][16][34][36]. Ethische und rechtliche Probleme sind hier erwiesenermaßen nicht zu erwarten – dies im Unterschied zur Typisierung vieler anderer Gene [23].
167
Literatur
Seit dem Jahr 2003 ist die Vorhersage des Phänotyps durch eine Genotypisierung für alle Protein-basierten Systeme möglich [28][37] [54][71]. Gentechnisch hergestellte Blutgruppenproteine könnten zu verbesserten Nachweisverfahren für Antikörper beitragen [59]. Die großen Datenbestände von Blutgruppen bieten sich für die molekulargenetische Analyse von Null-Mutationen, stillen Mutationen und Genhybridisierungen an, was zum Verständnis der genetischen Vielfalt von Allelen in natürlichen Populationen beitragen wird.
16
17
18
19
11.6.1
Danksagung und Schlussbemerkung
Die Autoren danken Herrn Pirmin Schmid für die kritische Durchsicht des aktualisierten Manuskripts. Die in diesem Buchkapitel dargelegten Ansichten entsprechen der Auffassung der Autoren und können nicht als die offizielle Position des United States Department of Health and Human Services ausgelegt werden.
20 21 22
23
Literatur 24 1
2 3 4
5 6 7
8 9
10
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25 26
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29
30
31 32 33 34
35
36
37
11
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168
38 39 40
41 42 43
44 45 46
47
48
49 50 51
11
52 53 54
55 56 57 58
59
60
61 62
Kapitel 11 • Blutgruppen: Alloantigene auf Erythrozyten
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70 71 72 73
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169
Alloantigene auf Granulozyten J. Bux
12.1
Einführung – 170
12.2
Systemische Antigene (HLA, ABH) – 170
12.3
Humane Neutrophilen-Alloantigene (HNA) – 170
12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4 12.3.5
HNA-Nomenklatur – 170 HNA-1-Antigene – 170 HNA-2-Antigen – 172 HNA-3-Antigene – 173 HNA-4a-Antigen (MART) und HNA-5a-Antigen (OND) – 173
12.4
Antikörpernachweismethoden und Antigenbestimmung – 173 Literatur – 173
12
170
Kapitel 12 • Alloantigene auf Granulozyten
Die bekanntesten polymorphen und immunogenen Strukturen auf der Zellmembran von Leukozyten sind die Antigene des HLA-Systems. Darüber hinaus konnten auf Granulozyten zahlreiche antigene Strukturen biochemisch, molekularbiologisch und funktionell charakterisiert werden. Zur besseren Systematisierung wurde für diese die HNA-Nomenklatur (humane neutrophile Alloantigene), eingeführt und die Antigene entsprechend neu benannt. Den HNA-Antigenen kommt eine wichtige Rolle bei der Induktion von Allo- und Autoantikörpern zu, die zu schwerwiegenden Immunneutropenien und lebensbedrohlichen Transfusionsreaktionen führen können.
12.1
Einführung
Über granulozytenspezifische Antigene wurde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts spekuliert, aber erst in den Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts gelang der überzeugende Nachweis eines unter den Blutzellen nur auf Granulozyten exprimierten Antigens [31]. Neutrophile Granulozyten stellen über 90 % der Gesamtgranulozyten, weshalb man bei Neutrophilen auch von Granulozytenantigenen spricht, auch wenn unbekannt ist, ob sie auf der Membran von eosinophilen und/oder basophilen Granulozyten exprimiert werden. Wenn nicht anders vermerkt, beziehen sich im Folgenden alle Angaben auf neutrophile Granulozyten. 12.2
Systemische Antigene (HLA, ABH)
Unter physiologischen Bedingungen werden auf Granulozyten nur HLA-Klasse-I-, jedoch keine HLA-Klasse-II-Antigene exprimiert [13]. Die Anzahl der HLA-Klasse-I-Moleküle pro Zelle liegt bei ca. 130.000 Kopien pro Zelle [2]. Alle Versuche neueren Datums, mit verbesserter Methodik ABH-Antigene auf Granulozyten nachzuweisen, blieben erfolglos [12][23].
12 12.3
Humane Neutrophilen-Alloantigene (HNA)
12.3.1
HNA-Nomenklatur
Eine erste Nomenklatur von Granulozytenantigenen wurde von Lalezari und Mitarbeitern 1974 versucht [32]. Diese Nomenklatur wurde jedoch nicht für alle Alloantigene durchgehalten, und in der Folgezeit kam es auch zur Aufnahme von Autoantigenen. Weiterhin konnte später mit verbesserter Methodik gezeigt werden, dass ursprünglich als different angesehene Alloantigene identisch waren [3] oder dass als antithetisch angesehene Antigene unterschiedlichen Antigensystemen angehörten[47]. Aus diesem Grund entschloss sich 1998 die Arbeitsgruppe für Granulozytenimmunbiologie der Internationalen Gesellschaft für Transfusionsmedizin (ISBT), eine neue Nomenklatur für humane neutrophile Alloantigene, die HNA-Nomenklatur, einzuführen [7]. Die Nomenklatur basiert auf der Zuordnung der Antigene als Polymorphismen zu (Glyko-)Proteinen, wobei sie sich ausschließlich auf den Phänotyp bezieht. Der Name besteht aus dem Akronym HNA, einer mit Bindestrich angeschlossenen arabischen Ziffer, die das polymorphe (Glyko-)Protein kodiert, sowie einem unmittelbar folgenden kleinen lateinischen Buchstaben, der den einzelnen Polymorphismus kennzeichnet. Die zu Grunde liegenden Gene und deren Allele werden nach den internationalen Richtlinien für die Nomenklatur
von Genen benannt. . Tab. 12.1 gibt eine Übersicht über die HNAAntigene [1].
12.3.2
HNA-1-Antigene
Das HNA-1a-Antigen war das erste, 1966 von Lalezari und Mitarbeiter [31] beschriebene granulozytenspezifische Antigen. Es wurde identifiziert durch Antikörper, die sich im mütterlichen Blut in einem Fall von NIN nachweisen ließen. 1974 wurden erstmals Alloantikörper gegen das antithetische HNA-1b-Antigen – ebenfalls bei der serologischen Abklärung einer NIN – beschrieben [32]. Alloantikörper gegen HNA-1-Antigene sind die häufigste Ursache einer NIN [32]. Auch TRALI-Reaktionen werden durch sie ausgelöst. Granulozytäre Autoantikörper zeigen sehr häufig (>30 %) eine Spezifität für das HNA-1a- (NA1-)Antigen oder binden bevorzugt an HNA-1a(+)/HNA-1b(-)-Testzellen [5]. Wesentlich seltener werden Autoantikörper mit Spezifität für das HNA-1b-Merkmal beobachtet. Bei Europäern kommt das HNA-1b-Antigen häufiger vor als das HNA-1a-Merkmal, während es sich bei Chinesen und Japanern genau umgekehrt verhält [24] (. Tab. 12.1). 1998 wurde mit dem HNA-1c-(SH-)Antigen ein 3. Polymorphismus im HNA1-System beschrieben [5]. Dieses Merkmal findet man am häufigsten bei Schwarzafrikanern, seltener bei Europäern, und bei Asiaten scheint es völlig zu fehlen [24]. Für das 1970 beschriebene Antigen NC1 konnte später mit Hilfe eines antigenspezfischen Tests gezeigt werden, dass es mit dem HNA-1b-Merkmal identisch ist [3]. Die initiale Fehlbestimmung ist höchstwahrscheinlich Folge einer unvollständigen Absorption der begleitenden HLA-Antikörper aus dem Typisierungsserum.
Expression HNA-1-Antigene werden nur von neutrophilen, nicht aber auf eosinophilen oder basophilen Granulozyten exprimiert [31]. Unter den myelopoetischen Reifungsstadien werden sie auf Metamyelozyten, stab- und segmentkernigen neutrophilen Granulozyten exprimiert [51]. So verhinderten HNA-1a-spezifische Antikörper nicht die erfolgreiche Transplantation von Knochenmark eines HNA-1a-positiven Spenders [54]. Die HNA-1-Antigene werden in ca. 200.000 (Bereich 100.000–300.000) Kopien pro Zelle exprimiert [2].
Biochemie Mit Hilfe HNA-1-spezifischer monoklonaler Antikörper konnte gezeigt werden, dass die HNA-1-Antigene Poylmorphismen des Fcγ-Rezeptors IIIb (FcγRIIIb) darstellen [20], der in der Cluster-ofdifferentiation- (CD-)Nomenklatur die Nummer CD16b trägt. Der FcγRIIIb gehört zur Gruppe der Fcγ-Rezeptoren und bindet mit niedriger Affinität an den Fc-Teil von IgG-Antikörpern. Aufgrund seiner zwei durch Disulfidbrücken gebildeten immunglobulinähnlichen Domänen (. Abb. 12.1) wird der FcγRIIIb zur Immunglobulin-Superfamilie gezählt. Nur die membrandistale Domäne ist polymorph, nicht jedoch die membranproximale Domäne, die die Bindung an den Fc-Teil von IgG-Antikörpern vermittelt. Der FcγRIIIb ist ein stark glykosiliertes Protein, dessen relatives Molekulargewicht zwischen 50–80 kDa schwankt, abhängig davon, ob der HNA-1a (50–65 kDa) oder HNA-1b- oder HNA-1c(65–80 kDa)-Phänotyp vorliegt [35]. Ursächlich hierfür ist, dass die HNA-1a-Form 4 und die HNA-1b- bzw. HNA-1c-Formen je 6 NGlykosylierungsstellen aufweisen. Das deglykosylierte Protein zeigt ein relatives Molekulargewicht von 29–33 kDa. Der FcγRIIIb ist über eine Glykosyl-Phosphatidyl-Inositol-(GPI-)Brücke in der äußeren Lipidschicht der Plasmamembran verankert und besitzt daher
12
171
12.3 • Humane Neutrophilen-Alloantigene (HNA)
. Tab. 12.1 HNA-Antigene Antigengruppe
HNA-1
Glykoprotein
Fcγ-Rezep-tor IIIb (CD16b)
Polymorphismen
Allele
Alte Bezeichnung
Häufigkeit [%] Eu
Af
As
HNA-1a
FCGR3B*01
NA1
57–62
46–66
88–91
HNA-1b
FCGR3B*02
NA2
88–89
78–84
51–54
HNA-1c
FCGR3B*03
SH
5
23–31
<1
HNA-2
NB1-Gly-koprotein (CD177)
HNA-2
–
NB1
87–97
98
89–99
HNA-3
CTL-2
HNA-3a
SLC44A2*461Ga
5b
95
?
?
HNA-3b
SLC44A2*461Aa
5a
36
?
?
HNA-4
MAC-1 (CD11b)
HNA-4a
ITGAM*230Ga
MART
99
?
?
HNA-5
LFA-1 (CD11a)
HNA-5a
ITGAL*2372Ga
OND
85
88
81
Eu Europäer, Af Schwarzafrikaner, As Asiaten (Chinesen und Japaner). Zählung ab Startkodon.
a
eine hohe laterale Beweglichkeit (. Abb. 12.1). Zellen von Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) exprimieren daher den FcγRIIIb kaum oder überhaupt nicht. Obwohl der FcγRIIIa eine über 90 %ige Homologie zum granulozytären FcγRIIIb aufweist, handelt es sich bei ihm um einen transmembranösen Rezeptor, der auf natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), Monozyten und Makrophagen, nicht jedoch auf Granulozyten exprimiert wird.
Molekularbiologie Das den FcγRIIIb kodierende Gen liegt auf dem langen Arm des Chromosoms 1, in einer Region, wo sich die Gene der übrigen Fcγ-Rezeptoren ebenfalls befinden. Das FcγRIIIB-Gen besteht aus 5 Exons, wobei sich die Nukleotidunterschiede zwischen dem FcγRIIIB- und FcγRIIIA-Gen im 4. und 5. Exon, die Nukleotidunterschiede zwischen den einzelnen FcγRIIIB-Allelen jedoch ausschließlich im 3. Exon befinden. Die den HNA-1a- und HNA1b-Phänotypen zu Grunde liegenden Allele FCGR3B*01 und 02 unterscheiden sich in 5 Basen, die 4 Aminosäureaustausche zur Folge haben. Dadurch kommt es beim HNA-1b-Polymorphismus zu 2 zusätzlichen N-Glykosilierungsstellen [36][37], was das höhere relative Molekulargewicht des HNA-1b- gegenüber der HNA-1aIsoform des FcγRIIIb erklärt. Das den HNA-1c-Phänotyp kodierende FCGR3B*03-Allel ist sehr wahrscheinlich durch eine spätere Punktmutation im HNA-1b-kodierenden FCGR3B*02-Allel entstanden [6]. Dies hat zur Folge, dass Träger des HNA-1c-, d. h. des FCGR3B*03-Allels zusätzlich zum HNA-1c- auch immer den HNA1b- Phänotyp zeigen. Interessanterweise weist die Mehrzahl der europäischen Träger des HNA-1c-Merkmals eine FcγRIIIB-Genduplikation auf, während sie bei Afrikanern seltener und bei Asiaten überhaupt nicht vorkommt [24][28]. Ursächlich hierfür dürfte ein ungleiches Crossing-over während der Meiose gewesen sein, wobei es zur Kombination des FCGR3B*01- und des FCGR3b*03-Allels auf einem Chromosom gekommen ist. Dies führt dazu, dass diese Individuen den HNA-1a-, -1b- und -1c-Phänotyp zeigen. Das Gegenstück zur FcγRIIIB-Genduplikation ist der FcγRIIIB-Gendefekt, der dem »HNA-1null«-Phänotyp zu Grunde liegt.
HNA-1null 1990 stellte man bei der immunologischen Abklärung einer neonatalen Immunneutropenie (7 Kap. 8) fest, dass die Granulozyten
der Mutter keinen FcγRIIIb und damit auch keine HNA-1-Antigene exprimierten und diese deshalb einen Isoantikörper gegen den FcγRIIIb gebildet hatte [21]. In Analogie zu der Terminologie von Blutgruppen auf Erythrozyten, wo bei fehlender Antigenexpression zur Bezeichnung des entsprechenden Phänotyps das Suffix »null« an den Antigennamen angehängt wird, spricht man in diesem Fall vom Phänotyp »HNA-1null«. Die Häufigkeit des HNA-1null-Phänotyps wird für die europäische Bevölkerung mit 0,15 % angegeben [14]. Häufiger kommt HNA-1null mit etwa 4 % bei Schwarzafrikanern vor, während sich dieser Phänotyp bei Ostasiaten fast überhaupt nicht findet [24]. Bei Menschen mit FcγRIIIb-Defizienz wurden Autoimmunerkrankungen und Infektionen nicht signfikant häufiger beobachtet [10].
Löslicher FcγRIIIb (sFcγRIIIb) Der über einen GPI-Anker in der Zellmembran fixierte FcγRIIIb kann enzymatisch abgespalten und ins Plasma freigesetzt werden. Da der FcγRIIIb nur auf reiferen Granulozyten exprimiert wird, spiegelt der Plasmagehalt an löslichem FcγRIIIb (sFcγRIIIb) die Gesamtmenge der im Körper vorhandenen neutrophilen Granulozyten wider [22]. So ist der Gehalt an sFcγRIIIb im Plasma bei Neutropenie infolge vorausgegangener zytostatischer Therapie erniedrigt und normalisiert sich mit ansteigender Neutrophilenzahl wieder.
Funktion Vom FcγRIIIb werden kleine Immunkomplexe, die IgG-Antikörper enthalten, gebunden und damit aus dem Blut eliminiert. Der HNA1-Polymorphismus beeinflusst die FcγRIIIb-vermittelte Phagozytose. Mit IgG1- bzw. IgG3-Antikörpern beladene Partikel oder Zellen werden von HNA-1a-tragenden Granulozyten besser phagozytiert als von HNA-1b-positiven Granulozyten [40]. Allerdings ließen sich bei Individuen mit HNAnull-Phänotyp keine gehäuften Infektionen oder Autoimmunkrankheiten feststellen [10]. Dies ist vermutlich Folge der engen Kooperation von FcγRIIIb und FcγRIIa bei der antikörpervermittelten Phagozytose, sodass der Ausfall des FcγRIIIb vom 10-mal weniger exprimierten, aber dafür transmembranösen FcγRIIa kompensiert werden kann. Da der FcγRIIIb über eine GPI-Domäne in der Granulozytenmembran verankert ist, muss die Signalübertragung in das Zellinnere durch eine lektinartige Koope-
172
Kapitel 12 • Alloantigene auf Granulozyten
N S S
HNA-1Polymorphismus
Immunoglobulinähnliche Domänen S S
IC
Glycosyl phosphatidylinositol (GPI)-Anker Expression: 200 – 300 000 Kopien/Zelle
. Abb. 12.1 Fcγ-Receptor IIIb (CD16b)
ration mit dem transmembranösen αMβ2-Integrin (CD11b/CD18) erfolgen [19].
12.3.3
12
HNA-2-Antigen
1971 beschrieben Lalezari et al. [33] das NB1-Antigen, das heute den Namen HNA-2 trägt. Sie entdeckten es im Rahmen der immunologischen Abklärung einer neonatalen Immunneutropenie. Später wurde von derselben Arbeitsgruppe im Serum eines Patienten mit einer febrilen Transfusionsreaktion ein Antikörper gefunden, von dem man zunächst annahm, dass er das antithetische Antigen »NB2« erkennt, was spätere Untersuchungen jedoch nicht bestätigen konnten [47]. HNA-2-Alloantikörper können ausgeprägte, lang anhaltende Immunneutropenien bei Neugeborenen hervorrufen und lebensbedrohliche TRALI-Reaktionen auslösen. Etwa 10 % der granulozytären Autoantikörper erkennen Epitope, die auf dem NB1-Glykoprotein (NB1-GP) liegen, das das HNA-2-Antigen bildet. An das NB1-GP können auch Medikamente binden und Neoantigene ausbilden. So konnte gezeigt werden, dass das Medikament Chinin mit dem NB1-GP die Bildung von chininabhängigen granulozytären Autoantikörpern induzieren kann [48].
Expression Das HNA-2-Antigen stellt in allen bislang untersuchten menschlichen Populationen ein hochfrequentes Merkmal dar, das sich unter den Blutzelllen nur auf neutrophilen Granulozyten findet. Die Antikörper erkennen keinen Polymorphismus, da HNA-2-negativ typisierte Individuen das die Antikörperbindungsstellen tragende NB1-GP nicht exprimieren, d. h. sie zeigen einen HNA-2null-Phänotyp. Außer auf der Plasmamembran findet sich HNA-2 auch in der Membran von spezifischen (sekundären) Granula. Bei HNA2-positiv-typisierten Individuen wird jedoch das HNA-2/NB1-GP nur auf einer Subpopulation der neutrophilen Granulozyten eines Individuums exprimiert, wobei deren Größe interindividuell erheblich zwischen unter 10 % und über 90 % schwanken kann [17]. Interessanterweise exprimiert die gleiche Subpopulation neutrophiler Granulozyten auch die Proteinase 3 auf ihrer Zelloberfläche. Die Proteinase 3 ist eine granulozytäre Serinprotease, welche eine wichtige Zielstruktur von Autoantikörpern bei der Wegener-Granulo-
matose ist, den sogenannten ANCA (»antineutrohil cytoplasmatic antibodies«) [53]. HNA-2 und Proteinase 3 bilden auf der Plasmamembran einen Komplex, der durch hydrophobe Wechselwirkungen zusammengehalten wird [29]. Die Zahl der pro Granulozyt exprimierten Kopien an HNA-2 zeigt erhebliche interindividuelle Schwankungen (36.000–318.000) und hängt stark vom Aktivierungszustand der neutrophilen Granulozyten ab [2]. Frauen exprimieren mehr HNA-2 auf ihren Granulozyten als Männer, und während der Schwangerschaft kommt es zu einer weiteren Steigerung der NB1-GP-Expression [9]. Bei systemischen bakteriellen Infektionen sowie nach Gabe von G-CSF ist die HNA-2-Expression stark erhöht [16]. Eine gesteigerte, auch diagnostisch genutzte Expression findet sich ebenfalls bei Patienten mit Polyzythaemia rubra vera [16].
Biochemie Das HNA-2-Antigen ist ein Glykoprotein mit einem relativen Molekulargewicht von 50–64 kDa, wobei die Antikörperbindungsstellen vom Proteinanteil gebildet werden [17][25][47]. Die etwa 7 kDa schweren Zuckerseitenketten sind über Stickstoffbrücken an den Proteinrest gebunden. Nachdem es gelungen war, monoklonale Antikörper gegen das NB1-Glykoprotein herzustellen, wurde es unter der Nummer CD177 in die Cluster-of-Differentiation-Liste aufgenommen [50]. Das NB1-Glykoprotein weist zwei Domänen auf, die Cysteinreste in für die Ly-6/uPAR- Superfamilie charakteristischen Abständen besitzen [25]. Wie die HNA-1-Antigene ist auch das HNA-2-Antigen über eine GPI-Anker mit der Zellmembran verbunden (. Abb. 12.2) [17][25][47].
Molekularbiologie Das Gen für das HNA-2-Antigen (CD177) liegt auf dem langen Arm von Chromosom 19, in einer Region, in der sich weitere Gene von Mitgliedern der Ly.6/uPAR-Superfamilie befinden [25]. Die cDNA beihaltet einen 1248 bp langen, offenen Leserahmen, der für 416 Aminosäuren kodiert. 21 bp bilden das Signalpeptid, während die verbleibenden 1227 bp für die 409 Aminosäuren des NB1-Proteins kodieren. Die Aminosäuresequenz zeigt 3 typische N-Glykosylierungsstellen sowie eine sog. »omega-site«, an der üblicherweise posttranslational der GPI-Anker angebunden wird. Im Gegensatz zum HNA-1null-Phänotyp, dem ein Gendefekt zugrunde liegt, ist beim HNA-2null-Phänotyp das Gen vorhanden. Allerdings besteht eine stark verminderte und vor allem fehlerhafte Genablesung, sodass die Transkripte Insertionen von unvollständig herausgespleißten Introns aufweisen, die die korrekte Translation des Transkripts in das Protein verhindern [26]. Beruht der HNA-2null-Phänotyp auf der inkompletten Translation von fehlerhaften Transkripten, so ist die HNA-2-negative Granulozytensubpopulation eines HNA-2-positiven Individuums Folge einer ausbleibenden Transkription [55].
Funktion Nachdem bereits erste Untersuchungen darauf hindeuteten, dass das NB1-Glykoprotein/CD177 bei der Adhäsion von Granulozyten an Endothelzellen eine Rolle spielt, konnte kürzlich gezeigt werden, dass CD177 an das konstitutiv auf Endothelzellen exprimierte PECAM-1 bindet [42]. PECAM-1 spielt u. a. eine zentrale Rolle im Rahmen der transendothelialen Leukozytenmigration bei Entzündungsreaktionen. Daher verhindern HNA-2-Antikörper die Auswanderung von neutrophilen Granulozyten aus den Blutgefäßen ins umgebende Gewebe. Hierzu passt die massive Expressionserhöhung von CD177 auf aktivierten Granulozyten, was auf eine wichtige Bedeutung bei der unspezifischen Entzündungsreaktion hinweist [16].
173
Literatur
12.3.4
12
HNA-3-Antigene N
1964 beschrieben van Leeuwen et al. [52] ein bialleles Antigensystem, das sie Gruppe-5-System nannten. Die Antigene 5a und 5b werden heute als HNA-3b und HNA-3a bezeichnet. Alloimmunisierungen gegen das HNA-3b-Antigen sind sehr selten, klinische Bedeutung kommt deshalb vor allem Antikörpern gegen das HNA3a-Antigen zu. Diese können neonatale Immunneutropenien und febrile Transfusionsreaktionen auslösen [11][30], ihre besondere klinische Relevanz rührt jedoch von der Auslösung schwerer und nicht selten tödlich verlaufender pulmonaler Transfusionsreaktionen, sogenannter TRALI-Reaktionen, her (7 Kap. 8) [39].
Zuckerseitenketten
Ly-6/uPAR -homologe Domänen
GPIAnker
Expression Die HNA-3-Antigene werden auf Leukozyten, nicht jedoch auf Erythrozyten exprimiert. Es wird diskutiert, ob sie in geringer Zahl auch auf Thrombozyten vorkommen. Das HNA-3a-Antigen gehört mit einer Frequenz von 95 % zu den hochfrequenten Antigenen.
Biochemie, Molekularbiologie und Funktion Bei den HNA-3a- und -3b-Antigenen handelt es sich um Polymorphismen des 80–100 kDa schweren Glykoproteins CTL-2 (»choline transporter-like protein-2«) [18]. Im Gegensatz zum Fcγ-Rezeptor IIIb und dem NB1-Glykoprotein ist CTL-2 nicht über einen GPIAnker mit der Granulozytenmembran verbunden [11]. Vielmehr handelt es sich bei CTL-2 um ein aus 706 Aminosäuren bestehendes, N-glykosyliertes Protein mit 10 Membrandurchgängen und 5 extrazellulären Schleifen [34]. Im Vergleich zu den HNA-1-Antigenen sind die HNA-3-Antigene mit 44.000–65.000 Kopien pro Zelle schwach exprimiert [2]. Die Funktion des Glykoproteins CTL-2 in der Granulozytenmembran ist noch unklar. Möglicherweise spielt das Protein bei der Aufnahme von Cholin (Recycling) durch die Zellen eine Rolle. Ursache des HNA-3a/b-Polymorphismus ist ein Arg154Gln-Aminosäureaustausch, dem ein G>A-Basenaustausch an der Nukleotidposition 461 in Exon 7 des SLC44A2-Gens zugrunde liegt [18]. Das Gen liegt auf dem kurzen Arm des Chromosoms 19.
12.3.5
HNA-4a-Antigen (MART) und HNA-5a-Antigen (OND)
1986 wurden im Blut von 3 multiparen Frauen granulozytäre Antikörper gefunden, die mit den Granulozyten von 99,1 % aller getesteten Personen reagierten [27]. Das korrespondierende MARTAntigen wird heute als HNA-4a-Antigen bezeichnet. Das HNA-4aAntigen lässt sich auf Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten, nicht aber auf Thrombozyten oder Erythrozyten nachweisen. Es konnte gezeigt werden, dass sich das Epitop auf dem αMβ2-Integrin befindet, das mit dem Leukozytenadhäsionskomplex CD11b/CD18, auch Mac-1 genannt, identisch ist [44]. Der HNA-4a-Polymorphismus ist Folge einer Punktmutation des Gens, das für die αM-Kette (= CD11b) kodiert. Alloantikörper gegen das HNA-4a-Antigen können eine neonatale Alloimmunneutropenie hervorrufen [15]. Der Leukozytenadhäsionskomplex CD11b/CD18 ist zu 21 % auch Zielstruktur von granulozytären Autoantikörpern [5], welche auch die Adhäsion von Granulozyten an Endothelzellen beeinträchtigen können. Alloantikörper gegen das HNA-5a-Antigen, das frühere Merkmal OND, wurden erstmals im Serum eines polytransfundierten Mannnes gefunden. Das Merkmal lässt sich auf den Granulozyten von 85 % aller Europäern nachweisen [41]. Wie das HNA-4a- konnte
. Abb. 12.2 NB1-Glykoprotein (HNA-2, CD177)
das HNA-5a-Antigen auch auf Monozyten und Lymphozyten nachgewiesen werden. Es konnte gezeigt werden, dass sich das Epitop auf dem αLβ2-Integrin, auch als LFA-1 bzw. Leukozytenadhäsionskomplex CD11a/CD18 bezeichnet, befindet und Folge einer Punktmutation im Gen für die αL-Kette (= CD11a) ist. Alloantikörper gegen das HNA-5a-Antigen können eine neonatale Alloimmunneutropenie hervorrufen [37]. Im Experiment konnten Alloantikörper gegen das HNA-4a-Antigen Transplantatabstoßungsreaktionen hinauszögern. 12.4
Antikörpernachweismethoden und Antigenbestimmung
Für die Antikörpersuche hat sich eine Kombination aus Agglutinations- und indirektem Immunfluoreszenztest bewährt. Obwohl der Immunfluoreszenztest zum Nachweis für die Mehrzahl der Antikörper der sensitivere Test ist, werden einzelne Antikörper wie HNA-3a eindeutiger mittels Agglutinationstest nachgewiesen. Als Testzellen sollten frisch isolierte Testgranulozyten von gesunden Spendern verwendet werden, die für die Antigene HNA-1a, HNA-1b, HNA-2a und HNA-3a typisiert sind. Die Spezifität nachgewiesener Alloantikörper sollte in antigenspezifischen Tests (antigenspezifischer Enzymimmuntest MAIGA, Immunpräzipitation, Immunoblot) bestätigt werden (7 Kap. 39). Zur serologischen Typisierung von Granulozyten werden die gleichen Methoden wie für die Antikörpersuche eingesetzt. Für die Bestimmung des Genotyps der klinisch wichtigen HNA-1-Antigene stehen DNS-Methoden zur Verfügung (7 Kap. 39).
Literatur 1 2
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25
Kapitel 12 • Alloantigene auf Granulozyten
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175
12
177
Alloantigene von Thrombozyten V. Kiefel und S. Santoso
13.1
Einleitung – 178
13.2
ABH-Antigene – 178
13.3
HLA-Antigene auf Thrombozyten – 178
13.4
Thrombozytäre Alloantigene – 178
13.4.1 13.4.2 13.4.3 13.4.4 13.4.5 13.4.6 13.4.7
Nomenklatur – 179 HPA-1-System – 179 HPA-2-System – 180 HPA-3-System – 181 HPA-4-System – 181 HPA-5-System – 182 HPA-15-System – 182
13.5
Niedrig frequente Alloantigene – 182
13.6
Bisher nicht sicher anerkannte Alloantigene – 182
13.6.1 13.6.2
Pl(E)-System – 182 Antigen DUZO – 183
13.7
Das Isoantigen Nak(a) – 183
13.8
Thrombozytäre Alloantigene als Risikomarker für arterielle Thrombosen – 183 Literatur – 183
13
178
Kapitel 13 • Alloantigene von Thrombozyten
Menschliche Thrombozyten enthalten ebenso wie alle anderen zellulären Blutelemente genetisch determinierte Alloantigene, die bei vielen Krankheitsbildern wie der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie (7 Kap. 29), der posttransfusionellen Purpura (7 Kap. 37), dem Refraktärzustand bei Thrombozytentransfusionen (7 Kap. 24) und bei Transplantationen (7 Kap. 32) eine wichtige Rolle spielen. Für die Diagnostik, Prophylaxe und Therapie solcher Krankheitszustände ist es deshalb wichtig, thrombozytäre Antigen-Antikörper-Reaktionen zu kennen. Seit einigen Jahren werden darüber hinaus Zusammenhänge zwischen thrombozytären Alloantigen und arteriellen thrombotischen Ereignissen diskutiert.
13.1
Einleitung
Thrombozytäre Alloantigene können anhand ihrer Gewebeverteilung klassifiziert werden:Typ-I-Antigene sind auf Thrombozyten und anderen Blutzellen sowie auf Gewebezellen nachweisbar. TypII-Antigene sind dagegen relativ spezifisch für Thrombozyten und Megakaryozyten [95]. Zu Typ-I-Antigenen rechnet man ABH- und HLA-Klasse-I-Antigene. Als Typ-II-Antigene werden immunogene genetische Varianten der Glykoproteinkomplexe (GP) IIb/IIIa (αIIbβ3-Integrin), Ib/IX, Ia/IIa (α2β1-Integrin), IV, und CD109 bezeichnet, die nach Schwangerschaften, Transfusionen oder Transplantationen dazu führen können, dass Antikörper gebildet werden. Die ebenfalls mit Thrombozyten reagierenden HLA-Antikörper und Isoagglutinine spielen eine Rolle im Zusammenhang mit febrilen Transfusionsreaktionen und dem Refraktärzustand gegenüber Thrombozytentransfusionen. 13.2
13
ABH-Antigene
Auf der Thrombozytenmembran können biochemisch 2 Typen von ABH-Determinanten unterschieden werden:ABH-Antigene vom Typ 1 weisen eine β-1,3-glykosidische Bindung zwischen Galaktose und N-Acetyl-Glucosamin auf, ABH-Antigene vom Typ 2 eine β1,4-glykosidische Bindung an der gleichen Position (Übersicht bei [15]). Frühere Untersuchungen deuteten daraufhin, dass es sich bei thrombozytären ABH-Antigenen um passiv angelagerte Glykolipide handelt, die aus dem Plasma stammen [22][46]. Heute geht man dagegen davon aus, dass der überwiegende Anteil der ABH-Antigene auf thrombozytären Membranglykoproteinen lokalisiert ist. Folgende Glykoproteine sind bislang als Träger von ABH-Antigenen identifiziert worden: Ibα [77][100], IIa, IIIa [100], IIb [88], IV, V [119], PECAM (CD31) [17][101], CD109 [48]. Inzwischen wurden auch membranständige Ganglioside als Träger von ABH-Antigenen beschrieben [16]. Plättchenständige ABH-Determinanten weisen in der Dichte ihrer Expression eine viel größere Variabilität als plättchenspezifische Alloantigene auf [23]. Bei etwa 7 % aller Individuen der Blutgruppen A oder B sind diese Antigene in hoher Dichte auf Thrombozyten feststellbar [88]; dies ist besonders durch eine höhere ABH-Antigenexpression auf GPIIb und PECAM bedingt [17]. Auf Thrombozyten von Personen der Blutgruppe A2 ist das Antigen A dagegen kaum nachweisbar [34][117]. Diese Beobachtungen könnten die teilweise schlechten Thrombozyteninkremente in Abhängigkeit von der ABH-Konstellation erklären [3]. Bei der Analyse thrombozytärer Antikörper sollten auch bei Verwendung glykoproteinspezifischer Assays Testthrombozyten der Blutgruppe 0 benutzt werden, da die meisten thrombozytären Glykoproteine intrinsische ABH-Determinanten tragen. Weitere er-
ythrozytäre Antigene (Le[a] [1], LKE [16]) wurden auf der Thrombozytenmembran nachgewiesen, wobei diese Befunde in der Regel nur eine geringe Rolle für die Transfusionspraxis haben. Die Antigene der Rhesus-, Kell-, Duffy-, Kidd- und Lutheran-Systeme wurden dagegen auf Plättchen nicht identifiziert [24]. 13.3
HLA-Antigene auf Thrombozyten
Auf der Thrombozytenmembran wurden die meisten HLA-KlasseI-Antigene (HLA-A, -B) in großer Dichte nachgewiesen (Übersicht bei [81]), während HLA-C-Antigene auf Plättchen nur schwach exprimiert sind [19][82]. Im Vergleich zu Lymphozyten weist die Dichte der HLA-Antigene auf Thrombozyten eine größere Variabilität auf [69], die offenbar genetisch determiniert ist [41][121]. Klasse-II-Merkmale sind auf zirkulierenden Thrombozyten gesunder Individuen nicht nachzuweisen. Die Expression von HLA-DR-Antigenen auf Thrombozyten eines einzelnen beschriebenen Patienten mit einer akuten Autoimmunthrombozytopenie wird auf die Einwirkung von Zytokinen auf Megakaryozyten zurückgeführt [12]. Einige Autoren vertreten die Hypothese, dass HLA-Antigene im Wesentlichen durch passive Adsorption auf die Thrombozytenmembran gelangen [66]. Experimente, in denen thrombozytäre HLA-Antigene durch Inkubation in hochmolarer Chloroquinlösung ihre Antigenität verlieren, schienen das zu belegen [9]. Santoso et al. konnten jedoch mit In-vivo-Experimenten, in denen HLA-A2positive Personen HLA-A2-negative Thrombozyten transfundiert erhielten, eine Änderung des HLA-A2-Phänotyps z. B. durch Adsorption von A2-Antigen aus dem Plasma nicht nachweisen. Vergleichbare Ergebnisse lieferten Untersuchungen für HLA-B13 [96]. Mit Experimenten, in denen das Verfahren der metabolischen Radioisotopenmarkierung von Thrombozyten eingesetzt wurde, konnte die Synthese von HLA-Klasse-I-Antigenen nachgewiesen werden [103]. Thrombozyten enthalten darüber hinaus spezifische mRNS [103], die für intrinsische HLA-Moleküle kodiert. Der Einfluss hochmolekularer Chloroquinlösungen auf die Antigenität von HLA-Molekülen wird auf die Labilität der nichtkovalenten Bindung zwischen der schweren Kette des HLA-Moleküls und dem β2-Mikroglobulin zurückgeführt. Durch eine Trennung verliert die schwere Kette des HLA-Moleküls den größten Teil ihrer Antigenität [40][67]. Dieses Phänomen wurde zur Identifizierung von HLA-Antikörpern genutzt. Dabei wird die Reaktion von thrombozytenspezifischen Antikörpern mit chloroquinbehandelten Thrombozyten nicht reduziert, wohingegen Plättchen nach einer Chloroquinbehandlung deutlich schwächer mit HLA-Antikörpern reagieren [68][86]. Für die Praxis der Transfusionsmedizin ist es von größter Bedeutung, dass HLA-Antigene auf der Thrombozytenmembran vorhanden sind, da HLA-Antikörper eine häufige Ursache für das nicht angemessene Ansteigen der Thrombozytenzahl nach Transfusionen, den sog. Refraktärzustand, sind. 13.4
Thrombozytäre Alloantigene
Thrombozytäre Alloantigene sind durch spezifische Antikörper gegen molekulare Varianten von Glykoproteinen der Plättchenmembranen definiert. Viele thrombozytäre Alloantigene, die früher als »plättchenspezifisch« eingestuft wurden, konnten inzwischen auch auf anderen Zellen und Geweben nachgewiesen werden. Antigene auf dem β3-Integrin (GPIIIa) finden sich auf Endothelzellen, glatter Muskulatur und Fibroblasten [30], Antigene auf dem α2Integrin (GPIa) wurden auch auf aktivierten T-Lymphozyten [98]
179
13.4 • Thrombozytäre Alloantigene
13
. Tab. 13.1 Phänotypfrequenzen der wichtigsten thrombozytären Alloantigene Antigen
Phänotypfrequenz
Genfrequenzb
Population
Referenz
n pos./n unters.a
[%]
HPA-1a
280/287 1112/1141 300/300
97,56 97,46 >99,66
– 0,834 –
Niederlande Deutschland Japan
[130] [53] [109]
HPA-1b
114/435 146/474
21,21 30,8
0,141 0,116
Niederlande Deutschland
[128] [53]
HPA-2a
1073/1080 473/474
99,4 99,8
0,926 0,940
Niederlande Deutschland
[127] [53]
HPA-2b
243/1696 56/474
14,3 11,8
0,074 0,060
Niederlande Deutschland
[127] [53]
HPA-3a
108/119 491/570
90,76 86,14
0,696 0,616
Niederlande Deutschland
[134] [53]
HPA-3b
80/91 358/569
87,91 62,92
– 0,3838
USA Deutschland
[49] [53]
HPA-4a
300/300 964/964
>99,7 >99,9
0,9917 –
Japan Deutschland
[110] [53]
HPA-4b
5/300 0/964
1,7 <0,1
0,0083 –
Japan Deutschland
[110] [53]
HPA-5a
572/579
98,79
0,889
Deutschland
[53]
HPA-5b
140/678
20,65
0,111
Deutschland
[53]
HPA-15a (Gov(b))
91/113
80,5
0,60
Großbritannien
[4]
HPA-15b (Gov(a))
68/113
60,2
0,40
Großbritannien
[4]
a b
Anzahl positiver/Anzahl untersuchter Individuen. Die angeborenen Genfrequenzen sind den zitierten Arbeiten entnommen oder wurden aus den Häufigkeiten homozygoter und heterozygoter Individuen geschätzt.
und Endothelzellen [29] identifiziert. CD109 findet sich auf aktivierten T-Lymphoblasten [120]. Dagegen sind Antigene der Glykoproteine IIb [28] und Ib/IX plättchenspezifisch.
13.4.1
Nomenklatur
Die ersten entdeckten Antigensysteme wurden mit der Kurzform der Namen derjenigen Patienten benannt, die zuerst gegen ein Allel des entsprechenden Systems immunisiert wurden. Bereits beim Zw/PlA-System kam es aber zu einer Doppelbenennung, da zwei Arbeitsgruppen ihre Publikationen zu ungefähr der gleichen Zeit vorlegten. Mehrfachbenennungen gab es später auch im Bereich anderer Systeme. Da eine solche Vorgehensweise zwangsläufig zu Unklarheiten und Verwechslungen führt, schlugen von dem Borne u. Décary [132] eine systematische Nomenklatur thrombozytärer Alloantigene vor, die Antigene nach folgenden Regeln benennt: Antigensysteme erhalten die Kennung »HPA-« für »human platelet antigen« gefolgt von einer Ziffer, die nach der Reihenfolge der Entdeckung der Antigensysteme vergeben wird. Die Allele eines Systems werden entsprechend ihrer Häufigkeit in alphabetischer Folge gekennzeichnet (. Tab. 13.1). Das häufigste Allel erhält dabei die Kennzeichnung »a«. In den Fällen, bei denen noch nicht alle Allele bekannt sind, wird das erste definierte Antigen mit »W« (für »workshop«) gekennzeichnet [75] (. Tab. 13.2).
13.4.2
HPA-1-System
Das HPA-1-Antigensystem hat in der weißen Bevölkerung klinisch die bei weitem größte Bedeutung. Der erste Antikörper (AntiZw[a]) wurde 1959 von van Loghem im Serum einer Frau gefunden, die nach der Beschreibung in der veröffentlichten Krankengeschichte offensichtlich an einer posttransfusionellen Purpura erkrankt war, ohne dass dieser Begriff, der später von Shulman [112] geprägt wurde, explizit verwendet wurde [130]. Shulman bezeichnete den gleichen Alloantikörper als Anti-Pl(A1). Ein Antikörper gegen das Allel von Zw(a):Anti-Zw(b) (AntiHPA-1b in der aktuellen Nomenklatur) wurde 1963 im Serum einer polytransfundierten Patientin identifiziert [127][128]. Kunicki et al. beobachteten 1978, dass das HPA-1a-Antigen auf Thrombozyten von Patienten mit einer Thrombasthenie Glanzmann stark bis extrem vermindert war und lokalisierten dieses Antigen auf GPIIIa [63][64]. Anti-HPA-1a kann offenbar auch die Funktion antigentragender Thrombozyten beeinträchtigen [129]. Im Jahr 1989 wurde der dem HPA-1-Antigensystem zugrundeliegende Polymorphismus, ein Austausch der Basen C→T an Position 176 der cDNS (nach aktueller Zählung . Tab. 13.3), entdeckt [85]. Dieser geht mit einem Austausch der Aminosäuren Leucin33→Prolin33 des Glykoproteins IIIa einher (. Abb. 13.1). Mit der Aufklärung des diesem Antigen zugrundeliegenden Polymorphismus konnten zum ersten Mal thrombozytäre Antigene mit molekularbiologischen Methoden typisiert werden [73]. Mit Hilfe von
180
Kapitel 13 • Alloantigene von Thrombozyten
. Tab. 13.2 Niedrig frequente Alloantigene. Die molekularbiologischen Daten wurden mit [25] abgeglichen Antigen
Phänotypfrequenz
Molekulare Lokalisation
Aminosäuredimorphismus
Basenaustausch (Genname)
HPA-6W, Tu(a), Ca(a)
1/150 [45]
GPIIIa
Arg489Gln [138]
G1544A (ITGB3)
HPA-7W, Mo(a)
1/450 [62]
GPIIIa
Pro407Ala
C1297G (ITGB3)
HPA-8W, Sr(a)
0/794 [53]
GPIIIa [57]
Arg636Cys [104]
C1984T (ITGB3)
HPA-9W, Max(a)
3/500 [87]
GPIIb
Val837Met
G2602A (ITGA2B)
HPA-10W, La(a)
0/100 [91]
GPIIIa
Arg62Gln
G263A (ITGB3)
HPA-11W, Gro(a)
0/400 [115]
GPIIIa
Arg633His [116]
G1976A (ITGB3)
HPA-12W, Iy(a)
1/253 [54]
GPIb β
Gly15Glu [93]
G119A (GP1BB)
HPA-13W, Sit(a)
1/400 [105]
GPIa
Thr799Met
C2483T (ITGA2)
HPA-14W, Oe(a)
0/600 [106]
GPIIIa
Del611Lys
1909-1911DelAAG (ITGB3)
HPA-16W, Duv(a)
0/100 [38]
GPIIIa
Thr140Ile
C497T (ITGB3)
HPA-17W, Va(a)
0/>250 [44]
GPIIIa
Thr195Met
C622T (ITGB3)
Cab(a)
0/104 [5]
GPIa
Gln716His
G2235T (ITGA2)
Sta
0/100 [90]
GPIIIa
Lys137Gln
A487C (ITGB3)
Kno
0/100 [90]
GPIIb
Thr619Meth
C1949T (ITGA2B)
Nos
0/100 [90]
GPIIIa
Glu628Lys
G1960A (ITGB3)
Hit
7/4536 [56]
GPIIIa
Pro407Ser
C1297T (ITGB3)
. Tab. 13.3 Molekularbiologische Grundlagen der thrombozytärer Alloantigene. (Abgeglichen mit [25])
13
Antigen
Aminosäuredimorphismus
Basen (Genname)
Referenzen
HPA-1a/-1b
GPIIIa:Leu33Pro
T176C (ITGB3)
[85]
HPA-2a/-2b
GPIbα:Thr145Met
C482T (GP1BA)
[61]
HPA-3a/-3b
GPIIb:Ile843Ser
T2621G (ITGA2B)
[72]
HPA-4a/-4b
GPIIIa:Arg143Gln
G506A (ITGB3)
[137]
HPA-5a/-5b
GPIa:Glu505Lys
G1600A (ITGB3)
[102]
HPA-15a/-15b
CD109:Ser703Tyr
C2108A
[107]
rekombinanten Techniken gelang es Bowditch und Mitarbeitern, das HPA-1 Epitop in den Bereich der ersten 66 Aminosäuren der Nterminalen Region von GPIIIa zu lokalisieren [13]. Studien anderer Autoren ließen jedoch erkennen, dass auch die C-terminale Region des GPIIIa für die Stabilität des HPA-1-Epitops erforderlich ist [33] [65]. Dabei reagieren manche HPA-1a-Antikörper nach Abspaltung der C-terminalen Region des Proteins nicht mit GPIIIa [125]. Die überwiegende Zahl von Fällen mit neonataler Alloimmunthrombozytopenie [83] und von posttransfusioneller Purpura [58] wird durch Anti-HPA-1a ausgelöst. Anti-HPA-1b wird dagegen häufiger bei alloimmunisierten polytransfundierten Patienten gefunden [55].
13.4.3
HPA-2-System
Das HPA-2-Antigensystem wurde 1961 von van der Weerdt beschrieben [128]. Anti-Ko(a) (Anti-HPA-2b) wurde im Serum einer polytransfundierten Patientin gefunden. Antikörper mit HPA-2-
Spezifität lassen sich recht zuverlässig mit dem Agglutinationstest nachweisen. Das bei einem japanischen Patienten in einem Refraktärzustand gegen Thrombozytentransfusionen nachgewiesene AntiSib(a) [94] erwies sich später als identisch mit Anti-Ko(a). Die HPA-2-Antigene sind auf dem N-terminalen, globulären Anteil der α-Kette des GPIb lokalisiert (. Abb. 13.2) [60]. Ein Basenaustausch an der Position 482 des Gens für GPIba ist die genetische Grundlage für den HPA-2-Polymorphismus [61]. Von Moroi et al. [80] war 1985 ein Molekulargewichtspolymorphismus der GPIbαKette beschrieben worden. Diese Autoren fanden bei Japanern Varianten des GPIb, die 168, 162, 159 und 153 kD schwer waren, und versahen sie mit den Bezeichnungen A, B, C und D. Später wurde gezeigt, dass Thrombozyten mit schwerem GPIb (Typ A oder B) stets das Antigen Sib(a) besitzen [36]. Die bisher veröffentlichten Befunde sprechen für eine enge genetische Kopplung zwischen dem für die Ko/Sib-Antigene verantwortlichen Basenaustausch und dem komplexeren Molekulargewichtspolymorphismus (A–D) von GPIbα [37]. Lopez et al. konnten den Molekulargewichtspoly-
HPA-2 (Thr145Met)
HPA-4 (Arg143Gln)
GP Ibα
HPA-16w (Thr140lle) HPA-17w (Thr145Met) GP V
Sta (Lys137Gln)
β propeller
13
181
13.4 • Thrombozytäre Alloantigene
Bindungsstelle für vWF
βA domain HPA-12w (Gly15Glu) GP Ibβ
HPA-7w (Pro407Ala) Hybrid domain
GP IX
HPA-10w (Arg62Gln) PSI domain HPA-1 (Leu33Pro)
Thigh domain
HPA-6w (Arg489Gln)
Kno (Thr619Met)
EGF repeats . Abb. 13.2 Thrombozytäre Alloantigene des GPIb/IX/V-Komplexes
Calf domains HPA-9w (Val837Met) HPA-3 (lle843Ser)
HPA-14w (ΔLys611) Cystatin-like domain HPA-11w (Arg633His)
Nos (Glu628Lys) HPA-8w (Arg636Cys) αIlb β3
. Abb. 13.1 Alloantigene des GP-Komplexes IIb/IIIa. Die Domänenstruktur dieses Integrins ist in Anlehnung an [141] dargestellt. αIIb GPIIb, β3 GPIIIa
morphismus mit einer variablen Anzahl von »tandem repeats« (13 Aminosäuren) des GPIbα erklären [71]. Anti-HPA-2b wird gelegentlich bei polytransfundierten Patienten diagnostiziert [55], dieser Antikörper wurde darüber hinaus bei Fällen von NAIT identifiziert [8][32][59].
13.4.4
HPA-3-System
Der erste gegen das HPA-3a-Antigen gerichtete Antikörper wurde 1980 im Serum einer Frau gefunden, deren erstes Kind kurz nach der Geburt an einer thrombozytopenischen Purpura starb [134]. Der Antikörper reagierte mit den Thrombozyten von 90,7 % aller untersuchten Personen in den Niederlanden. Das 4 Jahre danach im Serum einer Patientin mit einer PTP entdeckte Anti-Lek(a) reagierte dagegen mit 98,2 % aller getesteten Personen [10]. Deshalb wurde das korrespondierende Antigen zunächst für ein neues, zuvor noch nicht beschriebenes Plättchenmerkmal gehalten. In einer späteren Untersuchung konnten diese Diskrepanzen auf kontaminierende Antikörper in dem Anti-Lek(a) enthaltenden Serum zurückgeführt werden [133]. Die molekulare Lokalisation des Antigens auf dem GPIIb wurde mit Hilfe der Radioimmunpräzipitation wahrscheinlich gemacht [84] und mit der Technik des Immunoblottings bestätigt [126]. Der
diesem System zugrundeliegende molekulare Polymorphismus beruht auf einem T→G-Basenaustausch, der mit einem Dimorphismus der beiden Aminosäuren Ile843→Ser843 einhergeht [72]. HPA-3a-Antikörper weisen eine immunchemisch feststellbare Variabilität auf, die sich in einem unterschiedlich ausgeprägten Verlust der Bindungsfähigkeit nach teilweiser Denaturierung des GPIIb und Entfernung von Sialinsäuren äußert [122]. Dies spricht dafür, dass für manche Antikörper dieser Spezifität die Entfernung von Oligosacchariden zu einem Verlust der Antigenität führt [21][31]. Die ersten Seren, die Antikörper gegen das Allel von HPA-3a enthielten, wurden bei Patientinnen mit einer PTP beschrieben [49] [51]. Anti-HPA-3b wurde auch bei der Mutter eines Neugeborenen mit einer NAIT nachgewiesen [74].
13.4.5
HPA-4-System
Im Jahr 1985 wurde von Friedman u. Aster [26] erstmalig über einen neuartigen Antikörper (Anti-Pen[a]) bei einer Frau berichtet, die 2 Kinder mit einer schweren Thrombozytopenie geboren hatte. Im folgenden Jahr veröffentlichten japanische Autoren serologische Befunde zu einem Antigensystem, dem sie den Namen Yuk gaben [109][110]. Später stellte sich heraus, dass Pen(a) und Yuk(b) identische Antigene waren. Mit immunchemischen Methoden wurde die antigene Determinante auf dem GPIIIa nachgewiesen [97][108]. Der dem HPA-4-System zugrundeliegende DNS-Polymorphismus wurde 1991 aufgeklärt (. Tab. 13.3) [136][137]. Inzwischen wurden HPA-4b-positive Individuen bei Koreanern, Chinesen, Indonesiern und südamerikanischen Indianern festgestellt. Während in einer deutschen Studie bei 964 untersuchten Blutspendern HPA-4b nicht ein einziges Mal nachgewiesen wurde [53], sind inzwischen 2 Fälle von neonataler Alloimmunthrombozytopenie in Europa bekannt geworden, die durch Anti-HPA-4b verursacht wurden [78][92]. Dagegen ist in Japan Anti-HPA-4b (nach Anti-HPA-5b) der zweithäufigste Antikörper bei schwangeren Frauen; dabei ist Anti-HPA4b häufiger als Anti-5b mit einer klinisch relevanten Thrombozytopenie assoziiert [89]. Ein Fall von PTP durch Anti-HPA-4a wurde ebenfalls beschrieben [114].
182
Kapitel 13 • Alloantigene von Thrombozyten
13.4.7
β propeller βA domain
HPA-5 (Glu505Lys)
Hybrid domain
PSI domain Thigh domain Cab (Gln716His) EGF repeats
Ein weiteres bialleles Antigensystem, Gov(a)/Gov(b), wurde von Kelton et al. [47] beschrieben. Anti-HPA-15b fand sich neben einem Anti-HPA-3a als zusätzlicher Antikörper im Serum einer Patientin mit einer posttransfusionellen Purpura. Anti-HPA-15a wurde im Serum eines Patienten mit einer hämorrhagischen Diathese, die aufgrund häufiger Thrombozytentransfusionen einen Refraktärzustand entwickelt hatte, gefunden. Das HPA-15-System wurde auf CD109 lokalisiert, einem Glykosyl-Phosphatidyl-Inositol-verankerten Membranglykoprotein [70][120]. Die molekulare Grundlage des Polymorphismus wurde 2002 von Schuh et al. publiziert [107] (. Tab. 13.3). Bordin et al. [11] identifizierten Anti-HPA-15a und Anti-HPA-15b in je einem Fall von NAIT. Berry et al. führten eine systematische Suche nach Antikörpern gegen die Merkmale dieses Systems durch, dabei identifizierten sie die meisten Antikörper bei polytransfundierten Patienten [4]. Aufgrund der geringen Antigendichte und der Instabilität des Antigens auf der Thrombozytenmembran müssen die üblichen glykoproteinspezifischen Tests für den Nachweis von HPA-15-Antikörpern modifiziert werden [4]. 13.5
Calf domains Cystatin-like domain HPA-13w (Thr799Met)
α2 β1
13.6
Bisher nicht sicher anerkannte Alloantigene
13.6.1
Pl(E)-System
13 HPA-5-System
Anti-Br(a) (HPA-5b) wurde erstmalig 1988 im Serum von Müttern nachgewiesen, deren Kinder an einer NAIT litten [50]. Das Antigen konnte mit immunchemischen Methoden auf dem thrombozytären GPIa lokalisiert werden [99]. Antikörper gegen Merkmale des HPA5-Systems wurden später auch von anderen Autoren unter anderen Bezeichnungen beschrieben (Zav, Hc) [118][140]. Im Gegensatz zu Antikörpern gegen andere Alloantigene lässt sich dieser Antikörper aufgrund der niedrigen Zahl von Antikörperbindungsstellen am besten in glykoproteinspezifischen Tests nachweisen [52]. Antikörper gegen HPA-5a wurden zuerst im Serum von polytransfundierten Patienten nachgewiesen, fanden sich aber auch bei Fällen von NAIT [6][52]. Anti-HPA-5b ist der zweithäufigste Alloantikörper im Zusammenhang mit der Auslösung der NAIT [42][83]. Auch nach Schwangerschaften, bei denen es nicht zu einer kindlichen Thrombozytopenie kommt, wird er häufig gefunden. Ob Anti-HPA5b in den wenigen Fällen von PTP, in denen dieser Antikörper allein nachgewiesen wurde, eine ursächliche Rolle gespielt hat, ist fraglich [2][14]. Der diesem System zugrundeliegende DNS-Polymorphismus des GPIa-Gens (. Abb. 13.3) ist aufgeklärt [39][102].
Niedrig frequente Alloantigene
Der erste Alloantikörper gegen ein niedrig frequentes Antigen wurde 1990 von Kroll et al. bei einem Fall von NAIT beschrieben [57]. Der Nachweis gelang, weil bei der systematischen Analyse von vermuteten NAIT-Fällen neben dem Antikörperscreening des mütterlichen Serums ein Crossmatch (mütterliches Serum getestet gegen die väterlichen Thrombozyten) unter Verwendung des MAIPA-Assays mitgeführt wurde. Mit dieser Strategie konnten in den folgenden Jahren weitere niedrig frequente Antigene auf den Glykoproteinen IIb/IIIa, Ib/IX, und Ia/IIa identifiziert werden (. Tab. 13.2). Bisher sind Antikörper gegen diese Antigene ausschließlich im Zusammenhang mit Fällen von NAIT beschrieben worden.
. Abb. 13.3 Alloantigene des GP-Komplexes Ia/IIa. α2 GPIa, β1 GPIIa
13.4.6
HPA-15-System
Shulman et al. [113] beschrieben die beiden Antigene Pl(El)/Pl(E2). Anti-Pl(E1) wurde im Serum eines polytransfundierten Patienten mit Hilfe der Komplementbindungstechnik nachgewiesen. Bei einer Populationsstudie zur Untersuchung der Antigenfrequenz reagierte der Antikörper mit allen 945 untersuchten Proben, nur nicht mit den autologen Patiententhrombozyten. Anti-Pl(E2) (Antigenfrequenz: 5 %) wurde im Serum der Mutter eines thrombozytopenischen Kindes gefunden. Das Pl(E1)-Antigen wurde 1988 auf dem Glycocalicinanteil der GPIba-Kette lokalisiert [27]. Mittlerweile sind die Reagenzien, mit denen dieses Antigensystem definiert wurde, nicht mehr komplett verfügbar, und weitere Antikörper dieser Spezifität wurden bisher nicht beschrieben. Daher gilt Pl(E1)/Pl(E2) nicht als gesichertes Antigensystem. Die Originalbeschreibung des Pl(E1)-immunisierten Patienten enthält die Anmerkung, dass seine Thrombozyten ungewöhnlich groß waren und dass er an einer hämorrhagischen Diathese litt [113]. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich um eine seltene Isoantikörperbildung bei einem Patienten mit Bernard-Soulier-Syndrom handelte [135].
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Literatur
13.6.2
Antigen DUZO
Moulinier beschrieb als erster Autor 1958 einen thrombozytären Alloantikörper (Anti-DUZO) im Serum der Mutter eines Kindes mit einer NAIT, der mit den Thrombozyten von 22 % aller untersuchten Individuen reagierte. Proben dieses ersten thrombozytenspezifischen Alloantikörpers standen für eine weitere Charakterisierung des Antigens und für einen Vergleich mit den mittlerweile bekannten Alloantigenen leider nicht zur Verfügung, sodass DUZO als bisher nicht gesichertes Antigen gelten muss. 13.7
Das Isoantigen Nak(a)
Im Jahr 1989 wurde im Serum einer Patientin, die nach Transfusion vieler Thrombozytenkonzentrate einen Refraktärzustand auch gegenüber HLA-verträglichen Thrombozytentransfusionen aufwies, ein neuer Antikörper beschrieben, der mit Thrombozyten von 479 der 499 (96 %) getesteten Japanern reagierte [35]. Das von diesem Antikörper erkannte Antigen, Nak(a), stand offenbar in keiner Beziehung zu allen bisher charakterisierten Merkmalen auf Thrombozyten. Nak(a) konnte bald auf dem thrombozytären GPIV (CD36) lokalisiert werden [111][124][142], weil die Plättchen von Nak(a)-negativen Individuen kein GPIV auf ihrer Membran exprimieren [142]. Damit sollte Nak(a), dem allgemeinen Sprachgebrauch in der Immunhämatologie folgend, nicht als Alloantigen, sondern als Isoantigen bezeichnet werden. Yamamoto et al. [143] klassifizierten Patienten mit GPIV-defizitären Thrombozyten anhand der Expression von GPIV auf Thrombozyten und auf Monozyten. Während Individuen vom Typ I kein GPIV auf Thrombozyten und auf Monozyten exprimieren, tragen Monozyten bei Individuen vom Typ II verminderte Mengen. Bei Japanern ist eine GPIV-Defizienz vom Typ II häufiger als eine TypI-Defizienz. Offenbar werden vor allem Typ-I-Individuen gegen GPIV immunisiert [143]. GPIV wird die Funktion eines Kollagen- und/oder Thrombospondinrezeptors zugeschrieben. Nak(a)-negative Personen sind offensichtlich gesund, wenngleich bei funktionellen Tests (Adhäsion von Thrombozyten an Kollagen Typ V) in vitro Unterschiede zu Nak(a)-positiven Thrombozyten festgestellt werden können [43] [123]. Anti-Nak(a) wurde in einzelnen Fällen von neonataler Isoimmunthrombozytopenie [18] und passiver alloimmuner Thrombozytopenie [79] identifiziert sowie in einem Fall einer PTP-ähnlichen Transfusionsreaktion [7]. 13.8
Thrombozytäre Alloantigene als Risikomarker für arterielle Thrombosen
Funktionell wichtige Rezeptoren sind Träger thrombozytärer Antigene. Diese Rezeptoren vermitteln die Interaktion von Thrombozyten untereinander (GPIIb/IIIa) und mit Strukturen der subendothelialen Matrix (GPIb/IX, GPIa/IIa). Die zentrale Aufgabe des GPIIb/ IIIa-Komplexes ist die Bindung von löslichem Fibrinogen an aktivierte Thrombozyten (erster Schritt der Thrombozytenaggregation). GPIb/IX ist der Adhäsionsrezeptor für von-Willebrand-Faktor und spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der primären Hämostase: Er vermittelt die Adhäsion zirkulierender Thrombozyten an auf Kollagenfibrillen immobilisiertem vWF. Auch der Kollagenrezeptor GPIa/IIa ist wesentlich an der primären Adhäsion und Aktivierung der Thrombozyten beteiligt.
13
Es wurde daher vermutet, dass Mutationen dieser Glykoproteingene, die Grundlage für die beschriebenen Alloantigene sind, einen Einfluss auf die Thrombozytenfunktion haben. Als erste Autoren berichteten Weiss et al. über größere Häufigkeiten von HPA-1b bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit [139]. Diese Beobachtung wurde in einer Reihe von weiteren Studien teilweise bestätigt [20]. Der HPA-1b-Phänotyp bedingt eine Absenkung der Schwelle für eine Thrombozytenstimulation durch Agonisten und ändert weitere Funktionen von GPIIb/IIIa wie Adhäsion, Ausbreitung und »clot retraction« [76][131]. Bei den untersuchten Assoziationen von HPA-Polymorphismen und Plättchenfunktion scheint der Zusammenhang zwischen HPA-1b und der leichteren Stimulierbarkeit von Thrombozyten am besten belegt, wobei es weitere, nach heutiger Kenntnis nicht immunogene Mutationen thrombozytärer Glykoproteine gibt, die Einfluss auf die Thrombozytenfunktion haben [144].
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Kapitel 13 • Alloantigene von Thrombozyten
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Kapitel 13 • Alloantigene von Thrombozyten
Santoso S, Kiefel V, Mueller-Eckhardt C (1989) Human platelet alloantigens Br(a)/Br(b) are expressed on the very late activation antigen 2 (VLA-2) of T-lymphocytes. Hum Immunol 25:237–246 Santoso S, Kiefel V, Mueller-Eckhardt C (1989) Immunochemical characterization of the new platelet alloantigen system Br(a)/Br(b). Br J Haematol 72:191–198 Santoso S, Kiefel V, Mueller-Eckhardt C (1991) Blood group A and B determinants are expressed on platelet glycoproteins IIa, IIIa, and Ib. Thromb Haemost 65:196–201 Santoso S, Santoso S, Mueller-Eckhardt C (1993) PECAM is the major glycoprotein on platelets carrying blood group antigens (abstract). Thromb Haemost 69:1191 Santoso S, Kalb R, Walka M, Kiefel V, Mueller-Eckhardt C, Newman PJ (1993) The human platelet alloantigens Br(a) and Br(b) are associated with a single amino acid polymorphism on glycoprotein Ia (integrin subunit alpha2). J Clin Invest 92:2427–2432 Santoso S, Kalb R, Kiefel V, Mueller-Eckhardt C (1993) The presence of messenger RNA for HLA class I in human platelets and its capability for protein biosynthesis. Br J Haematol 84:451–456 Santoso S, Kalb R, Kroll H, Walka M, Kiefel V, Mueller-Eckhardt C, Newman PJ (1994) A point mutation leads to an unpaired cysteine residue and a molecular weight polymorphism of a functional platelet beta(3) integrin subunit. The Sr(a) alloantigen system of GPIIIa. J Biol Chem 269:8439–8444 Santoso S, Amrhein J, Hofmann HA, Sachs UJ, Walka MM, Kroll H, Kiefel V (1999) A point mutation Thr(799)Met on the alpha(2) integrin leads to the formation of new human platelet alloantigen Sit(a) and affects collagen-induced aggregation. Blood 94:4103–4111 Santoso S, Kiefel V, Richter IG, Sachs UJH, Rahman A, Carl B, Kroll H (2002) A functional platelet fibrinogen receptor with a deletion in the cyteine-rich repeat region of the beta(3) integrin: the Oe(a) alloantigen in neonatal alloimmune thrombocytopenia. Blood 99:1205–1214 Schuh AC, Watkins NA, Nguyen Q, Harmer NJ, Lin M, Prosper JY, Campbell K, Sutherland DR, Metcalfe P, Horsfall W, Ouwehand WH (2002) A tyrosine703serine polymorphism of CD109 defines the Gov platelet alloantigens. Blood 99:1692–1698 Shibata Y, Mori H (1987) A new platelet-specific alloantigen system, Yuk(a)/Yuk(b) is located on platelet membrane glycoprotein IIIa. Proc Jpn Acad 63 (Ser. B):36–38 Shibata Y, Matsuda I, Miyaji T, Ichikawa Y (1986) Yuk(a), a new platelet antigen involved in two cases of neonatal alloimmune thrombocytopenia. Vox Sang 50:177–180 Shibata Y, Miyaji T, Ichikawa Y, Matsuda I (1986) A new platelet antigen system, Yuk(a)/Yuk(b). Vox Sang 51:334–336 Shibata Y, Kim N, Morita S, Ishijima A, Okazaki S (1990) Monoclonal antibody OKM5 and platelet alloantibody anti-Nak(a) have the same specificity. Proceedings of the Japan Academy 66:41–42 Shulman NR, Aster RH, Leithner A, Hiller MC (1961) Immunoreactions involving platelets. V. Post-transfusion purpura due to a complementfixing antibody against a genetically controlled platelet antigen. A proposed mechanism for thrombocytopenia and its relevance in »autoimmunity«. J Clin Invest 40:1597–1620 Shulman NR, Marder VJ, Hiller MC, Collier EM (1964) Platelet and leukocyte isoantigens and their antibodies: serologic, physiologic and clinical studies. In: Moore CV, Brown EB (eds) Progress in hematology, vol IV. Grune & Stratton, New York, pp 222–304 Simon TL, Collins J, Kunicki TJ, Furihata K, Smith KJ, Aster RH (1988) Posttransfusion purpura associated with alloantibody specific for the platelet antigen, Pen(a). Am J Hematol 29:38–40 Simsek S, Vlekke ABJ, Kuijpers RWAM, Goldschmeding R, von dem Borne AEGK (1994) A new private platelet antigen, Gro(a), localized on glycoprotein IIIa, involved in neonatal alloimmune thrombocytopenia. Vox Sang 67:302–306 Simsek S, Folman C, van der Schoot CE, von dem Borne AEGK (1997) The Arg633His substitution responsible for the private platelet antigen Gro(a) unravelled by SSCP analysis and direct sequencing. Br J Haematol 97:330–335
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Das HLA-System G. F. Fischer und W. R. Mayr
14.1
Historische Vorbemerkungen – 190
14.2
Allgemeine Methodik und Nomenklatur – 190
14.3
Genetischer Aufbau – 192
14.3.1 14.3.2 14.3.3
HLA-Klasse l – 193 HLA-Klasse II – 194 Kopplungsungleichgewicht – 197
14.4
Funktion und biologische Bedeutung – 197
14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4 14.4.5
Bindung von Peptiden – 198 Interaktion von Zellen des Immunsystems – 198 Polymorphismus – 199 Transplantation – 200 HLA und Krankheit – 200
Literatur – 202
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190
Kapitel 14 • Das HLA-System
Das humane Leukozytenantigen- (HLA-)System umfasst Zellproteine, welche die Gewebeverträglichkeit maßgeblich bestimmen und in ihrer Gesamtheit auch als Hauptgewebsverträglichkeitskomplex (»major histocompatibility complex«, MHC) des Menschen bezeichnet werden. Das HLA-System weist einen außerordentlichen Polymorphismus auf, derzeit sind mehr als 4000 Allele für die Gene der 5 klassischen Vertreter – HLA-A, -B, -C, -DR und -DQ – beschrieben. Die dreidimensionale Struktur der HLA-Determinanten wurde weitgehend charakterisiert; dies ermöglichte ein eingehendes Verständnis ihrer Funktion im Rahmen der Immunantwort. Die Bestimmung der Typen des HLA-Systems besitzt große klinische Bedeutung für die Spenderauswahl bei Organ- und Stammzelltransplantationen, bei Thrombozytentransfusionen sowie für die Diagnostik einiger Krankheiten.
14.1
14
Historische Vorbemerkungen
Das erste HLA-Merkmal (HLA: »human leukocyte antigen, locus A«) wurde 1958 von Dausset beschrieben [17]. Dieses Alloantigen, welches dem heutigen HLA-A2 entspricht, trug ursprünglich die Bezeichnung »Mac« und wurde mit Hilfe von Antikörpern aus Seren polytransfundierter Individuen definiert. Dausset vermutete von Beginn an, dass derartige Alloantigene für die Organtransplantation von Bedeutung sein könnten. Für diese Entdeckung wurde er 1980 mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet. Erst 1963 wurden die nächsten HLA-Merkmale, 4a und 4b (jetzt Bw4 und Bw6), von van Rood und van Leeuwen beschrieben [58]. Damit begann eine einzigartige internationale Kooperation, die sich in den International Histocompatibility Workshops organisierte. Der Wissensstand um das HLA-System entwickelte sich so in beispielloser Weise. Bis jetzt wurden 15 Arbeitstagungen durchgeführt: 1964 in Durham (USA), 1965 in Leiden (Niederlande), 1967 in Turin (Italien), 1970 in Los Angeles (USA), 1972 in Evian (Frankreich), 1975 in Aarhus (Dänemark), 1977 in Oxford (Großbritannien), 1980 in Los Angeles (USA), 1984 in München (Deutschland) und Wien (Österreich), 1987 in Princeton und New York (USA), 1991 in Yokohama (Japan), 1997 in Saint Malo und Paris (Frankreich), 2002 in Victoria (Kanada) und Seattle (USA), 2005 in Melbourne (Australien) sowie 2008 in Buzios und Rio de Janeiro (Brasilien). In den Histocompatibility Workshops werden von den Teilnehmern verschiedene Aspekte des HLA-Systems mit einheitlichen Reagenzien oder mit einheitlichen Zellproben untersucht. Die Ergebnisse dieser Arbeitstagungen sind in den Bänden Histocompatibility Testing 1965, 1967, 1970, 1972, 1975, 1977, 1980 und 1984, Immunobiology of HLA (1987), HLA 1991, Genetic diversity of HLA. Functional and medical implications (1997), Immunobiology of HLA 2002, zuletzt in einem Sonderband von Tissue Antigens [42] veröffentlicht. Diese groß angelegte internationale Zusammenarbeit ermöglichte eine umfassende Definition der HLA-Gene und ihrer Produkte und damit die weitgehende Aufklärung der praktischen Bedeutung dieses Systems für die allgemeine Biologie und die klinische Medizin. 14.2
Allgemeine Methodik und Nomenklatur
Die Voraussetzung für diese Entwicklung bildete eine standardisierte und reproduzierbare Methodik zum Nachweis der HLAMerkmale. Zunächst wurde der mikrolymphozytotoxische Test als Standardmethode für die Bestimmung der HLA-Spezifitäten etabliert [8]. Üblicherweise werden die humanen Seren zum Nachweis
der HLA-Merkmale nach Immunisierung durch Bluttransfusionen, Schwangerschaften und/oder Organtransplantationen gewonnen; »natürlich vorkommende« Alloantiseren sind extrem selten. Monoklonale Antikörper [32], die in Xenosystemen (Immunisierung von Mäusen mit menschlichen Lymphozyten, Fusion der Mäusemilzzellen mit Mäusemyelomzellen, danach Klonierung der antikörperbildenden Zellen) produziert werden, können alternativ für den Nachweis einiger HLA-Spezifitäten eingesetzt werden. In den letzten Jahren setzen sich für die HLA-Typisierung molekulargenetische Methoden durch. Sie beruhen auf der Polymerasekettenreaktion (PCR, [49]). Das Primerpaar für die PCR kann so gewählt werden, dass alle Allele eines HLA-Gens (»generisch«), nur ein Teil (»gruppenspezifisch«) oder einzelne Allele (»allelspezifisch«) amplifiziert werden. Bei der generischen Amplifikation sind die Primer üblicherweise komplementär zu konstanten Abschnitten der DNA, die beidseits der variablen Sequenzen liegen (z. B. konstante Abschnitte am Beginn und Ende des Exon 2 von HLA-DRGenen für die generische DR-Amplifikation). Bei der gruppen- oder allelspezifischen Amplifikation sind die Primer komplementär zu polymorphen Abschnitten, die charakteristisch für Gruppen von Allelen oder für einzelne Allele sind. Die Analyse der Amplifikationsprodukte wird hauptsächlich mit folgenden Techniken durchgeführt: 1. SSOP-Technik (»sequence specific oligonucleotide probe«): Das Verfahren beruht auf dem Prinzip, dass eine Oligonukleotidsonde ausschließlich an Amplifikationsprodukte hybridisiert, die komplementäre Sequenzabschnitte aufweisen. Ein bestimmtes Allel ist durch das Hybridisierungsmuster mehrerer sequenzspezifischer Oligonukleotidsonden charakterisiert. Bei der SSOP-Technik wird entweder das denaturierte – einzelsträngige – Amplifikationsprodukt (»dot blot«-Technik, [50]) oder die Sonde (»reverse dot blot«-Technik, [19]) auf einer Nylonmembran immobilisiert. Die Hybridisierung wird mittels enzymatischer Methoden nachgewiesen, z. B. mit dem Enzym Peroxidase und einem präzipitierenden Substrat. 2. SSP-Technik (»sequence specific primer«): Die PCR wird mit einem Primerpaar durchgeführt, das komplementär zu den Sequenzen einzelner oder einer Gruppe von Allelen ist. Es kommt daher nur dann zur Amplifikation, wenn das entsprechende Allel tatsächlich in der untersuchten DNA-Probe vorhanden ist. Der Nachweis des Amplifikationsprodukts erfolgt in einem Agarosegel. Nach Verwendung mehrerer solcher sequenzspezifischer Primerpaare wird das Allel, das in der DNA-Probe vorhanden ist, durch das Muster der positiven und negativen Amplifikationsreaktionen identifiziert [44]. 3. SBT-Technik (»sequencing based typing«): Die Sequenz des Amplifikationsprodukts kann auch direkt mittels Nukleinsäuresequenzierung bestimmt werden. Der HLA-Typ wird durch Vergleich der erhaltenen Sequenz mit einer Datenbank, welche die bekannten Allele umfasst, ermittelt [48]. Eine Datenbank mit Sequenzen der offiziell anerkannten Allele befindet sich im World Wide Web unter der Adresse Êhttp://www.ebi.ac.uk/ imgt/hla/ [46]. Obwohl eine Reihe weiterer Methoden beschrieben wurde, haben sich für die Routinediagnostik die oben erwähnten Verfahren durchgesetzt. Der Vorteil der SSP-Methode besteht im geringen Zeitaufwand (ca. 3 h), der Vorteil der SSOP-dot-blot-Technik ist die Möglichkeit, große Untersuchungsserien ökonomisch durchzuführen. Während bei der SSOP- und der SSP-Technik der Umfang der analysierten polymorphen Sequenzabschnitte von der Zahl der eingesetzten
191
14.2 • Allgemeine Methodik und Nomenklatur
Sonden bzw. Primerpaare abhängt, werden mit der Nukleinsäuresequenzierung alle polymorphen Positionen des Amplifikationsprodukts auf einmal erfasst. Damit ist eine umfassende Charakterisierung des Polymorphismus möglich. Die Sequenzierung ist daher die Methode der Wahl zur Beschreibung neuer Allele. Folgende Nomenklatur der serologisch oder zellulär nachweisbaren HLA-Merkmale wurde vom HLA-Nomenklaturkomitee, das von der Weltgesundheitsorganisation eingesetzt wurde, empfohlen [39]: 5 Bezeichnung des Systems: HLA, 5 Bezeichnung der Loci bzw. der Regionen: A, B, C usw., 5 Bezeichnung der Spezifität: 1, 2, 3 usw., 5 Gebrauch des Buchstabens »w«: Symbol zur Kennzeichnung von 5 zellulär definierten Spezifitäten, 5 HLA-Bw4- und -Bw6-Epitopen, die an allen HLA-B- und einigen HLA-A-Genprodukten nachweisbar sind, sowie 5 aller HLA-C Spezifitäten (um eine Verwechslung mit Komplementproteinen zu vermeiden); 5 bei Vorliegen von Unterteilungen der HLA-Merkmale kann die breitere Spezifität in Klammern hinter der engeren angegeben werden, z. B. A23(9), 5 Schreibweise für Phänotypen: HLA-A1,3; B7,8; Cw7; DR2,3, 5 Schreibweise für Genotypen: HLA-A1, B8, Cw7, DR3/A3, B7, Cw7, DR2, 5 neue serologisch definierte Spezifitäten erhalten nur eine offizielle Bezeichnung, wenn das entsprechende Allel sequenziert wurde; die Bezeichnung der Spezifität entspricht der des Allels (z. B.: A203 = Genprodukt von A*02:03). Für die Bezeichnung der molekularbiologisch nachweisbaren Allele gelten folgende Regeln: 5 Bezeichnung des Systems: HLA. 5 Bezeichnung der Loci bzw. der Regionen: A, B, C usw. 5 Separator: *, damit werden Locusnamen und Allelbezeichnung getrennt. 5 Allel- (gruppen-)Bezeichnung: Einzelne Allele oder Allelgruppen werden mit einer oder mehreren (bis zu 4) Zifferngruppen bezeichnet. Bei der Verwendung von mehreren Zifferngruppen werden diese durch Doppelpunkte getrennt. 5 Die Zifferngruppen sind mindestens zweistellig, d. h. Zahlen unter 10 werden mit einer führenden Null angegeben; die Größe der Zahl in einer Zifferngruppe ist nach oben hin unbeschränkt. 5 Die erste Zifferngruppe bezeichnet in der Regel eine Familie von Allelen, deren Produkte der serologischen Spezifität mit derselben Zahl entsprechen. Zum Beispiele werden mit HLA-A*02 all jene Allele bezeichnet, welche HLA-Moleküle kodieren, die die serologische Spezifität A2 aufweisen. Es gibt jedoch Ausnahmen von der Regel; so kodiert das HLAB*50:02-Allel ein HLA-B-Molekül mit der Spezifität HLA-B45. Eine Zusammenstellung aller bekannten oder mittels eines neuronalen Netzwerks vorhergesagten serologischen Entsprechungen gibt das HLA Dictionary [30]; darüber hinaus wird eine Abfragemöglichkeit auf Êhttp://www.ebi.ac.uk/imgt/hla/ dictionary.html angeboten. 5 Die zweite Zifferngruppe bezeichnet Allele für Subtypen von HLA-Molekülen gleicher Spezifität, die unterschiedliche Aminosäuresequenzen aufweisen; Beispiel: die Proteine der HLA-A*02:01- und der HLA-A*02:05-Allele unterscheiden sich durch drei Aminosäuresubstitutionen, welche jedoch
5
5
5 5
14
außerhalb der Regionen liegen, in denen das HLA-A2-Epitop kodiert wird. Die dritte Zifferngruppe dient zur Unterscheidung von Allelen, die zwar gleiche Proteine kodieren, sich voneinander jedoch durch Nukleotidsubstitutionen (»stumme Austausche«) unterscheiden. Die vierte Zifferngruppe letztendlich dient zur Bezeichnung von Allelvarianten, die idente Sequenzen in den Exons aufweisen sich voneinander durch Nukleotidsubstitutionen in den nichtkodierenden Bereichen (Introns, 5‘- und 3‘-untranslatierte Bereiche) unterscheiden. Das Präfix »HLA« kann entfallen, wenn aus dem Zusammenhang ersichtlich ist, dass es sich um einen HLA-Locus handelt. Allele des HLA-C-Locus führen als Locusbezeichnung »HLA-C« und nicht mehr wie früher »HLA-Cw«.
Diese Regeln für die Nomenklatur der HLA-Allele gelten ab dem 01.04.2010. Zuvor galt die Regel, dass die Zifferngruppen für die Allelbezeichnung zweistellig und nicht durch einen Doppelpunkt getrennt waren. Damit war die größte Zahl für eine Zifferngruppe mit 99 begrenzt. Zum ersten Mal traten mit diesem System im Jahr 2004 Probleme auf, als die Zahl der bis dahin bekannten A*02-, B*15- und DPB1-Allele größer als 99 war und sie mit dem 2 + 2 + 2 + 2-Format nicht mehr dargestellt werden konnten. Aus diesem Grunde wurde damals empfohlen, A*02 als A*92 und B*15 als B*95 fortzuführen; bei den DPB1-Allelen wurden die vorhandenen freien Plätze aufgefüllt (z. B. DPB1 * 0102). Diese nicht systematischen Entscheidungen wurden mit der neuen Nomenklatur revidiert. Die HLA-A*92- und HLA-B*95-Allelfamilien wurden in die HLA-A*02- und HLA-B*15-Familien integriert; so wurde beispielsweise A*9201 zu A*02:101 und B*9501 zu HLA-B*15:101. Ebenso wurden einige HLA-DPB1-Allele mit neuen Zahlen bezeichnet, z. B. wurde aus DPB1 * 0102 nun DPB1:100:01. Listen der alten und neuen HLA-Allelnamen werden auf der offiziellen Webseite der HLA-Allele Êhttp://www.ebi.ac.uk/imgt/hla/convert_name.html bereitgestellt. Die Möglichkeit, einzelne Großbuchstaben nach den Zifferngruppen zu stellen, wird in zweifacher Hinsicht verwendet: 5 Einerseits werden bestimmte Buchstaben zur Beschreibung des Expressionsverhaltens benutzt: 5 »N« (»Nullallel«) steht für nicht exprimiert, 5 »L« (»low«) für schwach exprimiert, 5 »S« (»secreted«) bezeichnet Varianten, die im Plasma, aber nicht an der Zellmembran nachgewiesen werden können, 5 »Q« (»questionable«) wird verwendet, wenn nachgewiesen wurde, dass die Mutation die Ausprägung des Genprodukts beeinflusst, 5 »A« (»aberrant«) zeigt an, dass die Expression eines Allelprodukts unklar ist, 5 »C« (»cytoplasmic«) bezeichnet Allelprodukte, welche nicht an der Zellmembran, sondern nur im Zytoplasma nachweisbar sind. 5 Andererseits bietet die neue Nomenklatur mit den Buchstaben »P« und »G« die Möglichkeit, uneindeutige Typisierungsergebnisse abgekürzt zu berichten: Viele Typisierungsmethoden, die gegenwärtig in Verwendung stehen, erlauben keine eindeutige Zuordnung eines einzelnen Allels; es ist oft nur möglich, die Typisierung auf eine Gruppe eng verwandter Allele zu begrenzen. In der klinischen Praxis ist es für viele Fragestellungen auch nur wichtig, Allelgruppen zu unterscheiden, die unterschiedliche peptidbindende Regionen (PBR) aufweisen, wobei die PBR für die Klasse-I-Allele
192
Kapitel 14 • Das HLA-System
6q
6p
langer Arm des Chromosoms 6
kurzer Arm des Chromosoms 6
Zentromer PGM3
GLO
HLA
F13A
5 cM
18 cM
~ 20 cM . Abb. 14.1 Anordnung der polymorphen Genorte am Chromosom 6
im Exon 2 und 3, für die Klasse-II-Allele im Exon 2 kodiert werden. Varianten, die sich in Substitutionen außerhalb dieser Bereiche unterscheiden, werden dann nicht unterschieden. Bei der Befundung müssen aber alle Allele, welche idente PBR aufweisen, angeführt werden. Dies führt oft zu langen Allelauflistungen. Nun besteht die Möglichkeit, alle Allele, welche die gleiche PBR-Proteinsequenz kodieren, mit dem Buchstaben »P« zusammenzufassen, der der Allelbezeichnung der Allels mit der niedrigsten Nummer in der Gruppe folgt.
14
Als Beispiel seien die Allele A*02:01:01:01/A*02:01:01:02L/ A*02:01:01:03/A*02:01:02/A*02:01:03/A*02:01:04/A*02:01:05/ A*02:01:06/A*02:01:07/A*02:01:08/A*02:01:09/A*02:01:10/A*02:01:11/A*02:01:12/A*02:01:13/A*02:01:14/A*02:01:15/ A*02:01:17/A*02:01:18/A*02:01:19/A*02:01:21/A*02:01:22/ A*02:01:23/A*02:01:24/A*02:01:25/A*02:01:26/A*02:01:27/ A*02:01:28/A*02:01:29/A*02:01:30/A*02:01:31/A*02:01:32/ A*02:01:33/A*02:01:34/A*02:01:35/A*02:01:36/A*02:01:37/ A*02:01:38/A*02:01:39/A*02:01:40/A*02:01:41/A*02:01:42/ A*02:09/A*02:66/A*02:75/A*02:89/A*02:97:01/A*02:97:02/ A*02:132/A*02:134/A*02:140 genannt, welche allesamt idente PBR besitzen. In abgekürzter Form können sie als A*02:01P berichtet werden. Zu beachten ist, dass dies auch bedeutet, dass sämtliche Nullallele ausgeschlossen wurden. Ähnlich ist es möglich, Ambiguitäten, welche Allele enthalten, die idente Nukleotidsequenzen für die PBR-kodierenden Abschnitte enthalten, mit dem Buchstaben »G« zusammenzufassen, der der Allelbezeichnung des Allels mit der niedrigsten Nummer in der Gruppe folgt. Das nicht eindeutige Typisierungsergebnis A*02:01:01:01/A*02:01:01:02L/A*02:01:01:03/A*02:01:08/ A*02:01:11/A*02:01:14/A*02:01:15/A*02:01:21/A*02:09/ A*02:43N/A*02:66/A*02:75/A*02:83N/A*02:89/A*02:97:01/ A*02:97:02/A*02:132/A*02:134/A*02:14, welches wiederum Allele mit gleicher Sequenz im Exon 2 und 3 zusammenfasst, wird dann zu A*02:01:01G. Es muss sichergestellt sein, dass aus dem Befund hervorgeht, welche Typisierungstechniken verwendet wurden. Wird eine serologische Spezifität berichtet, muss angeführt werden, ob sie tatsächlich serologisch nachgewiesen oder ob sie aus dem DNA-Ergebnis abgeleitet wurde.
14.3
Genetischer Aufbau
Die DNA-Region des HLA-Systems umfasst ungefähr ein Tausendstel des menschlichen Genoms und enthält eine Reihe eng gekoppelter Genorte [3]. Mittels zytogenetischer Analysen wurde sie an die Bande 6p21 des kurzen Arms des Chromosoms 6 lokalisiert. Am kurzen Arm dieses Chromosoms liegen noch 2 andere polymorphe Genorte, die mit HLA gekoppelt sind: GLO (Glyoxalase I, ein Enzym, dessen Polymorphismus aus Lysaten von Erythrozyten bestimmt wird) und F13A (Untereinheit A des Gerinnungsfaktors XIII). Der 3. Genort der Phosphoglucomutase, PGM3, ist auch mit HLA gekoppelt, liegt aber bereits am langen Arm des Chromosoms 6 (Bande 6q12). Der Aufbau dieses Abschnitts des Chromosoms 6 sowie die Entfernungen zwischen den Loci in Centimorgan (1 cM entspricht einer Rekombinationsfrequenz von 1 % und beinhaltet ca. 1 Mio. Basen eines DNS-Strangs= 1000 Kilobasen, kb) sind in . Abb. 14.1 angegeben. Der menschliche HLA-Genkomplex wurde bereits 1999 komplett sequenziert [55]. Die erhobenen Befunde zeigen, dass dieser chromosomale Bereich eine sehr hohe Dichte an Genorten hat, da er 224 Loci umfasst, von denen ca. 130 exprimiert sind. Diese funktionellen Gene sind in . Tab. 14.1 angeführt, . Abb. 14.2 gibt einen Überblick über die Anordnung einiger Loci. Die chromosomale Organisation in Form von eng gekoppelten Loci mit ähnlicher Funktion lässt an eine Entstehung durch mehrfache Duplikationen der Gene denken. Diese Hypothese wird durch die signifikanten biochemischen Analogien zwischen den einzelnen Genprodukten erhärtet. Die Ähnlichkeit der 3. Domänen der Klasse-I-Antigene bzw. der 2. Domänen der Klasse-II-Genprodukte mit Teilen der Immunglobulinmoleküle lässt auf einen gemeinsamen Ursprung der jeweiligen Exons schließen. Die Stabilität des MHC im Lauf der Evolution kann am leichtesten durch starke funktionelle Interaktionen der einzelnen Genorte erklärt werden; eine alternative Erklärung liegt möglicherweise in einer zentralen genetischen Steuerung der biologischen Funktion des MHC. Die Gene können nach der Funktion eingeteilt werden in 5 die HLA-Klasse-l- und Klasse-II-Gene, deren Produkte Peptide binden und diese als Antigene präsentieren, 5 Gene, deren Produkte eine Funktion innerhalb der Immunantwort besitzen (z. B. C2, C4A, C4B, BF, TNFA und TNFB, Transporter- und Proteasomgene, HSP70), 5 Gene, die keine Beziehung zur Immunantwort aufweisen (z. B. CYP 21, Valyl-tRNS-Synthetase, VARS 2), 5 Gene mit unbekannter Funktion (z. B. RD, OSG, G1–G18).
Die HLA-Klasse-I-Genorte (HLA-A, -B, -C) kennzeichnen die HLA-Klasse-I-Region. Sie kodieren Polypeptide, die glykosyliert ein Molekulargewicht von ca. 44 kD aufweisen. Mit Hilfe molekulargenetischer Methoden wurde gezeigt, dass im HLA-System mehr als 20 derartiger Genorte vorliegen; einige davon (z. B. HLA-H, -J, -K und -Q) gelten als Pseudogene, die keine vollständigen Produkte ausbilden. Die Größe der Klasse-I-Loci beträgt ungefähr 10 kb. HLA-A, -B und -C, die »klassischen« HLA-Klasse-l-Loci, sind extrem polymorph und an nahezu allen Geweben exprimiert. HLA-E, -F und -G, die »nichtklassischen« Klasse-I-Genorte, kodieren Produkte mit eingeschränkter Zellverteilung und geringerem Polymorphismus. In der HLA-Klasse-I-Region finden sich auch Genorte, deren Produkte bei der Prozessierung von Antigenen beteiligt sind: TAP1 und TAP2 (»transporter associated with antigen processing«, TAP) sowie PSMB9 und PSMB8 (»proteasome subunit beta«, PSMB; vormals LMP2 und LMP7, »large multifunctional protease, proteasome-related«, LMP). Die HLA-Klasse-II- (HLA D-)Genorte, welche die HLA-KlasseII-Region definieren, umfassen jeweils ca. 10 kb. Die Loci kodieren für α-Ketten (glykosylierte Polypeptide mit einem Molekulargewicht von 33 kD) und ß-Ketten (glykosylierte Polypeptide mit 29 kD). Zwischen der HLA-Klasse-I- und der HLA-Klasse-II-Region liegt die HLA-Klasse-III-Region. Dort befinden sich: 5 mindestens 4 Genorte, die Proteine des Komplementsystems steuern: C2, C4A, C4B und BF (BF: Faktor B des Properdins), wobei C4A und/oder C4B dupliziert sein können. Die Größe dieser Gene beträgt 18 kb, 22 kb, 16 kb bzw. 6 kb. Die erythrozytären Alloantigene Cha (Chido) und Rga (Rodgers) stellen Antigendeterminanten der C4B- bzw. C4A-Moleküle dar, die nicht von den roten Blutkörperchen produziert, sondern nur an deren Oberfläche adsorbiert werden; 5 2 Genorte für Tumor-Nekrose-Faktoren (TNFA und TNFB); 5 Loci für Hitzeschockproteine (HSP70) und für HLA-B-assoziierte Transkripts (BAT1, BAT5, B144 etc.); die Produkte dieser Genorte spielen möglicherweise für zelluläre Antworten bei unspezifischen Schädigungen, z. B. Hitze, eine Rolle; 5 2 Loci für die MIC-Proteine (MIC: »MHC class I related chain«), MIC-A und MIC-B [2]; 5 das Strukturgen der 21-Hydroxylase (CYP21), eines Enzyms, dessen Fehlen eine Form des adrenogenitalen Syndroms bedingt. Neben diesem funktionellen 21-Hydroxylasegen liegt im HLA-System noch ein 21-Hydroxylase-Pseudogen (CYP21P); beide Gene umfassen jeweils 4–6 kb.
14.3.1
HLA-Klasse l
Die HLA-Klasse-I-Loci steuern die schweren Ketten, Polypeptide mit 44 kD, die glykosyliert werden und an die sich eine leichte Kette, das β2-Mikroglobulin, in der Form einer nichtkovalenten Bindung anlagert. β2-Mikroglobulin ist ein nichtpolymorphes Polypeptid mit 12 kD, das über das Chromosom 15 (Lokalisierung: Bande 15q14) gesteuert wird. Das Heterodimer zwischen einer schweren Kette und β2-Mikroglobulin bindet intrazellulär ein Peptid (. Abb. 14.3). Dieses Heterotrimer wird an die Oberfläche transportiert und ergibt das serologisch nachweisbare Klasse-I-Antigen, wobei für die Ausprägung der alloantigenen Epitope die Anwesenheit von β2Mikroglobulin notwendig ist. Die schwere Kette besteht aus einem extrazellulären Anteil (278 Aminosäuren), einem transmembranen Teil (28 hydrophobe
14
193
14.3 • Genetischer Aufbau
. Tab. 14.1 HLA-Faktoren und Allele. Eine aktuelle Aufstellung der
HLA-Allele mit Sequenzinformationen findet sich unter Êhttp:// www.ebi.ac.uk/imgt/hla/index.html [46] Locus
Faktoren
Allele
HLA-A
28
965
HLA-B
61
1543
HLA-C
10
626
HLA-DRA
–
3
HLA-DRB1
19
855
HLA-DRB3
1
52
HLA-DRB4
1
14
HLA-DRB5
1
19
HLA-DQA1
–
35
HLA-DQB1
9
107
HLA-DPA1
–
28
HLA-DPB1
6
138
Aminosäuren) und einem intrazellulären Abschnitt (32 Aminosäuren mit dem COOH-Ende). Der extrazelluläre Teil ist aus 3 Domänen mit 90, 92 bzw. 96 Aminosäuren aufgebaut, von denen die 2 äußeren, α1 und α2, die durch die Aminosäuresequenz determinierten Epitope der Alloantigene tragen. Die einzelnen Genprodukte weisen sehr starke Homologien untereinander auf, es liegen aber ebenso einige stark variable Regionen vor: Aminosäuren 9, 24, 45, 62, 65–67, 69–71, 74, 76, 77, 80, 95, 97, 114, 116, 156 und 163. Die 3. Domäne, die nächst der Zellmembran liegt, ist innerhalb einer Spezies relativ konstant und besitzt starke Analogien zu IgG-Domänen, insbesondere zu CH3 (3. Domäne des konstanten Teils der schweren Ketten) von IgG1 [62]. Die kristallographische Struktur der HLA-Klasse-I-Moleküle ist aufgeklärt [4][5][36]: Der distale Anteil des HLA-Genprodukts, der die 2 äußeren extrazellulären Domänen umfasst, besteht aus einer Plattform von 8 antiparallelen ß-Faltblättern, über der 2 α-Helices liegen. Zwischen den beiden α-Helices besteht eine Vertiefung (»Grube«), die zur Aufnahme von Peptiden dient, die hauptsächlich beim Abbau von endogenen (zytosolischen oder auch viralen) Antigenen entstehen [45][61], (. Abb. 14.3). Die Exon-Intron-Organisation der Klasse-I-Gene entspricht der biochemischen Struktur der Genprodukte, da die 3 extrazellulären Domänen sowie die Transmembranregion durch verschiedene Exons kodiert werden; der intrazelluläre Teil entspricht 3 Exons. Die HLA-Klasse-I-Merkmale sind mit quantitativen Unterschieden an allen kernhaltigen Zellen des Organismus vorhanden. Mit Absorptionsuntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die größte Quantität an Milzzellen vorliegt, gefolgt von der Lunge und der Leber, während Fett kaum Antikörper gegen HLAKlasse I absorbiert. An Retikulozyten und auch an reifen Erythrozyten sind einige HLA-Klasse-I-Merkmale feststellbar: die Antigene des erythrozytären Bg- (Bennett-Goodspeed-)Systems stellen an roten Blutkörperchen nachweisbare HLA-Klasse-I-Alloantigene dar (Bga = HLA-B7, Bgb = HLA-B17 und Bgc = HLA-A28). An den Genorten HLA-A, HLA-B und HLA-C liegt eine extreme multiple Allelie vor. Die zur Zeit vom Nomenklaturkomitee anerkannten Spezifitäten sind in . Tab. 14.2 angegeben [39].Wie
194
Kapitel 14 • Das HLA-System
DP-Subregion DPB1 DPA2 DPA1 DPB2
Klasse II
0
100
200
300 G16
»Klasse III«
G17 G18
1100
G15 G14 G13
1200
1300
DR-Subregion
DQ-Subregion
DNA
DMA
TAP1 LMP7 DQB2 LMP2 DQA2 TAP2 DMB DOB DQB3
400
500
600
DQB1 DQA1
700
DRB1/3/4
800
DRB9 DRA
900
1000 kb
CYP CYP B144 G4 C2 G9a 21 21 HSP70 G7 G6 G5 G3 G1 TNF OSG C4A RD G9 G12 C4B G11 BF G10 G2 AB BAT1 G8 2 1H G7a BAT5
1400
1500
1600
1700
1800
1900
2000 kb
Klasse I HLA-B
HLA-C
HLA-E
HLA-L
HLA-A HLA-H HLA-J HLA-K
HLA-G HLA-F
2100 2200 2300 2400 2500 2600 2700 2800 2900 3000 3100 3200 3300 3400 3500 3600 3700 3800 3900 4000 kb . Abb. 14.2 Struktur des HLA-Genkomplexes
14
aus dieser Tabelle ersichtlich ist, können zahlreiche supertypische, durch Antiseren mit breiterem Wirkungsspektrum definierte Merkmale in subtypische Faktoren unterteilt werden, die durch Seren mit engerer Reaktivität nachweisbar sind. Dieses Phänomen entspricht formal der Unterteilung der Blutgruppe A in A1 und A2 und beruht auf der Tatsache, dass die HLA-Klasse-I-Alloantigene mehrere Epitope tragen. So besitzt z. B. das durch HLA-A9 kodierte Molekül neben dem A9-Epitop noch die Epitope A23 oder A24. Für die formalgenetische Betrachtung der HLA-A-, -B- und -C-Gene ist es daher möglich, das Allel, das den supertypischen Faktor kodiert, durch die Allele für die subtypischen Determinanten zu ersetzen. Familien- und Populationsanalysen zeigten, dass noch nicht alle Alloantigene der 3 Loci HLA-A, -B und -C serologisch erfassbar sind. Die Allele, die die noch »unbekannten« Alloantigene steuern, werden als AX, BX bzw. CwX bezeichnet. Die Nukleotidsequenz zahlreicher HLA-Klasse-I-Allele ist bereits bekannt. Ein Vergleich des HLA-Polymorphismus in den verschiedenen Genorten bezüglich der Spezifitäten und der Allele ist in . Tab. 14.1 angeführt [39]. Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass die einzelnen HLA-Spezifitäten (Bestimmung im Phänotyp) durch zahlreiche unterschiedliche Allele (Definition durch molekulargenetische Methoden) kodiert werden. Die zurzeit offiziell anerkannten HLA-Klasse-I-Allele sind mit den assoziierten Spezifitäten in . Tab. 14.2 angegeben. Die Frequenzen der HLA-A-, -B- und -CAllele sind zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen stark unterschiedlich. Zwischen den Alloantigenen innerhalb der einzelnen Genorte liegen zahlreiche Kreuzreaktionen vor, die entweder klassische Kreuzreaktionen darstellen (ein Antikörper reagiert mit verschiedenen Determinanten, die sich in ihrer Oberflächenstruktur ähnlich sind) oder die durch das Vorhandensein gemeinsamer Determinanten an verschiedenen Genprodukten bedingt sind. Die häufigsten Kreuzreaktionen innerhalb der Loci HLA-A und HLA-B liegen bei folgenden Spezifitäten vor: A2×A28, A1×A36, A3×A11, A10×A19Komplex, B5×B35×B53, B7×B27×B40×B22, B8×B14 und B13×B40.
Antigengruppen, gegen die oft kreuzreagierende Antikörper gerichtet sind, werden als kreuzreagierende Gruppen bezeichnet (»cross reacting groups«, CREG). Auch die 1963 von van Rood und van Leeuwen beschriebenen Merkmale Bw4 und Bw6 [58] sind Determinanten, die an verschiedenen HLA-B- und an einigen HLA-A-Genprodukten vorhanden sind: So ist Bw4 an den Produkten von B5, B13, B17, B27 (außer B2708), B37, B38, B44, B47, B49, B53, B59, B63, B77, A9, A25 sowie A32 und Bw6 an jenen von B7, B8, B14, B18, B22, B2708, B35, B39, B40, B41, B42, B45, B46, B48, B50, B62, B67, B70, B73, B75, B76, B78, B81 und B82 auffindbar. Im Locus HLA-C sind nur 2 Kreuzreaktionen nachweisbar: Cw4×Cw6 und Cw5×Cw8. Kreuzreaktionen, die zwischen 2 nicht vom gleichen Locus gesteuerten Determinanten vorliegen und durch humane Alloantiseren definiert werden, sind sehr selten; sie können aber als A9×Bw4, A25×Bw4, A32×Bw4 oder A2×B17 beobachtet werden. Bei der Analyse xenogener monoklonaler Antikörper treten solche Interlocus-Kreuzreaktionen relativ häufig auf. Aufgrund der Spezifitäten in . Tab. 14.2 und je einem X-Allel in den 3 Genorten kann die Zahl der möglichen Erscheinungsbilder (Phänotypen) wie folgt berechnet werden: HLA-A mit 407, HLA-B mit 1892 und HLA-C mit 56 Phänotypen, wodurch sich eine Gesamtzahl von 43,1 Mio. möglicher HLA-Klasse-I-Phänotypen ergibt. Die Zahl der möglichen Genotypen ist größer als 195 Mio. Diese Werte sind aber sicherlich zu klein, da die X-Allele heterogen sind und außerdem eine Reihe von serologisch gut definierten HLA-Klasse-I-Spezifitäten noch zu unterteilen sind (das Merkmal HLA-A2 kann beispielsweise durch mehr als 100 Allele kodiert werden).
14.3.2
HLA-Klasse II
Die HLA-Klasse-II-Loci steuern Polypeptidketten, die unterschiedlich glykosyliert werden. Man unterscheidet eine schwere α-Kette
14
195
14.3 • Genetischer Aufbau
. Tab. 14.2 HLA-ABC- sowie HLA-DR-Allelfrequenzen in den 3 Hauptrassekreisen (Werte × 10-3)
Zellmembran
Cytosol
ER
Proteasom TAP . Abb. 14.3 Intrazelluläre Peptidbeladung eines HLA-Klasse-I-Moleküls. ER endoplasmatisches Retikulum. (Nach [24])
(33 kD mit 2 Kohlehydratresten) und eine leichte ß-Kette (29 kD mit einem Kohlehydratrest). Die 2 Ketten werden durch nichtkovalente Bindungen zusammengehalten. Ein Heterodimer bindet ebenso wie HLA-Klasse I intrazellulär ein Peptid (. Abb. 14.4). Dieses Heterotrimer wird an die Oberfläche transportiert und ergibt das serologisch nachweisbare HLA-Klasse-II-Antigen. Beide Ketten sind ähnlich strukturiert. Man unterscheidet einen extrazellulären Teil mit 2 Domänen (85–95 bzw. 109 Aminosäuren), eine Transmembranregion (23 Aminosäuren) und einen intrazellulären Abschnitt (8–15 Aminosäuren mit dem COOH-Ende). Die alloantigenen Determinanten werden durch die Aminosäuresequenz der äußeren Domäne des extrazellulären Teils definiert, die innere Domäne zeigt kaum Variabilität und weist große Analogien zur 3. Domäne der schweren Kette der Klasse I und zu CH3 der Immunglobuline auf [62]. Auch bei den HLA-D-Genprodukten entspricht der genomische Aufbau der biochemischen Struktur: Kodierung der 2 extrazellulären Domänen durch 2 Exons. Die dreidimensionale Struktur der HLA-Klasse-II-Dimere ist ebenfalls aufgeklärt [10][36]: Analog zur Situation bei der Klasse I besteht der Membran-distale Anteil des HLA-Genprodukts, der die 2 äußeren extrazellulären Domänen umfasst, aus einer Plattform von 8 antiparallelen ß-Faltblättern, über der 2 α-Helices liegen. Zwischen den beiden α-Helices besteht eine Grube. Sie dient der Aufnahme von Peptiden, die beim Abbau von exogenen Antigenen entstehen. Im Gegensatz zu HLA-Klasse I sind die HLA-Klasse-II-Alloantigene nicht an allen Zellen des Organismus nachweisbar, sie sind an B-Lymphozyten, aktivierten T-Zellen, Monozyten, dendritischen Zellen sowie an einigen Endothel- und Epithelzellen zu finden. Molekulargenetische Analysen bestätigen mehrere Subregionen in der HLA-D Region: HLA-DR, HLA-DQ und HLA-DP. Die Länge der HLA-DR-Subregion entspricht ungefähr 205 kb, die der HLADQ- und der HLA-DP-Subregion 100 bis 90 kb. Die HLA-DR-Subregion umfasst einen monomorphen DRAGenort und je nach Haplotyp eine unterschiedliche Zahl von exprimierten, polymorphen DRB-Genorten (. Abb. 14.5). Die serologisch definierbaren HLA-DR-Spezifitäten liegen an αß-Dimeren, die über folgende Loci gesteuert werden: DRA/DRB1 für DR1-DR18, DRA/ DRB5 für DR51, DRA/DRB3 für DR52 und DRA/DRB4 für DR53. HLA-DRB2 und -B6 bis -B9 sind nichtexprimierte Pseudogene.
HLA-A
Europide
Mongolide
Negride
A1 A2 A3 A11 A23 A24 A25 A26 A28 A29 A30 A31 A32 A33 A34 A36 A43 A66 A74 A80 AX
142 289 132 63 14 103 24 32 47 29 35 29 39 14 1 1 0 2 1 1 24
10 281 15 117 1 314 0 72 21 4 23 52 4 60 3 1 0 5 1 1 15
81 175 67 19 80 48 0 45 99 49 110 16 23 39 51 32 13 3 20 10 20
B7 B8 B13 B18 B27 B35 B37 B38 B39 B41 B42 B44 B45 B46 B47 B48 B49 B50 B51 B52 B53 B54 B55 B56 B57 B58 B59 B60 B61 B62 B63 B64 B65 B67 B71 B72 B73 B78 B81 B82 BX
115 96 29 55 34 105 16 25 20 9 2 123 4 1 2 0 18 11 62 20 5 1 16 11 29 18 0 38 21 61 7 11 26 0 1 3 1 1 1 1 14
47 2 38 3 16 102 6 7 4 1 5 60 1 36 4 16 3 3 78 73 3 67 21 15 7 19 12 65 117 96 0 0 2 1 4 5 2 1 10 1 37
121 55 16 42 19 71 13 16 0 23 58 77 23 0 0 0 23 6 19 6 67 0 0 3 29 107 0 23 15 26 19 13 16 0 8 71 0 6 6 1 2
196
Kapitel 14 • Das HLA-System
. Tab. 14.2 Fortsetzung
14
HLA-A
Europide
Mongolide
Negride
Cw1 Cw2 Cw3 Cw4 Cw5 Cw6 Cw7 Cw8 CX
33 41 126 116 69 86 243 37 249
163 10 273 53 6 38 121 3 333
10 119 83 140 30 129 241 35 213
DR1 DR2 DR3 DR4 DR7 DR8 DR9 DR10 DR11 DR12 DR13 DR14 DRX
95 158 120 127 120 30 8 8 123 20 54 58 79
50 151 18 218 29 73 115 5 40 72 29 68 132
51 151 149 76 132 8 15 23 165 34 38 107 51
Aufgrund des sehr starken Kopplungsungleichgewichtes schließt bei Europiden DR51 das Merkmal DR2 ein, DR52 schließt die Faktoren DR11, DR12, DR13, DR14, DR1403, DR1404, DR17 bzw. DR18 ein und DR53 die Spezifitäten DR4, DR7 und DR9. Stark variable Sequenzen finden sich bei den Aminosäuren 9–13, 26–33 und 67–74 der DRB-Genprodukte. Im HLA-DR-System liegen ebenfalls multiple Allele vor (besonders am DRB1-Locus); die einzelnen Allele und die von ihnen gesteuerten Faktoren sind in . Tab. 14.2 angegeben. Auch hier können einige Faktoren in subtypische Spezifitäten unterteilt werden: DR2 in DR15 und DR16, DR3 in DR17 und DR18, DR5 in DR11 und DR12 sowie DR6 in DR13 und DR 14. Derzeit sind auch noch nicht alle HLA-DR Merkmale bekannt; die Gene für die noch unbekannten Spezifitäten werden mit DRX bezeichnet. Innerhalb der HLA-DR-Antigene treten auch Kreuzreaktionen auf, z. B. DR3×DR6 oder DR4×DR7. Basierend auf den HLA-DR-Spezifitäten der . Tab. 14.2 und eines X-Allels beträgt die Zahl der HLA-DR-Phänotypen 191. Dieser Wert ist sicherlich ebenfalls zu klein, da die Unterteilung zahlreicher Merkmale, wie z. B. DR4, bestätigt ist. Die Gesamtzahl der HLA-A-, -B-, -C-, -DR-Phänotypen unter Berücksichtigung der offiziell anerkannten Spezifitäten ist größer als 8 Mrd., die Zahl der möglichen Genotypen beträgt ungefähr 78 Mrd. Das HLA-System weist demnach einen Polymorphismus auf, der von keinem anderen menschlichen Erbmerkmalsystem erreicht wird. Die in der Folge beschriebenen Merkmale HLA-DQ und HLA-Dw verändern den Polymorphismus wegen des starken Kopplungsungleichgewichts zu HLA-DR-Spezifitäten kaum. Die HLA-DP-Spezifitäten weisen keine hochsignifikanten Assoziationen zu HLA-DR-Merkmalen auf und vergrößern daher weiter die Zahl der möglichen Phänotypen. In der HLA-DQ-Subregion liegen 2 A- und 3 B-Genorte: DQA1, DQB1, DQA2, DQB2 und DQB3. Die DQ-Alloantigene bestehen aus einer DQα- und einer DQß-Kette. Sie kommen hauptsächlich an B-Lymphozyten und an Subpopulationen der Monozyten und Endothelzellen vor. Bei den HLA-DQ-Alloantigenen sind sowohl die α- als auch die ß-Kette polymorph (stark variable Regionen bei
Zellmembran
ER
MIIC
DM DO
. Abb. 14.4 Intrazelluläre Peptidbeladung eines HLA-Klasse-II-Moleküls. ER endoplasmatisches Retikulum. (Nach [24])
den α-Ketten: Aminosäuren 45–56, bei den ß-Ketten Aminosäuren 53–57 und 66–77); die serologisch definierten DQ-Alloantigene dürften an der ß-Kette liegen. Es sind 9 HLA-DQ-Spezifitäten bekannt: DQ1, DQ2, DQ3 und DQ4, wobei DQ1 und DQ3 in 2 bzw. 3 subtypische Faktoren (DQ1 in DQ5 und DQ6; DQ3 in DQ7, DQ8 und DQ9) zu unterteilen sind. Zwischen HLA-DR und DQ liegt ein starkes Kopplungsungleichgewicht vor: DQ1 inkludiert bei Europiden de facto DR1, DR2, DR6 und DR10; DQ2 die Faktoren DR7 und DR17; DQ3 die Spezifitäten DR5 und DR9 sowie DQ4 das Merkmal DR8; DR4 zeigt hauptsächlich eine Assoziation mit DQ3, selten auch mit DQ4. Die DQA2-, DQB2- und DQB3-Loci stellen Pseudogene dar. Der Polymorphismus der HLA-DQ-Alloantigene wird aber noch durch die Tatsache erhöht, dass HLA-DQ-Determinanten an der Zelloberfläche entstehen können, die von der DQα-Kette des einen Chromosoms 6 und von der DQß-Kette des anderen Chromosoms 6 gebildet werden; dieses Phänomen wird als »Transkomplementation« bezeichnet [12]. Die HLA-DP-Subregion umfasst 2 A- und 2 B-Genorte. Die HLA-DP-Alloantigene werden durch den Komplex einer DPα1und einer DPß1-Kette gebildet, wobei der Locus DPA1 auch nur einen relativ geringen Polymorphismus zeigt. Bei den DPß1-Ketten dürfte die Region der Aminosäuren 84–87 eine sehr starke Variabilität aufweisen. DPA2 und DPB2 stellen wahrscheinlich Pseudogene dar. Derzeit sind 6 HLA-DP-Spezifitäten bekannt; sie werden mit einer zellulären Methode, der PLT (»primed lymphocyte typing«, Einsatz vorsensibilisierter Lymphozyten zur Erkennung von Determinanten) nachgewiesen. Einige Merkmale dürften auch serologisch definierbar sein. Da zwischen DPBA1 und DQB1 kein starkes Kopplungsungleichgewicht besteht, die Distanz am Chromosom aber nur 400 kb beträgt, müssen zwischen diesen Genorten ein oder mehrere Punkte mit hoher Rekombinationsfrequenz (»recombination hot spots«) angenommen werden. Ähnliche »hot spots« liegen auch telomerisch von HLA-A, während andere Regionen von 6p eher stabil sind (»recombination cold spots«, beispielsweise zwischen DQB1 und DRA).
197
14.4 • Funktion und biologische Bedeutung
DR1
DRB1
DRB6
DR51
DRB1
DRB6
DR52
DRB1
DRB2
DR53
DRB1
DRB7
DR8
DRB1
DRB8
DRB9
DRA
DRB5
DRB9
DRA
DRB3
DRB9
DRA
DRB4
DRB9
DRA
DRB9
DRA
14
. Abb. 14.5 Häufige HLA-DR-Haplotypen bei Europiden. Das Chromosom ist als Linie, funktionelle Gene sind als blaue Kästen, Pseudogene als hellblaue Kästen dargestellt. In den Kästen links von den Haplotypen ist die DR-Spezifität angeführt, die dem Haplotyp den Namen gibt. (Aus [24])
Die mittels der gemischten Lymphozytenkultur (»mixed lymphocyte culture«, MLC, Messung der Proliferation von T-Lymphozyten eines Individuums als Zeichen der Immunantwort gegen die HLA-D-Determinanten an B-Zellen einer anderen Person) bestimmbaren HLA-Dw-Spezifitäten stellen wahrscheinlich keine eigenen Genprodukte der HLA-D-Region dar. Die Nichtstimulation in der MLC beruht vermutlich auf einer kompletten Identität innerhalb der HLA-D-Region. Dabei dürften allerdings HLA-DRDifferenzen eine wesentlich stärkere Rolle bei der Auslösung einer Stimulation in der MLC spielen als die Unterschiede in den anderen Klasse-II-Determinanten. Zurzeit sind 26 HLA-Dw-Merkmale anerkannt, einige, wie Dw6 oder Dw7, können in subtypische Faktoren unterteilt werden. Die HLA-Dw-Faktoren weisen starke Assoziationen zu HLA-DR-Alloantigenen auf. Die Tatsache, dass die HLA-Dw-Spezifitäten immer »enger« als die HLA-DR Merkmale sind, dürfte auf den stimulierenden Einfluss anderer HLA-D-Genprodukte zurückzuführen oder dadurch bedingt sein, dass innerhalb der HLA-DR-Merkmale noch eine weitere Mikroheterogenität besteht; die Existenz solcher Feinunterteilungen der HLA-DR-Faktoren konnte mit der DANN-Typisierung belegt werden. In der HLA-D-Region liegen 4 weitere HLA-Klasse-II-Loci: HLA-DMA, HLA-DMB, HLA-DOA und HLA-DOB. DMA und DMB dürften Vorläufer der Klasse-l- und Klasse-II-Loci darstellen, da sie in der Evolution von beiden Genklassen gleich weit entfernt sind. Die DMA/DMB-Genprodukte sind indirekt bei der Präsentation von Antigenpeptiden durch HLA-Klasse-II-Moleküle beteiligt; DOA/DOB-Genprodukte dürften ebenfalls dabei involviert sein, während die Genprodukte von TAP1, TAP2 (»transporter associated with antigen processing«, TAP), PSMB9 und PSMB8 eine Funktion bei der Prozessierung von Antigenen aufweisen [25].
14.3.3
Kopplungsungleichgewicht
Die Kombination von Allelen mehrerer Loci an einem Chromosom bildet einen Haplotyp, die Allele eines Haplotyps werden in der Regel »en bloc« vererbt. Innerhalb des HLA-Systems liegt ein starkes Kopplungsungleichgewicht vor, d. h. dass die Haplotypenfrequenzen oft nicht dem Produkt der korrespondierenden Allelfrequenzen entsprechen. Bei einem positiven Kopplungsungleichgewicht ist die Haplo-
typenfrequenz größer als erwartet, bei einem negativen Kopplungsungleichgewicht ist sie geringer. Das Vorliegen eines derartigen Phänomens ist bereits von anderen Erbmerkmalsystemen bekannt: MNS, RH (Rhesus) oder Gammaglobulingruppen GM. Eine einfache Erklärung für das Vorliegen eines Kopplungsungleichgewichts wäre die Annahme, dass seit dem Auftreten der relevanten Allelkombinationen noch nicht genug Zeit vergangen ist, um ein Gleichgewicht zu erreichen. Die Rate, mit der ein Kopplungsungleichgewicht gegen 0 tendiert, wenn keine Einflüsse von außen auf die Haplotypen wirken, ist 1-r pro Generation (r: Rekombinationsfrequenz). Bei r = 0,8 % (beispielsweise für HLA-A/ HLA-B) würde das Kopplungsungleichgewicht bereits in 200 Generationen, die etwa 4000 bis 5000 Jahren entsprechen, auf 20 % des Ausgangswerts absinken. Aus diesen Gründen ist ein starker selektiver Druck zugunsten einiger Haplotypen anzunehmen, der das Kopplungsungleichgewicht aufrecht hielt. Andere Mechanismen, die das Kopplungsungleichgewicht erhalten könnten, wie beispielsweise eine nicht lange zurückliegende Mischung mehrerer Populationen, Drifteffekte und/oder Inzucht, sind eher unwahrscheinlich, aber nicht völlig auszuschließen. 14.4
Funktion und biologische Bedeutung
5 Auf der molekularen Ebene besteht die Funktion von HLA darin, Peptide intrazellulär zu binden und sie danach auf der Zelle zu präsentieren. 5 Bei der Interaktion von Zellen des Immunsystems ist HLA auf der antigenpräsentierenden Zelle der Ligand für Rezeptoren auf Lymphozyten und NK-Zellen. 5 Bei der Erkennung neu entstandener Pathogene durch das Immunsystem macht es der Polymorphismus von HLA wahrscheinlich, dass neue Antigene zumindest in einem Teil der Population erkannt werden. 5 Bestimmte HLA-Phänotypenkombinationen können bei Organtransplantationen starke Abstoßungsreaktionen hervorrufen. 5 Bestimmte HLA-Phänotypen können den Ausbruch von Erkrankungen begünstigen und damit auch Nachteile für den Träger mit sich bringen.
198
Kapitel 14 • Das HLA-System
14.4.1
Bindung von Peptiden
Die in der HLA-Region kodierten Glykoproteine binden intrazellulär Peptide [11][16] und werden dann auf der Zellmembran exprimiert. Für die Bindung gilt das Prinzip der Promiskuität gepaart mit Selektivität: Es werden viele unterschiedliche, aber nicht alle vorhandenen Peptide gebunden [21]. Dieser Umstand erklärt sich aus der dreidimensionalen Struktur von HLA [36]: Durch die Anordnung von α-Helices und ß-Faltblattstrukturen entsteht eine Grube, die Raum für ein Peptid bietet, welches in gestreckter Form gebunden wird. Der Vergleich der Aminosäuresequenz unterschiedlicher HLA-Typen zeigt, dass die Begrenzung der Grube variable, aber auch konstante Positionen aufweist. Aminosäuren an den konstanten Positionen bilden Wasserstoffbrückenbindungen mit der Hauptkette des Peptids, sie vermitteln die Fähigkeit, gleichsam jedes Peptid – unabhängig von dessen Sequenz – zu binden. Die Grube hat an den Wänden Vertiefungen (»Taschen«), welche die Seitenketten des Peptids aufnehmen können. Aminosäuren an den variablen Positionen sind zum großen Teil an der Bildung der Taschen beteiligt. Wenn die Seitenketten der Peptide in diese Taschen passen, wird die Bindung stabilisiert. Es werden also jene Peptide mit »passenden« Seitenketten selektiert. Das bedeutet weiter, dass der HLA-Typ, der durch die Sequenz der variablen Aminosäuren charakterisiert ist, die Beschaffenheit der gebundenen Peptide bestimmt. Für die Vorhersage, ob Peptide an HLA-Klasse I stabil binden, gelten zwei allgemeine Regeln: 1. Die Größe des Peptids muss zwischen 8 und 12 Aminosäuren betragen, weil die Grube nur begrenzt Raum bietet und 2. zwei Positionen des Peptids gelten als Ankerpositionen, an denen die Aminosäuren bestimmte chemische Eigenschaften aufweisen müssen. Die Ankerpositionen liegen an den Aminosäurepositionen 2 und 9, wobei die Zählung am Carboxy-terminalen Ende des Peptids beginnt. Unterschiedliche HLA-Typen sind damit auch durch charakteristische Aminosäuren an den Ankerpositionen der gebundenen Peptide definiert.
14
Das Bindungsverhalten von HLA-E weicht von dieser Regel ab, hat HLA-E doch eine starke Präferenz, ein einziges Peptid zu binden, welches sich in der Signalsequenz (Aminosäurepositionen 3–11) der meisten HLA-A-, -B-, -C- und -G-Moleküle findet. HLA-E selbst besitzt eine solche Signalsequenz nicht. Es ist daher bei bestimmten HLA-Genotypen möglich, dass keine entsprechenden Signalsequenzen und damit Peptide vorhanden sind. Dann wird HLA-E zwar im endoplasmatischen Retikulum produziert, kann aber keine Peptide binden und wird nicht an die Zelloberfläche transportiert [9]. Verglichen mit HLA-Klasse I ist HLA-Klasse II bezüglich der gebundenen Peptide weniger selektiv, weil auch längere Peptide (bis zu 30 Aminosäuren) aufgenommen werden. Im Gegensatz zu HLAKlasse I ist die Grube bei HLA-Klasse II vorne und hinten offen, sodass die Peptide aus der Grube herausragen können. Das Prinzip der Taschen, die durch polymorphe Positionen begrenzt sind und die Seitenketten des gebundenen Peptids aufnehmen können, gilt aber auch für HLA-Klasse II. Analog zur Situation bei HLA-Klasse I beeinflusst daher der HLA-Klasse-II-Typ die Selektion von Peptiden. HLA-Klasse I und Klasse II unterscheiden sich hinsichtlich der Lokalisation der Peptidbeladung (. Abb. 14.3 u. . Abb. 14.4). Klasse-I-Dimere werden bereits im endoplasmatischen Retikulum mit Peptiden beladen. HLA-Klasse-II-Dimere werden im endoplasmatischen Retikulum zunächst mit der invarianten Kette Ii beladen
und dann in ein eigenes zelluläres Kompartiment, MIIC, transportiert, wo ein Austausch von li gegen ein Peptid stattfindet. Für HLAKlasse I und II gilt, dass zusätzliche Elemente die Beladung beeinflussen bzw. unterstützen. Für HLA-Klasse I sind in diesem Zusammenhang die Chaperone Tapasin, Calnexin, Calreticulin sowie die Thiol-abhängige Oxidoreduktase ER60/ERp57 zu erwähnen, für Klasse II die nichtklassischen HLA-Klasse-II-Dimere HLA-DOA/ DOB und HLA-DMA/DMB. Die HLA-Klassen I und II unterscheiden sich auch hinsichtlich des Ursprungs der Peptide. Für HLA-Klasse I gilt, dass der größte Teil der Peptide von intrazellulären Proteinen stammt, welche durch das Proteasom abgebaut werden. Das Proteasom ist aus mehreren Untereinheiten zusammengesetzt. Die Kombination der Untereinheiten ist variabel und bestimmt die Spezifität des Proteaseaktivität. PSMB9 und PSMB8 sind zwei fakultative Bestandteile des Proteasoms, die erst nach Stimulation der Zelle mit IFN-γ tatsächlich als Bestandteile des Proteasoms verwendet werden. Die entstandenen Peptide werden aktiv durch ATP-abhängige Transporterproteine (TAP) in das endoplasmatische Retikulum gepumpt. Interessanterweise liegen die Gene für PSMB9, PSMB8, TAP1 und TAP2 in der HLA-Klasse-II-Region. Für HLA-Klasse II gilt, dass die Peptide zum überwiegenden Teil von exogenen Proteinen stammen, welche in die Zelle aufgenommen werden und in Lysosomen abgebaut werden [16][25][38]. Erst nach der Beladung mit Peptiden wird HLA an die Zellmembran transportiert. HLA funktioniert demnach als Werkzeug, das eine Momentaufnahme der endogenen und exogenen Proteine in Form von Peptidfragmenten an der Zelloberfläche vermittelt.
14.4.2
Interaktion von Zellen des Immunsystems
An der Zelloberfläche exprimiert, funktioniert HLA als Ligand. Die Interaktion erfolgt mit Rezeptoren auf Lymphozyten [26] und NK-Zellen [7]. Die Wechselwirkung eines komplementären T-Zellrezeptors (TCR) mit HLA kann bei Vorhandensein eines kostimulatorischen Signals, das z. B. professionelle antigenpräsentierende Zellen vermitteln, zur Aktivierung des T-Lymphozyten führen. Dies stellt ein initiales Ereignis der adaptiven Immunantwort dar, nämlich die Erkennung von »nicht selbst«. Eine Rolle von HLA in der nichtadaptiven Immunantwort ist aber ebenfalls gegeben, weil auch Rezeptoren auf NK-Zellen HLA erkennen. HLA-Klasse I interagiert mit αß-TCR von CD8+-T-Lymphozyten [26] (. Abb. 14.6). Der TCR erkennt einen Teil der α-Helices und Seitenketten des Peptids, die aus der Grube ragen. Am Membranproximalen Teil von HLA existiert eine Bindungsstelle für das CD8Molekül. Durch die gleichzeitige Bindung von TCR und CD8 wird die Interaktion stabilisiert. HLA-Klasse II interagiert mit αß-TCR von CD4+-T-Lymphozyten sowie mit dem CD4-Molekül. Vom TCR werden ebenfalls Teile der α-Helices und Seitenketten des Peptids, die aus der Grube ragen, erkannt. MICA und MICB unterscheiden sich strukturell von den übrigen klassischen und nichtklassischen HLA-Komplexen. MIC-Moleküle binden weder β2-Mikroglobulin noch Peptide. In der dreidimensionalen Struktur ist nur mehr entfernt die charakteristische Grubenstruktur zu erkennen. Trotzdem zeigen sie als Liganden von T- und NK-Zellen [29][33][53] ein funktionell ähnliches Verhalten. MICA und MICB werden von CD8+-Lymphozyten mit αβ-TCR erkannt, können aber als zusätzliche, stimulatorische Moleküle für CD8+-Zellen mit αß-TCR wirken. Die Selektivität der Interaktion von TCR mit bestimmten Allelen des MHC bzw. mit Peptiden, die durch diese Allele präsen-
199
14.4 • Funktion und biologische Bedeutung
tiert werden, bildet die Grundlage für die Restriktion der Immunantwort [47][63]. Dies ist ein experimentelles Phänomen, das die eingeschränkte Aktivierbarkeit von T-Lymphozyten beschreibt: Zielzellen, die ein Antigen tragen, für das der TCR spezifisch ist, werden von den T-Lymphozyten nur dann wahrgenommen, wenn sie mit diesen ein MHC-Merkmal gemeinsam besitzen. So zeigte die Analyse der zytotoxischen Funktion von CD8+-T-Lymphozyten, die gegen zelluläre Viren sensibilisiert waren, dass Zielzellen nur lysiert wurden, wenn sie wenigstens ein gemeinsames MHC-KlasseI-Merkmal mit den Effektorzellen aufwiesen. Darüber hinaus war die In-vitro-Proliferation von spezifisch sensibilisierten CD4+-TLymphozyten nach Zusatz verschiedener Antigene (z. B. PPD oder Herpesviren) nur dann zu beobachten, wenn der Fremdstoff durch Monozyten präsentiert wurde, die mindestens ein HLA-Klasse-IIGenprodukt mit den Helferzellen gemeinsam besaßen. Aber die Interaktion von HLA beschränkt sich nicht auf den T-Zellrezeptor. Experimentell ist die Interaktion von HLA mit inhibitorischen NK-Zellrezeptoren nachgewiesen [15][43][57]. Das bedeutet, dass in vitro die NK-Zelle »ruhiggestellt« bleibt, weil inhibitorische Rezeptoren durch HLA getriggert werden. Beim Fehlen von HLA auf der Zellmembran kommt es infolge fehlender Inhibition zu einer Aktivierung der NK-Zellen. Die mit HLA interagierenden Rezeptoren auf NK-Zellen werden nach der Lokalisation ihrer Gene in zwei Familien eingeteilt [57][60]: 1. Am kurzen Arm des Chromosoms 12 befindet sich der Natural Killer Complex (NKC), in dem sich die Gene für C-Typ-Lektine befinden. Vertreter dieser Familie, die mehr als 15 Mitglieder umfasst, sind CD94 und NKG2 mit mehreren Loci. 2. Am langen Arm des Chromosoms 19 befindet sich der Leukozytenrezeptorkomplex (LCR). Er umfasst mehr als 25 Gene, die zur Immunoglobulin-Superfamilie gehören und unter anderem die Gruppe der KIR-Gene (»killer inhibitory receptors«) und der ILT-Gene (»immunoglobulin-like transcripts«) umfassen. Die funktionelle Situation scheint einigermaßen kompliziert, weil es sowohl aktivierende als auch inhibierende NK-Zellrezeptoren gibt, die gleichzeitig auf der NK-Zelle exprimiert werden. Daher kann die Interaktion mit HLA entweder zu einer Aktivierung der NK-Zelle führen, es kann aber eine Aktivierung auch unterdrückt werden. Es scheint eine allgemeine Regel zu sein, dass die Inhibition gegenüber der Aktivierung dominant ist. Die Interaktionen von HLA und NK-Zellrezeptoren wurden mit Bindungsstudien mit HLA-Tetrameren oder neutralisierenden Antikörpern, durch Gentransfer und funktionelle Untersuchungen studiert. Die Interaktionen sind . Tab. 14.3 zusammengefasst. Der Polymorphismus der NK-Zellrezeptorengene ähnelt in zweierlei Hinsicht dem Polymorphismus des HLA-Systems: Einerseits gibt es verschiedene Haplotypen, die sich in der Kombination der KIR-Gene unterscheiden, andererseits gibt es einen allelischen Polymorphismus. Der Polymorphismus hat auch funktionelle Konsequenzen: Am Beispiel des KIR2DL konnte gezeigt werden, dass der NK-Zellrezeptor Typ KIR2DL1 nur durch eine bestimmte Gruppe von HLA-C-Allelen getriggert wird, die durch die Aminosäuren Arginin und Lysin an den Positionen 77 und 80 charakterisiert ist. KIR2DL2-3 hingegen erkennt eine andere Gruppe von HLA-C-Allelen, die durch die Aminosäuren Serin und Arginin an den Positionen 77 und 80 charakterisiert ist [15]. Obwohl HLA-gebundene Peptide die Interaktion mit NK-Zellrezeptoren beeinflussen können, ist die biologische Relevanz dieser Beobachtung unklar. Es scheint, dass Peptide notwendig für die Sta-
14
. Abb. 14.6 HLA-A-*0201mit Peptid und αβ-TCR. In der oberen Hälfte sind die 2 Ketten des T-Zellrezeptors in blau und rot dargestellt. In der unteren Hälfte ein HLA-Molekül, bestehend aus schwerer Kette (weiß), β2-Mikroglobulin (blau) und Peptid (grün). (Nach [24])
bilität des HLA-Komplexes sind, der NK-Zellrezeptor jedoch nur die Anwesenheit eines bestimmten HLA-Typs erkennt. Diese Funktion ist bei der Knochenmarktransplantation von klinischer Relevanz, wo ein Unterschied der HLA-C-Typen zwischen Empfänger und Spender dazu führen kann, dass inhibitorische Liganden beim Empfänger nicht vorhanden sind. In der Folge kommt es zu einer Aktivierung der transplantierten NK-Zellen, was wiederum eine Verstärkung des Graft-versus-Leukaemia-Effekts mit sich bringen kann [59].
14.4.3
Polymorphismus
Innerhalb der Evolution der Säuger zeigt der MHC eine außerordentliche Stabilität: Bei allen bisher untersuchten Arten war ein Genkomplex aufzufinden, der in seinem Aufbau und in seiner Funktion dem HLA-System des Menschen äquivalent ist. Die biologische Funktion der HLA-Genprodukte als Einheiten, die selektiv Peptide und damit Antigene präsentieren, kann den enormen Polymorphismus des menschlichen MHC erklären: Beim Vorhandensein eines großen Repertoires an MHC-Phänotypen in der Population ist zu erwarten, dass die Spezies (als Ganzes gesehen) gegen alle, auch neu entstandene Krankheitserreger geschützt ist. Denn mit größter Wahrscheinlichkeit kommen dann einige Individuen vor, die MHC-Determinanten besitzen, welche Peptide, und damit Antigene der Krankheitserreger, dem Immunsystem effizient präsentiert können. Diese Individuen sind – dank geeigneten MHC-Phänotyps – in der Lage, eine Immunität auszubilden. Die selektiven Vorteile zugunsten einiger Phänotypen und der relativ schnelle Wechsel der antigenen Struktur der Pathogene kann somit zu einen extremen Polymorphismus geführt haben.
200
Kapitel 14 • Das HLA-System
. Tab. 14.3 Interaktion von HLA-Genprodukten mit NK-Zellen. (Genomische und Sequenzinformationen zu NK-Zellrezeptoren finden sich unter Êwww.ncbi.nlm.nih.gov/prow/guide/679664748_g.htm) Ligand
Rezeptor
Effekt
HLA-A
ILT2/4
Inhibitorisch
HLA-B
KIR3DL KIR3DS
Inhibitorisch Aktivierend
HLA-C
KIR2DL KIR2DS
Inhibitorisch Aktivierend
HLA-E
CD94/NK G2A/B CD94/NK G2C
Inhibitorisch Aktivierend
HLA-F
ILT2/4
?
HLA-G
ILT2/4 KIR2DL4
? Aktivierend
14.4.4
14
Transplantation
Dass der MHC bei den immunologischen Abwehrmechanismen des Organismus beteiligt ist, zeigt sich klinisch an schweren Immundefekten von Individuen, denen die Ausprägung der HLA-KlasseI-oder Klasse-II-Alloantigene fehlt. In der Klinik jedoch spielt der MHC auch eine zentrale Rolle bei der Transplantation. Wie schon bei der Entdeckung von »Mac« (HLA-A2) ersichtlich, sind die polymorphen Vertreter des HLA-Systems immunogen. Nach allogener Transplantation oder nach Transfusion leukozytenhaltigen Blutes bildet der Empfänger Antikörper gegen »fremde« HLA-Spezifitäten. Solche Antikörper bewirken eine akute Abstoßungsreaktion von Organen oder Knochenmark. Daher werden in der Regel nur Spender verwendet, gegen die der Empfänger keine HLA-Klasse-Ispezifischen Antikörper gebildet hat. Neben der humoralen kommt es aber auch zu einer zellulär vermittelten Abstoßungsreaktion. Die Immunreaktion des Empfängers gegen das Transplantat eines Spenders mit unterschiedlichem HLA-Typ ist typischerweise durch eine große Anzahl von allospezifischen Vorläuferzellen gekennzeichnet, die Abstoßungsreaktion ist demnach heftig. Transplantationen mit HLA-identen Spendern haben daher die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit.
14.4.5
HLA und Krankheit
Die biologische Bedeutung des HLA-Systems kommt auch in der Assoziation zwischen verschiedenen HLA-Faktoren und Krankheiten zum Ausdruck. In Populationsuntersuchungen können derartige Assoziationen nur erkannt werden, wenn das betreffende HLAAllel mit dem Gen, welches die Krankheit bedingt, identisch ist oder in einem starken positiven Kopplungsungleichgewicht steht. Falls kein Kopplungsungleichgewicht vorliegt, kann der Einfluss des HLA-Systems nur durch komplizierte genetische Auswertungen oder durch Familienanalysen bewiesen werden. Solche Analysen wurden bei mehreren Krankheiten durchgeführt, wobei eine Assoziation zwischen HLA und der Immunantwort gegen die Erreger verschiedener Infektionskrankheiten, z. B. Lepra oder Typhus, aufgedeckt werden konnte. Es gilt bei HLA-assoziierten Erkrankungen zu bedenken, dass andere Gene oder Umwelteinflüsse zum Aus-
bruch einer Erkrankung beitragen. Gene der HLA-Region vermitteln aber oft die relativ stärkste Prädisposition [56]. Die Assoziation zwischen HLA-A-, -B-, -C-, -DR- oder -DQSpezifitäten und einer Erkrankung bei Europiden sind in . Tab. 14.4 angeführt. Als Ursachen für derartige Assoziationen kommen mehrere Möglichkeiten in Frage, die sich gegenseitig nicht ausschließen: 5 Das HLA-Allel, das den korrespondierenden Faktor steuert (oder ein sehr eng gekoppeltes Gen mit starkem Kopplungsungleichgewicht), bewirkt bei der Zellkooperation im Rahmen der Immunantwort eine besondere Reaktion, welche die Krankheit verursacht. 5 Das HLA-Alloantigen besitzt eine gemeinsame antigene Determinante mit dem Pathogen (»molecular mimicry«). Auf Grund von Kreuzreaktionen richtet sich die Immunantwort dann auch gegen »selbst«. Dies wird zum Beispiel für die Multiple Sklerose diskutiert [34]. Es ist aber auch möglich, dass es wegen der immunologischen Ähnlichkeit zu einer nur unzureichenden Abwehrreaktion gegen das Pathogen kommt. 5 Das HLA-Alloantigen (oder das Produkt eines Locus mit starkem Kopplungsungleichgewicht) kann durch den Einfluss eines Pathogens verändert werden. Damit wird eine pathogene Immunreaktion wird in Gang gesetzt. 5 Das HLA-Alloantigen (oder das Produkt eines Locus mit starkem Kopplungsungleichgewicht) stellt einen Rezeptor für ein Pathogen dar. 5 Gene mit starkem Kopplungsungleichgewicht weisen eine Mutation auf oder sind deletiert. In diese Gruppe fallen sicher das adrenogenitale Syndrom – bedingt durch 21-Hydroxylasemangel – die idiopathische Hämochromatose (bei welcher der korrespondierende Locus – HFE – telomerisch vom HLA-ALocus liegen dürfte [28]) sowie die C2- und C4-Defizienzen. Die Funktion von HLA in der Immunantwort lässt vermuten, dass die Assoziationen zwischen HLA-Klasse-II-Merkmalen und einigen Erkrankungen wahrscheinlich über den erstgenannten Mechanismus zu erklären ist. Besonders interessant ist hier, dass eine große Zahl autoimmuner Erkrankungen mit HLA-DR3 assoziiert ist. Es ist daher möglich, dass die autoimmunen Phänomene über die Präsentation von Autoantigenpeptiden durch HLA-DR3 (oder eines stark assoziierten Allels) ausgelöst werden, das Erfolgsorgan aber von anderen Faktoren des Genoms und/oder der Umwelt abhängt. Auch Klasse-I-Merkmale können in einen derartigen Mechanismus inkludiert sein, als Beispiel sei die Birdshot-Retinopathie angeführt. Bei dieser Krankheit konnte gezeigt werden, dass das HLA-A29-Genprodukt in der Lage ist, Peptide zu binden, die Teilen der Carboxy-terminalen Sequenz eines löslichen retinalen Antigens entsprechen [6]. Bei HLA-A29-transgenen Mäusen war nachzuweisen, dass die Tiere im Alter eine Krankheit entwickeln, welche der Birdshot-Retinopathie sehr ähnlich ist [54], wodurch ein direkter Einfluss des A29-Genprodukts auf die Entstehung dieser Krankheit als wahrscheinlich erscheint (der Pathomechanismus könnte über die Präsentation derartiger Peptide ablaufen). Ähnliches war auch bei der Assoziation der rheumatoiden Arthritis mit DR4 zu beobachten: In transgenen Mäusen wurde die Präsentation von Peptiden aus Kollagen II durch die Genprodukte von DRB1 * 04-Allelen beschrieben [1]. Die Pathogenese der Narkolepsie dürfte in Veränderungen im Hypocretin/Orexin-System zu suchen sein [18]. Da sowohl das Gen für das Neuropeptid (HCRT) als auch für seine Rezeptoren (HCRTR1 und 2) nicht im HLA-Genkomplex liegen (HCRT: 17q21, HCRTR1: 1p33, HCRTR2: 6p11–q11), ist für die extreme Assozia-
tion zwischen HLA-DQB1 * 06:02 und dieser Krankheit auch eine autoimmune Genese vorstellbar. Bei einigen Klasse-II-assoziierten Krankheiten dürfte der primäre Zusammenhang nicht über HLA-DR, sondern über HLADQ-Merkmale ablaufen. Dies ist wahrscheinlich beim Typ-I-Diabetes mellitus der Fall, bei dem Loci des HLA-Komplexes die stärkste genetische Prädisposition vermitteln [23]. Es liegt fast immer eine DQß-Kette mit einer nicht geladenen Aminosäure an der Position 57 vor, während die nicht mit der Krankheit assoziierten DQB1-Haplotypen an dieser Position Asparaginsäure kodieren. Das Vorhandensein von Arginin an der Aminosäureposition 52 der DQα-Kette sowie das Vorliegen von zwei krankheitsassoziierten HLA-DQA1und DQB1-Genen in cis- oder trans-Position dürfte einen starken Effekt auf die Entstehung der Erkrankung haben [20]. Auch bei der Zöliakie könnte die primäre Assoziation über DQA1 * 05:01 und DQB1 * 02:01 (in cis bei DR3-kodierenden Haplotypen oder in trans bei DR5,7-Heterozygoten) ablaufen und nicht über DR3 und DR7, wie es früher angenommen wurde [51]. Die Präsentation von Antigenen durch HLA-Klasse-I-Merkmale macht die Zelle zum Ziel für zytotoxische CD8+-T-Lymphozyten. Dies dürfte bei der Assoziation zwischen HLA-Klasse-I-Merkmalen und Krankheiten viraler Genese eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, dass 2 Viruserkrankungen, die chronisch aktive Hepatitis vom Typ B (HBs-Antigen-positiv) und die subakute Thyreoiditis de Quervain, mit HLA-B35 assoziiert sind. Bei einer großen Anzahl von Krankheiten ist aber der Mechanismus, der die Assoziation mit HLA bedingt, völlig unbekannt. Obwohl zahlreiche Assoziationen zwischen HLA-Spezifitäten und Krankheiten vorliegen, ist der Wert des HLA-Systems für die routinemäßige Diagnostik noch eingeschränkt, da die Stärke der Assoziationen zumeist nicht hoch genug ist. Für die Diagnostik des M. Bechterew hat sich die Bestimmung von HLA-B27 aber durchgesetzt, ebenso wie die von HLA- DQB1 * 06:02 bei Verdacht auf Narkolepsie. Weiter kann eine HLA-Typisierung der Amnionzellen für die pränatale Diagnostik des adrenogenitalen Syndroms durch 21-Hydroxylasemangel sowie der C2- und C4-Defizienzen eingesetzt werden, wenn die jeweilige Familie bereits ein erkranktes Kind hat (die HLA-Typisierung wird aber zugunsten der direkten Bestimmung der Defektgene verlassen). Durch die HLA-Typisierung ist es auch möglich, die Geschwister von Patienten mit idiopathischer Hämochromatose zu erkennen, die das abnorme Gen in homozygoter Form besitzen und dann evtl. prophylaktisch behandelt werden können; auch hier liegen bereits Methoden vor, welche eine direkte Erkennung der HFE-Mutanten ermöglichen, sodass eine direkte Analyse des Genotyps möglich ist, die vorzugsweise durchgeführt wird. Mit Hilfe unterschiedlicher HLA-Assoziationen ist es auch möglich, die Heterogenität einiger Krankheitsbilder zu beweisen: So ist beispielsweise der Diabetes mellitus Typ I HLA-assoziiert, während der Typ II keine Korrelation zu HLA aufweist. Analog dazu ist die chronisch aktive Hepatitis vom Typ A (autoimmun) mit HLADR3 assoziiert, der Typ B (HBs-Antigen-positiv) zeigt dagegen eine erhöhte Frequenz von HLA-B35. Weitere Heterogenitäten gibt es beim SLE (typischer SLE: Assoziation mit HLA-DR3, hydralazininduzierter SLE: Assoziation mit HLA-DR4), bei der Hashimoto-Thyreoditis (hypertrophisch: Assoziation mit HLA-DR5, atrophisch: Assoziation mit HLA-DR3) oder beim adrenogenitalen Syndrom durch 21-Hydroxylasemangel (Krankheitsform mit Salzverlust: Assoziation mit B47, virilisierende Form: Assoziation mit B5, atypische Form: Assoziation mit B14).
14
201
14.4 • Funktion und biologische Bedeutung
. Tab. 14.4 HLA-assoziierte Erkrankungen bei Europiden Erkrankung
Merkmal
RR
Idiopathische Hämochromatose
A3
8
Birdshot-Retinopathie
A29
>100
M. Behςet
B5
6
M. Bechterew
B27
90
Postinfektiöse Arthritiden
B27
40
M. Reiter
B27
37
Akute vordere Uveitis
B27
10
Subakute Thyreoiditis de Quervain
B35
14
Chronisch aktive Hepatitis Typ B (HBs-Antigen-positiv)
B35
5
Adrenogenitales Syndrom – Salzverlust – Virilisierung – Atypische Form
B47 B5 B14
90 5 95
Psoriasis vulgaris
Cw6
13
Narkolepsie
DQB1 * 06:02
>100
Goodpasture-Syndrom
DR2
16
Multiple Sklerose
DR2
10
Dermatitis herpetiformis
DR3
15
Idiopathische membranöse Glomerulonephritis
DR3
12
Fötomaternale HPA-1a-Immunisierung
DR3
10
Sjögren-Syndrom
DR3
10
Idiopathischer M. Addison
DR3
6
SLE
DR3
6
Chronisch aktive Hepatitis Typ A (autoimmun)
DR3
5
M. Basedow
DR3
4
Myasthenia gravis
DR3
3
Diabetes mellitus Typ 1 (insulinabhängig)
DR4, DQ8 DR3, DQ2
6 3
Rheumatoide Arthritis
DR4
4
Juvenile rheumatoide Arthritis
DR8
8
Zöliakie
DQ2
>100
RR relatives Risiko; gibt an, um wie viele Male die Krankheit bei einem Merkmalsträger häufiger vorkommt als bei einem merkmalnegativen Individuum.
Assoziationen zwischen HLA-Merkmalen und Nebenwirkungen bei der Therapie mit verschiedenen Medikamenten spielen im Rahmen der Pharmakogenetik eine große Rolle. Nachdem in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts einige derartige Assoziationen beschrieben wurden – wie z. B. die durch D-Penicillamin bedingte Myasthenia gravis bei Trägern von HLA-DR1 und/oder DR7 oder die durch Goldbehandlung induzierte membranöse Glomerulonephritis bei HLA-B8/DR3-positiven Individuen [52] – konnten
202
14
Kapitel 14 • Das HLA-System
jüngst eine Reihe weiterer derartiger Assoziationen zwischen Überempfindlichkeit gegen Medikamente und HLA-Allelen beschrieben werden: Überempfindlichkeit gegen Abacavir und HLA-B*57:01 [37], Überempfindlichkeit gegen Nevirapin und HLA-DRB1 * 01:01 bei Australischen Europiden [40], bzw. HLA-Cw8 bei Sarden [35] und Japanern [27], Carbamazepin-induziertes Stevens-Johnson Syndrom (SJS) bzw. toxische epidermale Nekrolyse (TEN) und HLA-B*15:02 bei Han-Chinesen [14] sowie Allopurinol-induzierte Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut (inkusive SJS und TEN) und HLA-B*58:01 bei Han-Chinesen [31]. Der Pathomechanismus der Assoziationen ist noch nicht genau bekannt; bei der Abacavir-Überempfindlichkeit wird aber angenommen, dass Metabolite des Medikaments durch B*57:01-Genprodukte an CD8+-T-Lymphozyten präsentiert werden, wodurch es zu abnormen Immunreaktionen kommt [13]. Die Bedeutung der neu entdeckten Assoziationen ist so groß, dass 2 dieser Assoziationen von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) in die Liste der Biomarker, welche vor der Administration einiger Medikamente untersucht werden sollen, aufgenommen wurden, und zwar HLA-B*15:02 vor Carbamazepin- und HLA-B*57:01 vor Abacavir-Applikation [22]. Diese Assoziationen weisen auf die große zukünftige Bedeutung der Pharmakogenetik und auf die Möglichkeit einer »personalisierten« Therapie hin, bei der die verabreichten Medikamente dem Genotyp des Patienten angepasst werden. Trotz der enormen Fortschritte des Wissens über das HLASystem bleiben grundlegende Fragen über die Art und Weise, wie der menschliche MHC seine biologische Funktion erfüllt, noch zu klären. Die zurzeit sehr intensiv durchgeführte molekulargenetische Analyse des HLA-Komplexes wird mit Sicherheit zu einer exakteren Definition der HLA-Gene und Genprodukte führen, die für die Assoziation mit Krankheiten verantwortlich sind. In alle derartigen Analysen müssen zusätzliche Aspekte einfließen, so die Polymorphismen in der Promoterregion, die eine Bedeutung für die Expression der Genprodukte aufweisen, sowie die Polymorphismen zahlreicher anderer Genorte, die sich auf die Prozessierung und die Präsentation der Antigenpeptide auswirken können (z. B. TAP1,TAP2, PSMB9, PSMB8, DMA, DMB, DOA, DOB). Eine endgültige Klärung der Funktionsweise des MHC wird aber erst möglich sein, wenn die Auswirkungen der MHC-gekoppelten Polymorphismen auf die Antigenpräsentation geklärt sind. Zu klären bleibt auch die Kooperation mit NK-Zellen, treffen dabei doch mit dem HLA-System und den NK-Zellrezeptoren polymorphe Systeme zusammen, die sich unabhängig voneinander vererben. Bei allen diesen Analysen wird es sehr wichtig sein, nicht nur den Genotyp, sondern die Interaktion der verschiedenen Gene und ihre Expression im Phänotyp der einzelnen Individuen zu beurteilen.
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8
9 10
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205
Rechtliche Grundlagen R. Zimmermann, A. W. Bender und R. Eckstein
15.1
Einführung – 206
15.2
Gesetzliche Grundlagen – 206
15.3
Begriffe – 206
15.3.1 15.3.2 15.3.3 15.3.4 15.3.5 15.3.6 15.3.7 15.3.8
Arzneimittel – 206 Wirkstoffe – 206 Inverkehrbringen, Abgabe – 206 Spende – 207 Blutprodukt – 207 Herstellungserlaubnis – 208 Zulassung – 208 Gewebe, Gewebezubereitungen und Stammzellzubereitungen – 208
15.4
Transfusionsgesetz – 208
15.5
Standard im Blutspende- und Transfusionswesen – 209
15.5.1 15.5.2 15.5.3
Bedeutung der Richt- und Leitlinien der BÄK – 209 Bedeutung der Voten des AK Blut – 209 Supranationale Richtlinien und Empfehlungen – 209
15.6
Herstellung – 210
15.6.1 15.6.2 15.6.3 15.6.4 15.6.5 15.6.6
Spenderauswahl – 210 Einwilligung und Aufklärung des Spenders – 210 Aufwandsentschädigung – 211 Spenderimmunisierung und Vorbehandlung des Spenders – 211 Qualitätsmanagementsystem in der Herstellung – 211 Natürliche Personen als Verantwortungsträger – 211
15.7
Anwendung von Blutprodukten – 212
15.7.1 15.7.2 15.7.3 15.7.4 15.7.5
Indikation und Verschreibung – 212 Einwilligung und Aufklärung des Empfängers – 212 Technik der Anwendung (Transfusion) – 213 Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht – 213 Qualitätsmanagementsystem in der Anwendung – 214
15.8
Autologe Hämotherapie – 215
15.8.1 15.8.2
Aufklärung und Einwilligung – 215 Besonderheiten – 215
15.9
Risikokommunikation, Rückverfolgung und Meldewesen – 216
15.9.1 15.9.2 15.9.3 15.9.4
Unerwünschte Ereignisse, unerwünschte Reaktionen, Nebenwirkungen – 216 Kommunikationswege nach dem TFG – 216 Rückverfolgung – 217 Meldewesen – 217
15.10
Haftungsrechtliche Grundlagen – 218 Literatur – 218
15
206
Kapitel 15 • Rechtliche Grundlagen
Blut und daraus hergestellte Arzneimittel sind potenziell infektiös. Dieser Umstand trat durch Übertragungen von HIV verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und löste den sog. Blutskandal von 1993 aus. Seine politische Aufarbeitung führte zu einer erheblichen Verrechtlichung aller Aspekte der Hämotherapie. Das Arzneimittelgesetz, das 1998 in Kraft getretene Transfusionsgesetz und die Hämotherapie-Richtlinien der Bundesärztekammer sind die wichtigsten Eckpfeiler in einem immer dichter werdenden Geflecht aus Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Leitlinien und Empfehlungen zum Schutz von Spendern und Empfängern. Für jeden, der mit Blut und Blutprodukten umgeht, ist die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen unverzichtbar. Durch die immer raschere Abfolge von gesetzlichen Änderungen und Ergänzungen, die auch der Umsetzung von EU-Recht dienen, wird dies allerdings immer schwieriger.
15.1
15
Einführung
Die Transfusionsmedizin ist ein Fachgebiet der Medizin, in dem die Verrechtlichung weit vorangeschritten ist. Man läuft deshalb leicht Gefahr, sich im Netz der vielen nationalen, europäischen und internationalen Vorschriften, Richt- und Leitlinien sowie der Rechtsprechung zu verfangen. Orientierung tut hier Not. Man sollte sie in erster Linie im Arzneimittelgesetz (AMG), im Transfusionsgesetz (TFG) und in den Hämotherapie-Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) suchen [2][40][48]. Die Wurzeln der Verrechtlichung der Transfusionsmedizin liegen im Blutskandal vom Herbst 1993, in dem offenbar wurde, dass die damals zuständige Bundesbehörde, das Bundesgesundheitsamt (BGA), auch acht Jahre nach der Einführung des HIV-Antikörpersuchtests nicht adäquat darüber informieren konnte, ob und wie häufig nach dessen Einführung HIV-Übertragungen durch Blut und Blutprodukte vorgekommen waren. Dies veranlasste den Deutschen Bundestag, das BGA aufzulösen und den Untersuchungsausschuss »HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte« einzusetzen. Dessen Abschlussbericht arbeitete sehr klar heraus, dass die Übertragung von HIV und Hepatitisviren durch Gerinnungsfaktorenkonzentrate in der Zeit zwischen 1978 und 1985 zu den größten Arzneimittelkatastrophen in Deutschland zählt, dass Ärzten, Industrie und Behörden in erheblichem Umfang Fehlentscheidungen anzulasten sind und dass diese Fehlentscheidungen auch einer falschen Prioritätensetzung im Interessenkonflikt zwischen Sicherheit und wirtschaftlichen Interessen entsprangen [22]. Dieser Blutskandal hat das Arzneimittel- und Transfusionsrecht entscheidend verändert [20][21][29][39][46]. Auf ihn gehen das HIV-Hilfegesetz (HIVHG) von 1995 [28], das Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (TFG) von 1998 [40] sowie zahlreiche Änderungen des Arzneimittelgesetzes, wie etwa die grundlegende Reform der Arzneimittelhaftung aus § 84 AMG durch das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften von 2002 [50], zurück. 15.2
Gesetzliche Grundlagen
Die entscheidenden gesetzlichen Grundlagen für die Herstellung, Prüfung, Lagerung und Abgabe von Blutkomponenten und Plasmaderivaten und für deren Anwendung finden sich im AMG und im TFG [2][40]. Das AMG ist das zentrale Gesetz des Arzneimittelrechts. Es regelt die Grundsätze der Arzneimittelherstellung und -prüfung, des Vertriebs und der Überwachung der Arzneimittelsicherheit. Das AMG beinhaltet auch die Regelung der Herstel-
lungserlaubnis und der Zulassung von Arzneimitteln. Das TFG (7 Abschn. 15.4) dagegen ist als Ergänzungsgesetz zum AMG anzusehen, in dessen Mittelpunkt die gesundheitlichen Integritätsinteressen der Blutspender und der Empfänger von Blutkomponenten und Plasmaderivaten stehen. Viele Änderungen und Weiterentwicklungen der gesetzlichen Grundlagen des deutschen Arzneimittel- und Transfusionsrechts gehen heute von EU-Richtlinien aus. EU-Richtlinien sind die Rechtsetzungen der Europäischen Union, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind und diese zur Verwirklichung bestimmter Ziele verpflichten (7 Abschn. 15.5.3). Für das Transfusionswesen bedeutsam sind inzwischen mehrere Richtlinien der EU, die sich mit Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen einerseits, von Geweben und Zellen andererseits sowie mit Rückverfolgungsverfahren und der Meldung ernster Zwischenfälle und ernster unerwünschter Reaktionen und mit den Qualitätssicherungssystemen für Blutspendeeinrichtungen beschäftigen [33][34][35][36][37][38]. 15.3
Begriffe
Im Arzneimittel- und Transfusionsrecht spielen gesetzlich definierte Begriffe eine erhebliche Rolle. Jeder in der Hämotherapie tätige Arzt sollte die wichtigsten kennen.
15.3.1
Arzneimittel
Der Arzneimittelbegriff ist im AMG definiert; er ist außerordentlich weit gespannt. Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die primär nach objektiven Kriterien dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper einen der in § 2 Abs. 1 AMG näher beschriebenen Zwecke zu erfüllen. Arzneimittel sind aber auch Diagnostika sowie Mittel zur Anwendung am Tier. Blut und Blutbestandteile sind als menschliche Körperbestandteile Stoffe im Sinne von § 3 Nr. 3 AMG, die insbesondere dann zum Arzneimittel werden, wenn sie gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 AMG dazu bestimmt sind, vom menschlichen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen. Darüber hinaus können Blut und Blutbestandteile Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sein, wenn sie dazu bestimmt sind, Krankheiten zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen.
15.3.2
Wirkstoffe
Auch der Wirkstoffbegriff ist im AMG definiert. Wirkstoffe sind nach § 4 Abs. 19 AMG Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.
15.3.3
Inverkehrbringen, Abgabe
Im Arzneimittelrecht spielte bisher, insbesondere für die Anwendbarkeit des AMG, der Begriff des Inverkehrbringens eine zentrale Rolle. Inverkehrbringen umfasst nach § 4 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten,
207
15
15.3 • Begriffe
das Feilbieten und die Abgabe an andere. Unter Abgabe versteht das AMG die Einräumung der Verfügungsgewalt an einen anderen durch körperliche Überlassung des Arzneimittels. Eine Abgabe liegt demnach vor, wenn die Person, die das Arzneimittel herstellt, eine andere ist als die, die es anwendet. Der Begriff des Inverkehrbringens ist also etwas weiter als der der Abgabe, er umfasst auch die Verhaltensweisen, die auf die Abgabe hinzielen. In der Praxis hat das wenig Konsequenzen. Wenn ein Arzt ein Arzneimittel selbst herstellt und anwendet, wird das Arzneimittel nicht in Verkehr gebracht. Gleiches gilt, wenn das Arzneimittel im unmittelbaren Einwirkungsbereich des Arztes durch weisungsgebundene Hilfskräfte [18] oder durch den Patienten selbst angewendet wird. Wird aber das Arzneimittel anderen Ärzten oder auch »nur« dem Patienten mit nach Hause gegeben, wechselt die Verfügungsgewalt über das Arzneimittel und es wird in Verkehr gebracht. Zur Frage, wann eine Abgabe an andere vorliege, brachte der inzwischen wieder aufgehobene § 34 TFG eine gravierende Änderung. Bis dahin war gängige Auffassung, dass keine Abgabe an andere vorliege, wenn innerhalb einer Krankenhausabteilung, also im Weisungsbereich eines leitenden Arztes, verschiedene weisungsgebundene Ärzte das Arzneimittel herstellen und anwenden. Durch die amtliche Begründung zu § 34 TFG wurde abweichend festgestellt, dass ein Arzneimittel in Verkehr gebracht werde, wenn zwischen dem Arzt, der herstellt, und dem, der anwendet, keine Personenidentität besteht. Seit § 34 TFG wieder aufgehoben wurde, herrscht Uneinigkeit darüber, wie die hierarchische Ordnung von Ärzten innerhalb einer Organisationseinheit, also die Unterstellung der Ärzte einer Krankenhausabteilung unter das Weisungsrecht eines leitenden Arztes, arzneimittelrechtlich zu interpretieren sei [21]. Die Bedeutung des Inverkehrbringens lag darin, dass der Bundesgesetzgeber durch die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz im Grundgesetz nur ermächtigt war, den Verkehr mit Arzneimitteln zu regeln. Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000 wurde bekräftigt, dass das AMG nicht anwendbar war, sofern ein Arzneimittel nicht in den Verkehr gebracht wurde [17]. In diesem Fall war eine arzneimittelrechtliche Überwachung durch die Behörden ausgeschlossen [18]. Durch das 11. Änderungsgesetz zum AMG vom August 2002 wurde diese Rechtsprechung mit dem neu eingefügten § 4 a Nr. 3 AMG umgesetzt. Hiernach fand das AMG keine Anwendung auf Arzneimittel, die ein Arzt »anwendet, soweit die Arzneimittel ausschließlich zu diesem Zweck unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes (…) hergestellt worden sind«. 2009 nahm der Gesetzgeber eine grundlegende Revision dieser Rechtslage vor, nachdem schon im August 2006 das Grundgesetz dahingehend geändert worden war, dass der Bund jetzt befugt ist, das »Recht der Arzneien« unabhängig von einem Inverkehrbringen zu regeln [24][27]. Mit dem Gesetz zur Änderung des arzneimittelrechtlicher Vorschriften (15. AMG-Novelle) [25] wurde der oben genannte § 4 a Nr. 3 AMG wieder aufgehoben und § 13 AMG neu gefasst. Damit unterliegt heute jede Herstellung, auch wenn kein Inverkehrbringen beabsichtigt ist, der arzneimittelrechtlichen Überwachung. Eine Herstellungserlaubnis ist grundsätzlich erforderlich. Zugleich wurde in § 13 Abs. 2b AMG als Ausnahme normiert, dass der Arzt, der Blutprodukte »zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten herstellt«, keiner Herstellungserlaubnis bedarf. Er muss aber der Anzeigepflicht nach § 67 AMG genügen. Das Inverkehrbringen spielt seit Inkrafttreten der 15. AMG-Novelle nur noch für die Zulassung nach § 21 ff. AMG eine Rolle.
15.3.4
Spende
Spende ist nach § 2 Nr. 1 TFG die bei einem Menschen entnommene Menge an Blut oder Blutbestandteilen, die Wirkstoff (7 Abschn. 15.3.2) oder Arzneimittel (7 Abschn. 15.3.1) ist oder zur Herstellung von Wirkstoffen oder Arzneimitteln und anderen Produkten für die Anwendung bei Menschen bestimmt ist. Das TFG definiert den Begriff der Spende also nicht vollumfänglich selbst, sondern verweist auf die Begriffe »Wirkstoff« und »Arzneimittel« des AMG. Änderungen dieser Begriffe wirken sich dadurch unmittelbar auf den Anwendungsbereich des TFG aus, weshalb man von einer dynamischen Rückverweisung sprechen kann. Um den Begriff Spende erfassen zu können, ist es also unumgänglich, diese Begriffe zu kennen. Es müssen aber weitere Kriterien hinzutreten, damit ein Wirkstoff oder ein Arzneimittel im Sinne des AMG auch Spende im Sinne des TFG ist: Das Arzneimittel, das Spende ist oder aus einer Spende hergestellt wird, muss Blut sein oder Blutbestandteile enthalten. Dieses Blut oder diese Blutbestandteile müssen dem Menschen oder bei ihm (z. B. Nabelschnurblut) entnommen worden sein. Das Produkt eines Entnahmevorgangs von tierischem Blut ist ebensowenig Spende wie jedes daraus hergestellte Arzneimittel. Die Blutentnahme beim Menschen zu diagnostischen Zwecken fällt ebenfalls nicht unter das TFG, wohl aber die Blutentnahme zur Herstellung eines Diagnostikums. Ergänzend definiert § 2 Nr. 2 TFG, dass Spendeeinrichtung eine Einrichtung ist, durch die Spenden entnommen werden oder deren Tätigkeit auf die Entnahme von Spenden und, soweit diese zur Anwendung bestimmt sind, auf deren Testung, Verarbeitung, Lagerung und das Inverkehrbringen gerichtet ist.
15.3.5
Blutprodukt
Der Begriff Blutprodukt ist eine terminologische Neuschöpfung des TFG, der wiederum einen dynamischen Rückverweis auf das AMG beinhaltet. Er erfasst nach § 2 Nr. 3 TFG Blutzubereitungen im Sinne des § 4 Abs. 2 AMG, Sera aus menschlichem Blut im Sinne des § 4 Abs. 3 AMG und Blutbestandteile, die zur Herstellung von Wirkstoffen oder Arzneimitteln bestimmt sind. Obwohl in § 1 TFG nur von Blutprodukten gesprochen wird, unterliegt auch die Anwendung gentechnisch hergestellter Plasmaproteine zur Behandlung von Hämostasestörungen partiell dem TFG (7 vgl. z. B. § 14 TFG). In der Transfusionsmedizin hat sich die Unterscheidung zwischen Blutkomponenten und Plasmaderivaten als unter praktischen Gesichtspunkten sehr geeignet erwiesen. Diese Begriffe finden sich allerdings in AMG und TFG nicht. Sie werden vom Begriff Blutprodukt umfasst. Die Begriffe Spende und Blutprodukt decken sich keineswegs. Der Begriff Spende ist zur Wahrung des Integritätsinteresses der Spender so konstruiert, dass jeder Entnahmevorgang erfasst wird, der zur Herstellung von Arzneimitteln für die Anwendung an Mensch oder Tier, aber auch zur Herstellung eines Diagnostikums führt. Demgegenüber ist der Begriff Blutprodukt zur Wahrung des Integritätsinteresses des Empfängers konstruiert. Dennoch erfasst er nicht alle Arzneimittel, in denen sich Blutbestandteile finden, sondern nur solche, die Blut sind oder Blutbestandteile als wirksame Bestandtteile enthalten. Zahlreiche Arzneimittel, die Blutbestandteile lediglich als nicht wirksame Bestandteile enthalten (sog. Hilfsstoffe), z. B. Humanalbumin als Stabilisator, sind nicht Blutprodukte im Sinne des TFG. Sehr wohl werden aber zu deren Herstellung auch Spenden verwendet, und das Ausgangsmaterial Plasma zur Fraktionierung ist selbst schon ein Blutprodukt.
208
Kapitel 15 • Rechtliche Grundlagen
15.3.6
Herstellungserlaubnis
Seit der 15. AMG-Novelle (7 Abschn. 15.3.3) bedarf jeder einer Herstellungserlaubnis, der Arzneimittel »gewerbs- oder berufsmäßig herstellt«. Eine Ausnahme sieht § 13 Abs. 2b AMG für den Arzt vor, der Arzneimittel »zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten herstellt«. Wenn keine Herstellungserlaubnis erforderlich ist, ist die Herstellung nach § 67 AMG der Aufsichtsbehörde allerdings trotzdem anzuzeigen. Denn seit der 15. AMG-Novelle ist jede Herstellung von Blutprodukten unabhängig vom Inverkehrbringen der Kontrolle der Arzneimittelbehörden unterworfen. Die sachlich zuständige Behörde wird durch Landesrecht bestimmt (Bezirksregierung oder Regierungspräsidium). Örtlich zuständig ist diejenige Erlaubnisbehörde, in deren Bezirk die Spendeeinrichtung liegt. Bei Blutprodukten ist vor Erteilung einer Herstellungserlaubnis das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hinzuzuziehen (§ 13 Abs. 4 S. 2 AMG). Eine Herstellungserlaubnis kann nur auf Antrag erteilt werden und bedarf der vorherigen behördlichen Inspektion der Spendeeinrichtung. Auch bei der Inspektion wird das PEI hinzugezogen. In aller Regel sind schon mit dem Antrag auf Herstellungserlaubnis Unterlagen über das Qualitätsmanagementsystem der Spendeeinrichtung vorzulegen, insbesondere Herstellungs- und Prüfanweisungen.
15.3.7
15
Zulassung
Wird ein Arzneimittel zum Zwecke der Abgabe an andere im Voraus hergestellt und in einer für den Verbraucher bestimmten Packung in Verkehr gebracht (7 Abschn. 15.3.3), handelt es sich um ein Fertigarzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG), das der Zulassung nach §§ 21 ff. AMG bedarf. In der Hämotherapie bedeutet dies: Immer dann, wenn bei der Herstellung eines Arzneimittels, das Blut ist oder Blutbestandteile als wirksame Bestandteile enthält, zum Zeitpunkt der Herstellung dessen Empfänger noch nicht bekannt ist, handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel. Von der Zulassungspflicht ausgenommen ist die Eigenblutspende – hier ist der Spender auch der Empfänger – und die gerichtete Herstellung, wie z. B. von Thrombozytenkonzentraten von der Mutter bei neonataler Alloimmunthrombopenie – hier ist der Empfänger zum Zeitpunkt der Herstellung schon bekannt, es wird also nicht im Voraus hergestellt. Auch die Verwandtenspende – die von wenigen Ausnahmen wie z. B. der Alloimmunthrombopenie abgesehen kontraindiziert ist – bedarf keiner Zulassung. Zuständige Behörde für die Zulassung eines Fertigarzneimittels, das Blut ist oder Blutbestandteile als wirksame Bestandteile enthält, ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Zusammen mit einem Zulassungsantrag sind umfangreiche Unterlagen vorzulegen. Über deren Form und Umfang geben die Internetseiten des PEI umfassend Auskunft. Die gesetzliche Grundlage für den Umfang von Zulassungsunterlagen ist durch die §§ 22 ff. AMG vorgegeben.
15.3.8
Gewebe, Gewebezubereitungen und Stammzellzubereitungen
Gewebe sind nach § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes (TPG) [42] alle aus Zellen bestehenden Bestandteile des menschlichen Körpers, die keine Organe im Sinne des TPG sind, einschließlich einzelner menschlicher Zellen. Blut und Blutbestandteile sind aber wegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 TPG keine Gewebe in diesem Sinne. Für den
Transfusionsmediziner ist der Begriff Gewebe jedoch insoweit von Bedeutung, als nach der Legaldefinition Knochenmark zu den Geweben gezählt wird. Gewebezubereitungen sind nach § 4 Abs. 30 AMG Arzneimittel, die Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 TPG sind oder aus solchen Geweben hergestellt worden sind. Eine Gewebeeinrichtung ist eine Einrichtung, die Gewebe zum Zwecke der Übertragung entnimmt, untersucht, aufbereitet, be- oder verarbeitet, konserviert, kennzeichnet, verpackt, aufbewahrt oder an andere abgibt (§ 1a Nr. 8 TPG). Für die Gewinnung von Geweben im Sinne von § 1a Nr. 4 TPG und für die Durchführung der damit verbundenen Laboruntersuchungen ist eine Erlaubnis nach § 20b AMG erforderlich. Zusätzlich ist für die Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Lagerung oder das Inverkehrbringen von Gewebe oder Gewebezubereitungen eine Erlaubnis nach § 20c AMG erforderlich, die, wie es im Gesetz heißt, an die Voraussetzungen geknüpft ist, dass die Gewebe oder Gewebezubereitungen nicht mit industriellen Verfahren be- oder verarbeitet werden und dass deren wesentliche Be- oder Varbeitungsverfahren in der Europäischen Union hinreichend bekannt sind. Anderenfalls ist eine Erlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG erforderlich. Die Erlaubnisse nach den §§ 20b und 20c AMG werden von der zuständigen Landesbehörde ausgestellt. Daneben wurde für Gewebe und Gewebezubereitungen über den § 21a AMG eine Genehmigungspflicht bei der zuständigen Bundesoberbehörde, dem PEI, eingeführt. Das Genehmigungsverfahren ähnelt sehr stark dem Zulassungsverfahren nach § 21 AMG für Fertigarzneimittel. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen in den Genehmigungsverfahren für Gewebezubereitungen allerdings weniger relativ enge Spezifikationen im Mittelpunkt stehen. Vorrangig geht es darum, die kritischen Verarbeitungsverfahren daraufhin zu bewerten, dass die Verfahren die Gewebe nicht klinisch unwirksam oder schädlich für die Patienten machen. Stammzellen zur hämatopoetischen Regeneration finden sich in Blut, Nabelschnurblut und im Knochenmark. Soweit sie aus Blut oder Nabelschnurblut konzentriert werden, gelten die Regelungen des AMG und des TFG. Soweit sie aus Knochenmark aufbereitet werden, gelten dagegen die Regeln des AMG und des TPG. So beinhaltet zum Beispiel das TPG in § 8a detaillierte Regelungen der Voraussetzungen, unter denen die Entnahme von Knochenmark bei minderjährigen Spendern zulässig ist. Insgesamt ist die Situation inzwischen sehr unübersichtlich. Auf Landesebene ist für die Gewinnung von Stammzellen aus Blut oder aus Nabelschnurblut eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG erforderlich. Für die Gewinnung von Stammzellen aus Knochenmark hingegen ist die Erlaubnis nach den §§ 20b und 20c AMG nötig. Auf der Ebene der Bundesoberhörde wiederum sind alle Stammzellzubereitungen, auch diejenigen aus Blut und Nabelschnurblut, die zur autologen oder zur gerichteten allogenen Anwendung gedacht sind, einem Genehmigungsverfahren nach § 21a AMG zu unterziehen. Die ungerichtet eingelagerten allogenen Stammzellzubereitungen aus Nabelschnurblut sind als einzige nach § 21 AMG als Fertigarzneimittel zuzulassen. 15.4
Transfusionsgesetz
Das TFG hat nach § 1 zum Ziel, die Risiken für Blutspender und Patienten soweit als möglich zu reduzieren. Man kann insoweit von einem Risikominimierungsgebot im Blutspende- und Transfusionswesen sprechen. Das TFG folgt dem Minimalprinzip, denn es beschränkt sich auf die Fixierung wesentlicher Grundsätze und die
209
15
15.5 • Standard im Blutspende- und Transfusionswesen
Festlegung unerlässlicher Pflichten. Hinsichtlich der fachlichen Einzelheiten verweist das TFG stets auf den »Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik«. Der Spielraum der Transfusionsmedizin bzw. der Hämotherapie ist jedoch nicht unbeschränkt, denn alle medizinischen Vorgaben müssen sich am Gesetzeszweck des § 1 TFG messen lassen. Als Herzstück des TFG können der 2. Abschn. (§§ 3–12a) über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und der 3. Abschn. (§§ 13–18) über die Anwendung von Blutprodukten bezeichnet werden. Die Regelungen im TFG zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen beschränken sich auf den Gewinnungsvorgang und die unmittelbar damit zusammenhängenden Maßnahmen, wie die Spenderauswahl und die Sicherheit der Entnahme. Alle anderen Herstellungsschritte unterliegen ausschließlich den Vorschriften des Arzneimittelrechts. Die Regelungen zur Anwendung von Blutprodukten sind hinsichtlich der Aufgaben, Indikationsstellung, Vorbereitung und Anwendung ganz allgemein gehalten, weshalb die allgemeinen medizinrechtlichen Grundsätze für die Medikation maßgeblich bleiben. Dagegen sind Dokumentationserfordernisse, Unterrichtungspflichten innerhalb der Einrichtung und gegenüber pharmazeutischen Unternehmern und Behörden, die Rückverfolgung, das Meldewesen und die Kommunikationswege unter den Behörden detailliert normiert. Die wesentlichste und tiefgreifendste Neuerung in der Anwendung von Blutprodukten ist jedoch § 15 TFG, wonach Einrichtungen der Krankenversorgung, die Blutprodukte anwenden, ein System der Qualitätssicherung für die Anwendung einzurichten haben (7 Abschn. 15.7.5). 15.5
Standard im Blutspende- und Transfusionswesen
15.5.1
Bedeutung der Richt- und Leitlinien der BÄK
Nach den §§ 12a und 18 TFG hat die BÄK im Einvernehmen mit dem PEI als zuständige Bundesoberbehörde und nach Anhörung von Sachverständigen in Richtlinien Standards für die Hämotherapie festzustellen. Die Richtlinienkompetenz der BÄK ist gegenständlich begrenzt. Zum einen darf die BÄK in ihren Richtlinien nur medizinische Sachverhalte behandeln, und zum anderen dürfen nur Feststellungen zum »allgemein anerkannten« Standard und nicht zum »einfachen« Standard getroffen werden. Von einer allgemeinen Anerkennung wird man nur hinsichtlich des von der erdrückenden Mehrheit der Fachkollegen für notwendig Gehaltenen sprechen können, weshalb die Kompetenz der BÄK auf die Feststellung des Basis-Standards in der Hämotherapie begrenzt ist. Die sicherlich wichtigsten Richtlinien der BÄK sind die »Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)« [48], die sich jedoch inhaltlich nicht immer in dem vom TFG abgesteckten Rahmen bewegen. Da Richtlinien, auch wenn sie von der BÄK verfasst wurden, den Standard nicht konstitutiv begründen können, hat der Gesetzgeber im jeweiligen Absatz 2 der §§ 12a und 18 TFG die widerlegliche Vermutung aufgestellt, dass der Standard eingehalten worden ist, »wenn und soweit die Richtlinien der Bundesärztekammer nach Absatz 1 beachtet worden sind«. Die Einhaltung des in den Richtlinien niedergelegten Basisstandards bewirkt deshalb eine sehr weitreichende Haftungsimmunisierung des Arztes, sofern er im Zivilprozess nachweisen kann, dass er die Richtlinien peinlich genau eingehalten hat. In diesem Fall steht dem Patienten der in der Praxis kaum zu führende Gegenbeweis offen, der Arzt habe ausnahmswei-
se dennoch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt, weil z. B. die Richtlinien veraltet sind. Die Kehrseite der Medaille ist der Verstoß gegen die Richtlinien. Dieser führt als grober Behandlungsfehler regelmäßig zur Umkehr der Beweislast, denn ein Verstoß gegen den »allgemein anerkannten Standard« in der Transfusionsmedizin ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BGH zum groben Behandlungsfehler ein »eindeutiger Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln«, der zugleich »aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf« [13]. Die von der BÄK erarbeiteten »Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten« [47] nehmen an der Vermutungswirkung des TFG nicht teil. Sie bewegen sich deshalb wie alle Leitlinien in der Medizin haftungsrechtlich auf einer Skala zwischen gänzlicher Unverbindlichkeit und strikter Verbindlichkeit, wobei für die Einordnung der zu beurteilenden Leitlinien deren Qualität und Aktualität ausschlaggebend sind. Derzeit werden die fachlichen Anforderungen an die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen insbesondere durch die Hämotherapie-Richtlinien nach § 12a TFG geregelt. Allerdings hat der Gesetzgeber im Jahr 2007 mit § 12 TFG eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium für Gesundheit normiert. Hiernach darf das BMG das Blutspendewesen im Verordnungsweg reglementieren, sofern und soweit die Selbstverwaltung der Ärzteschaft über die Hämotherapie-Richtlinien »versagt« hat. Von der Verordnungsermächtigung des § 12 TFG wurde allerdings bisher kein Gebrauch gemacht.
15.5.2
Bedeutung der Voten des AK Blut
Durch § 24 TFG wurde der Arbeitskreis Blut (AK Blut) des Bundesministeriums für Gesundheit als Arbeitskreis von Sachverständigen für Blutprodukte und das Blutspende- und Transfusionswesen eingerichtet. Der AK Blut verabschiedet Stellungnahmen und Voten zu aktuellen Fragen der Hämotherapie, deren haftungsrechtliche Bedeutung umstritten ist. Die Voten und Stellungnahmen nehmen jedenfalls nicht an der Vermutungswirkung aus den §§ 12a und 18 TFG teil. Die von Lippert/Flegel vertretene Ansicht, die Voten des AK Blut hätten »keine rechtliche Relevanz, solange sie nicht in Richtlinien Eingang gefunden« haben [31], überzeugt jedoch nicht, weil das TFG der BÄK kein Monopol für die Ausprägung des einzuhaltenden Standards eingeräumt hat. Wegen ihres transfusionsmedizinisch fundierten fachlichen Aussagegehalts dürfte es zutreffend sein, die Voten als antizipierte Sachverständigengutachten einzustufen. Es ist deshalb mehr als ratsam, die Verfahrensabläufe den Voten des AK Blut rasch anzupassen.
15.5.3
Supranationale Richtlinien und Empfehlungen
Richtlinien der EU werden erst durch die Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedsstaaten verbindlich. Für die Erfüllung der Umsetzungspflicht ist in den Richtlinien jeweils eine bestimmte Frist festgelegt. Neben Richtlinien der EU existieren zahlreiche supranationale Empfehlungen, z. B. diejenigen des Rates der Europäischen Gemeinschaften, des Europarates und der Weltgesundheitsorganisation [19][23][49]. Zwischen den Vorgaben der Hämotherapie-Richtlinien und den genannten Empfehlungen gibt es einige nennenswerte Abweichungen, z. B. zur Spenderauswahl. Außer Frage steht, dass
210
Kapitel 15 • Rechtliche Grundlagen
die Hämotherapie-Richtlinien den Mindeststandard dann definieren, wenn in einzelnen Punkten die bezüglich der Empfängersicherheit abgegebenen Vorgaben in den Hämotherapie-Richtlinien strenger sind als in den anderen genannten supranationalen Empfehlungen. Die Bedeutung des umgekehrten Falls, wenn also die supranationalen Empfehlungen strenger sind, ist unklar. Nach dem Konzept des TFG prägen Empfehlungen der EU, des Europarates und der WHO nur dann den nationalen Standard, wenn sie ihren Niederschlag in einer Rechtsverordnung nach § 12 TFG oder in den Richtlinien der BÄK nach §§ 12a und 18 TFG gefunden haben. Entsprechendes dürfte für Richtlinien der EU vor ihrer Umsetzung gelten. Da für pharmazeutische Unternehmer aber der Maßstab der Höchstsorgfalt gilt, kann man nicht restlos ausschließen, dass strengeren supranationalen Empfehlungen doch eine Bedeutung im Haftungsprozess zukommen könnte.
15
15.6
Herstellung
15.6.1
Spenderauswahl
Die wesentlichen Grundsätze der Spenderauswahl sind in § 5 TFG normiert. Grundlage ist der gesetzliche Anspruch auf höchstmögliche Sicherheit für Empfänger und Spender (§ 1 TFG). Die Auswahl der spendenden Personen ruht auf der Befragung (Anamneseerhebung), der ärztlichen Untersuchung und der Untersuchung des Blutes des Spendewilligen bzw. der spendenden Person. Die Prüfung der Tauglichkeit der spendenden Personen hat, solange hierzu nicht eine Rechtsverordnung nach § 12 TFG erlassen wurde, nach dem Stand der Wissenschaft und Technik, also entsprechend den Hämotherapie-Richtlinien nach § 12a und 18 TFG, und unter der Verantwortung einer approbierten ärztlichen Person zu erfolgen. Zusätzlich ist normiert, dass die individuelle Feststellung der Spendetauglichkeit durch eine approbierte ärztliche Person zu erfolgen hat. Die Zulassung zur Spendeentnahme »soll« nicht erfolgen, soweit und solange die spendewillige Person nach den HämotherapieRichtlinien von der Spendeentnahme auszuschließen oder zurückzustellen ist. Diese Sollbestimmung im Gesetzestext ist ohne weiteres als Muss aufzufassen, da die Hämotherapie-Richtlinien selbst die einzig in Frage kommenden Ausnahmen definieren. Weitere Ausnahmen verbieten sich ohne Frage. Von ganz herausragender Bedeutung ist § 5 Abs. 3 TFG. Dieser Paragraph normiert, dass die spendende Person vor der Freigabe der Spende auf Infektionsmarker zu untersuchen ist. Mindestens ist auf Humanes-Immundefekt-Virus- (HIV-), Hepatitis-B-Virus- und Hepatitis-C-Virus-Infektionsmarker zu testen. Im Übrigen sind hier die Hämotherapie-Richtlinien sowie Anordnungen der Bundesbehörden zu beachten (zu supranationalen Empfehlungen bei der Spenderauswahl 7 Abschn. 15.5.3). Die besondere Bedeutung der Testung auf Infektionsmarker wird dadurch unterstrichen, dass der Verstoß gegen § 5 Abs. 3 S. 1 TFG unabhängig von einer Empfängerschädigung durch § 31 TFG zum Straftatbestand erhoben wurde.
15.6.2
Einwilligung und Aufklärung des Spenders
Die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen bedingt eine Körperverletzung des Spenders, weshalb die später folgenden Ausführungen zur Einwilligung und Aufklärung des Patienten auf die des Spenders übertragbar sind. Ein rechtlich strengerer Maßstab ist jedoch insofern anzulegen, als die Entnahme der Spende kein eigen-
nütziger Heileingriff, sondern ein fremdnütziger Gemeinschaftsdienst ist [15].
Einwilligung des Spenders Die Einwilligung des Spenders hat nach § 6 TFG mehrere Gesichter. Sie bezieht sich auf die Durchführung der Spendeentnahme und die damit verbundenen Risiken, die anschließenden Laboruntersuchungen, die Nutzung personenbezogener Daten und die Verwendung der Spende. Das TFG fordert für die meisten Spendeverfahren in § 6 Abs. 1 S. 2 nicht die schriftliche Einwilligung, sondern die sog. schriftliche Bestätigung der Einwilligung. Die mündliche Einwilligung in die Spende wäre demnach wirksam. Dagegen ist bei allen Spendeverfahren mit Vorbehandlung der Spender (Spenderimmunisierung oder Vorbehandlung zur Blutstammzellseparation) nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 TFG bzw. § 9 S. 2 TFG die schriftliche Einwilligung des Spenders zwingend erforderlich. Der Unterschied zwischem beidem ist unklar. Die Schriftform der Einwilligung ist daher immer zu empfehlen. Der Widerruf der Einwilligung ist grundsätzlich und formlos zulässig. Der Widerruf der Einwilligung in die Verwendung der Spende ist als nachträglicher vertraulicher Selbstausschluss (§ 6 Abs. 1 S. 3 TFG) zu beachten, sofern dies noch möglich ist. Der Widerruf der Einwilligung in die Datenverarbeitung ist allerdings unbeachtlich, wenn mit dem Widerruf eine Gefährdung des Rückverfolgungsverfahrens einhergehen würde.
Aufklärung des Spenders Die Selbstbestimmungsaufklärung (Durchführung der Entnahme und Risiken) des Spenders hat besonders eingehend zu erfolgen, ohne dass Verkürzungen z. B. wegen Dringlichkeit des Eingriffs in Betracht kämen. Der Spender ist auch über sehr seltene Risiken einschließlich deren Folgen aufzuklären, sofern sie der Spende spezifisch anhaften und im Falle ihrer Verwirklichung die Lebensführung des Spenders schwer belasten [15]. Dies bringt § 6 TFG klar zum Ausdruck, der darüber hinaus verlangt, dass der Spender auch über die Untersuchungen nach § 5 Abs. 3 TFG und die mit der Spendeentnahme verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten in verständlicher Form aufgeklärt wird. Insoweit schützt die Aufklärung das Persönlichkeitsrecht des Spenders. Die Aufklärung kann nur mündlich erfolgen. Der Spender muss anschließend die Aufklärung, nicht jedoch deren Inhalt, schriftlich bestätigen. Das Fehlen der Bestätigung führt nicht zur Unwirksamkeit der Aufklärung, wohl aber zu Beweisnachteilen im Haftungsprozess. Die Aufklärung hat nach § 6 TFG vorher zu erfolgen. Dies impliziert, dass der Mehrfachspender vor jeder Spende erneut aufgeklärt werden muss, falls er nicht noch voll informiert ist und deshalb ausnahmsweise die Aufklärung unter dem Gesichtspunkt der Förmelei entfallen kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Aufklärung sachkundig, »wenn sie von einer ärztlichen Person oder einer entsprechend geschulten Person durchgeführt wird«. Die Aufklärung ist also, und dies ist ein Novum im Medizinrecht, nicht notwendig von einem Arzt durchzuführen. Im Streitfall muss die Spendeeinrichtung aber die Sachkunde der MTA oder Pflegekraft nachweisen können. Bei der Spenderimmunisierung und der Vorbehandlung zur Blutstammzellseparation muss die Aufklärung wegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 9 S. 2 TFG ausnahmslos durch einen Arzt erfolgen.
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15
15.6 • Herstellung
15.6.3
Aufwandsentschädigung
Die Spendeentnahme soll unentgeltlich erfolgen (§ 10 TFG). Es kann aber eine Aufwandsentschädigung gewährt werden. Deren Höhe normierte der Gesetzgeber nicht, sondern nahm hier in der Gesetzesbegründung Bezug auf das 1. Votum des AK Blut, das für die Normalspende einen Betrag von damals bis zu 50,- DM zuließ. Seit längerem ist auch die Gewährung höherer Aufwandsentschädigungen bei zeitaufwendigen Zytapheresespenden üblich, z. B. von 50,- bis 75,- Euro bei Thrombozytapheresen. Die Aufwandsentschädigung kann in ihrer derzeitigen Form durchaus als unverzichtbare Säule der nationalen Selbstversorgung angesehen werden. Es sollte aber in Zukunft zu keinerlei weiterer Steigerung der derzeit gewährten Aufwandsentschädigungen mehr kommen, auch nicht zu einer Anpassung an die inflationsbedingte Geldentwertung. Auch moderne Entwicklungen in der Apheresetechnologie verdienen hier noch eine Erwähnung. Die sog. Multikomponentenspende, die zur Gewinnung mehrerer Blutkomponenten in einem Aphereseverfahren führt, darf nicht zu einer Addition mehrerer pauschalierter Aufwandsentschädigungen führen. Über die Problematik der Vereinbarkeit von Aufwandsentschädigung und gesetzlicher Unfallversicherung als Blutspender hat bereits das BSG geurteilt [16]. Der Senat hatte darüber zu entscheiden, ob Personen, die ihr Blut einem gewerblichen Plasmapheresezentrum zur Verfügung stellen, überhaupt Blutspender im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 b SGB VII sind. Das BSG hat in den Urteilsgründen gesehen, »dass wegen der Möglichkeit, bei der Blutspende für das Plasmapherese-Verfahren jede Woche Blut zu spenden, auch das dafür gewährte Honorar – hier 35,- DM je Spende (Herbst 1977) – einen Anreiz für den Spender darstellen kann«. Ein Versicherungsschutz bestehe aber auch hier, denn die Spende sei im Wesentlichen (auch) weiterhin »Ausdruck der Opferbereitschaft für die Allgemeinheit« gewesen.
15.6.4
Spenderimmunisierung und Vorbehandlung des Spenders
Der Schutz der Integrität und körperlichen Unversehrtheit spendender Personen ist schon durch § 1 TFG normiert. Dass der Gesetzgeber diesem Gesetzeszweck einen besonders hohen Stellenwert zuerkennt, wird in den §§ 8 und 9 TFG sichtbar. Diese regeln im Detail die Voraussetzungen, unter denen eine zur Herstellung von speziellen Immunglobulinen erforderliche Spenderimmunisierung oder eine Vorbehandlung vor Gewinnung von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen durchgeführt werden darf. Eine Spenderimmunisierung ist grundsätzlich nur im Wege der Kombination der Einwilligung mit der Notwendigkeit zur Versorgung der Bevölkerung zu rechtfertigen. Weiter ist nach § 8 Abs. 2 TFG ein Katalog von Normativbestimmungen zu erfüllen, die kumulativ vorliegen müssen, damit eine Spenderimmunisierung zulässig ist. Normiert sind insbesondere die Vertretbarkeit der Risiken, die Einwilligung nach Aufklärung (7 Abschn. 15.6.2), die sachkundige Leitung, die Ausarbeitung eines Immunisierungsplans, die Gewährleistung ärztlicher Kontrolle, ein zustimmendes Votum einer Ethikkommission und die Anzeige des Immunisierungsprogramms bei der zuständigen Aufsichtsbehörde. Dem Grundtenor des TFG folgend wird außerordentlicher Wert auf die Dokumentation gelegt, und hierbei wiederum auf Aufzeichnungen über alle Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Immunisierungsprogramms auftreten und die
Gesundheit der spendenden Person oder den gewünschten Erfolg des Immunisierungsprogramms beeinträchtigen können. Die Vorbehandlung des Spenders vor Gewinnung von Blutstammzellen oder irgendwelchen anderen Blutbestandteilen rechtfertigt sich nicht aus der Versorgung der Bevölkerung, sondern aus der Indikation der Präparateanwendung bei einem bestimmten Patienten. Alle übrigen Voraussetzungen einer Spenderimmunisierung gelten aber entsprechend.
15.6.5
Qualitätsmanagementsystem in der Herstellung
Erfordernis und Inhalt eines Qualitätsmanagementsystems (QMSystems) für die Herstellung, Prüfung, Lagerung und Abgabe von Arzneimitteln sind allgemein in § 3 AMWHV und speziell für Blutspendeeinrichtungen in § 31 AMWHV festgelegt [3]. Betriebe und Einrichtungen müssen ein funktionierendes pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem entsprechend Art und Umfang der durchgeführten Tätigkeiten betreiben, um sicherzustellen, dass die Arzneimittel die für den beabsichtigten Gebrauch erforderliche Qualität aufweisen. Dieses Qualitätssicherungssystem muss die aktive Beteiligung der Geschäftsführung und des Personals der einzelnen betroffenen Bereiche vorsehen. Nach § 12 Abs. 1 AMWHV sind die Verantwortungsbereiche der sachkundigen Person nach § 19 AMG sowie die Aufgaben der Leitung der Herstellung und der Leitung der Qualitätskontrolle schriftlich festzulegen. Ob letztere weiterhin ihre bisherigen Aufgaben behalten, bleibt abzuwarten, denn durch die 15. AMG-Novelle (7 Abschn. 15.3.3) wurde ihre Erwähnung in § 14 AMG ersatzlos gestrichen. Bisher haben der Leiter der Herstellung und der Leiter der Qualitätskontrolle insbesondere die Herstellungs- und Prüfanweisungen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und gegebenenfalls an den Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen. Neben diesen grundsätzlichen Vorgaben für die Inhalte eines QM-Systems beim pharmazeutischen Unternehmer sind diejenigen Paragraphen des Arzneimittelrechts als Kernpunkte der gesetzlichen Ansprüche an dessen QM-System anzusehen, die die Bestellung persönlich haftbarer Verantwortungsträger vorsehen.
15.6.6
Natürliche Personen als Verantwortungsträger
Das AMG verpflichtet pharmazeutische Unternehmer, natürliche Personen als Verantwortungsträger zu bestellen. Die wichtigste Position hat die sachkundige Person nach § 14 AMG, deren Aufgaben in § 19 AMG genannt sind: Die sachkundige Person nach § 14 AMG ist dafür verantwortlich, dass jede Charge des Arzneimittels entsprechend den Vorschriften über den Verkehr mit Arzneimitteln hergestellt und geprüft wurde. Sie hat die Einhaltung dieser Vorschriften für jede Arzneimittelcharge in einem fortlaufenden Register oder einem vergleichbaren Dokument vor deren Inverkehrbringen zu bescheinigen. Die sachkundige Person ist damit die alleinverantwortliche Person für die Freigabe von Arzneimitteln vor deren Inverkehrbringen oder Anwendung. Neben der sachkundigen Person sind in der AMWHV der Leiter der Herstellung und der Leiter der Qualitätskontrolle vorgesehen. Im AMG selbst sind ihnen aber keine Aufgaben mehr zugewiesen, sondern diese sind detailliert in §12 AMWHV aufgeführt (7 Abschn. 15.6.5).Der Verantwortungsbereich des Informationsbeauftragten ist in § 74 a AMG festgelegt. Er betrifft v. a. die korrekte
212
Kapitel 15 • Rechtliche Grundlagen
Bezeichnung und Aufmachung von Arzneimitteln, deren Kennzeichnung, Packungsbeilage, Fachinformation sowie die Werbung. Schließlich hat der Stufenplanbeauftragte nach § 63 a AMG bekannt gewordene Meldungen über Arzneimittelrisiken zu sammeln, zu bewerten und die notwendigen Maßnahmen zu koordinieren. Er ist für die Erfüllung von Anzeigepflichten verantwortlich, soweit sie Arzneimittelrisiken betreffen. Ein pharmazeutischer Unternehmer muss allerdings nur dann einen Stufenplanbeauftragten bestellen, wenn er Fertigarzneimittel herstellt. Neben den Aufgaben regelt § 63 a AMG auch die erforderliche Qualifikation des Stufenplanbeauftragten. 15.7
Anwendung von Blutprodukten
15.7.1
Indikation und Verschreibung
Alle Blutprodukte unterliegen der ärztlichen Verschreibungspflicht. Indikationsstellung und begleitende bzw. vorbereitende Laboruntersuchungen richten sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik. Hierbei ist erwähnenswert, dass die Hämotherapie-Richtlinien selbst bisher keinerlei Festlegungen zur Indikationsstellung beinhalten, sondern hierzu auf die Leitlinien der BÄK [47] verweisen (zu deren Bedeutung 7 Abschn. 15.5). 15.7.2
15
Einwilligung und Aufklärung des Empfängers
Die Rechtsprechung geht immer noch vom Leitbild des Heileingriffs als Körperverletzung aus. Deshalb ist selbst die indizierte und lege artis durchgeführte Anwendung eines Blutproduktes strafrechtlich eine tatbestandliche Körperverletzung sowie zivilrechtlich ein Delikt und eine Verletzung des Behandlungsvertrages, die nur dann sanktionslos bleibt, wenn der Patient seine Einwilligung erklärt hat (Rechtfertigungsgrund). Die Einwilligung wirkt jedoch nur dann rechtfertigend, wenn mit dem Patienten zuvor ein Aufklärungsgespräch geführt wurde, denn nur der aufgeklärte Patient kann sein Selbstbestimmungsrecht ausüben (»informed consent«). Nichts anderes meint § 13 Abs. 1 S. 2 TFG mit der Formulierung, dass die Anforderungen an die »Aufklärung und Einwilligung beachtet werden« müssen. Für den gesamten Rechtfertigungsgrund trägt der Arzt in einem Zivilprozess die Beweislast. Dies bedeutet, dass der Arzt die ordnungsgemäße Aufklärung und Einwilligung des Patienten in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht beweisen können muss. Von der Selbstbestimmungsaufklärung ist die therapeutische Aufklärung, wie sie z. B. § 19 Abs. 1 S. 5 TFG für das »Look Back« normiert oder in Abschn. 4.3.4 der Hämotherapie-Richtlinien für die Aufklärung über Symptome einer unerwünschten Reaktion nach ambulanter Anwendung von Blutprodukten vorgesehen ist, streng zu unterscheiden. Denn Verstöße gegen die therapeutische Aufklärungspflicht zählen zu den Behandlungsfehlern, weshalb es Sache des Patienten ist, im Prozess deren Verletzung durch den Arzt zu beweisen.
Einwilligung des Empfängers Die Einwilligung in die Gabe eines Blutproduktes ist kein Rechtsgeschäft, wie z. B. der Abschluss eines Kaufvertrages, sondern eine Gestattung zur Vornahme einer tatsächlichen Handlung, die in die körperliche Integrität eingreift [8]. Voraussetzung ihrer Wirksamkeit ist damit nicht die Geschäftsfähigkeit des Patienten, die unbeschränkt erst mit dessen Volljährigkeit beginnt. Es ist hinreichend,
aber auch erforderlich, dass der Patient die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung in der konkreten Situation zutreffend einschätzen kann. Hiervon hat sich der Arzt im Aufklärungsgespräch zu überzeugen. Unter den genannten Voraussetzungen können auch Minderjährige selbst einwilligungsfähig sein (und zwar auch hinsichtlich einer präoperativen Eigenblutspende). Wann dies der Fall ist, kann nicht abstrakt anhand fester Altersgrenzen, sondern nur aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls entschieden werden. Kinder unter 14 Jahren dürften generell einwilligungsunfähig sein. Im Zweifel sollten der Minderjährige und die Eltern nach entsprechender Aufklärung ihre Einwilligung erteilen. Der Bundesgerichtshof hält es bei »normalen« Eingriffen für ausreichend, wenn ein Elternteil allein entscheidet [9], weshalb die zwingende gemeinsame Entscheidung bei der Gabe von Blutprodukten die Ausnahme ist. Bei bewusstlosen oder sonst einwilligungsunfähigen volljährigen Patienten entscheidet vorrangig der vom Patienten schriftlich dazu bestimmte Bevollmächtigte für Gesundheitsangelegenheiten, sofern die Vorsorgevollmacht ausdrücklich medizinische Maßnahmen einschließt (§ 1904 Abs. 5 BGB). Andernfalls muss ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge durch das Vormundschaftsgericht bestellt werden. Nur in unaufschiebbaren Fällen kommt die mutmaßliche Einwilligung in Betracht, bei der der Arzt prüfen muss, ob die Gabe des Blutproduktes dem wirklich geäußerten oder mutmaßlich anzunehmenden subjektiven Willen des Patienten entspricht. Im Zweifel kommt es allein auf das objektive Interesse und damit die medizinische Indikation an. Einen Sonderfall stellt die Behandlung von Zeugen Jehovas dar, denn der Glaubensimperativ der Gemeinschaft, sich jeglichen Blutes zu enthalten, steht der Anwendung der meisten Blutprodukte und fremdblutsparenden Verfahren entgegen [5][43]. Das ausdrückliche Veto des volljährigen Zeugen Jehovas ist vom Arzt strikt zu beachten. Dies gilt bei elektiven Eingriffen selbst dann, wenn der Arzt präoperativ der Auffassung war, er komme ohne Blut aus, und wenn er intraoperativ alles unternommen hat, um eine Transfusion zu vermeiden, denn diese Unwägbarkeiten konnte und musste der Arzt bei seiner Gewissensentscheidung im Zeitpunkt der Übernahme der Behandlung berücksichtigen. Wenn er »damals« die Behandlungsübernahme aus ethischen Erwägungen nicht abgelehnt hatte, kann er sich intraoperativ auch nicht mehr auf den ärztlichen Auftrag zur Lebensrettung berufen, um das Veto des Patienten aufzuheben. Nichts anderes kann bei der Behandlung bewusstloser Zeugen Jehovas gelten, wenn dem Arzt das »Dokument zur ärztlichen Versorgung« vorliegt, dieses – wie vorgesehen – erneuernd unterschrieben wurde und der Patient noch der Glaubensgemeinschaft angehört. Wird ein Betreuer bestellt, muss dieser die gesetzlichen Bestimmungen zur Patientenverfügung (§ 1901a BGB) beachten. Der blutlosen Behandlung Minderjähriger, sofern sie nicht ausnahmsweise einsichtsfähig sind und damit eigenständig die Gabe von Blutprodukten verweigern können, sind enge rechtliche Grenzen gesetzt, denn die in Art. 4 GG verbürgte Religionsfreiheit der Eltern kann sich nicht zu Lasten der Gesundheit oder gar des Lebens der Kinder auswirken. Der Arzt muss jedoch wegen Art. 4 GG auf Blutprodukte verzichten, soweit es der medizinische Standard zulässt. Verweigern die Eltern jedoch eindeutig die Gabe eines Blutproduktes, muss der Arzt beim Familiengericht die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung anregen, sofern kein unaufschiebbarer Fall vorliegt, in dem er sich selbst über das Veto der Eltern hinwegsetzen darf.
213
15
15.7 • Anwendung von Blutprodukten
Selbstbestimmungsaufklärung Die Selbstbestimmungsaufklärung untergliedert sich in die Diagnose-, Verlaufs- und Risikoaufklärung. Teil der Verlaufsaufklärung ist die Aufklärung über Behandlungsalternativen und damit die Aufklärung über die Möglichkeit der Eigenblutanwendung als Alternative zur Fremdblutexposition (7 Abschn. 15.8). Bei der Risikoaufklärung steht das Risiko der Übertragung von Infektionserregern immer noch ganz im Vordergrund. Da über typische Risiken unabhängig von der Komplikationsrate aufzuklären ist, muss der Arzt trotz des zwischenzeitlich sehr geringen Risikos weiterhin die Gefahr einer HIV-Infektion ansprechen. Ob der Arzt den Patienten auch über das (fiktive) Risiko der vCJK-Übertragung aufklären muss, ist noch nicht abschließend geklärt [6][44]. Das viel größere Risiko einer Konservenverwechslung ist nicht Gegenstand der Aufklärung, denn Konservenverwechslungen sind Behandlungsfehler, die nicht durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt werden können.
Schriftform Obwohl es in § 14 Abs. 1 S. 2 TFG heißt, »die Dokumentation hat die Aufklärung und die Einwilligungserklärungen (…) zu umfassen«, wollte das TFG sicher nicht in Abkehr vom allgemeinen Medizinrecht die gesetzliche Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung der Aufklärung und Einwilligung normieren. Auch die Aufklärung über die Anwendung eines Blutproduktes kann nur durch ein patientenzentriertes Gespräch und nicht durch Formulare erfolgen. Durch die Schriftlichkeit der Einwilligung könnte das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht weiter gestärkt werden, denn bei der ärztlichen Behandlung ist die jeder Schriftform immanente Warnfunktion bereits in der zeitlich vorausgehenden Risikoaufklärung institutionalisiert. Im Hinblick auf die Beweislast des Arztes im Haftungsprozess – insoweit kann § 14 Abs. 1 S. 2 TFG als gewichtige Warnung des Arztes durch den Gesetzgeber angesehen werden – ist es aber dringend zu empfehlen, den Inhalt des Aufklärungsgesprächs anhand eines individualisierten Aufklärungsbogens oder frei in der Krankengeschichte zu dokumentieren und das schriftliche Einverständnis des Patienten einzuholen.
15.7.3
Technik der Anwendung (Transfusion)
Transfusionsvorbereitende Maßnahmen Kernstücke der transfusionsvorbereitenden Maßnahmen sind die Identitätssicherung, die nicht delegierbar ist, und der ABO-Identitätstest (Bedside-Test), der von der transfundierenden ärztlichen Person oder unter ihrer unmittelbaren Aufsicht durchzuführen ist. Zahlreiche Studien haben nämlich gezeigt, dass mindestens die Hälfte aller tödlichen Konservenverwechslungen ursächlich auf die fehlerhafte Zuordnung einer Blutkomponente zum Patienten unmittelbar vor der Transfusion zurückzuführen sind. Das Unterlassen des ABO-Identitätstests ist unzweifelhaft ein ärztlicher Kunstfehler. Ebenso ist auch die Fehlinterpretation und -durchführung des ABO-Identitätstests ein ärztlicher Kunstfehler. Hierzu existiert eine interessante Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts [4]: Eine Assistenzärztin, die den Tod einer Patientin verursacht hatte, weil sie Blutkonserven vertauschte und den anschließenden Bedside-Test falsch durchführte, musste ihren Arbeitgeber im Innenverhältnis von den Zahlungen an die Angehörigen der Verstorbenen in voller Höhe freistellen. Die Ärztin habe mit »besonders grober (d. h. gröbster) Fahrlässigkeit« gehandelt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht also davon aus, dass präzise Kenntnisse über die Durchführung und Interpretation des ABO-
Identitätstests von jeder ärztlichen Person, die Blutprodukte anwendet, erwartet werden müssen. Der Krankenhausträger hätte hier sogar die Möglichkeit gehabt, der Ärztin fristlos zu kündigen, denn ein grober Behandlungsfehler ist grundsätzlich ein hinreichender außerordentlicher Kündigungsgrund [30]. Der ABO-Identitätstest ist »vom transfundierenden Arzt« vorzunehmen. Es ist also unzulässig, sich auf einen von einer anderen ärztlichen Person vorgenommenen ABO-Identitätstest zu verlassen. Damit ist nach Schichtwechsel oder Verlegung der ABO-Identitätstest vor der Einleitung der nächsten Transfusion einer Blutkomponente unbedingt erneut vorzunehmen. Der ABO-Identitätstest dient der Erkennung von Verwechslungen am Patientenbett. Er muss damit zumindest einmal je Transfusionsserie erfolgen.
Transfusionseinleitung und -überwachung Die Einleitung der Transfusion von Blutkomponenten erfolgt durch den zuständigen Arzt persönlich und ist nicht delegierbar. Grund dafür ist, dass der Arzt den Empfänger zu Beginn der Transfusion jeder Blutkomponente auf etwaige klinische Unverträglichkeitserscheinungen zu beobachten hat. Dieses Verfahren geht auf den Chirurgen Oehlecker zurück, dessen im 1. Weltkrieg entwickelte biologische Verträglichkeitsprüfung, auch Oehlecker-Probe genannt, zu den großen Pionierleistungen der Bluttransfusion gehört. Bei mehreren zeitlich unmittelbar nacheinander transfundierten Blutkomponenten (sog. Transfusionsserie) werden die Einzelheiten im Qualitätssicherungssystem der Einrichtung festgelegt. Während und nach der Transfusion ist für eine geeignete Überwachung des Patienten zu sorgen.
15.7.4
Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht
Dokumentationspflicht Die Dokumentationspflicht aus § 14 TFG beschränkt sich nicht auf die Anwendung von Blutprodukten, sondern erfasst wegen möglicher zukünftiger, derzeit freilich nicht bekannter Risiken auch die Anwendung gentechnisch hergestellter Plasmaproteine zur Behandlung von Hämostasestörungen. Der Umfang der vom Arzt zu führenden Aufzeichnungen ergibt sich aus den in § 14 Abs. 1 S. 1 TFG genannten Zwecken der Dokumentationspflicht. Dies sind neben der Sicherstellung der ärztlichen Behandlung (ein primärer Zweck jeder ärztlichen Aufzeichnung) die im TFG selbst geregelten Zwecke und die Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz. Trotz des entgegenstehenden Wortlauts ist die gesetzliche Aufzählung der aufzuzeichnenden Arbeitsschritte und Vorgänge in § 14 Abs. 1 S. 2 TFG nicht abschließend. Der Gesetzgeber wollte lediglich Eckpunkte des Dokumentationsinhalts besonders hervorheben und festlegen. Da das TFG auch die qualitätsgesicherte Anwendung von Blutprodukten zum Ziel hat, ist nach dem Konzept des Gesetzes die Wirkung des verabreichten Blutproduktes aufzeichnungspflichtig (7 s. auch Kap. 4.3.10 der Hämotherapie-Richtlinien). Diese Forderung ist für viele Blutprodukte sicherlich sinnvoll, läuft aber bei anderen völlig in die Leere, wenn deren beabsichtigte Wirkung sich nicht zeitnah erfassen lässt, wie z. B. bei Tetanus-Hyperimmunglobulin. Von zentraler Bedeutung ist die vollständige Chargendokumentationspflicht des § 14 Abs. 2 TFG, die ein Glied der in beide Richtungen lückenlosen Dokumentationskette bildet: Spender – Hersteller – Artikel – Charge – Apotheke/Blutdepot – Patient. Nach der abschließenden Aufzählung in Satz 1 sind angewendete Blutpro-
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Kapitel 15 • Rechtliche Grundlagen
dukte mit folgenden Angaben zu dokumentieren: Patientenidentifikationsnummer, Chargenbezeichnung, Pharmazentralnummer, Datum und Uhrzeit der Anwendung. Nach § 14 Abs. 2 S. 3 TFG hat die Einrichtung der Krankenversorgung sicherzustellen, dass diese Angaben patienten- und produktbezogen genutzt werden können. Es müssen demnach die Produktdaten in der Krankengeschichte des Patienten dokumentiert werden, und die Anwendung muss zusätzlich außerhalb der Krankengeschichte so aufgezeichnet werden, dass bei Angabe des Produkts und der zugehörigen Charge die damit behandelten Patienten identifiziert werden können. Ergänzend bestimmt § 14 Abs. 3 S. 2 TFG, dass die Aufzeichnungen »zu Zwecken der Rückverfolgung unverzüglich verfügbar sein« müssen. Eine elektronische Datenerfassung, die sicherlich zweckmäßig ist, wird durch den Gesetzgeber hierdurch nicht vorgeschrieben. Im Gegenteil ist zu bedenken, dass die gesetzlich geforderte Aufbewahrungsfrist zu Rückverfolgungszwecken über 30 Jahre derzeit von keinem EDV-System gewährleistet werden kann. Die Gabe von Humanalbumin unterliegt trotz gegenteiliger Stimmen der vollständigen Chargendokumentationspflicht, denn vom Wortlaut des § 14 Abs. 2 TFG wird Humanalbumin, ein Blutprodukt gemäß § 2 Nr. 3 TFG, nicht ausgenommen. Im Übrigen würde jede andere Betrachtungsweise zu Wertungswidersprüchen führen, da auch bei den im Gesetz aufgeführten gentechnisch hergestellten Plasmaproteinen aktuelle Risiken nicht bekannt sind. § 14 Abs. 2 S. 1 TFG verlangt, dass alle Angaben unverzüglich dokumentiert werden. Eine auch für das TFG geltende Definition des Begriffs »unverzüglich« findet sich in § 121 Abs. 1 BGB, wonach unverzüglich »ohne schuldhaftes Zögern« bedeutet. Eine genaue zeitliche Vorgabe wird durch diese Begrifflichkeit also nicht eingeführt; sie gibt dem Arzt jedoch ein größeres Zeitfenster als die Verwendung des juristischen Begriffs »sofort«, denn hiernach müsste der Arzt so schnell als nach den Umständen möglich die Dokumentation anfertigen. Mit dem Begriff unverzüglich wird deutlich, dass die Behandlung dieses und anderer Patienten immer der Dokumentation vorgeht.
15
speichern will, besteht eine Pflicht zur Anonymisierung nach § 14 Abs. 3 S. 4 TFG.
Haftung Der Patient hat auch unter Haftungsgesichtspunkten ein Recht auf Einsicht in die gesamte Dokumentation, die nach § 14 TFG über die Anwendung eines Blutproduktes anzufertigen ist. Denn nach der Gesetzesbegründung dienen die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht »auch der Durchführbarkeit von Gerichtsverfahren bei Langzeitschäden«. Liegen Dokumentationsmängel vor, die es unmöglich machen, vom Empfänger bis zur Charge des Herstellers rückzuverfolgen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus beweisrechtlichen Gründen davon auszugehen, dass das angewendete, nicht ordnungsgemäß dokumentierte Blutprodukt infektiös gewesen ist [14]. Für die Infektionsfolgen haftet dann, da kein Hersteller verantwortlich gemacht werden kann, ersatzweise der Einrichtungsträger.
15.7.5
Qualitätsmanagementsystem in der Anwendung
Durch § 15 TFG wurde eine sehr weitreichende Neuregelung in die Hämotherapie eingeführt. § 15 Abs. 1 S. 1 TFG schreibt für alle Einrichtungen der Krankenversorgung, die Blutprodukte anwenden, die Einrichtung eines Systems der Qualitätssicherung für die Anwendung von Blutprodukten nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik vor. Der Gesetzgeber hat es jedoch nicht allein der BÄK überlassen, die weiteren Details auszugestalten, sondern wesentliche Punkte selbst festgelegt. Einerseits wird normiert, dass persönliche Verantwortungsträger zu bestellen sind. Zweitens werden die Kernpunkte, die in einem System der Qualitätssicherung für die Anwendung von Blutprodukten zu regeln sind, im Gesetz selbst aufgelistet.
Aufbewahrungspflicht
Transfusionsverantwortlicher, Transfusionsbeauftragter, Transfusionskommission
Die ärztliche Dokumentationspflicht wird durch die Aufbewahrungspflicht ergänzt. Nach der in § 14 Abs. 3 TFG normierten Mindestfrist dürfen die Aufzeichnungen, einschließlich der EDV-erfassten Daten, nicht vor Ablauf von 15 Jahren vernichtet oder gelöscht werden. Die Aufzeichnungen nach § 14 Abs. 2 TFG, also alle Aufzeichnungen zu Zwecken der Rückverfolgung, müssen darüber hinausgehend 30 Jahre lang aufbewahrt werden. Dies betrifft nicht nur die Patientenakte, sondern selbstverständlich auch alle Aufzeichnungen, die vom Hersteller, dem Präparat und der Chargennummer zur Empfängeridentifizierung führen. Nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist ist die Vernichtung der Aufzeichnungen nur rechtmäßig, »wenn eine Aufbewahrung nicht mehr erforderlich ist«. Dies bedeutet, dass der Arzt die Dokumentation länger aufbewahren muss, wenn es die Zwecke des TFG, die ärztliche Behandlung oder die Risikoerfassung nach dem AMG erfordern. Ist die Aufbewahrung nicht mehr erforderlich, so ist der Arzt aus Gründen des Datenschutzes zur Vernichtung oder Löschung der Aufzeichnungen verpflichtet. Der Arzt ist aber davor zu warnen, die in § 14 Abs. 1 S. 2 TFG genannte Dokumentation über die Aufklärung und Einwilligung vor Ablauf von 30 Jahren zu vernichten, denn für die wirksame Einwilligung nach Aufklärung trägt allein der Arzt im Haftungsprozess die Beweislast – und dies wegen der Verjährungsregelung des BGB bis zu 30 Jahre lang. Wenn der Arzt die Aufzeichnungen z. B. zu Forschungszwecken über die Verjährungsfrist von 30 Jahren hinaus aufbewahren oder
§ 15 Abs. 1 TFG normiert, dass in jeder Einrichtung der Krankenversorgung ein Transfusionsverantwortlicher zu bestellen ist, wenn dort Blutprodukte angewendet werden. Kleinste Einrichtung der Krankenversorgung ist die Praxis des alleine niedergelassenen Arztes (7 vgl. § 14 Abs. 2 S. 3 TFG). Wendet er Blutprodukte an, muss er die Aufgabe des Transfusionsverantwortlichen tragen. Besteht die Einrichtung aus mehreren Behandlungseinheiten, so ist für jede Behandlungseinheit, in der Blutprodukte angewendet werden, zusätzlich ein Transfusionsbeauftragter zu bestellen. Die Verantwortungsträger müssen hinreichend qualifiziert sein. Beide Positionen können nur von Fachärzten für Transfusionsmedizin, von Fachärzten mit der Zusatzbezeichnung Bluttransfusionswesen oder von Fachärzten mit einer Zusatzqualifikation als Transfusionsverantwortlicher bzw. -beauftragter neu übernommen werden. Letztere wird nach derzeitigem Stand durch eine Fortbildung bei einer Landesärztekammer erworben. Der Transfusionsverantwortliche muss zusätzlich eine 2-wöchige Hospitation in einer transfusionsmedizinischen Einrichtung vorweisen können. Werden in der Einrichtung nur Plasmaderivate angewendet, kann die Hospitation entfallen. Die Festlegung dieser Qualifikationserfordernisse ist bisher der Ärzteschaft selbst überlassen und nicht im Gesetz geregelt, wie dies bei der sachkundigen Person und beim Stufenplanbeauftragten durch Normierung im AMG selbst der Fall ist. Hat die Einrichtung der Krankenversorgung eine Spendeeinrichtung oder ein Institut für Transfusionsmedizin oder handelt es
215
15
15.8 • Autologe Hämotherapie
sich um eine Einrichtung der Krankenversorgung mit Akutversorgung, so ist zusätzlich eine Kommission für transfusionsmedizinische Angelegenheiten (Transfusionskommission) zu bestellen. Die konkreten Aufgaben der persönlichen Verantwortungsträger und die Kompetenzverteilung zwischen ihnen und der Transfusionskommission sind nicht im Gesetz geregelt, sondern den Hämotherapie-Richtlinien bzw. den Festlegungen im Qualitätssicherungssystem überlassen (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 TFG bzw. § 15 Abs. 2 TFG).
Gegenstand der Qualitätssicherung für die Anwendung Im Rahmen des Qualitätssicherungssystems sind nach § 15 Abs. 2 TFG die Qualifikation und die Aufgaben der Personen, die im engen Zusammenhang mit der Anwendung von Blutprodukten tätig sind, festzulegen. Ausweislich der Gesetzesbegründung meint der Gesetzgeber mit diesem Terminus diejenigen Personen, die Organisationsverantwortung tragen. Darüber hinaus sind die Grundsätze für die patientenbezogene Qualitätssicherung der Anwendung von Blutprodukten, insbesondere der Dokumentation und des fachübergreifenden Informationsaustausches, die Überwachung der Anwendung, die anwendungsbezogenen Wirkungen und Nebenwirkungen und zusätzlich erforderliche therapeutische Maßnahmen festzulegen. Damit wird sehr deutlich, worauf bei der Erstellung eines Qualitätssicherungssystems besonders zu achten ist: auf die Einhaltung des § 14 TFG (Dokumentation und Datenschutz), des § 16 TFG (Unterrichtungspflichten) und des § 19 TFG (Verfahren der Rückverfolgung) sowie auf alle klinischen Aspekte, die Gefahren durch die Applikation von Blutprodukten betreffen.
Überwachung der Qualitätssicherung, Qualitätsbeauftragter Mit § 18 Abs. 1 Nr. 2 TFG wurde die Überwachung der Einführung und Durchführung des Qualitätssicherungssystems der Ärzteschaft übertragen. Die BÄK kam dieser Aufforderung zur Regelung dadurch nach, dass sie eine weitere Position für eine natürliche Person als Verantwortungsträger schuf, den Qualitätsbeauftragten. Der Qualitätsbeauftragte darf nicht gleichzeitig Transfusionsverantwortlicher oder Transfusionsbeauftragter der Einrichtung sein. Seine Aufgabe, Einführung und Durchführung des Qualitätssicherungssystems einer Einrichtung zu überwachen, ist bisher wenig konkretisiert. Allerdings hat die BÄK mit der Gesamtnovelle 2005 der Hämotherapie-Richtlinien dem Qualitätsbeauftragten aufgegeben, über eine Liste von Teilaspekten des Qualitätssicherungssystems jährlich einen Bericht zu verfassen und diesen dem Träger der Einrichtung und zeitgleich der zuständigen Ärztekammer vorzulegen [48]. Von den typischen Qualitätswerkzeugen ärztlichen Qualitätsmanagements dürfte für die Überwachung der Qualitätssicherung in der Hämotherapie v. a. die Selbstinspektion den Aufgaben des Qualitätsbeauftragten dienlich sein. Der Qualitätsbeauftrage muss entweder die Voraussetzung für die Zusatzbezeichnung »Ärztliches Qualitätsmanagement« nach der Weiterbildungsordnung erfüllen oder den Besuch einer 40-stündigen theoretischen, von einer Ärztekammer anerkannten Fortbildung »Qualitätsbeauftragter Hämotherapie« nachweisen können.
15.8
Autologe Hämotherapie
15.8.1
Aufklärung und Einwilligung
Für die Aufklärung und Einwilligung bei der Anwendung von Eigenblutprodukten gelten die allgemeinen Grundsätze (7 Abschn. 15.7.2). Eine gewisse Sonderstellung bei der autologen Hämotherapie nimmt lediglich die präoperative Bereitstellung von Eigenblutkonserven ein, denn die Möglichkeit der Eigenblutanwendung kann eine Behandlungsalternative zur Fremdblutexposition sein, die im Rahmen der Verlaufsaufklärung vom Arzt thematisiert werden muss. Nach § 13 Abs. 1 S. 5 TFG hat der Arzt, »soweit es nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft vorgesehen ist, über die Möglichkeit der Anwendung von Eigenblut aufzuklären«. Der Gesetzgeber wollte mit § 13 Abs. 1 S. 5 TFG nur die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1991 [11] kodifizieren. Eine Pflicht zur Aufklärung besteht deshalb erst ab einer Transfusionswahrscheinlichkeit von 10 % (7 vgl. Abschn. 2.8.1 der Hämotherapie-Richtlinien). Erweist sich die vom Arzt anhand krankenhauseigener Bedarfslisten für die konkrete Behandlungssituation ermittelte Transfusionswahrscheinlichkeit im Nachhinein als unzutreffend und wird der Patient durch ein appliziertes Blutprodukt infiziert, so haftet der Arzt nur, wenn er seine ex post betrachtet falsche Prognose ex ante nicht sorgfältig gestellt hatte [32]. Der Arzt muss seinen Patienten nicht nur über die Eigenblutgewinnung und -anwendung aufklären, sondern auch über den Umstand, dass die Notwendigkeit einer Fremdbluttransfusion durch die Eigenblutbereitstellung nicht mit völliger Sicherheit vermieden werden kann. Dies bedingt, dass der Patient auch eine Aufklärung hinsichtlich einer eventuellen Fremdblutexposition erfahren muss. Trotz einer Transfusionswahrscheinlichkeit von 10 % entfällt die Aufklärungspflicht bei dringlichen Eingriffen (Notfalleingriffen). Hierher zählen nicht die Fälle, in denen das Abwarten lediglich medizinisch unvernünftig ist, denn der Arzt könnte sich selbst über ein generelles Behandlungsveto des Patienten nicht hinwegsetzen (7 Abschn. 15.7.2 für Zeugen Jehovas). Auch beim Vorliegen von Kontraindikationen der Eigenblutspende, wie sie insbesondere in Abschn. 2.8.1.2 der Hämotherapie-Richtlinien genannt sind, entfällt die Pflicht zur Aufklärung. Rechtlich problematisch ist der Fall, in dem der Anästhesist nach stationärer Aufnahme die Überzeugung gewinnt, der Patient hätte über die Möglichkeit der Eigenblutspende aufgeklärt werden müssen. Denn der Anästhesist, der die perioperative Bluttransfusion anordnet und durchführt, trägt nach allgemeinen Grundsätzen das Haftungsrisiko für die nicht hinreichende Aufklärung. Man wird jedoch die Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Bluttransfusion zwischen dem Berufsverband der Deutschen Anästhesisten und dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen [45], wonach es zu den Aufgaben des Chirurgen gehört, den Patienten über die Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit einer intraoperativen Bluttransfusion aufzuklären, dahingehend einordnen müssen, dass der Anästhesist bei einer falschen Entscheidung des Chirurgen so lange haftungsrechtlich exkulpiert ist, wie es sich nicht um eine offensichtlich falsche, weil z. B. die Eigenblutanwendung generell negierende Entscheidung handelt.
15.8.2
Besonderheiten
Die autologe Hämotherapie umfasst die präoperative Eigenblutspende, die perioperativen Verfahren der Hämodilution und der intraoperativen Wundblutrückgewinnung sowie Außenseitermetho-
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Kapitel 15 • Rechtliche Grundlagen
den. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des AMG und des TFG gibt es zahlreiche Besonderheiten. Die perioperativen Verfahren gelten in den Kommentaren zum Arzneimittelrecht seit langem als untrennbare Teile des operativen Eingriffs selbst und damit als Verfahren, bei denen es nicht zur Gewinnung von Arzneimitteln kommt [21] [29]. Damit sind weder das AMG noch das TFG anwendbar. § 28 TFG bestimmt, dass das TFG keine Anwendung findet auf: 5 die Entnahme einer geringfügigen Menge Blut zu diagnostischen Zwecken, 5 homöopathische Eigenblutprodukte, 5 autologes Blut zur Herstellung von biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukten und 5 die Entnahme einer geringfügigen Menge Eigenblut zur Herstellung von Produkten für die zahnärztliche Behandlung. Auch bei Eigenblutspenden sind die spendenden Personen hinsichtlich ihrer Spendeeignung ärztlich zu beurteilen und infektionsserologisch zu testen. Nach § 5 Abs. 2 TFG ist die Tauglichkeit der spendenden Personen bei Eigenblut nach den Besonderheiten dieser Blutprodukte zu beurteilen. In Verbindung mit § 5 Abs. 1 TFG bewirkt diese Normierung, dass insbesondere die in den Hämotherapie-Richtlinien aufgelisteten Kontraindikationen und Ausschlussgründe zu beachten sind. Das Auffinden positiver Infektionsmarker führt nicht in jedem Fall zur Nichtverwendbarkeit der Eigenblutspende, bedingt aber eine besonders strenge Indikationsstellung der Anwendung und scharfe zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung einer Verwechslung.
15
15.9
Risikokommunikation, Rückverfolgung und Meldewesen
15.9.1
Unerwünschte Ereignisse, unerwünschte Reaktionen, Nebenwirkungen
Im TFG und im AMG spielen inzwischen vier zu unterscheidende Begriffe zur Erfassung unerwarteter Geschehnisse und Komplikationen im Zusammenhang mit der Gabe von Blutprodukten eine Rolle. Diese Begriffsvielfalt, die für den Nichtjuristen zum Teil sehr schwer verständlich ist, erschwert die Risikokommunikation mittlerweile ganz beträchtlich. Der Begriff »unerwünschtes Ereignis« ist selbst nicht gesetzlich definiert, sondern taucht bei der Definition der weiteren Begriffe auf und umfasst alle unerwarteten Geschehnisse, die den Patienten beeinträchtigen oder auch nur beeinträchtigen könnten und in irgendeinem Zusammenhang mit der Sicherheit und Qualität von Blutprodukten stehen. Der Begriff »schwerwiegender Zwischenfall« umfasst nach § 63c Abs. 6 AMG solche unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung, Aufbereitung, Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Aufbewahrung oder Abgabe von Geweben oder Blutzubereitungen, die die Übertragung einer ansteckenden Krankheit, den Tod oder einen lebensbedrohenden Zustand, eine Behinderung oder einen Fähigkeitsverlust von Patienten zur Folge haben könnten oder einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen oder verlängern könnten oder zu einer Erkrankung führen oder diese verlängern könnten. Wird der Patient dagegen tatsächlich beeinträchtigt, so treffen die Begriffe »schwerwiegende unerwünschte Reaktion« und »schwerwiegende Nebenwirkung« zu. Die Begriffe »unerwünschte Reaktion« und »Nebenwirkung« umfassen nur die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktio-
nen (§ 4 Abs. 13 S. 1 AMG). Inhaltlich sind sie identisch. Von unerwünschten Reaktionen spricht man bei Blutzubereitungen (§ 63c AMG) und von Nebenwirkungen bei allen übrigen Blutprodukten (§ 63b AMG). Nach der Richtlinie 2001/83/EG, im Wesentlichen so übernommen in den § 4 Abs. 13 S. 2 AMG, ist eine Nebenwirkung eine Reaktion, die schädlich und unbeabsichtigt ist und bei Dosierungen auftritt, wie sie normalerweise beim Menschen zur Prophylaxe, Diagnose oder Therapie von Krankheiten oder für die Änderung der physiologischen Funktion verwendet werden [33]. Als Nebenwirkung ist auch der Wirkverlust zu melden, der aufgrund einer Wechselwirkung auftritt. In bestimmten Fällen ist z. B. bei Sera, Impfstoffen und Blutzubereitungen die fehlende oder unzureichende Wirkung zu melden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass hieraus gesundheitliche Schäden resultieren. Eine »schwerwiegende Nebenwirkung« bedeutet eine Nebenwirkung, die tödlich oder lebensbedrohlich ist, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung zur Folge hat, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung oder Invalidität führt oder eine kongenitale Anomalie bzw. ein Geburtsfehler ist (§ 4 Abs. 13 S. 2 AMG). Eine »schwerwiegende unerwünschte Reaktion« ist eine unbeabsichtigte Reaktion – einschließlich einer übertragbaren Krankheit – beim Spender oder Empfänger im Zusammenhang mit der Gewinnung von Blut oder der Übertragung von Blutzubereitungen, die tödlich oder lebensbedrohend verläuft, eine Behinderung oder einen Fähigkeitsverlust zur Folge hat oder einen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht oder verlängert oder zu einer Erkrankung führt oder diese verlängert (§ 63c Abs. 7 AMG). Eine akute hämolytische Transfusionsreaktion stellt selbstverständlich auch ein unerwünschtes Ereignis dar, nicht jedoch eine Nebenwirkung, da sie auf einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch, also einen Behandlungsfehler zurückgeht. Dennoch ist die Schädigung eines Empfängers durch eine Konservenverwechslung in Deutschland auch nach Einfügung des § 63c in das AMG nicht meldepflichtig, da nach dem Konzept des AMG die Behörden nur solche unerwünschten Reaktionen interessieren, die die Qualität oder Sicherheit der Blut- oder Gewebezubereitungen beeinflussen oder auf sie zurückgeführt werden können.
15.9.2
Kommunikationswege nach dem TFG
Für die Risikokommunikation nach dem TFG gelten unterschiedliche Regelungen, je nachdem, ob es sich um schwerwiegende unerwünschte Reaktionen/Nebenwirkungen oder um nicht schwerwiegende unerwünschte Reaktionen/Nebenwirkungen handelt oder aber um solche unerwünschten Ereignisse, die auf nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch beruhen. Dabei sind die Unterrichtungspflichten nach § 16 TFG, die speziellen Regelungen zur Rückverfolgung nach § 19 TFG und die Normierung der Mitteilungspflichten zwischen den Behörden in § 25 TFG zu beachten. Über alle Fälle unerwünschter Ereignisse, unerwünschter Reaktionen/Nebenwirkungen und Behandlungsfehler ist zunächst nach § 16 Abs. 1 TFG im Rahmen der Festlegungen des einrichtungsinternen QM-Systems zu unterrichten (interne Risikokommunikation), wobei das TFG hier die Unterrichtung des Transfusionsverantwortlichen und des zuständigen Transfusionsbeauftragten ausdrücklich vorschlägt. Auszugehen hat die Unterrichtung von der behandelnden ärztlichen Person. Diese Festlegung ist unglücklich, da ja auch eine andere als die anwendende ärztliche Person erstmals ein intern meldepflichtiges Ereignis feststellen kann. Dann muss diese die Unterrichtungspflichten auf sich nehmen.
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15
15.9 • Risikokommunikation, Rückverfolgung und Meldewesen
Von jeder unerwünschten Reaktion/Nebenwirkung ist nach § 16 Abs. 2 TFG weiter der pharmazeutische Unternehmer zu unterrichten, im Falle einer schwerwiegenden unerwünschten Reaktion/ Nebenwirkung zusätzlich direkt die zuständige Bundesoberbehörde (externe Risikokommunikation). Dies ist bei Blutprodukten das Paul-Ehrlich-Institut. Die Unterrichtungen haben unverzüglich zu erfolgen. Die notwendigen Angaben sind ebenfalls in § 16 Abs. 2 TFG definiert. Ausdrücklich hebt die Unterrichtungspflicht des § 16 TFG auf alle Blutprodukte und auch auf die gentechnisch hergestellten Plasmaproteine ab. Von der Pflicht zur Risikokommunikation nach außen sind die unerwünschten Ereignisse, die auf Behandlungsfehler zurückgehen, insbesondere hämolytische Transfusionsreaktionen durch Konservenverwechslung, nicht betroffen. Gerade sie sind aber unbedingt einrichtungsintern denjenigen zu berichten, die Organisationsverantwortung tragen, also dem Transfusionsverantwortlichen und dem Transfusionsbeauftragten, damit diese Gelegenheit erhalten, Organisationsfehler zu erkennen und notwendige Schulungsmaßnahmen zu ergreifen.
15.9.3
Rückverfolgung
Das Verfahren der Rückverfolgung ist in den §§ 19 und 20 TFG geregelt, das Rückverfolgungsverfahren ausgehend vom Spender in § 19 Abs. 1 TFG (Look Back) und das Rückverfolgungsverfahren ausgehend vom Empfänger eines Blutprodukts in § 19 Abs. 2 und 3 TFG (Trace Back). Das Rückverfolgungsverfahren hat zum Ziel, Infektionsübertragungen durch noch nicht angewendete Blutprodukte zu verhindern und stattgefundene Infektionen durch Blutprodukte aufzuklären. Detailliertere Regelungen zur Rückverfolgung finden sich in Voten des Arbeitskreis Blut (derzeit das Votum 34, das die vorangegangenen Voten zu dieser Thematik zusammenfasst und ersetzt) [1], die unbedingt einzuhalten sind, sofern die §§ 19 und 20 TFG nichts anderes bestimmen. § 19 Abs. 1 TFG macht das Rückverfolgungsverfahren zur Rechtspflicht der Spendeeinrichtung (Look Back), wenn kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen: 5 Es handelt sich um einen infektiösen oder potenziell infektiösen Spender, 5 der mit HIV, mit Hepatitis-Viren oder anderen Erregern, die zu schwerwiegenden Krankheitsverläufen führen können, infiziert oder dessen begründet verdächtig ist.
6. Die Einleitung des Rückverfolgungsverfahrens ist unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen, wenn die Bestätigungsuntersuchungen die Infektiosität sichern, fraglich sind oder eine Nachtestung nicht möglich ist. § 19 Abs. 2 TFG regelt das vom Empfänger ausgehende Rückverfolgungsverfahren (Trace Back). Anders als beim Spender muss die Infektion des Patienten mit HIV, mit Hepatitis-Viren oder anderen Erregern, die zu schwerwiegenden Krankheitsverläufen führen können, feststehen. Eine Verpflichtung zur Rückverfolgung entsteht erst, wenn die Infektion mit der Anwendung eines Blutproduktes zusammenhängt. Die Verpflichtung zur Rückverfolgung verlangt daher, dass die Infektion durch ein Blutprodukt feststeht (Kausalität) oder jedenfalls der begründete Verdacht der Infektion durch ein Blutprodukt besteht (hypothetische Kausalität). Ein begründeter Verdacht liegt dann vor, wenn bei gesicherter Infektion des Patienten dessen Befragung ergibt, dass er in der Vergangenheit Blutprodukte erhalten hat. Eine grundsätzliche Begrenzung des Intervalls zwischen Infektionsfeststellung und dem möglicherweise auslösenden Ereignis lässt sich nicht angeben. Die Rückverfolgungsverpflichtung trifft jede Einrichtung der Krankenversorgung, also auch die einzelne Arztpraxis, selbst wenn dort die Ursache der Infektion nicht gesetzt worden ist. Dabei findet die Unterrichtungspflicht des § 16 Abs. 2 TFG entsprechende Anwendung. Die Einrichtung der Krankenversorgung muss den pharmazeutischen Unternehmer jedes in Verdacht gekommenen Arzneimittels und immer auch die zuständige Bundesoberbehörde unterrichten. Der pharmazeutische Unternehmer wiederum hat zu veranlassen, dass der Spender ermittelt und eine Nachuntersuchung empfohlen wird. Die Ermittlung der spendenden Person erfolgt durch Angabe der Chargenbezeichnung über die Spendeeinrichtung, die das Blutprodukt geliefert hat. Weder Patient noch Spender können zu einer Nachuntersuchung gezwungen werden. Vielmehr gilt hier das Prinzip der Freiwilligkeit sowie die gesetzlich normierte Verpflichtung zur eingehenden Aufklärung und Beratung. Hinsichtlich der Unterrichtung über Untersuchungsbefunde ist unbedingt zwischen potenziell infizierten und sicher infizierten Personen zu unterscheiden. Wichtige Hinweise, wie diese Unterscheidung im Einzelnen zu treffen ist, finden sich ebenfalls im Votum 34 des AK Blut [1].
15.9.4 Liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 TFG vor, steht die Einleitung des Rückverfolgungsverfahrens nicht im ärztlichen Ermessen der Spendeeinrichtung; sie ist zum Handeln verpflichtet. Das Verfahren der Rückverfolgung richtet sich nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. In § 19 Abs. 1 S. 3 TFG werden lediglich sechs Mindeststandards festgeschrieben. 1. Der Rückverfolgungszeitraum für vorangegangene Spenden zum Schutz vor den jeweiligen Übertragungsrisiken muss angemessen sein. 2. Eine als infektiös verdächtige Spende muss gesperrt werden, bis durch Wiederholungs- oder Bestätigungstestergebnisse über das weitere Vorgehen entschieden worden ist. 3. Es muss unverzüglich Klarheit über den Infektionsstatus der spendenden Person und über ihre infektionsverdächtigen Spenden gewonnen werden. 4. Eine nachweislich infektiöse Spende muss sicher ausgesondert werden. 5. Die notwendigen Unterrichtungspflichten müssen eingehalten werden.
Meldewesen
Die Träger der Spendeeinrichtungen, die pharmazeutischen Unternehmer und die Einrichtungen der Krankenversorgung haben nach § 21 Abs. 1 S. 1 TFG jährlich die Mengenangaben über den Umfang der Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen, die Herstellung, den Import und Export und den Verbrauch von Blutprodukten und Plasmaproteinen im Sinne von § 14 Abs. 1 TFG dem PEI zu melden. Die Angaben zu den gentechnisch hergestellten Plasmaproteinen werden benötigt, um die Entwicklung der Anwendung dieser Produkte beobachten und den zukünftigen Bedarf an humanem Plasma besser abschätzen zu können. Zusätzlich ist die Anzahl der behandelten Personen mit angeborenen Hämostasestörungen, v. a. die Zahl der Hämophilen, zu melden. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 TFG haben die Spendeeinrichtungen vierteljährlich unter Angabe der Gesamtzahl der getesteten Personen eine Liste über die Anzahl der spendenden Personen, die auf einen Infektionsmarker bestätigt positiv getestet worden sind, zu erstellen, die dem Robert Koch-Institut zuzuleiten ist (§ 22 Abs. 1 S. 4 TFG). Die Zahlenangaben sind nach den verschiedenen Infektionsmar-
218
Kapitel 15 • Rechtliche Grundlagen
kern, auf die getestet wird, nach Erstspendewilligen, Erst- und Wiederholungsspendern, nach Geschlecht und Alter zu differenzieren (§ 22 Abs. 1 S. 3 TFG). Die Einzelheiten der Meldung sind durch § 3 TFG-Meldeverordnung geregelt worden [41].
Literatur Hinweis: Bei zitierten Gesetzen, Richtlinien, Leitlinien, Empfehlungen und Voten sind Aktualisierungen zu beachten! 1
15.10
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Haftungsrechtliche Grundlagen
Bei der Haftung kommt dem Begriff des »Standards« eine zentrale Rolle zu. Das TFG verwendet nur den veralteten Begriff »Stand«, ohne etwas anderes zu meinen [48]. Quellen zur Ermittlung des Standards sind insbesondere das TFG und die Hämotherapie-Richtlinien (7 Abschn. 15.5). Missachtet z. B. der Arzt den transfusionsmedizinischen Standard, so kann dieser Qualitätsmangel zur zivilrechtlichen Haftung sowie zu strafrechtlichen Sanktionen führen. War das Vorgehen des Arztes aus seiner persönlichen Lage heraus subjektiv nicht vorwerfbar, kann er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die zivilrechtliche Haftung bleibt hier freilich bestehen, denn nach § 276 Abs. 2 BGB handelt derjenige fahrlässig, der die im Verkehr objektiv erforderliche Sorgfalt, aus welchen Gründen auch immer, außer Acht lässt. Insoweit legt der Bundesgerichtshof sogar einen sehr strengen Sorgfaltsmaßstab an [12], weshalb von dem Gebot der »Höchstsorgfalt« in der Hämotherapie gesprochen werden muss. Während im Strafverfahren der Grundsatz in dubio pro reo gilt, d. h. der Strafrichter muss die volle Überzeugung erlangen, dass die Körperverletzung oder der Tod des Patienten kausal auf der subjektiv vorwerfbaren Verletzung des Standards beruht, kann die zur Verurteilung reichende Beweislage im Zivilverfahren eine gänzlich andere sein. Dort gibt es Beweiserleichterungen für den Geschädigten, insbesondere bei Dokumentationsmängeln. Es kann sogar zu einer Umkehr der Beweislast kommen, etwa im Bereich der sog. voll beherrschbaren Risiken, wozu insbesondere die Sicherheit von Medizinprodukten gezählt wird, oder bei einem groben Behandlungsfehler (z. B. Unterlassen oder Falschinterpretation des ABOTests; 7 Abschn. 15.7.3). Dieser Unterschied ist im jeweiligen Verfahrenszweck begründet: Der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs wegen einer persönlichen Verfehlung einerseits und dem Ausgleich von objektiven Qualitätsmängeln durch die Gewährung von materiellem und immateriellem Schadensersatz andererseits. Beweiserleichterungen ergeben sich aus dem sog. Anscheinsbeweis, wenn ein Geschehensablauf feststeht, bei dem typischerweise von einer bestimmten Ursache auszugehen ist. Vorliegend von Interesse sind hier die Ansprüche wegen einer behaupteten Virusübertragung durch Blutprodukte. Die Rechtsprechung geht aber nur dann von einem typischen, den Anscheinsbeweis tragenden Geschehensablauf aus, wenn der Patient nachweist, 1. dass er zu keiner Risikogruppe gehört, 2. dass er durch die Art seiner Lebensführung keiner gesteigerten Infektionsgefahr ausgesetzt ist und 3. dass er eine Bluttransfusion von einem infizierten Spender erhalten hat [10].
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Liegen Dokumentationsmängel vor, kann dies dazu führen, dass im Prozess von der Anwendung eines infektiösen Blutproduktes auszugehen ist (7 Abschn. 15.7.4). Neben einer vertraglichen und deliktischen Haftung des Arztes und Krankenhausträgers kommt auch eine Haftung des Herstellers nach dem Produkthaftungsrecht in Betracht. Ist das schädigende Blutprodukt ein Fertigarzneimittel, unterliegt der pharmazeutische Unternehmer der Gefährdungshaftung aus § 84 AMG.
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30 31
Arbeitskreis Blut (2006) Votum 34 des Arbeitskreises Blut: Verfahren zur Rückverfolgung (Look Back) gemäß § 19 Transfusionsgesetz. Bundesgesundheitsblatt 9/2006, S. 940–957 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394). Aktuellste Fassung unter: http://www. gesetze-im-internet.de Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung vom 3. November 2006 (BGBl. I S. 2523). Aktuellste Fassung unter: http://www.gesetzeim-internet.de BAG, MedR 1998, 334 Bender A.W. Zeugen Jehovas und Bluttransfusionen. Eine zivilrechtliche Betrachtung. MedR 1999, 260–268 (dazu auch MedR 2000, 422–423) Bender A.W. Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und ärztliche Aufklärungspflicht vor der Anwendung von Blutprodukten. MedR 2001, 221–223 Bender A.W. Der Standard in der klinischen Transfusionsmedizin. MedR 2002, 487–491 BGH, NJW 1959, 811 BGH, NJW 1988, 2946 BGH, NJW 1991, 1948, 1949 BGH, NJW 1992, 743 BGH, NJW 2000, 2754, 2758 BGH, NJW 2001, 2795, 2796 BGH, NJW 2005, 2614 mit Besprechung Katzenmeier, NJW 2005, 3391; hierzu auch Bender A. W. Dokumentationspflichten bei der Anwendung von Blutprodukten. MedR 2007, 533–537 BGH, NJW 2006, 2108 BSGE 57, 231 BVerfG, NJW 2000, 857 BVerwG, NVwZ 2005, 87 Council of Europe. Guide to the preparation, use and quality assurance of blood components, 13th edition. Council of Europe Publishing 2007, Strasbourg Deutsch E., Lippert H.D. Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG). 2. Auflage 2006. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Deutsch E., Bender A.W., Eckstein R., Zimmermann R. Transfusionsrecht. Ein Handbuch für Ärzte, Juristen und Apotheker. 2. Auflage 2007. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode (1994) Zweite Beschlussempfehlung und Schlussbericht des 3. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes. BT-Drucksache 12/8591 Empfehlung des Rates vom 29. Juni 1998 über die Eignung von Blut- und Plasmaspendern und das Screening von Blutspenden in der Europäischen Gemeinschaft (98/463/EG) Amtsblatt der Europ. Gemeinschaften: L 203/14 vom 21. 7. 1998 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) Graul A., Keller-Stanislawski B. Hämovigilanz von Blutkomponenten. Meldungen an das Paul-Ehrlich-Institut vom 1. 1. 1995 bis zum 15. 11. 1998. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2001; 42, 143–149 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Aktuellste Fassung unter: http://www.gesetze-im-internet.de HIV-Hilfegesetz vom 24. Juli 1995 (BGBl. I S. 972, 979). Aktuellste Fassung unter: http://www.gesetze-im-internet.de Kloesel A., Cyran W. Arzneimittelrecht – Kommentar, einschließl. 110. Akt. Lfg. 2008 (Loseblattsammlung). Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart LAG Düsseldorf, MedR 1999, 40 Lippert H.D., Flegel W.A. Kommentar zum Transfusionsgesetz (TFG) und den Hämotherapie-Richtlinien, 2. Auflage 2008. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio
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Literatur
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velle 2005, mit zweiter Richtlinienanpassung 2010. Deutscher Ärzteverlag, Köln World Health Organization. Requirement for the collection, processing and quality control of blood, blood components and plasma derivatives (Requirements for Biological Substances No. 27, revised 1992). WHO Technical Report Series1994, No. 840 Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674)
221
Blutkomponenten und Plasmaderivate Kapitel 16
Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten – 223 U. J. H. Sachs und J. Bux
Kapitel 17
Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen – 245 M. Wiesneth
Kapitel 18
Stammzellen aus Nabelschnurblut – 261 P. Schlenke, U. Cassens und W. Sibrowski
Kapitel 19
Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine – 271 A. Gröner und M. Konrad
II
223
Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten U. J. H. Sachs und J. Bux
16.1
Physiologische Grundlagen der Blutspende – 224
16.2
Blutspender – 224
16.2.1 16.2.2
Vollblutspender – 224 Hämapheresespender – 226
16.3
Blutentnahme – 227
16.3.1 16.3.2
Technik – 227 Zwischenfälle bei der Blutentnahme – 227
16.4
Herstellung von Blutkomponenten – 228
16.4.1 16.4.2 16.4.3 16.4.4 16.4.5 16.4.6 16.4.7
Blutbeutel – 228 Antikoagulanzien und Stabilisatoren – 229 Leukozytendepletion – 230 Vollblutlagerung – 231 Blutkomponentenseparation durch Zentrifugation – 231 Auftrennung von Vollblut – 232 Pathogeninaktivierung – 234
16.5
Lagerung von Blutkomponenten – 235
16.5.1 16.5.2 16.5.3 16.5.4
Lagerung von Erythrozyten – 235 Lagerung von Frischplasma – 236 Lagerung von Thrombozyten – 237 Lagerung von Granulozyten – 237
16.6
Sonderpräparate – 237
16.6.1 16.6.2 16.6.3
Bestrahlte Präparate – 237 Gewaschene Präparate – 237 Lyophilisiertes Plasma – 238
16.7
Hämapherese – 238
16.7.1 16.7.2 16.7.3
Thrombozytapherese – 238 Granulozytapherese – 240 Plasmapherese – 240
16.8
Blut für Neugeborene – 240
16.9
Sterile Schlauchverbindungen – 241
16.10
Transport von Blutkomponenten – 241 Literatur – 241
16
224
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
Blutspender leisten einen wertvollen Dienst für die Gemeinschaft: Die ständige Verfügbarkeit von Blutkomponenten ist zur unverzichtbaren Voraussetzung für viele Bereiche der Medizin geworden. Nicht nur die Gewinnung und Aufarbeitung von Blut und Blutbestandteilen zur Sicherstellung einer qualitativ wie quantitativ guten Versorgung, sondern auch die kompetente Betreuung der Spender ist eine der großen Aufgaben der Transfusionsmedizin.
16.1
16
Physiologische Grundlagen der Blutspende
Der Verlust von bis zu 15 % des Blutvolumens über einen Zeitraum von etwa 5 min führt in der Regel nicht zu klinischer Symptomatik. Zwar sinkt der venöse Druck leicht ab und erreicht erst rund 30 min später wieder den Ausgangswert, Blutdruck und Pulsfrequenz bleiben jedoch unverändert. Eine erhöhte Vasokonstriktion und die Mobilisierung von Blut aus den venösen Anteilen des Gefäßsystems sichern die Blutmenge, die zur Erhaltung des normalen Herzschlagvolumens erforderlich ist. Da Männer pro kg Körpergewicht (kgKG) durchschnittlich 75 ml Blut haben, Frauen durchschnittlich 66 ml Blut, können bei gesunden Spendern mit mehr als 50 kgKG bis zu 525 ml Blut (einschließlich Untersuchungsproben) entnommen werden. Die klinische Erfahrung zeigt, dass selbst die Entnahme von 1 l Blut häufig zu keiner Veränderung des Blutdrucks führt, solange der Spender liegt. Mit dem Aufrichten kann es allerdings zur Beeinträchtigung der Kreislauffunktion und zu klinischer Symptomatik kommen. Ein Verlust von 1500–2000 ml Blut führt dann zu Blutdruckabfall und vermindertem kardialem Schlagvolumen mit der subjektiven Empfindung von Kälte und Atemnot. Neben der kompensatorischen Vasokonstriktion kommt es auch zum Zustrom von interstitieller Flüssigkeit in das Gefäßsystem. Der durch die Blutspende bedingte Volumenverlust wird durch eine Erhöhung des Plasmavolumens innerhalb von 24 h ausgeglichen. Dieser Volumenzustrom bedingt gemeinsam mit der allgemeinen Stressreaktion als Antwort auf die Blutspende eine veränderte Zusammensetzung des peripheren Blutes. Die Gesamtleukozytenzahl steigt um 25 % gegenüber dem Ausgangswert an, wobei die Zahl der Eosinophilen, der Lymphozyten und der Monozyten mäßig absinkt. Diese Reaktion erreicht ihr Maximum 2–3 h nach der Spende und klingt nach etwa 5 h ab. Auch die Thrombozytenzahlen sinken zunächst um 10.000–15.000/μl ab, um nach wenigen Stunden wieder die Ausgangswerte zu erreichen. Erythrozytenzahl und Hämatokrit zeigen nach 4–5 h eine sinkende Tendenz und erreichen nach etwa 24 h die niedrigsten Werte; im Mittel sinkt die Erythrozytenzahl um 250.000–350.000 × 109/l, der Hämoglobinwert um 1 g/dl und der Hämatokrit um 3 %. Der Abfall des Hämoglobins verschiebt die O2-Dissoziationskurve nach rechts und verbessert dadurch die O2-Abgabe an das Gewebe. Die leichte Hypoxämie stimuliert die Bildung von Erythropoetin und somit die Erythropoese. Diese geringfügigen Veränderungen des roten Blutbildes sind für den gesunden Erwachsenen ohne Bedeutung: Spätestens nach einer Woche sind die Erythrozyten vom Knochenmark ersetzt worden. Die Qualität der neu gebildeten Erythrozyten ist dabei natürlich von den Eisenreserven des Organismus abhängig. Verminderte Eisenreserven sowie ein verzögerter Ausgleich des Hämoglobins und des Erythrozytenverlustes infolge eines latenten Eisenmangels finden sich dabei häufiger bei Frauen als bei Männern. Der Einfluss einer Blutspende auf den Eisenhaushalt ist erheblich: Der durchschnittliche Eisenverlust beträgt 200–250 mg, der durchschnittliche Gesamteisengehalt des menschlichen Körpers liegt bei etwa 3500 mg (Einzelheiten 7 Kap. 9).
Der durch die Spende verursachte Verlust an Plasmaeiweißen wird im Durchschnitt mit 8 % des Ausgangswertes angegeben. Er wird praktisch sofort ausgeglichen, da der Organismus über eine ausreichende Eiweißreserve verfügt. Aufgrund der physiologischen Überlegungen sollen im Rahmen der Blutspende bei Erwachsenen, die mehr als 50 kg wiegen, nicht mehr als 500 ml Vollblut (zuzüglich Untersuchungsproben) entnommen werden. Zwischen zwei Spenden sollen im Regelfall 12 Wochen, mindestens aber 8 Wochen liegen, und die jährlich entnommene Blutmenge darf 2 l bei Frauen und 3 l bei Männern nicht übersteigen. 16.2
Blutspender
Blutspender leisten einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft. Gemäß dem ethischen Kodex für Blutspenden der internationalen Gesellschaft für Bluttransfusion hat die Blutspende freiwillig zu erfolgen, insbesondere finanzieller Nutzen darf kein Beweggrund sein. Hierauf hebt auch §10 des Transfusionsgesetzes ab, in dem es heißt: »Die Spendeentnahme soll unentgeltlich erfolgen. Der spendenden Person kann eine Aufwandsentschädigung gewährt werden, die sich an dem unmittelbaren Aufwand je Spende orientieren soll.« In Deutschland werden Blutspenden von regionalen Blutspendediensten, die oft kliniknah tätig sind, und von den überregionalen Blutspendediensten entnommen. Beide ergänzen sich in ihrem Versorgungsauftrag.
16.2.1
Vollblutspender
Blut spenden kann, wer mindestens 18 und höchstens 68 Jahre alt ist. Auch ältere Spender können nach individueller ärztlicher Entscheidung zur Blutspende zugelassen werden. Die Spendetauglichkeit wird durch eine vom Spender per Unterschrift zu bestätigende Anamnese, durch die ärztliche Untersuchung und durch Laboruntersuchungen gesichert. Die Entscheidung, ob ein Spendewilliger zur Spende geeignet ist, wird vom Arzt getroffen. Dabei muss er die in den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) der Bundesärztekammer [66] festgelegten Vorgaben beachten, die in der jeweils gültigen Fassung als Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik im Sinne des Transfusionsgesetzes anzusehen sind. Vor der Blutspende muss der Spendewillige über das Wesen, die Bedeutung und die Durchführung der Spendeentnahme und der Untersuchungen umfassend aufgeklärt werden. Neben der Aufklärung und Einwilligung muss der Spendewillige auch die Verwendbarkeit seiner Spende erklären; diese Erklärungen sind schriftlich abzugeben. Die Spendeentnahme selbst und alle damit verbundenen Maßnahmen sind zu protokollieren und mindestens 15 Jahre aufzubewahren; auch hierzu muss der Spendewillige schriftlich sein Einverständnis geben. Neben einer unauffälligen Organ-, Infektions- und Suchtanamnese sowie einem subjektiven Gesundheitsgefühl müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Körpergewicht mindestens 50 kg, Blutdruck systolisch 100–180 mmHg, diastolisch unter 100 mmHg, regelmäßiger Puls mit einer Frequenz von 50–100/min (bei Ausdauersportlern auch weniger), kein Fieber und keine erkennbaren Krankheitszeichen. Bei Frauen muss der Hämoglobinwert über 12,5 g/dl (oder der Hämatokritwert über 38 %) liegen, bei Männern sind die Grenzwerte 13,5 g/dl bzw. 40 %.
16.2 • Blutspender
Auf Dauer von der Blutspende auszuschließen sind nach den Richtlinien alle Personen, 5 bei denen eine HCV-, HIV-, oder HTLV-I/II-Infektion nachgewiesen wurde, unabhängig davon, ob Krankheitserscheinungen aufgetreten sind, 5 die einer Gruppe mit einem gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhten Risiko für eine HBV-, HCV- oder HIVInfektion angehören oder dieser zugeordnet werden müssen (insbesondere homo- und bisexuelle Männer, Drogenabhängige, männliche und weibliche Prostituierte, Häftlinge), 5 die an einer Protozoonose erkrankt sind oder waren (insbesondere Malaria, Babesiose, Trypanosomiasis, Leishmaniasis), 5 die an Syphilis, Brucellose, Rickettsiose, Lepra, Rückfallfieber, Tularämie oder anderen, chronisch-persistierenden bakteriellen Infektionen erkrankt sind oder waren, 5 die an bösartigen Neoplasien leiden oder litten, wobei In-situKarzinome und Basalzellkarzinome nach kompletter Entfernung ausdrücklich ausgenommen werden, 5 die alkoholkrank, medikamentenabhängig oder rauschgiftsüchtig oder dessen begründet verdächtig sind, 5 bei denen ein erhöhtes Risiko für die Übertragung spongiformer Enzephalopathien besteht, insbesondere, weil sie mit Hypophysenhormonen humanen Ursprungs behandelt wurden, Kornea- oder Dura-mater-Transplantate erhalten haben, bei ihnen oder ihrer Familie spongiforme Enzephalopathien vermutet oder nachgewiesen wurden oder sie sich zwischen 1980 und 1996 länger als sechs Monate in Großbritannien aufgehalten haben bzw. nach 1980 in Großbritannien eine Bluttransfusion und/oder Operation erhalten haben, 5 die Xenotransplantate erhalten haben. Dauerhaft von der Blutspende ist auch zurückzustellen, wer an chronischen Erkrankungen leidet oder litt und bei dem die Blutspende eine eigene Gefährdung oder eine Gefährdung des Empfängers nach sich ziehen kann. Personen, die ständig mit Arzneimitteln behandelt werden, können nach Beurteilung durch den Arzt zur Spende zugelassen werden. Ein Dauerausschluss gilt auch für Personen mit HBV-Infektion, es sein denn, die Erkrankung liegt mehr als fünf Jahre zurück und virologische Kriterien sprechen für eine erloschene Kontagiosität (z. B. anti-HBs über 100 IE/l und kein Nachweis von HBV-Genom in einer sensitiven Nukleinsäurenachweistechnik). Eine zeitlich begrenzte Zurückstellung von der Blutspende ist in der Regel angezeigt, wenn der Spendewillige sich einem Infektionsrisiko ausgesetzt hat oder einem solchen ausgesetzt wurde. Nach den Richtlinien [66] ist eine Zurückstellung für 24 Monate vorgesehen: 5 nach medizinisch dokumentierter Heilung von Osteomyelitis, Q-Fieber, Tuberkulose und Infektionen mit Salmonella typhi und paratyphi, 5 nach Abschluss einer Behandlung wegen rheumatischen Fiebers. Eine Zurückstellung für 12 Monate ist vorgesehen: 5 nach einer Tollwutimpfung im Rahmen der Postexpositionsprophylaxe, 5 nach Verabreichung von Sera tierischen Ursprungs. Eine Zurückstellung für 6 Monate ist vorgesehen: 5 nach einer ausgeheilten Toxoplasmose. Eine Zurückstellung für 4 Monate ist vorgesehen:
225
16
5 nach einer Hepatitis A, 5 nach Einreise aus HIV-, HCV-, HBV- oder HTLV-I/II-Endemiegebieten, wenn dort der zeitweilige Lebensmittelpunkt lag, 5 nach Intimkontakt mit Personen, die einer Gruppe mit erhöhtem Infektionsrisiko für HBV, HCV und/oder HIV angehören (insbesondere homo- und bisexuelle Männer, Drogenabhängige, männliche und weibliche Prostituierte und Häftlinge), 5 nach Entlassung aus der Haft, 5 bei engem Kontakt innerhalb einer häuslichen Lebensgemeinschaft mit dem Risiko einer Hepatitisinfektion (HAV, HBV, HCV) nach dem letzten Kontakt, 5 nach großen operativen Eingriffen sowie nach allogenen Organtransplantationen (außer Kornea und Dura mater: Hier ist der Spendewillige dauerhaft von der Blutspende auszuschließen), 5 nach Endoskopien, Biopsien und Katheteranwendungen (mit Ausnahme von Einmalkathetern), 5 nach Empfang von Blutkomponenten oder Plasmaderivaten (ausgenommen Humanalbumin), 5 nach unbeabsichtigter invasiver Exposition (auch Schleimhautkontakt) gegenüber Blut bzw. Verletzungen mit durch Blut kontaminierten Injektionsnadeln oder Instrumenten, 5 nach Akupunktur, soweit diese nicht unter aseptischen Bedingungen mit Einmalnadeln durchgeführt wurde, 5 nach Tätowierungen oder Durchbohrungen der Haut und/ oder Schleimhaut zur Befestigung von Schmuck (Piercing). Personen, die sich in Gebieten mit saisonal fortlaufender Übertragung des West-Nil-Virus aufgehalten haben, sind nach Verlassen dieses Gebietes 4 Wochen von der Blutspende zurückzustellen, sofern nicht auf West-Nil-Virus-Genom getestet wird. Ferner besteht die Möglichkeit, dass die Bundesoberbehörde bei besonderen epidemiologischen Situationen weitere Rückstellungen anordnet, wie zuletzt 2003 im Rahmen der SARS-Endemie. Nach der Verabreichung von Lebendimpfstoffen (wie z. B. gegen Gelbfieber, Röteln, Masern, Mumps, Cholera, Typhus oder Poliomyelitis) ist eine Rückstellung für 4 Wochen, nach der Verabreichung einer Hepatitis-B-Impfung für 1 Woche vorgesehen. Nach allen anderen Impfungen (Tot- und Toxoidimpfstoffe, gentechnisch hergestellte Impfstoffe) ist keine Rückstellung erforderlich, wenn sich der Spender gesundheitlich nicht beeinträchtigt fühlt. Nach fieberhaften Erkrankungen und/oder Durchfallerkrankungen unklarer Ursache sowie nach allen anderen Infektionserkrankungen, die nicht ausdrücklich in den Richtlinien aufgeführt werden, soll eine Rückstellung für 4 Wochen erfolgen. Nach allen unkomplizierten Infekten sollte die Rückstellung 1 Woche dauern; dieselbe Frist wird für kleine operative Eingriffe und Zahnextraktionen gesetzt. Zwischen einer zahnärztlichen Behandlung und der Spende soll 1 Tag liegen. Für operative Eingriffe erfolgt die Rückstellung von der Blutspende nach Entscheidung durch den Arzt. Auch die Zulassung von Allergikern sowie von Personen, die Medikamente einnehmen, liegt in der Entscheidung des Arztes. Während und 6 Monate nach Ende der Schwangerschaft kann keine Blutspende geleistet werden. Hinsichtlich des Übertragungsrisikos einer Malariainfektion gelten folgende Ausschlussfristen: 5 Personen, die an Malaria erkrankt waren, sind nach dokumentierter Heilung für 4 Jahre von der Blutspende zurückzustellen; 5 Personen, die in einem Endemiegebiet geboren oder aufgewachsen sind oder dort ihren zeitweiligen Lebensmittelpunkt hatten, sind für 4 Jahre nach dem letzten Aufenthalt zu sperren; danach können sie zugelassen werden, wenn mittels geeig-
226
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
neter Verfahren nachgewiesen wurde, dass keine Infektiosität besteht; 5 Personen, die ein Malaria-Endemiegebiet besucht haben, sind für mindestens 6 Monate zu sperren. In begründeten Fällen kann von den in den Richtlinien festgelegten Auswahlkriterien nach Entscheidung durch den Arzt abgewichen werden. Dies gilt v. a. für die Eigenblutspende, ist aber auch zulässig, um Blut- und Plasmaspenden mit besonderen Bestandteilen zu gewinnen. Letztere sind in Behältnisse abzunehmen, die deutlich mit dem Hinweis »nicht zur Transfusion geeignet« gekennzeichnet sind. Derartige Spenden sind gesondert zu dokumentieren. Die Abnahme der Spende ist vor Beginn der Tätigkeit bei der zuständigen Behörde anzuzeigen.
16.2.2
Hämapheresespender
Bei der präparativen Hämapherese wird das Vollblut durch einen extrakorporalen Kreislauf geleitet und in Bestandteile aufgetrennt. Die nicht für das Präparat benötigten Blutbestandteile werden dem Spender unmittelbar zurückgegeben. Neben den aufgeführten Anforderungen an einen Vollblutspender muss der Hämapheresespender daher weiter gehende Voraussetzungen erfüllen [15][60][66]. Die Venenverhältnisse müssen für das Aphereseverfahren geeignet sein. Der Spender muss über die Besonderheiten des Verfahrens sowie die möglichen Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt werden und diese Aufklärung und die Einwilligung in das Verfahren durch Unterschrift bestätigen. Zwischen einer Vollblutspende und einer Thrombozytenspende oder Plasmapherese sollen mindestens 48 h liegen.
Plasmapheresespender
16
Zu den oben genannten Eignungskriterien müssen für die Plasmapherese anlässlich jeder fünften Spende das Gesamteiweiß und die IgG-Konzentration bestimmt werden; das Gesamteiweiß muss mehr als 60 g/l, die IgG-Konzentration mehr als 6 g/l betragen. Die Eignungsuntersuchung soll anlässlich der ersten Plasmaspende und nach jeder 15. Plasmaspende, spätestens aber alle 2 Jahre, durchgeführt werden. Personen, die ausschließlich Plasma zur Fraktionierung spenden, müssen nach Aufenthalt in Malaria-Endemiegebieten nicht zurückgestellt werden. Auch die übrigen Protozoonosen können unberücksichtigt bleiben, ebenso chronisch-bakterielle Infektionen, Aufenthalt in West-Nil-Virus-Endemiegebieten sowie operative Eingriffe und/oder Transfusionen in Großbritannien nach 1980. Zu beachten ist, dass bei Frauen, die ein niedrig dosiertes GestagenMonopräparat (sog. »Minipille«) einnehmen, zwischen Einnahme des Präparats und Apheresebeginn mindestens 3 h vergangen sein müssen. Das maximale Entnahmevolumen pro Apherese richtet sich nach dem Körpergewicht des Spenders und beträgt unabhängig vom Geschlecht 650 ml bei Spendern bis 60 kgKG, 750 ml bei Spendern bis 80 kgKG und 850 ml bei Spendern ab 80 kgKG (einschließlich Antikoagulans, zuzüglich Untersuchungsproben). Zwischen einer Plasmapherese und einer weiteren Spende sollten zwei spendefreie Tage liegen; innerhalb von 12 Monaten können 45 Plasmapheresen durchgeführt werden. Die Besonderheiten bei der Gewinnung von Hyperimmunplasma sind in einer entsprechenden Richtlinie der Bundesärztekammer zusammengefasst [65].
Thrombozytapheresespender Neben den für Apheresespender festgelegten Kriterien ist zu beachten, dass die Thrombozyten des Spenders nicht durch Medikamente in ihrer Funktion beeinträchtigt sein dürfen (z. B. durch Acetylsalicylsäure). Vor der Apherese bzw. innerhalb von 15 min nach Beginn der Apherese ist neben dem Hb-Wert auch die Thrombozytenzahl zu bestimmen; diese muss über 150 × 109/l betragen. Die Eignungsuntersuchung soll anlässlich der ersten Thrombozytapherese und nach jeder 10. Thrombozytapherese, spätestens aber nach 2 Jahren durchgeführt werden. Das maximale Entnahmevolumen beträgt 750 ml (einschließlich Antikoagulans, zuzüglich Untersuchungsproben). Pro Jahr können bis zu 26 Thrombozytapheresen durchgeführt werden, wobei auch tägliche Thrombozytapheresen an 5 aufeinanderfolgenden Tagen möglich sind; zwischen einem 5-Tage-Zyklus und der nächsten Spende müssen dann 14 Tage liegen, ein erneuter 5-Tage-Zyklus ist erst wieder nach 3 Monaten möglich.
Erythrozytapheresespender Sollen anlässlich einer Erythrozytapherese 2 Präparate gewonnen werden, gelten für alle Spender untere Grenzwerte von 14,0 g/dl Hämoglobin sowie ein minimales Körpergewicht von 70 kg. Für die Eignungsuntersuchung gelten dieselben Vorgaben wie bei der Thrombozytapherese. Das maximale Entnahmevolumen pro Apherese beträgt 500 ml, auch für die Entnahme von 2 Präparaten. Nach der Erythrozytapherese müssen mindestens acht Wochen bis zur nächsten Vollblutspende oder Erythrozytapherese vergehen; nach der Gewinnung von zwei Erythrozytenpräparaten müssen 16 Wochen bis zur nächsten Vollblutspende oder Erythrozytapherese verstreichen. Das Gesamtspendevolumen darf 1000 ml Erythrozyten bei Frauen bzw. 1500 ml Erythrozyten bei Männern pro Jahr nicht übersteigen.
Multikomponenten-Apheresespender Die gleichzeitige Entnahme mehrerer Produktarten, z. B. die gleichzeitige Gewinnung von einem Thrombozytenkonzentrat und einem Plasma oder von einem Erythrozytenkonzentrat und einem Plasma während einer Apherese, ist grundsätzlich möglich. Die Eignung zur Multikomponenten-Apherese ist anlässlich der ersten Spende sowie anlässlich jeder zehnten Multikomponenten-Apheresespende zu überprüfen, mindestens jedoch im Abstand von zwei Jahren. Da die Apheresesysteme eine Reihe von Kombinationsmöglichkeiten bieten, sollte darauf geachtet werden, dass die MultikomponentenApheresespende den Spender nicht stärker belastet als jede Einzelspendeart. Das maximale Bruttoentnahmevolumen soll 750 ml (einschließlich Antikoagulans, zuzüglich Untersuchungsproben) nicht überschreiten.
Granulozytapherese- und allogene Blutstammzellspender An Spender für die Granulozytapherese und für die Gewinnung allogener Blutstammzellen sind besondere Anforderungen zu stellen. Die Spende dieser Präparate ist stets eine gerichtete Spende für einen bestimmten Patienten und unterliegt besonderen Vorschriften [15][66]. Granulozytapheresespender müssen mit Zytokinen und/oder Kortikoiden konditioniert werden. Vor Beginn der Konditionierung soll die Leukozytenzahl nicht unter 3 × 109/l und nicht über 13 × 109/l liegen; durch die Konditionierung sollen die Leukozytenwerte nicht über 70 × 109/l ansteigen. Beim Einsatz von Steroiden sollte eine Blutzuckerbestimmung durchgeführt werden. Die ärztliche Feststellung der Spendereignung sollte nicht länger als eine
227
16.3 • Blutentnahme
Woche vor der Apherese liegen. Während der Apherese gelangt aufgrund des Verfahrens (7 Abschn. 16.7.2) neben dem Antikoagulans auch ein Sedimentationsbeschleuniger (in der Regel Hydroxyethylstärke) in die Zirkulation des Spenders. Eine Schwangerschaft muss durch geeignete Testverfahren ausgeschlossen sein. Ein Spender darf nicht mehr als vier Granulozytapheresespenden pro Jahr leisten. 16.3
Blutentnahme
Der Spendebereich, in dem die Entnahme durchgeführt wird, soll abgesondert, ausschließlich für diesen Zweck bestimmt und möglichst ruhig sein. Neben einer geordneten Spendeentnahme ist der Schutz der Persönlichkeitssphäre des Spenders sicherzustellen. Die Blutentnahme wird durch einen Arzt oder unter Aufsicht eines Arztes von entsprechend ausgebildetem medizinischem Assistenzpersonal durchgeführt. Die notfallmedizinische Versorgung des Spenders muss gesichert sein. Werden im Rahmen der Hämapherese Geräte eingesetzt, die nach dem Prinzip des extrakorporalen Kreislaufs arbeiten, müssen diese den Vorschriften der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) [44] bzw. des Medizinproduktgesetzes (MPG) [43] entsprechen. Alle eingesetzten Materialien, Behältnisse und Konservierungslösungen müssen pyrogenfrei, steril und gemäß den Richtlinien amtlich zugelassen und chargengeprüft sein [18] bzw. den Bedingungen der Europäischen Arzneibuches [16] entsprechen.
16.3.1
Technik
Da die Blutentnahme in der Regel durch eine andere Person als durch den Untersucher erfolgt, ist eine Identifizierung des Spenders unmittelbar vor der Blutspende erforderlich. Zur Gewährleistung der Identität des Blutes und der für Laboruntersuchungen erforderlichen Blutproben sind alle für einen Spender vorbereiteten Behältnisse vor Beginn der Blutentnahme zu kennzeichnen (Name, Nummer). Unmittelbar vor der Blutentnahme und nachdem der Spender sich auf die Spendeliege gelegt hat, ist er eindeutig positiv zu identifizieren (z. B. durch Überprüfung von Name und Geburtsdatum) und die Identität der Kennzeichnung an dem Blutbehälter und den Probenröhrchen nochmals zu überprüfen. Nach dem Anlegen einer Blutdruckmanschette am Oberarm (günstiger als eine einfache Staubinde, bei welcher der Druck nicht kontrolliert werden kann) wird der Manschettendruck auf die Höhe des diastolischen Drucks eingestellt und der Spender aufgefordert, die Hand zur Faust zu schließen. Unter den so gestauten Kubitalvenen kann die am besten geeignete ausgewählt werden (wenn möglich, zentral gelegen, da bessere Lagerung der Kanüle). Die Reinigung der Haut im Durchmesser von ca. 5 cm um die Einstichstelle hat mit einem für die Hautdesinfektion anerkannten Desinfektionsmittel [41] zu erfolgen, das mit einem sterilen Tupfer mehrmals wischend aufgetragen werden soll. Im Anschluss an die Reinigung soll dasselbe Desinfektionsmittel erneut aufgetragen werden; nach Ablauf der vorgeschriebenen Einwirkzeit erfolgt die Punktion ohne nochmalige Palpation der Vene, am besten leicht von der Seite, was für den Fall, dass der Spender durch Öffnen und Schließen der Faust den Blutfluss unterstützen muss, die Lage der Nadel stabilisiert. Nach der Punktion wird die für Untersuchungsproben erforderliche Blutmenge zunächst in einen Nebenbeutel geleitet; mit dieser Maßnahme soll die Gefahr der bakteriellen Kontamination des Vollblutes (durch Hautkeime) reduziert werden (sog.
16
»predonation sampling«) [13]. Danach wird die Sperre am eigentlichen Konservenschlauch gelöst; der Druck in der Manschette sollte knapp unter den diastolischen Wert eingestellt werden. Für einen ungehinderten Blutfluss wird der Blutbehälter unterhalb der Ebene der Einstichstelle platziert. Da die Füllung der Plastikbeutel durch Schwerkraft erfolgt, ist eine Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit in der Regel nicht erforderlich. Bei Bedarf kann sie durch Veränderung des Druckes in der Druckmanschette beeinflusst werden. Um einer Gerinnselbildung im Blutbehälter vorzubeugen, ist mehrfaches Durchmischen während der Blutentnahme unerlässlich. Hierfür sind unterschiedliche Typen von Mischgeräten auf dem Markt. Ihr gemeinsames Funktionsprinzip ist eine andauernde Kipp- oder Schaukelbewegung des Blutbehälters während der Blutentnahme. In der Regel sind diese Geräte mit einer einstellbaren Gewichtsmessung (Mischwaage) versehen, die das Erreichen der gewünschten Blutmenge im Beutel akustisch oder optisch anzeigt. Die Gesamtdauer der Vollblutspende soll 15 min nicht überschreiten, um das Risiko einer Gerinnselbildung im Schlauchsystem, das frei von Antikoagulanzien ist, zu vermeiden. Auf die Einhaltung des vorgeschriebenen Mischverhältnisses zwischen Blut und Konservierungslösung ist zu achten; in der Regel verschließt eine elektronische Klemme an der Waage den Zufluss, wenn das Sollgewicht erreicht wurde. Wenn der Blutbehälter gefüllt ist, wird der Entnahmeschlauch mit der Sperre verschlossen, der Staudruck aufgehoben, die Kanüle aus der Vene gezogen und die Einstichstelle mit einem Tupfer bedeckt. Der Spender soll bei gestrecktem, erhobenem Arm (nicht im Ellbogen knicken, da so leichter Hämatome entstehen) den Tupfer gegen die Einstichstelle drücken, die in der Regel nach 3–5 min verschlossen ist und nun verbunden werden kann. Der obere Schlauchanteil mitsamt der Kanüle kann durch Schweißung von der Vollblutkonserve getrennt werden. Während und mindestens 10 min nach der Blutspende darf der Blutspender nicht unbeaufsichtigt bleiben. Zur Vorbeugung von Schwindel sind plötzliche Veränderungen der Körperlage (Aufsetzen, Aufrichten) zu vermeiden. Nach Möglichkeit sollten dem Spender nach der Blutspende ein kleiner Imbiss und ausreichend Getränke gereicht werden. Der Spender muss darauf hingewiesen werden, dass er frühestens 30 min nach der Spende am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen kann. Für bestimmte Betätigungen (z. B. Personenbeförderung) können längere Wartezeiten erforderlich sein.
16.3.2
Zwischenfälle bei der Blutentnahme
Bei etwa 2–5 % der Blutspender kommt es nach einem initialen Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz zu einer paradoxen, parasympathikotonen Reaktion mit Vasodilatation, Bradykardie und Hypotension (vasovagale Reaktion) [49]. Die Neigung zu diesem Reaktionstyp ist umso ausgeprägter, je jünger der Spender ist, je niedriger das Körpergewicht und je kleiner die Anzahl der zuvor geleisteten Spenden sind [78], doch ist der prädikative Wert dieser Variablen sehr gering. Angst, starke Emotionen und Schmerzen haben einen erheblichen Einfluss auf das Auftreten und den Verlauf einer vasovagalen Reaktion. Die klinischen Symptome sind Blässe, Benommenheit, Angst, Schweißausbruch, Hyperventilation, unregelmäßige Atmung, Übelkeit, Blutdruckabfall und Abfall der Herzfrequenz. In ausgeprägten Fällen kommt es zum Verlust des Bewusstseins (vasovagale Reaktion mit Synkope, Prävalenz <0,3 %), in schweren Fällen können Zyanose, Tetanie, Konvulsionen und Inkontinenz auftreten.
228
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
Oft kann die Frühphase der Reaktion durch Hochlagern der Beine (Anheben über Kopfniveau), Beeinflussung des Atmungsmusters (z. B. Aufforderung zum Husten) und Ablenken der Aufmerksamkeit wirksam unterbunden werden. Bei Übelkeit und Erbrechen sind entsprechende Hilfestellungen erforderlich. Auch bei Synkopen, Tetanien und Konvulsionen ist die Hochlagerung der Beine die wichtigste Hilfemaßnahme, nachdem sichergestellt wurde, dass die Atemwege frei sind. Bei Krämpfen sind Maßnahmen zum Schutz des Spenders und seiner Umgebung zu ergreifen (Entfernen der Spendenadel, Einschieben von Beißkeil und/oder Güdeltubus, sichere Lagerung z. B. auf dem Boden). Ob bei ausgeprägten Reaktionen die Gabe von Volumen (isotone Kochsalzlösung) bzw. eine medikamentöse Therapie (z. B. Parasympathikolyse mit Atropin) indiziert ist, bleibt ärztliche Einzelfallentscheidung. Ein Großteil der vasovagalen Reaktionen tritt im Nachsorgebereich auf, sodass rund 10 % der Spender mit vasovagalen Reaktionen Folgeverletzungen durch Sturzereignisse davontragen, insbesondere Schürfwunden [50]. Der für den Spendebereich verantwortliche Arzt muss im Einzelfall entscheiden, ob eine weitere Diagnostik und/oder Therapie erforderlich ist. Da für Blutspender in Deutschland eine allgemeine Unfall- und Wegeversicherung besteht, sollte in Verletzungsfällen die Vorstellung beim Durchgangsarzt nicht versäumt werden. Zur Vermeidung derartiger Zwischenfälle während und nach der Blutspende sollte der Blutspender ausgeruht und entspannt zur Blutspende erscheinen, nicht unter Zeitdruck stehen und nach der Spende genügend Flüssigkeit zu sich nehmen. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Kleidung nicht zu beengt ist und dass der Spender nach der Spende nicht sofort aufsteht. Die Möglichkeit zur körperlichen und psychischen Entspannung sollte gegeben sein. Der Spender soll die Spendeeinrichtung erst dann verlassen, wenn er sich vollkommen beschwerdefrei fühlt.
16
z Seltene Zwischenfälle Hämatome sind gelegentlich zu beobachten und in aller Regel unbedenklich, können durch Schwellung und Schmerz den Blutspender aber verunsichern. Kommt es während der Spende zur Ausbildung eines größeren Hämatoms, sollte diese abgebrochen werden. Ein straffer, aber nicht zu fester Kompressionsverband sollte 1 h angelegt bleiben. Der Spender sollte den Arm für etwa 6 h nach der Punktion nicht übermäßig beanspruchen (z. B. nicht schwer heben). Überempfindlichkeitsreaktionen auf Desinfektionslösungen oder Verbandsmaterialien sind gelegentlich beobachtet worden. Sehr seltene Ereignisse, die im Zusammenhang mit Blutspenden berichtet wurden, sind arterielle Pseudoaneurysmen und arteriovenöse Fisteln nach Fehlpunktion einer Arterie, Verletzungen von Ästen des N. medianus und N. ulnaris, lokale Wundinfektionen und/oder Thrombophlebitiden und Kompartmentsyndrome des Arms durch Einblutungen in die Muskellogen. Über Eintreten und Dauer eines jeden Zwischenfalls ist ein Protokoll zu führen, das den Spenderakten hinzugefügt wird. Der Zwischenfall ist vom Arzt nachträglich mit dem Spender zu besprechen. Während und nach Häm- und Plasmapheresen mit Zellseparatoren können Zwischenfälle besonderer Art auftreten. Nebenwirkungen durch Citrat, die sich insbesondere durch Parästhesien und metallischen Geschmack auf der Zunge manifestieren, sind häufiger zu beobachten und können in der Regel durch die orale Gabe von Calcium unterbunden werden. Schwere Formen jedoch, die die Unterbrechung der Apherese oder die i.v.-Gabe von Calcium erfordern, sind selten (ca. 0,5 % aller Apheresen) [42].
16.4
Herstellung von Blutkomponenten
Bereits im ersten Weltkrieg setzte O. H. Robertson Glasflaschen mit Citrat-Glucose-Lösung ein. Glasflaschen blieben bis in die 1970er Jahre im Gebrauch, anschließend wurden sie komplett von Kunststoffbeuteln abgelöst. Um das Risiko der Übertragung von Syphiliserregern zu reduzieren, wurde eine schnelle Abkühlung und Lagerung von Vollblut bei 1–6 °C mindestens 72 h vor Transfusion angestrebt. Die Transfusion von Vollblut wurde gängige Praxis. Unter den Vollblut-Lagerungsbedingungen kam es jedoch zu einem erheblichen Verlust an funktionstüchtigen Gerinnungsfaktoren. Daraus wiederum ergab sich die Notwendigkeit zu einer möglichst frühen Trennung von Zellen und Plasma, damit letzteres zur Bewahrung der Gerinnungsaktivität rasch eingefroren werden konnte. Die Glasflasche ermöglichte diesen ersten Schritt in Richtung Blutkomponentenseparation, da sie zentrifugiert und das Plasma vom Zellsediment getrennt werden konnte. Das so gewonnene Plasma konnte transfundiert oder als Ausgangsmaterial zur Gewinnung von Gerinnungsfaktoren, Albumin, Immunglobulinen und anderen Plasmabestandteilen verwandt werden. Die Trennung von Vollblut in ein Erythrozytenkonzentrat (mit Thrombozyten und Leukozyten) und Gefrierplasma hatte darüber hinaus auch den Vorteil der Volumenreduktion. Da es sich bei dieser Form der Blutkomponentenherstellung aber um ein Verfahren im offenen System handelte, bestand das erhöhte Risiko bakterieller Kontamination, ganz abgesehen vom Glasbruchrisiko während der Zentrifugation. Einen wesentlichen Fortschritt hinsichtlich der Handhabung und zur Reduktion des Kontaminationsrisikos bei der Blutkomponentenherstellung stellte die in den 1950er Jahren vollzogene Einführung von Kunststoffbeuteln dar. Um die durch Zentrifugation getrennten Blutkomponenten ohne Kontaminationsgefahr voneinander trennen zu können, wurden durch Schläuche miteinander verbundene Zweifach-, später auch Dreifach- bzw. Vierfachbeutelsysteme (. Abb. 16.1) für Gefrierplasma, Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrat sowie den »buffy coat« entwickelt. Mehrfachbeutelsysteme ermöglichen heute zudem die Leukozytenreduktion durch Filtration im geschlossenen System (sog. »Inline-Filtration«). Mit Einführung der gezielten Thrombozytensubstitution Anfang der 1960er Jahre in der Behandlung von Leukämiepatienten und dem damit einhergehenden erhöhten Thrombozytenbedarf begann die Ära der Gewinnung von Thrombozyten aus der Vollblutspende und durch maschinelle Zellseparation (Hämapherese). Die Fraktionierung von Vollblut in Erythrozytenkonzentrat, Gefrierplasma und ggf. Thrombozytenkonzentrat ist heute Standard. Die Transfusion von Vollblutkonserven wird weitgehend als obsolet angesehen, da wichtige Bestandteile wie Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten während der Vollblutlagerung bereits nach kurzer Zeit funktionell inaktiv werden.
16.4.1
Blutbeutel
Walter u. Murphy [81] führten 1952 den Urtyp des modernen Kunststoffbeutels ein. Er bestand aus einem kollabierbaren Beutel, der mit ACD-Lösung gefüllt war, sowie einem integrierten Schlauch aus PVC (Polyvinylchlorid) mit Punktionsnadel. Die günstigen Eigenschaften hinsichtlich Verformbarkeit und Kollabierbarkeit (von der Füllung bei der Spende zur Entleerung bei der Transfusion), Temperaturverträglichkeit (+120 °C bei der Autoklavierung, –70 °C bei der Lagerung von Gefrierplasma), Widerstandsfähigkeit (bei der Zentrifugation) und Blutkompatibilität haben dazu beigetragen,
229
16.4 • Herstellung von Blutkomponenten
16
Vollblut Vollblut
Zentrifugation
Filtration Zentrifugation
Gefrierplasma
Gefrierplasma
Erythrozyten
»buffy coat«
Filtration
Pooling Zentrifugation Filtration
Erythrozytenkonzentrat1
Thrombozyten konzentrat2
Erythrozyten konzentrat1
. Abb. 16.1 Flussdiagramme zur Herstellung von Blutkomponenten aus Vollblut. 1 Leukozyten-depletiertes Erythrozytenkonzentrat, 2 Leukozyten-depletiertes Pool-Thrombozytenkonzentrat aus 4–6 »buffy coats«
dass Blutbeutel aus PVC mit zugesetzten Weichmachern bis heute zur Anwendung kommen. Neben dem Weichmacher DEHP (Di-[2ethylhexyl]phthalat) wird auch TEHTM (Tri-[2-ethlhexyl]trimellitat) sowie in manchen europäischen Ländern (Spanien, Norwegen, Schweden) BTHC (Butyryl-n-trihexyl-citrat) verwendet. Die eingesetzten Weichmacher gehen während der Lagerung aus der Beutelfolie in die Blutkomponente über. DEHP beispielsweise kann im Zytosol und der Membranfraktion gelagerter Erythrozyten nachgewiesen werden. Während aber ein stabilisierender Effekt von DEHP auf die Erythrozytenmembranen und geringere Hämolyseraten sicher nachgewiesen werden konnten, waren toxische oder kanzerogene Wirkungen der Weichmacher bisher nicht sicher nachzuweisen. Der Weichmacher TEHTM reichert sich in wesentlich geringerem Maße im Blutprodukt an. Für Thrombozytenkonzentrate kommen neben modifizierten PVC-Beuteln auch solche aus Polyolefin zum Einsatz, die frei von Weichmachern sind (7 Abschn. 16.4.6). 16.4.2
Antikoagulanzien und Stabilisatoren
1890 folgerten Arthus und Pagès, dass Calciumsalze unabdingbar für den Gerinnungsvorgang sind, und kurz darauf erkannte Wright 1893 die Bedeutung von Citrat für die Bluttransfusion. Die erste Transfusion beim Menschen von mit Citrat antikoaguliertem Blut führte vermutlich Hustin im März 1914 durch [45]. Die gerinnungshemmende Wirkung des Citrates beruht auf seiner hohen Bindungsfähigkeit mit ionisiertem Calcium (Chelatbildung). In geringen, langsam i. v. verabreichten Mengen ist es unbedenklich; bei normaler Leberfunktion wird das durch eine oder wenige Bluteinheiten zugeführte Citrat verhältnismäßig schnell abgebaut. Bei massiver und schneller Infusion hingegen wurden Citratintoxikationen (Tetanie, Hyporeflexie, Muskelschwäche, Bradykardie, Herzstillstand) beobachtet. Aus diesem Grunde werden Konservierungslösungen mit niedrigen Citratkonzentrationen bevorzugt. In geringer Konzentration hat Citrat zudem keinen Einfluss auf die Vitalität der Erythrozyten. Citrat ist heute das am häufigsten eingesetzte Antikoagulans. Rous und Turner zeigten 1916, dass der Zusatz von Zucker zur Citratlösung
die Haltbarkeit des abgenommenen Blutes verbesserte [45]. Citrat und Glucose bilden bis heute die Basis aller Stabilisatorlösungen.
ACD-Stabilisator ACD ist eine Mischung aus Zitronensäure (Acidum citricum), Natriumcitrat und Dextrose. Um das Karamelisieren der zur Ernährung der Erythrozyten zugefügten Glucose in Lösung während der Sterilisation zu verhindern, hatten Loutit und Mollison Zitronensäure zur Ansäuerung verwendet. Mit Überraschung wurde festgestellt, dass dadurch auch die Lebensfähigkeit der Erythrozyten im Blutbeutel deutlich verlängert werden konnte. Glucose-Citrat-Lösungen wurden daraufhin allgemein in die Blutkonservierung eingeführt, und es existieren heute viele Modifikationen, die sich in ihrer Zusammensetzung nur geringfügig unterscheiden. Da bei den meisten das Verhältnis zwischen Zitronensäure und Citrat gleich ist, liegt auch der pH-Wert der meisten Lösungen um 5. Nach der Mischung mit Blut im Verhältnis 4:1 (±10 %) ergibt sich durch die Proteinpuffer des Plasmas ein pH von 7,0–7,1. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Mischverhältnisse von Stabilisatorlösung und Blut ist von wesentlicher Bedeutung für die Erhaltung der Überlebensfähigkeit von Erythrozyten. Die Lagerungszeit der ACD-Konserve beträgt 21 Tage; unzureichende Konservenfüllung vermindert die Lebensfähigkeit der gelagerten Erythrozyten stark [10].
CPD-Stabilisator Der Abfall des pH-Wertes in der Konserve über die Zeit ist eine Folge der anaeroben Glykolyse durch die Erythrozyten mit Freisetzung von Milchsäure als Stoffwechselprodukt. Durch den Zusatz von Natriumphosphat als Puffersubstanz in der CPD-Lösung kann der pHWert stabilisiert werden [24]. Ein nicht genau eingehaltenes Mischverhältnis zwischen Stabilisatorlösung und entnommener Blutmenge hat in CPD-Lösungen einen geringeren Einfluss auf die Lebensfähigkeit der Erythrozyten als in ACD-Lösungen [9]. Von den meisten Untersuchern wird der Prozentsatz der lebensfähigen, in CPDLösungen gelagerten Erythrozyten etwas höher angegeben im Vergleich zu ACD-Lösungen; es gibt aber auch gleichlautende Befunde.
230
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
. Tab. 16.1 Zusammensetzung ausgewählter Antikoagulanzien und Stabilisatoren. (Nach Angaben der Hersteller und [16]) ACD-A
ACD-B
CPDa
CPDA-1b
Natriumcitrat
22,0 g
13,2 g
26,3 g
26,3 g
Citronensäuremonohydrat
8,0 g
4,8 g
3,27 g
3,27 g
Glucosemonohydrat
24,5 g
14,7 g
25,5 g
31,9 g
Natriumdihydrogenphosphatdihydrat
–
–
2,51 g
2,51 g
Adenin
–
–
–
0,275 g
Wasser für Injektionszwecke
ad 1000,0 ml
ad 1000,0 ml
ad 1000,0 ml
ad 1000,0 ml
Menge auf 100 ml Vollblut
15,0 ml
25,0 ml
14,0 ml
14,0 ml
a CP2D
enthält die doppelte Menge Glucose. enthält die doppelte Endkonzentration an Adenin und 1,75-mal soviel Glucose; CPDA-3 enthält die doppelte Endkonzentration an Adenin und 2,0-mal soviel Glucose.
b CPDA-2
Stabilisatoren mit Zusatz von Purinnukleosiden
16
Der Zusatz von Purinbasen (Adenin, Inosin) zu Konservenblut verlängert dessen Lagerungsfähigkeit, indem die Synthese von ATP und 2,3-DPG gefördert und somit die Lebensfähigkeit der Erythrozyten verbessert wird. Gelagertes Blut, das gleichzeitig mit Inosin und Adenin versetzt war, wies einen höheren ATP-Gehalt auf als Blut, welchem nur Inosin zugesetzt wurde [2]. Allerdings verbesserte bereits der Zusatz von Adenin allein (Blutkonzentration 0,5 mmol) die Lebensfähigkeit der Erythrozyten so, dass nach 35-tägiger Lagerung noch 70 % der Erythrozyten 24 h in vivo überleben [72]. Das Risiko der Anwendung von Inosin besteht darin, dass 1 mol Inosin zu 1 mol Harnsäure metabolisiert wird und es so durch die Verabreichung einer größeren Anzahl von Konserven beim Patienten zu einer Hyperurikämie kommen kann. Adenin selbst scheint nicht toxisch zu sein; ungefähr 10 % werden in vivo in relativ unlösliches 2,8-Dioxyadenin umgewandelt. Bei einer verabreichten Menge von 15 mg/kgKG kam es bei einigen Patienten zu Ablagerungen in der Niere, jedoch ohne Anzeichen einer Toxizität [21]. Diese Adeninmenge entspricht etwa 60 Vollblutkonserven bzw. 120 Erythrozytenkonzentraten, da nicht alles Adenin intrazellulär aufgenommen wird. Auch nach Austauschtransfusionen mit adeninhaltigem Blut (0,5 mmol) bei Neugeborenen wurden keine Schäden durch Adenin festgestellt. Der Adeninspiegel einer bei 4 °C gelagerten Konserve sinkt im Laufe von 3 Wochen auf ca. 15 % des Ausgangswertes ab. Vergleicht man die Lebensfähigkeit von in CPD gelagerten Erythrozyten mit der von in CPD-Adeninlösungen (CPDA) gelagerten, so beträgt diese nach 4 Wochen Lagerzeit in reiner CPD-Lösung 66 %, in CPD-Adeninlösung 76 % [1]. Die CPDA-1-Lösung ist heute weit verbreitet und gilt als sichere und gut verträgliche Konservierungslösung (Zusammensetzung . Tab. 16.1). Die mögliche Lagerzeit wird für Vollblut mit 35 Tagen angegeben. In der Folge wurden 2 weitere CPDA-Lösungen entwickelt: CPDA-2 und CPDA-3. Beide Lösungen enthalten im Vergleich zu CPDA-1 die doppelte Endkonzentration an Adenin. Mit Hilfe einer Zweistufenmethode, d. h. der Vollblutentnahme in ein Antikoagulans und der anschließenden Weiterverarbeitung mit Gewinnung eines Erythrozytenkonzentrates, lassen sich Erythrozyten auch in eiweißarmen Elektrolytmedien, sog. additiven Lösungen (. Tab. 16.5), über 49 Tage lagern. Im Vergleich zur Lagerung in CPDA-1 zeigen Erythrozyten in Adsol gelagert signifikant geringere morphologische Veränderungen und Vesikelbildungen [26].
Die Erythrozyten haben nach 49-tägiger Lagerung eine 24-hÜberlebenszeit in vivo von über 75 % und zeigen nur eine minimale Hämolyse. Als weiterer Vorteil dieser Methode sind die guten Fließeigenschaften anzuführen, die sich aus einem Hämatokrit von ca. 60 % ergeben [29]. Daher ist die Zweistufenmethode heute das am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Gewinnung von Erythrozytenkonzentraten.
16.4.3
Leukozytendepletion
Leukozyten in Blutkomponenten können nach der Transfusion beim Empfänger zahlreiche unerwünschte Wirkungen auslösen. Hierzu gehört die febrile, nichthämolytische Transfusionsreaktion, die Alloimmunisierung gegen HLA-Antigene, die Übertragung leukozytenständiger Krankheitserreger (z. B. HTLV-I, CMV, EBV, Yersinia enterocolitica), die Graft-vs.-Host-Krankheit und die Beeinflussung immunologischer Funktionen beim Empfänger. Eine Reduktion der transfundierten Leukozyten auf unter 5 × 107 Zellen verhindert die meisten der benannten unerwünschten Wirkungen, ausgenommen die Graft-vs.-Host-Krankheit, zu deren Verhinderung die Blutprodukte bestrahlt werden müssen. Die effektive Abreicherung von Leukozyten wird durch Filter erreicht, die aus mehreren Schichten nichtgewebter, synthetischer Fasern aufgebaut sind (Übersicht bei [8]). Während ursprünglich zunächst Baumwolle, dann Zelluloseacetat und auch Nylon zum Einsatz kamen, dominieren heute Filter aus Polyesterfasern; auch Polyurethanfasern werden eingesetzt. Ionisation und chemische Behandlung erhöhen die Benetzungsfähigkeit der verwendeten Fasern. Die modernen Filter mit geringem Totraum haben dazu beigetragen, dass die Filtration heute ein einfaches Ein-Schritt-Verfahren darstellt, bei dem die Leukozytenabreicherung bis zu 5 log-Stufen beträgt. Dabei beruht der Filtrationsmechanismus im Wesentlichen auf 1. dem (mechanischen) Siebeffekt, 2. der Adhäsion von Leukozyten an die Fasern und 3. der Adhäsion von Leukozyten an Thrombozyten, die ihrerseits an Fasern adhäriert haben. Die Gewichtung der Einzelfaktoren ist dabei abhängig von dem verwendeten Filter (Fasertyp und Aufbau), der Zusammensetzung des Blutpräparates, der Temperatur und dem Filtrationszeitpunkt. So konnte für Polyesterfilter gezeigt werden, dass nach Filtration bei
Raumtemperatur mindestens doppelt so viele Restleukozyten im Präparat zurückblieben wie nach Filtration bei 4 °C [79]. Ein niedriger Ausgangsleukozytenwert durch vorangegangene Entfernung des »buffy coat« fördert den Filtrationserfolg, denn die schlechter durch den Filter entfernbaren Lymphozyten werden bereits mit dem »buffy coat« eliminiert. Der günstigste Zeitpunkt für die Filtration scheint zwischen 6 h und 24 h nach Blutabnahme zu liegen, da die Leukozytenreduktionsrate noch kurz nach Abnahme (<2 h) weniger als 99 % beträgt und für die Bakterienabtötung eine Lagerung für 6 h bei Raumtemperatur empfohlen wird [9][25] [57]. Nach 24 h ist mit vermehrtem Zerfall der Granulozyten und Freisetzung phagozytierter, nicht abgetöteter Mikroorganismen zu rechnen, die andernfalls durch Filtration entfernt würden. Nach den Vorgaben der AABB [77] enthält eine leukozytendepletierte Einheit (Erythrozyten- oder Thrombozytenkonzentrat) weniger als 5 × 106 Leukozyten, nach den Empfehlungen des Europarates [14] sind es weniger als 1 × 106 Leukozyten; die verfügbaren Filtersysteme ermöglichen die Abreicherung auf den europäischen Grenzwert. In Deutschland dürfen nur noch Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate in Verkehr gebracht werden, die weniger als 1 × 106 Leukozyten pro Einheit enthalten.
16.4.4
Vollblutlagerung
Nach den für Deutschland gültigen Richtlinien [66] soll die Auftrennung von Vollblut in seine Komponenten so schnell wie möglich erfolgen und spätestens nach 24 h abgeschlossen sein. Vergehen mehr als 8 h bis zur Auftrennung, soll die Umgebungstemperatur bei 4(±2) °C oder bei 18–24 °C liegen. In den USA ist eine maximale Lagerzeit von 8 h bis zur Weiterverarbeitung vorgesehen, wobei die Vollbluteinheiten auf 1–6 °C heruntergekühlt werden sollen [77]. Falls auch Thrombozyten aus dem Vollblut gewonnen werden sollen, liegt die Lagertemperatur bei 20–24 °C. Eine möglichst rasche Vollblutabkühlung auf 1–6 °C und eine Plasmaseparation innerhalb von 6 h ist insbesondere für die Erhaltung der Aktivität der Gerinnungsfaktoren im Plasma wünschenswert. Wird Vollblut hingegen für einige Stunden bei Raumtemperatur gelagert, kommt es zu einer Verhinderung oder Verminderung des Wachstums kontaminierender Bakterien. Kontaminierende Bakterien stammen in aller Regel von der Haut des Blutspenders und können sich in Erythrozyten-, v. a. aber in den bei Raumtemperatur gelagerten Thrombozytenkonzentraten vermehren und zu Transfusionszwischenfällen führen. Eine längere Kontaktzeit zwischen Bakterien und Leukozyten im Konservenblut verbessert die Phagozytose und Abtötung der Mikroorganismen. Wird anschließend außerdem die Zahl der Leukozyten abgereichert, so werden mit den Leukozyten auch alle phagozytierten, aber noch nicht abgetöteten Bakterien aus dem Blut entfernt [32][33] [57]. Inwieweit diese Maßnahmen nach Einführung des »predonation sampling« noch tatsächliche Bedeutung besitzen, ist nicht untersucht. In den meisten Blutspendeeinrichtungen wird die Zeitdauer der Vollblutlagerung operativ festgelegt, d. h. nach den räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten. Für die Vollblutseparation in Gefrierplasma, Erythrozytenund Thrombozytenkonzentrat nach dem Buffy-coat-Verfahren (7 Abschn. 16.4.6.2) konnte gezeigt werden, dass Vollblut bis zu 20 h bei 20 °C gelagert werden kann, wenn es mit Hilfe von 1,4-Butandiol-Kühlelementen innerhalb von 2–3 h nach Abnahme auf 20 °C gekühlt wird. Wird das später gewonnene Plasma innerhalb von 30 min auf –23 °C tiefgefroren, kommt es nur zu einem FaktorVIII-Aktivitätsverlust von 1 % pro Vollblutlagerstunde [55]. Auch
16
231
16.4 • Herstellung von Blutkomponenten
. Tab. 16.2 Mittlere Dichten von Blutbestandteilen. (Nach [14]) Blutbestandteil
Mittlere Dichte [g/ml]
Plasma
1,026
Thrombozyten
1,058
Monozyten
1,062
Lymphozyten
1,070
Neutrophile Granulozyten
1,082
Erythrozyten
1,100
die Qualität der gewonnenen Erythrozytenkonzentrate erfüllt die Anforderungen mit Ausnahme einer stärkeren 2,3-DPG-Verminderung, die jedoch nach Transfusion in vivo schnell ausgeglichen wird. Die aus dem »buffy coat« hergestellten Thrombozyten zeigten keine signifikanten Funktionsverminderungen im Vergleich zu Thrombozyten aus 2–3 h gelagertem Vollblut [56]. Vorteilhaft ist die erhöhte Thrombozytenausbeute.
16.4.5
Blutkomponentenseparation durch Zentrifugation
Blutkomponenten werden nach Zentrifugation des Vollbluts in einem sterilen, geschlossenen Kunststoffbeutelsystem gewonnen. Die Sedimentation der Blutzellen folgt der Svedberg-Gleichung:
V=
2 ∗ W2 ∗ R∗ d 2 Zellen − dPlasma ∗ r 9
nt
V Sedimentationsgeschwindigkeit, W Winkelgeschwindigkeit, R Abstand der Blutzellen zur Drehachse, d spezifisches Gewicht, r Radius der Blutzellen, nt Viskosität des Mediums bei t °C
Das spezifische Gewicht (Dichte) der Blutkomponenten nimmt in der Reihenfolge Plasma, Thrombozyten, Monozyten, Lymphozyten, Granulozyten und Erythrozyten zu (. Tab. 16.2). Anhand ihrer Größe ergibt sich die Reihenfolge mit: Thrombozyten, Erythrozyten, Granulozyten, Monozyten. Zu Beginn der Zentrifugation wird die Zellsedimentation von der Zellgröße (Zellradius) bestimmt. Deshalb sedimentieren die Leukozyten schneller als Erythrozyten und Thrombozyten. Wenn die Masse der Erythrozyten den Boden des Plastikbeutels erreicht hat, werden das zwischen ihnen eingeschlossene Plasma und die Leukozyten nach oben in die Grenzschicht zwischen Erythrozyten und Plasma gedrückt. Die langsam sedimentierenden, kleinen Thrombozyten erreichen das Zellsediment als letzte. Nach Beendigung der Zentrifugation sind Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten und Plasma entsprechend ihrer Dichte übereinander geschichtet. Dieses Gleichgewicht nach zunehmender Dichte ist temperaturabhängig (20 °C), da die Temperatur die Viskosität der Erythrozyten, die ihrerseits von der Verformbarkeit der Membranen bestimmt wird, beeinflusst. Zur Beschreibung der Zentrifugationsbedingungen werden in der Regel die relative Zentrifugalbeschleunigung als Vielfaches der Erdbeschleunigung (in g), die Temperatur (in °C) und die Zentrifugationsdauer (in min) angegeben. Im Gegensatz zur Beschleunigungszeit ist die Abbremszeit in der Zentrifugationsdauer nicht
232
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
Der Faktor 11,18 m/s2 leitet sich von der Erdbeschleunigung ab. Alternativ lässt sich die Umdrehungszahl auch aus Nomogrammen entnehmen. Die Qualität der Zellseparation hängt aber auch vom Volumen der zu zentrifugierenden Zellsuspension, der Form des Blutbeutels und des Zentrifugenbechers ab, weshalb die im folgenden angegebenen Zentrifugationsbedingungen nur Anhaltswerte darstellen, die durch Optimierungsprotokolle den jeweiligen Gegebenheiten entsprechend angepasst werden müssen.
16.4.6
Auftrennung von Vollblut
Erythrozytenkonzentrate und Frischplasma
. Abb. 16.2 Optipress II der Fa. Baxter als Beispiel für einen automati-
16
schen Blutkomponenten-Extraktor. Bei diesem System wird das Vollblut nach der Zentrifugation in einem Beutel mit 2 abführenden Schäuchen zwischen 2 parallelen Platten zusammengepresst. Gesteuert durch optische Sensoren und wechselnd schließende Klemmen am oberen und unteren Schlauch kann aus dem Vollblut plättchenarmes Plasma (nach oben) und Buffy-coat-armes Erythrozytenkonzentrat (nach unten) abgepresst werden. Dabei dient ein voreingestelltes und vom Automaten überwachtes Buffycoat-Volumen als Stoppkriterium. Auch die Weiterverarbeitung gepoolter »buffy coats« kann nach der Zentrifugation im Blutkomponenten-Extraktor erfolgen: Der Überstand wird als Thrombozytenkonzentrat abgepresst. Die Detektion von Hämoglobin im abführenden Schlauch beendet den Abpressvorgang. Ein Buffy-coat-Rückstand verbleibt im Beutel zwischen den Platten. Die Automatisierung der Komponententrennung bietet neben dem Vorteil höherer Effizienz (Bedienung mehrerer Automaten durch eine Person) den Vorteil einer besser standardisierten Aufarbeitung des Spenderblutes. Ein weiterer verfügbarer Automat ist der Compomat G4 der Fa. Fresenius
eingeschlossen. Aus der relativen Zentrifugalbeschleunigung und dem Radius r (in cm) der vorhandenen Zentrifugen lässt sich die notwendige Umdrehungszahl (in U/min) berechnen:
U Umdrehungszahl min rel. Zentrifugalbeschleunigung [g] ∗ 1000 = m r ∗ 11,18 2 s
Die einfachste Art der Aufarbeitung des Vollblutes einer Einzelspende besteht in der Trennung der zellulären von den plasmatischen Bestandteilen in einem Zweifachbeutelsystem. Unter den zellulären Bestandteilen überwiegen die Erythrozyten mengenmäßig bei weitem, weshalb man das zelluläre Produkt als Erythrozytenkonzentrat bezeichnet. Ferner werden die enthaltenen Leuko- und Thrombozyten während der Lagerung bei 4 °C funktionell schnell inaktiv. Der Hämatokrit soll um 70 %, jedoch nicht über 80 % liegen, um die Lagerfähigkeit der Erythrozyten nicht zu beeinträchtigen. Da Thrombozyten und Leukozyten für eine Reihe von unerwünschten Lager- und Transfusionsproblemen (pH-Abfall während der Lagerung, Verstopfung der Transfusionsfilter durch große Zellaggregate sowie Nebenwirkungen) verantwortlich waren, wurde die Entfernung des »buffy coat« in Dreifachbeutelsystemen eingeführt. Das Vollblut wird hierzu hochtourig zentrifugiert und das überstehende Plasma in einen Transferbeutel abgepresst (Frischplasma, Volumen ca. 200–250 ml). Danach wird der »buffy coat«, d. h. die Zellschicht von ca. 2 cm Dicke unterhalb der Plasma-ZellGrenze, vom Erythrozytenkonzentrat abgetrennt und in einen weiteren Beutel überführt (Volumen ca. 30 ml). Die Auftrennung von scharf zentrifugiertem Vollblut in Erythrozyten, Plasma und »buffy coat« wird heute in der Regel mit Hilfe von von Automaten durchgeführt (. Abb. 16.2). Der abgetrennte »buffy coat« enthält ca. 70 % der Leukozyten und 90 % der Thrombozyten bei einem Erythrozytenverlust von ca. 10 % [58][63]. Plasma wird durch geeignete Gefrierautomaten innerhalb von 30 min auf unter –23 °C tiefgefroren [53]; als optimal wird eine Wärmeextraktion von 38 kcal/h und Plasmaeinheit angesehen. Die Richtlinien empfehlen ein vollständiges Gefrieren des Plasmas innerhalb 1 h auf unter –30 °C. Die dicht gepackten Erythrozyten werden in addiviter Lösung resuspendiert, der mittlere Hämatokrit dieses Erythrozytenkonzentrates liegt bei 60 %. Die Verwendung einer Additivlösung (. Tab. 16.5) hat mehrere Vorteile. Bestandteile wie Adenin und Mannitol, die die Lagerfähigkeit der Erythrozyten verlängern, gelangen nur ins Erythrozytenkonzentrat. Wären diese Stoffe bereits in der Stabilisatorlösung des Primärbeutels enthalten, würden sie beim ersten Zentrifugationsschritt ungefähr zur Hälfte durch die Plasmaseperation entfernt. Der geringe Restplasmagehalt (unter 20 ml) sorgt für eine geringe Endkonzentration an Isoagglutininen und auch ggf. weiteren im Plasma des Spenders vorhandenen Antikörpern. Die Zentrifugationsbedingungen sind in . Tab. 16.3 aufgeführt. Erythrozytenkonzentrat und Gefrierplasma sollten die in . Tab. 16.4 angegebenen Qualitätskriterien erfüllen, deren Einhaltung durch die regelmäßige Untersuchung von 1 % der hergestellten Einheiten, mindestens aber von 4 Einheiten pro Monat zu kontrollieren ist. Abweichend sind die Vorschriften für die mikrobiologische Unter√ suchung (Frequenz 0,4× n mit n = Anzahl der hergestellten Ein-
233
16.4 • Herstellung von Blutkomponenten
16
. Tab. 16.3 Zentrifugationsparameter für die Herstellung von Erythrozytenkonzentraten (EK) und Gefrierplasmen (GFP) sowie von Thrombozytenkonzentraten (TK) aus Vollblut Keine Herstellung von TK
Herstellung von TK im Buffycoat-Verfahren
Herstellung von TK im PRPVerfahren
Zentrifugation zur Gewinnung von
EK, GFP
EK, GFP
EK
Beschleunigung
5.000 g/3.000 g
2.960 g
2.000 g
Zeit
7 min/15 min
10 min
3–5 min
Temperatur
4 °C
22 °C
22 °C
Zentrifugation zur Gewinnung von
–
TK
TK, GFP
Beschleunigung
–
360 g
3.000 g
Zeit
–
6 min
6–8 min
Temperatur
–
22 °C
22 °C
. Tab. 16.4 Qualitätskriterien für Blutprodukte. Die monatliche Prüfhäufigkeit beträgt 1 % der hergestellten Einheiten, mindestens jedoch 4 Einheiten je Monat. Sterilitätskontrollen müssen mit einer Häufigkeit von 0,4 × √n (mit n = Anzahl der hergestellten Einheiten) durchgeführt werden. (Nach [66]). Prüfparameter
EK
TKc
GFP
Volumena
Gemäß Zulassung
Gemäß Zulassung
Gemäß Zulassung
Hämatokrita
50–70 %
–
–
Gesamt-Hba
≥40 g/Einheit
–
–
<0,8 % der Erythrozytenmasse
–
–
Faktor-VIII-Gehalt
–
–
≥0,7 U/ml (Pooltestung)d
Thrombozyten
–
>2 × 1011 a,b
<50 × 109/la
Leukozytena
<1 × 106
<1 × 106
<0,1 × 109/l
Erythrozytena
–
<3 × 109
<6 × 109/l
pHb
–
6,5–7,4
%
Hämolyseb
Visuelle Kontrolle
Beutel unversehrt, keine deutlich sichtbare Hämolyse
Beutel unversehrt, »swirling«
Sterilitätb
Steril
Steril
– b
Unversehrt, keine sichtbaren Ausfällungen Sterile
a Nach
Herstellung. Ende der ermittelten Haltbarkeit. c Pool-Thrombozytenkonzentrat oder Apherese-Thrombozytenkonzentrat. d Oder 70 % des Ausgangswertes bei Testung von Einzelproben; die monatliche Prüffrequenz für den Faktor-VIII-Gehalt beträgt 0,5 % aller hergestellten Einheiten, mindestens jedoch 2, jeweils im ersten Lagermonat und am Ende der ermittelten Haltbarkeit. e Hier abweichend nach Herstellung, während der Lagerung oder am Ende der Haltbarkeit. b Am
heiten pro Monat).und bei Plasmen für die Bestimmung der Faktor-VIII-Aktivität (0,5 % der hergestellten Einheiten, mindestens jedoch 2 pro Monat).
Thrombozytenkonzentrate Die zusätzliche Gewinnung eines Thrombozytenkonzentrats aus Vollblut kann nach 2 Verfahren erfolgen: nach dem v. a. in den USA angewandten Verfahren der Herstellung von Thrombozytenkonzentraten aus plättchenreichem Plasma (PRP-Verfahren) oder nach der in Europa weit verbreiteten Thrombozytenkonzentratherstellung aus dem »buffy coat« hochtourig zentrifugierten Vollbluts (BC-Verfahren). Die genauen Zentrifugationsparameter finden sich in . Tab. 16.3.
1980 beschrieben Prins et al. [61] die Entfernung des »buffy coat« aus dem Erythrozytenkonzentrat zur Prävention der Mikroaggregatbildung. Pietersz et al. veröffentlichten 1985 [54] ein Verfahren zur Thrombozytengewinnung aus dem »buffy coat« unter Verwendung eines Vierfachbeutelsystems. Für das Buffy-coatVerfahren wird das Vollblut scharf zentrifugiert und das überstehende Plasma bis auf eine 1–2 cm dicke Plasmaschicht oberhalb der Plasma-Zell-Grenze abgequetscht. Restplasma und der »buffy coat« werden in einen getrennten Beutel übergeleitet (Volumen ca. 50–70 ml). Der »buffy coat« wird mit autologem Plasma auf ein Volumen von ca. 105 ml aufgefüllt. Bei vorausgegangener Vollblutlagerung von 16–20 h schließt sich die Weiterverarbeitung sofort an; ansonsten führt eine Zwischenlagerung des »buffy coat« von 2–4 h in Ruhe mit anschließender Kopf-über-Kopf-Bewegung der Beu-
234
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
. Tab. 16.5 Zusammensetzung einiger häufig verwendeter additiver Lösungen zur Lagerung zellhaltiger Blutkomponenten. (Angaben der FDA und Herstellerangaben) SAG-M
PAGGS-M
AS-1 (Adsol)
AS-3 (Nutricel)
T-Sola
Natriumchlorid
877 mg
421 mg
900 mg
410 mg
675 mg
Glucosemonohydrat
900 mg
940,5 mg
2.200 mg
1.100 mg
–
Adenin
16,9 mg
19,4 mg
27 mg
30 mg
–
Guanosin
–
40,8 mg
–
–
–
Mannitol
525 mg
1.000 mg
750 mg
–
–
Natriumcitratdihydrat
–
–
–
588 mg
294 mg
Citronensäuremonohydrat
–
–
–
460 mg
–
Natriumacetattrihydrat
–
–
–
–
408 mg
Dinatriumhydrogenphosphatdihydrat
–
114 mg
–
–
–
Natriumdihydrogenphosphatdihydrat
–
125,5 mg
–
312 mg
–
Wasser für Injektionszwecke
Ad 100,0 ml
Ad 100,0 ml
Ad 100,0 ml
Ad 100,0 ml
Ad 100,0 ml
a Additivlösung
zur Lagerung von Thrombozyten (Baxter). Vergleichbare Additivlösungen anderer Anbieter enthalten zusätzlich Kaliumchlorid, Magnesiumchlorid sowie Natriumphosphat (SSP+, Macopharma) oder Natriumgluconat (Composol, Fresenius).
16
tel zu einer höheren Thrombozytenausbeute. Zum Teil finden auch längere Lagerzeiten des »buffy coat« von 12 h bzw. über Nacht mit und ohne Bewegung Anwendung. Die Buffy-coat-Beutel werden bei niedriger g-Zahl zentrifugiert und der plättchenreiche Überstand abgepresst. Um die Leukozytenkontamination möglichst niedrig zu Halten, wird empfohlen, 1 cm oberhalb des Leuko- und Erythrozytensediments den Pressvorgang zu beenden [58]. Die in Deutschland übliche Standardpräparation besteht im Zusammenführen (»Poolen«) von 4–6 ABO-Blutgruppen-gleichen »buffy coats« mit Plasma oder Additivlösung für Thrombozyten (. Tab. 16.5) in einem »Poolingbeutel«. Dazu werden die »buffy coats« sorgfältig durchmischt und zusammen mit autologem Plasma aus einer der 4–6 Spenden oder einer speziellen Additivlösung für Thrombozytenkonzentrate über ein »Poolingset« steril an einen Beutel angeschweißt. Die »buffy coats« werden in den »Poolingbeutel« überführt, und mit dem Plasma oder der Additivlösung werden die entleerten Buffy-coat-Beutel ausgespült, um möglichst alle Thrombozyten zu gewinnen. Anschließend erfolgt die Zentrifugation (480 g, 13 min). Der plättchenreiche Überstand kann dann durch einen Leukozytendepletionsfilter in den Lagerbeutel überführt werden. Das Poolen und Isolieren der Thrombozyten aus den 4–6 »buffy coats« kann auch maschinell erfolgen (Orbisac®, Fa. Caridian; TACSI®, Fa. Terumo). Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Gewinnung eines leukozytendepletierten Pool-Thrombozytenkonzentrates mit einer Standarddosis Thrombozyten für Erwachsene bei minimaler Restleukozytenzahl (<1 × 106). Das Produkt wird bei 22±2 °C und unter ständiger Agitation gelagert [19][20]. Die Herstellung nach dem Plättchenreichen-Plasma- (PRP-)Verfahren erfolgt in der Regel im Dreifachbeutelsystem. Nur wenn die leukozytenhaltige Plasma-Zell-Grenzschicht des Erythrozytenkonzentrats entfernt werden soll, benötigt man ein Vierfachbeutelsystem. Das Vollblut wird zuerst langsam zentrifugiert. Kurze Zentrifugationszeiten mit entsprechend erhöhter g-Zahl sollen die Lagerfähigkeit der Thrombozyten verbessern [74]. Das plättchenreiche Plasma wird in den Thrombozytenbeutel abgepresst und anschlie-
ßend durch eine hochtourige Zentrifugation in Thrombozyten (Sediment) und plättchenarmes Plasma getrennt. Die sedimentierten Thrombozyten werden nach 1–2 h vorsichtig resuspendiert. Nachteilig beim PRP-Verfahren ist die Thrombozytenaktivierung (Verlust der diskoiden Form, Plättchenfaktor-4- und βThromboglobulinfreisetzung, erhöhte Expression von GPIIb/IIIa und CD62p) [23][82]. Dies wird auf die Pelletierung an die Beutelwand bei der zweiten, hochtourigen Zentrifugation beim PRP-Verfahren zurückgeführt. Plättchenreiches Plasma wird heute wegen der Volumenbelastung (6–8 × 1010 Thrombozyten in 200–250 ml Plasma) und dem Verlust an Material zur Herstellung von Frischplasma immer weniger hergestellt. Thrombozytenkonzentrate müssen die in . Tab. 16.4 aufgeführten Qualitätsanforderungen erfüllen. Die Untersuchung des Thrombozytenkonzentrates auf die als »Swirling-Phänomen« bezeichnete schimmernde Opaleszenz bzw. die Prüfung auf das Vorliegen von Aggregaten (im Gegenlicht) sollte vor Ausgabe des Präparates durchgeführt werden. Das Gewicht sollte bei allen Einheiten bestimmt werden, für die übrigen Parameter genügen Stichproben (4 Einheiten je Monat oder 1 % aller Einheiten, falls dies eine höhere Zahl ergibt). Da Thrombozyten ihre Energie zum größten Teil über den oxidativen Abbau in der Atmungskette gewinnen, kann es durch die CO2- bzw. H2CO3-Bildung zu einem kritischen Abfall des pH-Wertes im Thrombozytenkonzentrat kommen. Diesem wird durch Verwendung von Kunststoffen mit erhöhter Gaspermeabilität wie PVC/TEHTM oder Polyolefin mit einer O2-Transferrate von 13 bzw. 16 μmol/h im Vergleich zu 6–8 μmol/h bei herkömmlichen PVC/DEHP-Kunststoffen oder durch Vergrößerung des Verhältnisses von Beutelvolumen zu Zelloberfläche begegnet [12].
16.4.7
Pathogeninaktivierung
Erwägungen, dass Erreger, auf die Blutspenden (noch) nicht getestet werden, die Empfängersicherheit beeinträchtigen könnten, haben der Entwicklung von Verfahren Vorschub geleistet, deren Ziel die Inaktivierung von Infektionserregern in der Blutkomponente ist.
235
16.5 • Lagerung von Blutkomponenten
Die Inaktivierungsmechanismen basieren entweder auf der Solubilisierung von Lipidmembranen durch Detergenzien sowie auf der direkten (z. B. UV-C-Behandlung) oder indirekten Schädigung der Erbsubstanz von Viren und Bakterien. Bei letzterer werden den Blutkomponenten Substanzen zugesetzt, die nach Aktivierung durch Licht (»Photosensitizer«) oder durch pH-Verschiebung sich mit der mikrobiellen Erbsubstanz verbinden (z. B. Vernetzung der DNA-Stränge) und/oder zur Bildung von Photoxydanzien führen, welche mit den Nukleinsäuren reagieren. Diese Reaktionen mit der Erbsubstanz hemmen deren Replikationsfähigkeit.
Frischplasma Für Frischplasma kommen schon lange Solvent/Detergent- (SD-) Verfahren unter Einsatz von Tri-n-butyl-phosphat und Detergenzien wie Triton X-100 zum Einsatz [35], welche Lipidmembranen zerstören. Nach Inkubation müssen die Substanzen durch Öl und Adsorptionschromatographie wieder aus dem Plasma entfernt. Es hat sich gezeigt, dass die SD-Behandlung zu einem Abfall von FV, FVIII, Protein S, Antitrypsin und Antiplasmin führt [71]. Aufgrund des Wirkprinzips werden nur Infektionserreger mit einer Lipidhülle inaktiviert, jedoch nicht z. B. nichtumhüllte Viren, auch kann das Verfahren nicht für zellhaltige Blutkomponenten eingesetzt werden. Ebenso auf Plasma beschränkt bleibt der Einsatz des Phenothiazinfarbstoffs Methylenblau. Nach Zusatz zum Plasma (1 μmol/l) und photodynamischer Aktivierung (UV-Bestrahlung bei 590 nm) kommt es zur Interkalierung in im Plasma vorhandener Nukleinsäurestränge sowie zur Freisetzung von Sauerstoffradikalen, die zur irreversiblen Schädigung der Nucleinsäuren führen [83]. Da Methylenblau wenig in Bakterien, Protozoen und Restzellen eindringt, werden diese auch unvollständig inaktiviert. Nach Behandlung werden Methylenblau, seine Photoderivate sowie vorhandene Restzellen durch einen Filter aus dem Plasma entfernt. Es ist bekannt, dass die entstehenden Photoxydanzien auch zu einem Abfall der Fibrinogen- und FVIII-Aktivität um 20–35 % in den behandelnden Plasmen führen [84]. Prinzipiell können auch Psoralene (Amotosalen) und Riboflavin (Vit. B2) nach Zusatz und photodynamischer Aktivierung zur Pathogeninaktivierung von Frischplasma eingesetzt werden, bisher haben sie aber noch keine breitere Anwendung gefunden.
Thrombozytenkonzentrate Für Thrombozytenkonzentrate ist es wichtig, dass auch intrazelluläre Erreger ohne signfikante Schädigung der Thrombozyten inaktiviert werden. Photoaktive Moleküle aus der Familie der Psoralene können als kleine planare Moleküle Zellmembranen durchdringen. Sie interkalieren mit der Erbsubstanz. Nach Bestrahlung mit UVLicht (320–400 nm) entstehen Addukte mit den Pyrimidinbasen, die zu einer irreversiblen Vernetzung der Nukleinsäurestränge führen. Dieses »Cross-linking« behindert die Replikationsfähigkeit des Krankheitserregers bzw. der Zelle. Psoralen und Nebenprodukte werden durch Photodegradation sowie einen Absorptionsfilter aus der Blutkomponente wieder entfernt [40]. Auch Riboflavin (Vitamin B2) bindet durch Interkalation an die DNA. UV-Licht induziert die Oxidation der Nucleinsäure Guanin. Folge sind Einzelstrangbrüche und die Ausbildung kovalenter Addukte, was ebenfalls zur Unterbindung der Replikationsfähigkeit der Krankheitserreger führt [70]. Neuere Untersuchungen beschäftigen mit der direkten Schädigung des Erbguts der Infektionserreger durch UV-C-Belichtung. Agitation der Thrombozytenkonzentrate während der UV-C-Behandlung scheint die antiinfektiöse Wirkung wesentlich zu verstärken.
16
Bei pathogeninaktivierten Thrombozytenkonzentraten ist die Recovery-Rate ca. 20 % niedriger und das Überleben der Thrombozyten in vivo 20–27 % kürzer als bei nichtinaktivierten Thrombozytenkonzentraten [85].
Erythrozytenkonzentrate Der Einsatz photoaktiver Substanzen in Erythrozytenkonzentraten wird durch die physikalischen Eigenschaften des Hämoglobins erschwert. Hämoglobin streut und absorbiert UV- und sichtbares Licht bis 700 nm. Membrangängige Substanzen (S-303, PEN110), die ohne Aktivierung mittels Belichtung Nukleinsäuren irreversibel schädigen, wurden erprobt. Wegen Ihrer potenziellen Mutagenität müssen diese Substanzen nach Behandlung wieder aus der Blutkomponente entfernt werden. Da es in der Vergangenheit zur Induktion von Antikörpern bei den Transfusionsempfängern kam, wurden die klinischen Studien zunächst ausgesetzt [84]. Es bleibt abzuwarten, ob durch modifizierte Verfahren die Bildung von erythrozytären Antikörpern verhindert werden kann. Die Pathogeninaktivierungsspektren aller Verfahren sind nicht umfassend. Die behandelnden Präparate weisen spezifische Beeinträchtigungen auf. Beim Einsatz von Pathogeninaktivierungsverfahren ist (noch) mit erheblichen Mehrkosten bei der Herstellung von Blutkomponenten zu rechnen. Schließlich wird das Sicherheitsprofil (Risiko der Induktion von Autoimmunerkrankungen oder Tumoren) der zur Zeit eingesetzten photoaktiven Substanzen kontrovers beurteilt, da Langzeituntersuchungen fehlen. Ob diese Nachteile durch den vermuteten Nutzen aufgewogen werden, ist Gegenstand der Diskussion [84]. 16.5
Lagerung von Blutkomponenten
Optimale Lagerungsbedingungen sind Voraussetzung für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der einzelnen Blutbestandteile. Daher wird das Vollblut in einem definierten Zeitfenster fraktioniert und die gewonnenen Blutbestandteile entsprechend gelagert: Frischplasma, um einem Verlust an Gerinnungsaktivität zu begegnen, tiefgefroren; Thrombozyten, um einen Funktionsverlust zu vermeiden, bei Raumtemperatur; und Erythrozyten bei 4 °C, damit ein reduzierter Stoffwechsel möglichst lange Lagerzeiten erlaubt und zugleich das bakterielle Wachstum gehemmt wird. Einzelheiten der Kryokonservierung von Blut- und Knochenmarkzellen werden in 7 Kap. 10 behandelt. 16.5.1
Lagerung von Erythrozyten
Erythrozyten werden nach der Gewinnung aus Vollblut in eine additive Lösung überführt, die die Voraussetzungen für möglichst lange Lebensfähigkeit unter Lagerungsbedingungen bietet. Bei dem CPD/SAG-M-System wird Vollblut in einen CPDBeutel entnommen, und nach der Zentrifugation werden die vom Plasma getrennten Erythrozyten in der SAG-M-Lösung (Sodium, Adenin, Glucose, Mannitol) auf einen Hämatokritwert von etwa 60–70 % aufgeschwemmt und bei 4 °C gelagert. Nach 42 Tagen Lagerungszeit beträgt die 24-h-Überlebenszeit der Erythrozyten in vivo 73,3 %. Nach 4 Wochen Lagerungszeit ist der ATP-Gehalt der Erythrozyten nahezu normal, morphologische Veränderungen und Hämolyse sind mäßig (weniger als 0,8 % der Erythrozytenmasse am Ende der Lagerungszeit). Mit der Konservierungslösung PAGGS-Sorbit (saure Phosphate, Adenin, Guanosin, Glucose, Sorbit) wurden günstige Hämolyse-
236
16
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
werte und eine 24-h-Überlebenszeit der Erythrozyten in vivo von 78 % nach 49-tägiger Lagerung erreicht. Ähnlich gute Erfahrungen wurden auch mit PAGGS-Mannitol gemacht. Rheologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Erythrozyten in PAGGS-Sorbitol oder SAG-Mannitol gelagert eine bessere Verformbarkeit als in CPDA-1 aufweisen [4]. Erythrozytenkonzentrate sind in einem erschütterungsfreien, temperaturüberwachten Kühlschrank oder Kühlraum aufzubewahren; die geforderten technischen Daten sind in DIN 58371 festgelegt. Für die Lagerung ist eine Temperatur von +4 °C (±2) einzuhalten. Die Lagerungstemperaturen sind fortlaufend zu messen und zu dokumentieren (z. B. mittels Temperaturschreiber). Die Lagerungszeiten werden in Abhängigkeit vom Herstellungsverfahren vom Hersteller durch das Verfallsdatum angegeben. Eine 2-stündige Erwärmung einer bereits gekühlten Konserve steigert die Stoffwechselaktivität der Erythrozyten so stark, dass bei weiterer Lagerung bei 4 °C die Laufzeit der Konserve um ungefähr 1/3 gekürzt werden sollte. Demgegenüber hat eine Erwärmung der Konserve auf 22 °C kurz vor der Transfusion wahrscheinlich keinen Einfluss auf die Erythrozyten. Diese Empfindlichkeit von Erythrozyten gegenüber Temperaturveränderungen muss insbesondere bei längeren Transporten und bei der Vorbereitung zur Bluttransfusion berücksichtigt werden. Es sei darauf hingewiesen, dass übermäßiges Erhitzen der Blutkonserve unmittelbar vor der Verabreichung eine schwere Hämolyse verursachen kann. Trotz verbesserter Konservierungs- und Lagerungsbedingungen sind Veränderungen des Erythrozytenstoffwechsels während der Lagerung nicht zu vermeiden (Lagerungsschäden). Schon in den 1950er Jahren wurde festgestellt, dass sich die O2-Dissoziationskurve in gelagerten Blutkonserven bereits nach einer Woche nach links verschiebt, was bedeutet, dass diese Erythrozyten im Gewebe nicht dieselbe Menge Sauerstoff freisetzen können wie frisch entnommene. Nach Transfusion normalisiert sich diese Linksverschiebung im Verlauf von 24 h. Die Linksverschiebung der Dissoziationskurve geht mit dem Verlust von 2,3-DPG einher. Auch die im CPD-Blut im Vergleich zum ACD-Blut geringer ausgeprägte Linksverschiebung der Dissoziationskurve wird auf einen höheren 2,3-DPG-Spiegel zurückgeführt. Die klinische Bedeutung des im Konservenblut verminderten 2,3-DPG-Spiegels ist noch immer umstritten. Es wird angenommen, dass dies nur unter kritischen Bedingungen (z. B. begrenzte Myokardreserven, Koronarinsuffizienz) zum Tragen kommen kann. Der ATP-Gehalt der Erythrozyten vermindert sich im Laufe der Lagerung zunehmend. Parallel dazu stellen sich ein Lipidverlust der Zellmembranen, Sphärozytose und ein Anstieg der Rigidität der Zellen ein [11]. Wurde so veränderten Erythrozyten Adenin und Inosin zugesetzt, so gewannen sie ihre ursprüngliche diskoide Form wieder, ihr ATP-Gehalt näherte sich dem Normalwert und die 24-h-Überlebenszeit in vivo betrug 90 %. Kommt es zu einer ATP-Verminderung, so treten die Formveränderungen vor der Abnahme der Verformbarkeit auf [22]. Die während der Lagerung in Konservierungslösungen gesteigerte Schwellung und Hämolyse der Erythrozyten wird durch Zugabe von Mannitol verhindert [6]. Veränderungen der Verformbarkeit von Erythrozyten zeigen dabei eine relativ gute Korrelation mit ihrer Überlebenszeit in vivo [86]. Die normale Lebensfähigkeit der Erythrozyten nach der Übertragung in den Empfängerorganismus ist der wichtigste Parameter, an welchem der Erfolg der Lagerung von Blut und Blutbestandteilen gemessen werden kann. Verlässliche Angaben über die Lebensfähigkeit können nur mit In-vivo-Methoden gewonnen werden, wobei in der Regel Isotopenmethoden, z. B. unter Verwendung von 51Chrom, durchgeführt werden. Alle in der Konserve vorhandenen,
bereits lädierten oder abgestorbenen Erythrozyten werden in den ersten 24 h nach der Transfusion im Organismus abgebaut. Erythrozyten, die diese Zeitspanne überlebt haben, altern normal, soweit dies nicht durch extra-erythrozytäre Umstände (z. B. Antikörper) negativ beeinflusst wird. Als Maß für den Wert der Erythrozytenkonservierung wird der Prozentsatz der Erythrozyten angegeben, der länger als 24 h im Empfängerkreislauf überlebt. Dieses Kriterium sollen mindestens 70 % der transfundierten Zellen erfüllen. Vor der Einführung der allgemeinen Leukozytendepletion war die Bildung von Mikroaggregaten in Erythrozytenkonzentraten Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Insbesondere im Rahmen der Massivtransfusion maß man ihnen klinische Bedeutung bei und verwendete Mikrofilter bei der Transfusion. Mit Einführung der Leukozytendepletion kann davon ausgegangen werden, dass sich Mikroaggregate in Erythrozytenkonzentraten nicht mehr in nennenswertem Umfang bilden können. Damit ist auch der Einsatz von Mikrofiltern heute obsolet. Eine erhöhte Aggregationsbereitschaft der Erythrozyten (sog. Rouleau-Bildung) in Abhängigkeit von der Lagerungszeit ist in vitro nachweisbar [30]. Während die Lagerungszeit keinen Einfluss auf die Blutgruppenmerkmale ABO und Rh hat, wurde mit fortscheitendem Alter der Konserve ein Reaktivitätsverlust der Blutgruppenmerkmale Lewis und P beschrieben [48]. Zuckerreste auf der Erythrozytenoberfläche, die im Verlauf der Lagerung exprimiert werden, können antigenen Charakter haben und beispielsweise eine positive serologische Verträglichkeitsprobe hervorrufen [37].
16.5.2
Lagerung von Frischplasma
Nach den Richtlinien soll Frischplasma möglichst innerhalb 6–8 h nach der Spende, spätestens jedoch nach 24 h eingefroren werden. Zwar bleiben nahezu alle Gerinnungsfaktoren über diesen Zeitraum stabil, doch Faktor VIII zeigt bereits nach 8 h Lagerung bei Raumtemperatur eine Abnahme um 13 % und nach 24 h um weitere 15–20 % [51]. Die Lagerung des Plasmas erfolgt bei –30 bis –40 °C (±3 °C) über 1 Jahr oder die ermittelte Haltbarkeit. Die Mindestlagerzeit beträgt 4 Monate, da nach den Bestimmungen der Richtlinien Frischplasma erst dann therapeutisch eingesetzt werden darf, wenn bei einer nachfolgenden Spende oder Blutentnahme keine infektiologischen Auffälligkeiten vorlagen (Quarantäneplasma). Von dieser Bestimmung ausgenommen ist pathogeninaktiviertes Plasma, das als gepooltes Produkt einer Virusinaktivierung unterzogen wurde. Die Vorgaben der AABB [77] sehen eine 8-h-Frist zur Tiefkühlung bei –18 °C für Plasma aus CPD- oder CPDA-1-Vollblut vor und eine 6-h-Frist für ACD-Plasma, das durch Apherese gewonnen wurde. Bei einer Lagerungstemperatur von –18 °C oder darunter wird die Lagerzeit mit 1 Jahr angegeben. Nach dem Auftauen in zugelassenen Wärmegeräten bei maximal 37 °C oder in für diesen Zweck zugelassenen Mikrowellengeräten ist das Frischplasma zur unmittelbaren Anwendung bestimmt [66]. Die Bestimmungen der AABB [77] hingegen erlauben eine weitere Lagerung bei 1–6 °C über maximal 24 h; erst nach diesem Zeitraum ist von einer klinisch signifikanten Reduktion des Gehaltes an Faktor VIII auszugehen.
237
16.6 • Sonderpräparate
16.5.3
Lagerung von Thrombozyten
Im Hinblick auf ihre hämostatische Funktionsfähigkeit können Thrombozyten in speziellen, gasdurchlässigen Beuteln bei Raumtemperatur (20–24 °C) und unter ständiger Agitation bzw. Rotation mehrere Tage gelagert werden. Die Bemühungen, die Lagerungszeit von Thrombozytenkonzentraten auf bis zu 7 Tage zu verlängern, werden durch die Möglichkeit von bakteriellen Kontaminationen eingeschränkt, die zu schweren septischen Zwischenfällen geführt haben (7 Kap. 21, 35). Aufgrund des Kontaminationsrisikos beläuft sich die empfohlene Lagerungszeit für Thrombozytenkonzentrate in Deutschland auf vier Tage (berechnet ab Mitternacht des Entnahmetages plus 96 h) [3]. Statt in autologem Plasma können Thrombozyten auch in synthetischen Lösungen gelagert werden, wobei auch dann ein gewisser Plasmaanteil (ca. 30 %) im Produkt verbleibt. Die photochemische Behandlung mit dem Ziel der Bakterien- und Virusinaktivierung wird als großer Vorteil additiver Lösungen angesehen; daneben werden eine bessere Funktionsfähigkeit der Thrombozyten und die Reduktion plasmavermittelter unerwünschter Wirkungen als Vorteile benannt. Insgesamt liegen erst wenige Erfahrungswerte zur Anwendung von Thrombozyten in Additivlösung vor [17][27][67] [80]. Eine 6- bis 12-stündige Unterbrechung der agitierten Lagerung zu Transportzwecken mit darauf folgender erneuter Lagerung im Rotator bis zu einer Gesamtlagerungszeit von 72 h soll zu keiner Verminderung der Recovery-Rate und der In-vivo-Überlebenszeit führen [73].
16.5.4
Lagerung von Granulozyten
Granulozytenkonzentrate sind zur umgehenden Transfusion bestimmt und sollten innerhalb von 6 h transfundiert werden. Die Richtlinien der AABB [77] in den USA sehen für Granulozytenkonzentrate eine maximale Lagerzeit von 24 h bei 20–24 °C ohne Bewegung vor. 16.6
Sonderpräparate
16.6.1
Bestrahlte Präparate
30 Gy [52][69]. Die Richtlinien empfehlen, Blutpräparate mit einer mittleren Dosis von 30 Gy zu bestrahlen, wobei die Energiedosis an keiner Stelle des Präparates 25 Gy unterschreiten darf. Die Bestrahlung der Blutkomponenten erfolgt in eigens für diese Anwendung hergestellten Bestrahlungsgeräten [46]. Die Blutpräparate werden dabei in einen zylinderförmigen Behälter einer drehbaren Bleitrommel eingelegt. Durch Rotation der Trommel um 180° wird die Blutkomponente in die Nähe der Bestrahlungsquelle gebracht. In der Regel kommt 137Caesium, selten 60Cobalt als Radioisotop zur Anwendung. (Prinzipiell wäre die Anwendung von Röntgenstrahlen, wie sie z. B. in Linearbeschleunigern erzeugt werden, dem Einsatz von γ-Strahlen gleichwertig. Sie ist jedoch in der Regel technisch ungleich aufwendiger.) Um eine möglichst homogene Dosisverteilung zu erreichen, dreht sich in den Blutbestrahlungsgeräten der Zylinder mit dem Blutpräparat in der ruhenden Trommel kontinuierlich während der gesamten Bestrahlungszeit. Nach Ablauf der Bestrahlungszeit rotiert die Bleitrommel wieder zur Ausgangsposition zurück, und das bestrahlte Präparat kann entnommen werden. Kontrollstreifen (sog. Bestrahlungsindikatoren), die sich oberhalb einer Energiedosis von 25 Gy verfärben, helfen sicherzustellen, dass die Bestrahlung tatsächlich durchgeführt wurde (z. B. überdeckt der Indikatorfarbumschlag ins Schwarze das Wort »not« im Aufdruck »not irradiated«). Thrombozytenkonzentrate erfahren durch Bestrahlung keine Funktionsbeeinträchtigungen und keine Einschränkung der Lagerzeit [64][68]. Bei Erythrozytenkonzentraten beeinflusst die Bestrahlung zwar weder die Hämolyserate noch die Glykolyseleistung [5], mit zunehmender Lagerdauer kommt es aber zu einer erheblichen Freisetzung von Kalium. So weisen mit 30 Gy bestrahlte Erythrozytenkonzentrate nach 2-tägiger Lagerung bereits Konzentrationen an freiem Kalium auf, wie sie üblicherweise erst nach 14-tägiger Lagerung gemessen werden [63]. Auch die Recovery bestrahlter Erythrozyten nimmt mit zunehmender Lagerungszeit ab; Erythrozytenkonzentrate sollten daher bei Bestrahlung relativ frisch sein (nicht älter als 14 Tage), und die Lagerung bestrahlter Erythrozytenkonzentrate sollte entsprechend der ermittelten Haltbarkeit 28 Tage nach der Entnahme nicht überschreiten [47].
16.6.2
Die Bestrahlung von Blutkomponenten mit ionisierenden Strahlen dient der Verhinderung des Anwachsens transfundierter Lymphozyten im Empfänger und damit der Ausbildung einer Graft-vs.Host-Reaktion (GvHR). Bereits 104 transfundierte Zellen pro kg Körpergewicht des Patienten werden als ausreichend zur Auslösung einer GvHR angesehen [38]. Durch die Bestrahlung wird die DNS der Lymphozyten irreversibel geschädigt. Empfänger bestrahlter Blutpräparate sind in erster Linie stark immungeschwächte Patienten (wie Knochenmark-/Blutstammzell-Transplantierte, Patienten vor autologer Blutstammzellentnahme, Patienten mit angeborenen Immundefekten sowie Feten im Rahmen der intrauterinen Transfusionen); ebenfalls bestrahlt werden müssen Blutkomponenten, die von Angehörigen ersten Grades stammen, etwa bei Transfusion von elterlichem Blut (»one way HLA-mismatch«). Eine Übersicht über die Indikationen geben die Leitlinien der Bundesärztekammer [62]. Granulozytenkonzentrate sind aufgrund ihres herstellungsbedingt hohen Gehaltes an Lymphozyten immer zu bestrahlen. Die notwendige Energiedosis zur Vermeidung einer GvHR liegt nach experimentellen Untersuchungen in der Größenordnung von
16
Gewaschene Präparate
Reagieren Empfänger auf die Zufuhr von Fremdprotein mit schweren allergischen Reaktionen, kann es indiziert sein, den Proteingehalt in Blutkomponenten soweit wie möglich zu verringern. Erythrozytenkonzentrate können dazu 3- bis 6-mal mit isotoner Kochsalzlösung gewaschen werden. Mit Hilfe einer SCD-Schweißnaht wird eine sterile Verbindung zu einem Beutel mit Kochsalzlösung hergestellt, damit das Erythrozytenkonzentrat für den Prozess nicht eröffnet werden muss. Nach Zugabe der Kochsalzlösung (ca. 250 ml) wird der Beutel zentrifugiert (Bedingungen wie Vollblut, . Tab. 16.5), anschließend wird der Überstand z. B. mit Hilfe einer Federpresse in einen Leerbeutel überführt und der Vorgang entsprechend oft wiederholt. Der Proteingehalt soll auf 1–0,5 g/dl, nach den Empfehlungen des Europarates auf unter 0,5 g/dl, reduziert werden. Ein Erythrozytenverlust ist durch die Waschvorgänge nicht vermeidbar; das Produkt sollte aber etwa 75–85 % des Erythrozytengehaltes des Ausgangspräparates aufweisen. Bei Transfusion eines gewaschenen Erythrozytenkonzentrats ist der Anstieg der Hämoglobinkonzentration daher auf ca. 0,75 g/dl vermindert. Bei Thrombozytenkonzentraten kommt Waschen insbesondere zur Abreicherung von Antikörpern in Betracht, insbesondere,
238
Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
wenn Thrombozyten von der Mutter bei der Behandlung der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie des Kindes zum Einsatz gelangen sollen. Thrombozytenlagerbeutel sind nicht für die Zentrifugation geeignet, d. h., das Präparat muss nach Herstellen einer sterilen Verbindung (»sterile docking«) in einen geeigneten Leerbeutel überführt werden. Die Thrombozyten werden durch Zufügen von ACD-A (10 % v/v) angesäuert und sollen 15 min ruhen, bevor sie zentrifugiert werden (. Tab. 16.3). Danach können der Plasmaüberstand in einer Federpresse entfernt und die Thrombozyten in Plasma oder Additivlösung resuspendiert werden.
16.6.3
Lyophilisiertes Plasma
Gefrorenes Frischplasma muss bei –30 °C gelagert und bei Bedarf aufgetaut werden, was – abhängig vom Auftaugerät – bis zu 30 min in Anspruch nehmen kann. Anschließend ist noch der Weg von der Blutzbank zum Transfusionsort zu bewältigen. Die Gabe von gefrorenem Frischplasma ist daher mit einem erheblichen logistischen und zeitlichen Aufwand verbunden, weshalb bei Operationen der Plasmabedarf zu Beginn sorgfältig abzuschätzen ist, um unnötige Plasmagaben oder Plasmaverwurf zu vermeiden. Bei Unfällen kann gefrorenes Frischplasma erst nach Einlieferung des Patienten in die Klinik transfundiert werden. Nach neueren Studien weisen jedoch bis zu 25 % der Traumapatienten eine traumabedingte akute Koagulopathie auf, die mit einer 4-fach höheren Letalität verbunden ist [7]. Um dieser vorzubeugen, wird heute die frühzeitige Gabe von Frischplasma nach dem Traumereignis empfohlen [31]. Dies hat zur Entwicklung von gefriergetrocknetem (lyophilisiertem) Plasma geführt, das bei Raumtemperatur gelagert und nach Zugabe von sterilem Wasser innerhalb weniger Minuten verabreicht werden kann. Zur Herstellung von lyophilisiertem Plasma wird eine definierte Menge Plasma in Glasflaschen oder Kunststoffbehältnisse überführt und tiefgefroren. Anschließend wird dem Plasma über mehrere Tage in Gefriertrocknern das Wasser unter Vakuum durch Sublimation entzogen, wobei infolge der Verdunstungskälte die zu trocknende Substanz in der Struktur des gefrorenen Zustands verbleibt. Zur Rekonstitution wird dem Plasmapulver steriles Aqua ad injectabilia zugefügt. Die Gefriertrocknung hat keinen nachteiligen Einfluss auf die Gerinnungsfaktoren [75]. 16.7
16
Hämapherese
Die Hämapherese unterscheidet sich von der konventionellen Blutspende durch den Einsatz von Zellseparatoren mit extrakorporalem Kreislauf am Spender. Die Fraktionierung des Blutes erfolgt noch während der Spende: Einzelne Blutkomponenten werden gezielt gewonnen, während die übrigen Blutbestandteile dem Spender wieder zurückgegeben werden. Die präparative Hämapherese wird eingesetzt zur Herstellung von Thrombozyten-, Granulozyten- und (selten) Erythrozytenkonzentraten sowie zur Gewinnung von Plasma. Die gleichzeitige Entnahme und Auftrennung von verschiedenen Blutbestandteilpräparaten wird als Multikomponentenapherese bezeichnet. Auch periphere Blutstammzell-, Lymphozytenund Monozytenpräparate werden durch Hämapherese gewonnen (7 Kap. 17). Nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie [15] erfordert die unmittelbare Überwachung und Durchführung eine qualifizierte Fachkraft. Auch bei vollautomatisch kontrollierten Systemen sollte in der Regel ein Operator nicht mehr als 3 Zytapheresen oder 5 Plasmaphe-
resen gleichzeitig überwachen. Der Operator muss in der Lage sein, Störungen rasch zu erkennen und zu beheben. Dazu sind in der Regel eine Ausbildung an extrakororalen Systemen über mindestens drei Monate, Kenntnisse in der Notfallmedizin sowie eine regelmäßige Tätigkeit in der Hämapherese (zumindest 5 Apheresen pro Monat) zu fordern. Hämapheresen sind unter ärztlicher Aufsicht und Weisung durchzuführen. Die Räume, in denen die Zellseparation durchgeführt wird, müssen für ein Notarztteam in ausreichender Zeit erreichbar sein. Der Spender muss jederzeit von allen Seiten aus zugänglich sein, pro Separationsplatz wird daher ein Raumbedarf von mindestens 10 m2 veranschlagt. Alle Zellseparationsverfahren beruhen auf der Auftrennung des Blutes durch Zentrifugation. Für den extrakorporalen Kreislauf werden Einmalkunststoffsets mit den Separationskammern und computergesteuerte Separatoren mit Rollerpumpen eingesetzt. Zellseparatoren unterliegen dem Medizinproduktegesetz [43] und verfügen über selbstkontrollierende Überwachungssysteme u. a. für Zu- und Rückfluss, Hämolyse, Undichtigkeit, Unterdruck und Antikoagulanziendosierung. Die Zell- oder Plasmasammlung sowie die Funktionskontrolle erfolgen mehr oder weniger vollautomatisch unter Verwendung bestimmter Sammelprotokolle und Separationskammern. Zur Antikoagulation wird ACD-A oder ACD-B (. Tab. 16.1) im Verhältnis 1:8 bis 1:12 dem Blut unmittelbar am Punktionsort für die Blutentnahme zugeführt. Grundsätzlich unterscheidet man kontinuierliche von diskontinuierlichen Verfahren, deren Funktionsweisen am Beispiel der Thrombozytapherese dargestellt werden.
16.7.1
Thrombozytapherese
Diskontinuierliches Verfahren Bei diesem Verfahren wird dem Spender ein bestimmtes Blutvolumen entnommen und nach Abtrennung der gewünschten Blutkomponente anschließend wieder zurückgegeben. Dabei darf das Extrakorporalvolumen 15 % des zirkulierenden Blutvolumens nicht überschreiten. Dieses Verfahren findet Anwendung in den Zellseparatoren der Firma Haemonetics, in denen das Blut in einer sog. Latham-Glocke aufgetrennt wird (. Abb. 16.3). Die Glocke besteht aus einem fest stehenden Bereich mit dem Zu- und Ablaufkanal und einem rotierenden Teil mit Separationskammer und der Drehdichtung. Während der Blutentnahmephase wird das antikoagulierte Vollblut über den Einlasskanal zum Glockenboden gepumpt. Durch die Zentrifugalkraft wandert das Blut am Glockenboden in die Separationskammer zwischen Glockenkern und Außenwand. Die in der Glocke vorhandene sterile Luft wird durch das einströmende Blut nach oben gedrückt und in einem Sammelbeutel aufgefangen. Das Blut trennt sich in seine Komponenten entsprechend ihrer Dichte auf, wobei die schweren Erythrozyten an der Glockenwand sedimentieren. Das zuerst oben ankommende zellarme Plasma und die nachfolgende Schicht plättchenreichen Plasmas werden dann in jeweils separate Sammelbeutel geleitet. Dieser Prozess wird von optischen Sensoren gesteuert. Im Anschluss an die Plasmaseparation wird ein Teil des gesammelten Plasmas aus dem Plasmasammelbeutel mit hoher Geschwindigkeit über den Einlasskanal zum Glockenboden gepumpt, wo es in die Separationskammer gelangt. Die leichten Thrombozyten werden von dem durch die Zellschichten von unten nach oben abfließenden Plasmastrom mitgezogen, während Leukozyten und Erythrozyten zurückbleiben. Dieser zweite Schritt erhöht damit die Thrombozytenausbeute, während die Zahl kontaminierender Leu-
16
239
16.7 • Hämapherese
Plasma Thrombozyten
Optiksensor
Drehdichtung
Trenngrenzenerkennung
buffy coat
Vollblut
Plasma
max. 2200 rpm Erythrozyten
RBC-Barriere Erythrozyten
Thrombozyten
. Abb. 16.3 Blutkomponententrennung in der rotierenden LathamGlocke (Fa. Haemonetics). Da es sich um ein diskontinuierliches Verfahren handelt, wird die Glocke zunächst mit Vollblut gefüllt, das durch die Rotation in die Komponenten Plasma, »buffy coat« (Leukozyten und Thrombozyten) und Erythrozytensediment aufgetrennt wird. Es schließt sich dann eine Phase an, in der Plasma gesammelt wird. Die Abbildung zeigt jetzt die Phase der Thrombozytensammlung. Das zuvor in einem Beutel gesammelte Plasma wird mit hoher Geschwindigkeit durch den Vollbluteinlasskanal zurück in die Glocke gepumpt und läuft anschließend in der Trennkammer durch die Zellschichten. Der starke Plasmastrom bewirkt, dass die leichten Thrombozyten aus dem »buffy coat« herausgewaschen werden und somit in höherer Reinheit und Ausbeute gesammelt werden können. Gleichzeitig verbleiben die schweren Komponenten in der Glocke. Sie werden nach Abschluss der Thrombozytensammlung dem Spender zusammen mit dem Restplasma zurückgegeben
kozyten vermindert wird. Sobald die optischen Sensoren die Erythrozytenschicht erkennen, stoppt die Drehbewegung der Glocke, und der Blutrückgabemodus wird aktiviert. Erythrozyten, Leukozyten und der Rest des separierten Plasmas werden vermischt und zum Spender zurückgepumpt.
Kontinuierliches Verfahren Bei den kontinuierlichen Verfahren erfolgt die Blutkomponentengewinnung während der ständigen Entnahme einer kleinen Blutmenge und der Rückgabe der nicht benötigten Blutbestandteile. Waren ursprünglich zwei Punktionsstellen für einen zu- und einen abführenden Schlauch erforderlich, sind seit längerem auch »Single-needle-Systeme« auf dem Markt. Das kontinuierliche Verfahren kommt bei den Separatoren der Firmen Caridian BCT, Fenwal und Fresenius zum Einsatz. Bei den Kunststoffeinsätzen handelt es sich um geschlossene Systeme ohne Gleitflächen, da durch eine geschickte Konstruktion die Verdrillung der zu- und abführenden Schläuche des rotierenden Kunststoffringes, der die Separationskammer enthält, während der Rotation vermieden werden kann. Der Zellseparator Com.Tec der Firma Fresenius arbeitet mit einer starren Kammer aus transparentem Kunststoff, die die Form einer progressiv-ansteigenden Spirale besitzt (. Abb. 16.4). Das antikoagulierte Spenderblut gelangt über den sog. Vollblutport in die Separationskammer. Durch die Zentrifugalkraft kommt es zur Separation der Blutzellen und zum Aufbau einer Trenngrenze mit
. Abb. 16.4 Einstufige Separationskammer C5 der Fa. Fresenius für die Gewinnung von leukozytendepletierten Thrombozytenkonzentraten durch Apherese
einem aus Erythrozyten und Leukozyten bestehenden Zellsediment und dem überstehenden plättchenreichen Plasma. Dabei wird die Trenngrenze vom Gerät so eingestellt, dass Erythrozyten und Leukozyten den im Kammerring vorhandenen Winkel (die sog. »RBCBarriere«) nicht überwinden können. Die Einstellung der Trenngrenze wird optisch überwacht. Da der Winkel im Kammerring nur vom plättchenreichen Plasma überwunden werden kann, verbleiben die Erythrozyten und Leukozyten im Bereich vor dieser Barriere und verlassen die Kammer über eine Abflussleitung, die zurück zum Spender führt. Das leukozytendepletierte plättchenreiche Plasma hingegen wird in einer Ausbuchtung des Kammerrings vor dem Thrombozytenport aufkonzentriert: Es entsteht das eigentliche Thrombozytenkonzentrat, das aus dem Kammerring von der Zellenpumpe abgezogen wird, und plättchenarmes Plasma. Dieses Plasma gelangt bis zum inneren Ende des Ringes und wird dort abgezogen. Ein Teil des gewonnenen plättchenarmen Plasmas wird zusammen mit den Erythrozyten und Leukozyten dem Spender zurückgegeben oder kann wahlweise gesammelt werden (kombinierte Plasma- und Thrombozytapherese), der andere Teil wird dem zufließenden Vollblut beigemischt. Mit dieser Plasmarezirkulation soll ein konstanter Hämatokrit in der Kammer erreicht werden, um die Separationsbedingungen während der gesamten Apherese möglichst gleichmäßig zu gestalten. Durch eine Variation des Plasmaflusses kann die Position der Trenngrenze verändert werden. Wird dieses Aphereseverfahren für die »Single-needle-Spende« angewandt, so fließen Erythrozyten, Leukozyten und Plasma nach der ersten Auftrennung in einen Reservoirbeutel (Volumen ca. 200– 250 ml); dieses Blut durchläuft dann die Kammer erneut, bevor es dem Spender zurückgegeben wird. Beim Zellseparator Cobe Spectra besteht die Separationskammer ebenfalls aus einem asymmetrischen, rotierenden Kunststoffring, der den Separationskanal enthält. Die Abtrennung von Erythrozyten/Leukozyten und plättchenreichem Plasma erfolgt am sog. Trenndamm: Das Zellsediment wandert aufgrund des Widerstandes am Damm entgegen dem Uhrzeigersinn zum Auslass (Rückführung zum Spender), das plättchenreiche Plasma gelangt mit
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Kapitel 16 • Gewinnung, Herstellung und Lagerung von Blut und Blutkomponenten
dem Uhrzeigersinn zur Thrombozytensammelstelle. Dort werden Thrombozyten und Plasma separiert, die Thrombozyten gelangen zum Sammelbeutel, und das plättchenarme Plasma wandert weiter im Uhrzeigersinn den Ringkanal entlang, dessen Radius stark abnimmt, und wird schließlich an dem am weitesten zentral liegenden Wandabschnitt abgesaugt. Über einen Kontrollschlauch, dessen Öffnung sich in Höhe der Grenzschicht von konzentrierten Leukozyten und Erythrozyten sowie Plasma befindet, lässt sich an der Färbung die korrekte Trennhöhe ablesen und durch Änderung der Plasmapumpenleistung variieren. Der Zellseparator Trima Accel desselben Herstellers besitzt einen kleineren Separationskanal, wohingegen die zur Leukozytenreduktion verwendete Kammer länger ausgebildet ist. Diese Ringgeometrie ermöglicht eine effizientere Thrombozytenanreicherung, wobei die verstärkt mit eingesammelten Leukozyten in der größeren Kammer zurückgehalten werden, sodass das Aphereseprodukt die Vorgaben eines leukozytenreduzierten Thrombozytenkonzentrats erfüllt. Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Zellseparatoren besitzt die CS-3000 der Firma Fenwal keinen ruhenden, außen liegenden Thrombozytensammelbeutel, sondern dieser rotiert während der Separation mit. Das Trennprinzip basiert auf einer Zweikammerzentrifugation: Vollblut wird in die 1. Kammer (Separationskammer) gepumpt und dort durch die Zentrifugationskräfte in plättchenreiches Plasma und Erythrozytensediment mit Leukozyten getrennt. Die Geometrie der Kammer hat zur Folge, dass die Zellschicht aus Erythrozyten und Leukozyten durch das ständig zugeführte Vollblut über zwei oben außen liegende Öffnungen der Kammer in den Rückgabeschlauch gedrückt und kontinuierlich dem Spender zurückgegeben wird. Das sich oben innen ansammelnde plättchenreiche Plasma wird mittels der Plasmapumpe in die 2. Kammer (Sammelkammer) überführt. Ein optischer Detektor, der plättchenreiches Plasma erkennt, verhindert eine Kontamination mit Erythrozyten. In der Sammelkammer sedimentieren die Thrombozyten an die Kammerwand, während das Plasma durch eine Öffnung am oberen Ende der Kammer herausgepresst wird. Die Thrombozyten werden nach der Separation vorsichtig im Plasma resuspendiert. Eine Weiterentwicklung stellen Sammelkammern dar, in denen die Thrombozyten nicht mehr an die Kammerwand sedimentieren, sondern in Suspension verbleiben und so eine bessere Funktion behalten. Das Amicus-System desselben Herstellers ermöglicht eine stärkere Aufkonzentrierung des Thrombozytenkonzentrates. Damit wird auch der Zusatz von Additivlösung möglich, sodass ein auf diesem Wege hergestelltes Thrombozytapheresekonzentrat etwa ein Drittel autologes Plasma und zwei Drittel Additivlösung enthält. Das System eignet sich damit insbesondere zur Herstellung sog. pathogeninaktivierter, weil photochemisch behandelter Thrombozytapheresekonzentrate (7 Abschn. 16.4.7). Thrombozytapheresekonzentrate sollten 2–4 × 1011 Thrombozyten und höchstens 3 × 109 Erythrozyten in höchstens 300 ml Plasma enthalten. Der pH muss zwischen 6,5 und 7,4 liegen. In den leukozytendepletierten Präparaten sind weniger als 1 × 106 Restleukozyten/Einheit vorhanden. Bei den meisten Apheresesystemen ermöglichen die Kammereigenschaften eine ausreichende Leukozytenabreicherung, sodass diese Thrombozytapheresekonzentrate herstellungsbedingt leukozytenarm sind. Bei Verwendung anderer Systeme muss das Präparat nach der Gewinnung noch gefiltert werden.
16.7.2
Granulozytapherese
Die Gewinnung ausreichender Mengen von Granulozyten ist nur durch medikamentöse Konditionierung des Spenders und den Einsatz von Sedimentationsbeschleunigern für Erythrozyten möglich. Zur Konditionierung können Kortikoide (z. B. 20 mg Prednison p. o. 17, 12 und 2 h vor Apherese) oder Zytokine (5–10 μg/kgKG G-CSF s. c. 8–16 h vor Apherese) verwendet werden; einige Zentren wenden auch Kortikoide und G-CSF in Kombination an [34][39]. Beide Substanzgruppen sind in Deutschland für diese Indikation nicht zugelassen. Um während der Zentrifugation eine ausreichende Trennung von Granulozyten und Erythrozyten zu erreichen, hat sich der Einsatz von hochmolekularer Hydroxyethylstärke (HES) als Sedimentationsbeschleuniger bewährt. Da Unverträglichkeitsreaktionen auf HES beschrieben sind, wird eine sog. biologische Vorprobe durch intravenöse Injektion von 1 ml 6 %iger HES mit anschließender 5-minütiger Beobachtungszeit empfohlen [66]. Während der Apherese werden dem Spenderblut dann 200 bis maximal 750 ml 6 %ige HES zugesetzt. Granulozytenkonzentrate sollten mehr als 1 × 1010 Granulozyten/m2 Körperoberfläche des Empfängers in maximal 500 ml Konzentratvolumen enthalten. Der Hämatokritwert des Präparates sollte 30 % nicht übersteigen. Granulozytenkonzentrate sind aufgrund des hohen Lymphozytenanteils vor der Transfusion mit 30 Gy zu bestrahlen.
16.7.3
Plasmapherese
Die Plasmagewinnung kann durch die beschriebenen Zellseparatoren erfolgen oder durch Geräte, die Plasma mittels mechanischer Filtration gewinnen. Um extrem zellarmes Plasma zu erhalten, werden Zentrifugation und Filtration auch kombiniert angewendet. Bei der maschinellen Plasmapherese dürfen nicht mehr als 850 ml Plasma (mit Antikoagulans gerechnet) je Spende gewonnen werden. Das durch maschinelle Plasmapherese gewonnene Plasma muss die gleichen Qualitätskriterien erfüllen wie das durch konventionelle Vollblutspende gewonnene. 16.8
Blut für Neugeborene
Viele unreife Neugeborene, v. a. solche mit einem Körpergewicht von weniger als 1 kg, müssen in den ersten Lebenswochen regelmäßig transfundiert werden. Lange Zeit wurde frischen Erythrozytenkonzentraten mit einer Lagerzeit <7 Tage der Vorzug gegeben, da mit zunehmender Lagerzeit die Konzentration an freiem Kalium in der Additivlösung ansteigt und der Gehalt der Erythrozyten an 2,3-DPG abnimmt. Ein 42 Tage altes Erythrozytenkonzentrat enthält etwa 50 mmol freies Kalium/l extrazelluläre Flüssigkeit; bei der üblichen Transfusionsmenge von 15±5 ml/kgKG ist die Kaliumzufuhr mit 0,1–0,15 mmol/kgKG im Vergleich zum Tagesbedarf (ca. 2–3 mmol/kgKG) jedoch gering. Die Verminderung an 2,3DPG führt zu einem Abfall des zur 50 %igen Sättigung erforderlichen Sauerstoffpartialdruckes (p50) von 27 mmHg (Frischblut) auf 18 mmHg. Dieser Wert entspricht aber den physiologischen Verhältnissen, wie sie Erythrozyten von Frühgeborenen zeigen, allerdings mit dem Unterschied, dass der 2,3-DPG-Spiegel in den Spendererythrozyten nach der Transfusion rasch ansteigt und nach wenigen Stunden wieder Normalwerte erreicht hat.
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Literatur
Mehrere Studien haben mittlerweile gezeigt, dass der Transfusionserfolg und die Rate unerwünschter Wirkungen nicht vom Alter des Erythrozytenkonzentrates abhängig sind (Übersicht bei [76]). Auch die Art der verwendeten Additivlösung und ihr Gehalt an Glucose, Phosphat und Mannitol sind ohne klinische Bedeutung, sodass es unnötig ist, sie vor der Transfusion kleiner Volumina zu entfernen. Von Austauschtransfusionen abgesehen, ist es unklar, ob bei größeren Transfusionsvolumina die Additivlösung entfernt werden soll. Für intrauterine Transfusionen muss die Additivlösung weitgehend entfernt werden, damit der empfohlene Hämatokritwert von 75–85 % eingestellt werden kann (Hämatokrit von Erythrozytenkonzentraten in Additivlösung ca. 50–70 %); für Austauschtransfusionen wird ein Hämatokrit von 40–50 % empfohlen, der nach Entfernen der Additivlösung durch Zusatz von Plasma eingestellt werden kann [77]. Die für die Transfusion Früh- und Neugeborener benötigten kleinen Mengen werden in der Regel durch Verwendung von Beutelsystemen mit kleinen Satellitenbeuteln (»Babybeutel«) bereitgestellt, aus denen Spritzen zur Transfusion gefüllt werden können. Viele Neonatologen befürworten eine möglichst geringe Spenderexposition, die dadurch erreicht werden kann, dass die Satellitenbeutel aus einem Konzentrat einem Empfänger zugeordnet werden und über die Lagerzeit für diesen reserviert bleiben. Bei intrauterinen Transfusionen und Austauschtransfusionen bei Neugeborenen ist zu beachten, dass die Präparate bestrahlt werden müssen [66]. Während rund 80 % der Frühgeborenen mit Erythrozytenkonzentraten versorgt werden müssen, sind nur 15–20 % auf die Transfusion weiterer Blutkomponenten angewiesen. Für Thrombozytensubstitutionen (mittlere Dosis: 5–10 ml/ kgKG) kann es nötig werden, das Plasmavolumen eines Thrombozytenkonzentrates auf 10–20 ml zu reduzieren. In volumenreduzierten Thrombozytenkonzentraten, die in Spritzen umgefüllt wurden, fällt der pH rasch ab. Dieser Schritt sollte daher frühestens 4 h vor Transfusion durchgeführt werden [59]. Da die Transfusion inkompatiblen Plasmas bei Kleinkindern größere Gefahren birgt als im höheren Lebensalter, soll ABO-ident transfundiert werden. Müssen Thrombozytenkonzentrate zur Anwendung kommen, die inkompatibles Plasma enthalten, sollen das Plasma entfernt und die Thrombozyten in Kochsalzlösung, Albumin oder kompatiblem Plasma resuspendiert werden [77]. Die übliche Dosis für gefrorenes Frischplasma ist 10–15 ml/ kgKG. Frischplasmen stehen in der Regel nicht in kleinen Abpackungen zur Verfügung und sind nach dem Auftauen zur unmittelbaren Anwendung bestimmt [66]. Mit einem klinisch signifikanten Verlust an Gerinnungsaktivität (insbesondere Faktor VIII) ist nach 24 h zu rechnen [77]. 16.9
Sterile Schlauchverbindungen
Zur Überführung von Blutkomponenten aus Beutelsystemen in zusätzliche, nicht bereits angeschlossene Beutel muss das Eröffnen des kontaminationssicheren »geschlossenen« Systems vermieden werden. Dies kann erreicht werden, indem mit Schweißgeräten (»sterile connecting devices«, STCD) sterile Verbindungen zwischen 2 Schläuchen konventioneller Beutelsysteme hergestellt werden. Dazu werden die Schläuche in Schlauchhalterungen eingelegt, mittels einer auf 320 °C erhitzten Kupferklinge durchtrennt, entlang der Klinge zur gewünschten Verbindung verschoben und während der Klingenentfernung unter Zusammenführung der Schnittenden
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miteinander steril verschweißt. Während des Schweißvorganges wird evtl. vorhandene Flüssigkeit durch Zusammendrücken des Schlauches von der Schweißnaht getrennt. Die Flüssigkeit in den Schläuchen kann auch durch eine entsprechende Schlauchführung (»Bend-tube-Methode«) von der Schweißstelle ferngehalten werden. Integrierte Temperatursensoren überwachen kontinuierlich die Klingentemperatur. Die Kupferklinge ist nur einmal verwendbar. Die zu verbindenden Schläuche sollten den gleichen Innendurchmesser (in der Regel 2,9–3,1 mm) haben und aus demselben Material bestehen. Verbindungen zwischen zwei trockenen Schläuchen weisen 75 % der Ziehfestigkeit der Ausgangsschläuche auf [36]. 16.10
Transport von Blutkomponenten
Der Transport von Blutkomponenten vom Hersteller zum Depot des Anwenders erfolgt unter der Verantwortung des Herstellers [66]. Von besonderer Bedeutung ist die Einhaltung der vorgesehenen Transporttemperaturen, die während des Transportes durch geeignete Maßnahmen (z. B. Temperaturschreiber oder Min/MaxThermometer) zu überwachen sind. Dabei gilt, dass Erythrozytenkonzentrate ohne Unterbrechnung der Kühlkette bei 1–10 °C transportiert werden sollen. Für Thrombozytenkonzentrate gilt Raumtemperatur als geeignete Lagertemperatur, wobei 20 °C nicht unterschritten werden dürfen. Gefrierplasma ist tiefgefroren zu transportieren. Andere schädigende Einflüsse (massive Erschütterung u. Ä.) sind zu vermeiden. Werden Blutkomponenten von einem Blutdepot zu einem anderen weitergegeben, so geht die Verantwortung für deren Qualität und Unbedenklichkeit sowie die Transportverantwortung vom Hersteller auf den Leiter der weitergebenden Einrichtung über. Innerhalb der Einrichtung des Anwenders sollen Blutkomponenten nur zur unmittelbaren Anwendung am Patienten aus dem Blutdepot abgerufen werden. Der Transport soll durch einen eingewiesenen Botendienst (und nicht durch Besucher, Patienten oder deren Angehörige) und unter geregelten Bedingungen erfolgen. Dabei sollten v. a. die Art der Transportbehältnisse und die Transportzeiten geregelt werden. In großen Krankenhäusern kann es erforderlich werden, Satellitendepots, insbesondere für Erythrozytenkonzentrate, einzurichten. Für die Lagerung in solchen Depots gelten dieselben Vorschriften wie für die Lagerung im Blutdepot selbst; Satellitendepots sind sorgfältig zu überwachen. Eine Rücknahme von Erythrozytenkonzentraten aus solchen Depots ist nur unter definierten Bedingungen möglich, wobei neben der sicheren Dokumentation der Lagertemperatur zumindest die Haltbarkeit, die Unversehrtheit des Beutels und die Hämolyse geprüft werden sollten.
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Mobilisation von peripheren Blutstammzellen – 248
17.2.1 17.2.2 17.2.3 17.2.4 17.2.5
Autologe Blutstammzellen – 248 Stammzelldosis für die autologe Transplantation – 250 Allogene Blutstammzellen – 250 Stammzelldosis für die allogene Transplantation – 251 Nebenwirkungen und Risiken der G-CSF-Mobilisation – 251
17.3
Blutstammzellapherese – 252
17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.3.4 17.3.5
Voruntersuchung der Spender und Patienten – 252 Durchführung der Stammzellapherese – 252 Nebenwirkungen und Risiken der Stammzellapherese – 252 Ergebnisse autologer und allogener Stammzellapheresen – 253 Spenderlymphozyten zur adoptiven Immuntherapie – 255
17.4
Präparation von Blutstammzelltransplantaten: Selektion und Depletion – 255
17.5
Ausblick – 256 Literatur – 256
17
246
Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
Die Möglichkeit, periphere Blutstammzellen durch Wachstumsfaktoren zu mobilisieren und in großer Menge durch Zytaphereseverfahren zu gewinnen, hat neue Perspektiven eröffnet und ist inzwischen ein Standardverfahren sowohl für die autologe als auch für die allogene Transplantation hämatopoetischer Vorläuferzellen. Blutstammzellen sind im Vergleich zu Knochenmark einfacher und ohne Narkose zu gewinnen, bieten eine höhere Vorläuferzellzahl, führen zu einer rascheren hämatologischen und immunologischen Rekonstitution nach Transplantation und erleichtern neue Behandlungsstrategien mit In-vitro-Manipulation des Transplantates bis hin zur zellulären Immuntherapie und Gentherapie.
17.1
Einleitung
17.1.1
Historie der Gewinnung und Transplantation von Blutstammzellen
Die Erstbeschreibung peripherer Blutstammzellen, die die Fähigkeit zur Replikation, Proliferation und Differenzierung in verschiedene Zellreihen besitzen, stammt aus dem Jahre 1909 von Alexander Maximow, der den »Lymphozyt als gemeinsame Stammzelle der verschiedenen Blutelemente in der embryonalen Entwicklung und im postfetalen Leben der Säugetiere« bezeichnet [74]. In den folgenden Jahren galt als Lehrmeinung, dass sich im peripheren Blut unter physiologischen Bedingungen keine hämatopoetischen Vorläuferzellen finden. Erst 50 Jahre später wurde erneut auf die Existenz multipotenter zirkulierender Zellen hingewiesen [12] und die Physiologie und Pathophysiologie der peripheren Blutstammzellen weiter untersucht.
Stammzellapherese und autologe Transplantation Die ersten präklinischen Studien mit Transplantation autologer peripherer Blutstammzellen im Hundemodell folgten Mitte der 1960er Jahre von den Gruppen um E. D. Thomas [16] und T. M. Fliedner [15]. Ende der 1970er Jahre führten M. Körbling und H. Pflieger bei Patienten und freiwilligen Spendern Stammzellapheresen mit einem kontinuierlichen Durchflusszellseparator (Aminco) durch [30][60]. Die Proliferationsfähigkeit der so gewonnenen Stammzellen und deren Funktionsfähigkeit nach Kryokonservierung wurden durch In-vitro-Kulturverfahren (7 Kap. 2) belegt. Mitte der 1980er Jahre folgten die ersten autologen Blutstammzelltransplantationen nach myeloablativer Therapie bei Patienten mit akuter Leukämie bzw. malignem Lymphom [57][61][85]. Dabei wurde für die Stammzellgewinnung der sog. »Reboundeffekt« nach Chemotherapie genutzt, durch den die hämatopoetischen Vorläuferzellen im peripheren Blut im Rahmen der Regeneration nach zytostatischer Therapie deutlich ansteigen [88].
Vorteile der Blutstammzellen und allogene Transplantation Seit Mitte der 1990er Jahre, als die Blutstammzellen bei der autologen Transplantation das Knochenmark nahezu ersetzt hatten, wurden auch für die allogene Transplantation sowohl von verwandten als auch von unverwandten Spendern zunehmend G-CSF-mobilisierte periphere Blutstammzellen verwendet. . Abb. 17.1 zeigt die Anzahl autologer, . Abb. 17.2 die Anzahl allogener Transplantationen, wie sie von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation e. V. (DAG-KBT) und dem Deutschen Register für Stammzelltransplantationen (DRST) registriert wurden. Im Jahr 1999 wurden in Deutschland erstmals deutlich mehr allogene Transplantationen mit peripheren Blutstammzellen als mit Knochenmark durchgeführt, wobei der Anteil an Fremdspendern inzwischen nahezu 70 % beträgt. Periphere Blutstammzellen bieten gegenüber Knochenmark medizinische und ökonomische Vorteile für Spender und Patienten und ermöglichen die Entnahme bei Patienten mit Knochenmarkfibrose oder nach Beckenbestrahlung [36][86][91][96]. Die hohen Stammzellzahlen erlauben darüber hinaus die Transplantation von HLA-haploidenten Familienspendern [46]. Periphere Blutstammzelltransplantate können zudem infolge des höheren Lymphozytenanteils und des damit verbundenen Antitumoreffekts bei einer allerdings erhöhten Inzidenz einer chronischen Spender-gegenWirt-Reaktion bei malignen Erkrankungen die Überlebenswahrscheinlichkeit steigern [6][18][62][80] (7 Kap. 32). Die Transplantation autologer und allogener peripherer Blutstammzellen ist inzwischen fester Bestandteil etablierter Therapieverfahren mit gesetzlicher Regelung für die Gewinnung, Untersuchung, Präparation und Anwendung [122][124]. Vorteile von peripheren Blutstammzellen gegenüber Knochenmark Spender/Präparat: 5 Ambulante, einfache Entnahme 5 Keine Vollnarkose 5 Höhere Stammzellzahl 5 Geringerer Erythrozytenanteil 5 Bessere Manipulation (Selektion, Stimulation, Expansion, Gentransfer) Empfänger: 5 Schnellere hämatologische und immunologische Rekonstitution 5 Geringerer Bedarf an Antibiotika und Blutprodukten 5 Geringere Morbidität 5 Kürzere Hospitalisationszeit
G-CSF-Stimulation
17
Ein weiterer Meilenstein war Ende der 1980er Jahre die Mobilisation von peripheren Blutstammzellen aus dem Knochenmark durch Wachstumsfaktoren (Zytokine) wie G-CSF (»granulocyte-colony stimulating factor«) und GM-CSF (»granulocyte makrophage-colony stimulating factor«) [97] und der Einsatz dieser zytokinmobilisierten Blutstammzellen zur autologen Transplantation [35]. Da Wachstumsfaktoren auch ohne vorhergehende Chemotherapie zu einem 20- bis 100-fachen Anstieg der hämatopoetischen Vorläuferzellen im Blut und die G-CSF-mobilisierten Stammzellen im Vergleich zu Knochenmark zu einer deutlich rascheren hämatopoetischen Rekonstitution nach autologer Transplantation führen, lag die Überlegung nahe, zytokinmobilisierte Blutstammzellen auch für die allogene Transplantation einzusetzen [25][39].
17.1.2
Rechtliche Vorgaben zur Herstellung und Anwendung von Blutstammzellpräparaten
Blutstammzellen als Arzneimittel Periphere Blutstammzellen unterliegen in der deutschen Gesetzgebung nicht dem Transplantationsgesetz, sondern dem Transfusionsgesetz (TFG). Sie gelten als Blutbestandteil nach § 2 Nr. 3 und § 9 Abs. 1 TFG bzw. als Blutzubereitung nach § 4 Abs. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) und nicht als Organ oder Gewebe. Sie sind damit Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG, für die bei der Gewin-
17
247
17.1 • Einleitung
2590 2407
2338 2213 2100
2111
2186
2594 2439
2435
2546
2591
1884 1635
934 567 260 208 151 1992
91 170 1993
1994
14
26
42
41
8
9
13
15
6
9
17
11
15
1
3
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
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2006
2007
2008
2009
Knochenmarktransplantation
Blutstammzelltransplantation
. Abb. 17.1 Anzahl autologer Transplantationen pro Jahr in Deutschland (Quelle: Deutsches Register für Stammzelltransplantationen (DRST) www.drst.de)
1973
2034
1853 1746 1612
1229 1102
1090
1049
1047
383
328
314
316
284
289
257
258
314
314
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
896
517 421
430
0
0
1992
1993
528
599
578 198
45
57
1994
1995
1996
569 549
520
375
1997
1998
1999
2000
Knochenmarktransplantation
Blutstammzelltransplantation
. Abb. 17.2 Anzahl allogener Transplantationen pro Jahr in Deutschland (Quelle: Deutsches Register für Stammzelltransplantationen (DRST) www.drst.de)
nung, Untersuchung, Präparation und Anwendung entsprechende Gesetze [122][123][124], Verordnungen [129][130] sowie nationale und internationale Richtlinien und Empfehlungen [117][118][120] [125][126][127][128] zu beachten sind. Die Gewinnung und Präparation von Blutstammzellen ist nach § 67 AMG der zuständigen Landesbehörde anzuzeigen, die die erforderliche Herstellungserlaubnis gemäß § 13 Abs. 1 AMG erteilt. Eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht besteht nach § 13 Abs. 2b AMG nur, wenn die Herstellung unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung eines Arztes zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten erfolgt. Für die Abgabe an andere und das Inverkehrbringen von autologen und
allogenen Blutstammzellzubereitungen ist eine Genehmigung der Bundesoberbehörde (Paul-Ehrlich-Institut) nach § 21a AMG erforderlich, solange es sich nicht wie bei Plazentarestblutpräparaten um zulassungspflichtige Fertigarzneimittel auf Vorrat, sondern um Blutstammzellen zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung handelt [121]. Die Genehmigung umfasst alle Verfahren für die Gewinnung, Verarbeitung und Prüfung, die Spenderauswahl und die Dokumentation für jeden Verfahrensschritt. Die Prüfmethoden sind im Europäischen Arzneibuch beschrieben [119]. Für den Betrieb der Zellseparatoren ist das Medizinproduktegesetz (MPG) [123], für die Spenderauswahl und die GMP-konformen Arbeitsabläufe sind nationale und
248
Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
SDF-1 mRNA Os
te
SDF-1
ob
G-CSF
Induktion
las
t
Blockade
Aktivierung
CXCR4 AMD 3100
CD26 Stro le
SDF-1
el maz
CXCR4
CD34+- Zelle
IL8 Gro-β
CD44 CD62L
PSGL
VLA-4 VCAM-1
Kit KL
HA
NE CG MMP9
Extrazelluläre Matrix
. Abb. 17.3 Wirkmechanismen der Stammzellmobilisation mit G-CSF und AMD 3100. G-CSF: Herabregulierung von SDF-1-mRNA und SDF-1-Expression, Induktion von CD26 und N-terminale Spaltung von SDF-1, Freisetzung von Proteasen über Granulozyten und Monozyten mit Spaltung der Adhäsionsmoleküle/Ligandenbindung; AMD 3100 (Plerixafor): kompetitive, reversible Blockade der CXCR4/SDF-1-Bindung. NE Neutrophilen-Elastase, CG Cathepsin G, MMP9 Matrix-Metalloproteinase-9, CXCR4 Chemokinrezeptor 4, HA Hyaluronsäure, KL Kit-Ligand, PSGL P-Selektin-Glykoprotein-Ligand-1, SDF-1 Stroma-DerivedFaktor-1, VCAM-1 Vaskuläres Zelladhäsionsmolekül-1, VLA-4 »Very Late Antigen-4«. (Mit freundlicher Unterstützung der Fa. Genzyme, Neu-Isenburg)
17
internationale Richtlinien zu beachten [120][125][126][127][128] [129]. Sie erfordern neben einem Qualitätssicherungssystem gemäß § 3–11 Abschnitt 2 der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) höchste Hygienestandards mit z. B. Reinraumbedingungen der Klasse A in B gemäß EG-GMP-Leitfaden bei Arbeiten im offenen System wie den Selektions- und Depletionsverfahren von Blutstammzellpräparaten [127][129]. Für Stammzellzubereitungen, die nach der EG-Verordnung Nr. 1394/2007 »Arzneimittel für neuartige Therapien« darstellen, wie z. B. funktionell veränderte oder gentechnisch bearbeitete Zellen, gelten die Sondervorschriften nach § 4b AMG. Das TFG beschreibt in § 4 die Anforderungen an Spendeeinrichtungen, regelt in § 5 die Auswahl, in § 6 die Aufklärung und Einwilligung der Spender sowie in § 9 die Vorbehandlung zur Blutstammzellseparation wie z. B. die G-CSF-Applikation [124]. Grundsätzlich ist eine schriftliche Aufklärung mit Hinweis auf mögliche, auch bisher nicht bekannte Risiken und eine Einverständniserklärung erforderlich. Unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung, Aufbereitung, Be- oder Verarbeitung, Aufbewahrung oder Abgabe, die sich auf die Qualität oder Sicherheit der Stammzellen auswirken können, sind gemäß § 63c AMG meldepflichtig. In den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten finden sich auch Vorgaben zur Durchführung autologer und allogener Blutstammzellapheresen [128]. Die gesetzlichen Bestimmungen des Daten- und Versicherungsschutzes für die Spender, aber auch zur Produkthaftung sind zu beachten.
Internationale Fremdspenderdateien Bei ständig zunehmenden Indikationen zur allogenen Transplantation [107] und infolge der guten klinischen Ergebnisse, der einfachen Entnahmemöglichkeit von peripheren Blutstammzellen
und der weiter rückläufigen Verfügbarkeit von Familienspendern werden mit Hilfe der international vernetzten Spenderdateien in Deutschland seit 2001 mehr Transplantationen mit unverwandten Spendern, sog. Fremdspendertransplantationen, als mit verwandten Familienspendern durchgeführt. Die Ausfuhr von peripheren Blutstammzellen erfolgt mit einer Herstellungserlaubnis unter Beachtung nationaler und internationaler Standards [120][122][125][127][128][129]. Die Einfuhr von Blutstammzellzubereitungen ist derzeit nach § 72 Abs. 1 und 2 sowie § 72a Abs. 1a Nr. 2 AMG zur unmittelbaren und gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehenen Anwendung unter erleichterten Bedingungen möglich [122]. 17.2
Mobilisation von peripheren Blutstammzellen
17.2.1
Autologe Blutstammzellen
Wachstumsfaktor (G-CSF) Die ersten hämatopoetischen Wachstumsfaktoren (Zytokine), die zur Mobilisation autologer peripherer Blutstammzellen klinisch eingesetzt wurden, waren G-CSF und GM-CSF [97], wobei G-CSF effektiver ist als GM-CSF [68]. G-CSF ist ein Glycoprotein mit einem Molekulargewicht von 19 kD, das von Monozyten, Makrophagen und Endothelzellen gebildet wird. Wesentliche Wirkmechanismen von G-CSF sind die Herabregulierung von SDF-1 (StromaDerived-Factor-1) und die Inhibition der SDF-1-Expression auf den Stromazellen, da SDF-1 an den CXCR4-Rezeptor auf Stammzellen bindet. Die Freisetzung von proteolytischen Spaltungsenzymen wie Elastase, Cathepsin G und Metalloproteinase-9 führt zudem zur Spaltung der Adhäsionsmoleküle zwischen Endothel/Stromazellen
249
17.2 • Mobilisation von peripheren Blutstammzellen
17
. Tab. 17.1 Mobilisation und Gewinnung von autologen und allogenen Blutstammzellen Standard
Autolog
Allogen
Wachstumsfaktor
G-CSF
G-CSF
Dosis
5 μg/kgKG/Tag nach Chemotherapie
2 × 5 μg/kgKG/Tag für 4–6 Tage
Nebenwirkung
»Grippesymptome«, Splenomegalie
»Grippesymptome«, Splenomegalie
Apheresebeginn
>20 CD34+/μl
G-CSF Tag 5
Separationsvolumen
~3-faches Körperblutvolumen
~3-faches Körperblutvolumen
Zieldosis (Transplantat)
3–5 × 106 CD34+/kgKG
>5 × 106 CD34+/kgKGa
Apheresezahl
2–3
1–2
a
pB
HLA-idente Transplantate, ohne Manipulation/T-Zelldepletion.
und Stammzellen (. Abb. 17.3) [9][78]. Es zeigte sich sehr rasch, dass G-CSF, als rekombinant hergestellter humaner Wachstumsfaktor, sowohl nach Chemotherapie als auch im hämatopoetischen »steady-state« einen bis zu 100-fachen Anstieg der hämatopoetischen Vorläuferzellen im peripheren Blut erzielt und diese Zellen für eine Transplantation geeignet sind [44], eine dauerhafte Transplantatfunktion gewährleisten [7][8][45] und im Vergleich zu Knochenmark zu einer rascheren Regeneration der Hämatopoese führen [35]. G-CSF hat sich inzwischen als Standard für die Mobilisation autologer und allogener Blutstammzellen bei Familien- und Fremdspendern etabliert [26][53][62][84][112] und ist für diese Indikation in zwei verschiedenen Präparateformen, glykosyliert (Lenograstim) und nichtglykosyliert (Filgrastim), zugelassen. Die pegylierte Form von G-CSF (Pegfilgrastim) hat eine deutlich längere Halbwertszeit, sodass eine einmalige Gabe von 6 mg nach Chemotherapie bzw. 12 mg ohne vorherige Chemotherapie ausreichend ist und zu einem vergleichbaren Stammzellanstieg im peripheren Blut führt. Die unerwünschten Wirkungen einschließlich einer Milzvergrößerung sind ähnlich denen bei nichtpegyliertem G-CSF. Pegfilgrastim konnte sich jedoch aufgrund der fehlenden Zulassung für die Stammzellmobilisation bisher nicht entscheidend durchsetzen [23][33][66].
Alternative Substanzen zur Stammzellmobilisation Die zusätzliche oder alternative Gabe von anderen Wachstumsfaktoren wie Stammzellfaktor (SCF), Erythropoetin (EPO), Thrombopoetin (TPO) oder Interleukinen und Chemokinen (wie SDF-1) wird in Studien getestet, ist aber teilweise mit zu großen Nebenwirkungen verbunden [28][43][69][98][100]. Aussichtsreichste Substanzen sind SCF (Ancestim), flt-3 Ligand (Mobist) und der anti-VLA4(CD49d)-Antikörper (Natalizumab), wobei all diese Substanzen derzeit in Deutschland zur Stammzellmobilisation nicht zugelassen sind [11][13][33][50]. Lediglich Plerixafor (AMD 3100), ein primär für die Therapie der HIV-Infektion entwickelter Rezeptorantagonist, wird inzwischen in größerem Umfang bei Patienten, die mit G-CSF unzureichend Blutstammzellen mobilisieren, in Kombination mit G-CSF sehr erfolgreich eingesetzt [23][31][72]. Die schnelle Wirksamkeit von Plerixafor, das in einer Dosis von 240 μg pro kg Körpergewicht (kgKG) subkutan 6–12 h vor Stammzellapherese zusätzlich zu G-CSF appliziert wird, beruht auf einer reversiblen Inhibition der SDF-1/CXCR4-Bindung (. Abb. 17.3). Als direkter
Antagonist des CXCR4-Rezeptors auf Stammzellen wirkt Plerixafor synergistisch zu G-CSF und steigert somit die Blutstammzellmobilisation. Als unerwünschte Wirkungen werden vorwiegend lokale Erytheme, milde gastrointestinale Beschwerden und Kopfschmerzen beschrieben [31].
G-CSF-Dosierung Die Standarddosis zur Mobilisation peripherer Blutstammzellen nach zytostatischer Therapie ist 5 μg G-CSF subkutan pro kgKG und Tag. Sie führt in der Regel am Tag 10–12 nach Ende der Chemotherapie zu einem Anstieg der hämatopoetischen Vorläuferzellen mit 20–50 CD34+-Zellen pro μl Blut (. Tab. 17.1) und ermöglicht die Gewinnung ausreichender Zellzahlen durch Stammzellapherese [110] [113]. Grundsätzlich ist eine frühzeitige Apherese nach Chemotherapie anzustreben, um das Risiko einer Tumorzellausschüttung und damit einer Kontamination des autologen Transplantates zu reduzieren. Ab einer Regeneration der Leukozyten mit >1000 pro μl Blut sollte deshalb ein »Monitoring« der CD34+-Zellzahl im peripheren Blut erfolgen. Eine höhere Dosierung von 10–15 μg G-CSF pro kgKG, verteilt auf 2 Gaben pro Tag, ist bei Patienten, die schlecht mobilisieren (<10 CD34+-Zellen pro μl peripheres Blut), gerechtfertigt und effektiv, zumal keine Zunahme schwerwiegender Nebenwirkungen beobachtet wurde [71][99][110]. Die deutlichen individuellen Unterschiede [89] in der Mobilisation von peripheren Blutstammzellen (. Tab. 17.2) sind von Alter und Geschlecht abhängig [22][26][114] und durch die Grunderkrankung (hämatologische Systemerkrankung mit Knochenmarkbefall vs. solider Tumor ohne Knochenmarkbefall) sowie insbesondere durch die Intensität der vorausgegangenen zytostatischen Therapie bedingt [8][44][58]. Bestimmte Chemotherapiekombinationen hemmen entsprechend einem Toxizität-Score die Mobilisation von Blutstammzellen [19][24] oder begünstigen die Regeneration von hämatopoetischen Vorläuferzellen durch den sog. »Reboundeffekt« [49].
CD34+-Messung Zur Beurteilung der Mobilisation von peripheren Blutstammzellen, zur Festlegung des optimalen Zeitpunkts für die Stammzellapherese und zur Qualitätskontrolle der Stammzellpräparate hat sich die durchflusszytometrische Messung der Anzahl CD34+-Zellen im peripheren Blut (7 Kap. 2) bewährt [42][59][104]. Das CD34+Zellmembranantigen ist ein anerkannter Marker für hämatopoetische Vorläuferzellen einschließlich der pluripotenten und deter-
250
Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
. Tab. 17.2 Blutzellwerte und Aphereseparameter von 551 Patienten nach Chemotherapie und G-CSF-Stimulation (autologe Blutstammzellapherese) Autolog Σ=551 n = 243 W Median (Spannweite)
n = 308 M Median (Spannweite)
46 (4–68)
47 (4–69)
Leukozyten – Vor Apherese – Nach Apherese
16 (1–72) 13 (1–61)
15 (1–67) 12 (1–63)
Thrombozyten [109/l] – Vor Apherese – Nach Apherese
111 (20–534) 77 (13–300)
91 (21–496) 66 (18–361)
CD34+-Zellen [pro μl]a – Vor Apherese
69 (2–718)
86 (2–960)b
Apheresezeit [min]
300 (90–315)
300 (120–310)
Separationsvolumen [l]
13 (8–21)
15 (9–24)
Präparatvolumen [ml] – Leukozyten [1010] – Erythrozyten [ml] – Thrombozyten [1011] – CD34+-Zellen [108]a
290 (90–389) 4,5 (0,5–13) 12 (6–38) 1,6 (0,2–8,5) 3,9 (0,3–64)
300 (120–480) 5,8 (0,6–18) 14 (8–41) 1,4 (0,2–11) 5,9 (0,1–76)b
Alter [Jahre] [109/l]
x=2,3 (1–5) Apheresen pro Patient mit COBE-Spectra-Zellseparator; Zellzählung mit Coulter Onyx. a CD34+-Bestimmung mit »Zwei-Plattform-Methode«. b p < 0,001: signifikanter Unterschied zwischen W und M (t-Test).
17
minierten Stammzellen und als »Surrogatmarker« mit Immunphänotypisierung zeitnah nachweisbar [5][34]. Die Bestimmung der CD34+/45+-Zellen sollte gemäß dem Europäischen Arzneibuch mit einer »Ein-Plattform-Methode« unter Verwendung kalibrierter sphärischer Fluoreszenzpartikel erfolgen (Punkt 2.7.23: Zählung der CD34+/45+-Zellen in hämatopoetischen Produkten [119]). Invitro-Funktionsassays zur Proliferation und Zelldifferenzierung wie »colony forming units« (CFU), »cobblestone area forming cells« (CAF-C) oder »long term culture initiating cells« (LTC-IC) können die Stammzellqualität im Einzelnen definieren [4][5]. Die Kulturergebnisse sind ein Indikator für die Funktionsfähigkeit der Vorläuferzellen zur hämatopoetischen Rekonstitution, liegen aber erst nach 10–14 Tagen vor. Die Bestimmung der koloniebildenden hämatopoetischen Vorläuferzellen ist als standardisiertes Vorgehen ebenfalls im Europäischen Arzneibuch unter Punkt 2.7.28 [119] der allgemeinen Methoden beschrieben und ist insbesondere zur Verfahrensvalidierung geeignet (7 Kap. 2). Bei der Hämatokritbestimmung der Stammzellpräparate ist zu bedenken, dass bei Geräten mit Impedanzmessung im Vergleich zur Streulichtmethode aufgrund der hohen Leukozytenzahl eher falsch hohe Hämatokritwerte berechnet werden, was bei ABO major-inkompatibler Transplantation von Bedeutung sein kann.
17.2.2
Stammzelldosis für die autologe Transplantation
Die CD34+-Zellzahl ist international als Qualitätskriterium für die Anforderung und Beschreibung von autologen und allogenen Blutstammzelltransplantaten akzeptiert, da sie in der Regel mit den Kulturassays und dem Verlauf der hämatopoetischen Rekonstitution nach Transplantation korreliert [4][7][108]. Darüber hinaus scheinen Subpopulationen wie CD34+/CD33−-Zellen mit der Regeneration von Granulozyten und CD34+/CD41+-Zellen mit der Regeneration von Thrombozyten einherzugehen [21][81][83]. Nach klinischen Ergebnissen und den Richtlinien des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer [8][44][113][128][126] sind für eine autologe Transplantation minimal 2 × 106 CD34+-Zellen pro kgKG anzustreben, wobei Transplantate mit höheren Zellzahlen von 3-5 × 106 CD34+-Zellen pro kgKG Vorteile bieten, indem sie zu einer beschleunigten Regeneration der Granulozyten (. Abb. 17.4) und Thrombozyten und zu einem reduzierten Transfusionsbedarf führen [36][59][95]. Noch höhere Zellzahlen bringen keinen wesentlichen Effekt, bergen aber möglicherweise ein größeres Risiko einer Tumorzellkontamination des autologen Transplantats [14][55]. Die klinische Relevanz einer potenziellen Tumorzellkontamination als Ursache für ein Rezidiv der malignen Grunderkrankung ist nicht endgültig geklärt. Einerseits könnte die Tumorzellkontamination Ausdruck eines chemo-/radioresistenten Tumors des Patienten sein, der unabhängig von Tumorzellen des Transplantats zu einem Rezidiv führt. Andererseits gibt es Hinweise, dass die Tumorzelldepletion autologer Transplantate mit einer Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens einhergeht [20][70][105]. Ganz entscheidend ist jedoch das Fehlen des Antitumoreffekts, den nur allogene Transplantate aufweisen [63].
17.2.3
Allogene Blutstammzellen
Wachstumsfaktor (G-CSF) und Dosierung Wachstumsfaktor der Wahl und Standarddosis zur Mobilisation allogener peripherer Blutstammzellen bei verwandten und unverwandten Spendern sind 10 μg G-CSF subkutan pro kgKG und Tag, verteilt auf 2 Dosen. In der Regel kommt es nach 3 Tagen zu einem Anstieg der Stammzellen im peripheren Blut mit einem Maximum zwischen Tag 4 und 6 der G-CSF-Behandlung. Ab Tag 7 sind die Stammzellen im peripheren Blut wieder rückläufig [41][52][65] [114]. Der höchste Wert findet sich etwa 3 h nach Applikation von G-CSF [29], sodass die Apheresen entsprechend zu planen sind. In Einzelfällen ist auch bei gesunden Spendern – vorwiegend bei Frauen – mit G-CSF keine ausreichende Mobilisation von peripheren Blutstammzellen zu erreichen. Der Anteil dieser sog. »PoorMobilizer« mit einem maximalen CD34+-Wert <10 pro μl Blut trotz adäquater G-CSF-Stimulation wird sehr unterschiedlich angegeben und beträgt etwa 5 % [53][102][114]. Ein Risikoprofil, um solche Spender auszuschließen, ist bisher nicht bekannt. Eine Steigerung der täglichen G-CSF-Dosis bringt einen zusätzlichen Effekt, ist aber bei gesunden Spendern im Gegensatz zu den neutropenischen Patienten mit einer deutlichen Zunahme der Grippe-ähnlichen Beschwerden verbunden [26][27][65][102][109]. Aufgrund der schlechteren Mobilisation mit steigendem Alter und des gleichzeitig zunehmenden Aphereserisikos wird für Stammzellspender ähnlich wie für Knochenmarkspender derzeit eine Altersgrenze von 60 Jahren empfohlen[1][2][114].
251
17.2 • Mobilisation von peripheren Blutstammzellen
17
Tage nach Transplantation bis Granulozyten > 500/μl
20 18 16
mit CD34+-Selektion n = 20
14
ohne Selektion
n = 20
12 10 8 6 4 2 0 0
2,5
5
10
25 30 15 20 Transplantierte CD34+-Zellen x 106/kg
35
40
45
. Abb. 17.4 Regeneration der Granulozyten nach autologer Transplantation mit/ohne CD34+-Selektion
17.2.4
Stammzelldosis für die allogene Transplantation
Nach klinischen Ergebnissen [3][92] und den Richtlinien [126][128] werden für eine allogene Transplantation >5 × 106 CD34+-Zellen pro kgKG des Empfängers angestrebt. Diese Zellzahl wird in der Regel mit 1–2 Stammzellapheresen (. Tab. 17.3), beginnend am Tag 5 der Mobilisation mit 2 × 5 μg G-CSF pro kgKG und Tag, erreicht [26] [53][84][114]. Bei HLA-haploidenter Transplantation und T-Zelldepletion des Transplantates zur Vermeidung einer Spender-gegenWirt-Reaktion ist eine höhere Zellzahl bis 1 × 107 CD34+-Zellen pro kgKG des Empfängers (»Megadosis«) anzustreben, da sie das Risiko einer Transplantatabstoßung reduziert [46][112]. Solch hohe Dosen sind in der Regel erreichbar, da haploidente Transplantationen vorwiegend von Eltern auf Kleinkinder durchgeführt werden.
17.2.5
Nebenwirkungen und Risiken der G-CSFMobilisation
Häufige Nebenwirkungen Etwa 80 % der Spender leiden bei G-CSF-Applikation an Grippeähnlicher Symptomatik mit diffusen Knochen- und Muskelschmerzen sowie Kopfschmerzen [53][84][114]. In der Hälfte der Fälle ist die Gabe von Analgetika (Paracetamol) erforderlich. Nach Beendigung der G-CSF-Gabe klingen die Beschwerden innerhalb von 1–2 Tagen wieder ab [1][26][53][84][109][114][115]. Auffällig ist, dass diese Nebenwirkungen bei Patienten mit Leukopenie, die GCSF nach Chemotherapie erhalten, deutlich geringer sind als bei gesunden Spendern.
Schwerwiegende Nebenwirkungen Schwere Nebenwirkungen wie thromboembolische oder zerebrovaskuläre Ereignisse und anaphylaktoide Reaktionen als Folge der G-CSF-Gabe sind sehr selten [2][56].
Allerdings kommt es sowohl bei Patienten als auch bei gesunden Spendern unter G-CSF-Gabe häufiger zu einer passageren sonografisch messbaren Splenomegalie, wobei in Einzelfällen unabhängig von der G-CSF-Form eine Milzruptur auftrat [67]. Zur Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen wird empfohlen, die G-CSF-Dosierung so zu steuern, dass die Leukozyten nicht über 70 × 109/l im peripheren Blut ansteigen [2][128]. G-CSF sollte jedoch vor der Stammzellentnahme nicht komplett abgesetzt werden, da sonst die Zahl der CD34+-Zellen im Blut rasch abfällt.
Leichte Nebenwirkungen Lokale Reaktionen im Bereich der Injektionsstelle sind selten. Ein geringer, passagerer Anstieg der Enzyme, insbesondere von LDH und AP, sowie der Harnsäure und ein leichter Abfall von Kalium und Magnesium sind klinisch nicht relevant [1][68]. Die Veränderungen der Laborwerte nach G-CSF-Mobilisation und Stammzellapherese bilden sich in der Regel nach 4 Wochen wieder zurück. Gelegentlich treten prolongierte Leuko-, insbesondere Lymphozytopenien wie bei postinfektiösen Verläufen und Thrombozytopenien auf. Die Thrombozytopenie ist durch den Verlust der Thrombozyten bei der Zytapherese, durch eine Splenomegalie und durch einen möglichen negativen Effekt von G-CSF auf die Thrombozytenbildung bedingt [53][84][101][114][115]. Nach 3–6 Monaten, spätestens nach 1 Jahr haben sich die Blutbildwerte einschließlich der Lymphozyten und deren Subpopulationen wieder komplett normalisiert [2][101].
Langzeitnebenwirkungen Langzeiteffekte der G-CSF-Applikation lassen sich derzeit aufgrund der bisherigen Beobachtungszeit nicht sicher ausschließen [47][53] [84][115]. Das Risiko einer Tumorzellstimulation mit z. B. Entwicklung einer myeloischen Leukämie durch die G-CSF-Behandlung erscheint bei der Standarddosierung gering, da physiologisch ähnlich hohe G-CSF-Spiegel vorkommen und sich bei Patienten mit Leukämie 7–10 Jahre nach G-CSF-Therapie keine erhöhte Rezidivrate fand [17][48][111]. Andererseits gibt es Hinweise für G-CSF-asso-
252
Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
. Tab. 17.3 Blutzellwerte und Aphereseparameter von 501 gesunden Spendern nach G-CSF-Stimulation (allogene Blutstammzellapherese)
17.3.2
Autolog Σ=501 n = 157 W Median (Spannweite)
n = 344 M Median (Spannweite)
37 (12–67)
38 (12–76)
Leukozyten – Vor Apherese – Nach Apherese
43 (18–78) 42 (19–83)
45 (22–85) 39 (18–78)
Thrombozyten [109/l] – Vor Apherese – Nach Apherese
245 (138–524)b 141 (63–343)b
249 (105–490)b 144 (56–360)b
CD34+-Zellen [pro μl]a – Vor Apherese
50 (2–268)
64 (8–657)c
Apheresezeit [min]
300 (100–360)
300 (120–360)
Separationsvolumen [l]
12 (5–19)
14 (6–21)
Präparatvolumen [ml] – Leukozyten [1010] – Erythrozyten [ml] – Thrombozyten [1011] – CD3+-Zellen [1010] – CD34+-Zellen [108]a
269 (89–447) 5,2 (0,9–15) 5,0 (3–28) 5,2 (0,8–13) 2,1 (0,4–3,2) 3,5 (0,4–11)
321 (112–501) 6,5 (1,8–21) 6,0 (5–36) 6,1 (1,4–17) 2,3 (0,7–4,4) 5,3 (0,6–18)c
Alter [Jahre] [109/l]
x=1,3 (1–3) Apheresen pro Spender mit COBE-Spectra-Zellseparator; Zellzählung mit ABBOTT Cell Dyn 3200. a CD34+-Bestimmung mit »Zwei-Plattform-Methode«. b Einschließlich Werte bei Mehrfachapherese. c p < 0,001: signifikanter Unterschied zwischen W und M (t-Test).
ziierte myelodysplastische Syndrome bei Patienten mit Prädisposition, sodass das Risiko nicht abschließend beurteilt werden kann [87]. Eine Wiederholung der G-CSF-Mobilisation und Stammzellspende sowie weitere Blutspenden sind unter Einhaltung entsprechender Zeitabstände gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften und dem derzeitigen Erkenntnisstand möglich [101][106] [118].
17
die Spezifikation der Blutstammzellpräparate sind vom Hersteller im Rahmen der Genehmigung nach § 21a AMG festgelegt.
17.3
Blutstammzellapherese
17.3.1
Voruntersuchung der Spender und Patienten
Bei der Eignungsuntersuchung zur G-CSF-Mobilisation sind durch eingehende Anamnese, ärztliche und laborchemische Untersuchung, EKG, Leber-/Milzsonographie und ggf. Röntgenthoraxaufnahme sowie β-HCG-Bestimmung bei fertilen Frauen zum Ausschluss einer Schwangerschaft die Kontraindikationen für eine Stammzellapherese gemäß den Richtlinien zu beachten [117][126] [128]. Zudem sind die peripheren Venenverhältnisse zu prüfen, da in einzelnen Fällen, vorwiegend bei Frauen, ein zentralvenöser Zugang für die Apherese erforderlich sein kann [1][53][84][114]. Die Untersuchungen sollen die Sicherheit des Spenders und des Empfängers sowie die Transplantatqualität gewährleisten und das Risiko einer Infektionsübertragung minimieren. Die Prüfparameter und
Durchführung der Stammzellapherese
Stammzellapheresen erfolgen unter ärztlicher Überwachung und mit entsprechend qualifiziertem Personal, das auch eine notfallmedizinische Versorgung gewährleistet. Das Aphereseprinzip beruht wie bei der Thrombo- und Granulozytapherese (7 Kap. 16) auf einer Durchflusszentrifugation mit Hilfe eines Zellseparators. Aufgrund unterschiedlicher Größe, Dichte und Sedimentationseigenschaften der Zellen werden in einem kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Verfahren mononukleäre, den Lymphozyten ähnliche Zellen im Sammelbeutel angereichert. Wegen der geringen Anzahl an Stammzellen im peripheren Blut ist die Separationszeit, während der die Spender bzw. Patienten an den Zellseparator angeschlossen sind, mit 4–5 h länger und das mittlere Durchflussvolumen mit 12–15 l höher als bei einer Thrombozytapherese (. Tab. 17.2 u. . Tab. 17.3). Die Blutflussgeschwindigkeit der Cubitalvenen liegt bei 40–60 ml/min. Als Antikoagulans wird Citrat (ACD-A) im Mischungsverhältnis 1:12 bis 1:18, also in der Regel mehr als 1 l ACD-A pro Apherese verwendet. Bei ausgedehnter, großvolumiger, insbesondere autologer Zytapherese, bei längerer Lager- oder Transportzeit der Präparate oder bei Kleinkindern ist die Gabe von Heparin in einer Dosis von 15 IE pro kgKG und h zu erwägen, um den ACD-A-Bedarf zu reduzieren und eine adäquate Antikoagulation zu gewährleisten [79][117]. Aufgrund des extrakorporalen Volumens im Apheresesystem soll bei Kindern mit einem Körpergewicht unter 10–15 kg das Separationsset mit einer bestrahlten und CMV-negativ getesteten Erythrozytensuspension vorgefüllt und der Extrakorporalkreislauf angewärmt werden [79]. Für die Stammzellapherese stehen Geräte verschiedener Firmen zur Verfügung, die weitgehend automatisierte Stammzellaphereseprogramme aufweisen [51][75][94].
17.3.3
Nebenwirkungen und Risiken der Stammzellapherese
Über mögliche Komplikationen der Stammzellapherese wie Hämatom, Nervenverletzung, Phlebitis, Hämolyse, Luftembolie, Citratreaktionen sowie über eine erhöhte Blutungsgefährdung durch Antikoagulation oder Thrombozytopenie ist schriftlich aufzuklären. Mit 5–20 % sind Citrat-bedingte Parästhesien und Muskelspasmen, die eine orale und vereinzelt intravenöse Calciumsubstitution erfordern, sowie Venen- und Technikprobleme bei jeweils ca. 10 % der Apheresen die häufigsten Komplikationen [38]. Falls eine Stammzellapherese abgebrochen werden muss, kann dies zu einer kritischen Situation für den Empfänger führen, da bei einer allogenen Transplantation die Patienten bereits vorbehandelt sind und die Transplantation für den Zeitpunkt der Apherese terminiert ist. Die Kryokonservierung von Stammzellen (7 Kap. 10), die als Standardverfahren bei der autologen Transplantation eine Lagerung der Zellen bis zum Abschluss der myeloablativen Therapie erlaubt, ist daher in besonderen Situationen auch bei der allogenen Transplantation gerechtfertigt. Die Konditionierung des Empfängers kann somit erst erfolgen, wenn die Stammzellspende erfolgreich abgeschlossen ist. Bei 10–20 % der Spender kommt es nach einer zweiten Stammzellapherese zu einem Thrombozytenabfall <80 × 109/l, sodass auto-
253
CD34+ Präparat : CD34+ Ausgangszahl im Blut x 100 (%)
17.3 • Blutstammzellapherese
17
500 n = 344 r = 0,33
450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 0,5
1
1,5 2 2,5 3 3,5 4 Separationsvolumen als x-faches Körperblutvolumen
4,5
5
. Abb. 17.5 CD34+-Ertrag in Prozent des Ausgangswertes in Korrelation zum separierten Körperblutvolumen
loge Thrombozyten aus dem Stammzellpräparat durch Zentrifugation wiedergewonnen und retransfundiert werden sollten, um für den Spender bei einem Unfall oder einer Verletzung ein erhöhtes Blutungsrisiko zu vermeiden [103][114]. Die Reduktion der Thrombozyten im Apheresepräparat ist auch für die weitere Präparation (7 Abschn. 17.4) von Vorteil, da Thrombozyten zu einem »Coating« des CD34+-Antigens führen und dadurch z. B. die CD34+-Selektionseffizienz beeinträchtigen [93]. Liegt bei Patienten vor autologer Stammzellapherese die Thrombozytenzahl deutlich <50 × 109/μl Blut, wird die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten zur Vermeidung eines erhöhten Blutungsrisikos im Rahmen der Apherese empfohlen [126]. Blutprodukte, die innerhalb 14 Tage vor oder während einer Stammzellapherese transfundiert werden, sind mit 30 Gy zu bestrahlen, um eine Spender-gegen-Wirt-Reaktion durch kontaminierende Fremdlymphozyten im Stammzellpräparat zu vermeiden [128].
Autologe Stammzellapherese Bei den Patienten (. Tab. 17.2) waren durchschnittlich 2,3 (1–5) Apheresen erforderlich, um zur Kryokonservierung ein bzw. zur »Tandemtransplantation« bei multiplem Myelom zwei Transplantate mit je 3–5 × 106 CD34+-Zellen pro kgKG und ein sog. »Backup-Präparat« mit >2 × 106 CD34+-Zellen pro kgKG zu erhalten. Dieses wird getrennt gelagert und stellt bei Bruch oder Kontamination des Transplantats die Sicherheitsreserve dar. Patienten mit hämatologischen Systemerkrankungen und intensiver Chemotherapie haben gelegentlich einen verzögerten und deutlich geringeren Anstieg der peripheren Blutstammzellen, sodass trotz adäquater Stimulation mit G-CSF und Plerixafor bis zu 5 Apheresen notwendig sein können, um eine ausreichende Zellzahl zu gewinnen. Darüber hinaus ist eine Fortsetzung der Apheresen häufig nicht zielführend, da die steigende Granulozytenzahl eine effektive Separation und sichere Kryokonservierung geeigneter Transplantate erschwert.
Allogene Stammzellapherese 17.3.4
Ergebnisse autologer und allogener Stammzellapheresen
Der Gehalt der Stammzellkonzentrate an CD34+-Zellen ist sehr variabel. Er lässt sich anhand des Ausgangswertes im peripheren Blut annähernd berechnen, aber aufgrund des unterschiedlichen Separationsverhaltens nicht sicher vorhersagen [34][54]. Eine Messung der CD34+-Werte ist deshalb bei jedem Präparat zur Qualitätskontrolle zwingend erforderlich, um festzustellen, ob die Zellzahl für den jeweiligen Empfänger ausreichend ist. In . Tab. 17.2 und . Tab. 17.3 sind eigene Untersuchungen zu Blutzellwerten und Aphereseergebnissen von 551 Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen und Chemotherapie, gefolgt von einer G-CSF-Stimulation mit im Mittel 5 μg pro kgKG und Tag sowie die Daten von 501 gesunden Spendern mit einer G-CSF-Mobilisation von durchschnittlich 2-mal 5 μg pro kgKG und Tag über 4–6 Tage aufgelistet. Die ersten Apheresen erfolgten bei den Spendern am Tag 4,5 mit abendlichem Beginn der G-CSF-Applikation, bei den Patienten in der Regel um die Tage 10– 12 nach Chemotherapie.
Bei den Spendern (. Tab. 17.3) wurden im Mittel 1,3 (1–3) Apheresen durchgeführt, um eine Stammzelldosis zu erhalten, die in der Regel auch eine Manipulation wie z. B. eine T-Zelldepletion zur Vermeidung einer Spender-gegen-Wirt-Reaktion ermöglicht (7 Abschn. 17.4). Die erste Apherese am Tag 4,5 der G-CSF-Mobilisation erbrachte bei 76 % der männlichen und bei 51 % der weiblichen Spender >5 × 106 CD34+-Zellen pro kgKG bezogen auf ein angenommenes Empfängergewicht von 70 kg. Die CD34+-Werte im peripheren Blut und damit auch im Präparat sind bei Frauen signifikant niedriger als bei Männern (. Tab. 17.3).
Aphereseeffizienz Sammeleffizienz (%) =
CD34+ Zellzahl im Apheresepräparat (109 ) × 100 CD34+ Zahl im pB vor nach Apherese (109 /1) × sep. Blutvol. (l) 2
254
Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
462
494
498 432
426
291 231 196
171
318
207
115
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
. Abb. 17.6 Patienten mit »Spenderlymphozytentransfusion« nach allogener Stammzelltransplantation pro Jahr in Deutschland (Quelle: Deutsches Register für Stammzelltransplantationen (DRST) www.drst.de)
Die Sammeleffizienz für CD34+-Zellen in Prozent berechnet sich nach obiger Formel. Sie beträgt für die mit dem Zellseparator COBE Spectra durchgeführten Apheresen im Mittel 51 %, d. h. jede zweite Stammzelle, die durch den Zellseparator fließt, wird gesammelt. Bei einer Steigerung des Durchflussvolumens auf mehr als das 2,5-fache des Körperblutvolumens kommt es offensichtlich während der Apherese zu einer zusätzlichen Mobilisation der Stammzellen, da sich am Ende im Präparat mehr CD34+-Zellen finden als zu Beginn der Apherese im gesamten Blutvolumen (. Abb. 17.5) [73][114]. Nach der Formel für die Sammeleffizienz der Stammzellen lässt sich auch der Verlust an Thrombozyten pro Apherese berechnen, der im Mittel bei 22 % liegt. Ein allogenes Stammzellpräparat weist im Median 5–6 × 1011 Thrombozyten auf (. Tab. 17.3), was bei zwei aufeinander folgenden Stammzellapheresen neben dem negativen G-CSF-Effekt auf die Thrombozytopoese zu einem kritischen Abfall der Thrombozytenwerte im peripheren Blut führen kann. Eine 3. Apherese ist nicht nur aufgrund des Thrombozytenabfalls problematisch, sondern nicht mehr so effektiv, da ab Tag 7 der G-CSFMobilisation die CD34+-Zellen im peripheren Blut bereits wieder rückläufig sind [41][52].
Markierung mit Antikörper gekoppelten Magnetpartikeln
CD34+
Magnet
^ <> v <> v
Feld
Durchfluss der NegativFraktion (CD34–)
Qualitätskontrolle und Lagerung
17
Elution der PositivFraktion (CD34+)
(Miltenyi Biotec, 2002) . Abb. 17.7 Immunmagnetische Selektion von CD34+-Zellen
Qualitätskontrollen für die Stammzelltransplantate sind neben Volumen, Zellzahl, Granulozyten-, Erythrozyten- und Thrombozytenanteil die CD34+-Zellzahl mit ggf. Subpopulationen, die Viabilität mit Vitalitätsfärbung und Kulturassays zum Nachweis der Proliferation und Differenzierungsfähigkeit sowie die Sterilitätsprüfung und die Untersuchung auf Infektmarker [121][126][128]. Eine Zwischenlagerung oder ein Transport der Präparate ist bis zu 72 h bei einer Temperatur von +4 °C ohne Agitation möglich [90]. Die Temperatur sollte überwacht und dokumentiert werden. Die Stammzellapheresepräparate weisen eine geringe Kontamination an Erythrozyten und Granulozyten auf, sodass sowohl die Übertragung ABO major-inkompatibler Präparate als auch die Kryokonservierung bei –140 °C nach Zusatz eines Gefrierschutzmittels (Dimethylsulfoxid, DMSO) ohne weitere Manipulation erfolgen kann (7 Kap. 10). Die kryokonservierten Präparate werden in der Regel direkt am Patientenbett aufgetaut und nach Prämedikation des Patienten mit Antihistaminika und Steroiden zur Reduktion der DMSO-Nebenwirkungen möglichst rasch über ein Standardfiltersystem (170 μm) transfundiert. Zur Vermeidung von Aggregaten kann beim Auftauen autologes Plasma und ggf. ACD
17
255
17.4 • Präparation von Blutstammzelltransplantaten
. Tab. 17.4 Aphereseparameter von 103 gesunden Lymphozyten-
. Tab. 17.5 CD34-Positivselektion von Blutstammzellen mit dem
spendern ohne Stimulation
CliniMACS-LS-System (Medianwerte) Mittelwert ± Standardabweichung
n = 82
Vor Selektion
Nach Selektion
»Recovery«
1,7±0,5 1,6±0,4
CD34+-Zellen [%]
0,8
98,7
71
CD3+-Zellen [%]
32
0,3
0,01
[109/l]
Lymphozyten – Vor Apherese – Nach Apherese
Präparat – Leukozyten [1010] – Lymphozyten [%] – Lymphozyten [1010] – CD3+-Zellen [1010]
6,9±2,0 72±12 4,9±1,2 35±10
Sammeleffizienz [%]
119±32
Apheresen mit COBE-Spectra-Zellseparator, Zellzählung mit ABBOTT Cell Dyn 3200.
signifikanten Abfall der Lymphozyten im peripheren Blut kommt (. Tab. 17.4). Lymphozyten können sehr gut portioniert und kryokonserviert und somit in steigender Dosierung bis zum gewünschten Therapieerfolg verabreicht werden, um das Risiko einer schweren Spender-gegen-Wirt-Reaktion zu reduzieren. 17.4
zugesetzt werden (7 Kap. 10). Das Auftauen und die Erwärmung der Präparate auf +37 °C erfolgen in handelsüblichen Plasmaauftaugeräten.
Dokumentation und Meldepflicht Für Blutstammzellpräparate sind gemäß § 12–17 AMWHV Herstellungs- und Prüfprotokolle mit Dokumentation der Apheresedaten einschließlich der verwendeten Chargen, ein Präparatebegleitschreiben und ein Register zur Freigabe nach den gesetzlichen Vorgaben zu erstellen [122][124][126][128][129]. Die Protokolle sind vom Leiter der Herstellung, vom Leiter der Qualitätskontrolle und von der sachkundigen Person nach § 14 AMG vor Abgabe der Präparate zu unterzeichnen. Es sind Rückstellproben anzufertigen und gemäß § 19 TFG [124] »Rückverfolgungsverfahren« für allogene Stammzellspender zu gewährleisten. Kryokonservierte autologe Stammzellpräparate, die im Rahmen der Behandlung nicht verwendet oder nicht mehr benötigt werden, bleiben Eigentum des Patienten und dürfen nur gemäß der mit dem Patienten getroffenen Vereinbarung und mit Einverständnis des betreuenden Arztes vernichtet oder für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Nach § 21 Abs. 1 TFG sind die Zahlen zum Umfang der Gewinnung, der Herstellung, des Imports und des Exports von Blutstammzellen jährlich der zuständigen Bundesoberbehörde (PaulEhrlich-Institut) zu melden.
17.3.5
Spenderlymphozyten zur adoptiven Immuntherapie
Nach der bahnbrechenden Publikation von H.-J. Kolb 1990 [64], dass die alleinige Transfusion von Lymphozyten des Stammzellspenders beim Transplantatempfänger zu einer kompletten Remission eines Leukämierezidivs führen kann, hat sich diese sog. »Spenderlymphozytentransfusion« inzwischen als feste Therapieoption etabliert [63]. Die Lymphozyten werden ohne Spenderstimulation mit Zytaphereseverfahren gewonnen und inzwischen bei über 20 % der allogen transplantierten Patienten zur zusätzlichen Immuntherapie maligner Erkrankungen oder zur Erlangung eines kompletten Chimärismus nach reduzierter Konditionierung eingesetzt (. Abb. 17.6, 7 Kap. 32). Wie bei der Stammzellapherese können dabei durch Rezirkulation aus dem lymphatischen Gewebe mehr Lymphozyten gewonnen werden, als zu Beginn der Apherese im gesamten Körperblutvolumen enthalten sind, ohne dass es zu einem
Präparation von Blutstammzelltransplantaten: Selektion und Depletion
Ein Hauptproblem bei der autologen Transplantation ist die mögliche Kontamination des Transplantats mit residuellen Tumorzellen und bei der allogenen Transplantation das Risiko einer Spendergegen-Wirt-Reaktion durch die T-Zellen des Transplantats, zumal der T-Zellgehalt bei peripheren Blutstammzellen 10- bis 20-fach höher ist als bei Knochenmark (7 Kap. 32). Ein Lösungsansatz ist die Depletion von Tumor- oder T-Zellen bzw. die spezifische Selektion von Stammzellen. Hierfür gibt es verschiedene physikalische (Gegenstrom- oder Dichtegradientenzentrifugation), chemische (Lektine, Toxine) und immunologische (monoklonale Antikörper) Methoden, die miteinander kombinierbar sind (z. B. Immunmagnetverfahren). z CD34-Positivselektion Eines der am häufigsten verwendeten Verfahren ist die Immunmagnetseparation, bei der Anti-CD34-Antikörper an magnetische Partikel gekoppelt die markierten Stammzellen selektiv in einem Magnetfeld anreichern (. Abb. 17.7). Geräte und Antikörper für diese CD34-Positivselektion werden für den klinischen Einsatz angeboten. Die Geräte arbeiten weitgehend automatisiert im geschlossenen System und können mit hohen Zellzahlen wie z. B. 2 gepoolten Apheresepräparaten beladen werden, um eine ausreichende Transplantatzellzahl zu erhalten. Der Vorteil der CD34-Positivselektion im Vergleich zu spezifischen Depletionsmethoden ist die Reduktion aller unerwünschten Zellpopulationen sowohl bei der autologen als auch bei der allogenen Transplantation [32][70][76][112]. Mit dem CliniMACS-LS-System lässt sich eine Reinheit bis zu 99 % CD34+-Zellen bei einem Restgehalt von etwa 0,3 % T-Zellen erreichen (. Tab. 17.5). Der T-Zellgehalt solcher Transplantate liegt damit selbst bei einer Dosis >1 × 107 CD34+-Zellen pro kgKG des Empfängers mit 3 × 104 T-Zellen pro kgKG unter der kritischen Grenze für eine Spender-gegen-Wirt-Reaktion auch bei HLA-haploidenter Transplantation [76]. Überträgt man die Effizienz der T-Zelldepletion mit einer Größenordnung >4 log auf die autologe Situation, so gewährleistet die CD34-Positivselektion auch eine effektive Tumorzelldepletion [70]. Der Verlust an Stammzellen durch dieses Selektionsverfahren beträgt ca. 30 %. Die Viabilität der Zellen mit 97 % und die hämatopoetische Regeneration werden nicht beeinflusst (. Abb. 17.4). Allerdings ist die Immunrekonstitution nach allogener Transplantation mit hochgereinigten CD34+-Zellen verzögert und das Abstoßungsrisiko erhöht (7 Kap. 32). Die CD34Positivselektion lässt sich mit anderen Depletionsverfahren kom-
256
Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
Peripheres Blut nach G-CSF 104
104
0,15 % CD34+
0,69 % CD34+
99,3 % CD34+ 103
102
CD34 PE
103 CD34 PE
CD34 PE
103
102
101 100
CD34+–Positivselektion
Apheresepräparat
104
102
101
0
50
100 150 SSC-Height
200
250
100
101
0
50
100 150 SSC-Height
200
250
100
0
50
100 150 SSC-Height
200
250
. Abb. 17.8 Durchflusszytometrische Bestimmung (FACS-Analyse) von allogenen CD34+-Zellen mit Phycoerythrin (PE), gemäß ISHAGE-Protokoll [104] über CD45+-Gate gemessen (peripheres Blut nach G-CSF-Stimulation, Aphresepräparat und nach CD34-Positivselektion mit CliniMACS)
. Abb. 17.9 CD34+-Zellen nach Positivselektion (Lichtmikroskop)
17
binieren, um residuelle T-, B- oder Tumorzellen zu entfernen [93] [112]. Spezifische Depletionsverfahren wie z. B. die CD3−/CD19−Depletion allogener Transplantate sind auch ohne vorherige CD34Positivselektion möglich und gewährleisten eine raschere Immunrekonstitution [10]. . Abb. 17.8 zeigt die durchflusszytometrische Analyse Phycoerythrin (PE) markierter CD34+-Zellen im peripheren Blut nach G-CSF-Stimulation (0,15 %), die Anreicherung im Apheresepräparat (0,69 %) und die Endkonzentration (99,3 %) nach Positivselektion mit dem CliniMACS-Gerät. Die lichtmikroskopische Aufnahme nach May-Grünwald/Giemsa-Färbung der CD34+-Zellen (. Abb. 17.9) erinnert an die Morphologie von Lymphozyten, die A. Maximow bereits 1909 als Blutstammzellen beschrieben hatte [74].
dass die Stammzellapheresen nach G-CSF-Stimulation sehr effektiv sind und einen hohen Sicherheitsstandard gewährleisten. Der Einsatz neuer Wachstumsfaktoren und Zytokine [9][78], die Invitro-Expansion und Manipulation von Progenitorzellen, die Gewinnung von mesenchymalen Stammzellen sowie die Selektion von Subpopulationen und die adoptive Immuntherapie könnten weitere Perspektiven zur Verbesserung der Transplantationsergebnisse darstellen [40]. Neben Fremdspendern und HLA-nichtidenten Familienspendern bieten Plazenta-Restblutpräparate [37], die inzwischen in großer Anzahl verfügbar sind, mit ihrem hohen Anteil an sehr frühen Vorläuferzellen eine aussichtsreiche Alternative. Durch Zytapherese lassen sich in großer Zahl mononukleäre Zellen gewinnen und daraus durch Kulturverfahren Antigen-präsentierende Zellen wie dendritische Zellen oder spezifische T-Zelllinien generieren, die durch einen antiviralen bzw. einen Antitumoreffekt zur Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit nach Transplantation beitragen können [77][82]. Nicht zuletzt stellt die Kombination von Gentransfer und In-vitro-Expansion früher Vorläuferzellen die Heilung von Erkrankungen wie z. B. angeborenen Immundefektsyndromen auch ohne Transplantation in Aussicht [116].
Literatur 1
2
3
4
17.5
Ausblick
Die Qualität und Quantität G-CSF-mobilisierter, mit Apherese gewonnener und hochgereinigter Blutstammzellen haben die autologe und allogene Transplantation hämatopoetischer Vorläuferzellen für ein breites Indikationsspektrum maligner und nichtmaligner Erkrankungen ermöglicht. Die langjährige Erfahrung hat gezeigt,
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Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
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Kapitel 17 • Gewinnung und Präparation von peripheren Blutstammzellen
126 Richtlinien zur Transplantation peripherer Blutstammzellen (1997) Erarbeitet vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer unter Mitwirkung des Paul-Ehrlich-Institutes. Dtsch Ärztebl 94:A1584–1591 127 Richtlinie 2003/94/EG der Kommission vom 8. Oktober 2003 zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate (GMP). Amtsblatt der Europäischen Union L 262/22 bis L 262/26 128 Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) (2010) Aufgestellt gemäß Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut. Zweite Richtlinienanpassung 2010 129 The European Agency for the Evaluation of Medicinal Products - Evaluation of Medicines for Human Use (2001) Manufacture and quality control of human somatic cell therapy medicinal products 130 Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimtteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV) vom 3.11.2006 BGBl. I (2006):2523 ff, geändert durch Art. 1 V v. 26.3.2008 BGBl. I (2008):521 ff
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Stammzellen aus Nabelschnurblut P. Schlenke, U. Cassens und W. Sibrowski
18.1
Einleitung – 262
18.2
Nabelschnurblut als Arzneimittel – 262
18.3
Gewinnung und Aufbereitung – 263
18.4
Qualitätssicherung – 263
18.5
Stammzelldosis und Stammzelleigenschaften – 264
18.6
Immunologische Verträglichkeit – 264
18.7
Indikationen und klinische Ergebnisse – 265
18.8
Ausblick – 266 Literatur – 267
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Kapitel 18 • Stammzellen aus Nabelschnurblut
Im Verlauf der fetalen Entwicklung geht die Hämatopoese von der Leber in das Knochenmark über. Deshalb enthält Nabelschnurblut zum Zeitpunkt der Geburt einen erhöhten Anteil von Stammzellen, sodass man dieses Blut in den vergangenen Jahren als Quelle für Stammzelltransplantationen gesammelt und aufbereitet hat. Neben experimentellen Daten zeigen zunehmend auch klinische Studien, dass Nabelschnurblut als allogenes Stammzelltransplantat einsetzbar ist. Abgesehen von einigen offenen ethischen und rechtlichen Fragen sind die geringe Absolutmenge an Stammzellen in Nabelschnurblut sowie die aufwendige Logistik zur Gewinnung, Aufbereitung und Lagerung dieser Zellen derzeit noch limitierend für eine breitere klinische Anwendung. Andererseits könnte Nabelschnurblut künftig an Bedeutung gewinnen, weil es einen hohen Anteil undifferenzierter Stammzellen enthält und offensichtlich zu schwächeren Graft-versus-Host-Reaktionen nach Transplantation führt.
Nachweis der klinischen Wirksamkeit einschließlich angeborener Gendefekte und der geringen Stammzellausbeute [32][44]. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Nabelschnurblutbanken eingerichtet, die vorwiegend NSB für allogene Transplantationen einlagern. Bislang sind weltweit über diesen Weg etwa 300.000 NSB eingelagert worden und stehen zur Transplantation zur Verfügung. Diese ergänzen die über 11 Millionen freiwilligen Stammzellspender, die in 75 Spenderdateien weltweit registriert (www.bmdw. org) sind. Ein Viertel stammt aus Deutschland (www.zkrd.de). Die Gründe für die eher zurückhaltende, jedoch gegenwärtig ansteigende Nutzung der Stammzellen aus NSB sind vielschichtig, weisen länderspezifische Besonderheiten auf und werden im Folgenden dargestellt. 18.2
18.1
18
Einleitung
Stammzelltransplantate wurden bis Mitte der 1980er Jahre ausschließlich aus Knochenmark gewonnen und transplantiert (KMT). Nach klinischer Einführung von Wachstumsfaktoren wie z. B. dem G-CSF (»granulocyte colony-stimulating factor«), die die effiziente Mobilisierung von hämatopoetischen Stammzellen aus dem Knochenmark in die Blutzirkulation ermöglichten, wurden zunehmend periphere Blutstammzelltransplantationen (PBSZT) durchgeführt. Gluckman et al. berichteten 1989 als Erste bereits von einem 5 Jahre alten Jungen mit Fanconi-Anämie, dem allogene Stammzellen aus Nabelschnurblut (NSB) mit Erfolg übertragen wurden [54]. Obwohl die Zahl der Stammzelltransplantationen seit den 90er Jahren drastisch zunimmt, bleibt die Anzahl von Nabelschnurbluttransplantationen (NSBT) bislang relativ gering. Im europäischen Bereich ist die Transplantationsfrequenz etwas höher als in Deutschland. Nach den erst kürzlich publizierten Daten [59] des Transplantationsregisters der »European Group for Blood and Marrow Transplantation« für das Jahr 2006 sind 25.050 autologe und allogene Ersttransplantationen bei Erwachsenen und Kindern mit Leukämien, lymphoproliferativen Erkrankungen, soliden Tumoren oder nichtmalignen Erkrankungen gemeldet worden. Diese wurden in 43 europäischen Ländern in 605 Transplantationszentren durchgeführt. Autolog wurde kein NSB im Jahr 2006 transplantiert. Der Anteil der Nabelschnurbluttransplantation im allogenen Bereich ist kontinuierlich zunehmend. Zirka 1 % (49/5377) der allogenen Transplantationen mit einem geeigneten Familienspender erfolgte durch NSB, währenddessen der Anteil von unverwandten allogenen Stammzelltransplantationen auf der Basis von NSB auf nahezu 11 % (458/4241) im Jahr 2006 anstieg [59]. Die NSBT kam einerseits bei nichtmalignen Erkrankungen, kongenitalen Knochenmarkdefekten, Hämoglobinopathien, angeborenen Immundefizienzsyndromen sowie angeborenen Stoffwechselstörungen und andererseits bei fortgeschrittenen Leukämien zum Einsatz. In Deutschland liegt die Rate der NSBT im Vergleich zum europäischen Ausland niedriger. Nur vereinzelt (<1 %) wird NSB bei der allogenen Stammzelltransplantationen für pädiatrische Patienten als Stammzellquelle genutzt, durchschnittlich sind das 2–3 Fälle pro Jahr [131]. Immer wieder wird in der Öffentlichkeit die autologe NSBSpende gegenüber Schwangeren als optimale Gesundheitsvorsorge für das eigene Neugeborene propagiert. Gegen diese Form der Spende sprechen die hohen Kosten, die sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass diese langfristig eingelagerten Stammzellen jemals wirklich benötigt werden, und schließlich die Limitationen im
Nabelschnurblut als Arzneimittel
Allogene und autologe Stammzellen sind Arzneimittel, deren Gewinnung, Aufbereitung und Anwendung dem Arzneimittelgesetz (AMG) und dem Transfusionsgesetz (TG) unterliegen [47][49]. Für den therapeutischen Umgang wurden 1998 von der Bundesärztekammer eigens die Richtlinien zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut veröffentlicht, in denen wesentliche Aspekte zur Indikation, Herstellung, Lagerung und Anwendung von Stammzellen aus NSB geregelt werden [140]. Die notwendige Aktualisierung dieser Richtlinien steht bis heute aus. Bezüglich der weiteren Voraussetzungen wird hier wiederum auf die Richtlinien für die allogene Knochenmark- und die Blutstammzelltransplantationen verwiesen [138][139]. Inhaltliche, strukturelle, räumliche und personelle Standards für den Umgang mit Blut- und somit Blutstammzellprodukten sind darüber hinaus auch im Leitfaden einer guten Herstellungspraxis für Arzneimittel (GMP) [56] und in der Arzneimittel-Wirkstoff-Herstellungsverordnung (AMWHV) festgeschrieben [130]; letztere hat die Betriebsverordnung für Pharmazeutische Unternehmer (PhamBetrV) Ende 2006 abgelöst hat. Bezüglich der Spenderauswahl wird schließlich auf die diesbezüglichen Richtlinien verwiesen [141]. Vor Beginn der Gewinnung und Weiterverarbeitung von NSB für therapeutische Anwendungen muss dies auf Landesebene der zuständigen Bezirksregierung angezeigt werden (§ 67 AMG). Für die Gewinnung und Weiterverarbeitung von NSB ist entweder eine Herstellungserlaubnis der zuständigen Bezirksregierung erforderlich (§ 13 AMG) oder – durch die Änderungen des kürzlich in Kraft getretenen Gewebegesetzes [48] – eine Erlaubnis nach § 20b bzw. § 20c [47][114]. Wird NSB für spätere ungerichtete allogene Anwendungen präpariert, handelt es sich um ein Fertigarzneimittel, für das eine Zulassung bei der Bundesoberbehörde (Paul-EhrlichInstitut) erwirkt werden muss [103], wohingegen für die gerichtete Transplantation (autolog bzw. allogen verwandt) eine mit dem oben genannten Gewebegesetz neu eingeführte bundesoberbehördliche Genehmigung gemäß § 21a AMG ausreichend ist [114]. Die Erfüllung dieser Gesetze, Richtlinien und Normen beim therapeutischen Umgang mit NSB gehört gleichermaßen zur Sorgfaltspflicht des entnehmenden Arztes, des Transfusionsmediziners wie auch des transplantierenden Arztes. Demzufolge sind alle Ärzte im Rahmen der Stammzellgewinnung, -herstellung und -transplantation aus NSB zur Qualitätssicherung und Einhaltung des anerkannten Stands von Wissenschaft und Technik verpflichtet (TFG § 15) [49]. Bei den zurzeit noch überwiegend experimentellen Therapieprotokollen sollten Nabelschnurbluttransplantationen bevorzugt unter Studienbedingungen erfolgen [140]. Es sei darauf hingewie-
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18.4 • Qualitätssicherung
sen, dass auch bei (gerichteten) NSBT im Rahmen eines »letzten Therapieversuchs« die einschlägigen Richtlinien der Bundesärztekammer und die GMP-Leitlinien sowie die Standards zur Qualitätssicherung (TFG § 15) zu beachten sind [49][56][140]. 18.3
Gewinnung und Aufbereitung
Nabelschnusblut wird bei gesunden Neugeborenen entnommen. Die Spendefähigkeit ist kritisch zu prüfen und zu dokumentieren. Für die Gebärende und für das Neugeborene darf durch die NSBEntnahme kein zusätzliches Risiko entstehen. Auszuschließen sind NSB-Entnahmen, wenn bei der Schwangeren oder in der Kernfamilie genetische oder erworbene Erkrankungen bekannt sind, die das lymphohämatopoetische System beeinflussen können. Schwere hämatologische, immunologische oder infektiologische Erkrankungen und relevante Fehlbildungen des Neugeborenen sind ebenso als Ausschlusskriterien anzusehen wie auch schwere Komplikationen im Rahmen der Spätschwangerschaft oder Geburt. Eine pränatale Dystrophie mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 g führt gleichfalls zum Ausschluss. Auf die jeweils aktuellen Richtlinien wird verwiesen [140]. Die Entnahme und Verwendung von NSB setzt die Einwilligung der Schwangeren voraus. Diese ist nur dann gültig, wenn über den Zweck der Gewinnung und die möglichen Komplikationen vorab ausreichend aufgeklärt worden ist. Die Kriterien zur Spendefähigkeit für Blutspender sollten dabei beachtet werden; gleichwohl kann nach individueller Risikoabwägung aufgrund ärztlicher Entscheidung in begründeten Fällen von einzelnen Voraussetzungen abgewichen werden [140][141]. Für die Gewinnung und Aufbereitung von NSB werden in der Literatur unterschiedliche Vorgehensweisen und Erfahrungen angegeben [14][119]. Die Volumen- und Zellausbeuten variieren beträchtlich in Abhängigkeit von Technik und Zeitpunkt der Entnahme wie auch von der Erfahrung der das NSB entnehmenden Person. Es werden Sammelvolumina bis zu ca. 200 ml angegeben, wobei zumeist zwischen 60 und 120 ml NSB gewonnen werden können [36] [40][41][64][80][94][98][116][121][125]. Dabei wird noch kontrovers diskutiert, ob die Gewinnung von NSB nach Kaiserschnittgeburten höhere Stammzellausbeuten erbringt als nach vaginaler Entbindung [119][145]. Angegeben werden mittlere Konzentrationen an kernhaltigen Zellen (»nucleated cells«, NC) zwischen 5 und 20 × 108 NC/Einheit und CD34+-Zellen zwischen 2 und 4 × 106/Einheit [36][40][41][80][94][98][116][119][121]. Die Angaben zu den bakteriellen Kontaminationsraten schwanken erheblich und liegen zwischen 0 und 48 %, wobei sich die Raten in der Mehrzahl der Studien zwischen 5 und 20 % bewegen [4][8] [15][39][46][123]. Entscheidend für die sichere und sterile Präparation ist die technisch einwandfreie Entnahme des Blutes aus der Plazenta. Für die Gewinnung von NSB werden spezielle Blutbeutelsysteme (Mehrfachbeutel) verwendet. Die Punktion der Nabelschnurgefäße sollte unter sterilen Bedingungen und grundsätzlich erst nach der Abnabelung und der Geburt der Plazenta erfolgen, auch wenn Studien einen höheren Anteil an Stammzellen in NSB bei früher Abnabelung zeigen [84][87][142]. Demgegenüber nimmt der Anteil der CD34+-Zellen im Verlauf der Sammlung von NSB offensichtlich zu [12]. In der Regel erfolgt vor Kryokonservierung eine Anreicherung von Stammzellen bzw. eine Reduktion von Volumen und übrigen Zellen aus NSB. Stammzellen aus NSB können über Dichtegradientenzentrifugation (Ficoll), Sedimentationsverfahren (HES oder Gelatine), hypotone Lyseverfahren (Ammoniumchlorid) oder mittels
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immunologischer Separation (Selektion von CD34+-Zellen mittels magnetischer Beads) angereichert werden [14][25][34][75][77]. Jede Anreicherung und Manipulation ist mit – wenn auch geringen – Verlusten an funktionsfähigen Stammzellen verbunden. Anders als bei Stammzellen aus Knochenmark oder Blut konnte für Nabelschnurblut gezeigt werden, dass die Lagerung bis zur Aufbereitung bei Raumtemperatur besser ist und zu höheren Stammzellausbeuten führt als die Lagerung bei 4 °C [22][85][116]. Durch die Zwischenlagerung und Aufbereitung kann die therapeutisch verfügbare Stammzelldosis so weit absinken, dass die Stammzelldosis für eine Transplantation nicht mehr ausreicht. Die Vorteile der Reduktion von Volumen, Erythrozyten und Kryoprotektivum sowie der kostengünstigeren Lagerung sind demzufolge gegenüber dem Nachteil dieses Stammzellverlustes abzuwägen. Zumeist werden Sedimentationstechniken mit verschiedenen HESund Gelatine-Präparationen oder Dichtegradientenverfahren zur Anreicherung und Einengung von NSB eingesetzt. Die in der Literatur berichteten Ausbeuten für kernhaltige Zellen, CD34+-Zellen und koloniebildenden Zellen liegen dabei in der Regel oberhalb von 80 % [1][14][75][78][80][94][146]. Ein systematischer Vergleich verschiedener Anreicherungsverfahren zeigte für das Gelatinesedimentationsverfahren die höchsten Ausbeuten (86–92 %), gefolgt vom Erythrozytenlyseverfahren und der Dichtegradiententrennung [34]. Neueste Untersuchungen zeigen eine Wiederfindungsrate von 84 % für durchflusszytometrisch gemessene kernhaltige Zellen (CD45) bei Verwendung einer Kombination aus Hydroxyethylstärke (HES) und Ammoniumchlorid (NH4Cl) zur Erythrozytenlyse [117]. Inzwischen sind auch teilautomatisierte Verfahren zur Aufreinigung und Volumenreduktion von NSB verfügbar [5][31][147]. Für die langfristige Lagerung der Stammzellen ist die Kryokonservierung in oder über flüssigem Stickstoff erforderlich. Dafür wird das native Nabelschnurblut oder die angereicherte Stammzellpräparation unter aseptischen Bedingungen in einen speziellen Einfrierbeutel überführt. Eine prozessbedingte bakterielle Kontamination kann durch die Aufbereitung unter GMP-konformen Reinraumbedingungen nahezu ausgeschlossen werden [27]. Nach Zugabe eines Kryoprotektivums (in der Regel Dimethylsulfoxid [DMSO] in einer Endkonzentration von 10 %) kann das Produkt nach einem standardisierten Protokoll (in der Regel –1 °C/min) tiefgefroren werden [72][120]. Es sind auch Lösungen mit geringeren DMSO-Konzentrationen für Nabelschnurblut eingesetzt worden [35][104]. Die Lagerung der Stammzellen kann über Jahre über oder im flüssigen Stickstoff bei –156 °C bzw. –196 °C erfolgen, wobei derzeit noch keine robusten klinischen Erfahrungen über eine Veränderung der hämatopoetischen Rekonstitutionskapazität (Engraftmentpotenzial) dieser Zellen durch Kryokonservierung und Langzeitlagerung vorliegen. 18.4
Qualitätssicherung
Für die erfolgreiche Transplantation wird ein hohes hämatopoetisches Potenzial der Stammzellen zur Zellteilung und Selbsterneuerung benötigt. Zur Abschätzung dieses Potenzials ist eine umfangreiche Qualitätssicherung erforderlich. Die Qualitätsstandards sind in den oben genannten Richtlinien und den arzneimittelrechtlichen Regularien festgelegt. Die Qualitätskontrolle des Stammzellproduktes umfasst zunächst die Bestimmung des Volumens und der Zellzahlen (kernhaltige Zellen und Differenzialblutbild). Anzustreben ist ein Produktvolumen von mindestens 60 ml NSB mit mehr als 5 × 108 NC/Einheit. Daneben muss eine Bestimmung der
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Kapitel 18 • Stammzellen aus Nabelschnurblut
CD34+-Zellen sowie der Vitalität bzw. Klonogenität der Zellen erfolgen. Sämtliche Methoden müssen intern validiert und im Rahmen von externen Ringversuchen überprüft werden [140]. Zum Ausschluss einer bakteriellen Kontamination ist aus repräsentativen Aliquots vor Kryokonservierung eine mikrobiologische Kontrolle auf aerobe/anaerobe Bakterien und Pilze durchzuführen. Im Falle einer Kontamination sind aus geeigneten Rückstellproben erneute Keimbestimmungen zu veranlassen. Die virologischen Voruntersuchungen entsprechen insgesamt denen für Blutspender, wobei jedoch zusätzlich zumindest HTLV I/II sowie CMV-IgG und CMV-IgM serologisch untersucht werden sollen. Schließlich sollten die Blutgruppenbestimmung (ABO und Rhesusformel) und die komplette Gewebetypisierung (HLA-Klasse I und II) vorliegen [140][141]. 18.5
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Stammzelldosis und Stammzelleigenschaften
Ein wesentliches Problem bei der Anwendung von Stammzellen aus NSB liegt in der oft nur geringen Gesamtzahl an proliferationsfähigen Stammzellen. Wird für eine konventionelle Knochenmarkund Blutstammzelltransplantation eine Dosis von mindestens 2–3 × 108 NC/kg Patientenkörpergewicht übertragen, erreicht man dagegen mit Nabelschnurblut häufig nur eine Stammzelldosis, die um den Faktor 10 niedriger liegt [131][140]. Die Dauer der Aplasie und die transplantationsassoziierte Mortalität korrelieren umgekehrt proportional mit der transplantierten Zellzahl [53][111]. Bislang wurde empfohlen, eine Mindestdosis von 3 × 107 NC/kgKG bei Nabelschnurbluttransplantationen nicht zu unterschreiten [55], obwohl auch erfolgreiche Transplantationen mit niedrigeren Zellzahlen erfolgt sind [23][57]. Neuerdings wird zunehmend ein unterer Grenzwert von ca. 2 × 107 NC/kgKG propagiert [7][9]. Demzufolge können mit der durchschnittlich erreichbaren Anzahl von etwa 10 × 108 NC in einem Stammzelltransplantat aus Nabelschnurblut vorwiegend pädiatrische Patienten mit geringeren Körpergewichten transplantiert werden [55][76][111][132]. Zahlreiche Studien zeigten, dass Stammzellen aus Nabelschnurblut ein sehr hohes Proliferationspotenzial aufweisen und umfassende linienspezifische Differenzierungen durchlaufen [17][24] [99][102][143]. Gegenüber Knochenmark enthält Nabelschnurblut einen höheren Anteil an primitiven Stammzellen, die sich u. a. durchflusszytometrisch als CD34+/CD38--Zellen bzw. Lin-CD34+/ CD38-/CD90+ oder aufgrund der Telomerenlänge ihrer DNA charakterisieren lassen [18][62][129][143]. Präklinische Tiermodelle haben ausreichend belegt, dass solche undifferenzierte Stammzellen aus NSB ein vollständiges und langzeitiges Engraftment nach Transplantation induzieren [82][86][134]. Stammzellen aus Nabelschnurblut induzieren bei xenogener Transplantation mit gleichen Zellzahlen ein vielfach besseres Engraftment verglichen mit Stammzellen aus Knochenmark [66][102][127]. Beim Menschen führen die unterschiedliche Zusammensetzung und die begrenzte Absolutmenge an Stammzellen im Nabelschnurblut im Vergleich zu Knochenmark oder Blutstammzellen jedoch zu einer deutlich längeren Aplasiedauer nach NSBT [13]. Ein Anstieg der neutrophilen Granulozyten auf >500/μl wird im Mittel frühestens 3–4 Wochen nach Transplantation erreicht, sodass die Aplasie bei Verwendung von Nabelschnurblut ca. 2 Wochen länger dauert [55][76][109][111][132]. Ein Anstieg der Thrombozytenzahl wird im Mittel oft erst 12–20 Wochen nach NSBT erreicht [93][113] [124].
Mit etwa 20 % der Fälle zeigt sich für die NSBT im Vergleich zur Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation auch ein hohes primäres Transplantatversagen [109][111]; hierfür sind die Ursachen nicht vollständig verstanden. Es mehren sich die Hinweise auf eine Störung von Homing-Mechanismen. Erst kürzlich wurde beschrieben, dass die intraossäre Applikation von Nabelschnurblut der intravenösen Transfusion diesbezüglich überlegen ist [43]. Die in den 90er Jahren beschriebene Transplantationsmortalität von bis zu 39 % bei Kindern und bis 59 % bei Erwachsenen nach NSBT ist gleichfalls als problematisch anzusehen [83][109], wenngleich neuere Daten eine wesentlich geringere Mortalität ausweisen. 18.6
Immunologische Verträglichkeit
Patienten nach Transplantation mit Nabelschnurblut zeigen zumeist nach einigen Wochen oder Monaten ein ausreichendes klinisches Engraftment mit entsprechenden Granulozyten- und Thrombozytenwerten, wohingegen der Aufbau des neuen Immunsystems sehr viel länger dauert. Die B-Lymphozyten entwickeln sich nach durchschnittlich 6 Monaten und die T-Lymphozyten erst nach nahezu einem Jahr [124]. Transplantate aus Nabelschnurblut weisen im Vergleich zu solchen aus Knochenmark bzw. peripherem Blut einen höheren Anteil phänotypisch und funktionell unreifer (naiver) TLymphozyten und eine geringere Konzentration an differenzierten T-Zellen auf [19][28][29][61][63][64][96]. Natürliche Killerzellen und deren Subpopulationen liegen in Nabelschnurblut und Blut von Erwachsenen zwar in ähnlichen Zellkonzentrationen vor, jedoch induzieren die NK-Zellen aus Nabelschnurblut offenbar eine geringere lytische Aktivität oder IFNγ-Sekretion [74][96]. In-vitro-Untersuchungen des Nabelschnurbluts in der Zellkultur zeigen für Lymphozyten geringere Proliferationsraten nach Stimulation als für entsprechende Zellen aus dem Blut gesunder Erwachsener [89][106]. Demzufolge werden auch geringere Zytokinkonzentrationen (IL-2, IL-4, IFN-γ und TNF-α) im NSB gegenüber dem Blut von Erwachsenen nachgewiesen [28]. Diese experimentellen Daten korrelieren mit klinischen Studien, die nach Nabelschnurbluttransplantation von HLA-identen Geschwisterspendern eine niedrigere GvHD-Rate zeigten [55] [108]. Auch nach Fremdspendertransplantationen mit NSB lag das Risiko einer akuten und chronischen GvHD trotz mehrerer HLADifferenzen erheblich niedriger [19][55][52][109][111]. Inwieweit diese Befunde eine Neubeurteilung der HLA-Verträglichkeitskriterien zwischen Spender und Empfänger erforderlich machen, ist derzeit nicht abschließend zu beurteilen, weil reproduzierbare Langzeitergebnisse noch ausstehen [101]. Die vorläufigen klinischen Ergebnisse unter Verwendung von NSB mit 1 oder 2 Mismatchen sind jedoch ermutigend. Die Befürchtung, dass die schwache Graft-versus-Host-Reaktion nach NSBT mit einer geringeren Graft-versus-Leukämie-Reaktion (GvL) einhergeht, scheint nach den bisherigen experimentellen Daten nicht berechtigt zu sein. Bei gleichen Anteilen von NK-Zellen im Nabelschnurblut wie im Blut von Erwachsenen ist deren Aktivität im Nabelschnurblut einerseits deutlich geringer [74]. Auf der anderen Seite zeigen Lymphokin-aktivierte Killerzellen aus Nabelschnurblut ein viel stärkeres zytotoxisches Potenzial gegen leukämische Tumorzellen, sodass es möglicherweise sogar einen höheren GvL-Effekt induziert [45][74][96].
18.7 • Indikationen und klinische Ergebnisse
18.7
Indikationen und klinische Ergebnisse
Ausgehend von der ersten erfolgreichen NSBT im Jahre 1988 waren die folgenden klinischen Anwendungen zunächst auf Einzelfälle beschränkt [54]. Wagner et al. veröffentlichten 1995 die erste größere klinische Studie mit 44 Geschwistertransplantationen mit Nabelschnurblut. Die Empfänger waren bis zu 16 Jahre alt (7,5–50 kgKG). Insgesamt wurden bis zu 3 HLA-Differenzen akzeptiert. Nach 1,6 Jahren zeigte sich eine mittlere Überlebensrate von 62 % und ein Transplantatversagen in 15 % der Fälle [132]. Im darauffolgenden Jahr präsentierten Kurtzberg et al. eine Studie mit 25 NSBT von Fremdspendern. Die Patienten waren bis zu 23 Jahre alt (7,5–79 kgKG). Auch in dieser Studie wurden bis zu 3 HLA-Differenzen akzeptiert. Hier ergab sich nach einem Jahr eine Überlebensrate von 48 % und ein primäres Transplantatversagen in 8 % der Fälle [76]. Die beiden Patienten, bei denen das Transplantat nicht anging, wogen 38,5 und 40,4 kg. Daraus wurde eine Dosis-Wirkung-Beziehung abgeleitet, sodass die NSBT von Fremdspendern mit HLA-Differenzen insbesondere bei pädiatrischen Patienten eine aussichtsreiche Therapieoption darstellt [51][76]. Gluckman et al. veröffentlichten im Jahr 1997 die Verläufe von 143 NSBT aus 45 Transplantationszentren. Die 1-Jahres-Überlebensrate lag bei 63 % für Verwandtentransplantationen und bei nur 29 % für Fremdspendertransplantationen [55]. Rubinstein et al. untersuchten die Verläufe von 562 Patienten nach Fremdspendertransplantation mit Nabelschnurblut. Die im Jahr 1998 publizierte1Jahres-Überlebensrate lag bei 61 %, das Engraftment für Granulozyten bei 81 % und das für Thrombozyten bei 85 % [111]. Zwischenzeitlich legten die klinischen Studien den Schluss nahe, dass akute und chronische GvHD-Ereignisse nach NSBT seltener auftreten als nach allogener Knochenmarktransplantation [3][6] [67][73][76][111][132]. Somit wurde postuliert, dass aufgrund der geringen Rate von GvHD möglicherweise größere Diskrepanzen im HLA-System zwischen Spender und Empfänger toleriert werden könnten [76][111][132]. Dies wird auch durch eine Studie untermauert, in deren Verlauf immerhin 26 % der erwachsenen Hochrisikopatienten ein krankheitsfreies Überleben 40 Monate nach NSBT von Fremdspendern mit ≥2 HLA-Differenzen erreichten [83]. Bei 70 pädiatrischen Patienten mit akuten Leukämien wurde ein 2-jähriges krankheitsfreies Überleben nach NSBT in 39 % der Fälle von verwandten und in 30 % von unverwandten Spendern gezeigt. Der wichtigste Einflussfaktor für das krankheitsfreie Intervall war das Krankheitsstadium, sodass 49 % der »Good-risk Patienten«, aber nur 8 % der Patienten mit fortgeschrittener Leukämie nach 2 Jahren krankheitsfrei waren [88]. Rocha et al. verglichen die Nabelschnurblut- (113 Fälle) und Knochenmarktransplantation (2052 Fälle) von Geschwistern bei pädiatrischen Patienten. Auch hier zeigte sich, dass Transplantationen mit Nabelschnurblut zu einer geringeren Rate an akuter und chronischer GvHD führten. Die hämatopoetische Rekonstitution erfolgte nach NSBT zwar langsamer als nach KMT, aber bezüglich der Überlebenszeit der Patienten ergab sich zwischen beiden Gruppen kein Unterschied [108]. Ein weiterer Vergleich zwischen Patienten nach KMT und NSBT von Fremdspendern ergab gleiche Überlebensraten trotz größerer HLA-Differenzen in der Gruppe von Patienten, die mit Nabelschnurblut transplantiert wurden [10]. Sanz et al. veröffentlichten 2001 eine Studie zur NSBT mit Fremdspendern für erwachsene Patienten mit hämatologischen Erkrankungen, die nach einem standardisierten Protokoll zur Chemotherapie und GvHD-Prophylaxe behandelt wurden. Bei allen 20 Patienten kam
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es zum Angehen des Transplantates, und es zeigte sich ein 1-jähriges krankheitsfreies Überleben von 60 % [112]. Zwischenzeitlich wurde im Jahr 2001 auch über zwei erfolgreiche unverwandte NSBT nach nichtmyeloablativer Konditionierung berichtet. Diese erwachsenen Patienten ohne passende Familienoder Fremdspender erhielten NSB mit 2 HLA-Differenzen und zeigten 6 bzw. 12 Monate nach Transplantationen komplette Remissionen [107]. Delaney et al. berichten nun, dass in einer größeren Serie von 53 erwachsenen Patienten mit reduzierter Konditionierungstherapie und Transplantation von zwei jeweils nicht HLAübereinstimmenden Nabelschnurbluttransplantaten das primäre Anwachsen (Engraftment der Granulozyten und Thrombozyten) besser sei bei denjenigen Empfängern, die eine bessere HLA-Klasse-I-Übereinstimmung aufweisen, währenddessen die hochauflösende HLA-DR- und HLA-DQ-Typisierung bzw. das Matching keinen signifikanten Vorteil bezüglich des Engraftments, der akuten GvHD und des Gesamtüberlebens erbrachte [33]. Weitere Analysen untersuchen die klinische Wirksamkeit einer nichtmyeloablativen Konditionierung und NSBT bei erwachsenen Patienten mit diversen hämatologischen Erkrankungen (n = 110) bzw. bei Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen, M. Hodgkin oder CLL [21][110][118]. Eapen et al. publizierten erst kürzlich die klinischen Ergebnisse von 503 Kindern (<16 Jahre) mit akuter Leukämie. Transplantationen mittels Nabelschnurblut bei nicht vollständiger HLA-Kompatibilität (5/6-Mismatch (n = 201) und 4/6 Mismatch (n = 267) zeigten in Bezug auf das 5-Jahres-leukämiefreie Überleben (primärer Endpunkt) keinen signifikanten Unterschied (45 % und 33 % versus 37 % im Vergleich zu HLA-identischen Knochenmarktransplantationen (n = 116). Auch wiesen die NSBT mit voller HLA-Übereinstimmmung (n = 35) mit 60 % die besten 5-Jahres-Ergebnisse auf [38]. Darüber hinaus liegen die zusammengefassten Ergebnisse einer multizentrischen US-Phase-II-Studie, der Cord Blood Transplantation Study, vor, in die 191 Kinder eingegangen sind, die vorwiegend an einer akuten Leukämie erkrankt waren. Annähernd 80 % der Patienten zeigten ein Granulozyten-Engraftment an Tag 42, die Inzidenz für akute GvHD Grad III/IV lag an Tag 100 bei ~20 % und die Wahrscheinlichkeit, 2 Jahre zu überleben, bei ~50 % [105]. In einer kleinen unizentrischen Studie am Karolinska Hospital wurden NSBT mit unverwandten Stammzelltransplantationen verglichen, deren Spender ein HLA-A-, HLA-B- und HLA-DRB1Mismatch aufwiesen. Für die letztgenannte Gruppe lag die behandlungsbedingte Mortalität bei 50 % (versus 30 % für NSBT) und das 3-Jahres-Überleben bei nur 14 % (versus 66 % für NSBT) [105]. Erste Fallbeschreibungen belegen erfolgreiche NSBT auch unter transfusionsmedizinisch bekannten Risikokonstellationen. In Deutschland wurde kürzlich eine erfolgreiche Transplantation mit Nabelschnurblut eines Geschwisters bei einem Kind durchgeführt, das bei Gewinnung des Transplantates eine neonatale Alloimmunthrombopenie (NAIT) aufwies. Der die NAIT verursachende maternale HPA-5b-Antikörper zeigte experimentell und klinisch keine Inhibition der Hämatopoese [26]. Es ist jedoch bekannt, dass fetale Stammzellen einige Blutgruppensysteme (z. B. Kell-Antigene) und thrombozytäre Glykoproteinkomplexe (z. B. GPIIb/IIIa) bereits früh exprimieren [95][97][118]. Dementsprechend wurde eine Inhibition der Hämatopoese und Klonogenität durch erythrozytäre und thrombozytenspezifische Antikörper in vitro nachgewiesen [122][128][133]. Da die Chancen und Risiken der NSBT noch in größeren prospektiven Studien detaillierter untersucht werden müssen, gibt es derzeit in Deutschland keine anerkannte Indikationsliste zur Transplantation mit Stammzellen aus NSB. Mit zunehmenden Transplantationszahlen ist jedoch mit einer Ausdehnung der Indikationen zu
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Kapitel 18 • Stammzellen aus Nabelschnurblut
. Tab. 18.1 Wesentliche Vor- und Nachteile, die sich aus der Gewinnung, Aufbereitung, Lagerung und Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut und der entsprechenden Fremdspendersuche ergeben Vorteile
Nachteile
Eigenschaften
– Hohes Proliferationspotenzial – Geringe Prävalenz von CMV – Geringeres GvHD-Risiko
– Geringe Gesamtmenge
Gewinnung
– Geringes Spenderrisiko
– Aufwendige Logistik – Erhöhte Kontaminationsraten – Keine Eigenanamnese
Aufbereitung
– Hohe Standardisierbarkeit
– Stammzellanreicherung ggf. erforderlich
Lagerung
– Transplantat vor Konditionierung gesammelt und gesichert
– Langzeitlagerung sehr kostenintensiv
Fremdspendersuche
– Ggf. HLA-differente Transplantate einsetzbar – Versorgung ethnischer Minderheiten
– Spender nur einmal verfügbar
Transplantation
– Transplantat umgehend verfügbar
– Geringe klinische Erfahrung – Längere Aplasiedauer
rechnen. Dieser Trend ist in den USA bereits deutlicher erkennbar und durch genetische Besonderheiten der in den USA lebenden Minoritäten teilweise gut erklärbar. . Tab. 18.1 zeigt die wesentlichen Vor- und Nachteile der Nabelschnurbluttransplantation. 18.8
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Ausblick
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand und den Empfehlungen von Fachgesellschaften ergeben sich in Deutschland keine anerkannten Indikationen zur Gewinnung und Lagerung autologer Stammzelltransplantate aus NSB zur »prophylaktischen Anwendung« [2][137][140]. Zum einen hängt der therapeutische Nutzen der Transplantation wesentlich vom allogenen Immuneffekt ab [131]. Darüber hinaus entstehen viele Leukämien des Kindesalters bereits pränatal, sodass die autologe NSBT keine sinnvolle Therapieoption darstellt [131]. Die Effizienz der autologen Transplantatgewinnung mit Nabelschnurblut durch private Dienstleister konnte bis dato nicht belegt werden [32][131]. Tatsächlich ist die Zahl der weltweit durchgeführten autologen NSBT sehr gering. Erschwerend kommt hinzu, dass viele NSB-Produkte nicht den einrichtungsintern erhobenen Qualitätskriterien (Volumen, Zellmenge) genügen und nachfolgend verworfen werden müssen. Vielversprechende Untersuchungen an adulten Stammzellen aus Knochenmark belegten kürzlich, dass sich diese Zellen bis zu einem gewissen Grad in Hepatozyten, Myokardzellen und neuronale Zellen differenzieren lassen [69][71][91][100]. Inwieweit sich adulte Stammzellen aus Nabelschnurblut künftig für klinische Ansätze zur Therapie von organspezifischen Erkrankungen im Bereich der regenerativen Medizin eignen, kann derzeit noch nicht beurteilt werden [37][99]. Demgegenüber ergeben sich heute bereits vielfältige Perspektiven im Rahmen der allogenen NSBT. Insbesondere sind gerichtete allogene Transplantationen zu nennen, bei denen zumeist ein Geschwister an angeborenen Stoffwechseldefekten oder malignen Erkrankungen leidet. Zunehmend findet die unverwandte NSBT auch bei erwachsenen Patienten Anwendung. Insgesamt ist weiterhin mit einer deutlichen Zunahme allogener Stammzelltransplantationen zu rechnen [58]. Welchen Anteil dabei die NSBT künftig einnehmen, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
Bei zunehmend kleineren Familien kommt es immer häufiger vor, dass im Familienkreis kein passender Stammzellspender gefunden werden kann. Trotz millionenfacher Registrierung von Fremdspendern, die HLA-Klasse-I- und teilweise auch Klasse-II-typisiert sind, findet sich in etwa 20 % der Fälle dennoch kein kompatibler Fremdspender [101]. Sollten sich die Befunde hinsichtlich der schwächeren Graftversus Host-Reaktion unter Beibehaltung des GvL-Effekts und des hämatopoetischen Potenzials bei NSBT bestätigen, dann stellt diese Transplantationsform eine aussichtsreiche Alternative dar [19] [38][52][53]. Dies gilt insbesondere für Patienten, denen aufgrund seltener immungenetischer HLA-Genotypen (z. B. bei ethnischen Minderheiten) kein vollkompatibler Stammzellspender aus den Fremdspenderregistern angeboten werden kann. Ein wesentliches Hindernis für die NSBT ist die häufig zu niedrige Gesamtzahl an Stammzellen im Nabelschnurblut. Hier könnte sich mittelfristig durch die Ex-vivo-Expansion von Stammzellen oder das Poolen von mehreren Transplantaten aus Nabelschnurblut eine »bench-to-bedside«-Lösung abzeichnen [65]. Obwohl effiziente Ex-vivo-Expansionen von Progenitorzellen aus Nabelschnurblut von zahlreichen Arbeitsgruppen beschrieben wurden, bleibt die Frage offen, ob und inwieweit dabei de facto auch eine Vermehrung von pluripotenten Stammzellen erfolgt [15][30] [42][50][65][78][79][90][92][126][144]. Im Rahmen der autologen Transplantation peripherer Blutstammzellen hat sich die zunächst erhoffte klinische Wertigkeit der Expansion von Stammzellen ex vivo gerade in jüngster Zeit stark relativiert [20][70]. Eine weitere Option, um die Stammzelldosis aus Nabelschnurblut für eine therapeutische Einheit zu erhöhen, ist das »Poolen« mehrerer allogener Stammzellprodukte aus NSB [11][60][115] [135]. Sollte sich herausstellen, dass die Transplantation mit gepoolten, in der Regel in den HLA-Merkmalen nicht übereinstimmmenden NSB-Transplantaten zu gleichwertigen klinischen Ergebnissen führt wie die HLA-übereinstimmende allogene KMT oder PBSZT, dann dürfte die Nachfrage nach NSB-Stammzellen künftig deutlich ansteigen. Eine in diesem Zusammenhang interessante Vorgehensweise bei der Bereitstellung von Stammzelltransplantaten wird von Barker et al. vorgeschlagen (. Abb. 18.1) [9]. Inwieweit Stammzellen aus Nabelschnurblut in Zukunft eine noch stärkere Bedeutung für eine therapeutische Verwendung erlangen, hängt dabei insbesondere auch von der Lösung der darge-
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Parallele Suche in - Stammzell-/Knochenmarkspender-Registern - Nabelschnurblutbanken
- keine hohe Dringlichkeit oder
- hohe Dringlichkeit
- keine maligne Diagnose
HLA-kompatibler Stammzellspender verfügbar ?
nein
nein
4-6 HLA-kompatible Transplantate aus Nabelschnurblut mit > 1,5 x 107 NC/kg Körpergewicht
ja
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Transplantation mit
Transplantation mit
- periphere Blutstammzellen
- Stammzellen aus NSB
- Knochenmark . Abb. 18.1 Mögliches Vorgehen bei der Suche nach kompatiblen Fremdspendern zur allogenen Stammzelltransplantation. (Mod. n. [9])
stellten Probleme bei Gewinnung, Aufbereitung und Lagerung der Stammzellen aus NSB ab. Darüber hinaus gewinnen NSBT dann an Attraktivität, wenn tatsächlich die HLA-Mismatch-Gewichtung größzügiger gehandhabt und von diesem Nabelschnurblut ein vergleichbarer Graft-versus-Leukämie-Effekt initiiert werden kann. Hier ergeben sich für Nabelschnurblutbanken und transplantationsmedizinisch ausgerichtete Einrichtungen der Transfusionsmedizin neue Herausforderungen für die Zukunft.
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Kapitel 18 • Stammzellen aus Nabelschnurblut
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Kapitel 18 • Stammzellen aus Nabelschnurblut
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van der Loo JC, Hanenberg H, et al. (1998) Nonobese diabetic/severe combined immunodeficiency (NOD/SCID) mouse as a model system to study the engraftment and mobilization of human peripheral blood stem cells. Blood 92:2556–2570 Vaughan JI, Manning M, Warwick RM, et al. (1998) Inhibition of erythroid progenitor cells by anti-Kell antibodies in fetal alloimmune anemia. N Engl J Med 338:798–803 Vaziri H, Dragowska W, Allsopp RC, et al. (1994) Evidence for a mitotic clock in human hematopoietic stem cells:loss of telomeric DNA with age. Proc Natl Acad Sci USA 91:9857–9860 Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV) vom 03. November 2006. Bundesgesetzblatt I, S 2523; zuletzt geändert durch Art. 1 V v 26.03.2008, Bundesgesetzblatt I, S 521 Vormoor J, Klingebiel T, Jürgens H (2002) Aktuelle Möglichkeiten der Behandlung mit blutbildenden Stammzellen aus Nabelschnurblut im Kindesalter. Klin Padiatr 214:195–200 Wagner JE, Kernan NA, Steinbuch M, Broxmeyer HE, Gluckman E (1995) Allogeneic sibling umbilical-cord-blood transplantation in children with malignant and non-malignant disease. Lancet 346:214–219 Wagner T, Bernaschek G, Geissler K (2000) Inhibition of megakaryopoiesis by Kell-related antibodies. N Engl J Med 343:72 Wang JC, Doedens M, Dick JE (1997) Primitive human hematopoietic cells are enriched in cord blood compared with adult bone marrow or mobilized peripheral blood as measured by the quantitative in vivo SCID-repopulating cell assay. Blood 89:3919–3924 Weinreb S, Delgado JC, Clavijo OP, et al. (1998) Transplantation of unrelated cord blood cells. Bone Marrow Transplant 22:193–196 Wiemels JL, Cazzaniga G, Daniotti M, et al. (1999) Prenatal origin of acute lymphoblastic leukaemia in children. Lancet 354:1499–1503 Wissenschaftlicher Beirat der Britischen Gynäkologen (Oktober 2001). http://www.rcog.org.uk/mainpages.asp?PageID = 430 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (1994) Richtlinien für die allogene Knochenmarktransplantation nicht nicht-verwandten Spendern. Dtsch Ärztebl 91:761–766 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (1997) Richtlinien zur Transplantation peripherer Blutstammzellen. Dtsch Ärztebl 94: 1268–1276 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (1999) Richtlinien zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut. Dtsch Ärztebl 94:1297–1304 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (2000) Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie). Deutscher Ärzteverlag, Köln Wong A, Yuen PM, Li K, Yu AL, Tsoi WC (2001) Cord blood collection before and after placental delivery:levels of nucleated cells, haematopoietic progenitor cells, leukocyte subpopulations and macroscopic clots. Bone Marrow Transplant 27:133–138 Wyrsch A, dalle Carbonare V, Jansen W, et al. (1999) Umbilical cord blood from preterm human fetuses is rich in committed and primitive hematopoietic progenitors with high proliferative and self-renewal capacity. Exp Hematol 27:1338–1345 Xu R, Reems JA (2001) Umbilical cord blood progeny cells that retain a CD34+ phenotype after ex vivo expansion have less engraftment potential than unexpanded CD34+ cells. Transfusion 41:213–218 Yamada T, Okamoto Y, Kasamatsu H, et al. (2000) Factors affecting the volume of umbilical cord blood collections. Acta Obstet Gynecol Scand 79:830–833 Yang H, Acker JP, Abley D, McGann LE, Akabutu J (2001) High-efficiency volume reduction of cord blood using pentastarch. Bone Marrow Transplant 27:457–461 Yasutake M, Sumita M, Terashima S, et al. (2001) Stem cell collection filter system for human placental/umbilical cord blood processing. Vox Sang 80:101–105
271
Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine A. Gröner und M. Konrad
19.1
Einleitung – 272
19.2
Ausgangsmaterial Plasma – 272
19.3
Verfahren zur Proteinreinigung – 274
19.3.1 19.3.2 19.3.3
Fällung – 275 Adsorption – 275 Chromatographische Verfahren – 276
19.4
Therapeutische Plasmaproteine – 277
19.4.1 19.4.2 19.4.3 19.4.4 19.4.5 19.4.6 19.4.7 19.4.8 19.4.9 19.4.10
Faktor VIII/vWF – 278 Faktor IX – 278 Prothrombinkomplexkonzentrat (PCC) – 278 Fibrinogen/Fibrinkleber – 278 Faktor XIII – 278 Antithrombin – 279 C1-Esteraseinhibitor – 279 α1-Proteinaseinhibitor – 279 Immunglobuline – 279 Albumin – 279
19.5
Verfahren zur Virusreduktion – 279
19.5.1 19.5.2
Virusinaktivierung – 280 Virusentfernung – 281
19.6
Verfahren zur Prionenreduktion – 281
19.7
Rekombinante Plasmaproteine – 281
19.8
Qualitätsmanagement bei der Produktion von Plasmaderivaten – 282
19.8.1 19.8.2 19.8.3
Gute Herstellungspraxis (GMP) – 282 Qualitätskontrolle – 282 Hämovigilanz – 283
Literatur – 283
19
272
Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
Plasmaderivate sind gereinigte und in ihrer Konzentration standardisierte Proteine aus Plasma, dem zellfreien Bestandteil des menschlichen Blutes. Es gibt Menschen, denen diese Proteine aufgrund eines genetischen oder erworbenen Mangels in ausreichender Menge fehlen, was zu klinischen Symptomen bis hin zu lebensgefährlichen Erkrankungen führt. Solchen Patienten müssen diese Plasmaderivate infundiert werden. Die wichtigsten Proteine, die therapeutisch angewandt werden, sind in . Tab. 19.1 zusammengestellt.
19.1
Einleitung
Der erste größere und gezielte Einsatz von Plasmaproteinen zu therapeutischen Zwecken geht auf Emil von Behring zurück, der zunächst mit Serum und später mit der Gammaglobulinfraktion immunisierter Tiere Arzneimittel zur Behandlung von an Diphtherie erkrankten Kindern zur Verfügung stellte. Die Erkenntnis, dass meistens nur bestimmte Plasmaproteine zur Behandlung eines Patienten erforderlich sind, führte zur Auftrennung des kostbaren Ausgangsmaterials Plasma in bestimmte Plasmaproteinprodukte (neben der Trennung des Blutes in Plasma und zelluläre Produkte, die wiederum in Erythrozyten und Thrombozyten getrennt werden). Diese Fraktionierung des Plasmas begann in großem Maßstab in den 1930er Jahren an der Harvard University durch Edwin Cohn, obwohl schon 1879 die Reindarstellung von Fibrinogen durch Kochsalzfällung beschrieben worden war [47]. Cohn setzte Alkohol ein, um Albumin zu reinigen und zu konzentrieren [18]; diese Arbeiten führten zum ersten Plasmaderivat, das in großem Umfang als Arzneimittel eingesetzt wurde, insbesondere während des 2. Weltkrieges in den Vereinigten Staaten von Amerika [108]. Die Übertragung von HBV durch Humanserum – Stabilisator eines Gelbfieber-Impfstoffes [102] – führte zu der begründeten Befürchtung, dass auch Albumin HBV übertragen kann. Es wurde deshalb eine Hitzebehandlung von stabilisiertem Albumin, das mit infektiösem HBV versetzt worden war, an Freiwilligen untersucht und die erfolgreiche Inaktivierung von HBV schon 1948 publiziert [40]. Bei der Produktion von Plasmaderivaten wurde schon früher und insbesondere seit den 1980er Jahren bis heute neben der Qualität des gewonnenen Proteins hinsichtlich z. B. Reinheit, Proteinintegrität, Aktivierung von Enzymaktivität zunehmend auch die Virussicherheit berücksichtigt. Außer durch Gewinnung aus Plasma werden diese therapeutischen Proteine teilweise auch durch biotechnologische Verfahren als rekombinante Proteine aus Zellkulturen oder transgenen Tieren isoliert. 19.2
19
Ausgangsmaterial Plasma
Plasma zur Produktion von Plasmaderivaten – Plasma zur Fraktionierung – wird entweder aus Vollblutspenden (»recovered plasma«) durch Trennung der zellulären Bestandteile des Blutes vom Plasma durch Abtrennen der Erythrozyten und des »buffy coat« (ca. 200–250 ml Plasma per Spende) oder durch Aphereseverfahren (»source plasma« durch Plasmapherese; ca. 600–850 ml Plasma per Spende) gewonnen. Bei der Gewinnung von Plasma zur Fraktionierung müssen die Anforderungen der Monographie Plasma vom Menschen (Humanplasma) zur Fraktionierung des Europäischen Arzneibuches in der jeweils gültigen Fassung erfüllt sein. Nur gesunde Personen, die aufgrund ärztlicher Untersuchung (Anamnese, orientierende körperliche Untersuchung und Laboruntersuchung des Blutes) als spende-
tauglich beurteilt werden, dürfen Blut oder Plasma spenden. Diese Feststellung der Spendetauglichkeit ist im Interesse des Spenders (Gesundheitsschutz) und im Interesse des Patienten, der mit möglichst risikoarmen Blutkomponenten und Plasmaderivaten behandelt werden soll. Jede Spende wird dann auf transfusionsrelevante Viren untersucht, und nur Spenden mit negativem (nichtreaktivem) Ergebnis hinsichtlich HBsAg (Hepatitis-B-Oberflächen- (Surface-) antigen) und Antikörpern gegen HIV-1/-2, HCV sowie HCV-und HIV-1-Genom (»Nucleid acid Amplification Technology«, Nukleinsäure-Amplikfikationstechnologie, NAT) werden freigegeben. Wie in . Abb. 19.1 dargestellt, wird die Fensterphase des Nachweises einer Infektion durch einen Test, der Virusproteine oder insbesondere Virusgenom nachweist, deutlich verkleinert, sodass Spenden mit hoher Viruslast erkannt und vernichtet werden. Deshalb fordern zusätzlich zu den (in Deutschland) vorgeschriebenen Laboruntersuchungen zur Freigabe einer Spende (7 Kap. 38) die meisten Hersteller von Plasmaderivaten, dass die Spenden auch nichtreaktiv für HAV (Hepatitis-A-Virus)- und HBV-Genom sind und die Konzentration von B19V (Parvovirus B19) in der Spende so gering ist, dass der Plasmapool zur Fraktionierung nicht mehr als 104 IU B19V DNS/ml enthält. Plasma zur Fraktionierung wird überwiegend durch Apherese (Plasmapherese) gewonnen, wobei die Auftrennung von Blut in verschiedene Bestandteile unmittelbar am Spender erfolgt; die nicht benötigten Blutbestandteile werden dem Spender sofort wieder zurückgeführt. Da bei dieser Art der Plasmagewinnung die zellulären Blutbestandteile dem Spender nicht entnommen werden, sind die zwischen den Spendeterminen einzuhaltenden Abstände gegenüber Vollblutspenden sehr viel geringer, sodass die pro Jahr gewonnene Menge an Plasma bei Plasmapherese deutlich höher ist als bei einer Vollblutspende. Diese Menge ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich groß; so beträgt sie z. B. in Deutschand gegenwärtig maximal 28,5 l pro Jahr. Entspechend den Vorgaben der Europäischen Pharmacopoeia »Plasma humanum ad separationem« soll Frischplasma nach der Blutentnahme und der Trennung von zellulären Komponenten so schnell wie möglich, jedoch nicht später als 24 h, eingefroren werden; hierbei ist das Gefrieren des Plasmas innerhalb von 12 h auf eine Temperatur (Kerntemperatur) von –25 °C oder weniger zu gewährleisten. Aphereseplasma wird entspechend der Richtlinie ebenfalls spätestens 24 h nach der Gewinnung durch schnelles Abkühlen auf eine Kerntemperatur von –25 °C oder weniger innerhalb 12 h eingefroren. In der Praxis werden die Spenden jedoch schon nach wenigen Stunden (üblicherweise 2 h nach der Spende) eingefroren. Da aus einer Plasmaspende in der Praxis nicht nur »nichtlabile« Proteine wie Albumin gewonnen werden, sondern auch »labile« Proteine wie Gerinnungsfaktoren (für die unterschiedliche Einfrierzeiten vorgeschrieben sind), wird bei den Einfrierbedingungen üblicherweise nicht zwischen Spenden unterschieden. Bei Aphereseplasma werden weitere Maßnahmen ergriffen, die die Gefahr verringern, dass eine hinsichtlich Virusmarkern nichtreaktive Spende eines infizierten Spenders fraktioniert wird; diese Maßnahmen gelten zumindest in Europa und den USA und sind Standards der PPTA (Plasma Protein Therapeutics Association). So wird das Plasma eines Erstspenders (»applicant donor«) nicht fraktioniert, sondern bis 6 Monate quarantänegelagert (sofern es nichtreaktiv für Virusmarker ist); nach 6 Monaten wird die Spende vernichtet. Die Quarantäne wird nur aufgehoben, wenn der Spender ein 2. Mal spendet und die Spende weiterhin nichtreaktiv ist. Damit zum Mehrfachspender (»qualfied donor«) geworden, behält der Spender diesen Status bei, wenn er weiterhin innerhalb von 6 Mo-
273
19.2 • Ausgangsmaterial Plasma
. Tab. 19.1 Wichtige therapeutisch angewandte Plasmaproteine Plasmaprodukt
Präparation
Indikation
4–5 % oder 20–25 % zur i.v.-Applikation
Therapie des Albuminmangels und Anhebung des onkotischen Druckes bei onkotischen Defiziten
(Normales) Immunglobulin
Gefriergetrocknetes oder flüssiges Produkt (ca. 15–20 %) zur i.m.- oder s.c.-Applikation
Substitution bei Erwachsenen und Kindern mit primärem Antikörpermangelsyndrom, Substitution bei chronisch lymphatischer Leukämie u. Myelom mit schwerem Antikörpermangel u. rezidivierenden Infekten, schwere kombinierte Immunmangelkrankheit (SCID), IgG-Subklassenmangelkrankheit
Multispezifisches (normales) Immunglobulin
Gefriergetrocknetes oder flüssiges Produkt (ca. 6–10 %) zur i.v.-Applikation
Substitutionstherapie bei primärer Immunmangelkrankheit (kongenitale Agamma- u. Hypogammaglobulinämie, allgemeine variable und schwere kombinierte Immunmangelkrankheit, Wiskott-Aldrich-Syndrom), Myelom oder CLL mit schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidiven Infekten; Immunmodulation: idiopathische thrombozytopen. Purpura (ITP) bei Erwachsenen und Kindern, Guillain-Barré-Syndrom, Kawasaki-Syndrom, allogene Knochenmarktransplantatation
Spezifisches Immunglobulin
Gefriergetrocknetes oder flüssiges Produkt zur i.m.- oder s.c.-Applikation (ca. 16 %) oder zur i.v.-Applikation (ca. 6 %)
Zur Prophylaxe von Virusinfektionen wie Hepatitis-B-Virus, Zytomegalievirus, Tollwutvirus, Varizella-zoster-Virus, Hepatitis-A-Virus; zur Prophylaxe von durch bakterielle Toxine verursachten Erkrankungen wie Tetanus, Pertussis; anti-D-(Rh-)Immunglobulin
Faktor VIII
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Zur Vorbeugung und Therapie von durch angeborenen (Hämophilie A) oder erworbenen Mangel an Gerinnungsfaktor VIII entstandenen Blutungen
von-Willebrand-Faktor (üblicherweise als vWF/FVIIIProdukt)
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Zur Vorbeugung und Therapie von Blutungen oder Blutungen während Operationen, die durch den Mangel an von-Willebrand-Faktor entstehen (wenn Desmopressin [DDAVP] alleine nicht wirksam oder kontraindiziert ist) sowie zur Vorbeugung und Therapie von Blutungen, die durch den Mangel an Gerinnungsfaktor VIII entstehen, insbesondere auch bei Behandlung des erworbenen Faktor-VIII-Mangels und zur Behandlung von Patienten mit Antikörpern gegen Gerinnungsfaktor VIII
Faktor IX
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Zur Vorbeugung und Therapie von Blutungen bei Patienten mit Hämophilie B (kongenitaler Faktor-IX-Mangel)
Fibrinogen
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Zur Vorbeugung und Therapie von Blutungen bei kongenitaler Hypo-, Dys- und Afibrinogenämie und erworbener Hypofibrinogenämie
Faktor XIII
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Zur Therapie von Blutungen bei angeborenem oder erworbenen Mangel an Faktor XIII und zur unterstützenden Behandlung bei Wundheilungsstörungen
PCC
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Zur Behandlung und perioperativen Prophylaxe von Blutungen bei durch die Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten verursachtem erworbenem Mangel an Prothrombinkomplexfaktoren (FII, FVII, F IX, FX), zur Behandlung und perioperativen Prophylaxe von Blutungen bei einem angeborenen Mangel eines Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktors, sofern keine Einzelfaktorkonzentrate zur Verfügung stehen
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Prophylaxe und Therapie throboembolischer Komplikationen bei angeborenem oder erworbenem Antithrombin-III-Mangel
Albumin Humanserumalbumin Immunglobuline
Gerinnungsfaktoren
Proteaseinhibitoren Antithrombin
19
274
Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
. Tab. 19.1 Fortsetzung Plasmaprodukt
Präparation
Indikation
α1-Protease-Inhibitor
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Substitution bei α1-Proteinase-Inhibitor-Mangel bei Störungen der Lungenfunktion
C1-Esterase-Inhibitor
Gefriergetrocknetes Produkt zur i.v.Applikation (Gehalt variiert; Angabe auf Packung)
Therapie akuter Attacken eines hereditären Angioödems (HAE) bei C1Esterase-Inhibitor-Mangel
Titer
Infektion
Nachweisgrenze
Zeit
Diagnostisches Fenster Serologie (z.B. ELISA) Diagnostiosches Fenster direkter Virusnachweis (z.B. NAT)
. Abb. 19.1 Nachweis der Infektion eines Spenders im Abhängigkeit vom Testsystem
19
naten spendet. Zusätzlich wird Aphereseplasma mindestens 60 Tage lang gelagert, bevor das Plasma fraktioniert wird (»Sperrlagerung«). Wenn die nachfolgende Spende eines Spenders reaktiv (positiv) für Virusmarker wird, lassen sich die Spenden dieses Spenders in der Sperrlagerung identifizieren und vernichten (»Look Back«/»Post Donation Information«). Durch diese Maßnahme werden auch Spenden mit niedriger Viruslast – unterhalb der Nachweisgrenze des NAT-Tests – nicht fraktioniert; außerdem lassen sich weitere Informationen zur Spendentauglichkeit, die nach der Spende und während der Sperrlagerung erhalten wurden, entsprechend bewerten und diese Spende(n) ggf. vernichten (. Abb. 19.2). Da die Spendenintervalle bei Vollblutspenden zu lang sind und auch Spenden von Erstspendern fraktioniert werden können, lässt sich eine Sperrlagerung bei Frischplasma zur Fraktionierung in der Praxis nicht durchführen. Die Konzentration von FVIII (Faktor VIII) ist in Aphereseplasma höher (etwa 1000 U/l) als in Frischplasma (etwa 660–845 U/l). Dies ist einerseits auf die relativ kurze Halbwertszeit und entsprechend schnelle Neusynthese von FVIII zurückzuführen, dessen Konzentration im Plasma deshalb bei wiederholter Plasmapherese nicht abnimmt. Andererseits beruht dies auf der unterschiedlichen Herstellung des Plasmas: Frischplasma wird erst nach längerer Prozesszeit – Trennung der zellulären Bestandteile vom Plasma einer Vollblutspende – eingefroren und enthält proteolytische Enzyme in höherer Konzentration; außerdem ist die Konzentration von Antikoagulans in Frischplasma höher. Im Gegensatz dazu ist der Gehalt an Immunglobulinen in Frischplasma höher als in Aphereseplasma (etwa 9,4 g/l gegenüber 8,2 g/l).
Wenn alle Prüfungen durchgeführt und alle Informationen bestätigt worden sind, werden die tiefgefroren Spenden unter Bedingungen, die die Integrität des gefrorenen Plasmas gewährleisten, zum Fraktionierer verschickt. Dort wird das Plasma unter kontrollierten Bedingungen aufgetaut und ein Plasmapool zur Fraktionierung hergestellt. Dieser Plasmapool, bestehend aus mehreren tausend Litern Plasma, ist das Ausgangsmaterial für die Produktion von Plasmaderivaten. Voraussetzung für die weitere Verarbeitung nach dem Auftauen der Spenden ist die Prüfung auf Virusmarker und der Nachweis der Nichtreaktivität entsprechend gesetzlicher und freiwilliger Vorgaben (. Tab. 19.2). 19.3
Verfahren zur Proteinreinigung
Die Reindarstellung und Konzentrierung von Plasmaproteinen in industriellem Maßstab zur Produktion therapeutischer Proteine erfolgt durch verschiedene Methoden der fraktionierten Fällung und der Adsorption an unterschiedliche Substanzen. Die Produktion von Plasmaproteinen basiert auf der Alkoholfraktionierung in der Kälte nach Cohn und deren Modifizierungen und nachfolgenden weiteren Reinigungs- und Konzentrierungsschritten. Eine Alternative zu diesem Verfahren, die Reinigung von Proteinen basierend auf Chromatographieschritten, wurde großtechnisch bisher nur von einem Hersteller in Australien eingeführt [59].
275
19.3 • Verfahren zur Proteinreinigung
19
Erstspender (»applicant donor«) Quarantäne (bis 6 Monate)
1. Spende; serol. und NAT negativ 2. Spende; serol. und NAT negativ
Sperrlagerung (min. 60 Tage)
Mehrfachspender (»qualified donor«) Sperrlagerung (min. 60 Tage) Mehrfachspender
x. – 3. Spende serol.und NAT negativ x. – 2. Spende serol.und NAT negativ
Plasma Pool zur Fraktionierung
Sperrlagerung (min. 60 Tage)
Sperrlagerung (min. 60 Tage)
x. – 1. Spende serol.und NAT negativ
Sperrlagerung (min. 60 Tage)
Vernichtung
x. Spende serol.oder NAT positiv
Zeit . Abb. 19.2 Sperrlagerung von Aphereseplasma (mindestens 60 Tage)
19.3.1
Fällung
. Tab. 19.2 Prüfung von Plasmapools zur Fraktionierung (Plasmapool wird nur bei negativem Testergebnis weiterverabeitet)
Fällungs- (Präzipitations-)Methoden gehören zu den ältesten Techniken der Plasmaproteinfraktionierung; so beschrieb Hammarsten schon 1879 [47] die Reindarstellung von Fibrinogen. Fällungen beruhen auf der unterschiedlichen Löslichkeit von Proteinen, bedingt insbesondere durch unterschiedliche Ladungen und die verschiedenen isoelektrische Punkte der Proteine. Bei der ersten industriellen Fällungsmethode – Alkoholfällung bei niedrigen Temperaturen – die von Cohn [19] entwickelt und von Oncley [88] und später von Kistler und Nitschman [66] modifiziert worden war, wurde Albumin rein dargestellt, später auch weitere Plasmaproteine, insbesondere Immunglobuline (. Abb. 19.3). Weitere Optimierungen der Plasmafraktionierung führten dann zur großtechnischen Herstellung unterschiedlicher Plasmaproteine (. Abb. 19.4). Die Änderung der Löslichkeit der Proteine durch verschiedene Alkoholkonzentrationen, pH-Wert, Temperatur und Osmolalität führt zur selektiven Präzipitation von Proteinen, die dann durch Zentrifugation und/ oder Filtration (häufig mit Filterhilfsmitteln wie Zellulose oder Bentonit) von der flüssigen Phase getrennt werden. Gängige Fällungsmittel für Plasmaproteine, die Proteine nicht (irreversibel) denaturieren, sind: 5 organische Lösungsmittel (z. B. Ethanol, Methanol), 5 Neutralsalze (z. B. NaCl, Ammoniumsulfat), 5 Aminosäuren (z. B. Glycin), 5 Polymere (z. B. Polyethylenglykol), 5 Fettsäuren und deren Salze (z. B. Caprylsäure, Na-Caprylat).
Vorgeschriebene Prüfungen
Freiwillige Prüfungen
Nachweisgrenze NAT-Testa
HIV
HIV-1/-2-Antikörper
HIV-1-NAT
<100 HIV-1 (und HIV-2) IU/ml
HCV
HCV-NAT
–
<30 IU/mlb
HBV
HBsAg
HBV-NAT
<10 IU/ml
B19V
–
B19V-NAT (hochtitrig)
≤104 IU/ml
HAV
–
HAV-NAT
<20 IU/ml
a Beispiel
der Freigabetestung eines Fraktionierers. muss eine Positivkontrolle von 100 IU/ml entdecken [27].
b NAT-Test
19.3.2
Adsorption
Zur weiteren Reinigung werden nach der Fällung der Proteine verschiedene Verfahren angeschlossen und in den Herstellungsprozess integriert. Dazu gehört z. B. die Adsorption an Al(OH)3 oder unlösliche Erdalkaliesalze, um Spuren von Gerinnungsfaktoren des Prothrombinkomplexes aus anderen Proteinkonzentraten zu entfernen. Zur Entfernung von Begleitsubstanzen, die die Klarheit, Stabilität oder Verträglichkeit von Proteinkonzentraten – z. B. Lipoproteine – stören, werden ebenfalls in vielen Fällen Adsorptionsmittel wie Aerosil, Bentonit oder andere Filtermaterialien eingesetzt.
276
Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
Plasma Ethanol 8 % Temperatur –3 °C
Überstand I Ethanol 25-150 %; pH 6,9 Temperatur –5 °C
Präzipitat I
Überstand II + III Ethanol 18 %; pH 5,2 Temperatur –5 °C
Präzipitat II + III
Überstand IV - 1 Ethanol 40 %; pH 5,8 Temperatur –5 °C
Präzipitat IV - 1
Überstand IV - 4 Ethanol 40 %; pH 4,8 Temperatur –5 °C
Präzipitat IV - 4
Überstand V
Präzipitat V Ethanol 10 %; pH 4,5 Temperatur –3 °C
Überstand Ethanol 40 %; pH 5,2 Temperatur –5 °C
Überstand
Präzipitat Verunreinigungen
Albumin
. Abb. 19.3 Plasmafraktionierung nach Cohn
19.3.3
19
Chromatographische Verfahren
Die wichtigsten Adsorptionsverfahren sind jedoch chromatographische Verfahren. Hier werden an stabile Träger (»Harze«), meistens aus Sephadex (quervernetztes Dextran) oder Sepharose (Agarose), Liganden angekoppelt, die entweder Ladungen aufweisen und damit eine elektrostatische Wechselwirkung mit Proteinen ausbilden oder Moleküle darstellen, die spezifisch bestimmte Proteine binden. Diese Träger werden hinsichtlich ihrer mechanischen Stabilität bei der Packung der Chromatographiesäule sowie den Laufbedingungen und damit der für die Chromatographie benötigten Zeit ausgewählt bzw. optimiert. Neben der Bindung von Liganden an Harze können diese heutzutage auch an Membranen gebunden werden; die aufwendige Packung einer Chromatographiesäule kann dann entfallen. Bei diesen chromatographischen Verfahren werden die therapeutisch wichtigen Proteine entweder in der Säule gebunden und durch gezielte Änderung der Puffer nach Waschen der Säule in konzentrierter, gereinigter Form eluiert, oder Begleitproteine werden in der Säule gebunden und das gereinigte Plasmaprotein wird im Durchfluss gesammelt. Üblicherweise wird die Chromatographiesäule unter definierten Bedingungen gepackt und wiederholt beladen und eluiert. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Säule zuverlässig regeneriert und sanitisiert wird, um eine gleichbleiben-
de Proteinreinigung zu erzielen. Bei Harzen, die meistens nur einmal benutzt werden, kann auch eine Batch-Adsorption der Proteine durchgeführt werden; das beladene Harz wird dann in eine Chromatographiesäule überführt, mit Waschpuffer gewaschen und anschließend das gewünschte Protein mit Elutionspuffer eluiert. Ein Sonderfall der Chromatographie ist die Trennung von Proteingemischen nach der Größe der Proteinmoleküle durch Gelchromatographie. Hierbei werden poröse Harze mit unterschiedlichen Porengrößen eingesetzt. Kleine Moleküle verteilen sich im porösen Harz und dem Flüssigkeitsvolumen außerhalb des Harzes, während für große Moleküle nur das Flüssigkeitsvolumen als Verteilungsraum zur Verfügung steht: Große Moleküle werden deshalb früher als kleine Moleküle im Eluat gesammelt. Das Haupteinsatzgebiet dieses Verfahrens bei der Herstellung von Plasmaproteinkonzentraten ist die Abtrennung niedermolekularer Verunreinigungen.
Ionenaustausch-Chromatographie Bei diesem Chromatographieverfahren wird im Wesentlichen zwischen zwei Typen von Austauschern unterschieden: Anionenaustauscher und Kationenaustauscher. Typische Vertreter der Anionenaustauscher (basisch) sind DEAE-(Diethylaminoethyl): -OCH2CH2N+H(CH2CH3)2 und QAE-(quarternäre Aminoethyl): -OCH2CH2N+(C2H5)2CH2CH(OH)CH3-haltige Austauscher, mit denen z. B. die Faktoren des Prothrombinkomplexes über die sau-
277
19.4 • Therapeutische Plasmaproteine
re γ-Carboxyglutaminsäuredomaine oder der C1-Inhibitor isoliert werden können. Als wichtige Vertreter der Kationenaustauscher (sauer) für den präparativen Einsatz stehen CM-(Carboxymethyl): -OCH2COO- und SP-(Sulphopropyl): -OCH2CH2CH2SO3-haltige Träger zur Verfügung. Hieran werden vor allem basische Proteine aus Plasmafraktionen adsorbiert. Die Austauschchromatographie ist eine schonende Methode zur selektiven Isolierung von Proteinen, die in aller Regel die Proteinstruktur nicht beeinflusst. Sie erlaubt eine effiziente Trennung der reversibel gebundenen Proteine von nicht oder nur schwach gebundenen Proteinen durch unterschiedliche Ladungs-, Wasch- und Elutionspuffer. Die gewählten Bedingungen bei der Beladung der Säule entscheiden darüber, welche Proteine nicht binden und im Durchfluss der Säule bzw. in den anschließenden Waschschritten gesammelt werden können und welche Proteine an die Chromatographieharze binden und durch gezielte Elution mittels Salz- und/ oder pH-Gradienten fraktioniert eluiert werden können.
Affinitätschromatographie Affinitätschromatographie ist ein Verfahren, bei dem das zu isolierende Protein spezifisch und reversibel an einen komplementären Liganden adsorbiert wird; dieser Ligand wiederum ist an eine inerte, unlösliche Matrix gebunden, häufig an aus anderen Chromatographieverfahren bekannte Harze. Die bei Plasmaproteinen wichtigste Anwendung ist die Adsorption von Antithrombin (ATIII) an Heparin [80] und insbesondere die Antikörper-Affinitätschromatographie bei der Herstellung von Gerinnungsfaktoren. Die Elution erfolgt unter Bedingungen, bei denen der Antigen/AntikörperKomplex zerstört wird, z. B. durch chaotrope Salze wie Natriumthiozyanat [32]. Bei der Reinigung von FVIII wurde die Bindung des vWF/FVIII-Komplexes über den vWF-Anteil an einen monoklonalen Antikörper beschrieben, und die Elution des Faktors VIII erfolgte durch einen Puffer, der Calcium enthielt, wobei der VWF/ FVIII-Komplex gelöst wurde [57]. Die Regeneration der Säule führt dann zur Abtrennung des vWF von den Antikörpern durch chaotrope Salze, sodass die Säule wieder für die Adsorption einer neuen Charge zur Verfügung steht.
Gefrorenes Plasma Auftauen 2 °C Zentrifugation
Kryoarmes Plasma
Formulierung Nach der Reinigung der Proteine und der Durchführung von Herstellungsschritten zur Virusinaktivierung und -entfernung wird die Proteinlösung durch Ultrafiltration konzentriert und auf eine vorgegebene Konzentration eingestellt. Die Pufferbedingungen der Endformulierung werden eingestellt und ggf. weitere Stabilisatoren (wie Albumin oder Aminosäuren) zugegeben, sterilfiltriert, abgefüllt und ggf. gefriergetrocknet.
Kryopräzipitat • FVIII/vWF • Fibrinogen
DEAE-Adsorption
DEAE-Eluat
QAE-Adsorption
• Prothrombin-Faktoren • PCC • FIX • FX • FVIIa
QAE-Eluat • C1-INH
Überstand DEAE/QAE-Adsorption 8 % Alkohol-Fällung / pH 7,2 / –3 °C
8 % Alkohol Präzipitat • Fibrinogen • Faktor XIII
Überstand 8 % Alkohol-Präzipitation Heparin-Affinitätschromatographie
Heparin-Harz-Eluat • Antithrombin
Heparin-Harz-Überstand 25 % Alkohol-Fällung / pH 6,9 / –5 °C
Präzipitat II + III • IgG
Überstand II + III 38 % Alkohol-Fällung / pH 6,0 / –7 °C
Präzipitat IV • A1PI
Überstand IV Adsorption labiler Proeine
Überstand 40 % Alkohol-Fällung / pH 4,8 / –7 °C
Präzipitat V 10 % Alkohol-Fällung / pH 4,5 / –3 °C
Überstand V Präzipitat
Hydrophobe Interaktionschromatographie Die hydrophobe Interaktionschromatographie ist ein Verfahren, mit dem Proteine nach ihrer unterschiedlich starken Wechselwirkung mit hydrophoben Gruppen eines Harzes getrennt werden. Erhöhte Salzkonzentrationen, die dem Protein die Hydrathülle entziehen und dadurch im Innern des Proteins liegende hydrophobe Domainen freilegen, begünstigen die hydrophobe Wechselwirkung. Die Adsorption der zu trennenden Proteine erfolgt deshalb vorwiegend bei hoher Ionenstärke. Die anschließende Fraktionierung der adsorbierten Proteine erfolgt üblicherweise durch Veränderung der Elutionsbedingungen durch Salzgradient, Einführung eines Ions mit geringerem Aussalzungseffekt oder Erhöhung des pH-Wertes.
19
Verunreinigungen
Überstand Ultrafiltration
• Albumin
. Abb. 19.4 Moderne Modifikation der Plasmafraktionierung nach Cohn
19.4
Therapeutische Plasmaproteine
Blut erfüllt eine Vielzahl von Funktionen, darunter den Transport von Sauerstoff, von Vitaminen, Mineralsalzen, Metallionen, Lipiden, Hormonen und auch Stoffwechselprodukten sowie die Immunabwehr und die physiologische Hämostase. Menschliches Blutplasma enthält mehr als 120 heute bekannte Proteine, von denen einige in großtechnischem Maßstab durch Plasmafraktionierung für den therapeutischen Einsatz bei Patienten mit fehlenden oder funktionell defekten Plasmaproteinen hergestellt werden. Manche dieser Plasmaproteine werden auch gentechnisch aus Zellkulturen oder transgenen Tieren gewonnen.
278
Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
19.4.2
NHP A1
A2
B
C
D
E
F
G
NHP
. Abb. 19.5 Von-Willebrand-Faktor-Multimere in FVIII/vWF-Präparaten: SDS-Agarose-Gelelektrophorese/Western-Blot-Analyse von Gerinnungsfaktorkonzentraten. NHP normales Humanplasma, A bis G Gerinnungsfaktorkonzentrate verschiedener Hersteller. (Abb. freundlicherweise zur Verfügung gestellt von U. Budde, Aesculabor, Hamburg)
19.4.1
19
Faktor VIII/vWF
Der Gerinnungsfaktor VIII (FVIII) kommt im Plasma als ein Komplex mit dem von-Willebrand-Faktor (vWF) vor (7 Kap. 25). Beide Proteine werden unter Kontrolle verschiedener Gene räumlich getrennt synthetisiert, zirkulieren im Plasma jedoch als Komplex; bei schonender Gewinnung können beide Komponenten/Funktionen gemeinsam fraktioniert werden. FVIII wird zur Behandlung der Hämophilie A eingesetzt. Der FVIII/vWF-Komplex gehört zu den kälteunlöslichen Proteinen; er reichert sich daher im Kryopräzipitat an, aus dem er auch gewonnen wird (. Abb. 19.4). Nach Lösen des Kryopräzipitates erfolgen mehrere Reinigungsschritte, um Fibrinogen vom FVIII/ vWF-Komplex zu trennen, so z. B. Glycinpräzipitation [51] oder PEG-Präzipitation [58]. Ein weiterer Reinigungsschritt bei einigen Gerinnungsfaktorkonzentraten ist die Chromatographie; dieser Schritt wurde insbesondere bei den Präparaten eingeführt, die zur Virusinaktivierung das Solvent/Detergenz-Verfahren enthalten und bei denen deshalb diese Chemikalien wieder entfernt werden müssen [10][17][82]. Die Reindarstellung von FVIII, d. h. ohne oder zumindest mit sehr geringem Anteil an vWF, erfolgt durch Ionenaustausch-Chromatographie oder insbesondere durch Antikörperaffinitäts-Chromatographie [41][118]. Der vWF in Plasma besteht aus Multimeren, insbesondere aus Multimeren mit hohem Molekulargewicht. Da für die primäre Hämostase Multimere mit hohem Molekulargewicht eine bedeutende Rolle spielen, wird angenommen, dass die Zusammensetzung des vWF in Plasmapräparaten bei der Anwendung der Präparate relevant ist. Unterschiedliche FVIII/vWF-Konzentrate enthalten Multimere mit diesem hohen Molekulargewicht in unterschiedlichen Anteilen, oder aber die Multimere mit hohem Molekulargewicht fehlen (. Abb. 19.5) Nachdem die Charakterisierung, Isolierung und Klonierung der Gene für Gerinnungsfaktoren gelungen war, lässt sich FVIII auch in Zellkulturen experimieren [116]. Die Herstellung eines reinen vWF-Konzentrates aus Plasma wurde von Mazurier et al. [77] beschrieben und die Produktion eines rekombinanten vWF-Konzentrates (in klinischer Prüfung) von Fischer [33][91].
Faktor IX
Faktor-IX-Konzentrate werden üblicherweise aus dem Prothrombinkomplex (. Abb. 19.4) durch klassische Adsorptions- und Konzentrierungsmethoden [23] oder durch Antikörperaffinitäts-Chromatographie in hochreiner Form gewonnen [32]. Faktor IX dient zur Behandlung der Hämophilie B. Nachdem die Charakterisierung, Isolierung und Klonierung der Gene für Faktor IX gelungen war, lässt sich auch dieses Protein in Zellkulturen experimieren [71]. Aufgrund der kürzeren Halbwertszeit des rekombinanten Faktor IX [31] wurden Faktor-IX-Fusionsproteine entwickelt, die zu einer höheren Halbwertszeit führen [78][89].
19.4.3
Prothrombinkomplexkonzentrat (PCC)
Der sogenannte Prothrombinkomplex enthält die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X und – je nach Präparat – in unterschiedlichen Konzentrationen die antikoagulatorisch wirksamen Proteine C und S sowie das Protein Z. Allen Proteinen gemeinsam ist die sog. Gla-Domäne, ein Strukturanteil, der mehrere γ-Carboxyglutaminsäurereste enthält und deshalb eine stark negativ geladene Region darstellt. Über diese Bindungseigenschaften wurden die Proteine früher an Erdalkalisalze gebunden, heute jedoch an Anionenaustauscher [23][37][60][99]. Wegen der Gefahr einer thrombogenen Wirkung durch die Aktivierung der Faktoren wird dem Endprodukt Heparin zugesetzt; einige Konzentrate enthalten zusätzlich geringe Mengen Antithrombin.
19.4.4
Fibrinogen/Fibrinkleber
Fibrinogen wird entweder aus dem Kryopräzipitat oder aus dem 8-%-Alkoholpräzipitat durch mehrere Präzipitationsschritte gewonnen, sodass ein sehr reines Fibrinogenkonzentrat, das weitgehend frei von Fibronectin ist, hergestellt werden kann. Ausgehend von der schon lange bekannten Erkenntnis, dass die Komponenten Fibrinogen und Thrombin die Blutstillung sowie die Fixierung von Gewebe aneinander bedingen, wurde schon Ende der 1960er Jahre die Voraussetzungen für einen Fibrinkleber geschaffen [39]. Ein solcher Fibrinkleber weist eine so hohe Reißfestigkeit der damit verklebten Gewebe auf, dass er in vielen Anwendungsgebieten eine Alternative zur chirurgischen Naht darstellt oder zumindest die Ergebnisse bei Weichteiloperationen verbessert. Wesentliche Bestandteile von aus Humanplasma gewonnenem Fibrinkleber sind Fibrinogen und Thrombin sowie in einigen Präparaten FXIII (zur optimierten Fibrinvernetzung). Einige Fibrinkleber enthalten außerdem Proteinaseinhibitoren wie z. B. Aprotinin (aus Rinderlungen); bei diesem Wirkstoff ist darauf zu achten, dass es kein BSE enthält, was z. B. durch ein TSE-Zertifikat der EDQM bestätigt wird.
19.4.5
Faktor XIII
FXIII, der fibrinstabilisierende Faktor, wird zur Substitution bei kongenitalem Mangel sowie bei einer Reihe anderer Erkrankungen mit Wundheilungsstörungen eingesetzt [61]. Er lässt sich aus dem 8-%-Alkoholpräzipitat gewinnen und wird durch mehrere Herstellungsschritte einschließlich chromatographischer Verfahren gereinigt.
279
19.5 • Verfahren zur Virusreduktion
19.4.6
Antithrombin
Antithrombin (Antithrombin III/ATIII) ist ein wesentlicher Regulator der Blutgerinnung und wird im technischen Maßstab bevorzugt aus einer Fraktion der Alkoholfraktionierung durch Affinitätschromatographie an Heparinharzen gewonnen [3][62][73][80][83] [115].
19.4.7
C1-Esteraseinhibitor
Der C1-Inhibitor – früher auch C1-Inaktivator genannt – ist der wichtigste Regulator des klassischen Weges der Komplementaktivierung. Er wird aus dem kryoarmen Plasma durch Anionenaustausch-Chromatographie isoliert (. Abb. 19.4) [49][110]. 19.4.8
α1-Proteinaseinhibitor
α1-Proteinaseinhibitor (API) hemmt die Wirkung von Trypsin und weiteren Serinproteinasen wie Chymotrypsin, Plasmin, Thrombin und pankreatischen Elastasen. Die Hemmung der Neutrophilenelastase scheint die wichtigste physiologische Funktion zu sein, da hierdurch z. B. Lungengewebe bei Entzündungsreaktionen vor dem Angriff der Neutrophilenelastase geschützt werden. API wird aus der Fraktion IV-1 durch fraktionierte Fällungen und Chromatographie gereinigt [14][52][119].
19.4.9
Immunglobuline
Immunglobulinpräparate werden aus dem Präzipitat II/III (auch II/III-Paste genannt; . Abb. 19.4) oder der korrespondierenden Fraktion des Kistler/Nitschmann-Verfahrens gewonnen und durch weitere, hersteller- und produktspezifische Verfahrensschritte gereinigt. Vor allem bei i.v.-applizierbaren Immunglobulinen werden chromatographische Verfahren und spezielle Fällungsmethoden angewandt, um IgA und IgM sowie weitere Verunreinigungen und Aggregate, die zur Komplementaktivierung führen können, zu entfernen [13][94][111]. Eine Alternative zur klassischen Herstellung von IgG nach Cohn stellt die Fällung mit Caprylat dar, um höhere Ausbeuten und Reinheit zu erzielen [72][107]. Ein wichtiger Verfahrensschritt bei i.v.-IgG-Präparaten ist die Inkubation bei niedrigem pH-Wert (üblicherweise bei pH 4,0 bis pH 5,5), insbesondere in der flüssigen Formulierung des Endproduktes, um die Aggregation der Immunglobulinmoleküle zu verhindern. Dieselben Verfahrensschritte wie bei der Produktion multispezifischer (normaler) Immunglobuline werden auch bei der Herstellung von spezifischen Immunglobulinen (Hyperimmunglobuline) angewandt; der Unterschied zwischen diesen Immunglobulinpräparaten beruht hauptsächlich auf der Auswahl von Spenden, die bei Hyperimmunglobulinen hohe Antikörpertitern gegen das gewünschte Antigen enthalten. Spenden mit diesen hohen Antikörpertitern werden durch gezieltes Testen von Spendern gewonnen, die eine natürliche Infektion mit bestimmten Viren durchgemacht hatten, so z. B. Zytomegalievirus, oder die gezielt geimpft worden waren, z. B. gegen Tollwut, Tetanus oder Rh-D [106]. Ein IgM-Präparat lässt sich z. B. aus der Fraktion III gewinnen, IgG-Präparate werden aus dem korrespondierenden Überstand dieses Fällungsschrittes hergestellt [21].
19
19.4.10 Albumin Albumin stellt mit etwa 2/3 der Gesamtmenge an Plasmaproteinen das mengenmäßig bei weitem wichtigste Protein dar. Die Herstellung erfolgt üblicherweise durch Alkoholfraktionierung bei niedrigen Temperaturen. Entsprechend der europäischen (und anderer Länder) Pharmakopoeia wird eine Pasteurisierung im Endbehälter (Hitzebehandlung bei 60 °C über 10 h) durchgeführt, um Viren zu inaktivieren. Die rekombinante Herstellung von Albumin erfolgt in Hefen [68][93]. Eine aufwendige Reinigung des rekombinanten Albumins ist erforderlich, um die Nebenwirkung im Patienten zu minimieren [67]. Weitere Plasmaproteine werden zur Behandlung von Erkrankungen genutzt (z. B. FVIIa/FVIII-Bypassing Activity, FX, FXI, Plasmin, Protein C) oder in klinischen Prüfungen getestet (z. B. Apolipoprotein A1). Die Produktion dieser Proteine erfolgt ebenfalls durch spezifische Fällungs- und Adsorptions-/Chromatographieverfahren. 19.5
Verfahren zur Virusreduktion
Die Sicherheit von Plasmaderivaten bezüglich der möglichen Übertragung von Viren und anderen Pathogenen ist eine kontinuierliche Aufgabe der Hersteller dieser Produkte. Durch das Herstellungsverfahren dieser Arzneimittel sind – im Gegensatz zu Blut und Blutprodukten – bestimmte Pathogene nicht relevant, da sie durch die Sterilfiltration, die bei jedem Plasmaproteinpräparat durchgeführt wird, entfernt werden (z. B. Bakterien, Pilze, Protozoen, Helminthen). Die Herstellungsverfahren aller Plasmaproteine müssen Schritte enthalten, die effektiv Viren inaktivieren und/oder entfernen. Die ersten dieser Schritte (neben der Pasteurisierung von Albumin) wurden Ende der 70er bis Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelt, so z. B. die Pasteurisierung [50] und die Solvent/Detergenz-Behandlung [55]. Diese Schritte sind in das Herstellungsverfahren von Plasmaproteinen nur eingeführt worden, um die Übertragung einer Virusinfektion durch die Applikation dieser Arzneimittel zu verhindern – und nicht zur Proteinreinigung/-konzentrierung. Vor Einführung dieser Schritte wurden durch die Gabe von z. B. Gerinnungsfaktoren Hämophiliepatienten mit HBV, HCV und/oder HIV infiziert. Eines der wichtigsten Aufgabe bei der Einführung von Virusinaktivierungs- oder Entfernungsschritten ist die Vermeidung einer Proteinschädigung. Wenn modifizierte Proteine durch einen nachfolgenden Herstellungsschritt entfernt werden, führte diese anschließende Reinigung des Präparats zumindest zu Ausbeuteverlusten. Eine mögliche Denaturierung der Proteine durch das Inaktivierungsverfahren führt bei Patienten zur Verminderung der Wirksamkeit des (geschädigten) Plasmaproteins oder sogar zur Neoantigenität, bei der die Wirkung des zugeführten (und möglicherweise auch des körpereigenen) Plasmaproteins durch Antikörperbildung und anschließende Neutralisation des Proteins vermindert oder zunichte gemacht wird. Bei der Virusreduktion ist zu unterscheiden zwischen der Virusinaktivierung durch physikalische Methoden einerseits – etwa Hitzebehandlung und Bestrahlung oder chemische Verfahren wie Behandlung mit Solvent-Detergens, Fettsäure, niedrigen pH-Wert oder nukleinsäureinterkalierenden Substanzen – und der Virusentfernung andererseits. Ein Herstellungsschritt ausschließlich zur Virusentfernung ist die Virusfiltration (fälschlicherweise auch Nanofiltration genannt); Verfahren zur Proteinreinigung, bei denen
280
Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
sich die potenziell virushaltige Fraktion zuverlässig von der Proteinfraktion trennen lässt, führen ebenfalls zur Virusentfernung. Herstellungsverfahren, die die Viruslast etwa 4 log10-Stufen oder mehr vermindern, werden als effektive Schritte bezeichnet, und Schritte, für die ein Virusreduktionsfaktor von über 1 log10 bis über 3 log10 nachgewiesen wird, tragen zur Virussicherheit bei [25].
19.5.1
Virusinaktivierung
Dampfbehandlung Um eine definierte Restfeuchtigkeit des gefriergetrockneten Materials während der Erhitzung zu gewährleisten, lässt sich auch ein Zwischenprodukt gefriertrocknen und unter definierter Wasserdampfatmosphäre erhitzen (Dampfbehandlung). Durch diese Hitzebehandlung ist es möglich, viele umhüllte und nichtumhüllte Viren zu inaktivieren [69].
Physikalische Verfahren
Bestrahlung
Hitzebehandlung
Die Behandlung mit energiereicher Strahlung führt zur Inaktivierung der Virusnukleinsäure und damit zur Inaktivierung der Virusinfektiosität. Da die Bestrahlung jedoch auch freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies induziert, die hauptsächlich Proteine oxidieren und zu Seitenkettenmodifikationen, Denaturierung oder Polymerisierung bei Proteinen und Lipiden führen können, ist z. Z. noch kein Plasmaproteinpräparat auf dem Markt, das ausschließlich durch Bestrahlung virusinaktiviert wird.
Pasteurisierung Aufbauend auf der Erfahrung mit pasteurisiertem Humanalbumin, das einen hervorragenden Virussicherheitsstandard besitzt, wurden in den früheren Behringwerken Marburg Untersuchungen zur Pasteurisierung weiterer Plasmaderivate, beginnend mit Gerinnungsfaktorkonzentraten, durchgeführt. Diese Gerinnungsfaktoren sind sehr empfindlich gegenüber physikalisch-chemischen Verfahren. Die Pasteurisierung (Hitzebehandlung in stabilisierter wässriger Lösung bei 60 °C über 10 h) konnte nur in Gegenwart von Stabilisatoren (Saccharose und Glycin) erfolgreich durchgeführt werden. Versuche mit Schimpansen belegten die Inaktivierung von HBV und HCV durch die Pasteurisierung. Die Inaktivierung weiterer Viren, für die Zellkultursysteme zur Verfügung stehen, wurde in vitro belegt [53]. Das erste pasteurisierte FVIII-Konzentrat wurde in Deutschland 1981 zugelassen (Haemate HS). Bis heute wurde keine erwiesene Virusübertragung durch dieses Produkt publiziert. In klinischen Prüfungen konnte das Fehlen einer Virusübertragung bei einem pasteurisierten FVIII-Produkt gezeigt werden [103][104]. Da die Virusinaktivierung von der Temperatur und der Zeit abhängt und die Stabilisatoren für die Plasmaproteine möglicherweise auch Viren zu stabilisieren vermögen, ist der Einfluss dieser Parameter auf die Virusinaktivierung gründlich zu prüfen; diese Forderung wird auch von den Zulassungsbehörden erhoben [27]. Die Virusvalidierungsstudien zeigten eine sehr hohe Inaktivierungskapazität für viele umhüllte und nichtumhüllte Viren [46][85][86]. In Untersuchungen bei CSL Behring konnte mit unterschiedlichen Zell-Virus-Systemen die breite Wirkung der Pasteurisierung gegen viele unterschiedliche umhüllte und nichtumhüllte Viren nachgewiesen werden: Die umhüllten Retroviren (HIV/MuLV), Flaviviren (BVDV, TBEV, WNV, YFV), Herpesviren (HHV-1, PRV, IBR), Paramyxoviren (MeV), Influenzaviren, Coronaviren (TGEV, SarsCoV) und die nichtumhüllten Picornaviren (Poliomyelitisvirus 1, HAV, PEV, EMCV) und Caliciviren (FCV) werden durch die Pasteurisierung effektiv inaktiviert. Tierische Parvoviren, die bekanntermaßen sehr stabil gegenüber physikalisch-chemischen Einflüssen sind, werden durch die Pasteurisierung jedoch nicht effektiv inaktiviert, im Gegensatz zu Parvovirus B19 (B19V), das durch Pasteurisierung unter sehr vielen Produktionsbedingungen effektiv inaktiviert wird [4][45].
19
zu geringe Restfeuchtigkeit kann die Virusinaktivierungskapazität verringern [5][97][101].
Trockenerhitzung Neben der Pasteurisierung findet noch die Hitzebehandlung des gefriergetrockneten Endprodukts Anwendung; dieser Virusinaktivierungsschritt wird hauptsächlich bei SD-behandelten Präparaten eingesetzt, um auch nichtumhüllte Viren zu inaktivieren und somit die Lücke der SD-Behandlung hinsichtlich eines virussicheren Endproduktes zu schließen. Bei der Trockenerhitzung, die üblicherweise bei entweder 100 °C für 30 min oder bei 80 °C für 72 h erfolgt, ist die Restfeuchtigkeit von großer Bedeutung: Zu hohe Restfeuchtigkeit kann das Plasmaprotein schädigen,
γ-Bestrahlung Zur Inaktivierung von Viren in einer AlbuminLösung bzw. in einer Präparation monoklonaler Antikörper wurde eine γ-Bestrahlung erfolgreich geprüft [43][79]. Die γ-Bestrahlung der aus Urin isolierten Urokinase führte ebenfalls zu einer sehr effektiven Virusinaktivierung [1]. Diese Bestrahlung führte nach Angabe der Autoren zu einer geringen Aggregation und Fragmentierung von Albumin; die Infektiosität von Prionen wurde um 1,5 log10-Stufen inaktiviert. Geht man davon aus, dass das infektiöse Prinzip von Prionen allein das falsch gefaltete Protein ist, führte die Bestrahlung zu einer Proteininaktivierung von etwa 97 %. Bei der Untersuchung mit Urokinase wurde 8 % der Urokinaseaktivität inaktiviert. Die Bestrahlung der monoklonalen Antikörper wurde in Gegenwart des Antioxidationsmittels Ascorbinsäure durchgeführt, was zu einem signifikanten Schutz der Antikörper beitrug. UV-Licht Die Bestrahlung mit UV-Licht der Wellenlänge 254 nm (UVC), bei der Nukleinsäuren maximal und Proteine wenig adsorbieren, ist eine bekannt Methode zur Inaktivierung von Pathogenen. Deshalb wurde dieses Verfahren in der präklinischen Entwicklung von Biologika schon seit über 20 Jahren geprüft [16][48]. Da die UVC-Bestrahlung auch Proteine denaturiert, wurden schon frühzeitig Stabilisatoren gesucht, die die Proteine, jedoch nicht die Viren, schützen. So wurde z. B. Rutin als geeigneter Stabilisator beschrieben [15][76]. Da die Technik der validierten Bestrahlung Schwierigkeiten bereitet, wurde diese Methode zur Virusinaktivierung nicht intensiv weiterverfolgt. Zwischenzeitlich gibt es jedoch Bestrahlungsgeräte, die die Bedingungen einer validierbaren Bestrahlung erfüllen [105]. Mit einem solchen Gerät wurden Präparationen des α1-Proteinaseinhibitors und von monoklonalen Antikörpern bestrahlt und keine signifikante Modifikation der Proteine beschrieben [75][114]. Die Einführung dieser Methode zur Virusinaktivierung und die Zulassung eines Plasmaproteinpräparates steht jedoch noch aus.
Chemische Verfahren Solvent-Detergens-Behandlung Diese Methode zur Virusinaktivierung wurde in den USA Anfang der 1980er Jahre entwickelt. Das Verfahren beruht auf der Erfahrung bei der Differenzierung zwischen umhüllten und nichtumhüllten Viren; so sind umhüllte Viren empfindlich gegenüber organischen Lösungsmitteln wie Chloroform oder Ether. Die Anwendung dieses Prinzips wurde bei der Impfstoffherstellung genutzt, wobei z. B. das
281
19.7 • Rekombinante Plasmaproteine
19
nichtexplosive Lösungsmittel Tri-(n-Butyl-)Phosphat (TNBT) eingesetzt wurde [84]. Zur Optimierung der Virusinaktivierungskapazität in Plasmaintermediaten wurden Detergenzien wie Ethylether, Cholat, Tween 80 oder Triton X100 zugegeben. Das erste SD-behandelte FVIII-Produkt wurde 1985 in den USA zugelassen [56]. Nach der SD-Behandlung müssen die Komponenten wieder aus dem Zwischenprodukt eliminiert werden, was - üblicherweise durch einen Chromatographieschritt - zu einem hohen Prozentsatz gelingt. Vor der SD-Behandlung sollte die Proteinlösung frei von großen Aggregaten sein, die Viren umschließen und damit vor der Behandlung schützen können. In Validierungsuntersuchungen sollten Prozessparameter wie Konzentration der SD-Komponenten und Fettgehalt des Zwischenproduktes geprüft werden. Eine Zusammenstellung der Ergebnisse von Virusvalidierungsstudien bei Immunglobulinen (i. m. und i. v.), FVIII und FIX, bei der die Parameter Proteinkonzentration, pH-Wert, Temperatur und Konzentration der SD-Komponenten untersucht worden waren, zeigen, dass von diesen Parametern nur die Konzentration der SD-Komponenten einen Einfluss auf die Virusinaktivierungskapazität hat, wenn die Konzentration etwa 10 % oder weniger der vorgegebenen Konzentration (üblicherweise 0,3 % TNBP (Tri(n-Butyl)Phosphat und 1 % Detergens Natriumcholat, Tween 80 oder Triton X100) beträgt [22]. Diese Untersuchungen belegen die sehr effektive und robuste Inaktivierung umhüllter Viren durch die SD-Behandlung.
miniert werden können [70][87]. Unter bestimmten Bedingungen wie einem erhöhten Gehalt an Aminosäuren scheinen Parvoviren und Picornaviren zu aggregieren und können dann leichter durch Virusfilter entfernt werden [117]; inwieweit diese Beobachtung auf andere Produkte/Produktzusammensetzungen übertragbar ist und ein robustes Verfahren darstellt, sollte für jedes Präparat einzeln untersucht werden. Umfangreiche Untersuchungen mit verschiedenen Produkten bestätigen die Kapazität der Virusfiltration, Viren effektiv aus Zwischenprodukten zu entfernen [11][38][54][100][109]. Die meisten Verfahren zur Reinigung von Proteinen entfernen auch Viren; somit tragen diese Verfahren, auch wenn sie keinen effektiven Virusreduktionsschritt darstellen, zur Gesamtvirusreduktion des Herstellungsverfahrens bei. Um die Sicherheitsmarge von Plasmaproteinen bezüglich einer möglichen Virusübertragung zu erhöhen, werden in das Herstellungsverfahren von Plasmaproteinen weitere virusinaktivierende und/oder virusentfernende Schritte eingeführt. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die klinische Sicherheit des Präparates erhalten bleibt [30]. So hatte die Einführung eines Pasteurisierungsschrittes bei einem SD-behandelten FVIII-Präparat eine starke Erhöhung der Inhibitorinduktion bei den behandelten Hämophiliepatienten zur Folge [95].
Niedriger pH-Wert
19.6
Bei der Produktion von Immunglobulinen, insbesondere IVIG, erfolgt eine Inkubation der Antikörper bei niedrigem pH-Wert (etwa pH 4) in einem Zwischenprodukt und/oder im Endprodukt. Dieser niedrige pH-Wert, manchmal kombiniert mit einer geringen Konzentration an Proteasen, inaktiviert umhüllte Viren [96], insbesondere bei höherer Temperatur [65], sowie einige nichtumhüllte Viren; interessanterweise werden B19V, nicht jedoch tierische Parvoviren, bei dieser Behandlung sehr effektiv inaktiviert [6].
Nukleinsäure-interkalierende Substanzen Behandlung mit in die Nukleinsäure interkalierenden Chemikalien wurden für Plasmaderivate und insbesondere Blutkomponenten untersucht [20][74][81][92]. Da diese mutagenen Substanzen auch Proteine modifizieren [64] und möglichst vollständig entfernt werden müssen, damit sie im Endprodukt nicht mehr vorhanden sind, ist keines dieser Verfahren bisher für Plasmaderivate zugelassen. Weitere Methoden zur Virusinaktivierung wie Hochdruckverfahren oder Kurzzeiterhitzung werden noch in Forschungslaboren auf ihre Anwendbarkeit untersucht.
19.5.2
Virusentfernung
Neben gezielten Herstellungsschritten zur Pathogeninaktivierung gibt es seit etwa 15 Jahren ein Verfahren zur Entfernung von Viren, das ausschließlich der Verbesserung der Infektionssicherheit dient, die Virusfiltration (fälschlicherweise auch Nanofiltration genannt). Ähnlich wie in der Sterilfiltration werden Filtermembranen benutzt, die eine Ausschlussgröße für Viren haben, d. h., die Porengröße ist je nach Hersteller und Filtermembran/-hohlfaser in der Größenordnung von 12–20 nm, 18–25 nm, 35–50 nm oder 70–100 nm. Die Möglichkeiten der Virusfiltration sind dadurch begrenzt, dass Filter, die kleine, nichtumhüllte Viren zurückhalten, auch einen nennenswerten Anteil großmolekularer Proteine zurückhalten. Ein Sonderfall liegt jedoch bei Immunglobulinen vor, da Viren mit den Immunglobulinen Komplexe bilden und die Komplexe dann eli-
Verfahren zur Prionenreduktion
Aus Studien an verschiedenen Tierarten ist bekannt, dass die Erreger bestimmter spongiformer Enzephalopathien mit dem Blut infizierter Tiere übertragen werden können. Deshalb wurden und werden Untersuchungen durchgeführt, um das Risiko einer Übertragung des Erregers der varianten Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (vCJD) abschätzen zu können. Diese Untersuchungen werden entsprechend den Vorgaben der europäischen Behörde durchgeführt [28][29]. Viele Untersuchungen bestätigen, dass Prionen durch Reinigungsverfahren bei der Herstellung von Plasmaderivaten zuverlässig eliminiert werden können, weil sich die hydrophoben, relativ unlöslichen Prionproteine deutlich von Plasmaproteinen unterscheiden [9][12][35][36]. Die Präzipitation von Prionen führt – aufgrund ihrer Hydrophobizität – zu deren Aggregation, die auch nach Lösen des Präzipitates (meistens) erhalten bleibt [98]. Aufgrund des Herstellungsverfahrens durch Alkoholpräzipitationsschritte (nach Cohn) kann davon ausgegangen werden, dass Immunglobuline, α1-Proteinaseinhibitor und Albumin eine hohe Prionensicherheit besitzen [8][42][113]. Für Plasmaderivate aus Kryopräzipitat und aus Zwischenprodukten mit niedrigem Alkoholgehalt (Fraktionierung nach Cohn) kann ebenfalls eine ausreichende Prionensicherheit gegeben sein, die durch die Evaluierung des produktspezifischen Herstellungsverfahrens zu belegen ist [44]. 19.7
Rekombinante Plasmaproteine
Die Herstellung rekombinanter Proteine erfolgt in Zellkulturen, in die mit gentechnischen Methoden das Genom des zu exprimierenden Proteins eingeschleust worden ist. Die Zellen werden dann in Fermentern vermehrt und das gewünschte Protein aus der Fermenterernte gereinigt [90]. Alternativ können Proteine in transgenen Tieren vermehrt werden; sie werden dann hauptsächlich aus der Milch dieser Tiere gewonnen [24].
282
Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
Die Verfahren zur Reinigung und Konzentrierung der Proteine sind vergleichbar den Verfahren, die bei der Herstellung von Proteinen aus Plasma angewandt werden, d. h. Fällungs- und Chromatographieschritte. Wie bei Plasmaproteinen beruht die Pathogensicherheit bei rekombinanten Proteinen ebenfalls auf drei Säulen: 1. Testung des Ausgangsmaterials: Spender/Spende bei Plasmaproteinen, Zellkultur bzw. Tier/Tierherde bei rekombinanten Proteinen, 2. Testung des Pools: Fraktionierpool bei Plasmaproteinen, Pool von Fermenterernten (»unprocessed bulk«) bei rekombinanten Proteinen aus Zellkultur und Milchpool bei transgenen Tieren, 3. Herstellungsverfahren mit virusreduzierenden Schritten, deren Kapazität in Virusvalidierungsstudien untersucht worden ist. Entsprechend der internationalen Richtlinie Q5A zur Qualität biotechnologischer Produkte [26] sind die Zellen gründlich auf Viren zu prüfen; die Quantifizierung von Retroviren bzw. Retrovirus-ähnlichen Partikeln in der Fermenterernte muss durchgeführt werden, um – basierend auf der Kapazität des Herstellungsverfahrens, diese Viren zu inaktivieren und/oder zu entfernen – die Sicherheitsmarge im Endprodukt für diese Viren zu bestimmen. Da während der Zellkultivierung unerwünschte Viren in das Zellkulturmedium gelangen und damit die Zellen infizieren können, muss das Herstellungsverfahren auch möglicherweise vorhandene Viren inaktivieren und/oder entfernen. Um die Gefahr einer solchen Viruskontamination des Endproduktes zu minimieren, werden die Fermenterernten auf das Vorkommen solcher »adventitious viruses« untersucht. Hierfür werden üblicherweise 3 verschiedene Zelllinien eingesetzt: mindestens eine Zelllinie derselben Spezies wie die Produktionszellline und eine humane Zelllinie um Viren, die aus der Produktionszelllinie stammen und Viren, die über die Mitarbeiter in den Fermenter gelangen könnten, ohne »Speziesbarriere« nachweisen zu können. Eine vergleichbare Vorgehensweise wird auch bei Proteinen aus transgenen Tieren eingehalten. Eine Richtlinie für Proteine aus transgenen Tieren hat z. B. die FDA 1995 erarbeitet: »Points to Consider in the manufacture and testing of therapeutic products for human use deived from transgenic animals« (U.S. Food and Drug Administration/Center for Biologics Evaluation and Research, 1995). Die Reinigung der rekombinanten Proteine schließt die Entfernung von Wirtsprotein und -DNA aus der Zellkultur ein; hierbei sind vorgeschriebene Konzentrationen einzuhalten (bei weniger als 100 pg zellulärer DNA/Dosis kann ein theoretisches Risiko für den Patienten bezüglich Tumorogenität oder Kanzerogenität ausgeschlossen werden). 19.8
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Qualitätsmanagement bei der Produktion von Plasmaderivaten
Arzneimittel müssen so hergestellt werden, dass ihre Eignung für den vorgesehenen Gebrauch gewährleistet ist, sie den im Rahmen der Zulassung spezifizierten Anforderungen entsprechen und die Patienten keiner Gefahr wegen unzureichender Sicherheit, Qualität oder Wirksamkeit ausgesetzt sind. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein System zur Qualitätssicherung zu implementieren, das die gute Herstellungspraxis (GMP) und damit die Qualitätskontrolle beinhaltet; dieses System ist vollständig zu dokumentieren und seine Funktionstüchtigkeit zu überwachen. Alle Bereiche des Qualitätssicherungssystems sollten angemessen mit kompetentem Personal sowie mit geeigneten und ausreichenden Räumlichkeiten und Aus-
rüstungen ausgestattet sein. Dieses Qualitätssicherungssystem stellt u. a. sicher, dass Arzneimittel unter Berücksichtigung der Anforderungen der guten Herstellungspraxis und der guten Laborpraxis konzipiert und entwickelt werden, die Herstellungs- und Prüfverfahren klar spezifiziert sind, alle notwendigen Prüfungen der Zwischenprodukte sowie alle weiteren Inprozesskontrollen und Validierungen durchgeführt werden und schließlich das Fertigprodukt nach den festgelegten Verfahren ordnungsgemäß angefertigt und geprüft wird.
19.8.1
Gute Herstellungspraxis (GMP)
Gute Herstellungspraxis (GMP) ist der Teil der Qualitätssicherung, der gewährleistet, dass die Produkte gleichbleibend nach den Qualitätsstandards hergestellt und geprüft werden, die der vorgesehenen Verwendung und den Zulassungsunterlagen oder der Produktspezifikation entsprechen. GMP betrifft sowohl die Produktion als auch die Qualitätskontrolle. Folgende grundlegenden Anforderungen sind einzuhalten: Alle Herstellungsvorgänge sind klar definiert und nachweislich geeignet – durch Validierung belegt –, um Arzneimittel gleichbleibender Qualität und Spezifikation entsprechend den genehmigten Verfahrensbeschreibungen und Anweisungen herzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist u. a. Folgendes erforderlich: Räumlichkeiten und Ausrüstung sind so angeordnet und ausgelegt, dass sie für die beabsichtigten Zwecke geeignet sind und dass das Risiko von Fehlern minimal und eine gründliche Reinigung und Wartung möglich ist, um Verunreinigungen und Kreuzkontamination zu vermeiden. Die Reinigung und Sanatisierung von Ausrüstung und Material (z. B. Chromatographieharze) mit NaOH oder alkalischen Reinigungsmitteln führt zur Entfernung und Inaktivierung von Viren und Prionen [2][7][34][63][112]. Während der Herstellung werden manuell und/oder mit Aufzeichnungsgeräten Herstellungsprotokolle erstellt, aus denen hervorgeht, dass alle nach den festgelegten Verfahren und Anweisungen erforderlichen Schritte tatsächlich durchgeführt wurden und die erhaltene Menge und Qualität des Produktes den Erwartungen entsprach. Alle wesentlichen Abweichungen werden vollständig aufgezeichnet und untersucht; diese Aufzeichnungen einschließlich Aufzeichnungen über den Vertrieb, anhand derer sich die vollständige Geschichte einer Charge zurückverfolgen lässt, werden in zugänglicher und nachvollziehbarer Form aufbewahrt. Um eine zusätzliche Sicherheit und Chargentrennung zu erzielen, wird das Produktionsverfahren bei Plasmaderivaten in zwei Bereiche geteilt: einen vor und einen nach dem virusinaktivierenden Verfahrensschritt. In beiden Bereichen sind Geräte und Materialien vorhanden, die nicht zwischen den Bereichen getauscht werden. Das Personal kann ebenfalls nicht zwischen beiden Bereichen wechseln; dies trifft auch für technisches Personal oder Personal der Qualitätskontrolle zu, die an einem Arbeitstag höchstens vom »Nach-Bereich« in den »Vor-Bereich« gelangen.
19.8.2
Qualitätskontrolle
Qualitätskontrolle ist der Teil der guten Herstellungspraxis, der sich mit Probenahme, Spezifikationen und Prüfungen sowie Organisations-, Dokumentations- und Freigabeverfahren befasst, mit denen gewährleistet wird, dass die jeweils notwendigen und relevanten Prüfungen tatsächlich durchgeführt werden und dass sowohl die benötigten Materialien als auch die hergestellten Produkte für Ver-
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Literatur
kauf oder Auslieferung erst freigegeben werden, wenn ihre Qualität als zufriedenstellend beurteilt wurde. Die grundlegenden Anforderungen an die Qualitätskontrolle sind u. a. folgende: geeignete Einrichtungen, geschultes Personal und genehmigte Verfahrensbeschreibungen für die Probenahme und Prüfung von Ausgangsstoffen, Verpackungsmaterial, Zwischenprodukten, Bulkware sowie Fertigprodukten und, soweit dies die gute Herstellungspraxis erfordert, für die Überwachung der Umgebung; die entsprechenden Prüfmethoden sind validiert und die Protokolle zeigen, dass alle erforderlichen Probenahmen, Kontroll- und Prüfverfahren tatsächlich durchgeführt wurden und die Fertigprodukte die Wirkstoffe enthalten, die qualitativ und quantitativ der zugelassenen Zusammensetzung entsprechen und die erforderliche Reinheit aufweisen. Außerdem werden Rückstellmuster von Ausgangsstoffen und Produkten in ausreichender Menge aufbewahrt, um das Produkt nötigenfalls später untersuchen zu können.
19.8.3
Hämovigilanz
Die Hämovigilanz ist eine Reihe von systematischen Überwachungsverfahren im Zusammenhang mit ernsten unerwünschten oder unerwarteten Reaktionen beim Patienten. Der Hersteller von Arzneimitteln hat ein System einzuführen, um die Rückverfolgbarkeit des Arzneimittels und eine rasche Reaktion auf verdächtige Muster unerwünschter Ereignisse zu gewährleisten. Dieses System soll Beanstandungen systematisch aufzeichnen und überprüfen und wirkungsvolle systematische Vorkehrungen treffen, damit die Arzneimittel jederzeit schnell vom Markt zurückgerufen werden könnten.
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Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
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286
117
118 119
19
Kapitel 19 • Plasmafraktionierung und therapeutische Plasmaproteine
Yokoyama T, Murai K, Murozuka T, Wakisaka A, Tanifuji M, Fujii N, Tomono T (2004) Removal of small non-enveloped viruses by nanofiltration. Vox Sang 86:225–229 Zimmerman TS (1988) Purification of factor VIII by monoclonal antibody afinity chromatography. Semin Haematol 25 (Suppl 1):25–26 Zimmerman TP (2006) Yield improvement for manufacture of α1 proteinase inhibitor. Vox Sang 91:309–315
287
Therapie mit Blutkomponenten Kapitel 20
Technik der Bluttransfusion – 289 A. Greinacher
Kapitel 21
Akuter Blutverlust in der operativen Medizin – 297 T. Scheeren, S. M. Hergert und G. Nöldge-Schomburg
Kapitel 22
Therapie mit Erythrozyten – 311 A. Salama und M. Welte
Kapitel 23
Therapie mit Granulozyten – 321 J. Bux und U. J. H. Sachs
kapitel 24
Therapie mit Thrombozyten – 327 H. Kroll und V. Kiefel
III
289
Technik der Bluttransfusion A. Greinacher
20.1
Vorbereitung der Transfusion – 290
20.1.1 20.1.2 20.1.3 20.1.4 20.1.5
Lagerung von Blut auf der Station – 290 Identitätssicherung, Bed-side-Test und Dokumentation – 290 Venöser Zugang – 290 Gleichzeitige Infusionen – 291 Transfusionsgerät – 291
20.2
Durchführung der Transfusion – 291
20.2.1 20.2.2 20.2.3
Beginn – 291 Transfusionsgeschwindigkeit – 291 Beendigung – 292
20.3
Erwärmen von Blut – 292
20.4
Transfusionen bei kleinen Kindern – 293
20.4.1 20.4.2
Transfusion mit der Perfusorspritze – 293 Wärmen von Blut für Neugeborene – 293
Literatur – 294
20
290
20
Kapitel 20 • Technik der Bluttransfusion
Die lege artis durchgeführte Bluttransfusion ist eine wichtige Voraussetzung für ihre Sicherheit und Wirksamkeit. Sie erfordert die Beachtung von Regeln, die im Folgenden zusammengefasst sind. Diese Regeln sollten für jede Abteilung angepasst und schriftlich festgehalten werden.
20.1
Vorbereitung der Transfusion
20.1.1
Lagerung von Blut auf der Station
Die Dauer der Lagerungsfähigkeit von Blutprodukten hängt von der Einhaltung der optimalen Lagerungsbedingungen ab (7 Kap. 16). Diese können auf einer normalen Krankenstation in der Regel nicht eingehalten werden. Deshalb dürfen dort Blutkomponenten nur für den unerlässlich notwendigen Zeitraum bis zu ihrer Verwendung am Krankenbett aufbewahrt werden. Die Lagerung von Erythrozytenkonzentraten bei mehr als 8 °C erhöht das Risiko eines bakteriellen Wachstums in der Blutkonserve. Eine Vollblutkonserve erwärmt sich bei Raumtemperatur in 30 min von 4 °C auf ca. 6 °C [23]; für Erythrozytenkonzentrate, die sich physikalisch ähnlich verhalten, liegen keine genauen Daten vor. Daher sollte sobald wie möglich entweder mit der Transfusion begonnen oder dafür gesorgt werden, dass die nicht benötigten Blutkonserven ins Blutdepot zurückgebracht werden [22]. Wie alle Blutkonserven sollte auch Frischplasma möglichst bald nach Erhalt transfundiert werden. Thrombozytenkonzentrate müssen bei 21–24 °C aufbewahrt und regelmäßig durchmischt werden. Durch Lagerung im Kühlschrank werden Thrombozyten irreversibel geschädigt.
20.1.2
Identitätssicherung, Bed-side-Test und Dokumentation
Zum Zeitpunkt der Transfusion wird die Blutkonserve eröffnet und dem Patienten übertragen. Neben den Risiken immunologischer Unverträglichkeitsreaktionen und der Übertragung pathogener Viren besteht auch die Gefahr, dass mit der Blutkonserve Bakterien und Gerinnsel transfundiert oder die zu transfundierenden Zellen durch physikalische oder chemische Einwirkungen geschädigt werden. Die meisten tödlich verlaufenden hämolytischen Transfusionsreaktionen werden durch ABO-inkompatible Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten verursacht [11][27]. Trotz unauffälliger Kreuzprobe darf nicht von einer sicheren Verträglichkeit ausgegangen werden, da das eingesandte Patientenblut verwechselt oder bei Abnahme falsch etikettiert worden sein kann. Vor jeder Transfusion muss die Identität des Empfängers gesichert und bei der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten seine Blutgruppe unter direkter Kontrolle des transfundierenden Arztes mit dem Bed-side-Test überprüft werden. Das hierfür verwendete Patientenblut muss direkt vor der Durchführung des Bed-side-Testes abgenommen werden. Keinesfalls darf hierbei auf bereits im Stationszimmer gelagerte Blutproben zurückgegriffen werden. Dies gilt insbesondere auch in Notfällen, da es in diesen Situationen besonders leicht zu Verwechslungen kommen kann. Die weitaus häufigste Ursache einer Fehltransfusion ist die Transfusion einer Konserve an den falschen Patienten (Verwechslung). Das Risiko einer Konserven- bzw. Patientenverwechslung wird auf 1 in 400 (Belgien) [2], 1 in 19.000 (USA) [17] oder 1 in 27.000 Fällen (Schottland) [12] geschätzt. In einer retrospektiven Untersuchung [5], die 24 transfu-
sionsmedizinische Einrichtungen in Deutschland umfasste (15 UniKliniken, 5 Städtische Kliniken, 2 kleinere Krankenhäuser, 2 DRKBlutspendedienste), ergab sich ein Risiko für erkannte und gemeldete Transfusionsverwechslungen von 1:36.000 Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten. Zwei der betroffenen 32 Patienten sind verstorben, 9 mussten intensivpflichtig behandelt werden. Bei 28 der 32 Patienten wurde ein Bed-side-Test durchgeführt, in 16 Fällen trat die Verwechslung zwischen Bed-side-Test und Beginn der Transfusion auf. Wir haben aus diesem Grund für das eigene Klinikum geregelt, dass der im weiteren beschriebene Transfusionsvorgang – also vom Beginn der Identitätssicherung bis zum Beginn der Transfusion – als eine Einheit zu betrachten ist, die von einem Arzt durchgeführt und nicht unterbrochen werden darf. Im Falle einer Unterbrechung (z. B. Notfall auf der Intensivstation), muss der transfundierende Arzt wieder mit der Identitätssicherung beginnen. Der transfundierende Arzt muss persönlich die korrekte Beschriftung der Blutkonserve, ihr Verfalldatum und ihre einwandfreie Zuordnung zum Patienten überprüfen sowie auf die Unversehrtheit der Konserve, auf Koagelbildung und Verfärbungen als mögliche Hinweise auf eine Verkeimung sowie auf Hämolyse achten. Auffällige Blutkonserven dürfen nicht verwendet werden. Durch die strikte Einhaltung dieser Kontrollen können viele unerwünschte Wirkungen der Transfusion vermieden werden. Die rechtliche Verantwortung für die richtige Deklaration der Blutkonserve obliegt dem Hersteller. Eine Überprüfung der Blutgruppe vor der Transfusion ist nur noch bei Eigenblut notwendig. Die benötigte Blutprobe ist aus einem abgeschweißten Schlauchsegment zu entnehmen. Keinesfalls darf hierfür die Konserve eröffnet werden. Die bei einigen Blutspendediensten immer noch üblichen »Pilotröhrchen« (an der Konserve befestigte 10-ml-Röhrchen mit Spenderblut) sind eine weitere Risikoquelle für Verwechslungen. Von ihrer Verwendung wird abgeraten. Die sorgfältige Dokumentation des Transfusionszeitpunktes, der Patientendaten, der Konservennummer und des Ergebnisses des Bed-side-Testes in der Krankenakte muss sichergestellt sein. Aus hygienischen Gründen ist das Abheften der Testkarte in der Krankenakte problematisch (Hepatitisübertragung!). Besser ist die Übertragung des Ergebnisses auf ein Formblatt bzw. mittels eines Stempels in die Krankenakte (. Abb. 20.1). Wir haben für die Dokumentation auf dem Konservenbegleitschein ein Dokumentationsfeld für das Ergebnis des Bed-side-Tests und die Unterschrift des transfundierenden Arztes eingefügt. Der Konservenbegleitschein wird in der Krankenakte abgeheftet. Bei aller Sorgfalt gegenüber der zu transfundierenden Blutkonserve sollte der Patient nicht vergessen werden. Viele Patienten sind hinsichtlich der Gefahren einer Bluttransfusion verunsichert. Die angemessene Aufklärung des Patienten vor der Transfusion ist zwingend vorgeschrieben (7 Kap. 15). Daneben sollten vor jeder Transfusion Blutdruck, Puls und Temperatur des Patienten dokumentiert werden.
20.1.3
Venöser Zugang
Die Zufuhr von Blutkonserven erfolgt über periphere Venen, möglichst des Armes. Der venöse Zugang sollte so gewählt werden, dass er für den Patienten nicht besonders schmerzhaft ist, jedoch eine ausreichend große Fließrate erlaubt. Bei Erwachsenen und großen Kindern sollten Kanülen mit einem Innendurchmesser von 18 oder 19 gg, für kleinere Kinder 23-gg-Kanülen verwendet werden. Bei langsamer Fließrate tritt auch bei 27-gg-Kanülen keine erhöhte Hämolyse auf [10].
Grundsätzlich können Blutprodukte sowohl über Stahl- als auch über Kunststoffkanülen transfundiert werden. Kunststoffkanülen sind verbreiteter, da sie seltener die Gefäßwand verletzen. Wie bei jeder Gefäßpunktion muss auch bei der Vorbereitung zur Transfusion aseptisch gearbeitet werden. Die Durchlässigkeit eines bereits liegenden intravenösen Katheters ist vor der Transfusion zu prüfen. Ist ein verwendeter venöser Zugang bereits mit Mehrfachanschlüssen versehen, sollten die anderen Anschlüsse bzw. Schläuche vor Beginn der Transfusion nach Möglichkeit entfernt werden, um eine Schädigung der Zellen durch Infusionslösungen zu vermeiden.
20.1.4
Gleichzeitige Infusionen
Zu Blut und Blutkomponenten dürfen keine anderen Medikamente zugefügt werden. Physiologische Kochsalzlösung ist die einzige Elektrolytlösung, die mit Blutzellen über den gleichen Zugang gegeben werden darf. Der früher übliche Zusatz von physiologischer Kochsalzlösung zu Erythrozytenkonzentraten mit hohem Hämatokrit ist wegen der guten Fließeigenschaften Buffy-coat-freier Erythrozytenkonzentrate mit additiver Lösung nicht notwendig und wegen der Gefahr der bakteriellen Kontamination zu unterlassen. Ringer-Lösung enthält genügend Calcium, um das Citrat der Blutkonserve zu neutralisieren und Mikrothromben zu verursachen. Glucoselösungen sind hyperton, der Zucker diffundiert in die Erythrozyten, die durch das nachströmende Wasser hämolysieren [25]. Zu beachten ist, dass Elektrolytlösungen längere Zeit im Schlauch verbleiben und sich mit der Blutkonserve vermischen. Wird Blut über einen Schlauch transfundiert, durch den zuvor eine Elektrolytlösung infundiert wurde, sind nach 10 min noch 25 % und nach 30 min noch 10 % der Lösung im Schlauch vorhanden [25]. Sollen Blutkonserven über einen venösen Katheter transfundiert werden, über den andere Flüssigkeiten infundiert wurden, muss dieser erst mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden. Dies ist besonders wichtig bei der Transfusion über lange zentralvenöse Katheter.
20.1.5
Transfusionsgerät
Zellhaltige Blutprodukte und Plasma müssen über ein steriles, pyrogenfreies Transfusionsgerät transfundiert werden. Das Transfusionsgerät besteht aus einem Kunststoffschlauch, der mit einem Luer-Anschlussstück, einem Punktionsdorn zum Anschluss an die Konserve, einer Tropfkammer und einem Filter verbunden ist, um Gerinnsel und größere Zellaggregate zurückzuhalten. Für Plasmaprodukte wie Albumin, Gerinnungsfaktoren und Immunglobuline sind Filter nicht erforderlich; die Empfehlungen des Herstellers sollten jedoch im Einzelfall berücksichtigt werden. Standardfilter (DIN 58 360) haben eine Porengröße von 170– 260 μm. Sie sind für die Transfusion von Erythrozyten, Thrombozyten und Plasma geeignet. In allen Filtern sammeln sich große Proteinmengen. Diese sind ein idealer Nährboden für Bakterien. Deshalb sollten Filter nicht länger als 6 h benutzt werden, auch wenn sie eine Filterkapazität für bis zu 10 Erythrozytenkonzentrate besitzen. Mikroaggregatfilter haben eine Porengröße von 10–40 μm. Sie entfernen Fibrinfäden sowie kleinere Zellaggregate. Ihre Wirksamkeit und klinische Bedeutung (Vorbeugung eines weiteren Throm-
20
291
20.2 • Durchführung der Transfusion
Empfänger Anti-A
Anti-B
Konserve Anti-A
Anti-B
Konserve Anti-A
Anti-B
(+ Agglutination, – keine Agglutination) Blutgruppe:
Blutgruppe:
Blutgruppe:
Patient:
Produkt-Nr.:
Produkt-Nr.:
Datum, Unterschrift:
. Abb. 20.1 Stempelvorlage zur Dokumentation der Kreuzprobe in der Krankenakte
bozytenabfalls bei thrombozytopenischen Patienten [3], Verhinderung von Lungenfunktionsstörungen und Mikrozirkulationsstörungen nach Massivtransfusionen) sind umstritten, insbesondere bei der Verwendung Buffy-coat-armer Erythrozytenkonzentrate in additiver Lösung (Übersicht: [6][9]). Sie halten 3–6 % der Thrombozyten aus Thrombozytenkonzentraten zurück, führen jedoch zu keiner relevanten Zellaktivierung [28]. Ein Nachteil der Mikroaggregatfilter in Notfallsituationen ist die reduzierte Fließgeschwindigkeit des Blutes. Werden Mikroaggregatfilter verwendet, sind die Empfehlungen des Herstellers im Einzelfall zu beachten. 20.2
Durchführung der Transfusion
20.2.1
Beginn
Nach Untersuchung des Patienten, Kontrolle seiner Blutgruppe im Bed-side-Test und Dokumentation der Ergebnisse wird unter Einhaltung der Sterilität die Verschlusskappe der Konservenöffnung entfernt und der Dorn des Transfusionsbestecks in die Konservenöffnung eingestochen. Vorher sollte die Regulationsschraube am Transfusionsschlauch geschlossen werden, um ein Auslaufen zu vermeiden. Beim Einführen des Dorns in den Blutbeutel muss darauf geachtet werden, dass dessen Spitze die Plastikwand der Konserve nicht verletzt. Wird die Konserve versehentlich beschädigt, muss sie verworfen werden. Zur Füllung der Tropfkammer wird der Blutbeutel so gehalten, dass die Öffnung nach oben zeigt. Dann wird die Verschlussschraube des Transfusionsschlauchs geöffnet und das Schauglas unter leichtem Druck auf den Blutbeutel von unten nach oben ca. 1/3 gefüllt. Danach wird die Konserve umgedreht, der Rest des Schlauchs gefüllt und die Verschlussschraube wieder geschlossen. Der vollständig gefüllte Schlauch wird an den Luer-Adapter des intravenösen Katheters angeschlossen.
20.2.2
Transfusionsgeschwindigkeit
Die Einleitung des Transfusionsvorgangs, d. h. die Transfusion der ersten Blut- oder Blutbestandteilkonserve muss durch den transfundierenden Arzt erfolgen. Der Patient muss während der ersten 10 min der Transfusion beobachtet werden, da sich anaphylaktische Reaktionen sowie die klinischen Zeichen einer akuten hämolyti-
292
20
Kapitel 20 • Technik der Bluttransfusion
schen Transfusionsreaktion (7 Kap. 37) in der Regel in dieser Zeit bemerkbar machen. Danach sollte der Patient regelmäßig bis zum Ende der Transfusion überwacht werden. Wird in einem Transfusionsvorgang, d. h. ohne Unterbrechung, mehr als eine Blutkonserve transfundiert, können die weiteren Transfusionen an Pflegepersonal delegiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Arzt vergewissert hat, dass die Zuordnung der Blutkonserven zum Patienten korrekt erfolgt ist. Die Konserven sollten sich hierfür bereits am Patientenbett befinden. Es gibt keine allgemein verbindliche Regel, wie schnell Blut transfundiert werden soll. Die Transfusionsgeschwindigkeit muss der klinischen Situation angepasst werden. Um die Gefahr des beschleunigten Bakterienwachstums in der Blutkonserve zu verringern, sollte diese innerhalb von 6 h nach Unterbrechung der Kühlung transfundiert werden. Werden einem kreislaufstabilen Erwachsenen nicht mehr als 500 ml übertragen, ist eine Transfusionsgeschwindigkeit von ca. 10 ml/min (ca. 20–25 min/Erythrozytenkonzentrat) sinnvoll. Ein Volumen von 1000 ml sollte hingegen in ca. 3–4 h transfundiert werden. Bei Patienten mit Herz- und/oder Niereninsuffizienz muss die Transfusionsgeschwindigkeit u. U. auf 1–2 ml/min reduziert werden, um eine Dekompensation zu vermeiden. Große Bedeutung hat die Transfusion von Blutprodukten mit sehr niedrigen Fließraten für die Pädiatrie. Hier haben sich elektromechanische Infusionspumpen für Perfusorspritzen bewährt [26]. Bei der Verwendung dieser Systeme muss darauf geachtet werden, dass alle Teile für positiven Druck geeignet sind, beispielsweise müssen alle Verbindungen durch Schraubverbindungen gesichert sein. Fließt das Blut langsamer als erwünscht, kann die Fließrate durch folgende Maßnahmen erhöht werden (modifiziert nach [1]): 5 Blutbeutel höher hängen, um den hydrostatischen Druck zu erhöhen; 5 Durchgängigkeit des venösen Zugangs prüfen; 5 prüfen, ob der Filter verstopft ist und diesen ggf. wechseln; 5 Anschluss eines zweiten Transfusionsgerätes. Die maximale Transfusionsgeschwindigkeit hängt von der klinischen Situation und der Größe des venösen Katheters ab (7 Kap. 21). In Notfällen kann es notwendig sein, große Blutmengen in kurzer Zeit unter Druck (maximal 300 mm Hg) zu transfundieren. Blutdruckmanschetten sind hierfür nicht geeignet, da sie keinen einheitlichen Druck auf den Blutbeutel gewährleisten und den Beutel beschädigen können. Spezielle Druckmanschetten für diesen Zweck umschließen den gesamten Blutbeutel.
20.2.3
Beendigung
Nach Beendigung der Transfusion sollten die Kreislaufparameter des Patienten nochmals überprüft und dokumentiert und der Patient noch 1 h überwacht werden. Das Behältnis mit dem Restblut sollte noch 24 h bei 2–8 °C aufbewahrt werden. Jede im zeitlichen Zusammenhang mit der Transfusion auftretende unerwünschte Wirkung kann ein Hinweis auf eine Transfusionsreaktion sein. Die Transfusion sollte in diesem Fall immer unterbrochen und der verantwortliche Arzt hinzugezogen werden. Sie muss jedoch nicht in jedem Fall abgebrochen werden. (Regeln für Sofortmaßnahmen bei Verdacht einer Transfusionsreaktion 7 Kap. 37).
20.3
Erwärmen von Blut
Gefrorenes Frischplasma muss vor der Transfusion möglichst schnell und schonend bei 37 °C aufgetaut werden. Thrombozytenkonzentrate dürfen grundsätzlich nicht gewärmt werden. Jede Erwärmung von Blutkonserven erhöht das Risiko eines vermehrten bakteriellen Wachstums. Bei der Transfusion von 3–4 Erythrozytenkonzentraten mit einer Fließrate von ca. 10 ml/min treten in der Regel keine unerwünschten, kältebedingten Wirkungen auf. Die Hauptgefahr der Hypothermie (Körperkerntemperatur <35 °C) ist die erhöhte Empfindlichkeit des Myokards gegenüber Kalium-, Calcium- und Medikamenten-induzierten Arrhythmien. Ursachen hierfür sind eine Abkühlung des AV-Knotens auf unter 33 °C [4] sowie ein durch Hypothermie verursachter erhöhter Kaliumaustritt aus den Erythrozyten bei gleichzeitiger Hypokalzämie aufgrund eines verminderten Citratabbaus. Unterkühlte Patienten sind weiterhin durch hypothermieinduzierte Thrombozytenfunktionsstörungen gefährdet [8][30]. Erythrozytenkonzentrate und Frischplasma sollten angewärmt werden [13][16] bei polytraumatisierten Patienten (große Wundflächen, Schock, niedrige Umgebungstemperatur am Unfallort) und bei Transfusionsraten von mehr als 50 ml/kgKG und h bei Erwachsenen oder 15 ml/kgKG und h beim Kleinkind [16][19][26]. Empfehlenswert ist die Wärmung von Blutbestandteilen und Infusionen bei langdauernden, großen Operationen. Dabei ist es immer sinnvoller, sterile Infusionslösungen anzuwärmen als Erythrozytenkonzentrate oder Frischplasma. In sehr seltenen Fällen kann es notwendig sein, Patienten mit hochtitrigen Kälteantikörpern mit gewärmten Erythrozytenkonzentraten zu transfundieren. Diese Patienten zeigen in der Regel bereits bei 20 °C klinische Symptome der autoimmunhämolytischen Anämie durch Kälteantikörper. Der alleinige Labornachweis kältereaktiver Antikörper ist keine Indikation zur Transfusion gewärmten Blutes. Eine weitere seltene Indikation für die Erwärmung von Erythrozytenkonzentraten ist gegeben bei Patienten, die auf den Kältereiz durch gekühltes Blut mit einem Vasospasmus reagieren [16]. Wird Blut vor der Transfusion vorgewärmt, so gilt für alle Methoden: 1. Zur Bluterwärmung dürfen nur für diesen Zweck zugelassene Geräte eingesetzt werden. 2. Erwärmtes Blut muss schnell transfundiert werden. Die Temperatur einer auf 37 °C erwärmten Vollblutkonserve fällt bei Raumtemperatur (21 °C) innerhalb von 5 min um 3 °C und innerhalb von 15 min um 5 °C ab [18]. Für Erythrozytenkonzentrate liegen keine genauen Daten vor. 3. Da die Gefahr des bakteriellen Wachstums besteht, dürfen erwärmte Blutkonserven nicht gelagert werden. Sie sollten gekennzeichnet werden, um eine Weitergabe an andere Patienten auszuschließen. Bei der Verwendung temperaturgeregelter Wasserbäder bzw. Schüttelwasserbäder sollte die Blutkonserve durch einen zweiten Kunststoffbeutel vor dem direkten Kontakt mit dem Wasser geschützt werden. Aus hygienischen Gründen (Verkeimungen des Wasserbades) sind Wasserbäder für Operationsräume nicht geeignet. Werden Wasserbäder im Labor zum Erwärmen von Blutkomponenten verwendet, müssen diese regelmäßig zum Ausschluss von Problemkeimen kontrolliert werden. Wesentlich besser geeignet zum Erwärmen von Blutkonserven sind Trockenwärmegeräte. In ihnen wird die Blutkonserve zwischen elektrisch geheizten Metallplatten oder mit warmem Wasser gefüllten Kissen erwärmt.
293
20.4 • Transfusionen bei kleinen Kindern
Diathermiegeräte, wie Mikrowellengeräte, sollten nicht mehr zur Erwärmung von Blutkonserven eingesetzt werden. Das grundsätzliche Problem dieser Geräte besteht darin, dass eine homogene Wärmeverteilung in einem Blutbeutel äußerst schwer zu erreichen ist. Die sichere Funktionsweise des Gerätes hängt stark vom Hämatokrit und der Füllmenge des Blutbeutels ab. Durch Wärmeinseln und Bedienungsfehler können Hämolyse und Proteindenaturierung verursacht werden. Aus diesen Gründen sind Mikrowellen- und andere Diathermiegeräte zur Bluterwärmung in den USA nicht mehr im Handel [13]. Durch einen speziellen Schüttelmechanismus und Abdeckvorrichtungen zur Abschirmung der Konservenränder wird bei modernen Diathermiegeräten versucht, unerwünschte Effekte zu vermindern. Werden Diathermiegeräte zur Bluterwärmung benutzt, sollten regelmäßig Qualitätskontrollen durchgeführt werden, um Fehlfunktionen rechtzeitig zu erkennen. In Durchflusserwärmern wird das Blut im Transfusionsschlauch während der Transfusion zwischen Metalleitern erwärmt. Diese Geräte erlauben die gleichmäßige Transfusion warmen Blutes, während die Gefahr der bakteriellen Verkeimung sehr gering ist. Eine Rückgabe von einmal erwärmtem Blut an die Blutbank und dessen Wiederverwendung ist bei dieser Methode sicher ausgeschlossen. Die meisten dieser Geräte sind jedoch nicht in der Lage, eine ausreichende Erwärmung des Blutes bei hohen Flussgeschwindigkeiten zu gewährleisten [7]. Deshalb sollten bei Massivtransfusionen Gegenstrombluterwärmer eingesetzt werden, die bis zu 750 ml Blut/min von 10 °C auf 35 °C erwärmen [6][13]. Hierbei entstehen Gasblasen. Daher ist bei Transfusionsgeräten, die eine hohe Fließrate erwärmten Blutes erlauben, die Möglichkeit zum Abfangen der Luftblasen im System vorgesehen. Durch die Zugabe von 60–70 °C heißer physiologischer Kochsalzlösung zu Erythrozytenkonzentraten kann die Konserventemperatur innerhalb kürzester Zeit auf ca. 37 °C erhöht werden. Eine klinisch relevante Erhöhung der Hämolyserate wurde bei diesem Verfahren nicht beobachtet [14]. 20.4
Transfusionen bei kleinen Kindern
Neu- und Frühgeborene haben nur eine geringe Toleranz gegenüber Volumen- und Temperaturschwankungen. Die Transfusionsrate muss daher bei diesen Patienten niedrig sein; zellhaltige Blutprodukte sollten auf ein möglichst kleines Volumen konzentriert werden (7 Kap. 31). 20.4.1
Transfusion mit der Perfusorspritze
Die Transfusionsgeschwindigkeit sollte beim Neugeborenen normalerweise 5–10 ml/kgKG und h betragen und wird am besten durch die Verwendung einer Perfusorspritze und einer geregelten Pumpe gewährleistet. Bei den hohen Temperaturen auf neonatologischen Intensivstationen ist die Gefahr des bakteriellen Wachstums in kontaminierten Blutprodukten besonders hoch. Daher muss zum einen bei der Herstellung dieser Präparate auf die strikte Einhaltung der Sterilität geachtet werden, zum anderen sollte die angeforderte Blutmenge innerhalb von 4 h transfundiert werden. Ideal für die Bereitstellung kleiner Transfusionsvolumina sind Schweißgeräte, die es erlauben, Konservenschlauch und Umfüllbehälter steril miteinander zu verbinden (SCD-Schweißgerät, Übersicht über technische Möglichkeiten: [15], 7 Kap. 16). Neben Perfusorspritzen können kleine Kunststoffbeutel (50– 100 ml) verwendet werden. Beide Systeme erlauben die mehrmali-
20
. Abb. 20.2 Ständer zur »Über-Kopf-Lagerung« von Erythrozytenkonzentraten. Nach erfolgter Spontansedimentation kann über den Schlauch ein Erythrozytenkonzentrat mit einem Hämatokrit von ca. 70–80 % in die Perfusorspritze umgefüllt werden
ge Entnahme kleiner Blutmengen aus einem Blutbeutel. Hierdurch kann die Anzahl der Spender pro Kind – und damit die Gefahr einer Infektion oder Immunisierung – gesenkt werden. Wird ein Erythrozytenkonzentrat in einer Klemmvorrichtung über 48 h senkrecht so gelagert, dass der Restschlauch nach unten hängt, sedimentieren die Erythrozyten spontan. Über den Restschlauch kann dann ein hochkonzentriertes Erythrozytenkonzentrat (Hämatokrit ca. 70–80 %) vorsichtig abgefüllt werden (. Abb. 20.2). Transfusionspflichtige Neu- und Frühgeborene liegen meist im Inkubator. Bei der Verwendung einer Tropfkammer ist durch die räumliche Enge nicht gewährleistet, dass diese immer senkrecht hängt. Hierdurch entsteht die Gefahr, dass Luft aus der Tropfkammer in den Schlauch gepresst wird und eine Luftembolie verursacht. Besser geeignet sind kleine, unflexible Filterkammern, die bei einem Totraumvolumen von ca. 1 ml die vollständige Befüllung der Filterkammer erlauben. Es sind sterile Transfusionsgeräte im Handel erhältlich, bei denen an die Perfusorspritze über ein Y-Schlauchstück sowohl ein Transfusionsschlauch mit integrierter Filterkammer (20 μm oder 100 μm Porengröße) als auch ein Füllschlauch für die sterile Verbindung mit der Blutkonserve angeschlossen ist (. Abb. 20.3). Im Fraktionierungslabor werden Blutkonserve und der Füllschlauch steril miteinander verbunden und die benötigte Menge (Transfusions- und Totraumvolumen) in die Perfusorspritze aufgezogen. Der Füllschlauch wird 2-mal abgeschweißt. Das zusätzliche Segment kann für die Blutgruppenkontrolle und die Kreuzprobe verwendet werden. Der Transfusionsschlauch und die Filterkammer sollten erst auf der Station gefüllt werden, um Schaumbildung beim Transport zu vermeiden. Dabei muss auf eventuelle Undichtigkeiten, vor allem an den Verbindungsstellen der Filterkammer, geachtet werden.
20.4.2
Wärmen von Blut für Neugeborene
Die üblichen Blutwärmegeräte (7 s. oben) sind für Perfusorspritzen ungeeignet. Diathermiegeräte führen zur Überhitzung, Perfusionswärmer haben ein zu großes Totraumvolumen, das Erwärmen der
294
Kapitel 20 • Technik der Bluttransfusion
20
. Abb. 20.3 a An einer 50-ml-Perfusorspritze sind über ein Y-Schlauchstück sowohl ein Transfusionsschlauch mit integrierter Filterkammer (20 μm oder 100 μm Porengröße) als auch ein Füllschlauch für die sterile Verbindung mit der Blutkonserve angeschlossen. b Im Fraktionierungslabor werden Blutkonserve und der Füllschlauch steril miteinander verschweißt und die benötigte Menge (Transfusions- oder Totraumvolumen) in die Perfusorspritze aufgezogen. Der Füllschlauch wird 2-mal abgeschweißt. Das zusätzlich abgeschweißte Schlauchstück kann für die Blutgruppenkontrolle und die Kreuzprobe verwendet werden. c Auf der Station werden der Transfusionsschlauch und die Filterkammer befüllt
Perfusorspritze auf 37 °C erhöht bei der langsamen Transfusionsgeschwindigkeit das Risiko der Verkeimung. Am einfachsten ist es, einen möglichst großen Teil des Transfusionsschlauches durch den Inkubator zu führen. Über die große Oberfläche bei sehr langsamer Fließgeschwindigkeit wird so das Blut erwärmt. Während der Phototherapie mit Licht der Wellenlänge 460 nm und bei Einsatz von Infrarotlicht muss der Transfusionsschlauch lichtdicht abgedeckt werden, da die Lichtstrahlung die Erythrozyten schädigen kann [13][21][29]. Werden Thrombozyten über die Perfusorspritze transfundiert, sollte die Perfusorspritze entweder senkrecht (mit der Öffnung nach unten) eingespannt oder alle 30 min bewegt werden, da die Thrombozyten sonst sedimentieren und durch die höherliegende Spritzenöffnung nur der plättchenarme Überstand transfundiert wird.
4 5 6 7
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295
20
297
Akuter Blutverlust in der operativen Medizin T. Scheeren, S. M. Hergert und G. Nöldge-Schomburg
21.1
Allgemeine Richtgrößen – 298
21.1.1 21.1.2 21.1.3
Klinische Richtgrößen – 298 Labormedizinische Kriterien – 300 Transfusionsmedizinische Richtgrößen – 300
21.2
Für den Volumenersatz verfügbare Präparate – 301
21.2.1 21.2.2 21.2.3 21.2.4
Erythrozytenpräparate – 301 Thrombozytenkonzentrate (TK) – 301 Gefrorenes Frischplasma (GFP) – 302 Weitere Präparate – 302
21.3
Fremdblutsparende Maßnahmen – 302
21.3.1 21.3.2
Präoperative Maßnahmen – 302 Intraoperative Maßnahmen – 303
21.4
Stufenkonzept der Substitution von Blutverlusten – 305
21.5
Einfluss des Alters der Erythrozytenkonzentrate – 306
21.6
Klinische Studien – 307 Literatur – 307
21
298
21
Kapitel 21 • Akuter Blutverlust in der operativen Medizin
Der akute Blutverlust stellt seit jeher eines der schwierigsten Probleme in der Notfall- und operativen Medizin dar. Außer dem Volumenverlust ist auch der Verlust der einzelnen Blutkomponenten zu beachten, da das Blut den vielfältigen Anforderungen nur bei optimalem Zusammenwirken seiner Bestandteile gerecht werden kann. Neben dem Transport von Sauerstoff, Nährstoffen, Stoffwechselmetaboliten und Komponenten des körpereigenen Immunsystems nimmt das Blut auch eine zentrale Rolle bei der Steuerung der intrinsischen Gerinnung ein. Aus diesem Grund ist beim akuten Blutverlust nicht nur an den Volumenverlust und den Verlust an Sauerstofftransportkapazität zu denken, sondern auch an den Verlust gerinnungsaktiver Komponenten. Besonders in der Kombination mit anderen schweren systemischen Reaktionen wie beim Schock oder während einer Sepsis sind Gerinnungsstörungen keine Seltenheit. Ziel dieses Kapitels ist es, die gebräuchlichsten Richtgrößen zur Therapie von akuten Blutverlusten in der operativen Medizin unter Einbeziehung der von der Bundesärztekammer formulierten Leitlinien darzulegen.
21.1
Allgemeine Richtgrößen
Zum erfolgreichen Management von homöostatische Dysregulationen sind einige grundlegende Dinge zu beachten. Das primäre therapeutische Ziel ist die Vermeidung einer Hypoxie. Im Mittelpunkt dabei steht der Patient mit seinen spezifischen Risikofaktoren. In die Beurteilung der Risiken gehen Alter, Geschlecht sowie Vorerkrankungen und die sich daraus ergebende aktuelle Therapie mit ein. Des Weiteren ist die Art des anstehenden Eingriffes von Wichtigkeit. So ist es einerseits bedeutsam, ob es sich um eine Notfallsituation odere um einen geplanten Eingriff handelt. Andererseits sind Größe und Dauer des geplanten Eingriffes entscheidend. Daraus leitet sich das erforderliche Monitoring ab, um auf mögliche Störungen, nicht nur der Homöostase, schnell und adäquat reagieren zu können. Dabei sind immer das Risiko und der potenzielle Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen. So ermöglicht es beispielsweise ein großer zentralvenöser Zugang zwar, schnell und adäquat auf Homöostaseschwankungen reagieren zu können, jedoch ist er bei Eingriffen, in denen eine schwere Kreislaufdysregulation erfahrungsgemäß nicht zu erwarten ist, eher nicht indiziert. Zur Überwachung der Kreislaufsituation des Patienten werden sowohl klinische Kriterien als auch Überwachungsmaßnahmen (Basismonitoring, invasives bis erweitertes hämodynamisches Monitoring) und Laborwerte berücksichtigt. Die Zielsetzung ist es dabei, immer eine ausreichende Sauerstoffversorgung aller Gewebe zu gewährleisten.
21.1.1
Klinische Richtgrößen
Nicht nur bei regionalanästhesiologischen Verfahren ist die klinische Beurteilung von Patienten ein unabdingbares diagnostisches Mittel zur perioperativen Patientenführung. Insbesondere während einer Allgemeinnarkose, bei der das Bewusstsein ausgeschaltet ist, lässt sich aus klinischen Richtgrößen wie Puls (Frequenz und Qualität), Atemfrequenz, Hautkolorit, Körperschweißentwicklung, Urinproduktion und Pupillenreaktion nicht nur die Narkosetiefe, sondern auch die Kreislaufsituation beurteilen.
Nichtinvasives Basismonitoring Da die aufgeführten klinischen Kriterien aber nur indirekt auf die Kreislaufsituation schließen lassen, besteht das routinemäßig im Rahmen von Operationen in Allgemein- oder Regionalanästhesie
durchgeführte Basismonitoring aus einer kontinuierlichen 3-KanalEKG-Ableitung, der Pulsoxymetrie und einer intermittierenden, nichtinvasiven Blutdruckmessung mittels Blutdruckmanschette. Hinzu kommt bei Intubations- oder (Larynx-)Maskennarkosen eine Kapnometrie. Darüber hinaus wird bei Eingriffen, die länger als 60 min dauern, die Körperkerntemperatur entweder rektal, ösophageal oder transuretral kontinuierlich gemessen. Die normale Herzfrequenz beträgt 60–80 Schläge pro Minute. Der normale arterielle Blutdruck liegt systolisch zwischen 110 und 140 mmHg und diastolisch bei 65–90 mmHg. Ein guter Indikator der Oxygenation ist die arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2), die mit Hilfe der Pulsoxymetrie über einen Infrarotsensor meistens am Finger oder Ohrläppchen abgeleitet wird. In Zusammenhang mit der Kapnometrie (Ventilation) lassen sich Aussagen über das Ventilations-/Oxygenationsverhältnis treffen. So muss man beispielsweise bei guter SaO2, aber hohem pCO2 zum einen an ein Ventilationsdefizit denken, zum anderen an eine verlängerte Kreislaufzeit bei niedrigem HZV. Um dies genauer differenzieren zu können, bietet sich das invasive oder erweiterte hämodynamische Monitoring an.
Invasives Monitoring Unter invasivem Monitoring versteht man zum einen die direkte (blutige) kontinuierliche Blutdruckmessung über einen arteriellen Katheter, der meistens in der A. radialis platziert wird, zum anderen die Anlage eines zentralvenösen Venenkatheters (ZVK). Beide Maßnahmen werden bei sog. Hochrisikopatienten oder größeren operativen Eingriffen meist routinemäßig durchgeführt. Der Hochrisikopatient ist gekennzeichnet durch seine Komorbiditäten (z. B. ischämische Herzkrankheit, Diabetes, COPD, Nierenversagen, Immunsuppression, Koagulopathie) sowie sein Alter. Er lässt sich in der Regel bereits vor der Operation durch eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung gut identifizieren. Des Weiteren stehen zahlreiche Testwerte wie z. B. Blutuntersuchungen (Blutbild, Gerinnung, Blutzucker, Nieren- und Leberwerte etc.), die Bestimmung der linksventrikulären Ejektionsfraktion und kardiopulmonale Belastungstests (Dobutamin-Stressechokardiographie, Thallium-Myokardszintigraphie, evtl. Herz-MRT, Bestimmung der anaeroben Schwelle) zur Verfügung. Die Ergebnisse dieser Tests gehen in Bewertungssysteme wie z. B. die ASA-Klassifikation (American Society of Anesthesiologists) oder in den Lee Revised Cardiac Risk Score [40] ein und erlauben so eine präoperative individuelle Risikoabschätzung. Zu den operativen Eingriffen, die ein invasives Monitoring rechtfertigen, zählen in erster Linie Notfalloperationen, aortale, ösophageale und komplexe abdominale Eingriffe, gefäßund herzchirurgische Operationen sowie allgemein solche Eingriffe, die voraussichtlich länger als 3 h dauern und mit einem zu erwartenden Blutverlust von ≥1,5 l (entsprechend ≥2 Ek) einhergehen. Über den arteriellen Zugang lässt sich jedoch nicht nur kontinuierlich der Blutdruck messen, sondern auch im Rahmen des erweiterten hämodynamischen Monitorings über Pulskonturanalyseverfahren das Herzzeitvolumen sowie die sog. dynamischen Variablen (Schlagvolumenvariation SVV, systolische Blutdruckvariation SPV, Pulsdruckvariation PPV) ableiten, die Aussagen über den Volumenstatus und die Volumenreagibilität des Patienten ermöglichen (7 Kap. 3). Außerdem lassen sich über den arteriellen Katheter intermittierend Blutproben gewinnen, die eine Analyse der Blutgase (BGA) sowie weiterer bettseitig verfügbarerer Testwerte (Hämoglobin, Hämatokrit, Elektrolyte, Laktat etc.) erlauben und z. B. zur Steuerung einer Beatmungs- oder Volumentherapie unerlässlich sind.
299
21.1 • Allgemeine Richtgrößen
Erweitertes hämodynamisches Monitoring Die Möglichkeiten, Indikationen und Einschränkungen des Pulmonalarterienkatheters (PAK) sind in 7 Kap. 3 beschrieben. Besonders bei kritisch kranken Patienten ermöglicht der PAK ein umfassendes Monitoring von Kreislauf und O2-Metabolismus. Mit Hilfe des in 7 Kap. 3.1.4 beschriebenen PiCCO-Systems kann das HZV auf zwei verschiedene Arten bestimmt werden: intermittierend durch Injektion eines Flüssigkeitsbolus (transpulmonale Thermodilution) oder kontinuierlich über eine Pulskonturanalyse, die jedoch eine Kalibrierung mit der Thermodilution erfordert. Bei jeder Änderung der arteriellen Compliance, also beispielsweise nach größeren Flüssigkeitsgaben oder Beginn bzw. Änderung einer Katecholamin- oder Vasodilatatorinfusion, muss das System nachkalibriert werden, da sonst die Ergebnisse verfälscht sein können. Dies kann bereits nach kurzer Zeit (60 min) notwendig werden, was eine im klinischen Alltag nicht realisierbare Notwendigkeit von Nachkalibrierungen erfordert [25]. In . Tab. 21.1 sind einige Normwerte für die hämodynamischen Variablen des erweiterten Monitorings angegeben. Ziel des erweiterten hämodynamischen Monitorings ist es, die aktuelle Kreislauf- und Stoffwechselsituation des Patienten zu erfassen und gegebenenfalls zu optimieren. Das Ziel einer Optimierung wiederum besteht darin, die Zellen ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Zur Optimierung bieten sich mehrere flussbasierte Variablen an: das HZV bzw. der Herzindex (HI), das Schlagvolumen (SV), die Schlagvolumenvariation (SVV), die ˙ 2) Sauerstofftransportkapazität (DO2), die Sauerstoffaufnahme ( VO oder die gemischtvenöse (SvO2) bzw. zentralvenöse (ScvO2) Sauerstoffsättigung des Blutes. Von diesen ist die DO2 die am besten validierte Variable, sie erfordert jedoch einige Berechnung und steht nicht als Online-Messwert zur Verfügung, was die Praktikabilität erschwert. Die restlichen Variablen unterteilen sich in sog. »Upstream-« (d. h. am Anfang des Blutkreislaufs) und »DownstreamVariablen« (d. h. am Ende des Blutkreislaufs). Zu den erstgenannten ˙ 2 gehören der Blutdruck, HZV, SV, SVV und DO2, zu letzteren VO SvO2 und ScvO2 sowie das Laktat, der pH-Wert und der Basenüberschuss (BE) des Blutes (7 s. unten). Mit dem konventionellen Monitoring wird die Mikrozirkulation nicht erfasst. Hier gibt es experimentelle Ansätze, um einen Einblick in diesen Teil des Kreislaufs zu erhalten: die gastrale oder sublinguale Tonometrie als indirekte Messung der CO2-Akkumulation im Gewebe, die Intravitalmikroskopie zur direkten Visualisierung der Strömungsverhältnisse in den Mikrogefäßen, die Laser-Doppler-Flussmessung, die Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS) und die Gewebsspektrophotometrie. Momentan ist es wegen der noch nicht ausgereiften Messtechnik, des hohen Preises und der fehlenden Verfügbarkeit verfrüht, über den zukünftigen Stellenwert dieses mikrozirkulatorischen Monitorings in der Beurteilung der hämodynamischen Gesamtsituation zu spekulieren. Erste Bemühungen, die Hämodynamik nach bestimmten Zielwerten zu optimieren (»goal directed therapy«, GDT), gehen auf Studien von Shoemaker aus den 1980er Jahren zurück. Er strebte das Erreichen von sog. »supranormalen« flussbasierten Werten an, die sich in retrospektiven Analysen als Grenzwerte herauskristallisiert hatten, die Patienten, die einen operativen Hochrisikoeingriff überlebten, von denen unterschied, die einen solchen Eingriff nicht überlebten [66][68]. Diese »supranormalen« Werte waren eine DO2I > 600 ml/min/ ˙ 2 I > 170 ml/min/m2 und ein CI > 4,5 l/min/m2. Sie m2, eine VO wurden erreicht durch eine Kombination von Volumenexpansion und Katecholamininfusion (meist Dobutamin). Durch diese Maßnahmen konnte er die perioperative Mortalität signifikant verrin-
21
. Tab. 21.1 Normalwerte des erweiterten hämodynamischen Monitorings Messwert
Kürzel
Normbereich
Einheit
Herzindex
HI
3,0–5,0
l/min/m2
Schlagvolumenindex
SVI
40–60
ml/m2
Globaler enddiastolischer Volumenindex
GEDVI
680–800
ml/m2
Intrathorakaler Blutvolumenindexa
ITBVI
850–1000
ml/m2
Extravaskuläres Lungenwassera
EVLWI
3,0–7,0
ml/kg
Pulmonalvaskulärer Permeabilitätsindexa
PVPI
1,0–3,0
–
Schlagvolumenvariationb
SVV
≤10
%
Pulsdruckvariationa
PPV
≤10
%
Globale Auswurffraktiona
GEF
25–35
%
Kardialer Funktionsindexa
CFI
4,5–6,5
1/min
Mittlerer arterieller Druck
MAD
70–90
mmHg
Systemisch vaskulärer Widerstandsindex
SVRI
1700–2400
dyn×s×cm-5×m2
Pulmonalarteriendruck systolischc
PAPsys
<30
mmHg
Pulmonalarteriendruck diastolischc
PAPdiast
<12
mmHg
Pulmonalarterienmitteldruckc
PAMP
<20
mmHg
Pulmonalverschlussdruck (»wedge pressure«)c
PCWP
8–15
mmHg
Schlagvolumen
SV
60–70
ml
Gemischtvenöse Sauerstoffsättigungc
Sv O 2
75
%
Gemischtvenöser Sauerstoffpartialdruckc
pvO2
4,65–6,65
kPa
a Nur
PiCCO-System. und Vigileo/FloTrac. c Nur Pulmonalarterienkatheter. b PiCCO
gern [67]. In den folgenden Jahren wurden diese Ergebnisse einer GDT von anderen Arbeitsgruppen teilweise reproduziert [8][83]. So zeigte sich zum Beispiel, dass viele Patienten die angestrebten »supranormalen« Werte im Rahmen einer GDT nie erreichen konnten, ja dass es sogar gefährlich und mit einer Übersterblichkeit assoziiert sein kann, wenn man um jeden Preis versucht, diese Werte zu erzielen [27][60]. Erst in den letzten Jahren erlebt die GDT als »early goal directed therapy« (EGDT) eine Renaissance, da man erkant hat, dass der Zeitpunkt einer Intervention von entscheidender Bedeutung ist. So zeigt eine Metaanalyse der GDT-Studien eindrucksvoll, dass eine Optimierungsstrategie nur dann Früchte trägt (im
300
Kapitel 21 • Akuter Blutverlust in der operativen Medizin
HI (I/min/m2)
21
<3,0
Gemessene Werte GEDI (ml/m2) oder ITBI (ml/m2) ELWI (ml/kg)
>3,0
<700 <850
<700 <850
>700 >850
>700 >850
<10
>10
<10
>10
<10
>10
Vol+?
Vol+? Kat?
Kat?
Kat? Vol-?
Vol+?
Vol+?
Vol–?
700 –800 850 –1000
700– 800 850 –1000
<10
>10
Therapieoptionen
Zielwerte GEDI (ml/m2) oder ITBI (ml/m2)
>700 >850
700–800 >700 850 – 1000 > 850
700–800 >700 850–1000 >850
SVV (%) optimieren <10
<10
<10
<10
GEF (%) oder CFI (l/min)
> 30 >5,5
>25 > 4,5
>30 >5,5
ELWI (ml/kg)
>25 >4,5
≤10
<10
≤10
<10
<10
<10
OK ≤10
≤10
. Abb. 21.1 PiCCO-basiertes Therapie-Entscheidungsmodell
Sinne einer reduzierten Sterblichkeit), wenn sie vor dem Eintreten eines Organversagens eingesetzt wird, hingegen fruchtlos ist, wenn das Organversagen bereits eingetreten ist [36][55]. Bei rechtzeitigem (evtl. bereits intraoperativen) Beginn einer Optimierung des Herzzeitvolumens und damit des Sauerstofftransports zu peripheren Organen kann die Gewebedurchblutung erhöht, die Morbidität und Letalität verringert und die Dauer des Krankenhausaufenthalts verkürzt werden, was zahlreiche prospektive Studien belegt haben [50][52][53][71]. Dabei war es unerheblich, an welchen Variablen sich die einzelnen Studien orientierten und welche Überwachungsmethode zur Optimierung eingesetzt wurde, solange die Ziele einer optimalen Füllung des Kreislaufs, einer adäquaten Sauerstoffversorgung bzw. einer ausreichenden gemischt-/ zentralvenösen Sauerstoffsättigung beibehalten wurden. Für das PiCCO-System ist das Flussdiagramm in . Abb. 21.1 zur Erleichterung von Therapieentscheidungen entwickelt worden. Im erweiterten hämodynamischen Monitoring sind als semiinvasive Verfahren auch die transösophageale (TEE) bzw. die transthorakale (TTE) Echokardiographie hilfreich: Über eine direkte Visualisierung des Füllungszustands des Herzens kann so auf das intravasale Volumen geschlossen werden.
21.1.2
Labormedizinische Kriterien
Die Normbereiche der wesentlichen Laborparameter sind in den vorangegangenen Kapiteln zusammengefasst. Eine der wichtigsten perioperativen labormedizinischen Untersuchungen stellt die Blutgasanalyse dar. Während die arterielle Blutgasanalyse hinsichtlich Oxygenierung (paO2, Sauerstoffsättigung), Ventilation (paCO2) Säure-/Basenstatus (pH-Wert, Basenüberschuss, Natriumhydrogencarbonat und Laktat) interessant ist, erlaubt die zentralvenöse oder gemischtvenöse Sauerstoffsättigung eine Aussage über die Sauerstoffextraktion aus dem Blut und damit indirekt über Sauerstoff-
verbrauch und Blutfluss. Darüber hinaus werden von den meisten Geräten als »point of care«- Messung die Elektrolytkonzentrationen (Natrium, Kalium, Calcium) bestimmt. In der präoperativen sowie intensivmedizinischen Diagnostik ist die Kenntnis der Blutgerinnung von Bedeutung. Die wichtigsten Tests bzw. Kenngrößen sind hierbei der Quicktest bzw. die INR, . Thrombozytenzahl, Prothrombinzeit und Blutungszeit. aPTT,
21.1.3
Transfusionsmedizinische Richtgrößen .
Die Richtlinien zur Verwendung von Blutprodukten wurden von der Bundesärztekammer genau festgelegt. Bei der Therapie des akuten Blutverlustes steht man zunächst vor der Entscheidung, das verlorene Volumen ausschließlich mittels kristalliner und/oder kolloidaler Infusionslösungen zu ersetzen oder Blutprodukte zu verabreichen. An jungen gesunden Männern konnte gezeigt werden, dass unter Aufrechterhaltung normovolämischer Kreislaufverhältnisse die globale Sauerstoffversorgung bei akutem Blutverlust bis zu einem Hb von 3,1 mmol/l (5 g/dl) durch physiologische Kreislaufregulationsmechanismen (Anstieg von Herzfrequenz, HZV und Sauerstoffextraktion) gewährleistet werden kann. In den Guidelines der American Society of Anesthesiologists und des College of American Pathologists ist hinterlegt, dass eine Bluttransfusion bei einem Hb < 3,7 mmol/l (6 g/dl; Hkt 18 %) absolut indiziert ist. Bei einem Hb zwischen 3,7 und 6,2 mmol/l ist das jeweilige Risikoprofil des Patienten mit einzubeziehen. Ein Hb von mehr als 6,2 mmol/l ist meistens nicht mit der Notwendigkeit einer Bluttransfusion verbunden. Als physiologischer Transfusionstrigger kann die systemische Sauerstofftransportkapazität (DO2) betrachtet werden. Sie setzt sich aus dem Produkt des Herzzeitvolumens (HZV) und des Sauerstoffgehalts des arteriellen Blutes (CaO2) zusammen. Zur genauen Berechnung werden folgende Formeln verwendet:
301
21.2 • Für den Volumenersatz verfügbare Präparate
5 5 5 5
DO2 = HZV [l/min] × CaO2 CaO2 = (Hb [g/dl] × 1,34 × SaO2 [max 1]) + (0,0031 × paO2) CvO2 = (Hb [g/dl] × 1,34 × SvO2 [max 1]) + (0,0031 × pvO2) DavO2 = CaO2 – CvO2 = (Hb [g/dl] × 1,34 × SaO2 [max 1]) + (0,0031 × paO2) – (Hb [g/dl] × 1,34 × SvO2 [max 1]) + (0,0031 × pvO2) 5 V· O2 = HZV [l/min] × DavO2
DO2 Sauerstofftransportkapazität, CaO2 arterieller Sauerstoffgehalt, CvO2 venöser Sauerstoffgehalt, DavO2 arteriovenöse Sauerstoffgehaltsdifferenz, paO2 arterieller Sauerstoffpartialdruck, pvO2 venöser Sauerstoffpartialdruck, V·O2 Sauerstoffverbrauch, HZV Herzzeitvolumen
Um die Notwendigkeit einer Bluttransfusion beurteilen zu können, ˙ 2) ist außerdem die Kenntnis des systemischen O2-Verbrauchs ( VO ˙ 2 kann beispielsweise erhöht sein bei Fieber, Sepsis, wichtig. Der VO perioperativem Stress und körperlicher Anstrengung, hingegen ver˙ 2 mindert während Narkose oder Hypothermie. Ein Abfall des VO kann aber auch durch eine Minderperfusion des Gewebes vorgetäuscht werden, wenn das O2-Angebot den Bedarf unterschreitet. ˙ 2 über längere Zeit unverBei einem Abfall des DO2 bleibt der VO ändert, während die Sauerstoffausschöpfung (Differenz zwischen arteriellem und gemischtvenösem Sauerstoffgehalt) bis zu maximal 60 % stetig ansteigt. Fällt die DO2 allerdings unter einen kritischen Wert (DO2krit), kann eine optimale Organperfusion durch physiologische Kompensationsmechanismen wie HZV-Anstieg, regionale Umverteilung der Blutversorgung und Anstieg der Sauerstoffausschöpfung nicht mehr aufrecht erhalten werden. Es kommt zu ˙ 2 beeinem Abfall der Sauerstoffaufnahme (oft ebenfalls als VO zeichnet). Die DO2krit ist speziesabhängig und kann bei verschiedenen Krankheiten erheblich differieren. Im Normalfall liegt sie beim gesunden Menschen bei etwa 8,2 ml/min × kgKG. Weitere in diesem Zusammenhang verwendete Variablen sind ˙ 2 /DO2), die arteriovenöse die Sauerstoffextraktionsrate (OER = VO Sauerstoffgehaltsdifferenz (DavO2) oder vereinfacht die gemischt(SvO2) oder zentralvenöse O2-Sättigung (ScvO2). Bei annähernd gleichem Hb von arteriellem und venösen Blut und unter Vernachlässigung des unbedeutenden Anteils des physikalisch gelösten Sauerstoffs reicht letztere Variable letztlich zur groben Abschätzung von Sauerstoffverbrauch und Blutfluss aus (SvO2 als »HZV des kleinen Mannes«) [1][45][46][70][79]. 21.2
Für den Volumenersatz verfügbare Präparate
Bei der Therapie mit Blutkomponenten ist auf die Verträglichkeit hinsichtlich des ABO-Systems zu achten. Für Frauen im gebärfähigen Alter, die rhesusnegativ sind, wird empfohlen, die Rhesuskompatibilität zu berücksichtigen, da es sonst zu einer Anti-D-Bildung durch Rhesus-D-positive Blutkomponenten bei rhesusnegativen Patientinnen kommen kann [78]. Auf Thrombozyten sind die AB-Blutgruppenmerkmale gewöhnlich nur schwach exprimiert. Daher ist es möglich, im Ausnahmefall auch AB-inkompatible Thrombozyten zu verabreichen. Allerdings ist die Wiederfindungsrate um etwa 30–40 % vermindert. Für das Rhesussystem gelten bezüglich Frauen im gebärfähigen Alter dieselben Empfehlungen wie für Erythrozytenkonzentrate [19][23].
21.2.1
21
Erythrozytenpräparate
Zur allogenen Transfusion sind in Deutschland nur leukozytendepletierte Erythrozytenpräparate (EK) [51] zugelassen, die entweder aus Vollblut oder im Rahmen von Apheresespenden gewonnen werden (7 Kap. 16). Durch Überführung der Erythrozyten in additive Lösungen wie SAG-M, PAGGS-M (Einzelheiten 7 Tab. 16.5) wird der Plasmagehalt zusätzlich vermindert. Für spezielle Anforderungen sind bestrahlte [11] und gewaschene EKs (7 Kap. 16) zu verwenden und Präparate mit speziellen Anforderungen an Resultate der Infektionstestung bei den Blutspendern (7 Kap. 38). Das Volumen eines EK beträgt rund 300 ml bei einem Hämatokrit (HktEK) zwischen 55 und 65. Die mittlere Überlebenszeit von kompatiblen transfundierten, bei +4±2 °C gelagerten Erythrozyten liegt bei 58 Tagen. Bei normalgewichtigen Erwachsenen kommt es nach Transfusion eines EK zu einem Hb-Anstieg um etwa 0,62 mmol/l (1 g/dl). Bei Kindern führt die Gabe von 3 ml EK/kgKG zur Erhöhung der Hämoglobinkonzentration um ca. 0,6 mmol/l (1 g/dl). Das benötigte Transfusionsvolumen lässt sich für Kinder nach folgender Formel errechnen [78][81]:
7UDQVIXVLRQVYROPO(.
=LHO+NW±DNWXHOOHU+NW î %OXWYRO +NW(.±
Blutvolumen bei Neugeborenen: ~90 ml/kg KG Blutvolumen bei älteren Kindern: ~80 ml/kg KG
21.2.2
Thrombozytenkonzentrate (TK)
Thrombozytenkonzentrate (TK) werden durch Thrombozytenseparation von einem Spender oder aus gepoolten Vollblutspenden hergestellt. Der Thrombozytengehalt beider Präparatetypen liegt bei 2–4 × 1011 Thrombozyten (7 Kap. 16). Nach der Transfusion liegt die Wiederfindungsrate der Thrombozyten im peripheren Blut etwa bei 60–70 %, wobei diese sogenannte Recovery Rate unter anderem von der Milzfunktion und -größe, Sepsis, Thrombozytenantikörpern oder disseminierter intravasaler Gerinnung beeinflusst wird. Die Indikation zur Thrombozytentransfusion ist abhängig von der Thrombozytenzahl, der Funktion, der Blutungssymptomatik und vom Blutungsrisiko. In der operativen Medizin basieren die Richtlinien im Wesentlichen auf Expertenmeinungen und Kasuistiken (Evidenzgrad E). In der klinischen Praxis wird bei einer Thrombozytenzahl von ≥50.000/μl von keinem erhöhtem Blutungsrisiko ausgegangen. Bei Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko wird allerdings ein präoperativer Wert von 70.000–100.000/μl Thrombozyten empfohlen. Die genauen geforderten Mindestwerte für die Thrombozytenzahl bei unterschiedlichen Eingriffen sind in den Leitlinien der Bundesärztekammer nachzulesen [49][57]. Der wichtigste Verlaufsparameter ist das Sistieren der Blutung. Die Wirksamkeit der Transfusion wird anhand des Thrombozyteninkrements (Anstieg der Thrombozytenzahl/μl) ermittelt. Dabei wird die Thrombozytenzahl vor sowie eine Stunde nach Transfusion und nach ungefähr 20 h kontrolliert. Das korrigierte Thrombozyteninkrement (CCI) (7 Abschn. 24.7.1) erlaubt eine Bewertung der Thrombozytenanstiegs nach Transfusion. Von einem nicht adäquaten Anstieg spricht man bei einem korrigierten Inkrement von <7500/μl nach einer Stunde beziehungsweise von <4500/μl nach 20 h [17][78].
21
302
Kapitel 21 • Akuter Blutverlust in der operativen Medizin
21.2.3
Gefrorenes Frischplasma (GFP)
In Deutschland stehen 4 Plasmapräparate zur Verfügung: Das allgemein gebräuchliche ist das gefrorene (GFP) oder »fresh frozen« Plasma (FFP). Daneben gibt es noch die virusinaktivierten Plasmen Solvent-Detergent-Plasma (SDP) und das Methylblau-Licht-behandelte Plasma (MLP) sowie das lyophilisierte Humanplasma (LHP), das vor der Anwendung nicht aufgetaut werden muss. Das GFP wird aus Vollblut nach Zentrifugation oder Apherese gewonnen. Die Lagerung erfolgt bei –30 °C, um die Aktivität der Gerinnungsfaktoren V und VIII möglichst gut zu konservieren. Um die Übertragung von Krankheitserregern zu minimieren, ist für das GFP eine Quarantänelagerung und eine anschließende Zweituntersuchung des Spenders auf HIV, HBV und HCV vorgeschrieben. Ein FFP enthält alle wirksamem Bestandteile der Gerinnungskaskade in einer durchschnittlichen Aktivität von 100 IE/dl [32][56]. Für die Dosierung gilt: 1 ml Plasma/kgKG erhöht den Spiegel der Gerinnungsfaktoren oder den Quickwert um 1 IE/dl beziehungsweise um 1 %. Ist der Umsatz der Gerinnungsfaktoren infolge einer Koagulopathie gesteigert, so liegt der Anstieg bei 0,5–1 IE/ dl. Das heißt, dass selbst hohe Plasmamengen nur einen moderaten Anstieg an gerinnungsaktiven Blutbestandteilen bewirken. Um einen messbaren Effekt zu erreichen, sind daher mindestens 15 ml/ kgKG FFP zu applizieren. Um den Quickwert bei einem Patienten auf das gewünschte Niveau zu erhöhen, berechnet man das benötigte Plasmavolumen wie folgt: Quicksoll – Quickist × Körpergewicht [kg]
Das ebenfalls wichtige Fibrinogen lässt sich mittels GFP-Gabe noch viel schlechter substituieren. 1 ml Plasma/kgKG erhöht den Fibrinogenspiegel lediglich um 2–3 mg/dl [39][78].
21.2.4
Weitere Präparate
Für die Gabe von Humanalbumin als 5- oder 20 %ige Lösung wurden in Deutschland strikte Leitlinien formuliert. Eine Metaanalyse von 1998 zeigte, dass der Einsatz von Humanalbumin bei kritisch Kranken zu einer erhöhten Mortalität führte. Eine weitere Metaanalyse von 2001 konnte dies nicht bestätigen. Es zeigte sich aber auch kein Unterschied in der Mortalität im Vergleich zu anderen Plasmaersatzmitteln. Auch in der perioperativen Phase konnte kein Unterschied zwischen Humanalbumin und anderen Plasmaersatzmitteln nachgewiesen werden. Ausnahmen sind das Verbrennungstrauma oder das hepatorenale Syndrom [6][61][82]. Für den Flüssigkeitsersatz werden zunehmend sogenannte balancierte Elektrolytlösungen verwendet. Dabei wird auf eine weitgehend physiologische der Zusammensetzung der Lösungen geachtet. Der Vorteil derartiger Lösungen liegt in einem geringeren Einfluss auf das Säure-Basen-Gleichgewicht. Beispiele für solche Lösungen sind Jonosteril, E153, Sterofundin Iso oder Ringer-Laktat/Acetat, wobei nur Sterofundin Iso und E153 auch plasmaisoton sind. Als kolloidale Plasmaersatzmittel stehen Hydroxyethylstärke, Gelatine und Dextrane zur Verfügung. Sie werden an anderer Stelle genau besprochen. Als Beispiele für blutstillende Medikamente sind Desmopressin und Tranexamsäure zu nennen. Das früher vornehmlich verwendete Aprotinin ist seit dem 05.11.2007 weltweit aus dem Verkehr gezogen worden (7 Abschn. 21.3.2.3). Die empfohlene Standarddosis
für Desmopressin, einem Abkömmling des Vasopressins, ist 0,3 μg/ kgKG. Seine Verabreichung sorgt für einen Anstieg von Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor und Gewebeplasminogenaktivator (tPA). Allerdings konnte nicht konsistent gezeigt werden, dass der perioperative Blutverlust unter Desmopressingabe abnahm. Tranexamsäure inhibiert die Plasminogen/Plasmin-abhängige Fibrinolyse und in der Folge die Notwendigkeit für Bluttransfusionen [42]. 21.3
Fremdblutsparende Maßnahmen
Eine der effektivsten und auch effizientesten Behandlungsoptionen zielt auf die Substitution des perioperativen Blutverlustes unter Vermeidung einer Applikation von Blutprodukten. Diese unter dem Oberbegriff fremdblutsparende Maßnahmen subsumierten Konzepte können sowohl präoperativ wie auch intraoperativ einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der Notwendigkeit von Bluttransfusionen beitragen, was in Zeiten knapper werdender Ressourcen von zunehmender Bedeutung ist.
21.3.1
Präoperative Maßnahmen
Eigenblutspende Eine etablierte Maßnahme zur Vermeidung von Fremdbluttransfusionen stellt die präoperative Eigenblutspende dar. Nach einer Novellierung des Transfusionsgesetzes im Jahre 2008 unterliegt die Herstellung von Eigenblut dem Arzneimittelgesetzt (AMG) und stellt daher hohe Anforderungen an die herstellenden Einrichtungen und verantwortlichen Ärzte. Dennoch müssen laut Transfusionsgesetz alle Patienten, die sich einem operativen Eingriff mit einer Transfusionswahrscheinlichkeit von mindestens 10 % auf der Grundlage krankenhausspezifischer Transfusionsstatistiken unterziehen, über Bluttransfusion und Alternativen (inklusive Möglichkeit der Eigenblutspende) aufgeklärt werden. Ziel der Eigenblutspende ist ein Zugewinn an Sauerstoffträgern (Erythrozyten) für den Zeitpunkt der Operation. Sie sollte daher mindestens 3 Wochen präoperativ stattfinden, um einerseits genügend Konserven (in der Regel zwei) ansparen zu können ohne andererseits den Patienten durch eine präoperative Anämie zu gefährden durch Verlagerung des Erythrozytendepots von intra- nach extrakorporal [72]. Dies limitiert die Eigenblutspende auf elektive, gut planbare Operationen. Die präoperativ entnommenen Sauerstoffträger (Eigenblutkonserven) werden wie herkömmliche Blutkonserven extrakorporal gelagert. Zur Unterstützung einer präoperativen Eigenblutspende kann die Regeneration der entnommenen Sauerstoffträger in vivo zusätzlich – d. h. über den physiologischen Reiz des Verlustes hinaus – gefördert werden durch die Applikation von Erythropoetin (EPO, Dosierung 40.000–60.000 I.E.). Hierdurch kann ein Anstieg der Hb-Konzentration nach 5–7 Tagen induziert werden. Obwohl diese Maßnahme recht teuer ist (1 Dosis EPO kostet ca. 565–850 €), konnten Studien für Patienten bei orthopädischen, herzchirurgischen und kolorektalen Operationen einen therapeutischen Nutzen belegen. Für den postoperativen Bereich konnte bei 1460 Intensivpatienten sogar nachgewiesen werden, dass die postoperative wöchentliche Applikation von EPO die Sterblichkeit tendenziell senkt (insbesondere bei Traumapatienten), wenngleich weder die Anzahl an Patienten, die Transfusionen benötigten, noch die Anzahl an Transfusionen gesenkt werden konnten und in der EPO-Gruppe eine erhöhte Inzidenz von Thrombosen zu verzeichnen war [14].
303
21.3 • Fremdblutsparende Maßnahmen
Die Vorteile der Transfusion von Eigen- gegenüber Fremdblut liegen auf der Hand: Es findet keine immunologische Aktivierung des Empfängers statt, und die Gefahr viraler, transfusionsbedingter Infektionen ist minimal. Dem stehen als Nachteile der mit der ordnungsgemäßen Durchführung der Eigenblutspende (nach AMG) verbundene organisatorische Aufwand und die damit einhergehenden Kosten gegenüber. Auch die Risiken einer Fehltransfusion durch Verwechslung von Konserven sowie transfusionsbedingter Infektionen durch Kontamination der Konserven mit Hautkeimen bestehen bei der Applikation von Eigenblutkonserven genau so wie bei Fremdbluttransfusionen. Als Ergebnisse der bisherigen Transfusionspraxis von Eigenblutkonserven zeigte eine Cochrane-Analyse aus dem Jahre 2001, dass durch die Verfügbarkeit und konsequente Anwendung von Eigenblutkonserven das Risiko für Fremdbluttransfusionen signifikant reduziert werden konnte, dass aber andererseits hierdurch die Gesamttransfusionswahrscheinlichkeit erhöht wurde! Nach den aktuellen Richtlinien ist die präoperative Eigenblutspende empfohlen für die Bereiche der elektiven Herzchirurgie sowie der Wirbelsäulenchirurgie. Weiterführende Aspekte finden sich in 7 Kap. 35.
Normovoläme Hämodilution Eine weitere Alternative zur allogenen Transfusion stellt die normovoläme oder isovolämische Hämodilution dar. Voraussetzungen sind ein hochnormaler Gehalt an Sauerstoffträgern (Hb ≥ 14 g/dl, Hkt ≥ 34 %) sowie erhaltene Kompensationsmechanismen des Organismus, die die Tolerierung einer Verdünnungsanämie ermöglichen. Die entstehende Verdünnungsanämie wird vom Herzen hauptsächlich durch eine Steigerung des Schlagvolumens und des koronaren Blutflusses kompensiert. Dies konnte jüngst an 40 kardiochirurgischen Patienten bestätigt werden, deren myokardiale Funktion bei normovolömer Hämodilution auf einen Hämatokrit von 30 % nicht beeinträchtigt wurde [15]. Indikationen für dieses Verfahren sind Operationen mit einem zu erwartenden Blutverlust von ≥50 % des Blutvolumens. Bei der normovolämen Hämodilution werden unmittelbar präoperativ (in der Regel nach Einleitung der Narkose) 1–3 l Vollblut entnommen und durch Infusion gleicher Mengen kolloidaler Volumenersatzmittel (z. B. 6 % HAES-Lösung) ersetzt, sodass eine Normovolämie aufrechterhalten wird. Über das Ausmaß der Hämodilution herrscht keine Einigkeit: Während einige Autoren eine Reduktion des Hkt auf 30 % für ausreichend erachten, sehen andere einen Spielraum bis zu einem Hkt von 20 % beim Herzgesunden für ungefährlich an [73]. Die physiologischen Kompensationsmechanismen sind jedoch auch beim Herzgesunden unterhalb eines Hämatokritwertes von 25 % erschöpft, sodass es zwangsläufig zu einer Einschränkung des O2-Angebots und der Gefahr einer Gewebehypoxie kommt. Tierexperimentell sowie in einigen Kasuistiken wurden allerdings sogar extreme Hämadilutionen in einen Hb-Bereich von 1,6–4 g/dl überlebt, wenn keine kardiovaskulären Begleiterkrankungen vorlagen. Bei experimenteller Koronarstenose bzw. Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung stieg dieser »kritische« Hb auf 7–10 g/dl [24]. Über die allgemein anerkannten und in den Hämotherapie-Richtlinien festgelegten Transfusionstrigger wird in 7 Abschn. 21.4 berichtet. Das Verfahren der isovolämen Hämodilution setzt eine kontinuierliche Überwachung des Kreislaufs einschließlich engmaschiger Blutgasanalysen mit Hb/Hkt-Kontrollen voraus. Der zu Grunde liegende Gedanke besteht darin, dass intraoperativ lediglich verdünntes Blut und damit weniger Sauerstoffträger verloren werden. Das entnommene Vollblut ist für ca. 6 h bei Raumtemperatur im Operationssaal lagerbar und wird am Ende der Operation retrans-
21
fundiert. Durch die Lagerung bei Raumtemperatur sollen auch die Gerinnungsaktivität und die Thrombozytenfunktion weitgehend erhalten bleiben. Eine ABO-Testung der entnommenen Konserven vor der Retransfusion ist entbehrlich, solange die entnommenen Konserven in unmittelbarer Nähe des Patienten verbleiben (Cave: Personalwechsel!). Die theoretische Einsparmöglichkeit durch die normovoläme Hämodilution liegt lediglich bei 1–1,5 EK [4]. Auch wenn einzelne Studien zeigen konnten, dass die akute normovoläme Hämodilution den Transfusionsbedarf reduziert, hat eine Metaanalyse aller Studien mit klar definiertem Transfusionsprotokoll keine Reduktion der Transfusion von allogenen Erythrozytenkonzentraten nachweisen können [10]. Vor diesem Hintergrund und angesichts des hohen Aufwands bei der Durchführung und Überwachung hat dieses Verfahren bislang keine breite Anwendung erfahren.
21.3.2
Intraoperative Maßnahmen
Auch während der Operation gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Blutverlust zu begrenzen bzw. den Bedarf an Transfusionen zu verringern.
Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (FIO2) Insbesondere während einer akuten Anämie kann zumindest kurzfristig über eine Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration auf 100 % (FIO2 1,0) bei beatmeten Patienten der unter normoxischen Bedingungen vernachlässigbar geringe Anteil von physikalisch gelöstem Sauerstoff auf ca. 2 ml/dl erhöht werden, was rechnerisch ein Hämoglobindefizit von etwa 1,5 g/dl ersetzt. Umgerechnet würde dies bei Erwachsenen der Kapazität von ca. zwei Erythrozytenkonzentraten entsprechen, sodass durch diese kurzfristige Maßnahme die Zeit bis zur Verfügbarkeit von Konserven überbrückt werden kann. Dies soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden: Wie bereits in 7 Abschn. 21.1.3 ausgeführt, berechnet sich der arterielle Sauerstoffgehalt (CaO2) nach der Formel: &D2=+E>JGO@îî6D2>PD[1@ îSD2 wobei der erste Teil der Gleichung den chemisch (an das Hämoglobin) gebundenen, der zweite Teil den physikalisch im Blutplasma gelösten Sauerstoffanteil beschreibt. Wenn man diese Gleichung mit Zahlen füllt, erhält man unter Normalbedingungen (Hb 15 g/dl; SaO2 99 % = 0,99; paO2 100 mmHg) einen Anteil von etwa 20 ml chemisch gebundenen O2 (15 × 1,34 × 0,99) gegenüber einem physikalisch gelösten Anteil von 0,3 ml je 100 ml Blut. Dieser mit 2 % vernachlässigbar geringe O2-Anteil gewinnt nun im hämorrhagischen Schock in doppeltem Sinne Bedeutung: 1. weil er durch Beatmung mit reinem Sauerstoff (entspricht paO2 650 mmHg) wie oben dargestellt auf ca. 2 ml/dl erhöht werden kann, 2. weil durch eine Blutung (Hb 6 g/dl) der chemisch gebundene Anteil auf 8 ml/dl abfällt, sodass prozentual nunmehr 25 % des Sauerstoffs physikalisch gelöst im Blut transportiert werden. Noch deutlicher fällt dieser Anstieg unter hyperbaren Bedingungen ins Gewicht. So lässt sich im Rahmen der sogenannten hyperbaren Oxygenierung (HBO), bei der in einer Druckkammer mit 2,5 bar Umgebungsdruck ein paO2 von etwa 1800 mmHg erreicht wird, der physikalisch gelöste Anteil auf annähernd 6 ml O2/100 ml Blut anreichern, was zum Überleben unter Ruhebedingungen theoretisch ausreicht. Tatsächlich überlebten Versuchstiere
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Kapitel 21 • Akuter Blutverlust in der operativen Medizin
einen vollständigen Verlust von Hämoglobin unter hyperbaren Bedingungen. Auch Patienten, die aus religiösen Gründen Bluttransfusionen ablehnten (Zeugen Jehovas), überstanden durch die intermittierende HB0-Therapie eine extreme Anämiesituation folgenlos.
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Temperaturmanagement Perioperativ entstehen regelhaft Wärmeverluste, wenn keine wärmeprotektiven Maßnahmen ergriffen werden. Das Ausmaß der perioperativen Hypothermie hängt neben der präoperativen Temperatur von der Dauer, Größe und Lokalisation des operativen Eingriffs ab, vom intraoperativen Flüssigkeitsumsatz und vom postoperativen Management (z. B. Nachbeatmung). Der Abfall der Körperkerntemperatur findet überwiegend in der ersten Stunde einer Narkose statt und verlangsamt sich danach, sodass auch schon bei relativ kurzen Eingriffen mit Hypothermien gerechnet werden muss. Als Ursache werden eine Sollwertverstellung der Temperatur im Gehirn sowie eine Anästhesie-bedingte Vasodilatation diskutiert. Wärmeverluste treten durch Konvektion (Wärmeströmung in Flüssigkeiten oder Gasen, z. B. kalte Infusionslösungen), Konduktion (Wärmediffusion in Festkörpern, z. B. über Körperoberfläche auf unbeheiztem OP-Tisch), Evaporation (Verdunstung, z. B. bei Beatmung mit nicht vorgewärmten Gasen) und Radiation (Abstrahlung, z. B. an Umgebung in unbekleidetem Zustand) auf. Schon vor Jahren wurde an orthopädischen Patienten gezeigt, dass eine milde Hypothermie von 35 °C den perioperativen Blutverlust und somit den Transfusionsbedarf signifikant erhöht [62]. Daraus wurde konsequenterweise die Forderung nach Wahrung einer intraoperativen Normothermie abgeleitet, was zur Einführung diverser wärmeprotektiver Maßnahmen führte. Hierzu zählen die Erhöhung der Raumtemperatur (Reduktion des Wärmeverlustes um ca. 10 % pro 1 °C Erhöhung der Raumtemperatur) und Infrarotlampen (praktiziert v. a. bei Kindern wegen ihrer großen Körperoberfläche im Verhältnis zur Körpermasse), die Atemgasklimatisierung, Isolation (Einwickeln von Extremitäten, Kopf) oder aktive Erwärmung mit externen Heizmatten (auf dem OP-Tisch oder als Wärmedecken mit konvektiver Lufterwärmung) sowie Infusionswärmern. Vor allem die letztgenannten aktiven Maßnahmen der Wärmezufuhr sind durch eine sehr gute Effektivität bei vertretbarem Aufwand und Kosten gekennzeichnet und haben sich weitgehend in der täglichen Routine bewährt [9]. An 150 orthopädischen und 90 herzchirurgischen Patienten konnte gezeigt werden, dass durch konsequentes Temperaturmanagement (Aufrechterhaltung einer Normothermie von 36,5 °C) der intraoperative Blutverlust signifikant verringert werden konnte und folglich der Transfusionsbedarf ebenfalls vermindert war [33][84]. Es darf aber in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden, dass eine (permissive oder aktive) Absenkung der Körpertemperatur andererseits die Anämietoleranz erhöhen kann, da durch die Hypothermie der Sauerstoffverbrauch und somit -bedarf der Gewebe verringert wird (um etwa 7 % pro 1 °C Temperatursenkung). Voraussetzung hierfür ist jedoch eine komplette Muskelrelaxierung, um die physiologische Gegenregulation des Organismus (Wärmeproduktion durch Muskelzittern) zu unterbinden. Dieses auch als »shivering« bekannte Kältezittern tritt bei 5–65 % aller Patienten (Ausnahme: Neugeborene) nach einer Allgemeinanästhesie auf, wenn die Ist-Temperatur vom Sollwert abweicht. Postoperativ kann das Shivering medikamentös behandelt werden mit Opiaten (Pethidin oder Tramadol je 0,5 mg/kgKG) oder mit Clonidin (1–2 μg/ kgKG).
Optimierung der Blutgerinnung Voraussetzung für eine Minimierung des perioperativen Blutverlustes ist die Optimierung der Blutgerinnung. Eine wichtige Rolle hierbei spielt das Calcium (auch als Faktor IV bezeichnet), das u. a. als Kofaktor der Thrombokinase bei der Umwandlung von Prothrombin in Thrombin mitwirkt. Ohne Calcium kann keine Gerinnung stattfinden, was man sich bei der Herstellung von Blutkonserven (Calciumentzug durch den Chelatbildner EDTA oder Citrat) zu Nutze macht. Für eine funktionierende Blutgerinnung ist daher zwingend eine Normokalzämie (ionisiertes Ca++: 1,1–1,4 mmol/l oder Gesamtcalcium 2,1–2,7 mmol/l) aufrecht zu erhalten. Die meisten modernen Blutgasanalysegeräte bieten daher die Bestimmung des ionisierten Ca++ als Point-of-care-Messung an. Eine weitere medikamentöse Unterstützung der Blutgerinnung ist die Applikation von Desmopressin (z. B. Minirin®, 7 Abschn. 21.2.4) [42]. Nach anfänglich positiven Resultaten an herzchirurgischen Patienten, die präoperativ Acetylsalicylsäure eingenommen hatten [64], hat sich jedoch in einer Metaanalyse (Cochrane 2004) gezeigt, dass durch diese Maßnahme weder der Blutverlust noch der Transfusionsbedarf gesenkt werden kann. Außerdem traten hämodynamische Nebenwirkungen auf, die u. a. in einer 2,4-fach erhöhten Inzidenz von Herzinfarkten resultierten [41]. Die Anwendung sollte sich daher auf Patienten mit milder Hämophilie A und von-Willebrand-Syndrom beschränken. Auch die Lysinanaloga Tranexamsäure und ε-Aminokapronsäure (in Deutschland z. Zt. nicht auf dem Markt) werden zur Reduktion des perioperativen Blutverlustes eingesetzt. Sie hemmen die Fibrinolyse, indem sie Komplexe mit dem Plasminogen bilden, wodurch dessen Bindung an Fibrin unterbunden wird. Da die Gerinnung in vivo auf eine funktionierende Interaktion zwischen Thrombozyten und Fibrinogen angewiesen ist, stellt die Fibrinolyse eine wichtige Blutungsursache dar (7 Kap. 4). Tranexamsäure ist dabei etwa 10-mal stärker wirksam als ε-Aminokapronsäure. Mehrere Metaanalysen fanden einen blutsparenden Effekt durch eine prophylaktische Applikation v. a. für Tranexamsäure bei herzchirurgischen und orthopädischen Patienten sowie bei Lebertransplantationen ohne eindeutige Hinweise auf ernsthafte Komplikationen [42][47]. Schließlich wurde auch der Serin-Proteaseninhibitor Aprotinin (Trasylol®) zur Hemmung der Fibrinolyse eingesetzt, wodurch u. a. die Proteasen Plasmin, Trypsin, Kallikrein, Chymotrypsin, aktiviertes Protein C und Thrombin gehemmt werden. Obwohl in etwa 45 Studien an über 7000 herzchirurgischen und orthopädischen Patienten sowie bei Lebertransplantationen eine blutsparende Wirkung nachgewiesen wurde [41][42][63], ruht seine weltweite Zulassung jedoch seit Ende 2007, nachdem in der kanadischen BART-Studie (Vergleich dreier Antifibrinolytika) an mehr als 2300 herzchirurgischen Patienten im Aprotinin-Arm trotz moderater Reduktion des Blutungsrisikos signifikant mehr Patienten verstorben waren, was zum vorzeitigen Studienabbruch führte [20]. Bereits zuvor gab es Hinweise für vermehrte renale (akutes Nierenversagen), zerebrale (Schlaganfall, Enzephalopathie) und kardiale Ereignisse (Herzinfarkt, Herzinsuffizienz) durch Aprotinin [47], die nachhaltig zu einer erhöhten 5-Jahres-Sterblichkeit führten [48]. Ein relativ neues blutstillendes Medikament ist der aktivierte rekombinante Faktor VIIa (Novoseven®). Dieser bindet an aktivierte Thrombozyten und aktiviert direkt den Faktor X (unter Umgehung der Faktoren VIII und IX). Seine Wirkung erfolgt ausschließlich am verletzten Endothel, das den Gewebefaktor freisetzt, sodass eine systemische Gerinnungsaktivierung nicht zu befürchten ist. Obwohl die Zulassung auf den hereditären Faktor-VII-Mangel, die
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21.4 • Stufenkonzept der Substitution von Blutverlusten
Hemmkörper-Hämophilie und alloimmunisierte Thrombasthenien beschränkt ist, hat sich der Einsatz von Novoseven als ultima ratio bei Blutungen der unterschiedlichsten Genese ebenfalls bewährt. So konnte beispielsweise bei polytraumatisierten Patienten, bei denen Verbluten mit 40 % die führende Todesursache ist, nachgewiesen werden, dass durch Applikation von Novoseven der Transfusionsbedarf v. a. bei stumpfen, weniger bei penetrierenden Verletzungen reduziert werden konnte (um 2,6 bzw. 1 EK) und dass die Inzidenz von Massivtransfusionen halbiert wurde [5]. Auch bei herzchirurgischen Patienten scheint die »Off-label-Anwendung« von Novoseven bei unkontrollierbaren Blutungen vielversprechend zu sein [7][18] [74].
Intraoperative Wundblutaufbereitung Als Alternative zur homologen Bluttransfusion kann bei Operationen mit hohem Blutverlust (Gefäßchirurgie, Orthopädie) intraoder postoperativ anfallendes Wundblut unter bestimmten Voraussetzungen aufgefangen und entweder direkt (ungewaschen) oder nach Aufbereitung (maschinelle Autotransfusion, MAT) retransfundiert werden. Bei der Direkttransfusion wird das Wundblut in speziellen Drainageflaschen gesammelt und nach einfacher Filtration (Mikrofilter 40 μm) retransfundiert. Hierdurch werden (aktivierte) Leukozyten und Thrombozyten (geschweige denn deren freigesetzte Enzyme und Zytokine), aktivierte Gerinnungsfaktoren sowie etwa enthaltene Fettpartikel nicht eliminiert. In der Folge kommt es somit zu einer massiven Aktivierung von Gerinnung, Fibrinolyse und Komplementkaskade in vivo, die sich u. a. in Temperaturanstiegen, Gasaustausch- und Gerinnungsstörungen äußern. Die Effektivität der Direkttransfusion ist zudem gering, da der Hämatokrit des aufgefangenen Blutes lediglich zwischen 15 und 25 % liegt. Daher besteht die Empfehlung (Evidenzgrad 1b), keine Direkttransfusion von ungewaschenem Wundblut vorzunehmen. Die maschinelle Autotransfusion (MAT) wird bei Operationen mit hohem Blutverlust eingesetzt (Gefäß-, Herz- und Leberchirurgie, Orthopädie). Bei der MAT wird durch direktes Absaugen des Wundblutes eine hohe Rückgewinnungsrate erzielt, durch den anschließenden Aufbereitungsvorgang entsteht qualitativ hochwertiges Blut mit einem großen Anteil an Sauerstoffträgern (hoher Hkt). In Deutschland sind derzeit drei Systeme auf dem Markt (ELECTA, CATS, OrthoPAT). Das auf diese Weise gewonnene Blut hat Untersuchungen zufolge günstigere Effekte für den Sauerstofftransport als gelagerte (also alte) Konserven. Als Kontraindiktionen für die MAT gelten potenzielle Verunreinigungen des Wundblutes durch Bakterien (Sepsis, Infektion im OP-Gebiet, Darmchirurgie) oder Amnionflüssigkeit sowie Tumoroperationen, wenngleich bei letzteren durch Bestrahlung des aufbereiteten Blutes mit 50 Gy die enthaltenen Tumorzellen wirksam abgetötet werden können [26]. Der Bestrahlungsvorgang erfordert jedoch in der Regel eine räumliche Entfernung des Blutes vom Patienten, sodass vor Retransfusion zum Ausschluss einer Verwechslung ein Bedside-Test erforderlich ist. Abschließend sei erwähnt, dass auch allein die Implementierung fester Transfusionsprotokolle oder -algorithmen in der Lage ist, Transfusionen zu vermeiden und damit Kosten einzusparen [16]. Diese an herzchirurgischen Patienten erhobenen Daten zeigen, dass das Einhalten von evidenzbasierten Transfusionstriggern (7 Abschn. 21.4) die effizienteste fremdblutsparende Maßnahme darstellt. Unstrittig ist außerdem, dass auch durch anästhesiologische Maßnahmen eine Steigerung der intraoperativen Anämietoleranz erzielt werden kann. Hierzu zählen neben der Aufrechterhaltung einer Normovolämie die komplette Muskelrelaxation, eine adäqua-
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te Narkosetiefe sowie die Aufrechterhaltung des Perfusionsdrucks für die Organdurchblutung mit Katecholaminen (beispielsweise mit Noradrenalin). Auch eine Senkung des ZVD auf Werte <5 cmH2O ist eine effektive Maßnahme, die bei ausgedehnten Leberteilresektionen den intraoperativen Blutverlust und folglich den Transfusionsbedarf signifikant verringert [35]. 21.4
Stufenkonzept der Substitution von Blutverlusten
Myokardial gesunde Patienten kompensieren einen Blutverlust bis zu einem Hb von ca. 7,5 g/dl nahezu ausschließlich über eine Zunahme des Schlagvolumens bei annähernd konstanter Herzfrequenz. Damit erhöht sich gleichzeitig der Blutfluss (HZV), sodass das Sauerstoffangebot (DO2) trotz des erniedrigten Sauerstoffgehalts des arteriellen Blutes durch den Verlust an Sauerstoffträgern konstant bleibt. Unter Extrembedingungen ist die hämodynamische Kompensationsfähigkeit jedoch limitiert durch die Sauerstoffversorgung bzw. den Sauerstoffbedarf des Myokards, das bereits unter Normalbedingungen mit 12 ml/dl eine extrem hohe arteriovenöse Sauerstoffgehaltsdifferenz (entsprechend einer O2-Utilisation von ca. 60 %) aufweist. Bei myokardialer Vorschädigung und/oder eingeschränkter Koronarreserve sind diese Kompensationsmechanismen je nach Ausmaß entsprechend früher erschöpft bzw. vollständig aufgehoben. Unterschreitet die Hämoglobinkonzentration bzw. die DO2 einen »kritischen« Wert, kann der Sauerstoffbedarf der Zellen nicht mehr gedeckt werden, und es entsteht eine Angebotsabhängigkeit des ˙ 2 ) mit Entstehung einer Sauerstoffschuld Sauerstoffverbrauchs ( VO (. Abb. 21.1). Diese kritischen Werte für Hb/Hkt bzw. DO2 sind alters- und speziesabhängig und variieren interindividuell. Außerdem werden sie von Komorbiditäten (z. B. kardiale und pulmonale Reserve) sowie der Körpertemperatur beeinflusst und setzen eine Normovolämie voraus. Im Allgemeinen werden für herzgesunde, anästhesierte Menschen kritische Werte für die DO2 von 8,2 ml/min × kgKG [65] und für den Hkt von 10–12 % angegeben. Myokardischämien treten bei einem Hkt von 7–10 % auf. Tierexperimentell wurde der Einfluss von Koronarstenosen untersucht und gezeigt, dass eine kritische Stenose der linken Koronararterie den kritischen Hämatokritwert von 9±1 % (keine Stenose) auf 17±1 % erhöhte [43]. Bei den Tieren mit Stenose erhöhte sich während der isovolämen Hämodilution der myokardiale Blutfluss nicht, sodass der myokardiale Sauerstoffverbrauch kontinuierlich abnahm bei gleichzeitigem Laktatanstieg als Zeichen der Myokardischämie. Nicht nur eine Einschränkung der myokardialen Reserve, sondern auch eine systemische Entzündungsreaktion (Sepsis) erhöht in der Regel die kritischen Werte für Hb bzw. DO2. So konnte wiederum tierexperimentell gezeigt werden, dass eine Endotoxingabe zur Induktion einer generalisierten Entzündungsreaktion die kritische DO2 von 8,0±0,7 auf 11,4±2,7 ml/kg×min erhöhte bei gleichzeitiger Steigerung des Sauerstoffverbrauchs um 15 % [58]. Als eine mögliche Ursache wurde eine Abnahme der Sauerstoffextraktionsrate von 70±7 % auf 61±11 % gefunden, die entweder auf einer Fehlverteilung des Blutflusses auf der Ebene der Mikrozirkulation [34] oder auf einer Sauerstoffverwertungsstörung in den Mitochondrien beruht [44]. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass innerhalb der verschiedenen Organe eine erhebliche Variabilität in der Regulationsfähigkeit zur Aufrechterhaltung der Gewebsoxygenierung besteht. So konnte tierexperimentell gezeigt werden, dass im Zuge einer
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Kapitel 21 • Akuter Blutverlust in der operativen Medizin
progressiven Hämodilution die Gewebeoxygenierung in der Niere schon bei einem Hkt von 39±9 % abnahm, im Darm hingegen erst bei einem Hkt von 17±7 % und am Herzen sogar erst bei einem Hkt von 9±4 % [75]! Derartige systematische Untersuchungen zur kritischen Grenze einer Hämodilution verbieten sich aus naheliegenden Gründen beim Menschen, aber auch hier gibt es aus Fallberichten Hinweise für die Gültigkeit einer Übertragung der tierexperimentellen Befunde. Ein 84-jähriger, ansonsten gesunder Zeuge Jehovas beispielsweise erlitt im Rahmen einer Magenoperation einen starken Blutverlust (4500 ml) durch eine zusätzliche Zerreißung der Milz. Da er die Anwendung von Blutprodukten im Vorfeld der OP strikt ausgeschlossen hatte, wurde eine Hämodilution bis zum Tode des Patienten 12 h postoperativ durchgeführt. Dieser tragische Fall wurde mit Einwilligung der Angehörigen dokumentiert und schließlich publiziert [76]. Die erste Phase der Hämodilution (Abfall des Hkt von 31 auf 20 %) ging mit einem Anstieg des HZV um 54 % bei gleichzeitigem Abfall des peripheren Gefäßwiderstandes im gleichen Ausmaß einher. Erst bei Hkt-Werten unter 10 % fielen Blutdruck und HZV leicht ab. Die kritische DO2 lag bei diesem Patienten bei 4,9 ml/kg×min, der kritische Hb bei 4,0 g/dl. Zum Zeitpunkt des Todes betrug der Hb lediglich 1,6 g/dl. In einem anderen Fallbericht wurde ein 58-jähriger Patient mit metastasierendem Nierenzellkarzinom einer palliativen Metastasenentfernung der lumbalen Wirbelkörper zugeführt. Intraoperativ kam es zu einer Massivblutung aus Epiduralvenen, der Kreislauf konnte in Ermangelung von schnell verfügbaren Blutprodukten mit Infusionen von Kolloiden (16 l Gelatine) und Katecholaminen (Dopamin) aufrecht erhalten werden. Der minimale dokumentierte Hb in dieser Situation betrug 1,1 g/dl, ohne dass Anzeichen für eine myokardiale Ischämie bestanden [85]. Erst nach weiteren 10 min traten bei anhaltendem Blutverlust ST-Streckensenkungen als Zeichen einer Myokardischämie auf, bis nach etwa weiteren 20 min durch eine Massivtranfusion von ungekreuztem Blut die Situation beherrscht werden konnte. Glücklicherweise überlebte dieser Patient das beschriebene Ereignis ohne neurologische Defizite. Dies ist deshalb von Bedeutung, da Neurone von allen Zellen am empfindlichsten auf eine Hypoxie reagieren. So konnte an gesunden Freiwilligen gezeigt werden, dass eine isovolämische Anämie (Hb 5,6 g/ dl) die kognitive Leistungsfähigkeit (Reaktionszeit, Erinnerungsvermögen) beeinträchtigt [80]. Dieser Defekt war durch Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (paO2 > 350 mmHg) reversibel. Basierend auf diesen Erkenntnissen besagen die aktuellen Empfehlungen des amerikanischen National Institute of Health (NIH), dass oberhalb einer Hb-Konzentration von 7,0 g/dl keine Erythrozyten transfundiert werden sollten, es sei denn, es bestehen Symptome eines Sauerstoffmangels (z. B. EKG-Veränderungen, anderweitig nicht erklärbare Tachykardie, negativer Basenüberschuss oder Laktaterhöhung). Diese Empfehlungen des NIH stimmen auch weitgehend mit Empfehlungen der American Task Force on blood component therapy überein, die einen Transfusionstrigger für Erythrozyten zwischen einem Hämoglobingehalt von 6 g/dl (»fast immer Transfusion«) und 10 g/dl (»fast nie Transfusion«) festlegt [2]. Für kardiopulmonal vorerkrankte Patienten sind Hb-Werte zwischen 9 und 10 g/dl anzustreben [22]. Für die postoperative Phase wurde aufgrund der Erfahrung mit Intensivpatienten ein Hb zwischen 8 und 9 g/dl empfohlen [29][77]. Demgegenüber sehen die Leitlinien der Bundesärztekammer in ihrer aktuellen Version (2008) bei erhaltenen physiologischen Kompensationsmechanismen als Reaktion auf eine Anämie beim akuten Blutverlust eine Hämoglobinkonzentration von 6 g/dl bzw.
kritischer Hb
O
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SauerstoffSchuld
- Au ssch
O2 - Verbrauch öpfun
g
Sauerstoffangebot unzureichender Hb
ausreichender Hb
normaler Hb
. Abb. 21.2 Angebotsabhängigkeit des Sauerstoffverbrauchs
3,7 mmol/l als Transfusionstrigger vor, was einem Hkt von 18 % entspricht [12]. Dieser für den Patienten mit normaler Herz-/Kreislauffunktion gültige Transfusionstrigger wird wie folgt modifiziert: Bei eingeschränkter Kompensationsfähigkeit bzw. Vorliegen von Risikofaktoren (KHK, Herzinsuffizienz, zerebrovaskuläre Insuffizienz) oder Hinweisen auf eine anämische Hypoxie (Tachykardie, Hypotension, Laktatacidose, Ischämiezeichen im EKG) wird eine Transfusion schon in einem Hb-Bereich zwischen 6 und 8 g/dl (3,7– 5,0 mmol/l) empfohlen (Evidenzgrad 1C). Im Hb-Bereich zwischen 8 und 10 g/dl (5,0–6,2 mmol/l) sind bei oben genannten Hypoxiezeichen ebenfalls Transfusionen vorgesehen (Evidenzgrad 2C). Eindeutig sprechen sich die Leitlinien gegen eine Transfusion bei einem Hb > 10 g/dl (>6,2 mmol/l) aus (Evidenzgrad 1A). Bei bestimmten Erkrankungen sind spezielle Tansfusionstrigger festgelegt: Diese liegen für die Krankheitsbilder COPD, Sepsis und Polytrauma bei 7–9 g/dl (jeweils Evidenzgrad Ib), für das Schädel-Hirn-Trauma und massive Blutungen sogar bei 10 g/dl (jeweils Evidenzgrad IV) [24]. 21.5
Einfluss des Alters der Erythrozytenkonzentrate
Um den Einfluss des Alters von Erythrozytenpräparationen auf den Transfusionserfolg zu beurteilen, dilutierten Fitzgerald et al. das Blut bei Ratten so lange, bis der Sauerstoffverbrauch um mehr als 30 % abnahm. Dann erhielten die Versuchstiere entweder frische (<3 Tage alte) oder alte (28 Tage alte) Blutkonserven (EK). Nach Transfusion der frischen EKs stieg der Sauerstoffverbrauch an (als Zeichen des gesteigerten Sauerstoffangebots), nicht jedoch nach Transfusion der alten EKs [21]. In einem ähnlichen Versuchsansatz verdünnten Sielenkämper et al. das Blut bei septischen Ratten soweit, bis der Sauerstoffverbrauch um 40 % abfiel (d. h. abhängig vom Angebot wurde, . Abb. 21.2) und der Laktatspiegel anstieg als Zeichen des anaeroben Stoffwechsels. Von den Tieren, die frische EKs (<6 Tage Lagerung) erhielten, überlebten 92 %, jedoch lediglich 33 % der Tiere, die alte (28–35 Tage gelagerte) EKs erhielten [69]. Als Ursachen wurden veränderte rheologische Eigenschaften durch eine verminderte Deformations-
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fähigkeit der Erythrozyten ab dem 7. Lagerungstag sowie Acidose und 2,3-DPG-Mangel in den Konserven identifiziert [3]. In einer großen klinischen Beobachtungsstudie konnte jüngst an ca. 6000 herzchirurgischen Patienten mit über 19.000 Transfusionen gezeigt werden, dass die Transfusion von frischeren Konserven (mittlere Lagerungsdauer 11 Tage) gegenüber älteren Konserven (mittlere Lagerungsdauer 20 Tage) zu einer signifikant niedrigeren Krankenhaussterblichkeitsrate (1,7 vs. 2,8 %) führte. Dieser Unterschied hatte auch nach einem Jahr noch Bestand (7,4 vs. 11 % Sterblichkeit). Außerdem erlitten die Patienten mit den frischen Konserven signifikant weniger akute Nierenversagen (1,6 vs. 2,7 %) sowie weniger pulmonale (Notwendigkeit der Beatmung nach 72 h 5,6 vs. 9,7 %) und septische Komplikationen (2,8 vs. 4,0 %) [38]. Dementsprechend erhöhte die Transfusion von alten Blutkonserven das Sterberisiko um 30 %. Wenn diese aktuellen Ergebnisse in zukünftigen Leitlinien berücksichtigt werden, müsste die Lagerungsdauer von Erythrozytenpräparationen weiter eingeschränkt werden, was allerdings das Problem der mangelnden Verfügbarkeit von Konserven noch verschärfen würde. 21.6
Klinische Studien
Schon vor Jahren wurde an 4470 Intensivpatienten nachgewiesen, dass eine Anämie gefährlich ist, insbesondere bei Vorliegen einer kardialen Vorerkrankung [28]. Hier war die Sterblichkeit erhöht (55 vs. 42 %), wenn die Hämoglobinkonzentration <9,5 g/dl betrug. Bluttransfusionen konnten die Sterbewahrscheinlichkeit von 55 % (keine Transfusion) auf 35 % (1–3 Konserven) bzw. 31 % (4–6 Konserven) signifikant reduzieren. Auch anhand von annähernd 2000 Patienten, die sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen mussten und Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ablehnten, konnte gezeigt werden, dass das Sterberisiko insbesondere bei den Patienten mit kardialer Vorerkrankung und niedriger präoperativer Hb-Konzentration (<6 g/dl) bzw. großem intraoperativen Blutverlust (Hb-Abfall >4 g/dl) signifikant erhöht war [13]. Es stellt sich somit die Frage, ob und wann Transfusionen in der Lage sind, die Überlebenswahrscheinlichkeit bestimmter Patientenkollektive zu erhöhen. In der Literatur der letzten Jahre hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Patienten von einer restriktiven Transfusionspraxis mehr profitieren als von einer liberalen. So konnte eine kanadische Multicenterstudie an über 800 normovolämen Intensivpatienten mit einem Hb <9 g/dl zeigen, dass eine restriktive Transfusionspraxis (Transfusionstrigger 7 g/dl, HbKorridor 7–9 g/dl) zumindest bei den weniger schwer erkrankten (APACHE-II-Score ≤ 20) und jüngeren Patienten (<55 Jahre) einer liberalen Vorgehensweise (Trigger 10 g/dl, Bereich 10–12 g/dl) signifikant überlegen war [29]. Ähnliche Ergebnisse fanden sich mit dem gleichen Transfusionskonzept für Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, mit Ausnahme solcher mit akutem Myokardinfarkt und Angina pectoris [30]. Dies führte in der Folge konsequenterweise zu einer Änderung der Transfusionspraxis kanadischer Ärzte im Hinblick auf niedrigere Transfusionstrigger [31]. Auch bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom bzw. nach Koronarchirurgie war eine allzu liberale Transfusionspraxis schädlich und führte zu einer um den Faktor 1,7–3,9 erhöhten 30-Tage-Sterblichkeit, einem 3-fach erhöhten Risiko für Tod durch Herzinfarkt, doppelt so viel akutem Nierenversagen, verlängerter Notwendigkeit einer Beatmung sowie signifikant erhöhten Raten an schweren Infektionen, kardialen oder neurologischen Ereignissen. Die Grenzen lagen in diesen Untersuchungen bei einem Hb > 10 g/dl bzw. einem Hkt > 25 % [37][54].
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In einer europäischen Multicenterstudie an über 3500 Intensivpatienten wurde bestätigt, dass sowohl die Sterblichkeit auf der Intensivstation (18,5 vs. 10,1 %) als auch die Gesamtsterblichkeit (29,0 vs. 14,9 %) signifikant höher war, wenn Patienten Transfusionen erhielten [77]. Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die Hämoglobinkonzentration einem zweischneidigen Schwert entspricht: Auf der einen Seite steht fest, dass ein zu niedriger Hb gefährlich ist, dies gilt auf der anderen Seite für Transfusion oberhalb einer gewissen Hb-Konzentration aber auch. Allgemein hat sich daher in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein restriktiver Einsatz von Bluttransfusionen im Wesentlichen sicher ist. Trotz Vorliegen wissenschaftlich anerkannter und von Hämotherapie-Leitlinien festgelegter Transfusionstrigger muss die Indikation für eine Transfusion jedoch immer individuell unter Einbeziehung aller physiologischen und pathophysiologischen Grundlagen und unter Beachtung der aktuellen Rahmenbedingungen wie der aktuellen Hämoglobinkonzentration, vorbestehender Risikofaktoren, der Kompensationsmöglichkeit einer Anämie und der Dynamik und des Ausmaßes des weiteren noch zu erwartenden Blutverlustes gestellt werden.
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311
Therapie mit Erythrozyten A. Salama und M. Welte
22.1
Grundlagen der Sauerstoffversorgung und physiologische Kompensationsmechanismen – 312
22.2
Lagerungseffekte auf Erythrozyten – 312
22.3
Verfügbare Erythrozytenkonzentrate – 313
22.4
Indikationen – 313
22.5
Therapie bei akutem Blutverlust – 313
22.6
Chronische Anämien – 315
22.7
EK-Transfusionen bei Feten und Kleinkindern – 315
22.8
Dosierung – 316
22.9
Indikationen für spezielle Erythrozytenkonzentrate – 316
22.9.1 22.9.2 22.9.3 22.9.4
Bestrahlte Erythrozytenkonzentrate – 316 Gewaschene Erythrozytenkonzentrate – 316 Kryokonserviertes Erythrozytenkonzentrat – 316 CMV – 316
22.10
Auswahl und Dosierung von Erythrozytenkonzentraten – 316
22.11
Art der Anwendung – 317
22.12
Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen – 317
22.13
Nebenwirkungen – 318 Literatur – 318
22
312
22
Kapitel 22 • Therapie mit Erythrozyten
Die allogene Erythrozytentransfusion ist trotz diverser Risiken seit über 100 Jahren ein essenzieller Bestandteil der modernen Medizin; weltweit werden zur Zeit ca. 75.000.000 Erythrozytenkonzentrate jährlich transfundiert. Die vermeidbaren Risiken – vor allem die Infektionsrisiken – sind aufgrund sorgfältiger Spenderauswahl und moderner Nachweisverfahren inzwischen sehr selten geworden. Die Erythrozytentransfusion ist bis heute die am schnellsten wirksame und einzige kausale Therapie der lebensbedrohlichen anämischen Hypoxie. Die klinischen Symptome einer anämischen Hypoxie sind die definitiven Indikatoren zur Erythrozytentransfusion und sollten deshalb in strengem Sinne der primäre »physiologische Transfusionstrigger« sein. Diese Symptome sind jedoch unspezifisch und unter klinischen Bedingungen nur schwer zu bestimmen. Sie hängen von der individuellen Kapazität des betroffenen Patienten ab, den verminderten O2-Gehalt des Blutes zu kompensieren sowie von den Auswirkungen des anämisch bedingten Sauerstoffmangels. Symptome der Anämie (»physiologische Transfusionstrigger«) müssen neben der aktuellen Hämoglobinkonzentration bzw. dem Hämatokrit bei der Indikationsstellung zur Erythrozytentransfusion stets beachtet werden.
22.1
Grundlagen der Sauerstoffversorgung und physiologische Kompensationsmechanismen
Erythrozyten sind abgesehen von Transport und Austausch der Atemgase (O2 und CO2) auch am Transport von Protonen, Ionen, organischem Phosphat und Stickstoffmonoxid (NO), aber ebenso an der Hämostase beteiligt. Sie sind kernlos und haben einen Durchmesser von 7,5–8,7 μm, ein Volumen von 80–100 fl und eine Oberfläche von 136 μm2. Durch ihre bikonkave Form und LipidDoppelschichtmembran können sie anschwellen und ihr Volumen fast verdoppeln, können jedoch Kapillaren mit einem Durchmesser von 2,8 μm passieren [6][17][28]. Die physiologische Hauptaufgabe der Erythrozyten ist der Sauerstofftransport zu den Geweben mittels des intrazellulär gespeicherten Hämoglobins. Bei einem Verbrauch von ca. 200–300 ml Sauerstoff pro Minute unter Ruhebedingungen werden beim normal gewichtigen Menschen ca. 1000 ml Sauerstoff/min transportiert; bei einem isolierten Abfall der Hämoglobinkonzentration auf 2/ des normalen Ausgangswertes – z. B. von 15 auf 10 g/dl – werden 3 weiterhin 700–800 ml Sauerstoff pro Minute transportiert. Unter normovolämischen Bedingungen wird die Sauerstoffversorgung erst beim weiteren Abfall der Hämoglobinkonzentration auf Werte unter 5 g/dl kritisch vermindert [20][33]. Die primären Mechanismen zur Kompensation des bei Anämie verminderten Blutsauerstoffgehaltes sind der Anstieg des Herzzeitvolumens, die Steigerung der Sauerstoffextraktion aus dem arteriellen Blut, die Umverteilung der Durchblutung zwischen den Organen zugunsten der vitalen Systeme Herz und Zentralnervensystem sowie die Homogenisierung der mikrovaskulären Perfusion. Die langfristigen Adaptationsmechanismen bei chronischer Anämie sind vielfältig. Sie umfassen die Steigerung der Erythrozytenbildung, die Zunahme der intraerythrozytären Konzentration des 2,3-Di-Phosphoglycerats (2,3-DPG) – wodurch die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins abnimmt bzw. die Sauerstoffdissoziationskurve nach rechts verschoben wird – sowie kardiovaskuläre Veränderungen, die dauerhaft eine Steigerung des Herzzeitvolumens sowie des Blutfluss ermöglichen [20]. Symptome, die bei Anämie und Normovolämie auf eine anämische Hypoxie hinweisen können, werden als »physiologische Transfusionstrigger« bezeichnet [31][32][54]. Sie sind Anzeichen dafür,
dass die Fähigkeit eines individuellen Organismus, eine Anämie zu kompensieren, erschöpft ist, und stellen somit – zumindest aus physiologischer Sicht – die definitive Indikation zur Erythrozytentransfusion dar (7 Übersicht: Zeichen der anämischen Hypoxie bei Normovolämie). Zeichen der anämischen Hypoxie bei Normovolämie (physiologische Transfusionstrigger) Auftreten kardiopulmonaler Symptome 5 Tachykardie 5 Hypotonie 5 Tachypnoe 5 ST-Veränderungen im EKG 5 Herzrhythmusstörung 5 Myokardiale Kontraktionsstörung im Echokardiogramm Globale Zeichen der Unterversorgung mit Sauerstoff 5 Anstieg der globalen O2-Extraktion >50 % 5 Abfall der O2-Aufnahme >10 % vom Ausgangswert 5 Abfall der gemischtvenösen O2-Sättigung <50 % 5 Abfall des gemischtvenösen pO2 < 32 mmHg 5 Abfall der zentralvenösen O2-Sättigung <60 % 5 Bewusstseinsstörungen 5 Laktacidose (Laktat >2 mmol/l + Acidose)
Das primäre Ziel der Erythrozytentransfusion ist es, Schäden, die aus einer anämischen Hypoxie resultieren können, zuverlässig zu verhindern. Bei einem normalgewichtigen Erwachsenen ohne gesteigerten Erythrozytenumsatz und ohne aktive Blutung ist nach Übertragung eines Eryhthrozytenkonzentrates (EK) mit einem Anstieg der Hämoglobinkonzentration um ca. 1,0 g/dl (0,62 mmol/l) bzw. des Hämatokritwertes um ca. 3–4 % zu rechnen [55]. Die durchschnittliche Überlebenszeit normaler körpereigener Erythrozyten im Blut beträgt 110–120 Tage, sodass die Eliminationsrate unter 1 % pro Tag liegt. Da EKs Erythrozyten aller Altersstufen enthalten, liegt die mittlere Überlebenszeit von transfundierten, kompatiblen, frischen Erythrozyten aber nur bei ca. 58 Tagen. Rechnerisch muss ein gesunder Erwachsener ca. 12 ml Erythrozyten pro Tag produzieren, um die Hämoglobinkonzentration konstant bei 10 g/dl (6,2 mmol/l) zu halten. Beim kompletten Ausfall der Erythrozytenproduktion, z. B. bei aplastischer Anämie, wird ca. 1 EK (200–250 ml) pro Woche benötigt, um eine konstante Hämoglobinkonzentration von 10 g/dl (6,2 mmol/l) zu gewährleisten [36]. Der Erythrozytenverbrauch ist bei vermehrtem Abbau, insbesondere bei Inkompatibilität durch Alloantikörper, fieberhaften Erkrankungen, beim Vorliegen von Autoantikörpern und bei Splenomegalie gesteigert. 22.2
Lagerungseffekte auf Erythrozyten
Bei gelagerten Erythrozyten kommt es zu Veränderungen, wie morphologischem Formwandel (z. B. Auftreten von Kugelzellen und Stechapfelformen), Abnahme des 2,3-DPG-Gehalts mit Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve, Verminderung der Verformbarkeit der Erythrozyten, Zunahme der Laktatkonzentration, Freisetzung von Inhaltsstoffen (z. B. Kalium, Laktatdehydrogenase, Hämoglobin) und Abnahme des S-Nitrosohämoglobins der Erythrozyten [8][22]. Die lagerungsbedingten Veränderungen der Erythrozyten – sog. Lagerungsschäden – sind nach Transfusion in vivo innerhalb von 48–72 h zum Teil reversibel. Die Lagerungsschäden sind vermutlich für die Gewebeoxygenierung und den Verlauf der Erkrankung transfundierter Patienten von großer Bedeutung. Klinische Studien zur Erfassung der Aus-
313
22.5 • Therapie bei akutem Blutverlust
wirkung der Lagerungsdauer auf die Gewebeoxygenierung kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen [50]. Bei kritisch kranken Patienten mit Trauma und großen Operationen besteht offensichtlich eine Assoziation zwischen der Lagerungsdauer transfundierter EKs und der Mortalität, der Morbidität, dem Auftreten von Infektionen sowie der Liegedauer [48]. Bei herzchirurgischen und schwerkranken Patienten weisen neueste Daten darauf hin, dass die Transfusion von über 14 Tage gelagerten Erythrozyten mit erhöhten Komplikationsraten sowie mit vermindertem Überleben assoziiert ist [25]. Als Ursache hierfür werden lagerungsbedingte Strukturveränderungen, Funktionsbeeinträchtigungen und 2,3-DPG-Verarmung der Erythrozyten diskutiert sowie zelluläre und bioaktive Bestandteile im Plasmaüberstand, die eine immunmodulatorische Wirkung haben [32]. Der Effekt gelagerter EKs auf Tumorrezidive und Metastasierung wird kontrovers beurteilt [3][5], sodass derzeit keine abschließende Bewertung möglich ist. 22.3
Verfügbare Erythrozytenkonzentrate
Eryhthrozytenkonzentrate werden aus frisch abgenommenem Vollblut oder maschinell mittels Zellseparatoren gewonnen. Sie unterscheiden sich geringfügig im Gehalt an noch verbliebenen Thrombozyten, Plasmabestandteilen und additiver Lösung. Alle verfügbaren Blutkomponenten werden leukozytendepletiert [9]. Durch die Leukozytendepletion werden die Qualität des Präparates verbessert, das Risiko einer Immunisierung gegen Leukozytenantigene (HLA-Antigene) stark reduziert und die Übertragung zellständiger Viren (z. B. CMV) weitgehend verhindert. Mittels einer Additivlösung wird das Plasma verdünnt und der Plasmagehalt insgesamt stark reduziert. Zur Entfernung vor allem der restlichen Plasmaproteine und Thrombozyten aus leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten in additiver Lösung können die Erythrozyten mit isotonischer Lösung im funktionell geschlossenen System mehrmals gewaschen und anschließend in isotonischer Kochsalzlösung oder Additivlösung resuspendiert werden. Gewaschene EKs sind sehr selten indiziert und müssen unverzüglich transfundiert werden (7 Kap. 16). Kryokonservierte Erythrozytenkonzentrate werden nur in wenigen nationalen und internationalen Blutbanken in begrenzter Menge für Notfälle vorrätig gehalten. Vor Anwendung werden die Erythrozyten aufgetaut, in einem funktionell geschlossenen System mit einer geeigneten Lösung gewaschen, resuspendiert und unverzüglich transfundiert. 22.4
Indikationen
Die Eryhtrozytentransfusion ist nur angezeigt bei Patienten mit klinisch relevanter Anämie, die kausal nicht behandelbar ist und sonst zum gesundheitlichen Schaden führen würde. Bei jedem betroffenen Patienten sollte die Ursache der Anämie möglichst vor der Gabe von Erythrozyten geklärt werden, um gegebenenfalls auf eine kausale Therapie zurückzugreifen oder diese zumindest parallel zur Transfusion zu beginnen. Die häufigsten Indikationen anämiebedingter Transfusionen sind Blutverluste (traumatisch und/oder chirurgisch), weniger Störungen der Erythrozytenbildung (z. B. Knochenmarkinsuffizienz und aplastische Anämie) und noch seltener Hämolysen (angegeborene oder erworbene hämolytische Anämien, extrakorporale Organersatzverfahren). Die Anämie ist als eine Verminderung der Hämoglobinkonzentration und/oder des Hämatokrits unter den alters- und ge-
22
schlechtsspezifischen Normalwert definiert [17][28]. Über eine weite Spanne verminderter Hämoglobinwerte besteht aufgrund der Kompensationsmechanismen (7 s. oben) jedoch zwischen den gemessenen Laborwerten und der Ausprägung der klinischen Symptome einer Anämie keine einfache Korrelation. Das therapeutische Ziel der Erythrozytentransfusion ist nicht die Normalisierung der Hämoglobinkonzentration und/oder des Hämatokritwertes, sondern die Vermeidung bzw. Therapie einer manifesten anämischen Hypoxie. Daher müssen bei der rationalen Indikationsstellung zur Erythrozytentransfusion neben der gemessenen Hämoglobinkonzentration und/oder des Hämatokrits vor allem folgende Kriterien herangezogen werden: 5 Ursache, Dauer und Schweregrad der Anämie, 5 Ausmaß und Geschwindigkeit des Blutverlustes, 5 unter Berücksichtigung des klinischen Zustandes der betroffenen Patienten die Einschätzung der individuellen Kapazität, den O2-Mangel zu kompensieren, 5 Symptome einer anämischen Hypoxie (physiologische Transfusionstrigger), 5 Zeichen einer Hypovolämie (Tachykardie, Hypotonie, Zeichen der peripheren Minderperfusion). Eine restriktive Indikationsstellung zur Erythrozytentransfusion vermindert die Exposition für Fremdblut und geht bei den meisten Patientengruppen nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher [21][45][49]. Andererseits kann in speziellen Situationen, z. B. bei akutem, massivem Blutverlust und nicht gestillter Blutung, die frühzeitige Substitution von Erythrozyten die Kreislauffunktion und die primäre Hämostase rasch verbessern [15]. Studien, die bei akuter massiver Blutung die sofortige Behandlung mit Bluttransfusionen und die primäre Therapie mit nichterythrozytenhaltigen Volumenersatzlösungen und spätere Bluttransfusion verglichen haben, existieren nicht. 22.5
Therapie bei akutem Blutverlust
Die häufigste Ursache für den akuten Blutverlust sind traumatisch und/oder chirurgisch bedingte Blutungen. Im Grundsatz kann unter strikter Aufrechterhaltung der Normovolämie die globale O2-Versorgung bei akutem Blutverlust bis zu einer Hämoglobinkonzentration von circa 6 g/dl (3,7 mmol/l) bzw. einem Hämatokrit von 18 % durch die physiologischen Kompensationsmechanismen (Anstieg des Herzzeitvolumens, Zunahme der O2-Extraktion, Redistribution der Durchblutung zugunsten von Herz und ZNS) ohne dauerhaften Schaden kompensiert werden [29][32]. Bei aktiver Blutung und Zeichen der Hypoxie sowie im hämorrhagischen Schock ist die rechtzeitige Transfusion von Erythrozyten die am schnellsten wirksame Therapie zur Sicherung der Gewebeoxygenierung und gilt somit im Notfall als lebensrettende Maßnahme. In diesen Situationen erfolgt die Entscheidung zur Erythrozytentransfusion auf der Basis des klinischen Verlaufs (hämodynamische Parameter), des aktuellen und des weiter zu erwartenden Blutverlustes. Im Notfall können zunächst ungekreuzte Erythrozytenkonzentrate (wenn möglich blutgruppengleich oder 0 EK) transfundiert werden. Die Sicherheit ungekreuzter ABO-/ Rh-kompatibler Transfusionen ist mit >99,7 % sehr groß [39]. Bei Massivtransfusionen sind auch die primäre und sekundäre Hämostase beeinträchtigt, und dementsprechend müssen neben EKs frühzeitig Gerinnungsfaktoren in From von Gefrierplasmen und Konzentraten, Fibrinogen und Thrombozyten substituiert werden (7 Kap. 21 und 28).
314
Kapitel 22 • Therapie mit Erythrozyten
. Tab. 22.1 Empfehlungen zur Erythrozytentransfusion bei akuter Blutung Hb-Bereich
Kompensationsfähigkeit/Risikofaktoren
Transfusion
≤6 g/dl (≤3,7 mmol/l)
–
Jaa
6–8 g/dl (3,7–5,0 mmol/l)
Kompensation adäquat, keine Risikofaktoren
Nein
Kompensation eingeschränkt, Risikofaktoren vorhanden (z. B. KHK, Herzinsuffizienz, zerebrovaskuläre Insuffizienz)
Ja
Hinweise auf anämische Hypoxie (physiologische Transfusionstrigger: z. B. Tachykardie, Hypotension, EKG-Ischämie, Laktacidose)
Ja
8–10 g/dl (5,0–6,2 mmol/l)
Hinweise auf anämische Hypoxie (physiologische Transfusionstrigger: z. B. Tachykardie, Hypotension, EKG-Ischämie, Laktacidose)
Ja
>10 g/dl (>6,2 mmol/l)
–
Neinb
22
Hb Hämoglobinkonzentration. a Im Einzelfall können bei adäquater Kompensation und ohne Risikofaktoren niedrigere Hb-Werte ohne Transfusion toleriert werden. b Im Einzelfall kann eine Transfusion auf Hb-Werte >10 g/dl indiziert sein.
Die kritische Hämoglobinkonzentration, das heißt der Wert, bei dessen Unterschreiten die Abnahme des Sauerstoffgehalts des Blutes nicht mehr kompensiert werden kann, ist individuell unterschiedlich und kann klinisch kaum sicher bestimmt werden. Bei gesunden Menschen liegt die kritische Hämoglobinkonzentration unter normovolämischen Bedingungen unter 5 g/dl. Kurzfristig wurden auch wesentlich niedrigere Werte ohne bleibende Schäden überlebt. Patienten mit normalen Herz-Kreislauf-Funktionen tolerieren einen normovolämischen Abfall der Hämoglobinkonzentration auf ca. 5 g/dl (Hb 3,1 mmol/l; Hkt 15 %) ohne klinische Hinweise auf eine kritische Verminderung der globalen Sauerstoffversorgung [51]. Eine auf einzelne Organsysteme (z. B. Splanchnikusorgane) begrenzte kritische Verminderung der Sauerstoffversorgung ist bei Hämoglobinkonzentrationen unter 6 g/dl (<3,7 mmol/l) anhand globaler Indices der Sauerstoffversorgung jedoch nicht sicher auszuschließen [35]. Bei Absinken der Hämoglobinkonzentration unter 6 g/dl (Hb <3,7 mmol/l) können auch bei jungen, gesunden Personen EKG-Veränderungen [27], kognitive Dysfunktionen und Gedächtnisstörungen [52], Erschöpfung und Müdigkeit [46] auftreten. Diese Veränderungen sind nach nur geringfügigem Anheben der Hämoglobinkonzentration auf Werte über 7 g/dl (4,3 mmol/l) oder bei vorübergehender Atmung von Sauerstoff reversibel [53]. Theoretisch könnte daher zum klinischen Ausschluss einer anämisch bedingten Hypoxie die Transfusion eines EK ausreichend sein. Unter Normalbedingungen ist der Anteil des physikalisch im Plasma gelösten Sauerstoffs am Sauerstoffgehalt des Blutes geringfügig: Bei einem paO2 vom 70 mmHg und einer Hb-Konzentration von 13 g/dl sind nur 1,2 % des O2 physikalisch im Plasma gelöst und ca. 98,8 % an Hämoglobin gebunden. Trotz dieser auf den ersten Blick vernachlässigbaren Menge kann in ausgewählten Situtationen die Beatmung mit reinem Sauerstoff (nicht bei Früh- und Neugeborenen) – und damit die Anhebung des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes auf Werte über 500 mmHg – mit einer entscheidenden Verbesserung von Sauerstofftransport, Gewebeoxygenierung und Überleben verbunden sein. Insbesondere im Rahmen einer akuten Anämie konnte mehrfach gezeigt werden, dass der physikalisch im Plasma gelöste Sauerstoff entscheidend zur Sicherung der Gewebesauerstoffversorgung beitragen kann und somit die Anämietoleranz des Organismus signifikant steigert. Die Gabe von Sauerstoff wird daher als Sofortmaßnahme bei akuter Anämie empfohlen [53].
Ein Hämatokritwert von ca. 15 % (Hämoglobinkonzentration 5,0–4,5 g/dl = 3,1–2,8 mmol/l) muss aufgrund von klinischen Beobachtungen und unter Berücksichtigung von Risikofaktoren als kritischer Grenzwert der absoluten Indikation zur Substitution mit EKs angenommen werden [51]. Die Bestimmung der Hämoglobinkonzentration und des Hämatokritwertes kann das volle Ausmaß der Anämie in der akuten Phase (während und unmittelbar nach Blutverlust) nicht reflektieren, solange durch Eintritt von Flüssigkeit aus dem extravasalen Raum oder therapeutisch durch Volumengabe keine Normovolämie herrscht [47]. Daher müssen die klinischen Symptome einer hypoxischen Anämie immer im Vordergrund stehen. Bei schwerkranken Kindern, die auf einer Intensivstation behandelt wurden, konnte nachgewiesen werden, dass eine restriktive Transfusionstherapie, die erst bei Unterschreiten einer Hämoglobinkonzentration von 7 g/dl die Indikation zur Transfusion vorsah und eine Ziel-Hämoglobinkonzentration zwischen 7–9 g/dl anstrebte, einen positiven Effekt im Hinblick auf Morbidität und Mortalität hatte [26]. Für Patienten mit bekannter koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz oder zerebrovaskulärer Erkrankung liegen keine ausreichenden Daten vor. Trotzdem kann geschlossen werden, dass hämodynamisch stabile kardiovaskuläre Risikopatienten ohne Anzeichen einer anämischen Hypoxie und Hb-Konzentrationen zwischen 8 und 10 g/dl von Erythrozytentransfusionen nicht profitieren. Hämoglobinkonzentrationen von 7–8 g/dl (4,3–5,0 mmol/l, Hkt 21–24 %) werden von stabilen kardiovaskulären Risikopatienten ohne bleibende hypoxische Schädigungen toleriert. Ein Absinken der Hämoglobinkonzentration unter 7 g/dl (<4,3 mmol/l, Hkt <21 %) geht mit einer Zunahme der Morbidität und Mortalität einher [11][18]. Anhand verfügbarer Studiendaten wurden in den Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer [10] Empfehlungen zur Transfusion von Erythrozyten bei akuter Anämie unter Berücksichtigung der aktuellen Hämoglobinkonzentration, der physiologischen Kompensationsmechanismen, vorhandener kardiovaskulärer Risikofaktoren und klinischer Hinweise auf eine manifeste anämische Hypoxie (physiologische Transfusionstrigger) zusammengefasst (. Tab. 22.1).
315
22.7 • EK-Transfusionen bei Feten und Kleinkindern
22.6
Chronische Anämien
Grundsätzlich wird eine langsam entstehende chronische Anämie besser toleriert als eine akute. Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankung können bei Normovolämie extrem niedrige Hämoglobin- und Hämatokritwerte gut kompensieren [51]. Es finden diverse Adaptionsmechanismen statt, u. a. die Senkung des peripheren Widerstandes (Nachlast), die Erhöhung des Herzzeitvolumens, der Anstieg des 2,3-DPG-Gehaltes der Erythrozyten und dadurch eine Rechtsverschiebung der O2-Dissoziationskurve. Dennoch sind bei Vorliegen einer chronischen Anämie der klinische Verlauf der Erkrankung ungünstiger (z. B. bei Herzinsuffizienz) [16][23] und die Mortalitätsraten höher; inwieweit die Anämie dazu kausal beiträgt, ist derzeit unklar [4]. Das Anheben des Hb kann jedoch die objektive Belastbarkeit und das subjektive Wohlbefinden betroffener Patienten mit chronischer Anämie verbessern sowie die Rate an stationären Behandlungen reduzieren [16]. Die Indikation zur Erythrozytentransfusion ergibt sich aus der Beurteilung des klinischen Gesamtbildes und wird nicht allein anhand von Laborwerten (Hb, Hkt, Erythrozytenzahl) gestellt. Bei chronisch anämischen Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankungen ist auch bei niedrigen Hämoglobinkonzentrationen bis zu 8,0–7,0 g/dl (Hkt 24–21 %=5,0–4,3 mmol/l) eine Transfusion nicht indiziert, solange keine auf die Anämie zurückzuführenden Symptome auftreten. Das Anheben der Hämoglobinkonzentration bis auf Normwerte (Hb 13–15 g/dl) kann bei chronischer Anämie die Lebensqualität zwar gegenüber moderat anämischen Werten (Hb 11–13 g/dl) weiter verbessern, die Inzidenz von Anämie-bedingten Komplikationen (z. B. kardiovaskulär) wird dadurch aber nicht weiter reduziert [14]. Kommt es bei Patienten mit chronischer Anämie zu akuten Blutverlusten, so werden dieselben Kompensationsmechanismen wirksam wie bei Patienten ohne chronische Anämie, und die Patienten werden nach denselben Grundsätzen behandelt. Patienten mit einer chronischen Anämie infolge primärer oder sekundärer Knochenmarkinsuffizienz sollten grundsätzlich so wenig wie möglich transfundiert werden, insbesondere wenn eine spätere Knochenmark-/Stammzelltransplantation infrage kommt. Bezüglich der Erythrozytentransfusionen bei diesen Patientengruppen liegen keine Daten vor. Sie werden jedoch wie schwerkranke Patienten behandelt. Der Transfusionstrigger liegt bei Hämoglobinkonzentrationen <8–7 g/dl (<5,0–4,3 mmol/l) bzw Hkt <24–21 %. Der Transfusionsbedarf kann durch Erythropoietingaben zum Teil reduziert werden [12][13][41]. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann Erythropoetin bei Patienten mit malignen Erkrankungen negative Wirkungen zeigen, daher sollte die Anwendung auf Patienten unter Chemotherapie beschränkt bleiben [40][43]. Für die Behandlung von Patienten mit nichtimmunologisch bedingten, hämolytischen Anämien gelten dieselben Grundsätze wie bei Anämien infolge von Bildungsstörungen. Patienten mit chronischen Erkrankungen und Bluttransfusionen, vor allem Patienten ohne Immunsuppression, Patienten mit Thalassämie, Sichelzellanämie, Myelofibrose oder aplastischer Anämie sollten möglichst mit »Antigen-gematchten« Erythrozyten versorgt werden, um das Risiko der Alloimmunisierung zu minimieren. Außer Rhesusantigenen sollen die meist klinisch relevanten Kell-, Duffy- und Kidd-Antigene berücksichtigt werden. Bei Patienten mit autoimmunhämolytischen Anämien (AIHA) vom Wärmetyp sind einige Besonderheiten zu beachten. Die oft auffällige »Kreuzprobe« infolge freier antierythrozytärer Autoantikörper im Serum der Patienten darf nicht eine lebensnotwendige Transfusion verzögern oder gar verhindern. Bei lebensbedrohlichen hämolytischen Krisen mit sehr tiefen Hämoglobinkonzentrationen
22
. Tab. 22.2 Indikationen zur EK-Transfusion bei Früh-/Neugeborenen und Säuglingen bis zum 4. Lebensmonat Alter [Tage]
Mittlerer HktNormwert [%]
Transfusionsindikation: Hkt-Grenze und/oder Indikationsliste
1
56
<40
<15
50
<35
15–28
45
<30
>28
40
<25
– Beatmung, O2-Bedarf (FIO2) >0,4 oder – lebensbedrohliche Symptome durch Anämie und/oder Hypovolämie – geplante Operationen – Volumenmangel durch Blutverlust
ist die Gabe von EKs unter entsprechender Immunsuppression die am schnellsten wirksame Therapie [44]. Begleitende Alloantikörper, deren Diagnostik häufig zeitaufwendig ist, kommen eher selten vor [2]. Die ggf. identifizierten Alloantikörper mit klinischer Relevanz (z. B. Anti-JK, Anti-K usw.) müssen berücksichtigt werden. 22.7
EK-Transfusionen bei Feten und Kleinkindern
Bei Früh-/Neugeborenen und Säuglingen sind diagnostische Blutentnahmen die häufigste Ursache für eine EK-Transfusion in diesem Alter [34]. Eine Erhöhung des Ausgangshämatokrits bei Frühgeborenen lässt sich durch eine Verzögerung der Abnabelung und eine Positionierung des Kindes unterhalb der Plazenta sowie ein Ausstreichen der Nabelschnur erreichen. Bei der Indikation zur Erythrozytentransfusion (. Tab. 22.2) sind die Dauer und die Schwere der Anämie, die Vorgeschichte, das biologische und das Gestationsalter sowie der klinische Zustand zu berücksichtigen [7][30][38]. Bei Frühgeborenen kann eine in der ersten Woche nach der Geburt begonnene Erythropoetingabe in Kombination mit oraler Eisensubstitution sowie Vitamin B12 und Folsäure die Vermeidung von Transfusionen ermöglichen [19]. Bei Kindern mit akutem Blutverlust, die älter als 4 Monate sind, kann bei normaler Herz-Kreislauf-Funktion ein Abfall des Hämatokrits bis auf 20 % bzw. der Hämoglobinkonzentration bis auf 7–6 g/ dl (4,3–3,7 mmol/l) durch Volumensubstitution kompensiert werden. Bei Kindern dieser Altersgruppe, die instabile Kreislaufverhältnisse aufweisen, liegt der Grenzwert der Transfusionsbedürftigkeit bei einem Hämatokrit von 30 %. Asymptomatische Kinder jenseits von 4 Monaten mit chronischer Anämie können Hämoglobinwerte von 8–7 g/dl (5,0–4,3 mmol/l, Hkt 24–21 %) tolerieren und müssen nicht behandelt werden (7 Übersicht: Indikationen zur EK-Transfusion bei Kindern nach dem 4. Lebensmonat). Bei Kindern mit malignen Erkrankungen und Chemotherapie kann eine wöchentliche Gabe von Erythropoietin den Transfusionsbedarf deutlich reduzieren [42]. Indikationen zur EK-Transfusion bei Kindern nach dem 4. Lebensmonat 5 Präoperative Anämie und Hkt <24 % 5 Blutverlust ≥25 % des Blutvolumens
316
Kapitel 22 • Therapie mit Erythrozyten
5 Symptomatische Anämie und Hkt <24 % 5 Chemotherapie und/oder Radiotherapie und Hkt <24 % 5 Schwere kardiale oder pulmonale Erkrankungen und Hkt <40 % 5 Symptomatische Sichelzellanämie oder andere hereditäre Anämien
22
Bei Kindern auf Intensivstationen konnte ein restriktives Transfusionsregime mit einem Hämoglobingrenzwert von 7,0 g/dl (4,3 mmol/l, Hkt 21 %) zur Einsparung des Blutverbrauchs führen, ohne dass negative Einwirkungen auf den klinischen Verlauf zu verzeichnen waren. Dies gilt nicht für Frühgeborene und Kinder mit Hypoxämie, instabilen Kreislaufverhältnissen, akutem Blutverlust und zyanotischen Herzvitien [26]. 22.8
Dosierung
Das übliche Transfusionsvolumen bei Kindern, speziell Früh- und Neugeborenen, liegt bei 5–15 ml/kgKG. Höhere Dosierungen sind beim hypovolämischen Schock, bei Austauschtransfusionen und Operationen mit kardiopulmonalem Bypass erforderlich. Die Gabe von 3 ml EK/kgKG erhöht die Hämoglobinkonzentration um ca. 1 g/dl (0,6 mmol/l). Das Transfusionsvolumen lässt sich wie folgt errechnen:
7UDQVIXVLRQVYROXPHQ >PO (.@ =
=LHO+NW DNWXHOOHU +NW × %OXWYROXPHQ +NW(.
HktEK Hämatokrit des Erthroythenkonzentrats (üblicherweise zwischen 55 und 65 %) Blutvolumen bei Neugeborenen: ~90 ml/kgKG Blutvolumen bei älteren Kindern: ~80 ml/kgKG
Zu weiteren Besonderheiten der EK-Transfusionen bei Feten und Kleinkindern 7 Kap. 31. 22.9
Indikationen für spezielle Erythrozytenkonzentrate
22.9.1
Bestrahlte Erythrozytenkonzentrate
Die Übertragung vermehrungsfähiger, immunkompetenter Lymphozyten mit Blutprodukten kann bei immunkompromittierten Patienten zu einer Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) führen (7 Kap. 37). Bei kompatibler HLA-Konstellation, vor allem bei Blutsverwandten, kann in seltenen Fällen eine GvHR auch ohne Immunsuppression auftreten. Zellhaltige Blutprodukte, die an solche Patienten verabreicht werden, müssen deshalb mit 30 Gy bestrahlt werden, um eine GvHR zuverlässig zu verhindern (7 Kap. 16, 37). Die Leukozytendepletion kann eine GvHR nicht verhindern [37].
22.9.2
Gewaschene Erythrozytenkonzentrate
Gewaschene EKs sind nur bei Patienten indiziert, bei denen seltene transfusionsrelevante Antikörper gegen IgA oder andere Plasma-
proteine nachgewiesen oder wiederholt schwere, ungeklärte, nichthämolytische Transfusionsreaktionen beobachtet wurden. Erfahrungsgemäß kommen solche Reaktonen durch Erythrozytentransfusionen extrem selten vor. Die zur Zeit verfügbaren Erythrozytenkonzentrate enthalten sehr wenig Plasma und klinisch relevante Antikörper (z. B. Anti-IgA) und können bereits nach der ersten Transfusion mit einem Erythrozytenkonzentrat blockiert werden. Danach können die betroffenen Patienten unmittelbar nach der ersten Reaktion häufig unbedenklich weiter mit normalen EKs transfundiert werden [1].
22.9.3
Kryokonserviertes Erythrozytenkonzentrat
Kryokonservierte EKs sind in wenigen nationalen und internationalen Zentren verfügbar (. Tab. 22.3) und sollten lediglich für Patienten mit komplexen Antikörpern verwendet werden oder solche mit Antikörpern gegen hochfrequente Blutgruppenmerkmale, die anders nicht versorgt werden können.
22.9.4
CMV
Nach den Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten der Bundesärztekammer wird die Auswahl CMV-negativer Blutspender für die Gewinnung von leukozytendepletierten Blutkomponenten zur Vermeidung einer CMV-Infektion nicht empfohlen [10]. 22.10
Auswahl und Dosierung von Erythrozytenkonzentraten
Eine Voraussetzung für eine risikoarme Übertragung von EKs ist deren Auswahl unter Berücksichtigung der blutgruppenserologischen Befunde. Patienten, bei denen vor Transfusion ein klinisch relevanter Antikörper (z. B. Anti-D, Anti-Kell u. a.) nachgewiesen wurde, dürfen nur mit EKs versorgt werden, deren Erythrozyten das korrespondierende Antigen nicht tragen – auch dann, wenn der Antikörpertiter im weiteren Verlauf abfällt und eventuell zum Zeitpunkt der Transfusion nicht mehr nachzuweisen ist. Bei Massivtransfusionen und nicht gestillter Blutung bleibt die klinische Relevanz der Immunantikörper fraglich, da ein Großteil der transfundierten Erythrozyten mit dem/den Antikörper/n von der Zirkulation austritt und keine oder nur milde Hämolyse resultieren kann. Aus der eigenen Erfahrung kommt es sehr selten vor, dass im Notfall serologisch inkompatible und ungekreuzte Erythrozyten transfundiert werden. Die betroffenen Patienten entwickeln in der Regel keine klinisch relevante Hämolyse, auch nach Stillung der Blutung. Dennoch: Sollte die serologische Verträglichkeitsprobe positiv ausfallen, so sollten die identifizierten Immunantikörper bei weiteren Transfusionen berücksichtigt werden. Mädchen sowie gebärfähige Frauen sollten keine Erythrozytenkonzentrate erhalten, die zu einer Immunisierung gegen klinisch relevante Antigene des Rh-Systems (Rh-Formel) oder den Kell-Faktor führen können. Erythrozytenkonzentrate werden in der Regel ABO-gleich transfundiert. In Ausnahmefällen können auch ABO-ungleiche, sog. »major-kompatible« Präparate transfundiert werden (. Tab. 22.4). Durch den Mangel an Rh-negativem (D-negativem) Blut lässt sich die Übertragung von Rh-positiven (D-positiven) Erythrozyten-
317
22.12 • Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen
. Tab. 22.3 Zentren mit verfügbaren kryokonservierten Erythrozy-
22
. Tab. 22.4 Blutgruppenkompatible EK-Transfusionen
tenkonzentraten Stadt
Zentrum
Tel.
Berlin
DRK-Blutspendedienst Ost gGmbH
+49-30-80681-0
Bern
BSD SRK Bern AG
+41-31-3842-350
Hagen
DRK-Blutspendedienst West gGmbH
+49-2331/807-0
Mainz
Transfusionszentrale des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
+49-6131/17-0
München
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes gGmbH
+49-89/5399-0
Springe
DRK NSTOB g.G.m.b.H., Institut Springe
+49-5041/772-0
Ulm
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gGmbH
+49-731/150-0
Amsterdam
The Sanquin Bank of Frozen Blood
+31 20 512 3000
Bristol
International Donor Panel
+44 (0) 117 991 2105
Birmingham
Blutbank des National Blood Service (NBS)
+44 (0) 121 253 4000
Paris
Blutbank der Institut National de la Transfusion Sanguine (INTS)
+33(1) 44 49 30 00
Philadelphia
American Red Cross, The American Rare Donor Panel (ARDP)
+1 (215) 451-4000
Tokio
Japanese Red Cross Society
+81-3-3438-1311
präparaten an Rh-negative (D-negative), nichtimmunisierte Patienten nicht immer vermeiden. Eine solche Übertragung sollte jedoch nur in Betracht gezogen werden, wenn die Transfusion lebenswichtig ist (z. B. bei Notfall- und Massivtransfusionen) und Rh-negative (D-negative) Erythrozytenpräparate nicht zeitgerecht beschafft werden können und wenn es sich um nicht mehr gebärfähige Frauen oder um Männer handelt. Rh-negative (D-negative) Erythrozyten können Rh-positiven (D-positiven) Empfängern übertragen werden, wenn keine Unverträglichkeit infolge von Rh-Antikörpern besteht. Hier ist zu beachten, dass Anti-c einer der häufigsten klinisch relevanten Antikörper ist und bei immunisierten Patienten zu hämolytischen Transfusionsreaktionen führen kann. Somit sind die 0-Rh-negativen Erythrozytenkonzentrate keine »Universalkonserven«. Außerdem muss der Bedarf an Rh-negativen EKs für gebärfähige Frauen immer einkalkuliert werden. Das Depot einer zentralen Versorgung muss immer über eine bestimmte Menge von 0-Rh-negativen Konserven für gebärfähige Frauen verfügen. Bei Rh-D-negativen Mädchen sowie Rh-D-negativen gebärfähigen Frauen ist die Transfusion von Rh-positiven (D-positiven) Erythrozytenkonzentraten (mit Ausnahme von lebensbedrohlichen Situationen) unbedingt zu vermeiden. Wird einer Rhesus-(D-)negativen Patientin im gebärfähigen Alter Rhesus-(D-)positives Blut transfundiert, muss eine Immuni-
Patient/Blutgruppe
Kompatible Erythrozytenkonzentrate
A
A oder 0
B
B oder 0
AB
AB, A, B oder 0
0
0
sierung gegen das D-Antigen nach einer Transfusion mit Rh-Dpositiven Erythrozyten durch die Gabe von Anti-D Immunglobulin verhindert werden. Die kumulative Dosis ist innerhalb von 72 h nach der Transfusion (bis zu 20 μg/ml EK i. v.) zu injezieren [36]. 22.11
Art der Anwendung
Die Einleitung der Transfusion erfolgt nach Aufklärung und Einwilligung der Patienten durch den zuständigen Arzt (7 Kap. 20). Die Transfusionsgeschwindigkeit muss dem klinischen Zustand des Patienten angepasst werden. Eine Hypervolämie ist zu vermeiden. Bei kreislaufstabilen Patienten mit einer hochgradigen Anämie können bei Bedarf bis zu 4 EKs (entsprechend etwa 1000 ml) in 3–4 h übertragen werden. Bei Patienten mit einer Herz- und/oder Niereninsuffizienz ohne Blutung ist das Transfusionsvolumen pro Zeiteinheit zu begrenzen, um eine kardiale Dekompensation zu vermeiden. Eine Erwärmung gekühlter EKs ist in der Regel nicht erforderlich. Ausnahmen sind Massivtransfusionen mit Zufuhr von mehr als 50 ml EK pro Minute, bereits vor der Transfusion unterkühlte Patienten, Patienten mit einer chronischen Kälteagglutininkrankheit und hochtitrigen Kälteantikörpern, Patienten, die auf den Kältereiz durch gekühltes Blut mit einem Vasospasmus reagieren sowie Transfusionen und Austauschtransfusionen bei Neugeborenen [24]. Zur Bluterwärmung dürfen nur für diesen Zweck zugelassene Geräte eingesetzt werden. Eröffnete (»angestochene«) Blutkomponenten sind innerhalb von 6 h zu transfundieren. Die Entnahme von Blutproben aus verschlossenen Blutbeuteln zu Untersuchungszwecken ist nicht erlaubt. Blutprodukten dürfen vom Anwender keine Medikamente bzw. Infusionslösungen beigefügt werden [9]. 22.12
Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen
Es bestehen keine absoluten Kontraindikationen für die Transfusion kompatibler Erythrozyten bei Patienten mit signifikanter Anämie. Relative Kontraindikationen ergeben sich nur bei bestimmten Patienten. Hierzu gehören immunkompromittierte Patienten (7 Abschn. 22.9.1), Patienten mit klinisch relevanten Antikörpern gegen IgA-Moleküle oder andere Plasmaproteine (7 Abschn. 22.9.2) und Patienten mit Hypervolämie (7 Kap. 13). Der serologische Nachweis irregulärer Antikörper gegen Erythrozyten stellt bei Blutung und massiver Bluttransfusion keine absolute Kontraindikation dar (7 Abschn. 22.5).
22
318
Kapitel 22 • Therapie mit Erythrozyten
22.13
Nebenwirkungen
Durch Erythrozytentransfusion können verschiedene vermeidbare und nichtvermeidbare Nebenwirkungen auftreten (7 Kap 37, 38). Durch die sorgfältige Auswahl der Blutspender und die Implementierung standardisierter Testmethoden in allen Bereichen des Blutspendewesens sind inzwischen die häufigsten übertragbaren Infektionen durch Bluttransfusionen extrem selten geworden (7 Kap. 38). Weiterhin ist die Alloimmunisierung gegen HLA-Antigene durch die Leukozytendepletion aller Blutpräparate sehr stark zurückgegangen (7 Kap. 37). Dagegen ist das Auftreten einer Alloimmunisierung und/oder Autoimmunisierung gegen Erythrozytenantigene [2] bzw. das Vorkommen verzögerter hämolytischer Transfusionsreaktionen nicht immer vermeidbar. Der häufigste Transfusionszwischenfall ist heute allerdings die Transfusion eines falschen Eyrthrozytenkonzentrats durch Verwechslung der Konserve und/oder des Empfängers im Rahmen der Vorbereitung der Trasnfusion (z. B. falsches Kreuzblutröhrchen) und der Bereitstellung des EK (z. B. Verwechslung der Konserve). Schließlich ist der Mechanismus sowie die Wirkung einer möglichen Immunmodulation durch die Erythrozytentransfusion bisher nicht eindeutig geklärt (7 Kap. 34). Es bleibt auch abzuklären, inwieweit die zugeführte Eisenmenge durch eine oder mehrere Erythrozytentransfusionen kurz- und/oder langfristige bisher unbekannte Nebenwirkungen auslösen kann. Pro EK werden 200–250 mg Eisen infundiert. Diese Menge entspricht dem Jahresbedarf eines normalgewichtigen Erwachsenen [28] und wird bei Patienten ohne Blutverlust im Organismus gespeichert. Eine Reduktion des durch Erythrozytentransfusion gespeicherten Eisens wird bisher nur zum Teil bei chronisch multitransfundierten Patienten, aber nicht bei einzelnen Transfusionen praktiziert.
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Therapie mit Granulozyten J. Bux und U. J. H. Sachs
23.1
Einleitung – 322
23.2
Bildung, Kinetik und Verteilung der Granulozyten – 322
23.3
Herstellung von Granulozytenkonzentraten – 323
23.3.1 23.3.2 23.3.3
Spenderauswahl und -konditionierung – 323 Präparation und Lagerung – 323 Qualitätskriterien – 324
23.4
Granulozytentransfusion – 324
23.4.1 23.4.2 23.4.3
Dosierung, Durchführung und Erfolgskontrolle – 324 Indikationen – 324 Nebenwirkungen – 324
Literatur – 325
23
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23
Kapitel 23 • Therapie mit Granulozyten
Infektionen im Zusammenhang mit schweren Neutropenien sind nach wie vor eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität bei Patienten, die mit aggressiver Chemotherapie oder einer Transplantation hämatopoetischer Stammzellen behandelt wurden. Es liegt nahe, den Mangel an neutrophilen Granulozyten bei diesen Patienten durch eine Granulozytentransfusion beheben zu wollen. Die Einführung potenter Wachstumsfaktoren (G-CSF) und geeigneter Präparationstechniken ermöglicht heute die Bereitstellung funktionsfähiger Granulozyten in ausreichender Zahl, doch fehlen bislang überzeugende, randomisierte klinische Studien, die den klinischen Nutzen dieser Therapie belegen. Trotzdem haben erfolgversprechende kleinere Arbeiten das Interesse an dieser Therapieform wiederbelebt.
23.1
Einleitung
Die Knochenmarktoxizität aggressiver Chemotherapieverfahren führt zu einer Bildungsstörung aller Zellreihen. Die Folge ist eine länger anhaltende Neutropenie. Potente Antiinfektiva verhindern bei den meisten Patienten schwerwiegende Infektionen in dieser kritischen Phase. Allerdings hat sich gezeigt, dass schwere Infektionen bei neutropenen Patienten in aller Regel erst dann erfolgreich überwunden werden, wenn neutrophile Granulozyten wieder in ausreichender Zahl gebildet werden können. Es erscheint daher zweckmäßig, solche Patienten mit Granulozytenkonzentraten, die funktionstüchtige Granulozyten in ausreichender Zahl enthalten, zu versorgen. Derartige Granulozytentransfusionen wurden mit Aufkommen der Apherese ab den 1960er Jahren zunächst begeistert aufgenommen. Kontrollierte Studien aus dieser frühen Zeit zeigen zwar überwiegend einen Überlebensvorteil für die transfundierten Patienten, dieser ist aber oft moderat und auch nicht in allen Studien zu belegen [27]. Dafür können im Nachhinein zwei Gründe angeführt werden. Zum einen zeigen Metaanalysen, dass der Transfusionserfolg unmittelbar von der Zahl der transfundierten Granulozyten abhängt [40]. In mehreren Studien wurden Granulozyten nicht in ausreichender Zahl transfundiert. Zum anderen war die Funktionsfähigkeit der transfundierten Granulozyten durch das Herstellungsverfahren möglicherweise eingeschränkt und ihre Überlebendauer in vivo ungenügend lang, um einen therapeutischen Effekt erzielen zu können. Auch für die prophylaktischen Transfusionen, bei denen theoretisch die Wirksamkeit transfundierter Granulozyten stärker zum Tragen kommen sollte, zeigten sich nur moderate positive Effekte in Abhängigkeit von der Zahl der transfundierten Einheiten [41]. Hinzu kamen zum Teil hohe Nebenwirkungsraten und eine schlechte Kosten-Nutzen-Relation [27][32][37]. In der Folge häuften sich Berichte über Nebenwirkungen, vor allem auch schwere pulmonale Nebenwirkungen, zum Teil mit Todesfolge. Zwischen 1985 und 1995 wurden kaum noch Granulozytentransfusionen durchgeführt. Die Verfügbarkeit des Wachstumsfaktors Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor (G-CSF) ermöglicht es, die Granulozytenausbeute deutlich zu erhöhen. G-CSF führt bereits 2 h nach subkutaner Gabe zu einem Anstieg der Zahl neutrophiler Granzlozyten, nach 12 h wird der höchste Wert erreicht. G-CSF induziert eine Reihe phänotypischer Veränderungen auf den Granulozyten, unter anderem eine Verringerung konstitutiver Marker (CD62L, CD16b) bei gleichzeitiger Zunahme spezifischer Liganden (CD177) und der Neosynthese von Rezeptoren (CD64) [8]. Zusätzlich inhibiert GCSF die Apoptose. Diese Befunde machen es wahrscheinlich, dass durch G-CSF auch das Überleben der Granulozyten in vivo verlän-
gert und die klinische Wirksamkeit verbessert werden kann [6][28] [31][39]. Die so gewonnenen Granulozyten werden gut vertragen [6][28][29]. 23.2
Bildung, Kinetik und Verteilung der Granulozyten
Unter dem Einfluss von Wachstumsfaktoren entwickeln sich aus undifferenzierten myeloischen Stammzellen zunächst oligopotente, dann determinierte (linienspezifische) Progenitorzellen, aus denen schließlich unter Einwirkung von G-CSF reife Granulozyten entstehen. Die Entwicklung der Neutrophilen ist anhand von Differenzierungsantigenen (CD; 7 Kap. 5) sowie morphologisch zu verfolgen: Myeloblast, Promyelozyt, Myelozyt, Metamyelozyt, stabkerniger und segmentkerniger neutrophiler Granulozyt. Bevor die Zellen zu ihrem funktionellen Endzustand ausreifen, finden Zellteilungen bis zu den Myelozyten statt. Daher nennt man die Zellen der Myelopoese von den Myeloblasten bis einschließlich der Myelozyten auch mitotische Reserve (2,1 × 109 Zellen/kgKG). Man unterscheidet sie von der postmitotischen Reserve des Knochenmarks (5,6 × 109 Zellen/ kgKG; Übersicht: [23]). Die zugehörigen Zellen (Metamyelozyten und Granulozyten) bezeichnet man auch als Reifungskompartiment. Es dauert 8–12 Tage vom Myeloblasten bis zum funktionell aktiven Phagozyten, und vom Myelozytenstadium bis zur Freisetzung von neutrophilen Granulozyten ins Blut vergehen ca. 5–7 Tage. Abhängig vom Granulozytenumsatz können sich diese Durchgangszeiten erheblich verkürzen, sodass die Bildung von Granulozyten bei Bedarf um ein Vielfaches gesteigert werden kann. Aus dem Reifungskompartiment gelangen unter normalen Umständen bei einem Erwachsenen mit 70 kg Körpergewicht täglich ca. 6 × 1010 Granulozyten (0,8–1,0 × 109 Zellen/kgKG) in das Blut, wo sie mit einer Halbwertszeit von ca. 6–7 h (4–12 h) zirkulieren. Bei akuten Infektionen soll sich der tägliche Umsatz bei Erwachsenen auf bis zu 30 × 1010 Zellen steigern können. Infolge Wechselwirkungen mit dem Gefäßendothel hält sich die Mehrheit der 0,7 × 109 Granulozyten/kgKG im Blut an der Gefäßwand (marginaler Zellpool) und eine Minderheit im Zentrum der Blutgefäße (zirkulierender Pool) auf. Der Hauptanteil des marginalen Granulozytenpools befindet sich in der Lunge [26], was aufgrund der Größe des Lungenkapillarbetts und der physiologischen Akkumulation der Granulozyten in der pulmonalen Mikrozirkulation infolge des geringen Durchmessers der Lungenkapillaren nicht überrascht. Unter physiologischen Bedingungen stehen marginaler und zirkulierender Pool im Gleichgewicht, das heißt, die Zahl der Granulozyten, die in den pulmonalen marginalen Pool eintritt, entspricht der Zahl, die ihn in den zirkulierenden Pool verlässt [16]. Ein höheres Herzminutenvolumen mobilisiert Zellen aus dem marginalen Pool zugunsten eines zunehmenden zirkulierenden Pools. Nur aus ihm wird die periphere Leukozytenzahl bestimmt. Die daraus ableitbare Neutrophilie bei körperlicher Belastung ist bei gesunden Blutspendern schon lange bekannt. Umgekehrt ist bereits nach 10 min körperlicher Ruhe die Zahl der Neutrophilen um 15 % vermindert [24]. Apoptotische Granulozyten werden von den Kupffer-Zellen der Leber phagozytiert und somit aus der Zirkulation entfernt [34]. Im nichtentzündlichen Gewebe sind Granulozyten histologisch praktisch nicht nachweisbar. Untersuchungen mit chemoattraktiven Substanzen in Hautfenstern und mittels Szintigraphie über Infektionsherden nach Retransfusion 111In-markierter autologer Granulozyten belegen, dass Granulozyten in entzündlich verändertem Ge-
323
23.3 • Herstellung von Granulozytenkonzentraten
webe mindestens 24 h nach Verlassen der Zirkulation nachweisbar sind [9][18]. 23.3
Herstellung von Granulozytenkonzentraten
Der stärkste Impuls zur Granulozytensubstitution ging 1962 von der Arbeitsgruppe um E. J. Freireich aus [12][20], der Granulozyten von Spendern gewann, die eine chronische myeloische Leukämie (CML) mit Leukozytenzahlen von 100.000–300.000/μl hatten. Bei diesen Patienten sind oft mehr als die Hälfte der Leukozyten segmentkernige Granulozyten, sodass Präparate mit einem Granulozytengehalt von 5–13 × 1010 gewonnen werden können. Ein Therapieerfolg wurde bei der Hälfte der Patienten mit vital bedrohlichen bakteriellen Infekten beobachtet [27]. Um eine vergleichbare Granulozytenausbeute bei gesunden Spendern zu erzielen, müssen diese mit granulozytenmobilisierenden Substanzen vorbehandelt werden.
23.3.1
Spenderauswahl und -konditionierung
Granulozytenspender müssen die Voraussetzungen der aktuell gültigen Richtlinien erfüllen. Aufgrund des hohen Erythrozytengehalts im Apheresepräparat (10–30 ml) sollten die Spender ABO-RhDkompatibel sein. In Ausnahmefällen kann das Erythrozytensediment entfernt werden [22]. Für Zytomegalievirus- (CMV-)seronegative Empfänger sollten Granulozyten von einem CMV-seronegativen Spender bereitgestellt werden, auch wenn die CMV-Infektionsraten insgesamt gering zu sein scheinen [21]. Bei Patienten, die nicht alloimmunisiert sind, ist es nicht erforderlich, HLA-idente Spender auszuwählen. Die Spender sollten vor einer geplanten Granulozytapherese einer eingehenden körperlichen Untersuchung unterzogen werden. Eine Sonographie der Milz wird im Allgemeinen nicht für erforderlich gehalten. Vor dem Einsatz von Kortikosteroiden sollte aber der Glucosehaushalt geprüft werden (Blutzucker, Urin). Vor medikamentöser Konditionierung soll die Leukozytenzahl nicht unter 3000/μl und nicht über 13.000/μl liegen. Die Konditionierung des Spenders für die Apherese erfolgt durch die Gabe von G-CSF, eventuell gemeinsam mit Kortikosteroiden, in der Regel ca. 12 h vor der geplanten Apherese. Der Granulozytenertrag kann so um das 2- bis 10-fache gesteigert werden [6][28][39]. Die höchsten Ausbeuten werden bei gemeinsamer Gabe von Kortikosteroiden und G-CSF erzielt [39]. G-CSF wird dazu in einer Dosis von 5–10 μg pro kg Körpergewicht subkutan verabreicht; Kortikosteroide werden oral in einer Dosis von 80–120 mg Predinsolon bzw. 8–12 mg Dexamethason gegeben. Nach Konditionierung sollte die Leukozytenzahl 70.000/μl nicht über- [2] und vor Apherese die Thrombozytenzahl 100.000/μl nicht unterschreiten, auch nicht bei Folgeapheresen im Rahmen einer Apherese-Serie. Pro Jahr darf ein Spender nicht mehr als 4 Granulozytenspenden leisten (7 Abschn. 23.3.2). Die Konditionierung wird insgesamt von den Spendern gut vertragen. Kurzfristige Nebenwirkungen wie Knochen-, Muskelund Kopfschmerzen sowie Übelkeit und Schlaflosigkeit stehen im Vordergrund [6][39]. Diese sind in der Regel moderat ausgeprägt, sodass ein Großteil (98 %) der befragten Spender nach geleisteter Granulozytenspende bereit ist, wieder Granulozyten zu spenden [6] [28]. In Spendernachuntersuchungen nach 3–6 Jahren bzw. 10 Jahren konnte keine mit der G-CSF-Gabe assoziierte erhöhte Morbidität festgestellt werden [1][7][30]. Zwar wurde über eine erhöhte Rate
23
von Linsentrübungen bei wiederholter Gabe von Kortikosteroiden berichtet [13], diese Beobachtung hat sich aber in anderen Studien nicht bestätigen lassen [4]. Auch existieren Hinweise auf eine prothrombotische Wirkung von G-CSF, die klinische Bedeutung ist jedoch (auch in Anbetracht der geringen Zahl von Spendern mit Gefäßereignissen im Zusammenhang mit Stammzellspenden, bei denen deutlich höhere Dosen an G-CSF gegeben werden) unklar [1]. Weder Kortikosteroide noch G-CSF sind für die Konditionierung von Blutspendern für die Granulozytapherese zugelassen. Das Transfusionsgesetz sieht für die Herstellung »anderer Blutbestandteile«, unter die auch Granulozyten zu rechnen sind, Regelungen vor, wie sie für die Immunisierung von Spendern getroffen wurden (§§ 8,9 TFG). Der Spender muss schriftlich einwilligen, nachdem er durch einen Arzt über Wesen, Bedeutung und Risiken der Konditionierung und der Spende sowie die damit verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten aufgeklärt worden ist. Konditionierung des Spenders und Durchführung der Spende müssen dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie hat in Ergänzung der gültigen Richtlinien entsprechende Empfehlungen veröffentlicht [17].
23.3.2
Präparation und Lagerung
Granulozytenkonzentrate werden durch maschinelle Apherese (7 Kap. 15) von gesunden Spendern gewonnen, weshalb man auch von Granulozytapheresekonzentraten spricht. Es handelt sich um gerichtete Präparate für einen bestimmten Patienten. Zur Granulozytapherese werden ausschließlich kontinuierliche Durchflusszentrifugationsverfahren eingesetzt. Aufgrund des sehr ähnlichen spezifischen Gewichtes von Erythrozyten und Granulozyten müssen dem entnommenen Blut kontinuierlich Sedimentationsbeschleuniger für Erythrozyten (Hydroxyethylstärke, Dextran, modifizierte Gele) zugesetzt werden, die diese agglomerieren, sodass sie während der Zentrifugation schneller sedimentieren und eine ausreichende Auftrennung der beiden Zellfraktionen ermöglicht wird. Am häufigsten wird hochmolekulare 6 %ige Hydroxyethylstärke (HES 450.000) eingesetzt. Das Produkt ist in Deutschland nicht zugelassen und muss importiert werden (z. B. HESpan®, B. Braun Medical Inc., Bethlehem, PA, USA). Da anaphylaktische Reaktionen auf Hydroxyethylstärke beschrieben sind, sollte bei erstmaliger Anwendung von HES eine biologische Vorprobe durchgeführt werden (1 ml i. v., 5 min Reaktionszeit) [17]. Hochmolekulares HES kann in die Histiozyten, z. T. auch in andere Zellen der Haut eingelagert wird, bevor es langsam metabolisiert wird. Bei Infusion großer Mengen von HES kann es daher zu persistierendem, therapieresistentem Juckreiz kommen. Um dieser Nebenwirkung vorzubeugen, ist in Deutschland die Zahl der Granulozytapheresen pro Spender auf maximal 4 innerhalb eines Jahres beschränkt worden, wobei pro Apherese nicht mehr als 10 ml HES/ kgKG, maximal 750 ml HES, verwendet werden sollen [17][19]. Einige Hersteller setzen deshalb mittelmolekulares HES (200.000) ein, was aber mit einer geringeren Granulozytenausbeute einhergeht [19]. Für die Apherese wird ein Blutdurchflussvolumen von 7–10 l empfohlen, was eine Apheresedauer von ca. 2–3,5 h (abhängig vom eingesetzten Zellseparator) zur Folge hat. Die Antikoagulation kann mit ACD/A oder 30 ml 46,7 %iger Trinatriumcitratlösung (z. B. tricitrasol®, Cytosol Laboratories Inc., Braintree, MA, USA) in 500 ml HES im Verhältnis 1:12 zum extrakorporalen Volumen erfolgen.
324
23
Kapitel 23 • Therapie mit Granulozyten
Um die Möglichkeit einer Graft-vs.-Host-Reaktion auszuschließen, werden Granulozytenkonzentrate mit 30 Gy bestrahlt. Typischerweise hat ein Granulozytenkonzentrat ein Volumen von 200–400 ml und enthält zwischen 2 und 6 × 1010 Granulozyten und 6 × 109 mononukleäre Zellen bei einem Erythrozytensediment von 10–30 ml. Der Thrombozytengehalt schwankt von 1–6 × 1011 Thrombozyten je Präparat [27]. Granulozytenkonzentrate sind zur umgehenden Transfusion bestimmt. Ist dies nicht möglich, sollten Granulozytenkonzentrate bei 22±2 °C ohne Bewegung für maximal 24 h gelagert werden. Innerhalb dieser Frist kommt es nicht zu relevanten Veränderungen im Hinblick auf Chemotaxis, Adhäsion, Sauerstoffradikalbildung und Abtötung von Bakterien und Pilzen [8][27][31]. Es ist daher grundsätzlich möglich, ein Konzentrat zu teilen, um die zweite Hälfte am Folgetag zu transfundieren, wenn die erforderlich Zelldosis in jeder Hälfte eingehalten werden kann (zum Beispiel bei pädiatrischen Patienten).
23.3.3
Qualitätskriterien
Granulozytenkonzentrate müssen eine ausreichende Zahl funktionstüchtiger neutrophiler Granulozyten enthalten. Jedes Präparat sollte hinsichtlich Volumen (maximal 500 ml), Hämatokrit und Gehalt an Thrombozyten und Granulozyten (>1 × 1010 pro Einheit) geprüft werden. Der Granulozytengehalt des Präparates sollte 1 × 1010 Granulozyten/m2 Körperoberfläche des Empfängers nicht unterschreiten [20][40]. Jedes Granulozytenkonzentrat ist unmittelbar vor Transfusion einer optischen Qualitätsprüfung zu unterziehen hinsichtlich Unversehrtheit des Beutels, Koagelbildung, Verfärbungen und auf Hämolyse. Auffällige Präparate dürfen nicht transfundiert werden. Weiterhin sind die einwandfreie Beschriftung, die korrekte Zuordnung zum Patienten und das Verfallsdatum des Präparates zu kontrollieren. 23.4
Granulozytentransfusion
23.4.1
Dosierung, Durchführung und Erfolgskontrolle
Bezüglich der ABO- und RhD-Kompatibilität sowie des CMVStatus 7 Abschn. 23.3.1. Eine serologische (erythrozytäre) und leukozytäre Verträglichkeitsprobe ist erforderlich. Mindestanforderung bei Beginn einer Transfusionsserie ist dazu ein Lymphozytotoxizitätstest. Da über tödliche pulmonale Transfusionsreaktionen bei gleichzeitiger Gabe von Amphotericin B berichtet wurde [42], sollte zur Granulozytentransfusion ein zeitlicher Abstand von 4 h eingehalten werden, auch wenn ein enger Risikozusammenhang nicht zu bestehen scheint [10] und neuere Zubereitungen wie liposomales Amphotericin B Granulozyten in vitro signifikant weniger aggregieren [35]. Die Granulozytentransfusion erfolgt über ein normales Transfusionsgerät (DIN 58360) mit Standardfilter (170–230 μm). Es wird eine Transfusionsgeschwindigkeit von 1 × 1010 Zellen pro Stunde empfohlen. Wichtig ist eine engmaschige Überwachung, um pulmonale Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Als Substitutionserfolg ist das Einwandern der zugeführten Granulozyten in infiziertes Gewebe zu werten. Dies wird bei Keimabsiedlungen der Haut am Übergang von diffusen Rötungen und Schwellungen zu abgegrenzten (»markierten«) und einschmelzenden Infiltrationen oder Abszessen erkennbar. Auch kann die Einwanderung von Granulozyten in Hautfenster oder eine Ganzkörperszintigraphie mit 111In-markierten Granulozyten zur Beurteilung der Vitalität der Zellen und des Erfolges herangezogen werden. In der Regel wird man jedoch die Wirksamkeit einer Granulozytentransfusion anhand klinischer Kriterien wie Sterilwerden von Blutkulturen, Fieberabfall, Verkleinerung des Infektionsherdes in bildgebenden Verfahren oder Rückgang des CRP beurteilen. Weiterhin sollte auch der Anstieg der Zahl zirkulierender Granulozyten im peripheren Blut (Inkrement) unmittelbar sowie 4–8 h nach Beendigung der Transfusion bestimmt werden. Bei ungenügendem Inkrement, insbesondere bei prophylaktischen Transfusionen (Inkrement <500 × 106/l), ist eine Alloimmunisierung des Empfängers gegen HLA- und granulozytäre Antigene auszuschließen.
23.4.2
Der verabreichten Dosis kommt bei der Wirksamkeit von Granulozytentransfusionen eine Schlüsselrolle zu. In den frühen Studien zur Granulozytentransfusion wurde beobachtet, dass der Anstieg der Zahl neutrophiler Granulozyten im Blut des Empfängers direkt von der Zahl der transfundierten Zellen abhängt; nachweisbar waren Granulozyten in der Regel erst ab einer Dosis von 1 × 1010/m2 [20]. Auch für den therapeutischen Erfolg ist ein direkter Zusammenhang mit der Zahl transfundierter Granulozyten gezeigt [36] [40]. Tierexperimentelle Untersuchungen an Hunden belegen einen direkten Zusammenhang zwischen Zelldosis und Nachweisbarkeit der transfundierten Zellen im Entzündungsbereich [11]. Untersuchungen an neutropenischen Hunden zeigten, dass die Transfusion von mindestens 1,5–2 × 108 Granulozyten je kg Körpergewicht vor einer Pseudomonassepsis schützt [3]. Nach den bislang publizierten Empfehlungen sollten einem Neugeborenen minimal 1–2 × 109 und einem Erwachsenen 1–2 × 1010 Granulozyten mit einem Konzentrat transfundiert werden [40]. Eine optimale Transfusionsfrequenz ist nicht in Studien untersucht worden. Wurden früher tägliche Transfusionen empfohlen, so werden Granulozyten heute meist frühzeitig, aber dafür nur jeden zweiten Tag verabreicht.
Indikationen
Aufgrund der sehr hohen Spenderbelastung ist die Indikation zur Granulozytentransfusion zurückhaltend zu stellen, zumal durch kontrollierte, randomisierte Studien abgesicherte Indikationen weiterhin fehlen. Infektionen bei Patienten mit angeborener Granulozytenfunktionsstörung wie der septischen Granulomatose [43] oder bei schwerer Neutropenie von weniger als 500 neutrophilen Granulozyten/μl trotz G-CSF-Gabe können prinzipiell eine Indikation zur Transfusion von Granulozyten darstellen, wenn die Infektionen trotz optimaler antibiotischer und antimykotischer Therapie für mehr als 48 h progredient sind. Allerdings sollte die zu erwartende Neutropeniedauer mindestens weitere 3–5 Tage betragen. Prophylaktische Granulozytentransfusion können bei Patienten indiziert sein, die im Rahmen einer früher durchgemachten Neutropenie eine gesicherte oder hochwahrscheinliche invasive pulmonale Aspergillose entwickelten und aufgrund einer erneuten Chemotherapie voraussichtlich eine Neutropeniedauer von mindestens 10 Tagen durchmachen werden [15].
23.4.3
Nebenwirkungen
Die Verträglichkeit von G-CSF-stimulierten Granulozyten ist gut. Am häufigsten werden leichte Fieberreaktionen beobachtet. Im
325
Literatur
Gegensatz zu früher, als bei 19–57 % der Transfusionen pulmonale Nebenwirkungen auftraten [18][37], werden diese heute nur noch selten und dann bei Patienten mit Pneumonie beobachtet [6][28], hier vermutlich als Ausdruck der Effektivität der transfundierten Granulozyten. Ursächlich für die geringe Rate pulmonaler Nebenwirkungen sind die verminderte L-Selectin-Expression von G-CSF-stimulierten Granulozyten, die frühere Aktivierung der Granulozyten bei der Separation durch Filtrationsverfahren und die heute verbesserten Möglichkeiten der serologischen Verträglichkeitsprüfung. Denn pulmonale Transfusionsreaktionen können auch als Folge von präformierten leukozytären Antikörpern gegen Spender-, aber auch Empfängergranulozyten auftreten [5][29][33]. Andererseits können Granulozytentransfusionen zu einer Immunisierung der Patienten gegen HLA- und granulozytenspezifische Antigene führen, wobei die Immunisierungshäufigkeit bei Einsatz von G-CSF-stimulierten Granulozyten mit ca. 20–25 % heute im Vergleich zu früher deutlich niedriger zu liegen scheint [25][28][38]. Antipyretica und Corticosteroide sind angebracht, wenn Patienten im Zusammenhang mit Granulozytentransfusionen Schüttelfrost und Fieber entwickeln, eine allgemeine Prophylaxe ist jedoch nicht erforderlich [27]. Die Infektionsrisiken der Transfusion von Granulozyten sind, vielleicht mit Ausnahme von CMV, die gleichen wie bei anderen Blutkomponenten.
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Kapitel 23 • Therapie mit Granulozyten
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327
Therapie mit Thrombozyten H. Kroll und V. Kiefel
24.1
Historische Vorbemerkungen – 328
24.2
Thrombozytenkinetik – 328
24.3
Thrombozytenpräparate – 328
24.4
Indikationen – 330
24.4.1 24.4.2 24.4.3 24.4.4
Akute Thrombozytenbildungsstörungen – 330 Chronische Thrombozytenbildungsstörungen – 331 Thrombozytopenien durch beschleunigte Elimination – 331 Weitere Indikationen – 331
24.5
Kontraindikationen – 332
24.6
Auswahl, Dosierung und Art der Anwendung – 333
24.7
Wirksamkeitskriterien und Refraktärzustand – 334
24.7.1 24.7.2
Wirksamkeitskriterien – 334 Refraktärzustand – 335
24.8
Unerwünschte Wirkungen – 337 Literatur – 338
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328
Kapitel 24 • Therapie mit Thrombozyten
Blutplättchen sind die zellulären Elemente des Hämostasesystems. Sie tragen zur Aufrechterhaltung der Gefäßwandintegrität bei und sorgen nach Verletzung für die Bildung eines hämostatisch wirksamen Pfropfes. Auf ihrer Oberfläche laufen wesentliche Prozesse der plasmatischen Gerinnung ab. Die medizinische Bedeutung der Therapie mit Thrombozyten kommt heutzutage der von Erythrozytenkonzentraten nahe. In Deutschland werden derzeit mehr als 400.000 Thrombozytentransfusionen jährlich durchgeführt. Während in den meisten Fällen eine effiziente Versorgung mit geeigneten Thrombozytenpräparaten möglich ist, kann ein immunologischer Refraktärzustand erhebliche Schwierigkeiten bei der Behandlung einzelner Patienten verursachen.
24
24.1
Historische Vorbemerkungen
Nach dem ersten, 1910 publizierten Bericht von Duke [23] über den blutstillenden Effekt von Bluttransfusionen bei thrombozytopenischen Patienten verging fast ein halbes Jahrhundert, bis in den 1950er Jahren zunächst experimentell an bestrahlten, thrombozytopenischen Tieren und wenig später auch bei Patienten mit plättchenbedingten Blutungsleiden die Wirksamkeit von Thrombozytenübertragungen gezeigt werden konnte [83]. Der entscheidende Durchbruch in der Anwendung von therapeutischen Thrombozytenpräparaten wurde durch die Einführung von Kunststoffmehrfachbeuteln für die Separation von Blutplättchen im geschlossenen System in den 1970er Jahren erzielt. Gleichzeitig führte die Erkenntnis der überragenden Bedeutung des HLA-Systems für die Alloimmunisierung von Patienten (durch Yankee et al. 1969 [90]) und dem daraus resultierenden Refraktärzustand zur Entwicklung von Zellseparatoren, mit denen Blutkomponenten von Einzelspendern gewonnen werden konnten. Weitere wichtige Etappen in der Verbesserung der therapeutischen Anwendung von Thrombozyten in den letzten 20 Jahren waren zum einen die Herstellung leukozytenarmer Produkte durch die Entwicklung von Leukozytenfiltern, was zu einer erheblichen Abnahme der Inzidenz von Alloimmunisierungen geführt hat, und zum anderen die Entwicklung von additiven Nährlösungen [7] zur Verbesserung der Verträglichkeit und Lagerungsfähigkeit von Thrombozytenkonzentraten. Die Hoffnungen, die in das gentechnisch hergestellte, thrombozytenstimulierende Hormon Thrombopoietin zur Steigerung der Thrombozytenproduktion bei Blutspendern [47] und zur Behandlung von thrombozytopenischen Patienten gesetzt wurden, haben sich nicht erfüllt. In klinischen Studien stellte es sich bald heraus, dass manche Individuen Antikörper gegen Thrombopoietin bilden, die ihrerseits eine Thrombozytopenie auslösen können [48]. Neuere Thrombopoietinanaloga haben in der Behandlung der Autoimmunthrombozytopenie erste vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Ob ihnen zukünftig eine Bedeutung in der Behandlung von Patienten mit Thrombozytenbildungsstörungen zukommen wird, ist derzeit noch nicht abschätzbar [42]. 24.2
Thrombozytenkinetik
Zum Verständnis von Besonderheiten bei der Indikationsstellung von Thrombozytenkonzentraten und des nach Thrombozytentransfusion zu beobachtenden Verlaufs der Thrombozytenzahl seien zu Beginn einige Fakten zur Thrombozytenkinetik besprochen. Viele thrombozytenkinetische Befunde wurden mit radioaktiv markierten Thrombozyten (51Cr, 111In) erhoben, die nach Markierung und Reinjektion bei Patienten eine genaue Untersuchung des zeitlichen
Ablaufs der Thrombozytenelimination erlauben. Die anfängliche Wiederfindungsrate (Recovery) bei einem Probanden mit annähernd normal großer Milz liegt bei 70 %, bei splenektomierten Patienten darüber (um die 90 %); Patienten mit Splenomegalie weisen wegen vermehrten Poolings der Thrombozyten in der Milz eine deutlich niedrigere Recovery auf (. Abb. 24.1). Die Ermittlung der mittleren Thrombozytenlebenszeit im Rahmen einer thrombozytenkinetischen Untersuchung erfordert die Bestimmung von Recoverywerten über 5–8 Tage bei Patienten mit normaler oder nur gering verminderter Thrombozytenlebenszeit (. Abb. 24.1). Patienten und normale Individuen weisen eine mittlere Thrombozytenlebenszeit von etwa 8–11 Tagen auf. Wenn man eine Kohorte Thrombozyten bei einem gesunden, normalen Individuum markiert, dann enthält diese Thrombozyten aller Altersstufen, die Elimination dieser Thrombozyten nimmt einen linearen Verlauf (. Abb. 24.2). Der Schnittpunkt der Linie mit der Zeitachse entspricht dem Schätzwert für die mittlere Thrombozytenlebenszeit für diesen Fall der »Elimination durch Alterung«. Ganz anders ist die Situation bei Patienten mit einer z. B. durch Antikörper beschleunigten Elimination, bei der die Wahrscheinlichkeit für jeden Thrombozyten, pro Zeiteinheit eliminiert zu werden, nicht vom Alter abhängt. Hier entspricht der Verlauf der Recovery-Werte idealerweise einer abfallenden Expontialkurve. Der theoretische Schätzwert für die mittlere Plättchenüberlebenszeit ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Tangente an die Kurve zum Zeitpunkt 0 mit der Abszisse oder etwa aus dem 1,44-fachen der Halbwertszeit [85]. Reale Thrombozytenverlaufskurven liegen häufig zwischen der Geraden und der abfallenden Exponentialkurve. Bei Probanden oder Patienten kann man im Steady-state (die Thrombozytenzahl bleibt innerhalb einiger Tage annähernd konstant) aus Thrombozytenzahl, mittlerer Thrombozytenlebenszeit und anfänglicher Wiederfindungsrate den Plättchenumsatz bestimmen, der bei etwa 44 × 109/l pro Tag (25–73 × 109/l) liegt. Die Rate täglich produzierter Thrombozyten liegt bei 2,2 × 1011 (1,1–3,4 × 1011) [15] und damit in der Größenordnung einer therapeutischen Dosis eines Thrombozytenkonzentrats. Patienten mit einer ausgeprägten Thrombozytopenie weisen bei der Bestimmung der Thrombozytenlebenszeit verkürzte Werte auf, und der Kurvenverlauf ist nicht linear, was auf einen fixen Verbrauch an Thrombozyten zur Aufrechterhaltung der Integrität des Gefäßsystems zurückgeführt wird. Hanson und Slichter bestimmten diesen auf 7,1 × 109/l täglich, er liegt damit bei ca. 18 % des von diesen Autoren bestimmten täglichen Thrombozytenumsatzes von 41 × 109/l [32]. Es ist klar, dass bei Patienten mit einer verminderten Thrombozytopoese dieser Anteil am Gesamtumsatz umso größer ist, je geringer der Thrombozytenumsatz ist. Zumindest dieser fixe Verbrauch muss bei ausgeprägter Thrombozytopenie infolge stark verminderter Thrombozytopoese durch Thrombozytensubstitution ersetzt werden, bei pathologischen Zuständen (Fieber, DIC) dürfte er vermutlich auch höher liegen. Erst wenn man deutlich mehr als den beschriebenen fixen Thrombozytenverbrauch bei verminderter Thrombozytopoese durch Transfusion ersetzt, wird man messbare posttransfusionelle Thrombozyteninkremente feststellen können. 24.3
Thrombozytenpräparate
Die Herstellung von Thrombozytenkonzentraten wird eingehend in 7 Kap. 16 abgehandelt. Hier seien nur die für den Anwender wesentlichen Fakten aufgeführt. Thrombozytenkonzentrate werden entweder aus frisch abgenommenen Vollbluteinheiten oder durch maschinelle Thrombo-
24
329
24.3 • Thrombozytenpräparate
100 100
–10 d
80 60
%RA
% Recovery
80
40
60 MLS 40 20
20
–1d
0 0 t[d] 20
60
100 t[h]
140
5
10
180
. Abb. 24.1 Verläufe der Wiederfindungsrate (Recovery) kleiner Testtransfusionen mit radioaktiv markierten Thrombozyten bei thrombozytenkinetischen Untersuchungen thrombozytopenischer Patienten. Patienten mit 3 typischen Befundkonstellationen sind in der Abbildung dargestellt: Δ Patient mit Splenomegalie, º stark beschleunigter Thrombozytenabbau bei Autoimmunthrombozytopenie, • Thrombozytopenie bei eingeschränkter Thrombozytopoese
zytapherese mittels Zellseparatoren von gesunden Blutspendern gewonnen, die vor der Spende mindestens eine Woche keine die Plättchenfunktion beeinträchtigenden Medikamente (insbesondere Acetylsalicylsäure und Indometacin) eingenommen haben dürfen. Für die Herstellung von Thrombozytenkonzentraten aus Vollblut werden 450–500 ml Blut mit entsprechenden Mengen an Stabilisator in Einfach- oder Mehrfach-Beutel-Systemen gemischt und innerhalb von 24 h durch Zentrifugation in zelluläre Bestandteile und Plasma aufgetrennt. Aus dem leukozyten- und thrombozytenhaltigen »buffy coat« werden die Thrombozyten durch erneute Zentrifugation angereichert. Durch das Zusammenführen von 4–8 blutgruppenkompatiblen Einzelspender-Thrombozytenkonzentraten (sog. »Poolen«) erhält man das Pool-Thrombozytenkonzentrat. Ein solches Präparat wird heutzutage meist durch das Poolen von 4–6 blutgruppenkompatiblen »buffy coats« in 200–250 ml Plasma hergestellt werden (7 Kap. 16). Das Poolen muss stets in einem sterilen, geschlossenen System erfolgen. Das Restplasma des Pool-Thrombozytenkonzentrats kann zur Verbesserung der Lagerungsfähigkeit und zur Reduktion der Nebenwirkungsrate [21] durch additive Nährlösung ersetzt werden. Alle Thrombozytenkonzentrate müssen in Deutschland seit Oktober 2001 mit speziellen Filtern weitgehend von Leukozyten befreit (»depletiert«) werden. Die Leukozytendepletion wird unmittelbar nach der Blutspende durch sog. »In-line«-Filter oder kurz nach der Herstellung des Thrombozytenkonzentrats vorgenommen. Die früher geübte Filtration am Krankenbett ist obsolet. Der durch die Filtrierung verursachte Verlust an Thrombozyten kann bis zu 20 % betragen und muss bei der Dosierung der Thrombozytenkonzentrate berücksichtigt werden [64]. Die Thrombozytapherese von Einzelspendern wird heute fast ausschließlich maschinell mittels Zellseparatoren vorgenommen (7 Kap. 16). Sie gestattet eine v. a. von den Ausgangswerten des Spenders, dem extrahierten Blutvolumen und dem angewandten Verfahren abhängige Gewinnung einer für die Behandlung eines erwachsenen Patienten ausreichenden Menge an Thrombozyten. Ein Thrombozytapherese-Thrombozytenkonzentrat enthält im Regelfall 2–5 × 1011 Thrombozyten in etwa 300 ml Plasma. Von Spendern
. Abb. 24.2 Bei Annahme einer Thrombozytenelimination durch Alterung (bei Normalpersonen) erfolgt die Elimination von Thrombozyten annähernd linear, jede »Tageskohorte« von Thrombozyten zirkuliert dabei gleich lange
mit besonders hohen Thrombozytenzahlen lassen sich durch Verlängerung der Apherese sog. »Doppelpräparate« oder »Tripelpräparate« herstellen, die in 2 bzw. 3 therapeutische Einheiten aufgeteilt werden können [28][50]. Das Bestreben, eine möglichst große Plättchenausbeute von einem einzelnen Blutspender zu erreichen, sollte jedoch nach ethischen Gesichtspunkten gegen die Belastung des Spenders abgewogen werden. Die Beimischung von Leukozyten darf in Thrombozytapheresepräparaten ebenso wie in Poolpräparaten nicht mehr als 1 × 106 betragen [64]. Thrombozytenkonzentrate aus frischen, nicht aktivierten oder geschädigten Thrombozyten gesunder Blutspender sollten bei geeigneter Präparationstechnik eine weitgehend normale blutstillende Funktion und eine normale mittlere Lebenszeit von etwa 7–12 Tagen im peripheren Blut von gesunden Personen haben. Die Lebenszeit nimmt bei gelagerten Thrombozyten in Abhängigkeit von der Lagerungsdauer und anderen Faktoren ab (Übersichten: [7][53][54]). Deshalb müssen Thrombozytenkonzentrate eine ausreichend große Zahl funktionsfähiger und im Kreislauf des Patienten überlebensfähiger Thrombozyten enthalten, was durch laufende Qualitätskontrollen in der herstellenden transfusionsmedizinischen Institution sichergestellt werden muss (7 Kap. 16). Einzelne Untersuchungen deuteten auf eine tendenzielle Überlegenheit der Funktionsfähigkeit von Apherese-Thrombozytenkonzentraten gegenüber Pool-Thrombozytenkonzentraten hin [12], in der kritischen Gesamtschau der zurzeit verfügbaren Studiendaten sind jedoch keine wesentlichen Vorteile eines der beiden Herstellungsverfahren bezüglich der Transfusionserfolgs erkennbar [39]. Thrombozyten, die in einem sterilen, geschlossenen System gasdurchlässiger Kunststoffbeutel gewonnen werden, können unter kontrollierten Bedingungen bis zu 4 Tagen bei 22±2 °C unter gleichmäßiger Bewegung gelagert werden. Zur Vermeidung des Risikos bakteriell bedingter Komplikationen wird eine längere Lagerung derzeit in Deutschland nicht befürwortet. Da die Funktionsfähigkeit der Thrombozyten jedoch länger erhalten bleibt [24], erscheint die Lagerung unter adäquaten mikrobiologischen Bedingungen, z.B. nach Pathogeninaktivierung, bis zu 7 Tage möglich. Vor der Übertragung muss sich der transfundierende Arzt durch optische Kontrolle davon überzeugen, dass das zu verwendende Thrombozytenkonzentrat die typische wolkige Opaleszenz (»swirling effect«) aufweist und keine sichtbaren Aggregate vorhanden sind. Produkte, die diese Kriterien nicht erfüllen, sollten nicht übertragen werden.
24
330
Kapitel 24 • Therapie mit Thrombozyten
24.4
Indikationen
Grundsätzlich muss vor der Behandlung mit Thrombozytenkonzentraten die Ursache der hämorrhagischen Diathese geklärt werden. Insbesondere sind plasmatisch bedingte von thrombozytär bedingten Blutungsleiden abzugrenzen. Dies geschieht durch eine eingehende klinische Untersuchung und durch eine Gerinnungsanalyse. Das klinische Korrelat einer qualitativen und/oder quantitativen Thrombozytenstörung ist der »thrombozytäre Blutungstyp« mit spontan auftretenden, multiplen Petechien an Haut und Schleimhäuten. Die Sicherung der Diagnose einer Thrombozytopenie oder Thrombozytopathie erfordert differenzierte Labormethoden, von denen die wichtigsten die Bestimmung der Thrombozytenzahl, die Beurteilung der Plättchenmorphologie, die Knochenmarkuntersuchung, die Feststellung der Blutungszeit und die Untersuchung der Plättchenfunktion (Adhäsion, Retraktion, Aggregation, Sekretion) sind (Übersicht: [27]). Plasmatische Gerinnungsstörungen führen zu dem sog. Hämophilie-ähnlichen Blutungstyp mit großflächigen Hämatomen und Sugillationen. Durch die plasmatische Gerinnungsanalyse ist eine plasmatische Gerinnungsstörung auszuschließen bzw. zu bestätigen. Die Pathogenese von Thrombozytenstörungen ist vielschichtig. Sie können Folge einer qualitativ und/oder quantitativ unzureichenden Thrombozytopoese sein (Bildungsstörungen). Die Thrombozytenproduktion kann dabei überschießend (Thrombozytosen oder Thrombozythämien) oder unzureichend (Thrombozytopenien) sein. Ein Mangel an Blutplättchen wird manifest, wenn im Rahmen einer Umsatzsteigerung der erhöhte periphere Plättchenverbrauch (z. B. bei Sepsis, Fieber, Splenomegalie oder dem Vorliegen von plättchenreaktiven Antikörpern) nicht mehr durch eine gesteigerte Thrombozytenbildung kompensiert werden kann. Weiterhin kann eine Thrombozytopenie durch eine Verteilungsstörung bei Hypersplenie, durch Verlust bei Blutung und/oder durch Verdünnung bei Massivtransfusionen bedingt sein. Die mit Funktionsdefekten einhergehenden Störungen werden als Thrombozytopathien bezeichnet, die angeboren (z. B. Bernard-Soulier-Syndrom, Thrombasthenie Glanzmann) oder erworben (Medikamente, Niereninsuffizienz, Lebererkrankungen, extrakorporale Zirkulation u. a.) sein können. Generell gilt für die Indikation von Thrombozytentransfusionen, dass sie nur dann durchgeführt werden sollen, wenn sich durch die Zufuhr von Blutplättchen eine Besserung einer thrombozytär bedingten Blutungsneigung erwarten lässt. Dies ist v. a. bei der Behandlung und – unter gewissen Voraussetzungen – bei der Prophylaxe von thrombozytären Bildungsstörungen der Fall. Bei Umsatzstörungen sind Thrombozytenkonzentrate nur ausnahmsweise und dann meistens als Notfallmaßnahme angezeigt. Im Folgenden wird auf die Indikationen näher eingegangen.
24.4.1
Akute Thrombozytenbildungsstörungen
Diese Gruppe umfasst Patienten mit akuten Leukämien, v. a. der akuten myeloischen Leukämien mit ihren Unterformen, akute lymphatische Leukämien, die Blastenkrise bei chronischer myeloischer Leukämie, alle Patienten mit ablativer Chemotherapie, Patienten nach allogener oder autologer Knochenmarktransplantation, Patienten mit soliden Malignomen nach Strahlen- oder Chemotherapie u. a. Das gemeinsame Ziel der supportiven Therapie mit Thrombozytenkonzentraten bei diesen Zuständen ist die Überbrückung der hyporegenerativen Phase mit den daraus resultierenden Blutungen und deren Folgen.
Aus transfusionsmedizinischer Sicht sind einige prinzipielle Anmerkungen erforderlich. 1. Die Begriffe »therapeutische« und »prophylaktische« Thrombozytentransfusion lassen sich nur unscharf gegeneinander abgrenzen. Als therapeutisch wird eine Thrombozytentransfusion bezeichnet, wenn sie zur Behandlung bereits eingetretener Blutungen eingesetzt wird. Prophylaktische Thrombozytentransfusionen sollen das Auftreten von Blutungen verhindern. Jedoch kann ein Patient, bei dem eine prophylaktische Transfusion vorgesehen ist, zum Zeitpunkt der Übertragung bereits deutliche Blutungszeichen haben; andererseits kann auch eine Blutung, die mit Thrombozyten behandelt werden soll, bei Beginn der Thrombozytentransfusion bereits zum Stillstand gekommen sein. 2. Aufgrund der sich ständig wandelnden Therapien bei malignen Hämoblastosen in den letzten Jahrzehnten haben sich Art und Häufigkeit schwerer Blutungskomplikationen grundlegend verändert. Frühere Angaben haben wenig Aussagekraft. Nach neueren Angaben betrug bei Auswertung von 700 Patienten mit akuter AML die Häufigkeit lebensbedrohlicher Blutungen 3,3 % und die von letalen Blutungskomplikationen 2,7 % [71]. Nach Gmür et al. [29] starben nur 3 von 102 Patienten mit akuter Leukämie an Blutungen. Tödliche Blutungen sind heute als seltenes Ereignis anzusehen [71]. Die prophylaktische Thrombozytentransfusion hat sich als Standard etabliert und wird von der Mehrzahl aller Kliniker befolgt [5][16][71][91]. 3. Es ist allgemein akzeptiert, dass ein eindeutig erhöhtes Blutungsrisiko erst bei Plättchenzahlen unter 5000/μl zu erwarten ist und dass schwere Blutungen bei einer Plättchenzahl über 20.000/μl nur selten auftreten. Für Patienten der hier besprochenen Krankheitsgruppe kann ein Transfusionstrigger von 10.000/μl zur Reduktion des Risikos schwerwiegender Blutungen als gesichert gelten [61][62][80][88]. 4. Das Blutungsrisiko wird durch zusätzliche klinische Faktoren wie z. B. Fieber, disseminierte intravaskuläre Gerinnung, plättchenschädigende Medikamente (v. a. synthetische Penicilline, Amphotericin und Antikoagulanzien einschließlich Acetylsalicylsäure) und der Geschwindigkeit, mit der die Thrombozytenzahl sinkt, beeinflusst [26]. Klinisch stabile Patienten bluten relativ selten auch bei sehr niedrigen Plättchenzahlen, während dies bei klinisch instabilen Patienten mit den genannten Risikofaktoren auch bei höheren Thrombozytenwerten der Fall sein kann. Patienten mit rasch, innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen abfallenden Plättchenzahlen haben ein höheres Blutungsrisiko als solche, bei denen sich die Plättchenzahlen auf einem zwar sehr niedrigen, aber stabilen Niveau halten. In der 7 Übersicht: »Risikofaktoren für Blutungskomplikationen« ist eine Auswahl klinischer Faktoren dargestellt, die ein erhöhtes Blutungsrisiko bedeuten. Für Patienten mit diesen Begleitproblemen ist die prophylaktische Plättchengabe bereits bei Thromboztenzahlen ab 20.000/μl oder sogar höher indiziert [61]. Risikofaktoren für Blutungskomplikationen bei Patienten mit Thrombozytopenie 5 5 5 5 5 5
Fieber Infektion/Sepsis Plasmatische Gerinnungsstörung Klinische Blutungszeichen Schnell abfallende Thrombozytenzahl Ausgedehnte Schleimhautschädigung
331
24.4 • Indikationen
5 Urämie 5 Leukozytose 5 Komplikationen nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (z.B. GvHD) 5 Medikamente (z. B. Amphotericin B, Acetylsalicylsäure) 5 Promyelozytenleukämie
5. Die Transfusionsstrategie muss auch die zeitlichen Bedingungen zur Bereitstellung von Thrombozytenkonzentraten ins Kalkül ziehen. In Zentren mit krankenhausnaher transfusionsmedizinischer Versorgung und 24-stündigem Bereitschaftsdienst wird man eine etwas zurückhaltendere, dem jeweiligen Einzelfall angepasste Therapie verfolgen können, während in mehr peripheren Krankenhäusern oder bei ambulant behandelten Patienten eine vorausplanende Strategie angemessener erscheint. 6. Die Argumente, die bis in neuere Zeit gegen eine frühzeitige, eher vorbeugende als notfallmäßige Thrombozytentransfusion vorgebracht wurden, nämlich das hohe Infektionsrisiko, die Kosten und die mit steigender Transfusionsfrequenz ansteigende Häufigkeit von Alloimmunisierungen, haben großenteils ihre Gültigkeit verloren. Die heutige infektionsserologische Spenderüberwachung und die Anwendung leukozytendepletierter zellulärer Blutkomponenten haben Infektionsrisiko und Alloimmunisierungen erheblich reduziert. Die Kosten sollten in Anbetracht der Möglichkeit der Vermeidung tödlicher oder verstümmelnder Blutungskomplikationen einerseits und dem keineswegs ausgeschöpften Bereitstellungspotenzial von Plättchenkonzentraten aus Vollblutspenden andererseits kein schwerwiegendes Problem sein. In Übereinstimmung mit den Angaben der internationalen Literatur [5][60][62][68][70] kann als allgemein gültiges Therapieprinzip u. E. nur gelten, dass die Therapie mit Thrombozytentransfusionen unter Einbeziehung des klinischen Gesamtbildes individuell gestaltet werden muss. Danach benötigen Patienten, die klinisch relativ stabil erscheinen, bei denen eine Thrombozytopenie mit nur langsam fallender Tendenz besteht und bei denen die Erholung des Knochenmarks zu erkennen oder kurzzeitig zu erwarten ist, in der Regel keine Thrombozytentransfusionen. Im Gegensatz dazu sollten Patienten auch dann, wenn die Plättchenzahlen um oder sogar über 20.000/μl liegen, aber erhöhte Blutungsrisiken bestehen (7 Übersicht: »Risikofaktoren für Blutungskomplikationen«), großzügig mit Thrombozytenkonzentraten versorgt werden. Bei Kindern kann man mit der supportiven Thrombozytentherapie zurückhaltender sein, da diese wegen der geringeren Schleimhautdefekte unter Chemotherapie und der besseren Gefäßintegrität insgesamt eine geringere Blutungsneigung aufweisen. Bei Patienten mit schwersten Blutungen oder bei Blutungen infolge eines chirurgischen Eingriffs können je nach klinischer Gefährdung noch höhere Thrombozytenzahlen erforderlich sein.
24.4.2
Chronische Thrombozytenbildungsstörungen
In diese Krankheitsgruppe gehören die aplastischen Anämien, die Panmyelophtisen, die myelodysplastischen Syndrome und die hereditären Thrombozytopathien. Die Indikation zur Thrombozytentransfusion ist bei diesen Patienten grundsätzlich restriktiver zu stellen, weil mit einer Langzeitsubstitution zu rechnen ist. Therapie-
24
refraktäre Patienten müssen u. U. lebenslang substituiert werden. Darüber hinaus besteht bei diesen Patienten, wenn sie infektfrei sind, auch bei Thrombozytenwerten <10.000/μl häufig nur eine geringe Blutungsneigung [68]. Dies kann teilweise dadurch erklärt werden, dass die für akute Leukämien typischen, durch intensive Zytostatikatherapie bedingten Schleimhautdefekte nicht vorhanden sind. Prophylaktische Thrombozytengaben sind bei Thrombozytenzahlen über 5000/μl im Allgemeinen nicht erforderlich. Lediglich bei stärkeren Blutungsereignissen oder Fieber können Thrombozytenzahlen von 10.000/μl oder höher als Transfusionstrigger gelten [61]. Während der Therapie mit Antithymozytenglobulin ist wegen des beschleunigten Umsatzes der Thrombozyten (die xenogenen Antikörper reagieren nicht nur mit Lymphozyten, sondern z. T. auch mit Thrombozyten) eine größere Thrombozytendosis und evtl. eine höhere Transfusionsfrequenz erforderlich (7 s. unten).
24.4.3
Thrombozytopenien durch beschleunigte Elimination
Zu den Thrombozytopenien, die Folge einer beschleunigten Elimination sind, zählen akute und chronische Autoimmunthrombozytopenien, medikamentös induzierte Immunthrombozytopenien, Thrombozytopenien bei Infektionskrankheiten wie Malaria, septische Zustände mit oder ohne Verbrauchskoagulopathie, die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, das hämolytisch-urämische Syndrom u. a. Thrombozytentransfusionen sind bei diesen Erkrankungen nur selten angezeigt. Bei den Immunthrombozytopenien sollte ihr Einsatz auf lebensbedrohliche, v. a. intrazerebrale Blutungen beschränkt bleiben. Wegen der Verkürzung der Thrombozytenlebenszeit infolge der Einwirkung zirkulierender Autoantikörper auf die transfundierten Thrombozyten müssen sehr große Dosen verabreicht werden (7 s. unten). Dies trifft v. a. bei Kindern zu, bei denen mit großen Mengen an übertragenen Thrombozyten der Antikörpereffekt leichter zu überspielen ist. Die Wirksamkeit von Thrombozytentransfusionen lässt sich durch unmittelbar vorhergehende Gabe von hochdosierten Immunglobulinen nicht verbessern [43]. Bei disseminierter intravaskulärer Gerinnung (Verbrauchskoagulopathie) sind Thrombozytentransfusionen nur dann indiziert, wenn eine manifeste Blutung besteht, diese vermutlich thrombozytär bedingt ist und die Ursache der Verbrauchskoagulopathie nach Möglichkeit behandelt wurde (7 Kap. 26). Bei der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura ist weder die Wirksamkeit von Thrombozytenkonzentraten [20] noch die wiederholt berichtete, therapiebedingte Verschlechterung des Krankheitsverlaufs gesichert [33][66]. Eine besondere Indikation für eine Thrombozytentransfusion stellt die neonatale Alloimmunthrombozytopenie dar, bei der nach plättchenspezifischen Merkmalen ausgewählte Thrombozyten eines kompatiblen Fremdspenders oder der Mutter übertragen werden (7 Kap. 31). 24.4.4
Weitere Indikationen
Bei Thrombozytopenien infolge starken Blutverlusts und/oder nach Massivtransfusionen – meistens nach einem Austausch von mehr als dem 1,5-fachen des Blutvolumens – können Thrombozyten bei einem Abfall der Plättchenzahl unter 50.000/μl und einer sich entwickelnden Blutungsneigung erforderlich werden (7 Kap. 30).
332
Kapitel 24 • Therapie mit Thrombozyten
. Tab. 24.1 Empfehlung zur Substitution von Thrombozyten bei diagnostischen oder operativen Eingriffen. (Nach [30])
24
Eingriff
Grenzwert [μl]
Lumbalpunktion (bei vitaler Indikation Unterschreitung möglich)
50.000
Transjuguläre Leberpunktion
10.000
Transkutane Leberpunktion
50.000
Gelenkpunktion
20.000
Gastrointestinale Endoskopie mit Biopsie
20.000
Bronchoskopie
20.000
Bronchoskopie mit transbronchialer Biopsie
50.000
Angiographie (außer bei akutem thrombotischen Ereignis)
20.000
Beckenkammbiopsie (keine prophylaktische Substitution erforderlich)
Kein Grenzwert
Epiduralanästhesie
80.000
Spinalanästhesie
50.000
Kleinere Operationen, zahnärztliche Behandlung
20.000
Größere Operationen mit hohem Blutungsrisiko
50.000
Operationen mit sehr hohem Blutungsrisiko (z. B. ZNS)
70.000–100.000
Nach kardiochirurgischen Eingriffen mit verstärkter Blutungsneigung
20.000
Bei Operationen, Epidural- oder Lumbalpunktionen, Organbiopsien oder ähnlichen Eingriffen dürfen keine nachweisbaren Zeichen einer hämorrhagischen Diathese bestehen. Bei allen elektiven Eingriffen müssen Medikamente, die die Plättchenfunktion schädigen (v. a. Acetylsalicylsäure) mindestens 3 Tage vor dem Eingriff abgesetzt werden. Die Thrombozytenzahl sollte über den in . Tab. 24.1 angegebenen Werten liegen. Gegebenenfalls muss sie durch Substitution angehoben werden. Knochenmarkbiopsien sind auch bei ausgeprägter Thrombozytopenie keine Indikation zur Thrombozytentransfusion, vorausgesetzt, dass eine adäquate Kompression an der Punktionsstelle gewährleistet ist. Nach kardiochirurgischen Eingriffen bedürfen Patienten ohne Blutungsneigung trotz einer nicht selten verminderten Plättchenzahl im Allgemeinen keiner Thrombozytensubstitution. Diese kann jedoch bei einer gleichzeitig vorliegenden Plättchenfunktionsstörung erforderlich werden. Für viele Eingriffe liegen keine systematischen Studien zur Ermittlung eines sicheren Grenzwertes der Thrombozytenzahl vor. . Tab. 24.1 stellt somit eine zumeist auf Erfahrungen basierende Empfehlung dar [30]. Bei erworbenen Plättchenfunktionsstörungen (z. B. infolge einer Urämie oder durch plättchenschädigende Medikamente) bestimmen der Grad der Funktionsstörung und die Blutungssysmptomatik die Notwendigkeit einer Thrombozytentransfusion. Die Thrombozytenzahl als alleiniger Parameter ist für die Abschätzung des Blutungsrisikos ungeeignet. Plättchenschädigende Medikamente sind nach Möglichkeit abzusetzen. Medikamente zur gezielten Hemmung der Thrombozytenfunktion, wie z. B. Glykoprotein-IIb/ IIIa-Antagonisten, Acetylsalicylsäure und Clopidogrel können erhebliche Blutungen auslösen. In bedrohlichen Situationen kann durch Plättchensubstitution die Thrombozytenfunktion normalisiert werden, jedoch muss das Risiko thromboembolischer Komplikationen, z. B. eines Stentverschlusses, abgewogen werden. Die seltenen angeborenen Thrombozytopathien und Thrombozytopenien (z. B. Bernard-Soulier-Syndrom, Thrombasthenie Glanzmann, May-Hegglin-Anomalie u. a.) zeigen oft nur eine mä-
ßige spontane Blutungsneigung. Deshalb sind bei diesen Zuständen Thrombozytentransfusionen nur bei operativen Eingriffen oder bei lebensbedrohlichen Blutungen indiziert. Dies gilt umso mehr, als die Gefahr der Bildung von Isoantikörpern, die mit den Blutplättchen aller normalen Individuen reagieren, nach Thrombozytentransfusionen (und selten nach Schwangerschaften) keineswegs klein ist und nach eingetretener Immunisierung eine wirkungsvolle Thrombozytensubstitution praktisch unmöglich wird. Gelegentlich bewirkt bei diesen Patienten Desmopressin eine verbesserte Blutstillung. 24.5
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen für Thrombozytentransfusionen gibt es nicht. Relative Kontraindikationen gegen den Einsatz von Thrombozytenkonzentraten (aber auch von anderen zellulären Blutkomponenten) sind in folgenden klinischen Situationen gegeben: 1. Bei Patienten, bei denen eine Stammzelltransplantation geplant ist oder möglich erscheint, sollte die Gabe von Thrombozyten von potenziellen Stammzellspendern (z. B. Verwandten) vermieden werden, da die Immunisierung gegen Histokompatibilitätsantigene des Spenders zu einem schlechteren Anwachsen der transplantierten Stammzellen führen könnte. 2. Posttransfusionelle Purpura: Bei dieser seltenen, aber schwerwiegenden unerwünschten Reaktion einer Bluttransfusion sind Thrombozytenkonzentrate fast immer wirkungslos (7 Kap. 37). 3. Heparinassoziierte Thrombozytopenie: Diese ist charakterisiert durch das gleichzeitige Auftreten einer Thrombozytopenie (in der Regel ohne Blutungszeichen) und thrombotisch-embolischen Komplikationen. Sie wird verursacht durch eine heparinabhängige, immunkomplexbedingte Plättchenaktivierung. Die Überlegung, ob die Zufuhr von frischen Thrombozyten zu einer Verschlechterung führen kann, ist eher hypothetischer
24.6 • Auswahl, Dosierung und Art der Anwendung
Natur. Therapeutisch muss v. a. Heparin abgesetzt und auf eine alternative Antikoagulation umgestellt werden. Patienten, die im Rahmen einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie eine thrombozytopenische Blutung entwickeln, können wahrscheinlich ohne erhöhtes Risiko mit Thrombozytentransfusionen behandelt werden [41]. 4. Anaphylaktische Reaktionen mit Nachweis von IgA-Antikörpern (7 Kap. 35): IgA-spezifische Antikörper können in sehr seltenen Fällen bei Patienten mit einem angeborenen Mangel an IgA nach Übertragung von Plasmaproteinen entstehen. Diese Patienten dürfen dann nur plasmaarme, evtl. gewaschene Thrombozytenkonzentrate erhalten.
24.6
Auswahl, Dosierung und Art der Anwendung
Die Auswahl der Thrombozytenpräparate hängt zum einen von der geplanten Transfusionsstrategie, zum anderen von dem Immunisierungsstatus des Patienten ab. Patienten, bei denen eine längerfristige Transfusionstherapie abzusehen ist, also v. a. Patienten mit einer aplastischen Anämie oder myelodysplastischen Syndromen, sollten von Anfang an nur leukozytendepletierte zelluläre Blutkomponenten erhalten, um das Risiko von Infektionen und die Alloimmunisierungsrate so niedrig wie möglich zu halten, was in Deutschland nach Einführung der generellen Leukozytendepletion die Regel ist. Bisher nicht entschieden ist die Frage, ob diese Patienten aus denselben Gründen nur mit Thrombozytapheresepräparaten versorgt werden sollen [56]. Bisher gibt es keine überzeugenden Daten dafür, dass das Infektionsrisiko (viral oder bakteriell) oder die Immunisierungsrate von Patienten, die nur solche Präparate erhalten haben, niedriger ist als bei Patienten, die auch oder ausschließlich mit gepoolten, unausgewählten, leukozytendepletierten Thrombozytenkontraten substituiert wurden [19][39][71]. Im Allgemeinen wird die Auswahl für das eine oder das andere Präparat nach logistischen Erfordernissen oder wirtschaftlichen Erwägungen getroffen. Patienten mit nur kurzfristigem Thrombozytenbedarf können ohne Bedenken überwiegend gepoolte, leukozytendepletierte Thrombozytenkonzentrate erhalten, weil bei ihnen das Immunisierungsrisiko wegen der intensiven Chemotherapie insgesamt kleiner ist, das Infektionsrisiko durch die begrenzte Zahl von Spendern vertretbar erscheint und weil wegen der insgesamt erforderlichen Menge an Thrombozyten für diese größte Gruppe eine ausreichende, flächendeckende Versorgung allein mit Thrombozytapheresepräparaten sehr aufwendig wäre. Schließlich sind auch die ungleich höheren Kosten von Thrombozytapherese-Thrombozytenkonzentraten sowie ethische Aspekte der Spendersicherheit bei nicht ausgeschöpften Resourcen von Thrombozyten aus Vollblutspenden zu bedenken [73]. Aus immunologischer Sicht wird die Auswahl der Thrombozytenpräparate in erster Linie von der Kompatibilität der Alloantigene auf den Spenderthrombozyten und den möglicherweise beim Empfänger vorhandenen korrespondierenden Antikörpern bestimmt. Die wichtigsten Alloantigensysteme in Bezug auf Plättchentransfusionen sind die ABO-Blutgruppenantigene, HLA-Antigene der Klasse I und plättchenspezifische Antigene (7 Kap. 13). Diese sind je nach klinischer Situation bei der Auswahl der Präparate zu berücksichtigen. Solange die Patienten nicht durch Schwangerschaften und/ oder Bluttransfusionen immunisiert sind, genügt die Auswahl der Thrombozytenkonzentrate aufgrund ihrer Kompatibilität im ABO-
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System. Bei Nichtverfügbarkeit von ABO-kompatiblen Thrombozytenkonzentraten kann von dieser Regel abgewichen werden, solange kein Refraktärzustand eingetreten ist. Patienten mit der Blutgruppe 0, für die nur Thrombozytenkonzentrate von Spendern mit der Blutgruppe A bereitgestellt werden können, sollten möglichst Thrombozytenkonzentrate von Spendern mit der Untergruppe A2 erhalten, da deren Thrombozyten wenig oder gar nicht mit A1-spezifischen IgG-Antikörpern reagieren (7 Kap. 13). Gelegentlich werden bei minorinkompatiblen Thrombozytentransfusionen (z. B. Empfänger Blutgruppe A, Spender Blutgruppe 0) schwere hämolytische Transfusionsreaktionen beobachtet [49]. Deshalb sollte vor allem bei Kindern (Patienten mit <25 kg Körpergewicht) eine ABO-Inkompatibilität des Plasmas vermieden werden [64]. Ob eine ABO-Inkompatibilität von Thrombozytentransfusionen weitere klinische Parameter wie z. B. die Überlebensrate oder Infektionen nach Operation negativ beeinflusst, wurde mehrfach vermutet, konnte bislang jedoch nicht sicher belegt werden [75]. Bei Patienten nach Knochenmarktransplantation sollte auf ABO-Kompatibilität des Plasmas in Thrombozytenkonzentraten mit dem Transplantat geachtet werden (Minor-Kompatibilität), um eine Verzögerung der hämatopoietischen Rekonstitution zu vermeiden. Wegen der geringen, aber in praktisch allen Thrombozytenkonzentraten vorhandenen Beimengung von Erythrozyten sollte nach Möglichkeit auch der Rhesusfaktor D (RhD) berücksichtigt werden, um eine Immunisierung des Patienten zu vermeiden. Infolge des höheren Erythrozytengehalts von Thrombozytenkonzentraten, die mit älteren Präparationstechniken hergestellt wurden, musste selbst bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen unter Chemotherapie mit einer Immunisierungsrate von bis zu 19 % gerechnet werden [4] [40]. Diese liegt heute v. a. bei immunkompromittierten Patienten erheblich niedriger. In einer kontrollierten Studie wird angegeben, dass keiner von 24 RhD-negativen Patienten mit hämatologischen Erkrankungen unter verschiedenen Chemotherapieregimen, denen RhD-positive Thrombozytenkonzentrate (sowohl Pool- als auch Apheresepräparate) übertragen wurden, ein nachweisbares Anti-D entwickelte, während dies bei 8 von 59 (13,5 %) Patienten mit nichthämatologischen Erkrankungen ohne Chemotherapie (überwiegend Patienten nach kardiochirurgischen Eingriffen) der Fall war [4]. Obwohl Rhesusantikörper nicht mit Thrombozyten reagieren, können sie Ursache von Problemen bei der Übertragung von Erythrozyten oder in der Schwangerschaft sein. Bei Kindern und bei gebärfähigen Frauen sollte dann, wenn die Gabe von Thrombozytenpräparaten von D-positiven Spendern unvermeidlich ist, eine Prophylaxe mit Anti-D-Immunglobulin durchgeführt werden (einmalige Standarddosis von 300 μg). Da es sich bei den Empfängern von Thrombozytenkonzentraten immer um thrombozytopenische, blutungsgefährdete Patienten handelt, besteht bei i.m.-Injektion stets ein erhebliches lokales Blutungsrisiko, das sich mit i.v.- oder s.c.-Gabe eines für diese Applikationsform zugelassenen Präparates (z. B. Rhophylac®) vermeiden lässt. Nach eingetretener Alloimmunisierung gegen HLA- und/oder plättchenspezifische Antigene muss die Auswahl entsprechend dem serologischen Untersuchungsergebnis erfolgen. Die Dosierung, d. h. die Menge und Häufigkeit der zu übertragenden Thrombozyten, ist abhängig vom Blutvolumen (bzw. Körpergröße und -gewicht) des Patienten, seinem klinischen Zustand sowie immunologischen und nichtimmunologischen Faktoren, die den Verbrauch beeinflussen. Das Blutvolumen lässt sich annäherungsweise aus 77 ml (Männer) bzw. 67 ml (Frauen) pro kg Körpergewicht bei normalgewichtigen Erwachsenen errechnen. Genauere Werte können mit einschlä-
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Kapitel 24 • Therapie mit Thrombozyten
gigen Nomogrammen oder Formeln (7 Kap. 3) bestimmt werden. Der klinische Zustand, der die Dosierung von Thrombozytenkonzentraten determiniert, wird v. a. durch die Stärke, Ausdehnung und Lokalisation der Blutung beeinflusst. Je bedrohlicher die Blutung ist, umso größer sollte die Menge an transfundierten Thrombozyten sein, um eine möglichst schnelle Blutstillung zu erreichen. In kritischen Fällen sollte lieber zu viel als zu wenig transfundiert werden. Die wichtigsten den Verbrauch an Thrombozyten mitbestimmenden Faktoren sind Splenomegalie, Sepsis, Verbrauchskoagulopathie, manifeste Blutungen, plättchenschädigende Medikamente (Amphotericin u. a.) und plättchenreaktive Antikörper [21]. Auch die Lagerungsdauer der Thrombozyten muss berücksichtigt werden: 3–5 Tage gelagerte Thrombozytenkonzentrate müssen höher dosiert werden als frische, unmittelbar nach Blutabnahme konservierte Thrombozyten. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass wegen der Komplexität der zu berücksichtigenden Parameter feste Dosierungsrichtlinien nicht gegeben werden können. Erfahrungsgemäß wird bei einem nichtimmunisierten, normalgewichtigen Erwachsenen in stabilem klinischen Zustand durch ein Thrombozytenkonzentrat mit etwa 3 × 1011 Plättchen ein Inkrement (7 s. unten) von 20.000–40.000/μl erzielt. Wegen der bei solchen Patienten bereits deutlich verkürzten Lebenszeit frischer, allogener Thrombozyten (3,4±1,1 Tage [79]) sind dementsprechend etwa 2-mal pro Woche Thrombozytenkonzentrate aus jeweils 4–6 Einheiten oder je einem Thrombozytapherese-Thrombozytenkonzentrat erforderlich. Bei Patienten mit geringem Körpergewicht (z. B. Kindern) oder stark übergewichtigen Patienten (>95 kg) muss die Thrombozytenmenge entsprechend angepasst werden [52]. Bei dem heutzutage hohen Standardisierungsgrad in der Herstellung von Thrombozytenpräparaten stellt sich die Frage nach der unter praktischen und ökonomischen Aspekten günstigsten Thrombozytenmenge pro Präparat. In einer kürzlich vorgestellten prospektiven Studie wurde in 3 Patientengruppen die Gabe von 1,1 × 1011 vs. 2,2 × 1011 vs. 4,4 × 1011 Thrombozyten pro m2 Körperoberfläche bei einem Transfusionstrigger von 10.000/ μl verglichen. Ohne signifkante Unterschiede in der Frequenz von Blutungen mussten die Patienten mit niedriger Dosis deutlich häufiger transfundiert werden als die Patienten mit mittlerer und hoher Thrombozytendosis. Auch vor diesem Hintergrund erscheint für erwachsene Patienten die Gabe von etwa 3 × 1011 Thrombozyten je übertragener Einheit sinnvoll [81]. Der minimale Thrombozytenbedarf kann nach folgender Formel abgeschätzt werden: Dosis (Thrombozytenzahl) = gewünschtes Inkrement (×109/l) × Blutvolumen [l] × 1,5
Der Korrekturfaktor von 1,5 ergibt sich daraus, dass sich bei Gesunden nur etwa 60–70 % der transfundierten Thrombozyten in der Zirkulation wiederfinden, während 30–40 % im Milzpool verbleiben [3]. Beispiel: Gewünschtes Inkrement 30 × 109/l × Blutvolumen von 5 l × 1,5 ergibt eine Gesamtmenge von 2,25 × 1011 zu transfundierenden Thrombozyten. Wenn es nicht zu einem genügenden Ansprechen der Blutung kommt und verbrauchssteigernde Faktoren bestehen, müssen die Dosierung und die Übertragungsfrequenz erhöht und der klinischen Situation individuell angepasst werden. Die Thrombozytentransfusion sollte möglichst rasch nach dem Eintreffen des Thrombozytenkonzentrats beim Patienten durchgeführt werden. Wenn dies nicht sofort möglich oder sinnvoll ist (z. B.
bei vorgesehener intraoperativer Verwendung), sollte das Thrombozytenkonzentrat bei Raumtemperatur (20–24 °C) und häufiger Durchmischung durch Schwenken des Blutbeutels aufbewahrt werden. Schütteln mit Luftblasenbildung ist zu vermeiden. Keinesfalls darf das Präparat gekühlt oder im Kühlschrank gelagert werden, weil es dadurch zu Plättchenaktivierung und irreversibler Aggregation kommt. Die Thrombozytentransfusion erfolgt über ein normales Transfusionsgerät (DIN 58360) mit einem 170–230-μm-Filter. Die Transfusion sollte, wenn keine unerwünschten Wirkungen auftreten, rasch erfolgen und nach etwa 30 min beendet sein. 24.7
Wirksamkeitskriterien und Refraktärzustand
24.7.1
Wirksamkeitskriterien
Die Wirksamkeit einer Thrombozytentransfusion ist anhand klinischer Kriterien allein schwierig zu beurteilen. Darauf weisen das zeitlich mit der Thrombozytenübertragung zusammenfallende Sistieren einer großen Blutung, das Ausbleiben von neu auftretenden sichtbaren Haut- und Schleimhautblutungen und das Negativwerden oder die Abschwächung von Provokationstests (Stauversuch nach Rumpel-Leede, Saugversuch) hin. Diese Kriterien sind jedoch unsicher, weil sie u. U. erst Stunden nach der Thrombozytentransfusion erkennbar werden. Zudem können sie durch den nicht immer vorhersehbaren Spontanverlauf einer Thrombozytopenie verfälscht werden. Das allgemein angewendete, wichtigste Beurteilungskriterium ist der Anstieg der Thrombozytenzahl im peripheren Blut nach der Thrombozytentransfusion (Inkrement). Ganz generell kann man nach Gabe einer sog. therapeutischen Einheit, die entweder aus einem Pool-Thrombozytenkonzentrat, hergestellt aus 4–6 Vollbluteinheiten, oder einem Apherese-Thrombozytenkonzentrat besteht, bei einem normalgewichtigen Erwachsenen einen Anstieg der Thrombozytenzahl von 20.000–40.000/μl erwarten. Diese grobe Einschätzung berücksichtigt aber weder das Blutvolumen noch die genaue Zahl an übertragenen Thrombozyten. Da das Inkrement aber von diesen Größen abhängt, muss es entsprechend korrigiert werden (korrigiertes Inkrement) [18]. Das Inkrement wird innerhalb 1 h (1-h-Inkrement) oder 16–24 h nach Thrombozytentransfusion durch Messung der Differenz der prä- und posttransfusionellen Thrombozytenwerte bestimmt. Das korrigierte Inkrement (kI, CCI) errechnet sich dann nach folgender Formel:
NO
JHP ,QNU î .2 î Q
gem. Inkr. gemessenes Inkrement KO Körperoberfläche in m² (als dimensionslose Zahl) n Anzahl der transfundierten Thrombozyten
Beispiel: Das korrigierte Inkrement eines erwachsenen Patienten mit einer Körperoberfläche von 1,7 m2 und einem gemessenen Inkrement von 50 × 109/l beträgt bei 4 × 1011 übertragenen Thrombozyten 21,25 × 109/l. Der Thrombozytenanstieg kann auch als % korrigierte Wiederfindungsrate (Recovery; % korr. WR) unter Berücksichtigung des Milzspeichers nach der Formel ausgedrückt werden:
24.7 • Wirksamkeitskriterien und Refraktärzustand
NRUU :5
JHP ,QNU î %OXWYRO î Q
gem. Inkr. gemessenes Inkrement pro l Blutvol. Blutvolumen in l n Anzahl der transfundierten Thrombozyten
Der Korrekturfaktor 67 berücksichtigt die normale Wiederfindungsrate von 67 % bei gesunden Erwachsenen, bei denen etwa 33 % im Milzspeicher bleiben [3]. Beispiel: Bei einem gemessenen Inkrement von 50 × 109/l, einem Blutvolumen von 5 l und einer Gesamtzahl an übertragenen Thrombozyten von 4 × 1011 beträgt die korrigierte Wiederfindungsrate 62,5 % × 0,67 = 41,9 %. Die Bestimmung der Blutungszeit in einer standardisierten Form (z. B. Simplate II) ist für die Überprüfung der Wirksamkeit von Thrombozytentransfusionen nicht geeignet, da sie den Patienten belastet, zur Narbenbildung Anlass gibt und weil die Gefahr einer Wundinfektion bei septischen oder immungeschwächten Patienten besteht. Sie sollte nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen. Eine Alternative stellt die Messung der In-vitro-Blutungszeit z. B. mit dem »Platelet Function Analyser« (PFA-100) dar. Diese Methode gibt Hinweise auf die Blutungsgefahr bei thrombozytopenischen Patienten [34] und hat sich für die klinische Kontrolle von Thrombozytentransfusionen bewährt [46][82]. In Anbetracht dieser Schwierigkeiten und der meistens komplexen klinischen Situation ist es von allergrößter Wichtigkeit, dass sich der transfundierende Arzt stets aufgrund klinischer und Laborparameter von der Wirksamkeit der von ihm veranlassten und durchgeführten Therapie überzeugt. Dabei ist es weniger entscheidend, welche der angegebenen Verfahren er für die Beurteilung heranzieht, sondern dass dies regelmäßig und unter möglichst einheitlichen Bedingungen geschieht. Obwohl zwischen den früh (z. B. innerhalb der ersten Stunde nach Transfusion) und den später gemessenen Inkrementwerten (18–24 h nach Transfusion) eine hochsignifikante Korrelation besteht [8], sollte die Wirksamkeitsüberprüfung so früh wie möglich stattfinden, da deren Ergebnis den Erfolg oder Misserfolg einer Thrombozytentransfusion am besten widerspiegelt. Dies trifft auch und besonders für ambulant durchgeführte Thrombozytentransfusionen zu.
24.7.2
Refraktärzustand
Unter Refraktärzustand versteht man allgemein das wiederholte Ausbleiben eines adäquaten Therapieerfolges einer Thrombozytentransfusion trotz Übertragung einer ausreichenden Menge frischer, funktionsfähiger Thrombozyten. Eine einheitliche Definition eines Refraktärzustands gibt es jedoch bis heute nicht. In den meisten Studien wird entweder ein 1-h-Inkrement zwischen 0 und 10 × 109/l, ein korrigiertes 12- bis 24-h-Inkrement zwischen 2,5 und 10 × 109/l oder eine %-Wiederfindungsrate innerhalb von 24 h posttransfusionell <20 % zugrunde gelegt [8][9]. Von Bishop et al. [9] wurde versucht, diese Werte miteinander in Beziehung zu setzen, wobei als Grenzwerte für eine erfolgreiche Thrombozytentransfusion eine Thrombozytenzahl 20 h nach Transfusion von >20 × 109/l und für eine nicht erfolgreiche Thrombozytentransfusion ein 1-h-Wert von <20 × 109/l festgelegt werden. Bei diesen Annahmen soll eine nicht erfolgreiche Throm-
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bozytentransfusion einem Inkrement von <7 × 109/l, einem korrigierten Inkrement von <3 × 109/l und einer Wiederfindungsrate von <8 %, eine erfolgreiche Thrombozytentransfusion einem Inkrement >12 × 109/l, einem korrigierten Inkrement von >5,5 × 109/l und einer Wiederfindungsrate von >14 % entsprechen. Trotz aller Bemühungen wird es schwierig bleiben, die Angaben in den verschiedenen Studien miteinander zu vergleichen [26]. Für die Praxis der Thrombozytentransfusion ist es wichtig, dass jedes Zentrum sich auf eine verbindliche Definition festlegt. Dabei hat es sich nach unseren Erfahrungen als praktikabel erwiesen, als Grenzwert für einen Refraktärzustand ein korrigiertes Inkrement von 7,5 × 109/l festzulegen. Auch zu der Frage, wie häufig eine Thrombozytentransfusion als erfolglos angesehen werden muss, bevor ein Refraktärzustand diagnostiziert werden darf, gibt es keine einheitliche Meinung [14]. Unseres Erachtens sollte ein Refraktärzustand erst dann angenommen werden, wenn bei einem klinisch stabilen Patienten nach mindestens 3-maliger Zufuhr einer ausreichenden Menge vitaler Thrombozyten das korrigierte Inkrement unter 7,5 × 109/l bleibt. Bei klinisch instabilen Patienten können Zahlenwerte nur ein grober Anhalt sein, die Entscheidung muss unter Berücksichtigung klinischer Kriterien getroffen werden. Hierbei ist zu bedenken, dass auch ein fehlender Thrombozytenanstieg im Blut bei sehr niedrigen Plättchenzahlen durchaus als Erfolg angesehen werden kann, wenn es gleichzeitig zu einer Besserung der Blutung kommt. Die Ursachen eines Refraktärzustandes sind vielfältig (Übersichten: [9][14][19][70][79]). Sie werden unterteilt in solche nichtimmunologischer und solche immunologischer Art. 5 Die nichtimmunologisch bedingten Ursachen eines Refraktärzustands wurden bereits erwähnt: Es sind v. a. Milzvergrößerungen, Verbrauchskoagulopathien und fieberhafte, septische Prozesse. Je größer die Milz ist, desto größer ist der negative Einfluss auf den initialen Plättchenanstieg; dieser kann bei ausgeprägter Splenomegalie bis auf 20 % reduziert sein [79]. Auswirkungen auf die Lebenszeit hat eine Milzvergrößerung allein nicht [79]. Verbrauchskoagulopathien treten besonders häufig bei septischen, aber auch malignen Erkrankungen, v. a. bei Leukämien, auf (7 Kap. 26). Ob Fieber allein bereits einen plättchenkonsumierenden Effekt hat, ist bisher nicht erwiesen. Zusammen mit infektiösen Prozessen ist dies unstrittig. Im Gegensatz zu früheren Anschauungen sind Blutungen allein keine Ursache von Refraktärzuständen [79]. Auf den Einfluss der Lagerungsdauer mit den unvermeidlichen Funktionseinbußen von Thrombozyten, die ebenfalls in die Beurteilung eines möglichen Refraktärzustands einbezogen werden müssen, wurde bereits hingewiesen. 5 Immunologisch bedingte Ursachen sind v. a. plättchenreaktive Alloantikörper. Die Bedeutung sog. zirkulierender Immunkomplexe ist ungeklärt. Das einzige gesicherte Beispiel einer solchen Pathogenese ist die heparinassoziierte Thrombozytopenie, und bei dieser ist eine Thrombozytentransfusionen in der Regel nicht indiziert. Thrombozytäre Autoantikörper und medikamentabhängige Antikörper gehören ebenfalls hier nicht hinein, weil sie von Beginn an eine Resistenz gegen zugeführte allogene, aber auch autologe Thrombozyten bewirken. Sie sind somit Ursache der Thrombozytopenie und nicht deren transfusionsmedizinische Folge. Mit einem immunologisch bedingten Refraktärzustand muss besonders bei Patienten gerechnet werden, bei denen eine primäre Immunantwort gegen Alloantigene von Thrombozyten bereits stattgefunden hat. Hierzu zählen vor allem Patien-
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Kapitel 24 • Therapie mit Thrombozyten
ten, die über längere Zeit mit Thrombozyten versorgt werden mussten, sowie Frauen nach wiederholten Schwangerschaften (fetomaternale Inkompatibilitäten; 7 Kap. 31).
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Klinisch bedeutsam sind – in dieser Reihenfolge – Alloantikörper gegen HLA-Klasse-I-Antigene, plättchenspezifische Antigene und die A- und B-Antigene des ABO-Systems [37][44]. Zur Frage der Häufigkeit einer Alloimmunisierung als Ursache eines Refraktärzustandes und des Zeitpunkts des Auftretens von Alloantikörpern wurde in den letzten 30 Jahren eine große Zahl von Untersuchungen vorgelegt, deren Ergebnisse sehr stark variieren. Die Gründe hierfür sind: 1. Die konsequente Anwendung von leukozytendepletierten Blutkomponenten hat zu einem sehr starken Rückgang der Immunisierungsrate geführt. 2. Die ständige Intensivierung des chemotherapeutischen Behandlungsregimes bei malignen Erkrankungen im vergangenen Jahrzehnt hat eine stärkere Immunsuppression der Patienten und damit eine verminderte Antikörperbildung zur Folge gehabt. 3. Das wiederholt beschriebene Phänomen, dass bei manchen Patienten lymphozytotoxische Antikörper nur schwach und vorübergehend auftreten, ist in seiner Bedeutung noch nicht genügend analysiert. Untersuchungen über den gesamten klinischen Verlauf, also unabhängig davon, ob ein Refraktärzustand eingetreten ist oder nicht, gibt es bisher kaum. 4. In den meisten Studien wird nicht unterschieden zwischen Patienten mit einer primären Immunantwort und solchen nach bekannter Vorimmunisierung nach Transfusionen und/oder Schwangerschaften (anamnestische Immunantwort). 5. Der immunologische Nachweis der für den Refraktärzustand möglicherweise verantwortlichen Alloantikörper ist in vielen Studien methodisch unzureichend. Erst in den letzten Jahren wurden Verfahren entwickelt, die genügend empfindlich und spezifisch sind, um alle heute bekannten, thrombozytenreaktiven Alloantikörper nachzuweisen (7 Kap. 40). Die größte klinische Bedeutung haben nach wie vor HLA-Antikörper gegen A- und B-Antigene der Klasse I. Antikörper gegen HLAC-Antigene spielen dagegen wegen deren geringer Expression auf Thrombozyten nur selten eine Rolle. Es darf heute als gesichert angesehen werden, dass die Kontamination von zellulären Blutkomponenten mit Leukozyten die Hauptursache für eine HLA-Immunisierung ist [14][35][37][58][67] [77][86][87]. Nach einer umfassenden Metaanalyse [63] betrug die HLA-Immunisierungsrate bei insgesamt 1393 Patienten, die nichtleukozytendepletierte zelluläre Blutkomponenten erhalten hatten, im Mittel 41 %, während diese bei 663 Patienten, die mit leukozytendepletierten Präparaten transfundiert worden waren, nur bei 9 % lag. Auch die Menge der übertragenen Leukozyten ist von Bedeutung: 57 % der Patienten, die mit Plättchenkonzentraten >5 × 107 Leukozyten erhalten hatten, bildeten HLA-Antikörper, aber nur 8 % der Patienten, die <5 × 106 Leukozyten erhalten hatten [87]. Novotny et al. [58] geben an, dass nur 3 von 112 Patienten (2,7 %) ohne anamnestischen Hinweis auf eine primäre HLA-Immunisierung HLA-Antikörper entwickelten. Dagegen betrug die HLA-Immunisierungsrate bei anamnestisch positiven Patienten 37 %. In einer pädiatrischen Studie [67] entwickelte keines von 50 polytransfundierten Kindern, die nur leukozytendepletierte Blutprodukte erhalten hatten, einen Refraktärzustand oder HLA-Antikörper, während in der Kontrollgruppe 3 von 10 Kindern HLA-Antikörper hatten und eines refraktär wurde. Die größte prospektive und randomisierte
Studie zu diesem Thema [86] umfasst 530 Patienten mit bis dahin unbehandelter akuter myeloischer Leukämie (AML). Die Patienten wurden 4 Gruppen zugeteilt und mit ungefilterten Plättchenkonzentraten unausgewählter Spender (PC; Kontrollgruppe), mit gefilterten PC (F-PC), mit Ultraviolett-B-bestrahlten PC (UVB-PC) oder mit Apherese-Plättchenkonzentraten (F-AP) behandelt. In allen 3 Behandlungsgruppen (F-PC, UVB-PC, F-AP) war die Inzidenz des Auftretens von lymphozytotoxischen Antikörpern und eines Refraktärzustands signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (F-PC 3 %, UVB-PC 5 %, F-AP 4 % vs. 13 % in der Kontrollgruppe). Plättchenspezifische Antikörper traten in allen 4 Gruppen mit derselben Häufigkeit auf (6–11 % der Patienten). Die Autoren schließen aus ihren Untersuchungen, dass die Leukozytendepletion durch Filtration und die UVB-Bestrahlung der Thrombozytenkonzentrate gleich wirksam sind, um einen Refraktärzustand bei Patienten mit AML zu verhindern. Apherese-Thrombozytenkonzentrate boten keine zusätzlichen Vorteile gegenüber gefilterten Thrombozytenkonzentraten von unausgewählten Spendern. Bisher ist nicht eindeutig geklärt, ob diese protektive Wirkung einer Leukozytendepletion auch bei Patienten, die einer primären HLA-Sensibilisierung durch Schwangerschaften und/oder Vortransfusionen ausgesetzt waren (Risikoanamnese), besteht. So berichten Reesink et al. [63], dass 8 von 10 Patienten, die aus einer Kohorte von 54 nur mit leukozytenarmen zellulären Blutkomponenten behandelten Patienten HLA-Antikörper gebildet hatten, eine Risikoanamnese hatten. Novotny et al. [58] geben an, dass bei 92 % aller immunisierten Patienten (44 von 48) Immunisierungshinweise in ihrer Vorgeschichte bestanden. Sintnicolaas et al. [77] fanden keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit des Auftretens eines Refraktärzustands bei Patienten mit einer Risikoanamnese, die nur mit gefilterten Präparaten anstelle von Standardpräparaten behandelt worden waren (41 % vs. 29 %). Auch die Häufigkeit der Bildung von HLA-Antikörpern (44 % vs. 43 %) und die Zeit bis zu ihrer Bildung bzw. dem Auftreten des Refraktärzustands war in beiden Gruppen gleich. Dagegen wurde in einer umfangreichen Metaanalyse [1] gefunden, dass sich die Häufigkeit des Auftretens lymphozytotoxischer Antikörper auch bei Patienten mit einer Risikoanamnese (7 s. oben) durch Leukozytendepletion verringern lässt. Dieselbe Tendenz ließ sich in der TRAP-Studie [86] erkennen. Die Angaben zur Häufigkeit plättchenspezifischer Antikörper als Ursache oder Mitursache eines Refraktärzustands schwanken je nach Krankengut oder Untersucher zwischen 3 % [14], 3,8 % [69], 4,1 % [58], 8 % [44] und 25 % [72]. Bei polytransfundierten Patienten mit und ohne Refraktärzustand sind sie in der großen Mehrzahl mit HLA-spezifischen Antikörpern vergesellschaftet, was ihren serologischen Nachweis erheblich erschwert [44]. Die am häufigsten nachgewiesenen Antikörperspezifitäten sind nach unserer Erfahrung Anti-HPA-1b und 5b. Das alleinige Vorkommen von plättchenspezifischen Antikörpern ist selten. Die Immunisierungsrate lässt sich durch Leukozytendepletion wahrscheinlich nicht beeinflussen. Sie ist bei Frauen mit einer Schwangerschaftsanamnese deutlich erhöht. Polytransfundierte Frauen mit Refraktärzustand und einer Schwangerschaftsanamnese haben wahrscheinlich eine höhere Inzidenz an plättchenspezifischen Antikörpern, doch genaue Zahlen gibt es hierzu unseres Wissens bisher nicht. Die Bedeutung einer ABO-Inkompatibilität bei Thrombozytentransfusionen ist gering [11]. In seltenen Fällen können Patienten mit der Blutgruppe 0 und hochtitrigen Isoagglutininen gegen Thrombozyten der Blutgruppe A1 (nicht jedoch gegen solche der Blutgruppe A2) und gelegentlich gegen Thrombozyten der Blutgruppe B refraktär werden [78]. Da sich solche Konstellationen leicht vermeiden lassen, spielen sie klinisch keine Rolle.
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24.8 • Unerwünschte Wirkungen
Die Behandlung von Thrombozytenkonzentraten mit ultraviolettem Licht B ermöglicht nicht nur eine Reduktion der Immunisierungsrate [86], sondern auch eine Inaktivierung von pathogenen Keimen (Übersicht: [2]). Sie spielt aber in Deutschland nach Einführung der generellen Leukozytendepletion keine wesentliche Rolle. Unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen wird man schlussfolgern dürfen, dass 1. antikörperbedingte Refraktärzustände hauptsächlich durch HLA-Antikörper verursacht werden, die in <10 % der Fälle mit plättchenspezifischen Antikörpern zusammen auftreten; 2. sich die Rate an HLA-Immunisierungen durch konsequente Anwendung von leukozytendepletierten oder mit UVB-Licht bestrahlten Blutkomponenten auch bei längerfristiger Substitution der Patienten deutlich reduzieren lässt und dann etwa 10–20 % beträgt; 3. die Inzidenz eines Refraktärzustands bei Patienten mit Risikoanamnese (7 s. oben) größer ist als bei Patienten ohne Risikoanamnese; 4. nicht bei allen Patienten, bei denen sich plättchenreaktive Antikörper nachweisen lassen, auch ein Refraktärzustand eintritt, weil es sich bei diesen um autoreaktive Antikörper oder um plättchenspezifische Antikörper mit niedriger Antigenfrequenz handeln kann. Das praktische Vorgehen nach Eintritt eines Refraktärzustands ist schwierig und erfordert die intensive Zusammenarbeit von behandelndem Arzt und Transfusionsmediziner. Da die nichtimmunologisch bedingten Ursachen überwiegen, muss von seiten des Klinikers versucht werden, diese zu therapieren. Von transfusionsmedizinischer Seite ist zunächst sicherzustellen, dass die verwendeten Thrombozytenkonzentrate optimale Funktionsfähigkeit besitzen. Eventuell sind mehrfach ganz frische Präparate von Einzelspendern bereitzustellen, bevor sich die Diagnose eines Refraktärzustands eindeutig stellen lässt. Zum Nachweis eines antikörperbedingten Refraktärzustands muss sowohl nach HLA- als auch nach plättchenspezifischen Antikörpern gesucht werden. Es genügt nicht, für den Nachweis von HLA-Antikörpern nur den lymphozytotoxischen Test durchzuführen, da sich mit diesem nichtkomplementfixierende HLA-Antikörper nicht nachweisen lassen. Hierfür ist ein Thrombozyten-Antiglobulintest (Fluoreszenz, ELISA) mit Plättchen oder Lymphozyten geeignet, ein kommerzieller ELISA zum Nachweis von HLA-Klasse-I-Antikörpern oder der MAIPAAssay unter Verwendung eines monoklonalen Antikörpers gegen β2-Mikroglobulin. Mit dem MAIPA-Assay lassen sich auch plättchenspezifische Antikörper am besten identifizieren, v. a. in Antikörpergemischen (7 Kap. 40). Bei positivem Antikörperbefund hängt das weitere Vorgehen von der Spezifität und der Stärke der Antikörper ab. Bei alleinigen HLA-Antikörpern genügt bei nicht sehr breit reagierenden, schwächeren Antikörpern manchmal die Auswahl von Präparaten mittels eines geeigneten Crossmatchverfahrens. Moroff et al. [51] zeigten in einer multizentrischen Studie, dass die Auswahl kompatibler Thrombozyten zwar am besten nach der Übereinstimmung der Antigenmuster von Empfänger und Spender geschieht, dass aber auch nach einem Crossmatchverfahren ausgewählte Präparate eine brauchbare Alternative sind. Nach den Erfahrungen der Leidener Arbeitsgruppe [58] lassen sich sogar 95 % der Patienten mit einer Panelreaktivität von weniger als 70 % im lymphozytotoxischen Test mit unausgewählten Thrombozytenkonzentraten versorgen. Bei stärker immunisierten Patienten ist die Berücksichtigung der Antigenmuster von Empfänger und Spender notwendig. Da sich
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bei kleineren Spenderpools oft nur wenige passende Spender finden lassen, kann mit einem geteilten, sehr zellreichen Thrombozytapheresekonzentrat eines Spenders (»split plateletpheresis«) ein Patient 2-mal versorgt werden [28]. Zur Identifierung geeigneter Thrombozytapheresespender für sehr breit immunisierte Patienten kann gelegentlich die Unterstützung durch ein Computerprogramm (HLA-Matchmaker) helfen, das ursprünglich für die Nierentransplantation entwickelt wurde und den Grad der Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger auf der Basis antigenetisch relevanter Aminosäuretriplets der HLA-Moleküle überprüft [55]. Bei Patienten nach hämatopoietischer Stammzelltransplantation kann die Übertragung von Thrombozyten des Stammzellspenders erforderlich werden. Beim Vorliegen von plättchenspezifischen Antikörpern (mit oder ohne HLA-Antikörper) muss stets nach einem kompatiblen Spender gesucht werden. Dies ist bei den glücklicherweise am häufigsten vorkommenden Antikörpern Anti-HPA-1b und 5b wegen der Phänotypfrequenz von etwa 25 % bzw. 20 % nicht schwierig. Bei Antikörpern gegen hochfrequente Antigene kann das Auffinden eines kompatiblen Spenders außerordentlich schwierig sein. Typisierte Spender sind inzwischen an verschiedenen Zentren registriert. In besonders schwierigen Fällen, wenn sich kein passender Spender findet oder die Antikörper sehr breit und stark reagieren, kann der Versuch unternommen werden, durch i.v.-Injektion hochdosierter Immunglobuline kurz vor der Thrombozytentransfusion den Abbau der nicht ausreichend kompatiblen Plättchen im RES zu blockieren. Die bisher mitgeteilten Ergebnisse mit diesem Vorgehen sind allerdings nicht überzeugend und kontrovers [43]. Dasselbe trifft für den Versuch zu, mit Hilfe einer Immunadsorption die Plättchenantikörper zu entfernen (Übersicht: [65]). Die bisher veröffentlichten Ergebnisse sind nicht einheitlich. Allenfalls kann dies in Notfällen (z. B. peripartale Blutungen) bei Patienten mit einer hereditären Thrombozytopathie (Thrombasthenie Glanzmann) und einem Isoantikörper gerechtfertigt sein, die sonst nicht mehr versorgt werden können. Patienten nach einer Knochenmarktransplantation können gelegentlich nicht nur Antikörper gegen die spenderspezifischen Thrombozytenantigene [59][84], sondern sogar gegen Spenderund Empfängerantigene bilden [89]. Wenn kompatible Thrombozytenkonzentrate für immunisierte Patienten nicht mehr bereitzustellen sind, bleibt lediglich der Versuch, bei lebensbedrohlichen Blutungen mit sehr großen Dosen anhand serologischer Vortestung ausgewählter, möglichst kompatibler Thrombozyten diese in Grenzen zu halten. 24.8
Unerwünschte Wirkungen
Unerwünschte Wirkungen von Bluttransfusionen werden eingehend in 7 Kap. 37 dargestellt. Hier sollen nur die für Thrombozytentransfusionen besonders typischen unerwünschten Wirkungen Erwähnung finden. 5 Das Infektionsrisiko durch Thrombozytentransfusionen unterscheidet sich in bezug auf die Übertragung von Viruserkrankungen nicht von der von Erythrozytenkonzentraten. Die Gefahr bakterieller Verkeimungen und der Auslösung einer Bakteriämie sind dagegen wegen der Lagerung der Thrombozytenkonzentrate bei Zimmertemperatur ungleich höher. Die Häufigkeit von schweren septischen Episoden wird auf einen Fall pro 50.000 transfundierte Thrombozytenkonzentrate geschätzt [10]. Es wurde über eine um den Faktor 5 geringere Rate septischer Transfusionsreaktionen bei Verwendung von
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Kapitel 24 • Therapie mit Thrombozyten
Apheresekonzentraten im Vergleich zu Thrombozytenkonzentraten aus Vollblutspenden berichtet [57]. Neuere Beobachtungen stützen diese wegen der Exposition mit einer geringeren Anzahl von Blutspendern zunächst plausible Beobachtung jedoch nicht [74]. 5 Fieberreaktionen bei Thrombozytentransfusionen sind besonders häufig. Die Angaben schwanken zwischen 0 und 70 % [13]. Diese Reaktionen werden nicht nur durch antileukozytäre Antikörper, sondern auch durch die Freisetzung von Zytokinen aus Leukozyten und Monozyten, möglicherweise durch Aktivierung auch aus Thrombozyten, ausgelöst [25][38] [36]. Sie lassen sich durch Entfernen der Leukozyten und teilweisen Ersatz des Plasmas durch kristalloide Nährlösungen auf eine Häufigkeit von etwa 5–10 % reduzieren [38]. Bei Kindern scheinen febrile Transfusionsreaktionen insgesamt seltener vorzukommen [17]. 5 Durch Thrombozytenkonzentrate kann eine Graft-vs.-HostErkrankung ausgelöst werden, die sich durch γ-Bestrahlung mit 30 Gy wirksam verhindern lässt (7 Kap. 37). Insbesondere muss bei der Gabe von nach HLA-Antigenen ausgewählten Thrombozytenpräparaten für Patienten mit Refraktärzustand an die Bestrahlung gedacht werden [61].
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Therapie mit Plasmaderivaten Kapitel 25
Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom – 343 E. Seifried, M. M. Müller, W. Miesbach und J. Oldenburg
Kapitel 26
Erworbene Gerinnungsstörungen – 361 B. Pötzsch und K. Madlener
Kapitel 27
Thrombophile Gerinnungsstörungen – 375 I. Pabinger
Kapitel 28
Therapie mit Albumin – 383 J. Stange
Kapitel 29
Therapie mit Immunglobulinen – 389 U. Nydegger
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Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-WillebrandSyndrom E. Seifried, M. M. Müller, W. Miesbach und J. Oldenburg
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Hämophilie A und B – 344
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Demographie – 344 Biochemische und funktionelle Eigenschaften der Gerinnungsfaktoren VIII und IX – 344 Vererbung, Diagnostik und klinische Symptomatik – 344 Therapie – 345
25.2
Andere hereditäre Faktorenmangelzustände – 353
25.3
von-Willebrand-Syndrom (vWS) – 354
25.3.1 25.3.2 25.3.3 25.3.4 25.3.5
Struktur und Funktion des von-Willebrand-Faktors – 354 Klassifikation hereditärer Formen des vWS – 354 Therapie – 356 vWS, Schwangerschaft und Geburt – 357 Erworbenes vWS – 357
Literatur – 357
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Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
Die häufigsten angeborenen hämorrhagischen Diathesen sind Störungen der plasmatischen Gerinnung. Ursachen sind 5 die quantitative Verminderung eines oder mehrerer Gerinnungsfaktoren, 5 verminderte oder fehlende Aktivierbarkeit eines oder mehrerer Gerinnungsfaktoren aufgrund eines qualitativen Defekts, 5 die Präsenz eines Inhibitors, der ihre Aktivierung blockiert. Die häufigsten Störungen sind die Hämophilie A und B und das vonWillebrand-Syndrom. Selten sind vererbte Mangelzustände der Gerinnungsfaktoren I, II, V, VII, X, XI, XII und XIII. Eine kausale Therapie ist bisher beim Menschen nicht möglich. Das quantitative Ausmaß der Defekte bestimmt die Blutungsneigung, wobei die hämostatische Mindestaktivität für jeden einzelnen Gerinnungsfaktor unterschiedlich ist.
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Hämophilie A und B
25.1.1
Demographie
Die Prävalenz der Hämophilie liegt in den meisten europäischen Ländern und den USA bei 13–18/100.000 Männern [71]. Schwere und mittelschwere Formen machen dabei ca. 60 %, leichte etwa 40 % der Fälle aus [5]. Das Verhältnis von Hämophilie A zu Hämophilie B beträgt weltweit etwa 6:1. Die mediane Lebenserwartung von Patienten mit schwerer Hämophilie lag zwischen 1831 und 1920 bei 11, zwischen 1969 und 1980 bei 58 Jahren; sie war bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Hämophilie etwa 20 Jahre länger als bei solchen mit schwerer Hämophilie. Die niedrigere Lebenserwartung von Patienten mit schweren Verlaufsformen wurde mit der früheren, vor 1970 bekannten hohen Mortalität erklärt, die dazu führte, dass nur wenige Patienten älter als 50 Jahre wurden. Die Mortalität hämophiler Patienten in den 1970er und 1980er Jahren des letzten Jahrhunderts war – AIDS-Opfer ausgenommen – doppelt so hoch wie in der übrigen Bevölkerung [70]. Die höhere Mortalität bei Hämophilien führt zu einer Reduktion der Lebenserwartung um 8 Jahre. Haupttodesursachen waren vor der Ära der Substitutionstherapie Blutungen. Etwa 1/3 aller Todesfälle waren durch intrakranielle Blutungen bedingt. Die zunehmend bessere Verfügbarkeit von Faktorenkonzentraten führte zu einer Abnahme der blutungsbedingten Sterblichkeit (heute ca. 15–20 %) und zu einer Erhöhung der in unserer Zivilisation häufigen Erkrankungen wie Tumoren, HerzKreislauf-Erkrankungen usw. Die HIV-Katastrophe bei Hämophiliepatienten führte bei den infizierten Patienten zu einer deutlichen Reduktion der Lebenserwartung. Mit der Verfügbarkeit neuer antiviraler Therapien ist die HIV-Sterblichkeit seit 1995 kontinuierlich zurückgegangen und liegt jetzt bei unter 10 % der Todesfälle. Die häufigste Todesursache im Jahr 2001 waren Lebererkrankungen, insbesondere die Leberzirrhose, aufgrund von in den 1970er und frühen 1980er Jahren erworbenen Hepatitis-B- und Hepatitis-CInfektionen [82]. Bei Patienten, die in Deutschland nach 1980 geboren und ausschließlich mit virusinaktivierten Gerinnungsfaktorenkonzentraten behandelt wurden, wird derzeit von einer weitgehend normalisierten Lebenserwartung ausgegangen.
25.1.2
Biochemische und funktionelle Eigenschaften der Gerinnungsfaktoren VIII und IX
Der kleinmolekulare Blutgerinnungsfaktor VIII (FVIII), ein Akutphasenprotein, und der hochmolekulare von-Willebrand-Faktor (vWF, vWF:Ag) zirkulieren im Blut in nichtkovalenten Komplexen (7 Kap. 4). Der von-Willebrand-Faktor dient als Trägerprotein für das kleine Faktor-VIII-Protein und schützt dieses vor proteolytischem Abbau. Durch die Bindung des Faktors VIII an den von-Willebrand-Faktor ist eine ausreichende Konzentration am Subendothel gewährleistet. Beide Proteine unterscheiden sich in ihren biochemischen und immunologischen Eigenschaften. Auch die Syntheseorte sind unterschiedlich: Während Faktor VIII in den sinusoidalen Zellen der Leber, den Endothelzellen und den Hepatozyten synthetisiert wird, wird der von-Willebrand-Faktor durch Megakaryozyten und Endothelzellen gebildet [31][96]. 1984 wurde das für die Faktor-VIII-Synthese verantwortliche Gen isoliert und seine Struktur bestimmt [24]. Danach besteht das Faktor-VIII-Protein aus 3 A-, 1 B- und 2 C-Domänen. Es spielt bei der Aktivierung des Gerinnungsfaktors X eine wichtige Rolle als Kofaktor des Faktors IXa, wobei es hierzu einer durch Thrombinspaltung herbeigeführten Aktivierung bedarf. Die Inaktivierung erfolgt durch aktiviertes Protein C [69]. Faktor IX wird in der Leber synthetisiert, hat ein Molekulargewicht von 56.000 und eine Plasmakonzentration von 3–5 μg/ml. Die Aminosäuresequenz und die Struktur des F9-Gens (welches das Faktor-IX-Protein kodiert) sind aufgeklärt [4]. Faktor IX besteht u. a. aus der am aminoterminalen Ende gelegenen Gla-Domäne – Proteine mit dieser Domäne bedürfen des Vitamins K für die komplette Synthese – sowie der Aktivierungs- und der katalytischen Domäne. Faktor IX kann intrinsisch und extrinsisch über den sogenannten »Josso loop« aktiviert werden und aktiviert zusammen mit Faktor VIIIa und Phospholipiden in Gegenwart von Calciumionen Faktor X.
25.1.3
Vererbung, Diagnostik und klinische Symptomatik
Das F8-Gen – das das FVIII-Protein kodiert – wurde 1984 auf dem X-Chromosom in der Xq28-Region (Telomerende des langen Arms) identifiziert. Es besteht aus 26 Exonen in einem Bereich von 186 kb und gehört damit zu den großen Genen des menschlichen Genoms (0,1 % des X-Chromosoms). Von der 9 kb großen mRNA kodieren 7.2 kb ein aus 2351 Aminosäuren (AS) aufgebautes Protein. Inzwischen gibt es eine Reihe von effizienten Screening- und automatisierten Sequenziermethoden zum Nachweis von Mutationen, welche eine routinemäßige Analyse des F8-Gens zum Nachweis von Mutationen ermöglichen. Die Vielfalt der Mutationen bei der Hämophilie A ist außerordentlich groß (Übersichten bei [65][66]). Die häufigste Mutation mit einem Anteil von fast 50 % ist die Intron 22-Inversion. Sie beruht auf einer intragenen Rekombination des F8-Gens, die zwischen einem 9 kb großen Bereich des Introns 22 und zwei diesem Bereich identischen Kopien stattfindet, die am Telomerende liegen. Dieses Mutationsprinzip ist bisher nur für sehr wenige Gene beschrieben. Bei der Hämophilie A ist es einer der wesentlichen Gründe für die hohe Neumutationsrate und damit für die relative Häufigkeit der Erkrankung. Weitere wichtige Mutationstypen mit einem Anteil von jeweils 10–15 % sind »Nonsense-Mutationen«, die zu einem
345
25.1 • Hämophilie A und B
Stopp bei der Proteintranslation führen, »Missense-Mutationen«, bei denen es zum Austausch einer Aminosäure kommt und kleine Deletionen oder Insertionen, bei denen einzelne Nukleotide fehlen oder zusätzlich eingefügt werden. Andere Mutationstypen wie große Deletionen, »Spleißstellen-Mutationen« und die vor wenigen Jahren beschriebene Intron-1-Inversion sind vergleichsweise seltene Ereignisse (1,5–4 %). Bei den weniger schweren Verlaufsformen kommen fast ausschließlich Missense-Mutationen vor. Alle bisher publizierten Mutationen sind in einem internationalen Mutationsregister aufgeführt ( Êhttp://europium.csc.mrc.ac.uk/). Das F9-Gen kartiert auf dem langen Arm des X-Chromosoms (Xq27). Es umspannt einen Bereich von 34 kb und besteht aus 8 Exonen, die eine 1,4 kb große cDNA kodieren. Wegen seiner geringen Größe ist die Sequenzierung der kompletten cDNA die Methode der Wahl für die Mutationsdiagnostik. Im Gegensatz zur Hämophilie A sind bei der Hämophilie B die meisten Mutationen Nukleotidaustausche, die zu Missense-Mutationen (68 %) und Nonsense-Mutationen (14 %) führen. Alle anderen Mutationsarten sind selten und weisen Häufigkeiten von unter 5 % auf. Die verschiedenen Mutationen sind in einem internationalen Mutationsregister verfügbar ( Êhttp://www.kcl.ac.uk/ip/petergreen/haemBdatabase.html). Der X-chromosomale Erbgang beider Hämophilieformen bedingt, dass in der Regel nur Männer manifest erkranken und Frauen Überträgerinnen (Konduktorinnen) sind. Alle Söhne eines Hämophilen sind gesund, und alle Töchter sind Überträgerinnen. Statistisch sind 50 % der Söhne einer Konduktorin Hämophile, 50 % der Töchter sind Konduktorinnen. Konduktorinnen verfügen häufig über die Hälfte der normalen Faktor-VIII-Aktivität, können aber auch eine der milden Hämophilie vergleichbare Blutungsneigung entwickeln. Zur Überprüfung, ob Konduktorinneneigenschaften vorliegen, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Wichtig ist eine ausführliche Familienanamnese sowie die mehrfache Bestimmung der Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Aktivität zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Nachdem die Genstrukturen der Faktoren VIII und IX aufgeklärt sind, kann heute zusätzlich mit molekularbiologischen Untersuchungen die für die Hämophilie ursächliche Mutation im F8- oder F9-Gen identifiziert und damit eine sichere Diagnose gestellt werden. Alternative, aber heute weniger angewandte Methoden sind beispielsweise Restriktionsfragmentlängen-Polymorphismus-Bestimmungen (RFLP) oder Untersuchungen der »short tandem repeats« (STR). Dieselben phänotypischen und genotypischen Analysen werden auch zur pränatalen Diagnostik angewandt. Insbesondere bei Anwendung der Chorionzottenbiopsie (7 Kap. 31) gestatten molekularbiologische Methoden eine frühzeitige und treffsichere Diagnose. Die Diagnose der Hämophilie erfolgt aufgrund der Eigen- und Familienanamnese, des Blutungstyps sowie hämostaseologischer Laborbefunde. Beide Erkrankungen manifestieren sich bei schweren Formen häufig bereits bei der Geburt, z. B. als verlängerte Nabelblutung oder Kephalhämatom. Mit zunehmender Mobilität des Kindes stehen Muskel-, Weichteil- und Gelenkblutungen im Vordergrund. Betroffen sind v. a. die Knie-, Sprung- und Ellbogengelenke, später auch die Hüftgelenke. Gelenkblutungen können spontan ohne erkennbare äußere Ursache auftreten und führen zu Gelenkschwellungen und schmerzhafter Bewegungseinschränkung. Nach rezidivierenden Blutungen kommt es – unbehandelt – infolge einer chronisch rezidivierenden Synovitis zur Verschmälerung des Gelenkspalts, zu Muskelatrophien und im Verlauf mehrerer Jahre zur typischen hämophilen Arthropathie. Muskelblutungen sind nicht selten Ursache von irreversiblen Nervenläsionen. Zu beachten ist die Möglichkeit einer Blutung in den M. iliopsoas, deren Sympto-
25
me häufig fehlinterpretiert werden (z. B. Appendizitis). Hämaturien können phasenhaft auftreten. Eine gefürchtete, aber glücklicherweise seltene Komplikation ist die intrakranielle Blutung. Weitere Blutungsmanifestationen sind Schleimhautblutungen aus Gingiva, Nase oder dem Magen-Darm-Bereich. Eine Seltenheit stellen sog. hämophile Zysten oder Pseudotumoren dar, die aus langsam organisierten, rezidivierenden Hämatomen in Muskeln oder Subperiost entstehen und erhebliche Schmerzen und andere Komplikationen bereiten können. Besondere Probleme bieten operative Eingriffe, Wundversorgungen und Zahnextraktionen, die eine adäquate Behandlung erfordern. Nach klinischem Verlauf und Ausmaß der Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Erniedrigung werden schwere (Faktorenaktivität 0–1 % ), mittelschwere (1–5 %) und leichte (5–15 %) Formen der Hämophilie unterschieden. Davon abgegrenzt wird die Subhämophilie mit einer Faktorenaktivität von 15–50 % der Norm. Konduktorinnen haben eine Aktivität der Faktoren VIII bzw. IX zwischen 20 und 80 %, sind in der Regel asymptomatisch, können aber im Einzelfall, besonders perioperativ oder nach Verletzungen, eine Blutungsneigung entwickeln. Die partielle Thromboplastinzeit ist bei schweren Formen der Hämophilie stark, bei mittelschweren und leichten nur mäßiggradig oder grenzwertig verlängert. Blutungszeit, Prothrombinzeit, Thrombinzeit, Fibrinogen, von-Willebrand-Faktor und Thrombozytenzahlen sind in der Regel normal. Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch die mehrmalige Bestimmung der Aktivität von Faktor VIII bzw. Faktor IX. Andere hämorrhagische Diathesen, insbesondere solche, die mit einer Verminderung der Faktor-VIII-Aktivität einhergehen, wie dies z. B. bei manchen Formen des von-Willebrand-Syndroms der Fall ist, müssen ausgeschlossen werden. Patienten mit leichteren Hämophilieformen, bei denen die Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Konzentration über 5 % liegt, bluten üblicherweise nicht spontan, sondern zumeist in Verbindung mit einem operativen Eingriff oder einem Trauma. Gelegentlich kommt es zu Makrohämaturien oder gastrointestinalen Blutungen.
25.1.4
Therapie
Grundsätzlich sollte die Behandlung Hämophiler in einem Hämophiliezentrum (»comprehensive care center«, CCC) oder in enger Zusammenarbeit mit einem solchen erfolgen [36][83]. Derzeit ist eine Heilung der Hämophilie nicht möglich. Eine Lebertransplantation bei einem Hämophilie-A-Patienten auf Grund schwerer Leberzirrhose oder Leberzellkarzinom kann dauerhaft eine Faktor-VIII-Produktion in hämostatisch ausreichender Menge bewirken. Da eine Lebertransplantation aber risikoreich und die Langzeitprognose unklar ist, darüber hinaus Spenderlebern nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, ist sie keine geeignete therapeutische Modalität zur Hämophiliebehandlung [77]. Ansätze in Tierversuchen [32][47] geben Anlass zur Hoffnung, dass in absehbarer Zeit Hämophiliepatienten durch Gentherapie in die Lage versetzt werden können, ausreichend intakten Gerinnungsfaktor VIII bei der Hämophilie A bzw. Faktor IX bei der Hämophilie B zu synthetisieren. Aus den o. g. Gründen müssen alternative Behandlungsmöglichkeiten gewählt werden. Ziele der Hämophilietherapie sind: 5 die Verhütung von Blutungen, 5 die Behandlung von Blutungen, deren Komplikationen und Folgeschäden, 5 die Erhaltung und/oder Wiederherstellung der Gelenkfunktionen,
346
Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
5 die Verhütung von Nebenwirkungen der Behandlung, 5 die Integration der Hämophilen in ein normales soziales Leben.
25
Grundsätzlich stehen hierfür als Therapiemöglichkeiten lokale Blutstillungsmaßnahmen, Fibrinolyse-inhibitoren, Desmopressin (DDAVP) und die Substitution mit Gerinnungsfaktorenkonzentraten zur Verfügung. Die Wahl der Behandlung hängt vom Schweregrad der Hämophilie, Lokalisation und Stärke der Blutung, Art und Ausmaß eines operativen Eingriffs, dem Alter des Patienten und vielen anderen Einflussgrößen ab. Wichtig ist v. a. eine sorgfältige Blutungsprophylaxe. Obwohl Blutungen häufig spontan und schicksalhaft auftreten, lässt sich ihre Frequenz durch geeignete Maßnahmen reduzieren: So sollen hämophile Patienten Sportarten und Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr meiden; i.m.-Injektionen sind wegen der Gefahr nachfolgender Muskelhämatome und evtl. konsekutiver Sekundärinfektionen absolut kontraindiziert. Medikamente wie Acetylsalicylsäure, Heparin, orale Antikoagulanzien usw., die die Blutstillung beeinträchtigen, dürfen bis auf wenige Ausnahmesituationen nicht zur Anwendung kommen. Bei Verdacht auf eine Gelenkblutung muss möglichst frühzeitig und ausreichend lange behandelt werden, um eine blutungsbedingte Synovitis möglichst zu verhindern oder zu mildern und damit eine Arthropathie zu vermeiden oder zumindest zu verzögern. Orthopädische Mitbetreuung, rechtzeitige krankengymnastische Therapie und ggf. eine notwendige operative Gelenkbehandlung tragen zur Blutungsprophylaxe bei. Bei Kindern und in Lebensphasen mit häufigen Blutungen, z. B. bei Examensstress, schwerer beruflicher Belastung oder somatischen Erkrankungen, muss ggf. eine prophylaktische Substitutionsbehandlung durchgeführt werden (Evidenzgrad 1C [36][83]).
Maßnahmen ohne Faktorensubstitution Besonders wichtig zum Erreichen einer optimalen Hämostase sind lokale Maßnahmen zur Blutstillung und eine möglichst schonende Operationstechnik. Zusätzlich werden zur lokalen Blutstillung Hämostyptika wie z. B. Fibrinkleber und Fibrinolysehemmer eingesetzt. Insbesondere bei kleineren Blutungen und bei Patienten mit leichter und mittelschwerer Hämophilie, aber auch mit von-Willebrand-Syndrom und anderen hämorrhagischen Diathesen, lässt sich durch die Gabe von Fibrinolyse-Inhibitoren eine Reduktion oder ein Sistieren der Blutung erreichen. Die Antifibrinolytika können dabei lokal und gleichzeitig systemisch verabreicht werden. Bei Gesunden und Patienten mit leichter Hämophilie A oder von-Willebrand-Syndrom kann durch Applikation von DDAVP ein stimulierender Effekt auf die Endothelzellen ausgeübt werden, der zu einer erhöhten Freisetzung von Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor führt. Der Anstieg des Faktors VIII ist dosisabhängig; Plasmaspiegel können bis auf das 2- bis 4-fache des Ausgangswertes angehoben werden [37]. Die Behandlung kann über eine intravenöse, subkutane oder intranasale Applikation erfolgen. Nach i.v.Applikation von 0,4 μg/kg Körpergewicht (KG) werden bei Gesunden maximale Plasmakonzentrationen von Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor und Gewebeplasminogenaktivator nach etwa 30 min gemessen, die dann durch Erhöhung der Dosierung nicht mehr steigerbar sind. Dies deutet darauf hin, dass es für die DDAVP-induzierte Freisetzung einen oberen Grenzwert gibt [46]. Köhler et al. [39] konnten zeigen, dass die s.c.-Verabreichung vergleichbare Ergebnisse brachte wie die intravenöse, berichteten jedoch über Nachteile der großen Volumina, die bei einer Konzentration von 4 mg/ ml zwischen 2 und 10 ml lagen. Diese Nachteile können mit einer
höher konzentrierten Lösung des DDAVP von 40 mg/ml vermieden werden, wobei die maximalen Plasmakonzentrationen von Faktor VIII allerdings erst 1–2 h nach s.c.-Injektion gemessen werden [39]. Eine wesentliche Vereinfachung ist die intranasale Verabreichung, die mittels eines DDAVP-Sprays in einer Dosierung von 300 μg vergleichbare Faktor-VIII-Konzentrationen induziert, wie sie mit 0,2 μg/kgKG nach i.v.-Gabe erzielt werden können. Die maximalen Faktor-VIII-Aktivitäten werden nach etwa 60 min erreicht. Die Verträglichkeit der intranasalen Therapie ist ausgezeichnet und ermöglicht die Selbstbehandlung durch die Patienten [45]. Insgesamt liegen über die Behandlung mit DDAVP zahlreiche positive klinische Erfahrungen bei Zahnextraktionen, operativen Eingriffen, leichten Blutungsepisoden wie Nasenbluten, Menorrhagien, Traumen, Muskelblutungen u. a. vor. Da der Faktor VIII entsprechend seiner normalen Halbwertszeit abfällt, ist eine Wiederholung in der Regel alle 12 h erforderlich. Ein wichtiger therapeutischer Aspekt ist das Phänomen der Tachyphylaxie: Aufgrund eines nicht genau bekannten Mechanismus, möglicherweise einer Erschöpfung der Faktor-VIII- und von-Willebrand-Faktor-Reserven im Endothelsystem, kommt es nach mehreren Gaben von DDAVP in einer Dosierung von 0,3 μg/kgKG in 24-h-Intervallen zu einem Abfall der Faktor-VIII-Freisetzung. Nach mehrtägiger Behandlung können deshalb meist keine therapeutisch wirksamen Spiegel mehr erreicht werden. Die Therapie mit DDAVP ist daher kontinuierlich mittels Bestimmung der Faktorenaktivität sowie klinischer Blutungszeichen zu überwachen. Nebenwirkungen von DDAVP sind flüchtiger Flush und leichte Kopfschmerzen. Gelegentlich wurde ein Abfall des arteriellen Blutdrucks und ein Anstieg der Herzfrequenz gemessen. Der antidiuretische Effekt ist im Allgemeinen unproblematisch und kann durch regelmäßiges Wiegen kontrolliert werden. Wegen des Effekts auf die Freisetzung von Gewebeplasminogenaktivator wird nicht selten gleichzeitig ein Fibrinolysehemmer verabreicht. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass keine thromboembolischen Komplikationen begünstigt werden [53]. Wegen Verschiebungen im Wasserhaushalt und der Gefahr der Hyponatriämie mit dem Risiko konsekutiver zerebraler Krampfanfälle ist DDAVP bei Kleinkindern unter vier Jahren nicht indiziert [36][83]. Weitere Kontraindikationen sind die Behandlung des von-Willebrand-Syndroms Typ 2B (7 s. unten) und bestehende Komorbiditäten wie Migräne, zerebrale Krampfanfälle, Nierenfunktionsstörungen, arterielle Hypertonie sowie thromboembolische Erkrankungen. Deshalb ist auch besondere Vorsicht bei einem Alter der Patienten von über 60 Jahren angebracht (relative Kontraindikation).
Substitution mit Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Konzentraten Pharmakologische Charakteristika Ziel der Substitutionsbehandlung ist es, die erniedrigten Faktoren VIII bzw. IX auf eine der jeweiligen Situation angemessene, hämostatisch ausreichende Aktivität anzuheben. Zur Verfügung stehen heutzutage intravenös injizierbare Faktorenkonzentrate aus menschlichem Plasma (pdFVIII, pdFIX) sowie biotechnologisch hergestellte Faktorenkonzentrate aus rekombinantem Faktor VIII (rFVIII) (7 Kap. 19). Eine s.c.- oder i.m.-Injektion ist kontraindiziert. Der Gehalt von Faktor VIII bzw. Faktor IX in den Präparaten wird in internationalen Einheiten (IE) angegeben. Dabei ist 1 IE eines Gerinnungsfaktors als diejenige Aktivität definiert, die in 1 ml eines Frischplasmapools enthalten ist. Definitionsgemäß wird der Gehalt eines Gerinnungsfaktors in diesem Pool gleich 100 % gesetzt.
347
25.1 • Hämophilie A und B
1 IE eines Gerinnungsfaktors bzw. 1 ml Plasma/kgKG i. v. ergibt einen Anstieg der biologischen Aktivität von Faktor VIII bzw. Faktor IX um 1–2 %. Die erforderliche Dosis, die zur Erzielung eines bestimmten Faktor-VIII-Spiegels bei Erwachsenen notwendig ist, ergibt sich aus der Formel: Dosis [IE] = 0,5 × kgKG × gewünschter Faktor-VIII-Anstieg [IE/ml]
Bei Patienten mit einem Körpergewicht unter 60 kg wird der Faktor 0,7 und bei einem Körpergewicht unter 30 kg der Faktor 1,0 eingesetzt. Nach Infusion von Faktor-IX-Konzentraten in Patienten mit Hämophilie B ist die Wiederfindungsrate (Recovery) mit 30–50 % niedriger als die des Faktors VIII (70–100 %) [26]. Man geht davon aus, dass ein größerer Teil des Faktors IX in das extravaskuläre Kompartiment übergeht als bei Faktor VIII. Das Maximum der Faktorenanstiege wird etwa 15–30 min nach Ende der Infusion erreicht. Mit zunehmendem Körpergewicht steigt die Wiederfindungsrate wegen des anteilig abnehmenden Plasmavolumens an. Bei Kindern ist die Wiederfindungsrate folgerichtig geringer als bei Erwachsenen. Außer der Wiederfindungsrate gibt die biologische Halbwertszeit eine wichtige Größe für die Substitutionsbehandlung vor. Nach Erreichen des Maximalspiegels fallen die Faktorenaktivitäten im Plasma entsprechend ihrer Halbwertszeit in biexponenziellen Kurven ab. In einer ersten Phase kommt es zu einem relativ raschem Abfall der Faktorenaktivitäten mit einer biologischen Halbwertszeit von 3–6 h für Faktor VIII und etwa 5 h für Faktor IX. Dieser ersten Phase, die vorwiegend durch den Verlust der Faktoren in den extravaskulären Raum (ggf. verstärkt durch den Faktorenverbrauch im Blutungsbereich) charakterisiert ist, folgt eine zweite Phase, die der biologischen Halbwertszeit entspricht und die für Faktor VIII etwa 9–14 h, für Faktor IX etwa 24 h beträgt. Bei Faktor VIII ist daher in der Regel eine Substitution in etwa 8-stündigen, bei Faktor IX in 12-stündigen Abständen erforderlich. Die pharmakokinetischen Kenngrößen sind bei Verwendung verschiedener Präparate bei denselben Patienten unter gleichen Bedingungen sehr ähnlich, jedoch interindividuell unterschiedlich und sollten grundsätzlich für jeden Patienten mit Hämophilie A oder B erstellt werden, damit in Notfällen eine individuell angepasste Substitutionsbehandlung aufgrund der vorliegenden Daten möglich ist. Da jedoch auch intraindividuelle Schwankungen vorkommen können, muss vor planbaren größeren operativen Eingriffen ein entsprechendes pharmakokinetisches Profil erstellt werden. Starke Blutungen, Fieberzustände, große operative Eingriffe mit Blutverlusten und/oder Aktivierungen des Hämostasesystems, Traumatisierungen, Infektionen, die Entwicklung von Inhibitoren u. Ä. können eine völlig veränderte Wiederfindungsrate und Halbwertszeit der Gerinnungsfaktoren verursachen und damit eine Änderung des Therapiekonzepts bedingen. Aufgrund von klinischen Beobachtungen, dass Spontanblutungen bei einem Faktor-VIII- bzw. FIX-Spiegel über 5 % sehr selten sind, ergibt sich, dass eigentlich das Ziel einer Substitutionsbehandlung sein müsste, einen kontinuierlichen Gerinnungsfaktorenspiegel von über 5 % zu gewährleisten. Das oben skizzierte Applikationsregime von 2 oder 3 Bolusgaben führt dazu, dass über lange Phasen zwischen den Intervallen weit höhere Aktivitäten als erforderlich erreicht werden, andererseits die Dosierung so hoch sein muss, dass am Ende des Intervalls die für den jeweiligen Zweck notwendige Mindestaktivität noch vorhanden ist. Ein Ausweg aus diesem Di-
25
. Tab. 25.1 Bedarfsbehandlung mit Gerinnungsfaktorenkonzentraten im Kindesalter: mittlere Initialdosis in IE/kgKG. (Aus [83]) Indikationen
Mittlere Initialdosis [IE/kgKG]
Gelenk- und Muskelblutungen
30–40
Lebensbedrohliche Blutungen
80–100
Operationen mit kleinen Wundflächen
50–100
Operationen mit großen Wundflächen wie beispielsweise Tonsillektomie
80–100
lemma ergäbe sich durch die Möglichkeit einer Dauerinfusion bzw. der Anlage eines Faktorendepots. Einer ambulanten i. v.-Dauerinfusionsbehandlung stehen v. a. technische Probleme sowie die Gefahr lokaler Infektionen, Thrombosen oder Blutungen entgegen. Auch war die Stabilität von Gerinnungsfaktorenkonzentraten bei Raumtemperatur in der Vergangenheit nicht gewährleistet. Erst die modernen Faktorenkonzentrate sind wesentlich stabiler geworden und bleiben bei Raumtemperatur über längere Zeit funktionstüchtig. Inzwischen liegen eine Reihe von Studien über die erfolgreiche Anwendung eines perioperativen Substitutionsregimes unter Verwendung von Faktor-VIII-Dauerinfusionen vor [55][93]. Trotz der erheblichen Einsparung von Faktorenkonzentrat hat sich die kontinuierliche Infusionstherapie im stationären Bereich bisher nicht durchsetzen können, u. a. weil zuletzt eine höhere Inzidenz von Hemmkörpern bei diesem Therapieregime beobachtet wurde [94]. Für alle Faktorenkonzentrate besteht nach § 14 des Transfusionsgesetzes eine Patienten- und Produkt- (Chargen-)bezogene Dokumentationspflicht [36][83]. Diese Daten müssen 30 Jahre lang so aufbewahrt werden, dass im Falle einer Rückverfolgung (Lookback) unverzüglich darauf zurückgegriffen werden kann.
Dosierungen bei einzelnen Blutungsmanifestationen (. Tab. 25.1 u. . Tab. 25.2) Von größter Bedeutung ist die Akutbehandlung einer lebensbedrohlichen Blutung. Bei nicht genau bekanntem Faktorenmangel eines Patienten oder nichtbekannter Klassifizierung der Hämophilie stellt heute die Gabe von rekombinantem Faktor VIIa (Dosierung 90–120 μg/kgKG) die Therapie der ersten Wahl dar. Im Notfall ist bei fehlenden Therapiealternativen auch die Zufuhr von bis zu 15– 30 ml gefrorenen Frischplasmas/kgKG möglich. Bei einer schweren Hämophilie werden als Initialdosis zwischen 50 und 70 IE/kgKG des Faktorenkonzentrats injiziert. Die Substitution wird bis zum Stillstand der Blutung so fortgeführt, dass Mindestaktivitäten von Faktor VIII bzw. Faktor IX von mehr als 50 % gewährleistet sind. Bei zerebralen Blutungen muss die hochdosierte Therapie so lange fortgeführt werden, bis die klinischen Zeichen der zerebralen Blutung nicht mehr nachweisbar sind bzw. die bildgebenden Verfahren eine Resorption der Blutung anzeigen. Im Anschluss daran sollte eine niedriger dosierte Substitution fortgeführt werden, bis das Risiko einer Rezidivblutung als gering betrachtet wird. Nach einem Polytrauma muss die Faktorenaktivität so lange auf 100 % gehalten werden, bis alle invasiven Maßnahmen abgeschlossen sind. Die Substitution nach Verletzungen ist bis zur Wundheilung fortzuführen. Bei unklaren abdominellen oder thorakoralen Schmerzen nach Trauma muss eine Substitutionsbehandlung mit Faktorenaktivitäten über 50 % gewährleistet sein, bis nichtsichtbare Verletzungen wie z. B. Leber- und Milzruptur, Lungenruptur usw. ausgeschlossen werden können.
348
Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
. Tab. 25.2 Bedarfsbehandlung mit Gerinnungfaktorenkonzentraten im Erwachsenenalter: mittlere Initialdosis in IE/kgKG. (Aus [83]) Indikationen
Mittlere Initialdosis [IE/kgKG]
Gelenk- und Muskelblutungen
20–40
Lebensbedrohliche Blutungen
50–80
Weichteilblutungen: – Bedrohlich bzw. ausgedehnt (z. B. Hirnblutungen, Zungenbiss, Karpaltunnelsyndrom, retroperitoneale Blutungen, Oberschenkel-/Waden-/MuskelBlutungen)
40–60
– Kleinere Haut- und Muskelblutungen
15–30
Schleimhaut- und Urogenitalblutungen:
25
– Gastrointestinale und Mundhöhlenblutungen
30–60
– Epistaxis
20–40
– Hämaturien
20–40
Operationen mit kleinen Wundflächen (z. B. Zahnextraktionen [lokale Fibrinolysehemmung durchführen!], Herniotomie etc.)
25–40
Operationen mit großen Wundflächen und/oder hoher Blutungsgefahr einschließlich Tonsillektomie
50–80
Bei operativen Eingriffen muss präoperativ die anzustrebende Mindestfaktorenaktivität festgelegt werden. Da besonders während großer operativer Eingriffe wegen der notwendigen intraoperativen Blutstillung der Faktorenverbrauch hoch ist, hat es sich bewährt, unmittelbar vor Beginn bzw. bei Einleiten der Narkose eine einmalige Substitution mit dem geschätzten intraoperativen Bedarf durchzuführen. Operationen bei Kindern mit großen Wundflächen, beispielsweise eine Tonsillektomie, bedürfen einer Faktorensubstitution mit initial 80–100 IE/kgKG. Bei Knochenfrakturen und Eingriffen am Skelettsystem, die häufig auch bei Nichthämophilen mit der Ausbildung größerer Hämatome einhergehen, ist eine Substitution auf Werte von 80–100 % anzustreben. Zur Knochenheilung müssen minimale Faktor-VIII- bzw. FIX-Aktivitäten von 10–20 % vorhanden sein, sodass die Substitution über mehrere Wochen fortgeführt werden muss. Zahnextraktionen bedürfen einer sorgfältigen Vorbereitung und Nachbeobachtung. Weder Zahnextraktionen noch Injektionen in das Zahnfleisch dürfen ohne vorausgehende Substitutionsbehandlung vorgenommen werden. Darüber hinaus muss eine lokale Blutstillung erfolgen. Sinnvoll ist es, vor der Zahnextraktion eine antifibrinolytische Behandlung zur Hemmung der fibrinolytischen Speichelaktivität zu beginnen und über einige Tage fortzusetzen. Die Substitutionsbehandlung mit Faktor VIII strebt eine Mindestaktivität von 30 % an. Üblicherweise werden 25–40 IE/kgKG 2- bis 3-mal in Abständen von 12–24 h wiederholt. Die Dauer der Behandlung richtet sich nach der Größe des Eingriffs. Bei einer gastrointestinalen Blutung unklarer Genese sollten die Faktorenaktivitäten über 50 % angehoben werden. Bei Patienten mit blutenden Magenulzera muss die Substitution bis zum endoskopisch kontrollierten Abstoßen des Fibrinbelages, bei diffusen erosiven Blutungen bis 1–2 Tage nach Ende der Blutung und Abklingen der erosiven Veränderungen hinaus fortgesetzt werden. Blutungen in den Psoasbereich bzw. retroperitoneale Blutungen bedürfen einer hohen Dosierung von 30–40 IE/kgKG mit Spiegeln über 50 % über
mehrere Tage hinweg bis zum kompletten Verschwinden der klinischen Symptomatik. Andere, weniger gravierende Muskelblutungen werden mit täglichen Injektionen von 30–40 IE/kgKG bis zum Abklingen der Blutungssymptomatik behandelt (Übersichten: [15][64] [68][77][83]). Ein Sonderproblem stellt die Makrohämaturie dar, die immer mit dem Risiko der Gerinnselbildung in den ableitenden Harnwegen und infolgedessen einer Stauungsniere behaftet ist. Wird die Blutung in die ableitenden Harnwege früh diagnostiziert bzw. vom Patienten selbst bemerkt, ist nicht selten durch sehr frühzeitige Gabe einer niedrigen Faktorendosis von 10–20 IE/kgKG nach einmaliger Anwendung ein Sistieren der Blutung zu erreichen. Die zusätzliche Verabreichung von Kortikosteroiden in einer Dosierung von 1 mg/kgKG/Tag kann zu einer schnelleren Blutstillung beitragen. Während der gesamten Periode sollten täglich mindestens 2–3 l Urin ausgeschieden werden. Von größter Bedeutung für die Lebensqualität und Prognose ist eine sachgerechte Therapie von Gelenkblutungen. Spontane Blutungen in die Gelenke treten fast ausschließlich bei Patienten mit schwerer oder mittelschwerer Hämophilie auf. Zur Behandlung dieser Blutungen ist daher fast immer eine Substitutionstherapie mit Faktorenkonzentraten erforderlich. Die Indikation zur Therapie wird aufgrund der Angaben des Patienten und der klinischen Erfahrungen des Arztes mit diesem Patienten gestellt. Nicht selten geht einer Blutung in die Gelenke eine sog. Aura voraus, die der Patient kennt, sodass dann durch eine frühzeitige Behandlung eine Gelenksblutung vermieden oder zumindest gelindert werden kann. Häufig genügt eine einzige Injektion mit 25 IE/kgKG einmal am Tag i. v. [2], um die Gelenkblutung zum Stillstand zu bringen. Diese Dosierung gilt für Faktor VIII und Faktor IX. Offensichtlich gleicht die längere Halbwertszeit des injizierten Faktors IX in vivo die niedrigere Wiederfindungsrate hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit aus. Kommt es nicht zur Abschwellung oder zum Rückgang des Spannungsschmerzes, sind zusätzliche Injektionen erforderlich. Die Substitutionstherapie ist bis zum vollständigen Verschwinden der klinischen Symptome fortzuführen, wobei die Faktorendosis im Verlauf schrittweise reduziert werden kann. Bei Vorliegen von lokalen Ursachen wie z. B. einer schweren arthrotischen Veränderung oder ausgeprägter Synovitis o. Ä. kann die Behandlungsdauer erheblich verlängert sein.
Kontrollierte Heimselbstbehandlung Einen wesentlichen Fortschritt in der Hämophiliebehandlung stellt die ärztlich kontrollierte Heimselbstbehandlung dar. Alle Hämophiliepatienten oder Eltern hämophiler Kinder mit rezidivierenden Blutungen sollten über mögliche Blutungssymptome aufgeklärt und in die Indikationsstellung, die technische Aufbereitung des Faktorenkonzentrates und Injektionstechnik eingeführt werden. Gleichzeitig werden Dosierungsrichtlinien vereinbart und die möglichen Nebenwirkungen und evtl. erforderlichen Maßnahmen besprochen. Dem Patienten wird zu Hause ein Depot eines Faktorenkonzentrats angelegt. Über Blutungen, Faktorenverbrauch, klinischen Erfolg der Injektionen und das Depot wird ein genaues Protokoll geführt. Patient und Hämophiliezentrum stehen ständig in Verbindung. Die Entscheidung über Diagnose und Therapie sind damit weitgehend in die Kompetenz des Patienten und/oder der Eltern übergegangen.
Prophylaktische Dauerbehandlung Die gefürchteten Spätfolgen der Verkrüppelung infolge der hämophilen Arthropathie mit all ihren Auswirkungen auf den Bewegungsapparat lassen es wünschenswert erscheinen, durch häufige-
25.1 • Hämophilie A und B
re prophylaktische Therapie die Inzidenz spontaner Blutungen zu senken. Klinische Studien zeigten, dass mit einer prophylaktischen Dauerbehandlung von 3-mal 12 IE Faktor VIII/kgKG und Woche beim Erwachsenen fast Blutungsfreiheit erreicht werden konnte [1] [63][75][79]. Wurden die Injektionsabstände über- bzw. die Einzeldosierungen unterschritten, so nahm die Blutungsfrequenz zu. Die Zahl der blutungsbedingten Arbeitsausfälle war unter Substitution nach diesem Regime auf 0 Tage/Jahr zurückgegangen. Für die Behandlung wurden allerdings ca. 2000 IE Faktor VIII/kgKG und Jahr benötigt. Das entspricht bei einem 80 kg schweren Patienten etwa 160.000 Einheiten/Jahr, wenn kein weiterer Bedarf wegen Blutungskomplikationen oder Operationen besteht. Die Indikation zur prophylaktischen Dauerbehandlung des Erwachsenen ist nach heutiger Vorstellung gegeben bei Rezidivblutungen mit der Gefahr irreversibler Schäden, bei besonderen körperlichen und psychischen Belastungen, bei Rehabilitationsmaßnahmen, bei einer Frequenz von mehr als 4 Blutungen pro Monat, bei chronischer Synovitis, postoperativ und posttraumatisch sowie bei ständig rezidivierendem Befall eines Gelenks. Liegt eine floride Synovitis mit rezidivierenden Einblutungen vor, muss die Behandlung von 3-mal 12 IE/kgKG und Woche auf 3-mal 20–30 IE/kgKG und Woche oder ggf. auf tägliche Injektionen von 10–30 IE/kgKG über Wochen angehoben werden. Ist die Synovitis abgeklungen und die Gelenkstabilität wieder erreicht, kann die Substitution probeweise reduziert bzw. abgesetzt werden. Die Substitution im Kindesalter unterscheidet sich nach heutiger Auffassung erheblich von der des Erwachsenen. Wegen ihres Bewegungsdrangs und dadurch bedingten zahlreichen kleineren Traumen sind gerade Kinder stark blutungsgefährdet. Mehrere Studien konnten zeigen, dass Kinder, die durch das Kindesalter hindurch prophylaktisch dauerbehandelt wurden und so sehr wenige Gelenkblutungen erleiden mussten, praktisch ohne arthropatische Schäden in das Erwachsenenalter eintreten. Aus diesem Grund ist bei Kindern mit schwerer Hämophilie die Indikation der prophylaktischen Dauerbehandlung häufig oder regelmäßig gegeben. Hierfür ist eine Mindestdosierung von 3-mal 20–30 IE/kgKG und Woche notwendig (Evidenzgrad 1A [83]). Erreichen Heranwachsende das Erwachsenenalter ohne arthropatische Gelenkschäden, können sie in der Regel auf eine kontrollierte Bedarfsbehandlung wechseln. Substitutionen werden nicht in regelmäßigen Intervallen prophylaktisch, sondern nur noch bei Bedarf, d. h. vor größeren Belastungen oder bei Blutungen, durchgeführt.
Konsensusempfehlungen Seit Anfang der 1970er Jahre sind langjährige Erfahrungen mit der Substitutionstherapie gemacht worden. Nach wie vor bestehen national und international große Unterschiede in der Therapiestrategie, sowohl was die jeweilige Dosis als auch was die Häufigkeit der Substitution angeht. Die Arbeitsgruppe »Hämophiliebehandlung« der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) stellte 1994 und 1999 Konsensusempfehlungen zur Hämophiliebehandlung in Deutschland zusammen ([80][84], Übersicht bei [83]). Die Empfehlungen enthalten Hinweise auf die derzeitige Hämophilietherapie und Kriterien, die die Hämophilietherapie beeinflussen, sowie konkrete Empfehlungen zur Substitutionstherapie im Kindes- und Erwachsenenalter, wobei auch auf die Indikationen zur Bedarfs- bzw. Dauerbehandlung eingegangen wird. Sie werden seither ständig fortentwickelt und aktualisiert und durch die Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer in der jeweils gültigen Fassung ergänzt [83].
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Therapie von Patienten mit Hemmkörpern Hemmkörperbildung Ein Teil der Patienten mit Hämophilie A und B entwickeln gegen die übertragenen FVIII- bzw. FIX-Moleküle, die sie selbst nicht oder nur in defekter Form besitzen, neutralisierende, die Aktivität der Gerinnungsfaktoren hemmende Antikörper (sog. Hemmkörper). Das Auftreten solcher Hemmkörper ist eine der gefürchtetsten Komplikationen der Hämophiliebehandlung. Die Prävalenz von Hemmkörpern wird mit 5–15 % angegeben. Neuere prospektive Untersuchungen zur Hemmkörperinzidenz zeigen, dass bis zu 30 % der Patienten mit schwerer Hämophilie A einen Hemmkörper entwickeln [49]. Die meisten Hemmkörper treten im Kindesalter innerhalb der ersten 6 Jahre nach Beginn der Substitutionstherapie und am häufigsten innerhalb der ersten 50 Behandlungstage auf. Sie betreffen zumeist die schweren, seltener die mittelschweren Hämophilien. Einzelfälle wurden bei Patienten mit leichter Hämophilie beschrieben, die dann nicht selten in eine schwere Form konvertierten. Anhand der im Jahre 2007 publizierten CANAL-Studie konnte der vorbeugende Effekt einer frühzeitigen prophylaktischen Substitutionstherapie auf die Hemmkörperentwicklung nachgewiesen werden. In diese retrospektive Studie wurden 366 Kinder mit schwerer Hämophilie A eingeschlossen, die zum ersten Mal mit einem Faktor-VIII-Präparat behandelt wurden. Dabei entwickelten 24 % der Patienten einen Faktor-VIII-Hemmkörper, wobei Kinder mit einer regelmäßigen, prophylaktischen Faktor-VIII-Substitution ein 60 % niedrigeres Hemmkörperrisiko aufwiesen im Vergleich zu Kindern, welche nur im Bedarfsfalle mit Faktor VIII substituiert wurden [28]. Die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung eines Inhibitors und genetischen Veränderungen sind bisher nicht vollständig geklärt. Inzwischen wurde gezeigt, dass die Art der Mutation im F8/ F9-Gen entscheidenden Einfluss auf die Bildung eines Hemmkörpers hat. Bisher wurden zehn Mutationsgruppen mit verschiedenen Hemmkörperprävalenzen identifiziert: Die Spannweite reicht von 88 % bei großen, mehrere Domänen betreffenden Deletionen bis weniger als 3 % bei z. B. Mutationen an Spleißstellen (. Abb. 25.1). Allgemein lässt sich feststellen, dass Patienten mit schweren molekularen Gendefekten, die kein endogenes Protein bilden, ein hohes Inhibitorrisiko haben und Patienten mit anderen Mutationen, die ein (wenn auch funktionsloses) FVIII-Protein herstellen können, ein geringes Hemmkörperrisiko zeigen (Übersicht bei [67]). Unterschiedliche Prävalenzen von Hemmkörpern in Familien in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad und zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen deuten auf einen zusätzlichen Einfluss von Genen des Immunsystems hin [6][67]. Shapiro u. Hultin [85] stellten die Hypothese auf, dass nur diejenigen Patienten, die während der Schwangerschaft keine Exposition gegenüber mütterlichem FVIII hatten und somit keine Immuntoleranz ausbilden konnten, Hemmkörper entwickeln. Ob das Herstellungsverfahren, die verschiedenen Virusinaktivierungsmethoden, der Reinheitsgrad der Präparate oder die Herstellung aus Plasma bzw. die rekombinante Herstellung einen Einfluss auf die Inzidenz der Hemmkörperbildung haben, wird noch diskutiert [52]. Weitere, mit einem erhöhten Hemmkörperrisiko assoziierte genetische Faktoren sind Polymorphismen in den immunregulatorischen Genen von Interleukin-10 (IL-10), Tumornekrosefaktor (TNF-α) sowie dem »cytotoxic T-lymphocyte associated protein-4« (CTLA-4) [7][8][9]. Hemmkörper sind in der Regel IgG-Antikörper und gehören überwiegend den Subklassen IgG1 und IgG4, selten IgG2 und IgG3 an. Die inaktivierende Wirkung ist gegen FVIII und nicht gegen den von-Willebrand-Faktor gerichtet.
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Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
HOHES RISIKO 100
Mehrere Domänen 88%
75
50
25
25
Große Leichte Kette Deletionen 40% 41% Nonsense Intron 22 31% Inversionen Einzelne 21% Domänen Schwere Kette 25% 17%
0 NIEDRIGES RISIKO
Nicht A-Run 21% Kleine Deletionen 16% A-Run 3%
C1-C2 10% Missense 5% Nicht C1-C2 3%
Spleißstelle 3%
. Abb. 25.1 Abhängigkeit der Hemmkörperprävalenz vom Mutationstyp im F8-Gen
Die Beobachtung, dass die Hemmkörperentwicklung bei eineiigen Zwillingen unterschiedlich verläuft [21], weist auf die Bedeutung von zusätzlichen nichtgenetischen Faktoren hin, wie dem Alter des Patienten bei erstmaliger Faktor-VIII-Substitution [16], dem Typ des Faktor-VIII-Konzentrats [26] oder der Höhe der Substitution sowie den Begleitumständen bei erstmaliger Faktor-VIIISubstitution [27]. Der Nachweis von Hemmkörpern wird mit dem sog. PTTMischversuch geführt, bei dem Patienten- und Normalplasma gemischt und 1–2 h inkubiert werden. Eine über den Verdünnungseffekt hinausgehende Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) ist ein Maß für die Inhibitoraktivität. Die Spezifität des Inhibitors wird in analoger Weise durch eine Einzelfaktorenbestimmung ermittelt. Zur Quantifizierung des Inhibitors hat sich international der Bethesda-Test durchgesetzt. Hierzu werden verschiedene Plasmaverdünnungen eines Inhibitorpatienten über 2 h mit Normalplasma inkubiert und die FVIII-Aktivitäten bestimmt. Diejenige Probe, die 50 % der normalen FVIII-Aktivität enthält, wird als 1 Bethesda-Einheit (BE) eines Inhibitors pro ml Plasma definiert. Die Reaktion zwischen FVIII und dem Hemmkörper ist zeit- und temperaturabhängig, wobei zwei unterschiedliche Arten der Antigen-Antikörper-Reaktion bekannt sind: Beim Typ-I-Antikörper wird FVIII in Gegenwart eines Antikörperüberschusses komplett inaktiviert, während beim Typ-II-Antikörper dieser in vitro trotz eines Antikörperüberschusses den FVIII nicht vollständig inaktivieren kann. Wird der von-Willebrand-Faktor aus dem Komplex mit dem FVIII gelöst, kommt es auch mit dem Typ-II-Antikörper zu einer kompletten Inaktivierung. Durch den Bethesda-Test kann der Typ-I-Antikörper problemlos quantifiziert werden. Beim TypII-Antikörper ergeben sich wegen der Restaktivität des FVIII und des unklaren Endpunktes Schwierigkeiten. Die Antikörpertiter, ausgedrückt in BE, können inter- und intraindividuell erheblich schwanken. Wenn man die über die Zeit gemessene maximale Höhe des Antikörpertiters zugrundelegt, lassen sich zwei Arten von Patienten
unterscheiden: »low responders« und »high responders«. »Low responders« weisen Inhibitortiter von weniger als 5 BE auf, die auch während und nach Substitutionsbehandlung nicht weiter ansteigen, während »high responders« unter Substitutionstherapie Werte von 1000 BE erreichen können. Wichtig für die Einteilung ist nicht der aktuell gemessene, sondern der anamnestisch maximale Titer, da bekannte High-responder-Patienten 8–14 Tage nach Beginn einer erneuten Substitutionstherapie die vorbekannten, hohen Titer wieder erreichen können. Ohne weitere Antigenzufuhr fallen die Antikörpertiter in aller Regel kontinuierlich wieder ab. Wichtig ist, dass eine solche Boosterung bei Hämophiliepatienten nicht nur durch Faktorenkonzentrate, sondern durch alle Blut- und Plasmaprodukte, die die Gerinnungsfaktoren VIII oder IX enthalten, induziert werden kann. Deshalb dürfen, von Notfällen abgesehen, bei Patienten mit Hemmkörperhämophilie nur gewaschene Erythrozytenkonzentrate transfundiert werden, um einen Antikörperanstieg zu vermeiden. Ziele der Behandlung von Patienten mit Hemmkörpern sind daher 1. eine akute Blutung zu beherrschen oder einen Patienten für einen operativen Eingriff vorzubereiten, 2. langfristig Immuntoleranz zu erzeugen oder zumindest einen High-responder- in einen Low-responder-Patienten umzuwandeln. Die Therapie akuter Blutungen bei Kindern und erwachsenen Hämophilen mit niedrig-titrigen Antikörpern unter 5 BE erfolgt durch hohe Dosen von Gerinnungsfaktor VIII bzw. IX mit dem Ziel, den Hemmkörper abzubinden und freie Faktorenaktivität im Plasma des Patienten zur Verfügung zu haben (Evidenzgrad 1C+, [83]). Hierzu können Dosen von 10.000 IE Faktor VIII oder IX einoder mehrmals täglich notwendig werden. Dies ist auch möglich bei High-responder-Patienten mit niedrigem Ausgangswert in den ersten Tagen, bis die Titer so stark angestiegen sind, dass sie nicht mehr überspielbar sind.
25.1 • Hämophilie A und B
Ist ein Absättigen der Antikörper durch exzessiv hohe Antigenzufuhr bei niedrig-titrigen Patienten nicht möglich oder ist bei hoch-titrigen Patienten der Antikörpertiter geboostert, kommt die Gabe von aktivierten Prothrombinkomplexpräparaten in Betracht (Evidenzgrad 1A [83]), die über eine Aktivierung des Gerinnungssystems nach einem bisher noch nicht genau bekannten Prinzip bei Patienten mit Hemmkörpern eine Blutstillung herbeiführen. Als initiale Dosierung werden 100–200 IE/kgKG verabreicht; bei langdauernd erforderlicher Substitution, z. B. bei Operationen oder Verletzungen, werden 2-mal täglich 100 IE/kgKG verabreicht. Die Applikation der aktivierten Prothrombinkomplexpräparate führt in der Regel zur mehr oder weniger stark ausgeprägten Gerinnungsaktivierung, die beobachtet werden muss. Wenn die Faktorenkonzentrate nicht mehr ausreichend wirken bzw. Nebenwirkungen auftreten, stehen heute rekombinante FaktorVIIa-Präparate (rFVIIa) zur Verfügung, die klinisch gut wirksam sind und ein geringes Nebenwirkungsprofil aufweisen (7 Kap. 17). Sie werden von einigen Autoren sogar bevorzugt für die Behandlung von Inhibitorpatienten eingesetzt, weil sie keine Boosterung des Hemmkörpertiters hervorrufen [30][88]. Als Dosierung werden 90–120 μg/kgKG alle 2–3 h empfohlen. Bei Kindern empfiehlt sich ein verkürztes Applikationsintervall von 1,5–2 h [36][83]. Von den Querschnittsleitlinien werden als mittlere Initialdosis 90 μg/kgKG angegeben [36][83]. rFVIIa wird so lange in den angegebenen Applikationsintervallen verabreicht, bis die Blutung sistiert. Alternativ können 270 μg/kgKG als Einzelinjektion gegeben werden. Damit lassen sich in mehr als der Hälfte aller Behandlungsepisoden Besserungen erzielen. Die früher bei Patienten mit Hemmkörpern oft angewendete Substitution mit einem aus Schweineplasma hergestellten porzinen Faktor-VIII-Konzentrat ist nicht mehr möglich, da das Präparat nicht mehr hergestellt wird. Zur Verbesserung der Substituierbarkeit kann in Notfällen versucht werden, eine temporäre Reduktion des Inhibitors durch Immunadsorptionsapherese zu erreichen [64]. Hierbei wird der Hemmkörper an Protein-A-Sepharose über den Fc-Teil des IgGAntikörpers gebunden und so während der Passage des Patientenblutes entfernt (7 Kap. 33). Mit dieser Methode kann in manchen Fällen eine temporäre Substituierbarkeit mit Faktor VIII bzw. Faktor IX erreicht werden.
Immuntoleranzinduktion Für die Induktion einer Immuntoleranz bei Patienten mit einer Hemmkörperhämophilie sind verschiedene Methoden beschrieben worden. In Deutschland ist v. a. die von Brackmann 1984 [13] etablierte Methode der langdauernden hohen Zufuhr von Antigen verbreitet. Bei High-responder-Patienten werden täglich 200–300 IE Faktorenkonzentrat/kgKG entweder allein oder in Verbindung mit aktivierten Prothrombinkomplex-Präparaten (bis zu 100 IE/kgKG 2-mal täglich) über Wochen oder Monate zugeführt [83], bis sich Wiederfindungsrate und Halbwertszeit des Faktors VIII bzw. IX normalisiert haben. In einer 1994 publizierten Übersicht konnten Kreuz et al. [42] bei 19 von 21 Patienten mit diesem Regime eine Immuntoleranz erreichen. Danach wurde zumeist eine individuell angepasste Dauerbehandlung angeschlossen. Bei Blutungen kann auch rFVIIa (mittlere Initialdosis 90 μg/kgKG oder Einzelgabe von 270 μg/kgKG) eingesetzt werden [36][83]. Bei Erwachsenen mit niedrigen Hemmkörpertitern muss nicht immer eine Eliminationstherapie durchgeführt werden, da häufig noch eine hämostatische Wirksamkeit nach Substitution des fehlenden Faktors erreicht werden kann. Die Konsensusarbeitsgruppe der GTH empfiehlt bei Dauerbehandlung eine Dosierung von 50 IE/kgKG
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25
3-mal pro Woche. Berichte anderer Autoren mit wesentlich niedrigeren Dosierungen führten zwar bei einigen Patienten zu Immuntoleranz. Dabei handelte es sich jedoch hauptsächlich um Low-responder-Patienten oder solche, bei denen die Behandlung sofort nach primärer Hemmkörperinduktion begonnen worden war [22][56]. Eine Alternative stellt das sog. Malmö-Behandlungsprotokoll dar, nach dem die Antikörper durch extrakorporale Immunadsorption an Protein A gebunden werden. Anschließend werden 12–15 mg Cyclophosphamid/kgKG über 2 Tage, danach 2–3 mg/ kgKG oral über 8 bis 10 Tage bei gleichzeitiger Faktor-VIII-Substitution auf Normalwerte für 2–5 Wochen verabreicht. Ab dem 4. Tag werden zusätzlich 0,4 g Immunglobuline/kgKG/Tag über 5 Tage verabreicht. Daran angeschlossen wird eine Dauerbehandlung mit Faktor VIII bzw. IX. Von 19 nach diesem Protokoll behandelten Patienten wiesen 16 einen kompletten Behandlungserfolg mit stabiler Immuntoleranz auf [64]. Im Kindesalter wird auch bei Low-responder-Patienten regelhaft der Versuch einer Toleranzinduktion empfohlen. Diese kann mit einer Dauerbehandlung mit 50–100 IE Faktor VIII/kgKG 3-mal pro Woche bis zum Nachweis einer normalen Wiederfindungsrate und Halbwertszeit durchgeführt werden. Bei High-responder-Patienten werden 100–200 IE/kgKG 2-mal pro Tag bis zur Normalisierung von Wiederfindungsrate und Halbwertszeit verabreicht. In jedem Fall muss bei Kindern danach eine individuell angepasste mehrmonatige Dauerbehandlung erfolgen. Ist nach zwölf Monaten der Hemmkörper noch nicht verschwunden, so ist ein Behandlungserfolg sehr unwahrscheinlich. Nach individueller Abwägung ist der Abbruch der Behandlung in Betracht zu ziehen. Empfehlungen zur Immuntoleranzinduktion wurden für Deutschland 1999 publiziert [14]. Ist nach Diagnose eines Faktor-VIII-/IX-Hemmkörpers eine Eliminationstherapie nicht durchführbar, z. B. bei schlechten Venenverhältnissen oder fehlender Compliance, sollten Blutungsereignisse bevorzugt mit rFVIIa behandelt werden, um wiederholte Boosterungen mit Faktor VIII/IX zu vermeiden, da diese die Erfolgswahrscheinlichkeit einer späteren Immuntoleranztherapie mindern [67]. Gleichzeitig fällt der Hemmkörpertiter bei Bedarfsbehandlung mit rFVIIa kontinuierlich ab, was prognostisch günstig für eine spätere Eliminationstherapie ist [88]. In den kürzlich erschienenen Konsensusempfehlungen eines internationalen Expertengremiums wurden auf der bisherigen Literatur basierende Algorithmen zur Anwendung der Immuntoleranztherapie bei Patienten mit schwerer Hämophilie A, milder Hämophilie A und Hämophilie B entwickelt [20]. Möglicherweise ist auch die zusätzliche Immunsuppression mit dem monoklonalen anti-CD20-Antikörper Rituximab erfolgsversprechend, insbesondere bei Patienten, bei denen die Immuntoleranztherapie zunächst frustran verlief [18].
Unerwünschte Wirkungen der Substitutionstherapie Akute Nebenwirkungen nach Injektionen von Gerinnungsfaktorenkonzentraten sind meist nicht vital bedrohlich. Mit zunehmender Reinheit und verbesserter Qualität der Produkte sind sie seltener geworden und wurden 1983 von Lechner et al. mit 1 Reaktion auf 10 Behandlungsjahre angegeben [44]. Mit den heute erhältlichen, hochgereinigten Plasmapräparaten dürfte die Nebenwirkungsrate noch geringer sein. Sie umfasst hauptsächlich allergische Reaktionen oder unspezifische Symptome wie Schmerzen, Übelkeit, Tachykardie, Juckreiz, Urtikaria, Schwindelgefühl oder Bronchospasmus. Ähnliche Nebenwirkungen treten bei rekombinanten Präparaten auf. So wurden Geschmacksveränderungen, Rötungen an der Einstichstelle, Schwindel, leichter Blutdruckabfall und Atemnot bei ins-
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Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
gesamt 75 von über 35.000 Applikationen der heute zugelassenen rekombinanten Faktor-VIII-Präparate dokumentiert [73]. Während nach der Substitution von Faktor-VIII-Konzentraten keine thromboembolischen Komplikationen beschrieben sind, war dieses Problem früher bei Patienten mit Hämophilie B nach Gabe von Faktor-IX- bzw. Prothrombinkomplexpräparaten und bei Hemmkörperhämophilie nach Gabe aktivierter Prothrombinkomplexpräparate geläufig [10]. Bei den heute verfügbaren hochgereinigten Faktor-IX-Konzentraten, die keine weiteren Einzelfaktoren des Prothrombinkomplexes enthalten, ist das Risiko thromboembolischer Komplikationen sehr gering. Nach Anwendung von rFVIIa besteht ein geringgradig erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse; es liegt beispeilsweise bei Hemmkörperhämophilie unter 1:25.000 Standardapplikationen [36][83].
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z Virusinfektionen Bezüglich Häufigkeit und Typ transfusionsassoziierter Virusinfektionen unter Hämophiliepatienten 7 Kap. 38. In den Jahren vor 1985 wurden in Deutschland nach Erhebungen von Landbeck 47 % der Hämophiliepatienten durch Faktorenkonzentrate mit HIV infiziert [43]. Ein erheblicher Teil dieser Patienten ist seither an AIDS gestorben [82]. Zur Linderung der finanziellen und sozialen Notsituation, die für die durch Blut- und Plasmaprodukte infizierten Patienten entstanden ist, wurde ein HIV-Hilfegesetz verabschiedet. Aus einer Stiftung erhält jeder HIV-infizierte oder AIDS-kranke Hämophiliepatient eine monatliche Rente. Auch Hinterbliebene, insbesondere Minderjährige und Auszubildende verstorbener Patienten, gehören zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Hepatitis B und C sind die häufigste Ursache einer transfusionsassoziierten chronischen Hepatitis bei Hämophiliepatienten. In der Ära vor der Virusinaktivierung von Plasmaderivaten häufig substituierte Patienten mit schweren Hämophilien weisen bis zu 100 % Hepatitis-B- und/oder Hepatitis-C-Marker auf. Leberbiopsien an solchen Patienten zeigten, dass 65 % dieser Patienten chronische Hepatitiden aufwiesen, 9 % hatten eine Leberzirrhose [76]. Tedder et al. berichten, dass 100 % der Patienten, die mit nichtvirusinaktivierten Gerinnungsfaktoren behandelt worden waren, entweder mit Hepatitis C infiziert worden waren oder aber an einer chronischen Hepatitis C leiden [91]. Bezüglich Hepatitis G 7 Kap. 38.
Qualitätskriterien der Faktorenkonzentrate Der Verbrauch von Faktor VIII und Faktor IX ist derzeit in Deutschland und Schweden weltweit am höchsten und liegt bei etwa 4 IE Faktor VIII/Einwohner; die WHO empfiehlt etwa 2 IE/Einwohner. Nach wie vor muss daher bei jedem einzelnen Patienten entschieden werden, welches Präparat unter Berücksichtigung der medizinischen, persönlichen und ökonomischen Voraussetzungen das am besten geeignete ist. Die wichtigsten Kriterien bei der Auswahl sind eine hohe Effektivität, eine hohe Virussicherheit und eine möglichst geringe Hemmkörperinduktion. Die Übertragung von frischem Vollblut ist in Deutschland als obsolet zu betrachten. Frisch gefrorenes Plasma (GFP) ist ausschließlich Notsituationen vorbehalten, in denen keine Faktorenkonzentrate zur Verfügung stehen. Faktor-VIII-Konzentrate aus tierischem Blut sind nicht mehr verfügbar. Die Qualität der Faktorenkonzentrate wird durch Kontrolle und Zulassung der Präparate durch das Paul-Ehrlich-Institut gewährleistet. Virussicherheit ist für praktisch alle in Deutschland zugelassenen, inaktivierten Präparate gegeben (7 Kap. 38). Ein wichtiges Entscheidungskriterium ist die Reinheit der Faktorenkonzentrate. Sowohl Faktor-VIII- als auch Faktor-IX-Konzen-
trate weisen eine unterschiedliche spezifische Aktivität und einen stark unterschiedlichen Gehalt zusätzlicher Eiweiße wie z. B. Immunglobuline, Fibrinogen, Immunkomplexe usw. auf. Derzeitig werden vorwiegend möglichst reine Konzentrate mit hoher spezifischer Aktivität von 30–50 bis zu Werten von 2000–4000 IE/mg hergestellt. Die hierzu erforderlichen Verfahren (7 Kap. 19) führen dazu, dass die Konzentrate fast ausschließlich Faktor VIII mit oder ohne von-Willebrand-Faktor bzw. Faktor IX enthalten, sodass insgesamt eine Verteuerung der Präparate resultiert. Inwieweit bei jedem Patienten die Indikation für ein hochgereinigtes Präparat besteht, ist nicht ganz klar. Die derzeitig vorliegenden Befunde [12] lassen darauf schließen, dass der immunsupprimierende Effekt von Konzentraten intermediärer Reinheit bei »gesunden« Hämophilen zwar Veränderungen der immunologischen Laborbefunde hervorruft, diese jedoch nicht von klinischer Bedeutung sind. Andererseits berichten zwei prospektive Studien, dass bei Verabreichung hochgereinigter Konzentrate das Fortschreiten des Immundefekts bei HIV-infizierten Blutern verlangsamt stattfand und sich die CD4Zellen stabilisierten, während bei HIV-positiven Patienten unter Verabreichung intermediär gereinigter Präparate ein Rückgang der CD4-Zellzahlen beobachtet wurde (Übersicht bei [90]). Seitdem mehrere Produkte aus gentechnologischer Herstellung zur Verfügung stehen, ist jeder Hämophilietherapeut und jeder Hämophilie-A-Patient vor die Entscheidung gestellt, ein herkömmliches, aus Plasma gewonnenes Produkt oder ein rekombinantes Präparat zu wählen. Zwei rekombinante Produkte entsprechen weitgehend dem natürlichen Blutgerinnungsfaktor VIII, während ein weiteres rekombinantes Produkt eine Faktor-VIII-Proteinvariante darstellt, bei welcher die B-Domäne deletiert wurde. In vitro verhalten sich die rekombinanten Faktor-VIII-Konzentrate in funktionellen Gerinnungstests genauso wie natürlicher Faktor VIII. Die klinischen Studien ergeben pharmakologische Charakteristika, wie wir sie von hochgereinigten Faktorenkonzentraten her kennen. Auch zwischen den verschiedenen Präparaten bestehen nach bisher bekannten Ergebnissen keine Unterschiede in der klinischen Wirksamkeit [25][49].
Soziomedizinische Aspekte Alle Patienten mit einer kongenitalen hämorrhagischen Diathese sollten einen sog. Bluterpass erhalten, der die Diagnose, die Faktorenrestaktivität, die ABO- und Rhesus- (D-)Blutgruppe, gegebenenfalls vorbekannte, transfusionsmedizinisch relevante Alloantikörper sowie eine Behandlungsanleitung für Notfälle enthält. Des weiteren sollte darauf vermerkt sein, dass Analgetika wie Acetylsalicylsäure oder Antikoagulanzien wie Heparin oder Cumarine kontraindiziert sind. Eine Positivliste von geeigneten Analgetika sollte darauf aufgeführt sein. Auch auf die thrombozytenhemmende Wirkung von Plasmavolumenexpandern wie Dextrane oder Hydroxyethylstärke sollte hingewiesen werden. Alle Patienten mit einer hereditären hämorrhagischen Diathese müssen einer genetischen Beratung zugeführt werden. Bei Verdacht bzw. bei nachgewiesener kongenitaler Erkrankung werden Familienuntersuchungen durchgeführt. Insbesondere bei schwerer Hämophilie A oder B sollte eine Konduktorinnendiagnostik bzw. eine pränatale Diagnostik bei Schwangeren (7 Kap. 31) gewährleistet sein. Patienten und Angehörigen sollte bei Bedarf eine psychosoziale Betreuung angeboten werden. Dies ist insbesondere bei Patienten mit schweren Komplikationen erforderlich. Die sozialen Interessen bluterkranker Patienten werden in vielen Ländern durch gut organisierte Selbsthilfegruppen wie z. B. die Deutsche Hämophiliegesellschaft oder die Interessengemeinschaft Hämophiler vertreten. Hier können Hilfestellungen bei der Bean-
25.2 • Andere hereditäre Faktorenmangelzustände
tragung von Invalidenrenten, Fahrvergünstigungen und anderen sozialen Unterstützungen erhalten werden. Bei regelmäßigen Veranstaltungen regionaler Verbände findet Informationsaustausch statt. Für Kinder werden organisierte Freizeiten veranstaltet. Bei Kindern muss auf die Einhaltung der üblichen Schutzimpfungen geachtet werden. S.c.-Impfungen erfolgen in der Regel ohne vorherige Substitution, i.m.-Impfungen wie z. B. die Tetanusvakzination müssen unter dem Schutz einer Substitutionsbehandlung verabreicht werden. γ-Globuline dürfen nicht i.m. gegeben werden. Alle nichtinfizierten Patienten mit kongenitaler hämorrhagischer Diathese sollten gegen Hepatitis A und B geimpft und die Wirksamkeit des Impfschutzes regelmäßig überprüft werden. 25.2
Andere hereditäre Faktorenmangelzustände
Abzugrenzen von der Hämophilie sind angeborene Koagulopathien bei Mangelzuständen der Faktoren I, II, V, VII, X, XI und XIII, die wesentlich seltener sind. Gemeinsam ist ihnen der autosomal-rezessive Erbgang. Die Blutungsneigung ist unterschiedlich und bedarf daher einer jeweils spezifischen Therapie (Übersichten bei [15] [66]). Für die Indikationen zur Behandlung, die Durchführung und Überwachung der Behandlung sowie die Risiken und Nebenwirkungen gelten grundsätzlich dieselben Prinzipien wie für Patienten mit Hämophilie A und B. z Faktor-I:A-, Hypo- und Dysfibrinogenämie Die Afibrinogenämie (Fibrinogenkonzentration im Plasma <20 mg/ dl) manifestiert sich häufig bereits beim Neugeborenen als Nabelschnurblutung, später als profuse Blutung nach Traumen und operativen Eingriffen. Wundheilungsstörungen ähnlich denen bei Faktor-XIII-Mangelzuständen kommen vor. Intrakranielle Blutungen sind beschrieben, während Gelenkblutungen ungewöhnlich sind. Hypofibrinogenämien mit einer Fibrinogenkonzentration zwischen 20 und 100 mg/dl führen selten zu Spontanblutungen. Bei operativen und vor diagnostischen Eingriffen wird von einem Minimalspiegel von 100 mg/dl ausgegangen, der durch eine präoperative Substitutionsbehandlung mit einem Fibrinogenpräparat erreicht werden kann. Eine Dosis von 2–4 g reicht bei einem normalgewichtigen Patienten für eine normale Hämostase aus. Die Halbwertszeit von Fibrinogen beträgt 4 Tage, sodass die Substitutionsintervalle entsprechend lang sein können. Da die Bestimmung der Fibrinogenkonzentration sehr einfach ist, erfolgt die Substitution nach dem Laborbefund. Die klinischen Symptome bei der Dysfibrinogenämie sind völlig unterschiedlich. Unabhängig von der Laborkonstellation können Patienten klinisch entweder eine hämorrhagische oder eine thrombophile Diathese oder eine vollkommen normale Gerinnbarkeit des Blutes aufweisen. Für eine richtige Behandlung ist die Familienanamnese von besonderer Bedeutung, auch weil sich die klinischen Manifestationen oft innerhalb der betroffenen Familien ähneln. Doch sogar innerhalb von Familien kann sich die Symptomatik in Einzelfällen unterscheiden: Es besteht hier eine große inter- und auch intraindividuelle Variabilität der klinischen Symptomatik, was die Behandlung dieser Patienten erschweren kann [59]. Eine Substitution mit Fibrinogenkonzentraten ist indiziert bei klinischer Blutungsneigung. Hier ist besonders auf mögliche thromboembolische Komplikationen zu achten. Auch zur Abortprophylaxe ist die Substitution von Fibrinogenkonzentraten bei Patienten mit Dysfibrinogenämie beschrieben [60].
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z Faktor-II-, -X- und -V-Mangel Klinisch fallen die Patienten durch Schleimhautblutungen aus Nase, Mund und Gastrointestinaltrakt und bei schweren Mangelzuständen gelegentlich durch Hämarthrosen auf. Die Behandlung von Patienten mit Faktor-II- bzw. Faktor-XMangel erfolgt mit einem Prothrombinkomplexpräparat. Die Dosierungsrichtlinien sind denen von Hämophilie-B-Patienten sehr ähnlich. Faktor-V-Mangel wird mit gefrorenem Frischplasma (GFP) behandelt, wobei in der Regel eine Dosis von 20 ml/kgKG in zwölfstündigen Intervallen erforderlich ist. z Faktor-VII-Mangel Der schwere Faktor-VII-Mangel ist in seinem klinischen Erscheinungsbild der Hämophilie sehr ähnlich. Es treten Nasenbluten, Menorrhagien, Muskelhämatome und Gelenkblutungen auf. Todesfälle durch schwere Blutungen wurden beschrieben. Zur Behandlung werden entweder Prothrombinkomplexpräparate, die in ausreichender und definierter Menge Faktor VII enthalten, oder besser hochgereinigte Faktor-VII-Konzentrate verwendet. Nach klinischen Erfahrungen ist eine Substitution von etwa 10 μg/kgKG alle 6–24 h erforderlich. Rekombinanter Faktor VIIa (rFVIIa) soll bei Patienten mit angeborenem Faktor-VII-Mangel in einer Dosierung von 15–30 μg/ kgKG alle 6 h als Bolus eingesetzt werden, evtl. auch prophylaktisch (Evidenzgrad 1C+ [36], Übersicht bei [33]). z Faktor-XI-Mangel Die Blutungsneigung bei Faktor-XI-Mangel ist inter- und intraindividuell unterschiedlich. Sie korreliert keineswegs mit der Faktorenaktivität. Daher ist die Anamnese von besonderer Bedeutung. Häufig sind Blutungen in der postpartalen Periode. Die Halbwertszeit von Faktor XI liegt zwischen 60 und 80 h, die Wiederfindungsrate bei fast 100 %. Patienten mit Faktor-XI-Mangel werden entweder mit gefrorenem Frischplasma in einer Dosierung von 10–30 ml/ kgKG/Tag oder aber mit einem Faktor-XI-Konzentrat in der entsprechenden Dosierung behandelt. Bei Schleimhautblutungen oder Zahnextraktionen ist die zusätzliche Gabe von Antifibrinolytika hilfreich. z Faktor-XIII-Mangel Der Faktor-XIII-Mangel führt zu einer postoperativen oder posttraumatischen Nachblutung. Häufig tritt die Blutung erst nach einem etwa 12-stündigen Intervall ein. Darüber hinaus sind Wundheilungsstörungen, postoperative Wundinfektionen und Nahtdehiszenzen charakteristisch. Bei sehr schweren Faktor-XIII-Mangelzuständen entsprechen die Symptome denen der schweren Hämophilie. Die Diagnose wird über die Bestimmung des Faktors XIII gestellt. Die Globaltests der Gerinnung sind normal. Die Substitution erfolgt mit einem Faktor-XIII-Konzentrat in einer Dosierung von 25–30 IE/kgKG. Wegen der langen Halbwertszeit von 72–96 h ist eine Applikation nur 2- bis 3-mal pro Woche erforderlich. Bei prophylaktischer Therapie ist die Gabe von 25–30 IE/kgKG alle zwei Wochen ausreichend. Bei schwangeren Frauen mit schwerem kongenitalem Faktor-XIII-Mangel ist ohne Substitution die Abortrate hoch; sie kann mit einer prophylaktischen Gabe von 20 IE/kgKG alle drei Wochen reduziert werden.
354
Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
. Tab. 25.3 Varianten des vWS Test
Typ 1
Typ 2A
Typ 2B
PT-vWS
Typ 3
vWF:Ag
↓
↓
±↓
±↓
Fehlt
vWF:RCo
↓
↓↓↓
±
±↓
Fehlt
RIPA
±↓
↓↓
Normal
Normal
Fehlt
RIPA-ND
Fehlt
Fehlt
Erhöht
Erhöht
Fehlt
Häufigkeit
70–80 %
10–12 %
3–5 %
0–1 %
1–3 %
Behandlung
DDAVP
vWF-Konzentrat
vWF-Konzentrat
Thrombozyten
vWF-Konzentrat
ND niedrig dosiert, PT Plättchentyp des vWS, RIPA Ristozetin-induzierte Plättchenagglutination, vWF:Ag von-Willebrand-Faktor-Antigen, vWF:RCo Ristocetin-Kofaktor-Aktivität.
25
25.3
von-Willebrand-Syndrom (vWS)
25.3.1
Struktur und Funktion des von-Willebrand-Faktors
Der von-Willebrand-Faktor (vWF) ist ein großes (500–20.000 kD) multimeres Glykoprotein, das zum einen die Funktion eines Trägerproteins für den prokoagulatorisch wirkenden Gerinnungsfaktor VIII hat, mit dem es im zirkulierenden Blut einen Komplex bildet; zum anderen vermittelt der vWF die Plättchenadhäsion, -aggregation und Thrombusbildung an der Gefäßwand (7 Kap. 4). Darüber hinaus bestehen Interaktionen mit Kollagen und der subendothelialen Matrix. Die Synthese des vWF erfolgt in den Endothelzellen und Megakaryozyten; er wird im Subendothel, in Thrombozyten und im Plasma nachgewiesen [34][72][89].
25.3.2
Klassifikation hereditärer Formen des vWS
Aufgrund unterschiedlicher Vererbung und vWF-Abnormitäten im Plasma sowie im zellulären Kompartiment werden mehrere Formen bzw. Subtypen des vWS voneinander unterschieden (. Tab. 25.3; Übersicht bei [58]). Zwischen Lokalisation des Defektes im vWFGen und dem Subtyp des vWS besteht ein enger Zusammenhang. Die genetische Lokalisation der Mutation für die einzelnen Subtypen ist in . Abb. 25.2 dargestellt (Übersicht bei [66]). Eine Übersicht der ISTH/SSC zu vWF-Mutationen findet sich unter Êhttp://www. vwf.group.shef.ac.uk/index.html. 5 Der Typ 1 des vWS ist die häufigste Form der Erkrankung, die bei 70 % aller Fälle diagnostiziert wird. Sie wird autosomaldominant vererbt und geht mit leichten bis mittelschweren Blutungen einher. Faktor VIII, vWF:Ag und vWF:RistozetinKofaktor-(RCo-)Aktivität im Plasma sind in etwa demselben Ausmaß erniedrigt. Die gemessenen Restaktivitäten liegen üblicherweise zwischen 5 und 30 % der Norm, sodass trotz normaler Struktur und Funktion eine Blutungsneigung resultiert. Die Konzentration des vWF im zellulären Kompartiment ist bei der Mehrzahl der Patienten normal. Alle vWF-Multimere liegen im Plasma vor, ihre Menge ist jedoch erniedrigt. 5 Der Typ 2 des vWS schließt viele unterschiedliche Subtypen ein und ist phänotypisch sehr heterogen. Allen Subtypen gemeinsam sind qualitative Abnormitäten des vWF, die mit abnormen Multimerstrukturen des Moleküls, meist mit dem Verlust der größten, seltener dem der intermediären Multimere einhergehen. Beim vWS-Typ 2A ist der relative Anteil großer Multimere erniedrigt, beim vWS-Typ 2M die Struktur individueller
Multimere verändert. Typ 2 wird gewöhnlich autosomal-dominant vererbt und führt zu mittelschweren bis schweren Blutungen. Rezessive Formen kommen ebenfalls vor. Die Erkrankung manifestiert sich in diesen Fällen in einer verminderten Plättchenfunktion bei normaler oder subnormaler Konzentration von vWF und Faktor VIII. Den relativ häufigen Subtypen 2A bzw. 2B des Typs 2 des vWS liegen Punktmutationen des vWFGens zugrunde. 5 Der Typ 2A ist die zweithäufigste Form des vWS und die häufigste Variante des Typs 2, die bei etwa 10 % aller Patienten vorkommt. Bei diesen Varianten fehlen die großen vWF-Multimere im Plasma, weshalb die Thrombozytenadhäsion und -aggregation gestört ist. Die vWF:RCo-Aktivität ist deutlicher erniedrigt als das vWF:Ag, was darauf hinweist, dass es sich um ein dysfunktionelles Molekül handelt. 5 Beim Typ 2B des vWS, der am dritthäufigsten ist und klinisch dem Typ 2A ähnelt, besteht eine leichte Verminderung des vWF:Ag und des vWF:RCo sowie häufig eine Thrombozytopenie. Paradoxerweise weisen Plättchen dieser Patienten in vitro eine erhöhte Ristozetin-induzierte Thrombozytenaggregation auf, während Typ-2A-Patienten keine Ristozetin-induzierte Aggregabilität zeigen. Diese erhöhte Ristozetin-Empfindlichkeit wird durch eine erhöhte Affinität des veränderten vWF zu dem Plättchenglykoprotein-Ib-Rezeptor hervorgerufen. Der vWF bindet in der Zirkulation an Plättchen und führt hierdurch zu einer variablen Thrombozytopenie. Da die Affinität der großen Multimere zu Plättchen sehr groß ist, sind sie in der Regel im peripheren Blut nicht mehr nachweisbar. Im Fall einer Gefäßwandverletzung sind sie dann nicht mehr in ausreichender Konzentration verfügbar, sodass eine Störung der primären Hämostase resultiert. Da DDAVP die Thrombozytenaggregation beim Typ 2B des vWS und konsekutiv die Thrombozytopenie verstärken kann, ist es bei diesem Typ des vWS kontraindiziert. 5 Durch eine abnorm erhöhte Funktion des Glykoprotein-IbRezeptors auf Plättchen kann ebenfalls vermehrt vWF an zirkulierende Thrombozyten gebunden werden. Dieses Krankheitsbild wird als Plättchentyp oder Pseudo-von-WillebrandSyndrom bezeichnet. 5 Beim seltenen Typ 3 oder dem schweren vWS ist der vWF im Plasma und im zellulären Kompartiment nur in Spuren oder gar nicht nachweisbar. Da somit das Trägerprotein für den Faktor VIII nicht zur Verfügung steht, ist auch die Faktor-VIIIAktivität erheblich erniedrigt. Ein Teil dieser Patienten entwickelt nach wiederholter Substitutionstherapie mit Plasmade-
355
25.3 • von-Willebrand-Syndrom (vWS)
vWF Propeptid vWS Typ
D1
2C
D2
Funktion Liganden
vWF Reife Form (2A) 2B 2M 2A
2N
D’
D3
A1
A2
A3
2D
D4
C1
C2
Dimerisierungsstelle
Multimerisierungsstelle FVIII Heparin
25
GPIb Kollagen Heparin Kollagen Sulfatide
RGD Sequenz GPIIb/IIa
. Abb. 25.2 Struktur des vWF-Proteins. Die gestrichelten Linien unterhalb des Proteins zeigen die funktionellen Bereiche und die dazugehörigen Liganden des vWF. Die Linien über dem Protein kennzeichnen die Lokalisation der Mutationen bei den angeführten Subtypen des vWS
rivaten Antikörper gegen den vWF. Der Vererbungsmodus des Typ 3 vWS ist autosomal-rezessiv, sodass betroffene Individuen in der Regel homozygot sind. Heterozygote Merkmalsträger sind gewöhnlich asymptomatisch, weisen aber mäßiggradig erniedrigte vWF:Ag-Spiegel auf. Blutsverwandtschaft in Familien mit Homozygoten ist häufig. z Klinische Manifestationen Patienten mit vWS weisen häufig Haut- und Schleimhautblutungen, Ekchymosen, Nasenbluten, Meno- und Metrorrhagien sowie Blutungen nach Verletzungen und operativen Eingriffen auf. Oft wird die Diagnose erst nach einer Zahnextraktion oder Tonsillektomie gestellt. Gelenkblutungen sind selten. Im Gegensatz zu Hämophiliepatienten, bei denen eine Spät- bzw. Nachblutung häufig ist, ist bei von-Willebrand-Patienten die Sofortblutung charakteristisch. Die meisten Patienten weisen keine schwerwiegenden Blutungskomplikationen auf. Hiervon heben sich insbesondere Patienten mit homozygotem vWS Typ 3 ab, die nicht mehr nachweisbare FVIII:Ag-Konzentrationen und sehr stark erniedrigte Faktor-VIII-Spiegel aufweisen. Diese Patienten leiden nicht selten unter spontanen, teilweise schwerwiegenden bis bedrohlichen gastrointestinalen Blutungen sowie Einblutungen in die Gelenke, wie sie bei Patienten mit schwerer Hämophilie beobachtet werden (Übersicht bei [61]). z Labordiagnostik Voraussetzung für eine korrekte Therapie ist die exakte Diagnose und Kenntnis des Typs des vWS. Die derzeit zur Verfügung stehenden Verfahren gliedern sich in solche, die sich zur grundsätzlichen Diagnose eines vWS eignen und solche, die die Subtypen und Varianten klassifizieren [29][62]. Labortests für vWS 1.
Tests zur Diagnosestellung: – Blutungszeit – aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) – vW :Ag – vW :RCo
– vWF-Multimere – Faktor-VIII:C-Aktivität 2.
Tests zur Klassifikation des vWS: – vWF-Multimeranalyse – niedrig dosierte Ristozetin induzierte Plättchenaggregation – Kryopräzipitat-induzierte Plättchenaggregation – vWF-Bindungsassay – DNS-Analyse
Nach wie vor ist insbesondere bei milden Verlaufsformen die Diagnose schwierig. Bei Kindern führt die akute Stresssituation der Blutentnahme zu einer erhöhten Freisetzung des vWF und kann dann normale Konzentrationen vortäuschen. Stress, Schwangerschaft, Hormonbehandlung, akute und chronische Erkrankungen und körperliches Training beeinflussen die Höhe des vWF-Spiegels. Häufig sind Familien- und Wiederholungsuntersuchungen erforderlich, um die Diagnose zu stellen. 5 Die Blutungszeit ist ein guter Indikator für die Hämostasefunktion des vWF. 5 Die partielle Thromboplastinzeit (aPTT) kann bei Patienten mit vWS wegen reduzierter Spiegel von Faktor-VIII und selten auch des Faktors XII oder XI verlängert sein. Bei Patienten mit milden Formen des vWS und normalen Faktor-VIII-Spiegeln ist die aPTT nicht empfindlich genug. Eine normale aPTT schließt ein vWS nicht aus. 5 Das vWF:Ag wird in der Regel mit der eindimensionalen Immunelektrophorese nach Laurell oder mit einer ELISA-Methode bestimmt. Die meisten Patienten werden mit diesen Verfahren erfasst. Zu beachten ist eine genetische Assoziation der ABO-Blutgruppen mit der Konzentration des vWF:Ag. Individuen mit der Blutgruppe 0 weisen niedrigere vWF:Ag-Werte auf als solche mit den Blutgruppen A1, B oder AB und werden unter Patienten mit vWS häufiger angetroffen. Möglicherweise haben Menschen mit Blutguppe 0 wegen eines reduzierten vWF verstärkte Symptome und werden häufiger diagnostiziert.
356
Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
5 Die Ristozetin-Kofaktoraktivität (vWF:RCo) ist für die Diagnostik des vWS sehr wichtig und dient darüber hinaus der Therapiekontrolle. Da der Test schnell durchführbar ist, ist er häufig Basis für therapeutische Entscheidungen. 5 Bei jeder Diagnose muss eine Bestimmung der FVIII-Aktivität erfolgen. Wegen der biologischen Schwankungsbreite sind Serienbestimmungen erforderlich. 5 Die Ristozetin-induzierte Plättchenaggregation sollte ebenfalls Bestandteil jeder vWS-Diagnostik sein. Die Methode versagt jedoch häufig bei der Diagnostik milder Verlaufsformen. Wird sie unter Verwendung niedriger Konzentrationen von Ristozetin durchgeführt, kann bei verstärkter Aggregabilität der Plättchen der Subtyp 2B des vWS oder der Plättchentyp des vWS erfasst werden. Wertvoll ist diese Methode vor allem, um vor der Gabe von DDAVP Patienten mit Typ 2B des vWS zu erfassen, die ein erhöhtes Risiko haben, eine Thrombozytopenie zu entwickeln.
25
Speziellaboratorien bleibt es vorbehalten, mittels spezieller Untersuchungsverfahren weitere Subtypen bzw. Varianten zu definieren.
25.3.3
Therapie
z Medikamentöse Therapie Die meisten Patienten mit vWS weisen keine spontane Blutungsneigung auf, sondern bluten nur nach Verletzungen und Operationen. Leichte Symptome wie Nasenbluten, Menorrhagien oder Ekchymosen bedürfen in der Regel keiner spezifischen Therapie. Oberflächliche Blutungen können durch lokale Hämostyptika, Kompressionsverbände u. a. behandelt werden. Da Patienten mit einem vWS nach Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern, v. a. Acetylsalicylsäure (ASS), zu Blutungen neigen, darf ASS nicht angewendet werden. Die Gabe von Östrogenen bei Frauen führt nicht selten zu einer erhöhten Synthese von vWF in den Endothelzellen sowie erhöhten Spiegeln von vWF:RCo-Aktivität, Faktor-VIII-Aktivität im Plasma und verkürzten Blutungszeiten bei den vWS-Typen 1 sowie zum Teil 2A und 2B. Insbesondere bei Menstruationsbeschwerden kann die Einnahme östrogenhaltiger Kontrazeptiva zur Normalisierung führen. Kleinere Eingriffe lassen sich auf diese Weise ebenfalls vorbereiten. Synthetische Antifibrinolytika, z. B. Tranexamsäure 25 mg/ kgKG dreimal täglich, können durch Verhinderung der fibrinolytischen Gerinnselauflösung zur Vermeidung von Blutungen bzw. deren Therapie beitragen. Antifibrinolytika werden oral, i. v. oder lokal vor allem bei der Behandlung von Schleimhautblutungen der Nase, des Mundes, der Magenschleimhäute sowie bei Menorrhagien angewandt. Einen besonderen Stellenwert zur Behandlung von Patienten mit vWS nimmt Desmopressin (DDAVP) ein. Es führt zu einer vermehrten Freisetzung von vWF. DDAVP kann entweder i. v., s. c. oder intranasal verabreicht werden. Die intranasale Dosierung von DDAVP liegt zwischen 2 und 4 μg/kgKG, bei i.v.- oder s.c.-Verabreichung bei etwa 0,2–0,4 μg/kgKG [83]. Vor einer Behandlung muss das Ansprechen jedes Patienten auf DDAVP geprüft werden. In der Regel bleibt die vWF-Freisetzung bei dem einzelnen Patient relativ gleich. DDAVP ist bei den meisten vWS-Typ-1-Patienten wirksam. Typ-2A-Patienten können eine klinische Besserung erfahren, obwohl die Blutungszeit in der Regel nicht vollständig korrigiert wird. Typ-3-Patienten verfügen im zellulären Kompartiment über keinen vWF und sind daher nicht in der Lage, nach Gabe von Desmopressin vWF freizusetzen [11][48].
! Beim Typ 2B und beim Pseudo-vWS kann DDAVP zur vorübergehenden Thrombozytopenie führen und ist daher
kontraindiziert. z Substitution mit Plasmaderivaten Die Indikation zur Therapie mit einem Plasmaderivat ist dann gegeben, wenn aufgrund des Subtyps und/oder des Schweregrades des vWS bzw. der Blutung ein klinischer Erfolg mit lokalen Maßnahmen und DDAVP nicht zu erwarten ist [11][61]. Bei der Wahl des Präparates sollte man grundsätzlich darauf achten, dass dieses einen möglichst hohen Gehalt an vWF hat. Da die hochmolekularen Multimere hämostatisch am wirksamsten sind, ist ein möglichst hoher Anteil an hochmolekularen Multimeren wünschenswert. Gefrorenes Frischplasma hat eine hohe vWF-Aktivität, ist aber nur noch in Notfällen indiziert. Die früher verwandten Kryopräzipitate spielen für die Therapie des vWS in Westeuropa keine Rolle mehr. Therapie der Wahl ist die Substitution mit virusinaktivierten Faktor-VIII-Präparaten mit einem möglichst hohen Gehalt an vWF [40][74] (7 Kap. 19). Mehrere Präparate sind kommerziell erhältlich und für die Behandlung von vWS-Patienten geeignet. Da sie sich bezüglich des Gehalts an vWF unterscheiden, sollte sich jeder Anwender von der klinischen Wirksamkeit des von ihm gewählten Präparates im Einzelfall überzeugen. Ein rekombinantes vWF-Präparat steht bisher nicht zur Verfügung. Die Therapie von substitutionsbedürftigen Patienten mit schwerem vWS folgt denselben Prinzipien wie bei der Hämophilie (7 Abschn. 25.1.4). Da jeder Patient mit vWS nach Infusion von Faktorenkonzentraten eine unterschiedliche Pharmakokinetik von FVIII und vWF aufweist, die sich von der bei der Hämophilie grundsätzlich unterscheidet, sollte ein individuelles pharmakokinetisches Profil erstellt werden. In der Regel kommt es zu einem im Vergleich zur verabreichten Faktor-VIII-Menge überproportionalen Anstieg des Faktors VIII, der noch etwa 12–24 h nach Infusionsende anhält. Die Faktor-VIII-Aktivität fällt dann über Tage und somit wesentlich langsamer als bei der Hämophilie A ab. FVIIIR:Ag- und FVIII:RCo-Aktivität erreichen unmittelbar nach Transfusionsende ihr Maximum, gefolgt von einem raschen kontinuierlichen Abfall mit einer Halbwertszeit von 8–15 h. Der Ausgangswert wird in der Regel nach etwa 24–48 h erreicht. Bei Patienten mit häufigem und großem Substitutionsbedarf ist ebenso wie bei der Hämophilie eine Heimselbstbehandlung anzustreben. Die prophylaktische Gabe von Faktorenkonzentraten bzw. eine Dauertherapie ist bei schwer blutungsgefährdeten Kindern und bei lebensbedrohlichen Blutungen in Betracht zu ziehen [83]. Die mittlere Initialdosis hängt vom Schweregrad des vWS und der Schwere der Blutung bzw. des operativen Eingriffs ab. Sie liegt, je nach klinischer Situation, zwischen 20 und 60 Einheiten pro kgKG, bei lebensbedrohlichen Blutungen und großen Operationen bei bis zu 80 E/kgKG [83]. Die weitere Therapie ist nach klinischen Kriterien und den Ergebnissen von Laboranalysen auszurichten und unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der bei Hämophilie. z Entwicklung von Hemmkörpern gegen vWF Die Entwicklung eines Hemmkörpers (Inhibitors) beim angeborenen vWS ist eine Rarität; sie ist jedoch bei einzelnen Patienten mit schwerem vWS Typ 3 und häufiger Substitutionstherapie beschrieben worden. Diese Patienten haben meist eine homozygote Deletion des vWF-Gens [86]. Die Antikörper sind gegen den vWF gerichtet, können jedoch auch zur Inaktivierung des Faktors VIII führen. Die Halbwertszeit des vWF nach vWF-Infusion ist verkürzt. Die Antikörperkonzentration hängt von der anamnestischen Immunantwort ab. Die Patienten können schwer bluten.
357
Literatur
Eine adäquate Substitutionstherapie ist nach dem Auftreten eines Hemmkörpers schwierig bis unmöglich. Bei Patienten mit niedrigen Antikörpertitern kann mit Dauerinfusionen von vWF eine ausreichende Hämostase erreicht werden. In Einzelfällen kann ein hochgereinigtes Faktor-VIII-Konzentrat ohne vWF-Anteil den Faktor-VIII-Spiegel anheben und eine ausreichende Hämostase gewährleisten, ohne zu einer Boosterung des vWF-Antikörpers zu führen. Im Notfall kann ein Versuch mit einem aktivierten Prothrombinkomplexpräparat unternommen werden (Übersicht bei [58]). Bei hohen Antikörpertitern kommt eine ImmunadsorptionsApherese zur Reduktion des Antikörpertiters in Betracht [87]. Erfolge mit Infusionen von γ-Globulinen wurden ebenfalls beschrieben [19][92].
25.3.4
vWS, Schwangerschaft und Geburt
Bei den meisten Patientinnen mit vWS Typ 1 steigen die vWF-Konzentrationen während der Schwangerschaft um ein Mehrfaches an, sodass während Schwangerschaft und Geburt keine Blutungskomplikationen auftreten; eine natürliche Geburt gelingt in der Regel komplikationslos. Aufgrund des Anstiegs des vWF v. a. im letzten Trimenon besteht eine erhöhte Blutungsgefahr zu Beginn der Schwangerschaft und in der Postpartalphase, wenn die vWF-Spiegel wieder sehr schnell abfallen. Das Blutungsrisiko ist gering, wenn die Faktor-VIII-Spiegel über 50 % liegen, jedoch erhöht bei FaktorVIII-Spiegeln <30 %. Bei Faktor-VIII-Spiegeln über 50 % kann eine vaginale Geburt durchgeführt werden. Die Blutungszeit sollte zuvor durch Gabe von DDAVP oder Substitutionstherapie korrigiert werden. Bei Typ-2B-Patientinnen kann die erhöhte Konzentration des abnormen vWF zu einer verstärkten Thrombozytopenie führen. In diesen Fällen kann die Gabe eines vWF-haltigen Faktor-VIII- oder Thrombozytenkonzentrates notwendig werden [11]. Da Geburtsstress beim Neugeborenen mit vWS einen Anstieg des vWF verursacht, sind Blutungskomplikationen in dieser Phase selten. Typ-2B-Neugeborene können eine mäßige Thrombozytopenie ohne signifikante Blutung aufweisen. Am häufigsten sind Blutungen bei Neugeborenen vom Typ 3, die nicht selten einer frühzeitigen Substitution bedürfen.
25.3.5
Erworbenes vWS
Beim erworbenen vWS handelt es sich um ein heterogenes Krankheitsbild, das sich sowohl klinisch als auch in den Laborbefunden unterschiedlich manifestiert. Es ist mit verschiedenen Grundkrankheiten vergesellschaftet und kann Folge sowohl einer reduzierten Syntheserate des vWF, eines strukturellen Defekts, als auch einer Antikörperbildung gegen den vWF sein, die im Zusammenhang mit einem Plasmozytom, einer lympho- oder myeloproliferativen Erkrankung, einer Kollagenose, einer Tumor- oder einer kardiovaskulären Erkrankung vorkommen kann [17][52]. Erkrankungen mit erworbenem vWS 5 Systemischer Lupus erythematodes (SLE) 5 B-Zell-Neoplasma – Lymphom – chronische lymphatische Leukämie – Morbus Waldenström – Multiples Myelom
5 5 5
5
25
– Myeloproliferative Erkrankung: – Essentielle Thrombozythämie – Chronisch myeloische Leukämie Hypothyreose Medikamente wie z. B. Valproinsäure Diverse Malignome – Adenokarzinome – Squamöse Karzinome – Hepatome – Wilms-Tumoren – Angiodysplasie Kardiovaskuläre Erkrankungen – Klappenvitien wie z. B. Aortenstenose
Die meisten publizierten Fälle sind entweder Typ 1 oder Typ 2A. Vorrangig ist die Behandlung der Grundkrankheit, die bei Erfolg in der Regel auch das vWS bessert oder heilt. Die Behandlung entspricht der des angeborenen vWS mit DDAVP oder einem vWFhaltigen Faktor-VIII-Präparat. Wenn Blutungen unter Substitutionstherapie nicht zum Stillstand kommen, müssen alternativeTherapieverfahren wie Immunadsorptionsapherese oder intravenöse Immunglobulintherapie eingeleitet werden. Bei Patienten mit Morbus Waldenström wurden Erfolge durch Splenektomie berichtet. Porziner Faktor VIII konnte in Einzelfällen Blutungen positiv beeinflussen [11], ist jedoch nicht mehr verfügbar. Alternativ kann rFVIIa eingesetzt werden.
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Kapitel 25 • Angeborene plasmatische Gerinnungsstörungen einschließlich von-Willebrand-Syndrom
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Erworbene Gerinnungsstörungen B. Pötzsch und K. Madlener
26.1
Verlust- und Dilutionskoagulopathie – 362
26.2
Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) – 364
26.3
Hepatische Gerinnungsstörungen – 367
26.4
Urämische Gerinnungsstörung – 368
26.5
Leukämische Gerinnungsstörungen – 368
26.6
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura und andere mikroangiopathische Erkrankungen – 369
26.6.1 26.6.2 26.6.3
Thrombotisch thrombozytopenische Purpura – 369 Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) – 369 HELLP-Syndrom – 370
26.7
Hemmkörperhämophilie – 370
26.8
Blutungen durch Antithrombotika – 372
26.8.1 26.8.2 26.8.3 26.8.4 26.8.5 26.8.6
Vitamin-K-Antagonisten – 372 Oral verfügbare direkte FXa- und Thrombininhitoren – 373 Heparine – 373 Direkte Thrombininhibitoren – 373 Thrombozytenfunktionshemmer – 373 Fibrinolytika und aktiviertes Protein C – 373
26.9
Gerinnungsstörungen unklarer Genese – 373 Literatur – 374
26
362
26
Kapitel 26 • Erworbene Gerinnungsstörungen
Erworbene Gerinnungsstörungen werden durch exogene Einflüsse und durch verschiedene systemische und organbezogene Erkrankungen ausgelöst. Zu den häufigsten erworbenen Gerinnungsstörungen gehören die Verlust- und Dilutionskoagulopathie, die disseminierte intravasale Gerinnung sowie Gerinnungsstörungen, die durch Erkrankungen des Knochenmarks, der Leber und der Niere ausgelöst werden. Selten auftretende erworbene Gerinnungsstörungen sind mikroangiopathische Erkrankungen, wie die thrombotisch thrombozytopenische Purpura, und die Hemmkörperhämophilie. Ebenfalls zu den erworbenen Gerinnungsstörungen werden Blutungen gerechnet, die durch Antikoagulanzien oder Thrombozytenfunktionshemmer ausgelöst werden und die im klinischen Alltag mit zunehmender Häufigkeit auftreten. Das therapeutische Vorgehen bei erworbenen Gerinnungsstörungen orientiert sich an der klinischen Symptomatik, der laboranalytischen Konstellation und der Grunderkrankung. Während milde Blutungskomplikationen häufig durch die Gabe eines Antifibrinolytikums und von DDAVP beherrscht werden können, erforden schwere Blutungskomplikationen meist die Substitution von Blutprodukten. Bedrohliche Blutungen können im Einzelfall den Einsatz von rekombinantem aktiviertem Faktor VII erforderlich machen.
26.1
Verlust- und Dilutionskoagulopathie
z Pathophysiologie Die Ursache einer Verlustkoagulopathie ist eine massive Blutung. Der Verlust an Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten kann in dieser Situation nicht durch Neusynthese und Mobilisation von Reservekapazitäten kompensiert werden. Als kritisch gelten Blutverluste, die innerhalb von 4 h mehr als das einfache Blutvolumen (Frauen 65 ml/kgKG und Männer 75 ml kgKG) oder innerhalb von 24 h mehr als das zweifache Blutvolumen übersteigen [29]. Die einzelnen Hämostasekomponenten nehmen bei einer akuten Blutung mit unterschiedlicher Kinetik ab [19]. Eine als kritisch eingestufte Fibrinogenkonzentration von 100 mg/dl wird bereits beim Verlust des etwa 1,5-fachen Blutvolumens erreicht, wohingegen kritische Thrombozytenwerte von 50.000/μl erst nach einem Verlust des etwa 2,5-fachen Blutvolumens unterschritten werden (. Tab. 26.1). Eine Erklärung für diese Unterschiede kann die relativ große Reservekapazität des Organismus für Thrombozyten bieten, beispielsweise durch Mobilisation aus der Milz, wohingegen die komplexe Fibrinogensynthese in der Leber einen schnellen Fibrinogenersatz durch Neusynthese ausschließt. Die Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion erfordert bei einer massiven Blutung eine schnellstmögliche Volumensubstitution. Dazu eingesetzte kolloidale und nichtkolloidale Volumenersatzmittel verstärken durch Verdünnung die Blutungsneigung (Dilutionskoagulopathie). Neben dem reinen Verdünnungseffekt können Volumenersatzmittel selbst in Abhängigkeit von ihrer chemischen Struktur verschiedene Hämostasereaktionen beeinflussen [24]. Die kolloidalen Volumenersatzmittel Hydroxyethylstärke (HES), Dextran und Gelatine können eine Störung der von-Willebrand-Faktor- (vWF-)Funktion und der Thrombozytenaggregation induzieren (. Tab. 26.2). Im Fall der HES sind diese unerwünschten Wirkungen von der molekularen Größe abhängig. Besonders die hoch- und mittelmolekularen HES-Präparationen führen zu einer ausgeprägten vWF-Dsyfunktion und einer Störung der Thrombozytenfunktion sowie zu einer Hyperfibrinolyse [9] (. Tab. 26.2). Ähnliche Effekte sind für Dextran und Gelatine beschrieben [24]. Die mit einem hämorrhagischen Schock häufig verbundene acidotische Stoffwechsellage und Hypothermie verlängern die Re-
aktionsgeschwindigkeit der enzymatischen Gerinnungsreaktionen und verstärken dadurch die Blutungsneigung. z Klinik Charakteristisch für die Verlustkoagulopathie ist zunächst die massive Blutung, die während eines operativen Eingriffs oder nach schweren Verletzungen auftritt. Neben diffusen und mikrovaskulären Blutungen sind weitere Symptome der Gerinnungsstörung: 5 persistierende Blutungen aus Punktionsstellen, 5 Blutungen nach geringer mechanischer Irritation, wie zum Beispiel nach endotrachealer Intubation oder Elektrodenfixation, 5 Schleimhautblutungen, 5 petechiale Blutungen. Kleinere Blutungen, die als Folge von minimalen Organverletzungen auftreten und bei ungestörter Hämostase meist asymptomatisch verlaufen, können sich durch die Gerinnungsstörung zu ausgeprägten Blutungen entwickeln. z Labordiagnostik Die eingesetzten Testverfahren müssen eine hohe Sensitivität zum Erkennen einer Hämostasestörung aufweisen, die klinisch mit einer Blutungsneigung verbunden ist. Gleichzeitig muss die Testlaufzeit möglichst kurz sein, damit entsprechend der klinischen Dringlichkeit die Untersuchungsergebnisse schnell zur Verfügung stehen. Diese Anforderungen können nur durch die Kombination verschiedener Testverfahren erfüllt werden. Zusätzlich sind Verlaufsuntersuchungen erforderlich, um die Dynamik einer Hämostasestörung zu erfassen. kThrombozytenzahl Die Bestimmung der Thrombozytenzahl ist durch Blutbildautomaten in kürzester Zeit mit hoher Präzision möglich. Fallende Thrombozytenwerte <50.000–100.000/μl gelten als Diagnosekriterium für das Vorliegen einer Verlust-/Dilutionskoagulopathie und beim Blutungsnotfall gleichzeitig als Transfusionstrigger [5]. Mit der Bestimmung der Thrombozytenzahl ist keine Aussage über die Funktionsfähigkeit der Thrombozyten möglich. Ausreichend schnell verfügbare Vollblutteste zur Bestimmung der Thrombozytenfunktion stehen nicht zur Verfügung oder werden unabhängig von der Thrombozytenfunktion durch andere Faktoren beeinflusst. Beispielsweise wird die Bestimmung der In-vitro-Blutungszeit mit dem PFA-100-Gerät durch niedrige Hämatokritwerte beeinträchtigt. kThrombelastographie Vollblutteste, wie die Thrombelastographie, können als Point-ofcare-Diagnostik eingesetzt werden, sodass Zeitverluste durch Probentransport und Probenvorbereitung entfallen. Ein Nachteil der klassischen Thrombelastographie ist, dass pathologische Veränderungen differenzialdiagnostisch nur schwierig zu interpretieren sind. Durch Implementierung klassischer Gerinnungsteste wie der aPTT und der Thromboplastinzeit in die ThrombelastographieAnalytik und Einsatz weiterer differenzieller Agonisten wurde versucht, diese Nachteile auszugleichen. Zurzeit wird die Wertigkeit von Diagnosealgorithmen überprüft, die auf der Thrombelastographie aufbauen [16][23]. kThromboplastinzeit (Quickwert), aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) und Fibrinogenbestimmung Die Abnahme von plasmatischen Gerinnungsfaktoren und Fibrinogen beeinflusst die Globalteste aPTT und Quickwert. Ein Vorteil
363
26.1 • Verlust- und Dilutionskoagulopathie
26
. Tab. 26.1 Reihenfolge des Erreichens kritischer Konzentrationen von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten. (Nach [19]) Reihenfolge
Parameter
Grenzwert
Prozentualer Blutverlust bezogen auf das Gesamtblutvolumen [95-%-Konfidenzintervall]
1
Fibrinogen
100 mg/dl
142 (117–169)
2
Prothrombin
20 %
201 (160–244)
3
Faktor V
25 %
229 (167–300)
4
Faktor VII
20 %
236 (198–277)
5
Thrombozyten
50.000/μl
230 (169–294)
. Tab. 26.2 In-vitro- und In-vivo-Effekte von Volumenersatzmitteln In-vitro-Effekt
In-vivo-Effekta
– HMW-HES
FVIII-vWF-Dysfunktion, Thrombozytenfunktionsstörung, Hyperfibrinolyse
Erhöhte Blutungsneigung
– MMW/LMW-HES
FVIII-vWF-Dysfunktion, Fibrinpolymerisationsstörung
Unklar, Blutungsgefahr (bei Dilution)
Dextran
FVIII-vWF-Dysfunktion, Hyperfibrinolyse
Erhöhte Blutungsneigung
Gelatine
Thrombozytenfunktionsstörung
Erhöhte Blutungsneigung
Albumin
Keine
Keine
Hypertone kristalloide Volumenersatzmittel
Thrombozytenfunktionsstörung
Erhöhte Blutungsneigung
Isotone kristalloide Volumenersatzmittel
Keine
Keine
Volumenersatzmittel Hydroxyethylstärke (HES)
a Im Vergleich
zur Albumingabe.
. Tab. 26.3 Einfluss von Dextran und HES auf die Fibrinogenbestimmung im Plasma. Funktionelle Bestimmung mit einem Thrombinreagenz und anschließende Trübungsmessunga. (Mod. n. [18]) Prozentualer Anteil an Volumenersatzmittel
Messsystem
Physiologische Kochsalzlsg.
Dextran 70
HES 120
HES 200
20 %
Funktionell Clauss
0,81 (+1,3 %) 0,79 (–1,3 %)
0,93 (+16,0 %) 0,90 (+12,5 %)
0,93 (+16,0 %) 0,86 (+ 7,5 %)
0,92 (+15,0 %) 0,86 (+ 7,5 %)
40 %
Funktionell Clauss
0,64 (+6,7 %) 0,62 (+3,3 %)
0,76 (+26,0 %) 0,76 (+26,0 %)
0,73 (+21,7 %) 0,69 (+14,8 %)
0,73 (+21,6 %) 0,70 (+16,7 %)
60 %
Funktionell Clauss
0,43 (+7,5 %) 0,41 (+2,5 %)
0,51 (+27,5 %) 0,54 (+35,0 %)
0,52 (+30,0 %) 0,49 (+22,5 %)
0,52 (+30,0 %) 0,47 (+17,5 %)
a Dargestellt
sind die relativen Abweichungen bezogen auf das Ausgangsplasma, in Klammern ist die prozentuale Abweichung bezogen auf den theoretisch zu erwartenden Wert angegeben.
beider Parameter ist, dass sie in fast allen Krankenhäusern verfügbar sind und zur Verlaufsbeurteilung kurzfristig herangezogen werden können. Die Fibrinogenkonzentration ist zur Beurteilung des Schweregrads einer Verlust-/Dilutionskoagulopathie ein essenzieller Parameter. Die zur Fibrinogenbestimmung eingesetzen funktionellen Verfahren ermöglichen eine schnelle Bestimmung des Fibrinogens mit hoher Präzision. Kolloidale Volumenersatzmittel können die funktionelle Fibrinogenbestimmung beeinflussen. Hippala zeigte 1995, dass Dextran und hochmolekulare Hydroxyethylstärke konzentrationsabhängig zu falsch hohen Fibrinogenwerten führen
(. Tab. 26.3) [18]. Dies muss bei der Interpretation der Fibrinogenwerte berücksichtigt werden. z Diagnosekriterien Die klinischen und laboranalytischen Kriterien zum Nachweis einer Verlust- und Dilutionskoagulopathie sind in . Tab. 26.4 zusammengefasst. Zur Diagnosestellung ist es nicht erforderlich, dass alle Kriterien erfüllt sind. So können erniedrigte Fibrinogenspiegel, die im Zusammenhang mit einem massiven Blutverlust auftreten, die Diagnose einer Verlust-/Dilutionskoagulopathie begründen, auch wenn Parameter wie die Thrombozytenzahl oder die Globalteste noch keine kritischen Werte erreicht haben. Aufgrund des schnellen
364
26
Kapitel 26 • Erworbene Gerinnungsstörungen
. Tab. 26.4 Diagnosekriterien der Verlust- und Dilutionskoagulo-
. Tab. 26.5 Laborkonstellation der Verlust- und Dilutionskoagulo-
pathie
pathie
Parameter
Diagnosekriterium
Parameter
Präparat
Blutverlust
>1-faches Blutvolumen/4 h (>10 EK/4 h) >2-faches Blutvolumen/24 h
Transfusionstrigger
Fibrinogen
<100 mg/dl
Fibrinogenkonzentrat (initial 3 g)
Thromboplastinzeit (Quickwert)
<40 %
PPSB-Konzentrat (initial 25 IE/kgKG)
Aktivierte partielle Thromboplastinzeit
>1,5-fach verlängert
FFP (initial mindestens 4 Einheiten)
Thrombozytenzahl
<50.000–100.000/μl
Thrombozytenkonzentrate (initial mindestens 2 TK)
Thromboplastinzeit (Quickwert)
<40 %
Fibrinogen
<100 mg/dl
Aktivierte partielle Thromboplastinzeit
>1,5-fach verlängert
Thrombozytenzahl
<50.000–100.000/μl
Thrombelastogramm – r-Zeit – max. Amplitude
>80 s <50 mm
Abfalls gilt Fibrinogen hier als Indexparameter, der die Diagnose begründet, während die anderen Parameter eine Aussage über den Schweregrad der Koagulopathie ermöglichen. z Therapie Therapeutisches Ziel ist der Aufbau eines suffizienten Hämostasepotenzials. Dies wird durch die Substitution von Thrombozytenkonzentraten, Frischplasma und Faktorenkonzentraten erreicht. In . Tab. 26.5 sind Transfussionstrigger und die zu verabreichenden Medikamente zusammengefasst. Im Einzelfall sind entsprechende Anpassungen erforderlich. So kann auch bei Unterschreiten der Thrombozytenzahl auf einen Wert von unter 100.000/ μl auf die Gabe von Thrombozyten verzichtet werden, wenn eine Gefäßverletzung als Blutungsquelle chirurgisch schnell und sicher versorgt werden kann. Umgekehrt kann die Gabe von Thrombozyten auch notwendig werden, wenn die Thrombozytenzahlen zwar über 100.000/μl liegen, aber eine Thrombozytopathie vorliegt. Frischplasma enthält die plasmatischen Hämostasekomponenten in nahezu physiologischer Konzentration. Bei einem starken Blutverlust sollte es theoretisch als Medikament der ersten Wahl angesehen werden. Praktisch kann im Fall einer schweren Verlust-/ Dilutionskoagulopathie durch die alleinige FFP-Gabe nicht der erforderliche Anstieg der Plasmafaktoren, insbesondere Fibrinogen, erreicht werden. Deswegen wird die Gabe von Faktorenkonzentraten empfohlen (. Tab. 26.5). Die Substitutionstherapie sollte so lange fortgesetzt werden, bis eine ausreichende Blutstillung erreicht ist. Die Dosierung orientiert sich an der Klinik und den Hämostaseparametern. Der Nutzen einer begleitenden antifibrinolytischen Therapie ist in einzelnen Fällen gezeigt worden. Führen diese Maßnahmen nicht zum Ziel, kann in Einzelfällen durch die Gabe von aktiviertem Faktor VII eine Blutstillung erreicht werden. z Prophylaxe Bei operativen Eingriffen, die mit einem hohen Blutverlust einhergehen, ist die Prophylaxe einer Verlust-/Dilutionskoagulopathie ein elementarer Bestandteil des Hämostase- und Transfusionsmanagements. Besonders gut geeignet dazu ist eine frühzeitige Substitution mit Frischplasma. Als Faustregel gilt, dass bei einem Bedarf von mehr als 10 Erythrozytenkonzentraten (EK) ab dem 4. EK je 1 FFP pro 2 transfundierten Erythrozytenkonzentraten verabreicht werden sollte. Mit der Gabe von Thrombozytenkonzentraten sollte begonnen werden, wenn die Thrombozytenzahl einen Wert von 50.000/μl unterschreitet.
Im Fall von Massivtransfusionen, wie sie z. B. im Rahmen von Polytraumata notwendig werden, ist der Transfusionsbedarf in der Regel nicht planbar. Hier sollte deswegen spätestens ab dem 4. EK mit der Gabe von FFP in einem Verhältnis von 1:2 pro transfundiertem EK begonnen werden. Ist es logistisch möglich und besteht ein kontinuierlicher Volumenbedarf, sollte die Gabe von EK und FFP im Verhältnis von 1:1 angestrebt werden. 26.2
Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)
z Pathophysiologie Ausgelöst wird die DIC durch eine systemische Gerinnungsaktivierung, die durch endogene antikoagulatorische Mechanismen nicht mehr reguliert werden kann. Die daraus resultierende unkontrollierte Thrombinbildung führt zu einer systemischen Aktivierung und einem Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten. Durch die Thrombinämie entsteht lösliches Fibrin, das im Kapillarstromgebiet präzipitiert und die Mikrozirkulation blockiert. Besonders in gefäßreichen Organen führt dies frühzeitig zu einer Organdysfunktion bis hin zum Organversagen. Gleichzeitig hat der Verbrauch von Gerinnungsfaktoren in Kombination mit einer sekundären Hyperfibrinolyse eine Blutungsneigung zur Folge. Die zur DIC führende systemische Gerinnungsaktivierung kann durch unterschiedliche Erkrankungen ausgelöst werden (. Tab. 26.6). z Klinik Die klinischen Symptome der DIC werden vor allem durch das progrediente Organversagen bestimmt. Hinzu kommt eine variabel ausgeprägte Blutungsneigung. Ingesamt wird die Morbidität und Mortalität der Grunderkrankung durch die DIC-Entwicklung erheblich gesteigert. In . Tab. 26.7 sind DIC-typische Symptome entsprechend ihrer Häufigkeit zusammengefasst. Die Blutungsneigung manifestiert sich vor allem in Form von mikrovaskulären Blutungen [25]. Einblutungen in Schleimhäute und in die Haut treten im gesamten Körperbereich auf. Geringe Druckstellen, wie sie zum Beispiel lagerungsbedingt auftreten können, führen häufig zu großflächigen Hautblutungen (Suggilationen, Ekchymosen). In verletzten Gewebsbereichen und im Operationsfeld kommt es zu diffusen Blutungen. Bedrohliche intrakranielle Blutungen und transfusionspflichtige intrathorakale und intraabdominelle Blutungen werden mit einer Häufigkeit von 5–12 % bei DIC-Patienten beobachtet. Meist besteht durch die DIC-auslösende Erkrankung eine Organdysfunktion, die durch die DIC weiter verstärkt wird und
365
26.2 • Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)
26
. Tab. 26.6 Erkrankungen, die die Entwicklung einer DIC prädisponieren Erkrankungsgruppe
Erkrankungen
Septische Erkrankungen und schwere Infektionen
Unabhängig vom Erreger
Schwangerschafts-/Geburtskomplikationen
Abruptio placentae, Fruchtwasserembolie, septischer Abort
Maligne Erkrankungen
Hämatologische Erkrankungen (myelo- und lymphoproliferative Erkrankungen), solide Tumoren
Traumata
Polytraumen, Schädel-Hirn-Traumen, Fettembolien, Verbrennungen
Organschädigungen
Nekrotisierende Pankreatitis, Leberzerfallskoma, akute Glomerulonephritis
Gefäßschädigungen/-anomalien
Aortenaneurysma, Kasabach-Merritt-Syndrom
Schwere toxische oder immunologische Systemreaktion
Hämolytische Transfusionsreaktion, akute Transplantatabstoßung, Schlangenbisse, Medikamente
. Tab. 26.7 Symptome der DIC Symptom
Ausprägung
Häufigkeit
Blutung
Ekchymosen und Suggilationen
Meist
Schleimhautblutungen
Meist
Blutungen aus Punktionsstellen
Meist
Diffuse Blutungen im Wundgebiet
Meist
Bedrohliche, Hb-relevante Blutungen
Häufig
Intrazerebrale Blutungen
Selten
Thrombotische Mikrozirkulationsstörung mit konsekutivem Organversagen
Meist
Thrombotische Nekrosen der Akren
Häufig
Venöse Thrombosen
Selten
Arterielle Thrombosen
Sehr selten
Thrombose
häufig zum Multiorganversagen führt. Im Bereich der Akren können die Mikrozirkulationsstörungen zu Nekrosen führen. Thrombosen der großen Gefäße können zusammen mit einer DIC auftreten, sind aber eher selten und nicht typisch [36]. z Diagnostik Beweisend für das Vorliegen einer DIC ist der Nachweis einer systemischen Gerinnungsaktivierung mit einem Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten [25]. Während die Verbrauchsreaktion durch eine kontinuierliche Abnahme der Thrombozytenzahlen und Verminderung der Plasmakonzentration einzelner Gerinnungsfaktoren diagnostiziert werden kann, ist der Nachweis einer systemischen Gerinnungsaktivierung nur indirekt durch Bestimmung einzelner Aktivierungsmarker und durch den Nachweis von löslichem Fibrin möglich. Entsprechende Nachweismethoden sind zeitaufwendig und werden meist nur von spezialisierten Laboratorien angeboten. Daher können mit diesen Testverfahren gewonnene Ergebnisse die Diagnose einer DIC häufig erst nachträglich bestätigen oder ausschließen. In . Tab. 26.8 sind zur DIC-Diagnostik eingesetzte Testverfahren in Bezug auf Sensitivität und Spezifität zusammengefasst. Die Thrombozytopenie tritt meist sehr früh in der DIC-Entwicklung auf und gilt deswegen als ein sensitiver Parameter. Aufgrund vielfältiger anderer möglicher Thrombozytopenieursachen ist ihre Spezifität jedoch gering. Obwohl Fibrinogen ein Hauptsubstrat der überschießenden Thrombinbildung ist, haben Untersuchungen an
Patienten mit dem Vollbild einer DIC nur bei etwa 30 % der Patienten signifikant erniedrigte Fibrinogenplasmaspiegel gezeigt [25]. Eine mögliche Erklärung ist eine krankheitsbedingte Steigerung der Fibrinogensynthese (Akute-Phase-Proteine), die den erhöhten Fibrinogenumsatz zeitweilig kompensieren kann. Das lösliche Fibrin und das D-Dimer gelten als Parameter, die mit einer Sensitivität zwischen 90 und 100 % eine DIC erfassen können [6][10]. Die Spezifität beider Parameter ist jedoch gering, da Erhöhungen durch eine Vielzahl von anderen Erkrankungen induziert werden können. Zur Standardisierung der DIC-Diagnostik wurden Scores entwickelt, die auf der klinischen Wahrscheinlichkeit einer DIC und wenigen in Routinelaboren verfügbaren Einzelparametern beruhen [1][22]. Validierungsuntersuchungen haben für diese Scores eine Spezifität und Sensitivität von 95 % und mehr ergeben. In . Tab. 26.9 ist der ISTH-DIC-Score dargestellt. Zur Anpassung an die Verhältnisse im deutschsprachigen Raum wird die Thromboplastinzeit in Prozent als Quickwert und nicht in Sekunden angegeben. Besteht die klinische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer DIC, hilft der Score den Schweregrad einzuschätzen und im Rahmen von klinischen Studien eine Vergleichbarkeit der Patientenkollektive zu erreichen. z Therapie Die Behandlung der Grunderkrankung ist die einzige Möglichkeit, die DIC-auslösende Gerinnungsaktivierung komplett und dauerhaft zu unterbrechen. Therapeutische Maßnahmen, die unmittelbar
366
Kapitel 26 • Erworbene Gerinnungsstörungen
. Tab. 26.8 DIC-Diagnostik
26
Parameter
DIC-Wert
Zeitlicher Verlauf
Wertung
Thrombozytenzahl
<100.000/μl
Fallend
Niedrige Spezifität, hohe Sensitivität, zur Diagnosestellung obligat
Blutausstrich
Fragmentozyten
–
Hinweisend DD: TTP/HUS
Aktivierte partielle Thromboplastinzeit
>1,5-fach
Zunehmende Verlängerung
Zur Diagnosestellung obligat
Quickwert
<40 %
Zunehmende Abnahme
Zur Diagnosestellung obligat
Thrombin- und Reptilasezeit
Verlängert
Zunehmende Verlängerung
–
Fibrinogen
<100 mg/dl
Fallend
Zur Diagnosestellung obligat
Faktor-V-Aktivität
<50 %
Fallend
Hohe Sensitivität, eingeschränkte Spezifität
Lösliches Fibrin
Stark erhöht
Ansteigend
Hohe Sensitivität, niedrige Spezifität
D-Dimer
>1 μg/ml
Ansteigend
Zur Diagnosestellung obligat
Antithrombinaktivität
<40 %
Abfallend
Hohe Sensitivität, niedrige Spezifität
. Tab. 26.9 DIC-Score entsprechend den ISTH-Kriterien Parameter
0 Punkte
1 Punkt
2 Punkte
Thrombozytenzahl
>100.000/μl
<100.000/μl
<50.000/μl
Fibrinogenkonzentration
>100 mg/dl
<100 mg/dl
–
Thromboplastinzeit (Quickwert)
>70 %
<70 %
<40 %
D-Dimer-Konzentration
<500 ng/ml
>500 ng/ml
>5.000 ng/ml
Bewertung: <5 Punkte: DIC unwahrscheinlich, Wiederholung der Bewertung in 6-24 h; ≥5 Punkte: mit DIC vereinbar.
das Gerinnungssystem beeinflussen, werden eingesetzt, um den klinischen Verlauf einer DIC so zu stabilisieren, dass eine Behandlung der Grunderkrankung ermöglicht wird. Unter der Vorstellung, die DIC-auslösende überschießende Gerinnungsaktivierung durch eine Stärkung des endogenen Inhibitorpotenzials zu korrigieren, wurden rekombinanter Tissue-factorpathway-Inhibitor (TFPI), Antithrombinkonzentrat und rekombinantes aktiviertes Protein C (APC) sowie aus Plasma gereinigtes Protein-C-Konzentrat bei Patienten mit schwerer Sepsis und bei Patienten mit DIC eingesetzt. Keines dieser Medikamente konnte bisher in klinischen Studien überzeugen. Antikoagulanzientherapie Der Stellenwert von Antikoagulanzien in der DIC-Behandlung ist unklar. Im tierexperimentellen Ansatz konnte gezeigt werden, dass Heparine, direkte Thrombininhibitoren und andere direkt wirkende Antikoagulanzien den DIC-Verlauf positiv beeinflussen [12][31][35]. In Kasuistiken und in kleineren Fallserien wird über einen positiven Effekt einer niedrig dosierten Heparintherapie berichtet. Demgegenüber zeigten in der Antithrombin-Studie nur die DIC-Patienten einen signifikanten Überlebensvorteil, die keine begleitende Heparintherapie erhielten.
Erst weitere Studien können zeigen, ob eine niedrig dosierte Gabe eines unfraktionierten Heparins den DIC-Verlauf günstig beeinflusst. Plasma Plasma enthält alle Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren in einem physiologischen Verhältnis. Es ist deswegen vorstellbar, dass durch die Substitution von Plasma ein Mangel an Gerinnungsfaktoren korrigiert und eine Dysbalance zwischen prokoagulatorischer und antikoagulatorischer Aktivität ausgeglichen werden kann. Daten aus kontrollierten Studien über den Stellenwert einer Plasmasubstitution bei DIC-Patienten liegen nicht vor. In kleineren Fallserien konnte gezeigt werden, dass durch die Substitution von Plasma die Hämostasesituation verbessert werden kann [8]. Bei DIC-Patienten mit therapiepflichtiger Blutung ist die Gabe von Plasma, Gerinnungsfaktorenkonzentraten und Thrombozytenkonzentraten indiziert [28]. Eine oft befürchtete Verschlechterung der DIC-Symptomatik tritt durch diese Maßnahmen nicht auf. Sogar aktivierter Faktor VII wurde bei DIC-Patienten erfolgreich eingesetzt, ohne dass es zu einer Verschlimmerung der DIC-Symptomatik kam. Antifibrinolytika Der Stellenwert von Antifibrinolytika zur Behandlung der DIC-induzierten Hyperfibrinolyse ist nicht systematisch untersucht. Es ist jedoch anzunehmen, dass durch eine Blockade der fibrinolytischen Aktivität die thrombotische Mikrozirkulationsstörung verstärkt und die Wiederöffnungsrate verschlossener Gefäßregionen negativ beeinflusst wird. Deswegen wird eine antifibrinolytische Therapie in der akuten DIC nicht empfohlen. Substitutionstherapie Bei akuter DIC sollte ein Absinken der Antithrombinaktivität unter 50 % durch die Substitution von Antithrombin vermieden werden. Bei auftretendem Volumenmangel erscheint die Gabe von FFP sinnvoll (. Tab. 26.10). Kommt es während einer DIC zu einer therapiepflichtigen oder bedrohlichen Blutung, wird eine Substitution mit FFP, PPSB, Fibrinogen, Antithrombin und Thrombozyten empfohlen. Angestrebt werden Zielbereiche für den Quickwert von 40–60 %, für Fibrinogen von 100–150 mg/dl, für Thrombozyten von 50.000–100.000/μl und für Antithrombin von 50–100 %. Führen diese Maßnahmen
367
26.3 • Hepatische Gerinnungsstörungen
26
. Tab. 26.10 Empfehlungen zur DIC-Therapie in Ergänzung zur Therapie der Grunderkrankung Klinische Konstellation
Therapiemaßnahme
Evidenz
Akute DIC ohne therapiepflichtige Blutung
Falls AT <50 %, Gabe von AT-Konzentrat mit Zielwert 100 %
Expertenempfehlung
Bei Volumenmangel Gabe von FFP
Expertenempfehlung
Bei schwerer Sepsis Substitution mit rAPC
IIA
Substitution von FFP, PPSB, Fibrinogen, AT und Thrombozyten
Expertenempfehlung
Akute DIC mit therapiepflichtiger Blutung
Bei Nichtansprechen: rFVIIa
Expertenempfehlung
Chronische DIC
Antifibrinolytische Therapie mit TXA (50–100 mg/kgKG/h) oder 3 × 1 g oral
Einzelfallberichte, Expertenempfehlung
Non-overt DIC
Vor Eingriffen Gabe von FFP
Expertenempfehlung
AT Antithrombin, FFP »fresh frozen plasma«, PPSB Prothrombinkomplexkonzentrat, TXA Tranexamsäure.
nicht zum Sistieren einer bedrohlichen Blutung, besteht eine Indikation zur Gabe von rFVIIa in einer Dosierung von 90–100 μg/ kgKG (4,5–5 KIE/kgKG). Während der DIC und nach Überwindung der Akutsituation sind die Lebersynthese von Gerinnungsfaktoren und die Hämatopoese stark gesteigert. Zur Vermeidung einer Synthesestörung wird deswegen die Gabe von Vitamin K (10 mg/Tag) und Folsäure empfohlen. 26.3
Hepatische Gerinnungsstörungen
z Pathophysiologie In die hepatische Gerinnungsstörung sind fast alle Komponenten des Hämostasesystems eingebunden [3]. Durch die eingeschränkte Synthesekapazität kommt es zu einem Faktorenmangel. Eine Thrombozytenfunktionsstörung wird durch eine kombinierte Thrombozytopenie und -pathie ausgelöst. Ursache der Thrombozytopenie ist in erster Linie ein verstärktes Pooling der Thrombozyten in der meist vergrößerten Milz [33]. Die Thrombozytopenie kann durch eine verminderte Thrombozytopoese verstärkt werden, die durch einen Thrombopoetinmangel ausgelöst wird. Die mit einer Leberfunktionsstörung verbundene Hyperfibrinolyse ist in ihrer Pathogenese nicht eindeutig geklärt. Wahrscheinlich kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen pro- und antifibrinolytischen Faktoren. z Klinik Die hepatische Gerinnungsstörung ist mit einem erhöhten Blutungs- und Thromboserisiko verbunden. Das spontane Blutungsrisiko ist auch bei schwerer Leberfunktionsstörung eher niedrig und manifestiert sich in Form von petechialen Blutungen, Schleimhautblutungen, Nasenbluten und Zahnfleischbluten [26]. In Risikosituationen, etwa bei operativen Eingriffen, können schwere Blutungskomplikationen auftreten. Das Risiko zur Entwicklung von Thrombosen ist bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen erhöht. Insbesondere Thrombosen der Vena porta und der Vena cava inferior treten gehäuft auf. Auslösende Faktoren sind die veränderten Strömungsbedingungen sowie die kontinuierliche Gerinnungsaktivierung. z Diagnostik In Abhängigkeit vom Scheregrad der Lebersynthesestörung sind die Konzentrationen der Gerinnungsfaktoren mit Ausnahme von
Faktor VIII erniedrigt. Während beim akuten, schweren Leberversagen die Synthese aller hepatischen Gerinnungsfaktoren gleichzeitig betroffen ist, kommt es bei chronisch progredienten Lebererkrankungen meist zunächst zu einer Verminderung der VitaminK-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Dies wird durch den zusätzlich bestehenden Vitamin-K-Mangel begünstigt. Dementsprechend ist bei chronisch progredienten Leberfunktionsstörungen zunächst der Quickwert erniedrigt. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es dann zu einer Abnahme der Fibrinogenkonzentration, der FaktorV-Konzentration und der Antithrombinkonzentration. z Therapie Das therapeutische Vorgehen bei einer Blutung orientiert sich am Schweregrad der Blutung und dem Ausmaß der hepatischen Funktionsstörung. Im Fall von transfusionspflichtigen Blutungen ist meist eine Transfusion von Thrombozyten- und Faktorenkonzentraten in Kombination mit Frischplasma erforderlich [26]. Die Zielwerte orientieren sich an den Zielwerten einer Verlustkoagulopathie. Besonders schwierig ist die Thrombozytopenie zu behandeln, da die Thrombozytenüberlebenszeit stark verkürzt ist. Bei schweren bedrohlichen Blutungen sollte trotzdem die Thrombozytengabe fortgesetzt werden. Als ultima ratio steht die Gabe von rekombinantem FVIIa zur Verfügung. Zukünftig kann eine Therapieoption in der Gabe von Thrombopoetinanaloga bestehen. Bei leichten Blutungen ist meist keine Therapienotwendigkeit gegeben. Besteht in Einzelfällen dennoch Handlungsbedarf, so kann eine Stimulationstherapie mit DDAVP in Kombination mit einer antifibrinolytischen Therapie erfolgreich sein. Die Vitamin-K-Substitution kann die Syntheseleistung verbessern. Bei Patienten ohne Blutungskomplikationen kann zur Blutungsprophylaxe die Gabe von Tranexamsäure erwogen werden. Eine Indikation zur Substitution von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren besteht bei fehlenden Blutungszeichen nicht. Auch im akuten Leberversagen können sehr niedrige Grenzwerte toleriert werden. z Hämostasemanagement der Lebertransplantation kPräoperatives Management Nationale oder internationale Leitlinien zum perioperativen Management liegen nicht vor. Bei Ausschluss einer klinisch relevanten Gerinnungsstörung und bei Patienten mit milder hepatischer Gerinnungsstörung ist keine präoperative hämostaseologische Therapie erforderlich. Bei Vorliegen einer plasmatische Gerinnungsstörung erfolgt in Abhängigkeit vom Ausmaß des Faktorenmangels
368
Kapitel 26 • Erworbene Gerinnungsstörungen
und der Volumentoleranz des Patienten eine präoperative Substitution mit Gerinnungsfaktorenkonzentraten und/oder gefrorenem Frischplasma (FFP). Bei Vorliegen einer Thrombozytopenie wird eine präoperative Thrombozytengabe empfohlen.
26
kIntraoperatives und postoperatives Hämostasemanagement Aufgrund der eingeschränkten Synthesekapazität entwickeln Patienten während der Lebertransplantation bei auftretenden Blutungen frühzeitig eine Verlustkoagulopathie. Während der anhepatischen Phase kommt es zu einer Hyperfibrinolyse, die das Blutungsrisiko weiter erhöht. Im Vordergrund des intraoperativen Hämostasemanagements stehen deswegen die Prophylaxe einer Verlust-/Dilutionskoagulopathie und die Vermeidung einer Hyperfibrinolyseblutung. Die Prophylaxe und Therapie der Hyperfibrinolyse kann mit Tranexamsäure nach folgendem Schema durchgeführt werden: 5 Bolusgabe von 50 mg/kgKG 5–10 min vor Beginn der anhepatischen Phase, 5 im Anschluss daran Beginn einer kontinuierlichen Infusion von 10–20 mg/kgKG/h, 5 bei postoperativ stabiler Blutungssituation: Beendigung der TXA-Gabe 4 h postoperativ, 5 bei postoperativer Blutung: Fortführung der TXA-Gabe bis zum Erreichen stabiler Wundverhältnisse. Zur Thromboseprophylaxe wird in der frühen postoperativen Phase die Gabe eines unfraktionierten Heparins empfohlen. Die Dosierung ist abhängig von der Blutungssymptomatik. Bei stabilen Patienten wird eine Dosierung von 200 E/h empfohlen. Entsprechend dem klinischen Verlauf kann die Dosis angepasst werden oder eine Umstellung auf ein niedermolekulares Heparin in prophylaktischer Dosierung erfolgen. 26.4
Urämische Gerinnungsstörung
z Pathophysiologie Durch die urämische Stoffwechsellage wird eine Störung der Thrombozyten- und Endothelfunktion induziert. Die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sind vielfältig. Zu einer Einschränkung der Thrombozytenfunktion kommt es unter anderem durch eine gestörte Glykoproteinrezeptor-Liganden-Interaktion sowie durch eine Verminderung der ADP/ATP-Konzentration in den Thrombozyten [20]. Weiter verstärkt wird die thrombozytäre Funktionsstörung durch eine Thrombozytopenie, die durch eine toxische Knochenmarkschädigung ausgelöst ist. Auf endothelialer Ebene kommt es zu einer Störung der Synthese von vasoaktiven Substanzen – wie NO – und einer Störung der vWF-Freisetzung [30]. Die Blutungsneigung wird weiterhin durch Angiodysplasien verstärkt, die vor allem im gastrointestinalen Schleimhautbereich auftreten und deren Pathogenese bisher nicht verstanden ist. z Klinik Patienten mit einer urämischen Gerinnungsstörung haben ein erhöhtes Blutungsrisiko. Häufig kommt es zu petechialen Blutungen und Schleimhautblutungen. Gastrointestinale Blutungen sind eine weitere typische Blutungskomplikation. Auch bedrohliche Blutungskomplikationen, zu denen subdurale und subarachnoidale Blutungen sowie hämorrhagische Perikard- und Pleuraergüße ge-
hören, sind im Zusammenhang mit einer urämischen Gerinnungsstörung beschrieben worden. Epistaxis und Menorrhagien sind eher selten. Intraartikuläre Blutungen treten fast nicht auf. Thrombotische Komplikationen sind nicht typisch für die urämische Hämostasestörung. z Diagnostik Meist sind die Thrombozytenzahlen leicht vermindert, schwere Thrombozytopenien sind eher selten und weisen auf eine zusätzliche Hämostasestörung hin. Als Zeichen der Thrombozytopathie findet sich eine verlängerte In-vitro-Blutungszeit und eine eingeschränkte Thrombozytenaggregationsfähigkeit nach Stimulation mit ADP und Kollagen. Das von-Willebrand-Faktor-Antigen kann im Referenzbereich liegen oder sogar leicht erhöht sein. Der Fibrinogenwert ist meist als Zeichen der Akute-Phase-Reaktion und der D-Dimerwert als Zeichen einer allgemein gesteigerten Gerinnungsaktivierung erhöht. Vor Durchführung einer Nierenbiopsie wird eine Bestimmung der Thrombozytenzahl sowie die Durchführung der Globalteste empfohlen. z Therapie Leichte und mittelschwere Blutungen können durch die Gabe von DDAVP in einer Dosierung von 0,3 μg/kgKG gut beherrscht werden. Der antidiuretische Effekt von DDAVP ist bei der terminalen Niereninsuffizienz von untergeordneter Bedeutung und sollte nicht dazu führen, dass diese Therapieoption nicht ergriffen wird. Eine Kombination der DDAVP-Gabe mit der Gabe des Antifibrinolytikums Tranexamsäure in einer Dosierung von 3 × 1 g/Tag wird empfohlen. Zur Therapie von schweren Blutungen und zur Vorbereitung von größeren operativen Eingriffen ist die DDAVP-Gabe nicht ausreichend. Wegen der meist nur geringen Volumentoleranz ist eine Substitution mit Plasma nur begrenzt möglich. Deswegen sind Faktorenkonzentrate, wie PPSB und Fibrinogen, Mittel der ersten Wahl. Transfusionstrigger für die PPSB-Gabe ist ein Quickwert <50 % und für die Gabe von Fibrinogen ein Wert von <100 mg/dl. Die Gabe von Thrombozytenkonzentraten wird bei Werten <100.000/μl empfohlen. Meist kommt es nach Beginn der Dialyse schnell zu einer Verbesserung der Hämostasefunktion [38]. Deswegen ist auch bei bedrohlichen Blutungen die Einleitung einer Hämofiltration oder einer Dialyse anzustreben. Die Antikoagulanzienwahl während der Dialyse ist im Wesentlichen von patientenspezifischen Faktoren abhängig. Das Standardantikoagulans ist unfraktioniertes Heparin. 26.5
Leukämische Gerinnungsstörungen
z Pathophysiologie Bei leukämischen Erkrankungen ist im Vergleich mit soliden Tumoren der Anteil an Tumorzellen, die in direktem Kontakt mit dem strömenden Blut stehen, besonders hoch. Dementsprechend kann auch eine geringe Expressionsrate von Proteinen oder Substanzen das Hämostasesystem beeinflussen. Exprimieren die leukämischen Zellen Tissue-factor, so kann dies bis zur Entwicklung einer DIC führen, während die Überexpression von Plasminogenaktivatoren eine Hyperfibrinolyse auslöst, wie sie zum Beispiel im Fall der Monozytenleukämie [37] auftreten kann. Weiterhin kann ein infiltratives Wachstum der malignen Zellklone im Knochenmark die Hämatopoese beeinträchtigen. Die daraus resultierende Thrombozytopenie ist eine wichtige Ursache der leukämischen Blutungsneigung.
26.6 • Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura und andere mikroangiopathische Erkrankungen
z Klinik Das führende Symptom der leukämischen Gerinnungsstörung ist die Blutung. Es können alle Formen von Blutungen auftreten. Die häufigsten Blutungssymptome sind Haut- und Schleimhautblutungen. Spontane intrakranielle Blutungen stellen ebenfalls ein typisches klinisches Symptom der leukämischen Gerinnungsstörung dar. Das Risiko für eine spontane Blutung ist besonders hoch bei Patienten mit hohem Fieber, bei einer starken leukämischen Belastung oder einer sehr ausgeprägten Thrombozytopenie. z Diagnostik und Therapie Die Bestimmung der Thrombozytenzahlen ist der wichtigste diagnostische Parameter. Eine Thrombozytenzahl <10.000/μl ist ein allgemein akzeptierter Transfusionstrigger für eine prophylaktische Thrombozytengabe. Bei Auftreten von Fieber wird bereits ab Thrombozytenzahlen <20.000/μl transfundiert. Plasmatische Gerinnungsstörungen werden durch Bestimmung der Globalteste einschließlich der FXIII-Aktivität erkannt und entsprechend therapiert. Bei Verdacht auf eine Leukämie-assoziierte Hyperfibrinolyse erfolgt die Gabe von Tranexamsäure in einer Dosierung von 3 × 1 g oral oder intravenös in einer Dosierung von 50 mg/kgKG/h. 26.6
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura und andere mikroangiopathische Erkrankungen
Zur Gruppe der mikroangiopathischen Erkrankungen werden Krankheitsbilder gerechnet, bei denen kapilläre Endothelzellschädigungen in Kombination mit den Symptomen hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und Fieber auftreten. Entsprechend dem Erkrankungsalter und der zusätzlichen organbezogenen Symptomatik wird zwischen der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (TTP) und dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) unterschieden.
26.6.1
Thrombotisch thrombozytopenische Purpura
z Pathophysiologie und Klinik Die TTP ist durch die Symptome hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und Fieber, kombiniert mit einer neurologischen Symptomatik, charakterisiert. Pathologisch-anatomisches Korrelat ist eine Endothelzellschädigung der Mikrozirkulation verschiedenster Organe mit der Ausbildung von hyalinen Fibrinthromben. Nach derzeitiger Vorstellung spielt die von-Willebrand-Faktor- (vWF-) spaltende Protease ADAMTS-13 (»a disintergin and metalloprotease with thrombospondin type 1 motif-13«) eine entscheidende Rolle in der Pathogenese der TTP. Durch die ADAMTS-13-Aktivität wird der hochmolekulare vWF nach seiner Freisetzung aus der Endothelzelle in kleinere vWF-Multimere prozessiert. Es konnte gezeigt werden, dass die ADAMTS-13-Aktivität im Plasma von TTP-Patienten deutlich erniedrigt ist. Dadurch verbleiben die sehr großen vWF-Multimere im Plasma, wo sie spontan Thrombozyten agglutinieren und aktivieren können, sodass daraus eine Thrombozytopenie und die Bildung von mikrovaskulären Thromben resultiert.
369
26
z Diagnostik Die Verdachtsdiagnose TTP wird bei intravasaler Hämolyse mit negativem Coombs-Test, kombiniert mit Thrombozytopenie und Fieber, gestellt. Eine wichtige Differenzialdiagnose der TTP ist die wesentlich häufiger auftretende Sepsis. Eine fehlende Hämolyse oder normale Thrombozytenzahlen schließen eine TTP aus. Im Rahmen der TTP kann es zu einer Aktivierung des plasmatischen Gerinnungssystems kommen, die zu einem Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Fibrinogen führen kann. Das Auftreten von Fragmentozyten, eine erniedrigte ADAMTS13-Aktivität und der Nachweis von ADAMTS-13-Antikörpern bestätigen die Verdachtsdiagnose einer TTP. In der Beurteilung einer chronisch rezidivierenden Verlaufsform ist die vWF-Multimeranalyse hilfreich. z Therapie Unbehandelt ist die Mortalitätsrate der TTP hoch. Durch Plasmapherese kann sie auf 20 % gesenkt werden [32]. Die Plasmapheresebehandlung der TTP ist eine empirisch ermittelte Therapieform, deren Effektivität in kontrollierten klinischen Studien belegt wurde. Die Plasmapherese sollte unmittelbar nach Stellen der Verdachtsdiagnose TTP initiiert und bis zu einem Anstieg der Thrombozytenzahlen täglich wiederholt werden. Ist ein Therapieerfolg – gemessen an einem Anstieg der Thrombozytenzahlen und einem Rückgang der Hämolyse – erkennbar, können die Abstände zwischen zwei Plasmapheresezyklen verlängert werden. Die Plasmapherese wird bis zu einer Normalisierung der Thrombozytenzahlen und einer Beendigung der Hämolyse durchgeführt. Häufig werden parallel zur Plasmapheresebehandlung Glukokortikoide gegeben. Durch die Gabe von Glukokortikoiden alleine kann jedoch der Krankheitsverlauf der TTP nicht beeinflusst werden. Bei ADAMTS-13Antikörper-positiven TTP-Patienten wurden durch immunsuppressive Maßnahmen, etwa Gabe von Rituximab, Therapieerfolge erzielt. Eine systemische Antikoagulation (>500 E/h eines unfraktionierten Heparins) wird nicht empfohlen, da aufgrund der niedrigen Thrombozytenzahlen ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht. Ob eine niedrig dosierte Heparingabe (50–100 E/h) den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann, ist nicht bewiesen, aber anzunehmen.
26.6.2
Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)
z Pathophysiologie Das HUS ist durch die Symptome hämolytische, Coombs-negative Anämie, Thrombozytopenie und Fieber, kombiniert mit einer renalen Symptomatik (milde Proteinurie, Oligo- bis Anurie, Hämaturie, Azotämie, Hypertonus, fortgeschrittene Niereninsuffizienz) charakterisiert. Pathologisch-anatomisches Korrelat ist eine Endothelzellschädigung der Mikrozirkulation v. a. in der Niere, verbunden mit der Ausbildung von hyalinen Fibrinthromben. Ähnlich wie im Fall der TTP kommt auch beim HUS der Endothelzellschädigung eine zentrale pathophysiologische Rolle zu. Eine mögliche Ursache ist eine toxische Endothelzellschädigung durch das sog. Verotoxin, das von E.-coli-Bakterien des Stammes 0157:H7 gebildet wird, oder das Shigatoxin. Diese Form der HUS kann endemisch auftreten und zeigt einen Häufigkeitsgipfel im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren. Vermutlich kann eine Immunität gegen das Toxin erworben werden, sodass Krankheitsmanifestationen im Erwachsenenalter deutlich seltener auftreten.
370
Kapitel 26 • Erworbene Gerinnungsstörungen
z Diagnostik Die Verdachtsdiagnose HUS wird bei Vorliegen der oben beschriebenen Symptome gestellt. Sie setzt den Ausschluss einer anderen renalen Erkrankung voraus. Vergleichbar mit der TTP können Fragmentozyten im peripheren Blut nachgewiesen werden. Im Unterschied zur TTP ist eine verminderte ADAMTS-13-Aktivität nicht typisch. Durch den Nachweis von Verotoxin-produzierenden E.-coli-Stämmen kann die endemische Form des HUS diagnostiziert werden. z Therapie Das therapeutische Vorgehen bei HUS entspricht dem Vorgehen bei der TTP. Im Kindesalter ist die Prognose gut.
26.6.3
26
HELLP-Syndrom
z Pathogenese Die Pathogenese des HELLP-Syndroms (»hemolysis, elevated liver enzymes, low platelet count«) ist multifaktoriell und in ihren Einzelheiten noch nicht komplett verstanden. Auslösende Ursache ist eine uteroplazentare Dysfunktion, deren morphologisches Korrelat eine inadäquate Umwandlung der myometranen Segmente der Spiralarterien in uteroplazentare Arterien ist. Einige Befunde deuten darauf hin, dass eine Aktivierung des mütterlichen Immunsystems gegenüber den fetalen Zellen für diese Fehlentwicklung verantwortlich ist. Als Folge der uteroplazentaren Insuffizienz kommt es zu einer Freisetzung von verschiedensten Mediatorsubstanzen, wie zum Beispiel proinflammatorischen Zytokinen, Prostaglandinen und Endothelin. Diese freigesetzten Mediatoren induzieren in der mütterlichen Zirkulation eine Thrombozytenaktivierung, eine endotheliale Dysfunktion und eine arterielle Hypertonie. Aktivierte Thrombozyten adhärieren an das Endothel. Dadurch kommt es zu einem Verlust und einem Verbrauch der Thrombozyten. Die Ursache für die Leberfunktionsstörung beim HELLP-Syndrom ist unklar. Wahrscheinlich vergleichbar mit anderen sinusoidalen Obstruktionssyndromen kommt es durch eine intravasale Fibrinbildung mit einem nachfolgenden Ödem der sinusoidalen Endothelzellen zu einer Schädigung der Hepatozyten und zu einer starken Abnahme des Blutflusses in der Leber. z Klinik Die Erstsymptomatik ist häufig unspezifisch und durch ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Kopfschmerzen charakterisiert. Viele Patientinnen berichten über »grippeähnliche« Symptome. Seltener sind Blutungen in Form von Epistaxis, Hämaturie und gastrointestinalen Blutungen Erstsymptom eines HELLP. Zu den weiteren seltenen Erstmanifestationen gehören ein Ikterus und Aszites. In der klinischen Untersuchung findet sich eine generalisierte Ödembildung, eine unphysiologische Gewichtszunahme und eine Druckschmerzempfindlichkeit in der Lebergegend. Der Verlauf eines HELLP-Syndroms ist heterogen und kann nicht vorhergesagt werden. Die Erkrankung kann intermittierend und in Schüben auftreten. Als prädiktiv für einen schweren Krankheitsverlauf gelten drastische Erhöhungen der LDH >1400 U/l, der SGOT >150 U/l und der Harnsäure >7,8 mg/dl in Verbindung mit einer progredienten Thrombozytopenie und dynamisch ansteigenden D-Dimerspiegeln [27]. Folgeerkrankungen, die durch ein HELLP ausgelöst werden können, sind DIC, Pankreatitis und Perikarditis.
z Diagnostik Die Diagnose eines HELLP-Sydroms wird durch Nachweis einer Hämolyse, einer gestörten Leberfunktion und einer Thrombozytopenie gestellt. Die klassische Definition des HELLP-Syndroms gibt für die Thrombozytopenie einen Wert von <100.000/μl an. Trotzdem kann eine Thrombozytenverminderung <150.000/μl bereits ein erstes Warnsignal darstellen. Insbesondere ein dynamischer Abfall der Thrombozyten innerhalb von Stunden ist ein Indiz für die Progression der Erkrankung und mit erhöhter mütterlicher Morbidität verbunden. Entsprechend der Thrombozytenzahl wird in der Mississippi-Klassifikation das HELLP in 3 Schweregrade unterteilt: 5 Grad I: <50.000/μl 5 Grad II: 50.000–100.000/μl 5 Grad III: 100.000–150.000/μl. Bewertungskriterium ist der niedrigste präpartal gemessene Thrombozytenwert. Das Ausmaß der Thrombozytopenie korreliert mit der Häufigkeit mütterlicher Komplikationen, der perinatalen Morbidität und Mortalität [27]. z Therapie Eine kausale Therapie des HELLP-Syndroms erfordert die Entbindung, da nur mit der Entfernung der Plazenta die krankheitsauslösende Ursache beseitigt werden kann. Konservative Maßnahmen wie die Glukokortikoidgabe können die Krankheitsaktivität senken, sodass die Schwangerschaft unter kontrollierten klinischen Bedingungen fortgesetzt werden kann. Im optimalen Fall kann dadurch eine extreme Frühgeburtlichkeit vermieden werden. Im Fall von Blutungskomplikationen während der Schnittentbindung ist die Gabe von Thrombozytenkonzentraten indiziert. Die grundsätzliche Gabe eines niedrig dosierten Heparins zur Prophylaxe einer DIC und zur Behandlung einer HELLP-assoziierten Hyperkoagulabilität wird nicht empfohlen. Post partum ist nach Konsolidierung der Gerinnungssituation, vor allem nach Sectio caesarea, eine Thromboseprophylaxe mit einem niedermolekularen Heparin indiziert. 26.7
Hemmkörperhämophilie
Die Hemmkörperhämophilie wird durch die Bildung eines Antikörpers ausgelöst, der gegen einen prokoagulatorischen Gerinnungsfaktor gerichtet ist. Meist wird durch den Antikörper die Funktion des entsprechenden Gerinnungsfaktors inhibiert. Seltener verkürzt ein Antikörper die Halbwertszeit des von ihm erkannten Gerinnungsfaktors durch einen beschleunigten Abbau. Eine Hemmkörperhämophilie kann sowohl bei Gerinnungsgesunden als auch bei Patienten mit einem angeborenen Faktorenmangel auftreten. Entwickelt ein bisher gerinnungsgesunder Patient eine Hemmkörperhämophilie, ist der auslösende Antikörper ein Autoantikörper, da das korrespondierende Antigen vom Patienten gebildet wird. Entwickelt ein Patient mit einem angeborenen Faktorenmangel eine Hemmkörperhämophilie, ist der auslösende Antikörper meist ein Alloantikörper, da das korrespondierende Antigen von dem Patienten nicht gebildet wird [14]. In der Literatur ist die Verwendung des Begriffs erworbene Hemmkörperhämophilie zur Beschreibung der Hemmkörperbildung bei hämophilen Patienten weit verbreitet, während mit der Bezeichnung spontaner oder sporadischer Inhibitor die Hemmkörperhämophilie beim bis dahin gerinnungsgesunden Patienten gemeint ist. Beide Begriffsformen sind pathophysiologisch nicht begründet.
26.7 • Hemmkörperhämophilie
Der FVIII ist ein bevorzugtes Zielprotein für die Hemmkörperbildung, obwohl alle Gerinnungsfaktoren von einer Hemmkörperbildung betroffen sein können. Eine Ursache für die Bevorzugung von FVIII könnte in seiner sehr niedrigen Plasmakonzentration liegen, die die Funktionsfähigkeit von Regulationsmechanismen beeinflusst, welche eine Autoimmunität verhindern. z Epidemiologie Sporadische Hemmkörperhämophilie Die Entwicklung eines inhibitorischen FVIII-Antikörpers beim bis dahin Gerinnungsgesunden ist ein sehr seltenes Ereignis. Die Inzidenz wird mit 1–4 Fälle auf 1 Million Einwohner pro Jahr angegeben [7][15]. Bei etwa der Hälfte der Patienten erfolgt die FVIII-Autoantikörperbildung unabhängig von einer Begleit- oder Grunderkrankung. Mit dem Auftreten von FVIII-Inhibitoren verbundene Grunderkrankungen sind Autoimmunerkrankungen, solide Tumoren und hämatologische Erkrankungen und Infektionen. Weitere disponierende Faktoren sind Schwangerschaft und Wochenbett. Hemmkörperhämophilie des Hämophilen Die Entwicklung von Alloantikörpern, die gegen FVIII gerichtet sind, ist eine häufige Nebenwirkung der FVIII-Substitution bei hämophilen Patienten. Etwa 30 % der Patienten mit schwerer Hämophilie und 3–13 % der Patienten mit leichter und mittelschwerer Hämophilie entwickeln einen Hemmkörper [4][17]. z Klinik Sporadische Hemmkörperhämophilie Das klinische Bild und die Blutungssymptomatik von Patienten mit einer Hemmkörperhämophilie durch Autoantikörper unterscheiden sich vom Blutungsbild der Hämophilie A. Das klinische Bild wird bestimmt durch Weichteilblutungen, Muskelblutungen, Hautblutungen, Schleimhautblutungen, Epistaxis, gastrointestinale und urologische Blutungen, retroperitoneale Hämatome und postpartale Blutungen. Im Unterschied zur Hämophilie A sind intraartikuläre Blutungen extrem selten. Die Blutungen sind meist sehr ausgeprägt und führen zu einem erheblichen Blutverlust. Dies gilt insbesondere für Blutungen nach Verletzungen und operativen Eingriffen. Hinzu kommen bedrohliche Organblutungen, wie intrazerebrale Blutungen, oder retropharyngeale Blutungen, die zu einer Verlegung der Luftwege führen können. Hemmkörperhämophilie des Hämophilen Das mit der Hämophilie A verbundene Blutungsrisiko wird durch die Entwicklung eines Inhibitors erheblich gesteigert. Gelenkblutungen und Muskelblutungen treten häufiger auf und sind in ihrer Ausprägung wesentlich ausgedehnter. Die Entwicklung von Pseudotumoren als Folge einer großen intramuskulären Blutung ist eine schwerwiegende Komplikation, da diese Pseudotumoren die Morbidität signifikant erhöhen und akut lebensbedrohlich sein können. z Diagnostik Sporadische Hemmkörperhämophilie Der Verdacht auf das Vorliegen eines Hemmkörpers besteht bei einem plötzlich auftretenden Faktorenmangel beim bis dahin gerinnungsgesunden Patienten. Typischerweise kann der Faktorenmangel im Mischversuch durch Zugabe von Normalplasma nicht korrigiert werden. Hemmkörperhämophilie des Hämophilen Bei Hämophilie-Patienten, die regelmäßig oder häufig mit FVIII substituiert werden, wird regelmäßig ein Inhibitorscreening diurchgeführt. Einen sensitiven Hinweis auf die Entwicklung eines Inhibitors kann ein Anstieg
371
26
der benötigten FVIII-Konzentrationen und eine eingeschränkte Recovery bieten. Entscheidend für die Diagnostik eines Inhibitors ist die Bestimmung der Bethesda-Einheiten, die eine Quantifizierung der Hemmkörperaktivität ermöglichen. z Therapie der akuten Blutung kSporadische Hemmkörperhämophilie Akute Blutungen werden in Abhängigkeit vom Schweregrad und dem Inhibitortiter durch FVIII-Substitution oder durch FVIIIBypassmedikamente behandelt. Zusätzlich sollte jede Maßnahme vermieden werden, durch die das Blutungsrisiko weiter erhöht werden kann. Dazu zählen intramuskuläre Injektionen, invasive diagnostische und therapeutische Maßnahmen und der Einsatz von Antithrombotika. Die Behandlung der Hemmkörperhämophilie sollte in spezialisierten Zentren erfolgen, da wegen der Seltenheit der Erkrankung nur dort ausreichende klinische Erfahrung vorliegt. Hinzu kommt, dass die außerordentlich hohen Therapiekosten bereits im Vorfeld eine Einbeziehung des Kostenträgers erforderlich machen. FVIII-Substitution Der Erfolg einer Therapie mit humanem FVIII ist abhängig von der Inhibitorkonzentration. Im Fall von Patienten mit einem niedrig titrigen FVIII-Autoantikörper (<5 Bethesda-Einheiten) kann durch die Gabe von FVIII die Inhibitorwirkung überspielt werden. Eine Basisdosis von 40 IU/kgKG FVIII wird für jede Bethesda-Einheit um 20 IU gesteigert. Etwa 10 min nach der Bolusapplikation sollten die FVIII-Aktivitäten gemessen werden. Liegen die erzielten Werte unterhalb des angestrebten Aktivitätslevels, wird eine zusätzliche Bolusgabe empfohlen [15]. Adjuvante Therapie Durch eine Stimulationstherapie mit dem Desmopressinanalogon DDAVP kann bei Patienten mit niedrig titrigem FVIII-Autoantikörper ein zusätzlicher Benefit erreicht werden. Dies ist für die subkutane Gabe von 0,3 μg/kgKG DDAVP an 3–5 aufeinanderfolgenden Tagen gezeigt worden. Die zusätzliche Gabe des Antifibrinolytikums Tranexamsäure scheint sinnvoll. FVIII-Bypass-Medikamente Bei Patienten mit hoch titrigen FVIII-Autoantikörpern gelingt es meist nicht, durch die FVIII-Gabe die Hemmkörperwirkung zu überspielen. In diesen Fällen werden FVIII-Bypassmedikamente zur Beherrschung der akuten Blutungssituation eingesetzt. Neben rekombinantem FVIIa (rFVIIa) steht FEIBA (»factor eight bypassing activity«) zur Verfügung. FEIBA ist ein aktiviertes Prothrombinkomplexpräparat, das in einer Dosierung von 50–100 E/kg mit Behandlungsintervallen von 8–12 h eingesetzt wird. Die Gabe von rFVIIa erfolgt in Boli von 90–120 μg/kgKG, die in Behandlungsintervallen von 2–3 h appliziert werden. Die Dauer der Behandlung und die eventuelle Verlängerung der Intervalle sind abhängig vom klinischen Verlauf. Die kontinuierliche intravenöse Gabe von rFVIIa könnte eine kostengünstigere Behandlungsalternative darstellen, ist zurzeit aber noch nicht etabliert. kHemmkörperhämophilie des Hämophilen Das therapeutische Vorgehen ist abhängig von der klinischen Symptomatik und dem Inhibitortiter. Bei Patienten mit einem Inhibitortiter <5 BE, die auch als Low-responder bezeichnet werden, kann durch die hoch dosierte Gabe von FVIII-Konzentraten in der Regel die FVIII-Aktivität soweit korrigiert werden, dass eine zur Blutstillung ausreichende plasmatische Gerinnung gewährleistet ist.
372
Kapitel 26 • Erworbene Gerinnungsstörungen
. Tab. 26.11 Strategien zur Inhibitoreradikation bei spontaner Hemmkörperhämophilie
26
Therapieansatz
Dosierung
Bewertung
Prednisolon/ Cyclophosphamid
1 mg/kgKG/ 1–2 mg/kgKG über 5 Wochen
In Fallserien hohe Ansprechrate
Cyclosporin
200–300 mg/Tag
In Kasuistiken erfolgreich
Rituximab
375
Immunadsorption
Tägliche Apheresen
Kurzfristige Elimination des Inhibitors möglich
Immuntoleranztherapie
Kombination aus Immunadsorption, Prednisolon, Cyclophosphamid und FVIII-Gabe (100 E/kgKG/Tag)
In Fallserien hohe Ansprechrate
Immunglobuline
2 g/kg an 2 aufeinanderfolgenden Tagen
Alleine nicht erfolgreich
mg/m2/Woche
über 4 Wochen
Bei Patienten mit einem Inhibitortiter >5 BE kann meist durch die FVIII-Gabe keine Blutstillung erreicht werden, hier ist die Gabe der Bypassmedikamente rFVIIa oder FEIBA indiziert. Im Jahr 2007 [11] wurde von einem internationalen Expertengremium eine Konsensusempfehlung zur Prophylaxe und Therapie von Blutungskomplikationen von Hämophilie-A-Patienten mit hochtitrigen Alloantikörpern ausgesprochen. Danach wird zur Akutbehandlung ein eskalierendes Behandlungsschema empfohlen. Begonnen wird die Behandlung mit rFVIIa in einer Dosierung von 90 μg/kgKG alle 2 h oder als Einzeldosis mit 270 μg/kg oder mit FEIBA in einer Bolusgabe von 50–100 Einheiten/kg alle 6–12 h, wobei eine Maximaldosis von 200 Einheiten/kg täglich nicht überschritten werden sollte. Eine Bewertung des Therapieerfolgs sollte im Fall von intrazerebralen Blutungen nach 2–4 h und im Fall von extremitätenbedrohenden Blutungen nach 8–12 h erfolgen. Ist kein Therapieerfolg erkennbar, sollte die Dosis des Bypassmedikaments erhöht werden, ist ein Therapieerfolg erkennbar, sollte die Therapie in der bisherigen Dosis weitergeführt und im weiteren Verlauf eine Dosisreduktion angestrebt werden. z Inhibitoreradikation Das langfristige Therapieziel in der Behandlung einer Hemmkörperhämophilie ist es, die Bildung des Antikörpers zu unterbrechen. Dazu wurden bisher verschiedene immunsuppressive und immunmodulatorische Strategien eingesetzt. Zur Wirksamkeit dieser verschiedenen Therapieansätze liegen Einzelfallberichte wie auch Fallserien mit unterschiedlich großer Fallzahl vor. Randomisierte Studienergebnisse sind nicht verfügbar, sodass ein einheitlicher Therapiestandard zurzeit nicht definiert werden kann. Sporadische Hemmkörperhämophilie Die zur Elimination des Autoantikörpers eingesetzten Therapiestrategien umfassen die Gabe von Immunsuppressiva wie Steroide, Cytostatika wie Cyclophosphamid, Azathioprin, Vincristin, Cyclosporin, den monoklonalen Antikörper Rituximab, die hochdosierte Immunglobulingabe, die Immunadsorption und die Immuntoleranztherapie. In . Tab. 26.11 sind einige Therapieansätze zusammengefasst. Hemmkörperhämophilie des Hämophilen Bei diesen Patienten wird von vielen Behandlungszentren die Immuntoleranztherapie eingesetzt. Über einen längeren Zeitraum, der im Schnitt etwa bei 15 Monaten liegt, wird eine hochdosierte FVIII-Substitution durchgeführt, beispielsweise in einer Dosierung von 2-mal täglich 100–150 E/kg Körpergewicht. Auch Rituximab wurde erfolgreich zur Inhibitoreradikation eingesetzt.
In Fallserien hohe Ansprechrate
26.8
Blutungen durch Antithrombotika
Blutungen sind die häufigste Nebenwirkung aller Antithrombotika. Der klinische Schweregrad reicht von einer verstärkten Hämatomneigung bis zu lebensbedrohlichen Blutungen. Im Fall von bedrohlichen Blutungen wird die Prognose wesentlich durch die Halbwertszeit des eingesetzten Antikoagulans oder Thrombozytenfunktionshemmers sowie durch die Verfügbarkeit einer Antidotstrategie bestimmt.
26.8.1
Vitamin-K-Antagonisten
Eine kontinuierliche Antikoagulanzientherapie mit Vitamin-K-Antagonisten mit einem INR- (International-normalized-ratio-)Zielbereich von 2–3 steigert das jährliche Risiko, eine therapiepflichtige Blutung zu entwickeln, um 0,3–0,5 %. Das Risiko der Entwicklung einer intrazerebralen Blutung steigt um 0,2 % [34]. Das Blutungsrisiko unter einer Behandlung mit Vitamin-KAntagonisten ist unmittelbar abhängig vom INR-Wert. Ab einem INR-Bereich >4 steigt das Blutungsrisiko signifikant an. In einer Fall-Kontroll-Studie konnte gezeigt werden, dass das Risiko für eine intrazerebrale Blutung sich mit jedem Anstieg des INR-Werts verdoppelt [21]. Weitere Variablen, die das Blutungsrisiko erhöhen, sind höheres Lebensalter, ein vorausgegangenes Blutungsereignis, weibliches Geschlecht und eine eingeschränkte Compliance. Eine schnelle Unterbrechung der antikoagulatorischen Wirkung der Vitamin-K-Antagonisten ist durch die Gabe eines Prothrombinkomplex-Konzentrats (PPSB) in einer Dosierung von 50 IE/kgKG möglich. Die PPSB-Gabe sollte mit der intravenösen Gabe von 10 mg Vitamin K gekoppelt werden, da die Halbwertszeit der mit PPSB substituierten Gerinnungsfaktoren kürzer ist als die Wirkdauer der Vitamin-K-Antagonisten. Die Vitamin-K-Gabe sollte an den folgenden 2 Tagen wiederholt werden. Nach Beherrschung der Blutungskomplikation wird entsprechend der Indikation, die zur Gabe des oralen Antikoagulans führte, die antithrombotische Therapie mit einem parenteralen Antikoagulans wie Heparin wiederaufgenommen. Bei leichten Blutungskomplikationen reicht die alleinige Gabe von 10 mg Vitamin K (oral oder intravenös) aus. Bei einer Überdosierung ohne Blutungskomplikation ist eine Therapiepause ausreichend. Lediglich bei Überschreiten eines INR-Werts von 10 wird die einmalige Gabe von 5 mg Vitamin K empfohlen.
373
26.9 • Gerinnungsstörungen unklarer Genese
26.8.2
Oral verfügbare direkte FXa- und Thrombininhitoren
Der oral verfügbare FXa-Inhibitor Rivaroxaban und der oral verfügbare Thrombininhibitor Dabigatran sind zur perioperativen Thromboseprophylaxe im Hochrisikobereich zugelassen. Eine Zulassung zur Langzeitantikoagulation liegt zurzeit noch nicht vor. Für beide Medikamente existieren keine spezifischen Antidots, sodass im Fall einer bedrohlichen Blutung die Gabe von rFVIIa die einzige zurzeit erkennbare Therapieoption darstellt. Klinische Erfahrungen über die Wirksamkeit einer rFVIIa-Gabe in dieser Indikation liegen noch nicht vor.
26.8.3
Heparine
Das Risiko, unter einer aPTT-adjustierten Heparinantikoagulation eine schwerwiegende Blutung zu entwickeln, wird in klinischen Studien mit 1–10 % angegeben [34]. Im klinischen Alltag dürfte ein Wert zwischen 5 und 10 % realistisch sein. Das Blutungsrisiko von niedermolekularen Heparinen ist nicht höher als das von unfraktioniertem Heparin. Das Blutungsrisiko des synthetischen Heparins Fondaparinux in prophylaktischer Dosierung von 2,5 mg/Tag betrug in einer Placebo-kontrollierten Studie 2,4 % verglichen mit 0,6 % in der Placebogruppe [13]. Die antikoagulatorische Wirkung eines unfraktionierten Heparins kann durch die Gabe von Protamin neutralisiert werden (1 mg Protamin neutralisiert 100 IE Heparin). Vielfach ist die initial verabreichte Heparindosis nicht bekannt. In diesen Fällen wird die Protamindosierung über die aPTT gesteuert. Die Halbwertszeit von Protamin ist deutlich niedriger als die von Heparin. Daher kann es durch Rückdiffusion des Heparins in die Zirkulation zu einem Rebound-Phänomen kommen, das eine erneute Protamingabe erforderlich macht. Protamin sollte langsam (maximal 5 mg/min) infundiert werden, da es zu hypotonen Kreislaufreaktionen führen kann. Bei leichten Blutungskomplikationen ist eine Therapiepause in der Regel ausreichend. Niedermolekulare Heparine werden nicht mit der gleichen Effektivität wie unfraktioniertes Heparin neutralisiert. In Abhängigkeit von der Art des niedermolekularen Heparins werden 30–70 % der antikoagulatorischen Wirkung neutralisiert. Trotzdem ist bei bedrohlichen Blutungen die Gabe von Protamin sinnvoll. Das synthetische Heparin Fondaparinux wird durch Protamin nicht neutralisiert. Die einzige Möglichkeit, die Hämostasesituation im Fall einer bedrohlichen Blutung unter Fondaparinux zu verbessern, besteht in der Gabe von rFVIIa.
26.8.4
Direkte Thrombininhibitoren
Die direkten Thrombininhibitoren Argatroban und Hirudin werden vor allem als alternative Antikoagulanzien bei Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie eingesetzt. Insbesondere Hirudin erhöht aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite das Blutungsrisiko. Ein Antidot steht nicht zur Verfügung. Im Fall von bedrohlichen Blutungen kann eine Elimination durch Hemofiltration versucht werden. Der Hirudinabkömmling Bivalirudin hat durch direkten proteolytischen Abbau eine kurze Halbwertszeit von 30–60 min im Plasma; dies auch bei Patienten mit eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion. Dementsprechend ist das Blutungsrisiko niedrig, und im Fall einer Blutung kommt es nach Absetzen der Bivaliru-
26
din-Gabe zu einem schnellen Abklingen der antikoagulatorischen Wirkung.
26.8.5
Thrombozytenfunktionshemmer
Eine duale thrombozytenfunktionshemmende Therapie mit Aspirin und Clopidogrel induziert bei etwa 2–3 % der behandelten Patienten eine therapiepflichtige Blutung pro Behandlungsjahr. Intrazerebrale Blutungen werden mit einer Häufigkeit von etwa 0,1 % beobachtet. Bei einer Monotherapie mit Aspirin oder Clopidogrel dürften die Zahlen niedriger liegen. Die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten ist eine Möglichkeit, die Thrombozytenfunktion im Fall von Blutungen zu verbessern. Diese Therapiemaßnahme sollte bei allen bedrohlichen Blutungen ergriffen werden. Bei lebensbedrohlichen Blutungen kann zusätzlich die Gabe von rFVIIa sinnvoll sein. Eine weitere Möglichkeit, die Thrombozytenfunktion zu verbessern, besteht in der Gabe von DDAVP. Diese Option sollte insbesondere bei weniger schwerwiegenden Blutungen genutzt werden.
26.8.6
Fibrinolytika und aktiviertes Protein C
Das mit einer Fibrinolysetherapie verbundene Blutungsrisiko ist abhängig von dem gewählten Dosierungsregimen, dem Fibrinolytikum und der Indikation zur Fibrinolysetherapie. Die r-tPA-Fibrinolyse des ischämischen Hirninfarkts induziert etwa bei 6 % der Patienten eine schwerwiegende Blutungskomplikation [34]. Nach der Marktrücknahme von Aprotinin steht kein Plasmininhibitor mehr zur Verfügung, mit dem eine schnelle Unterbrechung der Plasminwirkung erreicht werden kann. Durch Tranexamsäure kann bereits gebildetes Plasmin nicht neutralisiert werden. Trotzdem ist bei einer bedrohlichen Blutung während einer fibrinolytischen Therapie die Gabe von Tranexamsäure sinnvoll, da diese die weitere Plasminbildung hemmen kann. Durch die Gabe von Frischplasma kann der Plasmininhibitor α2-Antiplasmin substituiert werden. Auch der Einsatz von rekombinantem aktivierten Protein C (rAPC) zur Behandlung der schweren Sepsis ist mit einem signifikanten Anstieg des Blutungsrisikos auf etwa 3–5 % verbunden [2]. Ein spezifisches Antidot oder eine Antidotstrategie steht nicht zur Verfügung. 26.9
Gerinnungsstörungen unklarer Genese
Bei einem Teil der Patienten, die den klinischen Phänotyp einer erworbenen Gerinnungsstörung zeigen, kann laboranalytisch kein entsprechendes Korrelat nachgewiesen werden. In diesen Fällen kann sich das therapeutische Vorgehen ausschließlich an der klinischen Symptomatik orientieren. Im Fall einer bedrohlichen Blutung ist ein Therapieversuch mit einer Bolusgabe von 90–100 μg/kgKG rFVIIa (4,5–5 KIE/kgKG) gerechtfertigt. Kommt es nach einer Wiederholung der rFVIIa-Gabe nach 2 h nicht zu einer deutlichen Besserung der Blutung, sollte der Therapieversuch abgebrochen werden. Bei weniger massiven Blutungen sollte zunächst ein Therapieversuch mit dem Antifibrinolytikum Tranexamsäure in einer Dosierung von 3 × 1 g oral oder 20 mg/kgKG/h unternommen werden. Führt diese Maßnahme nicht zu einem erkennbaren Therapieerfolg, kann zusätzlich DDAVP in einer Dosierung von 0,3 μg/kgKG verabreicht werden.
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Literatur
25
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Kapitel 26 • Erworbene Gerinnungsstörungen
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Thrombophile Gerinnungsstörungen I. Pabinger
27.1
Definition – 376
27.2
Angeborene Thrombophilien – 376
27.2.1 27.2.2
Antithrombin-, Protein-C- und Protein-S-Mangel – 376 Faktor-V-Leiden-Mutation und Prothrombin-G20210A-Variante – 377
27.3
Erworbene thrombophile Störungen – 377
27.4
Therapie angeborener und erworbener thrombophiler Störungen – 377
27.4.1 27.4.2 27.4.3
Substitution bei Patienten mit Antithrombinmangel – 377 Substitution bei Patienten mit Protein-C-Mangel – 379 Kumarinnekrosen – 380
Literatur – 380
27
376
Kapitel 27 • Thrombophile Gerinnungsstörungen
Unter dem Begriff »Thrombophilie« werden diejenigen Störungen zusammengefasst, bei denen mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen und Embolien zu rechnen ist. Im Allgemeinen wird die Bezeichnung Thrombophilie für die Thromboseneigung des venösen Schenkels des Gefäßssystems verwendet; bei bestimmten Formen der Thrombophilie können jedoch auch gehäuft Thrombosen in der arteriellen Gefäßbahn auftreten, insbesondere in den Hirnarterien und Herzkranzgefäßen. Die Evaluierung der Thrombophilie in prospektiven und Interventionsstudien hat in den letzten Jahren zu einer wesentlich kritischeren Betrachtungsweise der Bedeutung der Thrombophilie für das klinische Management geführt. Durch die Diagnose einer Thrombophilie ändert sich nur bei ganz wenigen Patienten das diagnostische oder therapeutische Vorgehen.
27.1
27
Definition
Thrombophile Hämostasestörungen gehen entweder mit einer erhöhten Plasmaaktivität von prokoagulatorischen Substanzen oder einer Verminderung bzw. Funktionseinschränkung von Gerinnungsinhibitoren einher. Bei den thrombophilen Gerinnungsstörungen werden angeborene und erworbene Störungen unterschieden. Bei etwa der Hälfte aller Patienten mit einer venösen Thrombose lässt sich eine angeborene Thrombophilie nachweisen [32]. Die Prävalenz der Thrombophilie hängt vom untersuchten Kollektiv ab, bei jüngeren Patienten mit venöser Thromboembolie ist der Anteil höher als bei älteren Patienten. 5 Für viele der angeborenen Störungen sind inzwischen die genetischen Veränderungen bekannt. Zu den angeborenen Störungen zählen insbesondere der Antithrombinmangel (frühere Nomenklatur: Antithrombin-III-Mangel), der Protein-C-Mangel, der Protein-S-Mangel, das Vorliegen einer Faktor-V-LeidenMutation, (eine genetische Variation des Faktor-V-Gens, führt zur Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C = APC-Resistenz), die Variante des Prothrombingens G20210A (führt zu einer Erhöhung von Prothrombin im Plasma), die Hyperhomozysteinämie und eine Erhöhung des Gerinnungsfaktors VIII. 5 Als erworbene Gerinnungsveränderungen mit erhöhtem Thromboserisiko gelten das Vorkommen eines Lupus-Antikoagulans und die chronische disseminierte intravasale Gerinnung (DIC). Kürzlich publizierte Guidelines aus Frankreich und Großbritannien setzen sich kritisch mit der Thrombophiliediagnostik auseinander [1][23]. 27.2
Angeborene Thrombophilien
27.2.1
Antithrombin-, Protein-C- und Protein-S-Mangel
Der Antithrombinmangel ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung, der verschiedene Genmutationen bis hin zur Deletion zugrunde liegen. Klinisch werden der Typ-I-Mangel mit einer Verminderung des Antithrombins um etwa 50 % und der Typ-II-Mangel unterschieden, bei dem die Antithrombinmenge zwar normal, die Aktivität des Antithrombins aber durch Konfigurationsänderungen des Moleküls herabgesetzt ist. Der Typ-II-Mangel wird weiterhin in die Subtypen IIa, IIb und IIc unterteilt. Für die Typen I, IIa und IIb ist gesichert, dass sie mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen. Der Typ IIc, bei dem eine
Störung der Heparinbindung vorliegt, ist wahrscheinlich bei heterozygoten Patienten nicht von klinischer Bedeutung, während homozygote Patienten desselben Typs sehr wohl ein beträchtlich erhöhtes Thromboserisiko haben [11]. Die Diagnose eines hereditären Antithrombinmangels wird über die Bestimmung der Aktivität im Plasma gestellt, da sich durch eine alleinige Messung der Antigenkonzentration ein Typ-IIMangel nicht zuverlässig erfassen ließe. Andererseits kann mit den gebräuchlichen Aktivitätstests nicht zwischen den klinisch bedeutsamen Typen unterschieden werden, weil z. B. der häufigste Typ, Typ IIc (Prävalenz 1:350), in der heterozygoten Form klinisch unauffällig ist, während der seltene Typ I (Häufigkeit 1:4000) klinisch sehr bedeutsam sein kann. Bei den klinsich bedeutsamen Formen vom Typ I liegt die Konzentration meist um 50 %, während sie beim heterozygoten Subtyp IIc doch eher höher (60–70 %) ist. Zur Subtypisierung eignen sich neben molekularbiologischen Tests die zusätzliche Bestimmung des Antithrombinantigens und der progressiven Antithrombinaktivität (Messung der Aktivität ohne Heparinzusatz). Es ist nur in Einzelfällen sinnvoll, eine so genaue Subtypisierung durchzuführen. Vor einem kritiklosen Screening von Patienten ohne Thromboseanamnese mit Routinetests muss dringend gewarnt werden, da hierdurch v. a. Patienten mit dem klinisch bedeutungslosen Typ IIc identifiziert werden. Deshalb sollte eine Antithrombinbestimmung nur gezielt bei Patienten durchgeführt werden, bei denen ein angeborener Mangel zu einer therapeutischen Konsequenz führt, insbesondere Patienten mit Thrombosen vor dem 45. Lebensjahr und solche mit positiver Familienanamnese [21]. Eventuell kann eine Antithrombinbestimmung auch bei Patienten mit nephrotischem Syndrom und unter Aspariginasetherapie sinnvoll sein. Ein Protein-C-Mangel ist in der Normalbevölkerung mit einer Prävalenz von 1:300–500 relativ häufig. Ein homozygoter ProteinC-Mangel mit Protein-C-Werten <1 % ist bei den meisten Patienten ohne Behandlung nicht mit dem Leben vereinbar. Sie weisen ein der Purpura fulminans ähnliches Krankheitsbild mit Hautnekrosen, DIC und Makrothrombosen in Venen und Arterien auf [19]. Die heterozygote Form führt in den meisten Familien jedoch zu keiner Thromboseneigung. Beim Protein-C-Mangel wird ebenfalls zwischen Typ I und Typ II unterschieden. Beim Typ I ist sowohl die Protein-C-Aktivität als auch die Protein-C-Konzentration um etwa die Hälfte vermindert, beim Typ II ist die Antigenkonzentration weitgehend unverändert, während die Aktivität deutlich erniedrigt ist. Im Unterschied zum Antithrombinmangel kann bei beiden Typen eine Thromboseneigung bestehen. Ebenso wie beim Antithrombinmangel gilt auch beim Protein-C-Mangel, dass unkritisches Screening keine Aussage über die Thrombosegefahr erlaubt. Protein S zirkuliert zu 40 % in freier Form im Plasma, während der überwiegende Anteil an C4b-Bindungsprotein gebunden ist (7 Kap. 4). Nur freies Protein S ist aktiv und dient als Kofaktor im Protein-C-Wirkungsmechanismus. Beim hereditären Protein-SMangel wurden 3 Typen beschrieben: 5 Beim Typ I ist sowohl die Aktivität als auch der gesamte Protein-S-Gehalt vermindert, 5 beim Typ II ist die Aktivität vermindert, aber die Antigenkonzentration des gesamten und des freien Protein S normal, 5 beim Typ III ist nur die Aktivität und der Gehalt an freiem Protein S herabgesetzt. Patienten mit homozygotem Protein-S-Mangel sind außerordentlich selten. Die Prävalenz ist nicht bekannt. Bisher wurden erst wenige Fälle beschrieben. Das Krankheitsbild ähnelt dem von Patienten mit
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27.4 • Therapie angeborener und erworbener thrombophiler Störungen
schwerem Protein-C-Mangel. Die Diagnose wird primär durch die Bestimmung der Protein-S-Aktivität gestellt. Die weitere Differenzierung in Subtypen kann durch Bestimmung des freien Protein S im Plasma erfolgen. Ein Teil der Patienten mit hereditärem ProteinS-Mangel aus Typ-I-Familien kann sich auch als Typ III präsentieren.
Zusätzlich kann es in vereinzelten klinischen Situationen sinnvoll erscheinen, eine Substitutionstherapie mit plasmatischen oder rekombinanten Faktorenkonzentraten durchzuführen. Die Möglichkeiten hierzu werden nachfolgend diskutiert.
27.4.1 27.2.2
Faktor-V-Leiden-Mutation und Prothrombin-G20210A-Variante
Bei der Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um eine Mutation im Faktor-V-Gen (Faktor V Arg506Gln), wodurch es zu einer Störung der Inaktivierung des Faktors V durch aktiviertes Protein C kommt. Bei der Prothrombin-G20210A-Variation handelt es sich um eine »gain of function«-Mutation, die erhöhte Prothrombinspiegel zur Folge hat. Bei der Faktor-V-Leiden-Mutation [6] und der Prothrombinvariante G20210A [24] haben homozygote Patienten ebenso wie bei anderen thrombophilen Störungen ein deutlich höheres Thromboserisiko als heterozygote Merkmalsträger. Es ist interessant anzumerken, dass sich beide Mutationen auf jeweils einen einzigen Vorfahren zurückführen lassen. 27.3
Erworbene thrombophile Störungen
Von vielen Erkrankungen ist bekannt, dass sie mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen. Zu ihnen zählen u. a. die essenzielle Thrombozythämie, die Polyzythaemia vera, die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, das nephrotische Syndrom, solide Tumoren, der systemische Lupus erythematodes und die chronische DIC, wie sie z. B. bei Malignomen beobachtet wird. Hierauf kann nicht näher eingegangen werden. Ein Lupus-Antikoagulans ist bei einem Teil der Patienten, bei denen sich dieser Inhibitor des Gerinnungssystems nachweisen lässt, ebenfalls mit einer venösen und arteriellen Thromboseneigung vergesellschaftet. Bei schwangeren Frauen kommt es zu vermehrten Aborten und intrauterinem Kindstod. Obwohl Heparin und orale Antikoagulanzien bei den meisten Patienten gut wirksam sind, ist bei einzelnen Patienten die Thromboseneigung so ausgeprägt, dass trotz gerinnungshemmender Therapie Rezidive auftreten. Bisher ist nicht bekannt, ob eine immunsuppressive Therapie, die bei manchen Patienten zu einer Verminderung des Lupus-Antikoagulans im Plasma führt, auch die Thrombosebereitschaft bessert. Ein schwerer erworbener Protein-C- oder Protein-S-Mangel kann bei Kindern durch eine infektiös bedingte Purpura [17], aber auch durch Autoantikörper gegen diese Gerinnungsfaktoren ausgelöst werden, wie sie v. a. im Gefolge von Varizellen oder auch Infektionen mit Streptokokken nachgewiesen wurden [4]. Klinisch äußert sich der Protein-S-Mangel in einem schweren Thromboemboliesyndrom, das zum Verlust ganzer Extremitäten oder zum Bild einer Purpura fulminans führen kann. 27.4
Therapie angeborener und erworbener thrombophiler Störungen
Die Grundpfeiler einer erfolgreichen Therapie und Prophylaxe stellt bei allen Formen einer Thrombophilie die Antikoagulation dar. Neben Heparinen und Vitamin K-Antagonisten werden sich in nächster Zeit wohl die neuen direkten Antikoagulanzien, wir Dabigatran oder Rivaroxaban, als wirksame Therapeutika etablieren.
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Substitution bei Patienten mit Antithrombinmangel
Präparate Die Herstellung von Antithrombinkonzentraten aus Humanplasma ist eingehend in 7 Kap. 19 dargestellt. In der EU sind Antithrombinpräparate verschiedener Firmen zugelassen.
Pharmakokinetik und biologische Halbwertszeit Für alle Plasmaprodukte sind die Wiederfindungsrate und die Recovery von praktischer Bedeutung. Die Wiederfindungsrate gibt den relativen Anstieg der Antithrombinaktivität im Plasma in % nach Verabreichung einer Einheit eines Antithrombinkonzentrats pro kg Körpergewicht (kgKG) an. Die Recovery ist der maximale Anstieg der Aktivität im Plasma nach Substitution (E/ml) × Plasmavolumen (ml) × 100/verabreichte Gesamtmenge an Antithrombinkonzentrat. Bei asymptomatischen Patienten mit Antithrombinmangel werden Wiederfindungsraten von 1,39–2,05 angegeben [20]. Bei Patienten mit einer akuten Thromboembolie oder unter Heparintherapie liegt die Wiederfindungsrate niedriger (1,28–1,43 %), ebenso bei Schwangeren unter Heparintherapie (1,02 %) und bei Patienten mit akuter Promyelozytenleukämie (1,01 %). Bei Patienten mit Leberzirrhose ohne Aszites betrug die Recovery mit verschiedenen Antithrombinkonzentraten 1,52–1,97 % und unterschied sich damit nicht wesentlich von den Wiederfindungsraten von Patienten mit hereditärem Antithrombinmangel. Wie bei allen aus Humanplasma hergestellten Präparaten steigen nach der Substitution eines Konzentrats die Werte für die Antithrombinantigene im Plasma stärker an als die Antithrombinaktivität. Dies ist auf die Degradation eines Teils des aktiven Antithrombins bei der Plasmafraktionierung zurückzuführen. Antithrombin wird sowohl im Intra- als auch im Extravasalraum verteilt. Der Abfall der Antithrombinaktivität im Plasma erfolgt biexponenziell; nach einer raschen initialen Phase (Abstrom aus dem Plasmakompartiment) folgt dabei eine langsame Phase, die der biologischen Halbwertszeit entspricht. Die biologische Halbwertszeit von Antithrombin wird mit 55–68 h angegeben. Bei asyptomatischen Patienten mit Antithrombinmangel beträgt sie 61– 92 h, unter Heparintherapie 33–51 h. Bei Patienten mit Antithrombinmangel und einem akuten Ereignis (7 s. oben), bei Schwangeren, vor allem solchen mit einer Präeklampsie, ist sie noch stärker verkürzt (22–29 h).
Antithrombinsubstitution bei Patienten mit hereditärem Antithrombinmangel Diese Patienten haben wahrscheinlich eine geringere Heparinsensitivität als Personen ohne Antithrombinmangel. Bei einem Drittel der Patienten kommt es unter Heparindosen bis 35.000 IE/Tag zu keiner adäquaten Verlängerung der aPTT. Man bezeichnet dies als Heparinresistenz. Durch die Zufuhr von Antithrombinkonzentraten kann diese aufgehoben und die Empfindlichkeit gegenüber Heparin normalisiert werden. Durch hohe Dosen von Heparin (bis 80.000 IE/Tag) lässt sich Heparinresistenz allerdings überspielen. 5 Antithrombinkonzentrate wurden bei Patienten mit hereditärem Antithrombinmangel mit akuten thromboembolischen Komplikationen mit Erfolg eingesetzt [29]. Aus den vorliegen-
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Kapitel 27 • Thrombophile Gerinnungsstörungen
den Berichten darf jedoch nicht gefolgert werden, dass hierfür die Gabe von Antithrombinkonzentraten zwingend erforderlich war. So wird in einer Arbeit, die die retrospektiven Daten von 70 Patienten zusammenfasst, berichtet, dass auch mit Heparin allein – ggf. bei Heparinresistenz mit einer höheren Heparindosis – nur in 11 % der Fälle Rezidive auftraten. Eine kontrollierte prospektive Studie liegt wegen der großen Seltenheit von Patienten mit klinisch relevantem angeborenem Antithrombinmangel bisher nicht vor. Die Gabe von Antithrombinkonzentraten bei Patienten mit Antithrombinmangel und akuten Ereignissen (7 s. oben) erscheint trotzdem sinnvoll, da durch rasche Anhebung der Antithrombinaktivität im Plasma auf Normwerte (über 80 %) bei gleichzeitigem Beginn einer Heparintherapie eine schnelle antikoagulatorische Wirkung erreicht werden kann. Als Initialdosis werden ca. 40 IE/kgKG empfohlen. Die weiteren Dosierungen in 12- bis 24-stündigen Intervallen müssen sich nach dem Talwert (Antithrombinwert vor der nächsten Gabe) richten, der nicht unter 70–75 % fallen sollte. Da bei akuten thromboembolischen Ereignissen und unter Heparintherapie die Wiederfindungsrate und die biologische Halbwertszeit kürzer sind, muss dies bei der Dosierung berücksichtigt werden. 5 Das postoperative Thromboserisiko bei Patienten mit Antithrombinmangel Typ I, IIa und IIb und homozygoter Form des Subtyps IIc ist wahrschinlich sehr hoch. Retrospektive Studien ergaben, dass ohne Thromboseprophylaxe bei einem Drittel der Patienten eine thromboembolische Komplikation auftrat, prospektive Daten sind allerdings nicht verfügbar. Bei Patienten mit bekanntem Antithrombinmangel und einer Familienanamnese, die hinsichtlich thromboembolischer Manifestationen positiv ist, sollte ab dem 14. Lebensjahr eine Thromboseprophylaxe in Betracht gezogen werden. In der Regel wird man derzeit noch niedermolekulares Heparin verabreichen. Speziell beim Antithrombinmangel könnten die neuen Antikoagulanzien aber eine besondere Bedeutung erlangen, da diese direkt gegen die Faktoren X oder II gerichtet sind und deren Wirkung nicht über Antithrombin vermittelt wird. Obwohl es bereits zahlreiche Fallberichte zur erfolgreichen Anwendung von Antithrombinkonzentraten bei perioperativer Thromboseprophylaxe gibt, ist dennoch die Zahl der Fälle zu klein, um weitreichende Schlüsse daraus zu ziehen. Unseres Erachtens sollte bei gesichertem Antithrombinmangel Typ I, IIa und IIb der Plasmaantithrombinspiegel mit Antithrombinkonzentraten in den unteren Normalbereich angehoben und gleichzeitig mit einer Heparintherapie in üblicher Dosierung begonnen werden. Das Therapieregime entspricht dem bei akuten thromboembolischen Komplikationen (7 s. oben). Wahrscheinlich genügt es, die Substitutionstherapie am Operationstag zu beginnen, was aber bisher nicht durch eine Studie belegt werden konnte. Bei Patienten ohne persönliche oder familiäre Thromboseanamnese, bei denen zufällig präoperativ eine verminderte Antithrombinaktivität festgestellt wurde, besteht zunächst keine Indikation zur Antithrombinsubstitution. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es sich um den klinisch nicht relevanten heterozygoten Typ IIc handelt und die Thromboseprophylaxe entsprechend den Guidelines ausreichend ist. 5 Schwangere Frauen mit einem angeborenen Antithrombinmangel haben ein hohes Risiko für schwerwiegende und lebensbedrohliche thromboembolische Ereignisse, deren Häufigkeit ohne Therapie mit 37–70 % angegeben wird [8]. Da die Thrombosen oft bereits im 1. Trimenon auftreten, ist nach
allgemein akzeptierter Meinung bei diesen Patientinnen eine Thromboseprophylaxe angezeigt, sobald die Schwangerschaft festgestellt wird. Die umfangreichsten Erfahrungen bestehen bisher mit der Heparintherapie, die während der gesamten Schwangerschaft durchgeführt werden sollte in einer Dosierung, die zu einer 1,5-fachen Verlängerung der aPTT 3–6 h nach der letzten Heparingabe führt. Mit dieser Prophylaxe traten allerdings immer noch bei 4 von 23 Schwangerschaften unter alleiniger Heparinbehandlung Thrombosen auf. Diese Zahl ist hoch im Vergleich zur Zahl der Thrombosen bei Frauen mit anderen thrombophilen Störungen [3]. Nach anderen Autoren erhielten Patientinnen mit Antithrombinmangel im 1. Trimenon Heparin und wurden im 2. Trimenon bis 2–4 Wochen vor der Geburt auf orale Antikoagulanzien umgestellt, ohne dass Thrombosen beobachtet wurden. Nur einige wenige Frauen erhielten in den letzten Schwangerschaftswochen Antithrombinkonzentrate, ohne dass Thrombosen auftraten. Die Autorin hat selbst Erfahrungen mit Schwangerschaften bei einer Reihe von Patientinnen mit Antithrombinmangel Typ I und Thrombosen in der Vorgeschichte, die unter einer Dauerprophylaxe mit niedermolekularem Heparin thrombosefrei blieben. In einer prospektiven Studie wurden Frauen mit Antithrombinmangel mit therapeutischen oder halbtherapeutischen Dosen von Dalteparin während der Schwangerschaft behandelt, und 5 von 6 Frauen blieben rezidivfrei [3]. All diese Berichte zusammen erlauben den Schluss, dass eine regelmäßige Substitutionstherapie in der Schwangerschaft nicht notwendig ist, dass aber auch in neueren Studien der Antithrombinmangel mit einem hohen schwangerschaftsassoziierten Thromboserisisko einhergeht. 5 Eine Sonderstellung nimmt die unmittelbare Nachgeburtsperiode bei Frauen mit angeborenem Antithrombinmangel ein. In dieser Zeit ist das Thromboserisiko besonders hoch, tödliche Lungenembolien wurden beschrieben. In den meisten Fallberichten, in denen das Therapieregime angegeben ist, wurden Antithrombinkonzentrate zusammen mit mittleren Heparindosen (10.000–30.000 IE/Tag) verabreicht. Die mediane Anfangsdosis von Antithrombin betrug 40 IE/Tag. Wahrscheinlich ist die Weiterführung einer Substitutionstherapie über einen Zeitraum von 5–10 Tagen sinnvoll, bis die Patientin mit oralen Antikoagulanzien wieder den therapeutischen Bereich erreicht hat. 5 Bei reifen Neugeborenen ist die Antithrombinaktivität auf ca. 50 % und bei Frühgeborenen auf ca. 35 % des Normalwerts vermindert. Bei Neugeborenen mit Antithrombinmangel wurden unmittelbar nach der Geburt Werte von nur 2 % gemessen. In einer Reihe von Fallberichten wurde über schwere thrombotische Komplikationen mit hoher Mortalitätsrate bei Säuglingen mit sicherem oder wahrscheinlichem hereditärem Antithrombinmangel berichtet. Unseres Erachtens ist deshalb bei Neugeborenen oder Kindern, bei denen thromboembolische Komplikationen aufgetreten sind und die Werte der Antithrombinaktivität unter dem Normalbereich für das jeweilige Alter liegen und somit der Verdacht auf einen hereditären Antithrombinmangel besteht, eine großzügige, aber zeitlich auf die akute Situation beschränkte Substitutionstherapie mit Antithrombinkonzentraten zu überlegen. Eine besonders gefährdete Gruppe stellen Kinder mit homozygotem Antithrombinmangel Typ IIc dar, deren Antithrombinspiegel bei ca. 20 % oder darunter liegt [14]. Diese Kinder haben neben einem
27.4 • Therapie angeborener und erworbener thrombophiler Störungen
hohen Risiko für Venenthrombosen auch ein erhöhtes Risiko für ischämische Insulte.
Substitution mit Antithrombinkonzentraten bei Patienten mit erworbenem Antithrombinmangel Antithrombin wird, ebenso wie die meisten anderen Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren, in der Leber gebildet. Eine Verminderung der Antithrombinaktivität verläuft im Wesentlichen der Erniedrigung der anderen Gerinnungsfaktoren parallel. Die Substitution mit Antithrombinkonzentraten wurde bei einer Vielzahl von Erkrankungen versucht. Dies trifft insbesondere für Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen wie z. B. einer dekompensierten Leberzirrhose zu, bei denen das Risiko einer DIC deutlich gesteigert ist. Erfahrungsberichte liegen v. a. für 3 spezifische klinische Situationen vor: die Operation eines Le-Veen-Shunts, das akute Leberzellversagen [15] und die Lebertransplantation [2]. Bei keiner dieser Erkrankungen ließ sich ein eindeutiger Vorteil nachweisen für die Patienten, die mit Antithrombinkonzentraten behandelt worden waren. Auch Patienten mit nephrotischem Syndrom, bei denen ein erhöhtes Thromboembolierisiko besteht, das wenigstens z. T. auf den Verlust der Antithrombinaktivität über die Nieren zurückgeführt wird, ließ sich kein positiver Effekt der Gabe von Antithrombinkonzentraten belegen. Eine weitere sinnvolle Indikation für eine Antithrombintherapie schien anfangs bei Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie gegeben, die mit Asparaginase behandelt wurden, und bei denen in etwa 5 % der Fälle thromboembolische Komplikationen auftreten. Im Gegensatz zu den Erwartungen ließ sich auch bei dieser Patientengruppe eine Wirksamkeit von Antithrombinkonzentraten nicht feststellen. Auch bei Patienten mit septischem Schock und Multiorganversagen auf der Basis einer DIC wurden Antithrombinkonzentrate vielfach eingesetzt [12]. Obwohl über positive Erfahrungen aufgrund von Fallberichten und unkontrollierten klinischen Studien immer wieder berichtet wurde, konnte in einer großen, prospektiv randomisierten und placebokontrollierten Studie kein Überlebensvorteil für die mit Antithrombinkonzentraten behandelten Patienten nachgewiesen werden [30]. Somit muss zusammenfassend festgestellt werden, dass – ohne Berücksichtigung möglicher Einschränkungen im Einzelfall – es bisher keine gesicherte Indikation für Antithrombinkonzentrate bei Patienten mit erworbenem Antithrombinmangel gibt [7][16][30].
27.4.2
Substitution bei Patienten mit Protein-C-Mangel
Präparate Derzeit stehen für die Therapie ein aus Humanplasma gewonnenes Präparat und ein rekombinantes Produkt zur Verfügung (7 Kap. 19).
Pharmakokinetik, biologische Halbwertszeit Die Recovery für humanes Protein C wird mit 44 %, die biologische Halbwertszeit mit 4,2–8,3 h angegeben. Nach Infusion von ProteinC-Konzentrat wurde ebenfalls ein biexponenzieller Kurvenverlauf mit einer raschen, initialen (2–6 h) und einer langsameren zweiten Phase (11 h) gemessen.
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Substitution bei Patienten mit angeborenem Protein-C-Mangel Seit Anfang der 1980er Jahre ist bekannt, dass Kinder mit schwerem, homozygotem Protein-C-Mangel unter Substitutionstherapie überleben können. Zunächst wurde die Behandlung mit Frischplasma, später mit Prothrombinkomplexpräparaten (7 Kap. 19) durchgeführt. Heute kommen Protein-C-Konzentrate zur Anwendung. Die umfangreichsten Erfahrungen bestehen mit einem humanem Protein-C-Konzentrat (Ceprotin, Baxter), das bereits in vielen Ländern zugelassen ist und mit dem inzwischen zahlreiche Kinder erfolgreich behandelt wurden, teilweise auch bei subkutaner Applikation [26]. Bei allen Kindern ließ sich in der akuten Phase ein Fortschreiten der Hautläsionen verhindern, die DIC und die Thrombophilie bildeten sich zurück [9]. Nach einer 1- bis 15-monatigen Behandlungsdauer mit täglichen Infusionen von Protein-C-Konzentraten wurde bei 6 Patienten eine orale Antikoagulanzientherapie eingeleitet, die wegen rezidivierender Thrombosen bzw. Purpura fulminans durch Gabe von Protein-C-Konzentraten ergänzt werden musste. Als Therapieschema wurden in der akuten Initialphase zunächst ca. 40 IE/kgKG alle 6 h verabreicht. Sobald sich die klinische Situation stabilisiert hatte, waren nur noch etwa 40–100 IE/kgKG und Tag erforderlich. Für die Langzeittherapie werden orale Antikoagulanzien verwendet. Trotz der insgesamt begrenzten Anzahl von Patienten mit homozygotem Protein-C-Mangel, die bisher behandelt wurden, gilt die Substitutionstherapie mit Protein-C-Konzentraten als sehr wirksame Behandlungsform. Bei Patienten mit heterozygotem Protein-C-Mangel sind Heparin und orale Antikoagulanzien gut wirksam und stellen die Medikamente der 1. Wahl dar.
Substitution bei Patienten mit erworbenem Protein-C-Mangel 5 Beträchtlich verminderte Protein-C-Werte werden bei der DIC infolge einer Meningokokkensepsis und der Purpura fulminans gefunden. Es erschien daher folgerichtig, Patienten mit derartigen Krankheitsbildern mit Protein-C-Konzentraten zu behandeln. Inzwischen liegen Erfahrungsberichte verschiedener Arbeitsgruppen mit humanem Protein-C-Konzentrat vor [10][13][25][27][31]. Als Initialdosis wurden meistens 100 IE/ kgKG verabreicht. Anschließend wurden Protein-C-Konzentrate entweder als Bolus in 4-stündigem Abstand oder als Dauerinfusion in einer solchen Dosierung gegeben, dass die Plasmaspiegel von Protein C sich im Normbereich (80–120 %) hielten. Im Vergleich zu einem historischen Kollektiv waren die Mortalitätsrate und die Häufigkeit von Amputationen geringer [31]. Inzwischen wurden auch vorläufige Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie mit verschiedenen Dosierungen als »letter« vorgelegt [13], eine abschließende Therapieempfehlung kann aber noch nicht gegeben werden. 5 Bernard et al. [5] berichteten, dass die Behandlung von Sepsispatienten mit rekombinantem, aktiviertem Protein C zu einem verminderten Mortalitätsrisiko geführt hat. In Verbindung mit Heparin war jedoch auch die Blutungsneigung verstärkt. In einer kritischen Betrachtung erachten Levi et al. [18] in einem Konsensus über die Behandlung von Sepsispatienten das aktivierte Protein-C-Konzentrat als mögliche Therapiealternative bei schwerer Sepsis und DIC. Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko, z. B. Thrombopenie, sollten jedoch das Präparat nicht erhalten.
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Kapitel 27 • Thrombophile Gerinnungsstörungen
Eine abschließende Stellungnahme zu den bisherigen Erfahrungen mit Protein-C-Konzentraten bei erworbenem Protein-C-Mangel durch Sepsis oder Purpura fulminans ist bisher nicht möglich. 5 Verschiedene Fallberichte deuten darauf hin, dass ein schwerer, erworbener, aber transienter Protein-C-Mangel durch Autoantikörper sowohl im Zusammenhang mit einer Begleiterkrankung, wie einem multiplen Myelom, einer Varizelleninfektion oder einem Lupus-Antikoagulans, als auch ohne Begleiterkrankung auftreten kann. Die beschriebenen Krankheitsbilder glichen dem eines homozygoten Protein-C-Mangels. Trotz der mitgeteilten Therapieerfolge durch Protein-C-Substitution ist eine klare Indikation bisher nicht gegeben. 5 Verminderte Protein-C-Spiegel im Plasma von Neugeborenen, bei Patienten nach Knochenmarktransplantation und während Asparaginasetherapie wurden in einzelnen Fällen erfolgreich mit Protein-C-Substitution behandelt. Eine Therapieempfehlung ist bisher nicht möglich.
27.4.3
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Kumarinnekrosen
Kumarinnekrosen sind eine seltene Komplikation bei Patienten, die mit oralen Antikoagulanzien vom Kumarintyp behandelt werden. Es handelt sich um sehr schmerzhafte, akut zwischen dem 4. und dem 14. Tag nach Therapiebeginn auftretende, z. T. massive und ausgedehnte Nekrosen der Haut und des subkutanen Gewebes. Die Ursache ist unbekannt. Es wird aber angenommen, dass ein Zusammenhang mit dem Absinken des Protein-C-Spiegels im Blut besteht. Ebenso wie die anderen Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sinken die Werte von Protein C und Protein S unter oraler Antikoagulation ab. Der Spiegel von Protein C fällt jedoch wegen dessen kurzer Halbwertszeit von 6–8 h schneller ab als der der Faktoren II, VII, IX und X. Aus der sich daraus ergebenden Diskrepanz zugunsten einer Hyperkoagulabilität erklärt man sich das Auftreten von Kumarinnekrosen. Diese Diskrepanz zwischen Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren ist – wegen des bereits initial verringerten Protein-C-Werts – bei Patienten mit Protein-C-Mangel besonders ausgeprägt. Dies ist die rationale Begründung für Therapieversuche von Kumarinnekrosen mit Protein-C-Konzentraten. Nach den vorliegenden Berichten kam es bei den wenigen bisher behandelten Patienten unter Substitution zu keinen weiteren Nekrosen, und die Nekrosen sollen schneller als bei unbehandelten Patienten abgeheilt sein [28]. Protein-C-Konzentrat wurde auch als Prophylaxe bei Beginn einer antikoagulatorischen Therapie verabreicht. Aus diesen anekdotischen Mitteilungen kann bisher keine Indikation von Protein C bei Kumarinnekrosen abgeleitet werden. Wegen der Seltenheit dieser Fälle dürfte allerdings eine kontrollierte Studie kaum zu realisieren sein. Wenn überhaupt, dann dürfte ein Erfolg einer Protein-C-Infusion am ehesten bei sehr frühzeitig gestellter Diagnose zu erwarten sein. An eine Kumarinnekrose wird aber in aller Regel erst gedacht, wenn sich das Vollbild der Hautnekrose entwickelt hat. Wegen der Seltenheit dieser Fälle dürfte eine kontrollierte Studie zur Etablierung einer Standardtherapie kaum zu realisieren sein. Die beste Prophylaxe einer Kumarinnekrose ist nach Ansicht der Autorin eine zurückhaltende Dosierung am Beginn einer Therapie unter Vermeidung hoher Loading-Dosen sowie häufige Kontrollen der Prothrombinzeit, um eine initiale Überdosierung zu vermeiden.
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381
27
383
Therapie mit Albumin J. Stange
28.1
Funktion – 384
28.1.1 28.1.2 28.1.3
Kolloidonkotischer Druck – 384 Transportfunktionen – 384 Antioxidative Wirkung – 384
28.2
Pathophysiologie: Hypoalbuminämien – 384
28.2.1 28.2.2
Synthesestörungen – 384 Vermehrter Albuminabbau bzw. Verlust – 385
28.3
Therapeutischer Einsatz – 385
28.3.1 28.3.2 28.3.3
Volumenersatzmittel – 385 Kardiochirurgie – 386 Schwere Lungenfunktionsstörungen auf der Intensivstation: Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) und Acute Lung Injury (ALI) – 386 Albumin bei der Schlaganfalltherapie – 386 Albumin zur Prävention des schweren ovariellen Hyperstimulationssyndroms (OHSS) – 386 Volumenexpansion mit Albumin bei Kindern mit Malaria – 386 Anwendungen in der extrakorporalen Blutreinigung und Albumindialyse – 386
28.3.4 28.3.5 28.3.6 28.3.7
28.4
Zusammenfassende klinische Bewertung und weitere Aussichten – 387 Literatur – 387
28
384
Kapitel 28 • Therapie mit Albumin
Albumin ist das Protein mit der höchsten Konzentration im Blutplasma (42±3,5 g/l) [20]. Hauptort der Synthese sind die Hepatozyten der Leber, wobei der wesentliche Impuls zur Expression von einem erniedrigten kolloidonkotischen Druck ausgeht. Humanes Serumalbumin besteht aus 585 Aminosäuren und hat ein Molekulargewicht von etwa 66.500 Dalton. Während seiner Lebensdauer, die beim Gesunden etwa 27 Tage beträgt, was einer täglichen Erneuerungsrate von ungefähr 4 % entspricht, zirkuliert ein Albuminmolekül etwa 15.000mal durch den Körper. Bei einem 70 kg schweren Patienten liegen zirka 118 g Albumin intravasal und 242 g extravasal vor, sodass entsprechend dem Umsatz ungefähr 13 g der täglichen Synthese bzw. dem Abbau unterliegen. Die Entfernung aus der Zirkulation geschieht entweder durch rezeptorvermittelte Transzytose von nativem, also unverändertem Albumin oder durch Elimination von strukturell denaturiertem Albumin – das im Laufe der Zirkulation durch Oxidation, Glykolysierung o. ä. verändert wurde – mit Hilfe des »albumin scavenger receptor glycoprotein«.
28
Ein Teil (etwa 1,5 g/Tag) des nicht intrazellulär abgebauten Albumins wird durch den glomerulären Filter der Nephrone in den Primärharn ausgeschieden, dann jedoch vollständig durch Proteasen der Tubuluszellen gespalten, wonach die Metabolite reabsorbiert werden. Daher findet sich im Endharn des Gesunden normalerweise kein Albumin. Obwohl der Abbau durch die Nieren von hoher Bedeutung ist, sind auch viele andere Körperzellen in der Lage, Albumin durch Pinozytose aufzunehmen und zu metabolisieren. Zudem findet sich Albumin auch im Gallensaft und in der Darmflüssigkeit [21].
28.1
Funktion
28.1.1
Kolloidonkotischer Druck
Die Aufnahme- und Transportfunktion für Fettsäuren hat metabolische Bedeutung. Albumin kann nicht nur die Lipoproteinlipase im Fettgewebe stimulieren, sondern auch den Prostaglandinstoffwechsel zugunsten des Lipooxygenasestoffwechselweges beeinflussen. Als Transportprotein zweiter Wahl agiert Albumin für einige Hormone, wie z. B. Thyroxin und Steroide. Auch physiologisch bedeutsame Ionen, wie z. B. Calciumionen, werden durch Albumin transportiert. Schwermetalle, wie Kupfer, Cobalt und Nickel binden am N-terminalen Ende des Albumins. Durch seine Fähigkeit, toxische Abbauprodukte zu binden, ist Albumin auch ein sehr wichtiger Puffer für solche Toxine. Durch die Bindung kann der freie, biologisch verfügbare und damit toxische Anteil niedrig gehalten werden. Obwohl ältere Literaturangaben belegen, dass der gestiegene freie Anteil bei verminderter Albuminbindung infolge Hypoalbuminämie oder Bindungsstörungen sofort durch vermehrte Ausscheidungsmechanismen kompensiert wird, ist bei Insuffizienz der Entgiftungsorgane, insbesondere der Leber und der Niere, ein erhöhter freier Anteil von Albumin-affinen Toxinen über längere Zeit nachgewiesen worden. Durch Untersuchungen mit spezifischen Bindungsstellenmarkern (Dansylsarkosin) konnte bei chronischen Lebererkrankungen eine prognostische Bedeutung der Albuminbindungsfähigkeit an der Benzodiazepinbindungsstelle nachgewiesen werden. Die beschriebenen Bindungsorte für physiologische endogene Komponenten sind auch gleichzeitig Zielort für zahlreiche Medikamente oder exogene Toxine. Daher sind z. B. auch die klassischen Bindungsorte I und II (nach Sudlow) entsprechend der bevorzugt bindenden Medikamente benannt worden (Warfarin- bzw. Benzodiazepinbindungsort) [21].
28.1.3 Durch seine ausgeprägte Fähigkeit zur Bindung von niedermolekularen Soluten ist Albumin das wichtigste Protein zur Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks. Obwohl es nur 60 % des Plasmaeiweißes ausmacht, ist es für ca. 80 % des kolloidonkotischen Druckes zuständig, weil es als Plasmaprotein bei relativ kleinem Molekulargewicht hoch konzentriert vorliegt und weil es eine hohe negative Nettoladung aufweist. Der bedeutende Beitrag zum kolloidonkotischen Druck ist somit eine Mischung aus dem van’t-Hoff-Druck und dem DonnanEffekt [21].
28.1.2
Transportfunktionen
Die Funktion des Albumins beim Transport endogener und exogener Substanzen ist umfangreich, sie wird durch seine 3-DomainenStruktur und die Flexibilität zur »Anpassung« an seine Liganden begünstigt. Die wichtigste endogene Substanzgruppe, die durch das Albumin gebunden wird, ist die der endogenen Anionen, zu denen auch freie, unveresterte Fettsäuren gehören. Zwischen 5 und 7 Bindungsstellen für Fettsäuren sind beschrieben, wobei eine Überlappung mit den beschriebenen Medikamentenbindungsstellen I und II nach Sudlow vermutet wird. Dabei ist die Geschwindigkeit des Transports der Fettsäuren, die durch das Albumin in der Zirkulation verteilt werden, sehr hoch. Innerhalb von nur 2 Minuten ist beim Gesunden zum Beispiel der gesamte intravaskuläre Pool Albumingebundener Fettsäuren komplett ausgetauscht.
Antioxidative Wirkung
Durch die Ausstattung mit reduzierenden Gruppen (z. B. SH-Gruppe am Cystein 34) und teils auch durch Liganden mit reduzierender Wirkung kann Albumin als Antioxidans wirken. Bemerkenswert ist, dass die SH-Gruppe am Cystein 34 auch den systemischen Transport von wirksamem Stickstoffmonoxid erlaubt [21]. 28.2
Pathophysiologie: Hypoalbuminämien
Hypoalbuminämien können Folge verminderter Synthese oder gesteigerten Verlustes bzw. beschleunigten Abbaus sein.
28.2.1
Synthesestörungen
Angeborene Synthesestörungen, wie die Analbuminämie, sind beim Menschen extrem selten und werden durch Überproduktionen anderer Serumproteine, wie z. B. Transferrin oder α1-Antitrypsin in den Hepatozyten kompensiert. Obwohl die Lebenserwartung oft herabgesetzt ist, sind die offensichtlichen klinischen Konsequenzen meist auf Hypotension und damit einhergehende Schwäche sowie ausgeprägte Fettstoffwechselstörungen – vereint mit Lipodystrophie – beschränkt. Studien der genetisch bedingten Analbuminämie der Ratte (Nagase-Rat) haben allerdings belegt, dass bei Auftritt von verschiedenen Stressfaktoren bzw. Komorbiditäten die Überlebensfähigkeit dramatisch eingeschränkt ist. Daraus wurde unter anderem die Schlussfolgerung gezogen, dass die Seltenheit dieser Konstellation beim Menschen
385
28.3 • Therapeutischer Einsatz
auch Konsequenz eines häufigen frühen bzw. intrauterinen Versterbens sein kann [21]. Krankheitsbedingte Synthesestörungen sind hingegen häufig. Dabei ist die Albuminsynthese in der Mehrzahl der beobachteten klinischen Fälle entweder infolge einer primären Lebererkrankung oder im Rahmen einer Akut-Phase-Reaktion vermindert. Auch bei anderen chronischen Erkrankungen, wie z. B. chronischer Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, konsumierenden Leiden und schwerer Mangelernährung, sind Hypoalbuminämien infolge verminderter Synthese möglich. Dabei handelt es sich allerdings häufig um Mischbilder aus verminderter Synthese und vermehrtem Abbau bzw. Verlust [20].
28
diesem Zusammenhang zitiert werden. Eine Cochrane-Metaanalyse von 1998 suggerierte nach Sichtung verschiedener kontrollierter Studien die Gefahr einer erhöhten Mortalität bei Patienten auf der Intensivstation, wenn Albumin als Plasmaersatzmittel eingesetzt wird, was auch anschließende Beobachtungsstudien zu belegen scheinen [17][26]. Im Rahmen einer anschließenden prospektiv randomisierten, kontrollierten Studie unter Einschluss von 7000 Patienten konnte dieser Verdacht jedoch ausgeräumt werden [7]. Albumin ist als Plasmaersatzmittel nicht mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. In welchen Subgruppen gute kontrollierte Daten vorliegen, die eine verbesserte therapeutische Wirkung zeigen, soll im Folgenden erörtert werden:
Refraktärer Ascites 28.2.2
Vermehrter Albuminabbau bzw. Verlust
Eine häufige Ursache von Albuminverlust ist das nephrotische Syndrom, bei dem durch krankheitsbedingt veränderte Nephrone die Selektivität bei der Harnbildung verloren geht. Bei schweren konsumierenden Leiden erfolgt eine verstärkte Aufnahme von Albumin durch Zellen. Schließlich sind Albuminverluste auch bei Darmerkrankungen möglich [20]. 28.3
Therapeutischer Einsatz
Die umfangreiche Forschungsarbeit bei der Entwicklung von Humanalbumin als Medikament wurde wesentlich durch den Bedarf nach einem logistisch unkomplizierten Blutvolumenersatzmittel im zweiten Weltkrieg vorangetrieben. Nachdem E. J. Cohn und sein Team die Kälte-Ethanolfraktionierung im Plasmafraktionierungslabor des Harvard-Instituts für physikalische Chemie entwickelt hatten, wurde 1940 Albumin als stabileres, weniger antigenes und weniger visköses Ersatzmittel als Plasma vom Subkommittee für Blutersatzmittel des Transfusionskommittees für die Versorgung der Soldaten ausgewählt. Nachdem initiale Versuche mit Rinderalbumin von schweren Transfusionsreaktionen begleitet wurden, konzentrierte man sich auf das humane Albumin aus Spenderplasma. So wurden erste Albumintransfusionen an sieben Schwerverwundeten des Angriffs auf Pearl Harbor vorgenommen. Da alle überlebten, entwickelte sich Albumin zu einem gefragten Volumenersatzmittel auf den Kriegsschauplätzen des 2. Weltkrieges und wurde später routinemäßig in Krankenhäusern eingesetzt [22]. Auch die grundlegenden Herstellungs-. Präparations- und Pasteurisierungsprozeduren, einschließlich der Anwendung von Stabilisatoren (Octanoat bzw. Caprylat und meist zusätzlich N-Acetyltryptophanat) gehen auf die 1940er Jahre zurück und haben sich bis heute im Kern nicht verändert. Die Masse des heute weltweit kommerziell angebotenen Albumins wird aus Spenderplasma isoliert, mit Stabilisatoren versetzt, pasteurisiert und in Endkonzentrationen zwischen 5 und 25 % angeboten. Neuartige Herstellungsverfahren, wie z. B. die biotechnologische Herstellung, stellen für den Routinebetrieb noch keine nennenswerte Quelle dar.
28.3.1
Volumenersatzmittel
Der Einsatz von Albumin als Volumenersatzmittel ist in der jüngeren Vergangenheit besonders unter dem Aspekt, dass es sich um ein relativ kostenintensives Volumenersatzmittel handelt und preiswertere synthetische Kolloide auf den Markt erhältlich sind, kritisch diskutiert worden. Zwei wesentliche Veröffentlichungen müssen in
Ascites, der nicht mehr auf eine medikamentöse Therapie reagiert, wird entsprechend den heutigen Leitlinien durch eine Ascitesdrainage behandelt. Bei Verzicht of kolloidosmotischen intravenösen Volumenersatz besteht dabei die Gefahr eines Postparazentesesyndroms, das durch eine Aktivierung der adrenergen Systeme auf über 50 % des Vorwertes (Plasmarenin) charakterisiert ist und mit einer rascheren Hospitalisierung und höherer Mortalität verbunden ist. In prospektiv randomiserten, kontrollierten Studien konnte die Überlegenheit der Albumintherapie gegenüber anderen Kolloidonkotika bewiesen werden [8]. Die führenden hepatologischen Fachgesellschaften empfehlen deshalb einen intravasalen Volumenersatz mit 8 g Albumin pro 1 l abgelassenem Ascites.
Spontan-bakterielle Peritonitis Seitdem eine prospektiv randomisierte, kontrollierte Studie den positiven Effekt einer zusätzlichen intravenösen Albumininfusion in Verbindung mit antibiotischer Behandlung zur Therapie der spontan-bakteriellen Peritonitis nachgewiesen hat, gilt die kombinierte Therapie von Antibiotikum mit Albumin nach den Leitlinien der einschlägigen hepatologischen Gesellschaften als Goldstandard. Sowohl die Inzidenz renaler Komplikationen als auch die Mortalität konnten damit reduziert werden [25]. Durch eine zusätzliche Arbeit von Fernandez et al., die zeigte, dass dieser Effekt nicht in gleicher Weise durch synthetische Kolloide erreichbar ist, wird diese Therapieempfehlung unterlegt [6].
Hepatorenales Syndrom Da die primäre Ursache des hepatorenalen Syndroms (HRS) nach der heute gültigen pathophysiologischen Definition in einer Umverteilung von Blutvolumen in das dilatierte Arteriolensystem des Splanchnikusgebietes liegt, was eine Aktivierung adrenerger Systeme und Minderperfusion der Nieren zur Folge hat, ist die Therapie mit Vasopressoren, idealerweise mit spezifischer Wirkung auf das Splanchnikusgebiet, Behandlungsstandard. Ortega et al. konnten in einer prospektiven kontrollierten Studie zeigen, dass die parallele Optimierung des intravasalen Volumens mit Albumin einen weiteren positiven Effekt auf die Nierenfunktion und damit die Mortalität des hepatorenalen Syndroms Typ 1 (rasch progressiver Mechanismus) hat [19]. Obwohl die Art des Vasopressors in verschiedenen Studien abweichend berichtet wird und alternativ zu Terlipressin auch Noradrenalin benutzt wurde [3], gehört die mit Vasopressoren kombinierte kolloidonkotische Infusionstherapie nach den Richtlinien der hepatologischen Gesellschaften zum Therapiestandard des HRS Typ 1 [27].
386
Kapitel 28 • Therapie mit Albumin
28.3.2
Kardiochirurgie
In einer Metaanalyse wurde eine Reihe von kontrollierten Studien untersucht, die das »Priming« kardiopulmonaler Bypassmaschinen entweder mit Albumin oder mit Kristalloiden verglichen haben. Die Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass die Anwendung von Albumin in Herz-Lungen-Maschinen vorteilhaft die Thrombozyten, den kolloidonkotischen Druck, die Flüssigkeitsbalance und das postoperative Gewichtsverhalten beeinflusst [23]. In einer prospektiven Studie kommen die Autoren zu dem Schluss, dass das »Priming« mit Albumin den postoperativen Blutverlust senkt [18]. Diese Schlussfolgerung wird unterstützt durch die Metaanalyse von de Jonge et al., in welcher ein ungünstiger Einfluss alternativer Kolloide auf die Gerinnung infolge unerwünschter Effekte auf den vonWillebrand-Faktor suggeriert wird [4]. Allerdings muss angemerkt werden, dass in einer prospektiven kontrollierten Studie im Vergleich zwischen Hydroxyethylstärke (HES), Albumin und Ringer-Laktat-Lösung als Priming-Fluid von Herz-Lungen-Maschinen zwar ein Vorteil von Kolloiden herausgearbeitet werden konnte, ein Unterschied zwischen HES und Albumin wurde aber nur laborchemisch, jedoch nicht klinisch dokumentiert [13].
28.3.3
28
Schwere Lungenfunktionsstörungen auf der Intensivstation: Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) und Acute Lung Injury (ALI)
In einer von Martin et al. veröffentlichten Studie wurden 40 beatmete Patienten mit ARDS oder ALI sowie Indikation zur diuretischen Therapie entweder mit oder ohne zusätzliches Albumin behandelt. Dabei wurden Patienten mit hemodynamischer Instabilität sowie mit Leber- und Nierenversagen ausgeschlossen. In dieser Population erschien die Kombination aus Albumin und Diuretika sicher und war mit verbesserter Oxygenierung und hämodynamischer Stabilität verbunden [16]. Dass ähnlich vorteilhafte Ergebnisse auch mit synthetischen kolloidosmotisch wirksamen Substanzen erreicht werden könnten, ist allerdings nicht ausgeschlossen. Korrekterweise muss auch bemerkt werden, dass aufgrund des relativ kleinen Patientenumfangs der Einsatz von Albumin mit diuretischer Therapie noch nicht als Standardmethode für beatmete Patienten mit ARDS oder ALI empfohlen werden kann. In einer von Dubois et al. publizierten Studie wurden 100 Patienten einer medizinisch-chirurgischen Intensivstation mit einem Serumalbuminwert unter 30 g/l randomisiert entweder einer Albumintherapie zur Anhebung über 30 g/l oder einer albuminfreien Infusionstherapie zugeordnet. Als Endpunkt wurde der »Sequential Organ Failure Assessment« (SOFA) Score über 7 Tage verfolgt, der ein Surrogatparameter für das Kurzeitüberleben auf Intensivstationen gilt. Auch in dieser Studie sind eine optimierte Hydratation und eine bessere Entwicklung des SOFA-Scores in der Albumingruppe berichtet worden [5].
28.3.4
Albumin bei der Schlaganfalltherapie
Nachdem sich Albumininfusionen in Tiermodellen des ischämischen Schlaganfalls als neuroprotektiv gezeigt hatten und Pilotstudien am Menschen mit Dosiseskalation die Sicherheit der Albumintherapie und eine mögliche Effektivität suggerierten, wird
gegenwärtig die Sicherheit und Effektivität im Rahmen der Studie »Albumin in Acute Stroke (ALIAS)« geprüft [9].
28.3.5
Albumin zur Prävention des schweren ovariellen Hyperstimulationssyndroms (OHSS)
Das OHSS ist ein Syndrom, das sich in zunehmendem Schweregrad manifestieren kann. Es umfasst eine deutliche Vergrößerung der Ovarien, hohe Sexualsteroidkonzentrationen im Serum und eine erhöhte vaskuläre Permeabilität, welche zu Flüssigkeitsansammlungen in den peritonealen, pleuralen und selten auch in den perikardialen Körperhöhlen führen kann. Entsprechend einer von der Cochrane-Gruppe veröffentlichten Metaanalyse konnte durch Verabreichung von Humanalbumin das OHSS signifikant reduziert werden [1]. 28.3.6
Volumenexpansion mit Albumin bei Kindern mit Malaria
In einer kleinen Gruppe hospitalisierter Kinder mit schwerer Malaria tropica – verursacht durch Plasmodium falciparum – und neurologischen Komplikationen konnte sich die intravenöse Albumintherapie gegenüber Gelofusine-Infusionen durch eine verbesserte Überlebensrate und vermindert schwere neurologische Ereignisse hervorheben [2].
28.3.7
Anwendungen in der extrakorporalen Blutreinigung und Albumindialyse
5 %iges Humanalbumin wird als Plasmaersatzmittel bei Plasmapheresen eingesetzt. Bestehen zusätzlich Blutungsrisiken, wird das Albumin teilweise oder ganz durch Plasma ersetzt. Die Anwendung richtet sich jedoch nach den Richtlinien der Fachgesellschaften zu entsprechenden Indikationen der Plasmapherese. Zunehmend akzeptierte Indikationsformen sind hierbei typische immunologisch vermittelte Autoimmunerkrankungen wie die akute Myasthenia gravis oder das Guillain-Barré-Syndrom [11]. Mit dem Nachweis der erhöhten Dialysierbarkeit albumingebundener Stoffe (z. B. Gallensäuren, Bilirubin usw.) unter Verwendung spezieller Membranen und albuminhaltigem Dialysat hat sich die Albumindialyse zudem einen Platz in der extrakorporalen Stabilisierung von Patienten im Leberversagen erarbeitet. Nach dem heutigen Informationsstand konnte durch die Albumindialyse in kontrollierten Studien die hämodynamische Stabilität erhöht [24], die Nierenfunktion stabilisiert [12] und die fortgeschrittene hepatische Enzephalopathie gelindert werden [10]. Das bedeutet eine Verbesserung von drei Surrogatparameter für eine Überlebensverlängerung. Ob sich die Überlebensvorteile auch in großen kontrollierten Studien belegen lassen, wird gegenwärtig noch geprüft. Klammt et al. haben laborchemisch den Effekt der Albumindialyse mit einer Verbesserung der Bindungskapazität des Patientenalbumins (ABiC) durch dessen Entgiftung begründet [15], ein Parameter, der auch für sich genommen ein Surrogatmarker für das Überleben zu sein scheint [14].
387
Literatur
28.4
Zusammenfassende klinische Bewertung und weitere Aussichten
Die oben zusammengefassten klinischen Bewertungen sind u. a. in dem American Thoracic Society Consensus Statement zusammengefasst und werden auch durch die europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften für Hepatologie vertreten. Zunächst kann man in Anbetracht aktueller prospektiv randomisierter Studien mit beträchtlichen Patientenzahlen davon ausgehen, dass es gegenwärtig keinen klaren Hinweis darauf gibt, dass Albumininfusionen im Vergleich zu anderen Volumensubstitutionsmitteln mit einer signifikant erhöhten Mortalität bei Patienten mit Volumenbedarf auf der Intensivstation einhergehen. Pathophysiologische Argumentationen, dass bei gestörter Endothelpermeabilität in den Lungenkapillaren Albumininfusionen sogar das ARDS verstärken können, sind jedenfalls nicht durch angemessene prospektiv randomisierte Studien mit suffizienter Fallzahlkalkulation belegt. Gleichfalls muss man kritisch anmerken, dass Berichte, die eine verbesserte Flüssigkeitshaushaltssteuerung durch Diuretika in Verbindung mit Albumininfusionen beinhalten, noch auf zu geringen Fallzahlen beruhen, als dass man die Albuminsubstitution als unumstritten bei Intensivpatienten mit Volumenbedarf ansehen kann. Übereinstimmung herrscht dagegen in der Ansicht, dass bei Komplikationen der portalen Hypertension, dem refraktären Ascites, der spontan-bakteriellen Peritonitis und dem hepatorenalen Syndrom Typ 1 die Anwendung von Albumin als Teil einer Kombinationstherapie indiziert ist. Es sollte aber darauf hingewiesen werden, dass das Humanalbumin in käuflichen Handelspräparaten durch den Präparationsprozess bedingt nicht die gleichen Eigenschaften aufweist wie das native Albumin im Organismus. Bedingt durch die Zugabe von Stabilisatoren enthalten alle Präparate mittelkettige Fettsäuren in einem molaren Verhältnis, das über 5:1 liegt. Die Überzahl der verfügbaren Präparate enthält zusätzlich den Tryptophan-Precursor N-Acetyltryptophanat in identischem Verhältnis. Nachdem diese Herstellungsrichtlinien aus der Zeit des zweiten Weltkrieges bei ungestörtem Metabolismus der entsprechenden Substanzen auch kein Risiko darstellen dürften, haben jüngere Untersuchungen gezeigt, dass bei Leberfunktionsstörungen die Halbwertszeit mittelkettiger Fettsäuren so verlängert ist, dass es zu signifikanten Spiegelerhöhungen der Stabilisatoren kommen kann. Diese wurden bei hochvolumigen intravenösen Albumininfusionen ebenso nachgewiesen wie bei Albumindialysen. Sie stehen dabei nicht nur der gewünschten Anhebung der Albuminbindungskapazität in vivo entgegen, sondern könnten nach neueren Litaraturangaben auch unerwünschte direkte Wirkungen auf die hämodynamische Stabilität, die Nierenfunktion und die Hirnfunktion ausüben, die den eigentlich positiven Effekten des Plasmaersatzmittels Albumin entgegenwirken könnten. Gegenwärtig werden klinische Studien durchgeführt, die ermitteln sollen, ob die Verabreichung Stabilisator-abgereicherter Albumine die therapeutische Wirksamkeit, besonders bei Patienten mit schweren metabolischen Einschränkungen, noch weiter optimieren kann.
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Kapitel 28 • Therapie mit Albumin
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389
Therapie mit Immunglobulinen U. Nydegger
29.1
Struktur und Funktion von Immunglobulinen – 390
29.2
Therapeutische Immunglobulinpräparate – 390
29.2.1 29.2.2
Allgemeines – 390 Immunglobulinpräparate – 391
29.3
Klinische Anwendung von Immunglobulinpräparaten – 392
29.3.1 29.3.2 29.3.3
Wirkungsmechanismen von Immunglobulinen – 392 Indikationen für Immunglobuline – 394 Sinnvolles Rezeptieren von Immunglobulinpräparaten – 399
29.4
Unerwünschte Wirkungen – 399 Literatur – 400
29
390
Kapitel 29 • Therapie mit Immunglobulinen
Immunglobuline (Antikörper) sind die Träger der spezifischen humoralen Immunität. Ihr vollständiges oder teilweises Fehlen kann zu Antikörpermangelsyndromen, Infektionskrankheiten und anderen Störungen der Immunantwort führen. Durch die Möglichkeit, Immunglobulinpräparate verschiedener Spezifität und Antikörperzusammensetzung aus menschlichem Spenderplasma zu gewinnen und diese in ausreichenden Mengen i. v. zu verabreichen, haben sich neue Therapieformen für einige Infektionserkrankungen und Antikörpermangelsyndrome eröffnet. Die Entdeckung der immunmodulatorischen Eigenschaften von Immunglobulinen ist die Grundlage für ihren Einsatz bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten.
29.1
29
Struktur und Funktion von Immunglobulinen
Struktur und Funktion von Immunglobulinen werden eingehend in 7 Kap. 5 abgehandelt. Hier seien lediglich die für die Therapie mit Immunglobulinen bedeutsamen Fakten zusammengestellt. Immunglobuline (humorale Antikörper) machen beim Erwachsenen etwa 20 % des Gesamtproteins im Plasma aus. Es sind glykosylierte Proteine mit Antikörperfunktion, die sich aufgrund ihrer physikochemischen Eigenschaften 5 Antikörperklassen zuordnen lassen (IgG, IgA, IgM, IgD, IgE) und die unterschiedliche Konzentrationen im Blut und in Körpersekreten haben. An die konstanten Domänen der schweren oder H-Ketten aller Immunglobuline, die J-Ketten und die sekretorischen Komponenten sind einfache oder komplexe Kohlenhydratseitenketten kovalent gebunden, deren Funktion noch nicht klar ist. Leichte Ketten sind nicht glykosysliert. Den für die funktionelle Leistung und für die Komplementaktivierungskapazität der Immunglobuline so wichtigen Glykosylierungsgrad lernt man gegenwärtig mittels MALDI-TOF-Methodik besser zu verstehen. Zudem ist es heute möglich, mittels moderner Laborinstrumente die Proteomkonstitution der Immunglobuline zu beobachten, was in näherer Zukunft zu einer engeren Definition der Immunkompetenz führen wird. Alle Antikörpermoleküle bestehen funktionell aus 2 Abschnitten: dem F(ab)2-Anteil und dem Fc-Anteil. Der bivalente F(ab)2-Teil bindet sich an die passenden antigenen Determinanten, der Fc-Teil ist an der Komplementaktivierung und der Phagozytose über FcRezeptoren beteiligt. Durch die Bindung von Antikörpern an Antigene, z. B. auf Mikroorganismen, kann es zur Behinderung der Flexibilität von Zellmembranen, einer Ablösung oder Internalisierung von Membranstrukturen, einer Störung der Anhaftung von Mikroorganismen durch Blockierung von Rezeptoren, einer Zellverklumpung, einer Neutralisierung von Enzymen und Toxinen u. a. m. kommen. Die Komplementaktivierung über den klassischen oder alternativen Weg führt zur Lyse oder Förderung der Phagozytose der betroffenen Antigene. Die antikörpervermittelte Phagozytose geschieht über die Fc-Rezeptoren auf Granulozyten und den Zellen des mono-/ histiozytären Systems. Alle 3 Systeme (Antikörper, Komplementsystem, phagozytierende Zellen) sind für ein intaktes Immunsystem unabdingbar; das Fehlen jedes einzelnen Systems führt zu je nach Defizienzgrad unterschiedlich schweren Immundefekten. Antikörper spielen eine wichtige Rolle in idiotypischen Regulationskreisen. Die Immunglobulinfraktion jedes gesunden Menschen enthält wahrscheinlich auch eine große Zahl von Antikörpern, die sich gegen sehr selten vorkommende (»private«) oder gegen häufig vorkommende (»öffentliche«) Antigene richten, die sich auf den Immunglobulinmolekülen selbst befinden. Sie sind Bestandteil des »idiotypischen Selbsterkennungssystems« (7 Kap. 5). Diese Erkennt-
nis stellt die Basis für die Anwendung von Immunglobulinen bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten dar (Übersicht bei [14]). IgG ist mit etwa 75 % (entsprechend 8–18 g/l) der Hauptbestandteil aller Immunglobuline im Serum von normalen Erwachsenen. Die relativen Konzentrationen der 4 IgG-Subklassen im Serum betragen etwa 60–70 % (IgG1), 14–20 % (IgG2), 4–8 % (IgG3) und 2–6 % (IgG4). Sie schwanken erheblich von Individuum zu Individuum. IgG wird durch einen Flip-Flop-Mechanismus von der Plazenta mütterlicherseits zum Kind befördert und kann dort die antikörperbedingte Schutzwirkung von Neugeborenen in den ersten Lebensmonaten absichern. Antigengebundene IgG-Moleküle können (mit Ausnahme von IgG4) Komplement über den klassischen Weg nach Bindung von C1q an die CH2-Domäne aktivieren. Die Opsonisierung und Phagozytose von IgG-beladenen Antigenen durch Makrophagen und andere Phagozyten erfolgt über verschiedene Fc-Rezeptoren, die IgG-Antikörper v. a. im Bereich der CH3-Domäne des Fc-Teils mit unterschiedlicher Affinität binden (Übersicht bei [18]). Angaben über die Verteilung, Halbwertszeit und die Abbaurate von IgG sind von den Messbedingungen abhängig. IgG befindet sich unter normalen Bedingungen zu je etwa der Hälfte im intra- und im extravasalen Kompartiment. Nach i.v.-Injektion von IgG stellt sich nach etwa 5 Tagen ein Gleichgewichtszustand her. Etwa 25–30 % des Plasma-IgG werden täglich zwischen den beiden Kompartimenten ausgetauscht. Die normale Halbwertszeit für IgG1, IgG2 und IgG4 wird mit etwa 3–5 Wochen, für IgG3 mit etwa 7 Tagen angegeben. Der Katabolismus von IgG ist abhängig von der Aktivität und der Expression von Fc-Rezeptoren im gesamten RES und von der Konzentration des IgG. Dementsprechend kann die Halbwertszeit bei Patienten mit Antikörpermangelsyndromen normal oder verlängert, bei Patienten mit einem gesteigerten Katabolismus, z. B. bei Sepsis oder schweren Verbrennungen, verkürzt sein. Stets muss im Auge behalten werden, dass trotz normaler Halbwertszeit und Serumkonzentration des Gesamt-IgG diejenigen Antikörper, die spezifisch gegen die aktuellen Infektionserreger oder ihre Produkte gerichtet sind, durch schnellen Verbrauch vermindert sein oder fehlen können. IgM ist ein großmolekulares Pentamer mit ~10 % Anteil an den Serumimmunglobulinen. Etwa 80 % des Gesamt-IgM befinden sich normalerweise im intravaskulären Raum, von dem 15–18 % täglich katabolisiert werden. Die Halbwertszeit von IgM ist mit 5 Tagen kürzer als die von IgG. IgM herrscht in der Frühphase der Antikörperantwort auf einen antigenen Stimulus vor. Zur IgM-Klasse gehören auch viele der sog. »natürlichen« Antikörper (z. B. des ABO-Blutgruppensystems). IgM-Moleküle sind besonders zur klassischen Aktivierung des Komplementsystems befähigt. IgA wird besonders in den B-Zellen des submukösen, lymphatischen Gewebes gebildet. Obwohl es nur etwa 10–15 % der Serumimmunglobuline ausmacht, hat es in Körpersekreten die höchste Konzentration. Die Halbwertszeit beträgt etwa 6 Tage. In sezernierter Form im Serum liegt es vorwiegend als Di- oder Trimer vor [38]. IgD und IgE spielen in der Substitutionstherapie bisher keine Rolle. 29.2
Therapeutische Immunglobulinpräparate
29.2.1
Allgemeines
Immunglobulinpräparate werden aus menschlichen Plasmapools unter Einhaltung der geltenden Vorschriften und Auflagen der zu-
391
29.2 • Therapeutische Immunglobulinpräparate
ständigen europäischen und nationalen Überwachungsbehörden hergestellt. Die Nomenklatur von Immunglobulinpräparaten ist nicht einheitlich. Sie werden nach ihrer Antikörperzusammensetzung und ihrer Applikationsart bezeichnet, die ihrerseits von dem Herstellungsverfahren abhängt. In Bezug auf die Antikörperzusammensetzung werden normale oder allgemeine Immunglobulinpräparate von spezifischen oder hyperimmunen Immunglobulinpräparaten unterschieden. Zwischen beiden Präparaten besteht kein prinzipieller Unterschied. Die normalen Immunglobuline werden aus dem Material von mindestens 1000 unausgewählten Plasmaspenden hergestellt (Europäisches Arzneibuch, 6. Ausgabe 2008) und enthalten somit das gesamte Antikörperrepertoire in einer gegebenen Normalbevölkerung, während Hyperimmunglobuline aus dem Plasma einer kleineren Zahl von Spendern hergestellt werden, die als Folge einer vorangegangenen Immunisierung höhere Antikörpertiter gegen ein bestimmtes Antigen (z. B. Hepatitis-B-Viren, Zytomegalieviren oder RHD) haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass spezielle Immunglobuline grundsätzlich höhere Titer gegen das angegebene Antigen enthielten als normale Immunglobuline. Auch in normalen Immunglobulinen werden solche Antikörperspezifitäten, die bei vielen Individuen vorkommen (z. B. gegen Zytomegalieviren), eine höhere Konzentration haben als solche, die sich nur bei wenigen Individuen finden und durch das Poolen ausverdünnt werden. In Bezug auf die Applikationsform werden Immunglobulinpräparate, die lediglich i. m. gegeben werden dürfen, von solchen unterschieden, die auch i. v. (oder s. c. oder intrathekal) verabreicht werden. Intramuskuläres normales Immunglobulin (auch als Standardimmunglobulin bezeichnet) ist das nach einer ersten Fraktionierung gewonnene Rohprodukt, das keinen weiteren Reinigungsschritten unterworfen wird und deshalb bei i.v.-Injektion zu schweren Reaktionen führen kann. Für intravenöses normales (allgemeines) Immunglobulin muss durch geeignete Versuche an Tieren und nach Auswertung der klinischen Studien nachgewiesen sein, dass sie bei i.v.-Anwendung keine vermeidbaren unerwünschten Wirkungen hervorrufen. Ziel aller Herstellungsverfahren ist es, ein optimales, weitgehend den natürlichen Verhältnissen angenähertes Präparat zu gewinnen, das möglichst wenig Aggregate oder Bruchstücke von Immunglobulinen enthält, dessen Subklassenzusammensetzung normal ist, das eine normale Halbwertszeit hat [2] und das hinsichtlich seiner Fähigkeit, Effektorfunktionen über seinen Fc-Teil auszuüben – v. a. Komplementaktivierung und Phagozytose-Induktion – voll funktionsfähig ist. Das Hauptproblem bei der Herstellung von Immunglobulinpräparaten sind die Veränderungen, die Immunglobuline als Folge einer Aggregatbildung erfahren. Normalerweise liegen im Körper zirkulierende Antikörper nur in monomerer, »inaktiver« Form vor. Durch die Bindung von Antikörpern an ihr Antigen kommt es jedoch zu einer Änderung ihrer molekularen Konfiguration (»Aktivierung«) und einer damit einhergehenden Vernetzung und Aggregatbildung der Immunglobuline. Ähnliche Veränderungen treten auch bei jeder Art von Plasmafraktionierung auf. Aufgrund ihrer hydrophoben Eigenschaft sind gereinigte Immunglobuline in wässrigen, eiweißarmen Lösungen gegenüber Kontakt mit fremden Oberflächen (z. B. Glas, partikelgefüllte Säulen) und mechanischen Manipulationen empfindlich und reagieren mit Aggregatbildung, d. h. Zusammenlagerung zu Di-, Tri-, Oligo- und Polymeren. Während Dimere noch reversibel und therapeutisch wirksam sein können, sind Oligo- und Polymere irreversibel; sie sind für
29
Nebenwirkungen verantwortlich [38]. Aggregierte IgG-Moleküle können ebenso wie Antigen-Antikörper-Komplexe (Synonym: Immunkomplexe) Komplement aktivieren. Aggregatbildung in Immunglobulinpräparaten ist deshalb an ihrer antikomplementären Aktivität bereits beim In-vitro-Test erkennbar. IgG-Aggregate waren früher die wichtigste Ursache von unerwünschten Wirkungen von Immunglobulinpräparaten.
29.2.2
Immunglobulinpräparate
Humanes Immunglobulin zur intramuskulären Anwendung (IMIG) Es muss eine Proteinkonzentration von 150–180 g/l mit einem Anteil von Immunglobulinen von >95 % enthalten. Mindestens ein bakterieller und ein viraler Antikörper, für die ein internationaler Standard oder ein Referenzpräparat zur Verfügung steht, müssen in einer gegenüber dem Ausgangsmaterial wenigstens um den Faktor 10 erhöhten Konzentration enthalten sein. IMIG liegt als 16 %ige, visköse Lösung vor. Es enthält außer monomerem IgG beträchtliche Mengen an IgA und IgM sowie polymere IgG-Aggregate. Die Halbwertszeit der in den Kreislauf übergetretenen IgG-Moleküle ist normal, ihre Fc-Funktion nicht beeinträchtigt. Dies gilt ebenfalls für die subkutane Administrationsform, die inzwischen zahlreichere Anhänger findet.
Humanes (allgemeines) Immunglobulin zur intravenösen Anwendung (IVIG) Anforderungen Mindestens 95 % des Gesamtproteins müssen Immunglobuline sein. Hiervon ausgenommen sind nur Präparate, die Albumin als Stabilisator enthalten. Der IgA-Gehalt einer 5 %igen Lösung sollte bei <0,1 mg/ml liegen. Der Anteil an IgG-Monomeren und -Dimeren muss mindestens 90 % betragen. Polymere und Aggregate dürfen maximal 3 % des Gesamtproteins ausmachen. Die Verteilung der IgG-Subklassen sollte definiert sein. Die Fc-Funktion der Immunglobuline muss intakt sein. Der Titer der Hämagglutinine Anti-A und Anti-B muss <1:64 liegen (besser noch tiefer, 7 Abschn. 29.4), die antikomplementäre Aktivität sollte weniger als 1,0 CH50 pro mg IgG und der Präkallikrein-Gehalt <35 IE/ml betragen. Bisher gibt es jedoch keine verbindlichen Regelungen in Bezug auf die funktionelle Unversehrtheit von Immunglobulinen und deren biologische Aktivität in vitro und in vivo. Infolge der Versorgungsengpässe und der Konkurrenz zwischen den Anbietern sollten aktualisierte Websites konsultiert werden, so z. B. www.pei.de, www.emea.europa.eu (im Suchfenster »ivig« eingeben). Kriterien, die diese Größen zu erfassen versuchen, sind: 5 Bestimmung des Antikörperspektrums und der Antikörpertiter: Allgemeine IgG-Präparate enthalten aufgrund des großen Plasmapools, der zu ihrer Herstellung verwendet wird, alle in der Herkunftsregion der Plasmaspender vorkommenden Antikörper gegen Infektionserreger, aber auch regulative Antikörper (Antiidiotypen) sowie natürlich vorkommende Autoantikörper. Die Antikörperkonzentrationen werden mithilfe internationaler Referenzpräparate (z. B. Masern, Poliomyelitis, Röteln, Pocken, Diphtherie, Streptolysin O, Staphylokokkenhämolysin α, Tetanustoxin u. a.) oder durch Titeranalyse bestimmt. Der Gehalt an viralen und bakteriellen Antikörpern ist für die meisten in Deutschland, Österreich und der Schweiz verwendeten IgG-Präparate vergleichbar. 5 Verteilung der IgG-Subklassen: Diese sollten nicht nur bezüglich ihres prozentualen Anteils am Gesamt-IgG normal sein,
392
5
5
5
29 5
Kapitel 29 • Therapie mit Immunglobulinen
sondern auch funktionell intakt sein. Ob der Verminderung von IgG3 in manchen Präparaten eine klinische Bedeutung zukommt, ist bisher unklar. Daten über die funktionellen Eigenschaften der IgG-Subklassen in IgG-Präparaten sind behördlich nicht vorgeschrieben, werden aber in Quervergleichsstudien oft angeführt. Bestimmung der antikomplementären Aktivität: Diese wird mittels Komplementbindungs- oder Lysetests mit Bakterien, Viren oder menschlichen Blutzellen durch die Fähigkeit von IgG-Molekülen, nach Bindung an ihr Antigen Komplement zu aktivieren, geprüft. Die Avidität der lytisch wirksamen Antikörper ist offenbar bei den meisten (wenn nicht allen) IgGPräparaten im Vergleich zu Normalserum herabgesetzt. Opsonisierung, Phagozytose und intrazelluläre Abtötung von Bakterien: Die meisten der in Europa auf dem Markt befindlichen Präparate besitzen opsonisierende bzw. bakterizide Aktivität und fördern die intrazelluläre Abtötung von Staphylokokken durch menschliche Granulozyten. Die Fc-R-vermittelte Rosettenbildung und Phagozytose von menschlichen Monozyten wird dagegen durch IgG-Präparate unterschiedlich gehemmt, wobei die mit besonders schonenden Verfahren hergestellten Produkte sich den enzymatisch behandelten oder chemisch modifizierten IgG-Präparaten als überlegen erwiesen. Welche Bedeutung derartige In-vitro-Befunde für die In-vivo-Wirksamkeit haben, wird kontrovers diskutiert. Halbwertszeit von IgG in vivo: Sie kann mittels Markierung mit radioaktiven Isotopen oder durch Quantifizierung spezifischer, nur im Präparat vorhandener Antikörper nach Infusion zum Patienten bestimmt werden. Die Halbwertszeit liegt nach Herstellerangaben für alle IVIG im Normbereich von 3–5 Wochen. Schutzwirkung von IgG gegenüber Infektionen und komplementvermitteltem Schock: Tierexperimentelle Daten, die die Schutzwirkung von IVIG bei letalen Infektionen mit verschiedenen Keimen und bei verschiedenen Tierspezies zeigen, liegen für praktisch alle auf dem Markt befindlichen Präparate vor. Eine vergleichende Bewertung ist aber wegen der unterschiedlichen experimentellen Bedingungen nicht möglich. Die Ergebnisse von zwei kontrollierten Studien belegen jedoch, dass im Mäusemodell der protektive Effekt von verschiedenen IVIG gegenüber einer Infektion mit Bordetella pertussis sowohl hinsichtlich der Überlebensrate als auch der Toxinneutralisierung von der Intaktheit des Fc-Fragments der Immunglobuline abhängt [25]. Ebenso konnte eine Schutzwirkung von IVIG gegenüber einer komplementvermittelten Schädigung der Epithelzellen in Lungenkapillaren beim experimentellen, antikörperbedingten Forssman-Schock des Meerschweinchens gezeigt werden.
Herstellungsverfahren Noch heute werden Immunglobulinpräparate mittels der traditionellen Ethanolfraktionierung in der Kälte nach Cohn aus der kryopräzipitatarmen Fraktion hergestellt und durch weitere Verfahrensschritte ergänzt, die eine Verbesserung der Verträglichkeit der Präparate und der Sicherheit gegenüber Infektionserregern zum Ziel haben (7 s. unten). Alternative oder komplementäre Verfahrensschritte für die Abtrennung des immerhin ein Fünftel sämtlicher Plasmaproteine darstellenden IgG von den übrigen Proteinen bestehen in chromatographischen Methoden durch Abtrennung des IgG aufgrund der Molekülgröße und/oder elektrischen Ladung sowie durch mögliche Zugabe von Caprylsäure. Alle für die Herstel-
lung von IVIG verwendeten Verfahren zielen darauf ab, die Bildung von IgG-Aggregaten zu verhindern bzw. gebildete, höhermolekulare Aggregate zu eliminieren. Außerdem wird durch geeignete Virusabreicherungs- bzw. Inaktivierungsverfahren sichergestellt, dass die Übertragung von Viruserkrankungen weitestgehend ausgeschlossen werden kann (7 Kap. 19). Prinzipiell werden folgende Verfahren unterschieden: enzymatische Behandlung, chemische Modifikationen von IgG, Ausfällung von IgG-Aggregaten mit Polyethylenglykol (PEG) oder Hydroxyethylstärke, chromatographische Trennverfahren und – je nach Hersteller – eine Kombination verschiedener Verfahren. Durch ein spezielles Verfahren (Behandlung der gelösten Fraktion III nach Kistler-Nitschmann mit Oktansäure und β-Propiolakton) wird ein IgM- und IgA-angereichertes Immunglobulinpräparat erhalten, das nach Herstellerangaben 76 % IgG und je 12 % IgM und IgA enthält. Eine ausführliche Zusammenstellung der gegenwärtig erhältlichen IVIG Präparate findet sich bei [26]. IVIG sind in gefriergetrocknetem Zustand oder als stabilisierte Lösungen verfügbar. Als Stabilisatoren finden u. a. Verwendung: Humanalbumin, verschiedene Zucker (Glucose, Saccharose, Sorbitol, Maltose) oder Aminosäuren (z. B. Glycin, Prolin) u. a. Unter geeigneten Bedingungen sind sie bis zu 3 Jahre lagerungsfähig. Lyophilisierte Produkte sind mit dem der Packung beigefügten Lösungsmittel wenn möglich auf die physiologische Osmolalität von 290–300 mosmol/kg (Menge der gelösten Teilchen pro kg Wasser) einzustellen, um die Nierenbelastung zu reduzieren. Dies stellt erhöhte Anforderungen an das Assistenzpersonal. Bei Patienten mit Diabetes mellitus muss der Glucose- oder Maltosegehalt der Lösungen berücksichtigt werden. Bei sorbitolhaltigen Präparaten ist an die Möglichkeit einer (seltenen) Fructoseintoleranz beim Patienten zu denken.
Spezifische Immunglobulinpräparate (Hyperimmunglobuline) Die zugelassenen spezifischen Immunglobulinpräparate sind je nach Herstellungsprozess für die i.m.- oder die i.v.-Injektion geeignet. Sie müssen die definierten Mindestanforderungen für die verschiedenen Hyperimmunglobuline erfüllen (. Tab. 29.1). Die Herstellerangaben sind zu berücksichtigen. 29.3
Klinische Anwendung von Immunglobulinpräparaten
Immunglobulinpräparate haben zwei grundsätzlich verschiedene Anwendungsgebiete: 1. Prophylaxe und Therapie von Infektionskrankheiten bei primärer und sekundärer Immundefizienz, 2. Behandlung von Erkrankungen, in deren Pathogenese (auto) immunologische Mechanismen gesichert sind oder vermutet werden (Immunmodulation).
29.3.1
Wirkungsmechanismen von Immunglobulinen
Wirkungsmechanismus bei Infektionskrankheiten Aufgrund des breiten Spektrums präformierter, z. T. hochaffiner und hochtitriger IgG-Antikörper in den Immunglobulinpräparaten gegen Mikroorganismen (Bakterien, Viren u. a.) und deren antigene Produkte werden im Blut und Gewebe des Patienten korpuskuläre
393
29.3 • Klinische Anwendung von Immunglobulinpräparaten
29
. Tab. 29.1 Die wichtigsten Hyperimmunglobuline und ihre Antikörpergehalte Präparat (Hersteller)
Angereicherte Spezifität gegen
Antikörpergehalt
Cytotect (Biotest)
Zytomegalievirus
50 E/ml
Tetanustoxin
125 IE/ml
Tetuman
(Bernaa)
Rabuman
(Bernaa)
Tollwutviren
150 IE/ml
Hepatect (Biotest)
Hepatitis-B-Virus
50 IE/ml
Rhophylac (CSL Behring)
Rhesus-D-Antigen
200 bzw. 300 μg/2 ml
Rhesonativ (Octapharma)
Rhesus-D-Antigen
625 I.U./ml
Varitect (Biotest)
Varicella-Zoster-Virus
25 IE/ml
a Auch
nach der Übernahme der Bernischen Firma Berna durch Crucell bleibt für die Präparatenamen das Suffix »Berna« bestehen.
Antigene opsoniert und durch Phagozytose beschleunigt eliminiert. Wird gleichzeitig das Komplementsystem aktiviert, können Membranstrukturen lysiert und/oder funktionell beeinträchtigt werden. Lösliche Antigene (z. B. Toxine), aber auch Viren werden neutralisiert und über die Bildung von Immunkomplexen im RES beseitigt. Die Aktivierung des Komplementsystems ihrerseits bewirkt über die Stimulation entsprechender Komplementrezeptoren nicht nur eine effizientere Phagozytose, sondern auch eine beschleunigte Wiederauflösung von (u. U. pathologisch wirksamen) Immunkomplexen. Schließlich spielt auch die Stimulation zellulärer Immunmechanismen durch Antikörper und/oder Komplementfaktoren (z. B. die Antikörper-vermittelte zelluläre Zytotoxizität) eine wichtige Rolle (7 Kap. 5).
Immunmodulatorische Mechanismen bei (Auto) immunkrankheiten Der Begriff Immunmodulation ist unscharf. Er steht für eine große Zahl von immunologisch fassbaren, unterschiedlichen Wirkungen von IVIG, die sich klinisch in einer Verbesserung bzw. Veränderung des Krankheitsbildes manifestieren können (Übersicht bei [18][30] [32]).
Effekte von intaktem, menschlichem IVIG in vitro 5 Hemmung der Fc-Rezeptor-vermittelten Phagozytose von Erythrozyten durch Monozyten und Granulozyten; 5 Bindung von aktivierten Komplementkomponenten C4b, C3b und C1q; 5 Verstärkung des physiologischen Abbaus von C3b in C3b(n)IgG-Komplexen; 5 Neutralisation von Zytokinen und Zytokinrezeptoren; 5 Hemmung der Zelladhäsion durch »natürliche« RGD (Buchstabencode für: Arginin-Glycin-Aspartic Acid)-Antikörper; 5 gesteigerte Bildung von Rezeptorantagonisten gegen Interleukine; 5 verminderte Präsentation von (Auto)Antigenen durch Antikörper gegen Membranmoleküle; 5 dendritische Zellen als Antigen-präsentiere Elemente werden instruiert; 5 Neutralisation von Superantigenen; 5 Induktion von Apoptose über den Fas-Weg; 5 Schutz der Oligodendroglia bei demyelinisierenden Autoimmunkrankheiten.
Wirkungen von hochdosiertem IVIG in vivo 5 Anstieg von IgM, Abfall von C4 im Serum; 5 Hemmung der Abbaurate von IgG-beladenen autologen Erythrozyten; 5 vergleichbare Wirksamkeit von IgG-Fc-Fragmenten auf den Thrombozytenanstieg bei verkürzter Wirkungsdauer; 5 Hemmung der Abbaurate im Experiment mit hitzedenaturierten autologen Erythrozyten; 5 Anstieg der Plasmakonzentrationen von IL-6, IL-8, und Tumornekrosefaktor (TNF); 5 Anstieg von löslichen Tumornekrosefaktor-Rezeptoren; 5 Anstieg von IL-1 und IL-1-Rezeptorantagonist. Im Tierversuch wurde außerdem nachgewiesen, dass humanes IVIG die Abbaurate von IgM-sensibilisierten Erythrozyten bei Meerschweinchen hemmt und den komplementvermittelten ForssmanSchock signifikant abschwächt. Autoreaktive B-Zellklone werden bei der Maus durch IVIG ausgeschaltet. Auch intensive Untersuchungen seit Erscheinen der letzten Auflage dieses Lehrbuchs haben die genauen immunmodulatorischen Wirkungsmechanismen, welche indikationsbezogen unterschiedlich sein können, noch nicht vollständig zu erklären vermocht [5] [6][7][8][18][30][34][37]. Aus praktisch-klinischer Sicht lassen sich die immunmodulatorischen Wirkungen in frühe, kurzanhaltende und späte, lang anhaltende unterteilen. 5 Zu den frühen, kurz anhaltenden Wirkungen werden die funktionelle Blockade von Fc-Rezeptoren auf Makrophagen, die Elimination von zirkulierenden Autoantikörpern durch antiidiotypische Antikörper, die Veränderungen in der Löslichkeit und der Eliminationsrate von Immunkomplexen, die Ausschaltung von Superantigenen und die Beeinflussung der Bildung und Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen und Zytokinantagonisten gerechnet. 5 Die späten, lang anhaltenden Wirkungen treten nach Wochen auf. Hierzu zählen die Unterdrückung der Antikörpersynthese durch Dämpfung von reaktiven B-Zell-Klonen und die Modulation der Graft-vs.-Host-Erkrankung durch Interaktion des IVIG mit CD4-Molekülen der T-Zellen und CD5-Molekülen der B-Lymphozyten.
394
Kapitel 29 • Therapie mit Immunglobulinen
29.3.2
Indikationen für Immunglobuline
Prophylaxe und Therapie von Infektionskrankheiten mit Hyperimmunglobulinen Weltweit sterben jährlich etwa 14 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten; jeden Tag sterben ungefähr 30.000 Kinder an vorsorglich vermeidbaren bzw. heilbaren Infektionskrankheiten. Diese von der WHO abgeschätzten Zahlen rufen Hygieniker, Infektiologen und Vakzinologen auf den Plan: Hyperimmunglobuline haben ihren Platz in der Postinfektionsprophylaxe sowie in der passiven Immunisierung.
Passive Immunisierung mit Hyperimmunglobulinen
29
Für eine dauerhafte und sichere Vorbeugung von Infektionskrankheiten ist immer eine aktive Immunisierung anzustreben. Nur wenn eine solche nicht möglich ist, die Immunisierung erfolglos war oder eine Exposition bereits vor Eintritt der Immunität stattgefunden hat, ist die passive Immunisierung gerechtfertigt. Nach Möglichkeit sollte diese mit einer aktiven Immunisierung gekoppelt werden (Simultanimpfung). Aktive und passive Immunisierung müssen jedoch am Körper an unterschiedlichen Stellen appliziert werden. Eine mögliche Abschwächung der aktiven Impfung durch die passiv übertragenen Antikörper ist zu berücksichtigen. Für die Postexpositionsprophylaxe laufen klinische Studien, miteingeschlossen die Applikation monoklonaler antiinfektiöser Antikörper. Für die Aktualisierung der Erkenntnisse in Vakzinologie mag www.advac. org konsultiert werden. Für die passive Immunisierung sind grundsätzlich spezifische Immunglobuline, die eine von den Herstellerfirmen deklarierte Konzentration eines spezifischen Antikörpers haben, zu bevorzugen. Die wichtigsten verfügbaren spezifischen Immunglobuline und ihre Antikörperkonzentrationen sind in . Tab. 29.1 zusammengestellt. Standardimmunglobulin sollte nur angewendet werden, wenn spezifische Immunglobuline nicht zur Verfügung stehen und seine Wirksamkeit gesichert oder wahrscheinlich ist. z Hepatitis A Eine aktive Immunsisierung ist heute anzustreben. Eine passive Immunisierung muss mit Standardimmunglobulin vorgenommen werden, weil ein spezifisches Immunglobulin nicht verfügbar ist. Sie ist indiziert bei allen Personen (v. a. Kindern) nach Kontakt mit akut Erkrankten. Neugeborene von Müttern mit Hepatitis A sind besonders gefährdet. Eine Immunglobulinprophylaxe erscheint bis zu mehreren Wochen nach Hepatitisexposition sinnvoll, aber nicht mehr nach Ausbruch der Erkrankung. Wahrscheinlich wird dadurch nur die Schwere des Krankheitsverlaufs und weniger die Infektionsrate als solche beeinflusst. Diese Indikation ist nicht zugelassen. Dosierung: 2–4 ml (400 IE) unmittelbar nach Exposition; evtl. Wiederholung nach 4–5 Monaten bei fortbestehender Exposition. z Hepatitis B Grundsätzlich ist eine Simultanimpfung zu empfehlen [13]. Hepatitis-B-Immunglobulin ist indiziert innerhalb von 48 h nach Exposition bei nichtgeimpften Personen, bei Personen, deren Immunstatus nicht bekannt ist oder bei solchen, deren Anti-HBs-Spiegel unter 10 IE/ml liegt. Ein gewisser Schutz oder wenigstens eine Verlängerung der Inkubationszeit ist noch bei einer Gabe des Immunglobulins bis zu 6 Tagen nach der Exposition möglich. Wenn keine Simultanimpfung gemacht wird, sollte die Immunglobulingabe nach 4 Wochen wiederholt werden. Eine Indikation ist weiterhin
gegeben bei Neugeborenen von HBs-Antigen-positiven Müttern und von Müttern, die eine Hepatitis-B-Infektion zwischen dem 2. Trimenon einer Schwangerschaft und dem 3. Monat des Puerperiums entwickeln. Bei Patienten, die keinen ausreichenden Antikörpertiter aufbauen können und bei denen die Infektionsgefahr fortbesteht (z. B. Dialysepatienten, leukämiekranke Kinder unter Chemotherapie), ist je nach Situation eine Dauerprophylaxe erforderlich. Bei Hepatitis-B-positiven Patienten kann nach Lebertransplantation eine Infektion des transplantierten Organs durch sehr hohe Dosen von i. v. zu verabreichendem Immunglobulin möglicherweise verhindert werden [24], wenn nicht bereits die Leberspender vorsensibilisiert wurden [31]. Dosierung: 12–20 IE/kgKG pro Injektion; bei Neugeborenen einmalig 200 IE (bei Simultanimpfung, sonst Wiederholung der Immunglobulingabe mit 5–10 IE nach 2, 4 und 6 Monaten); bei Dauerprophylaxe 10–15 IE/kgKG alle 3 Monate. z Tollwut Die passive Prophylaxe (immer in Kombination mit aktiver Impfung) ist angezeigt bei jeder Art von Kratz-, Biss- oder sonstigen Verletzungen durch tollwütige oder tollwutverdächtige Tiere oder beim Kontakt von Schleimhäuten mit deren Speichel, wenn in den letzten 5 Jahren keine ausreichende Immunisierung stattgefunden hat. Dosierung: 200 IE/kgKG. z Röteln Die Prophylaxe kann mit intravenös injizierbaren Immunglobulinpräparaten durchgeführt werden, die auf Rötelnantikörper standardisiert sind. Sie sollte auf schwangere Frauen im ersten Trimenon mit fehlender oder fraglicher Rötelnimmunität innerhalb von 5 Tagen nach Exposition beschränkt bleiben, wenn ein therapeutischer Abort nicht in Frage kommt. Obwohl die Wirkung von Rötelnimmunglobulin unsicher ist, sollten etwa 200.000 IE so früh wie möglich nach Exposition injiziert werden. Um den Erfolg der Rötelnprophylaxe beurteilen zu können, sind Rötelnantikörper vor und 1–3 Monate nach Immunglobulingabe zu bestimmen. Bleiben die Antikörper nicht nachweisbar, kann die Prophylaxe als erfolgreich angesehen werden. z Tetanus Bei aktiv immunisierten Patienten, deren Impfung nicht länger als 5–10 Jahre zurückliegt und bei denen früher ein ausreichender Impfschutz nachgewiesen wurde, genügt eine Auffrischungsimpfung. Auch bei nicht aktiv immunisierten Patienten oder bei solchen, deren aktive Impfung länger als 10 Jahre zurückliegt, reicht bei kleinen, sauberen Verletzungen eine aktive Immunisierung aus. Bei größeren Gewebsschäden und besonders tetanusgefährdenden Verletzungen und Verbrennungen (anaerobe Bedingungen) ist Tetanusimmunglobulin in einer Dosierung von 250–500 IE i. m. angezeigt. Dosierung: Bei manifester Tetanuserkrankung kann versucht werden, durch höchste Dosen von Tetanusimmunglobulin (5000– 10.000 IE am 1. und 3000 IE an den folgenden Tagen) freies Toxin zu neutralisieren. Erfolge wurden auch bei intrathekaler Anwendung beschrieben [1]. z Varizellen und Herpes zoster Eine Prophylaxe mit Varizellen-Zoster- (VZ-)Immunglobulin wird empfohlen:
29.3 • Klinische Anwendung von Immunglobulinpräparaten
5 bei Schwangeren ohne Varizellenanamnese bzw. ohne nachweisbare VZ-Antikörper, insbesondere in der 13.–20. Schwangerschaftswoche; 5 bei Neugeborenen, die Kontakt mit akut an Varizellen Erkrankten hatten oder deren Mütter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt an Varizellen oder Herpes zoster erkrankt sind; 5 bei immunsupprimierten Patienten, die unter einer Therapie mit Kortikosteroiden, Zytostatika, Immunsuppressiva oder Bestrahlungen stehen, da bei ihnen der Verlauf eines Herpes zoster oft besonders schwer ist und die Erkrankung zur Generalisierung neigt. Dosierung: mindestens 20 IE/kgKG, möglichst innerhalb von 3 Tagen nach Exposition. Die Schutzrate liegt zwar nur bei 70 %, der Krankheitsverlauf kann jedoch bei den meisten Patienten günstig beeinflusst werden. z Zytomegalievirus- (CMV-)Infektion CM-Viren sind opportunistische Keime, die nur bei immundefizienten Patienten zu schweren Krankheitserscheinungen, insbesondere interstitiellen Pneumonien, führen. CMV-Infektionen sind daher eine mögliche Todesursache bei Patienten nach Knochenmarkund Organtransplantationen. Aufgrund umfangreicher klinischer Studien wird deshalb eine supportive Therapie mit großen Dosen von i. v. zu verabreichenden Immunglobulinen (sowohl Hyperimmunglobuline als auch allgemeine IVIG) bei immundefizienten Patienten v. a. nach Knochenmarktransplantationen empfohlen. Dosierung: mindestens 100–200 IE/kgKG. z Masern Masern sind bei Kleinkindern, insbesondere bei bestehender Mangelernährung, eine lebensbedrohliche Erkrankung. Die in der Regel im 2. Lebensjahr durchgeführte aktive Schutzimpfung ist bei Kindern mit zellulärer oder kombinierter Immundefizienz und bei Kindern unter zytostatischer oder immunsuppressiver Therapie kontraindiziert. In diesen Fällen ist eine passive Immunisierung mit Standardimmunglobulin oder speziell auf Masernantikörper getesteten IVIG-Präparaten angezeigt (die Dosierung richtet sich nach dem deklarierten Antikörper-Gehalt). Eine Masernprophylaxe wird auch bei normalen, nichtimmunisierten Kindern unter einem Jahr empfohlen, die mit Masernkranken in Berührung gekommen sind (0,25 ml/kgKG). Ein protektiver Effekt des Immunglobulins kann innerhalb von 72 h nach Exposition erwartet werden. Wird das Immunglobulin später verabreicht, lässt sich die Erkrankung nicht mehr verhindern, sondern nur noch abschwächen. Diese Indikation ist nicht zugelassen. z Rhesus-Erythroblastose Zur Prophylaxe des Morbus haemolyticus durch Rhesus- (D-)Antikörper mit Anti-D-Immunglobulin 7 Kap. 31.
Immunglobulintherapie bei Patienten mit primärer Immundefizienz Gegenwärtig sind mehr als 100 Erkrankungen mit einer primären Immundefizienz bekannt [3]. Viele von ihnen betreffen auch das B-Zellsystem. Die klinisch bedeutsamsten humoralen Immundefekte sind: 5 X-chromosomale Agammaglobulinämie (Morbus Bruton), 5 autosomal-rezessiv vererbte Agammaglobulinämie, 5 Immungobulinmangel mit Vermehrung von IgM (Hyper-IgMSyndrom), 5 Deletionen von Heavy-chain-Genen der Immunglobuline,
395
29
5 γ-Ketten-Mangel, 5 IgA-Mangel, 5 selektiver Mangel von IgG-Subklassen (mit oder ohne IgAMangel), 5 variable Immundefektsyndrome (»common variable immunodeficiency«, CVID), 5 transitorische Hypogammaglobulinämie des Säuglings. Ein Teil der Patienten folgt einem bekannten Vererbungsmodus, bei anderen tritt die Erkrankung sporadisch auf. Ihre Inzidenz ist sehr unterschiedlich. Die häufigsten Erkrankungen sind der hereditäre IgA-Mangel, die variablen Immundefektsyndrome, die BrutonAgammaglobulinämie, das Hyper-IgM-Syndrom und der IgG-Subklassenmangel [3][19][29]. Die fehlende oder eingeschränkte Antikörperbildung gegen Mikroorganismen äußert sich bei den meisten Patienten in einer erhöhten Infektanfälligkeit. Primäre, humorale Immundefizienzen wie die Bruton-Agammaglobulinämie, kombinierte Immundefektsyndrome (»severe combined immunodeficiency syndrome«, SCID u. a.), die CVID und das Hyper-IgM-Syndrom sind die klassische Indikation für die Dauersubstitution mit Immunglobulinen [19]. Auch Patienten mit einem vorwiegenden IgA-Mangel werden gebessert. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass ein IgA-Mangel häufig mit einem Mangel an IgG-Subklassen vergesellschaftet ist oder dass eine abnorme Verteilung von IgG-Subklassenantikörpern gegen Polysaccharidantigene vorliegt. Bei anderen, selteneren Immundefektkrankheiten (WiskottAldrich-Syndrom, Ataxia teleangiectatica, Immundefekt mit kurzgliedrigem Zwergwuchs u. a.) und IgG-Subklassendefekten ist eine IgG-Substitution nur bei rezidivierenden, schweren Infektionen und bei nachgewiesen unzureichender Antikörperbildung nach Impfung (Diphtherie, Tetanus, Haemophilus-Influenza B, Pneumokokken) indiziert [6]. Immunglobuline werden bei diesen Patienten vorwiegend in Form von IVIG zugeführt. Es stehen spezielle Standardimmunglobuline für eine s.c.-Applikation zur Verfügung. Diese sind gut verträglich und lassen sich bei der Heim-Selbstbehandlung durch die Patienten besser handhaben. Ziel der Behandlung ist die Prävention von Infektionserkrankungen, v. a. die Vermeidung von chronischen Lungenaffektionen. Die Substitutionstherapie muss lebenslang fortgeführt werden. Die Wirksamkeit der Therapie lässt sich klinisch anhand des verbesserten Gesamtzustands, einer geringeren Anzahl von Fiebertagen und Infekten, selteneren Krankenhausaufenthalten und einem geringeren Antibiotikaverbrauch beurteilen. Je früher und konsequenter die Therapie v. a. bei Kindern einsetzt, desto besser ist der Erfolg. Die Dosierung von IgG, die erforderlich ist, um einen Patienten symptomfrei zu halten, hängt von der Schwere des Antikörpermangels und der Abbaurate des zugeführten IgG ab. Als Richtwert kann gelten, dass nach einer Infusion von 0,1 g/kgKG der IgG-Spiegel um etwa 2–2,5 g/l ansteigt. Obwohl es bisher keine prospektiven Dosisfindungsstudien gibt, werden höhere Dosen (0,4–0,6 g IgG/kgKG und Monat) allgemein als wirksamer angesehen als niedrigere. Zu Beginn der Behandlung wird zwischen einer Akkumulationsphase (in der der Serumspiegel des Patienten auf die gewünschte Höhe gebracht wird) und der anschließenden Erhaltungsphase unterschieden (. Abb. 29.1). Zur Überwachung der Serumspiegel sind laufende Bestimmungen der Serum-IgG-Spiegel jeweils vor der nächsten Infusion erforderlich. Nach Einschätzung der meisten Autoren sollte ein Basiswert von 5 g/l IgG nicht unterschritten werden. Dies lässt sich bei den meisten Patienten durch Zufuhr von 0,2 g IgG/kgKG im Abstand
396
Kapitel 29 • Therapie mit Immunglobulinen
Serum-IgG g/l
7,0 6,0 5,0 4,0 3,0
Akkumulationsphase
2,0
Erhaltungsphase
IgG-Infusionen von 0,3 g/kg
1,0
0
20
40
60
80
100 120 160
Tage
. Abb. 29.1 Darstellung der Substitutionsbehandlung bei einem Patienten mir Agammaglobulinämie. Verlauf der IgG-Serumkonzentrationen bei Infusionen von 0,3 g/kgKG eines Immunglobilinpräparates alle 3 Wochen. Punkte und durchgezogenen Linie: IgG-Spiegel in unmittelbar vor Infusion entnommenen Serumproben. Gestrichelte Linie: Anstieg nach Infusion und Verteilung des IgG in Körperkompartimenten. (Nach Morell, 1994)
29
von 2–3 Wochen erreichen. Bei besonders starker Infektanfälligkeit, bei Bronchiektasen und bei Verschlechterung der Lungenfunktion sollte die Dosis erhöht werden. Bei Kindern wird eine Anhebung der IgG-Werte in den subnormalen Bereich angestrebt. Wenn trotz adäquater IgG-Substitution die IgG-Spiegel nicht ausreichend ansteigen, ist an einen enteralen Verlust (der bei variablen Immundefektsyndromen nicht selten ist) oder einen gesteigerten Katabolismus zu denken.
Immunglobulintherapie bei Patienten mit sekundärer Immundefizienz Sekundäre Immundefizienzen sind komplexe immunologische Störungen, die alle Teile des Immunsystems betreffen können. Das T-Zellsystem ist wegen seiner Stoffwechselaktivität und seiner Anfälligkeit gegenüber metabolischen und endokrinen Einflüssen am häufigsten beteiligt. Obwohl das B-Zellsystem wegen der langen Lebenszeit von Immunglobulinen und dem großen Pool an Vorläufer-B-Zellen weitaus weniger anfällig ist, sind sekundäre Antikörpermangelsyndrome keineswegs selten. Sie treten im Gefolge zahlreicher Krankheitszustände auf (. Abb. 29.2). Die Ursachen einer humoralen Immundefizienz sind vielfältig: 5 starker Immunglobulinverlust, 5 gesteigerter Katabolismus von Immunglobulinen, 5 polyklonale B-Zellaktivierung, 5 maligne Erkrankungen des hämatopoetischen Systems und deren Behandlung, 5 maligne Erkrankungen des B-Zellsystems, 5 gesteigerte Aktivität von T-Suppressorzellen, 5 gestörte Funktion von T-Helferzellen, 5 Störungen bei der Antigenverarbeitung, 5 starker Verbrauch spezifischer Antikörper, 5 Synthesestörung von IgG-Antikörpern einzelner oder aller Subklassen, 5 Unreife des B-Zellsystems.
Von besonderer Bedeutung ist eine vorübergehende oder anhaltende Störung der Antikörpersynthese, wie sie bei Patienten mit malignen Erkrankungen des B-Zellsystems, v. a. bei malignen Lymphomen, bei chronisch lymphatischer Leukämie und multiplem Myleom, angetroffen wird. Häufig besteht sowohl eine Störung der primären als auch der anamnestischen Immunantwort, oft begleitet von einer Lymphopenie und einer Knochenmarkinfiltration. Daher lässt sich bei etwa der Hälfte aller Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie ein sekundäres Antikörpermangelsyndrom nachweisen. Klinisch wird ein sekundäres Antikörpermangelsyndrom angenommen, wenn bei einem IgG-Spiegel im Serum unter 2 g/l oder einer Verminderung der Gesamtimmunglobuline unter 4 g/l mindestens 3-mal im Jahr schwere, antibiotikapflichtige bakterielle Infektionen des Respirations-, Verdauungs- und/oder Harntrakts auftreten oder es zu einer gesicherten Sepsis kommt. Laborparameter, die für den Einsatz von IVIG sprechen, sind niedrige Antikörpertiter gegen ubiquitäre Antigene, eine unzureichende Antikörperbildung bzw. schnelles Verschwinden der Antikörper nach Vakzination und erniedrigte Antikörpertiter gegen Infektionserreger. Aber auch bei IgG1–4-Subklassendefekten, wo die Gesamtkonzentration der Immunglobuline durchaus im (unteren) Normbereich liegen kann und trotzdem eine klinisch erkennbare humorale Immundefizienz die meist jungen Erwachsenen infektanfällig macht, können IVIG indiziert sein. Ergänzende Laboruntersuchungen im spezialisierten Labor sind dann zur IgG-Subklassenbestimmung nötig. Die Indikation zur Immunglobulintherapie bei Patienten mit sekundärer Immundefizienz und manifesten Infektionen muss kritisch gestellt werden, da die klinische Wirksamkeit bei vielen Erkrankungen dieses Formenkreises nicht eindeutig gesichert ist, im Einzelfall aber durchaus erfolgreich sein kann, v. a. bei sekundärem Antikörpermangelsyndrom im Gefolge einer chronisch lymphatischen Leukämie oder eines multiplen Myeloms. Die prophylaktische Gabe wird kontrovers diskutiert. Bei Patienten nach allogenen Knochenmarktransplantationen oder Organtransplantationen lässt sich durch die prophylaktische Immunglobulintherapie das Risiko einer akuten Graft-vs.-Host-Erkrankung, einer interstitiellen Pneumonie und anderer Infektionen reduzieren [37]. Die Dosierung beträgt 0,3–0,5 g/kgKG im Abstand von 3–4 Wochen ein- bis mehrmals, je nach klinischer Situation. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern mit Aids scheint die Gabe von IVIG wirksam zu sein. Sowohl retrospektive Studien als auch eine Doppelblindstudie [23] zeigten, dass durch die Gabe von 0,4 g/ kgKG IVIG alle 4 Wochen die Zahl bakterieller Infektionen und damit auch die Morbidität bei Kindern, selbst mit CD4-Zellen >200/ μl, signifikant gesenkt werden kann. Entscheidend ist der rechtzeitige Beginn der Behandlung vor dem Abfallen der CD4-Zellen. Die Mortalität wird durch die IgG-Therapie jedoch nicht verbessert. Eine IgG-Therapie ist auch angezeigt bei Kindern im fortgeschrittenen Aids-Stadium, wenn sie gleichzeitig mit Zidovudin (aber nicht mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol) behandelt werden. Die Indikation von Immunglobulinen bei erwachsenen Patienten mit Aids ist umstritten.
Immunglobulintherapie bei neonatalen Infektionen 7 Übersichten bei [26][27]
Aufgrund der besonderen immunologischen Verhältnisse bei Neu- und Frühgeborenen sind bakterielle Infektionen in der Neonatologie ein wichtiger Morbiditäts- und Letalitätsfaktor. Deshalb erscheint in dieser Lebensphase der Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung von Septikämien und zur Vorbeugung von nosokomialen Infektionen besonders sinnvoll.
397
29.3 • Klinische Anwendung von Immunglobulinpräparaten
29
lymphoproliferative Erkrankungen Mangelernährung
immunsuppressive Therapien
Mineralmangel ProteinverlustEnteropathie, nephrotisches Syndrom metabolische UrsachenDiabetes, Urämie neonatale Unreife
virale Infektionen Trauma, Verbrennungen Splenektomie andere Infektionsursachen
. Abb. 29.2 Ursachen erworbener Immundefektsyndrome. (Nach [33])
IgG-Antikörper werden v. a. während der letzten drei Schwangerschaftsmonate aktiv diaplazentar transportiert. Deshalb können Reifgeborene bei der Geburt höhere IgG-Konzentrationen im Serum erreichen als deren Mütter. Da das gesamte Antikörperrepertoire des Neugeborenen von der Mutter stammt, ist es nur vor solchen Infektionen geschützt, gegen deren Erreger die Mutter Antikörper gebildet hat. Bei Frühgeborenen der 32. Woche beträgt der IgG-Wert nur etwa 5 g/l. Postnatal fallen die IgG-Werte ab, bei Frühgeborenen ausgeprägter als bei Reifgeborenen. Frühgeborene aus der 29.–32. Schwangerschaftswoche erreichen erst im Alter von 3 Monaten IgG-Konzentrationen im Serum von etwa 1 g/l. Bei solchen Werten zeigen Patienten mit primären Immundefizienzen bereits eine signifikante Zunahme von bakteriellen Infektionen. Frühgeborene haben jedoch nicht nur erniedrigte IgG-Konzentrationen, sondern oft auch eine zahlenmäßige Verminderung und/ oder funktionelle Störungen der Granulozyten. Die Daten zur Prophylaxe von bakteriellen Infektionen bei Frühgeborenen sind widersprüchlich. Keine der Studien konnte eine signifikante Verkürzung der stationären Behandlungsdauer oder eine Senkung von Morbidität und Mortalität nachweisen. Der Erfolg einer Immunglobulintherapie bei Frühgeborenen ist deshalb trotz der einleuchtenden Begründung als nicht eindeutig gesichert anzusehen und bedarf in jedem Einzelfall einer kritischen Indikationsstellung. Möglicherweise ist die ungenügende Wirksamkeit der IgG-Therapie auf die begleitende Funktionsbeeinträchtigung der Granulozyten bei septischen Erkrankungen zurückzuführen.
Immunglobulintherapie bei Patienten mit Sepsis und Multiorganversagen Sepsis und septischer Schock sind die häufigste Todesursache auf Intensivstationen. Ihre Letalität von etwa 40–60 % konnte trotz aller Verbesserungen der Therapie in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich gesenkt werden. Der Stellenwert der Immunglobulintherapie ist bei diesen Patienten auch im Jahr 2010 nicht eindeutig zu definieren. In ihrer Forschung kommt die Gruppe um Werdan zu dem Schluss, dass bei Patienten mit Sepsis, septischem Schock oder »systemic inflammatory response syndrom« (SIRS) sich im Gesamtkollektiv weder mit spezifischen Antikörpern gegen Endotoxine noch mit normalen Immunglobulinen eine Senkung der Letalität erreichen lässt.
Diese vorsichtige Einschätzung hält sich aufrecht trotz intensiver klinischer Beforschung im Rahmen der SBITS-Studie (Score-Based Immunoglobulin Therapy in Sepsis) [36]. Neuere Analysen [17] ziehen den Schluss, dass die zusätzliche Behandlung von Patienten mit Sepsis oder septischem Schock mit Immunglobulinen zu einer Verringerung der Mortalität bei Erwachsenen, nicht aber bei Neugeborenen führt. Die besten Ergebnisse wurden mit IgM-angereicherten Präparaten erzielt. Dies könnte darauf beruhen, dass sie wegen des höheren Gehalts an Antikörpern gegen die O-spezifische Seitenkette von Endotoxinen in der Frühphase des septischen Schocks mit Endotoxinämie besser wirksam sind. Auch blockierende Antikörper gegen C5a könnten eine Rolle spielen [8]. Alle diese Ergebnisse bedürfen jedoch noch ihrer Bestätigung. Die prophylaktische Gabe normaler Immunglobuline bei Patienten mit klar umschriebenem Sepsisrisiko [33][36] und nach Operationen mit hohem postoperativen Infektionsrisiko soll eine günstige Wirkung haben. Die Sepsisinzidenz und die Letalität konnten jedoch nicht gesenkt werden [11].
»Immunmodulation« durch IVIG Immunthrombozytopenie Die am besten gesicherte Indikation ist die akute und chronische Autoimmunthrombozytopenie (AITP). Etwa 70 % aller Kinder und Erwachsenen sprechen auf die Immunglobulintherapie an. Das Maximum des Thrombozytenanstiegs liegt zwischen dem 5. und 10. Behandlungstag. Die Wirkung tritt meistens schon nach wenigen Stunden ein, sie ist wahrscheinlich vorübergehend. Berichte der Literatur über einzelne Fälle mit einer Dauerremisson einer chronischen AITP durch IVIG sind schwer nachvollziebar. Wegen der nur vorübergehenden Wirksamkeit und der hohen Kosten sollte die IgG-Therapie bei der chronischen AITP auf akute Notfälle (schwerste Blutungserscheinungen, intrazerebrale Blutungen, Operationen, Unfälle u. a.) beschränkt bleiben. Sekundäre Autoimmunthrombozytopenien bei verschiedenen Grunderkrankungen, v. a. auch bei Aids und Hämophilie A, sprechen ebenfalls gut auf die IgG-Therapie an, sollten aber auch nur in Notfällen mit Immunglobulinen behandelt werden. Die Immunglobulintherapie bei der akuten AITP bei Kindern wird unterschiedlich beurteilt. Derselbe Effekt lässt sich bei schweren Blutungen mit Kortikosteroiden erreichen. Ob die seltenen in-
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Kapitel 29 • Therapie mit Immunglobulinen
trazerebralen Blutungen verhindert werden können, bleibe dahingestellt. Verschiedene Dosierungsschemata sind gebräuchlich. Meistens werden heute 1- bis 2-mal 0,4–0,8 g/kgKG initial gegeben und die weitere Gabe vom klinischen Verlauf abhängig gemacht. In Notfällen ist eine Dosis von 1 g/kgKG in den ersten beiden Behandlungstagen zu empfehlen, evtl. in Kombination mit Methylprednisolon.
munologischen Prozess im Gefolge einer Infektionskrankheit hin. Aufgrund großer, kontrollierter Studien ist die i.v.-Immunglobulintherapie bei diesem Syndrom wirksam. Es werden nicht nur die klinischen Symptome gebessert, sondern auch die Prävalenz des Koronararterienbefalls mit Ausbildung von Aneurysmen und Ektasien nimmt ab. Als Dosis wird die einmalige Injektion von 1–2 g IVIG/ kgKG, zusammen mit Acetylsalicylsäure, empfohlen [28].
Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
Polyneuropathie Guillain-Barré (gesicherte Indikation)
Positive Erfahrungen mit einer Immunglobulintherapie liegen auch für Kinder mit einer neonatalen Alloimmunthrombozytopenie vor, wenn keine kompatiblen Thrombozyten (die nach wie vor die Therapie der Wahl sind) zur Verfügung stehen (7 Kap. 31).
Bei der akuten oder subakuten Guillain-Barré-Polyneuropathie tritt häufig eine schwere Quadriparese auf, die trotz einer meistens eintretenden funktionellen Wiederherstellung in 15 % zu Nervenausfällen führt. Auch bei dieser Erkrankung sprechen die Ergebnisse von kontrollierten Studien dafür, dass hochdosiertes IgG (1–2 g/ kgKG) bei Erwachsenen und Kindern wirksam ist und der therapeutischen Plasmapherese überlegen zu sein scheint [5][12][16].
Posttransfusionelle Purpura Bei dieser seltenen Komplikation einer Bluttransfusion (7 Kap. 37) ist die Immunglobulintherapie nach den Erfahrungen des Autores die Therapie der Wahl. Dosierung: 2-mal je 1 g/kgKG an den beiden ersten Behandlungstagen.
Refraktärzustand gegenüber Thrombozytentransfusionen Die Wirksamkeit von IgG bei einem Refraktärzustand gegenüber Thrombozytentransfusionen infolge HLA-Immunisierung ist nach wie vor umstritten (7 Kap. 24).
Auto- und Alloimmungranulozytopenien
29
Autoimmungranulozytopenien treten v. a. im Kindesalter auf. Wenn diese durch schwere Infektionen kompliziert sind, ist IVIG – zusammen mit Antibiotika – indiziert. Falls es bei Neugeborenen mit einer neonatalen Alloimmungranulozytopenie zu Begleitinfektionen kommt, ist IVIG wahrscheinlich die Therapie der Wahl (7 Kap. 31). Die Dosierung entspricht der von Immunthrombozytopenien.
Myasthenia gravis Die Myasthenia gravis wird als eine Autoimmunerkrankung angesehen, die durch Autoantikörper gegen Acetylcholinrezeptoren verursacht wird. Obwohl noch streng kontrollierte Therapiestudien fehlen, scheint die Wirkung von IVIG günstig zu sein, v. a. als Zusatztherapie in der myasthenischen Krise und bei Patienten mit sekundärem Antikörpermangel und Begleitinfektionen.
Multiple Sklerose Diese bei jungen Erwachsenen häufigste entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems unbekannter Ätiologie geht mit einer fortschreitenden, schubweisen Zerstörung neuronalen Gewebes einher. Pathogenetisch werden Autoimmunprozesse vermutet. In mehreren klinischen Studien der letzten Jahre wurde eine Verringerung der Schubrate und der Intensität der Entzündungsherde nach IVIG beschrieben. Diese Ergebnisse wurden von anderen aber nicht bestätigt [7].
Dermatomyositis Autoimmunhämolytische Anämien Eine hochdosierte IgG-Therapie bei Patienten mit autoimmunhämolytischen Anämien vom Wärmetyp wurde wiederholt empfohlen, ist aber u. E. nicht angezeigt. Vielmehr wird in Richtung einer Therapie mit Rituximab und/oder Eculizumab gesucht; erfolgreiche Kasuistiken bleiben bestätigungsbedürftig. Eine eindeutige Wirksamkeit hat sich auch mit sehr großen Dosen von IVIG nicht sicher nachweisen lassen. Außerdem können Notfälle jederzeit und wirkungsvoll mit Erythrozytenkonzentraten behandelt werden (7 Kap. 22).
Erworbene Hemmkörperhämophilie Wiederholt wurde über eine erfolgreiche IgG-Therapie bei Patienten mit einer erworbenen Hemmkörperhämophilie infolge von Autoantikörpern gegen den Gerinnungsfaktor VIII berichtet (7 Kap. 26). Dies scheint bei einer hereditären Hämophilie mit Isoantikörpern nicht der Fall zu sein.
Kawasaki-Syndrom (gesicherte Indikation) Das Kawasaki-Syndrom ist eine akute Vaskulitis des Kindesalters, welche die mittleren und großen Arterien befällt. Am häufigsten betroffen sind Kinder zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr, mehr als 80 % der Kinder erkranken vor dem 5. Lebensjahr. Die Erkrankung verläuft selbstlimitierend und dauert etwa 2–3 Wochen. Bei 20–25 % der Kinder sind die Koronararterien mitbefallen. Ätiologie und Pathogenese sind unbekannt. Vieles deutet auf einen im-
Auch die refraktäre Form einer Dermatomyositis spricht aufgrund von Ergebnissen einer kontrollierten Doppelblindstudie offenbar auf die Gabe von hochdosiertem IgG an [9]. Dosierung: 2 g/kgKG IVIG pro Monat über 3 Monate.
Weitere mögliche Indikationen Die Immunglobulintherapie ist noch bei vielen anderen, potenziell immunologisch bedingt angesehenen Krankheiten mit kasuistischem Erfolg versucht worden, so z. B. beim Diabetes mellitus, beim systemischen Lupus erythematodes [20], der rheumatoiden Arthritis, Immunvaskulitiden, Autoimmundermatosen (therapierefraktärer Pemphigus vulgaris bzw. foliaceus [15][21][22], toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) [34]), dem allergischen Asthma, bei der Aids-Erkrankung des Erwachsenen, aplastischen Syndromen, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und vielen anderen, ohne dass diese Indikationen als ausreichend gelten. Bei Organtransplantationen in der abstoßungsgefährdeten Periode werden IVIG heute oft eingesetzt, sogar mit gewissen wirkungsmechanistischen Erklärungsmöglichkeiten [37]. Betrachtet man die Implantation und Entwicklung eines Embryonen mit seinem väterlichen Alloantigenspektrum als Transplantat, so erstaunt es kaum, dass IVIG beim rekurrenten habituellen Abort mit immunlogischem Hintergrund zum normalen Austragen des Babys führt. Dabei bestehen sogar Ansätze zur Erklärung des Wirkunsmechanismus [35][39].
399
29.4 • Unerwünschte Wirkungen
29
. Tab. 29.2 Unerwünschte Nebenwirkungen von intravenösen Immunglobulinpräparaten Zeitfaktor und Komponente
Nebenwirkung
Nach zeitlichem Eintritt Sofort
Anaphylaktisch
Mittelfristig
Niereninsuffizienz, Hyperviskosität, Urtikaria, aseptische Meningitis, Arthritis, zerebrale Infarzierung, Hämolyse, Leukopenie
Verspätet
Infektionsübertragung, Prionen-Erkrankunga
Nach auslösendem Faktor Stabilisatoren, Zucker
Renale Nebenwirkungen
Temperatur der Infusionslösung
Kritisch bei Kälteagglutininkrankheit
IgA-Kontamination
Bei Anti-IgA-exprimierenden Empfängern
a Theoretisch
29.3.3
möglich, aber bisher noch nie beobachtet.
Sinnvolles Rezeptieren von Immunglobulinpräparaten
Die vielfältigen Indikationen für Immunglobuline machen eine systematische Diskussion der Indikationen erforderlich. Dem internationalen Sprachgebrauch folgend stellen wir den »labelled indications« (zugelassene, gesicherte Indikation) die »off-label indications« (ohne förmliche Zulassung) und »unlabeled indications« gegenüber, bei denen Immunglobuline im Sinne experimenteller Indikationen bei Erkrankungen mit möglichem Ansprechen auf IVIG angewandt werden. Zugelassene Indikationen beruhen auf schulmäßig durchgeführten klinischen Studien (nicht nur Fallberichte!). Wahrscheinlich sinnvolle Indikationen sind bei über 100 verschiedenen Diagnosen gegeben. Off-label-Anwendungen machen gegenwärtig annähernd 50–70 % des therapeutisch eingesetzten IVIG aus. Für den einzelnen Patienten kann eine strikt kostenorientierte Verfahrensweise bei der Indikationsstellung nachteilig sein: So wird man durch frühzeitige Behandlung einer chronisch inflammatorisch demyelinisierenden Polyneuropathie Folgeschäden wie z. B. einer Thrombose vorbeugen; auch Infekte bei einer Chemotherapie könnten klinisch mit IVIG gut zu behandeln sein [33]. Beides sind aber zunächst keine »labeled indications« für IVIG. Angesichts der hierdurch entstehenden Rechtsunsicherheit mögen von offizieller Seite unterstützte Empfehlungen und Leitlinien für Ärzte und betroffene Patienten hilfreich sein. 29.4
Unerwünschte Wirkungen
7 Übersicht bei [26]
Im Allgemeinen werden Immunglobuline gut vertragen, besonders die neueren, hochgereinigten Präparate. i m.- und s.c.-Injektionen, v. a. von Standardimmunglobulin, können zu lokalen Schmerzen und Reizerscheinungen führen. Sie sind vorübergehend und bedürfen keiner spezifischen Behandlung. Mögliche, sehr seltene unerwünschte Wirkungen von Immunglobulinpräparaten sind in . Tab. 29.2 aufgeführt. Die schwerwiegendsten unerwünschten Wirkungen sind anaphylaktoide Frühreaktionen, die v. a. bei Patienten mit primärer Immundefizienz mit komplettem Fehlen aller Immunglobuline beobachtet werden. Sie äußern sich in Gesichtsrötung, Schüttelfrost, Oppressionsgefühl in der Brust, Schweißausbruch, Atemnot, Tachykardie und Blutdruckabfall; in schweren Fällen kann es zum Vollbild
des Schocks kommen. Dann ist die Infusion sofort zu unterbrechen, medikamentös werden Antihistaminika und ggf. Kortikosteroide (100–500 mg Prednisonäquivalent beim Erwachsenen) i. v. verabreicht. Die Ursache dieser anaphylaktoiden Reaktionen ist nicht geklärt. Sie treten fast immer nur zu Beginn der Immunglobulinsubstitution auf und machen sich bereits bemerkbar, wenn erst kleinste Mengen der Immunglobulinlösung eingelaufen sind. Deshalb muss bei agammaglobulinämischen Patienten die Infusion anfangs sehr langsam (10–15 Trpf./min) erfolgen und kann bei ausbleibenden Reaktionen bis auf höchstens 60 Trpf./min gesteigert werden. Anaphylaktische Spätreaktionen werden in der Aufsättigungsphase einer Immunglobulinsubstitution bei immundefizienten Patienten beobachtet. Sie manifestieren sich in Unverträglichkeitserscheinungen, die denen der anaphylaktoiden Reaktionen ähnlich sind. Im Unterschied dazu sind sie jedoch dosisabhängig und treten erst auf, wenn größere Mengen von Immunglobulinen infundiert worden sind. Die Reaktionen sind meistens weniger akut und gehen mit Verlangsamung oder vorübergehender Unterbrechung der Immunglobulininfusion zurück. Oft werden gleichzeitig eine Leukozytose und ein Ansteigen des C-reaktiven Proteins festgestellt. Therapeutisch sind je nach Schwere der Symptome ebenfalls Antihistaminika und Kortikosteroide angezeigt. Die Reaktionen kommen wahrscheinlich dadurch zustande, dass sich im Blut des Patienten durch die infundierten Antikörper zirkulierende Immunkomplexe bilden, die das Komplementsystem und möglicherweise andere Faktoren aktivieren und sekundär die Unverträglichkeitserscheinungen auslösen. Sobald die Antigene im Blut des Patienten durch wiederholte Immunglobulininfusionen verringert sind, verschwinden die Reaktionen. In sehr seltenen Fällen – so selten, dass zuverlässige Studien fehlen – können anaphylaktische Reaktionen auch durch Antikörper gegen IgA verursacht werden, die von Patienten mit komplettem IgA-Mangel nach wiederholter Immunglobulingabe oder Bluttransfusionen gebildet werden. Da alle Immunglobulinpräparate Spuren von IgA enthalten, lässt sich eine solche Immunisierung bei disponierten Patienten nicht vermeiden. Vasovagale Reaktionen äußern sich in Fieber, Kopfschmerzen, gelegentlich in Übelkeit und Erbrechen. Sie werden durch die in den Präparaten enthaltenen Stabilisierungsmittel (v. a. Zucker) und vasoaktive Substanzen verursacht, die bei der Immunglobulinfraktionierung entstanden sind bzw. nicht vollständig eliminiert werden konnten. Diese Reaktionen verschwinden u. U. schon bei Verlang-
400
Kapitel 29 • Therapie mit Immunglobulinen
samung der Infusion, andernfalls können sie mit Amphetamin behandelt werden. Gelegentlich wird nach hochdosierter IgG-Infusion eine vorübergehende Verschlechterung der Nierenfunktion beobachtet. Diese treten v. a. bei Patienten mit einer renalen Vorschädigung auf und sind stets vorübergehend. Sie werden auf die Veränderung der Blutviskosität und auf die als Stabilisatoren zugefügten Zuckerbestandteile des Immunglobulins zurückgeführt. Eine sehr seltene und sich spontan innerhalb von wenigen Tagen zurückbildende Komplikation der hochdosierten i.v.-Immunglobulintherapie ist das Auftreten einer aseptischen Meningitis (Fieber, Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Leukozytose und Eiweißvermehrung im Liquor ohne nachweisbare Keime). Sie wird wahrscheinlich ebenfalls durch die hohe Zuckerkonzentration in den Präparaten verursacht. In seltenen Fällen kommt es durch IgG-Isoagglutinine (Anti-A, Anti-B) in IVIG zu Hämolysen und zu Störungen bei blutgruppenserologischen Untersuchungen. Diese können z. B. bei Patienten der Blutgruppe A1 auftreten, besonders bei Nichtsekretoren (se/se), da sie im Plasma keine freie A- (oder B-)Substanz aufweisen. Hier lohnt es sich, solche Präparate bzw. Herstellungseinheiten auszuwählen, deren Anti-A-Titer unter 1:4 liegen [10]. Immunglobulinpräparate können heute als infektionssicher angesehen werden (7 Kap. 17 u. 36). HIV-Infektionen sind bisher durch IVIG-Präparate noch niemals übertragen worden [4] (7 Kap. 36).
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29
403
Therapie mit Blut und Blutbestandteilen in speziellen klinischen Situationen Kapitel 30
Notfall- und Massivtransfusion – 405 V. Kretschmer und M. Weippert-Kretschmer
Kapitel 31
Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin – 419 H. Kroll und R. F. Maier
Kapitel 32
Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation – 449 N. Schmitz und B. Glaß
Kapitel 33
Therapeutische Hämapherese – 457 B. Mansouri Taleghani
Kapitel 34
Immunmodulatorische Wirkung von Bluttransfusionen – 479 G. Bein
V
405
Notfall- und Massivtransfusion V. Kretschmer und M. Weippert-Kretschmer
30.1
Patientengruppen – 406
30.1.1 30.1.2
Notfalltransfusion bei Blutungskomplikationen elektiver Eingriffe – 406 Notfalltransfusion bei Notaufnahmen – 408
30.2
Risiken – 410
30.2.1 30.2.2 30.2.3 30.2.4 30.2.5 30.2.6 30.2.7 30.2.8 30.2.9
Fehltransfusionen – 410 Hypothermie – 410 Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve – 411 Hämostasestörungen – 411 Hypovolämie, Hypervolämie – 412 Hyperkaliämie, Hypokaliämie – 412 Acidose, Alkalose – 412 Citratreaktionen – 412 Perfusionsstörungen – 413
30.3
Durchführung der Substitutionstherapie – 413
30.3.1 30.3.2
Standardprotokolle – 415 Praktische Durchführung – 415
30.4
Prognose – 415 Literatur – 415
30
406
30
Kapitel 30 • Notfall- und Massivtransfusion
Notfalltransfusion bei Blutungskomplikationen elektiver Eingriffe
Unter Notfalltransfusion ist die aus vitaler Indikation akut durchgeführte Bluttransfusion zu verstehen. Diese Situation ist gegeben, wenn
30.1.1
4 ein akuter Blutverlust eine Gefährdung des Patienten herbeigeführt hat, sodass die sofortige Transfusion von Blut und Blutkomponenten notwendig ist oder 4 akut ein evtl. lebensrettender Eingriff notwendig wird, bei dem ein großer Blutverlust zu erwarten ist.
Hintergrund
Die Notfalltransfusion erfordert die schnelle Bereitstellung von kompatiblen Blutpräparaten und/oder schnelle Vorbereitung perioperativer autologer Hämotherapieverfahren. Häufig, aber nicht zwangsläufig, impliziert die Notfalltransfusion eine Massivtransfusion. Die Massivtransfusion wird meist so definiert, dass innerhalb von 24 h mindestens ein Äquivalent des normalen Blutvolumens des betroffenen Patienten durch Blut und Blutkomponenten ersetzt wird [100]. Das entspricht beim Erwachsenen etwa der Menge von ≥10 Erythrozytenkonzentraten (EK). Die meisten Studien über die Massivtransfusion basieren auf dieser Voraussetzung. Die Fortschritte der Intensivmedizin und die Qualitätsverbesserung der verwendeten Blutpräparate lassen diese Definition heute jedoch nicht mehr sinnvoll erscheinen. Die später zu besprechenden spezifischen Risiken der Massivtransfusion werden nur bei schnellerer Transfusion (1 Blutvolumen in 3–4 h [16]) und/oder größerem Transfusionsvolumen (2 Blutvolumina/24 h [68]) klinisch relevant. Diese Definitionen sind jedoch nur retrospektiv verwertbar. Daher wurde empfohlen, von der Entwicklung einer Massivtransfusion auszugehen, wenn bezogen auf einen Erwachsenen mit normalem Körpergewicht mindestens 4 Erythrozytenkonzentrate innerhalb 1 h transfundiert werden und ein weiterer Blutbedarf zu erwarten ist [20]. Bei der Qualität der heute verwendeten leukozytendepletierten EKs in additiver Lösung sollte auch für diese »Arbeitsdefinition« einer Massivtransfusion eine größere Anzahl von Präparaten (≥5–6 Erythrozytenkonzentrate pro Stunde) für die Massivtransfusion zugrunde gelegt werden. Die Notwendigkeit von Massivtransfusionen kann andererseits auch anhand von »Trauma Score« bzw. klinischen Daten wie z. B. Puls, systolischem Blutdruck, pH oder Hämatokrit vorausgesagt werden [57]. Da bei der Notfalltransfusion v. a. die kurzfristige Versorgung der Patienten mit Blutpräparaten und Blutersatzstoffen oberste Priorität besitzt, wird sich der folgende Abschnitt vordringlich diesem Aspekt widmen.
30.1
Patientengruppen
Die Situation einer Notfalltransfusion ergibt sich 5 als Folge einer Blutungskomplikation bei oder nach regulär vorbereiteten (elektiven) operativen Eingriffen oder 5 im Zusammenhang mit der Neuaufnahme von Notfällen (Notaufnahme). Da sich die Umstände der Notfalltransfusion für beide Patientengruppen sehr unterschiedlich darstellen, sollen sie im Folgenden nacheinander abgehandelt werden.
Für jeden Standardeingriff sind die möglichen, mehr oder minder wahrscheinlichen Komplikationen bekannt. Der Operateur muss auf Art und Umfang der verschiedenen Komplikationen vorbereitet sein. Bei korrekter Vorbereitung des elektiven Eingriffes befindet sich der Patient primär in einem stabilen Zustand. Anhand der Anamnese und der präoperativen Befunde (EKG, Blutbild, Elektrolyte, Gerinnung) kann die Gefährdung bei Eintreten einer Blutungskomplikation gut beurteilt werden. Der Blutbedarf ist anhand des intraoperativ abgesaugten Blutvolumens und der Kreislaufveränderungen relativ genau abzuschätzen. Für die notwendige Substitutionsbehandlung existieren bereits die erforderlichen Gefäßzugänge. Da bei allen elektiven operativen Eingriffen mit potenziellem Blutungsrisiko eine ABO-/ Rh-Blutgruppenbestimmung und ein aktueller Befund hinsichtlich irregulärer erythrozytärer Antikörper (Antikörpersuchtest) vorliegen müssen, steht einer schnellen Versorgung mit ABO-/Rhkompatiblen Blutpräparaten prinzipiell nichts im Wege. Die Patientenidentität ist gesichert. Im Blutgruppenlabor befindet sich meist noch genügend Material der präoperativen Blutprobe des Patienten, um damit unverzüglich die Verträglichkeitsproben durchzuführen (. Abb. 30.1).
Vorbereitung der Notfalltransfusion bei Blutungskomplikationen Ist bei einem geplanten Eingriff auf Grund der Hausstatistik und der individuellen Situation des Patienten ein Blutbedarf mit einer Transfusionswahrscheinlichkeit von ≥10 % zu erwarten, sind entsprechende Blutkonserven, bei spendefähigen Patienten auch als Eigenblut, für den Patienten bereitzustellen. Fremdblutkonserven sind durch Kreuzprobe auf Verträglichkeit zu prüfen. Kommt es zur Blutungskomplikation, kann der Mehrbedarf mit ABO-/Rh-kompatiblen Blutkonserven gedeckt werden, die je nach Dringlichkeit ungekreuzt, nach mehr oder weniger abgekürzter Schnellkreuzprobe oder normaler Kreuzprobe bereit gestellt werden (7 s. unten). Die Sicherheit ungekreuzter ABO-/Rh-kompatibler Transfusionen ist bei negativem Antikörpersuchtest sehr groß (>99,7 % [65]). Aus forensischen Gründen müssen dennoch alle EKs, u. U. auch nachträglich, regulär (Standardmethode) auf Verträglichkeit geprüft werden [10][67]. Ein auffälliger Antikörpersuchtest ist aus Gründen der Vorsorge vor elektiven Eingriffen immer erst abzuklären, um für mögliche Blutungskomplikationen den notwendigen Blutbedarf sicherzustellen. Das alleinige Auskreuzen von Blutkonserven bei Vorliegen von Antikörpern ist nicht sicher genug. Der Verzicht auf die Abklärung eines auffälligen Antikörpersuchtests ist bei elektiven Eingriffen, bei denen gefährliche Blutungskomplikationen möglich sind, als Kunstfehler anzusehen, selbst wenn in der Regel bei diesen Eingriffen keine Blutpräparate benötigt werden. Finden sich erythrozytäre Antikörper, die nur selten – wenn überhaupt – Transfusionsreaktionen hervorrufen (Kälteantikörper, z. B. Anti-H bei Blutgruppe A1, Anti-P1, -Le(a), -Le(b), -M, -N; soweit keine IgG-Antikörper), können diese vorsichtshalber berücksichtigt werden bei der Auswahl der EKs, die für den zu erwartenden Bedarf bereitgehalten werden. Bei Notfalltransfusionen dürfen solche Antikörper dagegen keine Berücksichtigung finden, wenn die Transfusion dadurch verzögert wird.
407
30.1 • Patientengruppen
30
Vorbereitung: AB0/Rh + aktueller Antikörpersuchtest
auffällig
negativ
immer abklären
a. Kälteantikörper ("Anti-x")
Regelbedarf bereitstellen, AB0-/Rhgleich, gekreuzt
b. Transfusionsrelevante AK ("Anti-x")
Regelbedarf bereitstellen, AB0-/Rh-gleich, -kompatibel, Antigen-x-negativ, gekreuzt
+
a. +
Reservebedarf sicherstellen, AB0-/Rh-kompatibel ungekreuzt
+
b. +
Reservebedarf sicherstellen, AB0-/Rh-kompatibel Antigen-x-negativ, ungekreuzt
+
Blutsparende Maßnahmen, autologe Hämotherapieverfahren
Bei Komplikationen je nach Dringlichkeit ungekreuzte/abgekürzt gekreuzte Transfusionen . Abb. 30.1 Blutversorgung bei elektiven Eingriffen mit der Möglichkeit von Blutungskomplikationen
Bei transfusionsrelevanten erythrozytären Antikörpern (z. B. Antikörper gegen Merkmale des Rhesus-, Kell-, Duffy-, Kidd-Systems etc.) ist der zu erwartende Bedarf mit »gekreuzten« ABO-/ Rh-kompatiblen Erythrozytenkonzentraten bereitzustellen, die nicht die Antigene aufweisen, gegen welche die Antikörper gerichtet sind. In diesen Fällen ist die präoperative Eigenblutspende besonders indiziert. Darüber hinaus sollte versucht werden, eine ausreichende Zahl »ungekreuzter« ABO-/Rh-kompatibler und bezüglich des entsprechenden Antigens negativer (antigennegativer) Erythrozytenpräparate für eine mögliche Blutungskomplikation in Reserve zu halten (Reservebedarf). Bei Planung eines Eingriffes für Patienten mit transfusionsrelevanten erythrozytären Antikörpern sollte frühzeitig ein Transfusionsmediziner bzw. der zuständige Blutspendedienst konsultiert werden.
In Einzelfällen wird es, insbesondere für Krankenhäuser mit kleinem Blutdepot, nicht möglich sein, den Reservebedarf bereitzustellen. Bei Antikörpern gegen hochfrequente Antigene (z. B. Anti-k) kann meist der Regelbedarf nicht selbst abgedeckt werden. Unter diesen Umständen sind die Patienten frühzeitig an Zentren abzugeben, die genügende klinische und transfusionsmedizinische Kompetenz aufweisen, um den vorgesehenen operativen Eingriff blutsparend unter Einbeziehung autologer Hämotherapieverfahren zu bewältigen und die Blutversorgung auch im Falle einer Blutungskomplikation sicherstellen können. In diesen besonderen Fällen sollte der Regelbedarf durch präoperative Eigenblutspende (evtl. unter Substitution von Erythropoietin und Eisen) und in Ausnahmefällen ggf. durch Verwandtenblutspenden gedeckt werden. Der »cell saver« muss intraoperativ in Bereitschaft gehalten werden. Unter Umständen ist eine über-
408
Kapitel 30 • Notfall- und Massivtransfusion
regionale bzw. internationale Kooperation bei der Beschaffung der EKs erforderlich (z. B. Blutbank des Europarats für eingefrorene Erythrozytenkonzentrate mit seltenen Blutgruppenantigenen in Amsterdam).
Kasuistik Eine 38-jährige Frau wurde in einer kleineren Klinik wegen eines Oberbauchtumors laparatomiert. Der Eingriff wurde infolge Blutung und Schwierigkeiten bei der Versorgung mit kompatiblen Erythrozytenpräparaten abgebrochen und die Patientin in stabilem Zustand in eine Universitätsklinik verlegt. Dort wurden irreguläre erythrozytäre Antikörper der Spezifitäten Anti-c, -E, -Jk(a) nachgewiesen und von Seiten des Transfusionsmediziners frühzeitig auf mögliche Versorgungsschwierigkeiten hingewiesen. Nur 4,5 % der ABO-kompatiblen Erythrozytenkonzentrate sind bei dieser Antikörperkonstellation verträglich. Bei einer Depotgröße des zuständigen Universitäts-Blutspendedienstes von ca. 120 Erythrozytenkonzentraten (EK) der entsprechenden Blutgruppe waren folglich nur 5–6 kompatible EKs im Depot zu erwarten. Insbesondere wegen der Vorgeschichte wurde von Seiten des Transfusionsmediziners ausdrücklich empfohlen, mindestens 15 kompatible Erythrozytenkonzentrate für die geplante Splenektomie (Regelbedarf 2 EKs) als Reservebedarf bereitzustellen. Als 8 EKs bereitstanden, wurde entgegen diesem Rat operiert. Während der Operation mussten nur 2 EKs transfundiert werden. Am Abend kam es zu einer akuten Nachblutung. Innerhalb von nur 1 h waren sämtliche kompatiblen EKs transfundiert, und die Patientin kam in den hämorrhagischen Schock. Die mit Beginn der Nachblutung ausgelöste Notfallanforderung beim überregionalen DRK-Blutspendedienst erbrachte nach 4 h lediglich 4 weitere kompatible EKs. Die Patientin überlebte die akute Situation unter Beibehaltung eines apallischen Syndroms.
30 30.1.2
Notfalltransfusion bei Notaufnahmen
Hintergrund Bei Notaufnahmen bestehen häufig Unklarheiten bezüglich Patientenidentität, Lokalisation der Blutungsquelle und Umfang des Blutverlustes. Der Patient befindet sich in einem mehr oder minder instabilen Zustand. Es fehlen Ausgangsbefunde und aktuelle Laborwerte, die zu unterscheiden erlauben, was Ursache und was Folge des akuten Geschehens ist (z. B. Gerinnungsstörungen bei Ösophagusvarizenblutung). Folglich können aktuelle Hämostase und Blutbedarf zunächst nur schwer eingeschätzt werden. ABO-/Rh- und Antikörperbefunde müssen erst erstellt werden. Oft kommen mehrere Schwerverletzte, u. U. Familienangehörige mit Namensgleichheit, gleichzeitig zur Aufnahme, oder die Personalien der Betroffenen fehlen vollständig, sodass ein hohes Verwechslungsrisiko besteht. Notaufnahmen stellen daher häufig Ausnahmesituationen dar, die das zuständige Team immer wieder vor neue Aufgaben und Probleme stellt, in denen die Beteiligten bezüglich der Verteilung der Aufgaben mitunter ungenügend aufeinander eingespielt sind. Die Folge können Hektik und emotionaler Handlungsdruck sein.
Spezifische Fehler Bei Notaufnahmen müssen therapeutische Maßnahmen oft vor Einleitung der notwendigen diagnostischen Schritte erfolgen. Die Blutproben werden u. U. nicht adäquat abgenommen (zu wenig Blut, Vermischung mit Plasmaexpandern etc., mangelnde Durchmischung mit Antikoagulans). Nativblutproben sind oft nicht voll-
ständig ausgeronnen, was die Laborergebnisse beeinträchtigt. Mitunter sind die Probenbehältnisse und Begleitpapiere mangelhaft beschriftet. Die Versorgung verzögert sich auch durch fehlerhafte Kommunikation mit dem Labor: zu viele unnötige Rückfragen und psychischer Druck, ungenügende klinische Angaben, Fehleinschätzung durch zu viele »Pseudonotfälle«. Besonders nachteilig für die schnelle Versorgung sind Maximalanforderungen im Rahmen der Erstbestellung von Blutprodukten, da unter diesen Umständen die erste Blutkonserve oft erst dann bereitsteht, wenn die Gesamtbestellung erfüllt werden kann. Nicht selten werden zu viele Blutkonserven abgeholt, unsachgemäß zwischengelagert oder sogar vorzeitig für evtl. Transfusionen angestochen, die dann doch nicht mehr stattfinden.
Allgemeine organisatorische Maßnahmen Der organisatorische Ablauf bei Notfalltransfusionen im Rahmen von Notaufnahmen muss schriftlich festgelegt und eingeübt sein. In der Klinik sollte dies Bestandteil des Organisationsschemas für Notaufnahmen sein. Im Labor muss jeder Mitarbeiter hinsichtlich des Ablaufes der Bearbeitung von Notfallanforderungen eingewiesen und eingeübt sein, um diese Aufgabe ohne Hektik routinemäßig erfüllen zu können. Soweit möglich, sollten vor therapeutischen Maßnahmen die Blutproben für die notwendige Diagnostik (Blutbild, Kreatinin, Elektrolyte, Gerinnung, Blutgruppe, Antikörpersuchtest, Kreuzproben, evtl. Blutgasanalyse) gewonnen werden. Nach Therapiebeginn sind die Proben möglichst über einen eigenen Zugang zu entnehmen. Die sichere Proben- und Patientenidentifikation muss höchste Priorität haben (vorbeschriftete Röhrchen am Patienten füllen, möglichst »in einer Hand«). Nativblut für blutgruppenserologische Untersuchungen ist in Behältnisse zu entnehmen, die die Gerinnung beschleunigen (z. B. mit Glasperlen, jedoch keine Trenngele), damit die Transportzeit als Gerinnungszeit genutzt wird. Besser ist die Verwendung von EDTA- oder Citratblut. Die Begleitpapiere sollten Informationen über Umfang des Blutverlustes, Dringlichkeit (Zeitpunkt der geplanten Transfusion), geplante Eingriffe, Anzahl der für die Erstversorgung notwendigen Blutkonserven, geschätzten Maximalbedarf sowie evtl. vorhandene blutgruppenserologische Angaben aus dem Notfallausweis bzw. Mutterpass beinhalten. Erfolgten bereits extern Bluttransfusionen, sind der Blutgruppenbefund des Patienten und der Blutkonserven dem Labor mitzuteilen, um Fehlinterpretationen bei der Blutgruppenbestimmung zu vermeiden. Insbesondere muss der medizinische Notfall als solcher vom behandelnden (transfundierenden) Arzt schriftlich dokumentiert werden [10][67]. Die Uhrzeit der Bestellung bzw. Blutabnahme sowie des Eingangs der Anforderung im Labor sind festzuhalten. Dadurch können mit Zeitverzögerung erstellte Befunde (z. B. Gerinnung) besser eingeschätzt und auf die aktuelle Situation zum Zeitpunkt der Befundmitteilung übertragen werden. Außerdem erfolgt auf diese Weise eine auch juristisch nicht unwichtige Zeitkontrolle. Auf ständige telefonische Anfragen von Seiten der Klinik nach Befunden und Blutkonserven sollte dringend verzichtet werden. Dadurch wird die Arbeit der zuständigen Mitarbeiter im Labor unterbrochen, Verzögerungen und Fehler sind die Konsequenz. Der behandelnde Arzt fordert nach Dringlichkeit an (7 Abschn. 30.1.2.4). Ergeben sich aus der Sicht des Klinikers keine Änderungen hinsichtlich Dringlichkeit und/oder Umfang der Blutbestellung, sollte der Dialog primär von Seiten des Labors geführt werden. Vom Labor wird angerufen, sobald die Befunde erstellt sind bzw. Blutkonserven zur Abholung bereitstehen. Dabei sollten bestimmte Zeitvorgaben eingehalten werden (7 s. unten).
409
30.1 • Patientengruppen
Im Labor ist darauf zu achten, dass umfangreiche Blutanforderungen (Maximalanforderungen) evtl. schrittweise bearbeitet werden (nicht mehr als 5–6 Erythrozytenpräparate auf einmal), um die Transfusionsintervalle kurz zu halten. Zum frühest möglichen Zeitpunkt sollten die Blutkonserven vorausgekreuzt werden. Dies ist zu erreichen, indem die Kreuzproben für notfallmäßig bereits ungekreuzt transfundierte Blutkonserven zunächst zurückgestellt werden, sodass nicht ständig hinterher gekreuzt wird, obwohl der Patient klinisch längst nicht mehr als Notfall anzusehen ist. Regelmäßig sind die wichtigsten Laborparameter (Blutbild, Gerinnung, Elektrolyte, Kreatinin, Laktat, Blutgase) zu kontrollieren, um die Therapie den neuen Gegebenheiten anpassen zu können.
Zeitplan für Notfalltransfusionen Entsprechend den unten genannten zeitlichen Vorgaben sollte der Anforderungsschein für Blutkomponenten konzipiert sein, sodass auf dieser Basis die Blutpräparate bestellt und zeitgerecht bereitgestellt werden. Extrem selten, nach unseren Erfahrungen in weniger als 0,3 % aller Transfusionen, ist die Transfusion tatsächlich so eilig, dass ohne Zeitverzug Erythrozyten appliziert werden müssen. Da Blutgruppenbefunde aus Notfallausweisen nur im Katastrophenfall zugrunde gelegt werden dürfen [10][67], müssen in diesen Extremfällen ungekreuzte Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0, möglichst Rh-negativ, und bei entsprechendem Bedarf Gefrierfrischplasma (GFP) bzw. lyophilisiertes Frischplasma der Blutgruppe AB transfundiert werden. Vor der Transfusion ist der ABO-Bedside-Test mit Patientenblut am Patienten durchzuführen, obwohl in dieser Phase hinsichtlich ABO »universal verträgliche« Blutpräparate zum Einsatz kommen. Durch die Transfusion dieser Blutkonserven kann die ABO-Blutgruppe später u. U. nicht mehr sicher bestimmt werden. Die ABO-Kontrolle der Blutkonserven verbietet sich dagegen aufgrund der Dringlichkeit [10][67]. Im Allgemeinen reichen für das Intervall, bis die ABO-/RhBlutgruppe notfallmäßig bestimmt ist, 2–4 (maximal 6) EKs aus. Auf jeden Fall muss vor jeglicher Transfusion eine Blutprobe für die Blutgruppenbestimmung abgenommen werden, um Fehlbestimmungen zu vermeiden. Auch der Einfluss von Plasmaexpandern ist so gering wie möglich zu halten, da es durch Pseudoagglutinationen zu Problemen bei Blutgruppenbestimmung, Antikörpersuchtest und Kreuzproben kommen kann. Nach 10 min sollten ABO-Blutgruppe und Rh-Faktor im Labor bestimmt sein, zumal die heute verwendeten monoklonalen Testreagenzien schnell und ohne besondere Inkubation zur Agglutination führen. Allerdings muss die Blutgruppenbestimmung die Serumgegenprobe (Bestimmung der Isoagglutinine) und die Bestimmung des Rhesusfaktors D sowie die Eigenkontrolle einschließen [10] [67]. Dann ist die ABO-/Rh-gleiche Transfusion von ungekreuzten Erythrozytenkonzentraten möglich (bei <1 % aller Transfusionen notwendig). Ein schnelles Umstellen auf ABO-/Rh-gleiche Blutkomponenten ist insbesondere bei massivem Blutbedarf auch unter dem Aspekt der allgemeinen Knappheit der »Universalkonserven« (Erythrozyten der Blutgruppe 0, Plasma der Blutgruppe AB) erforderlich. Allerdings können bei Mangel an ABO-gleichen auch ABO-kompatible Blutkomponenten transfundiert werden (. Tab. 30.1). Nach einem Zeitintervall von 30 min sollten bis zu 10 Erythrozytenkonzentrate mit einer Schnellkreuzprobe gekreuzt vorbereitet sein. Dadurch werden ABO-Fehltransfusionen und andere schwerwiegende Inkompatibilitäten durch hochaktive erythrozytäre Antikörper erkannt bzw. ausgeschlossen. Die gültigen Richtlinien empfehlen ausdrücklich die Verwendung von Schnelltests, verlangen
30
. Tab. 30.1 AB0-ungleiche, kompatible Transfusion von Blutkomponenten Blutgruppe Empfänger
Blutgruppe der Blutkomponenten EKa
GFP/VIP TKZb/PTKb
PTKa
0
0
0, A, B, AB
0, A, B, AB
A
A, 0
A, AB
A, 0, B, AB
B
B, 0
B, AB
B, 0, A, AB
AB
AB, A, B, 0
AB
AB, A, B, 0
EK leukodepletierte Erythrozytenkonzentrate, GFP Gefrierfrischplasma, VIP virusinaktiviertes Plasma, TKZ Thrombozytenkonzentrat vom Zellseparator, PTK gepooltes Thrombozytenkonzentrat. a Plasmaarm in additiver Lösung. b 200–300 ml Plasma.
aber die spätere Bestätigung der Befunde durch Standardtests [10] [67]. Störanfällige Enzymtests haben bei der Vorbereitung von Notfalltransfusionen keinen Platz. Bei Mangel an Rh-negativen EKs können aus vitaler Indikation auch Rh-positive, kreuzprobennegative Blutkonserven verabreicht werden. In extremen Situationen müssen u. U. sogar kreuzprobenpositive, aber sicher ABO-kompatible Blutkonserven transfundiert werden. Dies ist dann gerechtfertigt, wenn ein Patient anderenfalls infolge unterlassener Transfusion vital gefährdet würde, zumal Kreuzproben in dieser Situation nicht selten unspezifisch positiv werden und keineswegs alle irregulären Antikörper zu einer klinisch relevanten Hämolyse führen. In diesen Fällen muss aus forensischen Gründen schriftlich dokumentiert werden, dass der Patient ohne sofortige Transfusion nicht überleben würde. Vorbeugend sind Maßnahmen wie bei hämolytischen Transfusionsreaktionen zu ergreifen (7 Kap. 37). Die Kreuzproben im indirekten Antiglobulintest mit Albumintechnik (Röhrchentest) fallen in der Mehrzahl dieser Fälle negativ aus, weil unspezifische und klinisch irrelevante Antikörper bei dieser Methode wesentlich seltener stören. Besteht die Notfallsituation unverändert fort, sind auch die weiteren EKs mit Schnellkreuzprobe (7 s. unten) vorzubereiten. Sollte von Anfang an mehr Zeit für die Bereitstellung der Blutkonserven zur Verfügung stehen, kann die Standardkreuzprobe durchgeführt werden (7 s. unten). Der Antikörpersuchtest sollte spätestens nach 1 h als empfindlicher Standardtest mit Plasma/Serum der ersten Patientenblutprobe vorliegen. Möglichst frühzeitig sollte die entsprechende Gerinnungsdiagnostik einschließlich Thrombozytenzählung und Fibrinogenbestimmung erfolgen, um evtl. bestehende gravierende Gerinnungsstörungen möglichst schnell zu erkennen und gezielt therapieren zu können [45]. Wenn eine Massivtransfusion zu erwarten ist, kann das patientennah eingesetzte Thrombelastogramm (TEG) dazu beitragen, das Ausmaß der bereits bestehenden Verdünnungskoagulopathie schneller einschätzen und therapieren zu können [37]. Zeitplan für Notfall- und Massivtransfusionen bei Notaufnahmen (bezogen auf die für das Labor zur Verfügung stehende Zeit) 1.
Unverzügliche Transfusion erforderlich: – Blutabnahme (Blutbild, Gerinnung, Elektrolyte, Kreatinin, ABO-/Rh-Bestimmung, Antikörpersuchtest, Kreuzprobe) – Infusion von kristallinen und kolloidalen Blutersatzlösungen
410
Kapitel 30 • Notfall- und Massivtransfusion
2.
3.
4.
30
5.
30.2
– Bereitstellung von 4–6 EKs der Blutgruppe 0, möglichst Rh-negativ, ungekreuzt – ggf. 4–6 GFP der Blutgruppe AB (evtl. zur Beschleunigung der Verfügbarkeit gefriergetrocknete virusinaktivierte Plasmen der Blutgruppe AB) – ABO-Bedside-Test von Patientenblut vor Transfusionsbeginn Ca. 10 min zur Verfügung: – ABO-/Rh-Bestimmung mit Anti-A, -B, -D, Isoagglutininbestimmung, Eigenkontrolle – Bereitstelllung von 4–6 EKs ABO-gleich/kompatibel und Rh-gleich, ungekreuzt – ggf. 4 GFP ABO-gleich (evtl. zur Beschleunigung der Verfügbarkeit gefriergetrocknete virusinaktivierte Plasmen der Blutgruppe AB) – ABO-Bedside-Test von Patientenblut vor Transfusionsbeginn Ca. 30 min zur Verfügung: – Bereitstellung von bis zu 10 EKs ABO-/Rh-gleich/kompatibel, gekreuzt mit mehr oder weniger abgekürzter Schnellkreuzprobe: Majortest mit ungewaschenen Spenderzellen im indirekten Antiglobulintest mit Geltechnik einschließlich Eigenkontrolle und Inkubation je nach Dringlichkeit 5 bis 10 min bei 37 °C. Neben der Eigenkontrolle sind Positiv- und Negativkontrolle mitzuführen – ggf. Bereitstellung von GFP ABO-gleich – ABO-Bedside-Test von Patientenblut vor Transfusionsbeginn Ca. 45 min zur Verfügung: – Bereitstellung von bis zu 10 EKs ABO-/Rh-gleich/kompatibel, gekreuzt mit Standardkreuzprobe – Majortest im indirekten Antiglobulintest mittels Geltest (7 s. unter Punkt 3) mit 15 min Inkubation. Alternativ ist auch noch der indirekte Antiglobulintest als Röhrchentest unter Verwendung von Albumin als Supplement mit 30 min Inkubation unter Mitführung der vorher genannten Kontrollen und Ergänzung durch die CoombsKontrolle vertretbar. Der Röhrchentest ist zwar aufwendiger und benötigt v. a. mehr Zeit, hat aber den Vorteil, seltener als der Geltest unspezifisch oder hypersensitiv positiv zu werden – ggf. Bereitstellung von GFP ABO-gleich – ABO-Bedside-Test von Patientenblut vor Transfusionsbeginn Transfusion erst nach 60 min erforderlich: – Antikörpersuchtest vom Empfänger in Standardmethode (Geltest), möglichst mit Plasma bzw. Serum der ersten Blutprobe – Weiteres Vorgehen wie unter Punkt 4
Risiken
Besteht eine Indikation zur Notfalltransfusion, liegt das Hauptrisiko des Patienten in der nicht zeitgerechten Transfusion, um die Sauerstoffversorgung der Gewebe und die Hämostase aufrechtzuerhalten. Die spezifischen Risiken der Notfalltransfusion ergeben sich insbesondere aus der Tatsache, innerhalb kürzester Zeit kompatible Blutkonserven bereitstellen und diese dann möglichst schnell transfundieren zu müssen. Wenn sich die Notfalltransfusion zu einer
Massivtransfusion ausweitet, vergrößern sich die Risiken, weil Probleme hinzukommen, die nicht nur von der Transfusionsgeschwindigkeit, sondern auch vom Transfusionsvolumen abhängen. Die allgemeinen Risiken der Bluttransfusion werden an anderer Stelle abgehandelt (7 Kap. 37). Diese Risiken sind bei der Massivtransfusion jedoch besonders groß, da ihre Häufigkeit in erster Linie mit der Anzahl der Blutkonserven unterschiedlicher Spender korreliert. Im Folgenden sollen dennoch nur die für Notfall- und Massivtransfusionen spezifischen Risiken und Nebenwirkungen besprochen werden. Spezifische Risiken der Notfall- und Massivtransfusion 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
30.2.1
Nicht zeitgerechte Transfusion Hypo-/Hypervolämie Fehltransfusion Hypothermie Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve Hämostasestörungen Acidose, Alkalose Hyperkaliämie, Hypokaliämie Hypokalzämie (Citratreaktionen) Perfusionsstörungen Nicht immunologisch bedingte Hämolyse
Fehltransfusionen
Ein besonderes Risiko der Notfalltransfusion stellt die Verwechslung von Patienten, Blutproben und Blutkonserven dar. Dieses Risiko besteht v. a. bei Notaufnahmen. Die Folge sind Fehltransfusionen, die zu hämolytischen Transfusionsreaktionen führen können (7 Kap. 37). In geringerem Maße besteht dieses Risiko auch infolge unvollständiger immunhämatologischer Vorbereitung der Bluttransfusion.
30.2.2
Hypothermie
Die schnelle und massive Transfusion von kalten Blutkonserven und Infusionslösungen senkt die Körpertemperatur, die schon durch längere Lagerung am Unfallort oder ausgedehnte Operationen erniedrigt sein kann. Als absolut kritisch wird eine Temperatur von 28 °C im rechten Ventrikel angesehen. Liegen zusätzliche Störungen wie Hypoxie, Acidose, Hypokalzämie, Hyperkaliämie etc. vor, können auch schon höhere Temperaturen (32–34 °C) kritisch sein [5]. Solche Temperaturverschiebungen werden u. U. bereits erreicht, wenn sehr schnell 50 % des Blutvolumens mit kalten Blutkonserven und Infusionslösungen ersetzt werden; im Schock genügen schon deutlich geringere Mengen [5]. Klinisch kommt es durch Hypothermie zu schwerwiegenden hämodynamischen Veränderungen mit Vasokonstriktion, Beeinträchtigung der Myokardfunktion mit Bradykardie, Abfall des Herzzeitvolumens bis zum Herzstillstand. Durch Hemmung des Stoffwechsels während Hypothermie, v. a. in der Leber, werden auch andere Negativfaktoren (Hyperkaliämie, Hypokalzämie, Acidose) verstärkt. Enzymatische Reaktionen wie v. a. die des Hämostasesystems werden gehemmt [48].
30.2 • Risiken
30.2.3
Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve
Die Frage, ob die Linksverschiebung der O2-Bindungskurve durch Hypothermie und Transfusion gelagerter, 2,3-DPG-verarmter Erythrozytenpräparate eine besondere Rolle spielt, ist unbeantwortet. Lediglich bei Patienten mit eingeschränkter kardialer Leistungsbreite und Massivtransfusion von 2,3-DPG-verarmten Erythrozytenpräparaten (≥10 EKs) konnte ein Zusammenhang zwischen Linksverschiebung der O2-Bindungskurve und Mortalität festgestellt werden [78] (7 Abschn. 30.2.9). 30.2.4
Hämostasestörungen
Die Prognose von Patienten mit Massivtransfusion wird ganz wesentlich durch die auftretenden Hämostasestörungen mitbestimmt. Bei Massivtransfusion gelagerter EKs werden in Abhängigkeit von deren präparativer Reinheit auch thromboplastische und fibrinolytische Aktivitäten appliziert. Dennoch wird diesen i. A. keine wesentliche Bedeutung als Ursache der Hämostasestörungen zuerkannt [16][84]. Bei Verwendung der heute in Deutschland zugelassenen leukozytendepletierten EKs in additiver Lösung ist diese Ursache weitgehend ausgeschlossen. Die Hämostasestörungen bei bzw. nach Massivtransfusion sind multifaktoriell bedingt [32]: 5 Verlust und Verdünnung bei gleichzeitig ungenügender Substitution (Verlust- bzw. Verdünnungskoagulopathie), Störung der Thrombozytenfunktion und Fibrinpolymerisation durch Plasmaexpander, 5 Hypothermie, 5 Acidose, 5 ungenügende Synthese und Mobilisation von Thrombozyten und Faktoren des Gerinnungssystems bei Schock, primärem oder sekundärem Leberschaden, 5 lokale und systemische Hyperfibrinolyse infolge Freisetzung fibrinolytisch aktiver Faktoren aus traumatisiertem Gewebe und Hämatomen, 5 vermehrte Konsumption von Hämostasepotential an großen Wundflächen, 5 disseminierte intravasale Gerinnung (DIG; Verbrauchskoagulopathie) infolge toxisch bedingter diffuser Einschwemmung von Gerinnungsaktivatoren (v. a. im Rahmen von Sepsis und Schock). Bei gleichzeitigem Vorliegen von Kreislaufkollaps, Acidose und Hypothermie nach großem Blutverlust besteht praktisch immer eine schwere Hämostasestörung [19][48]. Die Verdünnungskoagulopathie droht v. a. bei schnellem und großem Blutverlust, wenn entweder innerhalb kürzester Zeit (<3–4 h) mindestens ein Blutvolumen des betroffenen Patienten substituiert werden muss [16] oder mehr als 1,5–2 Blutvolumina innerhalb von 24 h zu ersetzen sind [46][59]. Dazu trägt heute auch die Applikation von plasmaarmen Erythrozytenpräparaten bei [13] [64][84]. Bei geringerem Blutverlust (1 Blutvolumen in 12–24 h) spielt die Verdünnungskoagulopathie eine untergeordnete Rolle [16][29]. Autoren, welche die Verdünnungskoagulopathie im Rahmen der Massivtransfusion generell für relativ unwichtig hielten, bezogen sich v. a. auf Studien, bei denen entweder der Blutverlust nur relativ gering (≤1 Blutvolumen) war und/oder überwiegend Vollblut transfundiert wurde [29][70][95]. Gelagertes Vollblut enthält plas-
411
30
matische Gerinnungsfaktoren (v. a. Fibrinogen) noch in wirksamer Konzentration. In den entsprechenden klinischen Studien wurden daher in erster Linie ein Thrombozytenmangel (ab 1,5 Blutvolumen [18][83][84]) und erst viel später oder gar nicht eine plasmatische Störung beobachtet [13][59]. Diese war v. a. durch Mangel der Faktoren V und VIII charakterisiert, die wegen ihrer Lagerungslabilität in Vollblut bis auf 15–20 % abfallen können. Bei Applikation von plasmaarmen EKs in additiver Lösung zeigen dagegen ein Drittel der Patienten bereits nach Transfusionsmengen von 1–1,2 Blutvolumina Gerinnungsstörungen [40][46]. Diese werden nach Ersatz von mehr als dem 1,5-fachen Blutvolumen klinisch relevant. Ab 2 Blutvolumina weisen alle Patienten Thrombozytenwerte <60.000/μl auf [46]. Bei weniger akut verlaufenden Massivtransfusionen kann der Verlust durch Umverteilung, Mobilisation, Freisetzung und vermehrte Synthese zumindest partiell kompensiert werden. Thrombozyten werden unter Stress bzw. Applikation von Katecholaminen v. a. aus der Milz mobilisiert, Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor in großen Mengen aus dem Endothel freigesetzt sowie Faktoren wie V und VII innerhalb von Stunden in der Leber vermehrt nachgebildet. Selbst bei Blutverlusten bis zu 2 Blutvolumina während 24 h kommt es daher nicht unbedingt zu so ausgeprägten Hämostasestörungen, dass ein erhöhtes Blutungsrisiko resultiert [18]. Voraussetzung ist, dass die genannten Mechanismen funktionieren und der Umsatz durch Konsumption und/oder DIG nicht zu hoch ist. Allerdings ist die DIG, zumindest in den ersten 24 h, viel seltener [32][59] als von vielen Klinikern vermutet. Sie ist in erster Linie eine Komplikation bei Sepsis bzw. septischem Schock oder länger anhaltendem hämorrhagischem Schock sowie bei Schädel-HirnTrauma. Häufig wird die Konsumption von Hämostasepotential an großen Wundflächen, die im Gegensatz zur DIG eine gerichtete Gerinnung darstellt, damit verwechselt, da beide labordiagnostisch kaum zu unterscheiden sind. Darüber hinaus findet sich nicht selten eine systemische Hyperfibrinolyse, die unter diesen Umständen ebenfalls eine DIG diagnostisch vortäuscht. Mehr als durch die Transfusion wird die Schwere der Gerinnungsstörung folglich durch das zugrunde liegende Trauma (v. a. offene Verletzungen, Schädel-Hirn-Trauma) sowie die Dauer des hämorrhagischen Schocks und die damit einhergehende Acidose bestimmt. Darüber hinaus können vorbestehende Krankheiten (v. a. Leberschaden) oder Komplikationen (Sepsis, Nachblutung) zur Hämostasestörung beitragen. In den meisten Fällen können die Gerinnungsstörungen bei Massivtransfusion durch zeit- und volumengerechten Blutersatz sowie Verhinderung von Acidose vermieden werden [16][19][84]. Frischplasma ist in dieser Situation von besonderem Wert, da es nicht nur die fehlenden Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren enthält, sondern im Gegensatz zu den meisten Infusionslösungen auch der Acidose entgegenwirkt [102][103]. Zu wenig Beachtung findet die Tatsache, dass bei Hypothermie sowohl die thrombozytäre als auch die plasmatische Hämostase deutlich gestört sind [28][73][92][96], ohne dass diese Veränderungen mit Hilfe der Labordiagnostik erfasst werden. Die nur mäßige Korrelation zwischen Gerinnungsbefunden und Auftreten von Blutungskomplikationen dürfte dadurch teilweise zu erklären sein. Im Hinblick auf die Substitution von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren bedeutet dies, dass einerseits in Abhängigkeit vom Ausmaß der Hypothermie schon höhere Grenzwerte der Hämostaseparameter kritisch sein können, andererseits aber die Anhebung der Körpertemperatur effektiver und sinnvoller ist als die Substitution [24][46][75].
412
Kapitel 30 • Notfall- und Massivtransfusion
Als prädiktive hämostaseologische Grenzwerte für ein signifikant erhöhtes Blutungsrisiko im Rahmen der Massivtransfusion werden Thrombozytenzahlen von 50.000/μl, Fibrinogenkonzentrationen von 0,8 g/l, Verlängerung der Gerinnungszeiten globaler Gerinnungstests um das 1,8-fache (Quick ca. 40 %, PTT ca. 55 s) sowie Aktivitäten von einzelnen Gerinnungsfaktoren von 20 % angesehen [13][70]. Allerdings zeigen neuere Erfahrungen, dass der Grenzwert für Fibrinogen zu niedrig angesetzt ist [60]. Der Grund hierfür dürfte darin bestehen, dass die heutzutage häufig eingesetzte turbidimetrische Fibrinogenmessung v. a. bei Patienten, die mit Hydroxyethylstärke-Lösungen infundiert werden, fälschlicherweise zu hohe Messwerte ergibt [1][2]. Unter diesen Umständen sind Grenzwerte um 1,5 g/l zeitweise bereits kritisch. Mit dem Thrombelastogramm (TEG) wird der Fibrinogenmangel deutlich früher erkannt [60], weshalb dieses bei Massivtransfusionen zunehmend als zusätzliche diagnostische Methode v. a. im Rahmen der Point-ofCare-Diagnostik eingesetzt wird, insbesondere weil das TEG auch eine systemische Hyperfibrinolyse sehr sensitiv erfasst. Den Störungen der primären Hämostase ist unter den Bedingungen der Massivtransfusion ebenfalls eine erhebliche Bedeutung einzuräumen [19][40], da auch die Thrombozytenfunktion durch Acidose und Hypothermie deutlich gestört wird. Bei Hochrisikopatienten mit multiplen Verletzungen und/oder großen Wundflächen können daher schon Thrombozytenwerte von <100.000/ml kritisch sein. Im Übrigen sollten die therapeutischen Interventionen bei Patienten mit fortbestehendem Blutverlust nicht erst erfolgen, wenn die genannten kritischen Grenzwerte erreicht sind (7 Abschn. 30.3). Schließlich können auch lokale Störungen der Blutstillung bestehen, die durch Wundödem, Entzündung, Hämatom, Fremdkörper und Infektion hervorgerufen werden. Die lokale vaskulär oder hyperfibrinolytisch bedingte Blutungsneigung entzieht sich der Labordiagnostik.
30 30.2.5
Hypovolämie, Hypervolämie
Primär sind Patienten mit großem Blutverlust durch die Hypovolämie gefährdet, dem es durch entsprechenden Volumenersatz entgegenzuwirken gilt. Allerdings häufen sich in den letzten Jahren die Mitteilungen über Todesfälle infolge Hypervolämie. Daher wird insbesondere auch vor der Applikation von Plasma gewarnt. Wenn Plasma erst nach entsprechend schwerem Blutverlust in großen Mengen schnell substituiert werden muss, um die bereits manifeste Hämostasestörung zu beheben, besteht ohne Frage das Risiko von Hypervolämie v. a. bei Patienten, die zu diesem Zeitpunkt infolge entsprechender Volumensubstituion bereits normovolämisch sind. Daher ist in dieser Situation dann die Substitution von Gerinnungskonzentraten indiziert. Andererseits kann durch frühzeitige adäquate Applikation von Plasma als Gerinnungstherapeutikum und Volumenersatz diese kritische Situation vermieden werden.
30.2.6
Hyperkaliämie, Hypokaliämie
In Abhängigkeit v. a. von Transfusionsgeschwindigkeit und -volumen kommt es bei Transfusion gelagerter Erythrozytenpräparate vorübergehend zur Hyperkaliämie [49]. Selbst bei klinisch stabilen Patienten wurden bei Transfusionsgeschwindigkeiten für Vollblut von >0,4 ml/min/kg Körpergewicht (KG) (entspricht bei EK in additiver Lösung 0,3 ml/min/kgKG bzw. 20 ml/min bei 70 kg) bei Substitution von mehr als 40 % des Blutvolumens passagere Hyperkaliämien festgestellt [50]. Kalium wird jedoch schnell über die Nie-
ren ausgeschieden und nach Aktivierung des Stoffwechsels (Na+/ K+-Pumpe) der transfundierten Erythrozyten wieder von diesen aufgenommen [33][50]. Auf diese Weise besteht nach Massivtransfusion sogar das Risiko einer Hypokaliämie. Solange der massiv transfundierte Patient gut perfundiert und nicht hypotherm ist, Leber und Nieren funktionieren oder nicht zu schnell transfundiert wird (bis maximal 1 ml EK/min/kgKG), spielt die Hyperkaliämie im Zusammenhang mit der Massivtransfusion klinisch kaum eine Rolle [16][33][99]. Dagegen wurden bei sehr schneller Transfusion (Vollblut 90 ml/min = 1,3 ml/min kgKG, EK 60 ml/min = 0,8 ml/min/kgKG) schwere transfusionsbedingte Hyperkaliämien berichtet, die nachweislich vereinzelt sogar zum Herzstillstand führten [9][38][81][90][93].
30.2.7
Acidose, Alkalose
Die Acidose korreliert im Wesentlichen mit der Persistenz des Schocks bzw. Minderperfusion (Übersicht bei [78]). Durch Störung der Hämostase wird sie zu einem der entscheidenden Faktoren, welche die Prognose bei Patienten mit Polytrauma bestimmen [26][48] [94]. Die mit gelagerten EKs applizierten Säuren können die Acidose bei Massivtransfusion verstärken [102][103]. Bei intakten Organfunktionen (v. a. Leber, Niere) werden dagegen die mit gelagertem Blut applizierten Säuren in der Regel schnell abgeatmet (CO2) oder metabolisiert (Citrat, Laktat, Pyruvat, Phosphat). EKs in additiver Lösung enthalten Citrat nur in sehr geringer Konzentration. Nach Abbau der organischen Säuren in NaHCO3 droht sogar eine Alkalose [16][33][99]. Daher stellt die primär transfusionsbedingte Acidose nur bei sehr schneller und massiver Transfusion (VB 2,4 ml/min/ kgKG, EK in CPD-A1 1,6 ml/min/kgKG, bei Erwachsenen 2 EKs in weniger als 4 min) ein Problem dar. Ohne entsprechende Veränderungen in der Blutgasanalyse verbietet sich im Hinblick auf die drohende spätere Alkalose die Applikation von Natriumbicarbonat [16][99].
30.2.8
Citratreaktionen
Citratreaktionen können nur bei Transfusion von plasmahaltigen Blukonserven (Vollblut, GFP, VIP, Thrombozytenpräparate) beobachtet werden, die zwecks Antikoagulation Natriumcitrat im Überschuss enthalten. Die dadurch hervorgerufene Hypokalzämie (und Hypomagnesiämie) korreliert in erster Linie mit der Transfusionsgeschwindigkeit, weniger mit dem Transfusionsvolumen. Ab Ca2+-Konzentrationen <0,8 mmol/l können neurologische und kardiovaskuläre Symptome einschließlich Arrhythmien und Blutdruckabfall beobachtet werden [37]. Gerinnungsstörungen infolge Hypokalzämie treten dagegen erst bei Calciumkonzentrationen <0,4 mmol/l auf. Solange die Kompensationsmechanismen funktionieren (Ca2+Mobilisation aus dem Knochen, Metabolisierung von Citrat in der Leber), besteht bei Transfusionsgeschwindigkeiten von Vollblut <100 ml/min (1,4 ml/min/kgKG) bzw. GFP <50 ml/min für 70 kg Körpergewicht (0,7 ml/min/kgKG) bzw. Calciumkonzentrationen von >0,7 mmol/l keine Notwendigkeit zur Applikation von Ca2+ [15][58][76]. Die entsprechenden EKG-Veränderungen (QT-Verlängerung) sind folglich in erster Linie bei persistierendem Schock, Hypothermie, Acidose und Leberschaden zu beobachten. Allerdings sind diese ein zu unzuverlässiges diagnostisches Mittel. Die Ca2+-Konzentrationen sollten direkt mittels Calciumionen-selektiver Elektrode kontrolliert werden.
413
30.3 • Durchführung der Substitutionstherapie
30.2.9
Perfusionsstörungen
Perfusionsstörungen der Lunge werden v. a. bei der transfusionsassoziierten akuten Lungeninsuffizienz (TRALI) durch granulozytenreaktive Antikörper [69] und bei Übertragung großer Transfusionsvolumina beobachtet [56]. Bei Massivtransfusion von Buffy-coathaltigen EKs wurden als Ursache zunächst die an Zahl und Größe während der Lagerung zunehmenden Aggregate aus Thrombozyten und Leukozyten (Mikroaggregate) angeschuldigt [63][71]. Die tierexperimentellen Studien, welche die kausale Bedeutung der Mikroaggregate belegen sollten, sind widersprüchlich und nicht ohne Weiteres auf die Situation der Massivtransfusion am Menschen übertragbar (Übersicht bei [82]). Die Mitteilungen bezüglich pathologisch-anatomischer Veränderungen der Lunge am Menschen nach Massivtransfusion von nicht mikrofiltriertem Blut sind widersprüchlich [63][74]. Die klinischen Studien [63][72] hinsichtlich der Effektivität von Mikrofiltern bei Massivtransfusion sind nicht überzeugend [30][82]. Auch bei submassiver Transfusion von pulmonal vorgeschädigten Patienten wurden selbst bei Untersuchung sensitiverer pulmonaler Funktionsparameter keine oder keine klinisch relevanten Unterschiede hinsichtlich der verglichenen Transfusionsgeräte (Standardtransfusionsgeräte mit Porengröße 170–300 μm vs. Mikroaggregatfilter mit Porengröße <40 μm) festgestellt. Vor allem die Transfusionen von Plasma und Thrombozytenkonzentraten sollen Risikofaktoren für ein ARDS bzw. eine akute Lungeninsuffizienz darstellen [41]. Bei den zugrunde liegenden retrospektiven Analysen ist jedoch Compounding nicht auszuschließen. Patienten, die Plasma und sogar Thrombozytenkonzentrate bekommen, sind in der Regel schwerer geschädigt oder haben einen größeren Blutverlust erlitten. Eine Reihe von Faktoren, die die Situation dieser Patienten kennzeichnen, können ursächlich an der Entstehung des ARDS beteiligt sein: Schock, Hypervolämie, Aspiration, postoperative Pneumonie, extrapulmonale Sepsis, Nierenversagen, DIG, nichtzelluläre Bestandteile gelagerter Blutkonserven etc. [16]. Das Lungenversagen korreliert v. a. mit der Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung bzw. traumatischen Schädigung. Der Rückgang des Lungenversagens seit 1970 dürfte eher durch eine allgemein bessere intensivmedizinische Behandlung dieser Patienten als durch Mikrofiltration der gelagerten Blutpräparate bedingt sein [82]. Mikrofiltration von Blutpräparaten wurde daher schon in den 80er Jahren selbst bei Massivtransfusion zunehmend infrage gestellt bzw. wegen der Verlangsamung der Transfusion und des Risikos von Hämolyse sogar abgelehnt [16][30][77][82]. Auf jeden Fall stellt sich das Problem nicht mit der Verwendung leukozytendepletierter EKs in additiver Lösung, da diese keine Mikroaggregate in nennenswerter Konzentration enthalten und damit auch die Zufuhr von Faktoren kaum eine Rolle spielen kann, die aus Thrombozyten oder Leukozyten während der Lagerung freigesetzt oder aktiviert werden (Histamin, Serotonin, Eicosanoide, Interleukine, Komplement) und die zur Entstehung der Lungenperfusionsstörung beitragen könnten [30]. Allerdings weisen neuere Daten dennoch auf die Möglichkeit der Auslösung von Perfusionsstörungen in verschiedenen Organen bei Transfusion länger gelagerter EKs hin. Während der längeren Lagerung von EKs (>2 Wochen) treten mit dem Abfall energiereicher Phosphate morphologische Veränderungen an den Erythrozyten auf, die mit Formveränderungen und Verminderung der Verformbarkeit einhergehen [4]. Bei kritisch kranken Patienten mit Sepsis veränderte sich der intramuköse pH-Wert als Ausdruck zunehmender Ischämie in Abhängigkeit von der Lagerungsdauer der
30
transfundierten EKs [53]. Bei Transfusion von länger als 2 Wochen gelagerten EKs verstärkte sich die intramuköse Acidose. Durch die verminderte Fähigkeit der Erythrozyten zur Sauerstoffabgabe infolge erniedrigten 2,3-DPG-Gehalts ist dies allein nicht zu erklären. Aufgrund der gestörten Deformabilität können die Erythrozyten das Kapillarbett jedoch u. U. nicht mehr normal passieren. Die Erythrozyten werden teilweise über Shunts am Kapillarbett vorbei geleitet. Im Tierexperiment konnte gezeigt werden, dass im hämorrhagischen Schock zwar der mittlere venöse pO2 nach Transfusion von gelagerten Erythrozyten normalisiert werden kann, nicht aber der mikrovaskuläre pO2 im Darm [36][80]. Aufgrund dieser Befunde kann die Transfusion älterer Erythrozyten zu einer Beeinträchtigung v. a. der intestinalen Sauerstoffversorgung führen. Allerdings wird der Sauerstoffverbrauch in den zitierten Tierexperimenten nur bei stärker lagerungsgeschädigten Erythrozyten beeinträchtigt [7]. Da sich v. a. nach koronarem Bypass, bei koronarer Ischämie, nach hämorrhagischem Schock und unter Endotoxinen die kapilläre Dichte vermindert, ist am ehesten in diesen Fällen bei Transfusion länger gelagerter Erythrozyten infolge weiterer Verminderung des kapillaren Netzwerkes eine Verschlechterung der Sauerstoffversorgung denkbar [79][97]. Bei kardiochirurgischen Eingriffen mit Einsatz von extrakorporalem Bypass wurde in retrospektiven Studien ein signifikant schlechteres Outcome für Patienten beobachtet, die länger gelagerte EKs erhielten [3][42]. Allerdings weisen diese Studien erhebliche Confounding-Faktoren und Bias auf [22]. Möglicherweise spielt eine Rolle, dass länger gelagerte Erythrozyten im extrakorporalen Bypass leichter geschädigt werden. Die aus geschädigten Erythrozyten freigesetzten Inhaltsstoffe könnten sich nachteilig auswirken. Dann wären die bei kardiochirurgischen Eingriffen gefundenen Daten zumindest nicht auf Patienten ohne extrakorporalen Bypass übertragbar. Weitere Studien sind notwendig, um letztlich die klinische Bedeutung dieser Befunde richtig einschätzen zu können. 30.3
Durchführung der Substitutionstherapie
Die Anforderungen bezüglich der Substitution von Volumenersatzund Blutpräparaten im Rahmen von Notfall- und Massivtransfusionen sind nachfolgend aufgeführt. Der Volumenersatz hat in der primären Reanimationsphase absolute Priorität. Das Ziel besteht darin, in kurzer Zeit das Gefäßkompartiment zumindest soweit aufzufüllen, dass die Herz-Kreislauf-Funktion aufrecht erhalten bleibt (Frank-Starling-Mechanismus) und die Organfunktionen gesichert werden. Dies kann im Prinzip mit kristalloiden wie auch mit kolloidalen Infusionslösungen erreicht werden. Welchen Substanzen hierbei der Vorzug zu geben ist, wird noch immer kontrovers diskutiert und soll an dieser Stelle nicht näher abgehandelt werden. Jedoch ist zu beachten, dass die Gefahr von Ödemen durch Abfall des kolloidosmotischen Drucks (KOD) unter der Gabe von Kristalloiden größer ist [16] (7 Kap. 21). Entscheidend ist, dass der KOD in einem Bereich oberhalb von 18– 20 mmHg gehalten werden sollte, was einer Gesamteiweißkonzentration von 4,5 g/dl entspricht. Das ist i. A. ohne Kolloidsubstitution bis zu einem Austauschvolumen von 50 % möglich [51]. Bei Patienten mit erhaltener kardialer Kompensationsfähigkeit, uneingeschränkter Lungenfunktion und zerebrovaskulärer Durchblutung ist der Hämoglobinwert meist erst bei einem Abfall unter 7–8 g/dl kritisch [11][12][31][66] und erfordert dann die Transfusion von EKs. Bestehen dagegen Hinweise auf entsprechende Funktionseinschränkungen v. a. des Herzens, befindet man sich mit Hämoglobinwerten ≥10,0 g/dl (Hämatokrit 30 %) i. A. auf der
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therapeutisch sicheren Seite [12][31]. Selten kann bei älteren und Intensivpatienten mit Herz- und/oder Atemwegserkrankungen die kritische Schwelle des Hämoglobins bereits bei 11–12 g/dl liegen [96][101]. Der Einsatz von GFP beschränkt sich auf seine Wirkung als Gerinnungstherapeutikum bei manifesten und zu erwartenden komplexen Gerinnungsstörungen. Im Rahmen der Massivtransfusion sollten durch frühzeitige Applikation von GFP Blutungskomplikationen perioperativ/posttraumatisch als Folge hämostaseologischer Störungen dringend vermieden werden. Anderenfalls besteht neben der akuten Gefährdung des Patienten durch den weiteren Blutverlust das Risiko sekundärer lokaler und systemischer Hämostasestörungen (Verbrauchskoagulopathie, Hyperfibrinolyse) aufgrund der entstehenden Hämatome. Neben der evtl. Kompression benachbarter Organe begünstigen die Hämatome die Wundinfektion und beeinträchtigen die Wundheilung. Darüber hinaus werden unnötige Reoperationen notwendig. Frühzeitiger Einsatz von GFP bei Massivtransfusion als gerinnungsaktivem Volumeneresatz anstelle von Gerinnungsfaktorkonzentraten in Kombination mit Infusionslösungen trägt zur Vermeidung von Acidose bei, welche die Prognose ungünstig beeinflusst [26][40][94][102][103]. Allerdings ist die prophylaktische Applikation von GFP und Thrombozytenpräparaten nach starren Substitutionsschemata noch immer umstritten. Die ablehnende Meinung basiert jedoch fast ausschließlich auf Erfahrungen mit der Vollbluttransfusion. Die heute übliche Verwendung von plasmaarmen EKs erfordert aber ganz sicher die frühzeitige ergänzende Substitution der plasmatischen Gerinnungsfaktoren, wenn absehbar ist, dass innerhalb von 2–4 h mindestens 1 Blutvolumen oder innerhalb 12–24 h 2 und mehr Blutvolumina ersetzt werden müssen. Mit der Substitution von GFP sollte auf keinen Fall solange gewartet werden, bis bereits ein Blutvolumen ausgetauscht wurde, diffuse mikrovaskuläre Blutungen auftreten oder entsprechende Gerinnungsveränderungen in den Laboruntersuchungen festgestellt werden [34][55][61]. Die notwendigen GFPs sind dann u. U. nicht schnell genug verfügbar (Auftauzeit 20–30 min bei 37 °C) und können dem normovolämischen Patienten wegen der Gefahr von Hypervolämie und Citratreaktionen nicht schnell genug appliziert werden. Die Verwendung von speziellen Mikrowellenöfen kann die Auftauzeit auf 5–6 min verkürzen [85]. Im Allgemeinen empfehlen sich daher Substitutionsprotokolle, nach denen GFPs und EKs in einem festen Verhältnis zueinander verabreicht werden [43][52] [62]. Diese richten sich nach dem Ausmaß der Hämodilution und dem Ausmaß des Volumenmangels bis zum Beginn der Erythrozytensubstitution. Wird mit der Erythrozytentransfusion bereits bei einem Blutverlust von etwa 20 % des Blutvolumens begonnen, gelingt es nach unserer Erfahrung mit einer Substitution von EK zu GFP im Verhältnis 3:1 und ab dem 10. EK im Verhältnis 2:1, die plasmatische Gerinnung bei Quickwerten über 50 % (INR < 1,5), PTT-Werten <50 s und Fibrinogenkonzentrationen >1,0 g/l (bzw. ≥1,5 g/l) zu halten. Bei späterem Substitutionsbeginn empfiehlt sich analog von Beginn an eine Substitution im Verhältnis 2:1 oder 1:1. Dieses Standardprotokoll bewährt sich v. a. bei Blutungskomplikationen im Rahmen elektiver Eingriffe, wenn Normovolämie herrscht und frühzeitig mit der Substitution begonnen werden kann. Besteht dagegen bereits ein Blutverlust von ≥50 % des Blutvolumens oder befindet sich der Patient schon im hämorrhagischen Schock (z. B. Traumapatienten), sollten bereits initial 4–6 GFPs (15 ml/kgKG) appliziert [11] und anschließend im Verhältnis 1:1 weiter substituiert werden. Darüber hinaus ist in dieser Situation häufig bereits initial die zusätzliche Applikation von Fibrinogen
(2–3 g) und Prothrombinkomplexpräparaten (1000–2000 IE) notwendig. Wurde bei solch hohen Blutverlusten bereits Normovolämie mittels Infusionslösungen hergestellt, muss die Hämostasestörung zur Vermeidung von Hypervolämie primär mit PPSB und Fibrinogenkonzentraten behandelt werden. Inwiefern rekombinanter Faktor VIIa in besonderen Fällen eine Therapieoption darstellt, müssen zukünftige Studien und Erfahrungen zeigen. Der frühe Einsatz von Gerinnungskonzentraten (Fibrinogen, PPSB) ist auch bei Patienten mit vorbestehenden Gerinnungsstörungen (z. B. infolge Leberschaden) oder besonderer Blutungsgefährdung (Schädel-Hirn-Trauma) indiziert. Gerinnungskonzentrate werden insbesondere auch dann erforderlich, wenn die Bereitstellung von GFPs nicht innerhalb kurzer Zeit möglich ist oder wenn das Risiko von Hypervolämie die Applikation entsprechender Plasmavolumen verbietet. Unabhängig vom Antithrombinspiegel besteht im Rahmen der Massivtransfusion in der Regel keine Indikation für Antithrombin. Lediglich im Falle der seltenen disseminierten intravasalen Gerinnung sollte Antithrombin substituiert werden. Die Thrombozytensubstitution ist bei Werten von <50.000/μl indiziert. Bei Hochrisikopatienten (z. B. Schädel-Hirn-Trauma) mit multiplen Verletzungen und/oder großen Wundflächen können Thrombozytentransfusionen bereits bei weniger als 100.000 Thrombozyten/μl erforderlich sein. Daher sollten die Thrombozytenwerte ab Verlusten von mehr als dem 1,5-fachen Blutvolumen (bei Erwachsenen ab 10 EKs) regelmäßig kontrolliert werden. Bei entsprechendem Mangel sind allerdings auch nach Sistieren der Blutung Thrombozytenkonzentrate in ausreichender Zahl zu transfundieren, zumindest wenn größere Wundflächen bestehen. Die Thrombozytenzahl sollte über diese kritischen Grenzwerte angehoben und für die ersten Tage darüber gehalten werden. Es wird diskutiert, dass die Anhebung der Fibrinogenspiegel über kritische Konzentrationen hinaus einen Thrombozytenmangel teilweise kompensieren kann [60]. Zumindest geht ein gleichzeitiger Mangel von Fibrinogen und Thrombozyten mit einem besonders hohen Blutungsrisiko einher. Weiterhin kann die primäre (thrombozytäre) Hämostase auch durch Anhebung des Hämatokrits [44] sowie durch Einsatz von Desmopressin und/oder Antifibrinolytika verbessert werden. Antifibrinolytika haben sich auch generell bei unklarer Blutungsneigung bewährt [43]. Darüber hinaus besteht mit dem Einsatz von rekombinantem Faktor VIIa eine neue, therapeutisch sehr wirksame und scheinbar risikoarme Option [6][47][54][88]. Wegen der hohen Kosten sollte sie allerdings auf die sehr seltenen Fälle beschränkt werden, die mit den konventionellen Möglichkeiten nicht zu beherrschen sind. Andererseits wird der Erfolg von rekombinantem Faktor VIIa vom frühen Einsatz abhängig gemacht [88], da z. B. Acidose die Wirkung reduziert bzw. aufhebt (pH <7,2). Obwohl grundsätzlich vor den therapeutischen zunächst die diagnostischen Maßnahmen einzuleiten sind, können unter diesen Extrembedingungen die Gerinnungsbefunde nicht immer abgewartet werden. Dies bedeutet umgekehrt nicht, dass auf die entsprechende Diagnostik in dieser Situation verzichtet werden kann. Durch richtige zeitliche Zuordnung zum Therapie- und Verlaufsprotokoll erlauben auch die mit 20–30 min Verzögerung erstellten Gerinnungsbefunde eine Abschätzung der aktuellen Situation, sodass die weitere Substitution unter kontrollierten Bedingungen erfolgen kann. Andererseits scheint sich der patientennahe Einsatz des Thrombelastogramms in diesen Situationen als zusätzliche Diagnostik zu bewähren [37].
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Literatur
Transfusionsschema mit Regelgrößen (fett) und kritischen Grenzwerten (kursiv) bei der Notfall- und Massivtransfusion Blutvolumen: Normovolämie 5 Kristalloide 5 Kolloide 5 Albumin
Kolloidosmotischer Druck: Gesamteiweiß ≥ 4,5 g/dl, KOD ≥ 18–20 mmHg 5 Kolloide 5 Albumin
Sauerstoffversorgung/Gasaustausch: Hb ≥ 7–8 g/dl (bei eingeschränkter Herzleistung bis 10 g/dl), Hkt ≥ 20 % (bei eingeschränkter Herzleistung bis 30 %)
5 EK Plasmatische Gerinnung: Quick INR < 1,5–1,8 bzw. > 40–50 %, PTT < 50 s, Fibrinogen > 1,0 g/l 5 GFP (nach Standardschema) 5 Eventuell zusätzlich Fibrinogen und/oder PPSB
Thrombozytäre Hämostase: Thrombozyten 50.000–100.000/μl 5 Randomisierte Thrombozytenkonzentrate
30.3.1
Standardprotokolle
Standardprotokolle zur Substitutionstherapie bei Notfall- und Massivtransfusion sind Leitlinien für die Basisversorgung mit Infusionslösungen und Blutprodukten, die sowohl in der Klinik wie im versorgenden Labor bzw. Blutdepot eine Hilfestellung bei der notfallmäßigen Bereitstellung von Blutprodukten darstellen [45]. In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen, die standardisierte Substiutionsprotokolle bei Massivtransfusion empfehlen [8][11] [17][35][86], wobei die empfohlenen Protokolle sehr unterschiedlich sind. Die Standardprotokolle sind sowohl der klinischen Situation des Patienten als auch den Bedingungen der Einrichtung anzupassen. Dabei sollte berücksichtigt werden, ob sich die Massivtransfusion als Komplikation bei einem elektiven Eingriff oder in Situationen ergibt, in denen bereits ein erheblicher Blutverlust bis zum Beginn der Substitution stattgefunden hat. Ob die Substitution dann vorrangig mit Plasma oder Gerinnungskonzentraten erfolgen muss, hängt davon ab, ob der Patient noch einen entsprechenden Volumenbedarf hat und wie schnell Plasma verfügbar gemacht werden kann. Wenn bereits von manifesten Störungen der Gerinnung auszugehen ist, sind auf jeden Fall zusätzlich Gerinnungskonzentrate indiziert, da Plasma allein die Gerinnungsstörung von massiv blutenden Patienten nicht schnell genug beheben kann und andererseits die Gefahr von Hypervolämie besteht. Die Standardprotokolle sollten im QualitätsmanagementHandbuch einer Einrichtung niedergelegt sein und von den Beteiligten eingeübt werden. Die in der Klinik festgelegten Standardprotokolle haben v. a. den Vorteil, dass sie das Personal im Labor bzw. Depot frühzeitig mit in den Ablauf einbinden, sodass der Bedarf vorausgeplant und eine zeitgerechte Versorgung ermöglicht wird.
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Die Behandler sind unabhängiger von Laborwerten, und auch weniger erfahrene Kollegen sind in der Lage, die Basisversorgung sicherzustellen. Ohne Standardprotokolle für die Massivtransfusion entsteht häufig eine Unterversorgung der Patienten mit Plasma und Thrombozytenkonzentraten [25].
30.3.2
Praktische Durchführung
Zur Sicherheit der Notfall- und Massivtransfusion tragen auch praktische Aspekte bei: 5 Für Transfusion möglichst eigenen und großlumigen Zugang legen. 5 EK in additiver Lösung, nicht länger als 2–3 Wochen gelagert, ohne weitere Zusätze verwenden (optimale Fließeigenschaften). 5 Warm transfundieren und infundieren. 5 Standardtransfusionsgeräte (Transfusionsfilter mit 170 μm Porengröße) verwenden. 5 Drucktransfusion nur bei spontan durchgängigen Transfusionssystemen und Zugängen durchführen. 5 Citratreaktionen bei Transfusion von GFP beachten (Transfusionsgeschwindigkeit <50 ml/min bzw. 0,7 ml/min/kgKG), evtl. dem Patienten zusätzlich Ca2+ und evtl. Mg2+ applizieren. 5 Regelmäßige Laborkontrollen durchführen (Blutbild mit Thrombozyten, Quickwert, PTT, Fibrinogen, Elektrolyte, Blutgasanalyse, Laktat). 5 Genaue (v. a. auch zeitliche) Dokumentation von Laborkontrollen und Therapiemaßnahmen. 5 Depothaltung von Thrombozytenkonzentraten. 5 Bei Versorgungsproblemen durch Konservenmangel ABO-/ Rh-kompatible Transfusion gemäß . Tab. 30.1. 30.4
Prognose
Die Prognose der Massivtransfusion galt für viele Jahre als ausgesprochen schlecht. Bei Notwendigkeit von mehr als 50 Blutpräparaten betrug die Überlebenschance weniger als 20 %. Durch die Fortschritte in der operativen Versorgung und die bessere intensivmedizinische Betreuung, aber auch durch die Verbesserung der Blutkomponenten, die Vermeidung von Hypothermie und Acidose sowie insbesondere die frühzeitige Behandlung von möglichen Gerinnungsstörungen hat sich die Prognose in den letzten 15 Jahren deutlich verbessert; die Überlebenschance beträgt heute bei Polytrauma annähernd 50 % [14][27]. Wird als Kriterium für eine Massivtransfusion schon ein Blutverlust von einem Blutvolumen zugrunde gelegt, liegt die Letalität sogar nur bei ca. 25 % [57]. Die Analysen und Erfahrungen der letzten Jahre sprechen dafür, dass die frühe großzügige Applikation von Plasma bzw. Gerinnungskonzentraten und Thrombozyten die Prognose bei Massivtransfusion deutlich verbessert und insgesamt zur Reduktion von Blutkomponenten beitragen kann [21][34][87][89].
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418
92
Kapitel 30 • Notfall- und Massivtransfusion
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30
419
Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin H. Kroll und R. F. Maier
31.1
Erkrankungen des Feten und Neugeborenen – 420
31.1.1 31.1.2 31.1.3 31.1.4 31.1.5 31.1.6 31.1.7 31.1.8
Allgemeines – 420 Pränatale Diagnostik – 420 Anämien – 422 Thrombozytopenien – 433 Granulozytopenien – 438 Hämostasestörungen – 438 Anforderungen an Transfusionsblut für Früh- und Neugeborene – 439 Transfusionstechniken in der Perinatalperiode – 440
31.2
Erkrankungen im Kindesalter – 442
31.2.1 31.2.2 31.2.3 31.2.4 31.2.5
Allgemeines – 442 Anämien – 442 Thrombozytopenien und -pathien – 443 Granulozytopenien – 443 Berechnung der Transfusionsvolumina – 443
31.3
Gewinnung von autologem Blut – 443 Literatur – 444
31
420
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
Während der intrauterinen Entwicklung und in der frühen postnatalen Phase des Menschen werden verschiedene Perioden unterschieden: 4 die Embryonalzeit bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche, 4 die Fetalzeit von der 13. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt, 4 die Perinatalperiode von der 29. Schwangerschaftswoche bis zum 7. Lebenstag, 4 die Neugeborenenperiode vom 1. bis zum 28. Lebenstag und 4 die Säuglingszeit bis zum Ende des 1. Lebensjahres.
31
Jede dieser Entwicklungsphasen hat ihre Besonderheiten in Diagnostik und Therapie. Durch die Chorionzottenbiopsie lassen sich im Einzelfall bereits mit 9–10 Schwangerschaftswochen (SSW) mittels biochemischer und molekulargenetischer Methoden monogene Erbkrankheiten sowie die wichtigsten Erbmerkmale auf Blutzellen und damit fetomaternale Inkompatibilitäten feststellen. In der Fetalperiode erlauben v. a. Sonographie, Doppleruntersuchung der fetalen Gefäße, Fruchtwasserpunktion (Amniozentese) und intrauterine Punktion der Nabelschnur (Kordozentese) eine frühzeitige, differenzierte Diagnostik und Therapie. Die transfusionsmedizinischen Erfordernisse in der Neonatalperiode stehen häufig in unmittelbarem Zusammenhang mit Frühgeburt und/oder pathologischen Geburtsprozessen, z. B. Blutungen aus Nabelschnur und Plazenta oder geburtstraumatische Blutungen. Fetomaternale oder fetofetale (Zwilling-zu-Zwilling-) Transfusionen können Volumenmangelzustände und Anämien auslösen. Zu Massivtransfusionen im Neugeborenenalter kommt es bei Austauschtransfusionen und extrakorporalen Kreisläufen (z. B. extrakorporale Membranoxygenation [ECMO] bei Atemversagen oder operativen Eingriffen). Immunologisch bedingte Hämozytopenien als Folge von Allound Autoimmunprozessen während der Schwangerschaft oder septisch bedingte Blutzellschädigungen können substitutionsbedürftig werden. In seltenen Fällen bedürfen kongenitale Bluterkrankungen (z. B. hyporegenerative Anämien [Fanconi-Anämie], Thrombozytopenien [Glanzmann-Thrombasthenie], Agranulozytosen [M. Kostmann] und kombinierte Immundefektsyndrome) einer transfusionsmedizinischen Behandlung.
31.1
Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
31.1.1
Allgemeines
Während der Fetalzeit und der frühen Kindheit macht der Mensch unablässig Veränderungen durch, die seinen jeweiligen Entwicklungszustand widerspiegeln und die alle biologischen Systeme, darunter auch hämatologische Parameter, betreffen. Wichtige hämatologische Referenzwerte von der Geburt bis zum Alter von 6 Lebenswochen sind in . Tab. 31.1 und . Tab. 31.2 zusammengestellt. Neugeborene, noch mehr aber Frühgeborene, sind immunologisch unreif. In den ersten 4 Lebensmonaten bilden sie nur sehr selten Alloantikörper gegen Blutgruppen-, HLA- oder andere Alloantigene von Blutzellen [162]. Diese verminderte Fähigkeit zur Ausbildung einer humoralen Immunantwort beruht auf verschiedenen Faktoren, wie z. B. einer Unreife der T-B-Zell-Interaktion. Auch die Funktion der unspezifischen Abwehrmechanismen wie Chemotaxis, Opsonisation und Komplementlyse ist noch nicht voll ausgebildet. Aufgrund dieser immunologischen Unreife sind Früh- und Neugeborene besonders anfällig gegenüber bakteriellen Infektionen und, bei Übertragung immunkompetenter allogener Lymphozyten,
einer Graft-vs.-Host-Erkrankung (GvHD). Auch das Hämostasesystem ist bei der Geburt, insbesondere bei Frühgeborenen, nur eingeschränkt funktionsfähig, sodass Blutungen zu den häufigsten Komplikationen bei Frühgeborenen gehören.
31.1.2
Pränatale Diagnostik
Die pränatale Diagnostik hat zum Ziel, Krankheitszustände so früh wie möglich zu erfassen, um ggf. therapeutisch eingreifen zu können. Die pränatale Diagnostik spielt in unserem Zusammenhang v. a. eine Rolle bei Blutgruppeninkompatibilitäten, Thrombozytopenien, pränatalen Infektionen und hämatologisch relevanten Erbleiden. Als Beispiele seien Hämoglobinopathien (z. B. Thalassämien), Membran- oder Enzymdefekte von Erythrozyten (z. B. Glukose-6Phosphat-Dehydrogenase-Mangel), erbliche Thrombozytopathien (z. B. Glanzmann-Thrombasthenie) und kongenitale Agranulozytosen (z. B. M. Kostmann) genannt. Bei Auftreten solcher Erkrankungen in der Familie sollte nach Möglichkeit bereits vor einer Schwangerschaft eine Beratung der Eltern erfolgen. Durch deren Untersuchung lassen sich ihr Trägerstatus und die mögliche Gefährdung eines künftigen Kindes abschätzen. Für die Diagnostik von fetomaternalen Inkompatibilitäten ist v. a. der Nachweis mütterlicher Antikörper und die Feststellung einer Homo- oder Heterozygotie für das korrespondierende Antigen beim Kindesvater von Bedeutung. Unter den pränatalen Infektionen wirken sich besonders die Zytomegalie und die Parvo-B19-Infektion auf das hämatologische System des Feten aus. Infektionsserologische Untersuchungen bei der Schwangeren geben entsprechende Hinweise. Wenn sich nach Eintritt einer Schwangerschaft aus der Anamnese und der Untersuchung der Eltern eine Indikation zur pränatalen Diagnostik ergibt, stehen die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung: z 1. Sonographie Ultraschall ist das wichtigste nichtinvasive Untersuchungsverfahren während der gesamten Schwangerschaft. Hochauflösende Geräte ermöglichen bereits ab etwa 10. SSW eine präzise morphologische Diagnostik. Durch fortlaufende Überwachung lassen sich frühzeitig anatomische Fehlbildungen (z. B. das Fehlen des Radius beim Radiusaplasie-Thrombozytopenie-Syndrom), die Entwicklung eines Hydrops bei Rhesusinkompatibilität oder intrazerebrale Blutungen bei der Alloimmunthrombozytopenie nachweisen. Die Sonographie ist außerdem für die Lokalisationsdiagnostik bei praktisch allen intrauterinen diagnostischen und therapeutischen Eingriffen unverzichtbar. z 2. Gewinnung von Chorionzottengewebe Chorionzottengewebe wird mit 11–14 SSW (in Einzelfällen bereits mit 9 SSW) gewonnen. Der Eingriff erfolgt unter Ultraschallkontrolle entweder transzervikal mittels eines Katheters (heute seltener) oder transabdominal mittels einer Punktionsnadel. Durch Ansaugen mit einer Spritze wird Gewebe fetalen Ursprungs aus dem Trophoblasten (Chorion frondosum) entnommen (. Abb. 31.1). Welchem der beiden Verfahren der Vorzug gegeben wird, hängt vom Gestationsalter und von verschiedenen geburtshilflichen Bedingungen ab (Uterusanomalien, Lage des Trophoblasten, Adipositas der Mutter u. a.). Das Abortrisiko erhöht sich durch eine Chorionzottenbiopsie um etwa 1 % und scheint sich bei beiden Techniken nicht wesentlich zu unterscheiden [4][15]. Aus der DNS des fetalen Gewebes
31
421
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
. Tab. 31.1 Gestations- und Lebensalters-spezifische hämatologische Referenzwerte. (Nach [121]) Gestationswoche
Reife Neugeborene
22–25
28–29
34–35
Nabelschnur
1. Tag
2. Tag
28. Tag
Hämoglobin [g/dl]
12,2
12,9
13,6
15,7
19,4
18,7
13,9
Hämatokrit [%]
39
41
45
49
56
53
43
3,1
3,5
5,1
4,6
5,3
4,8
4,2
MCV [fl]
125
118
114
106
110
106
95
Retikulozyten [%]
15
12
10
3,3
7
<1
2
Erythrozyten
[1012/l]
Nabelschnurwerte entsprechen dem Median, alle anderen dem Mittelwert.
. Tab. 31.2 Hämatologische Referenzwerte in den ersten 6 Lebenswochen bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht < 1500 g. (Nach [121]) Lebenstag 3
12–14
24–26
40–42
Hämoglobin [g/dl]
15,6 (12,5–18,5)
14,4 (11,1–17,4)
12,4 (9,7–15,6)
10,6 (8,4–13,8)
Hämatokrit [%]
47 (39–56)
44 (34–53)
39 (29–48)
33 (26–44)
Erythrozyten [1012/l]
4,2 (3,5–4,9)
4,1 (3,2–5,2)
3,8 (2,8–4,8)
3,4 (2,6–4,6)
Retikulozyten [%]
7,1 (1,9–20,0)
1,7 (0,5–5,7)
1,5 (0,5–4,7)
1,8 (0,6–5,6)
Thrombozyten [109/l]
203 (95–355)
318 (142–499)
338 (171–555)
357 (189–550)
Leukozyten [109/l]
9,5 (4,8–24,5)
12,3 (8,1–19,8)
10,4 (7,2–14,6)
9,1 (6,8–13,0)
Die Werte sind als 50., 10. und 90. Perzentile angegeben.
lassen sich mittels molekulargenetischer Verfahren die meisten Erbmerkmale von Blutzellen sowie eine ständig größer werdende Zahl von Erbkrankheiten diagnostizieren. Trotz der erhöhten Abortrate gilt die Chorionzottenbiopsie wegen ihrer frühen Durchführbarkeit und der Aussagefähigkeit der aus der fetalen DNS gewonnenen Information als die Methode der Wahl für die Frühdiagnostik im 1. Trimenon [4]. z 3. Gewinnung von Fruchtwasser (Amniozentese) Die diagnostische Amniozentese ermöglicht die biochemische Diagnostik gelöster Substanzen in der Amnionflüssigkeit, die kulturelle Anzüchtung fetaler Zellen und die molekulargenetische Analyse der fetalen DNS. Damit lassen sich Chromosomenanomalien, angeborene Stoffwechselstörungen und fetale Infektionen, aber auch bereits die wichtigsten Erbmerkmale feststellen, die zu einer fetomaternalen Inkompatibilität führen können. Die Fruchtwassergewinnung wird unter Ultraschallkontrolle transabdominal vorgenommen. In der Regel erfolgt die Amniozentese im 2. Trimenon, da die Komplikationsrate im ersten Trimenon höher ist [4]. Das Risiko schwerer Komplikationen (z. B. Fruchtblasensprung, Weheninduktion, Infektionen oder Verletzungen des Feten) liegt bei 0,74 % [15], die Rate an Spontanaborten erhöht sich um etwa 1 % [4]. Transplazentare Punktionen sollten bei vorhande-
nen mütterlichen Antikörpern wegen der Gefahr von Gefäßeröffnungen mit vermehrtem Übertritt fetaler Erythrozyten in die Mutter und damit einer Boosterung der Antikörperbildung möglichst vermieden werden. Zu Fruchtwasseruntersuchungen im 2. und 3. Trimenon bei Blutgruppeninkompatibilität 7 Abschn. 31.1.3.2.2. z 4. Gewinnung fetalen Blutes (Kordozentese) Fetales Blut kann ab dem 2. Trimenon durch transabdominale Punktion der Nabelschnurgefäße, in der Regel der Nabelvene, unter Ultraschallkontrolle gewonnen werden. Die fetale Blutentnahme gestattet heute mit bis zu 98 %iger Treffsicherheit die Gewinnung reinen fetalen Blutes, aus dem sich erbliche und erworbene fetale Störungen (insbesondere fetomaternale Inkompatibilitäten) unmittelbar und mit großer Präzision diagnostizieren lassen. Die Komplikationsrate liegt je nach Zustand des Feten und Erfahrung des Untersuchers zwischen 0,3 und 10 % [15][62][106]. Die wichtigsten Indikationen für die diagnostische Kordozentese (nach [93]) sind: 5 Karyotypisierung bei fetalen Fehlbildungen, 5 Abklärung eines nicht immunologisch bedingten Hydrops fetalis, 5 Bestimmung des Hämoglobins bei Morbus haemolyticus neonatorum,
422
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
4. Bei der Geburt kommt es mit der Umstellung von der plazentaren zur pulmonalen Oxygenierung zu einem plötzlichen erheblichen Anstieg der Sauerstoffverfügbarkeit, d.h. zu einer relativen Hyperoxie. Dies wird mit einer Drosselung der Erythropoetinproduktion beantwortet. Es resultiert eine hyporegeneratorische Anämie, die durch niedrige Retikulozytenzahlen trotz absinkenden Hämatokrits gekennzeichnet ist. Diese physiologische Anämie des jungen Säuglings manifestiert sich während der ersten 3 Lebensmonate und wird deshalb auch als Trimenonanämie bezeichnet. Die unter Punkt 1.–3. genannten Veränderungen werden vom postkonzeptionellen und nicht vom postnatalen Alter des Kindes bestimmt und verschieben sich deshalb durch eine Frühgeburt nicht wesentlich.
. Abb. 31.1 Schematische Darstellung der intrauterinen Anatomie mit 8 Schwangerschaftswochen
5 Bestimmung der Thrombozytenzahl bei Immunthrombozytopenie, 5 Diagnose von intrauterinen Infektionen (Toxoplasmose, Röteln, CMV, Parvovirus). Die Technik kann außerdem therapeutisch zur Übertragung von Erythrozyten- oder Thrombozytenkonzentraten und Medikamenten an den Fetus genutzt werden. Sie hat den Vorteil, dass sie von der Mitte des 2. Trimenons bis zum Ende der Schwangerschaft nötigenfalls kurzfristig wiederholt werden kann und damit die Überwachung der Krankheitsentwicklung (z. B. einer Rhesusinkompatibilität oder einer neonatalen Alloimmunthrombozytopenie) und der Wirksamkeit der Therapie ermöglicht (7 Abschn. 31.1.8.1).
31
31.1.3
Anämien
In kaum einer anderen Lebensperiode rufen so viele verschiedene Ursachen eine transfusionsbedürftige Anämie hervor wie in der Zeit vor, während und nach der Geburt. Aus transfusionsmedizinischer Sicht sind v. a. folgende Anämieformen von besonderer Bedeutung: 5 die Frühgeborenenanämie, 5 durch Allo- oder Autoimmunisierung bedingte immunhämolytische Anämien, 5 Blutungsanämien, 5 im Rahmen einer Sepsis auftretende Anämien.
Anämien infolge Frühgeburtlichkeit (Frühgeborenenanämie) z Allgemeines Während der Fetal- und der Neonatalperiode treten erhebliche Veränderungen in der Erythropoese auf: 1. Im letzten Schwangerschaftsdrittel und in den ersten Lebensmonaten wird das fetale Hämoglobin (HbF) allmählich durch adultes Hämoglobin (HbA) ersetzt. Dadurch nimmt die Sauerstoffbindungsfähigkeit des Hämoglobins ab. 2. Im 3. Trimenon der Schwangerschaft verschiebt sich der Ort der fetalen Erythrozytenproduktion zunehmend von der Leber ins Knochenmark. 3. Zum regulären Zeitpunkt der Geburt verlagert sich der Ort der Erythropoetinproduktion von der Leber in die Niere.
z Pathogenese Die bei allen Neugeborenen auftretende physiologische hyporegeneratorische Anämie wird bei Frühgeborenen durch einige Besonderheiten verstärkt und ist dann als pathologisch zu werten: 5 Da der fetale Hämatokrit im letzten Trimenon der Schwangerschaft ansteigt, kommen Frühgeborene mit einem niedrigeren Hämatokrit zur Welt als reife Neugeborene. 5 Zur Überwachung und Behandlung von Frühgeborenen sind diagnostische Blutentnahmen unabdingbar. Dabei kommt es vor, dass innerhalb von 4 Wochen das gesamte bei Geburt vorhandene zirkulierende Blutvolumen für diagnostische Zwecke entnommen wird [122]. Durch Geburtstraumata kann es zu Blutungen in die Haut und die Weichteile, aber auch zu Hirnblutungen kommen. Somit kommt zu der oben beschriebenen hyporegeneratorischen Komponente eine hämorrhagische Komponente der Frühgeborenenanämie. 5 Durch die verkürzte Schwangerschaftsdauer sind die Eisenspeicher bei Frühgeborenen nicht gut gefüllt und werden durch diagnostische Blutverluste weiter entleert. Häufig auftretende Nahrungsunverträglichkeit und niedriger Eisengehalt in der Muttermilch verstärken den bestehenden Eisenmangel. 5 Während reife Neugeborene ihr Geburtsgewicht innerhalb von 6 Monaten verdoppeln und innerhalb von 12 Monaten verdreifachen, verdoppelt sich bei sehr kleinen Frühgeborenen das Geburtsgewicht innerhalb von 2 Monaten und verdreifacht sich innerhalb von 4 Monaten. Dies führt zu einer erheblichen Hämodilution. . Tab. 31.3 gibt einen Überblick über die Entstehung der Frühge-
borenenanämie und Maßnahmen zu ihrer Verhinderung bzw. Behandlung, die sich an den pathophysiologischen Gegebenheiten orientieren. z Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Behandlung der Frühgeborenenanämie Verhinderung von Blutverlusten Die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung der Frühgeborenenanämie ist die Verhinderung bzw. Verringerung von Blutverlusten. Schonende Geburtshilfe verbessert die Prognose und verringert den Blutverlust. Da der Transfusionsbedarf bei Frühgeborenen eng korreliert ist mit dem Ausmaß des diagnostischen Blutverlustes, hat eine Reduktion von Blutentnahmen unmittelbaren Einfluss auf den Transfusionsbedarf. Die laufende Dokumentation des diagnostischen Blutverlustes trägt dazu bei, jeden Mitarbeiter für dieses Problem zu sensibilisieren. Eine Reduktion des diagnostischen Blutverlustes lässt sich erreichen durch strenge Indikationsstellung: Sogenannte
423
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
31
. Tab. 31.3 Pathophysiologie der Frühgeborenenanämie und Maßnahmen zur Verringerung des Transfusionsbedarfs Komponenten
Ursachen
Maßnahmen
Niedriger Ausgangshämatokrit
Kurze Tragezeit
Plazentare Transfusion durch verzögertes Abnabeln
Hämorrhagische Komponente
Geburtstrauma
Schonende Geburtsleitung
Hämorrhagische Komponente
Diagnostische Blutverluste
Strenge Indikation Mikromethoden Transkutane Gasmessungen
Hyporegeneratorische Komponente
Inadäquate Erythropoetinproduktion
Rekombinantes Erythropoetin
Eisenmangel
Kurze Tragezeit Inadäquate Ernährung Diagnostische Blutverluste
Eisensubstitution
»Routineblutentnahmen« sind obsolet. Durch Einführung von Mikromethoden im Labor lassen sich diagnostische Blutverluste ohne Verzicht auf wertvolle Informationen verringern. Die Möglichkeit der transkutanen PO2- und PCO2-Messung verringert den Bedarf an blutigen Gasanalysen, kann sie allerdings nicht vollständig ersetzen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderllich, dass der diagnostische Blutverlust zentrumsabhängig um den Faktor 5 variiert [99]. Plazentofetale Transfusion Das in der fetoplazentaren Einheit zirkulierende Blutvolumen verteilt sich je zur Hälfte auf die Plazenta und auf den Fetus. Die Plazenta stellt somit ein wertvolles Reservoir für eine autologe Transfusion dar (7 Abschn. 31.3.1.2). Durch Verzögerung des Abnabelns um 30–60 s lässt sich bei Frühgeborenen das zirkulierende Blutvolumen vermehren, der Hämatokrit anheben, der Transfusionsbedarf reduzieren und das Risiko von Hirnblutungen verringern [134][135]. Erythropoetin-Behandlung Da die Frühgeborenenanämie ähnlich wie die renale Anämie durch einen Erythropoetinmangel gekennzeichnet ist, ist eine kausale Behandlung mit rekombinantem humanem Erythropoetin (rhEPO) naheliegend. Dabei lässt sich ein präventiver (früher Behandlungsbeginn in der 1. Lebenswoche vor Auftreten der Frühgeborenenanämie) Ansatz von einem therapeutischen (später Behandlungsbeginn im Alter von 3–4 Lebenswochen bei manifester Anämie) Ansatz unterscheiden. Randomisierte Studien haben gezeigt, dass sich Transfusionshäufigkeit, Transfusionsvolumen und Spenderexposition bei Frühgeborenen sowohl bei einem frühen wie auch bei einem späten Behandlungsbeginn mit rhEPO reduzieren lassen [1][2][124]. Als mögliche Nebenwirkung bei einem frühen Behandlungsbeginn wird ein vermehrtes Auftreten der Frühgeborenen-Retinopathie diskutiert, die Datenlage hierzu ist aber noch widersprüchlich [124]. Es ist zu beachten, dass die rhEPO-Dosierung bei der Frühgeborenenanämie mit 750 IU/ kgKG/Woche deutlich höher gewählt werden muss als bei der renalen Anämie [96][97][99]. Eisensupplementierung Die Stimulation der Erythropoese mit Erythropoetin erfordert eine adäquate Eisensubstitution. Der unreife Verdauungstrakt und die hohe Osmolarität der Eisenpräparate erschweren eine enterale Applikation. Die parenterale Eisensubstitution bei Frühgeborenen sichert zwar eine adäquate Eisenzufuhr, ohne den Magen-Darm-Trakt zu belasten. Sie ist aber auch mit der Bildung von freien Radikalen verbunden, was gerade bei Frühgebo-
renen mit ihren noch unzureichenden Abwehrsystemen potenziell gefährlich ist [103]. Die Frühgeborenenanämie erfordert also ein Gesamtkonzept, das die plazentare Transfusion durch verzögerte Abnabelung, die Verringerung von diagnostischen Blutverlusten und die Stimulation der Erythropoese durch Erythropoetin und Eisen beinhaltet. Mit diesem Konzept konnte der Transfusionsbedarf bei Frühgeborenen erheblich gesenkt werden (. Abb. 31.2) [98][171]. Wurden vor 20 Jahren Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1000 g im Schnitt 7-mal transfundiert und dabei mit 5 Spendern konfrontiert, so erhalten diese Kinder heute durchschnittlich 2 Transfusionen von einem Spender [98]. z Indikationen zur Transfusion von Erythrozyten kTransfusionskriterien für Frühgeborene Zur Reduktion von Transfusionen bei Frühgeborenen haben neben den oben genannten Maßnahmen auch zunehmend striktere Transfusionsrichtlinien beigetragen, die allerdings nicht evidenzbasiert sind, sondern rein empirisch festgelegt wurden. Bisher gibt es keine einheitlichen Transfusionskriterien für Frühgeborene. Entsprechend variiert das Transfusionsverhalten zwischen einzelnen Zentren erheblich [10][138]. Zwar besteht heute Konsens darüber, dass die in den 1980er Jahren noch durchgeführten sog. Top-up-Transfusionen, d. h. automatische Transfusionen, wenn ein bestimmtes Blutvolumen für diagnostische Zwecke entnommen wurde (z. B. 10 % des zirkulierenden Blutvolumens), nicht mehr erfolgen sollten. In Hinsicht auf die kritischen Hämatokrit- oder Hämoglobinwerte gibt es aber keine einheitliche Meinung. Bei stabilen Frühgeborenen ohne respiratorische Probleme und ohne Anämiesymptome werden mitterweile Hämatokritwerte bis 20 % akzeptiert [48][99]. Obwohl Frühgeborene zu den am häufigsten mit einer Transfusion behandelten Patienten gehören, wurden bislang nur zwei prospektive randomisierte Studien publiziert, in denen restriktive mit liberalen Transfusionskriterien hinsichtlich Nutzen und Risiko bei Frühgeborenen verglichen wurden [12][74]. Erwartungsgemäß war in beiden Studien der Transfusionsbedarf bei strikteren Transfusionskriterien niedriger als bei liberalen. In beiden Studien unterschieden sich die Gruppen nicht hinsichtlich der Mortalität. Allerdings war die Rate an zerebralen Komplikationen (Hirnblutungen und Periventrikuläre Leukomalazie) in der Studie von Bell et al. bei restriktivem Transfusionsverhalten deutlich höher als bei liberalem [12]. In der Studie von Kirpalani et al. zeigte sich zwar kein Unterschied hinsichtlich zerebraler Morbidität bei Entlassung aus der Klinik, allerdings fiel ein mentaler Entwicklungsrückstand im Alter von 2 Jahren bei restriktivem Transfusionsverhalten auf [74]
424
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
Transfusionen pro Kind
Keine Transfusion außer
Spenderexposition pro Kind
10
10
8
8
6
6
4
4
2
2
0
04/89 – 08/91
09/91 – 12/94
01/95 – 12/97
ja
Hkt < 40 %
nein
< 15 Tage
Hkt < 35 %
Alter
15 – 28 Tage
Hkt < 30 %
> 28 Tage
Hkt < 25 %
0
. Abb. 31.2 Rückläufige Transfusionshäufigkeit (dunkle Säulen) und Spenderexposition (helle Säulen) bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1000 g im Zeitraum von 1989–1997. Angegeben sind Median (Querstrich) und Interquartilenbereich. (Nach [98])
31
Beatmung oder FiO2 > 0,4
[170]. Insofern kann derzeit noch keine abschließende Aussage zu den optimalen Transfusionskriterien bei Frühgeborenen gemacht werden. Ein Nachteil hinsichtlich der zerebralen Entwicklung durch Akzeptanz von allzu niedrigen Hämatokritwerten kann nicht ausgeschlossen werden. Die von uns derzeit verwendeten und in mehreren europäischen Multicenterstudien erprobten Transfusionskriterien für sehr kleine Frühgeborene sind in . Abb. 31.3 dargestellt. Die Unsicherheit bei den Transfusionskriterien resultiert auch aus dem Umstand, dass Anämiesymptome bei Frühgeborenen sehr unspezifisch sind. Als Anämiesymptome gelten gehäufte Apnoen und Bradykardien, geblähtes Abdomen und Nahrungsunverträglichkeit sowie mangelnde Gewichtszunahme [64]. Der Hämatokrit gibt das Ausmaß der Anämie nur unzureichend wieder, da es bei Frühgeborenen typischerweise zu einer Umverteilung des Blutvolumes mit Minderdurchblutung von Haut und Mesenterialgefäßen kommt [67]. kTransfusionskriterien für reife Neugeborene Auch für reife Neugeborene gibt es bislang keine evidenzbasierten Transfusionsrichtlinien. Insgesamt besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass mäßig anämische, aber asymptomatische Neugeborene keiner Erythrozytentransfusion bedürfen. Wenn eine Transfusion erwogen wird, sind folgende Kriterien international weitgehend akzeptiert [158]: 5 Neugeborene mit akutem Blutverlust mit oder ohne Schock, der durch Volumensubstitution nicht auszugleichen ist; 5 Neugeborene mit einem Hämoglobinwert unter 130 g/l bzw. einem Hämatokrit unter 40 % und kardiorespiratorischen Erkrankungen, zyanotischen Herzerkrankungen oder Herzversagen, bei denen durch die Transfusion ein verbesserter O2-Transport und eine verbesserte O2-Versorgung der Gewebe zu erwarten sind; 5 Neugeborene mit Hämoglobinwerten unter 80–100 g/l bzw. Hämatokritwerten unter 25–30 % mit klinisch manifesten Anämiesymptomen.
Immunhämolytische Anämien durch Alloantikörper Pathogenese Alle immunhämolytischen Anämien des Feten und Neugeborenen durch Alloantikörper (Morbus haemolyticus fetalis/neonatalis) be-
oder
lebensbedrohliche Anämie lebensbedrohliche Hypovolämie bevorstehende Operation
. Abb. 31.3 Transfusionsrichtlinien für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g, wie sie in mehreren europäischen Multicenterstudien entwickelt wurden (Maier u. Obladen in [45]). Oberhalb der angegebenen Hämatokritwerte (Hkt) erfolgt keine Transfusion, unterhalb kann (muss aber nicht) in Abhängigkeit vom Zustand des Kindes transfundiert werden. Beispiel: Bei einem Kind im Alter von 17 Tagen, das nicht beatmet ist, wird bei einem Hkt > 30 % nicht transfundiert. Liegt bei einem 17 Tage alten Kind ohne Beatmung der Hkt bei 27 %, so wird transfundiert, wenn Anämiesymptome bestehen. (FiO2 inspiratorische Sauerstoffkonzentration)
ruhen auf einer fetomaternalen Inkompatibilität. Deren Voraussetzungen sind: 5 Eine für ein bestimmtes Blutgruppenmerkmal negative Mutter wird gegen dieses Antigen sensibilisiert und bildet Antikörper der Klasse IgG, 5 diese Antikörper treten diaplazentar in die fetale Zirkulation über, 5 der Fetus besitzt dieses genetische Merkmal (das er von seinem Vater geerbt hat). Zur Sensibilisierung führt meist ein transplazentarer Übertritt fetalen Blutes, der im 1. Trimenon bei 3 %, im 2. Trimenon bei 12 % und im 3. Trimenonon bei 45 % der Schwangerschaften beobachtet wird [21]. Darüber hinaus können Traumata während der Schwangerschaft, Chorionzottenbiopsien, Amniozentesen oder Bluttransfusionen die Antikörperbildung induzieren. Als Folge der Einschwemmung mütterlicher Antikörper in den fetalen Blutkreislauf kommt es zu einer Beladung der fetalen Erythrozyten mit diesen Antikörpern und zu einem beschleunigten Abbau der roten Blutzellen im retikuloendothelialen System (RES), d. h. zu einem hämolytischen Geschehen. Nur mütterliche Antikörper der IgG-Klasse sind in der Lage, die Plazenta in einem gerichteten Prozess zu passieren, der durch die C2H- und C3H-Domänen des Fc-Teils der IgG-Moleküle vermittelt wird. Der umgekehrte Weg ist nicht möglich. Das mütterliche IgG muss auf dem Weg in die fetale Zirkulation 2 zelluläre Barrieren durchqueren, den Synzytiotrophoblasten und die fetalen Endothelzellen. Nach heutiger Vorstellung werden die IgG-Moleküle durch Endozytose zunächst in den Synzytiotrophoblasten aufgenommen. Innerhalb von intrazellulären Vesikeln wird IgG unter sauren pHBedingungen an den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) gebunden und durch Transzytose zur basalen Seite der Zelle transportiert. Hier wird das IgG-Molekül wieder ins Stroma abgegeben und wandert vermutlich per Diffusion weiter in die fetalen Gefäße. Der genaue
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
Mechanismus des Transports vom Stroma ins Gefäßlumen ist bislang unklar. Im Vergleich zum mütterlichen Blut ist die Konzentration der IgG-Subklassen beim Fetus für IgG1 höher, für IgG2 niedriger und für IgG3 und IgG4 etwa gleich [78]. Der IgG-Transport durch die Plazenta ist zu Beginn der Schwangerschaft gering und nimmt ab der 24. SSW bis zum Geburtstermin kontinuierlich zu. Es können jedoch bereits vor diesem Zeitpunkt pathogenetisch relevante Mengen an mütterlichen Antikörpern auf das Kind übergehen. Bei der Geburt entspricht der IgG-Gehalt des Nabelschnurblutes dem der Mutter oder liegt sogar geringfügig höher. Die mütterlichen Antikörper verschwinden aus dem kindlichen Blut beim Nichtvorhandensein des Blutgruppenmerkmals auf den kindlichen Erythrozyten mit einer normalen Halbwertszeit von etwa 3 Wochen. Ist das Blutgruppenmerkmal, gegen das sich die Antikörper richten, auf den kindlichen Erythrozyten exprimiert, werden die Antikörper in Abhängigkeit von ihrer Avidität und der RES-Kapazität des Neugeborenen eliminiert. Dies wird an einem positiven direkten Antiglobulintest (AGT) erkennbar. Je nach Eliminationsrate der kindlichen Erythrozyten kann der direkte AGT über Tage bis Wochen positiv bleiben. Ein Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) kann grundsätzlich durch die meisten Blutgruppeninkompatibilitäten zwischen Mutter und Kind ausgelöst werden [77]. Die klinische Wertigkeit ist sehr verschieden. Am häufigsten kommt heute ein MHN bei ABO-Inkompatibilität vor; der klinische Verlauf ist jedoch meistens milde. Dagegen hat der noch vor wenigen Jahren vorherrschende Anti-D-bedingte MHN seit Einführung der Anti-D-Prophylaxe Ende der 1960er Jahre sehr stark an epidemiologischer Bedeutung verloren, er besitzt klinisch jedoch nach wie vor die größte Relevanz. An dritter Stelle stehen die durch andere Rhesusantikörper, v. a. Anti-c und/oder Anti-E sowie Anti-Kell verursachten MHN [21][61]. Alle anderen zu einem klinisch bedeutsamen MHN führenden blutgruppenspezifischen Antikörper sind relativ selten. Die Schwere eines MHN wird im Wesentlichen durch folgende Faktoren beeinflusst: 5 die Konzentration der mütterlichen Antikörper, 5 den Anteil der die Plazenta passierenden IgG-Antikörper und ihre Subklassenverteilung, 5 die Antigendichte und -verteilung auf fetalem Gewebe, 5 die Phagozytosekapazität des fetalen RES von antikörperbeladenen Erythrozyten, 5 die Fähigkeit des Neugeborenen zur Bilirubinglukuronidierung und -ausscheidung, 5 das Ausmaß der Erythropoese des Feten oder Neugeborenen. In welchem Umfang welche dieser Faktoren die Schwere eines MHN im Einzelfall bestimmen, lässt sich nicht voraussagen.
Morbus haemolyticus neonatorum durch Rhesusinkompatibilität 7 Übersichten: [21][77][164]
z Pathogenese Der durch Anti-D-Antikörper bedingte MHN, dessen Pathogenese durch die klassischen Arbeiten von Landsteiner u. Wiener (1940) und von Levine et al. (1939, 1941) aufgeklärt wurde (Literatur: [21]), ist auch nach der Einführung der generellen Anti-D-Prophylaxe der Prototyp einer durch mütterliche blutgruppenspezifische Alloantikörper verursachten fetomaternalen Inkompatibilität. Obwohl bereits mit 9 SSW fetale Erythrozyten in der mütterlichen Zirkulation nachweisbar sind [175], kommt es bei normalen
425
31
Plazentaverhältnissen in der ersten Schwangerschaft selten zu einer stärkeren Sensibilisierung der Mutter gegen Erythrozytenantigene des Kindes. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in 96 % aller Schwangerschaften weniger als 1 ml fetales Blut in die Mutter übertritt [153] und dass nur ein Teil der Rhesus-negativen Schwangeren auf den immunogenen Stimulus mit einer Antikörperbildung antwortet (»responder«). Falls Antikörper nachweisbar werden, haben sie meistens niedrige Titer und bedingen allenfalls einen schwach positiven direkten Antiglobulintest mit kindlichen Erythrozyten. Erst durch die Einschwemmung größerer Mengen an fetalem Blut vor, während und nach Entbindungen, Fehl- und Totgeburten, Schwangerschaftsabbrüchen, Amniozentesen, Kordozentesen, geburtshilflichen und operativen Manipulationen und anderen Eingriffen kann es zur Boosterung mit stärkerer Antikörperbildung und diaplazentarem Übertritt größerer Mengen von Rhesusantikörpern kommen. Da die Rhesusantigene bereits früh in der Fetalzeit ausgereift sind, werden die fetalen Erythrozyten mit Antikörpern beladen und rasch im RES eliminiert. Nur Antikörper der Subklassen IgG1 und IgG3 sind wirksam. z Vorkommen und Häufigkeit Vor der Ära der Anti-D-Prophylaxe wurde die Inzidenz eines durch Rhesusantikörper bedingten MHN mit 6–7 Kindern auf 1000 Geburten angegeben, von denen 60 % therapiebedürftig waren und 12 % verstarben. Nach der Zusammenstellung von Schellong et al. von 1976 [152] machten die durch Anti-D verursachten MHN früher 98 % aller Fälle (ohne ABO-MHN) aus. Nach Einführung der generellen postpartalen Anti-D-Prophylaxe nahm die Häufigkeit eines Anti-D-bedingten MHN auf weniger als 1/10 ab. Trotz postpartaler Prophylaxe standen noch in den 1970er Jahren Rhesusantikörper-bedingte MHN mit etwa 87 % an der Spitze aller nicht durch ABO-Inkompatibilität verursachten MHN [77]. Durch die präpartale Anti-D-Prophylaxe konnte die Inzidenz nochmals um etwa 90 % gesenkt werden. Nach Bowman [21] entspricht die Häufigkeit eines Anti-D-bedingten MHN inzwischen etwa der aller übrigen zusammen, aber die Zahl der Kinder, die an einem MHN schwer erkranken, ist bei einem Anti-D-bedingten MHN immer noch am höchsten. Nach einer Literaturzusammenstellung von Maas [93], der Studien aus Kanada, Großbritannien und Schweden zugrunde liegen, wurden nach prä- und postpartaler Anti-D-Prophylaxe nur noch 9 von 8063 (0,11 %) Rhesus-negativen Schwangeren sensibilisiert. Durch konsequente Anti-D-Prophylaxe waren schwere Fälle von MHN durch Anti-D Anfang der 1990er Jahre in Deutschland sehr selten geworden. Durch die starke Zuwanderung aus Ländern mit weniger konsequenter Prophylaxe ist in den letzten Jahren die Inzidenz in Deutschland wieder gestiegen. Die relative, aber auch absolute Häufigkeit eines MHN durch andere Rhesusantikörper (außer Anti-D) scheint zugenommen zu haben, möglicherweise durch häufigere Bluttransfusionen ohne Berücksichtigung der Rhesusformel (außer D) [21]. Der nach Anti-D klinisch bedeutsamste Antikörper ist Anti-c, der schwere, dem Anti-D-MHN vergleichbare Krankheitsbilder verursachen kann [61]. Anti-C- und Anti-E-bedingte MHN verlaufen meist milde, ein durch Anti-e verursachter MHN ist eine Rarität. z Klinik Das klinische Bild des durch Anti-D bedingten MHN ist variabel. Eine Klassifikation nach leichten, mittleren und schweren Verlaufsformen zeigt . Tab. 31.4. Anämie und Ikterus können in den ersten
426
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
. Tab. 31.4 Klassifikation eines Rh(D)-bedingten MHN. (Nach [121]) Schweregrad
Bezeichnung
Leicht
Klinische Merkmale
Hämatokrit [%]
Anaemia neonatorum
Mäßige Anämie
35–45
Mittel
Icterus gravis
Hyperbilirubinämie
28–34
Schwer
Anaemia gravis
Schwere Anämie, Hyperbilirubinämie, Keine Ödeme
<28
Schwer
Hydrops fetalis
Ödeme, Aszites, Pleura-, Perikarderguss
<28
abschätzen zu können. Da alle invasiven Verfahren gewisse Risiken für den Fetus in sich bergen, ist ihre Indikation streng zu stellen. Folgende Verfahren stehen zur Verfügung: 5 frühere Schwangerschaftsanamnese, 5 fetale und plazentare Sonographie, 5 Bestimmung der Konzentration mütterlicher Antikörper, 5 Genotypisierung der fetalen Blutgruppenmerkmale, 5 Bioassays, 5 Spektrophotometrie der Amnionflüssigkeit, 5 perkutane Kordozentese. 1.
. Abb. 31.4 Erythroblasten im peripheren Blut bei MHN
31
Lebenstagen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. In leichten Fällen kommt es lediglich zu einer frühzeitigen Hyperbilirubinämie (Icterus praecox) und einer leichten Anämie. In schweren Fällen steigt die Bilirubinkonzentration rasch an und birgt bei reifen Neugeborenen bei Werten über 25 mg/dl (Icterus gravis) die Gefahr eines Kernikterus (gelbliche Anfärbung der Basalganglien des Gehirns durch Bilirubin mit irreversibler Schädigung von Nervenzellen und neurologischen Ausfällen) in sich. Bei Frühgeborenen muss schon bei Bilirubinwerten ab 18 mg/dl mit einer Hirnschädigung gerechnet werden. Die hämolytische Anämie ist mehr oder weniger stark ausgeprägt. Stark erhöhte Werte von Retikulozyten und Erythroblasten (daher die früher übliche Bezeichnung »Erythroblastose«) im peripheren Blut (. Abb. 31.4) sowie Milz- und Lebervergrößerungen weisen auf eine gesteigerte Erythrozytenregeneration und -sequestration hin. Den schwersten Grad der Rhesusinkompatibilität stellt der Hydrops universalis von Fetus und Plazenta dar. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Ödemneigung mit Wassereinlagerung in das Gewebe und in die Körperhöhlen des Feten infolge anämischer Hypoxie und Hypalbuminämie. Bei hochgradig sensibilisierten Schwangeren kann ein letal endender fetaler Hydrops bereits vor der 18. SSW eintreten. Der fetale Hydrops kann unbehandelt innerhalb von Tagen zum Exitus führen. Die Diagnose eines durch Rhesusantikörper bedingten MHN wird aufgrund der typischen hämolytischen Symptome beim Kind und der serologischen Befunde (7 Kap. 39) gestellt. z Pränatale Diagnostik Die pränatale Diagnostik hat zum Ziel, das Vorhandensein bzw. die Schwere einer fetomaternalen Inkompatibilität möglichst frühzeitig
Die Anamnese früherer Schwangerschaften gibt oft, aber keineswegs immer, Hinweise auf die Schwere eines zu erwartenden MHN. Im Allgemeinen trifft es zu, dass die Schwere eines MHN bei nachfolgenden Schwangerschaften gleich bleibt oder sich sogar intensiviert. Falls bei vorangegangenen Schwangerschaften bereits ein fetaler Hydrops bestanden hat, beträgt das Risiko, dass sich ein solcher auch bei einer nachfolgenden Schwangerschaft entwickelt, zwar über 90 % [21], im Einzelfall ist jedoch die sichere Vorhersage der möglichen Schwere eines MHN allein aufgrund anamnestischer Angaben nicht möglich. Immer wieder gibt es Ausnahmen mit unerwartet milden Verläufen, die z. T. durch die »Schutzwirkung« von mütterlichen Antikörpern gegen HLA- bzw. MHC-Antigene des Feten [41] oder durch verminderten transplazentaren Transport von IgG [39] erklärt werden können. 2. Die fetale und plazentare Sonographie ermöglicht während der gesamten Schwangerschaft eine differenzierte morphologische Diagnostik, insbesondere aber eine Abschätzung der Größe und Lokalisation der Plazenta, der Größe der fetalen Leber, des Vorhandenseins oder Fehlens von Ödemen, Aszites, Pleuraoder Perikardergüssen und ganz allgemein des Zustands des Feten. Sie ist besonders wichtig für die frühzeitige Diagnose eines beginnenden Hydrops, die sich durch die Wassereinlagerung in die Plazenta und damit deren Volumenzunahme zu erkennen gibt. Die dopplersonographische Darstellung der fetalen Gefäße ermöglicht die Messung der Blutströmungsgeschwindigkeit, die ihrerseits Rückschlüsse auf eine fetale Anämie zulässt. Mit diesem Verfahren kann eine Anämie bereits erkannt werden, bevor es zur Ausbildung eines Hydrops kommt [58][100]. 3. Die Konzentration der mütterlichen Antikörper im Serum wird meistens durch Titration im indirekten Antiglobulintest bestimmt. Bei einem Antikörpertiter unter 16 benötigen weniger als 5 % der Neugeborenen eine Austauschtransfusion, bei einem Titer >32 muss dagegen häufiger mit schwerem Krankheitsverlauf gerechnet werden [164]. Die gemessene Höhe des Antikörpertiters hängt wesentlich von der eingesetzten serologischen Technik ab. Im Allgemeinen beziehen sich die Angaben in der Literatur auf die Röhrchentechnik. Nur diese Methode sollte zur Bestimmung des
0,8
0,7
0,6 Abweichung der optischen Dichte bei 450 nm (ΔE 450)
E
0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 650
a
575
450
31
427
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
410
nm
Hämoglobin Liley-Zone
0,4
Vorgehen
< 8 g/dl 3
0,2 8–10,9 g/dl
2b
0,1 0,08 0,06
11–13,9 g/dl
0,04
≥ 14 g/dl
dringende Entbindung oder Transfusion Entbindung 35–37 Woche
2a Entbindung 37–39 Woche
1 0,02
Geburt am Termin
E 0,01
0,7 0,6 0,5
30
32 34 36 38 Schwangerschaftswoche
40
42
. Abb. 31.6 Pränatale Klassifikation des M. hämolyticus neonatorum
0,4
ΔE450
0,3 0,2 0,1 0 b
28
650
575
450
410
nm
. Abb. 31.5 a Normale Furchwasserabsorptionskurve, b Bestimmung des δ-E-450-Wertes nach Liley aus einer spektrophotometrischen Fruchtwasseranalyse mit Bilirubinoiden. (Nach [91])
»kritischen Titers« für die Entscheidung zur invasiven Diagnostik herangezogen werden [68]. Wegen der großen Variabilität des klinischen Verlaufs ist die Bestimmung des mütterlichen Antikörpertiters als alleinige Untersuchung zur Abschätzung des Krankheitsrisikos unzureichend [21]. Die Veränderung des Titers in wiederholten Messungen während der Schwangerschaft kann jedoch zur Verlaufsbeobachtung herangezogen werden. Eine Veränderung des Titers um mindestens zwei Stufen wird als klinisch bedeutsam angesehen. Dabei sollte die vergleichende Untersuchung des Serums aus der früheren Blutentnahme immer als Referenz herangezogen werden. 4. Das zum mütterlichen Antikörper korrespondierende fetale Blutgruppenmerkmal RhD kann, ebenso wie die meisten anderen Blutgruppenantigene, durch Genotypisierung bestimmt werden. Als Ausgangsmaterial dafür kann DNS aus einer Chorionzottenbiopsie, aus isolierten oder kultivierten Amnionzellen oder einer mittels Kordozentese gewonnenen fetalen Blutprobe dienen [37][167]. In den letzten Jahren wurden Methoden entwickelt, die es ermöglichen, den fetalen Genotyp aus einer mütterlichen Blutprobe zu bestimmen. Bei heterozygotem Vater können so mit hoher Sicherheit die nicht gefährdeten Kinder identifiziert und eine invasive Diagnostik vermieden werden [167]. Zur Genotypisierung wurde anfangs kindliche DNS aus fetalen Zellen isoliert, die im mütterlichen Blut zirkulieren. Dieses Verfahren gelingt jedoch nicht mit einer für den klinischen Einsatz aus-
durch Fruchtwasseruntersuchung nach Liley. 1 = leichte, 2 = mäßige, 3 = schwere Erkrankung. (Nach [96])
reichenden Präzision und kann durch kindliche Zellen aus früheren Schwangerschaften der Mutter zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Dagegen ermöglicht die Isolierung freier kindlicher DNS aus mütterlichem Plasma mit anschließender Genotypisierung in hochempfindlichen Nukleinsäureamplifikationstechniken in erfahrenen Labors eine weitgehend sichere Typisierung der fetalen Merkmale [8][89]. 5. Von verschiedenen Arbeitsgruppen wurden In-vitro-Methoden zur Feststellung der biologischen Wertigkeit der mütterlichen Antikörper empfohlen, die als Bioassays bezeichnet werden (Übersicht: [57]). Sie beruhen auf der quantitativen Bestimmung der Fc-vermittelten Phagozytose von Erythrozyten, die mit mütterlichen Antikörpern beladen sind, durch mononukleäre Zellen des peripheren Blutes. Am geläufigsten ist der Monozyten-Monolayer-Assay, der in einigen Studien eine gute Korrelation zur klinischen Schwere des MHN zeigte. Andere Verfahren sind die antikörpervermittelte Zytotoxizität von mononukleären Zellen (ADCC) oder die Messung der Phagozytose sensiblisierter Erythrozyten mittels Chemilumineszenz. Diese Bioassays werden bisher nur in einzelnen Referenzlabors in enger Kooperation mit pränatalen Behandlungszentren angewandt, haben sich jedoch nicht international durchsetzen können. 6. Die 1961 von Liley eingeführte Fruchtwasserdiagnostik mittels Spektrophotometrie der Amnionflüssigkeit [91] war in der Vergangenheit ein wertvolles Verfahren der pränatalen Diagnostik und soll deshalb hier erwähnt werden. Hierbei wird kontinuierlich die Extinktion zwischen 350 und 750 nm gemessen. Durch die Abweichung von der annähernd linearen Absorptionskurve aufgrund des Absorptionsmaximums der Bilirubinoide bei 450 nm lässt sich aus der Differenz des OD-Wertes bei 450 nm (δ-E-Wert) indirekt die Konzentration des Bilirubins in der Amnionflüssigkeit bestimmen. Das Ausmaß des δ-E-Werts korreliert mit der Stärke der Hämolyse der fetalen Erythrozyten (. Abb. 31.5). Anhand des so ermittelten Schweregrades des MHN lässt sich das weitere Vorgehen bezüglich des Entbindungstermins planen (. Abb. 31.6).
428
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
Wegen ihrer begrenzten Aussagekraft v. a. in der frühen Schwangerschaft hat die Spektrophotometrie des Fruchtwassers im Zeitalter der wesentlich verbesserten Ultraschalldiagnostik und der Kordozentese erheblich an Bedeutung verloren. In Fällen eines MHN durch Antikörper, die neben der Hämolyse auch eine Störung der Erythropoese auslösen (z. B. AntiKell), ist ein Rückschluss von der Fruchtwasseruntersuchung auf das Ausmaß der fetalen Anämie nicht möglich [168]. 7. Die perkutane Kordozentese ist heute beim MHN die Methode der Wahl für die Gewinnung fetalen Blutes und zur intrauterinen Transfusion von Erythrozyten (7 Abschn. 31.1.8.1). Aus der fetalen Blutprobe können alle Blutparameter einschließlich der Blutgruppen und des direkten Antiglobulintests durchgeführt werden. Eine Kordozentese sollte bei sensibilisierten Schwangeren durchgeführt werden, wenn der Titer des mütterlichen Antikörpers die in jedem Behandlungszentrum festzulegende kritische Grenze überschreitet und dopplersonographische Zeichen einer fetalen Anämie auftreten [106].
31
z Serologie Im Fall eines Anti-D-bedingten MHN ist die Mutter Rhesus(D)negativ. Nur in sehr seltenen Fällen können Schwangere, deren Erythrozyten ein D-Partialantigen (v. a. der Kategorie VI; 7 Kap. 11) tragen, durch normales D-Antigen sensibilisiert werden. Im Serum der Schwangeren lassen sich mit der indirekten Antiglobulintechnik oder anderen empfindlichen Verfahren (7 Kap. 39) Anti-D-Antikörper (ohne oder mit Anti-C/E-Begleitantikörpern) nachweisen. IgM- und IgA-Antikörper sind ohne Bedeutung, da sie nicht plazentagängig sind. Der direkte Antiglobulintest mit kindlichen Zellen ist stets positiv mit Anti-IgG und negativ mit Anti-C3d. Von den fetalen Erythrozyten lassen sich Anti-D-Antikörper eluieren. Die Antikörper gehören überwiegend zu der Subklasse IgG1, seltener zu IgG3. Bei anderen Antikörpern gegen Antigene des Rhesussystems fehlen die entsprechenden Antigene bei der Mutter. Der neben Anti-D wichtigste Antikörper im Rhesussystem ist Anti-c. Er wird am häufigsten von Müttern mit dem Phänotyp CCDee gebildet. Alle Antikörper müssen in einem Suchtest nachgewiesen und ihre Spezifität mittels eines Erythrozyten-Panels identifiziert werden (7 Kap. 39). Der direkte Antiglobulintest ist nur mit Anti-IgG positiv; die von den kindlichen Erythrozyten eluierten Antikörper haben dieselbe Spezifität wie diejenigen im Serum der Mutter. z Vorsorgeuntersuchungen und Anti-D-Prophylaxe bei Schwangeren In Deutschland sind die zur rechtzeitigen Erkennung, Behandlung und Prophylaxe des Anti-D-bedingten MHN erforderlichen Untersuchungen bei Schwangeren durch die »Mutterschaftsrichtlinien« [26] sowie in den »Transfusionsrichtlinien« [24] geregelt. Sie werden hier auszugsweise wiedergegeben. Danach müssen bei jeder Frau nach Feststellung einer Schwangerschaft zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die Blutgruppenmerkmale ABO und der Rhesusfaktor D bestimmt werden. Außerdem ist ein Antikörpersuchtest zum Nachweis irregulärer Blutgruppenantikörper durchzuführen. Fällt der Antikörpersuchtest positiv aus, sind eine Spezifizierung des Antikörpers und eine Titration möglichst aus derselben Blutprobe erforderlich. Die Verlaufskontrollen von Antikörpertitern sollten im Vergleich zur aufbewahrten Blutprobe erfolgen. Bei negativem Antikörperbefund in der Frühschwangerschaft ist bei allen Schwangeren (Rhesus-positiven und Rhesus-negativen) ein weiterer Antikörpersuchtest mit 24–27 SSW durchzuführen.
Ist dieser ebenfalls negativ, muss bei Rhesus(D)-negativen Müttern eine Anti-D-Prophylaxe durchgeführt werden (7 s. unten). Ist der Antikörpersuchtest positiv, sind weitere blutgruppenserologische Untersuchungen, v. a. die Identifizierung des Antikörpers, erforderlich. Kontrolluntersuchungen des Antikörpertiters sollten in monatlichen Abständen und nach der 28. SSW in 2-wöchentlichen Intervallen erfolgen [9]. Unmittelbar nach der Geburt ist bei jedem Kind einer Rhesus(D)-negativen Mutter das Blutgruppenmerkmal Rhesus(D) zu bestimmen sowie ein direkter Antiglobulintest durchzuführen. Ein negativer direkter Antiglobulintest schließt einen MHN durch irreguläre Antikörper weitgehend aus. Ein positiver direkter Antiglobulintest mit kindlichen Erythrozyten (Rhesus-positiv und Rhesus-negativ) spricht für einen MHN und erfordert weitergehende Untersuchungen, die v. a. die Klärung der Spezifität der auf den kindlichen Erythrozyten befindlichen Antikörper durch Elution, Antikörperdifferenzierung, Bestimmung der Immunglobulinklasse, Quantifizierung zum Ziel haben (7 Kap. 39). An die Möglichkeit eines schwach positiven direkten Antiglobulintests durch präpartale Anti-D-Gabe an eine Rhesus(D)-negative Mutter (7 s. unten) ist zu denken. Die Anti-D-Prophylaxe bei Rhesus(D)-negativen Schwangeren ist die erfolgreichste klinische Anwendung einer antikörpervermittelten Immunsuppression. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, dass in die mütterliche Zirkulation übergetretene fetale Erythrozyten durch exogenes Anti-D gebunden und abgebaut werden, bevor eine endogene Antikörperbildung der Mutter induziert wird. Wahrscheinlich trägt auch die Suppression antigenspezifischer B-Lymphozyten durch Ligation des B-Zellrezeptors mit inhibitorischen Fcγ-Rezeptoren zur Verhinderung der mütterlichen Sensisbilisierung bei [85]. Die Anti-D-Prophylaxe muss grundsätzlich prä- und postpartal vorgenommen werden. Wird mit 24–27 SSW kein für eine Sensibilisierung beweisender Anti-D-Antikörper nachgewiesen, ist mit 28–30 SSW eine Standarddosis Anti-D-Immunglobulin (300 μg) zu injizieren, um bis zur Geburt eine Sensibilisierung der Schwangeren möglichst zu verhindern. Frauen mit den häufigeren abgeschwächten RhD-Typen (Weak-D-Typ 1–3) weisen kein Sensibilisierungsrisiko gegen RhD auf und benötigen deshalb wie Rh-positive Frauen keine Anti-D-Prophylaxe. Da es bei den selteneren Weak-D-Typen und insbesondere bei RhD-Varianten zur Anti-D-Bildung kommen kann (7 Kap. 11), ist die Anti-D-Prophylaxe bei Frauen mit diesen Phänotypen angebracht. Bei sicher Rh-negativem Kindesvater kann auf eine Anti-D-Prophylaxe verzichtet werden. Die heute verfügbaren molekulargenetischen Methoden ermöglichen mit hoher Präzision die Bestimmung des fetalen RHD-Genotyps aus einer mütterlichen Plasmaprobe [8]. Auch wenn entsprechende Empfehlungen noch keinen Eingang in die Richtlinien gefunden haben, ist wissenschaftlich belegt, dass auf die Anti-D-Prophylaxe verzichtet werden könnte, wenn der Nachweis des fetalen RHD-Gens mit sensitiven Amplifikationstechniken negativ ausfällt [115]. Das Datum der präpartalen Anti-D-Prophylaxe ist im Mutterpass einzutragen. Bei jedem Neugeborenen einer Rhesus(D)-negativen Mutter ist das Merkmal Rhesus(D) zu bestimmen. Ist das Kind Rhesus(D)-positiv, so ist bei der Wöchnerin eine postpartale Anti-D-Prophylaxe durchzuführen. Eine Anti-D-Prophylaxe ist bei Rhesus(D)-negativen Frauen außerdem in allen Situationen vorgeschrieben, die zu einer vermehrten Einschwemmung fetaler Erythrozyten in den mütterlichen Kreislauf führen können. Dazu gehören insbesondere Fehl- und Frühgeburten, Extrauteringraviditäten, Feststellung eines intrauterinen Fruchttods, Schwangerschaftsabbrüche, Amniozentesen (v. a. transplazentare), Wendungsmanöver, Chorionzottenpunktionen,
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
vaginale Blutungen bei Abortus imminens oder Placenta praevia. Die Frauen müssen möglichst innerhalb von 72 h eine Standarddosis Anti-D-Immunglobulin erhalten. Auch nach Ablauf von 72 h kann eine Anti-D-Gabe noch wirksam sein. Falls nach der Geburt schwach reagierende Anti-D-Antikörper bei der Mutter gefunden werden und/oder der direkte Antiglobulintest beim Kind schwach positiv ist, ist daran zu denken, dass dies durch die präpartale AntiD-Prophylaxe bedingt sein kann, sodass auch dann eine Anti-DProphylaxe indiziert ist. Die Standarddosis von Anti-D (300 μg) beruht auf der Erfahrung, dass 20 μg Anti-D etwa 1 ml Rhesus(D)-positives Erythrozytenkonzentrat oder 2 ml Vollblut eliminieren können. 300 μg Anti-D reichen deshalb aus, um ca. 30 ml in den mütterlichen Kreislauf eingeschwemmtes fetales Blut abzubauen. In den seltenen Fällen mit Übertritt von mehr als 30 ml fetalem Blut in die Mutter (fetomaternale Makrotransfusion), die nur in weniger als 0,3 % aller normalen Schwangerschaften beobachtet wird [153], schützt die Standarddosis Anti-D von 300 μg nicht ausreichend, sodass zusätzliches Anti-D verabreicht werden muss. Als Faustregel gilt, dass für jeweils 10 ml fetaler Erythrozyten (oder 20 ml Blut) 200 μg Anti-D erforderlich sind. Die Menge der eingeschwemmten fetalen Erythrozyten in das Blut der Mutter wurde früher üblicherweise mit der Säure-Elutionstechnik nach Kleihauer et al. [76] (. Abb. 31.7) bestimmt. Diese einfache und elegante Methode wird jedoch nur noch an einzelnen Zentren durchgeführt, da der Test-Kit nicht mehr kommerziell erhältlich ist und inzwischen durch empfindlichere Verfahren wie die Durchflusszytometrie ersetzt werden kann [43]. z Therapie Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen einer präpartalen Behandlung der Schwangeren und ihres Kindes in utero und einer postnatalen Behandlung des Neugeborenen. kPräpartale Behandlung Immunmodulation bei der Schwangeren Diese zielt darauf ab, die Antikörperkonzentration bei der Schwangeren zu reduzieren bzw. den transplazentaren Übertritt von Antikörpern zu verringern. Bislang sind nur Einzelfallbeschreibungen oder kleine retrospektive Fallserien publiziert, große prospektive Studien fehlen noch [107][147].Durch intensiven Plasmaaustausch von 10–20 l pro Woche ist es möglich, die Antikörperkonzentration bei der Schwangeren um bis zu 75 % zu senken [21]. Jedoch muss damit gerechnet werden, dass es nach einigen Wochen zu einem Reboundphänomen der Antikörperbildung kommt. Deshalb sind die klinischen Erfolge mit diesem Verfahren bislang wenig überzeugend. Auch die Gabe von hochdosiertem IgG (2 g/kgKG) an die Schwangere, um den Übertritt der mütterlichen Antikörper durch die Plazenta bzw. den Abbau der antikörperbeladenen Erythrozyten im RES des Fetus zu hemmen, hat sich bisher nicht als zuverlässig erwiesen (Übersicht: [146]). Intrauterine Transfusion Um die abgebauten fetalen Erythrozyten zu ersetzen und das Auftreten eines Hydrops fetalis bzw. eines intrauterinen Fruchttodes zu verhindern, ist die intrauterine Transfusion heute die Methode der Wahl in der pränatalen Behandlung schwerer MHN-Fälle (7 Abschn. 31.1.8.1). kPostnatale Behandlung Austauschtransfusion (7 Abschn. 31.1.8.1) Die Austauschtransfusion verfolgt folgende therapeutische Ziele:
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. Abb. 31.7 Nachweis einer fetomaternalen Transfusion mit der SäureElutionstechnik nach Kleihauer und Betke. Die schwarz dargestellten Erythrozyten sind die HbF-haltigen fetalen roten Blutkörperchen, während das adulte Hämoglobin aus den mütterlichen Zellen durch die Säurebehandlung eluiert ist
5 Entfernung der auf den Fetus übergegangenen mütterlichen Antikörper und damit Unterbrechung der Hämolyse, 5 Anhebung des Hämatokrit ohne zusätzliche Volumenbelastung, 5 effiziente und schnelle Beseitigung des neurotoxischen Bilirubins. Sie ist damit die Methode der Wahl beim immunologisch bedingten schweren MHN. Immunglobuline Es gibt Hinweise, dass sich durch Behandlung des Neugeborenen mit Immunglobulinen (0,5– g/kgKG) die Notwendikeit und Häufigkeit von Austauschtransfusionen verringern lässt [3][54]. Vor einer generellen Therapieempfehlung sollten allerdings noch weitere kontrollierte Studien abgewartet werden. Phototherapie Die Phototherapie ist bei der Rhesusinkompatibilität kein Ersatz für die notwendige Austauschtransfusion, kann aber die Zeit bis zum Beginn der Austauschtransfusion überbrücken helfen und die Notwendigkeit einer wiederholten Austauschtransfusion verringern. Das Bilirubinmolekül hat sein Absorptionsmaximum bei 460 nm, was der Wellenlänge des blauen Anteils des Lichtes entspricht. Durch Einwirkung von Blaulicht (nicht UVLicht!) wird in der Haut das neurotoxische, nichtglukuronidierte Bilirubin über Photoisomerisation in Produkte umgewandelt, die ohne Glukuronidierung über Urin und Galle ausgeschieden werden können. Entscheidend für die Effektivität der Phototherapie sind der Abstand von der Leuchtsttoffröhre und die Größe der exponierten Hautfläche. Deshalb wird das Neugeborene weitgehend nackt, nur mit Augenschutz und »Bikiniwindel«, im Inkubator gelagert und regelmäßig gedreht, sodass abwechselnd beide Körperseiten beleuchtet werden. Neben den klassischen Leuchtstoffröhren kommen neuerdings auch fiberoptische Matten zum Einsatz [104].
Morbus haemolyticus neonatorum durch ABO-Inkompatibilität z Pathogenese Pathogenetisch besteht zwischen dem durch IgG-Antikörper gegen A- und B-Blutgruppenmerkmale ausgelösten MHN und allen anderen Formen insofern ein Unterschied, als wegen der bei jedem
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Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
. Tab. 31.5 Typische Befundkonstellationen bei ABO- und Rhesus(D)-MHN
31
ABO-MHN
Rhesus(D)-MHN
Schwangerschaftsanamnese
Erstgeborene Kinder in 50 % betroffen; Schweregrad des MHN nicht voraussagbar
Erstgeborene selten betroffen; Krankheitsschwere nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften zu
Intrauteriner Fruchttod
Nein
In unbehandelten Fällen häufig
Pränatale Diagnostik
Nicht erforderlich
Dringend angezeigt
Anämie
Fehlend oder mild
Mäßig bis schwer
Hyperbilirubinämie
Bilirubin bei Geburt oft normal, nach 24–48 h ansteigend
Bei Geburt bereits erhöht, rasch steigende Tendenz
Direkter Antiglobulintest
Negativ bis schwach positiv, Eluat positiv
Stark positiv mit Anti-IgG, negativ mit Anti-C3d
Mikrosphärozyten
Vorhanden
Fehlen
normalen Individuum mit der Blutgruppe 0 vorkommenden Isoagglutinine bereits präformierte IgG-Antikörper bei Eintreten der ersten Schwangerschaft vorliegen können. Das erklärt zum einen die Häufigkeit des ABO-MHN, zum anderen die Tatsache, dass in 50 % der Familien bereits das erste inkompatible Kind betroffen ist [77]. Ein durch Anti-A- oder Anti-B-Antikörper ausgelöster MHN wird praktisch nur bei Müttern der Blutgruppe 0 mit Kindern der Blutgruppe A oder, seltener, B beobachtet. Eine derartige Blutgruppenkonstellation (Mutter 0, Kind A oder B) kommt in der weißen Bevölkerung in 15 % aller Schwangerschaften vor. Die Häufigkeit eines ABO-MHN ist jedoch wesentlich niedriger und hängt von der Definition ab. Legt man einen Grenzwert für Bilirubin im Serum von 12 mg/dl zugrunde, so erkrankt nur 1 von 125 Neugeborenen oder 1 von 25 aller ABO-inkompatiblen Neugeborenen an einem ABO-MHN [77]. Die Häufigkeit von Neugeborenen mit einem Anti-A/B-bedingten MHN, die eine Austauschtransfusion benötigen, beträgt nur 0,02–0,03 % aller Geburten. Als Ursache dafür wird die partielle Absorption von pathogenetisch wirksamem IgG-Anti-A und IgG-Anti-B durch lösliche Plasmaantigene und nichterythrozytäre Gewebe vermutet. Letztlich ist die Ursache für die nur schwache Wirksamkeit der Anti-A- und Anti-B-spezifischen IgG-Antikörper beim ABO-MHN noch ungeklärt. z Klinik Die durch ABO-Inkompatibilität verursachte Hämolyse ist in der Regel milder als bei der Rhesusinkompatibilität. Eine pränatale Schädigung stärkeren Ausmaßes kommt praktisch nicht vor. Postnatal ist der Neugeborenenikterus leicht bis mäßig verstärkt und verlängert, aber meistens schwächer als bei Rhesusinkompatibilität. Die Anämie ist bei der Geburt meistens nur gering ausgeprägt. Es besteht eine geringe, aber prolongierte Hämolyse, die nicht selten erst durch eine Anämie zwischen der 4. und 6. Lebenswoche auffällt. Die Retikulozytenzahl ist oft überproportional erhöht. Kugelzellen sind häufig. Die osmotische Resistenz ist meistens erhöht. Die Erkrankungsintensität nimmt mit weiteren Schwangerschaften nicht zu, jedoch lässt sich die Schwere des Krankheitsbildes einer nachfolgenden Schwangerschaft auch nicht aus dem Verlauf der vorangehenden Schwangerschaft vorhersagen. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Anti-A-, oder -B- und Anti-D-bedingtem MHN sind in . Tab. 31.5 zusammengestellt. Die Diagnose wird aufgrund der verstärkten oder verlängerten Hyperbilirubinämie, der typischen Blutgruppenkonstellation zwi-
schen Mutter und Kind (Mutter Blutgruppe 0, Kind Blutgruppe A oder B) und den serologischen Befunden gestellt. z Serologie Eine pränatale serologische Diagnostik aus fetalem Blut ist wegen des Fehlens intrauteriner Komplikationen bei der ABO-Inkompatibilität nicht indiziert. Voraussetzung für die Diagnose eines ABOMHN ist der Nachweis von IgG-Anti-A- und/oder -Anti-B-Antikörpern im mütterlichen Serum und die entsprechende Blutgruppe beim Kind. Serologische Methoden, um die plazentagängigen IgGvon den nicht plazentagängigen IgM-Antikörpern im mütterlichen Serum zu trennen (z. B. Neutralisation, Behandlung mit 2-Mercaptoethanol, Absorption u. a.), haben sich nicht durchsetzen können, da ihr prädiktiver Wert nur gering ist und sie sehr aufwendig sind. Auch der Hämolysinnachweis im Serum der Mutter ist nicht aussagekräftig, da auch nichtplazentagängige IgM-Antikörper hämolytisch aktiv sind. Hohe IgG-Anti-A/B-Titer im Serum der Mutter sind allenfalls hinweisend, zeigen aber keine sichere Korrelation zur klinischen Symptomatik des Kindes. Der direkte Antiglobulintest ist in Standardverfahren nicht selten negativ oder nur schwach positiv mit Anti-IgG. Die Komplementkomponente C3d lässt sich nicht nachweisen. Mit empfindlicheren Methoden wie den verbreiteten Gel-Techniken oder Enzymimmuntests können fast immer IgG-Antikörper auf den kindlichen Erythrozyten festgestellt werden, allerdings meistens nur in niedriger Konzentration (7 Kap. 39). Der Eluattest (Absprengung von Anti-A/B von den kindlichen Erythrozyten) kann trotz negativem oder nur schwach positivem Antiglobulintest positiv sein. Bei ABO-Konstellation zwischen Mutter und Kind ohne den Nachweis der Antikörperbeladung kindlicher Erythrozyten ist die Diagnose eines MHN durch Anti-A/B unwahrscheinlich [60]. z Therapie Eine pränatale Behandlung (intrauterine Erythrozytentransfusion, vorzeitige Entbindung) erübrigt sich aus o. g. Gründen. Für die Therapie der Hyperbilirubinämie des Neugeborenen genügt i. A. eine Phototherapie, eine Austauschtransfusion ist nur selten erforderlich. Gegebenenfalls sind frische Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0 zu verwenden, die mit therapeutischem Plasma der Blutgruppe AB auf einen Hämatokrit von etwa 60 % eingestellt wurden. Bezüglich allgemeiner Anforderungen an das Transfusionsblut 7 Abschn. 31.1.7).
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
Morbus haemolyticus neonatorum durch Blutgruppenantikörper außerhalb des ABO- und Rhesussystems Ein MHN infolge Sensibilisierung außerhalb des Rhesussystems ist relativ selten. Eine zahlenmäßig bedeutsame Rolle spielen v. a. Anti-K, -k, -Fya, -S, -Jka. In Einzelfällen können jedoch Antikörper der meisten Spezifitäten zu einem MHN führen. Von allen Antikörperspezifitäten, deren Beteiligung an einem MHN beschrieben wurde, können die nachfolgend aufgeführten Antikörper eine mäßige bis schwere Verlaufsform verursachen: alle Antikörper des Rhesussystems (7 s. oben), Anti-K, -Jk, -Jsa,-Ku, -Fya, -M, -N, s, -U, -PP1pk, -Dib, -Lan, -LW, -Far,-Good, -Wra, -Zd [77]. Oft wurden neue Erythrozytenantigene erst durch einen MHN mit bis dahin unbekannten mütterlichen Antikörpern entdeckt. Es ist deshalb wichtig, bei positivem direktem Antiglobulintest des Kindes, aber scheinbar negativem Antikörpersuchtest mit dem Serum der Mutter gegen einen der kommerziellen Zellpanel auch die väterlichen Zellen für die Untersuchung heranzuziehen, um einen seltenen Antikörper auszuschließen. Die klinische Symptomatik dieser Fälle unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem durch Rhesusantikörper bedingten MHN. Sie hängt z. T. von der Antikörperspezifität ab und ist sehr variabel. Eine Prophylaxe gibt es bisher nicht. Die Behandlung entspricht der aller anderen MHNFälle [105]. Eine Sonderstellung nimmt der MHN durch Antikörper gegen das Kell-Antigen (Anti-K) ein. Im Vergleich zum MHN durch Anti-D haben die betroffenen Feten eine für das Ausmaß der Anämie deutlich geringere Konzentration zirkulierender Retikulozyten und Normoblasten. Ebenso ist die Bilirubinkonzentration vergleichsweise niedriger. Als ursächlich hierfür wird angesehen, dass manche Kell-Antikörper aus dem Serum sensibilisierter Schwangerer in vitro eine hemmende Wirkung auf die Proliferation hämatopoetischer Progenitorzellen besitzen [168].
Immunhämolytische Anämie durch erythrozytäre Wärmeautoantikörper Eine immunhämolytische Anämie durch passiv übertragene, mütterliche IgG-Wärmeautoantikörper ist selten. Nach der Literaturzusammenstellung von Schanfield [151] wurden bis 1981 Daten über 28 erkrankte Mütter mit 32 Schwangerschaften publiziert. Nur ein Neugeborenes hatte einen schweren MHN und bedurfte wegen einer schweren Anämie einer Austauschtransfusion. 3 Kinder mussten später transfundiert werden; 16 Kinder (50 %) waren unauffällig. Der vorwiegend milde Verlauf der Autoimmunhämolyse beim Kind beruht wahrscheinlich darauf, dass die Autoantikörper von den Erythrozyten der Mutter abgebunden werden und nur relativ wenige freie Autoantikörper die Plazenta durchdringen. Außerdem könnten Unterschiede von IgG-Subklassen eine Rolle spielen. Sehr selten kommt es auch zu einer genuinen Autoantikörperbildung des Feten in utero, ohne dass Hinweise für mütterliche Autoantikörper bestehen [47]. Die Therapie entspricht der eines MHN durch Alloantikörper.
Blutungsanämien z Vorkommen Blutungsanämien des Feten oder Neugeborenen können intrauterin oder während und unmittelbar nach der Geburt auftreten. Je nach Menge und Geschwindigkeit des Blutverlusts resultiert eine akute oder chronische Anämie, denen typische Befundkonstellationen
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entsprechen. Als Ursachen einer Blutungsanämie in der Perinatalperiode kommen in Betracht [121]: 1. fetale Transfusionssyndrome (prä- und perinatal): 5 fetomaternal, 5 fetoplazentar (durch Lagerung des Neugeborenen oberhalb der Mutter vor dem Abnabeln), 5 fetofetal (monozygote Zwillinge); 2. fetale Blutungen: 5 Nabelgefäßab- und -einrisse (z. B. bei Insertio velamentosa), 5 Plazentablutungen (Placenta praevia, vorzeitige Plazentalösung), 5 operative Verletzung (Schnittverletzung bei Sectio, Amniozentese, Kordozentese); 3. neonatale Blutungen: 5 subperiostal (Kephalhämatom) 5 subgaleal 5 intrakraniell, 5 retroperitoneal, 5 gastrointestinal, 5 pulmonal, 5 Nabelschnur (z. B. bei Kathetern); 4. häufige Blutentnahmen (besonders bei sehr kleinen Frühgeborenen relevant). Fetale Transfusionssyndrome beruhen auf akutem oder chronischem Übertritt fetalen Blutes in das mütterliche Kompartiment der Plazenta (fetomaternale Transfusion) oder bei monozygoten Mehrlingsschwangerschaften mit monochorialer Plazenta in ein anderes fetales Kompartiment (fetofetale Transfusion). Fetomaternale Blutungen mit Übertritt kleiner Mengen fetalen Blutes (0,5–1 ml) in den mütterlichen Kreislauf treten in über 95 % aller normalen Schwangerschaften auf und sind für den Fetus belanglos. Akute fetomaternale Makrotransfusionen (über 30 ml) sind selten und ereignen sich z. B. bei äußerer Wendung oder durch eine Verletzung der Plazenta bei Amniozentesen. Die Menge der in das mütterliche Blut übergetretenen fetalen Erythrozyten wird am einfachsten mit der Säureelutionstechnik nach Kleihauer (. Abb. 31.7) nach folgender Formel bestimmt: ml fetales Blut = % HbF-Zellen × mütterl. Blutvol. [l] × 2,2 × mütterl. Erythrozyten pro μl/106 Bei Normalwerten des roten Blutbildes kann man den Anteil fetalen Blutes auch nach folgender Formel abschätzen: ml fetales Blut = % HbF-Zellen × 50. Bei der Berechnung der Blutvolumina muss berücksichtigt werden, dass sich zusätzlich zum intravasalen fetalen Blutvolumen auf der fetalen Seite der Plazenta nochmals etwa 1/2 bis maximal 2/3 des plazentofetalen Blutvolumens befinden. Bei etwa 15 % der monozygoten Zwillingsschwangerschaften tritt ein fetofetales Transfusionssyndrom auf. Farbunterschiede (blass und plethorisch) und Gewichtsunterschiede bei gleichgeschlechtlichen neugeborenen Zwillingen sollten immer den Verdacht auf ein fetofetales Transfusionssnydrom nahelegen. Über plazentare Gefäßverbindungen kommt es zu einer Blutverschiebung von einem Kind (»Spenderzwilling«) zum anderen Kind (»Empfängerzwilling«). Bei den Gefäßanastomosen kann man venovenöse, venoarterielle und arterioarterielle Verbindungen unterscheiden. Fetofetale Transfusionen können akut oder chronisch auftreten. Bei der chronischen Form entwickeln sich beim Spenderzwilling eine Hypovolämie, eine chronische Hypoxie, eine Wachstumsretardierung sowie ein Oligo- bis Anhydramnion. Beim Empfän-
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Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
gerzwilling entstehen eine Hypervolämie, eine daraus resultierende Herzinsuffizienz und Hypoxie sowie ein Polyhydramnion. Der intrauterine Fruchttod (meistens des Spenderzwillings) ist häufig, die Rate an Frühgeburten, die perinatale Sterblichkeit und das Risiko einer Hirnschädigung bei den überlebenden Kindern sind hoch [13][32]. Zur intrauterinen Behandlung des fetofetalen Transfusionssyndroms kommen folgende Verfahren in Betracht: 5 serielle Entlastungspunktionen des Polyhdramnion (wobei jeweils mehrere Liter Fruchtwasser entfernt werden) [37], 5 eine Fensterung des Septums zwischen den beiden Fruchthöhlen (wird heutzutage nicht mehr durchgeführt) [66], 5 die Laserkoagulation der plazentaren Gefäßanastomosen [59].
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Mit diesen Therapieverfahren werden Überlebensraten von 50–80 % der betroffenen Zwillinge erreicht. Vergleichende Studien sprechen für eine Überlegenheit der Laserkoagulation gegenüber den anderen Verfahren [33][141][154][155]. Nach Lasertherapie sind normale körperliche und geistige Entwicklungen bei bis zu 80 % der betroffenen Zwillinge beschrieben [11][56][101][169]. Bei der akuten fetofetalen Transfusion, die meist während der Geburt auftritt, kann es beim Spender zu einem Volumenmangelschock, beim Empfänger zur Volumenüberladung mit kardiorespiratorischem Versagen kommen. Die postnatale Behandlung besteht dementsprechend in einer Transfusion beim Spender und einer hypovolämischen Teilaustauschtransfusion beim Empfänger. Äußere Blutungen werden meistens verursacht durch geburtshilfliche Komplikationen wie Blutung aus einer Placenta praevia oder bei vorzeitiger Plazentalösung, seltener durch Fehlbildungen der Plazenta oder der Nabelschnurgefäße (Insertio velamentosa, multilobuläre Plazenta u. a.), einen Nabelschnurabriss bei Sturzgeburt oder bei Verletzungen einer Vorderwandplazenta beim Kaiserschnitt. Innere Blutungen treten v. a. durch geburtstraumatische Verletzungen im Bereich des Kopfes und der inneren Organe auf. Am häufigsten ist das Kephalhämatom, das subperiostal liegt und deshalb die Schädelnähte nie überschreitet. Die subgaleale Blutung kann sich über die Grenzen der Schädelnähte ausdehnen und zu Blutverlusten von mehreren Hundert ml führen. Verletzungen der Dura können epidurale oder häufiger subdurale Hämatome zur Folge haben. Die Verletzung oberflächlicher Hirngefäße führt zu subarachnoidalen Blutungen. Geburtstraumatische Leberrupturen sind meist subkapsulär und führen klinisch zur Hepatomegalie. Bei offener Ruptur findet man genauso wie bei der Milzruptur ein Hämatoperitoneum. Retroperitoneale Blutungen sind häufig im Bereich der Nebennieren lokalisiert und können sehr ausgedehnt sein. Auf die Bedeutung diagnostischer Blutverluste insbesondere bei Frühgeborenen wurde bereits hingewiesen (7 s. oben). z Klinisches Bild Bei akutem, großem Blutverlust bietet das Neugeborene das Bild der sog. »weißen Asphyxie«, eines lebensbedrohlichen, mit Schocksymptomatik einhergehenden Krankheitsbildes. Das Neugeborene ist sehr blass, atmet unregelmäßig und oberflächlich, die Pulsfrequenz ist beschleunigt (über 180/min) oder verlangsamt (unter 100/min), die peripheren Pulse sind nicht oder nur schwach zu fühlen. Der Blutdruck ist erniedrigt oder nicht messbar, die Rekapillarisierungszeit ist verlängert. Im Gegensatz hierzu sind Neugeborene mit chronischen Anämien meistens nicht lebensbedrohlich krank. Die Blässe der Kinder steht im Kontrast zu ihrem sonst relativ guten Zustand. Neugebore-
ne mit chronischer Blutungsanämie, die unter dem Bild eines Hydrops fetalis oder mit einer Herzinsuffizienz und Hepatomegalie geboren werden, sind selten. z Therapie Die weiße Asphyxie ist eine absolute und dringliche Indikation zur sofortigen Volumensubstitution in Form einer Transfusion. Ein Nabelvenenkatheter gewährleistet in einer solchen Situation einerseits einen schnellen und einfachen Gefäßzugang (periphervenöse Zugänge sind oft nicht mehr möglich) und ermöglicht andererseits die Messung des Zentralvenendrucks und damit die Steuerung der Volumensubstitution. Zur Auswahl geeigneter Blutkomponenten 7 s. unten. Bei einem chronischen Blutverlust unter 10 % des Blutvolumens ist eine Erythrozytentransfusion in der Regel nicht indiziert. Wegen des oft bestehenden Eisenmangels sollte eine orale Eisentherapie bis zur Normalisierung des roten Blutbildes und der Eisenstoffwechselparameter durchgeführt werden. Bei Zeichen einer kardiorespiratorischen Insuffizienz sind Erythrozytenkonzentrate angezeigt. Beim anämiebedingten Hydrops fetalis muss eine Austauschtransfusion durchgeführt werden (7 Abschn. 31.1.8.2).
Anämie bei Sepsis Die Pathogenese der durch Infektionen bzw. Septikämien verursachten Anämien von Früh- und Neugeborenen ist komplex. Neben der Unreife des spezifischen und unspezifischen Immunsystems sind wahrscheinlich weitere pathogenetische Faktoren wie z. B. eine septisch bedingte Reifungshemmung des Knochenmarks, eine vermehrte Hämolyse und eine gesteigerte Blutungsneigung im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie (7 Kap. 4) von Bedeutung. Obwohl grundsätzlich alle viralen (Röteln, Zytomegalie, Herpes), parasitären (Toxoplasmose, Malaria) oder bakteriellen Erreger (Streptokokken, Colibakterien, Staphylokokken, Spirochäten, Listerien) zu einer fetalen bzw. neonatalen Infektion führen können, sind perinatal erworbene Infektionen mit Streptokokken der Gruppe B und gramnegativen Bakterien am häufigsten [121]. z Klinisches Bild Die Diagnose einer Infektion im Neugeborenenalter muss möglichst früh gestellt werden und beruht neben der Geburtsanamnese mit Hinweisen auf eine Infektion der Mutter (z. B. Zeitpunkt des Blasensprungs, Fieber unter der Geburt) ganz überwiegend auf dem klinischen Bild. Der mikrobiologische Keimnachweis gelingt oft nicht und trifft in der Regel erst nach Beginn der antibiotischen Therapie ein. Neugeborene mit einer Sepsis fallen häufig durch Trinkfaulheit und Lethargie auf. Weitere Symptome sind Temperaturinstabilität, Tachypnoe, aufgetriebenes Abdomen und Nahrungsunverträglichkeit. Eine gräuliche Verfärbung des Hautkolorits und eine schlechte Mikrozirkulation sind meistens schon Ausdruck eines beginnenden Schocks, in den das Kind innerhalb kürzester Zeit fallen kann. Typische Blutbildveränderungen wie Leukozytose und Linksverschiebung können fehlen. Absolute Neutrophilenwerte von 10.000– 25.000/μl sind wenig aussagefähig, während eine Neutropenie von weniger als 1000/μl sowie eine Verschiebung des Verhältnisses von den unreifen zu den gesamten neutrophilen Granulozyten (sog. I:TRatio) >0,2 auf eine Infektion hinweisen [110]. Diagnostisch hilfreich in der Frühphase ist eine Erhöhung der Interleukine 6 und 8, während eine CRP-Erhöhung in der Frühphase einer Infektion oft noch fehlt [49][86]. Die Verminderung plasmatischer Gerinnungsfaktoren und eine Thrombozytopenie deuten auf eine Verbrauch-
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31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
skoagulopathie hin. Als Folge einer oft gesteigerten Hämolyserate kommt es zur Anämie und Hyperbilirubinämie. Die Behandlung besteht in der möglichst frühzeitigen Gabe von Antibiotika. Die bei schwersten, septischen Schockzuständen gelegentlich als Ultima ratio durchgeführte Austauschtransfusion ist umstritten und nicht durch kontrollierte Studien belegt. Sie hat zum Ziel, zirkulierende Keime und deren toxische Produkte zu entfernen, Komponenten des unspezifischen Immunsystems (Komplement, Zytokine, Interferon u. a.) zuzuführen, plasmatische Faktoren des Hämostasesystems zu ersetzen und freies Bilirubin zu eliminieren. Der Nutzen einer Behandlung mit Immunglobulinen bei Neugeborenen mit einer vermuteten oder gesicherten Sepsis ist bislang nicht belegt [125]. Eine Verbesserung der bei Sepsis oft gestörten Granulozytenfunktion kann möglicherweise durch eine Granulozytentransfusion erreicht werden (7 Kap. 23; Übersichten: [130][145]). Ihre Indikation ist jedoch umstritten [108]. Sie kann bei solchen Kindern in Betracht gezogen werden, bei denen die Sepsis mit einer Neutropenie von weniger als 1000 Granulozyten/μl einhergeht und die eine verminderte Neutrophilenreserve des Knochenmarks mit einem Anteil von postmitotischen Neutrophilen an allen kernhaltigen Knochenmarkzellen von unter 10 % aufweisen. Das Granuloztenpräparat wird durch Leukozytapherese von Einzelspendern gewonnen, die außer den üblichen Infektionsmarkern CMV-negativ sein sollten. Wegen des hohen Gehalts von Lymphozyten muss es bestrahlt werden. Pro Leukozytentransfusion sollten 1–2×109 Neutrophile/kgKG in einem Volumen von 10–15 ml/kgKG verabreicht werden [145]. Das Leukozytenpräparat muss innerhalb weniger Stunden nach Apherese infundiert werden.
Andere Anämien des Neugeborenen In seltenen Fällen können angeborene (erythrozytäre Enzymopathien, Hämoglobinopathien, kongenitale Sphärozytose u. a.) oder erworbene Formen einer Anämie (z. B. durch an die Mutter verabreichte Medikamente) eine transfusionsmedizinische Behandlung durch Erythrozytenersatz oder Austauschtransfusion erfordern. Die Therapie unterscheidet sich nicht von den bereits dargelegten Prinzipien. Hinsichtlich Auswahl des Transfusionsblutes und Durchführung 7 s. unten. 31.1.4
Thrombozytopenien
Die Plättchenzahl gesunder reifer Neugeborener entspricht der von älteren Kindern und Erwachsenen. Eine Thrombozytenzahl unterhalb des Normalbereichs von 150–400×109/l ist als Thrombozytopenie anzusehen. Die Ursachen einer fetalen und/oder neonatalen Thrombozytopenie mit oder ohne Blutungsneigung sind vielgestaltig: 1. verminderte Thrombozytenproduktion: 5 pränatale Infektionen (z. B. Zytomegalie), 5 hereditäre Formen (z. B. Wiskott-Aldrich-Syndrom, Fanconi-Anämie), 5 infiltrative Knochenmarkerkrankungen (z. B. konnatale Leukämie), 5 schwerer Morbus haemolyticus neonatorum, 5 chronische fetale Hypoxie (häufig Polyglobulie); 2. gesteigerter Thrombozytenabbau: 5 fetale/neonatale Alloimmunthrombozytopenie, 5 fetale/neonatale Autoimmunthrombozytopenie; 3. gesteigerter Thrombozytenverbrauch: 5 Austauschtransfusion,
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5 Massivtransfusion (Membranoxygenierung, Bypassoperation), 5 Infektionen, v. a. bakterielle Sepsis, 5 disseminierte intravaskuläre Gerinnung, 5 lokalisierte Thrombosen (z. B. Hämangiome, Nierenvenenthrombose). Die häufigsten Ursachen für eine Thrombozytopenie in den ersten 72 Lebensstunden sind die Produktionsstörung bei chronischer fetaler Hypoxie und Wachstumsretardierung, danach der gesteigerte Verbrauch bei Infektionen und bei der nekrotisierenden Enterokolitis [142]. Eine Thrombozytopenie bei einem sonst gesund wirkenden Neugeborenen spricht für eine immunologische, bei einem schwer kranken Neugeborenen für eine infektiöse Ursache. Aus transfusionsmedizinischer Sicht sind die Thrombozytopenien bei Frühgeburtlichkeit, bei der Neugeborenensepsis und die durch diaplazentaren Übertritt mütterlicher Allo- oder Autoantikörper gegen kindliche Thrombozyten bedingten Immunthrombozytopenien am wichtigsten (Übersichten: [19][27][140]).
Thrombozytopenie bei Frühgeborenen Thrombozytopenien bei Frühgeborenen sind häufig. In der prospektiven Studie von Castle et al. [31] hatten 22 % aller Patienten, die auf eine neonatologische Intensivstation aufgenommen wurden, während der 1. Lebenswoche eine Thrombozytopenie. Intrazerebrale Blutungen wurden bei 78 % der thrombozytopenischen Kinder beobachtet [31]. Die Thrombozytopenie bildet sich bei über 80 % der Frühgeborenen innerhalb von 10 Tagen wieder zurück [19]. Die Behandlung muss in erster Linie auf die Beseitigung der Ursachen der Thrombozytopenie gerichtet sein (z. B. Antibiotika bei Infektionsverdacht). Vor allem wegen der Gefahr von Hirnblutungen wird in vielen Fällen eine Thrombozytentransfusion erwogen. Eine eindeutige Wirksamkeit prophylaktischer Thrombozytengaben zur Verhütung intraventrikulärer Blutungen konnte bisher aber nicht gezeigt werden [7][118][142].
Thrombozytopenie bei Neugeborenensepsis Die während einer Septikämie im Neugeborenenalter auftretende Thrombozytopenie ist die häufigste Ursache einer hämorrhagischen Diathese des Neugeborenen. Sie tritt selten isoliert auf, sondern geht meistens mit Symptomen einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIG) einher (Übersicht: [109]). Eine transfusionsmedizinische Behandlung ist nur indiziert, wenn sich die Sepsis durch Antibiotika nicht beherrschen lässt und die Folgeerscheinungen wie DIG, Anämie und/oder Thrombozytopenie einen Blutersatz oder einen Blutaustausch erforderlich erscheinen lassen (7 Abschn. 31.1.8.2).
Indikationen für Thrombozytentransfusionen Weitgehend akzeptierte Richtlinien für die Transfusion von Plättchenkonzentraten bei Neugeborenen sind in der nachfolgenden 7 Übersicht dargestellt (nach [19][22][145]), auch wenn es im internationalen Vergleich derzeit keine einheitliche Vorgehensweise gibt [119].
1.
Prophylaktische Plättchentransfusionen: – stabile Frühgeborene mit Thrombozytenzahlen unter 30×109/l, – kranke Frühgeborene mit Thrombozytenzahlen unter 50×109/l, – stabile Termingeborene mit Thrombozytenzahlen unter 20×109/l,
434
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
2.
31
– kranke Termingeborene mit Thrombozytenzahlen unter 30×109/l, – zur Vorbereitung eines kleineren Eingriffs, z. B. Lumbalpunktion, bei Thrombozytenzahlen unter 50×109/l, oder eines größeren Eingriffs bei Thrombozytenzahlen unter 100×109/l. Plättchentransfusionen bei Neugeborenen mit klinisch bedeutsamer Blutungsneigung: – Neugeborene mit Thrombozytenzahlen unter 50×109/l, – Neugeborene mit Zuständen, die zu einer verstärkten Blutungsneigung führen, z. B. DIG, mit Thrombozytenzahlen unter 100×109/l, – Neugeborene mit gesicherter Thrombozytopathie, z. B. Glanzmann-Thrombastenie, ohne Berücksichtigung der Thrombozytenzahl.
Bis zu 80 % der Thrombozytentransfusionen bei Früh- und Nuegeborenen werden prophylaktisch, d.h. ohne Anzeichen von Blutungen verabreicht, obwohl der Nutzen einer prophylaktischen Gabe nicht gesichert ist [39]. Falls Thrombozyten substituiert werden, sollte die Plättchenzahl der Früh- oder Neugeborenen auf über 100.000/μl angehoben werden. Dies wird in aller Regel durch die Transfusion von 10 ml/ kgKG eines Standardplättchenkonzentrats aus Vollblutspenden oder Thrombozytapherese erreicht. Bei den üblichen Herstellungstechniken enthalten 10 ml Plättchenkonzentrat etwa 1010 Thrombozyten. Bei einem zirkulierenden Blutvolumen von 100 ml/kgKG (entspricht einem Plasmavolumen von etwa 50 ml bei einem Hkt von 50 %) ist damit ein Anstieg der Plättchenzahl um 200.000/μl zu erwarten. Da aber der Thrombozytenumsatz bei Sepsis fast immer gesteigert ist, die Wiederfindungsrate (Recovery) der Thrombozyten nicht 100 % beträgt und die Anzahl der Thrombozyten in den Konzentraten schwankt, liegt das echte Inkrement meistens deutlich niedriger und muss durch posttransfusionelle Plättchenzählung bestimmt werden (7 s. auch Kap. 24). Das Thrombozytenkonzentrat sollte, so schnell es der Gesamtzustand des Neugeborenen erlaubt, infundiert werden. Trotz des kleinen Transfusionsvolumens ist eine Hypervolämie möglich, sodass die Kreislaufparameter insbesondere bei kleinen Frühgeborenen kontinuierlich überwacht werden müssen.
Fetale und neonatale Alloimmunthrombozytopenie (FNAIT) 7 Übersichten: [20][72][116]
z Pathogenese Die Erkrankung beruht auf einer fetomaternalen Inkompatibilität gegen plättchenspezifische Antigene (7 Kap. 13). Bereits vor der 18. SSW gelangen fetale Thrombozyten in den mütterlichen Kreislauf. Falls der Mutter ein bestimmtes Thrombozytenantigen fehlt, kann sie gegen das entsprechende Merkmal auf den fetalen Thrombozyten, das das Kind von seinem Vater geerbt hat, sensibilisiert werden. Die als Folge der Sensibilisierung gebildeten mütterlichen Antikörper der Klasse IgG treten diaplazentar in den Fetus über und können intrauterin oder postnatal über einen Abbau der antikörperbeladenen fetalen Thrombozyten im RES eine Thrombozytopenie mit oder ohne Blutungsneigung verursachen. Die Pathogenese gleicht somit dem immunologisch bedingten Morbus haemolyticus neonatorum. Eine FNAIT kann praktisch durch alle plättchenspezi-
fischen Antikörper ausgelöst werden. Die in unserem Krankengut beobachtete Häufigkeitsverteilung zeigt . Tab. 31.6. In der weißen Bevölkerung ist in 75–80 % aller serologisch gesicherten FNAIT-Fälle das Plättchenantigen HPA-1a (PlA1, Zwa) betroffen [114]. Mit 15–20 % sind Anti-HPA-5b-(Bra-) Antikörper am zweithäufigsten beteiligt. Alle anderen Antikörperspezifitäten zusammen machen nur etwa 5 % aus [82]. In ca. 20–30 % der klinischen Verdachtsfälle einer FNAIT und HPA-1a-negativer Mutter lassen sich keine plättchenspezifischen Antikörper nachweisen. Einzelne dieser Fälle sind möglicherweise durch Antikörper mit niedriger Affinität ausgelöst, die sich mit Standardverfahren schwer nachweisen lassen. Welche Rolle HLA-Antikörper als Ursache einer FNAIT spielen, ist noch nicht eindeutig geklärt [163]. In den meisten Fällen sind sie wahrscheinlich bedeutungslos, da sie im Feten nicht nur an Thrombozyten sondern auch an HLA-Antigene auf einer Vielzahl anderer Zellen gebunden werden. Dass gelegentlich hochtitrige HLA-Antikörper eine milde FNAIT auslösen können, darf aus Einzelfallbeobachtungen vermutet werden. Ebenso sprechen Einzelbeobachtungen dafür, dass gelegentlich hochtitrige Anti-A-Antikörper der IgG-Klasse eine FNAIT auslösen können [34]. Über die Häufigkeit, mit der plättchenspezifische Antikörper durch Schwangerschaften induziert werden können, informieren verschiedene prospektive Studien [75][111][128][172]. Danach ist anzunehmen, dass Anti-HPA-5b am weitaus häufigsten auftritt, meistens aber keine oder nur geringe klinische Bedeutung hat. Mit HPA-1a-Antikörpern ist bei 1–2 auf 1000 Schwangere zu rechnen. Alle anderen Antikörper sind selten. Die Immunogenität des Antigens HPA-5b ist am höchsten, gefolgt von der für HPA-1a. Die Immunisierung gegen die Plättchenantigene HPA-5b und HPA-1a ist signifikant assoziiert mit den HLA-Merkmalen DR6 [113] bzw. DRB3*01:01 (DR52a) [166]. z Vorkommen und Häufigkeit Typische Fälle einer konnatalen Immunthrombozytopenie wurden erstmals Anfang der 1950er Jahre beschrieben [46][139]. Sie galten bis vor wenigen Jahren als selten, sind es aber keineswegs. Die Häufigkeit der FNAIT in der deutschen Bevölkerung liegt heute über der des rhesusbedingten MHN. Die Inzidenz klinisch manifester Fälle dürfte etwa 1:2000–1:5000 betragen. Blande oder asymptomatisch verlaufende Fälle sind wesentlich häufiger. In der ersten prospektiven Studie [111] hatten 2 von 1211 Schwangeren HPA-1aAntikörper und thrombozytopenische Kinder, entsprechend einer Häufigkeit von 0,17 %. Panzer et al. [128] fanden unter den von ihnen untersuchten Kindern von 923 Schwangeren kein einziges mit einer Thrombozytopenie. In einer großen prospektiven Untersuchung an über 25.000 Schwangeren in Großbritannien wurde eine HPA-1a-Immunisierung mit einer Häufigkeit von 1:347, eine schwere Thrombozytopenie (<50.000 Thrombozyten/μl) mit 1:1000 und eine zerebrale Blutung mit einer Frequenz von 1:15.400 beobachtet [172]. Ein systematisches Screening aller Schwangeren, für das heute einfache Verfahren zur Verfügung stehen [82][102], wird wegen der begrenzten therapeutischen Alternative zum Spontanverlauf bei positivem Antikörpernachweis und wegen der hohen Kosten in den meisten Ländern zurückhaltend beurteilt [42][81][172]. In einem norwegischen Screeningprogramm an über 100.000 Schwangeren wurden Frauen mit HPA-1a-Immunisierung identifiziert und vorzeitig per Sectio caesarea entbunden. Im Vergleich zu einer historischen Kontrollgruppe bestehend aus den Patientinnen mehrerer verschiedener Einzelstudien zeigte sich eine Reduktion der Inzidenz intrakranieller Blutungen [75]. Nach unseren Informationen ist je-
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
. Tab. 31.6 Häufigkeit thrombozytenspezifischer Antikörper bei FNAIT (n=417). (Nach [82]) Spezifität HPA-1a
Anzahl
(PlA1,
HPA-1a+5b
Zwa)
(PlA1+Bra)
304 (72,9 %) 11 (2,6 )
HPA-5b
(Bra)
HPA-3a
(Baka)
8 (1,9 %)
HPA-1b
(PlA2,
3
79 (18,9 %)
Zwb)
HPA-2b (Koa)
3
HPA-5a (Brb)
2
HPA-15b (Gova)
2
HPA-4b (Yuk a)
1
(Sra)
1
HPA-12b
(Iya)
1
HPA-13b
(Sita)
1
HPA-14b
(Oea)
1
HPA-8b
doch die Etablierung eines vergleichbaren Programms an anderer Stelle nicht vorgesehen. Wahrscheinlich könnte die systematische Bestimmung der Thrombozytenzahl bei allen Neugeborenen (postnatales Screening) die Erfassung aller betroffenen Kinder wesentlich verbessern und damit das Blutungsrisiko bei Folgeschwangerschaften reduzieren. z Klinisches Bild Das klinische Bild der FNAIT ist charakterisiert durch eine isolierte Thrombozytopenie mit petechialem Blutungstyp, nicht selten begleitet von Ekchymosen und Hämatomen v. a. an mechanisch belasteten Stellen (Kopfschwarte, Gesäß, Inguinalfalten). Die Blutungsneigung verstärkt sich oft innerhalb weniger Stunden post natum parallel zu einem weiteren Abfall der Thrombozytenzahl. Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt in Form von Melaena neonatorum oder blutigem Aspirat aus der Magensonde kommen in etwa 20 % der Fälle vor. Urogenitalblutungen sind seltener. Leber- und Milzvergrößerungen bei den Neugeborenen fehlen stets. Von größter klinischer Bedeutung sind intrazerebrale Blutungen, mit denen in etwa 10–20 % der Fälle zu rechnen ist [114]. Etwa die Hälfte aller intrazerebralen Blutungen treten bereits in utero auf, offenbar meistens nach 28–30 SSW. Hirnblutungen sind aber auch bereits mit 20 Wochen beobachtet worden. Wenn es nicht zum Fruchttod kommt, können sich aus den Blutungsherden große porenzephale Zysten bilden [55]. Postnatal entwickelt sich nach größeren Blutungen oft ein posthämorrhagischer Hydrozephalus. Viele der betroffenen Kinder tragen lebenslange, z. T. schwerste neurologische Schäden wie spastische Lähmungen oder Blindheit davon. Alle Laborwerte mit Ausnahme der Thrombozytopenie sind unauffällig. Vorübergehende Anämien und Hyperbilirubinämien können als Folge stärkerer Blutungen auftreten. Die plasmatische Gerinnung ist normal. Die klinische Verdachtsdiagnose FNAIT wird gestellt, wenn eine gesunde Mutter ohne anamnestische Hinweise auf eine Blutungsneigung ein thrombozytopenisches Kind mit oder ohne Blutungsneigung zur Welt bringt, ohne dass sich Hinweise für eine andere Ursache der Thrombozytopenie feststellen lassen. Eine isolierte
435
31
Thrombozytopenie bei einem ansonsten unauffälligen Neugeborenen muss immer an eine FNAIT denken lassen. Bereits während der Schwangerschaft können sonographische Zeichen einer fetalen zerebralen Blutung erste Hinweise auf eine FNAIT sein. Etwa die Hälfte aller Fälle tritt bereits während der ersten Schwangerschaft auf. Bei Mehrgebärenden muss stets danach gefragt werden, ob bei früheren Entbindungen ein Kind thrombozytopenisch war bzw. eine Blutungsneigung hatte. Die Diagnose wird gesichert durch den serologischen Nachweis von plättchenspezifischen Antikörpern, für den sich empfindliche Bindungstests unter Verwendung von markierten Antiglobulinantikörpern (Immunfluoreszenztest, ELISA u. a.) sowie glykoproteinspezifischen Enzymimmuntests (z. B. MAIPA) als geeignet erwiesen haben. Antikörper gegen die HPA-2-(Ko-) Antigene lassen sich gelegentlich besser mit der Mikroagglutination oder der passiven Hämagglutination nach Shibata nachweisen. Der Nachweis von Antikörpern gegen HPA-3-(Bak-) Antigene ist gelegentlich schwierig und erfordert die besondere Auswahl geeigneter Methoden [156]. Beim gleichzeitigen Vorkommen von HLA-Antikörpern kann die Feststellung von plättchenspezifischen Antikörpern sehr erschwert sein; hier ist der MAIPA die Methode der Wahl (7 Kap. 40). Die Schwere der Blutungsneigung bzw. der Thrombozytopenie hängt auch von der Antikörperspezifität ab: Antikörper gegen Antigene auf dem Glykoprotein-(GP-) Komplex IIb/IIIa (z. B. AntiHPA-1a oder Anti-HPA-3a) und auf dem GP-Komplex Ib/IX (z. B. HPA-2b) verursachen in der Regel ein schwereres Krankheitsbild als solche gegen den GP-Komplex Ia/IIa (Anti-HPA-5b) [70][83]. Wahrscheinlich hängt dies mit der viel niedrigeren Zahl von Antigenbindungsstellen des HPA-5b-Antigens auf dem GP-Komplex Ia/ IIa (etwa 2000/Plättchen) im Vergleich zum HPA-1a-Antigen auf dem GP-Komplex IIb/IIIa (ca. 40.000/Plättchen) zusammen. Die Dauer der Blutungsneigung bzw. der Thrombozytopenie wird von der Eliminationsrate der antikörperbeladenen Thrombozyten im RES, von der kompensatorischen Thrombozytopoese im Knochenmark und von der Therapie beeinflusst. Ohne Therapie klingt die Thrombozytopenie meistens innerhalb der ersten 3–8 Lebenswochen ab, längere Verläufe wurden vereinzelt beobachtet. z Therapie In der Behandlung der FNAIT ist zu unterscheiden zwischen dem pränatalen diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei bereits bekannter oder vermuteter fetaler Alloimmunthrombozytopenie und der postnatalen Therapie bei der erstmalig aufgetretenen bzw. diagnostizierten FNAIT (Übersichten: [20][90][116]). kPränatales Management Jede Schwangerschaft einer Frau, in deren Anamnese bereits eine FNAIT festgestellt wurde, muss als Risikoschwangerschaft für das Kind eingestuft werden. Das größte Risiko für den Fetus sind intrazerebrale Blutungen (7 s. oben). Die diagnostische und therapeutische Betreuung solcher Schwangerschaften sollte deshalb Zentren vorbehalten sein, die über besondere Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen. Anfangs bestand die einzige Möglichkeit der pränatalen Therapie in der vorzeitigen Entbindung per Sectio caesarea. Der Beginn einer spezifischen pränatalen Diagnostik und Therapie war die von Daffos et al. [35] eingeführte fetale Blutentnahme mittels Kordozentese, die erstmals eine genauere Abschätzung des fetalen Blutungsrisikos durch Thrombozytenzählung und die intrauterine Thrombozytentransfusion erlaubte. Ein geeignetes praktisches Vorgehen bei Müttern mit belasteter Anamnese und einem gegen den GP-Komplex IIb/IIIa gerichteten
436
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
350
Thrombozyten (x 103/μl)
Sectio
IgG
300
ICH
250 200 150 100 50 0 20
22
24
26 28 30 32 34 Schwangerschaftswoche
36
38
40
. Abb. 31.8 Verlauf einer intrauterinen Behandlung eines Kindes mit feta-
ler Alloimmunthrombozytopenie. Die x-Paare geben jeweils die Thrombozytenwerte vor und nach der Thrombozytentransfusion anläßlich derselben Kordozentese an. ICH intrazerebrale Blutung. (Nach [80])
31
Antikörper (meist Anti-HPA-1a) ist die Gewinnung einer fetalen Blutprobe mit 20–22 SSW. Aus dieser können die Thrombozytenzahl und der fetale Genotyp bestimmt werden. Beides ermöglicht eine Abschätzung des fetalen Blutungsrisikos. Liegt bei der ersten Kordozentese die Thrombozytenzahl über 50.000/μl, kann abgewartet werden. Die nächste Kordozentese sollte dann etwa 4 Wochen später erfolgen. Bei einer Plättchenzahl unter 30.000/μl müssen wöchentlich kompatible, bestrahlte Thrombozyten verabreicht werden. Werden mütterliche Thrombozyten verwendet, müssen diese möglichst weitgehend vom mütterlichen (antikörperhaltigen) Plasma befreit sein. Thrombozyten von einem kompatiblen Spender sind wegen der präparativen Vorteile meist besser geeignet. Um bei kurzzeitig wiederholten Transfusionen ein allzu schnelles Abfallen der Thrombozytenzahlen zu verhindern, sollte die Thrombozytendosis ausreichend groß sein, um nach der Transfusion möglichst einen Wert von 400.000–500.000/μl zu erreichen. Wegen des Blutungsrisikos sollte bei Feten mit dem Risiko einer Thrombozytopenie bei jeder fetalen Blutentnahme eine Thrombozytentransfusion durchgeführt werden [127]. Nachteil dieser invasiven Therapie ist eine Komplikationsrate, die selbst bei erfahrenen Untersuchern bezogen auf alle Eingriffe im Verlaufe einer Schwangerschaft bei 1–5 % liegt [35][81][126]. Einen typischen Verlauf zeigt . Abb. 31.8. Ein risikoärmeres Therapieverfahren als die serielle intrauterine Transfusion stellt die Infusion von intravenösem Immunglobulin G (IVIG) bei der Mutter dar. Der Wirkungsmechanismus des hochdosierten IVIG beruht u. a. wahrscheinlich auf der Verdrängung der thrombozytenspezifischen mütterlichen Antikörper von den plazentaren Fc-Rezeptoren und damit einem verminderten Antikörpertransfer in die fetale Zirkulation. In der ersten größeren amerikanischen Studie war die Gabe von 1g/kgKG IVIG bei etwa 2/3 der Fälle ausreichend wirksam [30]. In einer europäichen Kooperationsstudie wurde eine etwa gleich hohe Erfolgsrate der nichtinvasiven Therapie beobachtet [17]. Allerdings liegen auch Berichte über eine unzureichende Wirksamkeit vor [80][117]. Möglicherweise ist bei Feten mit milderer Thrombozytopenie ein besseres Ansprechen der IVIG-Therapie in der genannten Dosierung zu erwarten [17] [50]. Die Beurteilung des Therapieeffekts ist bei der IVIG-Therapie nur duch die fetale Blutentnahme möglich. Um die Anzahl der Kordozentesen so gering wie möglich zu halten, ist es sinnvoll, eine möglichst gute Risikovorhersage für das jeweilige Kind zu treffen.
In zwei prospektiven Untersuchungen wurde über einen Zusammenhang zwischen dem Titer des mütterlichen HPA-1a-Antiköpers und dem Schweregrad der Thrombozytopenie beim Neugeborenen berichtet [65][172]. Nach eigenen und anderen Beobachtungen findet sich jedoch häufig auch bei schweren Krankheitsverläufen nur eine geringe Antikörperstärke, sodass der Antikörpertiter in der pränatalen Diagnostik bislang keinen wesentlichen Stellenwert hat [131][150]. Im Rahmen einer europäischen Kooperationsstudie an 56 Feten konnten wir zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Erkrankung beim vorher betroffenen Geschwister und der Thrombozytenzahl des Feten vor pränataler Therapie besteht. Hatte beim Geschwister eine pränatale intrakranielle Blutung stattgefunden, so lagen bei allen untersuchten Feten die Thrombozytenzahlen bereits zum Zeitpunkt der ersten fetalen Blutentnahme unter 20.000/μl. Wenn auch mildere Verläufe bei Vorschwangerschaften schwere Thrombozytopenien beim folgenden Fetus nicht ausschließen, so ermöglicht doch eine Risikostratifizierung unter Einbeziehung von Antikörpertiter und differenzierter Anamnese ein individuelles Vorgehen bezüglich gewählter Therapie sowie Zeitpunkt und Anzahl invasiver Prozeduren [17]. Auf dieser Risikostratifizierung basieren neuere Studien, in denen Schwangere mit sogenanntem Standardrisiko (keine intrakranielle Blutung beim vorangehenden Kind) ohne vorherige fetale Blutentnahme entweder mit 2 g/kgKG IVIG oder mit 1 g/kgKG IVIG und 0,5 mg/kgKG Prednisolon behandelt wurden. Auf eine frühe fetale Blutentnahme wurde verzichtet und die erste Kordozentese erst mit 32 SSW durchgeführt. Der Anteil der Feten mit Thrombozytenzahlen unter 30.000/μl war in den beiden Gruppen mit 24 % bzw. 14 % nicht signifikant unterschiedlich [14]. Es scheint aus heutiger Sicht gerechtfertigt, bei FNAIT-Fällen, in denen beim Geschwister keine zerebrale Blutung oder schwerwiegende Thrombozytopenie vorgelegen hat, mit IVIG zu behandeln, ohne eine frühe fetale Blutentnahme zur Kontrolle der Thrombozytenzahlen durchzuführen [116][136]. Allerdings ist die Diskussion über die Notwendigkeit und den optimalen Zeitpunkt von Kontrollen noch nicht abgeschlossen. Liegt anamnestisch eine zerebrale Blutung beim Geschwister vor, empfehlen wir derzeit ein Behandlungsregime unter Einbeziehung von intrauterinen Thrombozytentransfusionen. Die in Einzelfällen versuchte intrauterine Therapie des Feten mit hochdosiertem IgG hat sich nicht bewährt. Sie umgeht nicht die Notwendigkeit einer Kordozentese und birgt wegen der nicht auszuschließenden immunmodulatorischen Wirkungen des IgG weitere, bisher nicht ausreichend bekannte Risiken in sich. Eine alleinige Kortikosteroidtherapie der Schwangeren ist unzureichend wirksam. Über einen Effekt von 1 mg/kg Prednisolon in Ergänzung zur IgGTherapie wurde berichtet [30]. Allgemeingültige Behandlungsregeln lassen sich bisher nicht aufstellen, da der Verlauf der Thromboyztenzahlen und das Blutungsrisiko nicht mit Sicherheit voraussagbar sind. Als Geburtsmodus empfehlen wir derzeit bei stark thrombozytopenischen Feten die Entbindung durch Sectio etwa mit 36–38 SSW nach Induktion der Lungenreife. Ob das Blutungsrisiko durch die Sectio im Vergleich zur normalen Entbindung gesenkt werden kann, ist allerdings nicht belegt. Trotz aller therapeutischen Bemühungen lassen sich nicht in allen Fällen intrazerebrale Blutungen verhindern. Deshalb müssen Eltern mit inkompatibler Konstellation (v. a. nach vorangegangener intrazerebraler Blutung eines Kindes), bei denen es wiederum zu einer Schwangerschaft kommt, über das Risiko für den Fetus aufgeklärt werden.
437
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
kPostnatale Behandlung Die postnatale Behandlung besteht bei schwerer Blutungsneigung, v. a. bei intrazerebraler Blutung, bei Thrombozytenzahlen unter 30.000/μl oder bei rasch fallenden Thrombozytenwerten in der Gabe von kompatiblen homologen oder mütterlichen Thrombozyten (7 s. oben). Die Thrombozytentransfusion ist in Abhängigkeit von der Entwicklung der Thrombozytenzahlen evtl. mehrfach zu wiederholen. Wenn die Antikörperspezifität bekannt ist, hat sich die Verwendung von homologen Thrombozytenkonzentraten nach unserer Erfahrung bewährt, da diese bereits vor der Geburt in ausreichender Menge und guter Qualität präpariert werden können. Im Verdachtsfall ohne Kenntnis eines mütterlichen Antikörpers sollte keinesfalls die Therapie bis zum Antikörpernachweis verzögert werden. Da etwa 95 % aller FNAIT-Fälle durch Antikörper der Spezifitäten Anti-HPA-1a und Anti-HPA-5b ausgelöst werden (. Tab. 31.6), hat sich die Gabe eines HPA-1a- und HPA-5b-negativen Thrombozytenkonzentrats bewährt [137]. Wir halten neben einigen weiteren Zentren für die Plättchensubstitution bei einem Neugeborenen mit möglicher FNAIT und unbekanntem mütterlichem Antikörper regelhaft ein solches Thrombozytenkonzentrat bereit, das ohne Zeitverzögerung verabreicht werden kann. Früher wurde bei unbekannter Antikörperspezifität als Notfallmaßnahme oder auch bei bereits bekanntem Antikörper ein mütterliches Thrombozytenkonzentrat transfundiert, das immer für das relevante Antigen negativ ist. Jedoch ist eine Thrombozytenspende kurz vor oder nach der Entbindung für die Mutter belastend. Eine unverzügliche Transfusion mit mütterlichen Thrombozyten ist auch oft nicht erreichbar, da das antikörperhaltige Plasma gegen isoagglutininfreies Plasma der Blutgruppe AB oder 5 %ige Albuminlösung ausgetauscht und die infektionsserologische Testung des Präparats abgewartet werden sollte. Thrombozytenkonzentrate von unausgewählten Fremdspendern haben bei der am häufigsten vorkommenden Inkompatibilität des Merkmals HPA-1a wegen der hohen Frequenz des Antigens (97,5 % der deutschen Bevölkerung sind positiv) einen geringeren Effekt als kompatible Präparate, da sie ebenso wie die kindlichen Thrombozyten durch Beladung mit den mütterlichen HPA-1a-Antikörpern im RES eliminiert werden. Wenn kompatible Thrombozyten nicht sofort zur Verfügung stehen, sollten unausgewählte Präparate jedoch ohne Bedenken eingesetzt werden. Wir haben bei 24 von 27 FNAIT-Fällen einen Thrombozytenanstieg über 40.000/ μl nach Gabe von unausgewählten Thrombozyten beobachtet [73]. Der unerwartete Therapieeffekt ist vermutlich auf die Adsorption der begrenzten Menge mütterlicher Antikörper an die im Überschuss auf transfundierten Thrombozyten vorhandenen Antigene zurückzuführen. Eine kurzfristige Wiederholung der Transfusion ist oft erforderlich. Gehäufte Nebenwirkungen waren bei der inkompatiblen Transfusion nicht zu beobachten. Bei Mangel an Thrombozyten oder milderer Thrombozytopenie ist die Gabe von hochdosiertem intravenösem Immunglobulin (Gesamtmenge 1–2 g) eine therapeutische Alternative [112]. Meistens steigen bereits nach 1–2 Infusionen die Thrombozytenzahlen an. Große kontrollierte Studien zu diesem Behandlungsansatz liegen bislang aber nicht vor [69].
Neonatale Autoimmunthrombozytopenie 7 Übersichten: [19][51][79]
z Pathogenese Die neonatale Autoimmunthrombozytopenie (AITP) kommt durch die diaplazentare Übertragung von mütterlichen Autoantikörpern
31
zustande, die sich nicht nur gegen Autoantigene der Mutter, sondern auch gegen diejenigen des Kindes richten. Die Thrombozyten des Kindes werden somit passiv in den Krankheitsprozess mit einbezogen. Im Unterschied zu der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie, bei der die Mutter normale Thrombozytenzahlen und keine Blutungsneigung hat, leidet die Mutter selbst an einer AITP mit manifester oder kompensierter Thrombozytopenie. In einer zusammenfassenden Beurteilung von 11 Publikationen mit insgesamt 288 Neugeborenen von Müttern mit AITP wurde eine Thrombozytenzahl unter 50.000/μl bei 10,1 % der Kinder beobachtet [29]. Plättchenzahlen unter 20.000/μl fanden sich bei 4,2 % der Kinder. In einem Kollektiv von 15.932 Neugeborenen wies keines der Kinder einer Mutter mit AITP Thrombozytenzahlen unter 20.000/μl auf [28]. Offenbar liegt in kleineren Studienkollektiven eine Überbewertung schwerer Fälle vor. Deutliche Thrombozytopenien des Kindes treten nur auf, wenn eine AITP der Mutter bereits vor der Schwangerschaft bestand. Hingegen hat die sog. »Gestationsthrombozytopenie«, das erstmalige Auftreten einer Thrombozytopenie während der Schwangerschaft ohne vorbestehende AITP, keine schweren Thrombozytopenien des Feten oder Neugeborenen zur Folge [149]. z Klinisches Bild Die passive AITP des Neugeborenen verläuft in der Regel wesentlich milder als die neonatale Alloimmunthrombozytopenie. Bei den betroffenen Kindern herrscht der petechiale Blutungstyp vor, schwerere Blutungen aus dem Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt sowie intrakranielle Blutungen sind selten [51]. Risikofaktoren für eine ausgeprägte kindliche Thrombozytopenie sind eine schwere Thrombozytopenie und/oder eine Splenektomie bei der Mutter [175][174]. Die Thrombozytopenie ist immer vorübergehend. Die Prognose ist nach Überwindung der akuten Blutungsphase gut. Die Wirksamkeit einer präpartalen Therapie der Mutter mit Kortikosteroiden oder mit hochdosiertem Immunglobulin als Blutungsprophylaxe für den Fetus ist nicht gesichert und u. E. wegen der nur geringen Gefährdung des Kindes und der hohen Kosten nicht indiziert. Wegen der Seltenheit schwerwiegender Blutungskomplikationen ist eine Kordozentese nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Ebenso ist eine Entbindung per Sectio caesarea nur bei gegebener mütterlicher Indikation, nicht jedoch zur Vermeidung kindlicher Blutungskomplikationen erforderlich [51][90][129] [132]. Bei stärkeren postnatalen Blutungen beim Neugeborenen werden hochdosierte Immunglobuline (1–2 g/kgKG) gegeben, in der Regel mit gutem Erfolg [18]. Kortikosteroide stellen eine therapeutische Alternative dar, werden wegen der Sepsis als einer möglichen Ursache der neonatalen Thrombozytopenie jedoch nicht bevorzugt [90]. Bei lebensbedrohlichen Blutungen können Thrombozytenkonzentrate von Fremdspendern in hoher Dosierung wirksam sein, um den Effekt der Autoantikörper zu überspielen. Sie müssen ggf. in kurzen Abständen wiederholt werden. Austauschtransfusionen sind heute nicht mehr angezeigt.
Andere Thrombozytopenieformen Alle anderen Thrombozytopenieformen im Neugeborenenalter mit gestörter Thrombozytenbildung oder gesteigertem Thrombozytenumsatz sind selten (Übersichten: [19][109]). Bei allen hyporegeneratorischen Formen sind Thrombozytentransfusionen sehr wirksam. Bei den hereditären Thrombozytopenien und -pathien, insbesondere bei der Glanzmann-Thrombasthenie und dem Bernard-Soulier-Syndrom, muss jedoch die Möglichkeit der Bildung von Isoantikörpern gegen die fehlenden oder fehlgebildeten Mem-
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Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
branstrukturen bedacht werden [71], sodass die Indikation zur Thrombozytentransfusion besonders streng zu stellen ist. Sie ist nur als Notfallmaßnahme bei starken Blutungen (z. B. bei Verletzungen oder unter der Geburt) und prophylaktisch bei größeren Operationen angezeigt. Beim Wiskott-Aldrich-Syndrom ist die Thrombozytopenie bereits bei der Geburt vorhanden, während die klassischen Symptome Ekzem und Immundefekt nicht so evident sind. Das mittlere Plättchenvolumen ist deutlich erniedrigt (Mikrothrombozyten) und kann für die Diagnose hinweisend sein. Gesichert wird sie durch molekulargenetische Diagnostik. Frühtodesfälle sind v. a. auf die hämorrhagische Diathese zurückzuführen. Die Therapie der Blutungsneigung besteht in Plättchentransfusionen. Da eine Knochenmarktransplantation das aussichtsreichste Behandlungsverfahren ist, ist die Transfusion von Thrombozyten von Blutsverwandten zu vermeiden. Wegen des Immundefektes müssen alle Blutprodukte bestrahlt sein.
31.1.5
Granulozytopenien
Neonatale Alloimmungranulozytopenie (Alloimmunneutropenie, NAIN) 7 Übersichten: [88][95]
31
z Pathogenese Analog zu anderen Alloimmunprozessen in der Schwangerschaft wird die neonatale Alloimmunneutropenie (NAIN) durch plazentagängige, mütterliche, granulozytenspezifische Alloantikörper verursacht. Granulozytenantigene, die der Fetus von seinem Vater geerbt hat, führen zu einer Sensibilisierung der antigennegativen Mutter. Am häufigsten betroffen sind die Granulozytenantigene HNA-1a, -1b und -2a. Eine Reihe weiterer Antigene wurde als seltenere Ursache für eine mütterliche Sensibilisierung beobachtet [88] [95]. Gelegentlich kann bei Patienten mit fehlendem Fcγ-Rezeptor IIIb eine Isoimmunisierung vorkommen, die beim Neugeborenen die gleichen klinischen Auswirkungen hat wie die Bildung von Alloantikörpern [63]. z Klinisches Bild Die Häufigkeit der NAIN ist nicht bekannt. Erstgeborene erkranken bereits in etwa der Hälfte der Fälle [88]. Wahrscheinlich bleiben viele milde Formen unbemerkt. Klinisch manifestiert sich die Krankheit durch bakterielle Infektionen v. a. der Haut, z. B. Nabelinfektionen. Infektionen der oberen Luftwege oder Septikämien kommen ebenfalls vor. Im peripheren Blutbild besteht eine isolierte Neutropenie, die sich unmittelbar nach der Geburt noch verstärken und über Wochen anhalten kann. Das Knochenmark des Kindes weist als typischen Befund eine Hyperplasie der Myelopoese und eine ausgeprägte Granulozytenphagozytose auf. Die Diagnose wird gestellt aufgrund des typischen klinischen Bildes, der isolierten Granulozytopenie bei unauffälligem Blutstatus der Mutter und dem serologischen Nachweis granulozytenspezifischer Antikörper in ihrem Serum. Der Nachweis ist schwierig. Anwendung finden der Leukozytenagglutinationstest, der Fluoreszenztest und der glykoproteinspezifische MAIGA (7 Kap. 41). Letzterer ist auch die Methode der Wahl, wenn Gemische von granulozytenspezifischen und HLA-Antikörpern in demselben Serum vorliegen. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung gibt es keine größeren Therapiestudien. Neben der antibiotischen Behandlung bei Infektionen ist in Einzelfällen die Behandlung mit hochdosierten intravenösen Immunglobulinen und die Gabe von rekombinantem
humanem Granulozytenkolonie-stimulierendem Wachstumsfaktor (rhG-CSF) in einer Dosierung von 5–10 μg/kgKG beschrieben [52] [143]. Die Dauer der Erkrankung kann zwischen 2 Wochen und 6 Monaten betragen [95]. Die Prognose ist fast immer günstig. Todesfälle sind selten bekannt geworden.
Neonatale Autoimmungranulozytopenie (Autoimmunneutropenie) z Pathogenese Die neonatale Autoimmunneutropenie wird ebenso wie andere Autoimmunprozesse durch granulozytenspezifische Autoantikörper einer Mutter verursacht, die selbst an einer Autoimmunneutropenie (z. B. bei systemischem Lupus erythematodes) leidet. Durch den diaplazentaren Übertritt von granulozytenspezifischen IgG-Autoantikörpern erkrankt das Neugeborene an einer transitorischen Neutropenie. z Klinisches Bild Zahlen zur Inzidenz der neonatalen Autoimmungranulozytopenie sind nicht bekannt. Das klinische Bild unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der durch Alloantikörper bedingten neonatalen Immunneutropenie. Meistens fallen leichtere bakterielle Infektionen v. a. der Haut und des Respirationstrakts auf. Die Diagnose beruht auf denselben Kriterien wie bei der Alloimmunneutropenie, mit dem Unterschied, dass die Mutter selbst granulozytopenisch ist. Granulozytenspezifische Autoantikörper müssen v. a. im Serum der Mutter nachgewiesen werden, im Serum des Kindes sind sie meistens negativ. Der Nachweis von granulozytengebundenen Immunglobulinen bei Mutter und Kind ist wenig aussagefähig, da diese nur z. T. Autoantikörper sind und Immunglobuline auch vermehrt »unspezifisch« durch Fc-Rezeptoren (z. B. in Form von Immunkomplexen) gebunden sein können. Die Granulozytopenie bildet sich stets nach kurzer Zeit zurück. Die Prognose ist sehr günstig. Die Therapie entspricht der der Alloimmunneutropenie.
31.1.6
Hämostasestörungen
7 Übersichten: [5][6]
z Allgemeines Plasmatische Gerinnungsfaktoren der Mutter durchdringen nicht die Plazenta, sondern ihre Bildung durch den Fetus selbst beginnt bereits im 1. Trimenon der Schwangerschaft. Bei der Geburt beträgt die Plasmakonzentration der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (FII, FVII, FIX, FX) und der kontaktabhängigen Faktoren (FXII, FXI, Präkallikrein, hochmolekulares Kininogen) etwa 50 % der Aktivität von Erwachsenen [6]. Andere Gerinnungsfaktoren haben eine dem Erwachsenenplasma vergleichbare Aktivität. Die Proteinkonzentrationen aller Gerinnungsfaktoren steigen schnell nach der Geburt an und erreichen nach 2–12 Lebensmonaten die Aktivität von Erwachsenen. Die kritische Größe des plasmatischen Gerinnungssystems bei Neugeborenen ist deren um etwa 50 % herabgesetzte Fähigkeit zur Thrombinbildung und somit deren Plasmakonzentration von Prothrombin. Die Konzentration von Thrombininhibitoren ist bei der Geburt ebenfalls erniedrigt. Aus dem komplexen Thrombin-Antithrombin-Gleichgewicht bei Neugeborenen resultiert, dass die Rate der Thrombinhemmung im Plasma von Neugeborenen langsamer vonstatten geht, aber die Gesamtkapazität dieses Systems der im Erwachsenenplasma ver-
439
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
gleichbar ist. Auch die Geschwindigkeit der Plasminbildung und der Fibrinolyse von Gerinnseln im Nabelschnurblut ist gegenüber der im Erwachsenenplasma deutlich verringert. Dies beruht z. T. auf der erniedrigten Plasmakonzentration von Plasminogen und dem Vorkommen seiner »fetalen« Form. Um Hämostaseprobleme bei Früh- und Neugeborenen richtig diagnostizieren und behandeln zu können, ist es deshalb entscheidend wichtig, die hämostaseologischen Laborergebnisse unter Berücksichtigung der physiologischen Aktivitäten in diesem Lebensalter zu interpretieren und ggf. therapeutisch zu korrigieren. z Klinisches Bild Neugeborene mit einem Blutungsleiden können einen erworbenen oder einen erblichen, angeborenen Defekt der Hämostase haben [87]. Dabei wird bei termingeborenen Neugeborenen am ehesten an eine Immunthrombozytopenie (7 s. oben), einen Vitamin-KMangel oder an einen kongenitalen Gerinnungsdefekt zu denken sein. Bei Früh- oder Neugeborenen mit einer Grunderkrankung wird man eher eine damit im Zusammenhang stehende erworbene Erkrankung der Hämostase, z. B. eine disseminierte intravaskuläre Gerinnung oder eine Leberstörung, in Betracht ziehen. Lokalisation und Folgen einer Blutung bei Neugeborenen unterscheiden sich von denen bei größeren Kindern oder Erwachsenen. Typische Blutungsorte bei Neugeborenen sind Sickerblutungen aus dem Nabel, Kopfschwartenhämatome und Blutungen aus Punktionsstellen. Intrakranielle Blutungen sind nicht selten das erste Zeichen einer Blutungsneigung beim Neugeborenen. Im Gegensatz zum Erwachsenen können scheinbar kleine Blutungen schnell in einen Schockzustand führen. Die korrekte Diagnose einer Hämostasestörung bei Neugeborenen erfordert daher die Gesamtbeurteilung des klinischen Bildes und eine differenzierte Labordiagnostik. Erworbene Gerinnungsstörungen werden häufig verursacht durch eine disseminierte intravaskuläre Gerinnung, die durch Septikämie, Schock oder Asphyxie ausgelöst werden kann. Lebererkrankungen führen zu einem Ausfall der Bildungsstätte von Gerinnungsfaktoren, einer Aktivierung des Hämostasesystems, einer verminderten Klärung von aktivierten Gerinnungsprodukten und einem zusätzlichen Verlust von Gerinnungsfaktoren in den Aszites. Ursachen sind v. a. Virusinfektionen, Hypoxie, angeborene Stoffwechselstörungen, ausschließliche parenterale Ernährung und fetaler Hydrops. Eine wichtige und vermeidbare erworbene Koagulopathie stellt der Morbus haemorrhagicus neonatorum dar. Er beruht auf einem Vitamin-K-Mangel mit konsekutiver Synthesestörung der VitaminK-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Zu den Risikofaktoren für einen Vitamin-K-Mangel zählen Muttermilchernährung, Frühgeburtlichkeit, Cholestase mit verminderter Resorption fettlöslicher Vitamine, mütterliche Medikamente (Phenytoin, Phenobarbital, Antikoagulanzien außer Heparin). Die klassische Form manifestiert sich am 1.–7. Lebenstag mit Meläna, Hämatemesis, Nabelblutung, Nasenbluten und intrakraniellen Blutungen. Bei der Spätmanifestation im Alter von 2–12 Wochen kommt es meist zu ausgedehnten intrakraniellen bzw. schweren gastrointestinalen Blutungen. Die Therapie besteht in der parenteralen Gabe von Vitamin K und evtl. Frischplasma. Durch konsequente prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen lässt sich der Morbus haemorrhagicus neonatorum vermeiden [133]. Angeborene, erbliche Gerinnungsfaktorendefekte sind insgesamt selten. Sie manifestieren sich in der Regel nicht in der Neonatalperiode, es sei denn, dass es sich um besonders schwere Fälle handelt oder zusätzliche Belastungen hinzutreten. Am häufigsten
31
sind Hämophilie A und B sowie ein Mangel an FVII und FXIII. Therapeutisch werden, soweit verfügbar, spezielle Plasmaderivate mit konzentrierten Gerinnungsfaktoren oder Frischplasma bzw. Kryopräzipitat mit gutem Erfolg verwendet. Bei einem ansonsten gesund wirkenden Neugeborenen mit Blutungen liegt der Verdacht auf einen Thrombozytendefekt, eine FNAIT, einen Vitamin-K-Mangel oder eine kongenitale Koagulopathie nahe. Sind die Blutungen von anderen Krankheitszeichen (Acidose, Temperaturregulationsstörung, Atemstörung, Ikterus) begleitet, spricht dies für eine intravasale Gerinnung bzw. eine schwere Lebererkrankung. Thrombophile Zustände bei Neugeborenen sind insgesamt selten. Sie treten meist erworben auf und werden v. a. durch liegende Katheter verursacht. Zu den Risikofaktoren für Nierenvenenthrombosen zählen außerdem Dehydratation, perinataler Schock, Infektionen, Polyzythämie und Gestationsdiabetes der Mutter. Behandlungsansätze beinhalten Heparinisierung und Fibrinolyse mit Urokinase oder r-TPA. Angeborene Störungen betreffen v. a. schwere, meistens heterozygote Fälle eines Mangels an Antithrombin, Protein C oder Protein S (7 Kap. 25). Auch die APC-Resistenz muss in Betracht gezogen werden. Therapeutisch können Antithrombinkonzentrat oder Frischplasma verabreicht werden. z Indikationen für therapeutisches Plasma (Frischplasma, FFP) Als Indikationen werden angesehen: 1. die Rekonstitution von Erythrozytenkonzentraten bei Massivtransfusionen (z. B. bei Austauschtransfusionen oder bei Operationen an der Herz-Lungen-Maschine), 2. Blutungen bei Vitamin-K-Mangel, 3. disseminierte intravasale Gerinnung, 4. Blutungen bei kongenitalem Mangel an Hämostasefaktoren, für die keine Konzentrate verfügbar sind. Eine prophylaktische Gabe von therapeutischem Plasma zur Vermeidung von Blutungen bei Frühgeborenen ist nicht indiziert [36]. Die Dosierung beträgt je nach klinischer Situation normalerweise 10–20 ml Plasma/kgKG alle 12–24 h. Bei Kindern unter 3 Lebensmonaten sollten zur Verminderung der Exposition gegenüber Fremd-(Erwachsenen-)plasma Minisatellitenbeutel von möglichst wenigen Spendern mit der Blutgruppe AB verwendet werden. Als Volumenersatz bei Volumenmangelzuständen ohne Gerinnungsstörung sollte therapeutisches Plasma nicht verwendet werden, da es zu einer Aktivierung des Komplementsystems und damit zu erheblichen Nebenwirkungen kommen kann [157].
31.1.7
Anforderungen an Transfusionsblut für Früh- und Neugeborene
Wegen der geringen Anpassungsfähigkeit von Früh- und Neugeborenen gegenüber metabolischen Belastungen und Säure-Basen-Verschiebungen und wegen ihrer Infektionsanfälligkeit sind besondere Anforderungen an Blutkomponenten für diese Patienten zu stellen. z 1. Größtmögliche Infektionssicherheit Trotz der bei allen Blutspendern sicherzustellenden Freiheit von Infektionsmarkern kann nicht mit letzter Sicherheit eine Infektionsübertragung durch nicht inaktivierbare Blutkomponenten ausgeschlossen werden. Deshalb wird angestrebt, die Kinder mit dem Blut von möglichst wenigen Spendern zu exponieren. Dies lässt sich durch die Verwendung von sog. Babykonserven erreichen. Hierzu
440
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
wird das Erythrozytenkonzentrat eines Spenders unter sterilen Bedingungen auf mehrere kleine Satellitenbeutel mit einem Volumen von etwa 50 ml verteilt [161]. Damit können entweder mehrere Kinder von nur einem Spender versorgt werden, oder ein Kind, das mehrfach transfundiert werden muss, erhält nur Blut von einem Spender. Letzteres setzt allerdings voraus, dass das Erythrozytenkonzentrat durch Zusatz von additiver Lösung länger haltbar ist und über einen großen Teil oder die gesamte Laufzeit des Präparats verwendet wird. Eine weitere Variante besteht darin, dass von einem Erythrozytenkonzentrat der Blutgruppe 0 Rh-negativ mittels eines Geräts zur Herstellung von sterilen Verbindungen von Transfusionsschläuchen (7 Kap. 16) jeweils die benötigten Babybeutel abgenommen werden. Da solches Blut für die allermeisten Neugeborenen verwendet werden kann, reduziert sich die Anzahl der herangezogenen Spender ebenfalls erheblich. Um zu vermeiden, dass v. a. Frühgeborene mit niedrigem Geburtsgewicht mit Zytomegalieviren (CMV) durch Transfusionsblut infiziert werden und erkranken, sollten Blutkomponenten für Frühund Neugeborene in Bezug auf eine CMV-Übertragung sicher sein. Dies kann entweder durch Verwendung von Blut CMV-negativer Spender oder durch die in Deutschland standardmäßig eingesetzte Leukozytendepletion erreicht werden. Die Kombination beider Verfahren bewirkt vermutlich keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn [25]. Ebenso sollte das Blut für intrauterine Transfusionen sowie für Transfusionen an Schwangere CMV-frei sein.
31
z 2. Metabolische Anforderungen Transfusionsblut wird durch die Zusätze in den Stabilisatoren bzw. additiven Lösungen (Citrat, Glucose, Adenin, Mannitol u. a.) und durch die lagerungsbedingten Schäden (v. a. durch den Anstieg des Kaliums, die Verringerung der 2,3-DPG-Aktivität und die pH-Verschiebungen) verändert (7 Kap. 16). Diese Veränderungen sind mit den heute fast ausschließlich verwendeten CPD- bzw. CPD-Adeninstabilisatoren im Vergleich zu den früher verwendeten ACDStabilisatoren wesentlich geringer. Bis vor wenigen Jahren wurde besonders wegen des erhöhten Kaliumgehalts und der reduzierten 2,3-DPG-Aktivität möglichst frisches, maximal 7 Tage gelagertes Blut für erforderlich gehalten. Diese Forderung ist wissenschaftlich nicht gut begründet und lässt sich nach dem heutigen Kenntnisstand nicht mehr aufrecht erhalten. Vielmehr wurde gezeigt, dass Erythrozytenkonzentrate für Früh- und Neugeborene bis zu 42 Tage gelagert werden können [92][159][173]. Die tatsächlich mit den bei Neugeborenen üblichen kleinen Blutvolumina übertragene Menge an Kalium liegt unter der täglich benötigten Aufnahme, die geringen Konzentrationen an freigesetztem Hämoglobin sind vermutlich belanglos, und wahrscheinlich ist die Regeneration der 2,3-DPG-Aktivität in vivo, wie sie bei Erwachsenen gezeigt werden konnte, auch bei kleinen Kindern wirksam. Unerwünschte Wirkungen sind bisher weder durch Adenin noch durch die in den additiven Lösungen verwendeten Substanzen bekannt geworden. Bei Transfusion großer Volumina (>25 ml/kgKG) z. B. im Rahmen extrakorporaler Kreisläufe oder von Austauschtransfusionen muss jedoch das Risiko einer erhöhten Kaliumzufuhr durch lange gelagerte Konserven bedacht werden [159]. z 3. Blutviskosität Die Blutviskosität hängt v. a. vom Hämatokrit (Hkt), der Verformbarkeit der Erythrozyten und der Plasmaviskosität ab. Die wesentlichste Größe ist der Hkt, da die Blutviskosität in einem Hkt-Bereich zwischen 15 und 65 % exponentiell ansteigt. Wegen der oft
bestehenden Kreislauflabilität von Früh- und Neugeborenen ist es deshalb bei der kurzfristigen Transfusion großer Volumina, z. B. Austauschtransfusion, wichtig, den Hkt des transfundierten Erythrozytenkonzentrats den Bedingungen der Kinder anzupassen. z 4. Bestrahlung Neugeborene und insbesondere unreife Frühgeborene können an einer transfusionsassoziierte Graft-vs.-Host-Krankheit (TA-GvHD) erkranken. Bis 1999 sind 73 Fälle einer TA-GvHD bei Kindern im Alter unter 1 Jahr dokumentiert. Bei 27 dieser Kinder lag ein primärer Immundefekt vor, 14 Kinder erhielten Austauschtransfusionen wegen eines Morbus haemolyticus, bei 32 Kindern gab es keine Hinweise auf eine der beiden Erkrankungen, es wurden jedoch in 26 Fällen Blutkomponenten von Verwandten verabreicht [159]. Die Bestrahlung zellhaltiger Blutkomponenten mit 30 Gy kann eine TA-GvHD durch Hemmung der Replikationsfähigkeit immunkompetenter Zellen sicher verhindern. Deshalb sollte für Kinder mit Immundefekten, bei und nach intrauterinen Transfusionen, bei Austauschtransfusionen und bei Transfusionen von Blutsverwandten immer eine Bestrahlung der Blutkomponenten durchgeführt werden. Da ein Immundefekt häufig nicht frühzeitig erkannt wird und es sich bei der TA-GvHD um eine schwere, meistens letale Transfusionskomplikation handelt, wird die Gabe bestrahlter Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate in vielen Einrichtungen nicht ausschließlich auf die oben genannten Patientenkollektive begrenzt [159]. Auch wenn die Empfehlung nicht den aktuellen Leitlinien für Deutschland entspricht [25], sollte unseres Erachtens die Indikation zur Bestrahlung der Blutkomponenten bei der Transfusion an Kinder während der ersten Lebensmonate großzügig gestellt werden. z 5. Serologische Erfordernisse Da Feten oder Neugeborene selbst keine Antikörper gegen Blutzellantigene bilden können, sind bei allen Transfusionen in der postnatalen Phase immer die mütterlichen Antikörper zu berücksichtigen. Verträglichkeitsproben sollten deshalb mit mütterlichem Serum durchgeführt werden (7 s. oben: Morbus haemolyticus neonatorum).
31.1.8
Transfusionstechniken in der Perinatalperiode
Intrauterine Transfusionen Seit der ersten intrauterinen Transfusion durch Liley im Jahr 1963 sind v. a. durch die Sonographie, die eine exakte Beurteilung der anatomischen intrauterinen Situation ermöglicht, wesentliche Fortschritte erzielt worden. Die intrauterine Transfusion erfolgt heute hauptsächlich intravasal in die Nabelvene. Die perkutane Punktion der Nabelschnur (Kordozentese) wird mit einer 10–16 cm langen, 20- bis 22-Charrière-lumigen Punktionsnadel nach sonographischer Bestimmung der Insertion der Nabelschnur in die Plazenta unter sterilen, operationsgleichen Bedingungen durchgeführt. In der Regel wird die Nadel transplazentar in die Nabelvene kurz vor ihrem Ansatz in der Plazenta, wo sie am wenigsten beweglich ist, eingeführt. Die Durchführung einer Kordozentese zeigt schematisch . Abb. 31.9. Die Amnionhöhle wird hierbei nicht passiert. Bei Lage der Plazenta an der Hinterwand oder im Fundus wird die Nadel durch die Amnionhöhle geführt und 1–2 cm vor dem Nabelschnuransatz punktiert. Auch die Punktion einer frei beweglichen Nabelschnurschlinge ist möglich (Übersicht: [93]).
441
31.1 • Erkrankungen des Feten und Neugeborenen
Zur Untersuchung werden 0,5–2 ml Blut mit einer Spritze abgesaugt und die fetale Hämoglobinkonzentration bzw. Thrombozytenzahl bestimmt. Eine mögliche Kontamination mit mütterlichem Blut kann mit der Säureelutionsmethode (. Abb. 31.7) geprüft werden. Falls eine Transfusion von Erythrozyten oder Thrombozyten vorgenommen werden soll, kann dies direkt über die Punktionsnadel oder durch einen engen, durch das Nadellumen eingeführten Kunststoffkatheter geschehen. In einigen Zentren wird, besonders bei Punktion der freien Nabelschnur, dem Fetus vor Beginn der Transfusion eine Sedierung bzw. Narkose verabreicht, um die Kindsbewegungen einzuschränken und die Verträglichkeit der Transfusion zu verbessern. Während und nach der Kordozentese ist eine kontinuierliche Überwachung des Feten erforderlich. Nach Entfernung der Punktionsnadel muss durch Sonographie auf eine Blutung aus der Punktionsstelle geachtet werden. Die intraperitoneale Transfusion wird unter sonographischer Sichtkontrolle durch die Amnionhöhle in das Peritoneum des Feten kranial der Harnblase vorgenommen. Die Erythrozyten werden über die Punktionskanüle langsam in die Bauchhöhle des Kindes appliziert. Von dort werden sie über subdiaphragmale Lymphspalten allmählich resorbiert. Bei einer kardialen Insuffizienz des Fetus oder einem stärkeren Hydrops ist die Resorption der Erythrozyten eingeschränkt bis aufgehoben, sodass die Transfusion erfolglos sein kann. Die intraperitoneale Transfusion ist deshalb weitestgehend zugunsten der intravasalen Punktion aufgegeben worden, zumal hierbei kein Ausgangswert für das Ausmaß der Anämie oder Thrombozytopenie zu erhalten ist. In Notfällen ist auch eine Punktion des rechten Ventrikels des Herzens (Kardiozentese) mit evtl. nachfolgender Transfusion von Erythrozyten möglich. Die Menge der zu transfundierenden Erythrozyten richtet sich nach dem Schwangerschaftsalter des Feten bzw. dem kalkulierten Blutvolumen (7 s. oben). Bei Feten mit Hydrops liegt das fetoplazentare Blutvolumen mit 18 SSW bei etwa 25 ml und mit 31 SSW bei etwa 152 ml (entsprechend 117 bzw. 93 ml/kgKG) [120]. Abhängig vom Gestationsalter können zwischen 5 und 60 ml Transfusionsvolumen verabreicht werden. Der Hämatokrit eines Erythrozytenkonzentrats sollte etwa 60–80 % betragen. Die intrauterine Thrombozytentransfusion, die erstmals 1984 von Daffos et al. [35] beschrieben wurde, wird prinzipiell in gleicher Weise durchgeführt. Bei dem Eingriff kommt erschwerend hinzu, dass die Feten sehr thrombozytopenisch sein können und somit die Blutungsgefahr aus der Punktionsstelle wesentlich größer ist. Wir halten deshalb die Transfusion von Thrombozyten vor Beendigung der Punktion bei einem thrombozytopenischen Feten für unbedingt erforderlich [84]. Das Thrombozytenkonzentrat sollte eine Konzentration von mindestens 1,5–2,5×106 Thrombozyten/μl aufweisen. Die Verwendung von kompatiblen Fremdthrombozyten hat den Vorteil, dass die Thrombozyten nicht gewaschen zu werden brauchen. Passende Spender lassen sich unter den Geschwistern einer immunisierten Mutter mit größerer Wahrscheinlichkeit als in der Normalbevölkerung finden, da für ein dialleles System mindestens 25 % aller Geschwister einer für ein bestimmtes Antigen reinerbigen Mutter ebenfalls reinerbig sein müssen. Bezüglich der Problematik gerichteter Blutspenden 7 Kap. 16. Für die wichtigsten Thrombozytenantigene typisierte Fremdspender stehen heute in verschiedenen transfusionsmedizinischen Instituten Deutschlands zur Verfügung.
31
. Abb. 31.9 Schematische Darstellung der Kordozentese. (Nach [93])
Austauschtransfusion Die wichtigste Indikation für eine Austauschtransfusion ist die Reduktion des indirekten Bilirubins mit dem Ziel, einen Kernikterus zu verhindern. Außerdem können bei einem M. haemolyticus neonatorum die kindlichen Erythrozyten durch solche ersetzt werden, die nicht mit den mütterlichen Antikörpern reagieren und deshalb nicht einem beschleunigten Abbau unterworfen sind. Auch kann der beim MHN meist niedrige Hämatokrit angehoben werden, ohne dass es zu einer Volumenbelastung kommt. Frühzeitige Austauschtransfusionen (innerhalb der ersten 9–12 Lebensstunden) werden erforderlich, wenn der Hämatokrit des Neugeborenen unter 35 % liegt und die Bilirubinkonzentration im Nabelschnurblut über 6 mg/dl beträgt bzw. stündlich um mehr als 0,5 mg/dl ansteigt. Spätere Austauschtransfusionen sind bei Überschreitung eines kritischen Bilirubinspiegels von 25 mg/dl bei reifen Neugeborenen angezeigt. Bei Frühgeborenen ist in Abhängigkeit vom Gestationsalter der Grenzwert niedriger anzusetzen. Das gesamte Austauschvolumen beträgt im Regelfall das 2- bis 3-fache des kindlichen Blutvolumens: 2–3×80–100 ml/kgKG bei einem termingeborenen und 2–3×100–110 ml/kgKG bei einem frühgeborenen Kind. Der Austausch des einfachen Blutvolumens ersetzt 70–75 %, der Austausch des 2-fachen Blutvolumens etwa 90 % der kindlichen Erythrozyten. Wegen der Umverteilung aus dem extravasalen Raum sinkt der Bilirubinspiegel lediglich um 50 % und kann anschließend erneut ansteigen. Die Austauschtransfusion kann entweder kontinuierlich oder diskontinuierlich durchgeführt werden (Übersicht: [121]). Bei diskontinuierlichem Austausch wird jeweils eine Volumeneinheit Blut abgezogen und sofort wieder ersetzt. Hierfür wird in der Regel die Umbilikalvene genutzt, die während der ersten 5 Lebenstage problemlos und auch danach noch bis zum 14. Lebenstag nach Entfernung intravasaler Thromben sondierbar ist. Das Einzelvolumen richtet sich nach dem kindlichen Körpergewicht und beträgt bei einem termingeborenen Kind etwa 20 ml, bei Frühgeborenen 5–10 ml. Bei der seltener durchgeführten kontinuierlichen Aus-
442
Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
. Tab. 31.7 Wichtige Blutgruppenkonstellationen von Mutter und Kind bei erythrozytären fetomaternalen Inkompatibilitäten und Wahl der Blutgruppen des für den Austausch zu verwendenden Erythrozytenkonzentrats Blutgruppe und Rh-Faktor des für den Austausch zu verwendenden Erythrozytenkonzentrats
Blutgruppen (ABO, D +/–) Mutter
Kind
0+a 0+ A+ B+
A+/– B+/– B+/– A+/–
0+ oder 0–b 0+ oder 0– 0+/– (oder A+/–) 0+/– (oder B+/–)
MHN durch Anti-D
0– A– B– AB–
A+/B+ A+/0+ B+/0+ A+/B+
0– A–/0– B–/0– A–/B–/0–
MHN durch Anti-c
0+/A+ (CCDee)
0+/A+ (CcDEe)
0+/A+ (CCDee)
ABO-MHN
a Unter
der Voraussetzung, dass die Mutter keine irregulären Antikörper hat. nach Rhesus(D)-Faktor des Kindes.
b Jeweils
31
tauschtransfusion wird eine Vene für die Infusion und eine Arterie für den Abzug des Blutes benutzt. Häufig werden die Zugänge in die Vena und Arteria radialis gelegt. Wegen des Citratzusatzes in den Konserven muss während der Austauschtransfusion in regelmäßigen Abständen, z. B. nach jeweils 100 ml Austauschvolumen, vorsichtig Calcium substituiert werden. Je nach den Kreislaufverhältnissen und dem zentralen Venendruck des Kindes wird die Austauschtransfusion iso-, hypo- (v. a. bei Hydrops) oder hypervolämisch durchgeführt. Für die Austauschtransfusion wegen fetomaternaler Inkompatibilitäten gegen Erythrozytenantigene wird Erythrozytenkonzentrat, das mit isoagglutininfreiem Plasma auf einen Hämatokrit von 50–60 % rekonstituiert wurde, verwendet. Die ABO-Blutgruppe, der Rhesus(D)-Faktor und ggf. weitere Antigene sind so zu wählen, dass sie mit den mütterlichen Antikörpern kompatibel sind. Die wichtigsten Konstellationen beim MHN sind in . Tab. 31.7 zusammengestellt. Für alle anderen möglichen Indikationen einer Austauschtransfusion wie Sepsis, disseminierte intravaskuläre Gerinnung, metabolische Störungen und Vergiftungen wäre frisches, blutgruppenkompatibles Vollblut am ehesten geeignet. Diese Indikationen sind bisher jedoch nicht gesichert und stellen wegen der mit der Austauschtransfusion verbundenen Risiken – wenn überhaupt – nur eine Ultima ratio dar. Die Blutaustauschtransfusion ist eine eingreifende Maßnahme mit einer Sterblichkeit von 0,5–1 % [121]. Die wichtigsten Komplikationen sind Embolien und Thrombosen (v. a. bei Transfusion über die Nabelschnurgefäße), kardiale Rhythmusstörungen, Hypervolämie, Hypokalziämie und Hyperkaliämie. Das Infektionsrisiko ist heute sehr klein und liegt wegen der besonderen Spenderauswahl eher noch niedriger als bei anderen Transfusionen. 31.2
Erkrankungen im Kindesalter
31.2.1
Allgemeines
Wegen der trotz aller Verbesserungen nicht völlig auszuschließenden Risiken von nichtinaktivierbaren Blutkomponenten, insbesondere also Virusinfektionen, die Kinder lebenslang schädigen können, sind die Indikationen für Bluttransfusionen in diesem Lebensalter besonders streng zu stellen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Kinder oft sehr anpassungsfähig sind und deshalb
die Interventionsgrenzen für die Übertragung von Erythrozyten oder Thrombozyten, wie sie meistens aus der Erwachsenenmedizin abgeleitet wurden, großzügiger gesehen werden können. Es ist oft erstaunlich, mit wie niedrigen Hämoglobin- oder Thrombozytenwerten Kinder und Jugendliche ohne wesentliche Krankheitszeichen auskommen können. Deshalb sind bei akuten, transitorischen Anämien oder Thrombozytopenien trotz z. T. dramatisch niedriger Werte nur selten zelluläre Blutkomponenten erforderlich. Bei chronischem Substitutionsbedarf, wie z. B. bei Thalassämien oder erblichen Thrombozytopenien oder -pathien, sind Alloimmunisierungen wesentlich bedeutsamer als bei älteren Erwachsenen, da die oft lebenslang erforderlichen Transfusionen durch das Auftreten von Allo- oder Isoantikörpern entscheidend erschwert oder gar unmöglich gemacht werden können. Deshalb ist bei Kindern besonderes Augenmerk auf größtmögliche Übereinstimmung der Antigene von Spender- und Empfängerblut zu legen. Dies trifft ganz besonders für Mädchen zu, deren spätere Schwangerschaften möglicherweise durch transfusionsinduzierte Sensibilisierungen mit der Folge fetomaternaler Inkompatibilitäten kompliziert sind. Als besonders wichtiges Beispiel sei die Vermeidung einer Rhesus(D)-Immunisierung durch Rh-ungleiche Thrombozytentransfusionen (mit geringen Erythrozytenbeimengungen) bei Rh-negativen Mädchen erwähnt. Auch Sensibilisierungen gegen MHC-Antigene (HLA-Antigene) können bei später möglicherweise notwendig werdenden Transplantationen oder Transfusionen eine Rolle spielen.
31.2.2
Anämien
Akute, große Blutverluste im Kindesalter, die Erythrozytentransfusionen erfordern, treten am häufigsten nach Unfällen, Verbrennungen oder Operationen auf. Indikationen und Durchführung der Transfusionen richten sich nach den in 7 Kap. 22 abgehandelten Prinzipien. Chronische Blutverluste, z. B. infolge eines Meckel-Divertikels, sind meistens keine Transfusionsindikation. Hier muss v. a. die Blutungsquelle beseitigt und evtl. Eisen substituiert werden. Die meisten chronischen kongenitalen Anämien (Hämoglobinopathien, Enzymopathien, Sphärozytose u. a.) manifestieren sich bereits im Kindesalter und werden therapiebedürftig. Ihre Behandlung mit Erythrozytentransfusionen ist in 7 Kap. 22 dargestellt.
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31.3 • Gewinnung von autologem Blut
Von den erworbenen hämolytischen Syndromen bedürfen die insgesamt seltenen autoimmunhämolytischen Anämien vom Wärmetyp nur ausnahmsweise der Erythrozytensubstitution. Wenn diese aus klinischen Gründen notwendig erscheint, sollte sie den Kindern trotz der oft bestehenden serologischen Probleme nicht vorenthalten werden. Sie ist häufig sehr wirkungsvoll [148]. Eine wenig bekannte Transfusionsindikation kann die oft mit perakuten intravasalen Hämolysen einhergehende, v. a. im Kleinkindesalter (2–6 Jahre) auftretende autoimmunhämolytische Anämie vom Donath-Landsteiner-Typ sein [53]. Sie ist die häufigste Form einer autoimmunhämolytischen Anämie im Kindesalter überhaupt. Bei diesen Kindern kommt es meistens 2–3 Wochen nach einem viralen Infekt zu einer akuten Hämolyse mit sehr niedrigen Hämoglobinwerten, die nicht selten bis auf Werte von 3 - 6 g/ dl abfallen. Die Kinder erholen sich nach Transfusionen, die problemlos vertragen werden, meistens in kürzester Zeit. Gelegentlich kann ein akuter hämolytischer Schub bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) transfusionsbedürftig werden. Beim hämolytisch-urämischen Syndrom kann die Hämolyse manchmal sehr ausgeprägt sein, im Vordergrund stehen aber meistens die Blutungsneigung infolge Thrombozytopenie oder das Nierenversagen. Erythrozytentransfusionen sind nur selten notwendig. Die Behandlung besteht zuvorderst im Plasmaaustausch. Bei Kindern mit bösartigen Erkrankungen, die sich einer Hochdosis-Chemotherapie unterziehen müssen und eine vorübergehende Anämie infolge Knochenmarkinsuffizienz entwickeln, ensprechen Indikation und Anwendung von Erythrozytentransfusionen im Wesentlichen der von Erwachsenen. CMV-Infektionen bzw. Reexazerbationen müssen vermieden werden.
31.2.3
Thrombozytopenien und -pathien
Bei Kindern mit seltenen, angeborenen Thrombozytopenien und -pathien infolge thrombozytärer Bildungsstörungen sind Thrombozytentransfusionen initial sehr wirksam und die Therapie der Wahl in Notfällen. Wegen der Gefahr einer Allo- oder Isoimmunisierung sollten sie jedoch so zurückhaltend wie möglich angewendet werden (7 Kap. 24). Die akute thrombozytopenische Purpura (ITP) im Kindesalter ist in der Regel keine Indikation zur Thrombozytentransfusion. Diese ist nur ausnahmsweise bei vitaler Bedrohung, v. a. durch intrazerebrale Blutungen, indiziert. Wegen des stark gesteigerten Thrombozytenabbaus müssen die Thrombozyten dann sehr hoch dosiert und evtl. sogar als Dauerinfusion verabreicht werden. Insgesamt ist die Prognose der kindlichen ITP sehr günstig. Die Behandlung besteht in der Gabe von hoch dosierten Immunglobulinen. Bei Kindern mit Hochdosis-Chemotherapie sind transitorische, therapiebedürftige Thrombozytopenien infolge Knochenmarksuppression sehr häufig. Die Therapie mit Thrombozytentransfusionen entspricht der von Erwachsenen (7 Kap. 24). 31.2.4
Granulozytopenien
Alle angeborenen und erworbenen Formen einer schweren Granulozytopenie werden heute zunächst mit Wachstumsfaktoren (G-CSF, GM-CSF u. a.) behandelt. Nur in schwersten, mit Zeichen einer beginnenden Sepsis einhergehenden Fällen kann eine Granulozytentransfusion gerechtfertigt sein [130] (7 Kap. 23).
31.2.5
31
Berechnung der Transfusionsvolumina
Das erforderliche Volumen eines Erythrozytenkonzentrats (EK) wird unter Berücksichtigung des aktuellen Hämatokrit- (Hkt) bzw. Hämoglobinwerts (Hb) nach den von Kleihauer angegebenen Formeln berechnet. Diesen liegt die Annahme zugrunde, dass bei nicht gesteigertem Erythrozytenumsatz in vivo etwa 3 ml eines Erythrozytenkonzentrats pro kgKG die Hämoglobinkonzentration eines Kindes um etwa 1 g/dl anheben: EK [ml] = (gew. Hb – akt. Hb [jeweils in mg/dl]) × kgKG × 3 oder EK [ml] = (gew. Hkt – akt. Hkt [jeweils in %]) × kgKG EK erforderliche Menge Erythrozytenkonzentrat gew. Hb gewünschter Hb-Wert [in mg/dl] akt. Hb aktueller Hb-Wert [in mg/dl] gew. Hkt gewünschter Hämatokritwert [in %] akt. Hkt aktueller Hämatokritwert [in %]
Die erforderliche Menge an Thrombozyten wird nach der in 7 Kap. 24 angegebenen Formel abgeschätzt. Meistens reichen 1×1010 Thrombozyten/kgKG bei Kindern aus. Bei der Granulozytentransfusion sollten soviel wie möglich Granulozyten übertragen werden. Das Volumen sollte so eingeengt werden, dass nicht mehr als 10–15 ml/kgKG zu einer Zeit infundiert werden [145]. 31.3
Gewinnung von autologem Blut
Autologe Transfusion bei Kindern Die präoperative Gewinnung von autologem Blut ist unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Kindern möglich. Wegen des geringeren Blutvolumens ist jedoch die Gefahr einer präoperativen Anämisierung wesentlich größer. Autologe Blutgewinnungsverfahren wurden v. a. unter dem Eindruck der HIV-Gefährdung auch in der Pädiatrie forciert. Angesichts des jetzt erreichten hohen Sicherheitsstandards von Fremdblut muss allerdings die Frage gestellt werden, ob die gerade bei kleineren Kindern sehr belastenden präoperativen Blutentnahmen aus medizinischen und ökonomischen Gründen noch gerechtfertigt sind.
Autologe Transfusion bei Neugeborenen Eine wichtige Quelle für eine autologe Transfusion bei Neugeborenen stellt die Plazenta dar. Neben der plazentaren Transfusion bei Frühgeborenen durch verzögerte Abnabelung (7 s. oben) besteht die Möglichkeit, Plazentarestblut für eventuelle spätere Transfusionen zu asservieren. Problematisch ist bisher der dafür erforderliche logistische Aufwand. Bei der Geburt eines Frühgeborenen durch Kaiserschnitt braucht man ein Team für die Mutter (Anästhesist und Geburtshelfer), ein Team für die Erstversorgung und Reanimation des Kindes (Neonatologe) und ein Team für die Gewinnung von Plazentarestblut (Transfusionsmediziner). Da Geburten häufig unvorhergesehen und nachts auftreten, müssen entsprechende Bereitschaftsdienste organisiert werden. Durch gemeinsame Interessen von Neonatologen (Erythrozyten) und Onkologen (Stammzellen) lassen sich in Zukunft möglicherweise bessere Lösungen finden. Noch nicht befriedigend gelöst ist bei der Plazentarestblutgewinnung die Gefahr der Kontamination [23][44][160]. Dies scheint nicht nur eine Frage der Übung der Beteiligten zu sein. Vielmehr ist es so, dass ein Großteil von Frühgeburten durch Infektionen ausgelöst wird und bei Geburt eine Infektion oder Besiedelung der Plazenta vorliegt.
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Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
Das Blutvolumen, das sich aus der Plazenta gewinnen lässt, ist abhängig vom Gestationsalter und vom Geburtsgewicht des Kindes [23][44], reicht aber in der Regel für mindestens eine Transfusion aus. Da die mittlere Transfusionshäufigkeit heute bei Frühgeborenen bei 1–2 Transfusionen liegt (. Abb. 31.2), könnte durch Plazentarestblutgewinnung bei den meisten Frühgeborenen eine Fremdspenderexposition vermieden werden.
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Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
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Kapitel 31 • Perinatale und pädiatrische Transfusionsmedizin
Yamada H, Kato EH, Kishida T, Negishi H, Makinoda S, Fujimoto S (1998) Risk factors for neonatal thrombocytopenia in pregnancy complicated by idiopathic thrombocytopenic purpura. Ann Hematol 76:211–214 Zipursky A, Pollack J, Neelands P, Chown B, Isreals LG (1963) The transplacental passage of foetal red blood cells and the pathogenesis of Rh immunization during pregnancy. Lancet ii:489–493
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Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation N. Schmitz und B. Glaß
32.1
Einleitung – 450
32.2
Transfusionen vor Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation – 450
32.3
Transfusion während und nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen – 451
32.3.1 32.3.2
32.3.4 32.3.5 32.3.6 32.3.7
Transfusionsbedarf – 451 Verhinderung einer transfusionsassoziierten »Graft-vs.-Host-Disease« (TA-GVHD) – 452 Verhinderung einer transfusionsbedingten Zytomegalievirusinfektion – 452 Erythrozytentransfusionen – 452 Granulozytentransfusionen – 452 Thrombozytentransfusionen – 453 Immunglobuline – 453
32.4
Ausblick – 453
32.3.3
Literatur – 454
32
450
Kapitel 32 • Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation
Die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen stellt eine wichtige Methode zur Behandlung hämatologischer und anderer schwerer Erkrankungen dar. Die Einführung der dosisreduzierten Konditionierung sowie die zunehmende Verfügbarkeit unverwandter Spender lassen die Anzahl allogener Transplantationen – insbesondere auch bei älteren Patienten – weiter steigen.
32.1
32
Einleitung
Die Transplantation autologer Blutstammzellen nach Hochdosischemotherapie stellt ein wertvolles Therapieverfahren vor allem für Patienten mit multiplem Myelom und verschiedenen Lymphomerkrankungen dar. Da die transfusionsmedizinische Versorgung von Patienten vor, während und nach autologer Blutstammzelltransplantation weitestgehend derjenigen von aggressiv chemotherapierten Patienten entspricht, kann auf eine spezielle Diskussion der autologen Transplantation an dieser Stelle verzichtet werden. Interessant für den Transfusionsmediziner sind die so unterschiedlichen Antworten von deutschen Transplantationszentren auf die Frage, wie lange nach autologer Transplantation Blutprodukte bestrahlt werden sollen (siehe auch 7 Abschn. 32.3.2). Fragen der Herstellung autologer Transplantate werden in 7 Kap. 17 behandelt. Im Bereich der allogenen Transplantation sind in den letzten Jahren grundlegende Veränderungen eingetreten (. Abb. 32.1), wie der jährliche »Annual Survey of EBMT Activities« ergab [11]. Während bis Mitte der 90er Jahre ausschließlich Knochenmark übertragen wurde, haben die Blutstammzellen seither zunehmend an Bedeutung gewonnen. Bereits im Jahr 2000 wurden in Europa etwa gleich viele Patienten mit allogenem Knochenmark bzw. peripheren Blutstammzellen versorgt. Derzeit dürften fast 3/4 aller allogenen Transplantationen mit G-CSF-mobilisierten Blutstammzellen erfolgen [11] (. Tab. 32.1). Nabelschnurblut ist als weitere Quelle hämatopoetischer Stammzellen hinzugekommen, ohne in Deutschland bisher eine große Rolle zu spielen. Die Einführung von Konditionierungsverfahren mit reduzierter Intensität, fälschlicherweise auch nichtmyeloablative Konditionierung genannt, hat ab Mitte der 90er dazu geführt, dass wesentlich mehr ältere Patienten jenseits des 60. Lebensjahres und auch Patienten mit signifikanten Begleiterkrankungen transplantiert werden können, für die eine klassische allogene Transplantation zu risikoreich wäre [18]. Transplantationen von Fremdspendern stellen in Deutschland bereits ca. 2/3 aller allogenen Transplantationen dar, mit weiter steigender Tendenz. Einen ausgezeichneten Überblick über die aktuellen Entwicklungen im Bereich der klinischen Transplantation geben eine kürzlich erschienene Arbeit von Gratwohl et al. [11] sowie eine Publikation der European Group for Blood and Marrow Transplantation (EBMT), welche die derzeitige Praxis der hämatopoetischen Stammzelltransplantation in Europa zusammenfasst [17]. Aktuelle Daten können auf den Websites des Deutschen Registers für Stammzelltransplantationen ( Êhttp://www.DRST.de) und der European Group for Blood and Marrow Transplantation ( Êhttp:// www.EBMT.org) eingesehen werden. Für die Transfusionsmedizin haben die oben geschilderten Entwicklungen bedeutsame Folgen. Während die Zunahme der Transplantationszahlen vor allem im Bereich der allogenen Transplantation zu einer vermehrten Anforderung von Blutprodukten führen sollte, hat die Verbreitung der Blutstammzelltransplantation zunächst autolog und jetzt auch allogen tendenziell zu einer Abnahme der Zahl notwendiger Erythrozyten- und Thrombozytentransfusionen geführt. Beispielsweise konnte in randomisierten Studien
16000 12000 autologe Transplantationen 8000 4000
allogene Transplantationen
0 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2005 2006 2007 . Abb. 32.1 Entwicklung der Stammzelltransplantation in Europa von 1973 bis 2007: jährliche Anzahl allogener bzw. autologer Stammzelltransplantationen
gezeigt werden, dass nach allogener Blutstammzelltransplantation signifikant weniger Thrombozyten- bzw. Erythrozytentransfusionen notwendig sind [7][24]. Die Einführung der dosisreduzierten Konditionierung vor allogener Blutstammzelltransplantation hat nicht nur zu einer deutlichen Abnahme der Transfusionsbedürftigkeit geführt, sondern auch zum Auftreten von neuen transfusionsmedizinischen Problemen, auf die im 7 Abschn. 32.3.4 eingegangen wird. Bedeutsam für die Transfusionsmedizin ist auch, dass nicht nur die Zahl von Zweit- und Dritttransplantationen, sondern auch die von Spezialpräparaten wie Spenderlymphozyten zunimmt. Erstmals werden Stammzellpräparate zur Therapie nichthämatologischer Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Autoimmunerkrankungen klinisch angewandt; neue Zellprodukte (z. B. mesenchymale Stammzellen) werden zur Therapie von Autoimmunerkrankungen oder schwerer GvHD erprobt. 32.2
Transfusionen vor Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation
Auch vor Transplantation hämatopoetischer Stammzellen gilt der Grundsatz, dass Bluttransfusionen sparsam eingesetzt werden sollten, da neben der Belastung für den Spender und der Verursachung unnötiger Kosten ein – wenn auch sehr kleines – Infektrisiko [25] sowie bei Patienten, die allogen transplantiert werden sollen, die Gefahr der Immunisierung durch HLA- bzw. thrombozytenspezifische Antigene [27] besteht. Im Alltag sind Leukämie- und Lymphompatienten wie viele Transplantationskandidaten in der Regel stark vortransfundiert. Dies ist auch Folge zunehmend aggressiver Behandlungsprotokolle, die in verschiedenen Therapiephasen vor Transplantation zur Anwendung kommen und einen intensiven Blutersatz notwendig machen. Seit Einführung hocheffektiver Leukozytenfilter gelingt es regelmäßig, die Kontamination von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten mit kernhaltigen Zellen um mehr als 99,9 % zu reduzieren. Mit dieser Maßnahme sind klinisch relevante Immunisierungen des Transplantatempfängers durch Blutprodukte seltener geworden (Übersicht bei [28]). Sicher spielt auch eine Rolle, dass eine aggressive Chemotherapie kombiniert mit der Gabe monoklonaler Antikörper gegen B- oder T-Zellen (z. B. Rituximab, Alemtuzumab) oder anderer immunmodulatorischer Substanzen mit einer schweren Immunsuppression einhergeht und damit eine Immunisierung oftmals verhindert wird.
32
451
32.3 • Transfusion während und nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen
. Tab. 32.1 Frequenzen allogener Transplantationen in Europa von 2003–2007, aufgeschlüsselt nach Spendertyp und Stammzellquelle. (Mod. n. [11]) Jahr
HLA-ident.
Spendertyp und Stammzellquelle HLA-MM
Unverwandt
Total
Eineiiger Zwilling
KM
PB
KM
PB
KM
PB
KM
PB
2003
1.325
2.792
94
333
13
27
1.047
1.460
7.091
2004
1.303
2.794
76
356
7
33
919
1.919
7.407
2005
1.302
3.400
93
421
8
49
928
2.689
8.890
2006
1.310
3.483
99
436
11
32
932
2.851
9.661
2007
1.231
3.442
137
409
14
38
968
3.248
10.072
HLA-ident. HLA-identisches Geschwister, HLA-MM partiell HLA-identischer verwandter Spender, KM Knochenmark, PB peripheres Blut, unverwandt HLA-identischer oder partiell HLA-identischer unverwandter Spender.
Durch die ausschließliche Verwendung von leukozytendepletierten zellulären Blutprodukten ist es auch gelungen, die Übertragung von für den Empfänger potenziell gefährlichen Erregern wie dem Zytomegalievirus (CMV) zu minimieren [29]. Trotzdem sollten, soweit dies möglich ist, CMV-negative Patienten mit CMVnegativen Blutprodukten versorgt werden. Für CMV-positive Patienten gibt es keine Hinweise, dass die Transfusion CMV-negativer Blutprodukte zu einer Reduktion von CMV-Infekten nach allogener Transplantation führt [9][28]. > Trotz der geringen Immunisierungsrate durch moderne Blutprodukte sollte v. a. bei Patienten mit schwerer aplastischer Anämie (SAA) oder anderen nichtmalignen hämatologischen Erkrankungen darauf geachtet werden, die Indikation für die Gabe von Erythrozyten- bzw. Thrombozytenkonzentraten restriktiv zu handhaben. Transfusionen von Familienangehörigen und potenziellen Stammzellspendern vor Transplantation sollten generell unterbleiben. Selbstverständlich darf dieser Grundsatz aber nicht dazu führen, dass dem Patienten lebensnotwendige Transfusionen vorenthalten werden.
32.3
Transfusion während und nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen
32.3.1
Transfusionsbedarf
Die hochdosierte Chemo- und/oder Radiotherapie im Sinne einer klassischen Konditionierung vor allogener oder autologer Blutstammzelltransplantation führt zu einer irreversiblen Knochenmarkaplasie. Das Versagen der Empfängerhämatopoese muss durch Transfusionen von Erythrozyten und Thrombozyten kompensiert werden, bis das Transplantat Erythrozyten und Thrombozyten in ausreichender Menge produziert. Das Maximum des Transfusionsbedarfs fällt üblicherweise in die ersten 2–4 Wochen nach Transplantation; in besonderen Situationen (z. B. schwere GvHD) kann weit über diesen Zeitraum hinaus ein erheblicher Bedarf an Erythrozyten und Thrombozyten bestehen. Die Frage, wie lange die schwere Panzytopenie und damit die Phase des größten Transfusionsbedarfs anhält, wird wesentlich davon beeinflusst, ob es sich um eine allogene oder autologe Transplantation handelt, ob die hämatopoetischen Stammzellen aus dem
Knochenmark, dem peripheren Blut oder aus Nabelschnurblut stammen, ob eine dosisreduzierte oder klassische Konditionierung vorausging und ob Komplikationen vorliegen, die einen erhöhten Transfusionsbedarf mit sich bringen. Während Bensinger et al. [2] 1989 noch angaben, dass im Rahmen einer allogenen Knochenmarktransplantation (KMT) mit einem durchschnittlichen Bedarf von 18 Erythrozytenkonzentraten und 186 Thrombozyteneinheiten zu rechnen sei, gehen neuere Arbeiten von einem erheblich geringeren Bedarf aus: Nach klassischer Konditionierung und allogener Transplantation von einem HLA-identischen Spender muss demnach in den ersten 3 Monaten mit einem Bedarf von 5–7 Erythrozytenkonzentraten und etwa 5–8 Thrombozytenkonzentraten gerechnet werden [9][19]. ABOInkompatibilität, Konditionierungsregimes ohne Ganzkörperbestrahlung, Alter über 18 Jahre, akute und chronische GVHD sowie eine nichtmaligne Grunderkrankung gehören zu den Situationen, in denen mit einem erhöhten Transfusionsbedarf für Erythrozyten und Thrombozyten gerechnet werden muss [9][16]. Nach dosisreduzierter Konditionierung kann der Transfusionsbedarf sehr gering sein. McSweeny et al. gaben an, dass nach Konditionierung mit Granzkörperbestrahlung in einer Dosis von 2 Gy im Median 2 Erythrozytenkonzentrate und keine Thrombozytentransfusionen notwendig waren [18]. In den meisten Fällen liegt der Bedarf höher, aber niedriger als nach myeloablativer Konditionierung. Nach Transplantation autologer Blutstammzellen wurde in einem prospektiv randomisierten Vergleich mit der Knochenmarktransplantation ein Bedarf von 6 Thrombozytentransfusionen und 2 Erythrozytenkonzentraten errechnet [23]. Andere Erhebungen bestätigen diese Zahlen weitgehend. Die wichtigsten Grundregeln für die Transfusion von Blutprodukten nach allogener Transplantation sind in der Übersicht zusammengefasst. > Wichtige Grundregeln für die Transfusion von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten nach Stammzelltransplantation 1. Verwendung ausschließlich leukozytendepletierter Blutprodukte zur Verhinderung von Alloimmunisierung und CMV-Infektionen 2. Bestrahlung aller zellhaltigen Blutprodukte mit 30 Gy zur Verhinderung einer transfusionsassoziierten »graftversus-host disease« (TA-GVHD) 3. Bei CMV-Negativität des Transplantatempfängers: Verwendung CMV-negativer Blutprodukte wenn immer möglich
452
Kapitel 32 • Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation
32.3.2
Verhinderung einer transfusionsassoziierten »Graft-vs.-Host-Disease« (TA-GVHD)
Patienten nach allogener und autologer Stammzelltransplantation gehören zur Risikogruppe für das Auftreten einer transfusionsassoziierten (TA-)GVHD. Da möglicherweise weniger als 104 Lymphozyten/kg Körpergewicht ausreichen, um eine TA-GVHD auszulösen, ist die alleinige Leukozytendepletion nicht ausreichend sicher, um eine TA-GVHD zu verhindern. Deshalb bleibt die Bestrahlung sämtlicher zellhaltiger Blutprodukte einschließlich Frischplasmen mit 30 Gy unmittelbar vor Transfusion die sicherste Methode, um eine Proliferation von T-Lymphozyten und damit das Auftreten einer TA-GVHD zu verhindern. Eine Übersichtsarbeit fasst alle wesentlichen Aspekte zu Pathophysiologie, Diagnostik, Klinik, Therapie und Prophylaxe der TA-GVHD zusammen [26]. Interessant ist, wie unterschiedlich deutsche Transplantationszentren die Frage beantworten, welche Patienten wie lange nach Transplantation bestrahlte Blutprodukte erhalten. Während allogen transplantierte Patienten meist lebenslang bestrahlte Blutprodukte erhalten, schwanken die für autolog transplantierte Patienten genannten Zeiträume zwischen 3 und 6 Monaten nach Transplantation [30].
32.3.3
32
Verhinderung einer transfusionsbedingten Zytomegalievirusinfektion
Infektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) stellen eine wichtige Ursache für transplantationsbedingte Komplikationen dar. Insbesondere nach allogener Transplantation hämatopoetischer Stammzellen ist das Risiko hoch, an einer Pneumonie, Hepatitis, Enteritis oder einer der anderen vielfältigen Manifestationen dieser Virusinfektion zu erkranken, sodass jede Möglichkeit genutzt werden sollte, eine transfusionsbedingte CMV-Virämie zu verhindern. Transplantatempfänger, die CMV-negativ getestet sind, sollten deshalb wann immer möglich CMV-negative Blutprodukte erhalten. Eine Versorgung aller Transplantatempfänger mit CMV-negativen Blutprodukten ist dagegen weder möglich noch notwendig. Mehrere prospektiv randomisierte Studien haben ergeben, dass durch Leukozytendepletion mit Leukozytenfiltern in ähnlich wirksamer Weise wie durch die Verwendung von Blutprodukten Anti-CMV-negativer Spender CMV-Infektionen nach allogener Transplantation reduziert werden können [6]. Die Verwendung von Leukozytenfiltern stellt eine sehr effektive Methode dar, die Viruslast entscheidend zu senken [10]. Zusammen mit einem regelmäßigen CMV-Screening und ggf. frühzeitiger Therapie konnte die Häufigkeit von CMV-Infektionen und insbesondere CVM-bedingten Todesfällen nach Knochenmarktransplantation deutlich gesenkt werden. Patienten nach dosisreduzierter Konditionierung haben zunächst (innerhalb der ersten 100 Tage) ein geringeres Risiko für CMV-Virämie und Infektion. Betrachtet man den Zeitraum bis zu 1 Jahr nach Transplantation, finden sich aber keine signifikanten Unterschiede nach dosisreduzierter bzw. klassischer Konditionierung [15] bezüglich CMV-Infektion und Erkrankung.
32.3.4
Erythrozytentransfusionen
Patienten, die sich einer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation unterziehen, werden in aller Regel mit blutgruppengleichen, unausgewählten Erythrozytenkonzentraten versorgt. Wichtig ist, dass ABO-Inkompatibilität die Prognose von Patienten nach allogener Stammzelltransplantation nicht verschlechtert, dass aber
zur Verhinderung einer akut oder verzögert auftretenden Hämolyse und anderer Komplikationen wie einer PRCA (»pure red cell aplasia«) eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden müssen, die in der folgenden Übersicht zusammengefasst sind. > Maßnahmen bei ABO-Inkompatibilität von Empfänger und Spender 5 Major-Inkompatibilität (Spender A, B, AB, Empfänger 0) – Vor Transplantation: Erythrozytendepletion des Transplantats (bei Blutstammzellen aus präparativen Gründen meist nicht notwendig) – Plasmaaustausch beim Empfänger nur bei sehr hohem Isoagglutinintiter gegen Spendererythrozytenantigene (in praxi kaum notwendig) – Nach Transplantation: Transfusion von Blutprodukten mit der Blutgruppe des Empfängers bis zum Anwachsen des Transplantats 5 Minor-Inkompatibilität (Spender 0, Empfänger A, B, AB; Spender A1, Empfänger A2) – Vor Transplantation: Plasmadepletion des Knochenmarktransplantats, besondere Maßnahmen bei Blutstammzelltransplantaten präparativ bedingt meist nicht notwendig – Nach Transplantation: Gabe von Erythrozytenkonzentraten der Blutgruppe 0, Gabe von Thrombozytenkonzentraten der Empfängerblutgruppe bereits unmittelbar nach Transplantation 5 Major- und Minor-Inkompatibilität (Spender A, Empfänger B oder umgekehrt) – Kombinierte Maßnahmen wie unter Major- bzw. Minor-Inkompatibilität beschrieben
Neben einer akuten Hämolyse kann ABO-Inkompatibilität zu einem verzögerten Anwachsen des Transplantats – auch Leukozyten und Thrombozyten können betroffen sein – führen, außerdem sind immer wieder Fälle einer Erythroblastophthise (PRCA) berichtet worden. Ein gehäuftes Auftreten von PRCA wurde nach dosisreduzierter Konditionierung beschrieben [5]. Nach allogener Blutstammzelltransplantation finden sich möglicherweise häufiger als nach Knochenmarktransplantation hämolytische Ereignisse infolge ABO-Inkompatibilität [21]. ABO-Inkompatibilität zwischen Empfänger und Spender scheint keinen Einfluss auf Häufigkeit und Schwere der akuten GVHD und das Überleben nach Transplantation zu haben.
32.3.5
Granulozytentransfusionen
Eine lang anhaltende und schwere Granulozytopenie bedeutet ein hohes Infektionsrisiko [3]. Bereits Ende der 1970er Jahre wurden deshalb bei Patienten nach allogener Knochenmarktransplantation therapeutische und auch prophylaktische Granulozytentransfusionen durchgeführt. Leider waren die Ergebnisse insgesamt wenig überzeugend, sodass das Verfahren beinahe in Vergessenheit geriet. Mit der Verfügbarkeit von granulozytenkoloniestimulierendem Faktor (G-CSF) gelingt es regelmäßig, mehr als 4 × 1010 Granulozyten zu sammeln und bei dem transfundierten Empfänger Anstiege der Granulozytenzahlen im peripheren Blut zu messen. Trotzdem bleibt es umstritten, ob Granulozytentransfusionen zur Bekämpfung schwerer, ansonsten therapierefraktärer Infektionen nach Transplantation eingesetzt werden sollten oder ob eine
453
32.4 • Ausblick
prophylaktische Gabe in Hochrisikosituationen sinnvoll sein kann. Neben einer Reihe von Fallberichten und Phase-II-Studien wurde kürzlich eine Studie publiziert, die HLA-idente Geschwisterspender mit ABO-Inkompatibilität zum Empfänger in einen Therapiearm mit prophylaktischer Granulozytenspende an den Tagen +3 und +6 (oder +5 und +7) nach allogener Transplantation randomisierte. Die Kontrollgruppe erhielt keine Granulozytentransfusionen [20]. Während die Anzahl der Fiebertage und die Tage mit Antibiotika in der mit Granulozyten transfundierten Patientengruppe signifikant geringer ausfielen, ergaben sich keinerlei Unterschiede für die Dauer des Krankenhausaufenthalts, die Inzidenz von akuter GvHD oder für das Überleben am Tag +100 nach Transplantation. Insgesamt liegen keine Daten vor, die eine prophylaktische oder infektgetriggerte Transfusion von Granulozyten obligat machen würden. Im Einzelfall kann eine von diesem Grundsatz abweichende Regel gerechtfertigt sein.
Cyclosporin A kann möglicherweise ein hämolytisch-urämisches Syndrom bzw. eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) hervorrufen. Bei Patienten mit Splenektomie ist oftmals ein auffallend geringer Substitutionsbedarf für Thrombozyten erkennbar. Auch nachdem die ersten Wochen nach Transplantation überstanden sind, gibt es nicht wenige Patienten, bei denen die Thrombozytopenie persistiert oder die nach zunächst vollständiger hämatopoetischer Rekonstitution erneut thrombozytopenisch werden. Patientengruppen, die solche Verläufe zeigen, leiden häufig an akuter bzw. chronischer GVHD, Virusinfekten (insbesondere der Herpesgruppe) oder haben ein hämolytisch-urämisches Syndrom oder eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura entwickelt [14]. Auch Autoimmunthrombozytopenien nach allogener und autologer Transplantation kommen vor [1].
32.3.7 32.3.6
32
Immunglobuline
Thrombozytentransfusionen
Transplantationspatienten erhalten in aller Regel prophylaktische Thrombozytentransfusionen, sobald die Thrombozytenzahl im peripheren Blut unter 20 × 109/l fällt. In den letzten Jahren sind vermehrt Versuche unternommen worden, die Transfusionsgrenze abzusenken, um damit Spender zu schonen und kostengünstiger zu arbeiten. So kam eine prospektiv randomisierte Studie aus Schweden zu dem Ergebnis, dass kein signifikanter Unterschied bezüglich schwerer oder tödlicher Blutungen und anderer klinisch wichtiger Endpunkte besteht, wenn man erst bei einer Thrombozytenzahl unter 10 × 109/l Thrombozyten transfundiert. Patienten, die erst bei Thrombozytenzahlen unter 10 × 109/l transfundiert wurden, erhielten im Mittel 4 Transfusionen gegenüber 10 Transfusionen in der Gruppe von Patienten, die bereits bei Thrombozytenzahlen unter 30 × 109/l transfundiert wurden [8]. Demgegenüber muss auch beachtet werden, dass eine klassische Hochdosistherapie schwere Schleimhautschäden im gesamten Gastrointestinaltrakt verursachen kann, die im Fall einer allogenen Transplantation durch das Auftreten einer GVHD noch verstärkt werden können. Bei solchen Patienten kann es im Einzelfall durchaus ratsam sein, die Thrombozytenzahl bei 40–50 × 109/l zu halten, um einer klinisch apparenten Blutung entgegen zu wirken. Thrombozyten, die durch Thrombozytapherese von Einzelspendern gewonnen wurden, sind ebenso wie gepoolte (von mehreren Spenden gewonnene) Thrombozyten akzeptabel. Nach Einführung der generellen Leukozytendepletion scheint die individuelle Präferenz für das eine oder andere Verfahren der Thrombozytenherstellung wissenschaftlich nicht begründet [12][27]. HLA-Klasse-I-kompatible Thrombozyten können gegeben werden, wenn ein fehlendes klinisches Ansprechen auf Thrombozytentransfusionen in Kombination mit den entsprechenden Labortests zeigt, dass HLA-Antikörper vorliegen und möglicherweise den fehlenden Anstieg der Thrombozytenzahlen nach Transfusion verursachen. Nicht immer kann mit der Gabe HLA-kompatibler Thrombozyten tatsächlich eine klinische Besserung erzielt werden. Neben immunologischen gibt es eine Reihe nichtimmunologischer Ursachen für einen besonders hohen Thrombozytenverbrauch nach Transplantation. Hier sind insbesondere Patienten mit septischen Temperaturen und Verbrauchskoagulopathie, Patienten mit großer Milz und solche mit venösem Verschlusssyndrom der Leber (»veno-occlusive disease«, VOD) zu nennen. Medikamente wie Gancyclovir, Aciclovir, Cotrimoxazol, β-Laktamantibiotika und Clindamycin können ebenfalls Thrombozytopenien induzieren.
Für die routinemäßige Gabe von Immunglobulinpräparaten nach Hochdosistherapie und Transplantation allogener oder autologer hämatopoetischer Stammzellen gibt es keine wissenschaftliche Begründung. Randomisierte Studien zur Prüfung der Wirksamkeit von Immunglobulinpräparaten bezüglich der Verhinderung von CMV-Infektionen nach allogener Stammzelltransplantation kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einige Studien konnten eine Reduktion manifester CMV-Erkrankungen durch die Gabe von Immunglobulinen bei CMV-negativen Transplantatempfängern erreichen, andere Studien konnten dies nicht bestätigen. Die Ergebnisse älterer Studien können heute nicht mehr als Begründung für eine routinemäßige Immunglobulingabe nach Transplantation herangezogen werden, da das Expositionsrisiko der Patienten durch die routinemäßige Verwendung von Leukozytenfiltern erheblich gesenkt werden konnte. Eine 2009 erschienene Metaanalyse randomisierter Studien zum Einsatz von polyvalenten oder CMV-Hyperimmunglobulinen kommt zu dem Schluss, das weder das Überleben verbessert noch das Infektionsrisiko durch Immunglobuline sigifikant gesenkt wird [22]. Zusätzlich ist im Gegensatz zu den Zeiten, aus denen viele Studien zum Thema stammen, eine frühzeitige Therapie von CMVInfektionen möglich geworden. Der regelmäßige Einsatz moderner diagnostischer Verfahren zusammen mit der Verfügbarkeit verschiedener CMV-wirksamer Medikamente hat dazu geführt, dass die Zahl klinisch bedrohlicher CMV-Infektionen erheblich abgenommen hat [4]. Einige Transplantationszentren verwenden intravenöse Immunglobuline im Sinne einer Substitutionstherapie bei niedrigen Immunglobulinspiegeln. Ob diese tatsächlich zu einer Reduktion von schweren Infekten wie Septikämien und Pneumonien führt, muss dahingestellt bleiben. Mittlerweile ist die klinische Praxis der Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation zu divergent, um eine allgemein gültige Antwort auf diese Frage geben zu können. 32.4
Ausblick
Die autologe Blutstammzelltransplantation stellt ein Routineverfahren der klinischen Hämatologie dar. Abgesehen von der Transplantatherstellung, die in diesem Kapitel nicht dargestellt ist, sind die Anforderungen an die Transfusionsmedizin sehr weitgehend mit denjenigen für Patienten mit aggressiver Chemotherapie vergleichbar. Für die klassische Knochenmarktransplantation von einem
454
Kapitel 32 • Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation
gesunden Familienspender auf einen HLA-identischen Empfänger sind der Bedarf und die qualitativen Anforderungen an eine optimale Substitution mit Blutprodukten gut definiert. Diese Konstellation wird der Transfusionsmediziner ebenso wie der Transplanteur immer weniger vorfinden. Dosisreduzierte Konditionierungsverfahren, die Verwendung von hämatopoetischen Stammzellen aus dem peripheren Blut oder der Nabelschnur, die Möglichkeit des Einsatzes von teilkompatiblen oder haploidenten Familienspendern und die wachsende Zahl von Fremdspendertransplantationen stellen nur einige Beispiele dar, wie sich die Situation verändert hat. Für die Transfusionsmedizin von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass neben dem eigentlichen Transplantat weitere Zellprodukte wie Spenderlymphozyten oder mesenchymale Stammzellen hergestellt werden sollen. Diese Diversifikation der angeforderten Blutprodukte wird in der Herstellung patientenindividueller Produkte münden. Nicht unproblematisch in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die oben skizzierte Entwicklung dazu führt, dass immer ältere Spender in steigendem Ausmaß längere und wiederholte Aphereseprozeduren erdulden müssen. Eine kürzlich erschienene Übersichtsarbeit zum Vergleich von Komplikationen nach allogener Knochenmark- bzw. peripherer Blutstammzelltransplantation zeigt eindrucksvoll, dass die Spende hämatologischer Stammzellen nicht ohne Risiko ist und eine detaillierte Dokumentation der Akut- und Langzeittoxizität der Stammzellentnahme gefordert werden muss [13]. Der Einsatz embryonaler Stammzellen, aber auch adulter hämatopoetischer Stammzellen aus Knochenmark oder Blut mit dem Ziel des Organersatzes steht im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Völlig neue Perspektiven für Hämatologie, Transplantations- und Transfusionsmedizin scheinen möglich, wenn sich auch nur ein kleiner Teil der in diesen neuen Zweig der Medizin gesetzten Hoffnungen erfüllen sollte.
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32
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455
32
457
Therapeutische Hämapherese B. Mansouri Taleghani
33.1
Allgemeines – 458
33.1.1 33.1.2 33.1.3 33.1.4 33.1.5 33.1.6
Hämapheresegeräte und Sekundärtrennsysteme – 458 Wirkungsweise therapeutischer Hämapheresen – 458 Beurteilung des Patienten und Indikationsstellung – 459 Gefäßzugänge – 459 Antikoagulation – 459 Nebenwirkungen – 460
33.2
Therapeutischer Plasmaaustausch – 462
33.2.1 33.2.2 33.2.3
Austauschvolumen -intervalle und -frequenz – 462 Substitutionslösungen bei Plasmaaustauschbehandlung – 463 Indikationen zur Plasmaaustauschbehandlung – 464
33.3
Selektive Aphereseverfahren – 464
33.3.1 33.3.2 33.3.3 33.3.4
Immunoadsorption zur Depletion von Immunglobulinen – 464 Immunoadsorption zur selektiven Depletion von spezifischen Antikörpern – 468 Selektive Aphereseverfahren zur Depletion von Lipoproteinen – 469 Indikationen zu selektiven Aphereseverfahren – 470
33.4
Therapeutische Zytapherese – 470
33.4.1 33.4.2 33.4.3 33.4.4
Therapeutische Erythrozytapherese – 470 Therapeutische Leukozytapherese – 472 Therapeutische Thrombozytapherese – 473 Extrakorporale Photochemotherapie (EPC) – 473
Literatur – 474
33
458
Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
Die Zytapherese, Plasmapherese und andere mit dem Wortstamm Apherese zusammengesetzten Begriffe leiten sich aus dem griechischen »aph-heiréo« für »entziehen«, »wegnehmen« ab und wurden 1914 von Abel et al. [1] geprägt. Seine Arbeitsgruppe entwickelte das Verfahren, um die wesentliche Nebenwirkung des Aderlasses, die Anämie, zu verhindern. Unter dem Sammelbegriff therapeutische Hämapherese fasst man heute alle Behandlungsverfahren zusammen, bei denen zelluläre und gelöste Bestandteile des Bluts entfernt oder ausgetauscht (oder manchmal auch nur manipuliert) werden, welchen eine krankheitsverursachende oder -unterhaltende Rolle zugeschrieben wird. Gelegentlich werden simultan fehlende Substanzen zugeführt. Werden dem Patienten die entfernten Bestandteile durch solche gesunder Spender ersetzt, spricht man von z. B. von Plasmaoder Erythrozytenaustausch. Werden entfernte Blutbestandteile nicht ersetzt, spiegelt sich dies in Begriffen wie Depletion und Zytoreduktion wider. Obwohl der Plasmaaustausch im Vergleich zum Aderlass sicher einen Fortschritt bedeutet, bleibt auch dies eine nichtselektive Therapie. So entfernt man beim Austausch eines Patientenplasmavolumens ca. 150 g Plasmaproteine, nur um beispielsweise ca. 1–2 g eines zirkulierenden pathogenen Autoantikörpers zu eliminieren. Deshalb entwickelte man in den vergangenen Jahrzehnten Verfahren zur weiteren Auftrennung des Patientenplasmas (z. B. Immunadsorptionstechnologie), um so dessen pathologische Bestandteile selektiver entfernen zu können. In solchen Fällen spricht man von Plasmadifferenzialtrennung oder selektiven Aphereseverfahren.
33.1
33
Allgemeines
Therapeutische Hämapheresen werden bei einem breiten Spektrum von Erkrankungen aus zahlreichen Fachdisziplinen eingesetzt (insbesondere Neurologie, Hämatologie, Nephrologie und Rheumatologie). Ebenso ist der klinische Schweregrad der Erkrankungen sehr breit und reicht von ambulanter bis hin zu intensivmedizinischer Betreuung der Patienten. Dies erfordert eine gute interdisziplinäre Kooperation und Koordination bei der Planung und Durchführung der Behandlungen, wobei neben dem aktuellen Stand des Wissens auch die individuelle Konstellation des Einzelfalles berücksichtigt werden muss. Der geltende Rahmen und die Standards für die Durchführung von therapeutischen Hämapheresen sowie für die Organisation, das Personal und die Ausstattung der Einrichtungen sind im Wesentlichen den aktuellen einschlägigen Richtlinien und Ausführungsbestimmungen zu entnehmen [28].
Vorteil. dass nur ein Gefäßzugang erforderlich ist, erkauft sich dies aber mit einer in der Regel verlängerten Apheresedauer, da nicht simultan entnommen und retransfundiert werden kann. Die überwiegende Zahl der therapeutischen Hämapheresen wird heute deshalb mit kontinuierlich arbeitenden Zellseparatoren durchgeführt. Plasmafiltration Die Technologie ist vom Konzept her mit der Hämodialyse und der Hämofiltration verwandt. Die eingesetzten Membranplasmaseparatoren bestehen aus gebündelten Hohlfasermodulen aus synthetischen Membranen (z. B. Polyethylen oder Polysulfon). Ihre Oberfläche beträgt zwischen 0,2 und 0,5 m2, die Porengröße 0,2–0,5 μm. Wenn das Vollblut unter Druck über die Hohlfasermodule geleitet wird, passiert das Plasma die darin eingelassenen Poren, während die zellulären Elemente zurückgehalten werden. Die heute eingesetzten Membranen sind für die meisten Plasmaproteine sehr gut passierbar, sodass die Zusammensetzung des Filtrates nahezu derjenigen von Plasma entspricht. Hauptvorteile der Plasmafiltration sind der etwas einfachere Aufbau der Geräte (keine Zentrifuge erforderlich) und das praktisch zellfrei abzutrennende Plasma. Da jedoch der Hämatokrit des separierten Erythrozytenkonzentrats hier bei nur 35 bis 65 % liegt, bei Durchflusszentrifugen hingegen zwischen 60 und 80 %, muss bei einer Membranfiltration mehr Vollblut als bei der Zellseparation prozessiert werden, um davon die gleiche Menge Plasma abzutrennen. Die Membranfiltrationstechnologie eignet sich ferner systembedingt nicht für therapeutische Zytapheresen. Sekundärtrennsysteme Die Sekundärtrennsysteme haben zum Ziel, über eine Plasmadifferenzialtrennung die als pathologisch erkannten Plasmabestandteile möglichst selektiv zu entfernen, was in Abhängigkeit von der verwendeten Methodik in unterschiedlichem Ausmaß gelingt. Hauptsächlich werden hier Ad- und Absorptionssowie Präzipitations- und Filtrationsverfahren eingesetzt. Das derart behandelte Plasma wird mit den zuvor separierten Zellen vereinigt und im Regelfall über ein seriell nachgeschaltetes Modul dem Patienten direkt wieder zurückgeführt [132].
33.1.2
Wirkungsweise therapeutischer Hämapheresen
Die Durchführung von therapeutischen Hämapheresen geschieht mit universell einsetzbaren Zellseparatoren oder mit Plasmafiltrationssystemen.
Bei der Wirkungsweise therapeutischer Hämapheresen geht man von zwei prinzipiellen Annahmen aus: 1. Die vorliegende Erkrankung bzw. deren Symptome stehen im ursächlichen Zusammenhang mit krankhaften oder krankhaft vermehrten oder auch fehlenden physiologischen Blutbestandteilen. 2. Die pathogenetisch relevanten Substanzen können mit einer therapeutischen Hämapherese ausreichend effizient entfernt oder fehlende Bestandteile entsprechend ersetzt werden, um einen klinischen (symptomatischen) Therapieerfolg zu sichern [40][128].
Zellseparatoren Die ersten Zellseparatoren wurden in den 60er Jahren entwickelt. Dabei war schon frühzeitig zu unterscheiden zwischen Gerätetypen, die im kontinuierlichen und solchen, die im diskontinuierlichen Verfahren arbeiten. Das antikoagulierte Vollblut des Patienten durchfließt jedoch stets eine Zentrifuge, in der es aufgrund der verschiedenen spezifischen Dichte seiner Komponenten aufgetrennt wird (7 Kap. 16.7). Rein technisch gesehen sind beide Gerätetypen für die verschiedenen Hämaphereseverfahren geeignet. Bei diskontinuierlich arbeitenden Geräten hat man zwar den
Beispiele hierfür sind ein behandlungsbedürftiges Hyperviskositätssyndrom infolge hoher Serumkonzentration eines Paraproteins [123], das hyperleukotische Syndrom bei Leukämien [85] sowie die Entfernung von Autoantikörpern bei Myasthenia gravis [61] oder autoimmun bedingter thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP). Der Plasmaaustausch bei einer TTP ist zudem ein Beispiel für den simultanen Ersatz einer fehlenden Substanz, nämlich der von-Willebrand-Faktor-spaltenden Protease (ADAMTS13, »a disintegrin and metalloproteinase with a thrombospondin type 1 motif,
33.1.1
Hämapheresegeräte und Sekundärtrennsysteme
459
33.1 • Allgemeines
member 13«), welche dem Patienten als physiologischer Bestandteil des als Substitutionslösung eingesetzten GFP zugeführt wird [40].
33.1.3
Beurteilung des Patienten und Indikationsstellung
Obwohl therapeutische Hämapheresen heute als klinische Routinetätigkeit angesehen werden können, bleiben sie eine invasive Therapieform mit möglicherweise erheblichen (patho-)physiologischen Folgen. Der extrakorporale Kreislauf bedeutet eine über längere Zeit anhaltende hämodynamische Belastung des Patienten, und es werden ihm dabei größere Volumina an Substitutionslösung zugeführt. In der Summe werden möglicherweise der Elektrolythaushalt, der Blutdruck, der onkotische Druck, die Osmolarität und die Körpertemperatur der Patienten beeinflusst. Die verfahrensbedingte Hämodilution und die Notwendigkeit der Antikoagulation des Patientenblutes führen ferner zur komplexen Einflussnahme auf seine Gerinnung. Als Folge können sich daraus relevante Nebenwirkungen entwickeln, weshalb jeder Patient vor Behandlungsbeginn von einem Arzt mit spezifischer Erfahrung in therapeutischer Hämapherese untersucht und beurteilt werden sollte. Neben möglichst soliden Kenntnissen über die Pathophysiologie der zu behandelnden Krankheit sowie über die Begleiterkrankungen und -therapien des Patienten ist deshalb ein profundes Wissen über die angewandten Hämaphereseverfahren die wesentlichste Voraussetzung für eine gute ärztliche Betreuung des Patienten. Vor Beginn einer Hämapheresetherapie werden gemeinsam mit den betreuenden Kollegen der verschiedenen Fachdisziplinen die Rationale und die Indikationsstellung sowie der Behandlungsplan und die Ziele festgelegt. Allerdings besteht für viele der Indikationen, bei denen eine therapeutische Hämapherese empfohlen wird, leider keine mit entsprechenden Studien belegbare höhergradige Evidenz. Dies verpflichtet zu einer besonders gewissenhaften Nutzen-Risiko-Abwägung bei der individuellen Indikationsstellung sowie einer sorgfältigen und angemessenen Evaluation des Therapieerfolgs einschließlich eventuell beobachteter Nebenwirkungen. Zur Gesamtbeurteilung des Patienten vor einer Hämapherese(Serie) ist es sicher hilfreich, neben einer klinischen Untersuchung auch eine Reihe von Laborwerten mit einzubeziehen. Hierzu zählen das Blutbild inklusive Thrombozytenzahl, der Elektrolytstatus, Nieren- und Leberfunktionswerte, das Gesamteiweiß sowie der Gerinnungsstatus einschließlich der Fibrinogenkonzentration. Art und Umfang der zu erhebenden Laborwerte sowie deren Kontrolle im Verlauf und nach Abschluss der Behandlung sollten im Übrigen dem Einzelfall angepasst werden und richten sich vor allem nach der behandelten Erkrankung des Patienten, den Begleiterkrankungen und deren Therapie, dem klinischen Status sowie der Art und Frequenz der Hämapheresen. Wenn immer möglich, sollten insbesondere auch erkrankungsspezifische Parameter monitorisiert werden, welche eine Beurteilung der Wirksamkeit der Therapie zulassen und mit deren Hilfe eventuell das Erreichen von Therapiezielen definiert werden könnte.
33.1.4
Gefäßzugänge
Für jede Art von therapeutischer Hämapherese benötigt man einen ausreichenden und möglichst stabilen Blutfluss im extrakorporalen Kreislauf. An modernen Zellseparatoren ist bei erwachsenen Patienten eine Fließrate von 60 bis 120 (gelegentlich bis 150) ml/ min üblich; dies hängt insbesondere von den Gefäßzugängen und
33
der Citrattoleranz des Patienten ab, welche wiederum hauptsächlich von seinem Blutvolumen bestimmt wird. Bei Bedarf (z. B. Patienten mit instabilem Kreislauf oder insbesondere bei Kleinstkindern) kann bei manchen Geräten die Blutflussrate bis auf 10 ml/min reduziert werden. Als Gefäßzugänge wählt man im Regelfall periphere Venen, für den Entnahmeschenkel idealerweise die Kubitalvenen. Bei Einnadelverfahren (diskontinuierliche Verfahren) sollte generell, bei Zweinadelverfahren (kontinuierliche Verfahren) zumindest für den Entnahmeschenkel eine ausreichend dimensionierte Dialysenadel eingesetzt werden. Für die Retransfusionsseite eines Zweinadelverfahrens kann meist problemlos eine Verweilkanüle (z. B. am kontralateralen Unterarm, bei Flüssen von über 70 ml/min mit einer Stärke von mindestens 18 Gauge) gelegt werden [65]. Wenn die peripheren Gefäße ausnahmsweise nicht geeignet sind, weil z. B. ihr Kaliber keinen ausreichenden Blutfluss erwarten lässt, muss der Patient mit einem ein- oder doppellumigen, für Hämapheresen und Hämodialysen geeigneten zentralen Venenkatheter (ZVK) versorgt werden. Auch Patienten mit einer Erkrankung, welche zahlreiche Behandlungen über einen längeren Zeitraum erfordert (z. B. bei TTP), werden häufiger einen ZVK benötigen. Bei der Indikationsstellung hierzu muss allerdings kritisch bedacht werden, dass die Häufigkeit und Schwere von ZVK-Komplikationen (z. B. Thrombose, Infektion) die üblichen Risiken einer therapeutischen Hämapherese bei weitem übertreffen [112][113]. Müssen Patienten sich einer dauerhaften Apheresebehandlung unterziehen und weisen ungenügende periphere Venenverhältnisse auf, sollte frühzeitig die Anlage einer arteriovenösen Fistel (z. B. CiminoShunt) in Betracht gezogen werden. Bei Hämapheresen über doppellumige ZVK besteht ein gewisses Risiko, dass mehr oder weniger große Anteile des behandelten und über den Rückgabeschenkel zurückgeführten Blutes direkt wieder über den Entnahmeschenkel in den Zellseparator gelangen. Eine relevante Rezirkulation kann im Grunde jedoch nur dann auftreten, wenn das Gefäß nahe des Auslasses des distalen Ports verlegt ist. Wenn man allerdings den vorgesehenen Blutfluss umkehrt, d. h. den proximalen Port des Katheters für die Retransfusion und den distalen für die Entnahmeseite verwendet (nicht unübliche Praxis bei z. B. ungenügendem Entnahmefluss des proximalen Ports), kann das Ausmaß einer Rezirkulation in Ausnahmefällen bis zu 20 % betragen [65]. In den seltenen Ausnahmesituationen, in denen die peripher venösen Zugänge für Entnahme und Retransfusion an nur einem Arm des Patienten gelegt werden können, sollte die Retransfusion proximal der Entnahme erfolgen [65]. Da der körpereigene venöse Blutfluss in der Regel deutlich höher ist als derjenige der extrakorporalen Zirkulation, sollte es zu keiner ausgeprägten Rezirkulation kommen, wenn proximal des Retransfusionszugangs kein Stau angelegt wird.
33.1.5
Antikoagulation
Ziel der Antikoagulation des Patientenbluts im extrakorporalen Kreislauf ist, eine Aktivierung der Gerinnung, des Komplementsystems oder der zellulären Blutbestandteile (Stimulation von Thrombozyten, Monozyten, Granulozyten) möglichst zu verhindern. Hierbei haben sich Citratlösungen als Mittel der Wahl etabliert, weil diese im Vergleich zu Heparin ein besseres Verhältnis von Risiko und Wirkung aufweisen. Üblicherweise verwendet man ACD-A (Acidum-Citricum-Dextrose, Formel A) in einem Verhältnis von 1:12 zwischen Antikoagulans und Vollblut, bei langsameren Blutflussraten auch darüber (z. B. 1:10 oder 1:9), bei höheren darunter.
460
33
Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
Die gerinnungshemmende Wirkung geschieht durch Chelierung des freien Calciums und damit Blockade der Calcium-abhängigen Aktivierungsreaktionen von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren. Citrat-bedingte Nebenwirkungen, wie z. B. Parästhesien und Muskelkrämpfe, sind die am häufigsten beobachteten unerwünschten Effekte einer Hämapherese [113][136]. Deshalb sollte besonderer Wert auf eine angepasste und ausgewogene Dosierung des Citrats gelegt werden, wodurch eine ausreichende Antikoagulation gewährleistet ist und dabei möglichst geringe hypokalzämische Nebenwirkungen verursacht werden. Citrat hat neben seiner antikoagulatorischen Wirkung auch einen hemmenden Effekt auf die Calcium-abhängigen Schritte der Komplementaktivierung, was bei verschiedenen Verfahren (z. B. Immunadsorption mittels Staphylokokken-Protein-A-Adsorbern) von Vorteil ist. Unter physiologischen Bedingungen liegt etwa die Hälfte des Plasmacalciums (47 %) in seiner ionisierten, freien Form vor. Wichtige Einflussfaktoren auf den Spiegel des freien Calciums sind in diesem Kontext – neben der zugeführten Citratdosis – auch dessen Dilution (insbesondere abhängig vom Plasmavolumen des Patienten), Umverteilung, Metabolismus und Exkretion. Wird beispielsweise bei einem Plasmaaustausch GFP als Substitutionslösung eingesetzt, dann erhält der Patient das darin enthaltene Citrat zusätzlich, und dies löst ohne Vorsorgemaßnahmen dementsprechend frühzeitiger eine klinisch relevante Hypokalzämie aus. Wird hingegen eine Calcium- und Citrat-freie Substitutionslösung wie 5 %ige Albuminlösung verwendet, kann das darin enthaltene Albumin ebenfalls freies Calcium binden und dadurch die Hypokalzämie verstärken. Die normale Halbwertszeit des zugeführten Citrats liegt bei ca. 30–60 min, wobei der Hauptmetabolismus in der Leber stattfindet, zu einem geringeren Teil auch in den Nieren und der Skelettmuskulatur [9][81]. Patienten mit Lebererkrankungen neigen deshalb möglicherweise frühzeitiger zu Citrat-bedingten Nebenwirkungen [81]. Beim Abbau von Citrat wird Wasserstoff (H+) verbraucht, und es entsteht Bicarbonat. Bei Patienten mit gestörter Bicarbonatausscheidung infolge einer Nierenfunktionsstörung besteht deshalb ein größeres Risiko der Entwicklung einer metabolischen Alkalose [73]. Dies gilt ganz besonders bei einem Plasmaaustausch unter Einsatz von GFP als Substitutionslösung [32][102], wie beispielsweise bei Patienten mit TTP. Die klinische Symptomatik einer Alkalose (insbesondere hyperventilationsbedingte, respiratorische Fälle) entspricht weitgehend derjenigen einer Citratintoxikation [19]. Eine Alkalose kann ihrerseits den Citratmetabolismus verlangsamen und dadurch die Nebenwirkungen der Hypokalzämie deutlich verstärken [32]. Bei leber- und/oder niereninsuffizienten Patienten sowie zusätzlicher Gabe von GFP ist deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Dosierung und die Nebenwirkungen von Citrat erforderlich. Durch den Abfall des Plasmacalciums kommt es bei einer Hämapherese zu einem relativ raschen Anstieg des Parathormonspiegels, gefolgt von einem Plateau oder einer langsamen Abnahme. Der Nettoeffekt von Citrat und Parathormon führt beispielsweise bei einer präparativen Thrombozytapherese innerhalb von 90 min zu einem Abfall des freien Calciums um insgesamt 23–33 %. Dabei folgt einem raschen Abfall in den ersten 15 min eine langsamere, protrahierte Verminderung in den nachfolgenden 75 min [14][58]. Diese Beobachtungen stützen die bereits früher geäußerte Vermutung, dass nicht nur die zugeführte Gesamtdosis, sondern auch die Infusionsrate und -dauer des Citrats für das Auftreten einer Hypokalzämie von Bedeutung sind [3][59]. Die Antikoagulation kann bei Bedarf auch mit unfraktionierten Heparinen oder als Mischantikoagulation zusammen mit Citrat durchgeführt werden. Die Wahl der Antikoagulation ist dabei vom angewendeten Verfahren und der klinischen Situation abhängig.
Beispielsweise darf bei bestimmten Verfahren der Vollblut-Lipidapherese nur eine Heparin-Antikoagulation angewandt werden.
33.1.6
Nebenwirkungen
Durch eine Sicherheitsüberprüfung der Geräte vor und während der Behandlungen und eine sorgfältige Überwachung der Patienten – einschließlich der Kontrolle von Vitalparametern und ausgewählter Laboranalysen – können Nebenwirkungen und Komplikationen häufig vermieden bzw. frühzeitig kupiert werden. Mit wachsender Erfahrung der Anwender und laufender Verbesserung der eingesetzten Geräte hat sich dabei die behandlungsbedingte Morbidität und Mortalität in den vergangenen Jahrzehnten deutlich reduziert. Trotz aller Fortschritte können therapeutische Apheresen in Ausnahmefällen mit erheblichen, bis hin zu tödlichen Nebenwirkungen verbunden sein. So schätzte man für Plasmaaustauschbehandlungen in den 80er und 90er Jahren anhand der verfügbaren Angaben eine Mortalität von 3/10.000 bzw. 5/10.000 [62][71]. Kurze Zeit später kalkulierte man in Frankreich anhand der dort gemeldeten Todesfälle bei therapeutischen Hämapheresen eine Gesamtmortalität zwischen 1/10.000 bis 1/20.000 [79]. In der Folge war in Schweden bei über 20.000 Behandlungen kein therapieassoziierter Todesfall zu verzeichnen [97]. Die berichteten Todesfälle sind zudem häufig eher auf die zu Grunde liegende Erkrankung des Patienten zurückzuführen und stehen selten in einem direkten Zusammenhang mit der Apheresebehandlung selbst [92][137]. Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse einer therapeutischen Hämapherese können plötzlich oder verzögert und langsam auftreten. Typisch und häufiger sind Citrat-bedingte Reaktionen, vasovagale Reaktionen, Komplikationen im Zusammenhang mit den Gefäßzugängen, allergische Reaktionen sowie Interaktionen mit der Medikation des Patienten. Seltener beobachtet werden periphere sensible oder motorische Ausfälle, die durch Hautnervenverletzung bedingt sind, weiterhin arterielle Punktionen – u. U. mit arteriellen Thrombosen–, deutlichere Gerinnungsstörungen, Hypervolämie durch zu raschen Volumenersatz, Hämolyse sowie Blutverlust durch technische oder Schlauchsetdefekte. Theoretisch denkbar ist ferner eine Luftembolie, insbesondere bei therapeutischen Hämapheresen über einen ZVK. Die Häufigkeit von Nebenwirkungen im Rahmen therapeutischer Apheresen variiert in Abhängigkeit des eingesetztes Verfahrens und liegt gemäß aktueller Literatur bei 4–5 %, wobei das Risiko während einer ersten Behandlung und bei akuten Behandlungen stationärer Patienten etwas höher liegt als bei planbaren und/oder ambulanten Therapien [79][92][97][137]. Aufgrund einer uneinheitlichen Definition und Bewertung der Nebenwirkungen und unterschiedlicher Patientenkollektive kommen manche Zentren auf deutlich abweichende Statistiken. Werden beispielsweise auch alle geringfügigen Erscheinungen – wie etwa diskrete periphere oder periorale Parästhesien oder leichtes Unwohlsein – konsequent erfasst, sind bis zu ca. 36 % der Behandlungen mit Nebenwirkungen behaftet [126]. Allerdings war in Übereinstimmung mit anderen aktuellen Untersuchungen und eigenen Erfahrungen auch bei dieser Studie nur ausnahmsweise ein Abbruch der Behandlung (0,3 % oder 5/1727) oder die Verlegung des Patienten auf eine Station mit intensivierter Überwachungs- und Behandlungsmöglichkeit erforderlich [126]. Das Wissen über die möglichen Nebenwirkungen sowie das Verständnis der zu Grunde liegenden pathophysiologischen Zusammenhänge sind die Voraussetzung für Maßnahmen zu deren Vermeidung und die Grundlage einer frühzeitigen Diagnosestel-
461
33.1 • Allgemeines
lung und gezielten Therapie. Im Folgenden wird nur auf die häufigeren Komplikationen etwas näher eingegangen.
Citrat-induzierte Nebenwirkungen Nicht nur die Wirkung, sondern auch die unerwünschten Effekte von Citratlösungen beruhen auf der Verminderung des freien Plasmacalciums. Das Auftreten von hypokalzämischen Symptomen hängt dabei insbesondere vom Ausmaß und der Schnelligkeit des Calciumabfalls ab und dies wiederum von der insgesamt zugeführten Dosis des Citrats sowie dessen Infusionsrate und -dauer [59]. Weitere mögliche Einflussfaktoren auf die Symptomatik sind zusätzlich vorliegende Elektrolytentgleisungen (Magnesium, Kalium, Natrium), die Begleitmedikation des Patienten (z. B. Sedativa) und sein Blut-pH [24][137]. Gelegentlich prädisponiert auch die Erkrankung des Patienten zum Auftreten spezifischer Symptome, wie z. B. einer vorübergehenden Verschlechterung der Symptomatik einer Myasthenia gravis während der Apherese [158]. Leichte Citratreaktionen bei milder Hypokalzämie zeigen bei Erwachsenen als Leitsymptome zunächst am häufigsten periorale und/oder periphere Parästhesien, seltener Benommenheit, Übelkeit, Frieren/Frösteln und ausnahmsweise eine Parageusie (Geschmacksstörung) [98][137][140]. Als Differenzialdiagnose (oder gelegentlich auch additiv!) muss an eine beginnende Hyperventilationstetanie gedacht werden, bei der das freie Calcium in Folge einer respiratorischen Alkalose vermindert ist. Schwerere Hypokalzämien führen zu Muskelspasmen, die typischerweise zunächst als karpopedale Spasmen (»Pfötchenstellung«) auftreten, sich selten aber auch rasch bis hin zur Ganzkörpertetanie (eventuell einschließlich eines Laryngospasmus!) entwickeln können. Vereinzelt wurde auch das Auftreten eines Grand-Mal-Anfalls beschrieben [92]. Am Herzen kann sich eine Hypokalzämie als QT-Verlängerung, Bradykardie, Herzrhythmusstörungen und verminderte Inotropie äußern. Als Extremfälle sind Herzinsuffizienz und Asystolie bekannt. Um die beschriebenen Citratnebenwirkungen zu minimieren, berücksichtigen moderne Apheresegeräte die pathophysiologischen Erkenntnisse, indem sie die Gesamtdosis und Infusionsrate des Citrats in Abhängigkeit vom Blutvolumen des Patienten gemäß einprogrammierten Algorhythmen begrenzen. Dennoch treten häufiger Hypokalzämie-Symptome auf – dies besonders bei längerer Therapiedauer und/oder großvolumigen Behandlungen. Bei beginnenden Parästhesien kann eine klinische Untersuchung des Patienten zur Objektivierung einer übersteigerten muskulären Erregbarkeit beitragen. Fallen z. B. das Chvostek-Zeichen und der TrousseauTest positiv aus, ist von drohenden hypokalzämischen Muskeltetanien auszugehen. Zumindest bei längerer Therapiedauer und/oder großvolumigen Behandlungen empfiehlt sich ferner dringend eine Kreislauf- und EKG- Überwachung, um o. g. kardiale Zeichen frühzeitig zu erkennen. In vielen Fällen wurde bislang geraten, bei beginnender Symptomatik frühzeitig die Blut- und/oder Citratflussraten zu reduzieren oder die Behandlung kurzzeitig zu unterbrechen. Dieses reaktive Vorgehen führt zwar mehr oder weniger rasch zum Abklingen der Symptomatik, verlängert jedoch auch die Therapiedauer und birgt zudem das Risiko einer nachfolgend unzureichenden Antikoagulation mit z. B. Auftreten von Zellaggregaten und/oder einer Aktivierung der Gerinnung mit Gefahr der Okklusion in den Schlauchsystemen. Eine zunehmende Zahl von Zentren bevorzugt deshalb, durch eine prophylaktische, intravenöse Calciumsubstitution höhergradigen Hypokalzämienebenwirkungen vorzubeugen. Die Indikation wird heute zumindest bei größervolumigen Hämapheresen
33
als weitgehend gesichert angesehen [15][20]. Wegen des rascheren Wirkungseintritts, der sichereren Dosierungsmöglichkeit und im Sinne einer regionalen, praktisch auf den extrakorporalen Kreislauf beschränkten Antikoagulation ist dabei einer intravenösen Dauerinfusion (Retransfusionsschenkel) gegenüber Bolusgaben oder einer oralen Calciumapplikation der Vorzug zu geben. Die Dosierungsempfehlungen liegen bei 0,053 bis 1,2 mmol Ca++ pro mmol Citrat [15][16][20]. Bei besonders langen Hämaphereseverfahren kann die Citratdosis und damit das Risiko hypokalzämischer Nebenwirkungen stark reduziert werden, indem eine Mischantikoagulation durch die ergänzende Gabe von Heparin erfolgt. Wegen seiner besseren Steuerbarkeit und seines bei der großen Mehrheit der Patienten besseren Nutzen/Risiko-Verhältnisses bleibt Citrat allerdings das Antikoagulans der Wahl bei therapeutischen Hämapheresen. Bei konsequenter Anwendung einer Citratdosis-adaptierten Calciumsubstitution kann die Frequenz und insbesondere Intensität von Citratreaktionen deutlich gesenkt werden, sodass – von spezifischen Situationen wie z. B. einer Vollblut-Lipidapherese abgesehen – auf eine Heparingabe oftmals verzichtet werden kann [16][40]. Bei Auftreten von ausgeprägten Hypokalzämiezeichen (z. B. zunehmende Parästhesien, Muskelspasmen, EKG-Veränderungen) ist die Hämapherese zu unterbrechen und die intravenöse Gabe von Calcium die Therapie der Wahl. Da eine zu rasche Gabe von konzentriertem Calcium zu schweren Herzrhythmusstörungen oder sogar einer Asystolie führen kann, empfiehlt sich dessen Applikation in Form einer Kurzinfusion, z. B. 5–10 ml einer 10 %igen Calciumgluconatlösung über 10–15 min [24]. Dies gilt im Grunde auch für Patienten unter bereits laufender, prophylaktischer intravenöser Calciumgabe. Nach Abklingen der Symptomatik kann das Verfahren in aller Regel fortgesetzt werden, spätestens dann sollte allerdings mit der beschriebenen prophylaktischen intravenösen Calciumsubstitution begonnen bzw. eine Dosierungsanpassung derselben vorgenommen werden.
Komplikationen und Nebenwirkungen im Zusammenhang mit den Gefäßzugängen Zu den klassischen Komplikationen im Zusammenhang mit einer peripheren Gefäßpunktion zählen Hämatombildung, Thrombophlebitis und eine zunehmende Sklerosierung der Venenwand bei chronischer Hämapheresebedürftigkeit. Seltener beobachtet werden Hautnervenverletzungen mit konsekutiv peripheren sensiblen oder motorischen Ausfällen oder eine akzidentelle arterielle Punktion. Bei zentralvenösen Zugängen (ZVK) kann es bereits bei deren Einlage zu Blutungen oder einem (Hämato-)Pneumothorax kommen. Im weiteren Verlauf sind die am häufigsten beobachteten Probleme eine Thrombosierung des Gefäßes oder des ZVK selbst sowie eine Katheterinfektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen bis hin zur Sepsis. Flussprobleme des ZVK können auf eine ZVK-assoziierte Thrombose oder Infektion hinweisen. Insbesondere bei therapeutischen Hämapheresen über einen großen, doppellumigen ZVK ist ferner theoretisch eine Luftembolie denkbar. Häufigkeit und Schwere von ZVK-Komplikationen übertreffen die üblichen Risiken einer therapeutischen Hämapherese oft bei weitem [112][113][126], weshalb man sie wenn immer möglich über periphere Gefäßzugänge durchführen sollte.
Vasovagale Reaktionen Vasovagale Reaktionen sind die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung einer Vollblutspende, sie treten aber auch während oder nach einer Hämapherese auf [137]. Die klassische vasovagale Reaktion beginnt mit Blässe und Kaltschweißigkeit, gefolgt von mehr
462
Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
oder weniger ausgeprägter Bradykardie und arterieller Hypotonie. Bei schwereren Reaktionen kann Übelkeit mit oder ohne Erbrechen auftreten, gelegentlich beobachtet man Synkopen und sehr selten zerebrale Krampfanfälle mit Verlust der Kontrolle über Darm und Harnblase. Eine Bradykardie ist differenzialdiagnostisch oft sehr hilfreich, um frühzeitig eine Hypovolämie oder eine Citratreaktion abzugrenzen. Bei Auftreten einer vasovagalen Reaktion sollte die Behandlung unterbrochen und der Patient bis zur Erholung in eine Trendelenburg-Lagerung (Kopftieflage) gebracht werden.
Hämodynamische Folgen, Interaktionen mit Medikamenten und allergische Reaktionen
33
Bei Einsatz moderner Geräte führen therapeutische Apheresen zwar nicht mehr zu relevanten unerwünschten Zellverlusten, hingegen kommt es physiologischerweise über die Flüssigkeitsverschiebungen zu hämodynamischen Reaktionen und häufig zur Hämodilution. Dies gilt insbesondere für einen therapeutischen Plasmaaustausch (TPA) unter Verwendung von Humanalbumin als Substitutionslösung. Neben einer Dilutionskoagulopathie können auch Medikamentenspiegel vermindert werden. Letzteres hängt insbesondere ab vom Zeitpunkt ihrer Einnahme, der Halbwertszeit der Substanzen, deren Verteilungsmuster in den verschiedenen Kompartimenten sowie ihrer Proteinbindungseigenschaft [75]. Substanzen, die überwiegend intravasal vorliegen (z. B. Immunglobuline, einschließlich rekombinanter Präparate), werden proportional zum depletierten Plasmaanteil entfernt. Prednison hingegen wird aufgrund seiner überwiegend extravasalen Verteilung durch einen TPA nur etwa zu 1 % eliminiert [133]. Ein Plasmaaustausch beeinflusst die Medikamentenspiegel möglicherweise auch indirekt über Veränderungen der Konzentration und Zusammensetzung von beteiligten Transportproteinen und Enzymen [24]. Das Auftreten von allergischen Reaktionen ist im Rahmen von therapeutischen Hämapheresen normalerweise auf die Substitutionslösungen zurückzuführen, insbesondere bei Verwendung von GFP. Daneben können Kolloide, Residuen von zur Sterilisation der Sets verwendetem Ethylenoxid oder die Begleitmedikation ursächlich sein. Die Symptomatik reicht vom geringfügigen Erythem oder milder Urtikaria über z. B. Bronchospasmus oder Tachykardie und Hypotonie bis hin zum allergischen Schock. Die Hämapherese muss je nach Schweregrad der Klinik zumindest unterbrochen und in unklaren oder klinisch ausgeprägteren Fällen häufig abgebrochen sowie der Patient gemäß intern geltenden Algorithmen z. B. mit Antihistaminika, Steroiden und Katecholaminen behandelt werden. Als Besonderheit ist zu beachten, dass das Risiko einer allergischen/anayphylaktoiden Reaktion sich für Patienten unter laufender Therapie mit ACE-Hemmern deutlich erhöht, wenn die verwendeten Systeme etwa über eine negative Oberflächenladung zu einer Kontaktaktivierung des Kallikrein-Kinin-Systems führen können (z. B. bei einer LDL-Adsorption unter Einsatz von DextranSulfat-Cellulose oder dem DALI-Verfahren, 7 s. unten). Ursache ist, dass ACE-Hemmer sowohl den physiologischen Bradykininabbau als auch die Bildung von Angiotensin II hemmen, einem starken Vasokonstriktor und potenziellem Antagonisten der systemischen Bradikininwirkung. Deshalb ist bei derartigen Verfahren der Einsatz von ACE-Hemmern kontraindiziert und muss rechtzeitig (d. h. entsprechend der Halbwertszeit der eingesetzten Substanz) vor der Apherese abgesetzt werden [82][138]. Eine Therapie mit Antihistaminika ist in diesen Fällen nicht adäquat wirksam, weil die Reaktion primär durch Akkumulation von Bradykinin verursacht wird. Die (Begleit-)Erkrankungen des Patienten, deren Therapie und eventuell bestehende Allergien können somit Aus- und Wechselwirkungen auf das geplante Aphereseverfahren haben. Medikamente,
welche auf die Kreislaufregulation Einfluss nehmen, können sich dabei ungünstig auf die Verträglichkeit einer Hämapherese auswirken. So unterdrücken z. B. Betablocker einen eventuell erforderlichen adaptiven Frequenzanstieg oder Calciumantagonisten eine Vasokonstriktion. Diese Informationen sollten deshalb vor einer Apherese stets sorgfältig recherchiert und in die Therapieplanung integriert werden. 33.2
Therapeutischer Plasmaaustausch
Heute werden die Begriffe Plasmaaustauschbehandlung (PA) oder therapeutischer Plasmaaustausch (TPA) gegenüber dem früher üblichen Ausdruck »therapeutische Plasmapherese« häufig bevorzugt, da man das Patientenplasma entfernt und unter Rückgabe der zellulären Elemente mit einer geeigneten Lösung substituiert. Die Plasmaaustauschbehandlung ist das älteste und zugleich am häufigsten eingesetzte therapeutische Hämaphereseverfahren. Das Wirkprinzip besteht in der Entfernung großer Mengen eines unbekannten oder anders nicht entfernbaren Pathogens im Plasma des Patienten und/oder der Substitution fehlender Substanzen. Erste Erfolge zur Behandlung des Hyperviskositätssyndroms bei M. Waldenström zeigten sich in den 1950er Jahren des letzten Jahrhunderts [109][123]. Technologische Fortschritte, die es erlaubten, größere Mengen von Plasma mit Zellseparatoren zu entfernen, haben die Entwicklung der Plasmaaustauschbehandlung stimuliert. Seine Vorteile liegen im einfachen Aufbau des extrakorporalen Kreislaufs, der generellen Anwendbarkeit bei allen der Apherese zugänglichen pathogenen Substanzen und der Effektivität bei nicht genau bekannter Pathogenstruktur (z. B. bei Guillain-Barré-Syndrom). Nachteile sind insbesondere die Depletion von physiologischen Plasmabestandteilen, wie z. B. Immunglobulinen und Gerinnungsfaktoren, sowie die Gefahr einer Unverträglichkeit der Substitutionslösung. Die klinische Wirksamkeit einer Plasmaaustauschbehandlung hängt von komplexen, sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren ab, welche in . Abb. 33.1 schematisch dargestellt sind. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um das Verhältnis des ausgetauschten Plasmavolumens zum zirkulierenden Plasmavolumen des Patienten, um die Konzentration und Aggressivität der zu entfernenden Plasmabestandteile und ihrem Verteilungsmuster in intra- und extravasalen Kompartimenten sowie um die Kinetik, mit der ein Konzentrationsausgleich der betreffenden Substanzen zwischen den Kompartimenten stattfindet. Obwohl dies theoretisch bedeutet, dass jede Behandlung bezüglich Austauschvolumen, -intervallen und -frequenz auf die Erkrankung und den Einzelfall abzustimmen ist, gibt es auch einige allgemein anerkannte Prinzipien.
33.2.1
Austauschvolumen -intervalle und -frequenz
Bei der Kalkulation des auszutauschenden Plasmavolumens des Patienten wird der Einfachheit halber angenommen, dass es sich beim intravasalen Plasma um ein abgeschlossenes Kompartiment handelt. Unter dieser Annahme erhält man die in . Abb. 33.2 ersichtliche, exponenzielle Eliminationskinetik des Patientenplasmas im Verlauf einer Behandlung. Die berechneten Werte lassen sich allerdings in der Praxis aufgrund von Rückverteilungs- und Verdünnungsvorgängen nicht ganz erreichen. Die Darstellung zeigt sehr deutlich, dass die Austauscheffizienz jenseits des prozessierten 1- bis 1,5-fachen Plasmavolumens (40–60 ml pro kg Körpergewicht)
463
Extravaskuläres Kompartiment aktiv + passiv
Synthese
aktiv + passiv
Intravaskuläres Kompartiment
Katabolismus Substitutionslösung + Blutzellen + Antikoagulans
Vollblutentnahme
Verbleibende Plasmaanteile (%)
33.2 • Therapeutischer Plasmaaustausch
100
die bei einem therapeutischen Plasmaaustausch Einfluss auf die Kinetik und das effektive Resultat der Depletion einzelner Plasmabestandteile nehmen. (Mod. n. [156])
rasch abnimmt – und dies bei steigendem Risiko von Komplikationen. In Abhängigkeit von der klinischen Durchführbarkeit liegt das pro Behandlung anzustrebende Austauschvolumen deshalb in diesem Bereich. Die Intervalle und Frequenz der Behandlungen richten sich – auch hier neben der klinischen Durchführbarkeit – theoretisch in erster Linie nach dem biokinetischen Verhalten des zu entfernenden pathologischen Plasmabestandteils, dessen Verteilungsvolumen und Halbwertszeit sowie im Falle von Autoantikörpern auch deren Bindungsavidität im Zielgewebe. Von zentraler Bedeutung ist natürlich auch die typische Regenerations- und Restitutionsgeschwindigkeit der behandelten Erkrankung. So ist z. B. bei der Myasthenia gravis die klinische Besserung sowohl von der Desorption blockierender Antikörper am Acetylcholinrezeptor als auch von der Rezeptor-Neusynthese und der Regeneration der motorischen Endplatte abhängig – ein Prozess von wenigen Tagen bis Wochen [61]. Die empfohlene Austauschfrequenz liegt bei der Myasthenia gravis oder anderen Autoimmunerkrankungen bei zunächst 4- bis 6-mal, muss aber immer auch vom klinischen Effekt abhängig gemacht werden, wie dies bei Immunkomplexerkrankungen und Paraproteinämien der Fall ist. Bei der Festlegung der Intervalle und Frequenz von Plasmaaustauschbehandlungen ist auch das Verhalten der physiologischen Plasmabestandteile zu berücksichtigen. Die . Tab. 33.1 zeigt beispielhaft die Auswirkungen bei täglichem Austausch eines Patientenplasmavolumens auf einige der relevanten Parameter [37][108]. Auffällig ist eine vergleichsweise deutlichere Absenkung des IgM und des Fibrinogens. Dies ist vornehmlich auf deren relativ hohe intravasale Anteile und Halbwertszeiten zurückzuführen. Insbesondere die Depletion des Fibrinogens (und anderer prokoagulatorischer wie auch antikoagulatorischer Faktoren) kann im Sinne der Therapiesicherheit zwar oft eine Verlängerung der Austauschintervalle veranlassen, in aller Regel werden jedoch Intervalle von 24–48 h als ausreichend und sicher angesehen. Sollte der Krankheitsverlauf eine Therapieintensivierung erfordern, kann eine manifeste Dilutionskoagulopathie verhindert werden, indem die Substitutionslösung (zumindest partiell gegen Ende der Apherese) auf GFP umgestellt wird.
80 60 40 20
36,8 %
22,3 %
13,5 %
0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 Plasmaaustauschvolumen (in Plasmavolumina des Patienten)
Therapeutischer Plasmaaustausch . Abb. 33.1 Vereinfachte Darstellung der Kompartimente und Prozesse,
33
. Abb. 33.2 Theoretisch maximal erreichbare Austauscheffizienz, dargestellt als Verhältnis von prozessiertem zu effektiv ausgetauschtem Plasmavolumen. Vereinfachte Darstellung ohne Berücksichtigung des Wechselspiels aller beteiligten Kompartimente und Prozesse, die bei einem therapeutischen Plasmaaustausch Einfluss auf die Kinetik und das effektive Resultat der Depletion einzelner Plasmabestandteile nehmen. (Mod. n. [88])
33.2.2
Substitutionslösungen bei Plasmaaustauschbehandlung
Mit Ausnahme der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura verwendet bei man allen anderen Indikationen üblicherweise eine Kombination aus Elektrolyt- und kolloidalen Lösungen sowie einer 3,5–5 %igen Humanalbuminlösung [28]. Ziele sind dabei die Aufrechterhaltung einer Isovolämie und eines möglichst physiologischen onkotischen Drucks. Sollte eine Negativbilanzierung im Sinne eines Flüssigkeitsentzugs als klinisch erwünscht beurteilt werden, ist zu beachten, dass eine Plasmaaustauschbehandlung im Gegensatz zur Hämoperfusion und Hämofiltration zunächst praktisch nur das intravasale Volumen moduliert. Eine negativ bilanzierte Plasmaaustauschbehandlung wirkt sich deshalb deutlich anders auf die Hämodynamik eines Patienten aus und kann selbst bei zu Beginn hypervolämen Patienten im Verlaufe der Behandlung oder kurz danach zu schweren hypotonen Reaktionen führen [24]. Bei der Wahl der Austauschflüssigkeit und der Festlegung der Volumenbilanz werden die Grund- und Begleiterkrankungen des Patienten sowie sein Flüssigkeitsstatus berücksichtigt. Deshalb kann z. B. bei einem Hyperviskositätssyndrom infolge einer exzessiven Paraproteinämie die Austauschflüssigkeit zur Hälfte aus einer kristallinen Lösung und zur anderen Hälfte aus einer 3,5–5 %igen Humanalbuminlösung bestehen. In allen anderen Fällen wird in einigen Zentren z. B. mit einer isotonen salinen Lösung begonnen und nach 1/4 bis 1/3 des angestrebten Austauschvolumens auf eine 3,5–5 %ige Humanalbuminlösung umgestellt. Obwohl sich Humanalbuminlösungen als Standardsubstitution etabliert haben, sollte bei ihrem Einsatz bedacht werden, dass das darin enthaltenen Albumin einige seiner physiologischen Funktionen verloren hat, weil die enthaltenen Konservierungsstoffe wie z. B. Natriumcaprylat die Bindungsstellen für Medikamente und Metabolite besetzen [151]. Beim Einsatz kolloidaler Plasmaersatzstoffe, wie z. B. Dextranen, Gelatinepräparationen und insbesondere Hydroxyethylstärke, muss vor allem mit steigender Dosis eine Beeinträchtigung der Blutgerinnung sowie die potenzielle Überladung des retikulohistiozytären Systems durch Abbauprodukte bedacht werden. Bei Beachtung dieser Punkte können offensichtlich ohne Gefährdung des Patienten
464
Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
. Tab. 33.1 Reduktion verschiedener Plasmabestandteile durch einen therapeutischen Plasmaaustausch. (Nach [88]) Täglicher Austausch eines Patientenplasmavolumens
Reduktion in Bezug auf Ausgangswert in % Fibrinogen
IgG
IgA
IgM
CH50
C3
C4
1 Tag
25
35–45
39
31
43
32
34
5 Tage
11
20–30
23
20
40
15
28
10 Tage
1
4–10
4
2
28
6
8
bis zu 50 % an Proteinlösungen und damit erhebliche Kosten eingespart werden [48]. Der Einsatz von GFP als Substitutionslösung ist heute obsolet, solange keine spezifische Indikation dafür vorliegt. Aktuell gilt GFP deshalb nur noch bei der Behandlung einer thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (TTP) als Substitutionslösung erster Wahl (z. B. [40]). Daneben kann eine partielle Verwendung von GFP erforderlich werden, um eine manifeste Dilutionskoagulopathie zu behandeln oder einer solchen vorzubeugen (z. B. [91]). Stets muss dabei bedacht werden, dass durch GFP eine zusätzliche Zufuhr von Citrat erfolgt. Da bei einer TTP die erste Behandlungsphase häufig intensiviert durchgeführt werden muss – bei schweren Verläufen bis hin zu einer Austauschfrequenz von zweimal täglich – ist hier deshalb ganz besonders auf Citrat-bedingte Nebenwirkungen zu achten. Eine Plasmaaustauschbehandlung depletiert auch die zirkulierenden Antikörper, wenn nicht GFP als Substitutionslösung eingesetzt wird. Allerdings ist das beobachtete Ausmaß dieser humoralen Immundefizienz nicht ausreichend, um eine Immunglobulinsubstitution nach einer Plasmaaustauschbehandlung zu rechtfertigen. Einige Arbeitsgruppen berichten über einen möglichen überschießenden Anstieg von (Auto-)Antikörpern nach einer Serie von PAs [27]. Die Existenz dieses sog. »Rebound-Phänomens« blieb aber nicht unbestritten [47].
33.2.3
33
Indikationen zur Plasmaaustauschbehandlung
. Tab. 33.2 enthält in Anlehnung an die Empfehlungen der deut-
schen und amerikanischen Fachgesellschaften [28][138] den Stand der Evidenz im Jahr 2009 zu einzelnen Indikationen für eine Plasmaaustauschbehandlung sowie für therapeutische Apheresen im Allgemeinen. Aufgrund der raschen Entwicklung auf diesem Gebiet empfiehlt es sich allerdings, stets die regelmäßig aktualisierten Fassungen der zitierten einschlägigen Organisationen zu konsultieren. 33.3
Selektive Aphereseverfahren
Wie im ersten Abschnitt des Kapitels erwähnt, entfernt man im Rahmen einer normalen Plasmaaustauschbehandlung bei Austausch eines Patientenplasmavolumens ca. 150 g Plasmaproteine (davon ca. 110 g Albumin sowie 40 g Immunglobuline), nur um beispielsweise ca. 1–2 g eines zirkulierenden pathogenen Autoantikörpers zu eliminieren [151]. Der Ersatz des Patientenplasmas durch Substitutionslösungen führt zudem zu den oben beschriebenen Limitationen und potenziellen Nebenwirkungen. Aufgrund dieser Nachteile einer Plasmaaustauschbehandlung entwickelte man in den vergangenen Jahrzehnten Verfahren zur möglichst selektiven Entfernung pathologischer Plasmabestandteile, um das derart »ge-
reinigte« Plasma dem Patienten wieder direkt zurückführen zu können [132]. Man vermeidet dadurch weitgehend eine Depletion der normalen Plasmabestandteile und benötigt somit in der Regel auch keine Substitutionslösung. Dies ermöglicht wiederum bei Bedarf eine Intensivierung der Behandlungen (Frequenz und prozessierte Plasmavolumina) und damit im Vergleich zur Plasmaaustauschbehandlung nicht nur eine gezielte, sondern auch eine schnellere Entfernung großer Mengen pathogener Plasmabestandteile. Die Verfahren werden unter den Begriffen selektive Aphereseverfahren oder Plasmadifferenzialtrennung zusammengefasst. In den meisten Fällen wird dabei das primär separierte Plasma in einen Sekundärkreislauf geleitet, wo das Pathogen durch einen Filtrationsprozess oder eine Adsorption (immunologisch oder physikochemisch) oder eine Präzipitation entfernt wird. Das gereinigte Plasma wird mit den zuvor separierten Zellen vereint und dem Patienten wieder zurückgeführt. Die selektiven Aphereseverfahren erfordern für den erweiterten extrakorporalen Kreislauf spezielle Sekundärgeräte, welche die sichere Durchführung und Überwachung der Behandlung gewährleisten.
33.3.1
Immunoadsorption zur Depletion von Immunglobulinen
Bei möglichst weit gefasster Definition einer Immunadsorption (IA; Synonym auch »Immunapherese«) versteht man darunter alle Verfahren zur Elimination spezifischer Proteine aus dem Plasma durch deren Bindung an immobilisierte Liganden (Aminosäuren, Peptide oder Proteine) oder an spezifische Antigene oder Antikörper. Die meisten Immunadsorptionsverfahren basieren dabei auf dem Prinzip der (Säulen-)Affinitätschromatographie und entfernen somit hochspezifisch und -effizient das Zielpathogen. Bei Bedarf gelingt durch kurzfristig wiederholte Behandlungen praktisch immer eine >95 %ige Absenkung des zirkulierenden Pathogens. Im Folgenden wird fast ausnahmslos nur auf Verfahren eingegangen, die nicht mehr als rein experimentell gelten. 5 Für die Elimination von Immunglobulinen stehen verschiedene IA-Verfahren zur Verfügung: Eines davon nutzt Staphylokokkenprotein A als Liganden. Es wurde bereits in den 80er Jahren erstmals eingesetzt und seitdem weiterentwickelt [43]. Bei Staphylokokkenprotein A handelt es sich um ein bakterielles Zellwandprotein. Es bindet Immunglobulin G (IgG) über dessen Fc-Teil, wobei die Subklassen IgG1, IgG2 und IgG4 eine wesentlich stärkere Affinität zeigen als IgG3, welches nur in variablem Ausmaß adsorbiert wird. Zusätzlich verfügt es auch über eine variable Bindungskapazität für Fab-Anteile der schweren Ketten, wodurch zu einem geringeren Grad auch Nicht-IgG-Immunglobuline adsorbiert werden können [18][88]. Das Immunosorba®-System (Fresenius Medical Care, St. Wendel) benutzt Sepharose als immobilisierendes Träger-
465
33.3 • Selektive Aphereseverfahren
. Tab. 33.2 Indikationen zur therapeutischen Hämapherese. (Nach [28][138]) Fachrichtung, Indikation/Diagnose
Verfahren/Kategoriea DGTIb
ASFA
ABO-inkompatible Stammzelltransplantation
TPA/II IA/II
TPA/II KB
Alloimmunisierung der Mutter gegen fetale Erythrozytenantigene (non-RhD)
TPA/II IA/S
TPA/II
Aplastische Anämie, Erythroaplasie
KB
TPA/III
Autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) durch Wärme-Autoantikörper
TPA/III IA/S
TPA/III KB
AIHA durch Kälte-Autoantikörper/Kälteagglutininerkrankung
TPA/III KF/S
TPA/III KB
Babesiose (schwere)
EA/I
EA/II
GvHD – GvHD (akute u. chronische) nach allogener Stammzelltransplantation – GvHD der Haut – GvHD außerhalb der Haut
EPC/II KB KB
KB EPC/II EPC/III
Hämochromatose
EA/III
KB
Hemmkörperhämophilie (Auto-AK gegen Gerinnungsfaktor VIII, Synonym: Autoimmunhämophilie)
IA/I KB
IA/III TPA/III
Hemmkörper gegen andere Gerinnungsfaktoren
IA/S TPA/III
IA/III TPA/III
Hyperleukozytose – Leukostase – Prophylaxe
LA/I LA/III
LA/I LA/III
Hyperviskositätssyndrom infolge Paraproteinämie
TPA/I
TPA/I
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (falls refraktär auf Standardtherapie)
IA/II TPA/IV
IA/II TPA/IV
Kryoglobulinämie
TPA/I KF/I
TPA/I KB
Kutanes T-Zelllymphom (CTCL) – Erythroderm – Nichterythroderm
EPC/I EPC/IV
EPC/I EPC/IV
Malaria (schwere)
EA/I
EA/II
Multiples Myelom mit akutem Nierenversagen
TPA/III
TPA/III
Polycythaemia vera
EA/II
EA/II
Posttransfusionspurpura
TPA/III
TPA/III
Sichelzellerkrankung oder kombiniert heterozygote Varianten (z. B. mit Thalassämien) – Lebens- oder organbedrohliche Krise – Prophylaxe Zerebralinsult – Prophylaxe Eisenüberladung
EA/I EA/II EA/II
EA/I EA/II EA/II
Thrombotisch thrombozytopenische Purpura (TTP), hämolytisch urämisches Syndrom (HUS), andere mikroangiopathische hämolytische Anämien (MAHA) – TTP – Atypisches HUS (aHUS) [142] – Transplantationsassoziierte und andere MAHA – Diarrhoe-positives HUS (D + HUS) [142]
TPA/I TPA/III TPA/III TPA/IV
TPA/I TPA/III TPA/III TPA/IV
Thrombozytose im Rahmen myeloproliferativer Syndrome – Klinisch symptomatisch – Primäre oder sekundäre Prophylaxe
TA/I TA/III
TA/II TA/III
Hämatologie
33
466
Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
. Tab. 33.2 Fortsetzung Fachrichtung, Indikation/Diagnose
Verfahren/Kategoriea DGTIb
ASFA
Akutes Leberversagen
TPA/III
TPA/III
Familiäre Hypercholesterinämie und isolierte Lipoprotein(a)-Erhöhung – Homozygote – Diätetisch/medikamentös unzureichend behandelbare Heterozygote – Isolierte Lipoprotein(a)-Erhöhung
LPA/I LPA/I LPA/I
LPA/I LPA/II LPA/II
Hypertriglyceridämie mit Pankreatitis
TPA/III
TPA/III
Vergiftungen und Überdosierungen – Pilzvergiftung – Andere Substanzen
KB KB
TPA/II TPA/III
Refsum-Syndrom
TPA/II
TPA/II
Thyreotoxische Krise
TPA/III
TPA/III
Sepsis
KB
TPA/III
Akute disseminierende Enzephalomyelitis
TPA/III
TPA/III
Guillain-Barré-Syndrom
TPA/I IA/I
TPA/I KB
Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikoloneuropathie
TPA/I IA/I
TPA/I KB
Lambert-Eaton-Syndrom/paraneoplastische neurologische Syndrome
TPA/II IA/II
TPA/II
TPA/II TPA/III TPA/III
TPA/II TPA/III TPA/III
Myasthenia gravis
TPA/I IA/I
TPA/I KB
Pädiatrische autoimmune neuropsychiatrische Erkrankungen assoziiert mit Streptokokkeninfektionen sowie Sydenham-Chorea
TPA/I
TPA/I
TPA/I IA/III TPA/II KF/II IA/II TPA/III IA/III
TPA/I IA/III TPA/II KB IA/III TPA/III KB
Rasmussen-Enzephalitis
TPA/II
TPA/II
Stiff-Man-Syndrom (Synonym: Stiff-Person-Syndrom)
TPA/III
TPA/III
Fokal segmentale Glomerulosklerose
TPA/III IA/S
TPA/III KB
Rapid-progressive Glomerulonephritis, ANCA-positiv (Wegener-Granulomatose)
TPA/II IA/II
TPA/II KB
Rapid-progressive Glomerulonephritis bei Goodpasture-Syndrom
IA/I TPA/I
KB TPA/I
Rapid-progressive Glomerulonephritis (andere Ursachen)
TPA/III IA/S
TPA/III KB
TPA/III IA/S
TPA/III KB
Metabolische Erkrankungen
Neurologische Erkrankungen
Multiple Sklerose – Akuter, Steroid-resistenter Schub – Devic-Syndrom – Chronisch progressiver Verlauf
Paraproteinämische Polyneuropathien (PNP) – Demyelinisierende PNP bei IgG/IgA-Paraprotein
33
– PNP bei IgM-Paraprotein
– PNP bei multiplem Myelom
Nephrologische Erkrankungen
Rheumatologische Erkrankungen Antiphospholipid-Syndrom (schwer)
467
33.3 • Selektive Aphereseverfahren
33
. Tab. 33.2 Fortsetzung Fachrichtung, Indikation/Diagnose
Verfahren/Kategoriea DGTIb
ASFA
TPA/III IA/S TPA/IV IA/S
TPA/III KB TPA/IV KB
Progressive systemische Sklerose (Sklerodermie)
TPA/III EPC/IV
TPA/III EPC/IV
Rheumatoide Arthritis (konventionelle und Biologica-refraktäre Fälle)
IA/II EPC/S
IA/II KB
TPA/II IA/II TPA/II IA/S TPA/III
TPA/II KB TPA/II KB TPA/III
TPA/II IA/S EPC/I ECP/II TPA/II IA/S EPC/III
TPA/II KB EPC/I ECP/II TPA/III KB EPC/III
TPA/II IA/S IA/S
TPA/II KB KB
Bullöse Autoimmundermatosen
TPA/III IA/II EPC/III
TPA/III KB EPC/III
Colitis ulcerosa, Morbus Crohn (in Japan: Leukozytenadsorption als Kategorie-I-Indikation anerkannt)
EPC/S LA/II
KB LA/S
Dilatative Kardiomyopathie
IA/S
IA/S
Makuladegeneration, altersbedingte trockene
KF/S
KF/S
Lupus erythematodes disseminatus – Alle Manifestationen außer Nephritis – Nephritis
Transplantation solider Organe ABO-inkompatible Transplantation – Niere – Herz (Kinder) – Herz (Erwachsene) – Leber Abstoßung nach Transplantation – Niere – Herz, Prophylaxe – Herz, Therapie
Lunge HLA-Alloantikörper gegen prospektiven Spender (»Desensibilisierung«) – Niere – Herz Verschiedene Erkrankungen
ASFA American Society for Apheresis, DGTI Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, EA Erythrozytapherese, EPC extrakorporale Photochemotherapie, IA Immunadsorption, KF Kaskadenfiltration, LA Leukapherese, LPA Lipoproteinapherese, TPA therapeutischer Plasmaaustausch. a Kategorie I: Eine Apherese gilt als Standard und akzeptierte Primärtherapie oder als primäre Begleitbehandlung. Kategorie II: Eine Apherese ist im Allgemeinen akzeptiert, wird jedoch als unterstützende oder sekundäre Behandlung beurteilt. Kategorie III: Eine Apherese kann vorteilhaft sein, aber die Datenlage ist noch begrenzt oder widersprüchlich. Kategorie IV: Eine Apherese zeigt nach Datenlage keinen Nutzen oder keine Wirksamkeit. Kategorie S: Es laufen Studien. Kategorie KB: Keine Bewertung. b Die gemäß der DGTI-Kommission zugeordneten Kategorien entsprechen dem diskutierten Stand zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Beitrags. Änderungen sind deshalb nicht ausgeschlossen.
molekül für das Staphylokokkenprotein A. Die Säulen sind regenerierbar und patientenspezifisch wiederverwendbar. Sie fassen ein Volumen von 60 ml und haben pro Beladungszyklus eine Adsorptionskapazität von 1,25 bis 1,5 g IgG. Während der Behandlung kommt stets ein Paar davon zum Einsatz. Das System wechselt nach einem vorgegebenen prozessierten Plasmavolumen (zu Beginn meist ca. 200 ml, dies wird vom Anwender während der Therapie laufend adaptiert) jeweils
von der einen auf die andere Säule. Während des Adsorptionsvorgangs in der einen Säule wird die andere, zuvor beladene Säule mit saurer Glycinlösung regeneriert und anschließend mit neutralem Puffer nachgespült. Durch diese wiederholten Wechsel können sehr große Gesamtmengen an Plasma prozessiert werden. Typischerweise wird zumindest bei der ersten Immunadsorption einer Behandlungsserie das 2,5-fache Plasmavolumen
468
Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
(das errechnete, zirkulierende, Hämatokrit-korrigierte Plasmavolumen des Patienten) prozessiert. Man erreicht damit eine Reduktion von IgG1 um 97 %, von IgG2 um 98 %, von IgG3 um 40 %, von IgG4 um 77 % sowie von IgM um 56 % und IgA um 55 %. Albumine, Fibrinogen und Antithrombin werden um 40 % vermindert [151]. Das Säulenpaar wird nach Abschluss einer Immunadsorptionsbehandlung mit einer Konservierungslösung versetzt (sie enthält 0,04 % Polyhexamethylen-Biguanid als aktive Komponente) und im Kühlschrank bei 4 °C gelagert. Die Effektivität der Säulen lässt im Laufe der Zeit nach, ist aber sicher ca. 20-mal für denselben Patienten wiederverwendbar (abhängig von den prozessierten Volumina und der adsorbierten IgG-Menge). Die hohen Kosten der Adsorbersäulen werden dadurch zumindest teilweise kompensiert. Zur Elimination von Immunglobulinen eignet sich auch sehr gut das Ig-Therasorb®-Verfahren (Miltenyi Biotec GmbH, Bergisch Gladbach). Anstelle von Staphylokokkenprotein A werden hier polyklonale Schafsantikörper gegen humane Immunglobuline auf Sepharose immobilisiert. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass die Adsorber alle 4 IgG-Subklassen mit hoher Affinität binden, aber daneben auch IgM und IgA. Technologisch entspricht das Verfahren ansonsten weitgehend dem oben beschriebenen Immunosorba®-System. 5 Als weitere Alternative zur Elimination von Immunglobulinen steht seit wenigen Jahren auch das Globaffin®-Verfahren (Fresenius Medical Care, St. Wendel) zur Verfügung. Als Ligand wird ein synthetisches Peptid auf Sepharose immobilisiert. Die Bindungseigenschaften entsprechen denen des Staphylokokkenproteins A. Es handelt sich ebenfalls um ein regenerierbares Doppelsäulenverfahren mit einem Säulenvolumen von 60 ml. Technisch entspricht das Verfahren weitestgehend demjenigen des Immunosorba®-Systems.
33
Eine der aktuell in Hinblick auf die Wirksamkeit einer Immunadsorption mit am besten dokumentierten Erkrankungen ist die erworbene, autoimmune Hemmkörperhämophilie (Autoantikörper gegen Gerinnungsfaktor VIII). Die Behandlung mittels Immunadsorption führt durch einen deutlich niedrigeren Bedarf an Inhibitor-umgehenden Faktorenkonzentraten sowie einer rascheren Remission in der Regel sogar zu einer erheblichen Reduktion der Therapiekosten [42][162][163]. In einem Konsensuspapier empfehlen Vertreter der deutschen, österreichischen und schweizerischen Fachgesellschaft für Dermatologie für schwere oder therapierefraktäre Verlaufsformen eines bullösen Pemphigus ebenfalls ein Therapiekonzept unter Einschluss von Immunadsorptionen. Nach zusammenfassender Beurteilung von über 50 publizierten Fällen wird die Immunadsorption von diesem Expertengremium als sehr wahrscheinlich wirksam und kosteneffizient beurteilt. Eine angelaufene multizentrische, prospektive, randomisierte Studie wird uns vermutlich in absehbarer Zeit die Evidenz-basierten Antworten auf diese Fragen liefern [122][165]. In mehreren klinischen Studien erwies sich ferner die idiopathische dilatative Kardiomyopathie als sehr wahrscheinlich gute Indikation für eine Immunadsorptionsbehandlung [30][31][35]. 5 Ein anderes Immunadsorptionsverfahren unter Einsatz von Staphylokokkenprotein A als Liganden ist das Prosorba®System (Fresenius Medical Care, St. Wendel). Bei den hierbei eingesetzten Einmalsäulen ist das Protein A auf einer Silicamatrix verankert. Das Säulenvolumen beträgt 300 ml, das maximal behandelbare Plasmavolumen 2000 ml. Damit können bis zu 1 g IgG und 100 mg zirkulierende Immunkom-
plexe adsorbiert werden – weniger, als man mit einer normalen Plasmaaustauschbehandlung erreicht. Deshalb lässt sich die beobachtete Wirksamkeit des Verfahrens nicht mit der erzielbaren Adsorptionsmenge alleine erklären. Diskutiert werden immunmodulierende Effekte [129]. In den USA ist es für die auf eine Standardtherapie refraktäre ITP und als supportive oder additive Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen [138]. Das Verfahren zeigt im Vergleich zu anderen Immunadsorptionstechniken mit 34 % Nebenwirkungen (einschließlich schwerer, vereinzelt letaler Reaktionen) ein sehr ungünstiges Nutzen/Risiko-Verhältnis und konnte sich in Europa nicht etablieren [63]. 5 Schließlich stehen seit Mitte der 80er Jahre die weniger spezifischen Systeme Immusorba TR® und Immusorba PH® (ASAHI-KASEI, Tokyo, Japan/Diamed, Köln) zur Adsorption von Immunglobulinen zur Verfügung. Diese werden durch vorwiegend elektrostatische Wechselwirkungen an Tryptophan oder Phenylalanin als Liganden gebunden, welche ihrerseits auf einer Polyvinylethanol-Gelmatrix immobilisiert sind. Es handelt sich um Einmaladsorber mit einem Volumen von 350 ml und einem maximal behandelbaren Plasmavolumen von 2 l (pro Adsorber). Die weiter oben genannten Besonderheiten bei negativer Oberflächenladung des Adsorbers (insbes. Kontraindikation von ACE-Hemmern) sind zu beachten.
33.3.2
Immunoadsorption zur selektiven Depletion von spezifischen Antikörpern
Abweichend von den genannten Immunadsorptionsverfahren, die ganze Klasse(n) von Immunglobulinen entfernen, wird bei einer Immunadsorption unter Verwendung spezifischer Adsorber nur ein spezifischer Zielantikörper depletiert. So wird z. B. von Coraffin®-Adsorptionssäulen (Fresenius Medical Care, St. Wendel) mittels zweier synthetischer Peptide spezifisch der Autoantikörper gegen den ß1-adrenergen Rezeptor des Herzmuskels entfernt. Es handelt sich hiermit um ein indikationsspezifisches Verfahren, welches bei dilatativer Kardiomyopathie zwar als spezifischere Alternative, aber aktuell nur experimentell eingesetzt wird, ebenso wie die bereits etwas länger in klinischen Studien befindlichen Immunosorba®- oder Ig-Therasorb-Systeme (z. B. [29]). Ein weiteres selektives Immunadsorptionsverfahren wurde entwickelt, um spezifisch Anti-A- und Anti-B-Isoagglutinine zu adsorbieren. Die eingesetzten, für eine Einmalverwendung vorgesehenen Adsorber (Glycosorb ABO column, Glycorex Transplantation AB, Lund, Schweden) enthalten als Liganden die für das Antigen A bzw. Antigen B spezifischen terminalen Trisaccharide, immobilisiert auf Sepharose. Seit der erfolgreichen ersten Beschreibung eines Therapiekonzeptes zur perioperativen Vorbereitung und »Desensibilisierung« von Patienten bei geplanter, major-unverträglicher Lebend-Nierentransplantation [149] mehren sich zunehmend Berichte, dass eine derartige kombinierte Therapie mit Blutgruppenantigen-spezifischer Immunadsorption, zusammen mit Rituximab (chimärer monoklonaler Anti-CD20-Antikörper) und intravenöser hochdosierter Immunglobulingabe, eine offensichtlich normale Transplantatüberlebensrate nach ABO-inkompatibler Transplantation ermöglicht [52][157]. Erfolgreiche Anwendungen adaptierter Protokolle werden aktuell vereinzelt auch über ABO-major-inkompatible Transplantationen anderer solider Organe oder zur Behandlung von akuten ABO-bedingten Abstoßungsreaktionen berichtet [68].
33.3 • Selektive Aphereseverfahren
33.3.3
Selektive Aphereseverfahren zur Depletion von Lipoproteinen
Bereits Mitte der 60er Jahre wurde als Ultima ratio versucht, eine schwere Hyperlipoproteinämie mittels TPA zu therapieren [26]. Mitte der 70er Jahre gab es die ersten systematischen Arbeiten über die TPA als Therapieoption bei schwerer familiärer Hypercholesterinämie [145]. Erneut etwa eine Dekade später zeichneten sich Hinweise für einen günstigen Effekt auf die Progression der Koronarsklerose und auf eine Lebensverlängerung bei diesen Patienten ab [146][147]. Erste experimentelle, jedoch sehr nebenwirkungsreiche Apheresesysteme zur selektiveren Elimination von Cholesterin gab es zwar schon Mitte der 70er Jahre [86], aber erst Anfang der 80er Jahre stand ein klinisch breiter anwendbares System zur Verfügung [134]. Die selektive Depletion von Lipoproteinen wird auch als LDL(»low-density-lipoprotrein«-) oder Lipoproteinapherese bezeichnet. Die Indikation für eine (i. d. R. lebenslange) Therapie mit diesen Verfahren gilt heute bei schweren, medikamentös nicht ausreichend behandelbaren Formen einer familiären Hypercholesterinämie (FH) als gesichert. Die in Deutschland anerkannten Indikationen zur ambulanten Durchführung einer LDL-Apherese finden sich im Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen [22]. Gemäß dieser Richtlinien sind LDL-Apheresen nur bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie indiziert sowie in heterozygoten Fällen, bei denen mittels diätetischer Maßnahmen und maximal tolerabler medikamentöser Therapie über mindestens 12 Monate keine ausreichende Absenkung des LDL-Cholesterins erreicht werden konnte. Dabei sind Medikamentenunverträglichkeiten und das individuelle Arterioskleroserisiko zu berücksichtigen. Das Aphereseverfahren ist frei wählbar, vorausgesetzt es senkt – bei einer maximalen Behandlungsdauer von 6 h – den LDL-Vorwert um mindestens 60 %. Zielwerte für LDL-Cholesterin werden nicht explizit genannt; aufgrund großer medikamentöser Interventionsstudien sollte bei fortgeschrittener koronarer Herzkrankheit der LDL-Cholesterinspiegel bekanntermaßen unter 100 mg/dl liegen. Ursächlich für eine familiäre Hypercholesterinämie sind autosomal-dominante Mutationen des hepatozytären Apolipoprotein-B100-Rezeptors, dessen Funktion für die hepatische Clearance Apolipoprotein-B-100-enthaltender Moleküle (wie z. B. LDL) essenziell ist. Insbesondere homozygot Betroffene sowie medikamentös nicht ausreichend behandelbare heterozygote Patienten entwickeln frühzeitig eine generalisierte Arteriosklerose, an deren Folgen sie noch vor dem 20. Lebensjahr versterben können. Der angestrebte LDLMittelwert (nach LDL-Apherese und vor der nächsten Behandlung) bestimmt die Frequenz und Intensität der Lipoproteinapheresen und orientiert sich nach der Ausprägung der Hypercholesterinämie des Patienten sowie seines globalen Arteriosklerose-Risikoprofils. Daneben werden auch Patienten mit isolierter Lipoprotein(a)-Erhöhung (Lp(a)) und normalen LDL-Cholesterinwerten mittels Lipidapherese behandelt, falls eine klinisch relevante, bildgebend dokumentierte, progrediente kardiovaskuläre, periphere oder zerebrale Vasosklerose vorliegt [49]. Die im Folgenden aufgeführten Verfahren erfüllen im Regelfall die oben genannten Vorgaben und sind bezüglich ihrer Nebenwirkungen vergleichbar. Sie unterscheiden sich jedoch in der Selektivität der Elimination sowie in der Handhabung [6]. Die Kontraindikation zum Einsatz von ACE-Hemmern bei den meisten dieser Verfahren (7 Abschn. 33.1.6.4) hat zu der Empfehlung geführt, diese Präparate bei Lipoproteinapheresepatienten generell zu vermeiden oder zumindest die entsprechende Halbwertszeit der jeweiligen Substanz zu beachten. Die aktuell zur Verfügung stehenden ver-
469
33
schiedenen Lipoproteinaphereseverfahren sind im nächsten Abschnitt kurz zusammengefasst [6]. 5 Bei Einsatz der konzeptuell bereits beschriebenen Immunadsorptionstechnologie enthält der hier eingesetzte Adsorber polyklonale Schafsantikörper gegen Apolipoprotein B 100, welche auf Sepharose immobilisiert sind und die Lipoproteine LDL und Lp(a) adsorbieren (z. B. LDL-Therasorb®, Miltenyi Biotec GmbH, Bergisch Gladbach) [7][17]. Es kommen zwei wiederverwendbare Immunadsorptionssäulen zum Einsatz, die während einer Behandlung im mehrfachen Wechsel adsorbieren bzw. mit saurer Glycinlösung regeneriert werden. Nach Abschluss einer Apherese werden die regenerierten Säulen mit einem Bakteriostatikum (i. d. R. Natriumacid) versetzt und bei 4 °C gelagert. Die hohen Kosten der Adsorber werden durch die patientenspezifische Wiederverwendbarkeit (bis zu ca. 50mal) deutlich relativiert. 5 Ein alternatives Verfahren ist die sogenannte Chemoadsorption [67][121]. Die hier eingesetzten Säulen Liposorber LA-15® (Kaneka, Osaka; Japan), enthalten auf Zellulose immobilisiertes Dextransulfat. Dessen negative Oberflächenladung adsorbiert selektiv große, positiv geladene Moleküle und hier insbesondere (und damit nur semi-selektiv) die Lipoproteine LDL, VLDL-Cholesterin und Lp(a) über ihre ApolipoproteinB-100-Domänen. Hingegen werden z. B. HDL, Immunglobuline und Albumin aufgrund ihrer fehlenden positiven Oberflächenladung nur in geringem Maße adsorbiert. Das separierte Plasma wird auch bei diesem Verfahren im Wechsel über ein regenerierbares Säulenpaar geleitet. Allerdings handelt es sich bei den Adsorbern um Einmalprodukte, die nach Abschluss einer Apherese verworfen werden müssen. Zur Antikoagulation des extrakorporalen Kreislaufs empfiehlt der Hersteller ausschließlich Heparin. 5 Die dritte, komplexeste Möglichkeit der Lipoproteinapherese beruht auf dem Prinzip der Präzipitation und wird als H.E.L.P.®-LDL-Apherese bezeichnet (Heparin induzierte extrakorporale LDL-Präzipitation, Braun, Melsungen) [34] [100][110]. Bei diesem Verfahren wird das primär separierte Plasma mit einem mit Heparin im Überschuss versetzten Acetatpuffer gemischt. Der pH wird dadurch auf 5,12 abgesenkt, wodurch es zur selektiven Fällung von LDL, Lp(a) und Fibrinogen sowie deren Präzipitation mit dem Heparin kommt. Die Heparin-Protein-Präzipitate werden durch einen anschließenden Filtrationsschritt (Polycarbonatfilter) aus dem Plasma entfernt. Das gereinigte Plasma passiert sodann einen Heparinadsorber und erhält schließlich über eine Bicarbonatdialyse/ultrafiltration wieder sein physiologisches Niveau. Das derart behandelte Plasma wird dem Patienten nach Vereinigung mit seinen Blutzellen zurückgeführt. 5 Das Verfahren der Membrandifferenzialfiltration ist ein semiselektives System zur LDL-Apherese. Nach primärer Plasmaseparation werden im angeschlossenen Sekundärkreislauf durch eine kleinporige Filtration große Moleküle wie LDL-Cholesterin, Lp(a), aber auch z. B. IgM und Fibrinogen zurückgehalten. Kleinere Moleküle hingegen, wie z. B. Albumine, Immunglobuline und HDL-Cholesterin, werden dem Patienten zurückgeführt [90]. Da für die primäre Plasmaseparation ebenfalls ein Filtrationssystem verwendet werden kann, spricht man auch von einer (Plasma-)Doppelfiltration, (Membran-)Differenzialfiltration oder Kaskadenfiltration (KF). Weil dieses Verfahren auch weitere hochmolekulare Substanzen wie z. B. IgM, Fibrinogen oder α2-Makroglobulin entfernt, ist es neben der Hypercholesterinämie auch für andere Indikationen wie z. B.
470
Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
Hyperviskositätssyndrom bei Morbus WaIdenström geeignet. Der experimentelle Einsatz dieser Methodik zur Behandlung von Erkrankungen, welche (mit) auf Mikrozirkulationsstörungen beruhen, wird als Rheopherese bezeichnet (z. B. [80][94]). 5 Der Vollständigkeit halber sei, als weitere Variante der Membrandifferenzialfiltration, an dieser Stelle auf die Kryofiltration (Asahi Medical, Tokyo; Japan) hingewiesen. Hierbei wird das separierte Plasma im Sekundärkreislauf zur Präzipitation von Kryoglobulinen auf 4 °C abgekühlt. Die Präzipitate werden anschließend mit Hilfe eines Kryofilters entfernt und das Plasma vor seiner Retransfusion wieder auf Körpertemperatur erwärmt.
33
Während die bisher beschriebenen Lipoproteinaphereseverfahren in einem ersten Schritt eine Plasmaseparation voraussetzen, ist dies bei den Vollblutapherese-Verfahren nicht erforderlich. Bei diesen Systemen enthalten die Säulen granulierte adsorbierende Substanzen, welche aus dem durchfließenden Vollblut auch hier nach dem Prinzip der Chemoadsorption semi-selektiv die Lipoproteine entfernen. Die Kapazität und Effizienz der eingesetzten Einmalsysteme werden durch die Austauschfläche und die Kontaktzeit des Blutes mit der adsorbierenden Substanz bestimmt. Der Hauptvorteil von Vollblutverfahren liegt in ihrem einfachen Systemaufbau durch Wegfall der Plasmaseparation. Aktuell sind zwei Vollblutverfahren zur LDL-Apherese verfügbar: 5 Das Liposorber D®-System (Kaneka, Osaka; Japan) adsorbiert wie das DALI-System die positiv geladenen Lipoproteine LDL, VLDL und Lp(a) mittels negativ geladener Polyanionen direkt aus dem Vollblut [141]. Die Adsorber enthalten – als Modifikation des Liposorber LA-15®-Systems desselben Herstellers – auf Zellulose immobilisiertes Dextransulfat. Die Antikoagulation erfolgt ebenfalls durch Kombination von Heparin und Citrat. 5 Das adsorbierende Granulat des zweiten Vollblutverfahrens zur Lipoproteinapherese, das DALI®-System (Direkte Adsorption von Lipoproteinen, Fresenius HemoCare, St. Wendel) enthält als Liganden negativ geladenes Polyacrylat, immobilisiert auf Polyacrylamid [99]. Die Bindung der Lipoproteine beruht auf elektrostatischer Wechselwirkung. Es stehen 5 DALI-Konfigurationen unterschiedlicher Kapazität zur Verfügung (300, 500, 750, 1000, 1250 ml). Im vom Hersteller empfohlenen/zugelassenen Verfahren erfolgt die erforderliche Antikoagulation mittels kombinierter Gabe eines Heparinbolus (20 IE/kgKG) und kontinuierlicher Zumischung von Citrat im Verhältnis von 1:20.
33.3.4
Indikationen zu selektiven Aphereseverfahren
In den letzten Abschnitten wurden bereits einzelne Indikationen erwähnt. . Tab. 33.2 enthält in Anlehnung an die Empfehlungen der deutschen und amerikanischen Fachgesellschaften [28][138] den Stand der Evidenz im Jahr 2009 zu einzelnen Indikationen für therapeutische Apheresen einschließlich der selektiven Verfahren. 33.4
Therapeutische Zytapherese
Bei einer therapeutischen Zytapherese werden pathologisch vermehrte oder veränderte Blutzellen entfernt und im Falle von Eryth-
rozyten bei Bedarf auch gegen gesunde ausgetauscht. Zum Einsatz kommen typischerweise Zellseparatoren. Die Funktionsweise derselben ist bereits im 7 Kap. 16.7 dargestellt. Das Ausmaß der tatsächlich depletierten Zellen und/oder die theoretisch damit zu erwartende Reduktion der zirkulierenden Zellzahl stimmen häufig nicht gut mit den zu Beginn der Apherese berechneten Werten überein. Die möglichen Ursachen hierfür umfassen ein eventuell pathologisch erhöhtes Blutvolumen (z. B. Polycythaemia vera), Freisetzung von Zellen aus dem marginalen Pool des Knochenmarks oder aus einer vergrößerten Milz (z. B. myeloproliferative Syndrome) sowie ein nicht erwartetes Sedimentationsverhalten der Zielzellen [57]. Deswegen ist es insbesondere bei Zelldepletionen hilfreich, während des Verfahrens aus Blutproben des Patienten Zwischenwerte zu erheben, um das zu prozessierende Volumen gezielter festlegen zu können.
33.4.1
Therapeutische Erythrozytapherese
Bei einer Erythrozytapherese (EA) wird dem Patienten mittels Zellseparator eine definierte Menge an Erythrozyten entnommen und entweder durch eine zellfreie Elektrolytlösung (»Erythrozytendepletion«) oder durch Spendererythrozyten (»Erythrozytenaustausch«) ersetzt. Während bei Hämoglobinopathien, Parasitämien sowie im Rahmen einer minor-inkompatiblen Stammzelltransplantation die Indikation zu einem Erythrozytenaustausch gegeben sein kann, genügt bei einer Hämochromatose oder Polycythaemia vera die einfache Erythrozytendepletion. Einen Überblick über die Indikationen zur therapeutischen Erythrozytapherese gibt . Tab. 33.2. Bei Eingabe von Geschlecht, Größe, Gewicht und Hämatokrit berechnet die Software moderner Zellseparatoren das zirkulierende Gesamtblut- und Erythrozytenvolumen eines Patienten. Bei einem Erythrozytenaustausch ist es als Besonderheit zudem erforderlich, den Hämatokrit der Erythrozytenkonzentrate sowie den nach Ende der Behandlung angestrebten verbleibenden Anteil patienteneigener Erythrozyten und den Zielhämatokrit einzugeben. Die Software der Geräte berechnet dann die Erythrozytenvolumina, welche zum Erreichen der Vorgaben entfernt bzw. ersetzt werden sollten. Da die Bestellung der Erythrozytenkonzentrate normalerweise bereits im Vorfeld geschehen muss, kann deren erwarteter Bedarf in etwa kalkuliert werden, indem auch hier vereinfacht ein Einkompartmentmodell angenommen wird. Die Kurve der relativen Effizienz eines Erythrozytenaustausches in Bezug auf das prozessierte Patientenerythrozytenvolumen verläuft dann wie diejenige für einen Plasmaaustausch, d. h. in Analogie zur Darstellung in . Abb. 33.2. Die Effizienz eines Erythrozytenaustausches lässt sich hingegen in einigen Fällen einfach steigern, indem zu Beginn der Apherese (in der Regel nicht mehr als 300 ml) nur mit einem Volumenersatzmittel substituiert wird (z. B. physiologische Kochsalzlösung). Das Apheresat dieser Phase besteht dann zu 100 % aus Patientenerythrozyten. Die Hämodilutionstoleranz des Patienten ist dabei zu beachten und ein minimaler Hämatokrit von 0,20 sollte möglichst nicht unterschritten werden. 5 Bei einer Sichelzellerkrankung handelt es sich um eine angeborene Hämoglobinopathie mit mutationsbedingtem Ersatz des Valins durch Glycin an Position 6 der β-Polypeptidkette des Hämoglobins (HbS). Die Erythrozyten verwandeln sich bei Hypoxie zu wenig verformbaren Sichelzellen, die vasookklusive Symptome hervorrufen können. Bei homozygoten Trägern beobachtet man in der Regel eine höhere Morbidität und Mortalität als bei heterozygoten Formen oder Varianten mit heterozygot kombinierten weiteren Störungen (z. B. Thalassämien).
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33.4 • Therapeutische Zytapherese
5 Besonders kritisch und häufig sehr schmerzhaft sind sog. vasookklusive Krisen, welche alle Organe betreffen und besonders schwerwiegende bis letale Verläufe bei einem »acute chest syndrome« oder einem ischämischen zerebralen Insult zeigen können. Bei gravierenden derartigen Ereignissen führt (neben den sonst üblichen Maßnahmen) ein Erythrozytenaustausch – über die effiziente und kreislaufschonende Entfernung des Großteils der HbS-Erythrozyten und deren Ersatz durch Spendererythrozyten – häufig zu einer raschen klinischen Remission. Ziel der Erythrozytapherese ist ein verbleibender Anteil an Patientenerythrozyten von weniger als 30 %. Dazu ist in der Regel das 1,5- bis 2-fache Erythrozytenvolumen des Patienten auszutauschen. Auch wenn hierfür keine beweisenden randomisierten kontrollierten Studien vorliegen, ist diese (Notfall!-) Indikation breit anerkannt und einer einfachen Transfusion vorzuziehen [138]. Zumindest bei zerebralem Insult konnte zudem gezeigt werden, dass eine adäquate chronische Transfusionsstrategie über mindestens 4 Jahre oder – möglicherweise bevorzugt – eine chronische manuelle oder maschinelle Erythrozytenaustauschbehandlung als Sekundärprophylaxe sehr gut wirksam ist [84][154]. 5 Möglicherweise ist eine Erythrozytapherese auch bei anderen vasookklusiven Ereignissen (z. B. Priapismus, Myokardinfarkt) als (Begleit-)Therapie bzw. Sekundärprophylaxe wirksam, aber leider sind diese gut begründbaren Annahmen ebenfalls aktuell noch nicht mit ausreichender Evidenz belegt [74][78]. Ähnliches gilt für den prophylaktischen Einsatz der Erythrozytapherese, z. B. im Rahmen einer Schwangerschaft (bekannte erhöhte fetale und maternale Komplikationsrate) oder einer perioperativen Betreuung [46][106] und wird zum Teil kontrovers diskutiert [56][93]. Für die Erythrozytapherese sollten in den soeben beschriebenen Situationen bevorzugt frische (≤7 Tage) Erythrozytenkonzentrate verwendet werden. Um eine Immunisierung möglichst weitgehend zu vermeiden, sollte zudem auf eine Kompatibilität bezüglich der wichtigsten erythrozytären Alloantigene geachtet werden. So wird beispielsweise in der Schweiz empfohlen, die Erythrozytenkonzentrate nicht nur Rh/K-Phänotyp-kompatibel auszuwählen, sondern, soweit möglich, auch die Antigene Jk(a), Jk(b), S, s, Fy(a) und Fy(b) mitzuberücksichtigen [124]. 5 Neben der Behandlung in den genannten akuten Situationen kann ein maschineller Erythrozytenaustausch auch zur Langzeitbehandlung von chronisch transfusionspflichtigen Sichelzellpatienten eingesetzt werden. Die Vorteile sind eine effizientere und schonendere Senkung des HbS-Anteils, längere Behandlungsintervalle sowie weitgehende Vermeidung einer Eisenüberladung. 5 In Analogie gilt dies offensichtlich auch für Patienten mit chronisch transfusionspflichtigen Thalassämien [11]. Die Voraussetzungen sind dabei stets eine technische Verfügbarkeit des Verfahrens sowie geeignete Venenverhältnisse der Patienten. 5 Als eine weitere mögliche Indikation für eine Erythrozytenaustauschbehandlung gelten die parasitären Erkrankungen Malaria und Babesiose. Entsprechende Erfahrungen bei massiver Parasitämie im Rahmen von Filariosen beschränken sich auf Fallberichte (z. B. [115]). Primäres Ziel der Therapie ist dabei stets eine möglichst rasche Reduktion der Patientenerythrozyten (und damit auch der Parasitämie) auf einen verbleibenden Anteil von unter 10–20 %. Hierzu ist in der Regel das 1,5- bis 2-fache Erythrozytenvolumen des Patienten auszutauschen und die Therapie bei Bedarf täglich zu wiederholen.
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Bei einer schweren Malaria liegt – je nach Definition – eine Parasitämie mit Mindestbefall von 5–10 % der Erythrozyten vor sowie in unterschiedlicher Ausprägung und Zusammensetzung Hinweise auf Organschädigungen (insbes. Nieren, Leber, ZNS), Kreislaufinsuffizienz, Acidose, disseminierte intravasale Gerinnung und Hämoglobinurie [148][152][164]. Eine maschinelle Erythrozytenaustauschbehandlung oder eine manuelle Austauschtransfusion gelten bei einer schweren Malaria als anerkannte adjuvante Therapie [125][153]. Erstere ist möglicherweise von Vorteil, da sie zu einer rascheren Senkung der Parasitämie führt, eine geringere Kreislaufbelastung verursacht und keine Dilutionskoagulopathie hervorruft. Diese Vorteile überwiegen vermutlich den theoretisch diskutierten positiven Effekt der zusätzlichen Entfernung von Toxinen und Mediatoren durch einen manuellen Vollblutaustausch [125]. Bei einer Babesiose mit Parasitenbefall von mindestens 10 % der Erythrozyten wird insbesondere bei immundefizienten oder älteren Patienten die Indikation zur maschinellen Erythrozytenaustauschbehandlung vergleichbar zur Malaria gesehen [131][135]. Da Babesien streng intra-erythrozytär vorliegen, ist die Effektivität des Erythrozytenaustausches sehr hoch. Eine weitere nur mit wenigen Daten belegte, aber theoretisch gut begründbare Indikation für eine Erythrozytenaustauschbehandlung, ist die minor- oder bidirektional inkompatible Stammzelltransplantation. In diesen Fällen führen vom Transplantat stammende ABO-Isoaggglutinine möglicherweise zu einer schweren (verzögerten) hämolytischen Transfusionsreaktion beim Empfänger. Die durch dieses potenziell schwere Krankheitsbild resultierende erhöhte transplantationsassoziierte Mortalität kann offensichtlich vermieden werden, wenn ein bis zwei Tage vor der Transplantation eine Erythrozytenaustauschbehandlung gegen Erythrozyten der Blutgruppe 0 durchgeführt wird [159]. Schließlich gibt es Fallberichte über den Einsatz einer Erythrozytenaustauschbehandlung zur Vermeidung einer RhesusD-Immunisierung bei jungen, Rhesus-D-negativen Frauen, welchen als Notfallbehandlung Rhesus-D-positive EKs transfundiert werden mussten. Stehen innerhalb von 72 h genügend Rhesus-D-negative EKs zur Verfügung, kann durch eine Erythrozytenaustauschbehandlung (Ziel: Reduktion des Anteils Rhesus-D-positiver Erythrozyten auf möglichst unter 10 %) und anschließende Anti-D-Prophylaxe in entsprechender Dosierung eine Immunisierung verhindert werden [5][96]. Bei einer unbehandelten hereditären Hämochromatose führt die Eisenüberladung häufig sekundär zu Organschäden. Aktuell gilt der klassische Aderlass (therapeutisch und prophylaktisch) als Therapie der Wahl. Zu Beginn der Behandlung kann eine sehr hohe Frequenz erforderlich werden (oftmals mindestens wöchentlich), und die Zahl der Aderlässe bis zum Erreichen des Zielferritinwerts (i. d. R. <50 μg/l) liegt nicht selten weit über 50. Zur effizienteren Depletion des Speichereisens kann deshalb alternativ die maschinelle Erythrozytendepletion eingesetzt werden. Während mit einem Aderlass ca. 250 ml Erythrozytenkonzentrat entfernt werden können, ist mit einer einzigen Erythrozytapherese die Entnahme von bis zu 1000 ml möglich. Es liegen Hinweise dafür vor, dass hiermit die Behandlungstage und die Gesamtdauer der Therapie um jeweils ca. 70 % reduziert werden können, wodurch als Nebeneffekt (trotz teurerer maschineller Einzelbehandlungen) auch die Kosten beider Behandlungsstrategien vergleichbar werden [114].
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Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
5 Bei einer noch unbehandelten Polycythaemia vera können extreme Hämatokritwerte unter anderem durch den damit verbundenen Anstieg der Blutviskosität zu erheblichen thromboembolischen Komplikationen führen. Als Primärmaßnahme wird der klassische Aderlass oder eine Erythrozytapherese empfohlen. Das Ziel ist ein Hämatokrit von unter 0,45. In Extremfällen (z. B. Hämatokritwerte von deutlich über 0,70) ist eine Erythrozytapherese dem Aderlass als Akutmaßnahme möglicherweise vorzuziehen, weil dadurch eine raschere und kreislaufschonendere Senkung des Hämatokrits herbeigeführt werden kann [160]. Von manchen Autoren wird die Erythrozytapherese auch als Erhaltungstherapie dem einfachen Aderlass vorgezogen, weil damit größere Therapieintervalle ermöglicht werden [69].
33.4.2
33
Therapeutische Leukozytapherese
Die überwiegende Zahl an therapeutischen Leukozytapheresen (LA) wird heute bei Patienten mit extremer Leukozytose (Hyperleukozytose) im Rahmen einer akuten oder chronischen Leukämie durchgeführt. Die in diesem Kontext wichtigsten klinischen Folgen der extrem erhöhten Leukozytenzahl sind das Leukostase- und Tumorlysesyndrom. 5 Ein Leukostasesyndrom infolge Hyperleukozytose gilt als gesicherte Indikation zur Leukozytapherese. Bei diesem Krankheitsbild kommt es nach aktuellem Verständnis durch eine erhöhte Blutviskosität sowie veränderte Verformbarkeit und Adhäsivität der Zellen – und hier offensichtlich insbesondere der blastären Elemente – zu einer Störung der Mikrozirkulation in verschiedenen Geweben und Organen mit konsekutiv ischämischen Läsionen und eventuell sekundären, distalen Hämorrhagien [13][104]. Charakteristisch für das Leukostasesyndrom ist eine Beteiligung der Lungenstrombahn und des ZNS, aber im Grunde können alle Organe und Gewebe betroffen sein [13]. Neben der klinischen Wirksamkeit einer Leukozytapherese gelang in Einzelfällen auch der bildgebende Nachweis einer verbesserten Durchblutung der betroffenen Organe [72]. Obwohl klare Hinweise dafür bestehen, dass die Behandlung des Leukostasesyndroms mittels Leukozytapherese in der Regel rasch zu einer symptomatischen Besserung führt und die Frühmortalität von AML-Patienten gesenkt werden kann, zeigen die bisher verfügbaren Daten dennoch keinen mittelund langfristigen Überlebensvorteil [21][45][50]. Es gibt keine allgemein anwendbare, kritische Leukozytenzahl als Grenzwert zur Indikation für eine Leukozytapherese. Neben der Zellzahl und der Konstitution des Patienten ist insbesondere von Bedeutung, ob es sich bei der Hyperleukozytose primär um eine Vermehrung myeloischer oder lymphatischer sowie blastärer oder reifzelligerer Elemente handelt. Myeloische Blasten führen dabei gelegentlich schon bei 50–100 G/l zu Symptomen, während reifzellige lymphatische Zellen oftmals auch bei über 500 G/l asymptomatisch bleiben [57][105]. Da eine Leukozytapherese die Symptomatik des Patienten rasch zu bessern vermag und zumindest die Frühmortalität der Patienten senkt, wurde diese Indikation von der ASFH in die Kategorie I gestuft [138]. Bei manifestem Leukostasesyndrom sollte dabei mindestens das 1,5- bis 2-fache Patientenblutvolumen prozessiert werden. Ziel ist ein Abklingen der Symptomatik und bei myeloischen/blastären Leukämien das Absenken der Leukozytenzahl auf möglichst deutlich unter 100 G/l, bei lymphatischen/reifzelligen Leukämien deutlich unter 300 G/l [57]
[138]. Eine Wiederholung der Leukozytapherese kann nach Klinik und Werten täglich erfolgen. Bei Schwangeren und Patienten mit absoluten Kontraindikationen für eine zytoreduktive medikamentöse Therapie kann auch eine längerfristige palliative Anwendung der Leukozytapherese erwogen werden [111]. Bei Planung und Durchführung eine Leukozytapherese sollte beachtet werden, dass bei Transfusionsbedarf der Patienten die Gabe von Erythrozytenkonzentraten erst nach oder frühestens am Ende einer LA erfolgen sollte, um die bereits kritische Viskosität des Blutes nicht noch weiter zu erhöhen [55]. Ferner wird von verschiedenen Autoren bei Vorliegen einer akuten Promyelozytenleukämie von einer Leukozytapherese abgeraten, weil dadurch möglicherweise eine akute, fatale Verschlechterung einer in der Regel begleitenden Gerinnungsstörung ausgelöst werden kann [150]. 5 Obwohl in Risikokonstellationen auch bei asymptomatischen Patienten eine Leukozytapherese als prophylaktische Maßnahme gut begründbar erscheint, liegt hierfür sehr wenig Evidenz vor, weshalb die Einzelfallentscheidung hier in der Regel von den lokalen Gegebenheiten und individuellen Beurteilungen abhängt [21][45][103][144]. Ähnliche Überlegungen gelten auch für den denkbaren Einsatz einer Leukozytapherese zur Prophylaxe eines Tumorlyse-Syndroms. 5 Einen gänzlich anderen Hintergrund hat der Einsatz einer Leukozytapherese bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Bei den zwei zur Verfügung stehenden, in den 90er Jahren in Japan entwickelten Methoden handelt sich um Vollblutverfahren. Die eingesetzten Adsorbersäulen depletieren entweder über die Bindung an Cellulose-Acetat vornehmlich aktivierte Granulo- und Monozyten (Adacolumn®, Otsuka Pharma GmbH, Frankfurt a. M.) oder über eine Polyesterfaserfüllung bevorzugt Granulo-, Lympho- und Thrombozyten (Cellsorption®, Diamed Medizintechnik GmbH, Köln). Aufgrund ihrer negativen Oberflächenladung gelten die hierfür weiter oben genannten Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen. Bei einer typischen Behandlungsserie werden 1- bis 2-mal pro Woche insgesamt 5–10 Leukozytapheresen durchgeführt. Über jeweils 60–90 min werden zwischen 30 und 50 ml Vollblut pro Minute prozessiert. Die klinisch beobachtete Wirksamkeit kann sicher nicht durch diese sehr partielle Depletion der Granulo- und (Lympho-)Monozyten alleine erklärt werden. Aktuelle Studien bieten Hinweise auf immunmodulierende Wirkungen der Verfahren mit Einflussnahme auf regulatorische T-Zellen, dendritische Zellen sowie Zytokine und Entzündungsmediatoren [25][64][70]. Obwohl das Wirkprinzip noch nicht genügend geklärt ist, lassen jüngste, z. T. prospektive randomisierte Studien eine klinisch relevante Wirksamkeit annehmen [4][53][60][116][117]. In Japan sind beide Verfahren bei Patienten mit medikamentös unzureichendem Ansprechen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung seit 2004 als eine anerkannte, kassenpflichtige Therapie zugelassen. Die Verfahren verfügen in Europa zwar über eine CE-Zertifizierung, haben aber außerhalb Japans noch keine breitere Anwendung gefunden. In den USA sind sie noch nicht zugelassen (Stand 2010).
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33.4 • Therapeutische Zytapherese
33.4.3
Therapeutische Thrombozytapherese
Die therapeutische Thrombozytapherese (TA) wird überwiegend bei Patienten mit symptomatischer Thrombozytose durchgeführt. Eine Thrombozytose (Thrombozytenzahl ≥450 G/l) ist meist eine unspezifische, reaktive Begleiterscheinung verschiedenster Erkrankungen und Zustände, wie z. B. akuter Blutverlust, Infektion, Eisenmangel, hämolytische Anämie, Asplenie, maligne oder chronisch entzündlich Erkrankung. Reaktive Thrombozytosen prädisponieren nicht per se zu einer Thrombophilie oder Blutungsneigung. Ihre Therapie richtet sich primär nach der vorliegenden Grunderkrankung und wird gegebenenfalls durch eine Thromboseprophylaxe mit Heparin oder Acetylsalicylsäure ergänzt [120]. Im Gegensatz dazu ist für Thrombozytosen im Rahmen myeloproliferativer Syndrome (MPS) (insbesondere essenzielle Thrombozythämie (ET) und Polycythaemia vera (PV)) eine Assoziation mit arteriellen und venösen thromboembolischen Ereignissen und/ oder einer Blutungsneigung gut belegt [12][120]. Bei MPS sind thromboembolische Komplikationen sehr häufig. Sie werden im Falle einer essenziellen Thrombozythämie in 11–25 % der Fälle bei Diagnosestellung sowie bei 11–27 % im weiteren Verlauf beobachtet. Bei Patienten mit einer Polycythaemia vera liegen die entsprechenden Frequenzen bei 12–39 % und 10–25 % [12][23][120][143]. Dabei können die Thromboembolien spontan auftreten, sind aber häufiger in Situationen mit bekannter Hyperkoagulabilität (z. B. Immobilisation, Schwangerschaft) oder bei Risikopatienten (z. B. kardiovaskuläre Komorbiditäten, Alter ≥60 Jahre, Thromboembolien in der Anamnese, Vorliegen weiterer Thrombophiliefaktoren) zu beobachten. Als weitere krankheitsspezifische Risikofaktoren zeigten sich ganz aktuell das Vorliegen der für eine essenzielle Thrombozythämie typischen JAK2(V617F)-Mutation sowie eine Leukozytenzahl >8,4 G/l [101]. Eine unkontrollierte Thrombozytose im Rahmen einer essenziellen Thrombozythämie oder anderen myeloproliferativen Erkrankungen kann nicht nur zu Thromboembolien führen, sondern etwas weniger häufig auch zu Blutungen. Eine Thrombozytenzahl >1500 G/l (109/l) ist besonders häufig mit einer Blutungsneigung assoziiert und wird in der Regel als Folge einer erworbenen vonWillebrand-Erkrankung angesehen [143]. Bei Patienten mit myeloproliferativer Erkrankung und symptomatischer Thrombozytose gilt die Thrombozytapherese als anerkannte und rasch wirksame Therapieoption zur Vermeidung von rezidivierenden oder progredienten thromboembolischen sowie hämorrhagischen Ereignissen (. Tab. 33.2) [138]. Das Absenken der Thrombozytenzahl durch eine Thrombozytapherese (möglichst ≤600 G/l) führt zwar in der Regel zu einer raschen Besserung, aber ohne begleitende medikamentös-zytoreduktive Therapie kommt es praktisch immer zu einem raschen Wiederanstieg der Thrombozytenwerte und oftmals der damit verbundenen Symptomatik. Als Überbrückung bis zur Wirksamkeit der zytoreduktiven Medikamententherapie sollte deshalb die Thrombozytenzahl durch wiederholte Thrombozytapherese auf Werte unter 600 G/l gehalten werden [138]. Die Frequenz der Behandlungen richtet sich dabei nach Klinik und Blutbild. Bei Schwangeren und Patienten mit absoluten Kontraindikationen für eine medikamentöse Therapie kann auch eine längerfristige palliative Anwendung der Thrombozytapherese erwogen werden. Bei einer Thrombozytapherese sollte mindestens das 1,5- bis 2-fache Patientenblutvolumen prozessiert werden, wodurch eine Thrombozytendepletion von 30–60 % erreicht werden kann. Allerdings gilt insbesondere hier, dass die im zirkulierenden Blut erzielbare Absenkung der Thrombozytenzahl häufig nicht das anhand des
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prozessierten Volumens rein rechnerisch erwartete Maß erreicht. Deshalb empfiehlt sich stets, vor dem Beenden einer Thrombozytapherese die Thrombozytenzahl des Patienten zu kontrollieren, um zu beurteilen, ob das geplante Ziel (z. B. Absenkung um 50 %) auch tatsächlich erreicht wurde. Als weitere Besonderheit kann eine Erhöhung der ACD-A-Beimischung (z. B. ACD-A-zu-Vollblut-Verhältnis auf 1:6 reduzieren) erforderlich sein, um einer (okkludierenden) Aggregatbildung in den Schlauchsystemen entgegen zu wirken. Ein Flüssigkeitsersatz ist normalerweise nicht notwendig, erfolgt aber bei Bedarf mit Elektrolytlösungen.
33.4.4
Extrakorporale Photochemotherapie (EPC)
Die extrakorporale Photochemotherapie (EPC, Synonym: Photopherese) wurde 1985 primär zur Behandlung kutaner T-Zell-Lymphome beschrieben [33]. Als Grundlage diente die Kombinationstherapie mittels Psoralen und UVA-Bestrahlung, welche sich zuvor insbesondere bei Psoriasis, aber auch Neurodermitis und Vitiligo bewährt hatte (Übersicht z. B. bei [83]). Bei einer EPC handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren. Zunächst werden aus dem Vollblut durch eine Leukapherese die mononukleären Zellen (MNZ) abgetrennt. Den MNZ wird in einem zweiten Schritt der Photosensibilisator 8-Methoxypsoralen (8-MOP) hinzugefügt. Anschließend wird das Zellkonzentrat mit UVA-Licht bestrahlt, wodurch es bei den meisten Zellen zu einer kovalenten Vernetzung ihrer komplementären DNA-Stränge kommt. Nach einer kurzen Inkubationszeit werden die Zellen dem Patienten zurückgeführt. Für die Behandlungen stehen »komplette« Photopheresesysteme zur Verfügung, welche in einem extrakorporalen Kreislauf alle Schritte verbinden (z. B. [77]). Daneben sind auch diskontinuierliche Verfahren mit manuellen Zwischenschritten beschrieben, welche vor allem bei Patienten mit sehr kleinem Blutvolumen (insbesondere kleine Kinder) oder mit Kontraindikationen für eine Apheresebehandlung von Vorteil sind (z. B. [51]). Ein Therapiezyklus beginnt typischerweise mit zwei Behandlungen an aufeinanderfolgenden Tagen, angeschlossen werden wöchentliche bis 14-tägige Intervalle. Dabei werden pro Therapiesitzung ca. 2–5 % der zirkulierenden Lymphozyten des Patienten behandelt. Die Dauer der Therapiezyklen beträgt mindestens 2–4 Wochen und richtet sich primär nach der jeweiligen Indikation und dem klinischen Verlauf. Es ist zu beachten, dass im Anschluss an die Behandlung über ca. 24 h eine erhöhte Lichtempfindlichkeit besteht. Der Patient muss deshalb auf das Tragen einer Lichtschutzbrille (UVA-Brille mit Seitenschutz) und die Vermeidung einer direkten Sonnenlichtexposition seiner Haut hingewiesen werden. Bei Aphakie besteht zudem das Risiko UV-induzierter Netzhautschäden. Im übrigen ist die extrakorporale Photochemotherapie ohne nennenswerte verfahrensspezifische Nebenwirkungen [41][77][119]. Die Wirkungsmechanismen einer extrakorporalen Photochemotherapie sind noch nicht vollständig geklärt. Die Behandlung induziert bei der Mehrheit der Lymphozyten eine Apoptose. Im Gegensatz dazu scheinen die Monozyten diesbezüglich resistent zu sein und werden offensichtlich zur Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen aktiviert. An den komplexen immunmodulierenden Effekten sind nach aktuellen Studien ferner die Aktivierung von Makrophagen und Antigen-präsentierenden (insbesondere dendritischen) Zellen sowie regulatorische T-Zellen beteiligt. Insgesamt wird postuliert, dass die Effekte in ihrer Summe zum einen zu einer Elimination von malignen Zellen oder Autoimmunität unterhal-
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Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
tenden Klonen sowie zu einer Verminderung von unerwünschten Immunreaktionen führen [44][87][139][155]. Nachdem sich die extrakorporale Photochemotherapie in der Behandlung von kutanen T-Zell-Lymphomen bereits früh etabliert hatte und nach wie vor einen festen Stellenplatz in einschlägigen Empfehlungen einnimmt [107][119][138], wurden in den Folgejahren zahlreiche weitere Indikationen in Studien und Fallserien geprüft. Dabei stellte sie sich in erster Linie als sichere, effektive und nebenwirkungsarme Begleittherapie zur Kontrolle und Behandlung von akuter und chronischer Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) dar [38][76][119][138]. Obwohl keine (größeren) randomisierten, kontrollierten Daten vorliegen, hat die EPC sich ferner bei einer Abstoßungsreaktion nach Herz- und möglicherweise auch Lungentransplantation als hochwahrscheinlich wirksam erwiesen [8][10][95]. Die wenigen publizierten Studien bei Pemphigus vulgaris lassen auch hier einen Effekt annehmen [54]. . Tab. 33.2 enthält die aktuelle Bewertung der Evidenz bei den verschiedenen Indikationen gemäß Empfehlungen der ASFA und der DGTI. Über weitere mögliche Indikationen, wie z. B. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa [2], neu aufgetretenen Diabetes Typ 1 [66] und atopische Dermatitis [118] liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor, um deren hinreichende Bewertung zu erlauben.
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Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
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Kapitel 33 • Therapeutische Hämapherese
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479
Immunmodulatorische Wirkung von Bluttransfusionen G. Bein
34.1
Einleitung – 480
34.2
Mechanismen der transfusionsinduzierten Immunmodulation – 480
34.2.1 34.2.2 34.2.3
Immunmodulation und Leukozytenkontamination – 481 Genetische Faktoren der transfusionsinduzierten Immunmodulation – 481 Transfusionsinduzierte Immunmodulation durch lösliche HLAMoleküle – 482 Transfusionsinduzierte Immunmodulation durch andere Membranbestandteile und Mediatoren aus Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten – 482
34.2.4
34.3
Klinische Studien – 482
34.3.1 34.3.2 34.3.3 34.3.4 34.3.5
Allogene Bluttransfusion und Transplantatüberleben – 482 Allogene Bluttransfusionen in der Therapie habitueller Aborte – 483 Allogene Bluttransfusionen und Tumorrezidiv – 483 Allogene Bluttransfusion und postoperative bakterielle Infektionen – 483 Allogene Bluttransfusion und Virusaktivierung – 484
34.4
Gezielte Immunmodulation durch zelltherapeutische Verfahren – 484 Literatur – 484
34
480
Kapitel 34 • Immunmodulatorische Wirkung von Bluttransfusionen
Die Übertragung von Fremdblut wurde mit immunmodulatorischen Wirkungen in Verbindung gebracht, zu denen v. a. die Verlängerung des Überlebens von Nierentransplantaten bei Patienten mit Transfusionen in der Vorgeschichte gehört. Aber auch unerwünschte immunmodulatorische Wirkungen von Bluttransfusionen wie eine erhöhte Rezidivrate nach operativer Tumorresektion und häufigere, postoperative Infektionen wurden wiederholt beschrieben. Unklar blieb, ob diese Wirkungen im kausalen Zusammenhang mit der Transfusion stehen oder Folge prognostischer Faktoren sind, die zu einer Bluttransfusion führten. Neuere klinische Studien haben einige der postulierten immunmodulatorischen Wirkungen als Folge von Bluttransfusionen nicht bestätigt. Auch ist nach Einführung der generellen Leukozytendepletion von Blutkomponenten in vielen Ländern ein antigenspezifischer Effekt solcher Blutkomponenten auf das Immunsystem nicht mehr in derselben Weise zu erwarten. Indirekte immunmodulatorische Effekte, möglicherweise ausgelöst durch Lagerungsveränderungen der transfundierten Erythrozyten, wurden zwar vermutet, sie sind bisher aber nicht ausreichend belegt. Derzeit werden zelluläre Therapieverfahren für eine gezielte Immunmodulation in der Behandlung von Transplantations- und Tumorpatienten entwickelt, die zukünftig große Bedeutung erlangen können.
34.1
34
Einleitung
1953 entdeckten Billingham, Brent und Medawar das Phänomen der neonatalen Immuntoleranz [4]. Es besagt, dass neugeborene Mäuse, denen allogene Milzzellen eines anderen Mausstammes infundiert werden, eine Immuntoleranz gegenüber später übertragenen Hauttransplantaten desselben Mausstammes entwickeln, Transplantate eines dritten Mausstammes dagegen abstoßen (donorspezifische Immuntoleranz). Der gleiche Versuch mit Infusion von Milzzellen in erwachsene Tiere führt dagegen zur Immunisierung mit beschleunigter Abstoßung des Hauttransplantats. Mit Beginn der klinischen Nierentransplantation in den 1960er Jahren wurde zunächst postuliert, dass die Übertragung von Fremdblut mit einer unerwünschten Immunisierung gegen fremde Transplantationsantigene einhergehen würde, was zur Folge hatte, dass Transplantationspatienten zunächst äußerst restriktiv transfundiert wurden. Dies änderte sich, als 1971 tierexperimentell gezeigt werden konnte, dass eine Blutübertragung von einem Spendertier vor einer anschließenden Transplantation eines Organs desselben Tieres (donorspezifische Transfusion) auch bei ausgewachsenen Tieren zu einer Verlängerung des Transplantatüberlebens führen kann [18]. Eine retrospektive klinische Studie [29] zeigte dann ebenfalls, dass auch Patienten, die vor einer Nierentransplantation transfundiert worden waren, ein deutlich besseres Transplantatüberleben aufwiesen als Patienten ohne Transfusion in der Vorgeschichte. Dieser Befund wurde durch zahlreiche klinische Studien zunächst bestätigt und als »Transfusionseffekt« bei Organtransplantationen bezeichnet. Er wurde als »immunsuppressive« Wirkung von Blutübertragungen gedeutet und anschließend mit verschiedenen klinischen Beobachtungen wie einer erhöhten Rezidivrate nach Resektion von Karzinomen [10], gehäuften postoperativen bakteriellen Infektionen [36], einer Aktivierung von CMV- [25] und HIV-Infektionen [5] sowie der verminderten Häufigkeit von habituellen Aborten bei Frauen nach einer Bluttransfusion [37] in Verbindung gebracht. Zum besseren Verständnis der widersprüchlichen Literatur zur immunmodulatorischen Wirkung einer Bluttransfusion sollen hier
zunächst 4 grundsätzliche methodische Probleme dargestellt werden. 1. Eine Bluttransfusion ist eine medizinische Intervention z. B. zur Behandlung einer akuten oder chronischen Anämie. Transfundierte und nichttransfundierte Patienten unterscheiden sich mithin bereits vor der Transfusion durch mindestens einen wesentlichen prognostischen Faktor (Koinzidenz, »confounding factor«). Ein kausaler Zusammenhang der Bluttransfusion mit dem Krankheitsverlauf oder Krankheitsausgang ist daher prinzipiell nur in prospektiven randomisierten Studien festzustellen. 2. In zahlreichen Untersuchungen zur immunmodulatorischen Wirkung von Bluttransfusionen wurden aus heutiger Sicht grundlegende Prinzipien klinisch-pharmakologischer Studien nicht beachtet: Der Begriff »Bluttransfusion« wurde nicht ausreichend genau definiert. In den Publikationen fehlen z. B. Angaben zur Zusammensetzung der Blutkomponenten (Herstellungsprinzip, Erythrozytenkonzentrat mit »buffy-coat«, ohne »buffy-coat«, leukozytendepletiert), Lagerungstemperatur und -dauer der Blutkomponenten vor der Transfusion, Dosierung, Zeitintervall zwischen Transfusion und klinischem Ereignis, Histokompatibilität zwischen Blutspender und Empfänger u. a. 3. Ergebnisse aus Tierexperimenten wurden unkritisch auf die klinische Medizin übertragen. So ist die Übertragung von frischem Vollblut im Tierexperiment immunologisch anders zu bewerten als die klinische Transfusion von Buffy-coat-depletierten, gelagerten Erythrozytenkonzentraten, da sich z. B. der Anteil lebender Lymphozyten in den genannten Blutpräparaten um mehrere Größenordnungen voneinander unterscheidet. 4. Die Antigenspezifität der immunmodulatorischen Wirkung einer Bluttransfusion sowie mögliche Pathomechanismen wurden häufig nicht adäquat diskutiert. So führt die donorspezifische Transfusion bei einer Organtransplantation zu einer Alloantigen-spezifischen Immunmodulation gegenüber den Transplantationsantigenen des Spenders. Unter der Annahme einer spezifischen Modulation der adaptiven Immunantwort gegenüber den transfundierten Antigenen kann diese Wirkung mithin nicht zu einer Modulation der Immunantwort gegenüber einem autologen Tumor führen, da durch die Transfusion keine Tumorantigene transfundiert werden.
34.2
Mechanismen der transfusionsinduzierten Immunmodulation
Die Alloantigen-spezifische Immunmodulation durch eine donorspezifische Transfusion ist in zahlreichen tierexperimentellen Modellen detailliert untersucht worden, und die Ergebnisse zeigten übereinstimmend, dass sich durch eine Bluttransfusion vom Spendertier auf das Empfängertier vor einer Organtransplantation eine deutliche Verlängerung des Transplantatüberlebens erzielen lässt. Die folgende Übersicht über die Mechanismen der transfusionsinduzierten Immunmodulation stellt daher zunächst die Grundlagen des »Transfusionseffektes« im Zusammenhang mit Organtransplantationen dar.
481
34.2 • Mechanismen der transfusionsinduzierten Immunmodulation
34
. Tab. 34.1 Modulation der Immunantwort gegenüber Transplantationsantigenen durch Bluttransfusionen. Experimentell beschriebene Mechanismen (Auswahl) Prinzip
Mechanismus
Deletion
Klonale Deletion alloreaktiver T-Zellen des Empfängers
Anergie
Die Abwesenheit kostimulatorischer Signale (CD80/86, CD40) an antigenpräsentierenden Zellen des Spenders führt zur Anergie alloreaktiver T-Zellen des Empfängers
Ignoranz
Eine Immunantwort bleibt aus, wenn intravenös zugeführtes Antigen nicht in sekundären lymphatischen Organen präsentiert wird
Immundeviation
Die intravenöse Infusion von Spenderleukozyten führt zur Alloantigen-spezifischen T-Helfer-2-Immunantwort des Empfängers mit Suppression der T-Helfer-1-Zellen des Empfängers
Immunregulation
Induktion regulatorischer T-Zellen des Empfängers
34.2.1
Immunmodulation und Leukozytenkontamination
Es gilt heute als gesichert, dass der Transfusionseffekt bei Organtransplantationen mit dem Leukozytengehalt der transfundierten Blutkomponenten assoziiert ist, wobei insbesondere Antigen-präsentierende Zellen des Blutspenders für die Immunmodulation gegenüber Transplantationsantigenen verantwortlich gemacht wurden [13]. In . Tab. 34.1 sind die wesentlichen, experimentell nachgewiesenen Mechanismen der Antigen-spezifischen Immunmodulation zusammengestellt. Alle setzen die Übertragung »major histocompatibility complex«- (MHC-)Antigen-haltiger Leukozyten voraus, da humane Erythrozyten kaum MHC-Antigene tragen. Von Starzl u. Zinkernagel [35] ist die Hypothese aufgestellt worden, dass die langzeitige Einnistung von Spenderleukozyten im Empfängerorganismus (Chimärismus) Voraussetzung für eine stabile Toleranzinduktion ist. So wurde gezeigt, dass nach einer Bluttransfusion Leukozyten des Blutspenders im Empfänger proliferieren und expandieren können. Bei polytraumatisierten Patienten ließ sich nach Massivtransfusionen, auch mit leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten, ein hoher Anteil von Spenderleukozyten (0,4–4,9 %) im peripheren Blut nachweisen [26]. In gemischten Lymphozytenkulturen der betreffenden Patienten mit Spenderlymphozyten wurde z. T. eine Spender-spezifische Hyporeaktivität nachgewiesen. Unklar blieb, ob die Entwicklung eines Chimärismus nach Transfusion oder Transplantation zu subtilen Formen der Graft-vs.Host-Erkrankung führen kann. Auch nach Schwangerschaften kann sich ein Chimärismus mit fetalen Blutzellen entwickeln, der mit systemischer Sklerose bei den betroffenen Frauen infolge einer fetalen antimaternalen Graft-vs.-Host-Reaktion in Verbindung gebracht wurde [3]. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass fetaler Mikrochimärismus häufig auch bei gesunden Frauen vorkommt. Sein Krankheitswert wird daher auch bestritten [19]. Versuche in jüngerer Zeit, im Rahmen einer Organtransplantation durch simultane Stammzelltransplantation von demselben Spender einen stabilen Chimärismus mit dem Ziel der Toleranzinduktion zu erzeugen [20] [33], sind vielversprechend. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die intravenöse Infusion von allogenen Leukozyten (Antigen-präsentierenden Zellen) und/oder hämatopoetischen Stammzellen unter experimentellen Bedingungen zu einer Modulation der Immunantwort und/oder Toleranz gegenüber den Transplantationsantigenen des Blutspenders führen kann.
34.2.2
Genetische Faktoren der transfusionsinduzierten Immunmodulation
MHC-Kompatibilität zwischen Blut- und Organspender Der »Transfusionseffekt« bei Organtransplantationen ist im Tierexperiment Antigen-spezifisch für die Transplantationsantigene des Blut- und Organspenders. In Experimenten mit F1-Mäusen (heterozygot für 2 verschiedene MHC-Haplotypen) überlebte das Transplantat nur dann länger, wenn der Blutspender Alloantigene (einen MHC-Haplotyp) des späteren Organspenders aufwies (donorspezifische Transfusion) [28]. Die donorspezifische Transfusion war in diesem Modell darüber hinaus jedoch nur wirksam, wenn der Blutspender ebenfalls einen MHC-Haplotyp mit dem Empfänger gemeinsam hatte. Wurde dagegen Blut von einem Spendertier übertragen, das mit dem Empfängertier keinen gemeinsamen MHC-Haplotyp besaß, induzierte die Bluttransfusion keine Verlängerung des Überlebens eines Transplantats vom selben Spendertier. Die letztere Beobachtung trifft allerdings nicht für alle experimentellen Modelle zu, d. h. auch das Überleben von komplett MHC-differenten Transplantaten kann durch eine donorspezifische Transfusion verlängert werden. In der Klinik ist infolge der zahlreichen Allele an den relevanten HLA-Genorten eine zufällige, partielle Übereinstimmung zwischen Blutspendern, Organspendern und Organempfängern im HLA-System selten zu erwarten. Es ist daher fraglich, ob die oben diskutierten Mechanismen der donorspezifischen Immmunmodulation bei Tieren auch auf zufällige Bluttransfusionen bei Transplantationspatienten zutreffen können.
Immunantwortgene (Nicht-MHC-Gene) In Tierexperimenten wurde gezeigt, dass die donorspezifische Transfusion in bestimmten Stammkombinationen zu einer Verlängerung des Transplantatüberlebens, in anderen dagegen zur Transplantatabstoßung führt. Die Arbeitsgruppe von Bell [42] zeigte in Rattenversuchen, dass die donorspezifische Immunsuppression nur dann zu beobachten war, wenn die Abstoßung in dem betreffenden Empfängerstamm vorwiegend durch eine T-Zell-vermittelte Immunantwort ausgelöst wurde. Wenn sich dagegen in Tieren eines anderen Stammes nach donorspezifischer Transfusion spenderspezifische Antikörper gegen MHC-Klasse-I Antigene der Spendertiere entwickelten, führten sie zu einer beschleunigten Abstoßung. Diese Ergebnisse spiegeln vermutlich die unterschiedliche Wirkung einer donorspezifischen Transfusion für Transplantationspatienten wider, die z. T. eine verlängerte Transplantatüberlebenszeit aufweisen,
482
Kapitel 34 • Immunmodulatorische Wirkung von Bluttransfusionen
z. T. aber auch gegen HLA-Antigene immunisiert werden können, was eine beschleunigte Transplantatabstoßung zur Folge hat. Es ist noch unbekannt, welche Gene für die unterschiedliche Reaktionsweise (humorale oder zelluläre Abstoßung) des Immunsystems verantwortlich sind. Die Aufklärung der genetischen Grundlagen für diese unterschiedlichen Reaktionsweisen dürfte entscheidend zur Entwicklung von Therapieverfahren im Rahmen der Immunmodulation beitragen.
34.2.3
Transfusionsinduzierte Immunmodulation durch lösliche HLA-Moleküle
Im Überstand von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten wurden lösliche HLA-Antigene (sHLA) nachgewiesen, die überwiegend aus Leukozyten während der Lagerung freigesetzt werden. Es gibt Hinweise dafür, dass polymorphe und nichtpolymorphe Peptide aus MHC-Klasse-I- und -Klasse-II-Molekülen zu einer Modulation der Alloimmunantwort führen können [43]. Ob In-vitro-Befunde über den Nachweis löslicher HLA-Antigene in Blutkomponenten [12] eine klinische Bedeutung im Rahmen der Therapie mit plasmahaltigen Blutkomponenten haben, ist derzeit nicht bekannt.
34.2.4
34
Transfusionsinduzierte Immunmodulation durch andere Membranbestandteile und Mediatoren aus Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten
Im Überstand von gelagerten, nicht leukozytendepletierten Blutkomponenten kann neben sHLA-Antigenen auch löslicher Fas-Ligand (sFasL) nachgewiesen werden. Deshalb postulierten Puppo et al. [32], dass sFasL über das Fas-Molekül an T- und NK-Zellen die Apoptose-induzierende Aktivität dieser zytotoxischen Zellen hemmen könnte. Da deren Konzentration aber im Nanogrammbereich pro Milliliter liegt, ist es fraglich, ob sie eine Bedeutung in der Transfusionsmedizin haben. Prospektive Studien liegen zu dieser Frage bisher nicht vor. Auch die klinische Bedeutung anderer während der Lagerung von Blutkomponenten aus Leukozyten und Thrombozyten freigesetzten Mediatoren (z. B. Histamin, Plasminogen-activator-Inhibitor-1 (PAI-1), »vascular endothelial growth factor«, Chemokine und Zytokine), deren Konzentration im Überstand im Verlauf der Lagerzeit zunimmt, ist bisher ungeklärt. Die Arbeitsgruppe von Silliman konnte im Überstand von gelagerten Erythrozytenkonzentraten Lipide nachweisen [34], die nach Priming von Versuchstieren mit LPS in einem Ex-vivo-Lungenmodell das Äquivalent einer Transfusions-assoziierten Lungeninsuffizienz (TRALI) auslösen können [21]. Die hier implizierten Lipide wurden sowohl in leukozytenhaltigen als auch in leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten am Ende der Lagerzeit von 42 Tagen nachgewiesen. Die klinische Bedeutung dieses Befundes sollte im Rahmen prospektiver randomisierter Studien mit frischen und gelagerten Erythrozytenkonzentraten überprüft werden.
34.3
Klinische Studien
34.3.1
Allogene Bluttransfusion und Transplantatüberleben
Leichennierentransplantation In einer retrospektiven Analyse wurde 1973 von Opelz et al. wider Erwarten gezeigt, dass Patienten mit Bluttransfusionen in der Vorgeschichte ein deutlich besseres Nierentransplantatüberleben aufwiesen als solche Patienten, die nicht transfundiert worden waren [29]. Diese Beobachtung wurde in den Folgejahren durch zahlreiche retrospektive und prospektive Studien bestätigt. Ende der 1980er Jahre war dieser »Transfusionseffekt« in den großen Transplantationsregistern jedoch nicht mehr nachweisbar, was auf die Einführung von Cyclosporin A in die Immunsuppression von Transplantatempfängern zurückgeführt wurde. Deshalb wurde diese Frage von derselben Arbeitsgruppe in einer prospektiv randomisierten Studie zwischen 1987 und 1994 erneut überprüft [30]. Die Behandlungsgruppe erhielt 3 unausgewählte Transfusionen, während die Kontrollgruppe nicht transfundiert wurde. Der »Transfusionseffekt« ließ sich wiederum nachweisen: Das Transplantatüberleben war nach 5 Jahren bei den 205 Transfusionsempfängern besser als bei 281 Patienten ohne Bluttransfusion (79 % vs. 70 %, p = 0,025). Lagaaij et al. [24] berichteten, dass Bluttransfusionen von Fremdspendern nur dann mit einer Verlängerung des Transplantatüberlebens assoziiert sind, wenn Blutspender und Transplantatempfänger zufällig in einem HLA-DR-Antigen übereinstimmen. War dies nicht der Fall, wurde der »Transfusionseffekt« nicht beobachtet. Diese Hypothese konnte in einer größeren Studie nicht bestätigt werden [16]. Die Induktion einer donorspezifischen Immuntoleranz erfordert im Tierexperiment in der Regel die Übertragung von Leukozyten. Ende der 1990er Jahre ist in den meisten europäischen Ländern die universelle Leukozytendepletion im Rahmen der Herstellung von Blutkomponenten eingeführt worden. Die Praxis, Patienten vor einer geplanten Organtransplantation mit dem Ziel der Induktion einer Immuntoleranz mit Erythrozytenkonzentration von Fremdspendern zu transfundieren, ist auch aus diesem Grund verlassen worden.
Lebendnierenspende und donorspezifische Transfusion Aufgrund der Ergebnisse von tierexperimentellen Untersuchungen [28] wurde die donorspezifische Transfusion vor einer Lebendnierenspende von vielen Gruppen jahrelang eingesetzt. Jedoch hat sich in neueren Untersuchungen dieser die Transplantatüberlebenszeit verlängernde »Transfusionseffekt« der donorspezifischen Transfusion nicht mehr eindeutig nachweisen lassen [1]. Der nicht mehr nachweisbare »Transfusionseffekt« mag seine Erklärung darin finden, dass die Ergebnisse der Lebendnierentransplantation infolge der modernen Immunsuppression in Verbindung mit einer hohen »Organqualität« (im Gegensatz zur Leichennierentransplantation) mit einem Transplantatüberleben von 90–100 % nach einem Jahr bereits so gut sind, dass ein potenzieller Effekt der donorspezifischen Transfusion auf das Transplantatüberleben nur noch in sehr großen und langzeitigen Studien nachgewiesen werden könnte.
483
34.3 • Klinische Studien
34.3.2
Allogene Bluttransfusionen in der Therapie habitueller Aborte
Es wurde postuliert, dass Patientinnen mit wiederholten Aborten ohne erkennbare andere Ursache (habituelle Aborte) eine Störung der Immunregulation aufweisen, die für den Erhalt der semi-allogenen Schwangerschaft notwendig sei. In Analogie zum »Transfusionseffekt« in der Organtransplantation wurde Anfang der 1980iger Jahre vorgeschlagen, Frauen mit habituellen Aborten mit väterlichen Leukozyten oder mit Leukozyten von Fremdspendern (»buffy coat« oder gereinigte Leukozytenpräparationen; i. v. oder s. c.) zu behandeln [37]. Zahlreiche Arbeitsgruppen haben dieses Behandlungskonzept mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen aufgegriffen. Eine Metaanalyse, die 12 prospektiv randomisierte Studien einschloss, in denen väterliche Leukozyten injiziert wurden, sowie 3 Studien, in denen Fremdspenderleukozyten injiziert wurden, zeigte keinen Vorteil in den Behandlungsgruppen gegenüber den Kontrollgruppen [31]. Außerhalb kontrollierter Studien wird daher von einer Behandlung des habituellen Aborts mit väterlichen Leukozyten oder mit Leukozyten von Fremdspendern abgeraten.
34.3.3
Allogene Bluttransfusionen und Tumorrezidiv
Ebenfalls in Analogie zu dem immunmodulierenden »Transfusionseffekt« in der Nierentransplantation wurde Anfang der 1980er Jahre die Hypothese aufgestellt, dass Bluttransfusionen im Zusammenhang mit Tumoroperationen mit einer höheren Rezidivrate und einer schlechteren Prognose assoziiert sind [10]. Seitdem sind weit über 100 retrospektive und prospektive Beobachtungsstudien über den möglichen Zusammenhang zwischen der Rezidivrate nach Tumoroperationen und perioperativer Bluttransfusion publiziert worden [39]. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse, die nur Studien über Patienten mit Kolonkarzinom einschloss, zeigt eine positive Assoziation zwischen perioperativer Bluttransfusion und Rezidivrate des Kolonkarzinoms (OR 1,42; 95-%-CI; 1,20–1,67) [2]. Unklar bleibt jedoch, ob zwischen erhöhter Rezidivrate und Bluttransfusionen ein kausaler Zusammenhang besteht oder ob andere prognostisch ungünstige Begleitumstände (»confounding factors«), die zu den perioperativen Bluttransfusionen führen, mit einer höheren Rezidivrate assoziiert sind. In den drei bis heute vorliegenden, prospektiven Studien mit randomisierten Behandlungsarmen (allogene Bluttransfusion versus autologe Bluttransfusion oder allogene Bluttransfusion versus leukozytendepletierte allogene Bluttransfusion) konnte ein Unterschied in den Behandlungsarmen bei Patienten mit kolorektalem Karzinom nicht nachgewiesen werden. In 2 Studien, in denen die Verumgruppe mit Patienten verglichen wurde, die lediglich autologe Bluttransfusionen erhalten hatten, bestand kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der Rezidivrate [6] [15]. In einer weiteren multizentrischen, prospektiv randomisierten Studie an 697 Patienten mit kolorektalem Karzinom, die bei Bedarf entweder leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate oder Buffy-coat-arme Standard-Erythrozytenkonzentrate erhielten, unterschieden sich die Gruppen hinsichtlich Überleben, krankheitsfreiem Überleben, Rezidivrate oder der Rate postoperativer Infektionen ebenfalls nicht voneinander [17]. Auch bei der Nachuntersuchung derselben Studienpatienten 5 Jahre nach der Tumorresektion fand sich kein Unterschied in der Überlebens- und Rezidivrate zwischen den beiden Behandlungsgruppen [40]. Die Rezidivrate der Patien-
34
ten in den beiden Behandlungsgruppen und derjenigen Patienten, die in die Studie eingeschlossen, aber dann perioperativ nicht transfundiert worden waren, war gleich. Jedoch war die Überlebensrate der nichttransfundierten Patienten höher (72,9 % gegenüber 59,6 %, p < 0,001) als die der transfundierten Patienten. In der Zusammenschau sind also perioperative allogene Bluttransfusionen mit einer schlechteren Prognose nach Tumoroperationen assoziiert. Aus den zurzeit vorliegenden Studien kann daraus jedoch kein kausaler Zusammenhang zwischen Bluttransfusion und Tumorrezidiv und/oder Prognose abgeleitet werden [2]. Vielmehr könnte die Indikation zur Bluttransfusion mit anderen Begleitumständen assoziiert sein (»confounding factors«), die selbst einen kausalen prognostischen Faktor darstellen.
34.3.4
Allogene Bluttransfusion und postoperative bakterielle Infektionen
Eine weitere unerwünschte, möglicherweise immunmodulatorische Wirkung von allogenen Bluttransfusionen wurde aufgrund zahlreicher Beobachtungsstudien in einer erhöhten Häufigkeit postoperativer bakterieller Infektionen gesehen. Zu dieser Frage wurden 22 prospektiv randomisierte Studien publiziert, die den Einfluss von allogenen gegenüber autologen Transfusionen einerseits und von leukozytendepletierten gegenüber nichtleukozytendepletierten Blutkomponenten andererseits untersucht haben. Die Ergebnisse der Studien sind widersprüchlich.
Autologe vs. allogene Transfusion Während Heiss et al. [14] in einem Kollektiv von 120 Patienten nach Operation wegen kolorektaler Karzinome in der mit allogenen Blutkomponenten behandelten Gruppe eine gerade signifikant erhöhte Rate postoperativer Infektionen gegenüber der Gruppe mit Transfusion autologen, gelagerten Blutes fanden, wurde in einer größeren Studie von Busch et al. [6] (n = 470 Patienten) kein Unterschied in der Rate postoperativer Infektionen zwischen den beiden Gruppen beobachtet. Eine Metaanalyse von fünf weiteren Studien, in denen perioperativ gewonnenes autologes Blut (akute normovolämische Hämodilution; intra- oder postoperativ gewonnenes Wundblut) eingesetzt wurde, zeigte ebenfalls keinen Unterschied in der Rate postoperativer Infektionen zwischen den Behandlungsgruppen [39].
Leukozytendepletierte Blutkomponenten vs. nichtleukozytendepletierte Blutkomponenten In 15 weiteren Studien wurde der Einfluss der Depletion von Leukozyten aus Blutkomponenten auf die Rate infektiöser Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen, nach Traumen, nach Verbrennungstraumen, bei HIV-Patienten sowie bei allen hospitalisierten Patienten untersucht. Während insbesondere frühere Untersuchungen eine drastische Reduktion infektiöser Komplikationen bei den Patienten feststellten, die leukozytendepletierte Blutpräparate erhalten hatten, konnte dieser Effekt in der Mehrzahl der neueren Studien nicht mehr nachgewiesen werden [39]. Betrachtet man jedoch die fünf bisher publizierten prospektiv randomisierten Studien an Patienten mit herzchirurgischen Patienten separat, so zeigt eine aktuelle Metaanalyse einen Zusammenhang zwischen 3-Monats-Mortalität und Transfusion leukozytenhaltiger Blutkomponenten [39]. Zusammengefasst: Perioperative Bluttransfusionen sind in zahlreichen Kohortenstudien mit einer erhöhten Rate postoperativer Infektionen assoziiert. Auch hier kann jedoch aus den vor-
Kapitel 34 • Immunmodulatorische Wirkung von Bluttransfusionen
484
. Tab. 34.2 Immunmodulation durch zelltherapeutische Verfahren (Beispiele) Ziel
Prinzip
Autoren
Transplantationstoleranz
Immunmodulation durch mesenchymale Stammzellen
Uccelli et al. 2008 [38]
Transplantationstoleranz
Induktion regulatorischer T-Zellen durch extrakorporale Photochemotherapie
Gatza et al. 2008 [11]
Immunantwort gegen Leukämiezellen
Infusion von Donor-Lymphozyten (DLI) nach allogener Stammzelltransplantation
Kolb 2008 [23]
Immunantwort gegen Leukämiezellen
Wirkung allogener NK-Zellen gegen Leukämiezellen im Rahmen der Stammzelltransplantation
Ruggeri et al. 2002 [35]
Immunantwort gegen Tumorzellen
Induktion einer Immunantwort gegen Tumorantigene durch Vakzinierung mit dendritischen Zellen
Melief 2008 [27]
Immunantwort gegen Zytomegalieviren
Propagierung zytotoxischer T-Zellen in vitro
Einsele et al. 2008 [8]
liegenden Daten kein kausaler Zusammenhang abgeleitet werden. Metaanalysen prospektiv randomisierter Studien lassen den Schluss zu, dass die Leukozytendepletion von Blutkomponenten die Rate postoperativer Infektionen nicht senken kann. Hingegen zeigen Metaanalysen eine Senkung der 30-Tage-Mortalität (alle Ursachen) nach herzchirurgischen Eingriffen durch Einführung der Leukozytendepletion.
Postoperative Infektionen und Lagerzeit von Erythrozytenkonzentraten
34
Häufigere postoperative Infektionen und andere Komplikationen sind auch mit der Lagerzeit (<14 Tage vs. >14 Tage) perioperativ transfundierter Erythrozytenkonzentrate assoziiert worden. Obwohl theoretisch sekundäre Effekte einer veränderten O2- und/oder NO-Bindung sowie einer höheren Rigidität gelagerter Erythrozyten mit konsekutiver lokaler Gewebshypoxie dafür verantwortlich sein könnten, ist die Datenbasis für eine solche Annahme bisher unzureichend. In einer großen retrospektiven Beobachtungsstudie wurde eine Assoziation zwischen der Lagerungsdauer perioperativ transfundierter Erythrozytenkonzentrate mit postoperativen Komplikationen sowie der Mortalität nach herzchirurgischen Eingriffen gezeigt [22]. Die Ergebnisse ähneln denen einer gleichen Studie, die jedoch unter Berücksichtigung von weiteren etablierten Kovariaten (insbesondere die Gesamtanzahl transfundierter Einheiten) einen Einfluss der Lagerungsdauer von Erythrozytenkonzentraten auf den Krankheitsverlauf nicht nachweisen konnte [41]. Die Frage, ob die Lagerungsdauer von Erythrozytenkonzentraten einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf kritisch kranker Patienten nimmt, kann letztlich nur in prospektiv randomisierten Studien untersucht werden. Solche Studien sind kürzlich initiiert worden [9].
34.3.5
Allogene Bluttransfusion und Virusaktivierung
erhielten entweder Standard-Blutkomponenten (Gruppe I) oder leukozytendepletierte Blutkomponenten (Gruppe II). Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 12 Monate (24 Monate bei Überlebenden). In der Gruppe II wurde zwar ein Trend zu einer kürzeren Überlebenszeit beobachtet, beide Gruppen unterschieden sich aber nicht in der Frequenz opportunistischer Infektionen, der Häufigkeit von Transfusionsreaktionen, dem Plasma-HIV-RNA-Spiegel, dem CMV-DNA-Spiegel, den CD4+- und CD8+-Zellzahlen im peripheren Blut sowie anderen Parametern. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Studie ließen keinen Hinweis für eine Virusaktivierung durch Bluttransfusionen oder einen Vorteil der Leukozytendepletion von Blutkomponenten in der Behandlung von HIV-infizierten Patienten erkennen. 34.4
Gezielte Immunmodulation durch zelltherapeutische Verfahren
Die immunmodulatorische Wirkung der Bluttransfusion hat entscheidende Impulse für die Erforschung molekularer und zellulärer Mechanismen der Alloimmunantwort sowie der Immunantwort gegen Tumorantigene geliefert. . Tab. 34.2 zeigt eine Auswahl zelltherapeutischer Verfahren, die derzeit für die gezielte Modulation der Immunantwort gegen Transplantationsantigene, Tumorantigene und Virusantigene entwickelt werden. 30 Jahre nach der Entdeckung der – primär nicht beabsichtigten – Wirkung einer Bluttransfusion auf das Immunsystem wird die molekular und experimentell begründete zelluläre Immuntherapie einen wertvollen Beitrag für die Behandlung von Transplantationspatienten und Tumorpatienten liefern. Das zunehmende Verständnis der Grundlagen einer therapeutischen Immunmodulation könnte künftig auch die spezifische Behandlung von Autoimmunerkrankungen ermöglichen.
Literatur 1972 wurde erstmals darüber berichtet, dass durch allogene Bluttransfusionen eine Zytomegalievirus- (CMV-)Infektion aktiviert werden könnte [25]. Eine Reaktivierung und Ausbreitung von latenten HIV-Infektionen durch übertragene allogene Leukozyten wurde ebenfalls postuliert [5]. Zu dieser Frage wurde eine umfangreiche multizentrische, prospektiv randomisierte Studie durchgeführt [7]. 531 HIV-infizierte Patienten mit transfusionsbedürftiger Anämie
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34
Kapitel 34 • Immunmodulatorische Wirkung von Bluttransfusionen
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487
Blutsparende Verfahren Kapitel 35
Autologe Bluttransfusionen – 489 T. Zeiler
Kapitel 36
Blutersatzlösungen – 499 C. Weinstock, S. Dinkelmann und H. Northoff
VI
489
Autologe Bluttransfusion T. Zeiler
35.1
Rechtliche Grundlagen autologer Hämotherapie – 490
35.2
Präoperative Eigenblutspende – 490
35.2.1 35.2.2 35.2.3 35.2.4
Physiologische Grundlagen – 490 Durchführung – 491 Rechtliche Rahmenbedingungen – 492 Zusammenfassende Beurteilung der Eigenblutspende – 493
35.3
Intra- bzw. postoperative Blutrückgewinnung – 493
35.4
Hämodilution – 494
35.5
Aktueller Stellenwert der autologen Hämotherapie – 495 Literatur – 496
35
490
Kapitel 35 • Autologe Bluttransfusion
Der Gedanke, Blutverluste durch die Transfusion autologen Blutes auszugleichen, stammt bereits aus der Frühzeit der wissenschaftlich begründeten Transfusionsmedizin. Zunächst bestand jedoch nur die Möglichkeit der Retransfusion aufgefangenen Wundblutes [2]. Es folgten mit deutlichem zeitlichen Abstand die Konzepte der akuten präoperativen Hämodilution sowie der präoperativen autologen Blutspende (Eigenblutspende). Letztere wurde – wie auch die Spende lagerfähiger allogener Blutkonserven – erst durch die Entwicklung von Verfahren zur Lagerung von Blut und Blutkomponenten ermöglicht. Autologe Hämotherapieverfahren einschließlich der präoperativen autologen Eigenblutspende wurden in Deutschland schon in den 70er Jahren durchgeführt. Neben der Unabhängigkeit von der Verfügbarkeit allogener Blutkomponenten war die Vermeidung der Übertragung von Infektionen durch Fremdbluttransfusionen maßgebliche Triebfeder für die Entwicklung autologer Hämotherapieverfahren. Insbesondere die Furcht vor der Übertragung von HI-Viren hat dann in der Zeit ab 1983 zu einem starken Anstieg der Eigenblutspende geführt.
35.1
35
Rechtliche Grundlagen autologer Hämotherapie
In Deutschland hatte ein Grundsatzurteil des BGH vom 17.12.1991 nach Bekanntwerden rasch zu einer ganz wesentlichen Ausweitung der Eigenblutspende geführt. Nach dem o. g. Grundsatzurteil des BGH ist der Arzt u. a. verpflichtet, den Patienten über die Möglichkeit der Eigenblutspende aufzuklären, wenn »ernsthaft in Betracht kommt, dass bei diesem Patienten intra- oder postoperativ eine Bluttransfusion erforderlich werden kann«. Diese Rechtsauffassung wird auch in dem 1998 in Kraft getretenen Transfusionsgesetz (TFG) vertreten [10]. Danach ist die zu behandelnde Person gemäß dem Stand der medizinischen Wissenschaft über die Möglichkeit der Anwendung von Eigenblut aufzuklären. Genaueres regeln die Hämotherapierichtlinien der Bundesärztekammer [5], die nach TFG den Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik darstellen. Demnach sind Patienten bei planbaren Eingriffen, bei denen bei regelhaftem Operationsverlauf eine Transfusion ernsthaft in Betracht kommt, nicht nur über das Risiko der allogenen Transfusion aufzuklären, sondern auch rechtzeitig auf die Möglichkeit allogener Hämotherapie hinzuweisen sowie über den Nutzen und das Risiko der Entnahme und Anwendung von Eigenblut individuell aufzuklären. Der Arzt muss den Patienten darüber hinaus jedoch auch darüber aufklären, dass gegebenenfalls trotz autologer Hämotherapieverfahren zusätzlich Fremdblut gegeben werden muss. Als autologe Hämotherapieverfahren kommen im Wesentlichen die präoperative autologe Eigenblutspende, die intra- bzw. postoperative Blutrückgewinnung und die akute normovolämische Hämodilution zur Anwendung. 35.2
Präoperative Eigenblutspende
Unter präoperativer Eigenblutspende (EBS) versteht man die Abnahme autologen Blutes im Vorfeld geplanter Operationen mit erwartbarem großen Blutverlust. Das dabei dem Patienten entnommene Blut wird entweder als Vollblut oder in Komponenten aufgetrennt bis zur Operation gelagert und dann bei Bedarf retransfundiert. Durch den Blutverlust im Rahmen der Eigenblutspende wird beim Patienten die kompensatorische Neubildung von Erythrozyten an-
geregt. Ziel der Eigenblutspende ist es, die zum Zeitpunkt der Operation zur Verfügung stehende Menge an autologen Erythrozyten dadurch zu vergrößern, dass zusätzlich zu den eingelagerten Erythrozyten die zwischenzeitlich in vivo nachgebildeten Erythrozyten zur Verfügung stehen. Der tatsächliche Zugewinn an Erythrozyten besteht damit nicht in der Menge der entnommenen und gelagerten Erythrozyten, sondern allein in der Menge der nachgebildeten Erythrozyten. Eine komplette Neubildung der entnommenen Erythrozytenmasse bis zum Operationstermin gelingt allerdings in der Regel nicht [17].
35.2.1
Physiologische Grundlagen
Die Effektivität der Eigenblutspende (also der Zugewinn an Erythrozyten) wird im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt: dem Grad der Anämisierung des Patienten durch die Eigenblutspende und dem Zeitintervall zwischen der letzten Eigenblutspende und dem Operationstermin [34].
Stimulation der Erythropoese und Regenerationszeit Die Blutspende bewirkt eine Stimulation der Erythropoese. Diese ist umso kräftiger, je kürzer die Intervalle zwischen den ersten Blutentnahmen sind und je ausgeprägter die aus der Blutspende resultierende Anämisierung ist [19]. Eine zu geringe Anämisierung nach einmaliger Blutspende resultiert nur in einer geringfügigen Steigerung der Erythropoese und führt somit nicht zu einem wesentlichen Zugewinn an Erythrozyten innerhalb der Laufzeit der entnommenen Erythrozytenkonzentrate [13]. Konservative Eigenblutspendeprogramme mit Entnahme von jeweils einem Erythrozytenkonzentrat im zeitlichen Abstand von 1–2 Wochen sind weder hinsichtlich der gewünschten Anämisierung noch im Blick auf die zur Regeneration zur Verfügung stehende Zeitspanne optimal. Hier haben sich intensivierte Eigenblutspendeprogramme mit Entnahme von 3 Einheiten innerhalb von 7 Tagen oder einmaliger maschineller Doppelerythrozytapherese und anschließender langer Regenerationsphase als deutlich effektiver erwiesen [30]. Von der Doppelerythrozytapherese profitieren aufgrund des kräftigen Stimulus der Erythropoese insbesondere Patienten mit initialen Hämatokritwerten < 42% [18]. Weitere Vorteile der maschinellen Doppelerythrozytaphereseverfahren sind: 5 Reduktion des Zeit- und Fahrtaufwands für den Eigenblutspender (nur ein Blutabnahmetermin für 2 Erythrozytenkonzentrate), 5 Herstellung von standardisierten Erythrozytenkonzentraten (der Erythrozytengehalt von Erythrozytapheresekonzentraten ist unabhängig vom Hämatokrit des Spenders), 5 integrierte Volumensubstitution während der Spende, 5 keine unnötige Herstellung von autologem Plasma, das dann nicht benötigt und verworfen wird. Für einen maximalen Zugewinn an Erythrozyten muss der Zeitraum zwischen der Eigenblutentnahme und dem OP-Zeitpunkt – unter Berücksichtigung der Haltbarkeitsfrist der Blutkomponenten – möglichst lang sein. Den Zusammenhang zwischen dem Erythrozytengewinn und dem Zeitintervall zwischen Eigenblutspende und OP-Termin zeigt . Tab. 35.1.
491
35.2 • Präoperative Eigenblutspende
Eisensubstitution Da eine effektive Erythropoese ausreichende Eisenspiegel voraussetzt und dem Spender pro Vollblutentnahme ca. 250 mg Eisen entzogen werden, erscheint eine gleichzeitige Eisensubstitution zunächst sinnvoll. Viele Autoren empfehlen daher eine begleitende Eisensubstitutionstherapie. Die üblicherweise angegebenen Dosierungen betragen bei oraler Applikation 200–300 mg Fe++ pro Tag, verteilt auf mehrere Dosen täglich. Die i.v.-Applikation von Eisen wird mittlerweile als sicher angesehen [25]. Die von verschiedenen Autoren angegebenen Dosierungen für i.v.-Präparationen liegen bei 100–200 mg Fe++ 1- bis 2-mal pro Woche, was z. T. deutlich über den von den Herstellern angegebenen Dosierungen liegt. Der positive Effekt begleitender Eisensubstitution wird jedoch insbesondere in neueren Publikationen zunehmend differenzierter eingeschätzt. Eine Substitution wird bei Entnahme von mindestens 3 Vollblutspenden sowie bei Patienten mit Eisenmangelanämie oder bei gleichzeitiger Gabe von Erythropoietin empfohlen [4]. Bei diesen Patienten sollte die Eisensubstitution jedoch dann auch möglichst frühzeitig begonnen und möglichst über den Zeitraum der Operation hinaus fortgeführt werden. Bei Patienten ohne Eisenmangel konnte bei konservativem Eigenblutspendeschema weder durch orale noch durch i.v.-Eisensubstitution ein signifikanter Vorteil erreicht werden [7][33].
Erythropoietinsubstitution Eine dosisabhängige Steigerung der Erythropoese im Rahmen der Eigenblutspende durch die Gabe von Erythropoietin (EPO) konnte in verschiedenen Studien nachgewiesen werden [11]. Unter Berücksichtigung der Kosten-, Nutzen- und Risikoanalyse ist ein genereller Einsatz von EPO im Rahmen der Eigenblutspende jedoch nicht gerechtfertigt [3]. In begründeten Einzelfällen (z. B. Eigenblutspende bei Patienten mit multiplen erythrozytären Antikörpern) hat sich die mehrwöchige Gabe von EPO in Dosierungen von 100–600 IE/ kgKG/Woche, verteilt auf 2–3 s.c.-Gaben, bewährt und ist durchaus sinnvoll. In diesen Fällen sollte die EPO-Therapie unbedingt mit einer oralen oder parenteralen Eisensubstitution kombiniert werden [35]. Die Bildung von Antikörpern gegen EPO nach EPO-Gabe ist bei Patienten mit Anämie bei Niereninsuffizienz beschrieben worden, tritt aber durch Einsatz der heute verfügbaren Präparationen nur noch sehr selten auf, wobei diesen Fällen dann meist eine Applikation oder gar ein Missbrauch über einen längeren Zeitraum zugrunde lag [22].
Immunmodulation Nach wie vor kontrovers diskutiert wird die transfusionsassoziierte Immunmodulation (TRIM) als – meist unerwünschter – Nebeneffekt der allogenen Bluttransfusion (7 Kap. 34). Eine Reihe von Untersuchungen zu diesem Thema beschreibt negative Effekte der TRIM (z. B. erhöhte postoperative Infektionsraten) und führt diese auf die Übertragung allogener Zellen (insbesondere der Leukozyten) oder löslicher HLA-Antigene zurück, was als Argument für die autologe Hämotherapie zu werten wäre. Andererseits wird aber auch der Einfluss von Zytokinen, die natürlich ebenfalls von autologen Zellen im Laufe der Lagerung freigesetzt werden, als Ursache der TRIM diskutiert; bislang konnte dies jedoch nicht belegt werden [9]. Inwieweit die autologe Hämotherapie in der Lage ist, die negativen Aspekte der TRIM zu reduzieren, ist derzeit noch unklar. So ist auch die Frage der Notwendigkeit einer Leukozytendepletion von Eigenblutspenden zur Vermeidung eines immunmodulierenden Effekts noch nicht abschließend geklärt.
35
. Tab. 35.1 Einfluss des Zeitintervalls zwischen präoperativer Eigenblutspende (EBS) und Operation auf den Erythrozytengewinn. (Nach [29]) Patienten [n]
Zeitintervall zwischen 1. EBS und Operation [Wochen]
Erythrozytengewinn [ml]
124
≤2
58±69
135
2–3
110±71
89
3–4
141±90
91
>4
147±85
1 Eigenblutspende
2 Eigenblutspenden 52
≤4
200±101
80
4–5
244±77
77
5–6
256±95
56
>6
297±79
35.2.2
Durchführung
Ein erfolgreiches Eigenblutprogramm erfordert eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Ärzte. Dies betrifft in erster Linie die Terminierung der Eigenblutspenden, um eine möglichst lange Regenerationszeit bis zum geplanten Operationstermin sicherzustellen, aber auch die Kommunikation beim Auftreten von Problemen, wenn beispielsweise die Eigenblutspende nicht durchgeführt werden kann, positive Infektionsmarker vorliegen oder der Operationstermin verschoben werden muss. Wird die Eigenblutspende nicht in derselben Einrichtung durchgeführt, in der dann auch die Operation/Retransfusion stattfindet, sind vor der ersten Eigenblutspende die Transportmodalitäten und die Kostenfrage zwischen den betroffenen Einrichtungen zu klären, um sicherzustellen, dass das gespendete Eigenblut dem Patienten dann auch zur Verfügung steht und nicht aufgrund bürokratischer Hürden verfällt. Da die autologe Hämotherapie Bestandteil der medizinischen Behandlung ist, bedarf sie der ärztlichen Indikationsstellung. Die Richtlinien sehen die Indikation zur Eigenblutspende bei planbaren Operationen gegeben, wenn bei regelhaftem Operationsverlauf eine Transfusion ernsthaft in Betracht kommt; als Anhaltspunkt wird eine Transfusionswahrscheinlichkeit von mindestens 10% (nach jeweiliger interner Hausstatistik) angegeben.
Individualisierung der Spende Eine unkritische und routinemäßig automatisch durchgeführte Abnahme von Eigenblut, wie sie in den Jahren nach dem Bekanntwerden des eingangs genannten BGH-Urteils durchgeführt wurde, führt zu sehr hohen Verfallsraten nicht verwendeter Eigenblutkonserven, da einerseits die Indikation zur Eigenblutspende zu großzügig gestellt wird, andererseits die Indikation zur Retransfusion inzwischen deutlich restriktiver gehandhabt wird. Daraus resultiert nicht nur ein unnötig hoher logistischer und finanzieller Aufwand, sondern in vielen Fällen auch eine unnötige Belastung der Patienten durch die Eigenblutspende. Letztendlich wird durch eine unnötige Eigenblutspende und dem daraus resultierenden verminderten präoperativen Hb-Wert die individuelle Ausgangssituation des Patienten sogar verschlechtert.
492
Kapitel 35 • Autologe Bluttransfusion
Dem kann erfolgreich mit einer Individualisierung der Indikationsstellung unter Berücksichtigung des zu erwartenden und des maximal tolerablen Blutverlustes sowie des Blutvolumens des Patienten entgegengewirkt werden. Unter Zugrundelegung des errechneten Transfusionsbedarfs wird dann das optimale Blutmanagement festgelegt. Dieses umfasst nicht nur die Durchführung der Eigenblutspende, sondern auch alternative oder komplementäre Therapieoptionen wie die pharmakologische Beeinflussung des Blutverlustes oder die Wahl der Operationstechnik [23].
Eignung des Spenders Vor der ersten präoperativen Eigenblutentnahme ist nach den Hämotherapie-Richtlinien [5] die Eignung des Spenders zu überprüfen. Bei der ärztlichen Entscheidung über die Zulassung zur Eigenblutspende kann nach individueller Risikoabwägung von den dort festgelegten Regelungen für allogene Blutspenden abgewichen werden. Dies betrifft vor allem die Frequenz der Spende und Kriterien zu Ausschluss bzw. Zulassung zur Spende. Bezüglich der Altersgrenzen gibt es für die Eigenblutspende keine Vorgaben. Die Richtlinien empfehlen hier zwar bei Kindern mit einem Gewicht < 10 kg keine Eigenblutentnahme vorzunehmen, letztendlich wird dies aber meist eher daran scheitern, dass keine entsprechenden kleinvolumigen Blutentnahmesysteme zur Verfügung stehen. Das Risiko schwerwiegender Komplikationen mit anschließender Hospitalisierung bei der Eigenblutentnahme ist mit 1:16.783 zwar gering, aber immerhin um das 12-fache höher als bei Fremdblutspendern [26]. Zur Erhöhung der Sicherheit für den Patienten empfielt sich eine risikoadaptierte Durchführung der Eigenblutspende unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands des Patienten. Hierfür hat sich eine Orientierung an den ASA-Kriterien mit daraus folgendem abgestuften Einsatz von Volumenersatz und intensivierter Überwachung während der Blutspende bewährt [20].
Kontraindikationen
35
Vorausgeschickt sei, dass das Risiko der Eigenblutspende inklusive Retransfusion nicht höher sein darf als das Risiko der Fremdbluttransfusion und daher für jeden Patienten eine individuelle ärztliche Einschätzung erforderlich ist. Darüber hinaus gelten im Allgemeinen als Kontraindikationen für eine autologe Eigenblutspende [5]: 5 akute Infektionen mit dem Risiko einer hämatogenen Streuung, 5 Verdacht auf infektiöse Magen-Darm-Erkrankungen, 5 akute Erkrankungen ungeklärter Genese, 5 frischer Herzinfarkt (≤3 Monate), 5 instabile Angina pectoris, 5 koronare Hauptstammstenose, 5 klinisch wirksame Aortenstenose, 5 dekompensierte Herzinsuffizienz, 5 Synkopen unklarer Genese und 5 Verdacht auf fokale Infektionen. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme keine Infekte mit dem Risiko der bakteriellen Kontamination der Blutkonserven vorliegen. Einzelberichte und kleinere Studien weisen auf ein tendenziell leicht erhöhtes Risiko für bakterielle Kontaminationen von Eigenblutkonserven hin [31]. Tumorerkrankungen stellen kein Ausschlusskriterium für die Eigenblutspende dar. Der limitierende Faktor ist in diesen Fällen meist die zu geringe Zeitspanne bis zur Operation. Eine Bestrahlung des Blutes vor Retransfusion wurde früher empfohlen [14], ist heute aber nicht mehr allgemein üblich und nach dem AMG auch rechtlich bedenklich und schwer durchzuführen.
Eine bestehende Schwangerschaft wird oft als Kontraindikation für die Eigenblutspende angesehen. Es gibt jedoch Untersuchungen und Berichte darüber, dass die EBS weder für die Mutter noch für den Feten ein erhöhtes Risiko darstellt [8][21], sodass in seltenen und begründeten Einzelfällen diese Option erwogen werden kann. Eine Antikoagulanzientherapie stellt keine Kontraindikation für die Eigenblutspende dar, allerdings muss das höhere Blutungsrisiko bei der Blutentnahme berücksichtigt werden. Das gewonnene Plasma sollte jedoch nicht zur Anwendung gelangen, da es zur Gerinnungstherapie nicht geeignet ist. In diesen Fällen ist also auf jeden Fall eine Auftrennung der Vollblutspende in Komponenten mit Verwurf des Plasmas oder eine maschinelle Erythrozytapherese ohne Gewinnung von autologem Plasma indiziert. Das Absetzen bzw. Umstellen einer Antikoagulation, um eine Eigenblutspende durchzuführen, erscheint nur in Ausnahmesituationen gerechtfertigt.
Laboruntersuchungen In Deutschland sind nach den Hämotherapie-Richtlinien vor oder anlässlich der ersten Eigenblutspende mindestens die folgenden Parameter zu untersuchen: 5 Anti-HIV-1/2-Antikörper, 5 Anti-HCV-Antikörper, 5 HBs-Antigen. Darüber hinaus ist bei jeder Blutentnahme die Hämoglobinkonzentration zu bestimmen. In der Regel wird ein Hb-Wert von mindestens 11,5 g/dl für die Durchführung der Eigenblutspende empfohlen. Die Bestimmung der Körpertemperatur dient dem Ausschluss von Infektionskrankheiten. Zu diesem Zweck sollte auch die Bestimmung der Leukozytenzahlen durchgeführt werden. Sofern der Patient die Bestimmung der Infektionsparameter ablehnt oder positive Ergebnisse vorliegen, ist nach individueller Risikoabwägung über Eigenblutentnahme und Retransfusion erneut zu entscheiden. Die nähere Abklärung positiver Befunde obliegt dem überweisenden bzw. behandelnden Arzt [5]. Der Patient ist in diesem Falle durch die verantwortliche ärztliche Person unverzüglich zu unterrichten, aufzuklären und zu beraten. Die infektionsserologische Untersuchung bei der Eigenblutspende erfolgt in erster Linie, um die Herstellung potenziell infektiöser Erythrozytenkonzentrate möglichst a priori zu vermeiden. Im Regelfall wird beim Vorliegen positiver infektionsserologischer Befunde keine weitere Eigenblutspende durchgeführt und das bereits gespendete Blut dokumentiert entsorgt. Grund dafür ist das – auch bei Eigenblut vorhandene – Verwechslungsrisiko, welches in Deutschland höher ist als das transfusionsassoziierte Infektionsrisiko bei allogener Transfusion. Sofern man sich im Einzellfall (z. B. individuelle Versorgungsprobleme aufgrund multipler erythrozytärer Antikörper des Patienten) nach sorgfältiger Risikoabwägung für die Retransfusion autologer Blutkomponenten trotz nachgewiesener positiver Infektionsmarker entscheidet, müssen diese Blutkomponenten als potenziell infektiös gekennzeichnet und gesondert gelagert werden. Darüber hinaus sind ausreichende Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass diese Blutkomponenten ausschließlich dem Eigenblutspender transfundiert werden.
35.2.3
Rechtliche Rahmenbedingungen
Für die Entnahme, Herstellung, Lagerung und Abgabe von Eigenblut sind in Deutschland eine Reihe von Gesetzen zu berücksichtigen (7 Kap. 15). Grundsätzlich gelten auch die in den Hämothera-
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35.3 • Intra- bzw. postoperative Blutrückgewinnung
pie-Richtlinien für die Fremdblutspende festgelegten Vorschriften, wobei sich aber für die Eigenblutspende spezifische Abweichungen ergeben (7 Abschn. 35.2.2.2). Aufgrund der stetigen Aktualisierung und Neufassung von Gesetzen und Richtlinien kann hier naturgemäß nur der Stand zum Zeitpunkt des Verfassens zu Grunde gelegt werden. Es wird empfohlen, sich ggf. an den jeweils gültigen Neufassungen zu orientieren. Nach § 4 TFG darf eine Spendeeinrichtung nur betrieben werden, wenn eine ausreichende personelle, bauliche, räumliche und technische Ausstattung vorhanden ist. Insbesondere bedarf es einer leitenden ärztlichen Person, welche die erforderliche Sachkunde besitzt. Dies gilt auch für die Eigenblutspende. Bei der Durchführung der Spende muss eine ärztliche Person vorhanden sein, wobei dies auch die leitende ärztliche Person sein kann. Eigenblut ist ein Arzneimittel gemäß § 2 Abs. 1 AMG, und die präoperative Entnahme von Eigenblut ist somit eine Arzneimittelherstellung. Eine Zulassung ist für Eigenblutpräparate zwar nicht erforderlich, sofern diese nicht an andere klinische Einrichtungen abgegeben werden, aber eine Einrichtung, welche Eigenblutspenden durchführen möchte, benötigt hierfür eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG. Diese ist bei der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landesbehörde) zu beantragen. Für die Erteilung der Herstellungserlaubnis sind entsprechende räumliche, strukturelle und insbesondere personelle Voraussetzungen zu schaffen. Die Herstellung und Lagerung von Eigenblut muss gemäß den GMP-Richtlinien durchgeführt, überwacht und dokumentiert werden. Darüber hinaus sind regelmäßige Qualitätskontrollen durchzuführen. Vom Patienten nicht benötigtes Eigenblut darf nicht für andere Patienten verwendet, sondern muss dokumentiert entsorgt werden (TFG § 17, Hämotherapie-Richtlinien). Die arzneimittelrechtliche Verantwortung für die Eigenblutherstellung liegt bei der sogenannten sachkundigen Person nach AMG. Diese muss nach § 15 (3) AMG für autologe Blutzubereitungen eine mindestens 6-monatige transfusionsmedizinische Erfahrung oder eine einjährige Tätigkeit in der Herstellung autologer Blutzubereitungen nachweisen. Die sachkundige Person nach § 14 (2a) AMG kann zugleich die leitende ärztliche Person nach TFG sein. Darüber hinaus sind ein Leiter der Herstellung und ein Leiter der Qualitätskontrolle zu benennen. Diese werden zwar in der 15. Novelle des AMG nicht mehr gefordert, wohl aber in der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung und im EU-GMP-Leitfaden. Diese beiden Funktionen können auch von nichtakademischen Mitarbeitern mit angemessener Qualifikation (z. B. Pflegekraft oder MTA) wahrgenommen werden. Besondere, fest definierte Qualifikationen sind für beide Funktionen nicht festgeschrieben. Darüber hinaus kann eine der beiden Funktionen auch von der sachkundigen Person wahrgenommen werden.
35.2.4
Zusammenfassende Beurteilung der Eigenblutspende
In einer Metaanalyse randomisierter Studien konnte gezeigt werden, dass durch EBS die Frequenz der Fremdbluttransfusion um bis zu 63% reduziert werden kann. Gleichzeitig weisen jedoch Patienten nach EBS durchschnittlich einen um 1,23 g/dl geringeren präoperativen Hb-Wert auf als Patienten der Kontrollgruppen ohne Eigenblutspende. Diese iatrogen induzierte Anämisierung führt dazu, dass Patienten nach EBS bei intraoperativem Blutverlust früher einen festgelegten Transfusionstrigger unterschreiten und letztendlich durch die EBS generell die Wahrscheinlichkeit für eine Bluttransfusion (autolog und/oder allogen) um 30% steigt [6][17].
35
Damit verringert die Eigenblutspende einerseits zwar erfolgreich die Exposition gegen Fremdblut und die damit verbundenen Risiken, erhöht aber gleichzeitig das Risiko für andere unerwünschte Nebenwirkungen, die auch bei autologer Transfusion auftreten können (z. B. Fehltransfusion, bakterielle Kontamination). Vor dem Hintergrund des immer geringer werdenden Restrisikos transfusionsassoziierter Infektionen und der zunehmenden Akzeptanz niedrigerer Transfusionstrigger hat sich in den letzten Jahren zumindest in den westlichen Ländern eine deutliche Zurückhaltung gegenüber der Eigenblutspende entwickelt. Diese findet auch Ausdruck in offiziellen Stellungnahmen. Der Arbeitskreis Blut hat in seinem Votum 32 eine Neubewertung der präoperativen Eigenblutspende vorgenommen. Darin wird aufgrund des derzeit geringen Risikos für die Übertragung von Infektionenen durch Bluttransfusion in Deutschland die ursprüngliche Hauptbegründung für autologe Blutkomponenten als »praktisch entfallen« angesehen [1]. Die britischen Richtlinien empfehlen die Eigenblutspende sogar nur noch für außergewöhnliche klinische Situationen [3]. Die Zahl der Eigenblutentnahmen ist in Deutschland in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Nach dem Bericht zur Meldung über die Herstellung und den Verbrauch von Blutkomponenten gemäß § 21 TFG ist sie von 216.182 im Jahr 2000 auf 84.177 im Jahr 2006 und damit um mehr als 60% gefallen. Trotz dieses starken Rückgangs lagen auch im Jahre 2006 die Verfallsraten noch bei 62% für Eigenblut als Vollblut und bei 45% für Eigenblut als Erythrozytenkonzentrat [16]. Aufgrund der stark rückläufigen Zahl der Eigenblutentnahmen und des hohen logistischen und finanziellen Aufwands (der nicht zuletzt der rechtlichen Stellung des Eigenblutes als Arzneimittel geschuldet ist) sind viele Krankenhäuser mittlerweile dazu übergegangen, Eigenblutprogramme entweder in Kooperation mit anderen Häusern oder mit Blutspendediensten durchzuführen oder die Eigenblutspenden sogar komplett aufzugeben und in transfusionsmedizinischen Einrichtungen mit Herstellungserlaubnis durchführen zu lassen. Darüber hinaus wird verstärkt die intra- bzw. postoperative Rückgewinnung von Wundblut eingesetzt. Es muss in diesem Zusammenhang jedoch darauf hingewiesen werden, dass das Auftreten neuer Infektionserreger oder ein zukünftig zu erwartender Konservenmangel aufgrund der demographischen Entwicklung [12][27] den Stellenwert der Eigenblutspende nachhaltig ändern kann. Aus diesem Grund empfiehlt der Autor dringend, die Technik und Logistik der EBS auch weiterhin in möglichst vielen Einrichtungen vorzuhalten. Hierbei mag vielleicht eine »Renaissance« der Eigenblut-Vollblutkonserve hilfreich sein, da durch die Einführung der Leukozytendepletion zu Beginn der Lagerung eine deutliche Verbesserung der Lagerungsqualität der Erythrozyten in Vollblutkonserven erreicht werden konnte [32]. Im Vergleich zum Erythrozytenkonzentrat in additiver Lösung ist zwar die Verwendbarkeitsdauer der leukozytendepletierten Vollblutkonserve etwa eine Woche geringer, aber bei initialer Eigenblutentnahme in rascher Folge ausreichend. Der wesentliche Vorteil leukozytendepletierter Vollblutkonserven ist die wesentlich einfachere und kostengünstigere Herstellung und Lagerung ohne aufwendige Zentrifugations- und Auftrennungsschritte. 35.3
Intra- bzw. postoperative Blutrückgewinnung
Die Sammlung und anschließende Retransfusion von perioperativ ausgetretenem Wundblut stellt die älteste Form der autologen Hämotherapie dar. Wundblut kann entweder als maschinell gewasche-
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Kapitel 35 • Autologe Bluttransfusion
nes Erythrozytenkonzentrat oder als antikoaguliertes, nicht gewaschenes Blut retransfundiert werden. Ungewaschenes Wund- und Drainageblut weist zumeist nur einen niedrigen Hämatokrit von 15–25% auf. Der Gewinn an Erythrozyten pro retransfundierter Volumeneinheit ist daher ohne Aufbereitung (Waschen und Hämokonzentration) gering. Darüber hinaus besteht das Risiko der Einschwemmung von Zytokinen, Endotoxinen und anderen biologisch aktiven Substanzen sowie die Gefahr der Gerinnungsaktivierung. Die Retransfusion von ungewaschenem intra- oder postoperativ gesammeltem Wund- oder Drainageblut wird in Deutschland daher nicht mehr empfohlen [4] und deshalb hier auch nicht weiter behandelt. Ein häufig angewandtes Verfahren ist die maschinelle Autotransfusion (MAT), bei der das intraoperativ oder postoperativ gesammelte Blut maschinell aufbereitet und als gewaschenes Erythrozytenkonzentrat retransfundiert wird. Für die MAT wird zunächst Wundblut mit dem Vakuumsauger aufgesaugt und in einem Reservoir gesammelt. Zu hoher Sog beim Absaugen ist dabei zu vermeiden, da er zu Hämolyse führt. Das gesammelte Wundblut wird mit Heparin oder Natriumcitrat antikoaguliert. Auch postoperativ gesammeltes Drainageblut kann hier, bei Verwendung geeigneter Systeme, aufbereitet werden. Die Aufbereitung des Wundblutes wird mit sogenannten Zellseparatoren durchgeführt. Bei diesem Verfahren wird das gesammelte Wundblut in sterilen Einmalsystemen zentrifugiert und bei ca. 500 g entsprechend der unterschiedlichen Dichte in seine Bestandteile aufgetrennt. Die Erythrozyten werden dabei aufkonzentriert und gesammelt, andere Bestandteile wie Plasma, Thrombozyten, Leukozyten und Zelltrümmer werden entfernt und verworfen (»waschen«). Für einen effektiven Waschprozess ist die Durchspülung mit ausreichenden Mengen physiologischer Kochsalzlösung (etwa das 3-fache des zu waschenden Wundblutes) erforderlich, um die nicht erwünschten Bestandteile und die Antikoagulanzien aus dem Erythrozytenkonzentrat zu entfernen. Das »gewaschene« Erythrozytenkonzentrat weist einen Hämatokrit von >50–60 % auf und kann unmittelbar transfundiert werden. Grundsätzlich wird zwischen kontinuierlichen und diskontinuierlichen Verfahren unterschieden: 5 Bei den diskontinuierlichen Verfahren wird das gesammelte Wundblut portionsweise in eine rotierende glockenförmige Zentrifuge geleitet. Die schwereren und dichteren Erythrozyten verbleiben in der rotierenden Zentrifugenglocke und werden ankonzentriert, wohingegen die leichteren Bestandteile (Plasma, Zelltrümmer, Spüllösung) durch das nachströmende Wundblut in den Abfallbehälter verdrängt werden. In der anschließenden Waschphase wird nun das Erythrozytenkonzentrat in der immer noch rotierenden Zentrifugenglocke von einer Waschlösung durchströmt. Dabei werden die restlichen nichtkorpuskuläre Bestandteile entfernt. Nach der Waschphase stoppt die Zentrifuge. Das gewaschene Erythrozytenkonzentrat wird aus der Glocke in einen Transfusionsbeutel gepumpt und kann retransfundiert werden. Danach kann mit dem nächsten Aufbereitungszyklus begonnen werden. 5 Bei kontinuierlichen Verfahren werden das Wundblut und die Waschlösung gleichzeitig in eine rotierende Zentrifugenkammer geleitet. Die Bestandteile des Wundblutes sammeln sich entsprechend ihrer Dichte an verschiedenen Stellen des spiralförmigen Zentrifugenringes an und werden dort kontinuierlich abgepumpt. Das Erythrozytenkonzentrat steht jederzeit zur Retransfusion zur Verfügung. Bedingt durch die technischen Möglichkeiten der verfügbaren Geräte ist eine maschinelle Aufbereitung des Wundblutes erst ab einer
Mindestmenge gesammelten Wundblutes möglich. Für kontinuierliche Systeme ist die erforderliche Menge etwas geringer. Hier kann ab einem minimalen Füllungsvolumen von 15–30 ml EK die Aufbereitung begonnen werden. Bei diskontinuierlichen Verfahren stehen unterschiedlich große Zentrifugenglocken (z. B. 70, 125 oder 225 ml) zur Verfügung. Hier muss – abhängig vom Volumen der eingesetzten Zentrifugenglocke – eine etwas größere Mindestmenge an Wundblut prozessiert werden, um einerseits einen ausreichenden Waschprozess zu garantieren und andererseits einen ausreichend hohen Hämatokritwert von > 60% im Retransfusionsblut zu erreichen. Das Blut aus einer nicht vollständig gefüllten Zentrifugenglocke (»letzte Glocke«) könnte zwar ebenfalls retransfundiert werden, weist aber einen geringeren Hämatokritwert auf und kann nicht so effektiv gewaschen werden. Bei ungenügendem Waschprozess besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko durch unerwünschte Zufuhr von Heparin aus dem antikoagulierten Wundblut. Durch den Waschprozess gehen die plasmatischen Bestandteile des Wundblutes verloren. Daher muss die Menge des retransfundierten MAT-Blutes in die Überlegungen zur ggf. erforderlichen Substitution mit gerinnungsaktivem Plasma einbezogen werden. Manche Autoren empfehlen daher, die maschinelle Autotransfusion durch präoperative autologe Plasmapherese zu ergänzen. Dies ist aus hämostaseologischer Sicht jedoch erst bei sehr hohen zu erwartenden Blutverlusten sinnvoll, die dann in der Regel ohnehin den Einsatz allogener Blutkomponenten erforderlich machen. Aus ökonomischen und medizinischen Gründen ist der Einsatz der maschinellen Aufbereitung erst ab einem Blutverlust von mindestens einem Liter Blut sinnvoll (d. h. Sammelvolumen im Sauger >1500 ml). Da der Blutverlust zu Beginn einer Operation nicht sicher vorausgesagt werden kann, bieten die Systeme hier die Möglichkeit an, zunächst nur das Wundblut zu sammeln und erst nach Erreichen einer Mindestmenge von 1500 ml bei Bedarf den Zellseparator aufzurüsten. Die Sammlung von Wundblut aus infizierten, bakteriell kontaminierten Wunden verbietet sich aufgrund des Risikos der hämatogenen Streuung nach Retransfusion, da Bakterien durch den Waschvorgang nicht vollständig eliminiert werden. Bei Tumoroperationen kann die MAT jedoch entgegen früherer Meinung eingesetzt werden, wenn das Blut vor Retransfusion mit mindestens 50 Gy bestrahlt wurde [4][15]. Die Rückgewinnung des perioperativ anfallenden Blutes ist, ebenso wie die nachfolgend beschriebene akute normovolämische Hämodilution, keine Eigenblutherstellung, sondern Teil des Eingriffs. Das gilt auch, wenn das Blut < 6 h zwischengelagert oder vor Retransfusion gereinigt wird (MAT). Daher kommt hier – sofern die Durchführung der perioperativen autologen Hämotherapieverfahren unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes erfolgt – das AMG nicht zur Geltung. 35.4
Hämodilution
Unter Hämodilution versteht man die Verdünnung des Blutes mit seinen zellulären und plasmatischen Bestandteilen durch die Gabe einer zellfreien Flüssigkeit. Grundlage für den Einsatz von Hämodilutionsverfahren ist die Tatsache, dass unter isovolämischen Bedingungen und bei intakten kardiovaskulären Regulationsmechanismen die O2-Transportkapazität des Blutes bei Verminderung des Hämatokrits zunächst zunimmt, bei einem Hämatokritwert von 30% ein Maximum erreicht und dann wieder abfällt [24]. Erst bei Unterschreiten eines Hämatokritwertes von 20% kommt es zur O2-Minderversorgung des Gewebes und der daraus resultieren-
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35.5 • Aktueller Stellenwert der autologen Hämotherapie
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4 HktMIN = 15% HktMIN = 18% HktMIN = 21% HktMIN = 24%
Eingesparte HEK
3
2
1
0 0
1
2
3
4 5 6 Abgenommene ANH-Einheiten
7
8
9
10
. Abb. 35.1 Die Bedeutung der Anzahl ausgetauschter ANH-Einheiten im Vergleich zum minimal akzeptierten Hämatokrit (HktMIN) für die Effektivität der ANH (akute normovoläme Hämodilution) ausgedrückt als Einsparung an homologen Erythrozytenkonzentraten (HEK). Die Berechnungen basieren auf einem 70-kg-Patienten mit einem geschätzten Blutvolumen von 70 ml/kg sowie einem kolloidalen Volumenersatzmittel (Volumeneffekt 1,0) und einem Ausgangshämatokrit von 45%. (Aus [29])
den Indikation zur Transfusion von Erythrozyten. Komplexer und schwieriger ist die Situation bei den Hämostasefaktoren einzuschätzen. Hier wird man sich in der Regel nicht nur an der Einschätzung der Verdünnung und des Blutverlustes, sondern auch am klinischen Bild und den Gerinnungstests orientieren. Der volumenneutrale (euvoläme) Ersatz des perioperativ verlorenen Blutes mit zellfreien Lösungen (also die übliche Volumensubstitution bei Operationen) stellt prinzipiell bereits die einfachste Form der Hämodilution dar. Unter hypervolämer Hämodilution versteht man die akute prä- bzw. perioperative Erhöhung des Blutvolumens mit zellfreier Flüssigkeit. Aus dem dadurch verminderten Hämatokrit resultiert theoretisch ein geringerer Erythrozytenverlust bei Blutung, sofern die Hypervolämie durch Ersatz mit zellfreier Flüssigkeit aufrechterhalten wird. Gleichzeitig wird aber durch die verdünnungsbedingte Absenkung des Hämatokrits der Transfusionstrigger früher erreicht und die Bluttransfusion früher erforderlich. Euvoläme und hypervoläme Hämodilution können nicht als fremdblutsparende Maßnahmen angesehen werden. Potenziell fremdblutsparend ist die akute normovoläme Hämodilution (ANH). Hierbei wird dem Patienten unmittelbar präoperativ Vollblut (meist 2 oder 3 Konserven) abgenommen und durch zellfreie Flüssigkeit (z. B. Dextran oder HÄS) ersetzt. Bei intraoperativer Blutung ist dann infolge des verminderten Hämatokrits der Verlust an Erythrozyten bezogen auf das Blutungsvolumen geringer. Nach Unterschreiten der Transfusionsschwelle wird das unmittelbar zuvor entnommene Vollblut retransfundiert, und zwar in umgekehrter Entnahmereihenfolge (also das zuletzt entnommene Vollblut zuerst). Dadurch wird die Konserve, die den höchsten Hämatokrit aufweist, zuletzt transfundiert. Die ANH ist im Vergleich zu anderen Methoden der autologen Hämotherapie einfach und kostengünstig durchzuführen. Das präoperativ entnommene Blut muss innerhalb von 6 h als Vollblut retransfundiert werden und besitzt daher eine optimale Sauerstofftransportfunktion und weitgehend normales hämostaseologisches Potential. Eine Verringerung der allogenen Transfusionsrate durch ANH konnte in einer Metaanalyse zwar gezeigt werden [6]. Ein blutspa-
render Effekt der ANH ist jedoch nur unter bestimmten Bedingungen zu erwarten, die in einem mathematischen Modell dargestellt werden können. Diese sind ein Ausgangshämatokrit von mindestens 40%, ein hoher erwarteter Blutverlust von mehr als 50% des Blutvolumens, der Ersatz von etwa 40% des Blutvolumens durch ANH und die Einhaltung eines möglichst niedrigen Transfusionstriggers (< 24%) [28]. Den Zusammenhang zwischen der Zahl der potenziell »eingesparten« allogenen Erythrozytenkonzentrate, dem Transfusionstrigger und der Anzahl der präoperativ abgenommenen ANH-Einheiten zeigt . Abb. 35.1. Die oben genannten Ausgangsbedingungen schränken den Einsatz der ANH bereits deutlich ein. Darüber hinaus setzt die starke Hämodilution intakte kardiovaskuläre Kompensationsmechanismen voraus. Bedenken bestehen auch bezüglich einer gesteigerten intraoperativen Blutungsneigung durch die verminderte Blutviskosität und eine bereits initial hämodilutionsbedingte Beeinträchtigung der Hämostase. Die ANH ist letztendlich nur bei einem eng begrenzten Patientenkollektiv effektiv. Sie wird in Deutschland nur noch selten eingesetzt. Genaue Zahlen über den Umfang der durchgeführten Verfahren und Zahl und Art der aufgetretenen unerwünschten Wirkungen gibt es nicht, da weder die ANH noch die MAT dem koordinierten Meldewesen nach § 21 TFG und den Unterrichtungspflichten nach § 16 TFG unterliegen. 35.5
Aktueller Stellenwert der autologen Hämotherapie
Die Retransfusion von Wundblut stellte den Anfang der autologen Hämotherapie dar. Sie entwickelte sich aus der Not, dass keine anderen Blutkomponenten zur Verfügung standen. Mit der Einführung lagerfähiger Blutkomponenten aus der Fremdblutspende trat dieses Versorgungsproblem in den Hintergrund. Die treibende Kraft hinter der Anwendung autologer Hämotherapieverfahren wurde nun das Bestreben, die Risiken einer Fremdbluttransfusion zu vermeiden. Dabei stand das Risiko der Übertragung von Infektionen durch Fremdbluttransfusion im Vordergrund. Eine massive Ausweitung der autologen Hämotherapie fand im Gefolge des sogenannten
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Kapitel 35 • Autologe Bluttransfusion
AIDS-Skandals statt. Insbesondere ein Urteil des BGH aus dem Jahre 1991 veranlasste damals viele Kliniken, vor allem die präoperative Eigenblutspende zu etablieren und in großer Zahl durchzuführen. Seither hat sich jedoch die Situation grundlegend geändert. Durch striktere Spenderauswahlkriterien und verbesserte Testverfahren konnte das Restrisiko für transfusionsassoziierte Infektionen drastisch reduziert werden. Auch stellen autologe Hämotherapieverfahren heute nicht mehr die einzige Option zur Vermeidung von Fremdbluttransfusionen dar. Weitere Komponenten im Gesamtkonzept aller Bemühungen, den Einsatz von Fremdbluttransfusionen zu vermindern, sind beispielsweise die Optimierung der Hämostase, blutsparende Operations- und Anästhesietechniken, die pharmakologische Optimierung des präoperativen Hb-Wertes sowie insbesondere die Anwendung und Einhaltung von Transfusionsrichtlinien mit niedrigen Transfusionstriggern. Für die hier besprochenen autologen Hämotherapieverfahren konnte in Metaanalysen zwar gezeigt werden, dass sie zu einer Reduktion der Frequenz allogener Transfusionen führen (EBS 63%, MAT 42%, ANH 31%), bei strikter Anwendung von Transfusionsrichtlinien fallen diese Ergebnisse allerdings weniger deutlich aus [6][17]. Gleichwohl gilt für alle autologen Hämotherapieverfahren natürlich auch die Forderung, dass das Risiko für den Patienten durch die autologe Hämotherapie (Spende + Retransfusion) nicht höher sein darf als das Risiko der allogenen Hämotherapie. Das mittlerweile äußerst geringe Infektionsrisiko durch die allogene Bluttransfusion in den westlichen Staaten hat daher zu einer Neubewertung autologer Hämotherapieverfahren geführt [1], zumal für andere klinische Endpunkte wie z. B. die Frequenz postoperativer Infektionen, die Reoperationsfrequenz, die Mortalität und die Krankenhausverweildauer die früher postulierten Vorteile autologer Hämotherapie bislang nicht in Metaanalysen bestätigt werden konnten [6][17]. Gemeinsam mit dem hohen patientenbedingten Aufwand und dem hohen logistisch-administrativen Aufwand, der aus der Einordnung des präoperativ gespendeten Eigenblutes als Arzneimittel resultiert, hat dies dazu geführt, dass die Zahl der entnommenen Eigenblutspenden in Deutschland innerhalb der ersten 6 Jahre nach der Jahrtausendwende um über 60% abgenommen hat. Da Hämodilution und MAT nicht den Unterrichtungspflichten nach § 16 TFG und dem koordinierten Meldewesen nach § 21 TFG unterliegen, gibt es keine genauen Daten über den Umfang dieser Techniken. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die MAT mittlerweile in deutlich höherem Umfang durchgeführt wird als die EBS und diese letztendlich in vielen Fällen abgelöst hat. Es ist sicherlich als positiv zu bewerten, dass durch eine gezieltere Indikationsstellung die Anzahl der unnötigen Eigenblutentnahmen stetig sinkt, wenngleich der prozentuale Anteil nicht transfundierten Eigenblutes noch immer zu hoch erscheint. Es gibt jedoch zu Besorgnis Anlass, wenn Kliniken (vor allem aus finanziellen Überlegungen) in zunehmendem Maße die Technik der Eigenblutspende komplett aufgeben und diese bestenfalls an Blutspendedienste mit Zulassung delegieren. Hält man sich vor Augen, dass die Bewertung der Eigenblutspende stets von den jeweils aktuellen Gegebenheiten abhängt, dann wird schnell klar, dass sich unter geänderten Voraussetzungen der Stellenwert der Eigenblutspende rasch ändern kann. Denkbar sind hier die rasche Verbreitung neuer Erreger, zunehmende Knappheit von Fremdblut durch gesellschaftlichen Wandel (zurückgehende Spendebereitschaft) und die demographische Entwicklung mit immer weniger potenziellen Blutspendern und einer zunehmenden Zahl von transfusionsbedürftigen Patienten. Während in der Vergangenheit die Vermeidung transfusionsassoziierter Infektionen eine wesentliche Triebfeder zur Fortentwicklung der
EBS war, könnte bald ein zunehmender Mangel an Fremdblut diese Rolle übernehmen.
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497
35
499
Blutersatzlösungen C. Weinstock, S. Dinkelmann und H. Northoff
36.1
Elektrolytlösungen – 500
36.2
Kolloidale Plasmaersatzlösungen – 500
36.2.1 36.2.2 36.2.3 36.2.4 36.2.5 36.2.6
Albumin – 500 Gelatine – 500 Dextrane – 500 Hydroxyethylstärke (HES) – 501 Wirkung künstlicher Kolloide auf die Blutgerinnung – 501 Einfluss künstlicher Kolloide auf serologische Untersuchungen – 502
36.3
Künstliche Sauerstoffträger – 502
36.3.1 36.3.2 36.3.3 36.3.4 36.3.5
Perfluorcarbone – 503 Künstliche Sauerstoffträger auf Hämoglobinbasis (HBOC) – 504 Klinische Studien – 504 Pathophysiologie – 505 Weitere Entwicklungen und Ausblick – 505
Literatur – 506
36
500
Kapitel 36 • Blutersatzlösungen
Die Hauptaufgaben des Blutes bestehen in 4 Transportfunktion (Sauerstoff, Nährstoffe, Stoffwechselprodukte), 4 Aufrechterhaltung der Homöostase (Isotonie, Isoionie, Isovolämie), 4 Schutz vor Blutverlust (Gerinnung), 4 Abwehr. Die Therapie erworbener Gerinnungsstörungen wird in 7 Kap. 26 behandelt, die Abwehrfunktion kann, abgesehen von Antibiotika, bislang nicht durch (künstliche) Ersatzstoffe wahrgenommen werden. Somit konzentriert sich dieses Kapitel auf die Aufrechterhaltung der Homöostase und Erhaltung der Sauerstofftransportfunktion. In beiden Fällen sind primär chemische oder chemisch modifizierte Ersatzstoffe in der Lage, die Funktionen zu übernehmen. Während dies für die künstlichen Sauerstoffträger noch nicht zur klinischen Einsetzbarkeit geführt hat, sind die anderen Ersatzlösungen schon seit langer Zeit erfolgreich im Gebrauch. Zur Aufrechterhaltung von Isovolämie, Isotonie und Isoionie stehen verschiedene Elektrolyt- und Kolloidlösungen zur Verfügung, die – abhängig vom Ausmaß der Substitutionsbedürftigkeit – einzeln oder in Kombination zum Einsatz kommen.
36.1
Substanzen – den Kapillarraum nicht verlassen können, bauen sie ein osmotisches Druckgefälle gegenüber dem Extravasalraum auf, den kolloidosmotischen Druck. Der kolloidosmotische Druck des Plasmas beträgt 25–28 mmHg und ist die entscheidende Größe für die Rückhaltung des Wassers im Gefäß und damit für die Verhinderung von interstitiellen Ödemen. In den Plasmaersatzlösungen (. Tab. 36.1) sind die kolloidosmotisch wirksamen Komponenten entweder Proteine bzw. Peptide (Albumin, Gelatine) oder Polysaccharide (Dextrane und HES) (7 Kap. 21). 36.2.1
5 %ige (isoonkotische) und 20 %ige (hyperonkotische) Humanalbuminlösungen sind als Volumenersatzlösungen zugelassen. In zahlreichen Studien war jedoch kein Vorteil für Humanalbumin gegenüber den deutlich preisgünstigeren, synthetischen Kolloiden zu erkennen. Als Konsequenz finden sich in den aktuellen Leitlinien nur wenige generelle Empfehlungen, Humanalbumin für diese Indikation einzusetzen, so etwa bei der therapeutischen Apherese oder bei Patienten mit Leberzirrhose und der Erstmanifestation eines Aszites. Für Humanalbumin besteht produkt- und patientenbezogene Dokumentationspflicht nach § 14 Transfusionsgesetz.
Elektrolytlösungen 36.2.2
36
Sie dienen der Substitution von Flüssigkeitsdefiziten, gerade im perioperativen Bereich, und dem (Volumen-)Ersatz kleinerer Blutverluste. Weit verbreitet ist die Vollelektrolytlösung, die per definitionem mindestens 120 mmol/l NaCl enthält, dazu weitere Ionen in annähernd physiologischer Konzentration. Daneben gibt es 2/3-, 1/2- und 1/3-Elektrolytlösungen, Ringer- oder Ringer-Laktat-Lösung sowie eine Reihe weiterer Rezepturen mit unterschiedlicher Ionenzusammensetzung mit oder ohne zusätzlichem Kohlenhydratanteil. In ihrer Wirkung unterscheiden sich diese Lösungen nur sehr wenig voneinander. Insbesondere haben sie gemeinsam, dass mangels onkotischer Wirkung nach 30–40 min bereits 70–80 % des infundierten Flüssigkeitsvolumens in das Interstitium abgewandert ist. Bei der Zufuhr großer Mengen Elektrolytlösung besteht deshalb die Gefahr der Ödembildung, was, v. a. in der Lunge, zu bedrohlichen Komplikationen führen kann. Aus diesem Grund werden zum Ersatz größerer Blutverluste Elektrolytlösungen normalerweise nur in Kombination mit kolloidalen Lösungen angewendet. Bei der Anwendung großer Volumina physiologischer Kochsalzlösung (NaCl 0,9 %) besteht darüber hinaus die Gefahr der metabolischen Acidose und der Hypernatriämie, letztere gilt es besonders bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Hypertonus zu beachten. Auch die Indikation für elektrolytfreie Kohlenhydratlösungen ist kritisch zu stellen, da diese eine Verschiebung von Wasser aus dem extra- in den intrazellulären Raum bewirken.
Kolloidale Plasmaersatzlösungen
Sollen die infundierten Flüssigkeiten länger andauernd im Gefäßsystem verweilen, müssen sie kolloidosmotisch wirksam sein. Der kolloidosmotische Druck des Plasmas, eine Sonderform des osmotischen Drucks, wird durch die Plasmaproteine bewirkt. Im Verhältnis zu den kleinmolekularen Substanzen, wie z. B. den Ionen, ist die Anzahl der Proteine nur sehr gering, dementsprechend gering ist ihr Anteil am osmotischen Druck des Plasmas. Dadurch aber, dass die Proteine – im Gegensatz zu den kleinmolekularen
Gelatine
Gelatine wird aus Rinderkollagen hydrolysiert. Die Abbauprodukte haben ein Molekulargewicht von 12–15 kDa und müssen, um die renale Ausscheidung zu verzögern, zu größeren Molekülen vernetzt werden. Drei verschiedene Vernetzungsarten werden eingesetzt, sie schaffen harnstoffvernetzte Gelatine, Oxypolygelatine und succinylierte Gelatine. Auch diese Moleküle liegen mit einem mittleren Molekulargewicht von 30–40 kDa noch unter der Nierenschwelle (55 kDa), weshalb ihre Volumenwirkdauer nur 2–3 h beträgt. Eine Erhöhung des Molekulargewichts oder der Gelatinekonzentration über den verwendeten Bereich von 3–5,5 % führt zu hoch viskösen, kaum mehr infundierbaren Lösungen. Relativ häufig (0,12–0,35 %) treten anaphylaktoide Reaktionen auf Gelatine auf, von denen jede 5.–10. Reaktion einen schweren Verlauf nimmt (Schock, Bronchospasmus, Herz-/Atemstillstand) [23]. Als deren Ursache wird die Freisetzung von Histamin durch die Vernetzungsmittel genannt [9]. Das Hydrolyseverfahren, das zur Denaturierung des Kollagenproteins eingesetzt wird, wird als effizient für die Inaktivierung von Prionen beschrieben und demzufolge das Risiko, mit Gelatinepräparaten die Erreger übertragbarer spongiformer Enzephalopathien (TSE, speziell die bovine Form BSE) zu übertragen, als sehr niedrig eingeschätzt [15].
36.2.3 36.2
Albumin
Dextrane
Dextrane werden mit Hilfe des Enzyms Dextransucrase des Bakteriums Leuconostoc mesenteroides aus Sucrose gewonnen. Glucosemoleküle werden, hauptsächlich über α-1,6-glykosidische Bindungen, zu langen Ketten von 200–450 Glucosemolekülen verknüpft. Verbreitet sind 6 %ige Lösungen von Dextranen mit einem mittleren Molekulargewicht von 60 oder 70 kDa sowie 10 %ige Lösungen von Dextranen mit einem mittleren Molekulargewicht von 40 kDa. Die Präparate sind hyperonkotisch und ziehen deshalb initial Wasser aus dem Interstitium, sind also tatsächliche Volumenexpander. Dextran 70 hat einen Volumenfülleffekt von etwa 130 %, Dextran 40
501
36.2 • Kolloidale Plasmaersatzlösungen
36
. Tab. 36.1 Gebräuchliche künstliche, kolloidosmotisch wirksame Plasmaersatzlösungen. (Nach [9]) Lösung
Mittleres Molekulargewicht [kDa]
Kolloidosmotischer Druck [mm H2O]
Wasserbindung [ml/g]
Volumenfülleffekt [%]
Volumenwirkdauer [h]
Höchstdosis in 24 h
10 % Dextran 40
40
2.300
29
170
2–4
1,5 g/kgKG
6 % Dextran 60
60
800
25
100
4–6
1,5 g/kgKG
Harnstoffvernetzte Gelatine 3,5 %
35
350
39
80(–100)
2–3
Keine Angabe des Herstellers
Oxypolygelatine 5,5 %
30
350
41
80(–100)
2–3
2.500 ml
Succinylierte Gelatine 4,0 %
30
440
42
80(–100)
2–3
Keine Angabe des Herstellers
6 % HES 450/0,7
450
380
11
100
8–12
1,2 g/kgKG
6 % HES 200/0,62
200
400
20
100
8–12
2 g/kgKG
10 % HES 200/0,5
200
952
20
100–140
4–6
2 g/kgKG
6 % HES 200/0,5 in NaCl 7,2 %
200
400
–
300–700
HES: 4–6 NaCl: 0,5
Einmalbolus 250 ml
6 % HES 130/0,4
130
490
21
100–130
4–6
3 g/kgKG
sogar von 175 %. Damit die Flüssigkeitsverschiebung in den Gefäßraum nicht zu Folgeverschiebungen vom Intrazellulärraum in das Interstitium führt, ist meist die zusätzliche Infusion von Elektrolytlösungen erforderlich. Dextrane werden durch Dextranasen abgebaut und überwiegend renal ausgeschieden, ein Teil wird in Leber, Milz und Nieren metabolisiert. Bis zu 70 % der Erwachsenen besitzen präformierte Antikörper gegen bakterielle Antigene, die mit Dextranen kreuzreagieren und anaphylaktoide Reaktionen verursachen können. Seit 1982 werden diese Antikörper unmittelbar vor der Infusion hoch molekularer Dextrane mit nieder molekularem Dextran blockiert (20 ml 15 %iges Dextran 1000). Mit der Einführung dieser »Haptenprophylaxe« konnte das Risiko für schwere anaphylaktoide Reaktionen um den Faktor 35 auf 1/70.000 gesenkt werden. Das Risiko für anaphylaktoide Reaktionen insgesamt liegt bei etwa 0,27 % [23].
len Plasmaersatzmitteln hat HES somit das niedrigste Risiko für anaphylaktoide Nebenwirkungen (<0,085 % [23]). Die im Vordergrund stehende Nebenwirkung von HES ist ein oft mehrere Monate anhaltender Pruritus, der durch die (wahrscheinlich reversible) Ablagerung von HES in der Haut und insbesondere in den Hautnerven verursacht wird [13]. Das Risiko, Pruritus zu entwickeln, steigt mit der kumulativen Dosis, die kritische Grenze wird zur Zeit bei 300 g gesehen. So entwickelten nach länger dauernder Applikation, wie z. B. zur Behandlung des akuten Hörsturzes üblich, 54–64 % der Patienten Pruritus, verglichen mit 1–12 % der Patienten nach perioperativer Applikation. Die Aufnahme von HES durch Phagozyten dagegen scheint ohne erkennbare Nachteile, insbesondere ohne wesentliche Blockade ihrer Immunfunktionen, zu erfolgen [10].
36.2.5 36.2.4
Hydroxyethylstärke (HES)
HES wird aus pflanzlichem Amylopektin hergestellt, einem dem menschlichen Glykogen sehr ähnlichen Stärkemolekül. Um die schnelle Spaltung durch die α-Amylase zu verzögern, werden die Hydroxylgruppen an den C2-, C3- und C6-Atomen der Glucoseringe durch Hydroxyethylgruppen substituiert. Das Verhältnis von substituierten Glucosemolekülen zur Gesamtzahl der Glucosemoleküle wird als Substitutionsgrad bezeichnet (gebräuchlich 0,4–0,7). Dagegen bezeichnet die molare Substitution die Zahl der Hydroxyethylgruppen im Verhältnis zu den Glucoseeinheiten eines HES-Moleküls. HES-Lösungen werden meist mit dem Molekulargewicht in kDa und dem Substitutionsgrad gekennzeichnet (z. B. 130/0,4). Ein hoher Substitutionsgrad, ein hohes Molekulargewicht und schließlich ein hohes Verhältnis von substituierten C2-Atomen zu C6-Atomen (C2/C6-Ratio) verzögern den Abbau und damit die Elimination der HES. Die Auscheidung erfolgt nach Spaltung renal. Anders als bei den Dextranen kommen Antikörper gegen HES nur sehr selten vor, verursachen aber meist keine anaphylaktoiden Reaktionen. Von al-
Wirkung künstlicher Kolloide auf die Blutgerinnung
Durch die Gabe von Volumenersatzmitteln werden die plasmatischen Gerinnungsfaktoren verdünnt. Während eine geringgradige Hämodilution (20–30 %), möglicherweise bedingt durch die Verdünnung des Antithrombin III [28], zunächst einen prokoagulatorischen Status herbeiführt, nimmt mit stärkerer Hämodilution (40–60 %) die Gerinnungsfunktion ab. Zu diesem, bei Elektrolytlösungen ebenso wie bei kolloidalen Lösungen zu beobachtenden unspezifischen Effekt kommen bei den kolloidalen Lösungen noch spezifische Effekte auf das Gerinnungssystem hinzu. Für Gelatine waren derartige spezifische Effekte bis vor kurzem nicht bekannt, weshalb keine bzw. keine einheitliche Tageshöchstdosis existiert. Neuere Untersuchungen zeigten jedoch auch für Gelatinelösungen verlängerte Gerinnungszeiten [12] sowie eine geringere Festigkeit des Gerinnsels. Die klinische Bedeutung der Interaktionen von Gelatine mit dem von-Willebrand-Faktor (vWF) als Ursache einer verlängerten Blutungszeit wird diskutiert [7]. Wesentlich stärkere Effekte auf die Gerinnung haben jedoch HES und v. a. Dextrane. Seit langem ist die Eigenschaft der letzteren
502
Kapitel 36 • Blutersatzlösungen
bekannt, die Blutzellen und das Endothel mit einem Dextranfilm zu umhüllen (»coating«), der die Thrombozytenaggregation behindert. Aus diesem Grund wurde die Dosisobergrenze für Dextrane auf 1,5 g/kg Körpergewicht (KG) und 24 h festgelegt. Im oberen Dosierungsbereich kommt es zusätzlich noch zu einer verminderten Aktivität von Faktor VIII/vWF, sichtbar in einer verlängerten partiellen Thromboplastinzeit (PTT) [3]. Auch HES-Moleküle, insbesondere solche mit hohem Molekulargewicht, binden an Faktor VIII/vWF und reduzieren deren Verfügbarkeit. Bei langer Applikations- bzw. Verweildauer der HESMoleküle wird dieser Effekt ausgeprägter, womit für die antikoagulatorische Wirkung von HES außer dem Molekulargewicht auch der Substitutionsgrad und die C2/C6-Ratio Bedeutung bekommen [35]. Deshalb wurden für HES Tageshöchstdosen von 1,2 g (HES 450/0,7) bzw. 2 g (HES 200/0,5) pro kgKG festgelegt. Wegen der deutlich geringeren Effekte von HES 130/0,4 auf die Gerinnung wurde dessen Maximaldosis auf 3 g/kgKG/24 h festgelegt.
36.2.6
Einfluss künstlicher Kolloide auf serologische Untersuchungen
Dextrane und HES mit hohem Molekulargewicht können die Bestimmung der Blutgruppen und die Verträglichkeitsproben durch Pseudoagglutination (Geldrollenbildung) stören – dies bei der Objektträgermethode stärker als in der Röhrchentechnik. Ist die Ursache erst erkannt (aus diesem Grund fordern die Richtlinien Hämotherapie diese Angaben vom einsendenden Arzt), können die Blutgruppenantigene mit gewaschenen Zellen meist problemlos bestimmt werden. Eine geringgradige Verdünnung des Plasmas (1:2 bis 1:8) beendet in der Regel die Pseudoagglutination, ohne den Nachweis der Isoagglutinine zu stören. Bei Verträglichkeitsprobe und Antikörpersuchtest in der Röhrchentechnik stört die Pseudoagglutination nur in den dem Coombs-Test vorgeschalteten Stufen, wo mittels Prüfung in der feuchten Kammer oder durch Mediumaustausch das »Geldrollenphänomen« nachgewiesen werden kann. In der Gel-Zentrifugationstechnik spielt die Pseudoagglutination durch Plasmaersatzmittel meist weder bei der Blutgruppenbestimmung noch im Antihumanglobulintest eine Rolle.
36
> Albuminlösungen haben als Volumenersatzmittel ausgedient. Ebenso werden Gelatinepräparate wegen der hohen Nebenwirkungsrate und wegen des potenziellen Risikos, BSE zu übertragen, zunehmend weniger eingesetzt. Dextrane, HES-Lösungen mit hohem Molekulargewicht (450/0,7) und HES-Lösungen mit mittlerem Molekulargewicht, aber stark verzögertem Abbau (200/0,62) bergen, insbesondere bei Langzeitanwendung, das Risiko der verstärkten Blutungsneigung. Mittelschnell (200/0,5) und schnell (130/0,4) abbaubare HES-Lösungen dagegen können, gerade beim Ersatz intraoperativer Blutverluste, bezüglich Gerinnungsstörung und Juckreizrisiko im Allgemeinen als sicher angesehen werden.
36.3
Künstliche Sauerstoffträger
Noch vor der Entdeckung der Blutgruppen [22] und damit vor dem Beginn des Zeitalters der rational begründbaren Transfusionen waren erste Versuche unternommen worden, Eythrozyten als zelluläre Träger des Atemgastransportes entbehrlich zu machen und lösliche Substanzen auf Hb-Basis zu finden, die die Funktionen des O2- und
CO2-Transportes übernehmen könnten [8]. In den 1940er Jahren wurden sie durch Amberson wieder aufgegriffen [2]. Seither sind immer wieder massive Anstrengungen unternommen worden, um effiziente und klinisch gut verträgliche Produkte mit Sauerstofftransportfunktion in die Hand zu bekommen. Die frühen Versuche mussten schon aufgrund der bekannten Nephrotoxizität des freien Hämoglobins fehlschlagen. Heute ist die Nephrotoxizität kein Thema mehr, und es gibt eine Unzahl von Substanzen, bei denen durch Polymerisierung und Derivatisierung oder Enkapsulierung versucht wird, die verbleibenden Nebenwirkungen des freien Hämoglobins insbesondere auf die glatte Muskulatur der Gefäße und des Magen-Darm-Traktes zu umgehen. Einige dieser Präparate sind in klinischen Studien der Phase III, und ein Präparat hat (noch) eine gültige Zulassung in Südafrika (7 Abschn. 36.3.3). Es wird in den nächsten Jahren sehr spannend sein, die Entwicklung zu verfolgen. Bis zum heutigen Datum hat jedoch noch keines der angebotenen Systeme seine Marktreife im Sinne von nachgewiesener Wirksamkeit, ausreichender Nebenwirkungsfreiheit und Finanzierbarkeit erreicht. Nebenwirkungsfreiheit und Kosteneffizienz sind dabei die größten Probleme. Auch die Perfluorcarbonemulsionen, neben den Hämoglobinderivaten die 2. Klasse von Sauerstoffträgern und bislang einzige Alternative, haben sich bisher nicht auf breiter Basis durchgesetzt. Die Entwicklung der künstlichen Sauerstoffträger bekam in den 70er Jahren einen starken Schub. Seitdem ist sie eine Saga von sehr großen Hoffnungen und ebensolchen Enttäuschungen. Von entscheidender Bedeutung dürfte dabei die Tatsache sein, dass der Mensch gegenüber den spezifischen Nebenwirkungen von künstlichen O2-Trägern empfindlicher reagiert als z. B. Nager, und dass dies immer wieder hartnäckig ignoriert wurde. Trotz wiederkehrender Misserfolge hat die Grundidee der künstlichen Sauerstoffträger eine große Attraktivität bewahrt. Die Hoffnungen und Erwartungen, aus denen sich diese anhaltende Attraktivität speist, sind insbesondere eine schnelle und universelle, blutgruppenunabhängige Einsatzfähigkeit, unkomplizierte Lagerungsfähigkeit, effiziente Gewebsoxygenierung und Infektionssicherheit. Gleichzeitig müssten die spezifischen Nebenwirkungen und Risiken einer solchen Substanz erträglich bleiben. Folgende konkrete Anforderungen sind an ein solches Molekül zu stellen: 5 Sterilität, Fehlen von Endotoxin, Viren oder Prionen (BSE), 5 Lagerungsfähigkeit, 5 Fähigkeit, Sauerstoff und Kohlendioxid zu transportieren und auch abzugeben, 5 onkotische, osmotische und rheologische Kompatibilität, 5 fehlende Zell- und Gewebetoxizität, 5 geringstmögliche Immunogenität, 5 ausreichende Plasmahalbwertszeit und gleichzeitig begrenzte biologische Halbwertszeit, 5 geringstmögliche Vasoaktivität. Die spezifischen Nebenwirkungen von künstlichen Sauerstoffträgern müssen sich natürlich letztlich an den Risiken und Gefahren, die eine homologe Transfusion birgt, messen lassen. Während die blutgruppenabhängigen Risiken der homologen Transfusion unverändert weiter bestehen, hat sich bezüglich der Infektionssicherheit von homologem Blut bekanntlich in den letzten Jahren die Lage dramatisch zum Besseren gewendet. Weitere diagnostische Fortschritte und neue Techniken, wie die Pathogeninaktivierung, dürften diese Entwicklung in Zukunft noch weiter vorantreiben. Eine der Triebfedern, die die Entwicklung künstlicher Sauerstoffträger ins Rollen gebracht haben, verliert dadurch deutlich an Spannkraft. Ob die
503
36.3 • Künstliche Sauerstoffträger
verbleibenden Vorteile ausreichen, um die Entwicklung trotz erheblicher Kosten weiter zu treiben, wird die Zukunft zeigen. Der ursprünglich vertretene Anspruch, mit den künstlichen Sauerstoffträgern einen mehr oder weniger vollständigen Blutersatzstoff in die Hand zu bekommen, ist inzwischen aufgegeben. Die in der Entwicklung befindlichen Präparate bezeichnen sich selbst als Sauerstofftherapeutika. Sie sollen eine kurzfristige Überbrückung der akuten Anämie bei unerwarteten Blutverlusten, außerdem perioperativ im Zuge der akuten normovolämischen Hämodilution (ANH) oder bei hämolytischen Krisen liefern. Darüber hinaus hofft man, sie als Oxygenierungshilfe zur Versorgung von poststenotischem Gewebe einzusetzen. Substanzen mit einer Halbwertszeit von deutlich mehr als 1–2 Tagen sind nicht in Sicht. Gleichzeitig gibt es jedoch eine Anzahl von Nebenschauplätzen, bei denen künstliche Sauerstoffträger in Studien eingesetzt werden. Dazu gehört die Tumoroxygenierung zur Verbesserung der Chemo- und Radiosensibilität [40], die Behandlung der NO-bedingten Hypotension, v. a. bei Sepsis [6], und die Verlängerung der Haltbarkeit von Spenderorganen. Spezielle Formen der Perfluorcarbone wurden eingesetzt bei Flüssigbeatmung oder als Röntgenkontrastmittel [18][27]. Zur Zeit gibt es zu diesen Indikationen keine klinischen Studien.
36.3.1
Perfluorcarbone
Perfluorcarbone (PFC, . Abb. 36.1) sind vollsynthetische, zyklische oder linearkettige Kohlenwasserstoffverbindungen mit (fast) vollständig fluorierten C-Ketten. Zum Teil tragen sie auch einzelne Bromsubstituenten. Sie sind kurzkettig (bevorzugt C8–C10), da sie flüchtig sein müssen, um als chemisch inerte Substanzen den Körper über die Lunge wieder verlassen zu können. PFC besitzen ein hohes Lösungsvermögen für verschiedenste Gase, darunter Sauerstoff und Kohlendioxid. Als rein synthetische Moleküle können sie in großen Mengen ohne virale oder bakterielle Kontamination hergestellt werden. Sie können den Sauerstoff nur physikalisch lösen, nicht aber wie das Hämoglobin chemisch binden. Dies hat mehrere Konsequenzen: Zum einen ist die O2-Konzentration in der PFC-Lösung dem herrschenden Sauerstoffpartialdruck (pO2) direkt proportional. Es resultiert also eine Lösungsgerade für O2. Kooperativität und pH-Abhängigkeit der Sauerstoffbindung (Bohr-Effekt), wie sie beim Hämoglobin zur Oxygenierung hilfreich sind, gibt es nicht. In der Regel können Perfluorcarbone, auch die neuere Generation, nur mit 50–100 % O2-Beatmung sinnvoll eingesetzt werden. Zum anderen sind PFC nicht wasserlöslich. Sie müssen zur intravasalen Anwendung emulgiert werden, wobei der Emulgator natürlich die Bioverträglichkeit einer solchen Emulsion wesentlich mitbestimmt. Früher benutzte man Pluronic, ein synthetisches Blockpolymer, heute in der Regel Lecithin zusammen mit Cholesterin und Distelöl. Die Größe der Emulsionspartikel ist kritisch für die intravasale Halbwertszeit. Je größer, umso schneller werden die Partikel von Phagozyten aufgegriffen und im RES gespeichert. Die heutigen Emulsionen kommen bei 0,1–0,2 μm auf Halbwertszeiten von 4–15 h. Die biologische Halbwertszeit, also die Verweildauer im Organismus, liegt heute bei 4–7 Tagen [21]. Entsprechend der im RES gespeicherten Menge lösen sich geringe Konzentrationen physikalisch im Plasma und werden über die Lunge exhaliert. Aufgrund der RES-Belastung, die mit einer vorübergehenden Immunsuppression einhergehen kann, ist die maximal applizierbare Dosis beschränkt. In klinischen Studien von PFC-Emulsionen der 2. Generation wurden bis zu 3 ml PFC/kgKG infundiert. Es gibt
20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0
Vol% O2 STPD
36
Blut Hb 15g/dl PFC 2.Generation
PFC 1.Generation pvO2 paO2
0
200
300
400
500
600 700 800 pO2 [mmHg]
. Abb. 36.1 Vergleich des Sauerstoffgehaltes von Blut und Perfluorcarbonen (PFC) der 1. und 2. Generation. pO2 Sauerstoffpartialdruck, pvO2 gemischtvenöser Sauerstoffpartialdruck, paO2 arterieller Sauerstoffpartialdruck, STPD »standard temperature pressure dry«
auch experimentelle Hinweise für eine toxische Wirkung von PFC/ Lecithin-Emulsionen auf Phagozyten in Zellkultur [11]. Fluosol-DA, eine vom japanischen Green Cross mit Pluronic als Emulgator hergestellte 20 %ige PFC-Emulsion, wurde in den 1980er Jahren ausführlich in Studien getestet. 1989 wurde es sogar als Adjuvans für die Ballonkatheterangiographie in den USA zugelassen, allerdings nach Verbesserung der Kathetertechnologie wieder vom Markt genommen. Gegen Ende der 80er Jahre wurde klar, dass diese Emulsionen die Überlebenschancen von Patienten mit schwerer Anämie und von Patienten mit Myokardinfarkt nicht verbessern konnten [33]. Dabei beobachtete Nebenwirkungen wie transiente Thrombozytopenie und Komplemenaktivierung wurden dem Pluronic zugeschrieben. Die 2. Generation der PFC-Emulsionen benutzte deswegen Lecithin als Hauptemulgator und ist wesentlich höher konzentriert. Der prominenteste Vertreter dieser Generation ist Oxygent, welches 60 g-% PFC enthält und etwa 3-mal mehr Sauerstoff löst als Fluosol. Oxygent mit Perfluoroctylbromid als Hauptbestandteil wurde im Rahmen klinischer Studien bei einigen Hundert Patienten angewendet. Die Ergebnisse einer Multicenterstudie wurden 1999 von Spahn et al. [31] veröffentlicht. Es zeigte sich, dass man innerhalb des Procedere der akuten normovolämischen Hämodilution (ANH) Oxygent (1,8 g/kgKG) erfolgreich für die Überbrückung der transitorischen Anämie bis zur Retransfusion des vorher entnommenen Eigenblutes einsetzen konnte. Allerdings wurden Gerinnungsstörungen und Leberenzymanstiege beobachtet. Die Ergebnisse einer europäischen Multicenter-Phase-III-Studie wurden 2002 veröffentlicht [32]. Es wurde berichtet, dass man durch Einsatz von Oxygent im Zuge der ANH den Bedarf an Blutkonserven auf etwa 70 % senken konnte (1,5 statt 2,1 Konserven). In der Verumgruppe war die Inzidenz an Thrombozytopenie, Ileus oder Hypertonie erhöht. Außerdem war die Mortalität in der Verumgruppe doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe (4 % vs. 2 %). Eine 2. PhaseIII-Studie mit kardiochirurgischen Patienten wurde Anfang 2001 abgesetzt, weil es zu einer höheren Inzidenz an Schlaganfällen gekommen war. Zur Zeit gibt es keine klinischen Studien mit Oxygent in den USA oder Europa. Eine neue Phase-II-Studie soll in China durchgeführt werden. Auf jeden Fall dürfte die Menge an applizierbarer PFC-Emulsion auch in Zukunft aufgrund der RES-Belastung begrenzt bleiben. Ebenfalls eine Perfluorcarbonemulsion der 2. Generation ist das Oxycyte, das momentan in klinischen Studien der Phase II bei Pa-
504
Kapitel 36 • Blutersatzlösungen
tienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma getestet wird. Es soll die Sauerstoffversorgung des Gehirns und das Outcome verbessern. Nebenwirkungen des Einsatzes von Perfluorcarbonen resultieren im Allgemeinen aus Begleiterscheinungen der massiven Phagozytose. Die gravierendsten Nebenwirkungen traten mit den Substanzen der 1. Generation auf (Fluosol-DA), sie führten bei massiver Anwendung im Tierversuch zu Lungeninsuffizienz infolge von Verstopfung mit Makrophagen [17]. Dieses Phänomen ist bei den Substanzen mit der heute üblichen Partikelgröße von 0,1–0,2 μm deutlich reduziert. In den klinischen Studien wurden v. a. Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit sowie passagere Leukozytosen und Thrombozytopenien beobachtet. Diese konnten durch Prophylaxe mit Dexamethason stark vermindert werden. Weiter wurden gelegentlich Gerinnungsstörungen und Leberenzymanstiege beobachtet. In der Phase-III-Studie mit kardiochirurgischen Patienten waren vermehrt Schlaganfälle bei der Verumgruppe aufgetreten. Hierbei wird diskutiert, ob diese Beobachtung tatsächlich eine genuine Nebenwirkung des Oxygent darstellte, oder ob sie letztlich einer zu aggressiven Vorgehensweise bei der ANH dieser Patienten zuzuschreiben war.
36.3.2
36
Künstliche Sauerstoffträger auf Hämoglobinbasis (HBOC)
Künstliche Sauerstoffträger werden aus Humanhämoglobin oder aus Hämoglobin von Rind oder Schwein hergestellt. Das humane Hämoglobin stammt entweder von ausdatierten Konserven oder aus rekombinanter oder transgener Herstellung. Natives freies Hämoglobin ist nephrotoxisch, stark vasoaktiv, hat eine Halbwertszeit von ca. 1 h und eine sehr hohe Sauerstoffaffinität (O2-Halbsättigungsdruck p50 = 15 mmHg vs. 25 mmHg bei erythrozytärem Hb). Es gibt verschiedene Konzepte, mit denen z. T. erfolgreich versucht wurde, die gravierenden unerwünschten Wirkungen des freien Hämoglobins zu beseitigen. Dazu gehört neben der Aufreinigung durch komplette Entfernung des Stromas die chemische Modifizierung, die Polymerisierung und die Enkapsulierung des Hämoglobins. Effektoren wie das Pyridoxal-5-Phosphat, die an die Stelle des 2,3-DPG treten, heben den p50 an. Die Anwendung von Vernetzern wie Diaspirin oder Glutaraldehyd führt zu Stabilisierung durch intratetramere Vernetzung und/ oder zur Polymerisierung. Bovines Hämoglobin hat von alleine einen höheren p50, der im Übrigen durch Chloridionen reguliert wird. Bei der überwiegenden Mehrheit der bisher in klinischer Testung befindlichen Substanzen wurde allgemein eine niedrige Sauerstoffaffinität (p50 zwischen 30 und 40) angestrebt, unter der Vorstellung, dass dadurch die O2-Abgabe an das Gewebe erleichtert wird. Seit einigen Jahren wird allerdings auch zunehmend diskutiert, dass eine erhöhte Sauerstoffaffinität auch einen Schutz gegen zu viel Sauerstoff an falscher Stelle darstellen könnte. Mit Hemospan wurde dieser Gedanke umgesetzt. Das Produkt hat eine hohe Sauerstoffaffinität (p50 = 6 mmHg) und soll anders als die bisherigen Substanzen den Sauerstoff tatsächlich erst in der Endstrombahn abgeben. Die Plasmahalbwertszeit wird durch Polymerisierung vergrößert, ebenso durch Konjugation von Makromolekülen wie Dextran oder Polyoxyethylen. Sie liegt bei den heutigen Produkten zwischen 5 und 40 h. Die Nephrotoxizität ist bei hoch gereinigten und intramolekular vernetzten Hämoglobinen wie dem αα-Hb (z. B. in Haemassist) zuverlässig verhindert. Die Vasoaktivität eines solchen stabilisierten 64-kDa-Moleküls ist jedoch ähnlich hoch wie bei nativem Hämoglobin. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Molekül aus natürlichem Hämoglobin oder rekombinant hergestellt wurde.
Die Vasoaktivität äußert sich in einem Anstieg des arteriellen Blutdruckes, einem Anstieg des peripheren und pulmonalen Widerstandes sowie einer Erhöhung des gastrointestinalen Tonus mit Erhöhung der Motilität und des Sphinkterspasmus. Alle diese Wirkungen werden hauptsächlich dem NO-Scavenging, d. h. der Bindung von Nitridoxid und der Induktion von Endothelin-1 zugeschrieben. Auch wenn diese Vasoaktivität in unzähligen Tierversuchen keine gravierenden Probleme mit sich brachte (oder sogar als positiv interpretiert wurde), ist davon auszugehen, dass sie in Grenzsituationen bei humanen Studien den entscheidenden negativen Einfluss hatte. Gereinigte polymerisierte und bestimmte konjugierte Produkte sind wesentlich weniger vasoaktiv. Neue experimentelle Substanzen reduzieren die Vasoaktivität durch die Ankoppelung von Adenosin oder NO-Donoren an das Hämoglobinmolekül. Bevor im Folgenden einige existierende Hämoglobinlösungen etwas näher besprochen werden, soll noch eine Grundproblem bei der Entwicklung künstlicher Sauerstoffträger auf Hämoglobinbasis angesprochen werden: Eine wesentliche Schwierigkeit liegt letztlich in der gigantischen Menge an Material, welches für eine therapeutische Dosis benötigt wird. Eine Einzeldosis, die etwa einem konventionellen Erythrozytenkonzentrat entsprechen soll, benötigt etwa 50–60 g modifiziertes Hämoglobin, was aufgrund der Verluste bei der Herstellung 120–250 g Ausgangsstoff bedeutet. Für eine Behandlung bei einem Patienten benötigt man sinnvollerweise einige dieser Einheiten. Die Mengen, die selbst für bescheidene klinische Versuche benötigt werden, lassen sich deshalb im Labor praktisch nicht mehr herstellen, sondern benötigen eine eigene kleine Fabrik. Dagegen kann man bei Hormonen, Zytokinen oder anderen bioaktiven Molekülen mit Dosen im Mikrogramm- oder Grammbereich ganze Versuchsreihen fahren. Diese hohen Einstiegskosten bringen große Risiken mit, die dann im Fall der Erfolglosigkeit riesige Kosten verursachen.
36.3.3
Klinische Studien
5 Hemassist besteht zu 99 % aus einzelnen, intratetramer (αα) vernetzten Hämoglobinmolekülen von 64,5 kDa mit einer Plasmahalbwertszeit von 2–11 h. Haemassist wurde intensiv in klinischen Studien getestet, jedoch 1998 zurückgezogen, nachdem es in 2 Phase-III-Studien zu einer höheren Mortalität geführt hatte [29][30]. Sie betrafen Patienten mit hämorrhagischem Schock und Insultpatienten. Es wurden vermehrt Hirn- und Lungenödeme und transiente Nieren- und Pankreasinsuffizienz beobachtet. Vermehrte Blutung durch Blutdruckanstieg sowie schlechtere Gewebedurchblutung aufgrund des NO-Scavenging wurden als Ursachen diskutiert, ohne dass eine eindeutige Klärung herbeigeführt werden konnte. 5 Hemopure (HBOC-201) ist ein mit Glutaraldehyd vernetztes Hämoglobinderivat bovinen Ursprungs, welches sowohl stabilisierte 64-kDa-Moleküle als auch Polymere enthält. Die Plasmahalbwertszeit liegt dosisabhängig bei bis zu 24 h. Im April 2001 wurde in Südafrika eine Zulassung zur Behandlung von Erwachsenen mit akutem Blutverlust für bis zu 7 Einheiten in 6 Tagen erteilt. Seit Ende Januar 2006 darf das Produkt in Südafrika frei verkauft werden. Allerdings droht zur Zeit ein Widerruf der Zulassung, nachdem Natanson et al. [25] in einer Metanalyse festgestellt haben, dass auch Hemopure in klinischen Studien zu erhöhter Mortalität und einer Zunahme der Herzinfarktrate geführt hatte. In den USA und Europa liefen Phase-III-Studien [19], bei denen bereits bis zu 840 g Hb –
505
36.3 • Künstliche Sauerstoffträger
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entsprechend etwa 18 Erythrozytenkonzentraten – infundiert wurden. Bei den diversen Studien konnte bei 27–67 % der Patienten Fremdblut eingespart werden. Als Nebenwirkungen wurden neben dem allfälligen Ikterus Übelkeit, Abdominalschmerzen, Blutdruckanstiege und Anstiege der Leber- und Pankreasenzyme beobachtet. Hemolink ist ein humanes, mit O-Raffinose vernetztes Hämoglobinderivat, welches wie HBOC-201 eine Mischung aus tetramerem und niederpolymerem Hämoglobin enthält. Dementsprechend sind berichtete Nebenwirkungen ähnlich: transienter Blutdruckanstieg, Abdominalschmerzen, ösophageale Dysfunktion. In klinischen Studien wurden bis zu 500 g Hb infundiert, auch hier konnten Einsparungen an Fremdblut gezeigt werden [5]. Hemolink wurde mittlerweile vom Markt genommen. PolyHeme ist ein humanes, pyridoxyliertes, glutaraldehydvernetztes Hämoglobin, welches aufgrund rigoroser Aufreinigung fast nur aus niederpolymeren Molekülen besteht. Die Lösung soll praktisch nicht mehr vasoaktiv sein, zumindest wurde nichts über Blutdruckanstiege, gastrointestinale Beschwerden oder Organdysfunktionen berichtet [14]. Die letzte Phase-IIIStudie mit PolyHeme war eine Notfallstudie mit 720 Patienten, denen PolyHeme bereits am Unfallort gegeben wurde. Ziel war die Verbesserung der Überlebensrate im Vergleich zur Standardtherapie. In der Veröffentlichung der Studienergebnisse durch die Herstellerfirma 2007 lag die Mortalität in der PolyHeme-Gruppe allerdings höher als in der Vergleichsgruppe (13 % vs. 10 %) und die Inzidenz an Herzinfarkten bei 3 % (Vergleichsgruppe 0 %). Mit einer Zulassung der Substanz ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu rechnen. Hemospan ist eine Neuentwicklung der letzten Jahre, die es bis zum Stadium der klinischen Studien geschafft hat. Es ist ein Polyethylenglykol-konjugiertes Humanhämoglobin mit einem Anteil an tetramerem Hämoglobin unter 1 %. Im Gegensatz zu den bisherigen HBOC besitzt es eine hohe Sauerstoffaffinität (p50 = 6 mmHg), eine relativ hohe Viskosität und einen hohen kolloidosmotischen Druck. Auf diese Weise soll die Sauerstoffabgabe bereits in den Arteriolen verhindert werden und der Sauerstoff bis ins Kapillarbett gelangen. Bislang wurden Phase-I- und Phase-II-Studien in den USA und Europa durchgeführt [26]. Zur Zeit läuft eine Multicenterstudie Phase III in Europa. Ziel ist die Vermeidung intraoperativ auftretender Hypotension bei Spinalanästhesie durch den Einsatz von Hemospan. Hemoximer (ehemals VTR-PHP) ist eine Substanz, die im Gegensatz zu den bisher besprochenen HBOC nicht das Ziel hat, als künstlicher Sauerstoffträger eingesetzt zu werden. Im Gegenteil soll bei diesem Polyoxyethylen-konjugierten Hämoglobin die Hauptnebenwirkung des Moleküls, nämlich die NO-Bindung, therapeutisch eingesetzt werden. Hemoximer [4] soll beim septischen, NO-induzierten Schock als Mittel zur Blutdruckanhebung benutzt werden. Es wurden bis zu 2560 mg/kgKG in kontinuierlicher Infusion gegeben und von einer Abnahme des Vasopressorbedarfs berichtet.
36.3.4
Pathophysiologie
Antigene Potenz Homologe modifizierte oder polymerisierte Hämoglobine scheinen keine nennenswerte Antigenität zu besitzen. Dies gilt auch für enkapsulierte und konjugierte Substanzen. Heterologes Hämoglobin
36
ist antigen, IgG-Titer scheinen jedoch gering zu bleiben. IgE-Antikörper wurden nicht gefunden.
Autoxidation In-vitro-Inkubation von HBOC ohne Redoxsystem führten zur Bildung von Methämoglobin und damit zum Funktionsverlust. Met-Hb bildet sich auch nach i.v.-Gabe, wird jedoch durch die körpereigenen Redoxsysteme auf 30–40 % limitiert. Additive wie Ascorbinsäure, Riboflavin, Katalase oder Superoxiddismutase können die Met-Hb-Fraktion senken. Bei der Oxidation des Hämoglobins können Sauerstoffradikale und Peroxinitrit (ONOO-) entstehen. Dieses kann Endothel schädigen [1].
Hb-Endotoxin-Wechselwirkungen Tierversuche haben gezeigt, dass freies Hämoglobin die Endotoxinwirkung verstärken kann [34]. Die letale LPS-Dosis wird durch Hämoglobin erniedrigt. Dies ließ sich für natives und modifiziertes Hb, aber auch für enkapsuliertes Hb zeigen. Der Einsatz künstlicher Sauerstoffträger bei septischen und immunkompromittierten Patienten sollte deshalb zurückhaltend beurteilt werden. Abgesehen davon wird HBOC eben zur Bekämpfung des endotoxininduzierten Schocks in klinischen Studien getestet (Hemoximer) [16]. Die benötigten Mengen sind dabei niedriger als die, die in Toxizitätsuntersuchungen eine erhöhte Letalität erbrachten.
Vasoaktivität Unzählige Versuche haben bei Anwendung von HBOC an Tier und Mensch einen Anstieg des Blutdruckes, einen Abfall des Herzzeitvolumens und einen Anstieg des pulmonalarteriellen und peripheren Widerstandes gezeigt [20][38]. Freies Hb und HBOC binden und inaktivieren Nitridoxid (NO) und induzieren die Bildung von Endothelin-1. Vermutlich ist das intratetramer vernetzte 64-kDaMolekül aufgrund seiner Extravasation in den Subendothelialraum der Hauptschuldige. Dort liegen diese Moleküle praktisch in der Diffusionsstrecke des NO und inaktivieren dies, bevor es zur glatten Muskelzelle kommt. Das NO-Scavenging scheint aber nicht der einzige Mechanismus zu sein, der zu Vasokonstriktion führen kann. Vandegriff und Winslow haben in In-vitro- und In-vivo-Modellen gezeigt, dass das erhöhte Sauerstoffangebot an Arteriolen, welches von den HBOC geliefert wird, reflektorisch eine Vasokonstriktion und eine Abnahme der Kapillardichte im Gewebe erzeugen kann [37]. Künstliche Sauerstoffträger der Zukunft dürften vermutlich eine Molekülgröße von deutlich mehr als 64 kDa aufweisen (Hemospan), weiter eine höhere Viskosität und auch eine höhere Sauerstoffaffinität.
36.3.5
Weitere Entwicklungen und Ausblick
Die Entwicklung ist in den letzten Jahren auf verschiedenen Wegen fortgeschritten und hat zu etlichen neuen Produkten geführt, die keine Vasoaktivität mehr besitzen sollen. Aufgrund der riesigen Menge, die man für klinische Versuche braucht, verläuft die Fortentwicklung neuer Substanzen zur Marktreife jedoch sehr schleppend. So gibt es rekombinante Hämoglobine [36], bei denen durch Aminosäureaustausche der NO-Rezeptor blockiert oder in seiner Affinität reduziert wurde. Sie besitzen gleichzeitig geringere Autooxidationsraten und niedrige Sauerstoffaffinität. Die Konjugierung mit Polyethylenglykol und einem NO-Donor führt ebenfalls zu einer Substanz mit geringer Vasoaktivität (SNO-PEG-Hämoglobin [24]).
506
Kapitel 36 • Blutersatzlösungen
Bei den liposomenenkapsulierten Hämoglobinen (LEH) verlagert sich die Entwicklungsproblematik auf die Lipidhülle. Die Phospholipidmembran kann durch Substanzen wie Chitin vor allzu schneller Phagozytose und Instabilität geschützt werden. Sollte es Fortschritte bei solchen »Stealth-Partikeln« geben, so dürfte die Weiterentwicklung zu einem einsatzfähigem Produkt zügig möglich sein, da man in solche Partikel natives Hämoglobin zusammen mit entsprechenden Redox- und Enzymsystemen einpacken kann [39]. Es existieren bereits LEH mit Plasmahalbwertszeiten von ca. 50 h und einer Größe von nur 0,1 μm. Ausblickend kann man sagen, dass künstliche Sauerstoffträger bereits bei einigen Tausend Menschen angewandt wurden. Dabei konnte in klinischen Studien die Einsparung von Fremdblut nachgewiesen werden. Bei den jetzt in klinischer Testung begriffenen Substanzen sind die vasoreaktiven und gastrointestinalen Nebenwirkungen immer noch erheblich. Die 2008 veröffentlichte Metaanalyse von Natanson und Kollegen [25] wirft ein besonderes Licht auf die bisherigen klinischen Studien. In ihrer Metanalyse kommen die Autoren zu dem Schluss, dass alle Präparate, auch Hemospan, unabhängig von Indikation oder Patientenpopulation zu einer höheren Mortalität und einer höhren Inzidenz an Herzinfarkten geführt haben. Sie fordern für die Zukunft mehr präklinische Studien, eine schnellere Offenlegung der Studienergebnisse und strengere Kontrollen. Diese Analyse wird aller Vorraussicht nach zu einer stärkeren Zurückhaltung bei der Genehmigung neuer Studien führen, und die Anforderungen für einen neuen künstlichen Sauerstoffträger werden steigen. Die Zulassung von Hemopure in Südafrika ist derzeit heftig umstritten, und die Substanz droht vom Markt genommen zu werden. Man sollte auch nicht vergessen, dass sich die verbleibenden Nebenwirkungen eines solchen Präparates an den immer niedriger werdenden Risiken des homologen Blutes messen lassen müssen. Außerdem wird bei allen Neuentwicklungen auch die Frage des Preises wichtig sein. In jedem Fall dürften künstliche Sauerstoffträger die Transfusion von heterologem Blut nicht breitflächig ersetzen, sondern diese in speziellen Situationen aufgrund ihrer spezifischen Vorteile ergänzen.
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507
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Unerwünschte Wirkungen von Blutübertragungen Kapitel 37
Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen – 511 V. Kiefel
Kapitel 38
Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten – 529 G. Caspari und W. H. Gerlich
VII
511
Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen V. Kiefel
37.1
Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen – 512
37.1.1 37.1.2 37.1.3 37.1.4
37.1.6 37.1.7 37.1.8 37.1.9 37.1.10 37.1.11
Hämolytische Reaktionen nach Transfusionen – 512 Akute hämolytische Transfusionsreaktionen – 512 Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen – 515 Hämolytische Transfusionsreaktionen bei Patienten mit Sichelzellkrankheit – 516 Weitere Formen immunologisch verursachter Hämolysen im Zusammenhang mit Transfusionen und Transplantationen – 516 Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktionen – 517 Anaphylaktische Transfusionsreaktionen – 518 Posttransfusionelle Purpura – 519 Passive alloimmune Thrombozytopenie – 520 Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) – 520 Transfusionsassoziierte Graft-versus-host-Krankheit – 522
37.2
Nichtimmunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen – 523
37.2.1
Nicht durch immunologische Prozesse ausgelöste hämolytische Transfusionsreaktionen – 523 Transfusionsassoziierte Hypervolämie – 523 Transfusionshämosiderose – 524 Citratreaktionen – 524 Embolien durch Luft und Fremdkörper – 524
37.1.5
37.2.2 37.2.3 37.2.4 37.2.5
Literatur – 524
37
512
Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
Transfusionsreaktionen können nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifiziert werden: Es könnten etwa unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs Sofortreaktionen von verzögerten Transfusionsreaktionen abgegrenzt werden. Der Einfachheit einer solchen Klassifikation stünde als Nachteil gegenüber, dass sehr heterogene Reaktionen zusammengefasst und ätiologisch eng verwandte Reaktionen getrennt werden müßten. Eine Klassifikation kann aber auch aus der zugrundeliegenden Ätiologie abgeleitet werden, dabei könnten immunologisch induzierte Transfusionsreaktionen von anderen Transfusionswirkungen unterschieden werden. Die Beschreibung der Transfusionsreaktionen in diesem Kapitel teilt Transfusionsreaktionen daher anhand der beobachteten Symptome ein und berücksichtigt ätiologische Gesichtpunkte, soweit unsere heutigen Kenntnisse dies erlauben (. Tab. 37.1). In der Darstellung dieses Kapitels, dessen Gliederung der Klassifikation einer internationalen Arbeitsgruppe des European Hemovigilance Network folgt [32], werden diejenigen Bezeichnungen für einzelne Reaktionen und Erkrankungen verwendet, die sich auch in der internationalen Literatur eingebürgert haben.
37
37.1
Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen
37.1.1
Hämolytische Reaktionen nach Transfusionen
Die häufigsten transfusionsbedingten Hämolysen sind verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen, die durch eine anamnestische Immunantwort gegen erythrozytäre Alloantigene ausgelöst werden. Da die verantwortlichen Alloantikörper unmittelbar vor der Transfusion in der Regel nicht nachweisbar sind, lassen sich diese Reaktionen nicht immer vermeiden. Immunologisch vermittelte akute hämolytische Transfusionsreaktionen sollten durch die üblichen Voruntersuchungen vermieden werden können. Im 7 Abschn. 37.2.1 werden darüber hinaus hämolytische Reaktionen beschrieben, zu denen es ohne die Beteiligung von Antikörpern nach Transfusionen kommt [6]. Fast allen immunologisch ausgelösten hämolytischen Transfusionsreaktionen entstehen dadurch, dass erythrozytäre Alloantikörper die Zirkulationszeit transfundierter Erythrozyten verkürzen, sofern diese das korrespondierende Antigen tragen. Die Abbaurate transfundierter Erythrozyten kann indirekt aus klinischen Symptomen (Temperaturerhöhung, zunehmende Blässe, Ikterus) sowie anhand klinisch-chemischer Parameter (Abfall der Hämoglobinkonzentration, Nachweis freien Hämoglobins, Erhöhung der Bilirubinkonzentration und der LDH-Aktivität, Erniedrigung der Haptoglobinkonzentration) erschlossen werden. Die Eliminationskinetik inkompatibel transfundierter Erythrozyten kann relativ präzise mit Hilfe kleiner Testtransfusionen objektiviert werden, bei denen man Erythrozyten radioaktiv (z. B. mit 51Cr) markiert hat [75]. Obwohl dies kein allgemein praktikables Verfahren für die Kompatibilitätstestung in der täglichen Transfusionspraxis ist, haben solche Untersuchungen, deren Ergebnisse in [75] diskutiert werden, unsere Kenntnisse über die großen Unterschiede der biologischen Wirksamkeit von Alloantikörpern verschiedener serologischer Spezifitäten [93] wesentlich erweitert.
37.1.2
Akute hämolytische Transfusionsreaktionen
z Häufigkeit und Vorkommen Bei Verwechslung von Proben für Blutgruppenbestimmungen, für serologische Verträglichkeitsproben und bei anderen Irrtümern, in deren Folge Patienten falsche Erythrotytenkonzentrate transfundiert erhalten, besteht das Risiko eines Transfusionszwischenfalls mit möglicherweise tödlichem Ausgang. Dabei stehen akute hämolytische Transfusionsreaktionen an erster Stelle. Bei einer Analyse von 355 Todesfällen, die im Zusammenhang mit Transfusionen in den USA zwischen 1976 und 1985 von der FDA registriert wurden, waren 51 % derjenigen Fälle (n = 256), die in eine abschließende, bereinigte Analyse einbezogen wurden, auf eine akute hämolytische Transfusionsreaktion im Zusammenhang mit einer ABO-inkompatiblen Transfusion zurückzuführen [110]. Der Anteil aller akuten hämolytischen Transfusionsreaktionen lag bei 62 %. Bei einer zufällig erfolgenden Fehlzuordnung eines Erythrozytenkonzentrats besteht eine Wahrscheinlichkeit von etwa einem Drittel, dass es hierdurch zu einer major-inkompatiblen Konstellation kommt [65][66]. Bei einer Analyse von rund 1,8 Millionen Transfusionen ermittelten Linden et al. ein Risiko von 1:12.000 für falsch zugeordnete Transfusionen [66]. ABO-inkompatible Transfusionen wurden mit einem Risiko von 1:33.000 registriert, aus den drei tödlichen Transfusionsreaktionen lässt sich ein Risiko von annähernd 1:600.000 ableiten. Von den 54 ABO-inkompatiblen Erythrozytentransfusionen waren 3 (5,6 %) tödlich. Mollison [73] registrierte 12 Fälle von ABO-inkompatiblen Transfusionen; von diesen Patienten verstarb keiner, keiner entwickelte Zeichen einer disseminierten intravasalen Gerinnung oder einer Einschränkung der Nierenfunktion. Auch in einer weiteren, in [73] zitierten Serie von 13 Fällen mit ABO-inkompatibler Transfusion aus den USA kam es zu keinem Todesfall, zu keiner Oligurie und zu keiner Blutungsneigung infolge einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC). Die 13 Fälle dieser Serie ereigneten sich in einem Zeitraum, in dem etwa 300.000 Transfusionen verabreicht wurden. Die sich daraus ergebende Wahrscheinlichkeit für ABOinkompatible Transfusionen (1:23.000) entspricht annähernd der von Linden mitgeteilten Wahrscheinlichkeit. Wallace konnte den Verlauf von ABO-inkompatiblen Transfusionen bei 40 Patienten verfolgen, von diesen starben 4 (10 %) infolge einer hämolytischen Transfusionsreaktion [135]. Bei allen 4 Fällen verzögerte sich die Erkennung der Fehlzuordnung, weil das Blut während oder unmittelbar nach einer größeren Operation gegeben wurde und der Blutdruckabfall irrtümlich einer nicht erkannten Blutung zugerechnet wurde. In einer zusammenfassenden Darstellung des Serious-hazardsof-transfusion-Programms (SHOT) (UK, [121]) über ersten 8 Jahre seines Bestehens wird über 1832 Fehlzuordnungen berichtet, in 249 Fällen kam es zu ABO-inkompatiblen Transfusionen. Von diesen waren 20 (8 %) tödlich. Die Wahrscheinlichkeit für die Transfusion ABO-inkompatibler Erythrozytenkonzentrate liegt annähernd bei 1:20.000–1:40 000, ihre Mortalität unter 10 %. z Klinische Zeichen In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beginn der Transfusion kommt es zu einem Temperaturanstieg um mindestens 1 °C, Schüttelfrost, Blutdruckabfall und in einigen Fällen zum Kreislaufschock. Zusätzlich treten oft Übelkeit und Erbrechen, plötzliche Unruhe, Pruritus sowie Schmerzen im Bereich der Infusionsstelle auf. Bei Transfusionsreaktionen, die mit einer Hämolyse einhergehen,
513
37.1 • Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen
37
. Tab. 37.1 Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion Klinisches Bild
Ursache
Immunologisch ausgelöste Reaktionen Akute, verzögerte hämolytische Reaktionen
Alloantikörper des Empfängers gegen Antigene auf transfundierten Erythrozyten
Hämolyse nach Transfusion von plasmahaltigen Blutprodukten
Alloantikörper im Plasma von Blutprodukten, die gegen Antigene auf Empfängererythrozyten gerichtet sind
Hämolyse nach Organtransplantation oder Transplantation hämatopoetischer Stammzellen
Übertragung immunkompetenter »passenger lymphocytes«
Febrile, nichthämolytische Reaktionen
Alloantikörper gegen Lymphozyten, Granulozyten, Thrombozyten, Zytokine im Überstand von Blutprodukten
Anaphylaktische Reaktionen
Antikörper gegen Plasmabestandteile
Posttransfusionelle Pupura
Thrombozytenspezifische Alloantikörper
Passive alloimmune Thrombozytopenie
Alloantikörper im Plasma des Blutprodukts gegen Antigene auf Empfängerthrombozyten
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)
Alloantikörper gegen Granulozyten
Transfusionsassoziierte Graft-versus-host-Krankheit
Übertragung immunkompetenter Spenderlymphozyten
Nichtimmunologisch ausgelöste Reaktionen Hämolyse
Transfusion hämolytischer Erythrozytenpräparate, mechanische Schädigung der Erythrozyten während der Transfusion
Transfusionsassoziierte Hypervolämie (»transfusionassociated circulatory overload«, TACO)
Volumenüberlastung durch Transfusionen und Infusionen
Transfusionshämosiderose
Akkumulation von Eisen bei langdauernder Substitution mit Erythrozyten
Embolien durch Luft und Fremdkörper
Luft (Transfusion unter Druck), partikuläres Material im Blutpräparat
berichten Patienten oft über einen plötzlich auftretenden Flankenschmerz. Treten plötzlich Symptome auf, während ein Patient eine Bluttransfusion erhält, so muss versucht werden, den Verdacht auf eine transfusionsbedingte Hämolyse zu erhärten oder auszuschließen, um gegebenenfalls möglichst frühzeitig geeignete therapeutische Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Da unter einer Narkose subjektive Befindlichkeitsstörungen des Patienten nicht registriert werden können, kann es in dieser Situation zu einer erheblich verzögerten Feststellung einer akuten hämolytischen Transfusionsreaktion kommen. Zu den klinischen Symptomen, die sich im Anschluss an eine immunologisch ausgelöste Hämolyse entwickeln können, gehören Nierenversagen und eine Blutungsneigung infolge einer disseminierten intravasalen Gerinnung. z Ätiologie und Pathogenese Eine immunologisch verursachte hämolytische Transfusionsreaktion ist fast stets Folge einer Reaktion eines vom Empfänger gebildeten erythrozytären Alloantikörpers mit den transfundierten Erythrozyten. Dadurch kommt es zu einer beschleunigten Elimination der Erythrozyten aus der Zirkulation und zu systemischen Begleitsymptomen. Da die klinisch ausgeprägteren Symptome bei Reaktion von Alloantikörpern des Patienten mit Spendererythrozyten entstehen, wird deren Vorhandensein vor Transfusion im Rahmen des Major-Ansatzes der serologischen Verträglichkeitsprobe überprüft. Im Gegensatz hierzu ist das Ausmaß der Hämolyse bei Reaktion von Antikörpern im Plasma transfundierter Blutpräparate mit Empfängererythrozyten deutlich weniger ausgeprägt: In diesem Fall verteilt
sich eine vergleichsweise geringe Menge an Antikörpern auf die relativ große Gesamtoberfläche der inkompatiblen Empfängererythrozyten. In Plasmaresten übertragene Antikörper wurden im (heute vor Erythrozytentransfusionen nicht mehr üblichen) Minor-Ansatz der serologischen Verträglichkeitsprobe untersucht. Diese Konstellation ist aber praktisch bedeutsam bei ABO-minor-inkompatiblen Transfusionen von Thrombozytenkonzentraten (7 Abschn. 37.1.5.1) [70] und anderen plasmahaltigen Präparaten sowie bei plasmahaltigen Präparaten von Spendern mit irregulären erythrozytären Antikörpern im Rahmen von Interdonorunverträglichkeiten. Nach Reaktion von Alloantikörpern der Klasse IgG mit der Erythrozytenmembran können die beladenen Erythrozyten nach Interaktion mit den Fcγ-Rezeptoren der Zellen des mononukleär phagozytären Systems phagozytiert werden. Die mit diesem Zelleliminationsmodus einhergehende Hämolyse wird häufig als extravasale Hämolyse bezeichnet. Sie verläuft langsamer als die intravasale Hämolyse, bei der erythrozytäre Alloantokörper (bevorzugt der Klasse IgM) Komplement aktivieren: Die Bindung von Antikörpern auf der Zelloberfläche in ausreichender Dichte führt zu einer Aktivierung der Komplementkomponente C1. Die Spaltung und Aktivierung von C4 und C2 (unter Freisetzung der Anaphylatoxine C4a, C2a) lassen ein C3-spaltendes Enzym entstehen. Wenn es zu einer Aktivierung der Komplementkaskade bis zum »membrane attack complex« (c5b-9) kommt, führt dies zu einer Schädigung der Erythrozytenmembran mit der Folge einer Freisetzung u. a. von Hämoglobin und Kaliumionen [87]. Es entstehen teilweise heftige und lebensbedrohende Begleitreaktionen durch Einbeziehung anderer Blutzellen und Freisetzung von Zytokinen (7 s. unten). Die meisten Fälle von akuten hämolytischen Transfusionsreaktionen, die mit
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Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
einer intravasalen Hämolyse einhergehen, sind durch Anti-A bzw. Anti-B [75] bedingt. Beispiele für seltene Alloantikörper, die eine intravasale Hämolyse vergleichbaren Schweregrades induzieren können, sind Anti-Vel, Anti-PP1Pk (Tja) und Anti-H bei Oh-Individuen (Bombay-Phänotyp). Erythrozyten, auf deren Zellmembran die Aktivierung der Komplementproteine nur bis zum aktivierten C3 und C4 (C3b, C4b) fortschreitet, werden von C3-Rezeptor- (CR1-)exprimierenden Zellen des mononukleär phagozytären Systems eliminiert. Diese vermitteln die Phagozytose von komplementbeladenen Erythrozyten in Leber und Milz. Dabei gibt es einen ausgeprägten synergistischen Effekt zwischen erythrozytär gebundenem C3b und IgG. C3b allein sorgt vor allem für die Anlagerung der Erythrozyten an phagozytierende Zellen. Mit Antikörpern der Klasse IgM beladene Erythrozyten werden fast ausschließlich bei gleichzeitig auf der Zellmembran gebundenem C3b eliminiert [87]. Experimentelle Daten [22][24] und Beobachtungen in vivo [13] sprechen dafür, dass Zytokine an der Auslösung von systemischen Reaktionen wie schweren Kreislaufstörungen (Blutdruckabfall), Fieber und Gerinnungsstörungen (Auslösung einer DIC bei einem Teil der betroffenen Patienten) beteiligt sind [15][23]. An der generalisierten entzündlichen Reaktion sollen u. a. IL-2, IL-6, TNF-α und die Chemokine IL-8, MCP-1 (»macrophage chemotactic protein-1«) beteiligt sein [21]. Darüber hinaus entstehen im Rahmen der Aktivierung des klassischen Weges des Komplentsystems die Anaphylatoxine C3a und C5a, die über eine Histaminfreisetzung zum Abfall des Blutdrucks beitragen. Immunologisch induzierte hämolytische Transfusionsreaktionen erhöhen die prokoagulatorische Aktivität. Dies wird unter anderem durch Expression von Tissue Factor (TF) auf Monozyten und Endothelzellen vermittelt [25]. Umstritten ist, ob eine nichtimmunologisch induzierte Hämolyse oder die Transfusion geschädigter oder teilweise hämolysierter Erythrozyten die Gerinnung aktiviert. Die Pathogenese des als Komplikation hämolytischer Episoden besonders gefürchteten Nierenversagens ist vielschichtig [15]: Die im Rahmen der generalisierten inflammatorischen Reaktion freiwerdenden Zytokine induzieren die Freisetzung von Substanzen aus Endothelzellen, die in der Niere eine Vasokonstriktion mit der Folge einer Ischämie und eines akuten Nierenversagens bewirken. Endothelin, eine stark vasokonstriktiv wirksame Substanz, wird durch IL-1, Thrombin und Bradykinin freigesetzt. Die Rolle des freien Hämoglobins in der Pathogenese des akuten Nierenversagens bei hämolytischen Transfusionsreaktionen war lange umstritten. Freies Hämoglobin kann NO (gefäßrelaxierend!) binden und könnte damit zu einer Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung auf eine Verschlechterung der Durchblutung des Nierengewebes führen.
37
z Organisatorisches Vorgehen bei Verdacht auf eine hämolytische Transfusionsreaktion Wenn während einer Transfusion vermutet wird, dass es zu einer Hämolyse gekommen ist, muss die Transfusion sofort abgebrochen werden. Der venöse Zugang ist zu belassen und muss durchgängig gehalten werden. Es ist dann sofort zu überprüfen, ob der Patient das richtige, für ihn vorgesehene Blutpräparat erhalten hat. Dazu sind die Identität und Blutgruppe des Patienten, Blutgruppe und Produktnummer des Erythrozytenkonzentrats, die Begleitpapiere zum Blutpräparat und der durchgeführte ABO-Identitätstest am Krankenbett (Bedside-Test) umgehend zu überprüfen. Wenn Hinweise für eine Verwechslung sprechen, ist schnellstmöglich zu klären, ob ein weiterer Patient in eine paarweise Verwechslung oder mehrere Patienten in einen Ringtausch verwickelt sind. Hierzu ist innerhalb der Einrichtung der Krankenversorgung
(Station/Ambulanz) oder sogar innerhalb eines Versorgungsbereichs eines Kreuzprobenlabors oder eines Blutspendedienstes nachzuforschen. Zur Koordination des weiteren Vorgehens ist der zuständige diensthabende Arzt der versorgenden Blutspendeeinrichtung zu informieren. Alle Materialien – Beutel mit Restblut und Transfusionsbesteck, Bedside-Testkarte, Dokumentation der Transfusion und der ihr vorangehenden Vorbereitungen – sind sicherzustellen. Mit dem Mitarbeiter des Transfusionsdienstes sollte möglichst frühzeitig eine zusammfassende Darstellung aller Begleitumstände der Transfusion angefertigt werden. Um bei dem im Regelfall bestehenden Bedarf an weiterem, »sicherem« Transfusionsblut eine umgehende Klärung der Transfusionsreaktion zu ermöglichen, ist dem versorgenden Transfusionsdienst der übriggebliebene Rest der Konserve, eine Blutprobe des Patienten vor Beginn der Transfusion (sofern noch verfügbar) sowie Blutproben (mit EDTA antikoaguliert, Nativblut ohne gerinnungshemmende Zusätze) nach der Transfusion zur Verfügung zu stellen. Vom immunhämatologischen Labor sind sofort ABO-Blutgruppe und das Rhesusantigen D auf den Erythrozyten des Konservenrestes zu bestimmen. Anschließend sind Immunglobulin- und Komplementbeladung auf den Erythrozyten des Patienten in den Proben vor und nach Transfusion und auf den Erythrozyten des Konservenrestes zu untersuchen. Nach Zentrifugieren der Blutproben des Patienten und der Probe aus dem Konservenrest ist der Hämoglobingehalt des Überstandes der Proben anhand seiner Färbung zu beurteilen und zu protokollieren, gleichzeitig kann eine Bestimmung des freien Hämoglobins im Labor veranlasst werden. Darüber hinaus ist erneut ein Antikörperscreening aus den Patientenproben und im Fall eines positiven Resultats eine Antikörperdifferenzierung anzusetzen. Wenn sich keine Hinweise auf eine »erythrozytenimmunologische« Ursache für die Unverträglichkeit finden lassen, sind andere als immunologische Ursachen für das Auftreten von Zeichen einer Hämolyse während oder nach einer Transfusion zu erwägen (. Tab. 37.2). z Therapie Bei der Therapie einer akuten transfusionsbedingten Immunhämolyse muss die vor Einleitung der Transfusion zugrundeliegende klinische Situation berücksichtigt werden. Durch die Transfusionsreaktion tritt beim kranken Patienten eine Reihe zusätzlicher klinischer Probleme auf, deren Behandlung sich teilweise aus der vorausgegangenen Beschreibung der Pathophysiologie ableiten lässt. Da die Schwere der Reaktion von dem Volumen des transfundierten Erythrozytenkonzentrats abhängig ist, muss die Transfusion umgehend unterbrochen werden. Bei ausgeprägtem Blutdruckabfall ist mit Katecholaminen und ausreichendem Volumenersatz eine Stabilisierung der Kreislaufsituation zu versuchen. Die Behandlung eines sich entwickelnden Schockzustands bei einer akuten Immunhämolyse entspricht grundsätzlich der Therapie vergleichbarer Zustände anderer Genese. Zur Vermeidung eines Nierenversagens ist die Aufrechterhaltung einer angemessenen Nierenperfusion anzustreben. Auch aus diesem Grund ist ein bestehendes Volumendefizit auszugleichen. Zusätzlich kann Dopamin wegen seiner erwünschten Wirkung einer Dilatation der Nierengefäße in einer Dosierung von 3–5 μg/kgKG/min verabreicht werden. Als Diuretikum kann Furosemid eingesetzt werden. Sofern sich eine metabolische Acidose entwickelt, kann versucht werden, dieser durch Gabe von Natriumbicarbonat gegenzusteuern. Wenn es zu Zeichen einer DIC kommt, ist eine Therapie mit Heparin zu erwägen. Dies ist jedoch nicht unumstritten, da es unter Heparingabe kurzfristig zu einer Verschlimmerung einer in der Folge der Immunhämolyse entstan-
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37.1 • Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen
37
. Tab. 37.2 Ursachen für Symptome einer Hämolyse während oder nach einer Transfusion, die nicht durch erythrozytäre Alloantikörper bedingt ist Ursache
Befunde, Vorgehen zur Ermittlung der Ursachen
Transfusion hämolysierten Blutes
Feststellung der Bedingungen, unter denen es zu einer Schädigung des Inhalts eines Blutbeutels gekommen ist: Erhitzung, Anfrieren, massive Überschreitung der Lagerungszeit über das Verfallsdatum hinaus, Hinzufügen von Medikamenten oder hypotonen Lösungen Befunde: negativer direkter Coombstest (Konserve, Patienprobe); Nachweis erhöhter Spiegel freien Hämoglobins im Überstand der Konserve
Mechanische Erythrozytenschädigung während der Transfusion (transfundierte Erythrozyten)
Identifizierung kritischer Stellen am Transfusionsbesteck (Schläuche, Kanüle, Abbruchventil), durch die es bei der Durchleitung des Blutes zu schädlichen Scherkräften kommen könnte [6], gleichzeitig Feststellung einer unkorrekten Transfusionspraxis: Transfusion unter großem Druck? Befunde: negativer direkter Antiglobulintest bei Konservenblut und Patient; Nachweis von freiem Hämoglobin in der nach Transfusion gewonnenen Patientenblutprobe, nicht im Konservenrest
Mechanische Erythrozytenschädigung (Patientenerythrozyten und transfundierte Erythrozyten)
Feststellung von Mängeln oder besonderen Eigenschaften von Geräten, die im Rahmen einer extrakorporalen Zirkulation eingesetzt werden und die für eine mechanische Schädigung der Erythrozyten verantwortlich sein könnten
Transfusion eines bakteriell verkeimten Erythroytenkonzentrats
Befunde: positiver Erregernachweis im Präparat und ggf. positive Blutkultur beim Patienten
Hämolysen durch bakterielle Infektion/Sepsis in zufälligem zeitlichem Zusammenhang mit der Transfusion
Befunde: positive Blutkultur beim Patienten, negatives Resultat der Blutkultur im Konservenrest; zufälliger zeitlicher Zusammenhang von Hämolyse (durch Infekt bedingt) und Transfusion. Hämolysen werden z. B. nicht selten bei Infektionen mit Clostridium perfringens beobachtet [34][36]
denen Blutungsneigung kommen kann. Zur Beeinflussung der systemischen inflammatorischen Reaktion, zu der es in der Folge einer akuten hämolytischen Transfusionsreaktion kommt, kann die Gabe von Corticosteroiden sinnvoll sein [15].
37.1.3
Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen
z Ätiologie und Pathogenese Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen (»delayed hemolytic transfusion reaction«, DHTR) betreffen Patienten, die zu einem früheren Zeitpunkt irreguläre erythrozytäre Antikörper gebildet hatten. Innerhalb einer Periode von 5–10 Tagen führt die anamnestische Immunreaktion zu einer Antikörperkonzentration beim Empfänger, die eine Hämolyse der transfundierten Erythrozyten verursacht. Bei einer verzögerten serologischen Transfusionsreaktion (»delayed serologic transfusion reaction«, DSTR) ist die Immmunantwort zwar serologisch anhand der gebildeten Antikörper nachweisbar, führt jedoch nicht zu einer klinisch wahrnehmbaren Hämolyse. Alloimmunisierungen treten nach Transfusionen nicht selten auf; so ermittelten Redman et al. in einer prospektiven Untersuchung eine Häufigkeit von 8,4 % [101]. Im Regelfall werden verzögerte hämolytische Reaktionen durch IgG-Antikörper (IgG1, IgG3) ausgelöst, deren Konzentration bei der prätransfusionellen Untersuchung unter der Nachweisgrenze der verwendeten serologischen Verfahren lag. Obgleich Antikörper, die bei verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen gefunden werden, in vitro teilweise kein Komplement aktivieren können, findet man häufig eine C3dBeladung der Erythrozyten nach der Transfusionsreaktion. Das bei der verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktion häufige Fieber zeigt an, dass auch bei verzögerten Reaktionen durch Zytokine eine inflammatorische Reaktion ausgelöst wird. Von Zabern et al. untersuchten in einem durch Anti-D ausgelösten Fall von verzögerter hämolytischer Transfusionsreaktion die Zytokinspiegel [132]. Sie konnten eine Erhöhung der IL-1ra-, IL-6-, IL-8-, IL-10und TNFα-Spiegel unmittelbar nach der inkompatiblen Transfusion
feststellen. Bei den Begleiterscheinungen im Rahmen der verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen wird eine Freisetzung sowohl von proinflammatorischen Zytokinen als auch von IL-1ra (IL-1-Rezeptorantagonist), einem Antagonisten von IL-1, diskutiert [26]. Die Induktion der IL-1ra-Synthese durch IgG-beladene Erythrozyten soll im Sinne einer Begrenzung inflammatorischer Reaktionen bei verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen wirksam sein [26]. Eine Reihe von Beobachtungen führte zu der Frage, ob bei den verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen auch die autologen Erythrozyten des Patienten beschleunigt abgebaut werden: 5 Bei Ablesung des direkten Antiglobulintests ist nicht bei allen Patienten das zu erwartende Bild der »Mischfeldagglutination« sichtbar, sondern es scheinen alle Erythrozyten mit Antikörpern oder Komplementproteinen beladen zu sein. 5 Bei einigen Patienten lassen sich auch dann noch Antikörper von den zirkulierenden Patientenerythrozyten eluieren, wenn aufgrund des zeitlichen Abstands zur inkompatiblen Transfusion sicher davon auszugehen ist, dass sich keine der transfundierten Erythrozyten mehr in der Zirkulation des Patienten befinden können [105]. 5 In Einzelfällen kommt es nach hämolytischen Transfusionsreaktionen ohne zusätzliche Blutungen zu einem Abfall der Hämoglobinkonzentration unter den Ausgangswert vor der Transfusion [90], der nur durch einen beschleunigten Abbau autologer Erythrozyten oder durch eine plötzliche Einschränkung der Erythropoese zu erklären ist. Eine »bystander hemolysis« lässt sich bisher nur indirekt anhand der beschriebenen Kriterien erschließen, ein direkter Beweis ist beim Menschen schwer zu führen. Immerhin sprechen an Kaninchen erhobene tierexperimentelle Befunde dafür, dass in der frühen Phase der durch Alloantikörper induzierten Hämolyse auch autologe Erythrozyten beschleunigt eliminiert werden [85]. Die Bystander-Hämolyse wird durch die Wirkung von zwei unterschiedlichen Typen von Antikörpern erklärt: Einerseits könnten Alloantikörper mit autologen Erythrozyten kreuzreagieren, andererseits ist es denkbar,
516
Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
dass es gleichzeitig zur Alloimmunisierung und zur Entstehung von Autoantikörpern kommt. Salama und Mueller-Eckhardt wiesen auf die bemerkenswerten Ähnlichkeiten zwischen diesen Hypothesen und den Vorstellungen zur Pathogenese der posttransfusionellen Purpura hin [105]. Diese Autoren beobachteten darüber hinaus, dass es bei Patienten mit verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen zu nachweisbarer Beladung mit C3d kam, ohne dass dieser Befund in einen direkten Zusammenhang mit der Hämolyse gebracht werden konnte. z Klinische Zeichen Im Vordergrund der klinischen Symptomatik stehen Temperaturanstieg, Anämie, Ikterus und – seltener als bei der akuten hämolytischen Transfusionsreaktion – Nierenversagen. Übergänge zu asymptomatischem Verlaufsformen (»delayed serologic transfusion reaction«) sind fließend [128]. Der Ikterus tritt in der Regel 6–10 Tage nach der auslösenden Transfusion auf, deshalb liegt der Beginn des beschleunigten Erythrozytenabbaus nicht vor dem vierten Tag nach Transfusion. Gelegentlich wird eine Hämoglobinurie beobachtet, zu einem Nierenversagen kommt es aber nur selten [44]. z Diagnose Einige Tage nach einer erfolgten Transfusion zeigt das positive Resultat des direkten Antiglobulintests eine Beladung der Erythrozyten mit IgG und teilweise mit Komplement [105] an. Vor und unmittelbar nach Transfusion ist kein freier Alloantikörper im Serum nachzuweisen. Der für die Reaktion verantwortliche Antikörper wird frühestens 4–7 Tage später feststellbar. In einem von den Erythrozyten hergestellten Eluat lässt sich die Spezifität dieses Antikörpers häufig etwas früher als im Serum bestimmen. Die Antikörperbeladung persisitiert zumindest bei einigen Patienten viel länger als man aufgrund der zu erwartenden Zirkulationszeit antikörperbeladener transfundierter Erythrozyten annehmen sollte. Die Beobachtung, dass häufig eine Mischfeldagglutination nicht eindeutig zu erkennen ist, spricht dafür, dass teilweise auch autologe Erythrozyten in den beschleunigten Abbau mit einbezogen werden. So muss bei einzelnen Patienten eine verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion von einer autoimmunhämolytischen Anämie abgegrenzt werden [20]. Dazu ist es erforderlich, die Transfusionsanamnese zu erheben und alle zu früheren Zeitpunkten erhobenen immunhämatologischen Befunde einzuholen. Oft sind weitere serologische Untersuchungen erforderlich, um Alloantikörper von Autoantikörpern abzugrenzen. Besondere diagnostische Schwierigkeiten können hierbei solche Antikörper bereiten, die aufgrund variabler Reaktionsstärke mit unterschiedlichen Testerythrozyten ein Reaktionsmuster aufweisen, das dem der Alloantikörper ähnelt (»autoantibodies mimicking alloantibody specificities«) [46]. Bei verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen werden am häufigsten Alloantikörper gegen Merkmale der Rhesus- und JkSysteme gefunden, gefolgt von Fy-, Kell-Antikörpern und Antikörpern gegen Antigene des MNSs-Systems [75].
37
z Häufigkeit Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen wurden in einer Studie an der Mayo Clinic in einer Häufigkeit von 1:5405 diagnostiziert, verzögerte serologische Reaktionen in einer Häufigkeit von 1:2990 Transfusionen [128]. Bezogen auf die Anzahl transfundierter Patienten fanden Ness et al. Zeichen einer DHTR mit einer Häufigkeit von 1:854, eine DHSR mit einer Häufigkeit von 1:151 [84].
37.1.4
Hämolytische Transfusionsreaktionen bei Patienten mit Sichelzellkrankheit
Bei Patienten mit Sichelzellkrankheit lösen Transfusionen häufiger als bei Patienten mit anderen Erkrankungen verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen aus, darüber hinaus verlaufen diese bei solchen Patienten oft auch schwerer. Drei von 18 der von Diamond et al. beschriebenen Patienten, bei denen ein partieller Blutaustausch vorgenommen wurde, entwickelten eine derartige Reaktion. In einer größeren Serie von 107 Patienten [130] kam es bei 14 Patienten zu einer verzögerten Hämolyse. Für diese atypisch verlaufenden Fälle schlugen Petz et al. den Begriff des »sickle cell hemolytic transfusion reaction syndrome« vor [90]. Während diese Autoren die bei den Patienten zu beobachtende rasche Anämisierung auf eine Suppression der Erythrozytopoese während der hämolytischen Reaktion zurückführen, vermuten King et al. [56], dass es während der immunologisch induzierten Elimination der transfundierten Zellen auch zur Lyse autologer Erythrozyten kommt (»bystander hemolysis«).
37.1.5
Weitere Formen immunologisch verursachter Hämolysen im Zusammenhang mit Transfusionen und Transplantationen
Hämolyse nach Transfusion von plasmahaltigen Blutkomponenten Das in diesem Abschnitt besprochene Problem spielt praktisch vor allem bei der Auswahl von Thrombozytapheresekonzentraten für alloimmunisierte Patienten eine Rolle. Im Rahmen von ABO-minor-inkompatiblen Thrombozytentransfusionen werden mit den Isoagglutininen im Spenderplasma Antikörper zugeführt, die mit Empfängererythrozyten reagieren. Da es infolge der Verdünnung der Isoagglutinine des Spenderplasmas im Plasma des Empfängers bei ABO-minor-inkompatiblen Thrombozytentransfusionen im Regelfall nicht zu Hämolysen kommt, gilt ein solches Vorgehen im Allgemeinen als relativ sicher [71]. In seltenen Einzelfällen wurden jedoch bei Transfusion von Thrombozytapheresepräparaten durch Isoagglutinine verursachte akute hämolytische Transfusionsreaktionen beobachtet [19][61] [70][71]. Sogar bei Patienten, die Thrombozytenkonzentrate mit deutlich herabgesetztem Plasmagehalt erhielten, kam es zu schweren akuten hämolytischen Transfusionsreaktionen mit in einem Fall tödlichem Ausgang [127]. Ähnlich wie bei der ABO-major-inkompatiblen Transfusion von Erythrozytenkonzentraten wurden in den beschriebenen Fällen von akuten Immunhämolysen durch transfundierte Isoagglutinine systemische Reaktionen mit Temperaturanstieg, Blutdruckanstieg und Herzrhythmusstörungen beobachtet. Die Patienten klagen meist auch über den für hämolytische Episoden typischen, plötzlich auftretenden Flankenschmerz. Es kann sogar zu einer DIC kommen [19]. Fast stets ließen sich im Spenderserum hohe Titer von Isoagglutininen nachweisen. Allerdings ist es bei der Heterogenität der verwendeten Labormethoden nicht möglich, einen eindeutigen Grenzwert für gefährliche Isoagglutinintiter anzugeben. Fast stets stammten Thrombozytenkonzentrate, die eine Hämolyse auslösten, von Spendern der Blutgruppe 0. Die Stategie zur Vermeidung von Hämolysen durch ABO-inkompatibles Plasma in Thrombozytenkonzentraten ist in der 7 Übersicht »Strategie zur Auswahl von Thrombozytenkonzentraten« zusammengefasst [53] [91].
37.1 • Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen
Strategie zur Auswahl von Thrombozytenkonzentraten: ABO, HLA-Klasse-I-Antikörper, HPA-Antikörper 1.
2.
3.
Thrombozytenkonzentrate von ABO-identischen Spendern bevorzugen. Wenn der Empfänger HLA-Klasse-I- und/oder HPA-Antikörper gebildet hat, hat deren Berücksichtigung Vorrang vor der ABO-Identität Wenn ABO-identische Thrombozytenkonzentrate nicht zur Verfügung stehen: minor-inkompatible Thrombozytenkonzentrate vermeiden Wenn minor-inkompatible Thrombozyten nicht vermieden werden können: 5 Möglichst Thrombozytenkonzentrate der Blutgruppe 0 vermeiden, besser Thrombozytenkonzentrate der Blutgruppe A oder B nehmen 5 Thrombozytenkonzentrate von Spendern ohne AntiA/-B-Hämolysine und mit niedrigen Isoagglutinintitern verwenden 5 Möglichst nur Thrombozytenkonzentrate mit reduziertem Plasmagehalt für minor-inkompatible Thrombozytentransfusionen verwenden
Hämolyse im Rahmen eines »passenger lymphocyte syndrome« Bei Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen in einer ABO-minor-inkompatiblen Konstellation können immunkompetente Lymphozyten übertragen werden, die im Empfänger nach der Transplantation Isoagglutinine in einer Konzentration bilden, die eine Hämolyse induzieren. Bei den meisten durch Isoagglutinine ausgelösten Fällen fiel die Hämolyse bereits nach 7–11 Tagen auf [8][107]. In seltenen Fällen können auch andere Antikörperspezifitäten ein »passenger lymphocyte syndrome« induzieren, in einem von Leo et al. beschriebenen Fall Anti-Jk(a) [63]. »Passenger lymphocytes« können auch durch Transplantation solider Organe übertragen werden; die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse nimmt mit zunehmendem Gehalt dieser Organe an Lymphozyten zu [100].
37.1.6
Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktionen
z Symptome Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR) sind durch einen Temperaturanstieg vom mindestens 1 °C meist 30 min bis 4 h nach Beginn der Transfusion [28] gekennzeichnet, ohne dass eine Hämolyse vorliegt oder das Blutprodukt eine bakterielle Verkeimung aufwies. Teilweise kommt es wenige Minuten nach Transfusionsbeginn zu einem »flush«. Das Fieber bildet sich später spontan zurück. Der Temperaturanstieg kann von Kältegefühl und Schüttelfrost begleitet sein. Mollison et al. wiesen darauf hin, dass bei Säuglingen Schüttelfrost in der Regel nicht beobachtet wird, bei ihnen ist der Temperaturanstieg klinisch von Ruhelosigkeit, Nahrungsverweigerung und Pulsanstieg, manchmal von Diarrhoe begleitet [75]. Nach Einführung der generellen Leukozytendepletion von Erythrozytenkonzentraten und Thrombozytenkonzentraten treten FNHTR heute vorwiegend bei Gabe von Thrombozytenkonzentraten auf, selten bei Erythrozytentransfusionen. Angaben zur Häufigkeit in der Literatur liegen zwischen weniger als 1 % und 30 % [53].
517
37
z Ätiologie und Pathogenese Antikörper beim Patienten Dass febrile Transfusionsreaktionen häufig durch leukozytäre Antikörper verursacht werden können, ist schon lange bekannt. Bereits in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts konnten mehrere Autoren zeigen, dass bei Patienten mit »Leukagglutininen« febrile Reaktionen durch Transfusion einer Buffy-coat-haltigen Blutfraktion ausgelöst werden konnten, nicht dagegen durch Transfusion der leukozytenarmen Blutfraktion (zit. in [75]). In sorgfältig dokumentierten Transfusionsexperimenten konnten Perkins et al. [89] bei immunisierten Patienten einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Leukozytengehalt an Blutprodukten und Geschwindigkeit und Ausmaß des Temperaturanstiegs beobachten. Sie fanden jedoch auch, dass es eine beträchtliche Variabililtät zwischen Patienten in Bezug auf die »Schwellendosis« inkompatibler Lymphozyten in Blutprodukten gibt: Für einen Temperaturanstieg von 1 °C musste der Leukozytengehalt der transfundierten Produkte zwischen mindestens 0,25 × 109 und 2,5 × 109 Leukozyten liegen. De Rie et al. [27] ermittelten mit Hilfe konventioneller serologischer Techniken den Anteil an lymphozytären, granulozytären und thrombozytären Antikorpern bei Patienten mit febrilen Transfusionsreaktionen: Bei den meisten der alloimmunisierten Patienten lagen HLA-Antikörper vor, gefolgt von thrombozytären Antikörpern (teilweise zusammen mit HLA-Antikörpern nachgewiesen). Am seltensten wurden granulozytäre Antikörper gefunden. Zytokine in Blutprodukten In einer Studie von Heddle et al., bei der der Einfluss unterschiedlicher Faktoren auf die Auslösung einer febrilen Transfusionsreaktion untersucht wurde, war der positive korrelative Zusammenhang mit dem Alter der transfundierten Produkte am meisten ausgeprägt. Thrombozytenkonzentrate lösten deutlich häufiger als Erythrozytenkonzentrate febrile Reaktionen aus. Neuere Beobachtungen lassen vermuten, dass IL-1, TNF-α, IL-6 und IL-8 auch bei Auslösung nichthämolytischer febriler Transfusionsreaktionen eine Rolle spielen [23]. Tierexperimentelle Befunde sprechen dafür, dass TNF-α und IL-1 durch hypothalamische PGE2-Synthese Fieber induzieren können [30]. Eine wichtige Ursache für febrile Transfusionsreaktionen sind vermutlich Zytokine im Überstand von zellulären Blutprodukten. So konnten Heddle et al. zeigen, dass der Plasmaüberstand von Thrombozytenkonzentraten deutlich mehr febrile Reaktionen als die zellulären Bestandteile aus dem gleichen Produkt verursachte [43]. Die Schwere der Reaktionen korrelierte mit IL-1β- und IL-6-Konzentrationen. Im Verlauf der Lagerung nahm die Konzentration dieser fieberauslösenden Substanzen zu. Die Einführung der Leukozytendepletion von Thrombozytenkonzentraten führte nicht zu einem Verschwinden von FNHTR bei Gabe von Thrombozytenkonzentraten; eine Ursache dafür könnte darin liegen, dass Thrombozyten CD40-Ligand (sCD40L, CD154) freisetzen, der über PGE2 Fieber auslöst und die Bildung proinflammatorischer Zytokine nach sich zieht [49]. Man nimmt an, dass CD40L bei der Präparation der Thrombozytenkonzentrate freigesetzt wird. Durch Transfusion von Thrombozyten, deren Plasmagehalt durch einen maschinellen Austauschvorgang in einem Zellseparator um 95 % herabgesetzt worden war, konnten Vo et al. die Rate febriler Reaktionen bei betroffenen Patienten von 20 % auf 0,6 % reduzieren [131]. Allerdings führten die Autoren keine Untersuchungen zur funktionellen Qualität dieser Präparate durch, sodass ein solches Vorgehen bei der Herstellung von Standardpräparaten nicht allgemein empfohlen werden kann.
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Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
z Prophylaxe und Therapie von febrilen Transfusionsreaktionen Patienten, die gegen HLA-Antigene oder thrombozytäre Antigene immunisiert sind, sollten mit Antigen-negativen Thrombozytenkonzentraten substituiert werden; gegebenenfalls ist die Verträglichkeit vor Transfusion mit einem Crossmatchverfahren zu überprüfen. Wenn es nach Transfusion von Thrombozytenkonzentraten oder bei Gabe der heute als Standardprodukt verfügbaren leukozytendepletierten Erythrozyten zu Transfusionsreaktionen kommt, wird durch antipyretische Substanzen versucht, diese Reaktionen zu unterdrücken. Bei Patienten, die auf Transfusionen mit febrilen Reaktionen und mit einer Urtikaria reagierten, werden zusätzlich Antihistaminika vor der Transfusion gegeben, wobei die Wirksamkeit einer solchen Prämedikation nicht gut belegt ist [136]. Bei der Herstellung von Thrombozyten scheint eine Reduktion des Leukozytengehalts vor Lagerung die Zytokinkonzentrationen in den Thrombozyten herabzusetzen, eine besonders effektive Reduktion febriler Reaktionen scheint aber nur durch Entfernung des Plasmas im Überstand möglich zu sein. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass bei Patienten, die gepoolte Thrombozytenkonzentrate nach unterschiedlicher Lagerdauer erhielten [83], die Rate febriler Transfusionsreaktionen mit zunehmender Lagerungsdauer der Präparate stark zunahm.
37.1.7
Anaphylaktische Transfusionsreaktionen
Anaphylaktische Reaktionen treten typischerweise unmittelbar nach Einleitung der Transfusion auf. Symptome können sich auf die Haut (Urtikaria, Pruritus) beschränken, es kann darüber hinaus aber auch zu gastrointestinalen Symptomen (Diarrhoe, krampfartige Schmerzen, Erbrechen) kommen, als pulmonale Symptome können Dyspnoe oder Stridor auftreten. Besonders gefürchtet sind kardiovaskuläre Reaktionen: Blutdruckabfall, teilweise mit Übergang in einen Kreislaufschock [109]. Anaphylaktische Reaktionen bei IgA-defizienten Patienten sind selten: Pineda und Taswell beobachteten sie einmal bei etwa 47.000 Transfusionen [92], Sandler et al. schätzen ihre Häufigkeit auf weniger als einmal bei 297.000 Transfusionen [108], Laschinger et al. fanden in Kanada 1,3 Fälle auf eine Million durchgeführter Transfusionen [62].
37
z Ätiologie und Pathogenese Es ist davon auszugehen, dass in den meisten Fällen Antikörper gegen Plasmabestandteile vorliegen. Allerdings wird der Plasmabestandteil, gegen den ein Patient sich immunisiert, nur in Ausnahmefällen identifiziert: So wurden kürzlich Antikörper gegen Haptoglobin bei japanischen Patienten mit Ahaptoglobulinämie gefunden [114]. Häufiger kann die Ätiologie dieser Transfusionsreaktion bei Patienten geklärt werden, die einen Mangel an Immunglobulinen der Klasse IgA aufweisen. Meist lag hier durch vorherige Transfusion von Blutpräparaten eine Immunisierung gegen IgA vor [133]. Solche klassenspezifischen Antikörper bei Patienten mit einem IgA-Mangel können Ursache von anaphylaktischen Transfusionsreaktionen sein. Dabei handelt es sich um IgG-Antikörper, IgE Anti-IgA soll bei der Auslösung anaphylaktischer Reaktionen kaum eine Rolle spielen [109]. Gelegentlich werden subklassenspezifische Antikörper (»Antikörper mit eingeschränkter Spezifität« [108]) bei Patienten festgestellt, bei denen ein Mangel der entsprechenden Subklassen besteht; solche Antikörper verursachen aber nur selten anaphylaktische Transfusionsreaktionen. Bei entsprechend disponierten Patienten können alle Blutprodukte, die Reste von Plasmaproteinen enthalten, allergische Reaktionen verursachen. So finden sich auch in therapeutischen IgG-
Präparationen Restanteile von IgA, die für die Auslösung von Reaktionen ausreichen. z Diagnose Die Diagnose allergischer oder anaphylaktischer Transfusionsreaktionen wird anhand klinischer Symptome gestellt. Da die meisten durch Anti-IgA verursachten Fälle durch klassenspezifische Antikörper bei IgA-Mangel bedingt sind, kann bereits die Bestimmung des IgA-Spiegels bei Patienten einen wertvollen Hinweis geben. Als Standardverfahren zum Nachweis von Anti-IgA wird der passive Hämagglutinationstest verwendet [108][133]: Dazu werden mit IgA-Myelomproteinen definierter Subklasse beschichtete Testerythrozyten in dem zu untersuchenden Serum inkubiert. Ein Test zum Nachweis von IgG Anti-IgA, der dem Prinzip des Gelzentrifugationstests folgt, ist inzwischen kommerziell verfügbar [106]. Klassenspezifische IgA-Antikörper werden bei etwa 30 % IgAdefizienter gesunder Spender nachgewiesen, ohne dass zuvor eine Transfusion stattgefunden hat [108]. Da sich auch die Anti-IgAKonzentrationen bei IgA-defizienten Spendern ohne klinische Ereignisse nicht von denen bei Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen unterscheidet, erlaubt der Nachweis entsprechender Antikörper noch keine Vorhersage der Verträglichkeit IgA-haltiger Blutpräparate. Die Diagnose durch Anti-IgA ausgelöster anaphylaktischer Transfusionsreaktionen kann als wahrscheinlich angenommen werden bei Patienten, bei denen es zu anaphylaktischen Reaktionen gekommen ist, bei denen eine (klassenspezifische) IgA-Defizienz vorliegt und bei denen gleichzeitig klassenspezifisches Anti-IgA nachgewiesen wurde. Obwohl subklassenspezifische IgA-Antikörper bei Patienten mit anphylaktischen Reaktionen gefunden wurden, wird die diagnostische Bedeutung solcher Antikörper aufgrund ihrer Häufigkeit bei Blutspendern und der Seltenheit entsprechender Transfusionsreaktionen als relativ gering eingeschätzt [74]. Der diagnostische Wert der Bestimmung von IgE Anti-IgA ist gegenwärtig umstritten, bei den beiden von Burks et al. beschriebenen Fällen, in denen solche Antikörper nachgewiesen wurden, lagen zusätzlich auch IgGAntikörper vor [12]. z Therapie und Prophylaxe Die Therapie anaphylaktischer Reaktionen, die durch plasmahaltige Blutprodukte verursacht werden, unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Therapie vergleichbarer Reaktionen, wie sie bei entsprechend vorimmunisierten Patienten durch parenterale Zufuhr anderer Medikamente ausgelöst werden können: Antihistaminika, Corticosteroide, bei ausgerägten Kreislaufreaktionen die intravenöse Gabe von Adrenalin. Zur Prophylaxe von Reaktionen bei Patienten mit bekanntem Anti-IgA bei IgA-Defizienz ist die Transfusion von Blutprodukten von Spendern mit einem IgA-Mangel besonders geeignet: Bei keinem der 48 von Sandler et al. untersuchten Patienten [108] kam es hierunter zu akuten Transfusionsreaktionen. Da in Deutschland solche Präparate in der Regel nicht zur Verfügung stehen, werden Erythrozytenkonzentrate mehrfach in isotonischer Kochsalzlösung gewaschen [134], um Plasmaproteine möglichst weitgehend zu entfernen. Sofern unbedingt erforderlich, können notfalls auch Thrombozyten in isotonischer Kochsalzlösung gewaschen werden, ein entsprechendes Vorgehen wurde von Sloand et al. angegeben [119]. Dabei enthalten die Präparate dann weniger IgA, wenn die Waschflüssigkeit mit Puffer auf einen pH von 6,5 bis 6,8 eingestellt wird. Mit dieser Technik erzeugte Produkte sollten unmittelbar nach der Herstellung verabreicht werden, sie sind zum Gebrauch nach Lagerung nicht geeignet.
37.1 • Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen
37.1.8
Posttransfusionelle Purpura
Bei der posttransfusionellen Purpura (PTP) kommt es ungefähr eine Woche nach einer Transfusion zu einem plötzlichem Abfall der Thrombozytenzahl. Bereits 1961 erkannten Shulman et al. den Zusammenhang zwischen einer sekundären Immunantwort gegen Alloantigene auf dem Glykoproteinkomplex IIb/IIIa (meist HPA-1a) und dem plötzlichen Auftreten einer Thrombozytopenie [116]. Eine immunologisch induzierte Thrombozytopenie tritt ein, obwohl die autologen Thrombozyten das Alloantigen, gegen das der Antikörper gerichtet ist, nicht tragen. Die Abfolge der Ereignisse bei Auslösung einer PTP ist schon lange bekannt (Schwangerschaft oder Transfusion als immunisierendes Ereignis in der Vorgeschichte, rascher Abfall der Thrombozytenzahl nach einer etwa 7–10 Tage zurückliegenden Transfusion, meist nach Tagen oder Wochen spontaner oder durch Therapie induzierter Anstieg der Thrombozytenzahl). Dennoch konnten viele Einzelheiten in der Pathogenese dieser Transfusionsreaktion bisher nicht befriedigend geklärt werden. Die PTP ist relativ selten, in den Statistiken des britischen SHOT-Programms (»serious hazards of transfusion«) sind Meldungen von PTP ähnlich häufig wie Meldungen von transfusionsassoziierter akuter Lungeninsuffizienz [142]. z Klinische Zeichen Fälle von posttransfusioneller Purpura (PTP) sind fast ausschließlich bei Frauen im mittleren oder höheren Alter diagnostiziert worden [82]. In fast allen Fällen ist ein früheres Ereignis dokumentiert, bei dem es zu einer Immunisierung gegen Thrombozyten kommen konnte (Transfusion, Schwangerschaft). Bei der aktuellen, die PTP verursachenden Transfusion treten häufig febrile Reaktionen auf. Sechs bis zehn Tage später fällt die Thrombozytenzahl meist auf Werte unter 10.000 Thrombozyten/μl [115]. Die posttransfusionelle Purpura geht meist mit einer deutlich gesteigerten Neigung zu Blutungskomplikationen einher. Bei einigen Patienten kam es durch Blutungen zu Todesfällen, weshalb auf eine Therapie besonders in der frühen Phase der Erkrankung nicht verzichtet werden kann. Die Thrombozytopenie verschwindet auch in unbehandelten Fällen nach einigen Wochen, bei den von Mueller-Eckhardt zusammengetragenen Patientendaten wurden Thrombozytenwerte von über 100.000 im Mittel nach 19,5 Tagen erreicht [82]. In der überwiegenden Zahl der bisher beschriebenen Fälle wurde die PTP durch Vollblut oder Erythrozytenkonzentrate ausgelöst [78][81], Anlass für die Transfusion sind meist Blutungen oder Blutverluste im Rahmen von Operationen. z Ätiologie und Pathogenese Warum es bei manchen Patientinnen im Rahmen einer anamnestischen Alloimmunreaktion gegen (fremde) Antigene auf dem Glykoproteinkomplex IIb/IIIa transfundierter Plättchen(fragmente) auch zu einem beschleunigten Abbau der autologen, antigennegativen Thrombozyten kommt, ist immer noch nicht völlig geklärt. Vorstellungen verschiedener Autoren und Arbeitsgruppen zur Pathogenese der Immunthrombozytopenie bei der PTP lassen sich in drei Hyopthesen zusammenfassen: 1. Anlagerung von Immunkomplexen an autologe Thrombozyten: Nach Transfusion von Blutprodukten zirkulieren kleine Mengen von antigenhaltigem Material im Empfänger. Sobald eine ausreichende Konzentration des Alloantikörpers gebildet wurde, bilden sich Immunkomplexe, die an die autologen Thrombozyten adsorbiert werden und ihren beschleunigten Abbau verursachen [116]. Diese Vorstellungen weisen Ähnlichkeit auf mit der Hypothese der
519
37
2. Adsorption von Spender-Glykoprotein an autologe Thrombozyten: Aus transfundierten Blutprodukten stammendes, Fremdantigen tragendes Material wird von den autologen Thrombozyten adsorbiert und bewirkt damit eine Veränderung des Phänotyps der autologen Thrombozyten. Experimentelle Daten zu diesen Vorstellungen wurden u. a. von Dielemann et al. publiziert [29]. 3. Bei der dritten Hypothese, die von kreuzreagierenden, »pseudospezifischen« Antikörpern ausgeht, wird unterstellt, dass im Rahmen der sekundären Immunantwort Antikörper entstehen, die zwar in den üblichen Testverfahren als Alloantikörper imponieren, darüber hinaus aber auch mit den Alloantigen-negativen, autologen Thrombozyten reagieren. Dafür spricht, dass man von den autologen Thrombozyten den Alloantikörper eluieren [60] kann. Diese Hypothese wurde bereits 1966 von Morrison und Mollison formuliert [77]. In eigenen Experimenten konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass Anti-HPA-1a im Serum von Patienten aus der thrombozytopenischen Phase sich an HPA-1a negative Thrombozyten anlagern konnte: Eluate von diesen HPA-1a-negativen Testthrombozyten enthielten dann wiederum ein Anti-HPA-1a, wenn auch in niedrigerer Konzentration als Eluate von HPA1a-positiven Testthrombozyten [55]. In einer Variante dieser Hypothese wird vermutet, dass gemeinsam mit dem Alloantikörper Autoantikörper entstehen, die eine Elimination der autologen Thrombozyten bewirken [123][124]. Auch neuere experimentelle Befunde von Watkins et al. sprechen dafür, dass in einigen Fällen von PTP B-Zellklone entstehen könnten, die GPIIb/IIIa-spezifische Autoantikörper bilden [141]. z Diagnose Neben der charakteristischen Konstellation der klinischen Ereignisse ist der Nachweis eines thrombozytenspezifischen Alloantikörpers, der fast stets gegen ein Alloantigen auf dem thrombozytären Glykoprotein IIb/IIIa gerichtet ist, diagnostisch wegweisend. In einer Zusammenstellung von 104 Fällen fanden Mueller-Eckhardt et al. bei 85 % der Fälle Anti-HPA-1a, bei jeweils weiteren 5 % wurden Anti-HPA-1b und Anti-HPA-3a festgestellt [82]. Etwa 66 % der Fälle mit Anti-HPA-1a wiesen zusätzlich HLA-Antikörper auf. HLA-Antikörper allein scheinen eine PTP nicht auslösen zu können. Deshalb müssen Laboratorien, die solche Untersuchungen durchführen, in der Lage sein, zuverlässig Alloantikörper gegen GPIIb/IIIa auch in solchen Serumproben nachzuweisen, die zusätzlich HLA-Antikörper enthalten. Am besten geeignet sind hierzu glykoproteinspezifische Tests wie z. B. der MAIPA-Assay [52][54]. In der Regel wird ein stark reagierender thrombozytärer Alloantikörper gegen ein Antigen auf dem Glykoprotein IIb/IIIa nachgewiesen, in der überwiegenden Zahl der Fälle ist dies Anti-HPA-1a. Das korrespondierende Antigen kann auf den autologen Thrombozyten in der Regel nicht nachgewiesen werden. Paradoxerweise konnten in Eluaten autologer Thrombozyten, die in der akuten Phase der PTP gewonnen wurden, diese (eigentlich gegen die transfundierten Fremdantigene gerichteten) Alloantikörper nachgewiesen werden [60], auch kann das Resultat eines direkten MAIPA-Assays positiv ausfallen, weil der GPIIb/IIIa-Komplex mit IgG beladen ist; einen solchen Befund würde man bei einer normalen Alloimmunisierung nicht finden. In sehr seltenen Fällen von ließen sich auch Alloantikörper gegen Antigene auf anderen Glykoproteinen nachweisen: GPIa/ IIa [2][18] und CD36 [7]. Da diese Antikörperspezifitäten nur in vereinzelten Fällen beschrieben wurden, kann der Zusammenhang
520
Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
zwischen diesen Antikörpern und einer PTP bisher noch nicht als gesichert gelten. z Therapie, Prophylaxe Die Wirksamkeit der Infusion hoher Dosen von intravenös verabreichtem IgG (i.v.-IgG: Gesamtdosis von 2 g/kg Körpergewicht, aufgeteilt auf 2 Dosen an zwei Tagen) ist gut belegt [41][79][80]. Recht häufig kommt es nach einer ersten, erfolgreichen i.v.-IgG-Therapie zu einem erneuten Abfall der Thrombozytenzahl. Die Thrombozytenzahl erfolgreich behandelter Patientinnen muss daher ausreichend lange kontrolliert werden, um diese fast immer wirksame Therapie bei Bedarf zu wiederholen. Corticosteroide sind bei der PTP nicht zuverlässig wirksam. Auch Plasmaaustauschbehandlungen sind zugunsten der i.v.-IgGTherapie verlassen worden. Nach Transfusion unausgewählter (in der Regel inkompatibler) Thrombozyten kommt es nicht zum Anstieg der Thrombozytenzahl, auch transfundierte HPA-1a-negative Thrombozyten werden genauso wie die autologen HPA-1a-negativen Thrombozyten des Patienten abgebaut [39]. Auch die Einzelheiten des in [143] beschriebenen Falls belegen die Wirksamkeit HPA-1a-negativer Thrombozyten nicht eindeutig, da hier vor dem Anstieg der Thrombozytenzahl mehrere therapeutische Optionen gleichzeitig stattfanden. Obwohl in seltenen Einzelfällen eine zweite Episode einer PTP beobachtet wurde, sollten Patienten mit einer PTP in der Vorgeschichte im Bedarfsfall akut benötigte Erythrozytenkonzentrate nicht vorenthalten werden. Die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit es zu einer zweiten Episode einer PTP kommt, sind noch nicht völlig geklärt. Shulman und Jordan beobachteten, dass es zu weiteren Episoden von PTP in mindestens 3-jährigem Abstand zur ersten PTP kam, und sie folgerten aus ihren Beobachtungen, dass ein persistierender hochtitriger Alloantikörper einen protektiven Effekt für das Wiederauftreten einer PTP hat [[115]. Patienten, bei denen eine vorausgegangene Immunisierung gegen ein thrombozytäres Alloantigen bekannt ist, sollten bei später notwendigen Thrombozytentransfusionen allerdings möglichst Plättchen von Antigen-negativen Spendern erhalten, damit es zu einem befriedigenden Transfusionseffekt kommt. In diesem Zusammenhang erscheint es gegenwärtig auch nicht grundsätzlich sinnvoll, bei Patientinnen, die im Rahmen einer Schwangerschaft ein Anti-HPA-1a gebildet haben und bei denen dieser Antikörper im Notfallpass eingetragen ist, auf Transfusion von Erythrozyten von HPA-1a-negativen Blutspendern zu bestehen: In dringlichen Situationen könnte hierdurch wertvolle Zeit verlorengehen. Später transfundierte Thrombozytenkonzentarte sollten dagegen stets von Antigen-negativen Spendern stammen.
37.1.9
37
Passive alloimmune Thrombozytopenie
Schon lange ist aufgrund der Experimente von Harrington et al. bekannt, dass Plasmen mit thrombozytären Autoantikörpern von Patienten mit einer ITP schwere Thrombozytopenien nach Übertragung auf gesunde Personen auszulösen vermögen [42]. Allerdings ist es durch Autoantikörper in Blutprodukten bisher kaum zu klinischen Problemen gekommen. Dagegen wurde durch Transfusion von Blutprodukten mit plättchenspezifischen Alloantikörpern bei den Empfängern in einer Reihe von Fällen eine reversible Thrombozytopenie ausgelöst [139]. Bei den durch Anti-HPA-1a verursachten Fällen von Immunthrombozytopenie wurden Thrombozytenzahlen zwischen 1000 und 11.000 Thrombozyten/μl [4][10][112] gemessen. Bei einem durch Anti-HPA-5b ausgelösten Fall [140] betrug die
niedrigste Thrombozytenzahl 35.000/μl, es kam aber zu einer deutlichen Verlängerung der Blutungszeit. Bei den bisher dokumentierten Fällen von passiver alloimmuner Thrombozytopenie wurde der Abfall der Thrombozytenzahl durch transfundiertes Plasma [10][140], Erythrozytenkonzentrat [4] oder Vollblut [112] ausgelöst. Der etwas gutartigere Verlauf bei dem durch Anti-HPA-5b ausgelösten Fall könnte durch die geringere Antigendichte auf den Thrombozyten und die breitere Gewebeverteilung des GPIa/IIa-Komplexes bedingt sein. An diese seltene Transfusionsreaktion sollte bei unerklärlichem akutem Abfall der Thrombozytenzahlen gedacht werden; im Unterschied zur posttransfusionellen Purpura tritt die Reaktion sofort nach Transfusion auf. Reaktionen dieser Art sollten dem Blutspendedienst, der die entsprechenden Blutprodukte geliefert hat, unbedingt mitgeteilt werden, damit die entsprechenden Spender von weiteren Blutspenden ausgeschlossen werden können.
37.1.10
Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)
Unter einer transfusionsassoziierten akuten Lungeninsuffizienz (»transfusion-related acute lung injury«, TRALI) versteht man einen durch leukozytäre Antikörper induzierten Symptomenkomplex aus Dyspnoe und einer objektivierbaren Ateminsuffizienz, verbunden mit Temperaturanstieg und meist einem Blutdruckabfall, wobei sich das Krankheitsbild innerhalb weniger Stunden nach der Transfusion manifestiert. In der Regel macht die Schwere der Reaktion eine Beatmung über einige Tage erforderlich. Die Verwendung des Begriffs TRALI geht auf Popovsky et al. [97] zurück. Weitere in der Literatur verwandte Bezeichnungen für diese Transfusionsreaktion sind »noncardiogenic pulmonary edema after transfusion« [96], »allergic pulmonary edema« [51], »leukagglutinin transfusion reaction« [137] oder »pulmonary hypersensitivity reaction« [138]. z Symptome Das klinische Erscheinungsbild bei TRALI-Reaktionen unterscheidet sich kaum von dem des »adult respiratory distress syndrome« (ARDS): Es kommt zu Dyspnoe, Zyanose, Blutdruckabfall und Temperaturanstieg. Die Symptome beginnen 1–2 h nach Transfusionsbeginn und sind meist 4–6 h voll ausgeprägt [58]. Radiologisch sind beidseitige Infiltrate feststellbar, die in 80 % der Fälle innerhalb von 4 Tagen verschwinden. Eine Konsensuskonferenz formulierte Kritierien für die Diagnosen »TRALI« und »mögliche TRALI« [57] (7 Übersicht).
Kriterien für TRALI 5 Akute Lungeninsuffizienz: – Akuter Beginn – Hypoxämie: paO2/FiO2 ≤ 300 oder Sauerstoffsättigung < 90 % oder andere klinische Belege für Hypoxämie – Beidseitige Lungeninfiltrate in Röntgenthoraxübersichtaufnahme – Kein Hinweis auf Hochdruck im linken Vorhof im Sinne eines »circulatory overload« 5 Keine akute Lungeninsuffizienz vor Transfusion 5 Entstehung innerhalb von 6 h nach Transfusion 5 Kein zeitlicher Zusammenhang mit alternativer/alternativen Ursache(n) für akute Lungeninsuffizienz
37.1 • Immunologisch verursachte Transfusionsreaktionen
Kriterien für mögliche TRALI 5 5 5 5
Akute Lungeninsuffizienz Keine akute Lungeninsuffizienz vor Transfusion Entstehung innerhalb von 6 h nach Transfusion Bestehender zeitlicher Zusammenhang mit alternativer/ alternativen Ursache(n) für akute Lungeninsuffizienz
Zu alternativen Risikofaktoren für ALI gehören: Aspiration, Pneumonie, Inhalation toxischer Substanzen, schwere Sepsis, Verbrennungstrauma [57]
TRALI-Reaktionen gehören zu den häufigsten Ursachen für transfusionsbedinge Todesfälle [50]. In einer Umfrage unter Experten [33] wurde der Anteil tödlicher Fälle auf 6–10 % geschätzt, deutsche Hämovigilanzdaten von Fällen, die 2006–2007 untersucht wurden, zeigen eine Mortalität von 8/44 (18 %). Bei den meisten der in [96] analysierten Patienten (29/36) bildeten sich die Lungeninfiltrate innerhalb von 96 h zurück, bei 6 Patienten persistierten sie jedoch über mehr als 7 Tage. Es ist davon auszugehen, dass diese Transfusionsreaktion in vielen Fällen verkannt wird [33]. So ist die klinische Abgrenzung zu Respiratory-distress-Syndromen anderer Ätiologie schwierig. Die Rate diagnostizierter Fälle nimmt wahrscheinlich zu, wenn Ärzte dieses Krankheitsbild kennen und bei Verdacht häufiger eine entsprechende immunologische Diagnostik veranlassen. z Ätiologie und Pathogenese Popovsky et al. konnten bei den Fällen ihrer Serie von 36 Patienten mit TRALI [96] bei 32 betroffenen Patienten (88,7 %) granulozytäre Antikörper im Spenderblut nachweisen. In zwei Fällen fanden sie granulozytäre Antikörper im Patientenserum. Wegen der beträchtlichen Schwierigkeit bei der Charakterisierung granulozytärer Antikörper wurden nur in wenigen publizierten Fällen Antikörperspezifitäten ermittelt. Auch bei den meisten dieser Patienten wurde ein Antikörper beim Spender eines der verabreichten Blutprodukte festgestellt, seltener im Serum der betroffenen Patienten. Lucas et al. beschrieben darüber hinaus eine Inter-Donor-Inkompatibiltät [69] als Ursache für eine TRALI-Reaktion. Schon länger ist bekannt, dass gelegentlich auch HLA-KlasseI-Antikörper eine Rolle bei der Auslösung dieser Transfusionsreaktion spielen [14][31]. Unklar ist dabei allerdings, warum diese häufig nachweisbaren Antikörper bei Fällen mit TRALI nur relativ selten gefunden werden. Auch gibt es gegenwärtig keine sicheren serologischen Merkmale, die eine besondere Gefährlichkeit von bestimmten HLA-Klasse-I-Antikörpern in Bezug auf diese Transfusionsreaktion anzeigen. Allerdings fällt auf, dass einige der Antikörper, die bei Spendern oder Patienten mit TRALI-Reaktionen gefunden wurden, nicht nur im lymphozytotoxischen Test nachweisbar sind, sondern Leukozyten auch zu agglutinieren vermögen. Unter den HLA-Antikörperspezifitäten, die im Zusammenhang mit TRALI-Reaktionen identifiziert wurden, findet sich relativ häufig Anti-HLA-A2. Zunehmend häufiger werden HLA-KlasseII-Antikörper vor allem bei bei immunisierten Spenderinnen von plasmahaltigen Blutprodukten gefunden, deren Transfusion zu einer TRALI führte [102]. Da die korrespondierenden Antigene (HLA II) auf Granulozyten nicht exprimiert sind, geht man davon aus, dass Monozyten an der Auslösung der Lungenreaktionen beteiligt sind [59][86]. Die Befunde von Nishimura et al. machen die durch Antikörper vermittelte Freisetzung des Leukotrien B4 aus Monozyten – ein starker Entzündungsmediator – für die Wirkungen der Granulozyten in der Lunge verantwortlich [86].
521
37
Zur Klärung Spezifität der auslösenden Antikörper, wie sie mit den aktuell verfügbaren serologischen Untersuchungsmethoden identifiziert werden können [45], untersuchten Reil et al. Proben von Spendern, deren Blutprodukte eine TRALI nach den o. g. Kriterien ausgelöst hatten [102]. Von den 36 Spendern mit leukozytären Antikörpen wiesen 17 HLA-Klasse-II-Antikörper auf, 10 Anti-HNA-3a; HLA-Klasse-I-Antikörper allein fanden sich bei 4, in Kombination mit HLA-Klasse-II-Antikörpern bei 3 Spendern, und bei je einem Spender wurde Anti-HNA-1a bzw. Anti-HPA-2a nachgewiesen. Die pathophysiologischen Vorgänge bei TRALI wurden wurden von mehreren Arbeitsgruppen in Ex-vivo-Studien und Tiermodellen untersucht [68]. Seeger et al. verwendeten ein Tiermodell mit isolierten Kaninchenlungen [113]. Diese wurden mit einer Spülflüssigkeit perfundiert, der ein Antikörper der Spezifität 5b (AntiHNA-3a), Kaninchenkomplement und Antigen-positive Granulozyten beigefügt waren. Bei diesen Experimenten kam es nur bei Vorhandensein aller Komponenten zu einer Lungenschädigung. Befunde dieser Autoren sprechen dafür, dass auch Aktivierung von Komplement für die Auslösung dieser Transfusionsreaktion erforderlich ist. Sachs et al. konnten die Notwendigkeit für die Beteiligung von Komplement in einem Ex-vivo-Rattenmodell nicht bestätigen [104], wobei sie einen monoklonalen Antikörper gegen CD177 einsetzten. Diese Autoren fanden kostimulatorische Effekte von fMLP (einer chemotaktischen Substanz), was die Wirkung der Antikörper massiv verstärkte. Weitere Arbeitsgruppen untersuchten die zugrundeliegenden Mechanismen mit In-vivo-Tiermodellen (Übersicht bei [68]). Offenbar gibt es neben Antikörpern gegen Leukozyten noch weitere Faktoren, die bei der Auslösung einer TRALI-Reaktion eine Rolle spielen. Häufig sind Patienten in zeitlichem Zusammenhang mit einer Operation oder bei einer Sepsis betroffen. Bei einem Teil der Patienten mit TRALI nach den in der Übersicht genannten Kriterien wurde kein leukozytärer Antikörper bei Spender oder Patient gefunden. Deshalb schlug Silliman zur Erklärung der Pathogenese der TRALI ein Modell vor, das zwei Ereignisse zur Auslösung einer TRALI-Reaktion postuliert: 1. Nach Operationen, bei septischen Zuständen führt die Freisetzung von Entzündungsmediatoren zu vermehrter Adhärenz von Granulozyten an Endothelzellen [118]. 2. Ein zweites Ereignis: Infusion granulozytärer Antikörper, Freisetzung von Zytokinen oder Infusion biologisch aktiver Lipide in gelagerten Blutprodukten soll diese adhärenten Granulozyten aktivieren mit der Folge, dass es zu Endothelzellschädigung, Flüssigkeitsaustritt ins Gewebe und Gewebeschädigung in der Lunge kommt. z Häufigkeit und Vorkommen Die Wahrscheinlichkeit für eine TRALI-Reaktion wurde von Popovsky und Moore ursprünglich auf 1:5000 aller transfundierten Einheiten oder 1:625 aller transfundierten Patienten geschätzt [95]. Sillimann et al. berichteten über eine Wahrscheinlichkeit von 1:2000 aller transfundierten Einheiten [119]. Neuere Zahlen zur Inzidenz dieser Transfusionsreaktion gehen von 1:74.000 bei GFP (bezogen auf die transfundierten Produkte), 1:88.000 bei Thrombozytenkonzentraten und 1:557.000 bei Erythrozytenkonzentraten [17] aus. Häufige Ursache für die Bildung granulozytärer Antikörper bei weiblichen Blutspendern sind Schwangerschaften. Zupanska et al. haben die Wahrscheinlichkeit einer Alloimmunisierung gegen HNA-1a (NA1) oder HNA-1b (NA2) mit 6 auf 1000 (unausgelesene) Schwangerschaften bestimmt [145]. Reil et al. wiesen leukozytäre Antikörper bei 8,9 % weiblicher Spender mit mindestens einer
522
Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
Schwangerschaft nach (HNA, HLA-Antikörper, n = 5332). Dabei nimmt die Immunisierungsrate mit der Zahl der vorangegangenen Schwangerschaften zu. Bei männlichen Spendern wurden von diesen Autoren dagegen keine leukozytären Antikörper gefunden [102]. z Therapie, Prävention Im Vordergrund aller therapeutischer Maßnahmen stehen eine ausreichende Sauerstoffgabe und ggf. Beatmung zur Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen. Die Gabe von Corticosteroiden und Katecholaminen (bei Blutdruckabfall) ist allgemein üblich. Die Anwendung von Diuretika ist dagegen umstritten: Da bei TRALI meist keine Volumenüberlastung als Ursache für das Lungenödem vorliegt, ist verständlich, dass es unter der Therapie mit Diuretika oft zu keiner Verbesserung der Symptomatik kommt; von einigen Autoren wird bei klinisch diagnostizierter TRALI die Infusion isotonischer Kochsalzlösung empfohlen [33][58]. Zur Prävention von transfusionsinduzierten Lungenreaktionen sollten Spender, deren Produkte an Fällen von TRALI-Reaktionen beteiligt waren, bis zu einer Untersuchung auf Vorhandensein von granulozytären Antikörpern oder von HLA-Antikörpern zeitweilig nicht spenden. Das Paul-Ehrlich-Institut hat in einem Stufenplanverfahren 2008 angeordnet, therapeutisches Plasma nur von männlichen Spendern und von weiblichen Spendern ohne frühere Schwangerschaften zu verwenden. Bei Spenderinnen mit früheren Schwangerschaften kann Plasma jedoch dann genutzt werden, wenn bei einer Untersuchung leukozytäre Antikörper (HLA-I-, HLA-II-Antikörper, Anti-HNA-1a, -1b, -2a, -3a) nicht nachgewiesen wurden. Der aktuelle Standard der Techniken zum Nachweis von Antikörpern zur Vermeidung von Fällen von TRALI wurde kürzlich von einer Arbeitsgruppe der Internationalen Gesellschaft für Transfusionsmedizin zusammengestellt [45] (7 Kap. 41). 37.1.11
Transfusionsassoziierte Graft-versus-hostKrankheit
Die transfusionsassoziierte Graft-versus-Host-Krankheit (»transfusion-associated graft-versus-host-disease«, TA-GvHD) ist eine schwere zelluläre Immunreaktion durch transfundierte T-Lymphozyten. Während die Persistenz von Spenderlymphozyten nach Transfusion (»transfusion-assciated microchimerism«) nach neueren Beobachtungen gar nicht so selten ist [126], kommt es glücklicherweise nur in Ausnahmefällen zum Ablauf folgender Ereignisse, die denen bei der akuten GvHD nach Knochenmarktransplantation analog sind: Stimulation antigenpräsentierender Zellen des Empfängers, Stimulation von Spender-T-Lymphozyten durch die präsentierten Empfängerantigene und schließlich Gewebeschäden durch freigesetze Zytokine [35].
37
z Klinische Zeichen Der Verlauf der TA-GvHD weist Ähnlichkeiten zur akuten Graftversus-Host-Krankheit nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen auf [1], jedoch endet sie meist tödlich. Bereits 4 Tage (im Mittel 10 Tage) nach der auslösenden Transfusion kann es Fieber auftreten. Ein makulopapulöses Exanthem entwickelt sich meist auf dem Körperstamm und breitet sich dann auf die Extremitäten aus. Es kann in ein bullöses Exanthem übergehen. Der ebenfalls häufige Befall der Leber führt bei der TA-GvHD zu Zeichen von Cholestase, die sich in einem Anstieg von Bilirubinspiegel und der alkalischen Phosphatase widerspiegelt. Die gastrointestinalen Sym-
ptome sind variabel: Neben Anorexie und Nausea sind bei der TAGvHD Diarrhoen Folge eines Befalls der Darmschleimhaut. Für das Schicksal des Patienten bestimmend sind Reaktionen, die das blutbildende Knochenmark und immunkompetente Zellen des Empfängers betreffen: Im Rahmen der Lymphozytopenie und später Panzytopenie, deren Symptome im Mittel mit dem 16. Tag entstehen, kann es durch Verbluten und nichtbeherrschbare Infektionen zum Tod des Patienten kommen [111]. Auch betroffenen bei Neugeborenen ist Fieber (über 38 °C) das Erstsymptom, das im Median jedoch um den 28. Tag auftritt, gefolgt von einem Exanthem (das im Median nach 30 Tagen auftritt) und Leukopenie/Panzytopenie (43 Tage). Der Tod trat bei den von Ohto und Anderson untersuchten Fällen nach durchschnittlich 51 Tagen ein [88]. z Ätiologie und Pathogenese Bei Transfusion einer ausreichenden Anzahl vitaler, noch vermehrungsfähiger immunkompetenter Zellen (u. a. T-Lymphozyten), die vom Empfänger entweder nicht als »fremd« erkannt oder die aufgrund einer unzureichenden zellulären Immunantwort nicht eliminiert werden können, proliferieren diese nach Stimulation im Milieu des Fremdorganismus und schädigen die Organe des Wirtes. Im Unterschied zur Graft-versus-Host-Krankheit nach Knochenmarktransplantation oder Transplantation hämatopoetischer Stammzellen ist bei der TA-GvHD auch die Hämatopoese und das Immunsystem (des Empfängers) Ziel des Angriffs der transfundierten Zellen. Ein Überleben immunkompetenter Zellen ist bei solchen Patienten möglich, die aufgrund eines Defekts oder einer Schwäche der zellulären Immunabwehr fremde immunkompetente Zellen nicht eliminieren können. Dies ist beispielsweise der Fall bei intrauterinen Transfusionen, bei Transfusionen nach allogener Knochenmarktransplantation und bei Patienten mit kongenitalen (zellulären) Immundefekten. Bei immunologisch kompetenten Personen kann eine TAGvHD dann auftreten, wenn die Spenderzellen einen HLA-Haplotyp des Empfängers in homozygoter Form aufweisen [72]. Als weitere begünstigende Faktoren wurden bei japanischen Patienten (bei denen es häufiger als bei Weißen zu einer TA-GvHD kommt) festgestellt: Bluttransfusionen im Rahmen großer operativer Eingiffe, vor allem im Rahmen der Herzchirurgie, und höheres Lebensalter. Darüber hinaus sollen erste Bluttransfusionen mit einem deutlich höheren Risiko einhergehen als wiederholte Fremdblutgaben [3]. z Prophylaxe und Therapie Versuche, den fast stets fatalen Verlauf dieser Transfusionsreaktion zu beeinflussen, haben sich meist als erfolglos erwiesen. Im Gegensatz zur Graft-versus-Host-Krankheit nach Transplantation spricht die TA-GvHD in der Regel nicht auf Corticosteroide, Cyclosporin oder ATG an. Lediglich in Einzelfällen von TA-GvHD besserten sich Symptome nach Therapie mit Corticosteroiden und ATG [99] und Anti-CD3 (OKT3) und Cyclosporin [144]. Auch ein spontanes Verschwinden einer TA-GvHD wurde beobachtet [76]. Der Prävention der TA-GvHD kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Sie besteht in der Bestrahlung aller zellulären Blutprodukte mit einem erhöhten Risiko für eine TA-GvHD mit einer Dosis von 30 Gy [11]. Es müssen daher vom transfundierenden Arzt diejenigen Patienten identifiziert werden, bei denen ein erhöhtes Risiko für die Auslösung einer TA-GvHD besteht. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass im Zusammenhang mit der TA-GvHD besonders gefährliche Blutprodukte (z. B. Granulozytenpräparate) stets bestrahlt werden [5][103] (7 Übersicht).
523
37.2 • Nichtimmunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen
37.2
Nichtimmunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen
37.2.1
Nicht durch immunologische Prozesse ausgelöste hämolytische Transfusionsreaktionen
Indikationen zur Bestrahlung von Blutpräparaten 5 Patienten mit unzureichender Immunabwehr: – Intrauterine Transfusionen – Transfusion bei Frühgeborenen (Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche) – Transfusion bei Neugeborenen mit Verdacht auf eine Immundefizienz – Austauschtransfusionen nach intrauterinen Transfusionen – Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (aus Knochenmark und aus peripherem Blut) – Schwere Immundefektsyndrome mit beeinträchtigter zellulärer Immunabwehr (primär, sekundär im Rahmen maligner Grunderkrankungen) – Nach Therapie mit Purinanaloga (Fludarabin, Cladribin) oder T-Lymphozytenantikörpern 5 Immunkompetente Patienten: – Gerichtete Transfusionen zwischen Verwandten – Nach HLA-Merkmalen ausgewählte zelluläre Blutprodukte (z. B. Thrombozytapheresepräparate) 5 Sonstige Indikationen: – Granulozytenkonzentrate (hoher Gehalt an Lymphozyten) – Transfusion vor autologer Blutstammzellentnahme
Ausschließlich bestrahlte zelluläre Präparate sind bei intrauterinen Transfusionen zu verwenden (Erythrozytentransfusionen bei Morbus haemolyticus fetalis, Thrombozytentransfusionen bei fetaler Alloimmthrombozytopenie) und bei Neugeborenen, bei denen zuvor intrauterine Transfusionen verabreicht wurden [5]. Umstritten ist die Indikation zur Bestrahlung von Blut für Austauschtransfusionen; auch hier sollte sie stattfinden, wenn zuvor intrauterine Transfusionen verabreicht worden waren oder wenn die Präparate von Verwandten ersten und zweiten Grades stammen. Dies gilt ebenfalls für Thrombozytentransfusionen von der Mutter, die Neugeborenen mit einer NAIT verabreicht werden. Bei gegebener Indikation für eine Austauschtransfusion bei reifen Neugeborenen sind Nutzen der Bestrahlung und Nachteile, die sich aus einer Verzögerung der Bereitstellung des Transfusionsblutes ergeben, gegeneinander abzuwägen. Aufgrund bisheriger Erfahrungen sollten u. a. Patienten mit SCID, Di-George-Syndrom, Wiskott-Aldrich-Syndrom und weiteren Immundefekten mit ausgewiesener Defizienz der zellulären Immunität ausschließlich mit bestrahlten Blutprodukten behandelt werden [5]. Bei allogener Knochenmarktransplantation werden zelluläre Blutprodukte mit Beginn der Konditionierungsbehandlung bestrahlt, dies wird fortgesetzt, solange eine (immunsuppressive) GvH-Prophylaxe gegeben wird. Vor Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen werden Blutprodukte bestrahlt, die vor oder vor und während der Stammzellgewinnung gegeben werden müssen. Eine Indikation wird von einigen Autoren auch bei Patienten mit M. Hodgkin gesehen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass bei dem in Japan deutlich höheren Risiko für TAGvHD in einschlägigen Richtlinien großzügigere Indikationen zur Bestrahlung formuliert wurden [3].
37
Nach Transfusion zuvor hämolytisch gewordenen Blutes kann man im Plasma des Empfängers freies Hämoglobin nachweisen. Oft wird der behandelnde Arzt oder der Patient erst durch die Hämoglobinurie auf ein solches Vorkommnis aufmerksam. Ursachen können unsachgemäße Erwärmungspraktiken sein, bei denen Erythrozytenkonzentrate in viel zu heißen Wasserbädern vor der Transfusion erwärmt wurden, oder Transfusion nach dem Verfallsdatum einer Konserve. Ein in der Praxis nicht selten beobachteter Fehler ist das Anfrieren von Teilen einer Konserve durch unzulässige Lagerung in einem Kühlschrank, der nicht für Blutpräparate geeignet ist, oder durch Transport in unmittelbarem Kontakt zu einem eingefrorenen Plasmapräparat. Auch das vorherige Einfüllen von hyperosmolaren oder hypoosmolaren Medikamentenlösungen in Erythrozytenkonzentraten kann eine Hämolyse verursachen, nicht selten wurde auch das irrtümliche Einfüllen von destilliertem Wasser (z. B. infolge einer Verwechslung mit isotonischer Kochsalzlösung) als Ursache für unabsichtlich herbeigeführte Hämolysen beobachtet [6]. Zeichen einer Hämolyse während und nach einer Transfusion, die nicht durch Antikörper bedingt sind (. Tab. 37.2), sollten abgeklärt werden, um die zugrundeliegenden Ursachen gegebenenfalls zu beseitigen. Bei Transfusion von Erythrozytenpräparaten, die mäßiggradig hämolytisch sind, kommt es oft lediglich zu einer Hämoglobinurie ohne begleitenden Temperaturanstieg und ohne die systemischen Reaktionen, die meist mit einer immunologisch induzierten Hämolyse einhergehen. Ob eine nichtimmunologisch induzierte Hämolyse zu einer Aktivierung des Gerinnungssytems führen kann, ist immer wieder diskutiert wurden. Die von Spector und Crosby mit Freiwilligen durchgeführten Experimente lassen erkennen, dass zumindest gesunde Personen über ausreichende Kompensationsmechanismen verfügen, die die Entstehung einer disseminierten intravasalen Gerinnung nach Übertragung von hämolysiertem Blut verhindern [120].
37.2.2
Transfusionsassoziierte Hypervolämie
In Übersichten, die sich mit Transfusionsreaktionen befassen, spielen die klinischen Konsequenzen der transfusionsassoziierten Hypervolämie (»transfusion-associated circulatory overload«, TACO) bisher zu Unrecht eine eher nachgeordnete Rolle. Die Inzidenz wird bei Patienten mit geplanten orthopädischen Eingriffen mit 1–8 % beziffert [38][98], die Letalität wird in einer Übersicht mit 3,6 % angegeben [94]. Bei rascher Transfusion kann es allein durch Zufuhr großer Flüssigkeitsvolumina zu einer Kreislaufdekompensation kommen. Unter den Symptomen sind vor allem Blutdruckanstieg, Tachykardie und besonders Zeichen eines beginnenden Lungenödems zu nennen. Diese pulmonale Transfusionsnebenwirkung muss daher von immunologisch induzierten Fällen von TRALI abgegrenzt werden. Die Reaktionen entstehen meist innerhalb von 1–2 h nach Transfusion [95]. Auffallend häufig sind Patienten mit hohem Lebensalter betroffen, und oft lösen bei diesen sogar relativ kleine Transfusionsvolumina von 1–2 Erythrozytenkonzentraten die be-
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Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
schriebenen Symptome aus [98]. Im Gegensatz zu TRALI geht diese Reaktion nicht mit einer Temperaturerhöhung einher. Möglicherweise ist die Bestimmung des B-Typ-natriuretischen Peptids (BNP) zur Abgrenzung gegenüber Fällen von TRALI geeignet [64][125]. Wahrscheinlich spielt die Transfusionsgeschwindigkeit eine wichtige Rolle bei der Auslösung der beschriebenen Reaktionen. Das Technical Manual der American Association of Blood Banks (AABB) empfiehlt zu Beginn der Transfusion bei nichtblutenden Patienten eine Geschwindigkeit von 2 ml/min und eine Steigerung auf bis zu 4 ml/min [9]. Andere Autoren geben die empfohlene maximale Transfusionsgeschwindigkeit unter Verwendung anderer Einheiten mit bis zu 2–4 ml/kg in der Stunde an. Bei Patienten mit einem besonderen Risiko für eine Volumenüberlastung sollte die Transfusionsgeschwindigkeit auf 1 ml/kg stündlich begrenzt werden [47][121]. Dabei sollte versucht werden, die Zufuhr nicht unbedingt benötigter Flüssigkeit unmittelbar vor der Transfusion zu reduzieren. Auch sollten Thrombozytenkonzentrate für die Therapie von Neugeborenen unmittelbar vor der Transfusion eingeengt werden. Zur Therapie sollte die Transfusion abgebrochen oder die Transfusionsgeschwindigkeit reduziert werden und jede weitere Form der Flüssigkeitszufuhr zunächst auf das unmittelbar Notwendige beschränkt werden. Die Gabe von Diuretika ist wirksam, zur Linderung der Atembeschwerden sollte der Patient in sitzende Position gebracht werden. Die Ateminsuffizienz kann die Gabe von Sauerstoff notwendig machen. In bedrohlichen Fällen kann ein Aderlass von 250 ml erforderlich sein [95]. Selbstverständlich droht eine transfusionsassoziierte Hypervolämie auch bei autologen Blutprodukten, sodass die Indikation zu ihrer Transfusion ähnlich kritisch und zurückhaltend zu stellen ist.
37.2.3
37
Transfusionshämosiderose
Bei Patienten mit refraktären Anämien, die über einen längeren Zeitraum Erythrozytenkonzentrate transfundiert erhalten, kommt es aufgrund eines fehlenden effizienten Ausscheidungsmechanismus zur Akkumulation von Eisen [48] (7 Kap. 9). Zu den Erkrankungen, bei denen dies typischerweise der Fall ist, gehören Thalassämien, Sichelzellkrankheit und langanhaltende Phasen einer aplastischen Anämie. Klinische Folgen einer Transfusionshämosiderose betreffen Herz, Leber und endokrine Organe. Nach Akkumulation von 20 g Eisen kann eine fortschreitende Herzinsuffizienz mit Kardiomegalie auftreten. Bei Patienten mit einer Thalassämie sind Folgen der Herzschädigung die erste Todesursache [37]. Ein Teil der Patienten weist zusätzlich eine Leberzirrhose auf. Hierzu können natürlich auch Folgen einer Virushepatitis beitragen, jedoch lassen Beobachtungen an Patienten mit einer (genetisch induzierten) Hämochromatose erkennen, dass es durch Eisen zu einem fibrösen Umbau der Leber kommen kann [37]. Verzögerter Eintritt der Pubertät, vermindertes Körperwachstum, bei einigen Patienten Diabetes mellitus sind Folgen einer Schädigung endokriner Organe. Zur Vermeidung des Eintritts dieser Komplikationen bei Patienten, die auf Transfusion von Erythrozyten über einen längeren Zeitraum angewiesen sind, werden Substanzen eingesetzt, die die Ausscheidung von Eisen durch Chelatbildung steigern können. Die längsten Erfahrungen bestehen mit Deferoxamin, das jedoch nur parenteral angewandt werden kann [40]. Bei den Nebenwirkungen sind neurotoxische Effekte (Hörstörungen, Sehstörungen, Parästhesien) zu hervorzuheben, beobachtet wurden darüber hinaus Anstiege des Kreatininspiegels sowie eine Lungenschädigung und bei Kindern ein retardiertes Körperwachstum.
Eine therapeutische Alternative besteht jetzt in dem oral verfügbaren Deferipron, das allerdings wegen der Gefahr von Agranulozytosen nur unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle eingenommen werden darf und dies nur dann, wenn eine Therapie mit Deferoxamin nicht möglich ist [16]. Eine weitere oral verfügbare Substanz ist Deferasirox [16][129].
37.2.4
Citratreaktionen
Normalerweise wird Citrat in der Leber metabolisiert, sodass bei langsamer Transfusion von Blutpräparaten nur selten entsprechende Nebenwirkungen auftreten. Zu gefährlichen durch Citrat bedingten Reaktionen kommt es meist nur unter besonderen Bedingungen: nach Massivtransfusionen, bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion und bei Austauschtransfusionen von Neugeborenen [75]. Citrat vermindert die Konzentration an freiem Calcium, sodass zumindest ein Teil der Reaktionen durch Gabe von Calcium gelindert werden kann. Die Symptomatik wird in 7 Kap. 30 eingehender beschrieben.
37.2.5
Embolien durch Luft und Fremdkörper
Bei Transfusion von Blut kann es zur Einschwemmung von nichtflüssigen Materialien kommen. Luftembolien waren häufiger bei Verwendung von Glasflaschen als Behältnisse für Blutkonserven, wenn versucht wurde, durch Einpressen von Luft die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen. Mit der Einführung von Kunststoffbeuteln ist dieses Risiko praktisch verschwunden. Allerdings traten in einer Reihe von Fällen von Retransfusionen mit intraoperativ wiedergewonnenem Eigenblut Luftembolien auf; das Risiko lag bei den von Linden et al. untersuchten Transfusionszwischenfällen bei einem Fall auf 38.000 Prozeduren [68]. Auch hier kam es fast stets deshalb zu einem tödlichen Zwischenfall, weil die Retransfusion unter Anwendung von Druck vorgenommen wurde. In gelagerten Erythrozytenkonzentraten können sich durch verklumpte Thrombozyten und Leukozyten Mikroaggregate ausbilden, von denen ein Teil auch durch die Poren des Standardfilters normaler Transfusionsbestecke (170 μm) in die Zirkulation des Patienten gelangen kann. Es ist umstritten, ob hierdurch eine Schädigung des Patienten geschieht, z. B. aufgrund von Mikroemboli in der Lunge. Durch die Entfernung des »buffy coats« und die Filtration zur Leukozytendepletion bei der Präparation von Erythrozytenkonzentraten ist der Gehalt an Mikroaggregaten in den heute hergestellten Erythrozytenkonzentraten im Vergleich zu Präparaten mit unvermindertem Gehalt an Leukozyten wesentlich herabgesetzt. Gegenwärtig wird deshalb die Verwendung von Standardfiltern in Transfusionsbestecken mit einer Porenweite von 170–230 μm als ausreichend erachtet.
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Kapitel 37 • Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen
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529
Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten G. Caspari und W. H. Gerlich
38.1
Einleitung – 530
38.2
Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger – 530
38.2.1 38.2.2 38.2.3 38.2.4 38.2.5
Viren – 530 Bakterien – 547 Protozoen – 549 Helminthen – 549 Prionen – 550
38.3
Strategien zur Erkennung und Verhütung von durch Blut übertragbaren Infektionen – 551
38.3.1 38.3.2
Auswahl der Blut- und Plasmaspender – 551 Maßnahmen zur Verminderung des Infektionsrisikos durch Blutkomponenten – 555
38.4
Maßnahmen zur Verbesserung der Infektionssicherheit bei der Herstellung von Plasmaderivaten – 557
38.4.1 38.4.2 38.4.3
Größenbegrenzung und Untersuchung des Plasmapools – 557 Viruseliminierung und Virusinaktivierung – 557 Validierung der Virussicherheit – 558
38.5
Virusinfektionen durch Plasmaderivate – 559
38.5.1 38.5.2
HAV-Infektionen durch Faktor VIII und IX – 559 Parvovirusinfektionen durch Faktor VIII – 559
38.6
Virussicherheit rekombinanter Präparate – 560 Literatur – 560
38
530
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
Theoretisch sind alle Erreger, die irgendwann während der Infektion im Blut zirkulieren, durch eine Bluttransfusion von einem Menschen auf einen anderen übertragbar. Die ersten Infektionserreger, für die die Übertragbarkeit durch Blut erkannt wurde, waren Plasmodien, die Erreger der Malaria, und Treponema pallidum, der Erreger der Syphilis. Seit den 1940er bis in die 1980er Jahre stand die Übertragbarkeit von Hepatitiserregern im Mittelpunkt des klinischen und wissenschaftlichen Interesses. In den frühen 1980er Jahren hat sich gezeigt, dass ein neu aufgetretenes Retrovirus, HIV (humanes Immundefizienzvirus), durch Blut und Plasmaprodukte übertragen werden kann. Die Erfahrungen mit diesem Erreger haben dazu geführt, dass man auch anderen Viren, die man wegen ihres extrem seltenen Vorkommens in unseren Breiten (z. B. HTLV-I/II, West-Nil-Virus) oder wegen ihrer geringeren klinischen Bedeutung zunächst nicht beachtet hatte (z. B. Parvovirus B19), nunmehr erhöhte Aufmerksamkeit schenkt. Überraschend aufgetretene HAV-Infektionen bei Empfängern eines bestimmten Faktor-VIII-Präparates zeigen, dass auch Erreger, die man transfusionsmedizinisch für nicht bedeutsam gehalten hatte, Probleme bereiten können. Bisher in der Transfusionsmedizin in Deutschland völlig unbekannte Erreger können durch erhöhte Aufmerksamkeit (Hepatitis-E-Virus), Epidemien in anderen Ländern und Reisen (Chigungunyavirus, Dengue), Einwanderer in die Staaten eines vereinten Europa (Trypanosoma cruzi), die Haltung exotischer Tiere (Kuhpocken) und die Änderung der klimatischen und epidemiologischen Verhältnisse (Leishmanien) an Bedeutung gewinnen. Trotz steriler Einmalentnahmesysteme bereiten bakterielle Kontaminationen von zellulären Blutprodukten gelegentlich Probleme. Kontaminationen durch eine unerkannte Bakteriämie des Blutspenders und nachfolgendes Keimwachstum im zellulären Blutprodukt können im Einzelfall schwerwiegende Folgen für den Blutempfänger haben. Andererseits sind, bezogen auf die Gesamtzahl gemeldeter Transfusionszwischenfälle, transfusionsübertragene bakterielle und virale Infektionen eher selten. Von den 1603 bestätigten ernsthaften Transfusionsreaktionen zwischen 1997 und 2007 in Deutschland waren 71 bakterielle und 46 virale Infektionen. Das Missverhältnis zwischen vermuteten und bestätigten transfusionsbedingten Zwischenfällen war bei den viralen Infektionen am größten: Nur jeweils einer von 63 Verdachtsfällen konnte schließlich als transfusionsbedingt bestätigt werden [316]. Das Risiko transfusionsübertragener Infektionen bleibt nach wie vor hoch in den Ländern der 3. Welt wie zum Beispiel in Afrika südlich der Sahara [298].
38.1
38
Einleitung
Bei den Maßnahmen zur Verhinderung der Übertragung von Infektionen durch Blut und den daraus hergestellten Produkten muss man unterscheiden zwischen: 1. zellulären Produkten von einzelnen Spendern, also Erythrozytenkonzentraten und Thrombozytenkonzentraten, 2. dem gefrorenen Frischplasma von Einzelspendern, das in Deutschland einer 4-monatigen Quarantäne unterzogen oder in einigen anderen Ländern z. B. nach dem Methylenblauverfahren photodynamisch virusinaktiviert wird und 3. den Produkten, die aus vereinigten Plasmen (Pools) von sehr vielen verschiedenen Spendern hergestellt werden, einschließlich des mit dem Solvens-/Detergenz-Verfahren inaktivierten Plasmas.
Der klinisch tätige Arzt sollte die von Blut und Plasmapräparaten ausgehende sehr geringe Infektionsgefährdung (Restrisiko) kennen, um Patienten adäquat aufklären und ggf. auf andere Therapieoptionen wie die Eigenbluttransfusion hinweisen zu können. Bei Plasmaprodukten ist hierfür die Kenntnis der Virusinaktivierungsmethoden, ihrer Grenzen und ihrer Evaluierbarkeit notwendig. Um die Möglichkeit zu haben, die Quellen eventueller Infektionszwischenfälle zu erkennen, müssen die Konservennummern bzw. Chargenbezeichnungen der applizierten Blutpräparate und Plasmaprodukte dokumentiert werden. Jeder Arzt sollte Verdachtsfälle transfusionsassoziierter Infektionen erkennen, um Maßnahmen zur möglichst frühzeitigen Aufklärung einleiten zu können. Dabei gibt es eine Reihe gesetzlich und durch Verordnung festgelegter Meldeverpflichtungen. Die im Folgenden angesprochenen Fakten dienen nicht nur dem Schutz des Empfängers vor Infektionen, sondern auch der adäquaten Beratung des möglicherweise infizierten Spenders und der Verhütung von Sekundärinfektionen in dessen Umfeld. 38.2
Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
7 Übersichten: [9][184][326] (Infektiosität), [11][83][183][345]
[451]
38.2.1
Viren
Die Übertragungswahrscheinlichkeit für Viren durch Blut wird beeinflusst: 5 von der Häufigkeit der Infektion im Spenderkollektiv, 5 von der Dauer der Virämie (Vorkommen im Blut), 5 davon, ob Personen während der Virämie erkennbare Krankheitszeichen zeigen, 5 von der Sensitivität der angewandten Virusnachweismethoden, 5 von der Immunität der Empfänger, 5 vom Grad der Assoziation der Viren mit Leukozyten (diese werden bei der Präparation weitestgehend entfernt), 5 von der Dauer der Lagerung des zellulären Präparats (HTLV, gilt auch für Treponema pallidum und Yersinien), 5 von der Wirksamkeit evtl. angewendeter Inaktivierungsverfahren. Eine nur kurze Virämie und einen hohen Anteil immuner Empfänger gibt es z. B. bei den meisten sog. Kinderkrankheiten, die deswegen transfusionsmedizinisch keine wesentliche Rolle spielen, obwohl sie prinzipiell mit Blut übertragbar sind. Da Personen mit erkennbaren Erkrankungen nicht zur Blutspende zugelassen werden, spielen für die Transfusionsmedizin diejenigen Viren eine besondere Rolle, die langfristig im Blut vorliegen, ohne dass die Träger erkennbar krank sind. Die Einteilung der Viren in umhüllte Viren (mit einer lipidhaltigen Hülle) und nichtumhüllte Viren hat auch für die Transfusionsmedizin Bedeutung, da bei umhüllten Viren bestimmte Virusinaktivierungsverfahren wirksam sind, die bei den nichtumhüllten Viren meistens versagen. Weitere Einteilungskriterien sind die Art des Genoms – Ribonukleinsäure (RNS) oder Desoxyribonukleinsäure (DNS) – sowie die Größe und Symmetrie der Viruspartikel bzw. des Nukleokapsids. Die Größe des Virusgenoms ergibt sich aus der Anzahl der Nukleotide. Je größer das Genom, desto leichter ist es durch physikalische oder chemische Methoden zu zerstören. Die Variabilität des Virus wird u. a. von der Art der Erbinformation
531
38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
bestimmt: Die DNS-haltigen Viren (Ausnahme: Hepatitis-B-Virus, HBV) machen bei der Replikation ihres Genoms kaum »Fehler«, weil der korrekte Einbau der neuen Nukleotide durch die DNS-abhängige DNS-Polymerase mittels einer 3’-5’-Exonuklease nachkontrolliert wird (»proofreading activity«). Diese Kontrolle fehlt bei den meisten RNS-haltigen Viren und HBV, sodass diese im Allgemeinen viel variabler sind. Dies spielt sowohl für die Immunabwehr des Körpers eine Rolle – beeinflusst also den Verlauf der Erkrankung – als auch für die Erkennbarkeit eines solchen Virus im Labortest. RNS reagiert mit den meisten virusinaktivierenden Chemikalien (z. B. Formalin) besser als DNS. Doppelsträngige Nukleinsäuren werden durch chemische oder strahleninduzierte Vernetzung leichter als einzelsträngige Nukleinsäuren replikationsunfähig gemacht. Die Kenntnis der Pathogenese erleichtert das Verständnis der verschiedenen Erkrankungsformen und oft auch der Übertragung. Die Übertragungswege der Viren unterscheiden sich erheblich: Einige werden erfahrungsgemäß kaum durch Schmutz-/Schmierinfektion, intrafamiliär oder sexuell übertragen (z. B. das HepatitisC-Virus), sodass man annehmen muss, dass Blut und Injektionsnadeln, möglicherweise auch kontaminiertes medizinisches Gerät, die Hauptübertragungswege der Infektion darstell(t)en, während bei anderen Viren (z. B. HBV, HIV) die Übertragung durch Transfusion nur für einen kleinen Teil der Infektionen verantwortlich ist.
Hepatitisviren 7 Übersicht: [234]
Bis zum Anfang der 1990er Jahre waren Hepatitisviren die wichtigsten durch Blut übertragenen Erreger. Den gut untersuchten Hepatitisviren Typ A–E ist gemeinsam, dass sie während der Infektion in großen Mengen im Blut auftreten. Beim Hepatitis-AVirus (HAV) ist diese Phase kurz (7–10 Tage vor Erkrankung, nur gelegentlich länger), beim Hepatitis-B-Virus (HBV), Hepatitis-CVirus (HCV) und Hepatitis-Deltavirus (HDV) sind jahrelange bis lebenslange chronische Virämien möglich. Für das Hepatitis-E-Virus (HEV) gibt es erste Berichte über protrahierte/chronische Infektionen bei immunsupprimierten Empfängern von Organtransplantaten [124][309]. Das vor einigen Jahren als mutmaßliches Hepatitisvirus identifizierte GB-Virus Typ C, auch Hepatitis-G-Virus genannt, repliziert nicht in der Leber und ist nicht für das klinische Bild der Hepatitis verantwortlich. Es ist relativ weit verbreitet, eine Bedeutung für die Transfusionsmedizin ist nicht erkennbar. Alle bisher bekannten Hepatitisviren gehören unterschiedlichen Virusfamilien an und unterscheiden sich durch ihre Epidemiologie, ihre Übertragungswege und ihre Inaktivierbarkeit. Eine Übersicht über die heute bekannten Hepatitisviren gibt . Tab. 38.1. Zahlreiche weitere Viren, wie z. B. das Zytomegalovirus (CMV) und das Epstein-Barr-Virus (EBV), können im Rahmen der entsprechenden Erkrankung auch eine Hepatitis auslösen, die dann als Begleithepatitis bezeichnet wird.
Hepatitis-B-Virus (HBV) 7 Übersicht: [22][118][281]
Hepatitiden nach Transfusion von Plasma wurden erstmals 1943 von Beeson beschrieben [68]. In der Bundesrepublik Deutschland wurden die ersten klar dokumentierten Fälle 1949 von Martini mitgeteilt [386]. 1969 wurde das von Blumberg et al. [86] entdeckte Australia-Antigen der Serumhepatitis oder Hepatitis Typ B (im Unterschied zur fäkal-oral übertragenen Hepatitis Typ A) zugeordnet und der Erreger von D.S. Dane im Elektronenmikroskop identifiziert.
38
z Eigenschaften Das Hepatitis-B-Virus des Menschen gehört mit einigen ähnlich aufgebauten tierpathogenen Viren zur Familie der Hepadnaviridae. Es ist rund, hat einen Durchmesser von etwa 45 nm und eine lipidhaltige Proteinhülle. Den Aufbau zeigt . Abb. 38.1. Das Genom besteht aus einer teilweise doppelsträngigen DNS und ist mit etwa 3200 Basenpaaren sehr klein. Es sind bislang beim Menschen 8, möglicherweise 9 Genotypen bekannt [444][631]. Außerdem gibt es weitere Genotypen bei Menschenaffen. Die Virushülle enthält 3 koterminale Oberflächenproteine, die als »large«, »middle« und »small hepatitis B surface antigen« (L-, M- und SHBsAg) bezeichnet werden. Innerhalb der Virushülle befindet sich das Corepartikel (HBcAg), das seinerseits die DNS umschließt. Das DNS-Virusgenom wird über eine RNS-Zwischenstufe repliziert, ein Vorgang, der als reverse Transkription bezeichnet wird. Die dazu erforderliche DNS-Polymerase, eine reverse Transkriptase, befindet sich innerhalb des Corepartikels. Alle Hepadnaviren produzieren ihre Hüllproteine im Überschuss und sezernieren diese in Form von nichtinfektiösen HBsAg-Partikeln ins Blut. Das komplette HBV-Partikel wird nach seinem Erstbeschreiber oft als Dane-Partikel bezeichnet. HBsAg ist ein vergleichsweise schwaches Immunogen, während HBcAg ein sehr starkes Immunogen ist. Als Nebenprodukt des Virus entsteht eine sezernierte Form des Coreproteins mit veränderter Antigenität, geringer Immunogenität und immunmodulierender Wirkung, das HBeAg, welches bei bestimmtem häufig vorkommenden Varianten auch fehlen kann. Die Antikörper gegen die HBV-Antigene werden als Anti-HBs, Anti-HBc und Anti-HBe bezeichnet. z Pathogenese und Klinik Das Virus vermehrt sich in Hepatozyten, schädigt aber dabei die Leberzellen kaum, d. h. es ist nicht zytopathogen. Der Zerfall der Leberzellen und damit die Erkrankung wird ganz vorwiegend durch die zytotoxische Immunabwehr gegen die viralen Proteine hervorgerufen [149]. Daher finden sich bei Personen, die das Virus nicht als fremd erkennen (immunologische Toleranz), die höchsten Viruskonzentrationen im Blut bei weitgehender Abwesenheit von Symptomen. Es werden bis zu 1011 Virusgenome/ml im Blut gefunden. Im Schimpanseninfektionsversuch wurden nur Verdünnungen eines solchen Serums bis zu 1:108 getestet und als infektiös bestimmt, d. h. der Titer liegt über 108 infektiöse Einheiten/ml. Man muss davon ausgehen, dass bei intravenöser Verabreichung die meisten Viruspartikel auch infektiös sein können. Im frühen Kindesalter nehmen fast alle HBV-Infektionen einen chronischen Verlauf; ab etwa dem Schulalter liegt der Anteil der chronischen Verläufe bei 7–10 %. Die Infektion eines Immunsupprimierten führt fast immer zur Chronizität bei weitgehend fehlender Symptomatik. Unter Blutspendern werden häufig symptomfreie HBsAg-Träger gefunden, bei denen die Produktion der kompletten Viren durch das Immunsystem auf einem niedrigen Niveau kontrolliert wird. Diese Spender haben meistens Anti-HBe und sind weniger infektiös, jedoch können auch sie nicht zur Blutspende zugelassen werden. HBeAg-positive Menschen, aber auch AntiHBe-positive HBV-Träger mit ausgeprägter Virämie können für die Personen ihrer direkten Umgebung eine unmittelbare Infektionsgefahr darstellen. Die chronische Infektion erhöht das Risiko der Entstehung einer Leberzirrhose und eines hepatozellulären Karzinoms um den Faktor 100. z Epidemiologie 7 Übersicht: [171][492]
532
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
. Tab. 38.1 Klassifikation, biologische und medizinische Eigenschaften der humanen Hepatitisviren Typ
B
D
C
A
E
Virusfamilie
Hepadnaviridae
Fehlt
Flaviviridae
Picornaviridae
Hepeviridae
Genus
Orthohepadnavirus
Deltavirus
Hepacivirus
Hepatovirus
Hepevirus
Viriongrößea [nm]
45
36
40–50
30
34
Genomtypb
ds/ss DNA c
RNA -, c
RNA +, l
RNA +, l
RNA +, l
Genomgröße [kb]
3,2
1,7
9,4
7,8
7,5
Hüllprotein
HBsAg
HBsAg
E1, E2
Nein
Nein
Kapsidprotein
HBcAg
HDAg
Core?
VP1–VP4
Eines
Übertragung
Parenteral
Parenteral
Parenteral
Fäkal-oral
(Fäkal-)Oral
Maximaler Titerc
109/ml
1011/ml
107/ml
109/g
?
Prävalenz
Hoch
Gering, regional
Mittel
Hoch
Mittel
Fulminanter Verlauf
Selten
Häufig
Sehr selten
Selten
In der Schwangerschaft häufig
Chronizität
Häufig
Sehr häufig
Sehr häufig
Nein
Bei Immunsupprimierten beobachtet
Onkogenität
Ja
(Ja)
Ja
Nein
Nein
Antigen
Jae
Jae
Jae
Jad
Jad
Antikörper
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Nukleinsäure
Jae
Jae
Jae
Jad, e
Jad, e
Antivirale Therapie
Interferon, Reverse-Transkriptase-Inhibitoren
Interferonf
Interferon + Ribaviring
Nein
Nein
Impfstoff
Rekombinantes HBsAg
Siehe Hepatitis B
Nein
Totimpfstoff
Rekombinantes HEAg, nicht verfügbar
Hitze
+
?
++
+
+?
Solvens/Detergens
++
++
+++
–
???
Methylenblau
+
+?
+++
–
?
Diagnostik:
Inaktivierbarkeit:
a
Alle Viren sind sphärisch. + dient auch als mRNA, – mRNA hat antigenomische Orientierung; c zirkulär, l linear. c Infektiosität pro g Stuhl bzw. ml Serum. d Im Stuhl. e Im Serum. f PEG-α-Interferon ist bei 25 % der Patienten wirksam. g α-Interferon + Ribavirin ist bei 50 % der Patienten erfolgreich. b
38
HBV ist weltweit verbreitet. Chronisch infizierte Menschen sind das Haupterregerreservoir. In Deutschland beträgt der Anteil chronischer HBsAg-Träger an der Gesamtbevölkerung 0,62 % [303]. Nach Untersuchungen an autologen Spendern scheint die Infektion in Westdeutschland häufiger zu sein als in Ostdeutschland [614]. In vielen Ländern Afrikas und Asiens sind mehr als 10 % der Bevölkerung chronische HBsAg-Träger. Seit der Testung von Transfusionsblut auf HBsAg sind HBV-Infektionen durch Blutprodukte in den Industrieländern sehr selten geworden, die Wirkung der 2006 in Deutschland zusätzlich eingeführten Anti-HBc-Testung auf das Restrisiko der transfusionsbedingten HBV-Übertragung lässt sich noch nicht zuverlässig abschätzen. Eine Methode zur Abschätzung der Häufigkeit der Infektion bei Blutspendern beschreiben Laperche et al. [339].
z Übertragung HBV kann außer im Blut auch in Körperausscheidungen wie Speichel, Samenflüssigkeit oder Menstruationsblut gefunden werden, dann aber in deutlich niedrigerem Titer. Die Übertragung erfolgt perkutan (Nadelstichverletzung bei medizinischem Personal, i.v.Drogenabhängige), in der Allgemeinbevölkerung am häufigsten durch Schleimhautkontakt. Besonders bei hochvirämischen Trägern (≥108 Viruspartikel/ml Serum) ist eine Übertragung auf Intimpartner nicht unwahrscheinlich. Haushaltsmitglieder hochvirämischer HBV-Träger sind ebenfalls infektionsgefährdet. Daher sollten HBsAg-positive Blutspender auf das Ausmaß ihrer Virämie untersucht und entsprechend aufgeklärt werden. Perinatale (seltener transplazentare) Übertragungen stellen in weiten Bereichen Asiens den Hauptgrund für die HBV-Endemie dar.
533
38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
Virus
Filamente
pre S1
38
sphärische Partikel
pre S2
LHBs
3.2kb DNA MHBs
va ria ble
SHBs
Lä ng e
HBc pol
17–25 nm 42 nm
. Abb. 38.1 Struktur des Hepatitis-B-Virus (HBV). Filamente und sphärische Partikel sind ausschließlich aus Oberflächenproteinen (HBs) des Virus zusammengesetzt und enthalten kein Genom. (SHBs kleines [»small«] Oberflächenprotein, MHBs mittleres Oberflächenprotein, bestehend aus der Aminosäuresequenz preS2 und der des kleinen Oberflächenproteins, LHBs großes [»large«] Oberflächenprotein, bestehend aus den Aminosäuresequenzen preS1, preS2 und SHBs, HBc Coreprotein des HBV, welches das Genom umschließt)
Diese Übertragungen werden heute in vielen Ländern durch eine Immunisierung der Neugeborenen wirksam verhindert. Hygienemängel können leicht zur Ausbreitung von HBV führen. Übertragungen durch Hygienemängel bei Tätowierung [250][430], alternativmedizinischen Behandlungen [604] und Endoskopie [168][190] sind berichtet worden. Auch die unkontrollierte Verbreitung von HBV innerhalb eines Tanks mit flüssigem Stickstoff zur Kryopräservierung von Stammzellen und Knochenmark wurde bekannt [573]. z Okkulte HBV-Infektionen 7 Übersichten: [8][37][488][489][490] Das klassische Kriterium für die Diagnose einer HBV-Infektion war der Nachweis von HBsAg im Spenderserum mit immer empfindlicheren Tests. Seit der Möglichkeit des Nachweises von HBV-DNS mit noch empfindlicheren Methoden wurde zunehmend erkannt, dass es auch zahlreiche HBV-Infektionen ohne nachweisbares HBsAg gibt, sogenannte »okkulte« HBV-Infektionen (z. B. [312][631]). Bei den meisten dieser Infektionen ist Anti-HBc positiv [239][592], bei einigen auch Anti-HBs, gelegentlich nur Anti-HBs [167], bei einer unbekannten Anzahl von Fällen (weil selten gezielt danach gesucht wird) keiner der anderen Marker einer HBV-Infektion (z. B. [225]). Aus diesem Grund wurde in Deutschland der Anti-HBc-Test für alle Blutspenden im Jahr 2006 verpflichtend eingeführt, auch wenn nur ein sehr kleiner Teil der ausgeschlossenen Spender tatsächlich HBV übertragen würde. Akute okkulte HBVInfektionen wurden ebenfalls beschrieben [96][385]. z Spenderausschlüsse Da frische HBV-Infektionen bis zu 4 Monate nach dem Infektionsereignis nicht durch den üblichen HBsAg-Test erfasst werden können (7 s. unten, [281]), werden Blutspender mit denkbaren Übertragungsrisiken für eine HBV-Infektion, z. B. i.v.-Drogenkonsum oder Tätowierung, für 4 Monate von der Blutspende zurückgestellt (7 Kap. 16). Allerdings sind frische HBV-Infektionen bei Blutspendern sehr selten (etwa 1:75 000 Spender/Jahr in 2 großen deutschen Blutspendediensten; Kanada 2006: 1:1700 bei Erstspendern, 1:14.000 bei Wiederholungsspendern [437]), und es wird bewusst
in Kauf genommen, dass der größte Teil der nach diesen Kriterien befristet ausgeschlossenen Spender nicht wirklich infektiös ist für HBV. Wird eine zurückliegende Infektion festgestellt, darf der Spender frühestens 5 Jahre nach der Infektion und, wenn deren Zeitpunkt nicht feststellbar ist, 5 Jahre nach der Feststellung zur Spende zugelassen werden, und dies auch nur dann, wenn HBV-DNS nicht nachweisbar ist und der Anti-HBs-Titer ausreichend hoch ist (7 s. unten). z Serologische Diagnostik Für die serologische Diagnostik der HBV-Infektion sind 3 AntigenAntikörper-Systeme des HBV von Bedeutung: HBsAg und AntiHBs, Anti-HBc, HBeAg und Anti-HBe können dabei im Serum, HBcAg nur in der Leberzelle, nicht aber in freier Form im Serum nachgewiesen werden. HBsAg ist als Hüllprotein des Virus direkt mit der aktiven HBVInfektion assoziiert. Seine hohe diagnostische Empfindlichkeit erhält der Test auf HBsAg dadurch, dass während der Infektion mit HBeAg-positivem Wildtypvirus bei noch nicht ausgeprägter Immunantwort HBsAg-Partikel typischerweise in 1000 bis 10.000-fachem Überschuss gegenüber infektiösen Viren ins Blut ausgeschieden werden. HBsAg ist einige Wochen vor Ausbruch der akuten subklinischen oder klinischen Erkrankung nachweisbar und verschwindet wieder mit ihrem Ausheilen. Mit einigen Wochen bis Monaten Verzug wird danach Anti-HBs nachweisbar. Dieser Antikörper ist nach klassischem Verständnis Ausdruck einer Immunität nach überstandener HBV-Infektion. Inzwischen darf als gesichert gelten, dass die meisten oder alle HBVInfektionen trotz Verschwinden des HBsAg aus dem Serum nicht mit einem völligen Verschwinden des Virus aus der Leber enden, sondern dass eine okkulte HBV-Infektion verbleibt, die durch die zelluläre Immunantwort auf sehr niedrigem Niveau kontrolliert wird. Eventuell gebildete Spuren von Virus werden durch Anti-HBs neutralisiert. Dies wird erkennbar daran, dass auch die Lebern von Spendern mit »ausgeheilter« HBV-Infektion das Virus bei Transplantation übertragen und dass bei Immunsuppression Patienten mit »ausgeheilter« Infektion oftmals wieder HBsAg-positiv werden. Gelegentlich ist auch nach Serokonversion zu Anti-HBs noch für
534
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
geringe Vermehrung HBsAg +, HBV DNA +
Immunelimination geringe Symptomatik anti HBc + andere Parameter wechselnd
Immunität anti HBc + antiHBs +
Ausheilung
niedrige Virusdosis
gesunder HBsAg-Träger HBsAg +, HBeAg – HBV DNa +/–
Immunpathogenese akute Hepatitis B HBsAg +, HBV DNA + anti HBc ++
Infektion hohe Virusdosis
?
chronische Hepatitis B HBsAg +, HBV DNA + HBeAg wechselnd
starke Vermehrung HBsAg ++, HBV DNA ++ anti HBc – Immuntoleranz geringe Symptomatik HBsAg ++, HBeAg ++ HBV DNA ++
Leberzirrhose Lebercarcinom HBsAg +/– HBV DNA +/– Persistente HBV-Infektion
. Abb. 38.2 Verlaufsformen der HBV-Infektion
einige Monate HBV-DNS in geringer Konzentration nachweisbar. Seren solcher Personen erwiesen sich aber bisher im Schimpansenversuch und auch in der Blutspende als nicht infektiös [485], kürzlich wurde allerdings von einer Ausnahme berichtet [362]. Unmittelbar nach aktiver HBV-Impfung kann HBsAg für mehrere Tage nachweisbar sein, ohne dass der geimpfte Blutspender HBV-infiziert ist [189][327]. Als Reaktion auf die aktive Impfung wird Anti-HBs gebildet, nicht aber Anti-HBc. Anti-HBc wird mit oder kurz nach dem Einsetzen der zytotoxischen Immunantwort, also mit Beginn der subklinischen oder klinischen Erkrankung nachweisbar und bleibt dann über viele Jahre, oft lebenslang, positiv, bei chronischem Verlauf neben HBsAg, bei »Ausheilung« neben Anti-HBs (. Abb. 38.2). Die entsprechenden Immunoassays reagieren relativ häufig unspezifisch positiv [127] [509], andererseits sind etwa ein Sechstel der gesunden Personen mit nachweisbarer HBV-DNS in der Leber Anti-HBc-negativ [489]. In seltenen Einzelfällen kann Anti-HBc trotz chronischer HBV-Infektion mit hoher Virämie fehlen [338], insbesondere bei Immundefizienz oder nach perinataler Infektion [310]. Bei chronischer HBV-Infektion mit HBeAg ist oft der Zustand weitgehender Immuntoleranz, hoher Virämie und damit hoher Infektiosität gegeben, jedoch sind auch viele Patienten mit chronischer Hepatitis und mittelhoher Virämie HBeAg-positiv. Da es auch HBeAg-negative HBV-Varianten mit hoher Replikationsfähigkeit gibt, sollte die Infektiosität in jedem Fall durch Bestimmung der HBV-Genomzahl mittels Hybridisierung oder (semi)quantitativer PCR abgeschätzt werden. Anti-HBe-positive Träger haben meist <106 Genome/ml, HBeAg-positive Träger ohne erfolgreiche Therapie meist mehr. Die okkulte HBV-Infektion hat definitionsgemäß <1000 Genome/ml. Die Verlaufsformen der HBV-Infektion zeigt . Abb. 38.2.
38
z Testung von Blutspenden 7 Übersicht: [321] Der HBsAg-Test wurde Anfang der 70er Jahre ins Blutspendewesen eingeführt. Er hat sich wegen seiner hohen Empfindlichkeit (7 s. oben) und der engen Korrelation zur Infektiosität des HBV
bewährt. Detaillierte Informationen zur Qualität der HBsAg-Tests finden sich bei [526]. Eine HBV-Infektion mit HBsAg kann bei etwa 0,14 % aller Erstspender [440][441] und bei etwa 0,0015 % aller Mehrfachspender von Vollblutspenden in Deutschland nachgewiesen werden [440] [553]. Wegen in der Regel fehlender Störfaktoren sind die meisten HBsAg-Tests bei Blutspendern sehr spezifisch. Bei positivem Testergebnis und Fehlen anderer HBV-Marker ist ein Neutralisationsversuch erforderlich, der die Spezifität des positiven Ergebnisses bestätigen soll. Bei seltenen Varianten des HBV kann aber der HBsAgNeutralisationstest versagen [55]. In jedem Fall sollte bei positivem HBsAg-Befund aus der gleichen Probe Anti-HBc bestimmt werden, im negativen Fall auch HBV-DNS mit einer empfindlichen Methode. HBsAg ohne Anti-HBc kommt vor: 5 in der frühen Phase einer HBV-Infektion [289], 5 bis wenige Tage nach Impfung, 5 bei Personen, die zeitweise oder dauernd kein Anti-HBc bilden können (z. B. [310][338]), 5 bei einer Kontamination der Probe durch eine andere, HBsAgpositive Probe. Die Spezifität des HBsAg-Befundes kann durch einen positiven DNS-Befund oder durch den Nachweis von Anti-HBc bei einer Verlaufskontrolle 6 Wochen später bestätigt werden. Der Nachweis von HBsAg und Anti-HBc erlaubt keine Unterscheidung zwischen akuter und chronischer HBV-Infektion; hohe Anti-HBc-IgM-Titer sprechen für eine frische Infektion. In verschiedenen Studien wurde geprüft, ob Blutspender mit Anti-HBc und Anti-HBs HBV-Infektionen übertragen könnten; meist war dies nicht der Fall [118], aber ein Einzelfall eines Spenders mit 2 Übertragungen wurde berichtet [362]. Trotz fehlenden Nachweises von HBsAg kann ein Blutspender in seltenen Fällen infektiös sein (7 s. auch Abschn. »Okkulte HBVInfektion«): 1. in der sehr frühen Phase der HBV-Infektion einige Tage bis Wochen, bevor HBsAg nachweisbar wird [289][389][549],
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38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
2. in der »serologischen Fensterphase«, kurz nachdem HBsAg nicht mehr nachweisbar ist und bevor Antikörper gegen HBsAg nachweisbar werden, 3. in der späteren Phase der Infektion mit Anti-HBc und niedrigtitrigem Anti-HBs (bisher ein Fallbericht [362]), 4. als sog. »low level carrier«, der trotz chronischer HBV-Infektion so wenig HBsAg bildet, dass es auch mit den empfindlichsten Tests nicht erkannt wird ([417]; bei Jilg 2001 [303] 0,1% einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe, bei Soldan [549] jedoch kein Fall). In vielen Fällen findet sich bei diesem Befund eine Koinfektion mit HCV [302][603], 5. bei serologischen Varianten des HBV, die trotz ausreichender Menge an HBsAg von den entsprechenden Tests nicht erkannt werden [103][237][238][425]. Die Fälle 2.–5. wären in der Regel durch ein isoliert positives AntiHBc erkennbar. Die Anti-HBc-Testung wurde während der 1980er Jahre in zahlreichen Ländern eingeführt, weil amerikanische Studien aus der Frühphase der HIV-Epidemie an damals nicht so streng ausgelesenen Spendern gezeigt hatten, dass in diesen Gruppen eine frühere HBV-Infektion auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für andere, parenteral übertragbare Infektionen, z. B. mit HIV und HCV, bedeutet. Eine solche Korrelation lag jedoch bei Blutspendern in Deutschland nicht vor. Inzwischen hat sich die Motivation für das Anti-HBc-Screening geändert. HBV-Übertragungen durch Spender mit isoliert positivem Anti-HBc wurden immer wieder berichtet, zum Teil mit Todesfolge [238]. Ein Anti-HBc-Screening zur Verhütung von HBV-Infektionen wird daher seit 2006 in den deutschen Blutspendediensten durchgeführt [37][460]. Während vor 20 Jahren je nach Region noch bis zu 5% der Blutspender Anti-HBc-positiv waren [127], wurden in jüngster Zeit nur 1–2% positive Spender gefunden (Schmidt 2006 [529]: 1,8%, Zeiler 2006 [635]: 1,16%, O’Brien 2007 [435]: 1,13% für Kanada), sodass der damit verbundene Spenderverlust mittlerweile als tolerabel gilt. Bei O’Brien et al. [437] war allerdings nur einer von 192 Anti-HBc-positiven Spendern HBVDNA-positiv und HBsAg-negativ, bei Chevrier [147] einer von 97. Es gibt Algorithmen, nach denen falsch Anti-HBc-positive Spender wieder zur Spende zugelassen werden [313]. Spender mit einem Anti-HBs von mehr als 100 IU/l und Negativität in einem empfindlichen NAT können wieder zur Spende zugelassen werden ([37] [460], s. auch [494]). Die Maßnahme führt trotzdem dazu, dass Immunglobulinpräparationen kaum noch Anti-HBs natürlicher Herkunft enthalten und dass so dessen Schutzwirkung verringert sein könnte. Sowohl die sehr frühe Phase der HBV-Infektion vor dem Erscheinen von HBsAg [289] als auch der chronische Low-level-carrier kann z. T. durch eine empfindliche Nukleinsäureamplifikationstechnik (NAT) erfasst werden, wobei eine positive PCR nicht zwangsläufig Infektiosität bedeutet, eine negative PCR die Infektiosität aber auch nicht vollständig ausschließt, was sowohl durch die Rückverfolgung bei transfusionsassoziierten HBV-Infektionen [7][224][295] als auch durch Modellrechnungen [609] belegt wird. Nach [289] ist der Beitrag der NAT, selbst wenn sie im Pool durchgeführt wird, für die HBV-Sicherheit von Blut größer als der der AntiHBc-Testung. Bei seltenen Genotypen kann jedoch in Abhängigkeit vom Primerdesign auch die NAT versagen [289]. Wegen des gegenüber HCV und HIV deutlich langsameren Anstiegs der HBV-Konzentration in der frühen Phase der Infektion und der teilweise sehr niedrigen Viruskonzentration in der Spätphase bietet die Einzelspendertestung gegenüber der Pooltestung deutliche Vorteile [94][624]. Die NAT für HBV entdeckt zwar schon
38
mit der weniger empfindlichen Pooltestung deutlich mehr Spender in der Frühphase der Infektion als bei HIV, hat aber wegen der in den meisten Fällen geringeren klinischen Folgen der Infektion nach den klassischen Berechnungsmethoden trotzdem ein deutlich ungünstigeres Kosten-Nutzen-Verhältnis [92]. Das Restrisiko der unerkannten Übertragung einer HBV-Infektion durch nichtinaktivierte Blutpräparate ohne Anwendung eines Screeningverfahrens auf Anti-HBc wurde für Deutschland auf etwa 1:230.000 geschätzt ([441]; Frankreich 1:220.000 [63] bzw. 1:470.000 [473], Italien 1:63 000 [580]). Eine neuere Schätzung des Deutschen Roten Kreuzes unter Einbeziehung des Anti-HBc- und des HBV-DNS-Screenings kommt auf ein Restrisiko von 1:360.000 pro Spende [289]. Zwei Drittel der gemeldeten Übertragungen wurde durch Spender in der Frühphase der Infektion verursacht, ein Drittel durch Anti-HBc-positive, HBsAg-negative Spender [316]. In den 11 Jahren von 1997 bis 2007 gab es zwei Meldungen über transfusionsübertragene fulminante B-Hepatitiden mit Todesfolge [316]. Auch aus Dänemark wurde ein Fall bekannt [239]. Eine transfusionsbedingte HBV-Infektion ist dann in Betracht zu ziehen, wenn der Empfänger bis 6 Monate nach der Transfusion HBsAg-positiv wird oder spezifisch für Anti-HBc serokonvertiert. Die Identität der Isolate sollte in einem Hepatitisreferenzlabor geklärt werden (um andere, auch iatrogene Übertragungsmöglichkeiten [399][487] nicht zu übersehen, 7 Abschn. 38.3.1.8). Dem Paul-Ehrlich-Institut werden im langjährigen Mittel bis zu 3 HBV-Infektionen pro Jahr gemeldet, die nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit durch ein Blutprodukt verursacht wurden [316], was mit der obigen Schätzung vereinbar ist. Die meisten Übertragungen werden nicht bemerkt, weil der Empfänger verstirbt, zum symptomlosen Träger wird oder nur eine stille Feiung erfährt [239]. HBV kann im Plasma durch Lipidextraktion mit organischen Lösungsmitteln wirksam inaktiviert werden, die Inaktivierung durch Hitze ist dagegen schwieriger als bei anderen umhüllten Viren [539]. Als Alternative zu zusätzlichen Tests wird diskutiert, alle Blutspender gegen Hepatitis B zu impfen [237]. Dies wird in Belgien bereits seit langem durchgeführt. Eine solche Maßnahme wäre naturgemäß nur bei Dauerspendern sinnvoll. Nach den Ergebnissen von Schimpansenversuchen würde die aktive HBV-Impfung auch gegen die Infektion eines Spenders mit der häufigsten Escape-Mutante G145R schützen [443], die durch manche HBsAg-Tests nur mangelhaft erkannt wird. Bei schon bestehenden HBV-Infektionen ist die Impfung meist ohne Wirkung, sondern führt eher zur Bildung von Escape-Mutanten. Nach neuesten Beobachtungen in den USA treten okkulte HBV-Infektionen mit fehlender Nachweisbarkeit von HBsAg und verzögerter Anti-HBc-Bildung gehäuft bei geimpften Spendern mit niedrigen Anti-HBs-Titern (<100 IU/l) auf, und zwar besonders mit HBV-Genotypen, die vom Genotyp des Impfstoffs (A2) verschieden sind. Der Impfstoff schützt also diese Personen vor der Erkrankung oder einer chronischen HBs-Antigenämie, aber er vermittelt keine »sterile« Immunität. Eine Übertragung von HBV durch geimpfte Spender kann mithin nicht ausgeschlossen werden (s. auch [235]).
Das Hepatitis-Deltavirus (HDV) 7 Übersichten: [571][582]
Mitte der 1970er Jahre wurde von Mario Rizetto ein neues nukleäres Antigen bei Patienten mit chronischer Hepatitis B entdeckt, das Delta-Antigen (HDAg). In der Folge zeigte sich, dass es von einem neuartigen, defekten Infektionserreger gebildet wird, der für seinen Lebenszyklus auf die Hüllproteine des HBV angewiesen ist [503].
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
z Eigenschaften HDV bildet nach der gegenwärtig geltenden taxonomischen Einteilung das Genus Deltavirus. Es ähnelt in Teilen seines Genoms und seiner Replikationsstrategie den Viroiden der Pflanzen. Das Genom besteht aus einer kleinen, ringförmigen Einzelstrang-RNS von 1,7 kB, die sehr stark selbstkomplementär ist. Anders als die Viroide der Pflanzen stellt HDV kein »nacktes« RNS-Molekül dar, sondern es kodiert das HDAg, mit dem es einen Ribonukleoproteinkomplex bildet. Intrazellulär kann sich HDV im Prinzip auch ohne HBV vermehren. Für eine effiziente Sekretion und die Etablierung einer Virämie benötigt HDV jedoch die Umhüllung durch die HBsAg-Proteine des HBV. z Pathogenese und Klinik HDV kann zusammen mit HBV entweder auf eine HBV- und HDVnegative Person (Koinfektion) oder auf einen chronischen HBsAgTräger (Superinfektion) übertragen werden. Die Koinfektion heilt meist aus, die Superinfektion kann zu einer fulminanten Hepatitis führen und wird meist chronisch [620]. z Epidemiologie HDV ist an Regionen oder Personengruppen mit hoher HBV-Prävalenz gebunden. Dort kommt es in lokal begrenzten Herden vor. Ausbrüche von fulminanten D-Hepatitiden wurden in verschiedenen tropischen Regionen von Südamerika und Afrika beschrieben. In Europa ist HDV in Süditalien, Griechenland und Rumänien endemisch. Zum Teil weisen i.v.-Drogenabhängige eine hohe Durchseuchungsrate auf. Prävalenz und Inzidenz haben in Europa in den letzten beiden Jahrzehnten stark abgenommen. z Übertragung HDV wird ähnlich wie HBV übertragen. Die HDV-Titer erreichen bei der frischen Infektion Werte bis zu 1011/ml, in der chronischen Phase sind die HBV- und HDV-Titer wesentlich niedriger. Die sexuelle Übertragung scheint bei HDV weniger häufig als bei HBV zu sein. Die Hauptübertragungswege sind i.v.-Drogengebrauch und Hygienemängel bei medizinischen Eingriffen. z Serologische Diagnostik Der Nachweis von Anti-HDV deutet auf eine bestehende HDVInfektion hin. HDV-RNS kann durch Nukleinsäurehybridisierung oder besser durch reverse Transkription und nachfolgende PCR nachgewiesen werden. HDAg ist in der Leber nachweisbar. Eine Testung von Transfusionsblut auf Anti-HDV ist nicht erforderlich, da der anamnestische Ausschluss von Personen mit Infektionsrisiko zusammen mit der HBsAg-Testung eine hohe Sicherheit bietet.
Hepatitis-C-Virus (HCV) 7 Übersicht: [30]
38
Nach der Einführung der HBsAg-Testung stellte sich bald heraus, dass weiterhin zahlreiche Hepatitiden nach Transfusion auftraten, für die 1975, nach Ausschluss des Hepatitis-A-Virus als Ursache, der Begriff der parenteral übertragenen Non-A-Non-BHepatitis geprägt wurde. Bis zur Identifizierung des Haupterregers, des Hepatitis-C-Virus, und der Einführung eines spezifischen Antikörpertests Anfang 1990 war sie eine der wichtigsten infektiösen Komplikationen der Bluttransfusion. z Eigenschaften Wegen seines Genomaufbaus wird das HCV der Familie der Flaviviridae zugeordnet, zu der auch z. B. der Erreger des Gelbfiebers
(flavus = gelb) gehört. Es bildet mit seinen verschiedenen Genotypen und Subtypen innerhalb dieser Familie ein eigenes Genus Hepacivirus. HCV ist ein umhülltes Virus mit einem einzelsträngigen RNS-Genom von ca. 9400 Basen. Den Aufbau des Genoms zeigt . Abb. 38.3. Es gibt mehrere HCV-Genotypen (2009 mindestens 6 [49][334][547]) und sehr viele Subtypen. Typisch sind hypervariable Bereiche in den Hüllproteinen, die dem Virus – ähnlich wie HIV – erlauben, neutralisierenden Antikörpern zu entgehen. Die Nukleinsäuresequenz des Coreproteingens und insbesondere die 5'-terminale nichtkodierende Region der HCV-RNS sowie die 3'-nichtkodierende Region [193] sind dagegen relativ gut konserviert. Das Virusgenom kodiert ein etwa 3000 Aminosäuren umfassendes Polyprotein, das im Lauf der Virusreifung durch zelluläre und virale Proteasen in das Coreprotein, die beiden Hüllproteine E1 und E2 und in sieben Nichtstrukturproteine (p7, NS2, NS3, NS4A, NS4B, NS5A, NS5B) gespalten wird. Die Funktionen der Nichtstrukturproteine (Ionenkanal, Proteasen, Helicase, RNS-abhängige RNS-Polymerase u. a.) sind für die Virusvermehrung in der Zelle nötig, die Proteine selbst werden aber nicht in die Viren eingebaut. Die neuerdings mögliche Anzucht des Virus in Zellkultur bietet die Möglichkeit, das Viruspartikel besser zu charakterisieren. Es ist im Serum häufig an Lipoproteine oder Antikörper gebunden. Neben dem Menschen ist der Schimpanse für HCV empfänglich. z Pathogenese und Klinik Die akute Erkrankung verläuft in der Regel milder als die durch HBV; fulminante Verläufe sind nur bei Koinfektionen mit anderen Hepatitisviren bekannt. Je heftiger die akute Hepatitis C verläuft, desto besser sind die Aussichten auf Ausheilung. Ähnlich wie bei HBV scheint auch bei HCV die Immunabwehr der Hauptfaktor der Pathogenese zu sein. Immunsupprimierte HCV-Träger haben die höchste Virusgenomkonzentration im Plasma bei vergleichsweise geringer Symptomatik. 70% oder mehr der Infektionen nehmen einen chronischen symptomatischen Verlauf, der relativ häufig (≥20%) in eine Leberzirrhose mündet. Eine chronische HCV-Infektion mit Leberzirrhose erhöht das Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms; der Mechanismus dieser virusinduzierten Onkogenese ist noch unklar. In einer britischen Look-backStudie war die Sterblichkeit durch Transfusion infizierter Patienten nach 10 Jahren mit 12,7% gegenüber einer Kontrollgruppe nichtinfizierter Patienten mit 9% zwar nicht signifikant erhöht, Lebererkrankungen und Tod durch Lebererkrankungen waren aber in der Gruppe der infizierten Patienten deutlich häufiger [263]. Viele Patienten mit chronischer HCV-Infektion klagen über starke Müdigkeit und psychische Beeinträchtigungen, die in diesem Maß bei chronischen Hepatitiden anderer Ätiologie nicht beobachtet werden. Ein Teil der Patienten hat Symptome einer unspezifischen B-Zell-Stimulierung mit großen Mengen von Immunkomplexen: gemischte Kryoglobulinämie, Purpura/Vaskulitis, Glomerulonephritis, Polyneuropathie und Raynaud-Phänomen. z Epidemiologie 7 Übersicht: [208][418][492] HCV scheint weltweit vorzukommen. Nach Angaben der WHO sind ca. 170 Mio. Menschen, das sind 3% der Weltbevölkerung, HCV-infiziert. In Deutschland liegt die Durchseuchung der Allgemeinbevölkerung bei etwa 0,4%. In einem großen Blutspendedienst der alten BRD war 1993 jeder 1000. Spender HCV-infiziert [128]. Dies ist bei Erstspendern in Deutschland bis heute so geblieben [440][553].
537
38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
nicht-codierende Region 5’
3’
HCVRNS-Genom
HCV - Polyprotein-Vorläufersequenz
Prozessierung
Translation
Core Proteine
38
C
Protease Helicase
Hüllproteine E1
E2
2
3
Strukturproteine
Polymerase 4A 4B
5A
5B
Nichtstrukturproteine
Zusammenbau Freisetzung
Verbleibt in der infizierten Zelle E2 E1
HCV-Partikel (hypothetisch)
C
E2 E1
C RNS Genom
. Abb. 38.3 Genom, Proteine und hypothetische Struktur des Hepatitis-C-Virus
z Übertragung Die Übertragung erfolgt ganz überwiegend parenteral. Eine wesentliche Rolle spielt heute i.v.-Drogenkonsum [155][208][588], die Immigration aus HCV-Endemiegebieten [208][588] sowie lange zurückliegende Bluttransfusionen [588]. Sexuelle und intrafamiliäre Übertragung sind eher selten [398][482][558]. Eine vertikale Übertragung von der Mutter auf das Neugeborene kommt bei ca. 5% vor, gehäuft bei HIV-infizierten Müttern, bei denen der HCV-Titer im Durchschnitt erheblich höher ist als bei nicht-HIV-infizierten Schwangeren. (Zu den Infektionsursachen bei Blutspendewilligen und Blutspendern s. [203][261][423]). z Serologische Diagnostik 7 Übersicht: [513] Alle heutigen Antikörpertests enthalten Peptidsequenzen aus dem Coreprotein des HCV und weitere Antigene aus dem Bereich der Nichtstrukturproteine NS3 und/oder NS4. Der Nutzen von Immunoassays (IA) mit Antigenen aus dem Bereich des NS5 (3. Testgeneration) ist unklar, da HCV-Infektionen mit isoliertem Anti-NS5 sehr selten sind [357] und die Spezifität des Tests durch das zusätzliche Antigen beeinträchtigt sein könnte [400][462]. Heute zugelassene Antikörpertests können chronische HCVInfektionen sehr zuverlässig, frische Infektionen jedoch häufig erst
Tage oder Wochen nach der klinischen oder durch Laborwerte fassbaren Hepatitis erkennen. Die frische Infektion lässt sich durch den Nachweis von HCV-RNS, inzwischen aber auch durch hochempfindliche Core-Antigentests mit hoher Zuverlässigkeit erkennen. Reproduzierbar reaktive Screeningergebnise für Anti-HCV bedürfen der Kontrolle, bevorzugt mit einem hochempfindlichen Nachweis von HCV-RNS durchgeführt (7 Übersicht: [538]). Dabei lässt sich das reaktive Ergebnis umso eher bestätigen, desto stärker das Signal des Screeningtests ist [156]. Der positive Nachweis beweist die Infektion. Ist der RNS-Test negativ, erfolgt eine weitere Kontrolle in einem zugelassenen Ergänzungstest (»supplementary test«), bei dem die einzelnen HCV-Antigene auf eine Membran aufgebracht sind. Eine spezifische Reaktion wird dann angenommen, wenn das Patientenserum mit mindestens 2 Antigenen reagiert. Die Reaktion mit nur einem Antigen, häufig dem Coreprotein, gilt als unentschieden (»indeterminate«). Die weitere Abklärung solcher unentschiedenen Befunde wurde neuerdings durch die Untersuchung der zellulären Immunantwort der Spender gegen HCV versucht und führte bei nicht wenigen Spendern zu positiven Ergebnissen [75][274]. Reagiert keines der Antigene, wird das Screeningergebnis als unspezifisch gewertet. In sehr seltenen Fällen kann ein in der PCR verifiziertes, spezifisch Anti-HCV-positives Ergebnis im Ergänzungstest zu einem negativen Ergebnis führen [270]. Ande-
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
rerseits sind auch bei negativem Immunoassay zumindest unentschiedene Ergebnisse im Ergänzungstest möglich [318]. Der Nachweis von Anti-HCV kann sowohl für eine noch aktive als auch für eine ausgeheilte HCV-Infektion sprechen; erstere wird angenommen, wenn HCV in Form seiner RNS im Serum, in den Leukozyten oder in der Leber nachweisbar ist. Für den Nachweis von HCV-RNS sind nur höchstempfindliche Nukleinsäureamplifikationstechniken (NAT) wie z. B. PCR nach reverser Transkription (RT-PCR) oder RNS-abhängige Transkriptionstechniken (TMA, NASBA) geeignet. Eine denkbare Alternative zum Nachweis frischer HCV-Infektionen stellen höchstempfindliche Antigentests dar, sie erreichen aber nicht die Sensitivität der besten NAT [521][612]. z Testung von Blutspenden Mit den Anti-HCV-Tests der 3. Generation, die zum Screening von Blutspendern verwendet werden, sind in der Regel weniger als 0,1% der deutschen Blutspender reproduzierbar reaktiv (Bauerfeind, pers. Mitt.). Aber nur 0,1 % aller für HCV nicht vorselektierten Erstspender und nur einer von 62.000 Mehrfachspendern sind in weiteren, spezifischeren Antikörpertests positiv [440][553]. Der positive Vorhersagewert eines wiederholt reaktiven Screening-Immunoassays beträgt bei Erstspendern etwa 10–30 %, bei für AntiHCV selektierten Wiederholungsspendern weniger als 2 %. Die Bestätigungsrate ist eng korreliert mit der Stärke des IA-Signals [156] und mit der Serumtransaminase-Aktivität (SGPT) im Serum des Blutspenders: Bei normaler SGPT bestätigt sich ein reaktiver Anti-HCV-IA bei einem Blutspender nur selten, während bei hoher SGPT in der Regel auch der Ergänzungstest positiv wird [116][128]. Die Prävalenz spezifischer Befunde ist bei jungen Blutspendern sehr gering und steigt mit dem Alter der Spender [128][437]. Seit April 1999 bzw. Oktober 1999 (Aphereseplasmen) ist zusätzlich zur Antikörpertestung die Testung auf HCV-RNS mittels NAT vorgeschrieben [106]. Die vom Paul-Ehrlich-Institut vorgeschriebene Empfindlichkeit von 5000 IU/ml in der einzelnen Spende erlaubt in Abhängigkeit von den verwendeten Verfahren und deren Empfindlichkeit die Poolung von bis zu 96 Proben für eine Testung. In der Praxis werden heute wesentlich bessere Nachweisgrenzen erreicht. Die in NAT-positive Pools eingegangenen Proben müssen mittels geeigneter Schemata so nachgetestet werden, dass die für die Positivität ursächliche Probe ermittelt wird. Ein im IA reproduzierbar reaktives und im NAT positives Ergebnis gilt als bestätigt. Durch die zusätzliche NAT-Testung auf HCV-RNS wird das Risiko durch frische HCV-Infektionen [115][254][275][351][641] weitgehend, aber nicht vollständig eliminiert. In den Jahren 1997 bis 2005 wurden unter 31,5 Mio. Blutspenden des DRK nur 23 ausschließlich HCV-RNS-positive gefunden. Das verbleibende Restrisiko wurde zu 1:10,9 Mio. (7,5–19,7 Mio.) errechnet [289]. Nach Nübling et al. [434]wurden bei insgesamt 40,8 Mio. Blutspenden 92 nur HCV-RNA-positive Spenden gefunden. Seit der Einführung der NAT wurde tatsächlich nur ein Fall einer HCV-Übertragung durch ein Erythrozytenkonzentrat mit sehr niedrigem HCV-Gehalt berichtet [316][331]. Zum ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis siehe z. B. [369].
38
z Inaktivierbarkeit Es gibt Hinweise darauf, dass der Effekt der Kälte-Ethanolfraktionierung bei HCV geringer ist als bei anderen transfusionsrelevanten Viren, was in den frühen 1990er Jahren zur Kontamination von bestimmten intravenös verabreichten Immunglobulinen und zur HCV-Infektion von Hunderten von Empfängern führte [626]. HCV
ist als lipidumhülltes Virus empfindlich gegenüber Inaktivierungsverfahren durch Lösungsmittel. Gegen Hitze ist es weniger empfindlich als HIV.
Hepatitis-A-Virus (HAV) 7 Übersicht: [27]
z Eigenschaften Das 1972 erstmals identifizierte HAV ist ein nichtumhülltes Virus mit einer positivsträngigen RNS von 7800 Basen Länge. Innerhalb der Familie der Picornaviren bildet es ein eigenes Genus »Hepatovirus«. z Übertragung HAV ist der häufigere der beiden bekannten Erreger der typischerweise fäkal-oral übertragenen Hepatitis (der andere ist das Hepatitis-E-Virus). Hauptinfektionsquellen sind verschmutztes Trinkwasser und mit Fäkalienspuren kontaminierte Lebensmittel, daneben Schmierinfektionen in Kindergärten und innerhalb von Haushalten. HAV-Ausbrüche sind aber auch bei i.v.-Drogenabhängigen und bei männlichen Homosexuellen beobachtet worden. Eine parenterale Übertragung ist während der Virämie möglich. z Pathogenese und Klinik Die Erkrankung verläuft bei Kleinkindern meist völlig ohne klinische Symptome; die Ausprägung der klinischen Symptomatik der HAV-Infektion und die Sterblichkeit durch diese Infektion nimmt aber mit dem Lebensalter zu und kann bei älteren Menschen bis zu 2% betragen, insbesondere wenn schon eine chronische HBVoder HCV-Infektion vorliegt. Akute Infektionen können gelegentlich einen protrahierten Verlauf von bis zu 1 Jahr Dauer annehmen; chronische Infektionen wie bei der Hepatitis B oder C sind aber nicht bekannt. Es entwickelt sich eine lebenslange Immunität. z Epidemiologie Bis 1950 war HAV in Deutschland sehr häufig, sodass die vorher geborene Bevölkerung weitgehend immun ist. In vielen Bereichen der Tropen und Subtropen ist HAV weiter endemisch, sodass die nichtimmune Bevölkerung Deutschlands das Virus oft auf Reisen erwirbt und nach Deutschland einschleppt [211]. Wenn, wie diese Ergebnisse zeigen, die HAV-Infektion häufig durch junge Migranten mitgebracht wird, die in den Ferien in ihren Ursprungsländern waren, ist der Malaria-Ausschluss in Bezug auf die HAV-Infektion weitgehend wirkungslos. z Bedeutung für Blutprodukte Die Übertragung einer HAV-Infektion durch Blut galt bis vor einigen Jahren als absolute Rarität (ca. 1 Dutzend Fälle weltweit [346]). Nach klassischen Vorstellungen beginnt die Virämie 7–10 Tage vor Ausbruch der Erkrankung ([606]; jedoch 17 Tage und mehr bei [89]) und endet bei den meisten Infizierten mit Auftreten der ersten Symptome. Neuere Arbeiten weisen jedoch auf eine erheblich längere Virämie hin [27][44][358][628]. 1992 wurden mindestens 88 HAV-Infektionen bei Hämophilen mit der Anwendung bestimmter Faktor-VIII-Präparate in Verbindung gebracht. Als einfache und wirkungsvolle Vorbeugungsmaßnahme wurde die aktive HAV-Impfung der Hämophilen empfohlen [240]. Die HAV-Übertragungen durch S/D-behandelte Präparate sind in 7 Abschn. 38.5.1 zusammengestellt.
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38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
z Testung Einige Blutspendedienste, die Plasma zur Fraktionierung liefern, sowie Hersteller von Plasmaderivaten haben eine HAV-PCR eingeführt. Eine von 100.000 Plasmaspenden bzw. einer von 20.000 Spendern war HAV-RNS-positiv [136][606]. In Plasmaspenden mit normalen GPT-Werten fanden sich bis zu 107 Genomäquivalente (GE)/ml HAV-RNS, die den Plasmapool mit fast 1010 GE belasten würden – eine Herausforderung für jedes Virusinaktivierungsverfahren [606]. z Inaktivierbarkeit Als nichtumhülltes Virus kann HAV nicht durch Detergenzien bzw. organische Lösungsmittel inaktiviert werden. Es ist auch relativ hitzeresistent [540], eine effektive Virusinaktivierung wird jedoch durch die Pasteurisierung erreicht [422] oder durch Trockenerhitzung bei ausreichender Restfeuchtigkeit [522]. Eine mäßige Abreicherung (3 log10-Stufen) ist durch Affinitätschromatographie möglich [606]. Bei der Produktion von Plasmaproteinpräparaten ist daher die Aufrechterhaltung eines hohen Anti-HAV-Spiegels im Pool sowie bei Solvens-Detergenz-inaktivierten Produkten ggf. die Einführung eines zusätzlichen Inaktivierungs- oder Abreicherungsschrittes sinnvoll.
Hepatitis-E-Virus (HEV) 7 Übersicht: [45][124][166][566]
Das in den Jahren 1985–1990 identifizierte Hepatitis-E-Virus (HEV) wird in Ländern mit unzureichender Trinkwasserhygiene vorwiegend durch kontaminiertes Trinkwasser übertragen und löst dort epidemisch auftretende Hepatitiden v. a. bei jungen Erwachsenen aus (frühere Bezeichnung: epidemische Non-A-Non-B-Hepatitis). In den Industrieländern werden sporadische Fälle beobachtet (z. B. [91]). Nur 30% der 2008 in Deutschland gemeldeten Fälle wurden aus Endemiegebieten eingeschleppt. Bei Nagern, Hühnern und insbesondere Schweinen wurden auch hierzulande sehr ähnliche Viren gefunden, sodass es sich bei der Infektion wahrscheinlich um eine Zoonose oder eine durch Lebensmittel übertragene Infektion handelt [124][611]. z Eigenschaften Das Virus hat einen Durchmesser von etwa 27–34 nm, ist nicht lipidumhüllt und besitzt ein einzelsträngiges RNS-Genom positiver Polarität von etwa 7500 Basen Länge. Es ähnelt den Caliciviren, da es wie diese die Nichtstrukturproteine am 5’-Ende kodiert und eine subgenomische mRNS für die Strukturproteine bildet. Wegen der andersartigen Genomabfolge der Nichtstrukturproteine wird es jedoch in eine eigene Familie Hepeviridae, Genus Hepevirus eingeordnet. Es sind vier Genotypen bekannt, wobei die Genotypen 1 und 2 hauptsächlich bei Menschen in tropischen Regionen vorkommen, während die Genotypen 3 und 4 bei vielen Wildtieren und sehr häufig auch bei Hausschweinen vorkommen. Autochtone humane HEV-Infektionen in Europa sind in der Regel durch Genotyp 3 verursacht. z Pathogenese und Klinik Die Inkubationszeit beträgt 4–6 Wochen, die ikterische Phase kann 2 Monate andauern. Die Virämie beginnt einige Tage vor dem 1. SGPT-Anstieg, der Prodromalperiode, der klinischen Erkrankung und der Nachweisbarkeit spezifischer Antikörper [145]. Bei organtransplantierten Patienten wurden chronische HEV-Infektionen beobachtet [77][309]. Auch bei aus anderen Gründen immunsupprimierten Patienten scheinen sich chronische HEV-Infektionen
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entwickeln zu können. Charakteristisch für HEV-Infektionen ist die hohe Sterblichkeit bis 20% von infizierten schwangeren Frauen. z Epidemiologie Die Erkrankung tritt epidemieartig in Ländern der Dritten Welt auf. Eine sekundäre Übertragung auf Kontaktpersonen scheint selten zu sein. Die Einschleppung von Infektionen des Genotyps 1 oder 2 ist möglich. Ein großer Teil der in Europa diagnostizierten Infektionen ist jedoch autochton erworben und vom Genotyp 3, wobei Schweine ein mögliches Reservoir darstellen (z. B. [611]). Da ohne entsprechende Reiseanamnese eine HEV-Diagnostik meist nicht stattfindet, werden diese autochtonen Infektionen viel zu selten diagnostiziert [124]. Ein interessantes Fallbeispiel ist eine HEV-Epidemie auf einem Kreuzfahrtschiff 2008 [515]. z Diagnostik Der Nachweis der Virämie ist mit PCR möglich. Tests auf Antikörper zeigen lediglich die Durchseuchung an und sind für eine Testung von Blutspendern nicht geeignet. Eine Übertragung durch Blut ist mehrfach beschrieben worden [124]. Ob sie wegen der meist kurzen Virämie nur selten vorkommt, ob sie bei immunkompetenten Empfängern unbemerkt verläuft oder ob das klinische Bild bisher fehlinterpretiert wurde, ist nicht klar. In einer Studie in Japan waren 20% der Blutspender mit einer GPT von >500 IU/l HEV-RNA-positiv [516]. z Inaktivierbarkeit Zur Inaktivierbarkeit von HEV gibt es bis jetzt keine gesicherten Daten. Da es sich um ein nicht umhülltes Virus handelt, ist die Inaktivierung durch Detergenzien bzw. organische Lösungsmittel nicht zu erwarten.
GB-Virus Typ C, »Hepatitis-G-Virus« 7 Übersicht: [11][320][497]
1995 wurde eine Virusspezies, GBV-C, bzw. ein eng verwandtes Virus identifiziert, als ätiologisches Agens der Non-A-E-Hepatitis postuliert und daher fälschlich auch als Hepatitis-G-Virus bezeichnet. Das Virus gehört nach seinem Genomaufbau zur großen Familie der Flaviviridae, bildet in dieser aber eine eigene Gruppe, die am engsten mit den Hepaciviren verwandt ist. z Pathogenese und Klinik Umfangreiche Untersuchungen vieler Forschungsgruppen konnten keinen Zusammenhang zwischen einer persistierenden GBV-C-Infektion und einer Hepatitis oder einer anderen Erkrankung aufzeigen. Die Virämie erreicht bei GBV-C höhere Konzentrationen als bei HCV (ca. 107/ml) und besteht meist mehrere Jahre. Sie verschwindet spontan mit dem Erscheinen von Antikörpern gegen das E2-Protein von GBV-C. Möglicherweise mitigiert eine Koinfektion mit GBV-C den Verlauf einer HIV-Infektion [233][578]. z Epidemiologie GBV-C wird vermutlich sexuell, aber auch durch Blut übertragen. In Deutschland sind ca. 14% der Bevölkerung Anti-GBV-C-E2-positiv; 1–3% sind RNS-positiv. z Bedeutung für die Transfusionsmedizin Eine Notwendigkeit, GBV-C-positive Spenden zu identifizieren und von der Transfusion auszuschließen, ist nicht erkennbar. Für die Blutspende geeignete Tests sind kommerziell nicht verfügbar.
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
Retroviren Retroviren besitzen als Genom einzelsträngige RNS positiver Polarität, welches für die Replikation zunächst in DNS transkribiert wird. Der »normale« Weg der genetischen Information von der DNS zur RNS wird also umgekehrt. (Später wurde dieser Weg auch noch bei den Hepadnaviren, z. B. HBV, festgestellt.) Retroviren unterscheiden sich weiterhin von allen anderen RNS-Viren dadurch, dass ihr Genom nach der reversen Transkription für die Vermehrung als Provirus-DNS in das Genom der infizierten Zelle integriert werden muss. Alle Viren der großen Familie Retroviridae enthalten 2 identische RNS-Genomkopien mit je 7000–11.000 Basenpaaren sowie die für die reverse Transkription nötige RNS-abhängige DNS-Polymerase. Damit assoziiert ist eine RNAse H, die die virale RNS nach der Umschreibung in DNS abbaut, die Integrase, die die virale DNS in das Wirtsgenom einbaut, sowie eine Proteinase, die für die Reifung der Viruspartikel während und nach ihrer Sprossung an der Zellmembran erforderlich ist. Die Retroviren sind 80–110 nm groß, enthalten ein komplex gebautes Nukleokapsid, ein Matrixprotein auf der Innenseite der Lipidmembran und in dieser eingelagert 1 Oberflächenglykoprotein und 1 Transmembranprotein. Retroviren wurden zunächst bei Tumorerkrankungen von Hühnern entdeckt und später auch bei Tumoren und Leukämien von Säugern gefunden. Medizinisch wichtige Retroviren sind HIV-1 und HIV-2 (Genus Lentivirus) sowie HTLV-I und HTLV-II (Genus Deltaretrovirus).
Humanes Immundefizienzvirus (HIV) 7 Übersicht: [32]
Mit der HIV-typischen Immunschwäche assoziierte Infektionskrankheiten wie Pneumocystis-jirovecii-Pneumonien und KaposiSarkome wurden erstmals 1981 gehäuft diagnostiziert und auf eine neues Immundefektsyndrom (»acquired immune deficiency syndrome«, Aids) mit mutmaßlich infektiöser Ursache zurückgeführt. Dieses Krankheitsbild breitete sich Anfang/Mitte der 1980er Jahre explosionsartig in bestimmten Gruppen, v. a. männlichen Homosexuellen, aus. Der Erreger wurde 1984/85 entdeckt. Details der Vorgeschichte bei [126]. Antikörper gegen neue HIV-Stämme wurden Mitte der 80er Jahre in Westafrika bei Patienten mit und ohne Aids gefunden und später einem Erreger zugeordnet, der als HIV-2 von HIV-1 abgegrenzt wurde.
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z Eigenschaften HIV-1 und HIV-2 sind innerhalb der Familie der Retroviridae dem Genus der Lentiviren zugeordnet. Der grundsätzliche Aufbau von Retroviren wurde oben beschrieben. Die HIV-1-RNS-Genomstränge haben eine Länge von 9200 Basenpaaren. Das Capsid ist aus p24Antigen aufgebaut, das in gewissen Phasen der HIV-Infektion auch in freier Form im Serum auftreten kann. Das Matrixprotein p17, das Transmembranprotein gp41 sowie das Oberflächenprotein gp120 sind weitere Komponenten, die für die Diagnostik wesentlich sind. Das Oberflächenprotein gp120 bindet sich an das CD4-Molekül der T-Lymphozyten und legt durch die nachfolgende Bindung an Chemokinrezeptoren gp41 frei. Dieses bewirkt durch seine Fähigkeit zur Membranfusion die Aufnahme des HIV-Nukleokapsids in die Zelle [148]. HIV-1 und HIV-2 sind genetisch äußerst variabel. Für das »Ausweichen« des HIV gegenüber neutralisierenden Antikörpern ist insbesondere die hypervariable Peptidschleife Nr. 3 (V3-loop) im gp120 mitverantwortlich. Neben den Strukturproteinen kodiert HIV noch eine Reihe regulatorischer Proteine, insbesondere rev,
tat und nef. Dabei reguliert rev den Transport und das Spleißen der viralen RNS, tat aktiviert die mRNS-Synthese von der HIV-Provirus-DNS, nef ist ein immunmodulierender Pathogenitätsfaktor. Hauptzielzellen des Virus sind T-Helferzellen und die Zellen der Monozyten-Makrophagen-Reihe sowie dendritische Zellen der Schleimhaut [148]. Die Homologie zwischen den Nukleotidsequenzen von HIV-1 und HIV-2 beträgt für gag und Polymerase 60%, für das Transmembranglykoprotein gp41 45% und die für das Oberflächenprotein ca. 39%. Das Molekulargewicht des Oberflächenproteins von HIV-1 beträgt 120 bzw. 160 kD, das des HIV-2 105 bzw. 140 kD. Neben den HIV-1-Subtypen M, N und O, die vom Schimpansen auf den Menschen übertragen wurden, wurde kürzlich ein vom Gorilla stammender Subtyp P beschrieben [476]. z Pathogenese und Klinik Einige Wochen nach der Infektion kann es zur akuten HIV-Erkrankung mit Fieber, grippeähnlichen Symptomen und Lymphknotenschwellungen kommen. In dieser Phase finden sich relativ große Mengen HIV im Plasma. Erster Angriffsort von HIV ist der Gastrointestinaltrakt [493]. Mit Auftreten der HIV-Antikörper nehmen die akuten Krankheitssymptome und die Virämie ab [177], jedoch vermehrt sich bei weitgehender Symptomfreiheit das Virus weiter in den Lymphknoten und schädigt dort zunehmend die immunologische Reaktivität. Bei Auswachsen neuer antikörperresistenter HIV-Varianten gibt es gelegentlich erneute Schübe von Virämie. Mit Absinken der Zahl CD4-positiver Lymphozyten unter 500/μl wird die Infektion zunehmend symptomatisch. Haupttodesursachen sind opportunistische Infektionen durch sonst harmlose Erreger, das sonst seltene Kaposi-Sarkom oder maligne Lymphome. HIV-2 führt ebenfalls zu Aids, ist aber wahrscheinlich weniger pathogen. z Epidemiologie HIV ist weltweit verbreitet. Bis zum 1.3.2008 waren in Deutschland insgesamt 26.013 Personen mit Aids-Erkrankung gemeldet, von denen 13.803 (53,1%) bereits gestorben waren [506]. Diese seit Beginn der Infektionswelle kumulative Statistik zeigt einen Wechsel der angegebenen Infektionsursachen nur stark verzögert. Deswegen wird im folgenden Abschnitt nur auf die angegebenen Infektionsursachen der vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2007 gemeldeten AidsFälle (1260 Männer, 263 Frauen) Bezug genommen. Zunächst einmal nahm der Anteil der Personen ohne Angabe über die (vermutete) Infektionsursache auf ein Viertel deutlich zu (gegenüber 10% in der kumulativen Statistik). Von den im genannten Zeitraum neu mit Aids-Erkrankung gemeldeten 1260 Männern waren mehr als die Hälfte homo- oder bisexuell, 8% i.v.-Drogenabhängige, 6,3% stammten aus Ländern mit einer hohen HIV-Prävalenz und haben sich vermutlich dort infiziert; bei 3,8% waren heterosexuelle Kontakte als Infektionsursache angegeben und nur bei 0,4% (n = 5) Hämophilie oder Transfusionen [506]. Von den 263 in diesem Zeitraum neu mit Aids gemeldeten Frauen stammt fast die Hälfte (n = 115) aus Ländern mit hoher HIVPrävalenz (und hat sich vermutlich dort infiziert), jede sechste war drogenabhängig. Für jede zehnte der Frauen werden heterosexuelle Kontakte als Infektionsursache angegeben, für eine einzige Transfusionen [506]. Die Anzahl der seit Beginn der Epidemie bis Ende 2008 in Deutschland HIV-Infizierten wird auf 81.500–86.000 geschätzt, die Anzahl der Todesfälle bei HIV-Infizierten seit Beginn der Epidemie auf etwa 27.500 und die Anzahl der Personen, die Ende 2008 in Deutschland mit HIV oder Aids lebten, auf 60.000–67.000 (etwa 51.800 Männer, 11.700 Frauen, 200 Kinder). Diese Zahlen beruhen
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38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
auf Schätzungen und sind daher nicht konsistent [506]. Der Anteil der mit HIV-2 infizierten Personen in Deutschland ist verschwindend klein [506]. Bisherige Aids-Erkrankungen und Infektionen durch Blut Etwas mehr als 200 Blutempfänger wurden durch nicht auf Anti-HIVgetestetes Blut vor 1985 infiziert, nach Einführung der Anti-HIVTestung bis zur Einführung der PCR-Testung im Jahr 2004 etwa ein Dutzend und seither bis Mitte 2009 ein Blutempfänger [531]. Sekundärinfektionen durch heterosexuelle Kontakte mit infizierten Blutern und Transfusionsempfängern sind sehr selten. z Übertragung In den USA und Europa fiel zunächst die Übertragung durch Intimkontakte zwischen männlichen Homosexuellen auf. Die Übertragung durch i.v.-Injektion von Blutspuren führte bei Gruppen von Drogenabhängigen wegen der häufigen gemeinsamen Benutzung von Spritzennadeln zu einer raschen Verbreitung. Kleine Verletzungen, die mit HIV-haltigem Blut in Kontakt kamen, führen dagegen weniger häufig zu einer Infektion. Die heterosexuelle Übertragung ist in den USA und Europa nicht selten, in Afrika ist sie der Hauptübertragungsweg. z Testung von Blutspenden Der Ausschluss von HIV bei Blutspendern erfolgt durch empfindliche Immunoassays (IA) auf Antikörper gegen HIV. Mit den gegenwärtig zugelassenen IA lassen sich schon länger bestehende HIV-Infektionen zuverlässig erkennen (z. B. [468]). Jedoch sind unmittelbar nach der Infektion noch keine Antikörper vorhanden, die im Test reagieren könnten (»diagnostisches Fenster«). Dieses soll durch kombinierte HIV-Antikörper/Antigentests (4. Testgeneration) verkleinert werden. Jedoch scheinen diese Tests ein zweites diagnostisches Fenster zu haben [429]. Vom Robert-Koch-Institut in Berlin wird die Zeit bis zur Serokonversion bei den neuesten Tests mit 3 1/2 Wochen angegeben. Für eine jahrelange, serologisch nicht nachweisbare Trägerschaft mit Infektiosität gibt es wenige Fallberichte [195], die jedoch noch nicht abschließend bewertet werden können. Bedeutsam ist, dass immer wieder neue HIV-Varianten auftreten, die in einer Übergangsphase von einigen Tests nicht erfasst wurden, wie z. B. der Subtyp O. Im Jahr 2001 wurden bei 0,5 von 100.000 Blutspenden von Mehrfachspendern und bei 4,7 von 100.000 Blutspenden von Erstspendern aus Deutschland Antikörper gegen HIV gefunden ([440], s. auch [553]). Die übliche Spezifität der zum Screening verwendeten IAs liegt bei 99,9% [Bauerfeind, pers. Mitt.], d. h. von 100.000 Blutspenden werden 100 im IA wiederholt reaktiv sein. Bei im Mittel einem echt-positiven Ergebnis auf 100.000 Blutspenden sind also etwa 99% der reproduzierbar reaktiven IA-Ergebnisse falschpositiv, d. h. der positive Vorhersagewert des IA bei Blutspendern in Deutschland liegt bei 1%. Ein gutes Hilfsmittel zur Beurteilung eines wiederholbar reaktiven IA ist die Überprüfung mit der NAT, bei negativem Ergebnis für HIV-1 in einem IA eines anderen Herstellers oder in einem anderen Testformat. Ist der 2. IA negativ, wird man praktisch nie ein eindeutig positives Resultat im Western Blot erhalten. Ergibt eine Probe 7–10 Tage später immer noch diskordante Ergebnisse in 2 verschiedenen Anti-HIV-IA, ist eine Infektion auch bei fraglichem WesternBlot eher unwahrscheinlich. Zur Sicherung der Diagnose ist aber die Durchführung eines Western-Blot-Tests unerlässlich. Bei unklarem Western-Blot-Ergebnis ist eine HIV-2-Infektion auszuschlie-
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ßen. In Frankreich bestimmt man bei HIV-positiven Spendern mit einem speziellen EIA, ob es sich um eine frische Infektion handelt und errechnete daraus unabhängig von anderen Schätzungen die Inzidenz (2006: 1,3/100.000 bei Erstspendern und 0,8/100.000 bei Mehrfachspendern [474]). Im langjährigen Mittel wurde dem Paul Ehrlich-Institut vor Einführung der HIV-NAT-Testung eine HIV-Infektion bei etwa 5 Mio. Transfusionen pro Jahr gemeldet (Keller-Stanislawski, pers. Mitt.), was auf Dauer als nicht hinnehmbar empfunden wurde. NATs, z. B. PCR von Virus-RNS im Serum oder Plasma nach reverser Transkription in DNA oder die transkriptionsvermittelte RNS-Vermehrung (»transcription-mediated amplification«, TMA) sind geeignet, HIV-Infektionen während der sehr frühen Phase vor der Nachweisbarkeit von Antikörpern zu erfassen [191][330][402]. Da während dieser frühen Phase die Viruskonzentration besonders hoch ist, wurden diese Tests schon seit langem zur Verbesserung der Sicherheit von Poolpräparaten eingeführt, die Ergebnisse in zahlreichen Blutspendediensten aber auch für zelluläre Produkte verwendet, bevor 2004 die NAT in Deutschland für zelluläre Blutkomponenten und gefrorene Frischplasmen zur Pflicht wurde. Wegen der hohen Kosten werden Minipools mit bis zu 96 Proben getestet, wobei 5000 IU/ml HIV in der Einzelspende sicher erkannt werden müssen. Der Verdünnungseffekt der Poolung kann durch Teilanreicherung kompensiert werden. Bei 31,5 Mio. Blutspenden fand das DRK in den Jahren 1997 bis 2005 nur 7, die ausschließlich in der NAT und nicht im Antikörperscreening positiv waren. Das Restrisiko wurde mit 1:4,4 Mio. pro verabreichte Einheit errechnet [289]. Nach Nübling et al. [434] gab es bei ingesamt 17,1 Mio. Spenden 11 nur HIV-RNA-positive Spender. In einer amerikanischen Studie war eine von 1,61 Mio. Blutspenden HIV-RNA-positiv und -Antiköper-negativ [97]. Im Rahmen eines Rückverfolgungsverfahrens wurde eine Spende beschrieben, die trotz eines HIV-RNA-Gehaltes von 98 Kopien/ml nicht zur Infektion bei der Empfängerin führte [633]. Auch diese NAT kann wegen des im Vergleich zur transfundierten Menge Blut kleinen getesteten Volumens prinzipiell keine absolute Sicherheit geben [175][264][426][469]. Dazu kommt bei HIV die extrem hohe Variabilität des Genoms, sodass die Zielsequenzen der NAT-Primer und -Sonden eventuell nicht mehr ausreichend binden. So wurde 2008 ein Fall einer HIV-Übertragung durch ein NAT-getestetes Erythrozytenkonzentrat beschrieben, bei dem niedrige Virämie und Fehlpaarungen in den NAT-Oligonukleotiden zum Versagen der an sich sehr sensitiven PCR führten [316][531]. Die Kosten pro auf diese Weise verhinderter Infektion liegen im Bereich von mehreren Millionen Euro. Eine Übersicht über die Anti-HIV-Testung von Blut in Entwicklungsländern gibt Chamberland [143]. Auch nach 1990 gab es noch Übertragungen von HIV durch Faktor IX in Korea [150].
Humanes T-Zellleukämievirus Typ I und II (HTLV-I/II) 7 Übersicht: [10][169][311][340]
z Eigenschaften Die humanpathogenen Viren HTLV Typ I und II bilden mit den bovinen Leukämieviren ein eigenes Genus Deltaretrovirus innerhalb der Familie der Retroviridae. Sie besitzen die essenziellen Gene der Retroviren und zusätzlich das tax-Gen, dessen Produkte zur Entstehung der T-Zell-Leukämie beitragen. Eine direkte Zytopathogenität ist nicht bekannt. HTLV-I und -II sind viel weniger variabel als HIV.
542
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
Anders als bei HIV entstehen im Lauf der Infektion protektive Antikörper, die freies Virus im Plasma neutralisieren. z Pathogenese und Klinik Eine Primärerkrankung im Gefolge einer frischen HTLV-Infektion ist nicht bekannt. HTLV-I kann nach jahrzehntelanger Latenzzeit bei etwa 5% der Infizierten eine besonders schwere Form der Leukämie, die »adult T cell leukemia« (ATL), die kutane Form der T-ZellLeukämie und Lymphosarkome mit begleitender T-Zell-Leukämie hervorrufen. Die tropische spastische Paraparese bzw. HLTV-I-assoziierte Myelopathie (TSP/HAM) und eine Reihe weiterer, bisher noch schlecht charakterisierter Krankheitsbilder sind häufiger und wohl auf eine Immunpathogenese zurückzuführen [105][255][453] [622]. HTLV-II ist bisher nur mit der Haarzellleukämie assoziiert worden, ruft aber wahrscheinlich eine Reihe weiterer, unspezifischer Krankheitsbilder hervor. z Epidemiologie und Übertragung Die Zahl der HTLV-1/2-Virusträger wird auf 15-20 Mio. weltweit geschätzt. HTLV-I ist im gesamten pazifischen Raum sowie in der Karibik und Mittelamerika endemisch (siehe aber [311]). Mehrere Fälle von ATL wurden in Italien beschrieben [384][455]. Kürzlich wurden erste Fälle im Libanon beschrieben [79], Hauptübertragungswege sind Geschlechtsverkehr (intrafamiliär [371]), die intrauterine Übertragung und insbesondere die Muttermilch. HTLV-II wurde gehäuft in Gruppen von Drogenabhängigen nachgewiesen [336][472]. Es scheint bei den Ureinwohnern von Nord- wie Südamerika endemisch zu sein (7 Übersicht: [370], andererseits [311]). Beide Viren infizieren T-Lymphozyten und evtl. andere Leukozyten; sie können im Allgemeinen nur innerhalb dieser Zellen durch zelluläre Blutpräparationen übertragen werden. Die Effizienz der Übertragung scheint vom Alter der Erythrozytenkonzentrate abzuhängen: Frische Konzentrate sind deutlich häufiger infektiös als mehrere Wochen alte [560]. Eine Übertragung von HTLV-I/II durch Plasma und Plasmaderivate ist nicht bekannt. Im Jahr 2000 wurde eine HTLV-I-Übertragung durch ein Knochenmarktransplantat publiziert [317].
38
z Testung von Blutspenden Die Infektion beim Spender wird durch den Nachweis von Antikörpern gegen HTLV festgestellt [477][577][616]. Unklare Befunde im Bestätigungstest sind in Regionen mit niedriger HTLV-Prävalenz nicht selten, aber schwierig zu interpretieren [113][415]. Ein allgemeines Screening auf Anti-HTLV-I bzw. Anti-HTLV-I/II findet in Japan, den USA, Kanada, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Portugal, Rumänien und den Niederlanden statt. Da in Dänemark zwischen 1994 und 1997 keine Serokonversionen von Mehrfachspendern nachgewiesen wurden, werden seitdem nur noch Erstspender getestet – ebenso in Finnland, Norwegen und Schweden – sowie Blutspender, die in Endemiegebiete gereist sind [340]. Die letzte Studie zur Prävalenz von HTLV in Deutschland stammt aus Hessen [433]. Von 100.852 Blutspendern waren initial im Abbott-PRISM-Test 119 positiv. Obwohl zahlreiche weitere Anti-HTLV-Tests ebenfalls positiv waren, konnte die Infektion letztlich bei keinem Spender bestätigt werden. Wenn es also überhaupt infizierte Spender gibt, sind sie extrem selten. Die Notwendigkeit einer HTLV-I/II-Testung von Blutspendern in der Bundesrepublik Deutschland wird deshalb nur bei Bekanntwerden von Risikofaktoren gesehen. Ein Restrisiko von Null berichten Dickmeis [179] für Dänemark und Ebeling [199] für finnische Hämophiliepatienten.
In der Routinetestung in Großbritannien waren von August 2002 bis Dezember 2006 106 Spenden bestätigt Anti-HTLV-positiv. Das Restrisiko wird dort auf 1:9.000.000 geschätzt [169]. z Leukozytendepletion Die seit Oktober 2001 in Deutschland vorgeschriebene Entfernung von Leukozyten aus Blutpräparaten scheint viele, aber nicht alle HTLV-Infektionen verhindern zu können [465]. Weder Leukozytendepletion noch Anti-HTLV-Routinetestung gibt es in Tschechien, Ungarn, Italien, Polen, der Slowakei und Slowenien [340].
Simian Foamy Virus Das Simian foamy virus (SFV) ist ein bei nichthumanen Primaten endemisches Retrovirus, das auf Menschen, die mit diesen Tieren arbeiten oder sie jagen, übertragen werden kann. Seine weitere Übertragbarkeit durch Blut ist im Tierversuch gesichert [98].
Xenotropes murines Retrovirus (XMRV) Im Jahr 2006 wurde mit Microarray-Techniken in Prostatakarzinomgewebe ein neues Gammaretrovirus (XMRV) entdeckt, das Ähnlichkeiten mit dem xenotropen Maus-Leukämievirus hat [585]. Während XMRV bei Patienten mit Prostatakarzinom eher selten vorkommt [218][278], wurde es angeblich bei 67% der Patienten mit chronischem Müdigkeitssyndrom und auch bei 3,7% der Kontrollpersonen in peripheren Blutmonozyten gefunden [368]. Diese Befunde wurden aber wegen methodischer Mängel mehrfach kritisiert und konnten auch nicht bestätigt werden [563]. Die Bedeutung des XMRV für die Transfusionsmedizin ist daher unklar. In-vitroVersuche legen nahe, dass das Virus durch Samen übertragen werden könnte [282].
Herpesviren 7 Übersicht: [291]
Herpesviren sind große, lipidumhüllte Viren mit linearer, doppelsträngiger DNS. Derzeit sind 8 humanpathogene Herpesviren bekannt. Alle sind weltweit verbreitet (. Tab. 38.2). Alle humanpathogenen Herpesviren sind in der Lage, latente Infektionen hervorzurufen. Die Subfamilie Alphaherpesvirinae (HSV-1, HSV-2 und das Varizella-Zoster-Virus VZV) verbleiben in den sensiblen Nervenganglien als Ort der Latenz. Die Betaherpesvirinae CMV, HHV-6 und HHV-7 sowie die Gammaherpesvirinae Epstein-Barr (EBV) und HHV-8 sind in der Lage, weiße Blutzellen permanent zu infizieren. Die Infektion geht nach einem unterschiedlich langen produktiven Stadium in die Latenz über, in der die Viren weder für die zelluläre noch für die humorale Immunantwort des Patienten erreichbar sind. Beta- und Gammaherpesvirinae können mit zellulären Blutpräparaten übertragen werden. In der Umwelt verlieren sie sehr rasch ihre Infektiosität. Sie können durch alle gängigen Verfahren zur Virusinaktivierung in Plasmaderivaten gut inaktiviert werden. Wichtig zum Verständnis der Klinik sowie zur Einschätzung der transfusionsmedizinischen Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen primären Infektionen bei vorher noch nicht mit dem entsprechenden Virus infizierten Patienten und rekurrierenden Infektionen, d. h. erneuten produktiven Infektionen bei bereits infizierten Patienten. Rekurrenz ist entweder durch die Reaktivierung des bereits im Patienten latent vorhandenen Virus oder durch Reinfektion mit einem anderen Virusstamm möglich. Daten zur Prävalenz von Herpesvirus-DNS bei Blutspendern finden sich bei [291].
543
38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
38
. Tab. 38.2 Humane Herpesviren (HHV) Typ
Name
Wichtigste Krankheiten
Vorwiegender Latenzort
1
Herpes-simplex-1-Virus
Herpes labialis Enzephalitis
Sensible Ganglienzellen
2
Herpes-simplex-2-Virus
Herpes genitalis Herpes neonatorum
Sensible Ganglienzellen
3
Varizella-Zoster-Virus
Varizellen/Zoster
Ganglienzellen
4
Epstein-Barr-Virus
Mononucleose B-Zelllymphome Nasopharynxkarzinom
B-Lymphozyten a
5
Zytomegalovirus
Zytomegalie Pneumonitis u. a.
Hämatopoietische Vorläuferzellen
6
HHV 6
Exanthema subitum
T-Lymphozytena
7
HHV 7
?
T-Lymphozyten
8
HHV 8
Kaposi-Sarkom
B-Lymphozytena
a
Unter Umständen bei Blutprodukten bedeutsam (s. Text).
Zytomegalievirus (CMV)
z Epidemiologie und Übertragung
7 Übersicht: [24][192]
7 [62]
Typische zytomegale Einschlusskörperchen wurden bereits um 1900 in der Niere und in den Speicheldrüsen gestorbener Kinder beschrieben, die Isolierung des humanen CMV gelang aber erst 1956/57. Die erste transfusionsassoziierte CMV-Infektion wurde 1966 beschrieben [308].
Die Übertragung erfolgt direkt oder indirekt von Person zu Person. Bekannte Virusquellen sind Urin, Speichel, Sputum und Nasensekret, Zervikal- und Vaginalsekret, Samen, Muttermilch, Tränenflüssigkeit und Blut. CMV ist nicht sehr kontagiös, und die Infektion setzt einen engen bis intimen Kontakt mit den infizierten Sekreten voraus. Bei Primärinfektion der Mutter werden etwa 40% der Embryos infiziert, bei einer rekurrierenden Infektion der Mutter etwa 1,5%. Weitere 2–4% der Kinder erwerben die Infektion intra partum durch Kontakt mit den Genitalsekreten der Mutter. Die Übertragungswahrscheinlichkeit durch Muttermilch beträgt bei seropositiven Müttern bei einer Stillzeit von 6 Monaten etwa 40%, sodass im 1. Lebensjahr bereits ein bedeutender Teil der Kinder infiziert ist und das Virus über Jahre ausscheidet. Nach dem 1. Lebensjahr erfolgt die Infektion hauptsächlich von Kind zu Kind in Tagesstätten und Kindergärten, später bei Jugendlichen auch sexuell. Die Prävalenz in der erwachsenen Bevölkerung erreicht je nach Alter und untersuchter Population Werte zwischen 30 und 70%.
z Eigenschaften CMV hat mit etwa 240 kB das größte Genom aller humanpathogenen Viren. Genomische Variabilität erlaubt die Unterscheidung verschiedener Isolate durch Restriktionsendonukleasen. Für diagnostische Zwecke kann man von einem Serotyp ausgehen. Unterschiedliche Neutralisationstypen sind aber wahrscheinlich. z Pathogenese und Klinik Trotz der hohen Durchseuchung ist eine CMV-Erkrankung relativ selten. Beim immunkompetenten Jugendlichen oder Erwachsenen tritt eine Symptomatik gelegentlich bei der primären Infektion auf. Mögliche klinische Bilder sind ein mononukleoseähnliches Bild ohne heterophile Antikörper, eine subakute oder chronische Hepatitis, eine interstitielle Pneumonie oder eine hämolytische Anämie. Das Virus wird bei Kleinkindern über Jahre in Speichel und Urin ausgeschieden, bei Erwachsenen nur sehr kurz. Das Virus geht in den Zustand der Latenz über, der zwar vom Immunsystem kontrolliert wird, in dem das latent vorhandene Virusgenom aber letztlich sowohl für die humorale als auch für die zelluläre Immunantwort unerreichbar ist. Bei jeder Form von Immundefizienz, HIV-Infektion, Malignomen sowie iatrogener Immunsuppression bei Chemotherapie oder Transplantation kann eine latente CMV-Infektion reaktiviert werden. Gefürchtet ist wegen hoher Mortalität die CMV-Pneumonie. Bei Immunsuppression wird auch die Empfänglichkeit für exogene CMV-Infektionen gesteigert. Schließlich führt die Primärinfektion der schwangeren Frau häufig zur intrauterinen Infektion. 10% der intrauterin infizierten Kinder entwickeln eine kongenitale CMVErkrankung mit Schwerhörigkeit bis zur Taubheit, geistiger Retardierung, Chorioretinitis und bleibenden motorischen Defiziten, ein Drittel dieser Patienten stirbt.
z Testung von Blutspenden Die frühere Infektion durch CMV wird durch IgG-Antikörpertests bestimmt [82][343]. Das tatsächliche CMV-Risiko durch nichtgetestetes Blut liegt unter 2,7% (z. B. [51][484]) oder noch deutlich niedriger [483], da die meisten Antikörperträger nicht infektiös sind. Die Erkennung der infektiösen Spender ist weder durch anamnestische Kriterien noch durch zusätzliche Routinetests möglich. Die Infektiosität soll im Jahr nach der Infektion am größten sein [639]. In der Praxis wurde bei entsprechender Indikation im Einzelfall Anti-CMV-IgGnegatives Blut verwendet. Die CMV-Freiheit von Spenderblut ist mindestens für 4 Gruppen von Blutempfängern von nachgewiesener Bedeutung [524]: 5 CMV-negative schwangere Frauen, 5 Frühgeborene CMV-negativer Frauen mit einem Geburtsgewicht <1200 g, 5 CMV-negative Stammzellempfänger CMV-negativer Spender (bei positivem Empfänger Reaktivierung der bereits vorhande-
544
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
nen Infektion, bei positivem Transplantat Infektion durch das Transplantat), 5 Aids-Erkrankte. Bei einigen weiteren Konstellationen ist das CMV-Risiko für den Empfänger weniger gut gesichert, aber hinreichend, um in Betracht gezogen zu werden [524]. Andererseits konnte weder für CMV-positive Transplantatempfänger noch für Nichtfrühgeborene oder gar Kleinkinder ein zusätzliches Risiko durch CMV-haltiges Blut nachgewiesen werden [524]. Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer [106] sind mit Blut Anti-CMV-negativer Spender zu transfundieren: 5 Feten, 5 Frühgeborene ohne Berücksichtigung des CMV-Status der Mutter 5 Empfänger von allogenen Stammzellpräparaten, 5 Empfänger mit schweren angeborenen Immundefekten, 5 CMV-negative, HIV-infizierte Patienten, 5 CMV-negative, schwangere Frauen. Im Notfall und bei Versorgungsschwierigkeiten können bei diesen Patienten ungetestete, aber leukozytendepletierte Präparate verwendet werden. Auch durch Anti-CMV-negatives Blut lassen sich CMV-Infektionen nicht vollständig verhindern. Durch die seit Oktober 2001 vorgeschriebene Leukozytenfilterung von zellulären Blutprodukten vor der Lagerung wird aber auch der größte Anteil von CMV entfernt. Die Studien zur Sicherheit von gefilterten Blutprodukten weisen sehr unterschiedliche Qualität auf. Es ist aber davon auszugehen, dass vor der Lagerung leukozytendepletiertes Blut von seiner CMV-Sicherheit Anti-CMV-getestetem Blut vergleichbar ist. Eine Übersicht über das Vorgehen in den USA geben Smith et al. [548].
Humane Herpesviren (HHV) 6–7 z Pathogenese und Klinik Die primäre HHV-6-Infektion verursacht bei kleinen Kindern eine akute, febrile Erkrankung, im typischen Fall das Dreitagefieber (Exanthema subitum) [623]. Bei älteren Personen ist ein mononukleoseähnliches Krankheitsbild möglich. Es kommt zur Viruspersistenz als produktive Infektion, bei der nahezu kontinuierlich infektiöses Virus im Speichel erscheint, und als latente Infektion in Lymphozyten, die offenbar als Virusreservoir dienen. Vor einigen Jahren wurde ein Fallbericht über ein hämophagozytisches Syndrom bei einem zuvor gesunden Erwachsenen publiziert, das durch die Reaktivierung einer HHV-6-Infektion ausgelöst worden sein soll [568]. Dem verwandten HHV-7 konnte eine spezifische Erkrankung noch nicht zugeordnet werden.
38
z Epidemiologie und Übertragung HHV-6 ist sehr stark verbreitet. Die Infektion wird meist vor dem 3. Lebensjahr erworben. HHV-7 infiziert offenbar alle Kinder, sodass bei Erwachsenen regelmäßig Antikörper gegen dieses Virus nachzuweisen sind. Die Übertragung erfolgt wahrscheinlich v. a. durch Speichel. HHV-6 und -7 können in Lymphozyten lebenslang persistieren. Transfusionsmedizinisch sind sie allenfalls in seltenen, bisher durch Studien nicht hinreichend charakterisierten Konstellationen von Bedeutung [373][524].
Epstein-Barr-Virus (EBV), HHV-5 z Eigenschaften Das Virus kann in vitro nur in B-Lymphozyten und Epithelzellen des Nasopharynx vom Menschen und einigen anderen Primaten kultiviert werden. Nach der Infektion können B-Lymphozyten mit EBV-Genom kontinuierlich kultiviert werden, normale B-Lymphozyten sterben in Kultur ab. Die infizierten Zellen sind immortalisiert. EBV besitzt eine Reihe von Tumorgenen. z Pathogenese und Klinik 7 Übersicht: [328] EBV-Infektionen verlaufen in der Kindheit meist asymptomatisch. Symptomatische Infektionen treten in diesem Alter eher als Exanthem, Neutropenie oder Pneumonie in Erscheinung. Verschiebt sich der Zeitpunkt der Primärinfektion in die Adoleszenz, kann es zum klinischen Bild der infektiösen Mononukleose mit Tonsillitis, Lymphadenopathie und Splenomegalie kommen. Beim Erwachsenen dominiert oft eine Hepatitis. Bei stark immunsupprimierten Patienten kann eine EBV-Erstinfektion zur Entwicklung von Lymphomen führen. z Epidemiologie und Übertragung Bei 90–95% der Blutspender sind Antikörper gegen EBV nachweisbar. Jeder Antikörperträger ist zumindest latent infiziert und potenziell infektiös. EBV ist im Rachenspülwasser bei 10–20% der gesunden Erwachsenen, 50% der Nierentransplantierten und einem noch größeren Prozentsatz von Leukämie- und Lymphompatienten nachweisbar. Durch das Vorliegen einer Mononukleoseerkrankung wird das Infektionsrisiko für normale Kontaktpersonen nicht messbar erhöht. Eine Übertragung durch Blut ist möglich [396]. Die Bedeutung für die Transfusionsmedizin ist wegen der kleinen Zahl noch nicht infizierter Blutempfänger sehr gering. Bei empfänglichen Patienten (in der Regel Kindern) ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit EBV durch Transfusion wegen der neutralisierenden Antikörper des Spenders gering. Es gibt bisher keine anerkannte Indikation für die Bereitstellung EBV-negativen Blutes. Das Problem ist durch Leukozytendepletion der zellulären Blutpräparate weitestgehend gelöst, da wahrscheinlich nur 1–50 von 106 BLymphozyten infiziert sind [594].
Humanes Herpesvirus (HHV) 8 7 Übersicht: [158][207][220]
z Pathogenese und Klinik HHV-8 ist beteiligt an der Pathogenese des Kaposi-Sarkoms, des »primary effusion lymphoma« und der Plasmazellvariante der multizentrischen Castleman-Erkrankung. In den meisten ansonsten gesunden Personen ist HHV-8 nichtpathogen; aber es ist hochonkogen in HIV-infizierten und iatrogen immunsupprimierten Patienten [534]. Die Kofaktoren für die Entwicklung eines Kaposi-Sarkoms in nicht HIV-infizierten, nicht immunsupprimierten Personen sind bisher unbekannt. Die Übertragung erfolgt bei Homosexuellen durch Sexualkontakt [142]. Da die Übertragung in endemischen Bereichen häufig schon in der Kindheit erfolgt [14], vermutet man engen Kontakt in der Familie als Ursache. Infektionen bei Organtransplantationen sind möglich, aber in endemischen Ländern sind die meisten Empfänger bereits vor der Transplantation infiziert. Im Prinzip infektionsfähiges HHV-8 wurde bei einem amerikanischen Blutspender ohne klinische Symptome nachgewiesen [81]. Dies scheint aber selten zu sein [120][291]. Die Relevanz dieser Übertragungsart ist bei immun-
38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
kompetenten Empfängern, falls vorhanden, wahrscheinlich sehr begrenzt, bei immundefizienten Empfängern unzureichend erforscht. Die serologischen Nachweismethoden für HHV-8 sind unbefriedigend. Die Durchseuchung in Deutschland liegt wahrscheinlich unter 1%. In Spanien wurde in einer Pilotstudie mit serologischer Pooltestung eine Prävalenz von 0,47% ermittelt. In Zentral- und Ostafrika, wo das Kaposisarkom auch schon vor der HIV-Epidemie einer der häufigsten Tumoren war, erreicht sie dagegen bis zu 80%, hier wurden auch Übertragungen durch Vollblut beobachtet [277].
Parvoviren Humanes Parvovirus B19 7 Übersicht: [17][99][350][458]
z Eigenschaften Das 1975 erstbeschriebene humanpathogene Parvovirus B19 (B19V) ist nicht mit Lipid umhüllt, hat 18–25 nm Durchmesser und eine kleine, etwa 5,5 kB lange lineare, einzelsträngige DNS. Es gehört zur Familie der Parvoviridae und dem autonom replizierenden Genus Erythrovirus. Man unterscheidet 3 Genotypen mit einer Divergenz von mehr als 10% in der Gesamt-DNS und unterschiedlicher regionaler Verbreitung [458][501]. Trotz dieser relativ großen Unterschiede auf der Nukleotidebene sind die Unterschiede auf der Aminosäureebene sehr gering. Der virale Rezeptor ist das PAntigen, das besonders auf mesodermalen Zellen wie Erythrozyten, Thrombozyten, im Herzen und in der Synovia vorhanden ist. z Pathogenese und Klinik Da autonome Parvoviren keine eigene DNS-Polymerase oder proliferativ wirkende Gene besitzen und somit in der infizierten Zelle keine DNS-Synthese auslösen können, sind sie für eine effiziente Replikation auf sich teilende Zellen wie erythrozytäre Vorläuferzellen (auch im Fetus) angewiesen. Im Fetus scheinen sie sich auch in Herz- und Lebergewebe zu vermehren. Die häufigste, jedoch klinisch nur selten bedeutsame Erkrankung durch B19 V sind Ringelröteln (Erythema infectiosum) bei Kindern im Schulalter. Die Inkubationszeit beträgt 7–10 Tage. Beim Erwachsenen kann der Verlauf schwerer sein und von Arthropathien der Hand- und Kniegelenke begleitet werden. Am Ende der virämischen Phase sind für etwa eine Woche keine Retikulozyten nachweisbar, die Hämoglobinkonzentration vermindert sich um 2–3 g/dl und normalisiert sich normalerweise 1–2 Monate nach Infektion wieder. Bei Patienten mit verkürzter Erythrozytenüberlebenszeit kann die Infektion der Erythrozytenvorläuferzellen zu schweren aplastischen Krisen führen. Einen Überblick über mögliche neurologische Manifestationen geben Douvoyiannis et al. [187]. Während der Schwangerschaft kann die Infektion der Mutter [593] zur Infektion des Fetus führen. Die Folgen sind schwere Anämie, fetaler Hydrops und Abort. Andererseits gibt es keinen Hinweis auf Teratogenität der B19V-Infektion. Die Viruskonzentration im Serum beträgt während der akuten Infektion bis zu 1014/ml [458] und nimmt in den folgenden 6 Monaten schrittweise ab [388]. In Einzelfallberichten und später in systematischen Studien ist wurde eine niedrigtitrige Viruspersistenz über mehr als 6 Monate nach der akuten Infektion beobachtet. Diese wurde zunächst mit verschiedenen quantitativen und qualitativen Immundefekten in Verbindung gebracht, mit hoch sensitiven Methoden aber auch bei gesunden Personen gefunden. Häufiger noch als im Blut wird das Virus im Knochenmark und der Synovia gefunden. Nach neueren Konzepten behalten sehr viele, wenn nicht alle Patienten lebenslang eine sehr niedrige Menge funktionales Virus, das vom Immunsystem wirksam in Schach gehalten wird. Immun-
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suppression z. B. durch HIV-Infektion, Chemotherapie oder bei Transplantation kann das Virus reaktivieren [100][324][388][458] [530]. z Epidemiologie und Übertragung Das Virus ist weltweit endemisch. In Europa sind bei 40–60% der Blutspender spezifische IgG-Antikörper nachweisbar. Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch Tröpfcheninfektion, kann aber auch durch Bluttransfusion, Transplantation, Gerinnungsfaktoren (auch durch »virusinaktivierte«!) [87][375][409] und vertikal von der Mutter auf den Fetus erfolgen. Die Virämie ist etwa vom 3.–12. Tag nach Infektion, also vor Ausbruch der Erkrankung, am höchsten. Die Phase der hohen Virämie geht mit der Nachweisbarkeit des Virus in Nasen- und Rachensekreten einher. z Serologische Diagnostik und Virusnachweis 7 Übersicht: [458] Etwa ab dem 12. Tag nach Infektion sind IgM-Antikörper für 3–5 Monate nachweisbar. Anti-B19V-IgG wird etwa 1 Woche später positiv und bleibt dies wahrscheinlich lebenslang. Die Dauer der Nachweisbarkeit von Parvovirus-B19-DNS mittels NAT hängt von deren Empfindlichkeit ab (7 s. oben). Die Infektiosität von B19 V ist nur in humanen primären Erythroblasten (schwer zu erhalten) oder einer speziell kultivierten Monozytenlinie messbar [87]. Besonders geeignet erscheinen erythroblastoide Progenitorzelllinien, die aus menschlichen Stammzellen hergestellt wurden [617]. z Testung von Blutspenden Trotz häufiger Virämien bei Blutspendern (7 s. unten) gibt es nur wenige Berichte über die Erkrankung von Empfängern von Blutprodukten (Literatur: [214], Studie: [326]). Die Infektion könnte von Bedeutung sein bei schwangeren Frauen, Personen mit hämolytischer Anämie und immunkompromittierten Patienten. Da Antikörpertests bei Parvoviren erst nach der Virämie positiv werden, ist eine Testung von Blutprodukten nur mit Antigentests oder PCR sinnvoll. Eine Testung von Sourceplasma ist erforderlich, weil Parvovirus B19 durch die gängigen Inaktivierungsmethoden für Poolplasmaprodukte nur schwer zu inaktivieren und wegen seiner geringen Größe auch durch Virus-(Nano-)filtration schwer zu entfernen ist. Dabei scheint allerdings das Virus selbst etwas empfindlicher zu sein als die für die Validierungsstudien verwendeten Modellviren aus anderen Genera der Parvoviridae [73][381]. Ziel der Testung ist, die Viruslast im Plasmapool zu begrenzen. Ein Antigentest (rezeptorvermittelte Hämagglutination) wird z. B. vom japanischen Roten Kreuz für die Testung von Sourceplasma verwendet (Empfindlichkeit 105 GE/ml [563]). Die FDA [214] empfiehlt Parvovirus NATs als In-Prozess-Kontrollen, um sicherzustellen, dass die Viruskonzentration im Plasmapool 104 IU/ml nicht überschreitet. Dabei soll eine Minipooltestung verwendet und Plasmen, die zu einer solchen Überschreitung führen würden, von der Verwendung ausgeschlossen werden. In den Monographien der Europäischen Pharmakopoe für Anti-D-Immunglobulin und SD-Plasma ist die Forderung verankert, dass das Ausgangsplasma nicht mehr als 104 IU B19 V pro ml Plasma enthalten soll. Bei der Bewertung der Infektiosität von Plasmapools und intravenösem Immunglobulin spielt auch die Neutralisierungsfähigkeit der vorhandenen Antikörper eine Rolle [403]. Die WHO hat kürzlich einen internationalen Standard für die Parvovirus B19-NAT mit 106 IU/ml etabliert [517].
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
z Risiko Da die Virämie vor der klinischen Erkrankung auftritt, ist ein Spenderausschluss aufgrund anamnestischer Angaben nicht möglich. Der Anteil virämischer Blutspenden wird je nach Studie mit 1:800 bis etwa 1:8000 angegeben (1:800 [605], 1:7243 [276], 1:3300 [397], 1:870 [307], 1:8300 PCR+ [598]; weitere Studien bei [458]). Nach Mosley [411] liegt der Anteil für Plasmaphereseplasma eher höher. Jordan [307] findet bei den Empfängern PCR- und Antikörperpositiver Erythrozytenkonzentrate retrospektiv keine klinische Erkrankung. Kleinman und Mitarbeiter [326] finden in einer Studie, in der Spender- und Empfängerblutproben verknüpft sind, keine Parvovirus-B19-Übertragung auf suszeptible Empfänger, wenn die Viruskonzentration in der Spenderprobe geringer war als 106/ml, bei einer Probe mit 1010 GE/ml beim Spender eine anamnestische IgG-Antwort beim Empfänger. Die Inaktivierung von Parvovirus B19 in Thrombozytenkonzentraten ist wegen der möglichen hohen Viruskonzentration nur begrenzt validierbar [523]. In einer 2001 veröffentlichten Studie des Paul-Ehrlich-Instituts war in 222 von 372 Plasmapools zur Fraktionierung (60%) Parvovirus-B19-DNS in Konzentrationen zwischen 102 und 108 Genomäquivalenten nachweisbar; bei 2/3 der positiven Pools in niedrigem Titer (<105), im verbleibenden 1/3 in einer Konzentration von mehr als 106 Genomäquivalenten/ml [527]. B19 V ist bemerkenswert stabil und gar nicht durch Lösungsmittel [329], nicht vollständig durch Trockenerhitzung inaktivierbar (in Abhängigkeit von der Restfeuchte) [87][88][265], wohl jedoch durch Erhitzung in wässriger Lösung [87]. Die bei der Pasteurisierung von z. B. Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren erforderlichen Stabilisatoren stabilisieren auch B19 V bis zu einem gewissen Grad, trotzdem führt die Pasteurisierung bei den meisten Plasmaderivaten zu einem Virusreduktionsfaktor von 104 (4 log10-Stufen) oder mehr (A. Gröner, nicht publizierte Ergebnisse). Daher kann B19 V weiterhin durch bestimmte, suboptimal inaktivierte Gerinnungsfaktoren auf zuvor nicht behandelte, AntiB19V-negative Patienten übertragen werden [226][411]. Klinische Erkrankungen sind aber selbst bei häufiger Faktorengabe selten [214]. Ein Fall einer vermuteten Übertragung durch Antithrombin wurde beschrieben [412].
Weitere Parvoviren Der Nachweis von PARV4 und PARV5 in Plasmapools wurde 2007 von Fryer und Mitarbeitern beschrieben [222]. Ein weiteres Parvovirus, das bei Erkrankungen des Respirationstraktes eine Rolle spielen soll, ist das humane Bocavirus (7 Übersicht: [364]).
Porcines Parvovirus Porciner Faktor VIII (vom Schwein) spielt seit Mitte der 1980er Jahre eine Rolle bei der Substitution von Patienten mit Faktor-VIIIInhibitor. Sowohl Sourceplasma als auch Produkt werden intensiv auf porcine Viren getestet, seit Mitte der 1990er Jahre auch auf porcines Parvovirus [551]. Übertragungen porciner Viren durch diese Produkte sind bisher nicht bekannt geworden [266][551].
Humane Annelloviren 7 Übersicht TT-Virus: [21][73][273]
38
z Eigenschaften Bei der Suche nach weiteren, noch nicht bekannten Hepatitisviren fanden japanische Autoren im Blut eines nach Transfusion an fulminanter Hepatitis erkrankten Patienten eine einzelsträngige, mutmaßlich virale DNS. Das hypothetische Virus wurde nach den Initialen des ersten Patienten TT-Virus genannt. Diese Abkürzung wurde vorübergehend als »transfusion-transmitted« gedeutet und
zitiert, was aber die vorwiegende Übertragung nicht zutreffend beschreibt. »TT« steht inzwischen für »torque teno« (dünner Ring), was auf die einzelsträngige, zirkuläre Natur des Genoms anspielen soll. Mittlerweile ist eine große Zahl verwandter Virusgenome mit einer Länge von 2300 bzw. 3200 Basen beschrieben und in der Familie der Annelloviridae zusammengefasst worden. Die größeren TT-Viren Typ 1–28 des Menschen, einschließlich des SEN-Virus, bilden das Genus Alphatorquevirus, die TT-Miniviren Typ 1–9 des Menschen bilden das Genus »Betatorquevirus«. Daneben gibt es z. Z. 7 weitere Genera bei verschiedenen Tierarten. Die Viren sind extrem variabel und lassen sich bislang in Zellkultur nicht vermehren. Daher ist wenig über ihre Struktur und Vermehrung bekannt. Die den Annelloviren ähnlichste Virusfamilie sind die Circoviridae, die bislang nur bei Tieren gefunden wurden. z Bedeutung Die TT-Viren können keiner bekannten Krankheit zugeordnet werden. Sie rufen persistierende Infektionen mit geringer Virämie (102–105/ml) hervor. Hauptübertragungswege sind wahrscheinlich aerogen und fäkal/oral, der Blutweg ist möglich. Der Nachweis erfolgt mit PCR mittels Primer aus der stärker konservierten, nichtkodierenden Region. Für die Transfusionsmedizin haben diese Viren derzeit keine erkennbare Bedeutung (z. B. [58]).
Weitere möglicherweise relevante Viren, Lebendimpfstoffe Auch andere Viren als die oben genannten sind während der Virämie durch die Transfusion übertragbar. Aus diesem Grund sind Personen, die in den letzten 21 Tagen Kontakt mit Infektionskranken hatten, befristet von der Blutspende zurückzustellen. Das West-Nil-Virus (WNV) ist ein durch Stechmücken übertragenes Flavivirus, das lange Zeit nur im Osten Afrikas, dem nahen und mittleren Osten und im südlichen Europa (u. a. Frankreich, in der Camargue) beheimatet war. Es ist verwandt mit dem in den USA vorkommenden Virus der St.-Louis-Enzephalitis, dem japanischen Enzephalitisvirus und dem Murray-Valley-Enzephalitisvirus in Australien. Das Virus infiziert vorwiegend Vögel und verschiedene Stechmückenarten, kann aber auch Pferde, einige andere Säugetiere und Menschen befallen. Die typische Infektion beim Menschen verläuft mit dem Bild einer wenige Tage dauernden grippeähnlichen Erkrankung, die von selbst wieder abklingt. In seltenen Fällen sind jedoch Meningitiden, Meningoenzephalitiden und Enzephalitiden möglich [165]. Symptomatisch erkrankte Patienten scheinen oft lebenslang unter den Folgen zu leiden. In der westlichen Hemisphäre trat WNV erstmals 1999 in New York auf und hat sich seitdem explosionsartig in den USA ausgebreitet. Im Jahr 2002 wurden bis 20. 11. 2002 3698 Menschen mit den Laborzeichen einer WNV-Infektion an die amerikanischen Centers of Disease Control gemeldet; 198 Personen (5,4%) starben [138]. Im September 2002 wurde der 1. Fall von WNV-Übertragung durch Organtransplantation nachgewiesen [137]. Bis zum 28.10. 2002 galten 6 von 33 möglichen Fällen als gesichert durch Transfusion übertragen. Seit Juni 2003 ist in den USA und Kanada die NAT-Testung auf WNV eingeführt. Durch diese Testung wurden im Jahr 2003 818, 2004 224 und 2005 417 vermutlich virämische Spenden (zweimal reaktiv in der Einzelspende) identifiziert. Im Jahr 2003 wurden 5 wahrscheinliche und eine gesicherte transfusionsübertragene WNV-Infektion festgestellt, 2004 und 2005 insgesamt ein Fall von wahrscheinlicher Übertragung [407]. Wegen der unzureichenden Empfindlichkeit der Minipool-Testung (u. a. [502]) gehen die dortigen Blutspendedienste bei einer bestimmten Inzidenz von WNVInfektionen auf eine Einzelspendertestung über [326]. Seit Herbst
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38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
2003 werden in Deutschland Rückkehrer aus Nordamerika in der Mückensaison für 4 Wochen von der Spende zurückgestellt. In Italien hat sich das Virus im Veneto, der Emilia-Romagna und der Lombardei seit 1998 etabliert und führte dort 2008 zu 9 und 2009 zu bisher 16 Fällen mit neuroinvasiver Erkrankung [66][504]. Das Virus wurde 2009 erstmals aus der NAT-positiven Blutspende eines asymptomatischen Einwohners der betroffenen Region isoliert und sequenziert [66]. Das Chikungunyavirus ist ein 1953 identifiziertes Arbovirus (Familie Togaviridae, Genus Alphavirus), das Fieber, Exanthem und schwere Arthralgien auslöst [470]. Auch ein Befall des Nervensystems ist möglich (7 Übersicht: [52]). 2005/2006 gab es auf La Réunion eine Chikungunya-Epidemie, bei der etwa ein Drittel der 775.000 Einwohner erkrankten und 205 starben [470]. Die Epidemie hat sich seitdem im Raum um den Indischen Ozean verbreitet mit über einer Million Infizierten in Indien. 2007 kam es durch eingeschleppte Stechmücken in Italien in zwei Dörfern nahe Ravenna zu einem Ausbruch [498]. Drastische Ausbruchskontrollen beschreiben Leo und Mitarbeiter [359] für Singapur. Zur Herstellung von Blutprodukten und Frischplasma, das keinem Verfahren zur Virusinaktivierung unterworfen wurde, darf daher kein Ausgangsmaterial von Spendern verwendet werden, die sich in den zwei Wochen vor der Spende in einem Chikungunya-Endemiegebiet aufgehalten haben [461]. Eine Testung auf Chikungunyaviren [456] ist nicht beabsichtigt. Übertragungen des Denguevirus (Genus Flavivirus) durch Transfusionen in Singapur beschreiben Tambyah und Mitarbeiter [566]. Rodríguez und Mitarbeiter [511] schließen aus dem häufigeren Vorkommen von Dengue-IgM-Antikörpern bei mexikanischen Blutspendern, dass die Übertragung des Virus auch dort möglich ist. Weitere Literaturangaben finden sich bei Bianco [76]. Zahlreiche weitere Viren werden durch blutsaugende Insekten oder Zecken und damit letztlich durch Blut übertragen (z. B. FSME); bei Transfusionen in Deutschland spielen diese Viren keine erkennbare Rolle. Eine Übersicht über durch Zecken übertragene Erreger findet sich bei Pantanowitz [457]. 2010 wurde in Baden-Württemberg in mehreren Mückenarten das Sindbis-Virus nachgewiesen. Die Stellungnahme des Arbeitskreises Blut zu Arboviren [33], Berichte über in Deutschland auftretende Rickettsiosen [182], über Kuhpocken bei Haltern von Farbratten [67][117] über Infektionen mit dem Virus der lymphozytären Choriomeningitis bei Organempfängern [174][217] und über 2009 aus der Türkei sowie Afghanistan importierte Infektionen mit dem Virus des Krim-Kongohämorrhagischen Fiebers [Robert-Koch-Institut 2009][508] zeigen, dass weitere durch Blutprodukte übertragene Infektionen nicht auszuschließen sind. Im Jahr 2001 ergab eine versuchsweise anonyme Massentestung von 83.600 schottischen Blutspendern auf Enterovirus-RNS eine Prävalenz von 0,023% [607]. Die Auswirkungen der aktuellen epidemiologischen Situation auf die Transfusionsmedizin sind grundsätzlich zu beachten (Infuenzaviren: [41], Beendigung der Spenderrückstellung nach Kontakt mit tot aufgefundenen Vögeln: [40]). Eine iatrogene Virämie kann durch Lebendimpfungen mit attenuiertem, aber vermehrungsfähigem Virus hervorgerufen werden (7 Abschn. 38.3.1.1). 38.2.2
Bakterien
Treponema pallidum (Syphiliserreger) 7 Übersicht: [29]
38
Die Testung auf Antikörper gegen Treponema pallidum war der 1. spezifische Infektionstest in der Transfusionsmedizin. Zum Screening wird fast ausschließlich der Treponema-pallidum-Hämagglutinationsassay (TPHA) verwendet. Ein negativer TPHATest schließt in der Regel eine vor mehr als 3 Monaten erworbene Syphilis aus. Wiederholt reaktive Befunde werden mit dem Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest (FTA-ABS) kontrolliert (7 Übersicht: [342]). Eine Infektion durch TPHA-negative Blutkonserven ist bei frischer Infektion des Spenders möglich, wenn die Blutkonserven vor der Transfusion weniger als 48 h bei 4°C gelagert wurden. Seit Blut nicht mehr direkt transfundiert, sondern zuvor gekühlt aufbewahrt wird, gibt es die transfusionsübertragene Syphilis de facto nicht mehr. Der letzte entsprechende Fall wurde 1983 publiziert. Deshalb ist die Beibehaltung der Treponema-pallidum-Testung von Blutspendern umstritten [227][314][446][447][643]. Es ist aber davon auszugehen, dass Treponema pallidum unter den Lagerungsbedingungen für Thrombozyten (22°C) überleben kann.
Borrelia burgdorferi 7 Übersicht: [16][457]
Borrelia burgdorferi ist der Erreger des Erythema chronicum migrans, welchem nach Monaten neurologische und kardiale Krankheitszeichen, muskuloskelettale Erscheinungen und intermittierende Arthritiden und nach Jahren chronische neurologische sowie Haut- und Gelenkerkrankungen folgen können. Die 1. Isolierung aus den die Erreger übertragenden Zecken gelang Burgdorfer et al. [110], die Isolierung aus Blut von Patienten mit Lyme-Erkrankung wurde 1983 publiziert. Bei nachgewiesener Lyme-Borreliose eines Spenders wurde bisher eine Übertragung des Erregers durch Transfusion nicht beobachtet. Dennoch kann sie nicht sicher ausgeschlossen werden, da experimentelle Inokula von Borrelien in Erythrozytenkonzentraten bis zu 6 Wochen überlebensfähig sind [424].
Andere durch Blut übertragbare Bakterien 7 Übersichten: [198][200][404][419][533][581][599][600][627]; Arbobakterien: [42], Coxiella burnetii: [35] Bis in die 40er Jahre erfolgten Bluttransfusionen im Wesentlichen als Frischbluttransfusionen. 1941 wurde in den USA der 1. transfusionsbedingte Todesfall durch bakterielle Kontamination publiziert (nach [404]). In diesen Jahren war jede 10.–20. Blutkonserve bakteriell kontaminiert. Ein sehr deutlicher Rückgang der Kontaminationsrate erfolgte durch: 5 Einführung geschlossener Kunststoffbeutel-Entnahmesysteme, 5 Kühllagerung der Erythrozytenkonzentrate, 5 Einfrieren des Plasmas.
Die Häufigkeitsangaben zur bakteriellen Kontamination zellulärer Blutpräparate schwanken erheblich. Die Unterschiede sind nicht nur durch tatsächliche Differenzen in der Kontaminationsrate, sondern auch durch die Zeit seit der Entnahme, unterschiedliche Protokolle zu Nachweis und Bestätigung der bakteriellen Kontamination und unterschiedliche Falldefinitionen für die möglichen klinischen Konsequenzen bedingt [134][584]. In einer Studie des Deutschen Roten Kreuzes [533][600] wurden 13 von 15.198 Thrombapheseresekonzentraten (0,09%), 16 von 22.044 Thrombozyten-Plasmapoolpräparaten (0,07%) und 8 von 15.001 T-Sol-Poolpräparaten (0,05%) bestätigt infiziert gefunden. Die Proben für die Konzentrate wurden in aerober und anaerober Kultur untersucht, die Konzentrate als »zum Zeitpunkt der Ausgabe negativ« ausgegeben. Mehr als die Hälfte der positiven Konzentrate war zum Zeitpunkt, an dem die
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38
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
Kultur positiv wurde, bereits ausgegeben. Die klinischen Folgen waren minimal. Es gab jedoch zwei schwere septische Transfusionsreaktionen durch ein geteiltes Apheresepräparat, bei dem Klebsiella pneumoniae beim Patienten und im Apheresepräparat, nicht aber in der Untersuchungsprobe nachweisbar waren. Die Daten von Eder und Mitarbeitern [200] umfassen etwas mehr als eine Million Thrombozytenspenden des amerikanischen Roten Kreuzes von März 2004 bis Mai 2006. Die Kontaminationsrate war mit 1:5399 scheinbar viel niedriger als in der deutschen Studie. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass in der deutschen Studie 2/3 der Bakteriennachweise nur anaerob gelangen und in der amerikanischen Studie nicht anaerob untersucht wurde, waren sie vermutlich ungefähr gleich. Da die aeroben Bakterien in der Regel schneller wachsen, konnte in dieser Studie die Transfusion aller kulturpositiven 293 Blutkomponenten bis auf eine verhindert werden. Während des Berichtszeitraumes wurden 20 septische Transfusionsreaktionen gemeldet (1:75.000 bezogen auf hergestellte Komponenten), es kam zu 3 Todesfällen durch in der Kultur negative Apheresepräparate (etwa 1:500.000 bezogen auf hergestellte Komponenten). 13 der 20 septischen Reaktionen einschließlich aller Todesfälle wurden durch 5 Tage alte Präparate verursacht. Im Johns Hopkins Hospital in Baltimore reduzierte sich die Häufigkeit septischer Transfusionsreaktionen durch Einzelspender-Thrombozytenpräparate nach Testung mittels Bakterienkultur von 1:15.098 auf 1:49.625 [223]. Auch Ramirez-Arcos und Kollegen [490] berichten über septische Transfusionsreaktionen durch in der Kultur nicht erkannte Erreger in den kanadischen Blutspendediensten. Die bakterielle Kontamination von Blutkomponenten ist heute die häufigste berichtete Ursache für transfusionsassoziierte Mortalität [213]. Tod durch bakteriell kontaminierte zelluläre Blutpräparate ist etwa 8-mal häufiger als eine HIV-Übertragung durch diese Präparate. Am häufigsten stammen die kontaminierenden Bakterien von der Haut des Spenders an der Einstichstelle (z. B. [249][600]). Kritischer Faktor für die Kontamination bei der Entnahme ist die Technik der Desinfektion des Spenderarmes [393]. Jedoch waren auch mit der im Vergleich besten Desinfektionstechnik nur 70% der Einstichbereiche völlig frei von nachweisbaren Bakterien, bei weiteren 28% betrug die gemessene Keimzahl weniger als 10 [393]. Dem Problem der Hautkeime wird seit einigen Jahren durch das »predonation sampling« begegnet (7 s. unten). Eine Kontamination der Konserve bei der Verarbeitung sollte heute wegen der verwendeten geschlossenen bzw. durch »steriledocking« verbundenen Systeme selten sein. Kontaminationen des Beutelinhalts sind auch durch die (unzulässige !) nachträgliche Entnahme von Proben für die serologische Verträglichkeitsprobe aus dem eröffneten und dann wieder verschlossenen Beutelsystem vorgekommen. Eine Kontamination der Präparate vor der Transfusion erfolgte v. a. durch die Erwärmung in bakteriell kontaminierten Wasserbädern. Eine Erwärmung von Erythrozytenkonzentraten ist aber nach heutigem Stand nur in Ausnahmefällen nötig [106]. Sie muss, ebenso wie die Erwärmung von Frischplasma aus dem gefrorenen Zustand, in speziell hierzu konstruierten Geräten erfolgen. Schließlich ist auch schon eine Kontamination der an sich sterilen Entnahmesysteme vorgekommen. Neben einer Kontamination von außen ist auch eine Kontamination durch eine Bakteriämie des Spenders möglich. Diese kommt vor: 5 bei zahlreichen chronischen bakteriellen Infekten, wie z. B. bei einer Infektion mit Treponemen, Borrelien, Rickettsien, Brucellen, Francisella tularensis, Mykobacterium leprae und Erregern chronischer Osteomyelitiden, weswegen Spender mit
diesen Infektionen lebenslang gesperrt bleiben (außer ausreichend behandelte Borrelia-burgdorferi-Infektion), 5 vor, bei und nach gastrointestinalen Infekten (z. B. mit Yersinia enterocolitica) und 5 iatrogen kurzzeitig nach zahnärztlichen und proktologischen Eingriffen (Sigmoidoskopie). Ein Teil der kontaminierenden Bakterien wird durch die Leukozytendepletion entfernt, solange die Temperatur nicht zu niedrig ist. Nun ist seit Oktober 2001 die Leukozytendepletion aller zellulären Blutprodukte vorgeschrieben. Dies könnte zu einem verbesserten Überleben der Bakterien im Präparat führen. Daher wird eine Wartezeit zwischen Vollblutentnahme oder Pherese und Leukozytendepletion vorgeschrieben, damit vorhandene Erreger phagozytiert werden. Sie richtet sich nach den verwendeten Filtersystemen, sollte aber nach Möglichkeit bei Raumtemperatur erfolgen [543]. Ob und in welchem Ausmaß die generelle Einführung der Leukozytendepletion die bakterielle Kontamination von zellulären Blutkomponenten in Deutschland beeinflusst, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Auch wegen der bakteriziden Potenz des Plasmas führt nicht jede bakterielle Kontamination zu einer Keimvermehrung im Präparat. Die besten Wachstumsbedingungen haben Bakterien wegen der Lagertemperatur von 22±2°C in Thrombozytenkonzentraten. Selbst wenn anfangs nur ein einziges Bakterium in einem Volumen von 500 ml vorhanden ist, braucht es nur 10 Generationen logarithmischen Wachstums für eine Konzentration von einem Bakterium pro ml und 27 Generationen für eine Keimzahl von mehr als 105/ml. Da die typische Generationszeit der Bakterienspezies, die Thrombozytenkonzentrate kontaminieren, zwischen 1 und 4 h beträgt, könnten aus einem einzigen Bakterium innerhalb von 27–108 h (also innerhalb der Haltbarkeit eines Thrombozytenkonzentrates von 120 h) mehr als 105 Keime pro ml werden. Deshalb ist es ungleich schwieriger, eine bakterielle Kontamination bei der Entnahme zu erkennen als z. B. unmittelbar vor der Anwendung des Präparates. Schwere Transfusionsreaktionen wurden berichtet durch Streptococcus dysgalactiae [65][361], der in Kultur nicht nachgewiesen wurde. In Erythrozytenkonzentraten können sich wegen der Lagertemperatur nur wenige Keimarten ausreichend vermehren (z. B. Yersinien, Pseudomonas fluorescens und putida, Serratia liquefaciens und marcescens, Campylobacter jejuni, Enterobacter, Proteus spp. [595], Anaplasma phagocytiphilum [140], Streptococcus pneumoniae [479]). Besonders Kontaminationen mit Yersinien haben zu einigen Todesfällen durch Endotoxinschock geführt (7 Übersicht: [20][557][610]). Das Risiko steigt offenbar nach 2–3 Wochen Lagerzeit stark an, da die Bakterien sich nach einer stationären Anpassungsphase dann exponentiell vermehren. Eigenblutpräparate sind mindestens in gleichem Maß durch bakterielle Kontamination gefährdet wie Fremdblutpräparate ([69][561], Beschreibung eines Todesfalls durch Yersinia bei Wüst u. Saadé [424]). Transfusionsübertragene Yersinieninfektionen sollten durch die generelle Leukozytendepletion sehr viel seltener werden, da sich diese Keime in den Leukozyten aufhalten und vermehren. Beschreibungen bakterieller Kontaminationen von Frischplasma einschließlich publizierter Todesfälle sind zitiert bei Montag [404]. Die Symptome beginnen schon während oder in den Stunden nach der Transfusion, in Einzelfällen bis zu 15 Tage nach der Transfusion. Sie sind bei kontaminierten Erythrozytenkonzentraten in der Regel schwerer als bei kontaminierten Thrombozytenkonzentraten. Die häufigsten Symptome sind Fieber, Schüttelfrost und Blut-
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38.2 • Durch Blut übertragbare Infektionen – Mögliche Erreger
druckabfall, bei anästhesierten Patienten Blutdruckabfall, Oligurie und verstärkte Blutungsneigung. Häufige Komplikationen sind septischer Schock, Oligurie und disseminierte intravasale Gerinnung. In einigen Fällen entwickelte sich ein Bild wie bei der hämolytischen Transfusionsreaktion. Jedoch sind früher nur die schwersten Reaktionen überhaupt diagnostiziert worden und haben ihren Weg als Fallberichte in die medizinische Literatur gefunden. In späteren prospektiven Studien lernte man, dass viele Übertragungen insbesondere kontaminierter Thrombozyten nur zu Fieber und Schüttelfrost führen und damit in ihren Auswirkungen nicht von febrilen nichthämolytischen Transfusionsreaktionen zu unterscheiden sind oder überhaupt keine klinisch fassbaren Symptome hervorrufen. Zur Aufklärung eventueller Transfusionszwischenfälle, auch zur Feststellung einer möglichen bakteriellen Kontamination eines zellulären Blutpräparates, schreiben die Richtlinien [106] vor, dass das Behältnis mit dem Restblut und dem Transfusionsbesteck steril abzuklemmen und 24 h bei +4±2°C aufzubewahren ist. Wenn so verfahren wird, ist es allerdings nicht möglich, mehrere Blutkomponenten über das gleiche Transfusionsgerät zu verabreichen. Die mögliche Übertragung von bakteriell kontaminiertem Blut soll durch zahlreiche Einzelmaßnahmen eingeschränkt werden. Spezifisch ist die Befragung der Spender nach bestimmten chronischen bakteriellen Infektionen. Spender mit nachgewiesenen Infektionen mit Treponema pallidum, Brucellen [5][185], Rickettsien, Mycobacterium leprae, Borrelia recurrentis, Francisella tularensis sowie Spender, die an einer Hepatitis unklarer Genese oder einer Osteomyelitis erkrankt sind oder waren, werden auf Dauer von der Spende ausgeschlossen. Dieser Ausschluss dürfte auch relativ sensitiv sein, da die meisten Infektionen entweder nicht bei uns vorkommen oder/und die Spender von vorhandenen Infektionen wissen. Die Befragung nach akuten bakteriellen Infekten ist dagegen wenig wirksam, da die meisten der kontaminierenden Keime von der Haut des Spenders stammen. Die Kontamination wird durch Ableitung der ersten Portion der Spende (≥15 ml) in einen kleinen Satellitenbeutel am Entnahmesystem (»predonation sampling«), dessen Inhalt dann nicht zur Transfusion, sondern für die Laboruntersuchungen verwendet wird, teilweise verhindert (z. B. [393]). Zusätzlich sollte aber die Desinfektion der Einstichstelle am Spenderarm optimiert und gelegentlich überwacht werden. Der Ausschluss von Spendern mit Durchfallerkrankungen in den letzten 4 Wochen soll v. a. die Kontamination mit den gefürchteten Yersinien verhindern. Es ist aber bisher unbekannt, ob die Bejahung dieser Frage tatsächlich in nennenswertem Umfang mit einer Yersinien-Bakteriämie korreliert und damit der Ausschluss der entsprechenden Spender tatsächlich eine Schutzwirkung hat. Im Juli 2010 leitete das Paul-Ehrlich-Institut wegen gehäufter Coxiella-burnetii- (Q-Fieber-)Infektionen in den Niederlanden ein Stufenplanverfahren (Stufe 2) ein mit dem Ziel, Spender, die sich innerhalb von 6 Wochen vor der beabsichtigten Spende auf niederländischen Schaf- und/oder Ziegenfarmen aufgehalten haben oder in den Niederlanden sonstigen direkten Kontakt mit Schafen oder Ziegen hatten, von Blut-, Frischplasma- und Gewebespenden auszuschließen. Eine Labortestung der Spende kurz nach der Entnahme ist in der Regel sinnlos, da für eine erfolgreiche Testung zu diesem Zeitpunkt noch zu wenige Keime vorliegen. Eine Testung der Präparate vor der Ausgabe ist mit verschiedenen Methoden möglich. Leider sind einfache und schnelle Methoden in der Regel wenig sensitiv, einfache (preiswerte) und empfindliche Methoden wie eine Anzucht zu langwierig und sensitive und schnelle Methoden relativ teuer.
38
Eine naheliegende Methode, Zwischenfälle durch Thrombozytenkonzentrate wesentlich einzuschränken, ist die vom Arbeitskreis Blut empfohlene Verkürzung der Haltbarkeitsdauer auf 4 Tage gerechnet von Mitternacht des Entnahmetages an [46]. Dies würde aber die Logistik der Blutversorgung z. B. an Weihnachten, Ostern und Pfingsten vor größere Herausforderungen stellen. Eine andere Maßnahme wäre die Pathogeninaktivierung für Thrombozytenkonzentrate (7 aber [131][132] u. unten). 38.2.3
Protozoen
7 Übersicht: [47]
Die wichtigsten durch Blut übertragbaren Protozoen sind Plasmodien, die Erreger der Malaria (7 Übersicht: [44][164][228][229] [230][352][379][552]), und Trypanosoma cruzi, die Erreger der Chagas-Krankheit ([72][133][139][178][197][219][230][232][296] [353][360][450][467][569][629]; Spanien: [475], Tests: [251][496], Transplantation: [335]). Beide Erreger sind in Deutschland nicht heimisch [333]. In Spanien und Frankreich werden durch Immigranten inzwischen signifikante Zahlen von Trypanosoma-cruziAntikörperträgern und auch aktive Infektionen gefunden [205] [475]. Da über 500 Fälle von nach Deutschland importierter Malaria pro Jahr auftreten (2008 [507], nach über 1000 im Jahr 2001), ist es von großer Bedeutung, dass Auslandsreisen in der Anamnese des Spenders zuverlässig erfragt werden. Personen mit Aufenthalt in Malaria-gefährdeten Gebieten werden für 6 Monate nach der Rückkehr von der Spende ausgeschlossen, traten in dieser Zeit Fieberschübe auf, für mindestens 12 Monate. Personen aus Malariagebieten und mit einer früheren Malaria-Infektion wurden früher lebenslang von der Spende zurückgestellt, heute werden erstere für mindestens 4 Jahre von weiteren Spenden ausgeschlossen [106][256]. Antikörpertests sind für die Plasmodienspezies, die zu chronischen Malariainfektionen führen, noch immer mit Restunsicherheiten behaftet, sodass zum Zeitpunkt der Abfassung des Manuskripts die Frage der Wiederzulassung möglicherweise oder tatsächlich infizierter Spender durch Antikörpertests nicht zuverlässig zu beantworten ist (z. B. [205]). Die mögliche Diagnose früherer bzw. chronischer Plasmodieninfektionen durch Nukleinsäureamplifikationstests (z. B. [70]) ist für eine Routineanwendung im Blutspendedienst derzeit nicht geeignet. Malaria-infizierte Erythrozyten werden möglicherweise durch Leukozytenfilter teilweise oder ganz zurückgehalten [122]. Weitere durch Blut übertragbare Einzeller sind Toxoplasma gondii (nur in weißen Blutzellen), Babesia microtii [53][85][119] [257][259][260][272][293][306][428][579][457][591][638], Ehrlichia spp. [194][395][457], Leishmania donovani [15][93][121][176] [379][387][416][459][499][525][537][559][618] und Trypanosoma brucei rhodiense und gambiense, die Erreger der afrikanischen Schlafkrankheit [301][413] (alle selten). Eine Übersicht über die durch Zecken übertragenen Erreger gibt Pantanowitz [457].
38.2.4
Helminthen
Mikrofilarien von 8 Spezies können in der Zirkulation der befallenen Personen über Jahre persistieren. Sie überleben auch die Lagerung des Blutes bei 4°C; mithin sind sie durch Transfusion übertragbar. Sie erreichen aber bei dieser Art der Übertragung (ohne Insekten als Vektor) nicht ihr adultes Stadium und können sich somit nicht vermehren. Die Überlebensdauer der Mikrofilarien im Transfusions-
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
empfänger ist – ebenso wie eventuelle Symptome – zeitlich begrenzt (7 Übersicht: [151][541]). 38.2.5
Prionen
7 Übersichten: [3][4][36][38][99][160][181][186][243][296][348]
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[602] Spongiforme Enzephalopathien (SE) treten spontan in hohem Alter auf. Die Inzidenz der klassischen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (kCJK), der bekanntesten spongiformen Enzephalopathie beim Menschen, wird mit 1:1.000.000 pro Jahr angegeben (für Deutschland [267]). Sie macht sich zunächst durch Bewegungsstörungen, Missempfindungen und Persönlichkeitsveränderungen bemerkbar und führt schließlich über zunehmende zentralnervöse Ausfallerscheinungen und Bewusstlosigkeit zum Tod. Die Erkrankung tritt bei etwa 10% der Patienten familiär gehäuft auf [95][267] und ist dann genetisch bedingt. Zusätzlich kann jedoch aus dem Gehirn der Erkrankten ein infektiöses Agens auf gesunde Personen übertragen werden, sodass es sich dann um eine übertragbare Erkrankung handelt. Der Erreger der spongiformen Enzephalopathien bei Mensch und Tier ist ein in seiner Konformation verändertes Membranprotein, das Prion-Protein, das besonders in Neuronen vorkommt. Gelangt das veränderte Prion-Protein in gesunde Neuronen, verursacht es nach heutigem Verständnis die katalytische Umlagerung des normalen Proteins in die krankmachende Form. Das veränderte Prion-Protein ist resistent gegen den Abbau durch zelluläre Proteasen. Es wird in Form von Amyloidplaques abgelagert und zerstört dadurch die normale Architektur des Gehirns bis hin zum schwammartigen (spongiformen) Erscheinungsbild [4]. Iatrogene Übertragungen durch aus Leichenhypophysen gewonnenes Wachstumshormon (194 Fälle) und Gonadotropin (4 Fälle), Hornhauttransplantate (2 Fälle), Dura-mater-Implantate (196 Fälle), intrazerebrale Elektroden (2 Fälle) und neurochirurgische Bestecke (4 Fälle) sind bekannt geworden (7 Übersicht: [102]). Deswegen werden Personen, die mit natürlichem Wachstumshormon behandelt wurden, sowie Personen, in deren Familie CJK aufgetreten ist oder die ein Hornhauttransplantat oder ein Duramater-Implantat erhalten haben, auf Dauer von der Blutspende ausgeschlossen [106][212]. Einige Tierexperimente weisen darauf hin, dass das Vollblut bzw. der »buffy coat« CJK-erkrankter Patienten das infektiöse Agens in niedrigem Titer über unklare Zeitabschnitte hinweg beinhaltet, da sich bei intrazerebraler Applikation die für kCJK charakteristischen Veränderungen beim Versuchstier erzeugen ließen. Eine Übertragung von kCJK mit Patientenblut auf Primaten ist bisher aber trotz wiederholter Versuche nicht gelungen, was wegen der höheren Empfindlichkeit dieses Modells gegen eine Übertragung spricht [372][642]. Da von den Endothelzellen exprimiertes Prion-Protein unter bestimmten Umständen ins Plasma abgegeben wird, lässt sich die Infektiosität auch von zellfreiem Plasma nicht prinzipiell ausschließen [546]. Zur Testung 7 [348][583][637]. Da bisher kein einziger Fall bekannt geworden ist, bei dem kCJK durch eine Bluttransfusion übertragen worden wäre – weder durch die wegen der neuen Variante der Erkrankung installierten Überwachungssysteme noch in Case-Control- oder Look-back-Studien [267][350][642] oder bei Hämophilen [210] – ist das Risiko einer Übertragung von kCJK durch Blut, wenn es überhaupt vorhanden ist, extrem gering und z. Zt. nicht messbar. Daher sind die Schlussfolgerungen, die aus einer kCJK-Erkrankung eines Spenders nach der Spende zu ziehen sind, äußerst
umstritten [196]. Während in Europa Konsequenzen v. a. bei Plasmaprodukten seit langem für weniger notwendig gehalten werden, wurde in den USA Ende 1995 ein Rückruf aller Produkte empfohlen, wobei die Produkte in Mangelsituationen aber weiterhin für den Anwender verfügbar bleiben [212]; diese Empfehlung wurde jedoch 2002 wieder aufgehoben (Êwww.fda.gov/BiologicsBloodVaccines/ GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Guidances/Blood/ ucm074089.htm). Die wenigen bisher bekannt gewordenen Fälle von kCJK bei Blutspendern oder in deren Familie (!) haben auch in Europa zu sehr aufwendigen Rückrufaktionen geführt [427]. Diese Empfehlung wurde 1999 wieder aufgehoben. Eine Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) wurde erstmals 1996 bei 10 Patienten mit einem distinkten klinischen Syndrom [271][570][636] und charakteristischen neuropathologischen Befunden beschrieben. Bis zum 1. Oktober 2009 sind in Großbritannien 167 Personen mit vCJK identifiziert worden, 25 in Frankreich, 5 in Spanien, 4 in Irland, je 3 in den Niederlanden und in den USA, 2 in Italien und Portugal und je eine in Kanada, Saudi-Arabien und Japan. Zwei der irischen und der in den USA erkrankten Personen und die in Kanada erkrankte Person haben während der Hauptinfektionszeit längere Zeit in Großbritannien gelebt und die Infektion mutmaßlich dort erworben. Die dritte in den USA erkrankte Person ist in Saudi-Arabien aufgewachsen (auch als saudi-arabischer vCJD-Fall gelistet) und soll sich die Infektion dort erworben haben. Die in Japan erkrankte Person hat zwischen 1980 und 1996 24 Tage in Großbritannien gelebt, soll sich aber nach Meinung der japanischen Behörden die Infektion ebenfalls dort erworben haben (Êwww.cjd.ed.ac.uk). In Deutschland wurde bisher trotz intensiver prospektiver Überwachung kein Fall von vCJK gefunden [267]. Aufgrund von Epidemiologie und molekularbiologischen Untersuchungen darf inzwischen als gesichert gelten, dass es sich beim auslösenden Agens um den Erreger der Rinderseuche BSE handelt [78][518][601]. Es wird eine orale Übertragung vermutet [601]. Da es zwischen oraler Aufnahme und Neuropathogenität vermutlich eine Blutphase gibt und sich der Erreger der vCJK zusätzlich im Lymphgewebe vermehrt, wurde schon bald eine Übertragbarkeit durch Bluttransfusionen befürchtet, und weitreichende Sicherheitsmaßnahmen wurden ergriffen, die wegen des Fehlens geeigneter spezifischer Ansatzpunkte allerdings relativ unspezifisch waren [180]. Die Möglichkeit von Sekundärübertragungen durch bei invasiven Eingriffen verwendete Instrumente, insbesondere Gastroskope [56], wird sehr ernst genommen. Für die Transfusionsmedizin geeignete Tests sind noch nicht verfügbar [637]. Wegen der höheren Exposition werden in Deutschland alle Spender, die zwischen 1980 und 1996 insgesamt mehr als 6 Monate in Großbritannien zugebracht haben, auf Dauer von der Spende ausgeschlossen [25][159]. Zumindest in Frankreich ist die Sinnhaftigkeit dieses viele Spender kostenden Ausschlusses nicht erkennbar, da nur eine der 23 erkrankten Personen auf diese Weise ausgeschlossen worden wäre. In den USA werden alle Spender, die zwischen 1980 und 1996 insgesamt mehr als 3 Monate in Großbritannien gelebt haben, von der Spende ausgeschlossen, ferner alle Personen, die seit 1980 mehr als insgesamt 5 Jahre in Europa gelebt haben [481]. Für Plasma zur Fraktionierung gelten in Europa als Ausschlusskriterien ein kumulativer Aufenthalt in Großbritannien von 12 Monaten (oder kürzer entsprechend den nationalen Vorgaben); für die USA gelten kumulativ 3 Monate in Großbritannien von 1980 bis 1996 und kumulativ 5 Jahre in Frankreich von 1980 bis heute. Eine Übertragung des vCJK-Erregers durch Transfusion wurde zunächst im Schaf- und dann im Affenmodell beschrieben [90] [294]. Bis Mai 2009 waren für 24 der später erkrankten Personen
38.3 • Strategien zur Erkennung und Verhütung von durch Blut übertragbaren Infektionen
Blutspenden dokumentierbar, aus denen 66 Produkte hergestellt wurden. Von den 66 exponierten Empfängern starben 37 in den ersten 5 Jahren nach der Transfusion. Bis auf einen symptomatischen Fall wurde kein anderer Empfänger histologisch getestet, weil sie vor diesem Fall starben. Von den 29 Empfängern, die die Transfusion um mehr als 5 Jahre überlebt haben, leben noch 20. Von den 9 Verstorbenen hatten 6 keine vCJK-bezogene Erkrankung, bei dem einzigen dieser 6 Verstorbenen, der histopathologisch nachuntersucht wurde, fanden sich allerdings die typischen Zeichen einer vCJKInfektion. Drei der Empfänger der 27 nicht leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentrate entwickelten eine vCJK und starben daran. Bei dem bereits erwähnten Fall, der aus anderer Ursache verstarb, wurde die Infektion histologisch nachgewiesen [201][350] [367][463][583][619]. Die Inkubationszeit bei den Empfängern war vergleichsweise kurz (6½, 6 und 8½ Jahre). Das Risiko für die Empfänger ist also hoch, jedoch bisher nicht 100%. Die 3 symptomatisch erkrankten Blutempfänger waren, wie bisher alle vCJK-Patienten, homozygot für einen Polymorphismus im Kodon 129 des Prion-Proteins (MM), der asymptomatisch infizierte 4. Blutempfänger war aber heterozygot. Zusammen mit der Tatsache, dass bei der Nachuntersuchung von Tonsillen in 3 von 12.500 histologischen Präparaten Hinweise auf vCJK gefunden wurden, wirft dies die Frage auf, ob eine wesentliche Anzahl von Personen nach deutlich längerer Inkubationszeit doch noch erkrankt oder ob diese Personen die Infektion ohne klinische Erkrankung haben und eventuell weitergeben können. Bei weiteren gründlichen Untersuchungen von Tonsillen konnten jedoch bei 63.007 Proben keine Prionen nachgewiesen werden [154]. 11 Spender mit vCJK (davon einer, der nicht in Großbritannien erkrankt ist), haben darüber hinaus für 25 Plasmapools britischer Fraktionierer gespendet. In Frankreich haben 3 der 23 Personen mit vCJK 42 Blutprodukte gespendet, bisher ist kein Empfänger erkrankt. Die Sicherheit von Plasmaderivaten in Bezug auf vCJK behandeln Cervenakova [141], Hoots [286] und Lee [347]. Bei der Autopsie eines über 70-jährigen Hämophilie-A-Patienten aus Großbritannien wurde in der Milz der vCJK-Erreger nachgewiesen. Der Patient war nicht an vCJK verstorben und wies auch keine Symptome dieser Krankheit auf. Er hatte gegen Ende der 1990er Jahre ein Faktor-VIII-Konzentrat (BPL 8Y) erhalten, bei dessen Herstellung auch das Plasma eines Spenders verwendet wurde, der später an vCJK erkrankte. Die Autopsie erfolgte im Rahmen eines medizinischen Überwachungsprogramms, in das mehr als 3000 Personen eingeschlossen sind, die potenziell mit vCJK belastete Blutprodukte erhalten haben (7 aber [202]). Trotzdem wird die Wahrscheinlichkeit, dass eine vCJK-Infektion durch in Deutschland verfügbare Gerinnungsfaktorenkonzentrate übertragen werden kann, vom Arbeitskreis Blut des Bundesministeriums für Gesundheit für äußerst gering gehalten [48]. Die Infektion könnte auch durch den Verzehr von BSE-haltigen Lebensmitteln erworben sein. Für Plasmaprodukte wird der Nachweis der Abreicherung durch Aufreinigung gefordert (Êhttp://www.emea.europa.eu/pdfs/human/press/pos/287902enfin.pdf). Auch für Erythrozytenkonzentrate gibt es bereits Prionenfilter [421].
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38.3
Strategien zur Erkennung und Verhütung von durch Blut übertragbaren Infektionen
38.3.1
Auswahl der Blut- und Plasmaspender
Anamnese, ärztliche Untersuchung, vertraulicher Selbstausschluss 7 Übersicht für USA: [221], für Kanada: [435], für Australien [479], zur Problematik: [112][251][279][354][589] Die relative Bedeutung der Spenderauswahl im Vergleich zur Labortestung hat für die Infektionen, auf die tatsächlich getestet wird, im Lauf der letzten Jahrzehnte stark abgenommen. 1972 konnte Harvey Alter [10] für die National Institutes of Health noch feststellen, dass der Wechsel von kommerziellen Spendern zu unbezahlten Spendern mehr für die Hepatitissicherheit seiner Produkte bewirkt hatte als die HBsAg-Testung. Auch zu Beginn der HIVEpidemie war zunächst nur der Ausschluss definierter Risikogruppen möglich. In der Folge erreichte jedoch die Labortestung auf die transfusionsmedizinisch relevanten Erreger ein außerordentlich hohes Niveau. HIV und HCV konnten durch spezifische Labortests zurückgedrängt werden, aber es verbleiben kleine Erkennungslücken in der Frühphase der Infektion und bei sehr seltenen Mutanten. Weiterhin ist es unmöglich, auf alle durch Transfusion übertragbaren Erreger zu testen. Für die Variante der CreutzfeldtJakob-Krankheit soll der Ausschluss besonders exponierter Spender das Risiko für die Empfängerpopulation senken. Allerdings ist diese Gruppe von den klassischen Risikogruppen völlig verschieden. Ähnliches gilt für immer wieder neu auftauchende Epidemien wie z. B. die durch WNV oder Chikungunyavirus. Die Vermeidung besonderer Infektionsrisiken bei der Auswahl der Blutspender ist auch heute noch ein wichtiger Baustein für die Infektionssicherheit von Blutpräparaten. Der Auswahl geeigneter Blutspender dienen: 5 Befragung nach möglichen Infektionsrisiken, 5 klinische Untersuchung, 5 vertraulicher Selbstausschluss.
Als indirekte Einflussfaktoren für die Inzidenz und Prävalenz transfusionsrelevanter Infektionen beim Blutspender werden diskutiert: 5 Einzugsbereich der Blutspendedienste 5 Motivation zur Spende (7 Übersicht: [241][244][420]) und, eng damit verknüpft, 5 Bezahlung bzw. Entschädigung der Spender [478]. z Befragung nach möglichen Infektionsrisiken Mögliche Risiken für durch Blut übertragbare Infektionen beim Blutspender werden erfragt und alle Blutspender, bei denen anerkannte Risiken bekannt werden, schon im Vorfeld von der Blutspende ausgeschlossen. Dieser Schritt ist erforderlich, weil 1. Blut zur Transfusion auf nur sehr selten durch Blut übertragene Erreger (z. B. Masern, Hepatitis A) nicht getestet wird, 2. sich Personen mit einem hohen Risiko für eine parenteral übertragbare Infektion in der Inkubationsphase bzw. im diagnostischen Fenster befinden könnten und somit von einem Bluttest möglicherweise (noch) nicht erfasst würden (diese Möglichkeit wird für HIV und HCV durch die NAT-Testung weitestgehend, aber nicht vollständig ausgeschlossen, bei der nicht vorgeschriebenen NAT-Testung auf HBV ist der Sicherheitsgewinn in der frühen Phase der Infektion ähnlich hoch wie der der NAT auf HCV und viel höher als der auf HIV [289][615],
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
3. Personen mit einem hohen Risiko für parenteral übertragbare Infektionen auch neue, noch unbekannte Infektionen mit höherer Wahrscheinlichkeit übertragen, 4. für bestimmte Infektionen keine für die Transfusionsmedizin geeigneten Testverfahren verfügbar sind (z. B. vCJK). Beim Spenderausschluss wegen Infektionsrisikos in der Anamnese wird bewusst in Kauf genommen, dass der größte Anteil der ausgeschlossenen Spender nicht wirklich infiziert ist. Andererseits erhöht der Ausschluss nur dann die Sicherheit, wenn der Anteil infizierter Spendewilliger bei den durch die jeweilige Frage ausgeschlossenen Personen tatsächlich deutlich größer ist als bei den zur Spende Zugelassenen. Obwohl durch die Fragen nach Infektionsrisiken eine große Zahl von Spendewilligen zurückgewiesen wird, fehlt für fast alle Ausschlussgründe eine Evaluierung, ob die Fragen überhaupt wie beabsichtigt verstanden werden [445] und ob in der Praxis die Sicherheit durch den Ausschluss tatsächlich erhöht wird. Die Bedeutung der Anamnese wird in Anbetracht der sehr effizienten Labortestung des gespendeten Blutes nicht von jedem Blutspender eingesehen. Probleme liegen: 5 in der mangelnden Bereitschaft, sozial inkriminiertes Verhalten zu offenbaren ([376][452]; Diskretion bei der Anamneseerhebung), 5 im vermeintlichen oder realen Gruppendruck zu einer Blutspende (7 s. unten, »vertraulicher Selbstausschluss«), 5 im Wunsch nach einem unproblematisch zu erhaltenden HIVTestergebnis [555], 5 in der Möglichkeit zum schematischen Ankreuzen der entsprechenden Fragebögen.
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In den USA erhöhte sich die Ausschlussquote um den Faktor 5–7,5, wenn die Fragen mündlich gestellt bzw. vorgelesen wurden und vom Spender mündlich beantwortet werden mussten [242][391][545]. Der Anstieg der Ausschlussrate war je nach Kulturkreis/Region der Zentren deutlich unterschiedlich [304]. Die daraus resultierende Senkung der Prävalenz Anti-HIV-positiver Blutspender (14%) war aber nicht signifikant [304]. Trotz intensiver Spenderbefragung scheinen nicht alle Personen mit einem erhöhten Risiko für durch Blut übertragbare Infektionen identifiziert zu werden [191][402][408]. Bis 2000 wurden Personen, die in Malariagebieten geboren oder aufgewachsen waren, auf Dauer von der Blutspende ausgeschlossen. Neben dem Risiko der Übertragung einer Malaria wurde dadurch auch das Risiko von Übertragungen von Erregern, auf die nicht routinemäßig getestet wird (z. B. HTLV, Trypanosoma cruzi) und auf noch unbekannte tropische Erreger ausgeschlossen. Seit dem Jahr 2000 wurde der Ausschluss für Malaria stark gelockert (7 s. oben), dafür aber Spender, die aus Gebieten eingewandert sind, in denen sich HBV, HCV und HIV vergleichsweise stark ausgebreitet haben, auf Dauer, sowie Personen, die ihren Lebensmittelpunkt zeitweise in diesen Gebieten hatten, befristet von der Spende ausgeschlossen. In der Überarbeitung der Richtlinien 2001 wurde dann der Ausschluss von Einwanderern aus Risikogebieten ersatzlos gestrichen. Diese Streichung vermeidet zwar die Diskriminierung neuer Mitbürger wegen ihrer Herkunft, die Folgen werden aber möglicherweise einige Blutempfänger tragen müssen, da zwar auf die Abwesenheit von Malaria, nicht aber auf die zahlreicher anderer chronischer Erkrankungen aus den Heimatländern der neuen Spendewilligen (z. B. Trypanosoma-cruzi-Infektionen [133][353][475][629], HTLV-I und -II, Leishmanien [93][176][379][499][525][618]) getestet werden muss.
Der Ausschluss männlicher Homosexueller von der Blutspende wurde intensiv diskutiert (z. B. [13][355][586][587]), aber bisher beibehalten. Einige der Ausschlusskriterien bedürfen für ihre Umsetzung der Interpretation durch die einzelnen Blutspendedienste, z. B. der Ausschluss von Spendern mit Tuberkulose für 2 Jahre nach medizinisch dokumentierter Heilung. Bei der Aufführung der Ausschlusskriterien gibt es keine klare Trennung zwischen dem Erhalt von Transplantat und Implantat. Zwar sind formal nur Empfänger von Xenotransplantaten von der Spende auszuschließen, da aber auch die Übertragung von Dura mater (als Gewebe eigentlich ein Implantat) als Transplantation bezeichnet wird, bleibt in den Richtlinien zumindest unklar, wie mit den Empfängern von Herzklappen, Perikard, Venensegmenten, Knochen und Kollagen von verschiedenen Spendertierspezies zu verfahren ist. Konkrete Vorschläge finden sich bei Caspari et al. [130]. z Ärztliche Untersuchung Wichtig für die Verhinderung der Übertragung von Infektionen ist die ärztliche Untersuchung. Hierbei ist insbesondere auf die Erkennung von Risikofaktoren wie z. B. Einstichstellen bei Drogenabhängigen zu achten. z Vertraulicher Selbstausschluss Der vertrauliche Selbstausschluss gibt Spendern mit insbesondere einem HIV-Risiko, die dieses bei der Spenderanamnese nicht offenbaren wollen, die Möglichkeit, dies nach der Spende vertraulich zu tun. Die auf dem Ausschlussbogen aufgeführten typischen Risiken sind allerdings auch die für HBV- und HCV-Infektionen. Das Blut der Spender, die diese Option wahrnehmen, wird dann – unabhängig vom Ausfall der infektionsserologischen Tests – nicht transfundiert. Sinnvoll ist diese Option möglicherweise bei Personen, die sich ihres HIV-Risikos bewusst sind und trotzdem Blut spenden, z. B. wegen Gruppendrucks oder des Wunsches nach einer unauffälligen Anti-HIV-Testung. Es gibt jedoch Spender, die – v. a. bei heterosexuellen Kontakten oder i.v.-Drogenkonsum – ihr Risiko nicht erkennen, solche, die ein klar definiertes riskantes Verhalten als Infektionsrisiko aus ihrem Bewusstsein verdrängen [439] und solche, die in die Vertraulichkeit des Selbstausschlusses kein Vertrauen haben und sich testen lassen möchten ohne erkennen zu geben, dass sie bei sich selbst eine HIV-Infektion für möglich halten. Die Faktoren, die die Selbstausschlussrate beeinflussen könnten, werden diskutiert bei Sümnig [562]. Etwa die Hälfte der deutschen Blutspendedienste beantwortete auf dem Jahresbogen des Robert-Koch-Instituts für das Jahr 2006 die Fragen nach dem vertraulichen Selbstausschluss [615]. Für die anderen bleibt unklar, ob sie diese Angabe nicht leisten konnten oder ob sich bei ihnen kein Spender ausgeschlossen hat. 19.103 Spenden konnten laut Angaben der meldenden Blutspendedienste wegen des vertraulichen Selbstausschlusses nicht transfundiert werden, in diesen Blutspendediensten immerhin eine von etwa 110 Spenden. Die Frage nach dem Sicherheitsgewinn durch den vertraulichen Selbstausschluss ist bis heute nicht beantwortet worden, weil man dazu möglichst lückenlos nachuntersuchen müsste, wie viele in NAT und serologischem Test später serokonvertierten und damit zum Zeitpunkt des vertraulichen Selbstausschlusses unerkannt infektiös waren. Ein Versuch vor Einführung der PCR in Deutschland ergab keine Hinweise auf einen Nutzen des vertraulichen Selbstausschlusses [129]. Nur 13 (0,07%) der ausgeschlossenen Spender hatten einen positiven Infektionsbefund, was kaum das Vorliegen tatsächlich erhöhter Risiken bestätigt. Durch die zusätzliche Einführung der NAT dürfte ein eventuell damals übersehener Nutzen noch weiter
38.3 • Strategien zur Erkennung und Verhütung von durch Blut übertragbaren Infektionen
abgenommen haben. Auch die Tatsache, dass nur 1,1% der im Labortest positiven Spender den vertraulichen Selbstausschluss in Anspruch genommen haben (Willand et al. [615] geben jetzt allerdings 18 Spender an), lässt an der Wirkung des vertraulichen Selbstausschlusses zweifeln, ohne die Frage in Bezug auf die eigentliche Zielgruppe der Maßnahme, die Test-negativen Serokonverter, wirklich zu beantworten (siehe auch für Kanada: [438]). Irritierend bleiben Verläufe, in denen Spender ein Risiko durch einen vertraulichen Selbstausschluss zeitweise bejahen, zeitweise nicht, sowie die Ergebnisse von Spendern und Labortest-positiven Spendern nach der Spende, die in einem erheblichen Anteil Risiken zugeben, derentwegen sie eigentlich von der Blutspende hätten ausgeschlossen werden müssen.
Organisation der Blutspende Spenderkollektive aus städtischen und ländlichen Einzugsgebieten unterscheiden sich im Hinblick auf Inzidenz und Prävalenz transfusionsrelevanter Infektionen. Bei Spendern aus städtischen Einzugsbereichen besteht eine deutlich höhere Prävalenz für HIV und HBV als bei Spendern aus ländlichen Bereichen [390][576]. Auch bei den Inzidenzen für HIV und HCV könnten deutliche Unterschiede zwischen städtischem [500][536] und ländlichem Einzugsbereich bestehen. Die Häufigkeiten von Anti-HIV-positiven Erstspendern, von Serokonversionen für Anti-HIV bei Mehrfachspendern und von tatsächlich beobachteten HIV-Übertragungen auf Blutempfänger wurden von den Blutspendediensten des DRK und den staatlichkommunalen Blutspendediensten getrennt erfasst und veröffentlicht [390][634]. Schwierigkeiten beim Vergleich der Zahlen ergeben sich aus unterschiedlichen Datenbasen und der Hochrechnung zahlreicher nicht erhobener bzw. nicht verfügbarer Daten aus durchschnittlichen Verhältnissen, z. B. des Verhältnisses von Anzahl der Spender zur Anzahl der Spenden. Aus dem Vergleich der Anzahl und Häufigkeit isoliert HCVund HIV-RNA-positiver Spender (mit sehr frischen Infektionen) bei Hourfar et al. [289] und Nübling et al. [434] lässt sich ableiten, dass die weit überwiegende Mehrzahl dieser Spenden außerhalb der Blutspendedienste des DRK gespendet wird. Diese stellen, da sie entdeckt werden, für sich kein Risiko dar, sind aber ein möglicher Hinweis auf unterschiedliche Spenderpopulationen. Wie sich die Bezahlung von Plasmaspenden und die gegenüber der Blutspende erheblich höhere Spendefrequenz auswirken, wird kontrovers diskutiert. Früher war das von bezahlten Plasmaspendern im Ausland ausgehende Risiko für die Übertragung einer Hepatitis 10- bis 50-mal größer als bei unbezahlten Vollblutspendern [10]. Stramer et al. [556] gaben 1989 die Serokonversionsrate für HIV in Plasmapheresezentren der USA selbst außerhalb der Regionen mit hoher HIV-Prävalenz mit etwa 1:1000 pro Jahr an. Untersuchungen im Jahr 1991 bestätigten zusätzlich ein deutlich erhöhtes Risiko in Bezug auf HCV [170][378]. Bei einer Testung im Paul-Ehrlich-Institut im Jahr 1994 waren Plasmapools aus Nordamerika 7-mal häufiger PCR-positiv für HCV als Pools aus Europa [299][432], wobei die gefundene Virusbelastung bei den verschiedenen Herstellern deutlich unterschiedlich war. Um die Risiken der bezahlten Spende abschätzen zu können, ist die zentrumsbezogene, regionale und nationale koordinierte Erfassung spenden- und spenderbezogener bestätigter Infektionsparameter erforderlich [109]. Ferner ist jenseits der Einteilung bezahlt/nicht bezahlt die Differenzierung nach Art und Modalität der im Zusammenhang mit der Spende erhaltenen Vorteile (Geld [bar/ unbar/mit zeitlichem Abstand, 1. Spende unbezahlt bzw. Spendervoruntersuchung], Sachleistungen, Freizeitausgleich, Nadeln,
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Ehrenzeichen und öffentliche Ehrungen), sowie nach möglichem Gruppendruck durch die Spendesituation besonders bei Spendeterminen in Betrieben/Bundeswehr erforderlich. Schließlich ist der demographische Einfluss von Alter und Geschlecht, die lokale Prävalenz und Inzidenz und ggf. der soziale Status der Spendewilligen in den jeweiligen Kollektiven zu berücksichtigen. Je nach Erreger sind unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Van der Poel [590] zitiert eine Fülle von Daten, vergleicht aber häufig Kollektive von bezahlten Plasmapheresespendern mit unbezahlten Vollblutspendern. Dabei wird aus einer Menge von Einflussfaktoren (7 s. oben) ein Einzelner isoliert betrachtet. Plasmaderivate werden heute so wirksamen Test- und Inaktivierungsverfahren unterworfen, dass etwas höhere Zahlen von Infektionsmarkern auf die Sicherheit der Produkte eine untergeordnete Wirkung haben dürften. Dies gilt jedoch weiterhin nicht für nichtinaktivierte Produkte.
Gerichtete Blutspende Eine gerichtete Blutspende soll für einen namentlich bekannten Empfänger geleistet werden, gewöhnlich für einen nahen Verwandten oder Freund/Freundin. Der Spender kann dabei unter dem moralischen Druck des Empfängers oder des Verwandten- und Freundeskreises stehen. Da Auswahlkriterien für Blutspender wie das Eingestehen von Infektionsrisiken hierbei nur bedingt möglich sind, kann die gerichtete Spende – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – die Sicherheit der Transfusion nicht erhöhen und sollte in der Regel abgelehnt werden ([2][106][245][253][454], s. aber [466]). Ausnahmen sind bei sehr seltenen Blutgruppen und Kombinationen von Antikörpern möglich, bei denen kompatible Spender nur aus der Verwandschaft zu gewinnen sind. Präparate von Verwandten 1. Grades müssen wegen der Möglichkeit einer Graft-vs.-Host-Reaktion zur Abtötung der Leukozyten bestrahlt oder anderweitig inaktiviert werden.
Verbot der Verwendung autologer (Eigenblut) Spenden für andere Empfänger Auf autologe Blutspender sind die Kriterien der freiwilligen Blutspende nicht anwendbar, ein vertraulicher Selbstausschluss ist nicht durchführbar. Die Prävalenz von Infektionsmarkern, besonders für Hepatitis B und C, ist deutlich höher als bei homologen Blutspendern [640]. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Anteil unerkannt infektiöser autologer Blutspender ebenfalls höher ist als bei den homologen Spendern. Eine Verwendung autolog gespendeter, aber nicht dem Spender retransfundierter Blutkonserven für die homologe Transfusion oder für die Herstellung von Plasmapräparaten ist daher nicht erlaubt.
Predonation Sampling Kontaminationen von Vollblut- und Apheresespenden mit Bakterien und Pilzen sind trotz Einhaltung aller hygienischen Vorschriften zur Blutspende nicht vollständig zu vermeiden. Die meisten dieser Erreger stammen von der Haut des Spenders und gelangen mit den ersten Millilitern der Spende in das Blutpräparat [104][144] [173]. Versuche haben ergeben, dass sich durch getrenntes Auffangen der ersten, kleinen Portionen der Spende die Kontamination der Präparate um 40–70% vermindern ließ [104][144][173][596]. Daher wird vom Arbeitskreis Blut das Sammeln von wenigsten 15 ml der Spende in einem getrennten Beutel vor der eigentlichen Spende empfohlen [28]. Dieses Volumen kann für die ohnehin notwendigen Labortests verwendet werden.
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
Labortests
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Nach den »Richtlinien« muss eine Blutkonserve eindeutig frei sein von HBsAg, Anti-HBc, Anti-HIV, HIV-RNS, Anti-HCV, HCVRNS sowie negativ sein im TPHA- oder VDRL-Test (Syphilis). Für Anti-HBc-positive Spender gibt es allerdings die Möglichkeit des Re-entry bei empfindlicher HBV-DNS-Testung mit negativem Resultat und ausreichend hohem Anti-HBs-Titer. Treten bei einem Wechsel des Testsystems zu einer neuen Testgeneration »Serokonversionen« auf, könnte es sich in Einzelfällen um Befunde handeln, die vom früheren Testsystem nicht erkannt wurden [292]. Dieser Möglichkeit sollte nachgegangen und Schlussfolgerungen für Quarantäne von Frischplasma, evtl. Rückrufe und Rückverfolgungsverfahren gezogen werden. »Working standards«, d. h. niedrig-positive Kontrollen, die Rückschlüsse auf die Qualität der Testung der viralen Parameter erlauben sollen, diskutieren Ferguson et al. [215]. Die SGPT-Testung war Mitte der 60er Jahre, lange vor der Entdeckung der Hepatitisviren A–E, als Screeningtest für alle Blutspender in der Bundesrepublik eingeführt worden, nachdem gezeigt werden konnte, dass zwischen einer erhöhten SGPT beim Blutspender und einer transfusionsassoziierten Hepatitis beim Blutempfänger ein Zusammenhang besteht (7 Übersicht: [125][128]). Blutspenden mit einer SGPT von mehr als dem Doppelten des methodenspezifischen Grenzwertes bzw. 45 U/l nach der optimierten Standardmethode (25°C) werden seit etwa 1966 von der Verwendung ausgeschlossen. 1996 wurde der Grenzwert für Spenden von Männern auf 68 IU/l (25°C), also fast das 3-fache der Obergrenze des Normalbereichs erhöht [106] und damit die Spezifität der SGPT-Testung verbessert, ohne die Sensitivität für akute Hepatitiden wesentlich zu vermindern [125]. Die Bedeutung der SGPT-Testung ist nach der Erkennung von Blutspendern mit Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virusinfektionen mittels spezifischer Tests nur noch gering. Ein möglicher Nutzen besteht bei der Hepatitis A ([606]: gering) und E und atypischen HBV-Infektionen. Bei den genannten Infektionen liegt aber der größere Teil der Virämie vor dem Transaminasenanstieg, sodass auch in diesen Fällen nur ein kleiner Teil der Infektionen durch eine SGPT-Testung verhindert werden kann. Die SGPT-Testung ist also nicht nur wenig sensitiv in Bezug auf sonst nicht erkannte transfusionsrelevante Infektionen, sie ist auch wenig spezifisch, da nach heutigen Erfahrungen kaum eine der Blutkonserven mit erhöhter SGPT ohne andere Infektionsmarker infektiös ist [431][519]. Daher wurde die Pflicht zur SGPT-Testung bei einer Revision der Richtlinien [34][106] aufgehoben. Anti-CMV-IgG-Tests werden seit der generellen Leukozytendepletion von zellulären Blutpräparaten von einigen Blutspendediensten nicht mehr durchgeführt, da in Bezug auf die meisten Indikationen die CMV-Sicherheit eines leukodepletierten Präparates der eines CMV-getesteten Präparates entsprechen dürfte. Durch die Kombination von Leukozytendepletion und Anti-CMV-Testung wurde angestrebt, das für beide Methoden bestehende geringe Restrisiko weiter zu senken. Ein Vorteil dieses Vorgehens konnte aber bisher nicht belegt werden. Darüber hinaus könnte u. U. die Erkennung weiterer durch Blut übertragbarer Viren von Bedeutung sein: Hepatitis-E-Virus (HEV), HTLV I/II, Hepatitis-A-Virus (HAV), Parvovirus B19. Etliche der für das Screening von Blutspendern verwendeten serologischen Tests bedürfen als In-vitro-Diagnostika der Zertifizierung durch bestimmte Institutionen (benannte Stellen, »notified bodies«) auf europäischer Ebene. Die Tests sind nach Anleitung des Herstellers zu verwenden.
Auch Eigenblutspenden sind auf Infektionsmarker zu testen [106]. Präparate von Spendern, bei denen trotz positiver Infektionsmarker eine Eigenblutentnahme aus transfusionsmedizinischen Gründen zwingend erforderlich ist (z. B. wegen sehr seltener Blutgruppen oder der Notwendigkeit der Beachtung von Antikörpern), müssen deutlich als infektiös gekennzeichnet und von allen anderen Produkten getrennt gelagert werden (7 Kap. 35). Der empfindliche Nachweis von HCV- und HIV-RNS mittels Nukleinsäureamplifikationstests (NAT, z. B. PCR oder TMA) ist bereits für alle zellulären Blutpräparate vorgeschrieben, um das geringe Restrisiko durch die Erkennungslücke des HCV- und HIV-Antikörpertests in der frühen Phase der Infektion weiter zu reduzieren. Von 1996 bis 2008 wurden in Deutschland 40,8 Mio. Blutspenden auf HCV-RNS getestet und 92 positive Spenden ohne Anti-HCV gefunden. Auf HIV-RNS wurden bis 2008 17,1 Mio. Spenden getestet und 11 nur NAT-positive Spenden identifiziert. Von den Blutspendediensten, die ihr Plasma aus Vollblut zur Weiterverarbeitung an die Industrie verkaufen, werden häufig zusätzliche Tests auf HBV-DNS durchgeführt und die Ergebnisse auch für die Freigabe zellulärer Blutpräparate verwendet. Inzwischen wurden hochempfindliche NAT-Verfahren (Ultrio Plus von Novartis und Cobas von Roche) für den simultanen Nachweis von HCV-, HIV und HBVNukleinsäure in Einzelproben oder Minipools an vielen Stellen der Welt erfolgreich erprobt. Obwohl zum Zeitpunkt der Abfassung des Manuskripts die HBV-NAT nicht vorgeschrieben war, ist angesichts des ungleich höheren HBV-Restrisikos eine flächendeckende Einführung zu erwarten. Da das Solvens-/Detergenz-Verfahren zur Inaktivierung von Plasmaderivaten nur umhüllte Viren inaktiviert, testen einige Blutspendedienste ihr Plasma zur Fraktionierung für die Industrie auch auf HAV-RNS und Parvovirus B19-DNS. Die Testung auf Parvovirus-DNS ist inzwischen in der Europäischen Pharmakopoe verankert. Werden die Ergebnisse für die Freigabe zellulärer Produkte verwendet, so wird das allerdings ohnehin sehr geringe Restrisiko für kleine Patientengruppen mit dem Risiko symptomatischer Erkrankungen weiter reduziert. Im Prinzip kann mit empfindlichen Nukleinsäurenachweisen ein einziges Virusgenom pro untersuchter Probe erfasst werden. Daher herrscht vielfach der Eindruck, die verbliebenen Probleme der Labortestung auf Infektionsmarker könnten umfassend gelöst werden. Dies trifft aber nicht zu, da für die Minipool-NAT-Testung relativ kleine Volumina, z. B. 50 μl, eingesetzt werden, während das transfundierte Volumen das 500- bis 5000-fache beträgt. Sind nun die Erregerkonzentrationen sehr gering, ist es nicht mehr sicher, dass sich überhaupt einer der Infektionserreger im getesteten Volumen befindet. Schon wegen dieses Volumenproblems kann auch die NAT nicht alle infektiösen Spender erfassen [356]. Für HBV, HCV und HIV sind solche Fälle beschrieben [175][224][264][426][469] [535]. Aus diesem Grund werden die serologische Testung und die sorgfältige Spenderauswahl unersetzlich bleiben. Da die Restrisiken von Blutkonserven in Bezug auf Infektionen sehr klein sind, können Fehler bei der Testung dieses Restrisiko dramatisch beeinflussen. So wurden im Staat New York ebensoviele Menschen wegen Irrtümern bei der Testung von Blutkonserven mit HIV infiziert wie durch Blutkonserven in der Frühphase der Infektion, in der der korrekt durchgeführte Test die Infektion nicht anzeigte [363]. Einer der 11 bis 2001 beim Paul-Ehrlich-Institut gemeldeten, durch Anti-HIV-getestete Blutkonserven hervorgerufenen Aids-Fälle entstand durch die versehentliche Ausgabe einer bereits positiv getesteten Blutkonserve (Keller-Stanislawski, pers. Mitt., [262], s. auch [114][332]).
38.3 • Strategien zur Erkennung und Verhütung von durch Blut übertragbaren Infektionen
Bestätigt positive Laborergebnisse unterliegen verschiedenen Meldepflichten nach der Laborberichtsverordnung (HIV), dem Infektionsschutzgesetz (kommentiert bei: [123]) und dem Transfusionsgesetz.
Gewinnung von Rückstellproben 7 Übersicht: [26], für HCV: [248]
Die Gewinnung von Rückstellproben des Spenders ist bei frischen Infektionen von Mehrfachspendern für die Beurteilung der Infektiosität früherer Spenden unerlässlich. Gefordert werden 1–2 ml Serum in mindestens 2 Aliquots, schnellstmöglich eingefroren und gelagert bei einer Temperatur unter –30°C [26]. Die minimale Aufbewahrungsdauer für Rückstellproben beträgt 1 Jahr über das Verfallsdatum der am längsten haltbaren aus der Spende hergestellten Blutkomponenten hinaus.
Rückverfolgung Wird ein früher negativer Blutspender positiv für HBsAg, Anti-HBc, HBV-DNS (sofern darauf getestet wurde), Anti-HIV, HIV-RNS, Anti-HCV oder HCV-RNS, könnten durch frühere, Infektionsmarkernegative Spenden dieses Spenders Infektionen übertragen worden sein. Zur Klärung empfiehlt der Arbeitskreis Blut ein abgestuftes Rückverfolgungsverfahren [39][43]. Der Infektionsverdacht ergibt sich aus einem wiederholt reaktiven Screeningtest. Die dazu gehörige Spende ist endgültig zu sperren und die weitergehende Testung nach den Fließschemata des Arbeitskreises Blut einzuleiten. Der begründete Verdacht einer Infektion des Spenders ergibt sich, wenn diese Bestätigungstestung nicht negativ, sondern positiv oder unbestimmt (»indeterminate«) ist. Dann wird der Spender um eine 2. Blutprobe gebeten und alle Vorspenden für einen Zeitraum ermittelt, der für HIV und HCV 12 Wochen und im Fall eines begründeten HBV-Verdachts 16 Wochen vor der letzten negativen Spende beträgt (Plasma zur Fraktionierung: 6 Monate). Im Blutspendedienst verbliebene Produkte sind sicherzustellen, an Krankenhäuser und Plasmafraktionierer ausgelieferte Produkte, soweit noch möglich, sicherstellen zu lassen. Kann der begründete Verdacht der Infektion nicht innerhalb von 4 Wochen, z. B. durch die Untersuchung der 2. Spenderprobe, widerlegt werden, muss die Infektiosität der Vorspenden durch Untersuchung der Rückstellproben und eventueller Empfänger geklärt werden. Bei positiven Ergebnissen wird die Ausdehnung des Rückverfolgungszeitraumes mit Identifizierung weiterer Vorspenden, Sicherstellung von Produkten und Nachuntersuchung von Rückstellproben und Empfängern nötig. Wenn bei einem Empfänger von Einzelspender- oder Kleinpoolpräparaten eine HIV-, HBV- oder HCV-Infektion festgestellt wird und es ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Infektion durch Blutpräparate verursacht wurde, ist ein vom Empfänger ausgehendes Rückverfolgungsverfahren einzuleiten. Es sollte aber unbedingt auch nach möglichen anderen Infektionsursachen gesucht werden, da beim Empfänger vorbestehende Infektionen und nosokomiale Infektionen insgesamt sehr viel häufiger zu sein scheinen als Infektionsübertragungen durch Blutpräparate (u. a. [337][341][377][389][399][487][544]. Im Rahmen des vom Empfänger ausgehenden Rückverfolgungsverfahrens müssen alle verabreichten Blutprodukte ermittelt und der/die pharmazeutische/n Unternehmer umgehend informiert werden. Die meisten Spender für die involvierten Produkte erweisen sich aufgrund der Ergebnisse späterer Spenden als nicht infiziert. Verbleibende Spender müssen nachuntersucht und ggf. dann auch vom (infizierten) Spender ausgehende Rückverfolgungsverfahren zusätzlich eingeleitet werden.
555
Meldepflichten für positive Labortestergebnisse 7
38 Abschn.
38.3.1.6.
Die ethischen Probleme der Information von Blutempfängern, für die ein Spender später an CJK erkrankt ist, diskutiert Steinberg [554].
38.3.2
Maßnahmen zur Verminderung des Infektionsrisikos durch Blutkomponenten
Leukozytendepletion Ein anerkannter Weg, die potenzielle Infektiosität von zellulären Blutpräparaten zu verringern, ist die möglichst vollständige Eliminierung der Leukozyten. Die Wirkung erstreckt sich auf zellgebundene Viren (HTLV-I/II, CMV, EBV, HHV-8), Prionen sowie auf phagozytierte Bakterien (7 Übersicht: [247]). Die Leukozytendepletion vor der Lagerung ist ab 01.10.2001 in Deutschland für alle zellulären Blutprodukte vorgeschrieben ([25], Bundesanzeiger Nr. 174 vom 14.09.2000 »Bekanntmachungen über die Ergebnisse des Stufenplanverfahrens zur Einführung der Leukozytendepletion von zellulären Blutprodukten zur Transfusion« vom 18.08.2000). Der Restgehalt an Leukozyten pro Einheit darf nicht mehr als 106 betragen [106][627]. Die Leukozytendepletion kann als Vollblutfilterung vor der Separation von Erythrozyten und Plasma oder als Komponentenfilterung nach der Separation durchgeführt werden, z. B. wenn aus den »buffy coats« noch gepoolte Thrombozytenkonzentrate hergestellt werden sollen. Eine Ruhezeit vor der Filtration dient der optimalen Phagozytose eventuell noch frei im Plasma befindlicher Erreger. Eine Übersicht über das Vorgehen in verschiedenen europäischen Ländern, den USA und Kanada geben Engelfriet et al. [206].
Quarantänelagerung Zur Verminderung des Übertragungsrisikos von HIV und HCV wurde in Deutschland die Quarantänelagerung für gefrorenes bzw. gefriergetrocknetes Frischplasma sowie tiefkühlkonservierte, zelluläre Blutzubereitungen angeordnet, soweit sie mindestens 12 Monate haltbar und nicht einem wirksamen Verfahren zur Virusinaktivierung/-eliminierung unterworfen worden sind [108]. Quarantänelagerung bedeutet, dass das Präparat nach der Spende aufbewahrt werden muss und erst dann freigegeben werden darf, wenn der Spender nach Ablauf der Quarantänefrist erneut mit negativem Ergebnis auf die entsprechenden Virusmarker getestet worden ist. Die Dauer der Quarantäne beträgt 4 Monate [31][106]. Die Quarantänelagerung ist insbesondere wirkungsvoll für die Minderung des Übertragungsrisikos der HIV- und HCV-Infektionen, weil eine frische HIV- oder HCV-Infektion des Spenders spätestens nach 4 Monaten mit hoher Sicherheit durch einen Anti-HIV-, HIV-RNS- bzw. einen Anti-HCV- oder HCV-RNS-Test erkennbar ist. HBsAg ist bei frischen, ausheilenden HBV-Infektionen jedoch nur vergleichsweise kurz nachweisbar. Der bei Plasmapheresespendern übliche, kurze Abstand zwischen den einzelnen Spenden wird in der Regel ausreichen, eine frische HBV-Infektion mittels HBsAg zu erkennen. Bei großen Spendeabständen kann die Situation auftreten, dass HBsAg bei der Spende gerade noch nicht und bei der Nachuntersuchung nicht mehr nachweisbar wäre. Diese Situation ist durch eine Serokonversion des Spenders für Anti-HBc zu erkennen. Die Quarantänelagerung ist unwirksam bei allen Viren, auf die nicht getestet wird (z. B. HAV, HEV, HTLV, Parvovirus B19).
556
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
Virusinaktivierung von Frischplasma Eine Alternative zur Quarantäne stellt die Virusinaktivierung von Frischplasma dar (7 Übersicht: [486]). Gegenüber der Quarantäne erfordert die Virusinaktivierung keine Nachuntersuchung des Spenders nach 4 Monaten. Sie weist zudem den Vorteil auf, möglicherweise auch Infektionsrisiken durch andere transfusionsrelevante Viren als HBV, HCV und HIV zu verringern. Dies ist vergleichbar mit der Einführung der Hitzebehandlung Anfang der 80er Jahre zur Erhöhung der Hepatitissicherheit von Faktor-VIII-Konzentraten, die zugleich Infektionen mit dem damals unbekannten HIV verhinderte. Der Virusinaktivierung nach dem Methylenblau- (MB-)Lichtverfahren wurde vom Paul-Ehrlich-Institut die Zulassung wegen angeblicher Kanzerogenität versagt, obwohl das Präparat jahrelang von den Überwachungsbehörden der Länder geduldet war und keine wesentlichen Nebenwirkungen aufgetreten sind. Es ist aber in Spanien und Griechenland verbreitet, in England und Schottland ist seit 01.05.2002 der Gebrauch von Methylenblau-inaktiviertem Plasma bei Kleinkindern sogar vorgeschrieben [1][495]. Inzwischen gibt es auch Verfahren, Methylenblau und seine Fotoprodukte vor Transfusion zu reduzieren. Für derartige Plasmen sind in Deutschland mittlerweile zwei Zulassungen vom Paul-Ehrlich-Institut erteilt worden. Die Virusinaktivierung erfolgt beim MB-Verfahren in Einzelplasmen [405], die nach dem S/D-Verfahren an Plasmapools [268] [288]. Mit dem MB-Verfahren werden bevorzugt, mit dem S/DVerfahren prinzipiell nur lipidumhüllte Viren, also die transfusionsmedizinisch wichtigsten Viren, inaktiviert [61][405][613]. Wenn keine neutralisierenden Antikörper vorliegen, erhöht die Poolung (beim S/D-Verfahren) das Risiko für Infektionen mit nichtumhüllten Viren [329], da dann das Plasma eines Spenders viele Empfänger infizieren kann. Für HAV und Parvovirus B19 dürfte die Poolung wegen der hohen Frequenz neutralisierender Antikörper dagegen einen Vorteil bedeuten. Hinsichtlich HIV und HCV erhöhen beide Verfahren die Virussicherheit in etwa gleichem Maße wie die Quarantänelagerung der Plasmen. Da es sich bei den Virusinaktivierungsverfahren für Frischplasma um 1-stufige Verfahren handelt, ist eine Virusinaktivierung von mehr als 106, auch wenn sie gegeben sein sollte, durch eine Validierung (7 s. unten) kaum zu belegen. Bei beiden Virusinaktivierungsverfahren bleiben die therapeutisch wirksamen Bestandteile größtenteils intakt oder werden, wenn überhaupt, meist nur geringfügig vermindert [57][269][288][374] [613]. Allerdings scheint die Verminderung von α2-Antiplasmin beim SD-Plasma gelegentlich zu schweren Zwischenfällen zu führen [172]. Weitere Verfahren zur Virusinaktivierung von Frischplasma befinden sich in Erprobung (Intercept- und Mirasol-Verfahren), sie sind aber gegenwärtig in Deutschland noch nicht zugelassen.
Pathogeninaktivierung von zellulären Blutprodukten 7 Übersicht: [10][82][157][161][319][597]
38
Für einige Verfahren zur Pathogeninaktivierung von zellulären Blutprodukten, insbesondere von Thrombozyten, sind die klinischen Prüfungen abgeschlossen, so für das Intercept- und das Mirasol-Verfahren (SPRINT und EUROSPRITE bzw. MIRACLE). Am 1.10.2009 waren von zwei Blutspendediensten in Deutschland je zwei Thrombozytenpräparate, behandelt zur Pathogeninaktivierung, zugelassen (Ê www.pei.de). Attraktiv ist ihre Wirkung auf alle Klassen von Pathogenen von Viren bis zu Protozoen (z. B. [257]
[406][448][449]). Gegen unbehüllte RNS-Viren (z. B. Hepatitis-AVirus) scheinen diese Verfahren jedoch unwirksam zu sein. Es handelt sich immer um einstufige Verfahren, für die die Möglichkeit der Evaluierung ihrer Wirkung systembedingt begrenzt ist, meist auf 4–6 log10-Stufen, also eine Reduktion auf 1/10.000–1/1.000.000. Für die Inaktivierung von Bakterien bedeutet dies kaum eine Einschränkung, da diese meist nur in geringer Anfangskonzentration im Präparat vorkommen. Die Inaktivierung transfusionsmedizinisch relevanter Viren ist nur in Situationen von Bedeutung, die nicht schon durch die serologische Testung erkannt werden. In diesen Situationen kann die Viruslast aber immer noch sehr hoch sein, bei HBV z. B. 106 Viruspartikel pro Vollblutentnahme bei negativem HBsAg-Test, bei HCV bis zu etwa 107 Viruspartikel pro Vollblutentnahme trotz negativer PCR gemäß den PEI-Vorschriften. Die Viruslast von Parvovirus B19, auf das serologisch nicht getestet wird, kann mehr als 1015 Partikel pro Vollblutentnahme betragen. Zwar entspricht mutmaßlich nicht jedes Viruspartikel einer infektiösen Einheit (HBV und HCV), aber bei der Inaktivierung einer solchen Infektiosität bliebe in der Validierung kaum eine Reserve. Für Parvovirus B19 würden die Möglichkeiten der Validierung überschritten. In dieser Situation wäre eine Virusinaktivierung zwar möglich, aber nicht zuverlässig durch Modellversuche zu beweisen. Zudem ist die Vergleichbarkeit der Modellviren mit den Viren, für die die Aussage eigentlich gemacht werden soll, ein für jeden Fall neu zu diskutierendes Thema. So könnte letztlich die Einführung von Pathogeninaktivierungsverfahren zu zusätzlichen NAT-Tests führen, mit denen dann die Viruslast des zu inaktivierenden Präparates begrenzt werden soll. Andererseits wird man zwar möglicherweise auf die TPHATestung, wahrscheinlich aber nicht auf die bisher übliche serologische Virustestung verzichten, sodass nennenswerte Einsparungen, die gegen die Kosten der Verfahren aufgewogen werden können, fraglich sind. Insgesamt werden die meisten Pathogene von den Inaktivierungsverfahren relativ gut inaktiviert. Einen echten Vorteil bieten Inaktivierungsverfahren bei bakterieller Kontamination, und ggf. bei neu auftretenden viralen Erregern, z. B. dem in den USA neu aufgetretenen West-Nil-Virus. Auch hätten HIV-Übertragungen durch Blutprodukte verhindert werden können, wenn diese Technologie damals schon verfügbar gewesen wäre. Für jedes Inaktivierungsverfahren muss neu geklärt werden, ob seine Anwendung zu einer partiellen Wirkungseinbuße der Präparate [135][471] und/oder möglicher Neoantigenität führt. Dabei ist besonders die mögliche verminderte Wirkung der inaktivierten Präparate methodisch schwer zu erfassen. Schließlich wirken alle derzeit in der Diskussion befindlichen Verfahren auf die Nukleinsäuren des Erregers, könnten u. U. aber auch, falls sie nicht vollständig entfernt werden können, auf die Nukleinsäuren des Empfängers des Präparates wirken. Sie sind damit zumindest potenziell mutagen, wenn man annimmt, dass es für Mutagenität keinen unteren Grenzwert gibt. Es gibt zahlreiche Tests, mit denen diese Risiken bei der Zulassung von Präparaten ausgeschlossen werden sollen. Das durch die Pathogeninaktivierung zu bekämpfende Risiko der Konsequenzen von transfusionsübertragenen Infektionen ist aber ebenfalls verschwindend gering, für alle Infektionen in Deutschland zusammen etwa 1:500.000 (HIV 1:5.000.000, Bakterien 1:700.000). Es erscheint nun ethisch geboten zu fordern, dass der Tod durch zusätzlich induzierte Neoplasmen und andere Nebenwirkungen der Pathogeninaktivierung nicht häufiger sein sollte als der Tod durch Infektionen, die mit der Pathogeninaktivierung verhindert werden. Ob die bisher durchgeführten
38.4 • Maßnahmen zur Verbesserung der Infektionssicherheit bei der Herstellung von Plasmaderivaten
Tests solch niedrige Risiken zuverlässig ausschließen können, ist nicht ganz sicher. Von großer Bedeutung für eine evtl. Entscheidung für die Inaktivierung ist die Vermeidung von Übertragungen neuer »emerging pathogens«. 38.4
Maßnahmen zur Verbesserung der Infektionssicherheit bei der Herstellung von Plasmaderivaten
557
38
einer Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze der NAT im Kleinpool können in den Plasmapool zur Fraktionierung gelangen. Werden beim Aussortieren von Spenden fälschlicherweise Spenden in der frühen Phase der Infektion, vor der Bildung von Antikörpern, aber mit einer hohen Viruslast, nicht vernichtet, würde eine hochtitrige Spende, insbesondere die eines HCV- oder HIV-infizierten Spenders, zu einer Viruslast im Fraktionierpool führen, die durch die NAT-Testung an diesem Pool sicher erkannt würde. Ein solcher Pool würde vernichtet werden. Ein Beispiel der Testung von Plasma zur Fraktionierung mit NAT in der Praxis beschreibt Liss [366].
7 Übersicht: [111][283][284][285][414]
Bei der Herstellung von Plasmaderivaten wird das Plasma von sehr vielen Einzelspendern in einen Pool zusammengeführt und damit die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination des gesamten Pools durch Infektionserreger der Poolgröße entsprechend erhöht. Das Infektionspotenzial der Produkte ergibt sich: 5 aus der Infektionsbelastung des Ausgangsmaterials, 5 während der Verarbeitung aus dem Grad der Abtrennung von Infektionserregern in nicht weiterverarbeitete Fraktionen (Viruseliminierung) sowie 5 aus der Leistungsfähigkeit der eingesetzten virusinaktivierenden Verfahren. Neben den für den Einzelspender relevanten Schritten (Spenderauswahl, ärztliche Untersuchung, Labortestung, vertraulicher Selbstausschluss) führen die Plasmahersteller eine Sperrlagerung für mindestens 60 Tage durch, während der sie Spenden von Spendern mit späteren Serokonversionen aus den Pools fernhalten können. Die Infektiosität der aus dem Pool hergestellten Plasmaderivate kann außerdem durch verschiedene weitere Maßnahmen verringert werden.
38.4.1
Größenbegrenzung und Untersuchung des Plasmapools
Eine Begrenzung der Poolgröße stellt wegen der sehr guten Testung und der hochwirksamen Virusreduktion (Inaktivierung und Entfernung) durch das Herstellungsverfahren keine wesentliche Verbesserung der Sicherheit bezüglich HIV, HCV und HBV dar [107], sodass die damit verbundenen Nachteile nur zu rechtfertigen wären, wenn Infektionen durch unbekannte Erreger auftreten. Da sich nicht sicher ausschließen lässt, dass infektiöses Plasma in einen Plasmapool gelangt und ihn kontaminiert und sich weiterhin gezeigt hat, dass die Verfahren zur Virusinaktivierung im Einzelfall versagen können (7 Abschn. 38.5), muss seit Juli 1999 Plasma zur Fraktionierung in Europa negativ sein in einem NAT auf HCVRNS mit einer Empfindlichkeit von 100 IU/ml [71]. Zusätzlich wird das gepoolte Plasma auf HBsAg und Antikörper gegen HIV-1/2 sowie auf freiwilliger Basis mit NAT auf die Genome weiterer transfusionsmedizinisch relevanter Viren (HBV, HIV-1 [505], HAV, Parvovirus B19 [Testung für S/D-Plasma und Anti-D-Immunglobulin vorgeschrieben]) getestet (s. auch [209]). Die Pooltestung von Plasma wird als In-Prozess-Kontrolle zur Qualitätssicherung durchgeführt; nur nichtreaktive Plasmapools zur Fraktionierung werden zu Plasmaderivaten weiterverarbeitet. Voraussetzung für diese Freigabetestung ist die Testung von Proben von Spenden in Kleinpools (üblicherweise ca. 100–500 Spenden), die bei einem positiven Ergebnis im Probenpool schrittweise in noch kleineren Probenpools getestet werden, um schließlich die reaktive(n) Spende(n) im Kleinpool zu identifizieren. Spenden mit
38.4.2
Viruseliminierung und Virusinaktivierung
7 Übersicht: [216]
Werden die Viruspartikel während der Fraktionierung oder Reinigung von der gewünschten Substanz abgetrennt, spricht man von Viruseliminierung. Derzeit verwendete Methoden zur Viruseliminierung umfassen die Alkoholfraktionierung, andere Präzipitationsschritte, verschiedene chromatographische Reinigungsmethoden oder Teilschritte hiervon und die Virus-(Nano)filtration; diese Virusfiltration wird in das Herstellungsverfahren ausschließlich zur Erhöhung der Virussicherheit eingeführt und nicht zur Reinigung oder Konzentrierung des gewünschten Proteins [401]. Durch Eliminierung kann die Belastung des Materials mit infektiösen Viren zwar wirksam vermindert, in der Regel aber nicht vollständig beseitigt werden. Bei der Produktion von Immunglobulinen wird HIV hauptsächlich mit der Paste III der Ethanol-Kälte-Fraktionierung entfernt, geringfügig auch mit der Paste I. BVDV, ein Modellvirus für HCV, wird während der Fraktionierung zu Immunglobulin nicht eliminiert. Die Erfahrungen mit HCV-Infektionen durch ein bestimmtes Immunglobulinpräparat haben gezeigt, dass Anwesenheit spezifischer Antikörper (hier Anti-HCV) einen positiven Einfluss auf die Virusabreicherung während der Produktion haben kann [630]. Umgekehrt verbleiben viele Viren im Kryopräzipitat, dem Ausgangsmaterial für die Herstellung von Faktor VIII, und schaffen damit ungünstigere Bedingungen für die Virusinaktivierung. PPSB hingegen wird aus kryopräzipitatarmem Plasma hergestellt. Eine Virusinaktivierung, d. h. die Beseitigung der Infektiosität von Viren im weiterzuverarbeitenden Material oder im Endprodukt, kann durch verschiedene physikalische oder chemische Methoden erfolgen. Die Auswahl der Methoden ist dadurch begrenzt, dass das Endprodukt seine biologische Aktivität ohne schwerwiegende Verluste behalten muss und dass sich durch die Virusinaktivierung im Endprodukt keine neuen Antigene und keine toxischen oder kanzerogenen Substanzen bilden bzw. im Endprodukt verbleiben dürfen. Gegenwärtig sind zur Virusinaktivierung die verschiedensten Varianten der Hitzebehandlung (Erhitzen in Lösung, Erhitzen des lyophilisierten Produkts im Endbehälter (trockene Hitze) oder eines lyophilisierten Zwischenproduktes unter definierter Restfeuchte), der Lipidextraktion (Solvens/Detergenz) und der chemischen Inaktivierung (niedriger pH-Wert, bei Immunglobulinen) in Gebrauch (7 Kap. 19). Alle therapeutisch angewandten Produkte aus Poolplasma werden heute virusinaktivierenden Verfahren unterworfen. Der Erfolg der Viruseliminierung und -inaktivierung hängt von mehreren Faktoren ab: 1. Zunächst müssen die verwendeten Methoden in der Lage sein, mehr Virus, als unter ungünstigsten Umständen im Ausgangsplasmapool vorkommen kann, zu eliminieren bzw. zu inaktivieren. Bei in dieser Hinsicht »grenzwertigen« Verfahren könnte es zu Infektionsübertragungen kommen, wenn die
558
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
Virusbelastung des Ausgangspools ungewöhnlich hoch ist. Es hat sich gezeigt, dass die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines sicher erscheinenden Verfahrens nach der Produktion vieler Chargen und der Behandlung zahlreicher Patienten irgendwann doch überschritten wurde. 2. Die Verfahren müssen konsequent in einem standardisierten Herstellungsprozess durchgeführt werden. Temperaturen, Inkubationszeiten, Konzentrationen von Zusätzen, z. B. Stabilisatoren und Restfeuchtigkeit im Lyophilisat können die Leistungsfähigkeit der Virusinaktivierung beeinflussen und müssen sorgfältig erfasst und kontrolliert werden. 3. Eine strikte Einhaltung der »good manufacturing practice« ist unerlässlich. Dazu gehört die Kontrolle aller Details des Produktionsprozesses (Produkt und Personal) bis hin zur Reinigung der Maschinen und der Wasser- und Luftversorgung. Ein Fehler in einem dieser Bereiche könnte zur Kontamination eines an sich virusfreien Produktes führen.
38.4.3
Validierung der Virussicherheit
Die Prüfung der Herstellungsverfahren für Blutpräparate auf Virussicherheit (Validierung) kann im Laborversuch durch eine Nachbildung des Produktionsvorgangs, im Tierversuch und in klinischen Studien mit Patienten erfolgen.
Validierung im Labor Die Validierung im Labor wurde durch die Richtlinie 89/381/EWG und zahlreiche Folgeregelungen verbindlich festgeschrieben. Durch diese sog. Validierungsstudien wurden sehr wesentliche Erkenntnisse über das Verhalten von Viren während des Produktionsprozesses von Plasmapräparaten erzielt, die bereits direkte Rückwirkungen auf die Verfahren hatten. Für die quantitative Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Virusinaktivierung geht man davon aus, dass die Virusmenge durch einen Produktionsschritt auf einen bestimmten Bruchteil reduziert wird, misst diesen und gibt den Kehrwert als log10-Stufe an. Die Verminderung auf 1/100 entspräche so einer Abreicherung um 2 log10-Stufen, die auf 1/1.000.000 einer Abreicherung um 6 log10Stufen. Für die Berechnung der Gesamteffektivität des Virusinaktivierungsverfahrens werden die Abreicherungsfaktoren der Einzelschritte multipliziert bzw. deren log10-Stufen addiert. Zu beachten ist, dass der Virusgehalt in einem Endprodukt rechnerisch nie Null erreichen kann, sondern bei Werten unter 1 pro Produktcharge ein entsprechender Anteil von vielen Chargen theoretisch ein infektiöses Virus behält. Im praktischen Validierungsversuch werden einzelnen Teilschritten des Produktionsprozesses verschiedene, möglichst hoch konzentrierte Virussuspensionen zugegeben, und es wird die Verringerung der Virusbelastung bei diesem Produktionsschritt in geeigneter Form ermittelt. Dabei müssen zahlreiche Beschränkungen der Aussagekraft dieser Validierungsmethoden bedacht werden.
Maßstabsverkleinerung (»Scaling Down«)
38
Naturgemäß darf die Validierungsstudie nicht in der Produktionsanlage durchgeführt werden; diese ist auf Labormaßstab zu verkleinern. Proteinkonzentrationen, Puffer, pH, Temperatur, weitere Produktionsparameter und schließlich das Endprodukt müssen gegenüber der großmaßstäblichen Produktion unverändert bleiben. Probleme können sich in Zusammenhang mit Durchmischungen und Durchströmungen ergeben. Die Validierung des Produktions-
verfahrens im Labormaßstab stellt vielfach den aufwändigsten Teil der Validierung der Virussicherheit dar.
Testung in Teilschritten Die geforderte Virusabreicherung wird nicht für den gesamten Produktionsprozess in einem Zug getestet, weil keine Virussuspensionen in der dafür erforderlichen Konzentration zur Verfügung stehen und ein »Downscale« des gesamten Herstellungsverfahrens in einen Labormaßstab praktisch kaum möglich ist. Stattdessen wird die Virusabreicherung in den einzelnen Produktionsschritten getrennt gemessen. Bei Virusinaktivierungsschritten spielt die Kinetik der Virusverminderung, d. h. die Abnahme der Virusinfektiosität während des Produktionsteilschrittes über die Zeit, eine besondere Rolle, da sie direkte Rückschlüsse auf die Sicherheitsreserven des Inaktivierungsschrittes erlaubt. Bei Viruseliminierungsschritten ist die Bilanz der zugegebenen Virusmenge von großer Wichtigkeit, d. h. die in das Ausgangsmaterial des Produktionsschrittes gegebene Virusmenge muss als Summe in den daraus hergestellten Fraktionen wiedergefunden werden. Die log10-Stufenabreicherung der einzelnen Produktionsschritte wird für die Berechnung der Gesamtabreicherung addiert. Dies setzt voraus (ohne dass es immer bewiesen ist!), dass die Verminderung durch Inaktivierung oder Eliminierung in den einzelnen Schritten unabhängig erfolgt und dass alle Viren, die nach dem ersten Produktionsschritt noch infektiös sind, voll empfindlich sind für die Abreicherung der nachfolgenden Produktionsschritte. Daraus folgt, dass die Teilschritte, die für die Berechnung der Gesamtabreicherung herangezogen werden, unterschiedliche Angriffspunkte haben müssen.
Modellviren Ein besonderes Problem der Validierungsstudien betrifft die Auswahl der zu testenden Viren. Virusvalidierungsstudien sollten mit transfusionsrelevanten Viren durchgeführt werden; zur Zeit stehen jedoch nur für HIV und HAV praktikable Zellkultursysteme für deren Vermehrung zur Verfügung, sodass für die übrigen Viren Modellviren herangezogen werden müssen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Laborstämme von HIV (und HAV) möglicherweise von den im Blut/Plasma vorkommenden Stämmen unterscheiden und somit ebenfalls nur Modellviren darstellen. Noch problematischer sind Validierungsstudien für HBV und HCV, da deren Infektiosität bisher nur im Schimpansenversuch oder in der schwierig zu erhaltenden chimären immundefizienten Maus mit ausreichender Empfindlichkeit gemessen werden kann. Für die HBV-Testung stehen zwar hochtitrige Plasmen zur Verfügung, die Testung der Infektiosität im Schimpansenversuch ist aber wegen des Tierschutzes kaum noch durchführbar und die mittlerweile verfügbaren Zellkultursysteme sind zu unempfindlich. Deshalb werden bei den Virusvalidierungsstudien für diese Viren Modellviren benutzt. Als bestes Modellvirus für HCV wird derzeit das bovine Diarrhoevirus (BVDV) betrachtet, obwohl seine Strukturproteine anders aufgebaut sind. Bei den Hepadnaviren kommen die Eigenschaften des Woodchuck-Hepatitisvirus (WHV) [575] dem humanen Virus näher als die des Duck-Hepatitis-B-Virus (DHBV). Beide Viren werden jedoch von den Behörden nicht als praktikables Testsystem für HBV in Virusvalidierungsuntersuchungen angesehen [163], sodass statt dessen unspezifische Methoden von zweifelhaftem Nutzen (wie z. B. animale Herpesviren) verwendet werden. Animale Parvoviren werden häufig als Modellviren für B19 V benutzt, auch wenn Blümel und Mitarbeiter [87] Studien und eigene Beobachtungen zitieren, nach denen Parvovirus B19 durch Hitze rascher inaktiviert wird als animale Parvoviren.
559
38.5 • Virusinfektionen durch Plasmaderivate
Insgesamt werden unterschiedliche Viren in den Validierungsstudien eingesetzt, d. h. umhüllte und nichtumhüllte, RNS- und DNS-haltige Viren, Viren mit großem, mittlerem und kleinem Durchmesser sowie Viren mit unterschiedlicher Empfindlichkeit gegen physikochemische Einflüsse. Auf diese Weise ergeben sich indirekte Hinweise, dass das Herstellungsverfahren auch »neue« Viren inaktivieren und/oder eliminieren kann [162]. Von diesen relevanten Viren und Modellviren lassen sich sowohl relativ hochtitrige Virussuspensionen gewinnen als auch das Endprodukt und alle Seitenfraktionen des jeweiligen Produktionsschrittes in der Zellkultur auf Infektiosität testen. Viele Validierungsstudien für nichtumhüllte Viren erfolgten ursprünglich mit Polioviren. Diese sind aber viel weniger hitzeresistent als z. B. HAV und täuschten so in den Validierungsstudien eine bessere als die tatsächlich mögliche Inaktivierung vor.
Streuung der Ergebnisse Bei der Bewertung der Ergebnisse der Validierung ist zu berücksichtigen, dass diese innerhalb eines gewissen Vertrauensbereiches (z. B. dem 95-%-Konfidenzintervall) schwanken. Die tatsächliche Abreicherung liegt allein schon aus mathematischen Gründen bei der Hälfte der Chargen mehr oder weniger deutlich unter dem ermittelten Mittelwert. Relevant ist folglich nicht der mittlere Wert, sondern die Untergrenze des Vertrauensbereiches, die dann besagt, dass die ermittelte Virusabreicherung statistisch gesehen bei 95% der behandelten Produktchargen auch erreicht wird, bzw. das ungünstigste in mehreren Versuchen einer Reihe erzielte Inaktivierungsergebnis.
Einhaltung der validierten Produktionsbedingungen Auch exzellente Ergebnisse in der Validierung sind keine Garantie für die Konstanz der tatsächlichen Produktionsbedingungen und für die Einhaltung der »good manufacturing practice« (Kreuzkontamination während der Produktion).
38
Validierung durch klinische Studien In den 70er und bis in die späten 80er Jahre hinein wurde versucht, die Virusinaktivierung eines Plasmapoolpräparates durch klinische Studien zu belegen. Bei diesen wurde das Präparat an zuvor nicht behandelten Patienten angewendet und die Patienten engmaschig kontrolliert. Die Aussagekraft einer solchen klinischen Prüfung ist aber sehr begrenzt. Nach einer einfachen statistischen Regel bedeutet die Nichtbeobachtung eines Ereignisses in einer Gruppe beliebiger Größe ein Restrisiko von 0–3 Fällen unter Zugrundelegung eines Vertrauensbereiches von 95%. Um ein Restrisiko von weniger als 1/1000 in einer klinischen Prüfung nachzuweisen, müssten mindestens 3000 Patienten an der Prüfung teilnehmen, und bei keinem von ihnen dürfte eine Infektion auftreten. Wenn also in klinischen Prüfungen oder in der Feldanwendung des Plasmapräparates Infektionen trotz Virusinaktivierung nachgewiesen werden, spricht dies für eine mangelnde Wirksamkeit des Verfahrens oder einen schweren Produktionsfehler. 38.5
Virusinfektionen durch Plasmaderivate
Trotz fortwährender methodischer Verbesserungen des Plasmafraktionierungsprozesses sind bis 1994 Infektionen durch Plasmaderivate mit HBV (Faktor VIII, PPSB, Immunglobuline), HCV (Faktor VIII, Immunglobuline) und HIV (Faktor VIII, Faktor IX und PPSB) aufgetreten, HAV- und Parvovirusinfektionen auch noch danach. Eine Übersicht einschließlich umfassender Literaturangaben für die ersten 4 Viren findet sich bei [126]. Die letzten Übertragungen von HAV- und Parvovirusinfektionen werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt. Hinweise für die Ermittlung der Ursächlichkeit geben Schosser et al. [532].
38.5.1
HAV-Infektionen durch Faktor VIII und IX
Restrisiko Das theoretische Restrisiko der Infektiosität hängt v. a. von der Gesamtabreicherung während des ganzen Produktionsprozesses ab und muss für jedes transfusionsmedizinisch relevante Virus gesondert abgeschätzt werden. Dabei muss im Auge behalten werden, dass selbst die vom Paul-Ehrlich-Institut vorgeschlagene, als Minimalforderung angesehene Gesamtabreicherung von 10 log10-Stufen für umhüllte Viren und von 6 log10-Stufen für nichtumhüllte Viren im Einzelfall Infektiosität nicht ausschließen kann, insbesondere wenn die Viruslast im Plasmapool zur Fraktionierung sehr hoch ist (keine NAT-Testung für die transfusionsrelevanten Viren im Kleinpool und keine NAT-Freigabe des Fraktionierpools).
Validierung im Tierversuch Eine Validierung der Virusinaktivierung im Tierversuch kann im Prinzip durch Infektionsversuche mit Tieren, in der Vergangenheit z. T. Schimpansen, vorgenommen werden, bei denen Infektionen des Menschen mit HBV, HCV und HIV nachgebildet werden. Schimpansen sind für HBV- und HCV-Infektionen empfindlicher als jedes In-vitro-Testsystem. Grundsätzliche Schwierigkeiten liegen in der geringen Anzahl von Schimpansen, die für solche Versuche zur Verfügung stehen, in dem Aufwand, den Kosten und der fraglichen ethischen Vertretbarkeit solcher Versuche. Das humanisierte Mausmodell ist zwar voll suszeptibel für HBV, die anwendbaren Inokula sind aber sehr klein [564].
Mit verschiedenen Chargen eines S/D-behandelten, affinitätschromatographisch gereinigten Faktor-VIII-Präparats wurde HAV auf mindestens 88 Hämophile übertragen [240][382][464][574]. Anhaltspunkte für die Ursächlichkeit des Präparates waren zunächst epidemiologisch [240][305], in einigen Fällen konnte aber auch die Identität der Genomsequenzen bei Behandelten und im Präparat gezeigt werden [383]. Weitere HAV-Übertragungen durch Gerinnungsfaktoren wurden beschrieben in Südafrika durch Kedda [315], in Irland durch Lawlor [344], in den USA durch Soucie [550] und, wiederum in Deutschland, von Chudy [152]. In Norwegen sind im Jahr 1999 4 Fälle im Arbeitskreis Blut zitiert [27]. Die Infektionskette bei den amerikanischen Fällen sicherten Robertson [510] durch den Vergleich der Genomsequenzen in Plasmapool, Präparaten und Empfängern und Chudy [153] zusätzlich durch die Übertragung der Infektion auf Tamarin-Affen. Die Möglichkeit der Übertragung von HAV durch hochreine Faktor-VIII-Präparate wird auch dadurch begründet, dass in den Präparaten praktisch keine Immunglobuline enthalten sind, die eine geringe Kontamination mit HAV hätten neutralisieren können. Thermisch inaktivierte Präparate waren bislang HAV-sicher, obwohl HAV relativ thermostabil ist [422].
38.5.2
Parvovirusinfektionen durch Faktor VIII
Parvovirus B19 kann eine Virämie mit 1014 Viruspartikeln pro ml Plasma hervorrufen. Ein virämischer Träger kann also einen gro-
Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
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ßen Plasmapool stark kontaminieren, jedoch enthält der Pool auch neutralisierende Antikörper, da 30–70% der Spender die Infektion bereits durchgemacht haben. Parvovirus B19 ist nicht lipidumhüllt und durch S/D-Verfahren nicht zu inaktivieren. In 1/4 [349] bis mehr als 1/3 [632] der untersuchten FaktorVIII-Konzentrate war Mitte der 1990er Jahre Parvovirus-B19-DNS nachweisbar. In Präparaten, die durch Pasteurisierung virusinaktiviert wurden, scheint die DNS seltener nachweisbar zu sein [632]. Mit Faktor VIII substituierte Hämophile haben signifikant häufiger eine Parvovirus-B19-Infektion durchgemacht als entsprechende Kontrollpersonen [64][258][410], und zwar unabhängig davon, ob die Präparate virusinaktiviert waren oder nicht [258]. Eine geringere Frequenz ergibt sich nur bei der Verwendung kleinerer Pools [512] oder von Einzelspenderkryopräzipitat [410]. Serokonversion bei einem Patienten in direktem Zusammenhang mit Faktor-VIIIBehandlung dokumentieren Blümel et al. [87]. Zwar bedeutet der Nachweis von DNS im Präparat nicht notwendigerweise Infektiosität, jedoch wurden in zahlreichen Studien Serokonversionen im Zusammenhang mit der Anwendung von Faktor-VIII-Präparaten dokumentiert, die trockenerhitzt, dampferhitzt, pasteurisiert oder mit S/D behandelt waren [59][60][64][410][520]. Ein Gehalt von >104 B19-DNS-Kopien/ml im Produkt führte zu infektiösen Produkten [101]. Während die frühen beschriebenen Infektionen noch völlig symptomlos waren [59][410], zeigten die von Lyon et al. [375], Morfini et al. [409] und von Yee et al. [625] beschriebenen Fälle klinische Symptome. Lefrère et al. [349] postulieren, dass die schweren und andauernden Erythroblastopenien bei HIV-infizierten Hämophilen auf B19-Infektionen zurückgehen. Inzwischen haben zahlreiche Hersteller von Plasmaderivaten eine Parvovirus-B19-Testung ihres Plasmas eingeführt, mit der sie hochvirämische B19-Virusträger ausschließen, um die Plasmapool-Belastung auf ≤104 IU/ml zu begrenzen.
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38.6
Virussicherheit rekombinanter Präparate 20
In den letzten Jahren werden Gerinnungsfaktoren zunehmend durch Präparate ersetzt, die in gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden. Sofern es sich um Zellen bzw. Zusatz zu den Kulturmedien von Säugetieren handelt, lässt sich eine Kontamination mit Viren, die auch humanpathogen sind, nicht vollständig ausschließen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Wirkstoffe bisher meist mit Humanalbumin stabilisiert wurden und erst neuerdings albuminfreie Präparate verfügbar wurden. Nach derzeitigem Kenntnisstand gelten die Präparate als sicher bezüglich humanpathogener Viren.
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Kapitel 38 • Durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten
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575
Methodischer Anhang Kapitel 39
Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern – 577 A. Salama und G. Heymann
Kapitel 40
Nachweis von thrombozytären Antigenen und Antikörpern – 591 V. Kiefel und S. Santoso
Kapitel 41
Nachweis von granulozytären Antigenen und Antikörpern – 597 A. Reil und J. Bux
Kapitel 42
Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität – 605 R. Waßmuth
VIII
577
Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern A. Salama und G. Heymann
39.1
Grundbegriffe – 578
39.2
Techniken – 578
39.2.1 39.2.2 39.2.3 39.2.4 39.2.5 39.2.6 39.2.7
Agglutinationstest – 578 Supplementtests: Albumintest, LISS – 578 Enzymtest – 579 Antiglobulintest (Coombs-Test) – 579 Kartentest – 579 Hämolysetest – 580 Säurehämolysetest (Ham-Test) – 580
39.3
Blutgruppenbestimmungen – 580
39.3.1 39.3.2 39.3.3 39.3.4
Bestimmung der ABO-Blutgruppen – 580 Rhesus- und andere Merkmale – 581 Molekulargenetische Blutgruppenbestimmung – 581 Automatisierte Blutgruppenbestimmung – 582
39.4
Nachweis und Spezifitätsbestimmung (Differenzierung) erythrozytärer Antikörper – 583
39.4.1 39.4.2 39.4.3
Antikörpersuchtest – 583 Antikörperdifferenzierung – 583 Festphasen-Testsysteme – 583
39.5
Spezielle Verfahren in der Diagnostik von Immunhämolysen – 584
39.5.1 39.5.2 39.5.3
Elution von Wärmeantikörpern – 584 Elution von Kälteantikörpern – 584 Nachweis medikamentabhängiger Antikörper im Serum – 584
39.6
Befundkonstellationen und ihre Interpretation bei immunhämolytischen Syndromen – 585
39.6.1 39.6.2 39.6.3 39.6.4 39.6.5 39.6.6 39.6.7 39.6.8 39.6.9
Allgemeines – 585 Autoimmunhämolytische Anämien (AIHA) vom Wärmetyp – 585 Akute oder chronische Kälteagglutininkrankheit – 585 Paroxysmale Kältehämoglobulinurie (Donath-Landsteiner-Hämolyse) – 585 Immunhämolytische Anämien durch Alloantikörper: Morbus haemolyticus neonatorum – 586 Hämolytische Transfusionsreaktionen – 586 Nichthämolytische Transfusionsreaktionen durch Anti-IgA-Antikörper – 586 Medikamentös bedingte Immunhämolysen – 586 Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) – 587
39.7
Serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) – 587
39.8
Blutgruppenidentitätstest am Krankenbett (Bedside-Test) – 588 Literatur – 588
39
578
39
Kapitel 39 • Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern
Der serologische Nachweis erythrozytärer Antigene und Antikörper ist immer noch eine der Grundlagen der Transfusionsmedizin. Molekulargenetische Blutgruppenbestimmungen sind dagegen seltener angezeigt. In diesem Kapitel wird aus der Vielzahl möglicher Testverfahren eine repräsentative Auswahl beschrieben. Zur Qualitätssicherung der Methoden zum serologischen Nachweis erythrozytärer Antigene und Antikörper sei auf die aktuelle Fassung der »Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)« hingewiesen.
39.1
Grundbegriffe
Erythrozytäre Antigene sind Membranstrukturen, die zur Antikörperbildung (Immunisierung) führen können (7 Kap. 11). Diese gehören zu den Immunglobulinen der Klassen G, M und selten A. Die für die Blutgruppenserologie wichtigsten Antigen-AntikörperReaktionen sind die Hämagglutination und die direkte Hämolyse durch Komplementaktivierung. Nach ihrem serologischen Verhalten werden komplette und inkomplette Antikörper unterschieden: 5 Komplette Antikörper gehören meistens zur IgM-Klasse und führen zu sichtbaren Agglutinationen der Erythrozyten ohne Hilfsmittel 5 Inkomplette Antikörper bewirken dagegen ohne Hilfsmittel, z. B. Aufschwemmung der Erythrozyten in Supplement (Rinderserumalbumin [RA], kompatibles Humanserum, Dextran, Gelatine u. a.), proteolytische Enzymbehandlung der Erythrozyten (Bromelin, Papain, Trypsin, Ficin) oder Zusatz eines sekundären Antikörpers (Antihumanglobulintest, Coombstest) keine sichtbaren Agglutinationen. Je nach ihrer optimalen Reaktionstemperatur bei 37 °C oder in der Kälte (0–4 °C) werden erythrozytäre Antikörper als Wärme- oder Kälteantikörper bezeichnet. Während die Wärmeantikörper auch bei niedrigeren Temperaturen mit Erythrozyten reagieren können, zeigen Kälteantikörper keine Reaktionen bei 37 °C. Die höchste Temperaturstufe mit nachweisbarer Aktivität eines Kälteantikörpers wird Temperaturamplitude genannt (z. B. 28 °C). Hämolysierende Antikörper werden komplette und inkomplette Hämolysine genannt, je nachdem, ob sie in Anwesenheit von Komplement bereits zur Hämolyse von unbehandelten oder nur von enzymbehandelten Zellen führen. Die Reaktionsstärke mit den Antikörpern (Agglutinations-, Hämolysegrad) wird semiquantitativ wie folgt abgestuft: 5 negativ (-): keine Agglutinationen, 5 diskret positiv ([+]): wenige Mikroagglutinationen, 5 schwach positiv (+): kleine Agglutinationen, 5 deutlich positiv (++): viele kleine und mittelgroße Agglutinationen, 5 stark positiv (+++): große Zahl von großen Agglutinationen, 5 sehr stark positiv (++++): komplette Agglutination aller Zellen, keine freien Zellen sichtbar.
einen sekundären markierten Antikörper (Radioimmuntest, Enzymimmuntest oder Flowcytometrie/FACS). Aufgrund der Reaktionsstärke eines Antikörpers mit Erythrozyten in vitro kann nicht immer eine Aussage über die klinische Relevanz des jeweiligen Antikörpers getroffen werden. Hier spielen außer der Konzentration auch die Immunglobulinsubklasse und die Komplementaktivierung eine Rolle (7 Kap. 6). 39.2
Techniken
39.2.1
Agglutinationstest
z Prinzip In Anwesenheit kompletter Antikörper werden Erythrozyten, die das korrespondierende Antigen tragen, agglutiniert. Der Test kann auf Objektträgern, auf Platten, im Röhrchen, in Kapillaren, in Mikrotiterplatten, in Elisa-Strips oder in »microtyping«-Kartensystemen (Kartentest) durchgeführt werden (7 Abschn. 39.2.5). Eine Automatisierung der meisten Testverfahren ist möglich. z Durchführung im Röhrchen oder auf Platten 1–3 Trpf. eines zu untersuchenden Serums werden zu 1 Trpf. Erythrozytensuspension (3–5% in NaCl) gegeben und gemischt. Je nach Antikörperavidität und -stärke kann die Reaktion sofort (z. B. Anti-A, Anti-B), nach kurzer (5–10 min) oder nach längerer Inkubation (30 min) abgelesen werden. Beim Röhrchentest lassen sich die Reaktionen durch kurzes Zentrifugieren (150 g, 30 s) verstärken. z Bemerkungen 5 Schwache, unspezifische Agglutinationen können bei Paraproteinämien, Kryoglobulinämien, Therapie mit Plasmaexpandern, Gerinnungsstörungen und gelegentlich bei anderen Erkrankungen vorkommen. Im Gegensatz zur spezifischen Reaktion lassen sich bei einer unspezifischen Agglutination keine Antikörper durch Absorption und Elution nachweisen. Reaktionen durch kältewirksame Antikörper lassen sich durch strikte Inkubation bei 37 °C (Vorwärmung aller verwendeten Reagenzien) verhindern. 5 Bereits vorsensibilisierte Erythrozyten können durch Zugabe kompletter Antikörper falsch-positive Agglutinationen zeigen; z. B. können Rh-negative Erythrozyten von Patienten mit autoimmunhämolytischer Anämie (AIHA) vom Wärmetyp durch komplette Anti-D-Antikörper agglutinieren. Bei der Verwendung von Kartentests müssen die Vorgaben des Herstellers beachtet werden. 5 Es muss darauf geachtet werden, dass bei manueller Berabeitung keine Testseren verschleppt werden. Schon beim Öffnen der Reagenzienflaschen kann getrocknetes Reagenz (z. B. lyophilisierte Antikörper) auf die Testsysteme »krümeln« und zu falsch-positiven Reaktionen führen.
39.2.2 Eine weitere semiquantitative Beurteilung ist eine Titerbestimmung. Hierbei wird das Serum/Plasma des Patienten vor der Testung verdünnt (meist geometrisch 1:2, 1:4, 1:8 usw.) und die letzte positive Titerstufe angegeben, z. B. 1:256. Damit ist die letzte Verdünnungsstufe gemeint, die mit den Erythrozyten eine schwach positive (+) Reaktion ergibt. Eine quantitative Bestimmung eines Antikörpers ist möglich durch direkte Markierung des Antikörpers oder indirekt durch
Supplementtests: Albumintest, LISS
z Prinzip Inkomplette Antikörper können in Anwesenheit hochmolekularer Lösungen, z. B. 20–30%igem Rinderalbumin (RA) oder Lösungen mit einer erniedrigten Ionenspannung, sog. LISS-Lösung (low ionic strenght solution), zur Agglutination antigenpositiver Erythrozyten führen.
579
39.2 • Techniken
z Durchführung Wie bei den Standardagglutinationstests, jedoch mit dem Unterschied, dass zu jedem Testansatz 1–2 Trpf. Supplementlösung oder LISS zugegeben werden.
39.2.3
Enzymtest
z Prinzip Durch proteolytische Behandlung (Fermentierung) von Erythrozyten werden die Reaktionen der meisten Antigene mit ihren korrespondierenden Antikörpern (Autoantikörper und zahlreiche Alloantikörper [Rh, Lea, Jka, Jkb, P1]) verstärkt; selten werden Antigen-Antikörper-Reaktionen nur nach proteolytischer Vorbehandlung der Erythrozyten nachweisbar (z. B. mit bestimmten Autoantikörpern und Anti-E-Antikörpern). In anderen Fällen werden durch die proteolytische Behandlung der Erythrozyten die Antigene teilweise oder ganz zerstört, sodass die Reaktionen mit spezifischen Antikörpern abgeschwächt oder ganz aufgehoben sind (Duffy [Fy], Mitchel [Mi], Verweyst [Vw], Gerbich [Ge], Cartwright [Yt], Chido [Ch], Rodgers[Rg], Lutheran [Lu], MNSs, Mg, Xga, Cla, Jea, Nya, Tn, Pr, JMH, Inb, die meisten Ena). Eine optimale Enzymbehandlung ist gegeben, wenn 5 keine unspezifischen Reaktionen der behandelten Zellen mit Normalseren auftreten, 5 die Reaktivität von Antikörpern gegen Rhesusantigene verstärkt wird, 5 die Reaktivität von Antikörpern gegen Duffy-Antigene aufgehoben oder stark abgeschwächt ist, 5 die Reaktivität der meisten Autoantikörper verstärkt wird. z Durchführung Enzymtests werden wie die oben beschriebenen Agglutinationstests durchgeführt, nur mit dem Unterschied, dass enzymatisch vorbehandelte Zellen (Papain, Trypsin, Ficin) verwendet werden oder dass das Enzym (Bromelin) dem Reaktionsansatz beigefügt wird. z Bemerkungen 5 Antikörper, die nur mit enzymbehandelten Zellen reagieren, sind in der Regel klinisch nicht relevant [10]. 5 Die Zugabe eines Enzyms zum Ansatz, z. B. Bromelin, kann durch eine Verdünnung des Testserums zu einem falsch-negativen Ergebnis bei schwachen, niedrigtitrigen Antikörpern führen. In diesem Fall sollte ein Ansatz mit enzymbehandelten Erythrozyten erfolgen. 5 In einigen Fällen liegen beim Patienten Antikörper vor, die gegen das verwendte Enzym gerichtet sind (z. B. papainspezifische Antikörper). Hierbei kommt es dann zu Agglutination aller mit diesem Enzym vorbehandleter Testerythrozyten.
39.2.4
39
monospezifische Antikörper gegen die einzelnen Komponenten verwendet. z Durchführung im Röhrchensystem Wenn die Zellen bereits in vivo sensibilisiert sind (z. B. bei der AIHA vom Wärmetyp), werden sie 3- bis 4-mal mit dem 10-fachen Volumen einer geeigneten Lösung gewaschen und direkt mit AHG inkubiert (direkter Antiglobulintest). Bei In-vitro-Sensibilisierung werden die Zellen zunächst mit dem zu untersuchenden Material (z. B. Serum, Eluat u. a.) inkubiert, dann gewaschen und danach mit AHG versetzt (indirekter Antiglobulintest). Zu 1 Trpf. sensibilisierter Erythrozytensuspension (3%) werden 1–2 Trpf. AHG zugegeben, gemischt und bei Raumtemperatur inkubiert. Nach 1–2 min und erneut nach 15 min wird auf Agglutination geprüft [9]. Zur Verstärkung der Reaktion kann das Röhrchen kurz angeschleudert werden (150 g, 30 s). Bei negativer Reaktion wird die Wirksamkeit des AHG mit IgG-beladenen Testerythrozyten geprüft. z Bemerkungen Die Testung im Röhrchensystem wird inzwischen relativ selten durchgeführt. Die meisten Labors verwenden Kartentests oder Festphasen-Testsysteme und Mikrotiterplatten (7 Abschn. 39.4.3). 5 Zur Vermeidung einer Prozone (mit falsch-negativem Resultat), insbesondere im direkten Antiglobulintest, sollten Antihumanglobulinseren entweder in verschiedenen Verdünnungen benutzt oder die Erythrozyten nach der AHG-Phase einmal mit NaCl gewaschen und dann auf Agglutination geprüft werden [26]. 5 Zum Nachweis von in vivo gebundenen Komplementkomponenten müssen die verwendeten AHG Anti-C3d enthalten [15]. 5 Bei schwacher Erythrozytensensibilisierung oder bei Beladung mit inkompletten IgM-Antikörpern kann der Antiglobulintest negativ sein. In solchen Fällen sind empfindlichere Methoden erforderlich (Anreicherung der Antikörper durch Elution, Enzymimmuntest, FACS u. a.). 5 Zur Differenzierung der IgG-Subklassen zellgebundener Antikörper werden subklassenspezifische Antikörper verwendet (Anti-IgG1, -IgG2, -IgG3 und -IgG4). 5 Zur Verstärkung der Reaktionen im Antiglobulintest können als Suspensionslösung Supplement (z. B. 20–30% RA), LISS (»low ionic strenght solution«) oder als Additiv zum Inkubationsmedium LISS, PEG (Polyethylenglykol) oder andere Verstärkungsmittel verwendet werden (7 s. unten). 5 Beim sog. Enzym-Antiglobulintest werden proteolytisch vorbehandelte Erythrozyten eingesetzt. Wegen der häufig beobachteten unspezifischen Reaktionen sind Kontrollen unerlässlich.
Antiglobulintest (Coombs-Test) 39.2.5
z Prinzip Der Antiglobulintest (AGT) ist ein Zweiphasentest. In der 1. Phase werden die Erythrozyten mit inkompletten Antikörpern sensibilisiert und anschließend gewaschen. In der 2. Phase werden die Zellen durch Zugabe eines gegen menschliche Immunglobuline und Komplementfaktor C3 gerichteten Antiserums (Antihumanglobulinserum, AHG) sichtbar agglutiniert. Als AHG werden z. B. ein polyspezifisches Antiserum gegen IgG, IgM, IgA und C3d oder
Kartentest
z Prinzip Dieses Testverfahren findet inzwischen in vielen blutgruppenserologischen Labors Anwendung. Der Test ist sehr empfindlich und praktikabel für Antigenbestimmungen, Antikörperdifferenzierungen sowie für den indirekten und direkten Antiglobulintest. Anhand von Dichtegradienten und Mikropartikeln in Mikrotitersäulen werden verschiedene Partikelgrößen (freie Proteine, agglutinierte und nicht agglutinierte Erythrozyten) getrennt. Die Karten
580
Kapitel 39 • Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern
5 bei Wärmeautoantikörpern: pH auf 6,5 einstellen und 30 min bei 37 °C inkubieren; 5 bei Kälteautoantikörpern: pH auf 6,5 einstellen, zunächst bei 0–4 °C und dann bei 37 °C jeweils 30 min inkubieren; 5 bei Donath-Landsteiner-Antikörpern: pH auf 7,2–7,4 einstellen, bei 0–4 °C und dann bei 37 °C jeweils 30 min inkubieren.
39
Nach Inkubation werden die Röhrchen zentrifugiert und der Überstand visuell oder photometrisch auf Hämolyse geprüft [9][15]. . Abb. 39.1 Agglutinierte Erythrozyten bleiben in der Gelsäule hängen. Reaktionsstärken von links nach rechts: 4+, 3+, 2+, 1+, +/-, -
sind aus Kunststoff und enthalten 6 Mikrotitersäulen, die jeweils mit einer leeren Kammer, zum Teil mit Dichtegradientenflüssigkeit und zum Teil mit Mikropartikeln (»beads«) aus Gel oder Glas versehen sind. Die Mikropartikel befinden sich in NaCl-Lösung (sog. Leerkarten), in LISS-Lösung mit spezifischen Antikörpern (z. B. Anti-D, Anti-IgA, Anti-IgG, Anti-IgM und Anti-C3d) oder sind mit spezifischen Antikörpern beladen. Durch Zentrifugation sedimentieren unsensibilisierte Erythrozyten zum Boden der Säule, während »sensibilisierte« (mit Antikörpern beladene) Erythrozyten sichtbare Agglutinationen oberhalb oder innerhalb der Partikelschicht bilden (starke bzw. weniger starke Reaktionen) (. Abb. 39.1) [11][23]. z Material Serum, Erythrozyten, Karten, vom Hersteller zur Verfügung gestellte Diluenzien, Pipetten und Zentrifugen. Die Vorgaben der Hersteller sind zu beachten. z Bemerkungen Der Test hat viele Vorteile und einige Nachteile. Vorteile: 5 Die Sensitivität ist sehr hoch, 5 Waschvorgänge bei der Durchführung des AHG sind nicht notwendig, 5 die Reaktionen sind objektivierbar und über Tage ablesbar, 5 schwache und niederaffine inkomplette Antikörper werden erfasst. Nachteile: 5 Vermehrt unspezifische Reaktionen und die Erfassung klinisch irrelevanter Kälteantikörper. 5 Schwache Antikörper gegen Kidd-(Jk-)Antigene werden häufig nicht erfasst.
39.2.6
Hämolysetest
z Prinzip Bestimmte erythrozytäre Antikörper führen zu Komplementaktivierung an der Zelloberfläche und durch eine Zerstörung der Zellmembran zur Freisetzung des Hämoglobins. z Durchführung 0,1 ml Patientenserum, 0,2–0,3 ml frisches, ABO-kompatibles Serum (Komplement) und 0,02 ml einer 50%igen Testerythrozytensuspension werden gemischt. Je nach zu untersuchendem Serum sind folgende Bedingungen einzuhalten: 5 bei Allo- und Isoantikörpern: pH auf 7,2–7,4 einstellen und 30 min bei 37 °C inkubieren;
z Bemerkungen 5 Die hämolytische Aktivität der Antikörper nimmt durch Lagerung (auch in gefrorenem Zustand) ab. 5 Durch eine herabgesetzte osmotische Resistenz kann ein falsch-positives Ergebnis resultieren.
39.2.7
Säurehämolysetest (Ham-Test)
z Prinzip Durch Komplementaktivierung hämolysieren Erythrozyten von Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) leichter als normale Erythrozyten. Die Ansäuerung eines frischen Serums führt zu Komplementaktivierung und nach Inkubation mit PNH-Erythrozyten zu deren Hämolyse. z Durchführung 0,02 ml Erythrozytensuspension (50 % ig) werden mit 0,2–0,3 ml frischem bzw. inaktiviertem (negative Kontrolle) kompatiblem Humanserum (pH 6,5) gemischt, 30 min bei 37 °C inkubiert, angeschleudert und der Überstand auf Hämolyse geprüft. Deutliche Hämolyse im Überstand des Ansatzes mit der frischen Serumprobe spricht für das Vorliegen einer PNH [15]. z Bemerkungen 5 Der Ham-Test ist als Suchtest leicht durchführbar, aber ungenau. 5 PNH-Erythrozyten hämolysieren auch leichter als Normalerythrozyten durch Aktivierung des klassischen Komplementwegs mittels spezifischer Antikörper. 5 zum Nachweis im Kartentest 7 Abschn. 39.6.9. 39.3
Blutgruppenbestimmungen
39.3.1
Bestimmung der ABO-Blutgruppen
z Prinzip ABO-Blutgruppen sind genetisch determinierte Erythrozytenantigene. Isoagglutinine sind blutgruppenspezifische Antikörper, die im Serum der meisten Menschen entsprechend der Landsteiner-Regel vorkommen. Für die Bestimmung der Blutgruppen werden staatlich geprüfte polyklonale oder monoklonale Anti-A, Anti-B und selten Anti-AB (Gemisch von Anti-A und Anti-B) verwendet, die zur Vermeidung von Verwechslungen blau (Anti-A), gelb (Anti-B) gefärbt oder farblos sind (Anti-AB). z Durchführung Zur Bestimmung der Erythrozytenmerkmale auf Platten und im Röhrchen wird 1 Trpf. einer dichten Erythrozytensuspension der zu
39
581
39.3 • Blutgruppenbestimmungen
. Tab. 39.1 Schema der ABO-Blutgruppenbestimmung mit Erythrozyten und Serum Probandenerythrozyten, Reaktion mit Testseren Anti-A
Anti-B
Anti-AB
++++
–
++++
–
++++
– ++++
Ergebnis Blutgruppe
Probandenserum, Reaktion mit Testerythrozyten A1
A2
B
0
A
–
–
+++
–
++++
B
+++
++
–
–
–
–
0
++++
+++
++++
–
++++
++++
AB
–
–
–
–
++++ sehr starke, +++ starke, – keine Agglutination.
untersuchenden Blutprobe mit jeweils 1–2 Trpf. Anti-A, Anti-B und Anti-AB vermischt und nach wenigen Minuten bei Raumtemperatur auf Agglutination geprüft. Zur Bestimmung der Isoagglutinine werden je 2 Trpf. des zu untersuchenden Serums mit 1 Trpf. Testerythrozyten der Blutgruppe A1, A2, B und 0 gemischt, 5–10 min bei Raumtemperatur inkubiert und auf Agglutination geprüft [9][15]. Die Feststellung der ABO-Blutgruppen aus dem Reaktionsmuster der Bestimmung der Erythrozytenmerkmale und der Isoagglutinine im Serum erfolgt nach dem in . Tab. 39.1 aufgezeigten Schema. 39.3.2
Rhesus- und andere Merkmale
z Durchführung Erythrozytenmerkmale (z. B. Rhesus, Kell, Duffy, MNSs usw.) werden je nach verwendetem Antiserum im Agglutinationstest, im Supplementtest oder im indirekten Antiglobulintest nachgewiesen. Die Techniken unterscheiden sich nicht von den bereits angegebenen. Wegen der unterschiedlichen Reaktionsweisen der Antiseren sind die von den Herstellern angegebenen Reaktionsbedingungen genau einzuhalten [9]. z Bemerkungen 5 Die Bestimmung der Blutgruppenmerkmale kann auch in Kartentests (7 Abschn. 39.2.5) durchgeführt werden. Die entsprechenden Antiseren sind in den Mikrotitersäulen vorgelegt. 5 Eine Automatisierung dieses Testverfahrens ist möglich. 39.3.3
Molekulargenetische Blutgruppenbestimmung
z Vorbemerkung Die Genotypisierung erythrozytärer Antigene ist in der Regel zur Ergänzung von nicht eindeutigen serologischen Ergebnissen angezeigt und/oder dann, wenn keine serologischen Untersuchungen möglich sind (7 Kap. 11): 5 bei der Bestimmung von erythrozytären Antigenen des ungeborenen Kindes aus fetalen Materialien wie z. B. Amnionflüssigkeit oder aus maternalen Blutproben, 5 zur Klärung genetischer Dispositionen bei Risikoschwangerschaften, z. B. bei gebärfähigen Frauen mit irregulären Alloantikörpern (hier kann auch eine Untersuchung des Haplotyps bei den Eltern Aussagen zur Risikoeinschätzung ermöglichen),
5 zur Klärung unsicherer Antigenbestimmungen, z. B. bei Patienten mit AIHA und/oder Vortransfusion und bei Polyagglutinationsphänomenen, 5 in allen Fällen, in denen eine serologische Untersuchung aus verschiedenen Gründen nicht durchführbar ist (z. B. wenn nur DNA verfügbar ist), 5 als Methode zur Untersuchung forensischer Proben (Rechtsmedizin). z Prinzip Inzwischen ist die biochemische Grundlage zahlreicher Blutgruppenmerkmale geklärt. Die Gene der meisten Blutgruppenmerkmalen sind bekannt. Dementsprechend können viele dieser Antigene auf Allelebene bestimmt werden, z. B. ABO, Rhesus, Kell, Duffy, Kidd u. a. Am häufigsten wird hierfür immer noch die Polymerasekettenreaktion mit sequenzspezifischen Primern (PCR-SSP) eingesetzt. Als weitere Methoden stehen PCR-Varianten (»sequence-specific oligonucleotides«, SSO; »sequence-specific conformational polymorphisms, SSCP; »restriction fragment lenght polymorphism«, RFLP) zur Verfügung. In verstärktem Masse werden auch Real-time-Verfahren eingesetzt. In vielen Fällen wird mittlerweile die genaue Basenabfolge von Teilen der für die Blutgruppeneigenschaft kodierenden Gene direkt dargestellt (DNA-Sequenzierung). Welches Verfahren für die molekulargenetische Blutgruppenbestimmung eingesetzt wird, hängt von der Ausstattung des jeweiligen Labors ab [1][4][5][6][12][13][17][38]. Es stehen verschiedene Testsysteme zur Verfügung, davon sind die wichtigsten Antigensysteme bereits als kommerzieller Test verfügbar (. Tab. 39.2). z Durchführung Für die PCR-SSP werden die spezifischen Primer zusammen mit freien Nukleotiden (dNTPs: dA, dT, dC und dG), geeigneten Puffern, Taq-Polymerase und der zu testenden DNA in einem Reaktionsansatz vermischt. Da häufig verschiedene Polymorphismen (Basenaustausche) in einem Gen untersucht werden, werden oft mehrere solcher Reaktionsansätze in einem Arbeitsschritt durchgeführt (Multiplex-PCR). Danach werden in automatisierten Systemen (Thermocyclern) für eine bestimmte Zeit verschiedene Temperaturen (Zyklen) eingestellt. Für jede Untersuchung werden Zyklen von 3–4 verschiedenen Temperaturen bis zu 30-mal wiederholt. Im Verlauf solcher Zyklen binden die passenden Primer an die entsprechenden DNA-Abschnitte und werden unter Verwendung der freien Nukleotide entlang der DNA als Matrize durch die Taq-Polymerase verlängert. Nach der PCR-Reaktion werden die Reaktionsansätze elektrophoretisch aufgetrennt und die verlängerten Fragmente z. B. mittels UV-sensitiver Moleküle dargestellt und fotografisch festge-
582
Kapitel 39 • Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern
. Tab. 39.2 Molekulargenetische Methoden zur Testung verschie-
39
dener Antigensysteme Kommerziell erhältlich
Verfahren in der Literatur beschrieben
Noch nicht testbar (Beispiele)
ABO-Transferasen Rhesus D und CEa Kell (Kk, Kp)b Kidd, Duffy, MNS Lutheran Cartwright, Colton Knops Wright, Diego Dombrock
Chido, Rodgers McCoy Js (Kell-System) Lewis, Ii, Hh Landsteiner-Wiener Gerbich, Cromer, Scianna Xg, XK T/Tn P-Globoside Indian GIL, JMH, OK, RAPH
Velc Lanc
a Inkl.
partial und weak. b Außer Js (Sutter). c Gene noch nicht bekannt.
halten. Die Fragmente ergeben somit ein spezifisches Bandenmuster, wenn der im jeweiligen Reaktionsansatz eingesetzte Primer an die DNA binden konnte. Somit steht jede Bande für einen Basenpolymorphismus im zu untersuchenden Genabschnitt. Die Gesamtheit der Banden ermöglicht so die Zuordnung zu einem bestimmten Allel der untersuchten Blutgruppeneigenschaft. z Bemerkungen 5 Die molekulargenetische Bestimmung von Blutgruppen kann noch nicht als alleinige Grundlage für die Transfusion empfohlen werden. Es sollte zumindest eine Serumgegenprobe (im Falle einer ABO-Bestimmung) oder eine serologische Vorbestimmung vorliegen. 5 In einigen Fällen führt das PCR-Ergebnis zu Fehlinterpretationen. Hierbei ergeben die nachgewiesenen Genabschnitte eine scheinbar eindeutige Allelzuordnung im untersuchten Blutgruppensystem. Außerhalb der untersuchten Abschnitte befinden sich jedoch weitere, z. T. noch unbekannte Polymorphismen, die die Antigenexpression verhindern können. 5 Obwohl schon Anstrengungen diesbezüglich unternommen wurden, existiert eine einheitliche Nomenklatur der verschiedenen Allele erythrozytärer Antigene bisher nicht (anders als z. B. im HLA-System). Somit ist nur durch die Angabe aller polymorphen Basenpositionen eines Allels eine Vergleichbarkeit herzustellen. 5 Die Zuordnung eines ABO-Glycosyltransferase-Allels zu einem serologischen Korrelat ist gelegentlich schwierig. 5 Die molekulargenetische Untersuchung erfordert eine spezielle Beachtung gesetzlicher Vorschriften. Dies betrifft zum Beispiel unter anderem die Aufklärung bzw. Einwilligung, den Datenschutz, die Lagerung von Rückstellproben oder Untersuchungsmaterial (DNA). Im Rahmen der Regelungen des »Gendiagnostikgesetzes« werden weitere Vorschriften erwartet.
39.3.4
Automatisierte Blutgruppenbestimmung
z Vorbemerkung In den letzten Jahren sind verschiedene manuelle Testverfahren auf Laborautomaten übertragen worden. Die Routinetauglichkeit dieser Geräte hat sich in der Zwischenzeit deutlich verbessert, sodass
immer mehr Laboratorien mit entsprechendem Umfang an immunhämatologischen Untersuchungen eine automatisierte Bearbeitung ihrer Proben eingeführt haben. Die Grundfunktionalität hinsichtlich der Basisuntersuchungen aller Automaten ist im Wesentlichen gleich. Die Automaten unterscheiden sich 5 im Grad der Automatisierung (Teilautomat – Vollautomat), 5 im Grad der Flexibilität (nur konfektionierte Testmaterialien erlaubt – freie Wahl auch von z. B. Testseren, die nicht vom Automatenhersteller stammen), 5 im Umfang der gleichzeitig zu bearbeitenden Proben, 5 im Grad der Priorisierung von Untersuchungen (können CitoProben tatsächlich zu jeder Zeit dazwischengeschoben werden und werden diese dann auch wirklich bevorzugt bearbeitet), 5 bei der Antigentestung. z Prinzip Die automatisierten Untersuchungen basieren alle auf den o. g. Testverfahren. Am häufigsten werden Gelkartensysteme oder Varianten der Mikrotiterplatten eingesetzt. Die Ergebnisse werden vom Gerät eingescannt oder abfotografiert und anschließend von einer zum Automaten gehörenden Software ausgewertet. Alle Geräte bieten einen Ergebnisvorschlag nur an, wenn die Untersuchungsergebnisse eindeutig sind. Anderenfalls ist eine Nachbearbeitung notwendig. Die Vorteile der Blutgruppenautomaten sind [2][3][36]: 5 die Freisetzung von Arbeitskapazität des Laborpersonals, 5 die genaue Dokumentation der Chargen und Untersuchungsbedingungen jeder einzelnen Probe, 5 die Verringerung von Untersuchungsfehlern durch Verwechslung der Proben, falsche Auswahl von Reagenzien und falsche Durchführung des speziellen Tests, 5 die Überwachung des Verfalls und der Umgebungsparameter durch den Automaten. z Durchführung Alle Automaten arbeiten mit antikoaguliertem Vollblut (EDTA). Die Untersuchungen sollen nach den Vorgaben der Automatenhersteller erfolgen. z Bemerkungen 5 Die Anschaffung eines Blutgruppenautomaten sollte nur erfolgen, wenn eine ausreichende Anzahl von Untersuchungen anfällt. Die Automaten arbeiten grundsätzlich erst dann effizient, wenn sie kontinuierlich bestückt werden. Bei der Bearbeitung einzelner Proben ist ein Assistent manuell immer schneller. 5 Auch wenn alle Automaten einen Modus für die »Notfallbearbeitung« anbieten, so empfehlen doch alle Hersteller, echte Notfallproben nicht automatisiert zu bearbeiten. Die Automaten brauchen im Vergleich zur manuellen Untersuchung deutlich mehr Zeit. 5 Bei der Entscheidung für einen Automaten sollte das eigene Untersuchungsspektrum genau definiert werden. Standarduntersuchungen werden von allen Automaten unterstützt. Spezialuntersuchungen werden nur von wenigen Automaten angeboten. 5 Es empfiehlt sich, bei der Auswahl eines Blutgruppenautomaten auch Rücksprache mit dem Hersteller der eigenen Labor-EDV zu halten. Wenn der Hersteller Probleme bei der Anbindung des Automaten sieht, geht ein großer Vorteil der Automatisierung verloren: die Übertragung von Aufträgen (»query-mode«) und von Ergebnissen.
583
39.4 • Nachweis und Spezifitätsbestimmung (Differenzierung) erythrozytärer Antikörper
39.4
39.4.1
Nachweis und Spezifitätsbestimmung (Differenzierung) erythrozytärer Antikörper
5
Antikörpersuchtest
z Prinzip Das Vorhandensein irregulärer, kompletter und/oder inkompletter erythrozytärer Antikörper in einem Serum lässt sich in der Regel daran erkennen, dass mindestens eine von 2–3 Testzellen (Panelerythrozyten) im Agglutinationstest, Supplementtest und/oder indirekten Antiglobulintest reagiert. Die Panelzellen müssen die Mehrzahl der immunologisch und klinisch relevanten Antigene (Rhesus, Kell, Duffy, Kidd, MNSs, Lewis, P und Lutheran) tragen. z Durchführung Das Serum wird im Agglutinationstest und/oder im indirektem Antiglobulintest, ggf. auch im Enzym- und/oder Supplementtest mit Panelzellen inkubiert und auf Hämolyse und Agglutination geprüft. Der indirekte Antiglobulintest ist ein integraler Bestandteil des Antikörpersuchtests. Positive Reaktionen weisen auf das Vorliegen von Antikörpern hin und machen eine Antikörperdifferenzierung erforderlich [9].
5
5 5 5
zyten tragen das Antigen, gegen das der Antikörper gerichtet ist, nicht. Es besteht der Verdacht auf das Vorliegen von multiplen Antikörpern, wenn der direkte Antiglobulintest negativ ist und die Reaktionen mit den Panelzellen eine gewisse Inhomogenität zeigen. Weitere Untersuchungen zur Sicherung der Spezifität sind dann erforderlich (Verwendung anderer Panelzellen, Absorptionen, Elutionen u. a.). Bei gleichzeitigem Vorliegen von Auto- und Alloantikörpern ist das Reaktionsspektrum äußerst vielgestaltig. Die Spezifizierung gelingt meistens durch Absorption- und Elutionsversuche [9]. Kälteantikörper lassen sich bei 37 °C nicht mehr nachweisen. Die Differenzierung solcher Antikörper erfolgt je nach Temperaturamplitude bei 0–20 °C. Schwache und niederaffine Antikörper werden im Kartenoder Festphasentest (7 Abschn. 39.4.3) besser erfasst als im Röhrchen- oder Mikrotitertest, z. B. Anti-Jka und Anti-Jkb. Im Kartentest werden mehr schwache, aber unspezifische oder auch spezifische, aber klinisch irrelevante Antikörperreaktionen erfasst, z. B. Anti-Chido (Cha) und Anti-Rodgers (Rga), sog. LISS-Antikörper und viele andere.
39.4.3 39.4.2
Antikörperdifferenzierung
z Prinzip Durch die Testung eines Serums gegen eine größere Anzahl von Panelzellen, die alle wesentlichen Erythrozytenantigene in bekannter Verteilung enthalten, lässt sich die Spezifität der(s) Antikörper(s) im Serum durch Vergleich des Reaktionsmusters mit dem Vorkommen bestimmter Merkmale ermitteln. Entsprechend den unterschiedlichen Reaktionsweisen von Antikörpern sind die Ansätze im Agglutinationstest, Supplementtest und im indirekten Antiglobulintest anzusetzen. z Durchführung Die Durchführung entspricht der des Antikörpersuchtests (Agglutinationstest, ggf. Enzym- und/oder Supplementtest, indirekter Antiglobulintest). z Bemerkungen 5 Negative Reaktionen im Antikörpersuchtest oder in der Antikörperdifferenzierung schließen einen seltenen Antikörper nicht aus; z. B. kann es vorkommen, dass ein unauffälliges Serum positiv in der Kreuzprobe mit einer oder mehreren Bluteinheiten reagiert. In diesem Fall handelt es sich meistens um Antikörper, die gegen seltene Antigene gerichtet sind, z. B. Kpa, Lua u. a. 5 Zeigt das zu untersuchende Serum Reaktionen mit allen verwendeten Panelzellen, so kann es sich entweder um erythrozytäre Autoantikörper oder um Alloantikörper gegen ein sehr häufiges Antigen, z. B. Vel, handeln. Autoantikörper reagieren meistens mit allen Zellen einschließlich der eigenen gleich stark; der direkte Antiglobulintest ist positiv, und die von den autologen Erythrozyten eluierten Antikörper zeigen die gleiche Spezifität. Im Unterschied dazu reagieren Alloantikörper gegen ein häufiges Antigen mit den eigenen Erythrozyten nicht, der direkte Antiglobulintest ist negativ und die autologen Erythro-
39
Festphasen-Testsysteme
z Prinzip Der Festphasentest (»solid phase test«) beruht auf dem Prinzip des indirekten Antiglobulintests und dient grundsätzlich dem Nachweis freier IgG-Antikörper im Serum. In der Blutgruppenserologie werden zwei Testsysteme verwendet: 5 Im direkten Testverfahren sind spezifische Antikörper an die Oberfläche von Mikrotitervertiefungen fixiert, und die Testerythrozyten werden dazugegeben (z. B. »solid screen II« der Fa. Biotest). 5 Im indirekten Testverfahren sind bereits Membranen von Testerythrozyten in den Vertiefungen fixiert. Das zu untersuchende Serum wird dazugegeben (z. B. »Capture-R«-Test der Fa. Immucor) [19][20][21][37]. z Durchführung Je nach Testsystem sind die Vorgaben des Herstellers zu beachten. Nach der Inkubationsphase werden ungebundene Antikörper sowie die weiteren Serumbestandteile durch mehrere Waschgänge manuell oder automatisch entfernt. Die Feststellung von Antikörpern erfolgt mittels IgG-beschichteter Erythrozyten (Indikatorzellen). Durch eine kurze Zentrifugation der Platten verteilen sich die zugegebenen Erythrozyten sowohl im direkten als auch im indirekten Test bei einer positiven Reaktion gleichmäßig (sog. Rasenbildung) und verleihen den Vertiefungen eine Rosafärbung. Bei negativer Reaktion sedimentieren die Erythrozyten und bilden im Zentrum der Vertiefungen einen kleinen Zellknopf. z Bemerkungen 5 Die Methode ist sehr empfindlich. Dadurch können gelegentlich spezifische, klinisch relevante Antikörper festgestellt werden, die sich in konventionellen Systemen nicht nachweisen lassen. Leider kommt es durch die hohe Sensitivität auch öfter zu »unspezifischen« Reaktionen. 5 Da sich der Anwender stets an die Vorgaben der Hersteller halten muss, kann das Verfahren nicht an andere Laborbedin-
584
39
Kapitel 39 • Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern
gungen angepasst werden. Die Verfahren sind für Automatisierung geeignet. 5 Im indirekten Test (»Capture-R«) können nur freie IgG-Antikörper nachgewiesen werden. 39.5
Spezielle Verfahren in der Diagnostik von Immunhämolysen
39.5.1
Elution von Wärmeantikörpern
z Prinzip Aufgrund ihrer reversiblen Bindung lassen sich gebundene Antikörper von Erythrozyten absprengen. Die nach Absprengung in der Suspensionsflüssigkeit vorhandenen Antikörper (Eluat) werden anschließend in einem Antikörpersuchtest nachgewiesen bzw. differenziert.
Hitzeelution z Durchführung 1 Teil Erythrozytensediment wird mit 1 Teil 6–8%igem RA gemischt, sofort zentrifugiert und der Überstand abgehoben (negative Kontrolle). Dasselbe Erythrozytensediment wird erneut mit 1 Teil RA gemischt, 8–10 min bei 56 °C inkubiert und sofort warm zentrifugiert (heizbare Zentrifuge oder vorgeheizte Zentrifugeneinsätze). Der Überstand (Eluat) wird sofort abgehoben. z Bemerkungen 5 Die Hitzeelution ist leicht und schnell durchführbar, die Antikörper lassen sich konzentrieren. Die Ausbeute ist mit insgesamt 30–50% jedoch gering. 5 Je nach Zellalter ist mit einem unterschiedlichen Grad an Hämolyse zu rechnen. 5 Anstelle von RA als Elutionsmedium können andere Lösungen, z. B. 0,9% NaCl und kompatibles Humanserum, benutzt werden.
Etherelution z Durchführung 1 Teil Erythrozytensediment wird mit 1 Teil NaCl und 1 Teil Ether vermischt, 1–2 min stark geschüttelt (Vorsicht: Druckentwicklung!) und 15 min bei 37 °C inkubiert. Anschließend wird der Ansatz scharf zentrifugiert (5 min, 1000 g), die obere Etherschicht entfernt und das stark hämoglobinhaltige Eluat von dem Bodensatz des Stromas in ein Glasröhrchen überführt. Das Eluat wird danach so lange gelagert, bis der Ethergeruch verschwunden ist. Vor dem Testen wird das Eluat erneut scharf zentrifugiert (10 min bei 1000 g) und der Überstand (antikörperhaltiges Eluat) vom Sediment getrennt. z Bemerkung Die Etherelution gibt oft eine bessere Ausbeute als die Wärmeelution, hat aber den Nachteil, dass das Eluat stark hämoglobinhaltig ist.
Chloroformelution z Durchführung 1 Teil Erythrozyten (Sediment) wird mit 1 Teil RA und 2 Teilen Chloroform gemischt, 15 s stark geschüttelt und 5 min bei 56 °C und unter mehrmaligem Durchmischen inkubiert. Anschließend wird scharf zentrifugiert (5 min, 1000 g) und der Überstand (Eluat) abgehoben.
z Bemerkung Die Chloroformelution ist oft sensitiver als die Wärme- oder Etherelution, der Hämoglobingehalt ist relativ gering.
Säureelution z Durchführung Bei Verwendung von kommerziellen Testsystemen müssen die Vorgaben der Hersteller beachtet werden. Die Erythrozyten werden zuvor gewaschen (gekühlte Waschlösung, 3- bis 4-mal). Vom letzten Waschschritt wird Waschlösung als Negativkontrolle bereitgehalten. 1 Teil gewaschene Patientenerythrozyten werden mit 1 Teil Säurereagenz durchmischt, anschließend scharf zentrifugiert und der Überstand in ein neues Röhrchen überführt. Danach wird eine Puffer-Indikator-Lösung hinzugegeben, bis die Indikatorfarbe ein neutrales Milieu anzeigt. Dieses Gemisch wird erneut scharf zentrifugiert und der Überstand in ein neues Gefäß überführt [9]. z Bemerkung Gelegentlich gelingt die Säureelution von Antikörpern nicht, v. a. bei IgM-Antikörpern.
39.5.2
Elution von Kälteantikörpern
z Prinzip Wegen des Reaktionsoptimums von Kälteantikörpern bei 0–4 °C wird antikörperhaltiges Serum mit Testerythrozyten in der Kälte inkubiert und anschließend rasch erwärmt. Dabei werden die Kälteantikörper abgesprengt. z Durchführung 1 Teil Serum wird mit 1 Teil eines gewaschenen Erythrozytensediments und 1 Teil NaCl oder einer anderen geeigneten Lösung gemischt, 1 h bei 0–4 °C inkubiert und anschließend 6-mal mit vorgekühlter NaCl bei 0 °C gewaschen. Danach wird zu den Erythrozyten 1 Teil NaCl gegeben, gemischt und 30 min bei 40 °C inkubiert. Zuletzt wird 3 min bei 1000 g und 37 °C zentrifugiert und der Überstand sofort abgehoben.
39.5.3
Nachweis medikamentabhängiger Antikörper im Serum
z Prinzip Medikamentabhängige Antikörper reagieren mit Erythrozyten nur in Anwesenheit des Medikamentes und/oder seiner Metaboliten. Da diese in der Regel nicht verfügbar oder unbekannt sind, können Serum- oder Urinproben von gesunden Probanden oder von Patienten, die das Medikament eingenommen haben, als Ex-vivoAntigene bei der serologischen Untersuchung eingesetzt werden. Sofern das verdächtige Medikament sich noch frei in der Zirkulation befindet, muss das Serum des Patienten vor der Untersuchung dialysiert werden, um das Medikament oder dessen Metabolite zu entfernen. z Durchführung Der Ansatz unterscheidet sich bis auf die Zugabe des Medikaments bzw. der metabolithaltigen Serum- oder Urinprobe nicht vom Standardantikörpersuchtest. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die meisten medikamentabhängigen Antikörper von ihren Bindungsstellen abgelöst werden, wenn die Zellen ohne Medika-
39.6 • Befundkonstellationen und ihre Interpretation bei immunhämolytischen Syndromen
585
mentzugabe gewaschen werden. Deshalb muss der Waschlösung stets das gelöste Medikament bzw. es müssen die metabolithaltigen Serum- oder Urinproben zugesetzt werden. Das zuvor dialysierte Serum des Patienten wird mit Testerythrozyten zusammen mit der angemessenen Konzentration des Medikamentes oder Metaboliten getestet. Auf diese Weise können verschiedene Verdachtssubstanzen untersucht werden. Ein Ansatz ohne Zugabe des verdächtigen Stoffes dient als Negativkontrolle.
5 Bei ca. 10% der Patienten mit AIHA vom Wärmetyp lassen sich inkomplette Wärmehämolysine nachweisen. Der Nachweis dieser Hämolysine zeigt in der Regel keine Korrelation mit der Hämolyse in vivo [34]. 5 In extrem seltenen Fällen bleibt der direkte Antiglobulintest negativ, und die ursächlichen Antikörper lassen sich nur im Eluat feststellen (eigene Beobachtung).
z Bemerkung Da im Kartentest der Antiglobulintest mit ungewaschenen Erythrozyten durchgeführt werden kann, lassen sich medikamentabhängige Antikörper in diesem System besonders gut nachweisen [29][31] [32].
39.6.3
39.6
Befundkonstellationen und ihre Interpretation bei immunhämolytischen Syndromen
39.6.1
Allgemeines
Die Ursache jeder Immunhämolyse ist eine Sensibilisierung von Erythrozyten (selten auch ihrer Vorstufen) mit Antikörpern (IgG, IgM, IgA) mit und ohne Komplementaktivierung. Pathogenetisch lassen sich folgende Formen der Immunhämolyse abgrenzen: Autoimmunhämolysen (Wärmetyp, Kältetyp, paroxysmale Kältehämoglobinurie vom Donath-Landsteiner-Typ), Alloimmunhämolysen (hämolytische Transfusionsreaktionen, Morbus haemolyticus neonatorum), medikamentös bedingte Immunhämolysen, paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie und Sonderformen. Das wichtigste Untersuchungsverfahren zur richtigen Diagnosestellung bei Immunhämolysen ist nach wie vor der Antiglobulintest. Ein positiver Antiglobulintest ist jedoch kein Beweis für das Vorliegen einer Immunhämolyse; umgekehrt schließt ein negativer Antiglobulintest nicht immer eine Immunhämolyse aus. Klinische und serologische Befunde gehören bei der Diagnosestellung stets untrennbar zusammen [8][14][18][22][30][34][35].
39.6.2
Autoimmunhämolytische Anämien (AIHA) vom Wärmetyp
z Serologische Befunde Der direkte Antiglobulintest ist bei mehr als 95% der Patienten mäßig bis stark positiv mit Anti-IgG. Bei etwa 60% der Patienten lassen sich zusätzlich zellgebundene C3d-Komponenten nachweisen [28]. IgA und IgM kommen selten als Begleitantikörper vor. In extrem seltenen Fällen lassen sich IgA und IgM allein als Ursache einer AIHA feststellen. Während IgA-Antikörper im direkten Antiglobulintest gut nachweisbar sind, lassen sich inkomplette IgM-Antikörper meistens nur im Enzymimmuntest oder in einem anderen, empfindlicheren Verfahren nachweisen [9][34]. Niederaffine Autoantikörper als Ursache einer AIHA kommen selten vor. Der Nachweis dieser Antikörper gelingt am besten im Kartentest, da bei diesem Verfahren ungewaschene Zellen untersucht werden können. z Bemerkungen 5 Freie Autoantikörper im Serum kommen bei etwa 50% der Patienten vor [34]. Agglutinierende und hämolysierende komplette Autoantikörper sind außerordentlich selten.
39
Akute oder chronische Kälteagglutininkrankheit
z Serologische Befunde Der direkte Antiglobulintest ist stark positiv mit Anti-C3d, der indirekte Antiglobulintest ist negativ. Im Serum finden sich in der Regel komplette, hochtitrige Kälteagglutinine (Titer >1:256) mit einem Reaktionsoptimum bei 0–4 °C. Bei höheren Temperaturen werden die Reaktionen schwächer, bei 37 °C sind sie meistens nicht mehr nachzuweisen. Im Serum findet man häufig inkomplette (mit fermentierten Erythrozyten reagierende) und schwächer reagierende, komplette Kältehämolysine mit einem pH-Optimum von 6,5. Die meisten Kälteagglutinine haben I-Spezifität, die sich durch Verwendung von Erwachsenen- und Nabelschnurerythrozyten (auf denen das Merkmal I noch schwach ausgeprägt ist) demonstrieren lässt. In weniger als 10% der Fälle findet man die Spezifität Anti-i. Alle anderen Spezifitäten sind selten und verursachen nur eine milde oder keine Hämolyse [24]. z Bemerkungen 5 Bei Verdacht auf Kälteagglutinine sollte das Blut sofort nach Entnahme bei 37 °C transportiert oder mindestens 1 h bei 37 °C inkubiert und das Serum zur Vermeidung einer Autoabsorption sofort von den Erythrozyten getrennt werden. 5 Bei niedrigem Titer sind Donath-Landsteiner-Autoantikörper und bei Kälteagglutininen mit hoher Temperaturamplitude Wärmeautoantikörper auszuschließen. 5 Mischautoantikörper (Wärme- und Kälteantikörper) kommen relativ häufig vor. Das Vorkommen klinisch relevanter Mischautoantikörper ist jedoch sehr selten (7 Kap. 6). 39.6.4
Paroxysmale Kältehämoglobulinurie (Donath-Landsteiner-Hämolyse)
z Serologische Befunde Der direkte Antiglobulintest ist mit Anti-C3d stark positiv, das Eluat negativ, im Serum sind relativ schwache Kälteagglutinine (Titer < 1:128), vorwiegend der IgG-Klasse mit Spezifität gegen das pAntigen, nachzuweisen. Fast immer findet man in der akuten Phase bithermische Hämolysine, die im pH-Bereich von 6,5–7,4 gleich gut reagieren [7]. z Bemerkungen 5 Die zur Untersuchung kommenden Blutproben sind in der akuten Phase der Erkrankung fast immer hämolytisch. 5 Zur Vermeidung einer Autoabsorption sollten Serum oder Plasma sofort bei 37 °C von den autologen Zellen getrennt werden.
586
Kapitel 39 • Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern
39.6.5
Immunhämolytische Anämien durch Alloantikörper: Morbus haemolyticus neonatorum
39
Serologische Befunde ABO-Inkompatibilität Die ABO-Blutgruppen von Mutter und Kind sind inkompatibel (z. B. Kind A, Mutter 0); im Serum der Mutter lassen sich meistens keine irregulären Antikörper nachweisen; der direkte Antiglobulintest beim Kind ist im Kartentest fast immer positiv, dagegen im Röhrchensystem nur selten positiv mit Anti-IgG. Der indirekte Antiglobulintest mit Serum des Kindes gegen Erythrozyten der Blutgruppen A und/oder B ist in der Regel positiv. Im Eluat sind immer (auch ohne Hämolyse) IgGIsoagglutinine mit Anti-A- und/oder -B-Spezifität im indirekten Antiglobulintest nachweisbar [15]. Rhesus- und andere Blutgruppen-Inkompatibilitäten Der direkte Antiglobulintest beim Kind ist deutlich positiv mit AntiIgG. Im Serum der Mutter sind irreguläre blutgruppenspezifische Antikörper der IgG-Klasse nachweisbar. Die von den kindlichen Erythrozyten eluierten Antikörper zeigen dieselbe Spezifität wie die Antikörper im Serum der Mutter [15]. z Bemerkungen 5 Falls der direkte Antiglobulintest beim Kind positiv ist, sich im Serum der Mutter aber keine irregulären Antikörper mit den üblichen Panelzellen nachweisen lassen, handelt es sich vermutlich um Antikörper gegen seltene Antigene. 5 Zur Feststellung der Spezifität sollten die Antikörper von den kindlichen Erythrozyten eluiert und das Eluat sowie das Serum der Mutter gegen Erythrozyten des Vaters getestet werden.
39.6.6
Hämolytische Transfusionsreaktionen
z Serologische Befunde Der direkte Antiglobulintest ist vorwiegend oder ausschließlich mit Anti-C3d positiv, mit Anti-IgG ist er positiv oder negativ. Häufig lassen sich erythrozytäre Antikörper im Eluat feststellen. Das Serum enthält den für die Transfusionsreaktion verantwortlichen, irregulären, blutgruppenspezifischen Antikörper [27]. z Bemerkungen 5 Transfusionen können nicht nur zu einer Alloimmunisierung, sondern auch zu einer Autoimmunisierung führen. Das durch solche »Begleitantikörper« verursachte serologische Bild wird relativ häufig mit AIHA vom Wärmetyp verwechselt. 5 Gelegentlich handelt es sich um seltene, mit den üblichen Suchzellen nicht zu erkennende Antikörper. In diesem Fall sollte ein Antikörpersuchtest (Verträglichkeitsprobe) mit einer Serumprobe des Patienten aus der akuten Phase und einer späteren Serumprobe mit den Erythrozyten des Spenders, die an der hämolytischen Transfusionsreaktion beteiligt waren, wiederholt werden. 5 Ist der direkte Antiglobulintest positiv, im Serum des Patienten sind jedoch keine irregulären Antikörper nachzuweisen, so sind zum Zeitpunkt der Untersuchung die zirkulierenden Antikörper im Plasma nicht in genügender Konzentration vorhanden (Untersuchungen nach einigen Tagen wegen des Booster-Effekts mit einer neuen Serumprobe wiederholen). 5 In Einzelfällen lassen sich keine Antikörper nachweisen [15].
39.6.7
Nichthämolytische Transfusionsreaktionen durch Anti-IgA-Antikörper
z Vorbemerkung Nichthämolytische Transfusionsreaktionen stellen die häufigste Form der Transfusionsreaktion dar (7 Kap. 37). Ein Teil dieser Reaktionen wird vermutlich durch Anti-IgA-Antikörper ausgelöst. Diese kommen sowohl im Empfänger- als auch im Spenderplasma vor und sind i. A. gegen alle menschlichen IgAMoleküle (klassenspezifisch) und seltener gegen IgA1- oder IgA2Moleküle (subklassenspezifisch) gerichtet. Klassenspezifische Antikörper finden sich häufig im Plasma von Patienten mit selektivem IgA-Mangel oder anderen Immundefekten. z Prinzip Antikörper gegen IgA-Moleküle lassen sich mit verschiedenen Techniken wie ELISA, Radio-Immuno-Assay (RIA) und Hämagglutinationstest durch die Verwendung von IgA-beladenen Testerythrozyten oder IgA-beladenen, rot eingefärbten Polystyrenpartikeln (»beads«) [33] nachweisen. z Durchführung im Kartentest Das zu untersuchende Serum wird zusammen mit den IgA-beladenen Polystyrenkügelchen im Kartensystem bei Raumtemperatur inkubiert, zentrifugiert und auf Agglutinate hin untersucht. Agglutinate im Kartentest weisen auf das Vorliegen von Anti-IgA-Antikörpern im untersuchten Serum hin. z Bemerkung Bei Verwendung von Humanerythrozyten muss das zu testende Serum mit den unbeladenen Testerythrozyten parallel untersucht werden, um irreguläre, antierythrozytäre Antikörper im Testserum, die gegen die Testerythrozyten gerichtet sind, oder unspezifische Reaktionen auszuschließen.
39.6.8
Medikamentös bedingte Immunhämolysen
z Einteilung Klinisch und serologisch lassen sich folgende medikamentös induzierte Immunhämolysen unterscheiden [18][25][29][31]: 1. akute medikamentabhängige Immunhämolyse (sog. »Immunkomplextyp«), 2. autoimmunhämolytische Anämie, 3. gemischte Formen mit Nachweis von medikamentabhängigen Antikörpern und nichtmedikamentabhängigen Autoantikörpern, 4. Penicillinassoziierte Form, 5. zephalosporinassoziierte Form, 6. α-Methyldopa-assoziierte Autoimmunhämolyse.
Akute medikamentabhängige Immunhämolyse z Serologische Befunde Der direkte Antiglobulintest ist in der Regel nur mit Anti-C3d positiv. Der indirekte Antiglobulintest ist in Abwesenheit des Medikaments negativ. Im Serum lassen sich komplette und/oder inkomplette komplementaktivierende Antikörper nachweisen, die nur in Anwesenheit des ursächlichen Medikaments und/oder seiner Metaboliten reagieren [25][32].
39.6 • Befundkonstellationen und ihre Interpretation bei immunhämolytischen Syndromen
z Bemerkungen 5 Gelegentlich wird die Hämolyse sowohl durch Autoantikörper als auch durch medikamentabhängige Antikörper verursacht. Der alleinige Nachweis von Autoantikörpern darf dann nicht zur Fehldiagnose einer AIHA vom Wärmetyp führen. 5 In sehr seltenen Fällen kann eine medikamentabhängige Hämolyse auch durch Penicilline, Cephalosporine und αMethyldopa verursacht werden. In diesem Fall reagieren die Antikörper nicht mit beladenen Zellen, sondern in Anwesenheit des Medikaments bzw. seiner Metaboliten. 5 Der Suchtest zum Nachweis von medikamentabhängigen Antikörpern sollte mit mindestens 2 verschiedenen Panelzellen mit verschiedenen Antigenmustern (wie beim Standard-Antikörpersuchtest) durchgeführt werden, da manche Antikörper vorzugsweise mit bestimmten Erythrozytenantigenen reagieren (z. B. Rhesusmerkmale). 5 Serumproben aus der akuten Phase der medikamentabhängigen Immunhämolyse können Medikament- bzw. Metabolitreste enthalten, die das Serum auch ohne Zusatz von Medikament oder Ex-vivo-Antigenen positiv reagieren lassen. In diesem Fall muss das Serum dialysiert (Porengröße des Dialyseschlauchs < 30.000 D) und die Untersuchung mit dem dialysierten Serum wiederholt werden. 5 Der Nachweis eines Autoantikörpers schließt das Vorliegen eines medikamentabhängigen Antikörpers nicht aus (7 Abschn. 39.6.8.3).
Medikamentinduzierte Autoimmunhämolyse z Serologische Befunde Der direkte Antiglobulintest ist in der Regel stark positiv mit AntiIgG und negativ mit Anti-C3d. Im Serum lassen sich im indirekten Antiglobulintest häufig freie, inkomplette IgG-Antikörper nachweisen [25]. z Bemerkungen 5 Die Bildung der Autoantikörper wird durch das Medikament induziert, diese sind jedoch in ihrem Bindungsverhalten nicht von der Anwesenheit des Medikamentes abhängig. 5 Die Befunde lassen sich von denen bei der sog. idiopathischen AIHA vom Wärmetyp nicht unterscheiden.
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39
wird das Serum erneut in Anwesenheit des Medikaments bzw. seiner Metaboliten getestet. 5 In seltenen Fällen lassen sich komplette IgM-Autoantikörper nachweisen. In diesem Fall sind die autologen Zellen polyagglutinabel.
Penicillin-assoziierte Immunhämolyse z Serologische Befunde Da die Hämolyse in den meisten Fällen durch IgG-Antikörper ohne Komplementaktivierung verursacht wird (nur in extrem seltenen Fällen kann Penicillin zur Bildung medikamentabhängiger Antikörper mit Komplementaktivierung führen), ist der direkte Antiglobulintest positiv und der indirekte Antiglobulintest negativ. Im Serum lassen sich inkomplette Antikörper nachweisen, die nur mit Penicillinbehandelten Panelzellen reagieren. Auch das Eluat reagiert nur mit Penicillinbehandelten Testerythrozyten [25].
Cephalosporin-assoziierte Immunhämolyse z Serologische Befunde Die Befunde entsprechen weitgehend denen der Penicillin-bedingten Immunhämolyse: direkter Antiglobulintest positiv mit AntiIgG, negativ mit Anti-C3d; Nachweis von inkompletten, Cephalosporin-abhängigen Antikörpern im Serum. In den sehr seltenen Fällen mit akuter intravasaler Komplementaktivierung ist der direkte Antiglobulintest nur mit Anti-C3d positiv [25].
α-Methyldopa-assoziierte Autoimmunhämolyse z Serologische Befunde Eine Unterscheidung dieser Form von einer idiopathischen AIHA vom Wärmetyp oder anderen medikament-bedingten Formen einer AIHA ist nur anamnestisch und durch Verlaufsbeobachtung möglich. Der direkte Antiglobulintest ist fast ausschließlich positiv mit Anti-IgG, negativ mit Anti-C3d; im Serum sind häufig freie, inkomplette IgG-Antikörper im indirekten Antiglobulintest nachweisbar [25].
39.6.9
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)
Gemischte Form
z Serologische Befunde Da die Hämolyse durch eine Komplementaktivierung in vivo aufgrund einer gestörten Regulation infolge verschiedener erworbener Membrandefekte ohne spezifische Antikörper verursacht wird, ist der direkte Antiglobulintest in der Regel negativ, der Säurehämolysetest (Ham-Test) positiv.
z Serologische Befunde Da die Hämolyse bei dieser Form gleichzeitig durch Autoantikörper und komplementaktivierende, medikamentabhängige Antikörper verursacht wird, ist der direkte Antiglobulintest positiv mit AntiIgG (selten auch mit Anti-IgA) und Anti-C3d. Im Serum lassen sich medikamentabhängige Antikörper und gelegentlich freie Autoantikörper nachweisen.
z Bemerkung Der Nachweis zweier Zellpopulationen gelingt relativ einfach im Kartentest. Da PNH-Erythrozyten im Vergleich zu normalen Zellen Membrandefekte zeigen, lassen sich PNH-Erythrozyten z. B. durch die Verwendung monoklonaler Antikörper gegen DAF (»decay accelerating factor«) trennen [16].
Hinweisend auf das Vorliegen einer medikamenteninduzierten Immunhämolyse sind häufig hochtitrige, freie Autoantikörper (Titer > 1:32).
z Bemerkungen 5 Falls im Serum keine Autoantikörper nachweisbar sind, wird es untersucht wie bei der akuten medikamentabhängigen Form. 5 Da freie Autoantikörper den Nachweis medikamentabhängiger Antikörper erschweren, sollten sie vor Testung auf medikamentabhängige Antikörper mit normalen Erythrozyten in Abwesenheit des Medikaments absorbiert werden [31]. Danach
39.7
Serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe)
z Definition Die serologische Verträglichkeitsprobe ist die letzte serologische Sicherung vor der Bluttransfusion zur Feststellung der Verträglichkeit zwischen Spender- und Empfängerblut. Ihr Ziel ist die Erfassung
588
Kapitel 39 • Nachweis von erythrozytären Antigenen und Antikörpern
aller Antikörper beim Empfänger, die eine Transfusionsreaktion verursachen können (komplette und inkomplette Antikörper).
39
z Durchführung Der Test entspricht weitgehend dem Antikörpersuchtest. Für die Durchführung gibt es keine einheitlichen Vorschriften. Zur Erfassung klinisch relevanter Antikörper wird die Kreuzprobe grundsätzlich bei 37 °C auf Platten, im Röhrchen, auf Mikrotiterplatten und im Kartentest manuell oder automatisch (7 Abschn. 39.3.4) vorgenommen. Der indirekte Antiglobulintest ist ein integraler Bestandteil der Kreuzprobe. Unbedingt zu empfehlen ist die Kontrolle der ABO-Blutgruppe von Spender- und Empfängererythrozyten sowie die Mitführung eines autologen Ansatzes (Empfängerserum gegen Empfängererythrozyten). Die Durchführung der Kreuzprobe im Röhrchen erfolgt im sog. 3-Stufen-Test. Hierbei werden 2 Tropfen des Empfängerserums mit 1 Tropfen der 3–5%igen Testerythrozytensuspension zentrifugiert und über einer Lichtquelle auf Agglutinate oder Hämolyse überprüft. Zu dem resuspendierten Ansatz werden nun 2 Tropfen einer Supplementlösung (LISS, Albumin) pipettiert. Das Röhrchen wird nochmals 10 bis max. 30 Minuten bei 37 °C inkubiert, erneut zentrifugiert und wiederum auf Agglutinate oder Hämolyse kontrolliert. Nach erneuter Resuspension wird der Ansatz gewaschen und mit 2 Tropfen polyspezifischem AHG-Reagenz versetzt, zum dritten Mal zentrifugiert und wiederum auf Agglutinate hin untersucht. Bei negativem Ergebnis werden vorsensibilisierte Testerythrozyten hinzugefügt, zentrifugiert und auf eine Agglutination überprüft. Wenn im letzten Schritt eine Agglutination erfolgt ist, kann von einer ordnungsgemäßen Funktion des Antiglobulintest ausgegangen werden. z Bemerkungen 5 Prinzipiell dient die serologische Verträglichkeitsprobe auf der Platte nur als weitere Sicherheitsmaßnahme, denn im Ansatz für den indirekten Antiglobulintest werden komplette und inkomplette Antikörper erfasst. 5 Mit Hilfe geeigneter Laborautomaten kann die Kreuzprobe im Kartentest oder auf Mikrotiterplatten durchgeführt werden. Hierbei erfolgen alle Pipettierschritte, die Ablesung der Ergebnisse und die Auswertung über Computer automatisch.
z Bemerkung Die Reaktionen müssen protokolliert und die Untersuchungsergebnisse in den Krankenakten dokumentiert werden (Dokumentationspflicht).
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39.8
Blutgruppenidentitätstest am Krankenbett (Bedside-Test)
z Definition Dieser Test dient der Kontrolle der ABO-Blutgruppen von Empfängererythrozyten, um Verwechslungen und eine sich daraus ergebende ABO-Inkompatibilität zu vermeiden. Es ist darauf zu achten, dass das Patientenblut unmittelbar aus der gelegten Transfusionsnadel entnommen wird. Im Falle der Eigenbluttransfusion wird auch die Konserve im Bedside-Test untersucht. Hierbei wird das Konservenblut unmittelbar aus dem Schlauch der vorbereiteten Konserve entnommen. z Durchführung Die Durchführung erfolgt meistens mit kommerziell erhältlichen Identitätskarten, die auf jeweils 2 Feldern Anti-A und auf 2 Feldern Anti-B in löslicher oder lyophilisierter Form enthalten. Die Angaben der Hersteller sind zu beachten.
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39
591
Nachweis von thrombozytären Antigenen und Antikörpern V. Kiefel und S. Santoso
40.1
Isolierung von Thrombozyten für immunologische Untersuchungen durch Differenzialzentrifugation – 592
40.2
Enzymimmunoassay für thrombozytäre Antikörper – 592
40.3
Thrombozyten-Suspensions-Immunfluoreszenztest – 593
40.4
MAIPA-Assay (»monoclonal antibody immobilization of platelet antigens«) – 593
40.5
Immunpräzipitation – 594
40.6
Nachweis medikamentabhängiger thrombozytärer Antikörper – 594
40.7
Absorption/Elution von thrombozytären Antikörpern – 595
40.8
Bestimmung thrombozytärer Alloantigene – 595 Literatur – 595
40
592
40
Kapitel 40 • Nachweis von thrombozytären Antigenen und Antikörpern
Mittlerweile steht eine Vielzahl von Methoden zur Untersuchung von thrombozytären Antigenen und Antikörpern zur Verfügung. Plättchen thrombozytopenischer Patienten werden zur serologischen Bestimmung der Alloantigene und zur Quantifizierung zellständiger thrombozytärer Autoantikörper isoliert. Eine Typisierung der thrombozytären Alloantigene ist bei extrem thrombozytopenischen Patienten durch Analyse der genomischen DNS möglich. Diese kann aus beliebigen kernhaltigen Zellen gewonnen werden. Thrombozyten gesunder Blutspender finden darüber hinaus in Thrombozytenpanels zur Charakterisierung thrombozytenreaktiver Antikörper Verwendung. Freie plättchenreaktive Antikörper in Patientenseren werden mit Hilfe des Enzymimmunoassays für thrombozytäre Antikörper oder des Plättchenadhäsions-Immunfluoreszenztests nachgewiesen. Die Identifizierung der Proteinspezifität thrombozytärer Antikörper gelingt meist mit Hilfe der Immunpräzipitation oder, technisch einfacher, mit Hilfe des MAIPA-Assays. Bei Patienten mit erhöhten plättchenständigen Immunglobulinen ist eine Autoimmunthrombozytopenie wahrscheinlich, wenn sich diese auf den Glykoproteinkomplexen IIb/IIIa oder Ib/IX lokalisieren lassen (direkter MAIPA) oder wenn ein Säureeluat der autologen Thrombozyten einen plättchenreaktiven Antikörper enthält, der in einem Bindungstest wie dem Immunfluoreszenztest nachgewiesen werden kann.
40.1
Isolierung von Thrombozyten für immunologische Untersuchungen durch Differenzialzentrifugation
z Prinzip Mit EDTA antikoaguliertes Blut wird zunächst bei niedriger g-Zahl zentrifugiert und das überstehende plättchenreiche Plasma (PRP) von der Erythrozyten getrennt. Das PRP wird dann bei höherer g-Zahl erneut zentrifugiert, um die Thrombozyten zu sedimentieren. Wiederholtes Abnehmen des Überstandes, Resuspendieren der Thrombozyten in isotonischer Kochsalzlösung (NaCl) und erneutes Zentrifugieren (»Waschen«) bewirken eine Entfernung der Plasmabestandteile aus der Suspension. z Anwendung Gewinnung von Testthrombozyten für den Nachweis von plättchenreaktiven Antikörpern in Seren, Isolierung des Materials für die Bestimmung plättchenständiger thrombozytärer Antikörper. z Material 5 Mit EDTA beschichtete Kunststoffröhrchen, 5 isotonische Kochsalzlösung mit 0,5 % (w/v) EDTA (NaClEDTA), 5 isotonische Kochsalzlösung, deren pH durch Zugabe von Dulbecco-PBS (»phosphate buffered saline«) auf 6,5 eingestellt wird (NaCl-pH 6,5), 5 isotonische Kochsalzlösung mit 0,1 % (w/v) NaN3 (NaClNaN3). z Durchführung Für die Untersuchung im MAIPA-Assay werden die in EDTA antikoagulierten Blutproben (10–20 ml) 20 min bei 120 g zentrifugiert. Das PRP im Überstand wird dann vorsichtig abgenommen und zu gleichen Teilen mit NaCl-EDTA gemischt. Nach 10-minütiger Zentrifugation bei 1600 g wird der Überstand abgegossen, die Thrombozyten werden in NaCl-pH 6,5 resuspendiert und 3-mal in der gleichen Technik gewaschen. Nach dem Waschen werden die Throm-
bozyten in NaCl-NaN3 resuspendiert und bis zur Untersuchung bei 4 °C aufbewahrt. Thrombozyten für den Plättchenimmunfluoreszenztest werden ähnlich isoliert, allerdings wird das PRP beim ersten Waschen mit NaCl-EDTA gemischt, das zusätzlich 0,44 % Rinderserumalbumin enthält. Nach dem Waschen werden die Thrombozyten in isotonischer Kochsalzlösung (NaCl-NaN3) aufgenommen. 40.2
Enzymimmunoassay für thrombozytäre Antikörper
z Prinzip Testthrombozyten werden in der zu untersuchenden Serumprobe inkubiert, 3-mal gewaschen, in der Verdünnung eines mit alkalischer Phosphatase markierten Antihuman-IgG suspendiert und nach einem weiteren 4-maligen Waschvorgang in der Lösung eines Substrats, das von alkalischer Phosphatase in ein farbiges Produkt umgewandelt wird, suspendiert. z Anwendung Suchtest zum Nachweis plättchenreaktiver Antikörper, serologisches Crossmatch zur Vorhersage des Erfolgs von Plättchentransfusionen bei immunisierten Patienten. z Material 5 Reaktions-/Zentrifugenröhrchen 1,5 ml, 5 phosphatgepufferte isotonische Kochsalzlösung (PBS), 5 2 %iges Rinderserumalbumin, pH 7,2 (PBS-BSA 2 %), 5 isotonische Kochsalzlösung mit 0,2 % BSA (NaCl-BSA 0,2 %), 5 Konjugat: Antikörper von der Ziege gegen humanes IgG, alkalische-Phosphatase-markiert (Dianova, Hamburg), 5 Substratlösung: 10 mg p-Nitrophenylphosphat in 10 ml Substratpuffer (0,5 mmol MgCl2 × 6 H2O, 3 mmol NaN3, 9,7 % [v/v] Diäthanolamin), 5 Flachboden-Mikrotiterplatte mit 96 Vertiefungen. z Durchführung Suspension von 20 × 106 Testthrombozyten in 0,1 % NaCl-NaN3 wird in 1,5-ml-Zentrifugenröhrchen 1 min bei 10.000 g zentrifugiert, der Überstand abgesaugt, die Thrombozyten in 30 μl PBS-BSA 2 % resuspendiert und 20 μl des zu untersuchenden Serums hinzupipettiert. Nach einer Inkubation von 30 min bei 37 °C werden die Thrombozyten 3-mal in 100 μl NaCl-BSA 0,2 % gewaschen (Zentrifugation: 1 min bei 10.000 g) und anschließend 30 min bei 37 °C in 100 μl der zuvor ermittelten Verdünnung (in NaCl-BSA 0,2 %) des Konjugats inkubiert. Nach 4-maligem Waschen in NaCl-BSA 0,2 % wird das Thrombozytensediment in 100 μl der Substratlösung resuspendiert und nach Übertragung in ein neues Reaktionsröhrchen 30 min bei 37 °C in Dunkelheit inkubiert. Abschließend werden alle Ansätze zentrifugiert und je 90 μl der Überstände in die Vertiefungen einer Flachboden-Mikrotiterplatte pipettiert, in die zuvor je 50 μl 3 mol NaOH (zur Beendigung der Enzymreaktion) vorgelegt wurden. Die Extinktionen werden in einem Photometer für Mikrotiterplatten bei 405 nm gemessen. Die Resultate werden als Δ-Ext405Werte angegeben. Voraussetzung für das einwandfreie Funktionieren dieses Assays ist die Ermittlung der optimalen Konzentration des Konjugats: zu wählen ist die Verdünnung, die in »positiven« Ansätzen möglichst hohe Extinktionen erzielt, die bei der Untersuchung negativer Seren stets Δ-Ext405-Werte <0,15 ergibt.
40.4 • MAIPA-Assay (»monoclonal antibody immobilization of platelet antigens«)
z Beurteilung Bei jedem Experiment wird ein Blank-Ansatz mitgeführt: Substratlösung wird parallel zu den normalen Ansätzen mit nichtsensibilisierten Thrombozyten inkubiert. Resultate von Δ-Ext405 <0,15 gelten als negativ.
Thrombozyten-Suspensions-Immunfluoreszenztest
z Prinzip Frische Thrombozyten werden durch Differenzialzentrifugation isoliert, mit Formaldehyd fixiert und in dem zu untersuchenden Serum inkubiert. Nach Waschen werden sie in FITC-markiertem Anti-IgG supendiert, gewaschen und die membrangebundene Fluoreszenz in einem Fluoreszenzmikroskop abgelesen [9][10]. z Anwendung Suchtest zum Nachweis plättchenreaktiver Antikörper, Analyse von Eluaten. z Material 5 PBS: 0,0264 M Na2HPO4 × 2H2O, 0,14 M NaCl, pH 6,8-7,0, 5 Glycerin-PBS: 3 Teile Glycerin mit 1 Teil PBS mischen, 5 Paraformaldehydlösung: Stammlösung 4 %ig (w/v): Paraformaldehyd (PFA) (Merck, Darmstadt) in PBS lösen: PBS auf 70 °C erwärmen (Wasserbad) und tropfenweise 1 M NaOH hinzutropfen, bis die Lösung klar wird (möglichst Abzug!), diese Lösung anschließend filtrieren. Der pH dieser Lösung liegt bei annähernd 11. Die Lösung wird im Dunkeln bei 4 °C gelagert. Gebrauchslösung: Stammlösung 1:4 in PBS verdünnen, dann pH auf 7,2–7,4 einstellen. 5 EDTA-PBS: 0,009 M Na2EDTA, 0,0264 M Na2HPO4 × 2H2O, 0,14 M NaCl, pH 6,8–7,0, 5 EDTA 5 %: 5 %ige Na2EDTA in isotonischer Kochsalzlösung lösen, 5 Konjugat: Kaninchen-Anti-Human-IgG (Fc) (Dako, Hamburg), in PBS, Verdünnung in Vorversuchen ermitteln. Thrombozyten isolieren und fixieren Mit EDTA 5 % (9 Teile Blut + 1 Teil EDTA 5 %) antikoaguliertes Blut (vorzugsweise Spender der Blutgruppe Ο) wird 5 min bei Raumtemperatur bei 800 g zentrifugiert (oder 20 min bei 120 g). Nach Zugabe von EDTA-PBS werden die Plättchen 5 min bei 2800 g und 20 °C zentrifugiert, danach 3-mal gewaschen (2800 g und 20 °C). Das Thrombozytenpellet wird dann in 3 ml 1 % Paraformaldehydlösung (w/v) resuspendiert und 2–5 min bei Raumtemperatur inkubiert. Die so fixierten Thrombozyten werden 2-mal gewaschen und in EDTA-PBS resuspendiert. Die Plättchendichte soll 150 × 106/ml betragen. Die Thrombozyten sind noch am Tag der Gewinnung zu verwenden. z Durchführung 50 μl der fixierten Thrombozytensuspension werden mit 50 μl des zu untersuchenden Serums inkubiert: 30 min bei 37 °C. Anschließend werden die Thrombozyten 3-mal mit EDTA-PBS gewaschen und in 100 μl des FITC-markierten Kaninchen-Anti-Human-IgG inkubiert (30 min bei Raumtemperatur). Die Plättchen werden in Glycerin-PBS resuspendiert und im Fluoreszenzmikroskop beurteilt.
40
z Beurteilung Die Stärke der Reaktion wird in Scores protokolliert: 0: keine Reaktion, 1–2: schwache bis deutlich sichtbare Fluoreszenz der Thrombozyten, 3–4: starke Reaktion. 40.4
40.3
593
MAIPA-Assay (»monoclonal antibody immobilization of platelet antigens«)
z Prinzip Der MAIPA-Assay ist ein glykoproteinspezifischer Enzymimmuntest, der mit Hilfe monoklonaler Antikörper eine direkte Identifizierung des von einem Antikörper erkannten Glykoproteins erlaubt [3] [6]. Dabei werden Testthrombozyten zunächst mit dem zu untersuchenden Serum inkubiert, gewaschen und anschließend in der Verdünnung eines monoklonalen Antikörpers inkubiert. Dieser sollte mit einer Determinante auf dem gleichen Glykoprotein reagieren, das auch als Zielantigen für den zu untersuchenden humanen Antikörper vermutet wird. Wenn beide Antikörper, der humane und der monoklonale Antikörper von der Maus, mit unterschiedlichen Determinanten auf dem gleichen Glykoprotein reagieren, entsteht auf der Thrombozytenmembran ein trimolekularer Komplex, der Grundlage für den Antikörpernachweis im MAIPA-Assay ist. Die Thrombozyten werden mit einem Detergens solubilisiert. Das Lysat wird in Vertiefungen einer Mikrotiterplatte pipettiert, die zuvor mit Antimaus-IgG beschichtet wurden. Humane Antikörper am immobilisierten Glykoprotein werden mit einem Peroxidase-markierten Antihuman-IgG nachgewiesen. z Anwendung Charakterisierung plättchenreaktiver Antikörper in Seren einschließlich komplexer Antikörpergemische, Lokalisierung plättchenständiger Autoantikörper auf Patiententhrombozyten (»direkter MAIPA«, [7]). z Material 5 Reaktions-/Zentrifugenröhrchen 1,5 ml, 5 Dulbecco’s phosphatgepufferte isotonische Kochsalzlösung mit 2 % Rinderserumalbumin, pH 7,2 (PBS-BSA 2 %), 5 TBS-Waschpuffer: 10 mmol Tris, 0,5 % (v/v) Triton X-100, 0,05 % (v/v) Tween 20, 0,5 mmol CaCl2, 140 mmol NaCl pH 7,4, 5 Solubilisationspuffer: 10 mmol Tris, 0,5 % (v/v) Triton X-100, 140 mmol NaCl, pH 7,4, 5 Konjugat: Ziegen-Anti-Human-IgG, Peroxidase-markiert (Dianova, Hamburg); Flachboden-Mikrotiterplatte, mit Ziegen-Antimaus-IgG (Dianova, Hamburg) 1:500 in 15 mmol Na2CO3, 35 mmol NaHCO3, 3 mmol NaN3, pH 9,6, über Nacht bei 4 °C beschichtet, 5 Substratlösung: 4 Tabletten (4 × 2 mg, Dakopatts) 1,2-Phenylendiamin (OPD) werden in 12 ml destilliertem Wasser im Dunkeln aufgelöst; unmittelbar vor Gebrauch werden 5 μl 30 %ige H2O2-Lösung hinzupipettiert. z Durchführung 20 × 106 Thrombozyten werden in 30 μl PBS-BSA 2 % resuspendiert und 30 μl des zu untersuchenden Serums bei 37 °C inkubiert. Nach einmaligem Waschen der Plättchen mit 100 μl isotonischer Kochsalzlösung werden diese in 30 μl PBS-BSA 2 % resuspendiert und 30 min bei 37 °C mit 10 μl der Verdünnung des monoklonalen Antikörpers (Antikörperkonzentration 20 μg/ml) inkubiert. Die Thrombozyten werden anschließend 3-mal gewaschen und 30 min bei 4 °C
594
40
Kapitel 40 • Nachweis von thrombozytären Antigenen und Antikörpern
in 100 μl Solubilisationspuffer lysiert. Danach muss nichtlysiertes, partikuläres Material durch Zentrifugieren (30 min bei 13.000 g) entfernt werden. Je 50 μl des Überstandes werden abgenommen und in 200 μl TBS-Waschpuffer verdünnt. 100 μl dieses Überstandes werden 2 h bei 4 °C in Vertiefungen einer Mikrotiterplatte inkubiert, die zuvor mit Ziegen-Antimaus-IgG beschichtet wurde. Nach einem 4-fachen Waschvorgang (je 200 μl TBS Waschpuffer) werden die Vertiefungen bei 4 °C mit 100 μl der zuvor ermittelten Verdünnung Ziegen-Antihuman-IgG inkubiert. Nach einem weiteren 6-maligen Waschvorgang werden die Vertiefungen 15 min mit Substratlösung in der Dunkelheit inkubiert. Die Substratreaktion wird abschließend durch Zugabe von 50 μl 2,5 M H2SO4 beendet. Die Farbreaktion kann dann in einem Photometer für Mikrotiterplatten bei 492 nm gemessen werden. Voraussetzung für die Beurteilung der Resultate ist die Ermittlung der optimalen Konzentration des Konjugats: Zu wählen ist die Verdünnung, die in »positiven« Ansätzen möglichst hohe Extinktionen erzielt und bei der Untersuchung negativer Seren stets Δ-Ext492-Werte <0,15 ergibt. z Beurteilung Bei jedem Experiment wird ein »Blank-Ansatz« mitgeführt: Anstelle von Thrombozytenlysaten wird Tris-Waschpuffer in Vertiefungen der Mikrotiterplatte pipettiert. Resultate von Δ-Ext492 <0,15 gelten als negativ. 40.5
Immunpräzipitation
z Prinzip Thrombozytäre Membranproteine werden mit Biotin markiert und die Plättchen anschließend lysiert. Das von einem Antikörper erkannte Protein wird aus dem Lysat unter Verwendung von ProteinA-Sepharose-Beads präzipitiert. Das isolierte Protein wird einer Natriumdodecylsulfat-Elektrophorese (auch »Sodium-Dodecylsulfat«, SDS) unterzogen, die eine näherungsweise Bestimmung des Molekulargewichts erlaubt. Dazu wird die Position des markierten Proteins im Gel nach Transfer auf eine Nitrozellulosemembran unter Verwendung eines Enzym-Streptavidin-Konjugats sichtbar gemacht [8]. z Anwendung Nachweis von humanen thrombozytenspezifischen Allo- und Autoantikörpern, Charakterisierung von monoklonalen Antikörpern gegen thrombozytäre Glykoproteine. z Material 5 Elektrophorese- und Blotting-Apparatur, 5 Nitrozellulosemembran, 5 N-Hydroxysuccinimid-LC-Biotin (NHS-LC-Biotin), 5 peroxidasemarkiertes Streptavidin, 5 Chemilumineszenzsubstrat, 5 Tris-Puffer: 20 mmol Tris, 5 mmol Glycin, 10 mmol EDTA, 140 mmol NaCl, pH 7,4, 5 Solubilisierungspuffer: 25 mmol Tris, 100 mmol NaCl, 10 mmol EDTA, 1 % Triton X-100, 1 mmol Phenylmethylsulfonylfluorid (PMSF), 1 mmol Leupeptin, pH 7,4, 5 Rinderalbumin (100 mg/ml), 5 50 %ige (v/v) Suspension Protein-A-Sepharose-Beads, 5 Waschpuffer A: 50 mmol Tris, 150 mmol NaCl, 1 % Triton, pH 7,4, 5 Waschpuffer B: 20 mmol Tris, 150 mmol NaCl, 0,05 % Tween 20, pH 7,4,
5 Blockierungslösung: 1,5 % Rinderalbumin, gelöst in Waschpuffer B; Molekulargewichtsstandard. z Durchführung 1,3 × 109 Thrombozyten (in 1 ml PBS) werden mit 100 μl 50 mmol NHS-LC-Biotin 30 min im Eiswasserbad inkubiert. Nach 2-maligem Waschen mit Tris-Puffer werden die markierten Thrombozyten in 1 ml Solubilisierungspuffer lysiert. Unlösliches Material wird bei 13.000 g abzentrifugiert. Anschließend werden 800 μl des Lysats 2-mal mit je 100 μl Protein-A-Sepharose-Beads, 20 μl normalem AB-Serum und 80 μl Rinderalbumin unter Schütteln absorbiert (30 min Raumtemperatur), und nach Abzentrifugieren wird das vorabsorbierte Lysat bei –70 °C aufbewahrt. Dieser Schritt dient der Unterdrückung unspezifischer Reaktionen. 100 μl Lysat werden mit 10–50 μl humanem Serum oder 10 μg monoklonalen Mausantikörpern gemischt und über Nacht bei 4 °C inkubiert. Nach Inkubation (60 min) mit 5 μl Antihuman-IgG oder Antimaus-IgG (vom Kaninchen) werden 50 μl Protein-A-Sepharose-Beads zugegeben und weitere 60 min bei Raumtemperatur belassen. Nach 5-maligem Waschen mit Waschpuffer A werden die Beads 3 min in 80 μl Probenpuffer (Wasserbad) gekocht und abzentrifugiert. 60 μl des Überstandes werden in einer SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese (7,5 %) aufgetrennt. Anschließend werden die Proteine elektrophoretisch auf eine Nitrozellulosemembran übertragen (4 h, 50 V). Die Membran wird dann 1 h bei Raumtemperatur abgesättigt (Blockierungslösung) und 30 min in mit Peroxidase markiertem Streptavidin (verdünnt 1:3000 in Blockierungslösung) inkubiert. Nach mehrmaligem Waschen mit Waschpuffer B wird die Membran 1 min in eine Chemilumineszenssubstratlösung gelegt und auf einem Röntgenfilm exponiert. Die von den Antikörpern isolierten Proteine erscheinen als Banden. z Auswertung Als negative Kontrolle werden Seren nichtimmunisierter Individuen mitgeführt. Als positive Kontrollen dienen antikörperhaltige Seren oder monoklonale Antikörper bekannter Spezifität (z. B. Anti-PlA1 bzw. Anti-GPIIb/IIIa]. Mit Hilfe eines Molekulargewichtsstandards kann das relative Molekulargewicht der Proteinbanden ermittelt werden. 40.6
Nachweis medikamentabhängiger thrombozytärer Antikörper
z Prinzip Medikamentabhängige thrombozytäre Antikörper reagieren mit Plättchen nur in Gegenwart der Substanz, die in vivo die Immunthrombozytopenie beim Patienten ausgelöst hat. z Anwendung Zum Nachweis dieser Antikörper werden der Immunfluoreszenztest, der Thrombozyten-Enzymimmuntest und zur Bestimmung der Glykoproteinspezifität dieser Antikörper der MAIPA-Assay eingesetzt. z Durchführung Bei allen genannten Techniken werden folgende Ansätze untersucht: Patientenserum + Thrombozyten + Medikament, Patientenserum + Thrombozyten, Normalserum + Thrombozyten + Medikament.
595
Literatur
Besonders geeignet zum Nachweis medikamentabhängiger Antikörper ist der Enzymimmunoassay für thrombozytäre Antikörper (7 Abschn. 40.2). Dabei ist das Medikament den Waschlösungen und der Konjugatverdünnung in der jeweils gleichen Konzentration beizufügen wie den eigentlichen Inkubationsansätzen. z Auswertung Ein medikamentabhängiger Antikörper liegt nur dann vor, wenn ausschließlich der 1. Ansatz positiv ist. Ansatz 2 und 3 sind Kontrollen, deren Positivität auf »normale« thrombozytenreaktive Antikörper (Ansatz 2) oder unspezifische Reaktionen z. B. durch Schädigung der Testthrombozyten (Ansatz 3) hinweist. In einigen Fällen löst nicht das eingenommene Medikament, sondern einer seiner Metaboliten eine Immunthrombozytopenie aus. Dann ist der Nachweis eines medikamentenabhängigen Antikörpers nur mit einer geeigneten Metabolitenpräparation zu führen [5]. 40.7
Absorption/Elution von thrombozytären Antikörpern
z Prinzip Antikörperbeladene Thrombozyten werden in einem sauren Puffer mit einem pH-Wert von 2,8 suspendiert. Die Plättchen werden anschließend durch Zentrifugation abgetrennt, das Eluat im Überstand abgenommen und mit Tris-Lösung neutralisiert.
40.8
40
Bestimmung thrombozytärer Alloantigene
Thrombozytäre Alloantigene wurden zunächst mit serologischen Methoden entdeckt und charakterisiert. Heute wird man die Typisierung mit dem glykoproteinspezifischen Enzymimmuntest (MAIPA) vornehmen, da viele Seren mit plättchenspezifischen Alloantikörpern auch HLA-Klasse-I-Antikörper enthalten. Da – mit Ausnahme von Anti-HPA-1a und Anti-HPA-5b – thrombozytäre Alloantikörper in geeigneter Qualität nur in geringer Menge zur Verfügung stehen, werden Alloantigene meist mit molekularbiologischen Methoden aus genomischer DNS bestimmt. Dabei werden heute weitgehend kommerzielle Reagenzien verwendet, die häufig nach dem Prinzip der PCR-SSP arbeiten. Publizierte Methoden, die als In-house-Verfahren benutzt werden können, sind in der 3. Auflage dieses Buches beschrieben [4]. Allerdings stößt man bei der molekularbiologischen Bestimmung von Alloantigenen auf dem GPIIb/IIIa-Komplex dann an Grenzen, wenn heterozygote Merkmalsträger für eine Thrombasthenie Glanzmann untersucht werden. Dann können bei molekularbiologischer Bestimmung HPA1- oder HPA-3-hererozygote Merkmalsträger sich bei serologischer Antigenbestimmung als homozygot herausstellen, da eins der Allele aufgrund einer Glanzmann-typischen Mutation nicht auf der Thrombozytenmembran exprimiert wird [2]. In diesen Fällen sind nur durch serologische Methoden gültige Testresultate zu erzielen.
Literatur z Material 5 Reaktions- und Zentrifugenröhrchen 1,5 ml, 5 Säurepuffer für die Elution [1]: 64,1 ml isotonischer Kochsalzlösung werden mit 28,1 ml Aqua dest., 0,92 ml 96 % iger Essigsäure und 6,8 ml 22 %iger Rinderserumalbuminlösung gemischt; der pH wird mit 1 M HCl auf 2,8 eingestellt, 5 2,5 mol Tris-Lösung: 15,1 g Tris werden in 50 ml Aqua dest. gelöst. z Durchführung Zur Analyse eines Serums mit thrombozytenreaktiven Antikörpern werden 2- bis 3-mal 1–2 × 109 Thrombozyten mit bekanntem Antigenmuster in 1 ml Serum suspendiert und 60 min bei Raumtemperatur inkubiert, wobei ständig für eine gute Durchmischung der Suspension gesorgt werden muss. Am Ende jeder Inkubation werden die Thrombozyten durch kurzes Zentrifugieren (10.000 g; 1 min) vom Absorbat getrennt und danach 3-mal in 500 μl isotonischer Kochsalzlösung gewaschen. Anschließend werden die Thrombozyten in zwei Teilen isotonischer Kochsalzlösung (z. B. 600 μl) resuspendiert und ein Teil Säure-Elutionspuffer (z. B. 300 μl) hinzugegeben. Nach 10-minütiger Elution werden die Thrombozyten durch Zentrifugation (2 min; 10.000 g) abgetrennt und ein definierter Teil des Überstandes (Eluat) abgenommen (z. B. 800 μl): Durch Zugabe von 2,5 mol Tris-Lösung wird das Eluat auf einen pH von 7,2 eingestellt. Das für die Neutralisation des Eluats erforderliche Volumen Tris-Lösung wird vor dem Elutionsvorgang in einem Titrationsexperiment in größeren Volumina, die eine präzise Messung mit einer pH-Elektrode erlauben, ermittelt. Dabei wird bestimmt, welches Volumen an Tris-Lösung zur Neutralisation (pH 7,2) von 3 ml Eluatmedium (2 Teile isotonischer Kochsalzlösung + 1 Teil Säurepuffer) benötigt wird. Die Antikörperspezifitäten von Absorbaten und Eluaten können im Immunfluoreszenztest oder im Thrombozyten-ELISA-Test untersucht werden.
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597
Nachweis von granulozytären Antigenen und Antikörpern A. Reil und J. Bux
41.1
Granulozytenimmunfluoreszenztest (GIFT) – 598
41.2
Granulozytenaggregations- oder-agglutinationstest (GAT) – 599
41.3
Nachweis medikamentenabhängiger granulozytärer Antikörper – 599
41.4
Lymphozytenimmunfluoreszenztest (LIFT) – 600
41.5
Glykoproteinspezifischer Enzymimmuntest (MAIGA) – 600
41.6
Bestimmung der HNA-1-, -3-, -4- und -5-Genotypen durch allel(sequenz)spezifische Polymerasekettenreaktion (PCR-SSP) – 601
41.7
Laboruntersuchung von antikörperbedingter TRALI – 602 Literatur – 602
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598
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Kapitel 41 • Nachweis von granulozytären Antigenen und Antikörpern
Die Bestimmung granulozytärer Antigene und der Nachweis der korrespondierenden Antikörper ist ein umschriebenes, aber klinisch bedeutsames Gebiet der Immunhämatologie. Wichtige Krankheitsbilder sind die neonatale Immunneutropenie (7 Kap. 31), die febrile Reaktion und das TRALI-Syndrom als unerwünschte Wirkungen von Bluttransfusionen (7 Kap. 37) und die Autoimmunneutropenie (7 Kap. 31). Für die Antikörpersuche hat sich eine Kombination aus Granulozytenimmunfluoreszenztest und Granulozytenagglutinationstest unter Verwendung typisierter Testgranulozyten bewährt. Mit Ausnahme der HNA-3-Alloantikörper können heutzutage alle anderen Allospezifitäten auch mit dem glykoproteinspezifischen Enzymimmuntest (MAIGA) identifiziert werden. Für die klinisch bedeutsamsten Antigene der HNA-1-Gruppe sowie die Gruppen HNA-3, HNA-4 und HNA-5 stehen jetzt auch molekularbiologische Methoden für die Merkmalsbestimmung zur Verfügung.
41.1
Granulozytenimmunfluoreszenztest (GIFT)
z Prinzip Im GIFT werden an Granulozyten gebundene Allo- oder Autoantikörper durch Zugabe eines mit einem Fluoreszenzfarbstoff markierten Sekundärantikörpers nachgewiesen. Beim direkten GIFT werden Antikörper nachgewiesen, die bereits in vivo an die Granulozyten gebunden haben, das sog. granulozytenassoziierte Immunglobulin. Beim indirekten GIFT erfolgt die Antikörperbeladung der Testgranulozyten durch Inkubation mit dem zu untersuchenden Serum bzw. Plasma in vitro. Bei bekannter Antikörperspezifität kann der indirekte GIFT auch zur Granulozytenmerkmalsbestimmung eingesetzt werden. Die Auswertung erfolgt mittels Fluoreszenzmikroskop oder Durchflusszytometrie [2][7]. z Anwendungsbeispiele Nachweis von granulozytenspezifischen Antikörpern bei Autoimmunneutropenie (7 Kap. 8), neonataler Immunneutropenie (7 Kap. 8) und medikamentinduzierter Immunneutropenie (7 Kap. 8). z Material 5 Fluoreszenzmikroskop, 5 Mikrotiterplatten mit Rundböden, 5 Fc-spezifische FITC-konjugierte F(ab’)2-Antikörper gegen humane IgG- (IgM-, IgA-)Antikörper von Kaninchen oder Ziege in einer vorher erprobten Verdünnung (z. B. 1:50), 5 Medium: phosphatgepufferte 0,9 %ige NaCl-Lösung (PBS ohne Calcium und Magnesium!), pH 7,4, ggf. mit 0,2 % Rinderalbumin, 5 Serum- oder Plasma- (EDTA-)Proben, 5 5 %ige Dextran-Lösung: 20,0 g Dextran mit Medium auf 400 ml auffüllen und sterilfiltrieren, 5 Dichtegradient: z. B. Ficoll-Paque PLUS (GE Healthcare, Produkt-Nr. 17-1440-03), 5 Ammoniumchloridlösung: 0,155 mol/l (8,3 g) NH4Cl + 0,01 mol/l (1 g) KHCO3, 0,1 mmol/l (0,037 g) EDTA auf 1000 ml Aqua dest, pH 7,4, 5 4 % Paraformaldehyd (PFA)-Stammlösung: 0,4 g PFA in 10 ml PBS lösen, auf pH 7,4 einstellen. z Gewinnen der Granulozyten Für etwa 20 Ansätze werden Granulozyten aus 10 ml EDTA-Blut benötigt. Zunächst wird durch Dextran-Sedimentation (30 min, 37 °C) leukozytenreiches Plasma hergestellt. Mittels Dichtegradien-
tenzentrifugation [1] werden die Lymphozyten von den Granulozyten abgetrennt. Die Lymphozyten können für den Einsatz im Lymphozytenimmunfluoreszenztest (LIFT) weiter präpariert werden. (7 s. unten) Kontaminierende Erythrozyten in der Granulozytenfraktion werden mit einer Ammoniumchloridlösung 5 min bei 4 °C lysiert. Das Granulozytensediment wird dann 2-mal mit Medium gewaschen (Waschzyklus: Resuspension der Zellen mit dem Medium, 5 min bei 800 U/min in der Röhrchenzentrifuge mit Rotorradius 196 mm [=140 g] zentrifugieren, ungebremst auslaufen lassen, Überstand verwerfen) und anschließend in 2 ml 1 %igem Paraformaldehyd (4 %ige Stammlösung zuvor mit PBS 1:4 verdünnen) aufgeschwemmt. Nach 5 min Einwirkung bei Raumtemperatur werden die so fixierten Granulozyten 2-mal mit Medium gewaschen. In ihm werden die Zellen in einer Konzentration von 5 × 106 Granulozyten/ ml resuspendiert. z Durchführung 5 Je 40 μl der Granulozytenaufschwemmung werden in die Vertiefung der Mikrotiterplatte gegeben. 5 Je 40 μl des unverdünnten Serums/Plasmas werden in die Vertiefung zugefügt. 5 Vermischen durch kurzes Bewegen auf einem mechanischen Rüttler. 5 Die Platten werden mit dem Deckel verschlossen und 30 min bei 37 °C inkubiert. 5 Die Granulozyten werden dann in 3 Waschzyklen mit 200 μl Medium je Vertiefung gewaschen (Waschzyklus: Resuspension der Zellen mit dem Medium, 1 min bei 1200 U/min in der Plattenzentrifuge mit Rotorradius 173 mm [=279 g] zentrifugieren, ungebremst auslaufen lassen, vorsichtiges Ausschütten des Mediumüberstandes aus der Platte). 5 Je 40 μl verdünnter FITC-konjugierter Antikörper wird zum Zellsediment gegeben, das vorher nach dem letzten Waschzyklus auf dem mechanischen Rüttler gelöst wurde. Dann mischen und 30 min bei Raumtemperatur im Dunkeln inkubieren. 5 In 3 Zyklen, wie oben beschrieben, waschen. 5 Das Granulozytensediment jeder Vertiefung wird in einem Tropfen Glycerin/PBS (1 + 3 v/v) aufgenommen, auf Glasobjektträger übertragen und mit einem Deckgläschen abgedeckt. Die mikroskopische Auswertung erfolgt bei 400-facher Vergrößerung mit Glycerin/PBS und einem Ölimmersionsobjektiv (Vergr. 40:1). z Auswertung Ein Ansatz gilt als positiv, wenn die Mehrzahl der Granulozyten eine körnige bis lineare Membranfluoreszenz an der Zirkumferenz der Zelle aufweist (»Ringfluoreszenz«). Abstufungen der Reaktionsstärke nach subjektiver Einschätzung sind üblich. Starke Reaktionen zeigen eine helle, körnige bis lineare Membranmarkierung. Negative Kontrollen: Serum/Plasma ohne Antikörper gegen Antigene der Granulozyten. Positive Kontrollen: Serum/Plasma mit granulozytenspezifischen Antikörpern. z Bemerkungen 5 Die Untersuchung im GIFT sollte innerhalb von 6 h nach Granulozytenisolation durchgeführt werden. 5 Antikörper gegen das HNA-3a-Merkmal (früher 5b) sind wesentlich besser im GAT (7 s. unten) als im GIFT zu identifizieren [2][3][10]. 5 HLA-Antikörper können ebenfalls zu positiven Befunden führen und sollten durch Identifizierung im MAIGA-Assay
599
41.3 • Nachweis medikamentenabhängiger granulozytärer Antikörper
(7 s. unten) oder durch parallele Untersuchung der Lymphozyten des Granulozytenspenders im Lymphozytenimmunfluoreszenztest, im Lymphozytotoxizitätstest oder einem HLA -Antikörper-ELISA ausgeschlossen werden. 5 Testgranulozyten von Spendern kurz vor, während oder kurz nach einer Infektion sowie nach G-CSF-Gabe führen häufig zu schwachen, falsch-positiven Testergebnissen. Die Ergebnisse können dennoch auswertbar sein, wenn die Reaktionsstärke der Probe deutlich stärker als die der Negativkontrolle ist. 41.2
Granulozytenaggregations- oder-agglutinationstest (GAT)
Positive Kontrollen: Inaktiviertes Serum/Plasma mit agglutinierenden Antikörpern gegen granulozytenspezifische Antigene. z Bemerkungen 5 Antikörper gegen das HNA-3a-(5b-)Antigen sind wesentlich besser im GAT als im GIFT zu identifizieren [2][3]. 5 Granulozyten können auch von HLA-Antikörpern agglutiniert werden. Deren Anwesenheit sollte daher ausgeschlossen werden (7 Bemerkungen zu Abschn. 41.1). 5 Verkeimte oder stark hämolytische Seren können zu falschpositiven Ergebnissen führen. 41.3
z Prinzip Im Gegensatz zum GIFT können mit dem GAT nur Granulozytenantikörper im Serum/Plasma nachgewiesen werden (indirekter Ansatz). Während IgM-Antikörper Granulozyten direkt zu agglutinieren vermögen, aktivieren IgG-Antikörper die Testgranulozyten zunächst, wodurch diese dann aggregieren [2][7][9]. z Anwendungsbeispiele 7 Granulozytenimmunfluoreszenztest (7 Abschn. 41.1). z Material 5 Umgekehrtes Mikroskop; Terasaki-Mikrotestplatten, 5 5 %ige EDTA-Lösung: 5 % EDTA in 0,9 %iger NaCl-Lösung, 5 Medium; 7 Abschn. 41.1, 5 das zu untersuchende Serum/Plasma wird 1:2 mit PBS ohne Ca/Mg verdünnt und muss partikelfrei sein (Filtration oder hochtourige Zentrifugation), 5 Granulozyten werden, wie unter 7 Abschn. 41.1 beschrieben, isoliert, jedoch nicht fixiert, 5 Thrombozyten werden aus den Granulozyten durch Zentrifugation für 10 min bei 130 g und Verwerfen des Überstandes entfernt, 5 Die Granulozyten werden auf 5 × 106 Zellen/ml unter Verwendung des EDTA-Plasmas des jeweiligen Granulozytenspenders eingestellt; bei häufiger Spontanagglutination, d. h. unspezifisch positive Reaktionen in der Negativkontrolle: Zugabe von 100 μl 5 %iger EDTA-Lösung je ml Suspension, 5 übriges Material wie unter 7 Abschn. 41.1 beschrieben. z Durchführung 5 Je 2 μl der Granulozytensuspension werden in die Vertiefungen der Mikrotestplatte unter Mineralöl gegeben. 5 Je 6 μl der verdünnten Patientenprobe werden in die Vertiefungen zugefügt; dabei werden 2 Platten beschickt. 5 Eine Platte wird für 120 min bei 37 °C ohne Bewegung inkubiert und danach mit dem Invertmikroskop beurteilt. Die 2. Platte wird über Nacht bei 30 °C inkubiert und dann ausgewertet. z Auswertung Ansammlungen von mindestens 4 Granulozyten gelten als Aggregate. Die Zahl der agglutinierten/aggregierten Granulozyten wird abgeschätzt und in % angegeben. Aufgrund der Neigung der Granulozyten zur Spontanaggregation gelten erst Werte über 20 % als positiv. Negative Kontrollen: Inaktiviertes Serum/Plasma ohne Antikörper gegen Antigene der Granulozyten.
41
Nachweis medikamentenabhängiger granulozytärer Antikörper
z Prinzip Der Nachweis kann mittels modifiziertem GIFT und GAT erfolgen [6]. Im MAIGA-Assay (7 s. unten) kann u. U. die Glykoproteinspezifität bestimmt werden. z Anwendungsbeispiele Die Untersuchung ist bei dem Verdacht indiziert, dass medikamentenabhängige Antikörper (z. B. Chinin, Carbimazol) einen peripher erhöhten Umsatz der Granulozyten verursachen. Dieser ist von einer Bildungsstörung (toxisch verursachte Reduzierung der myeloischen Vorläuferzellen) abzugrenzen. z Material 5 Granulozytenisolierung: 7 Abschn. 41.1 u. 7 Abschn. 41.2, 5 Plasma- oder Serumprobe, 5 Medikamentenlösung: Medikament wird in einer Konzentration von 1 mg/ml in PBS gelöst und auf neutralen pH eingestellt; oft können lediglich gesättigte Lösungen hergestellt werden; 5 Ex-vivo-Metaboliten: Urinprobe, die nach Einnahme des verdächtigten Medikaments gewonnen wurde; 5 weitere Reagenzien analog dem GIFT und GAT, jedoch müssen allen Medien und Puffern das Medikament bzw. Ex-vivoMetaboliten zugesetzt werden. z Durchführung und Auswertung Granulozyten werden mit dem Patientenserum und einer gleichen Menge der Medikamentenlösung 30 min bei 37 °C inkubiert. In einem 2. Ansatz wird die Medikamentenlösung durch Ex-vivo-Metaboliten ersetzt. Die weitere Durchführung und die Auswertung erfolgen gemäß der gewählten Methode, wobei das Medikament bzw. sein Ex-vivo-Metabolit in allen eingesetzten Lösungen enthalten sein sollte. Kontrollansätze: Granulozyten + Medikament/Ex-vivo-Metabolit + Normalserum, Granulozyten + Medikament/Ex-vivo-Metabolit + granulozytärer Antikörper (Ausschluss einer medikamentenbedingten Hemmung der Antikörperbindung). z Bemerkungen 5 Ist der Kontrollansatz unter Verwendung von granulozytären Antikörpern negativ, ist trotz negativen Ausfalls des Untersuchungsansatzes ein medikamentenabhängiger Antikörper nicht auszuschließen.
600
Kapitel 41 • Nachweis von granulozytären Antigenen und Antikörpern
5 Oft wird ein weiterer Kontrollansatz mit Granulozyten, Patientenserum und medikamentenfreiem Medium durchgeführt. Hier sollten bei diesem Ansatz die erforderlichen Waschvorgänge auch mit medikamentenfreiem Medium erfolgen. 41.4
41
Lymphozytenimmunfluoreszenztest (LIFT)
z Prinzip Analog zum GIFT werden im LIFT an Lymphozyten gebundene Antikörper durch Zugabe eines mit einem Fluoreszenzfarbstoff markierten Sekundärantikörpers nachgewiesen. Beim indirekten LIFT erfolgt die Antikörperbeladung der Testlymphozyten durch Inkubation mit dem zu untersuchenden Serum bzw. Plasma in vitro. Bei bekannter Antikörperspezifität kann der indirekte LIFT auch zur Lymphozytenmerkmalsbestimmung (z. B. HNA-3-Typisierung) eingesetzt werden. Die Auswertung erfolgt mittels Fluoreszenzmikroskop oder Durchflusszytometrie [2][7]. z Anwendungsbeispiele Nachweis von HLA-Antikörpern sowie von HNA-Antikörpern, die auch auf Lymphozyten exprimiert werden, bei neonataler Immunneutropenie und TRALI. Serologische Typisierung von HNA-3-Antigenen. z Material 5 Durchflusszytometer, 5 Mikrotiterplatten mit Rundböden, 5 Fc-spezifische FITC-konjugierte F(ab’)2-Antikörper gegen humane IgG- (IgM-, IgA-)Antikörper von Kaninchen oder Ziege in einer vorher erprobten Verdünnung (z. B. 1:50), 5 Medium: phosphatgepufferte 0,9 %ige NaCl-Lösung (PBS ohne Calcium und Magnesium!), pH 7,4, ggf. mit 0,2 % Rinderalbumin, 5 Serum- oder Plasma- (EDTA-)Proben, 5 5 %ige Dextran-Lösung: 20,0 g Dextran mit Medium auf 400 ml auffüllen und sterilfiltrieren 5 Dichtegradient: z. B. Ficoll-Paque PLUS (GE Healthcare, Produkt-Nr. 17-1440-03), 5 4 % Paraformaldehyd- (PFA-)Stammlösung: 0,4 g PFA in 10 ml PBS lösen, auf pH 7,4 einstellen. z Gewinnen der Lymphozyten Nach der Dichtegradientenzentrifugation [1] der in 7 Abschn. 41.1 beschriebenen Granulozytenisolierung werden die Lymphozyten von den Granulozyten abgetrennt. Die Lymphozyten werden dann 2-mal mit Medium gewaschen (1. Waschzyklus: Resuspension der Zellen mit dem Medium, 10 min bei 1400 U/min in der Röhrchenzentrifuge mit Rotorradius 196 mm [= 430 g] zentrifugieren, weitere Waschzyklen 5 min bei 1400 U/min zentrifugieren, ungebremst auslaufen lassen, Überstand verwerfen) und anschließend in 2 ml 1 %igem Paraformaldehyd (4 %ige Stammlösung zuvor mit PBS 1:4 verdünnen) aufgeschwemmt. Nach 5 min Einwirkung bei Raumtemperatur werden die so fixierten Granulozyten 2-mal mit Medium gewaschen. In ihm werden die Zellen in einer Konzentration von 10 × 106 Granulozyten/ml resuspendiert. z Durchführung 5 Je 40 μl der Lymphozytenaufschwemmung werden in die Vertiefung der Mikrotiterplatte gegeben. 5 Je 20 μl des unverdünnten Serums/Plasmas werden in die Vertiefung zugefügt.
5 Vermischen durch kurzes Bewegen auf einem mechanischen Rüttler. 5 Die Platten werden mit dem Deckel verschlossen und 30 min bei 37 °C inkubiert. 5 Die Lymphozyten werden dann in 3 Waschzyklen mit 200 μl Medium je Vertiefung gewaschen (Waschzyklus: Resuspension der Zellen mit dem Medium, 2 min bei 1200 U/min in der Plattenzentrifuge mit Rotorradius 173 mm [= 279 g] zentrifugieren, ungebremst auslaufen lassen, vorsichtiges Ausschütten des Mediumüberstandes aus der Platte). 5 Je 40 μl verdünnter, FITC-konjugierter Antikörper wird zum Zellsediment gegeben, das vorher nach dem letzten Waschzyklus auf dem mechanischen Rüttler gelöst wurde. Dann mischen und 30 min bei Raumtemperatur im Dunkeln inkubieren. 5 In 3 Zyklen wie oben beschrieben waschen. 5 Das Lymphozytensediment jeder Vertiefung wird in 100 μl Medium aufgenommen und in FACS-Röhrchen, in denen 250 μl Medium vorgelegt sind, überführt. Die durchflusszytometrische Auswertung sollte innerhalb der nächsten 24 h erfolgen. z Auswertung Die Auswertung erfolgt semiquantitativ durch Messung der Fluoreszenzintensität. Negative Kontrollen: Serum/Plasma ohne Antikörper gegen Antigene der Lymphzyten. Positive Kontrollen: Serum/Plasma mit HNA-3a-Antikörpern oder breitreaktive HLA-Klasse-I-Antikörper. Die Grenzwerte für einen positiven Befund müssen von jedem Labor selbst ermittelt werden. z Bemerkung Die Untersuchung im LIFT sollte innerhalb von 6 h nach Lymphozytenisolation durchgeführt werden. 41.5
Glykoproteinspezifischer Enzymimmuntest (MAIGA)
z Prinzip Beim MAIGA (»monoclonal antibody-specific immobilization of granulocyte antigens«) [4] werden Antikörper nachgewiesen, die an Antigene der intakten Granulozytenmembran gebunden haben und dadurch zu isolieren sind. Hierzu werden gereinigte Granulozyten mit dem zu untersuchenden Serum sowie einem monoklonalen Antikörper, der gegen ein bestimmtes (Glyko-)Protein der Granulozytenmembran gerichtet ist, inkubiert und die Zellen anschließend lysiert. Der trimolekulare Komplex, bestehend aus Antigen sowie humanem und monoklonalem Antikörper, wird mittels Anti-MausAntikörper an eine Festphase immobilisiert und die Bindung des humanen Antikörpers nach Zugabe eines enzymmarkierten AntiHumanantikörpers sowie einer Substratlösung durch Farbzunahme photometrisch nachgewiesen. z Anwendungsbeispiele Identifizierung granulozytärer Alloantikörper im Patientenserum bei Verdacht auf Alloimmunneutropenie, z. B. der neonatalen Immunneutropenie, oder bei Vorliegen einer transfusionsassoziierten akuten Lungeninsuffizienz.
41.6 • Bestimmung der HNA-1-, -3-, -4- und -5-Genotypen durch allel(sequenz)spezifische Polymerasekettenreaktion (PCR-SSP)
z Material 5 Extinktionsphotometer, 5 Monoklonale Antikörper von der Maus mit Spezifitäten für die antigentragenden Glykoproteine, 5 Ziege-Anti-Maus-Antikörper, 5 Peroxidase-markierter Ziege-Anti-Humansekundärantikörper, 5 PBS A: mit 2 % Rinderalbumin, 5 PBS B: mit 0,2 % Rinderalbumin, 5 PBS C: mit 0,05 % Tween 20, 5 Waschlösung A: PBS ohne Ca/Mg, pH 7,4, mit 0,2 % Rinderalbumin, 5 Solubilisationspuffer: Tris (20 mmol) in isotonischer NaCl-Lösung, pH 7,4, mit 1 % Triton-X100, 5 mmol/l EDTA, 3 mmol/l Pefabloc SC, 1 μg/ml Leupeptin (Inhibitoren Pefabloc SC und Leupeptin erst kurz vor Gebrauch zugeben), 5 Waschlösung B: Tris (0,01 mmol)-NaCl-Puffer mit 1 % Triton-X100, 0,05 % Tween 20, 0,5 mmol/l CaCl2, 5 Substratlösung: 4 OPD-Tabletten (o-1,2-Phenylendiamin) in 12 ml Aqua dest. lösen, dann 5 μl Wasserstoffperoxyd hinzugeben und sofort schütteln, 5 »Coating-Puffer«: 0,05 mmol Carbonatpuffer pH 9,6. z Durchführung 1 × 106 PFA-fixierte Granulozyten, in 100 μl PBS A aufgeschwemmt, werden mit 50 μl Serum/Plasma 30 min bei 37 °C in Mikrotiterplatten mit Rundboden inkubiert, dann 1-mal mit PBS B gewaschen, in 50 μl PBS A resuspendiert und weitere 30 min mit 10 μl monoklonalem Antikörper (0,01 mg/ml PBS) inkubiert. Die Zellen werden anschließend 3-mal mit PBS B gewaschen und dann mit 100 μl Solubilisationspuffer für 30 min bei 4 °C lysiert, danach für 30 min bei 13.000 g und 4 °C zentrifugiert. 70 μl Überstand wird mit 180 μl Waschpuffer A verdünnt. 100 μl verdünnter Überstand (Doppelansatz) werden in Mikrotiterplatten mit Flachboden überführt. Letztere sind zuvor über Nacht mit 100 μl Ziege-Anti-MausAntikörper-Lösung (3 μg Antikörper/ml Coating-Puffer) beschichtet worden, anschließend 1-mal gewaschen, mit 200 μl PBS B für mindestens 1 h bei 4 °C inkubiert und schließlich 5-mal mit PBS C gewaschen worden. Nach mindestens 90-minütiger Inkubation mit dem Lysatüberstand bei 4 °C werden die Flachbodenplatten 5-mal mit PBS C gewaschen und 100 μl des 1:4000 in Waschlösung A verdünnten Sekundärantikörpers in jede Vertiefung pipettiert. Nach 2-stündiger Inkubation bei 4 °C werden die Platten 6-mal mit PBS C gewaschen. Anschließend werden 100 μl frisch angesetzte Substratlösung hinzugefügt. Nach 15-minütiger Inkubation im Dunkeln wird die Reaktion mit 100 μl 4-N-Schwefelsäure gestoppt und die Extinktion photometrisch gemessen. z Auswertung Die Auswertung erfolgt semiquantitativ durch extinktionsphotometrische Bestimmung des Farbumschlages. Negative Kontrolle A: ein Ansatz ohne Serum/Plasma und ohne Lysat (»blank«). Negative Kontrolle B: Serum-oder Plasmaprobe von nichtimmunisiertem Spender. Positive Kontrollen: Serum- oder Plasmaprobe mit bekanntem granulozytärem Antikörper. Die Grenzwerte für einen positiven Befund müssen von jedem Labor selbst ermittelt werden. z Bemerkungen 1. Mit Ausnahme der HNA-3-Alloantikörper können alle anderen HNA-Alloantikörper (NA1, NA2, SH, MART, OND), aber
601
41
auch HLA-Klasse-I-Antikörper im MAIGA nachgewiesen werden [2][3]. Aufgrund sterischer Hemmung, insbesondere wenn nur ein monoklonaler Antikörper verwendet wird, können Antikörper übersehen werden. 2. Bei gleichzeitiger und nicht sequenzieller Inkubation von monoklonalem Antikörper und Serum-/Plasmaprobe (immer zuerst) kann es durch heterophile Anti-Maus-Ig-Antikörper in der Patientenprobe zu falsch-positiven Reaktionen kommen. 41.6
Bestimmung der HNA-1-, -3-, -4- und -5-Genotypen durch allel(sequenz) spezifische Polymerasekettenreaktion (PCR-SSP)
z Prinzip Die PCR-SSP beruht auf dem Unvermögen der DNS-Polymerase, einen Basenunterschied am 3’-Ende der verwendeten Primer zu korrigieren und damit die Amplifikation starten zu können. z Anwendung Bestimmung der Merkmale von HNA-1 (NA1, NA2, SH-), HNA-3 (5a, 5b), HNA-4 (MART) und HNA-5 (OND), wenn frische (<6 h) Granulozyten für eine serologische Antigenbestimmung nicht zur Verfügung stehen [2][5]. z Material 5 Thermocycler, 5 Lösungen und Primer für Probenansatz gemäß 7 Übersicht. Lösungen und Primer für Probenansatz zur Bestimmung der HNA-Genotypen 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
FCGR3B*01(HNA-1a, NA1) – Vorwärtsprimer 5’ CAGTGGTTTCACAATGTGAA3’ – Rückwärtsprimer 5’ ATGGACTTCTAGCTGCAC 3’ FCGR3B*02 (HNA-1b, NA2) – Vorwärtsprimer 5’ CAATGGTACAGCGTGCTT 3’ – Rückwärtsprimer 5’-ACTGTCGTTGACTGTGTCAG-3 FCGR3B*03 (HNA-1c, SH) – Rückwärtsprimer 5’-ACTGTCGTTGACTGTGTCAT-3 – Vorwärtsprimer 5’ CAATGGTACAGCGTGCTT 3’ SLC44A2 * 461G (HNA-3a, 5b) – Vorwärtsprimer 5’ AGT GGC TGA GGT GCT TCG 3’ – Rückwärtsprimer 5’ GTG CGC CAA TAT CCT CAC TTG 3’ SLC44A2 * 461A (HNA-3b, 5a) – Vorwärtsprimer 5’ AGT GGC TGA GGT GCT TCA 3’ – Rückwärtsprimer 5’ GTG CGC CAA TAT CCT CAC TTG 3’ ITGAM*230G (HNA-4a, »MART«) – Vorwärtsprimer 5’ TCA TGC GAG CCC ATC CG 3’ – Rückwärtsprimer 5’ ACA AGG AGG TCT GAC GGT G 3’ ITGAM*230A (HNA-4bw, »MART-negativ«) – Vorwärtsprimer 5’ CTC ATG CGA GCC CAT CCA 3’ – Rückwärtsprimer 5’ ACA AGG AGG TCT GAC GGT G 3’ ITGAL*2372G (HNA-5a, »OND«) – Vorwärtsprimer 5’ AGG TTG AGG CAG GAG AAT GG 3’ – Rückwärtsprimer 5’ CAG TTA GAC GCA GGG CTC 3’ ITGAL*2372C (HNA-5bw, »OND-negativ«) – Vorwärtsprimer 5’ AGG TTG AGG CAG GAG AAT GG 3’ – Rückwärtsprimer 5’ CAG TTA GAC GCA GGG CTG 3’ – Primerpaar für interne PCR-Kontrolle – HGH I Primer 5’ CAGTGCCTTCCCAACCATTCCCTTA 3’ – HGH II Primer 5’ ATCCACTCACGGATTTCTGTTGTGTTTC 3’
Kapitel 41 • Nachweis von granulozytären Antigenen und Antikörpern
602
. Tab. 41.1 PCR-Bedingungen Allele für die Antigene
HNA-1a
HNA-1b, -1c
HNA-3a, -3b, -4a, -4b, -5a, -5b
Primerpaar
1 [5][14]
2, 3 [5][14]
4, 5, 6, 7, 8, 9 [11][12][13]
Initiale Denaturierung
95 °C, 10 min
95 °C, 10 min
95 °C, 10 min
Zyklen
95 °C, 30 s 57 °C, 1 min (35×) 2 °C, 30 s
95 °C, 30 s 59 °C, 1 min (32×) 72 °C, 30 s
95 °C, 30 s 64 °C, 40 s (10×) 72 °C, 30 s Anschließend: 95 °C, 30 s 61 °C, 30 s (20x) 72 °C, 30 s
Polymerisation
72 °C, 5 min
72 °C, 5 min
72 °C, 5 min
Produktlängen
141 bp
157 bp
291 bp [2][5] 249 bp [6][7] 283 bp [9][10]
41
z Durchführung Genomische DNS wird unter Verwendung eines kommerziell erhältlichen Kits aus EDTA-Blut isoliert. Es werden 9 Ansätze mit den in . Tab. 41.1 angegebenen Primerpaaren hergestellt. Das Primerpaar HGH-I und HGH-II amplifiziert einen Abschnitt des humanen Wachstumshormongens und wird als interne Amplifikationskontrolle mitgeführt. Anschließend erfolgt die Amplifikation der DNS-Fragmente im Thermocyler, wobei die in . Tab. 41.1 aufgeführten folgende Bedingungen für die PCR gelten. Die initiale Denaturierung ist nur bei Verwendung einer HotStart-DNS-Polymerase notwendig, die durch diesen Schritt aktiviert wird. Abgeschlossen wird die Reaktion durch einen Polymerisationsschritt bei 72 °C für 5 min. Nach Elektropherese der PCR-Produkte in einem 1,5 %igen Agarosegel und Anfärbung mit EthidiumBromid werden die PCR-Produkte im UV-Licht sichtbar gemacht und anschließend fotografiert. Das Kontrollfragment des Wachstumshormongens ist 439 bp lang. 41.7
Laboruntersuchung von antikörperbedingter TRALI
Noch vor der Laboruntersuchung steht die sorgfältige Sicherung der klinischen Diagnose, im Idealfall durch ein Gespräch mit demjenigen, der die Transfusionsreaktion beobachtet hat [15]. Wichtig ist insbesondere der Ausschluss der (häufigeren) transfusionsbedingten Volumenüberladung und die Ermittlung anderer Risikofaktoren für eine akute Lungeninsuffiienz (»acute lung injury«, ALI). Immunogene TRALI wird in der Regel durch leukozytäre Antikörper im Spenderblut ausgelöst (7 Kap. 37). Dennoch sollte für spätere Kreuzproben oder Antigen-Typisierungen immer auch Empfängerblut asserviert werden. Es sollten die Spender aller Blutprodukte in die Untersuchung einbezogen werden, die bis zu 6 h vor Einsetzen der Reaktion verabreicht wurden. Wenn sehr viele Blutprodukte involviert sind, hat es sich bewährt, die Spender in der Reihenfolge ihrer Alloimmunisierungswahrscheinlichkeit zu untersuchen, d. h. vorrangig Spenderinnen mit Schwangerschaften in der Anamnese oder transfundierte Spender. Die Untersuchung soll HNA-, HLA-Klasse-I- und -II-Antikörper umfassen. Die Nachweistechniken sind so zu kombinieren werden, dass die bekannten Auslöser (u. a. Anti-HNA-2, HNA-3a und HLA-A2 zuverlässig erkannt werden. Dies trifft zum Beispiel für
eine Kombination aus GIFT (7 Abschn. 41.1), GAT(7 Abschn. 41.2) und LIFT (7 Abschn. 41.4) zu. HLA-Klasse-II-Antikörper werden im LIFT mit Gesamtlymphozyten nur unzureichend erkannt, sodass die Untersuchung noch mit einem ELISA ergänzt werden muss. Auch zum Nachweis von HLA-Klasse-I-Antikörpern kann ein ELISA oder Bead-basierter Assay eingesetzt werden, aber man sollte bedenken, dass auf dem Markt befindliche Tests mehrheitlich dazu entwickelt wurden, Antikörper bei Transplantationsempfängern nachzuweisen, dass sie also hochsensitiv sind. Wenn Antikörper nachgewiesen werden, sollte zum einen versucht werden, ihre Spezifität in einem glykproteinspezifischen Test (z. B. MAIGA, 7 Abschn. 41.5) festzustellen und zum anderen eine Kreuzprobe mit Patientenzellen durchzuführen [8]. Gerade bei eher schwachen HLA-Klasse-I-Antikörpern, die relativ oft gefunden werden können, ist die Granulozytenkreuzprobe die einzige Möglichkeit, ihre Fähigkeit, TRALI auszulösen, einzuschätzen und eine Kausalbeziehung herzustellen. Wenn keine frische Empfängerblutprobe zu erhalten ist, kann man mit Antigenbestimmungen auf DNA-Ebene in vielen Fällen ebenfalls eine Kausalität wahrscheinlich machen.
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603
41
605
Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität R. Waßmuth
42.1
HLA-Typisierung: Serologische Methoden – 606
42.1.1 42.1.2
Probengewinnung und Zellisolierung: Übersicht und methodische Prinzipien – 606 Lymphozytotoxischer Test (LCT, CDC) – 607
42.2
HLA-Antikörpernachweis und -spezifizierung – 608
42.2.1 42.2.2 42.2.3
Indirekter HLA-Antikörpernachweis – 608 Direkter antigenspezifischer HLA-Antikörpernachweis – 609 Serologische Verträglichkeitsproben – 610
42.3
HLA-Typisierung: molekulargenetische Methoden – 611
42.3.1 42.3.2 42.3.3 42.3.4 42.3.5 42.3.6 42.3.7
DNA-Extraktion: Übersicht und methodische Prinzipien – 611 Gesamt-Genomamplifikation – 611 Polymerasekettenreaktion (PCR) – 611 Gensondenanalytik (PCR-SSO/-SSOP) – 612 Primeranalytik (PCR-SSP) – 613 Direkte Sequenzierung (PCR-SBT) – 613 Sonstige Genotypisierungsverfahren – 614
42.4
Indikation und Auflösungsgrad der Genotypisierung – 614
42.4.1 42.4.2 42.4.3 42.4.4 42.4.5
Transplantation solider Organe – 614 Transplantation hämatopoetischer Stammzellen – 614 Krankheitsassoziation – 614 Transfusion – 615 T-Lymphozyten-basierte Immuntherapie – 615
42.5
Nomenklatur – 615
42.5.1 42.5.2
Allgemeines – 615 Mehrdeutigkeiten (»Ambiguitäten«) und serologische Äquivalente – 615
42.6
Internetadressen – 615 Literatur – 616
42
606
42
Kapitel 42 • Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität
HLA-Merkmale werden bei der Spender/Empfänger-Auswahl vor der Transplantation hämatopoetischer Stammzellen und solider Organe berücksichtigt. Außerdem spielen sie eine Rolle bei der Transfusion von Thrombozyten und Granulozyten. Die Wahl der Methode bei der Merkmalsbestimmung richtet sich dabei nach dem Grad der erforderlichen Übereinstimmung in einem Spenderauswahlverfahren. Serologische Methoden zur Bestimmung der HLA-Merkmale sind in den letzten Jahren zugunsten des Einsatzes molekulargenetischer Verfahren (Genotypisierung) deutlich zurückgetreten bzw. verlassen worden. Anwendung finden serologische Verfahren einschließlich durchflusszytometrischer Methoden zum Nachweis und der Spezifizierung von HLA-Antikörpern sowie bei der lymphozytären Kreuzprobe. HLA-Antikörper werden vor der Transplantation solider Organe, bei allogenen Stammzelltransplantationen und vor der Transfusion von Blutzellen, die HLA-Antigene tragen, bestimmt. Weiterhin dient die HLA-Antikörperdiagnostik der Erkennung einer Alloimmunisierung bei Transplantation, Schwangerschaft/Abort und Transfusion. Neben den klassischen serologischen Verfahren wie dem Lymphozytotoxizitätstest spielen antigenspezifische Methoden eine zunehmend wichtige Rolle. Über die Beschreibung in diesem Abschnitt hinausgehende Methoden finden sich bei [1][5][6].
42.1
HLA-Typisierung: Serologische Methoden
42.1.1
Probengewinnung und Zellisolierung: Übersicht und methodische Prinzipien
. Tab. 42.1 Lymphozytenverteilung in humanen Geweben Gewebe
T-Lymphozyten [%]
B-Lymphozyten [%]
Peripheres Vollblut
50–90
5–20
Lymphknoten
75
25
Milz
50
50
se-II-Typisierung und die lymphozytäre serologische Verträglichkeitsprobe geeignet. Sofort nach Präparation (ca. 5 Lymphknoten) aus dem Fettgewebe sollten die Lymphknoten in komplettem Zellkulturmedium (z. B. RPMI 1640) kühl (4 °C) gelagert werden. Zur Präparation werden die Lymphknoten nach Isolierung aus dem Fettgewebe nach Mehrfachpunktion mit Medium ausgiebig gespült. Die erhaltene Zellsuspension wird für die weitere Aufbereitung verwandt.
Milz Milzgewebe wird im Rahmen der postmortalen Organspenderdiagnostik aufgrund des hohen B-Lymphozytengehalts für die HLA-Klasse-II-Typisierung und die lymphozytäre serologische Verträglichkeitsprobe eingesetzt. Dazu werden 1–2 etwa 2–3 cm3 große Stückchen Milz herausgeschnitten, in Medium (z. B. RPMI 1640) aufgenommen und kühl (4 °C) ins Labor transportiert. Zur Zellgewinnung wird ein Milzstückchen in einer Petrischale in Zellkulturmedium in kleinere Fragmente geschnitten und anschließend durch Gaze filtriert. Die erhaltene Zellsuspension wird für die weitere Aufbereitung verwandt.
Lymphozytenverteilung in humanen Geweben Die Lymphozytenseparation erfolgt in der Regel aus peripherem Blut, Lymphknoten oder Milzgewebe. Für die Gewinnung einzelner Lymphozytenpopulationen ist dabei die Verteilung in den für die serologische Gewebetypisierung eingesetzten Ausgangsmaterialien zu beachten (. Tab. 42.1).
Materialgewinnung und -präparation Peripheres Vollblut Die erforderliche Blutprobenmenge richtet sich nach Anzahl der Ansätze und der absoluten Lymphozytenzahl im Probandenblut. Allgemein reichen 5–10 ml antikoaguliertes Vollblut für die HLA-A-, -B-, -C-Typisierung und ca. 10 ml für die HLA-Klasse-IITypisierung aus. Die Zellausbeute pro ml Vollblut beträgt bei normalem Blutbild ca. 1 × 106 Lymphozyten. Bei schwer kranken, z. B. hämatologischen Patienten und potenziellen Organspendern sind ggf. größere Volumina nötig (z. B. 30–100 ml). Blutproben sind vor der Separation bei Raumtemperatur zu transportieren und aufzubewahren. Durch Kühlung des Ausgangsmaterials wird die Isolierung von Lymphozyten beeinträchtigt. Als Antikoagulanzien werden Heparin (Heparin-Natrium ohne Konservierungsmittel, 25–50 E/ml Blut) und ACD empfohlen. Diese erlauben eine Blutprobenlagerung bei Raumtemperatur bis zu 72 h. EDTA und Natriumcitrat sind wegen möglicher Chelatbildung mit Ca2+ und Einfluss auf die Komplementaktivierung als Antikoagulanzien für zytotoxische Methoden nicht geeignet. Wenn zusätzlich molekulargenetische Testungen durchgeführt werden sollen, sind entweder separat mit EDTA antikoagulierte Blutproben zu gewinnen oder einheitlich ACD als Antikoagulans einzusetzen.
Lymphknoten Lymphknoten sind bei der postmortalen Organspenderdiagnostik aufgrund ihres hohen B-Lymphozytengehalts für die HLA-Klas-
Zellisolierung Dichtegradientenisolierung Zellen mit unterschiedlicher Dichte und Größe können durch Zentrifugation in Gradienten fraktioniert werden. Am häufigsten wird Ficoll-Isopaque mit einem spezifischen Gewicht von 1,077 g/ml verwendet. Auch Percoll kann als Separationsmedium verwendet werden. Während Erythrozyten und Granulozyten aufgrund ihres größeren spezifischen Gewichts den Gradienten passieren und auf den Boden des Röhrchens sedimentieren, sammeln sich Lymphozyten, Thrombozyten und Monozyten aufgrund ihres geringeren spezifischen Gewichts an der Plasmagradientenphase. Ficoll bewirkt als hochpolymerer Zucker eine Agglutination der Erythrozyten und somit eine Sedimentationsbeschleunigung. Das Röntgenkontrastmittel Isopaque ist für die Dichte des Trennmediums verantwortlich. Bei zellulär verunreinigten Lymphozytensuspensionen empfiehlt sich die Percoll-Separation bzw. die Dichtegradientenisolation in Gegenwart monoklonaler Antikörper (z. B. Lympho-Kwik). Sofern Lymphozytensubpopulationen (z. B. serologische HLA-Klasse-II-Typisierung) benötigt werden, ist eine weitere Auftrennung der Lymphozytensuspension erforderlich.
Immunomagnetische Separation von B- und T-Lymphozyten Zur immunomangetischen Anreicherung von Lymphozytensubpopulationen werden Partikel eingesetzt, die mit monoklonalen Antikörpern gegen Differenzierungsantigene der B- oder T-Lymphozyten beladen sind. Für die Isolierung von B-Zellen werden CD19, CD20, für die Isolierung von T-Lymphozyten CD8, CD4, CD3 oder CD2 verwendet. Nach Bindung der Antikörper an ihre Zielzellen werden die gebundenen Zellen durch magnetische Rückhaltung von den nichtgebundenen Zellen getrennt. Beim Abgießen der Zellsuspension werden die immunomagnetisch gebundenen
607
42.1 • HLA-Typisierung: Serologische Methoden
Zellen zurückgehalten. Für nachfolgende Anreicherungsschritte oder Tests können sowohl die positiv- als auch negativ-selektionierten Zellen eingesetzt werden. Die an der Zelloberfläche anhaftenden magnetischen Partikel beeinträchtigen die Vitalität der Zellen nicht, sie können jedoch z. B. bei der serologischen Kreuzprobe stören. Zur mikroskopischen Beurteilung werden die Zellen durch Fluoreszenzfarbstoffe, zumeist in Zweifarbenfluoreszenz, hervorgehoben. Vitale Zellen werden mit Acridinorange (AO) oder Carboxylfluoreszein-Diazcetat (CFDA) grün markiert; geschädigte Zellen fluoreszieren durch Anfärbung mit Ethidiumbromid (EB) oder Propidiumiodid (PI) rot (Zweifarbenfluoreszenz).
42
. Tab. 42.2 Bewertung des lymphozytotoxischen Tests (ASHI-Manual) Letalität [%]
Score
Interpretation
0–10
1
Negativ
11–20
2
Fraglich negativ
21–50
4
Schwach positiv
51–80
6
Positiv
81–100
8
Stark positiv
Nicht ablesbar
0
Keine Auswertung
Sonstige Verfahren Weitere, in der Routine nur noch selten eingesetzte Trennverfahren sind die Nylonwatteseparation von B- und T-Lymphozyten sowie die Schaf-Erythrozyten-Rosettierung (E-Rosetten). Bei Inkubation mononukleärer Zellen in einer Nylonwattesäule werden T- und BLymphozyten durch Adhärenz der B-Lymphozyten an der Nylonwatte getrennt. Bei der Rosettierung werden T-Lymphozyten über das CD2-Antigen an LFA-3 auf Schafserythrozyten (»sheep red blood cells«, SRBC) gebunden. Diese Rosetten (>3 SRBC/T-Zelle), werden aufgrund ihres höheren spezifischen Gewichts bei der Dichtegradientenseparation von B-Lymphozyten getrennt.
Serumgewinnung und aufbereitung Serumproben können entweder direkt nach Zentrifugation aus koaguliertem Vollblut oder aus Plasma nach Rekalzifizierung und Defibrinierung gewonnen werden. Für einen längeren Transport bzw. längere Lagerung ist die Trennung von Serum/Plasma und zelluären Bestandteilen erforderlich. Hämolytische oder lipämische Verunreinigungen können die Testverfahren negativ beeinflussen und sind daher zu vermeiden. Serum- bzw. Plasmaproben sind möglichst tiefgefroren und unter Vermeidung wiederholter Einfrier-/Auftauzyklen auzubewahren. Eine kurzzeitige Aufbewahrung bei 4 °C ist statthaft. Eine nicht sachgerechte Lagerung kann Einfluss auf die Analyte, in diesem Fall anti-HLA bzw. anti-lymphozytäre Antikörper, nehmen. Kontaminanten können ggf. durch Adsoprtionsverfahren entfernt werden (z. B. Adsorb Out). Eine Verkeimung während der Lagerung kann durch den Zusatz von Natriumacid vermieden werden. Bei Seren, die nach der Gabe therapeutisch eingesetzter Antikörper gewonnen wurden, ist dies bei der Interpretation der Ergebnisse, insbesondere lymphozytotoxischer Tests, zu berücksichtigen und ggf. vor Testung eine Entfernung durch gezielte Immunadsorption (z. B. OKT3) bzw. zelluläre Adsorption (humanisierte anti-lymphozytäre Antikörper) durchzuführen.
42.1.2
Lymphozytotoxischer Test (LCT, CDC)
z Prinzip Vitale Lymphozyten werden bei der Inkubation mit zytotoxischen Antikörpern in Anwesenheit von Komplement lysiert, wenn das entsprechende korrespondierende HLA-Antigen an der Zelloberfläche vorhanden ist. Durch den Zusatz eines Vitalfarbstoffes kann die Antigen-Antikörper-Reaktion mikroskopisch sichtbar gemacht werden. Mit dem Standardtestverfahren werden Antikörper der komplementabhängigen Immunglobulinsubklassen IgG und IgM detektiert.
Als Bezeichnung für dieses Verfahren wird sowohl der Begriff LCT (lymphozytotoxischer Test) als auch CDC (»complement-dependent cytotoxicity«) verwendet. z Durchführung Im Rahmen der Transplantationsimmunologie wird der Zytotoxizitätstest als Mikrolymphozytotoxizitätstest (1 μl Serum, 2000– 3000 Lymphozyten, 5 μl Komplement) durchgeführt. Für die HLAKlasse-II-Typisierung werden in der Regel B-Lymphozyten, für die HLA-Klasse-I-Typisierung sowohl T- als auch B-Lymphozyten verwendet. In Vertiefungen von Mikrotitertestplatten (»Terasaki-Platten«) werden spezifische Testseren pipettiert. Anschließend werden zuvor isolierte Zellen in die Vertiefungen gegeben, in Gegenwart von Komplement inkubiert und die Reaktionen nach geeigneter Anfärbung mikroskopisch ausgewertet. Zumeist finden kommerziell hergestellte, bereits mit Testseren versehene und anschließend tiefgefrorene Testplatten Verwendung. Zur Differenzierung vitaler von avitalen Zellen werden zahlreiche Farbstoffe bzw. deren Kombinationen eingesetzt (Eosin, Trypanblau, Acridinorange/Ethidiumbromid, Carboxyfluoresceindiacetat/Ethidiumbromid). Dabei werden geschädigte Zellen durch Eosin, Trypanblau oder Ethidiumbromid angefärbt. Die Beurteilung des Ausmaßes der Zytotoxizität erfolgt nach einem Bewertungssystem. Hierbei sind verschiedene Einteilungen gebräuchlich, als Beispiel sei die Bewertungssystematik des ASHI-Manuals zitiert (. Tab. 42.2). Das Typisierungsergebnis wird aus dem Muster positiver Reaktionen abgeleitet. Jedes HLA-Merkmal sollte mit mindestens 2 polyklonalen oder monoklonalen Antiseren definiert werden. Wenn multispezifische Antiseren für die Bestimmung der HLA-Antigene verwendet werden, sollten jeweils 3 Antiseren mit teilweise überlappender Spezifität verwendet werden. Die Zusammensetzung und der Umfang des Testserumpanels orientiert sich an der erwarteten Auflösung. Bei der Interpretation der Resultate sind bekannte Kreuzreaktivitäten in der Reaktion mit verschiedenen Spezifitäten aufgrund von Epitopidentitäten bzw. -homologien zu beachten. Eine Zuweisung von Spezifitäten aufgrund von bekannten Kopplungsungleichgewichten ist nicht zulässig. z Modifikationen kDithiothreitol-Modifikation (DTT) Die DTT-Modifikation des lymphozytotoxischen Tests führt zum Ausschluss von zytotoxischen Antikörpern des IgM-Isotyps durch die Zerstörung von Disulfidbrücken. Dabei kann DTT sowohl den Zellen als auch dem Testserum zugegeben werden. Ein positives Ergebnis nach Zugabe von DTT erlaubt den Rückschluss auf IgG-Antikörper im Testserum. Es gilt dabei die Einschränkung, dass auch die Bindungsfähigkeit von IgG durch DTT beeinträchtigt werden
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42
Kapitel 42 • Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität
kann und dass Komplementfaktoren an Aktivität verlieren können. Deshalb müssen geeignete Kontrollen mitgeführt werden. DTTsensitive lymphozytotoxische Antikörper stellen eine heterogene Gruppe von Antikörpern dar: 5 Autoantikörper sind meist vom IgM-Isotyp und können zu einem hinsichtlich der Transplantationsrelevanz »falsch« positiven Ergebnis führen. 5 Ebenfalls DTT-sensitiv sind HLA-Alloantikörper des IgM-Isotyps, deren Transplantationsrelevanz noch ungeklärt sind. 5 Auch infektassoziierte IgM-Antikörper (z. B. bei Mykoplasmainfektionen) können als DTT-sensitive Antikörper in Erscheinung treten; sie gelten als nichttransplantationsrelevant. kAnti-human-Globulin-Modifikation (AHG) Zur Verstärkung der Zytotoxizitätsreaktion kann Anti-Human(Immun-)Globulin eingesetzt werden. Neben einer Erhöhung der Sensitivität erlaubt die AHG-Modifikation den Nachweis nichtkomplementbindender Antikörper. z Anwendung HLA-Klasse-I-Typisierung (HLA-A, -B, -C) mit Gesamtlymphozyten oder isolierten T-Lymphozyten; HLA-Klasse-II-Typisierung (HLA-DR, -DQ) mit angereicherten oder markierten B-Lymphozyten; Nachweis von lymphozytotoxischen HLA-Antikörpern; serologische Verträglichkeitsprobe (»crossmatch«). 42.2
HLA-Antikörpernachweis und -spezifizierung
Beim Nachweis von HLA-Antikörpern ist zwischen indirekten zellbasierten Verfahren und direkten antigenspezifischen Vorgehensweisen zu unterscheiden. Bei antigenspezifischen Nachweismethoden erfolgt der Nachweis durch ELISA (»enzyme-linked-immunosorbent-assay«) oder die durchflusszytometrische Charakterisierung antigenbeladener Mikropartikel. Während antigenspezifische Nachweisverfahren zur Charakterisierung von HLA-Antikörpern Eingang in die Routinediagnostik gefunden haben, ist die Durchführung serologischer Kreuzproben unter Verwendung isolierter Spender-HLA-Antigene (direkte Kreuzprobe) noch als experimentell anzusehen. Die nachfolgend beschriebenen Testverfahren unterscheiden sich in ihrem Prinzip, in der Sensitivität und im Informationsgehalt der mit ihnen gewonnenen Resultate. Der HLA-Antikörpernachweis, die Antikörperspezifizierung und die Durchführung einer serologischen lymphozytären Kreuzprobe vor einer Transplantation ist auf die Erkennung und Vermeidung bzw. Reduzierung des Risikos einer Abstoßung des Organtransplantats bzw. des Auftretens eines Transplantatversagens nach hämatopoietischer Stammzelltransplantation gerichtet. Da den diagnostischen Möglichkeiten unterschiedliche Testprinzipien und -formate zugrunde liegen, sind bei der Interpretation der Resultate die unterschiedlichen Sensitiväten und Spezifitäten sowie der testspezifische Informationsgehalt zu berücksichtigen. In der Praxis kommen die unterschiedlichen Verfahren in der Regel im Rahmen einer Stufendiagnostik zur Anwendung. Zunächst gilt es, eine Sensibilisierung bzw. Immunisierung durch allogene HLA-Merkmale zu erkennen, im positiven Falle diese bis hin zur Erstellung eines »Immunisierungsprofils« zu spezifizieren und für die Spender/ Empfänger-Auswahl bzw. Transfusionskompatibiltät (Thrombozyten, Granulozyten) zu nutzen. Eine HLA-Antikörper-Spezifizierung unterstützt sowohl die Minimierung von inkompatiblen Spender/
Empfänger-Kombinationen als auch das bewusste Eingehen von akzeptablen Inkompatibilitäten (»acceptable mismatches«). Im Rahmen des Monitorings nach Transplantation richtet sich das Interesse auf die Erkennung von Abstoßungsreaktionen bzw. einer Transfusionsrefraktärität und Pflege des Immunisierungsprofils, d. h. der Dokumentation von Sensibilierungen, die zu einem späteren Zeitpunkt ggf. nicht mehr nachweisbar sind, jedoch im Rahmen einer Boosterung wieder klinisch apparent werden können. Zur Bewertung der Testergebnisse der Antikörper- und Kreuzprobendiagnostik sollten die HLA-Merkmale des Serumspenders und nach Möglichkeit Informationen über zurückliegende Sensibilisierungsereignisse mit Exposition gegenüber allogenenen HLAMerkmalen (Transplantation, Schwangerschaft/Abort, Transfuion) sowie die Ergebnisse vorangegangener Antikörperuntersuchungen herangezogen werden, um eine klinische Plausibilität sicherzustellen. In Kenntnis der Allogenexposition kann eine Aussage zur Spenderspezifität der HLA-Antikörper getroffen werden. Die Unterscheidung von Donor-spezifischen (DSA) versus Nicht-Donor-spezifischen (NDSA) Antiköpern ist von klinischer Bedeutung.
42.2.1
Indirekter HLA-Antikörpernachweis
Lymphozytotoxizität z Prinzip Zum indirekten zellulären Nachweis von HLA-Antikörpern im Serum eines Probanden wird das Prinzip des lymphozytotoxischen Tests genutzt. Dabei wird der prozentuale Anteil positiver Reaktionen (Panelreaktivität) festgestellt (Antikörpernachweis) und die positiven Reaktionen hinsichtlich der zugrundeliegenden Antikörperspezifität differenziert (Spezifizierung). z Durchführung Für die Bestimmung der Panelreaktivität werden Zellen verschiedener Spender, deren HLA-Antigene bekannt sind, eingesetzt. Sowohl frisch präparierte Lymphzoyten als auch tiefgefrorene Zellen können eingesetzt werden. Zur Identifizierung lymphozytotoxischer Antikörper, die gegen HLA-Klasse-I-Antigene gerichtet sind, werden periphere Blutlymphozyten ohne weitere Auftrennung in BLymphozyten und T-Lymphozyten eingesetzt. Zum Nachweis von lymphozytotoxischen Antikörpern, die gegen HLA-Klasse-II-Antigene gerichtet sind, werden B-Lymphozyten verwendet. Das Panel sollte Zellen von ca. 50–60 verschiedenen Spendern einschließen und eine hinsichtlich der HLA-Merkmalsverteilung in der Bevölkerung repräsentative Zusammensetzung haben. Die Summe der positiven Reaktionen wird zusammenfassend für die verschiedenen Lymphozytenpopulationen als prozentualer Anteil des Panelumfangs angegeben (»panel reactive antibodies«, PRA). Die Panelreaktivität (% PRA) gibt die Wahrscheinlichkeit einer positiven serologischen Kreuzprobe mit einem beliebigen Spender an. Neben dieser Bestimmung lassen sich in vielen Fällen die Spezifität(en) der im Testserum vorhandenen lymphozytotoxischen Antikörper ermitteln. Zur Bestimmung der Spezifitäten muss das Serum ggf. mit weiteren Testzellen untersucht werden, die anhand ihrer HLA-Antigene ausgewählt werden. Für die Auswertung werden statistische Verfahren (Signifikanz [χ2-/Fisher-Exact-Test], Korrelationskoeffizienten [r], Stärke-Index [Si], Einschluss-Index [Ii]) eingesetzt, und es werden immunologische Daten (HLA-Typ des Probanden, vorangegangene Sensibilisierungen [Transplantationen, Schwangerschaften/Aborte, Transfusionen]) sowie in der
609
42.2 • HLA-Antikörpernachweis und -spezifizierung
42
Direkter antigenspezifischer HLA-Antikörpernachweis
Vergangenheit nachgewiesene, sog. historische HLA-Antikörperspezifititäten berücksichtigt. Bei der Festlegung von Anti-HLASpezifitäten sind Kopplungsungleichgewichte zwischen Spezifitäten benachbarter HLA-Genorte zu berücksichtigen.
42.2.2
z Anwendung Der Lymphozytotoxizitätstest ist trotz seiner Limitationen das Standardverfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen HLAMerkmale. Der PRA-Wert dient als Maß der Sensibilisierung und wird als ein Allokationsparameter in der Organtransplantation, insbesondere bei der Nierentransplantation, berücksichtigt. Er ist als Eingangstest in der Stufendiagnostik anzusehen. Da bis heute die serologische lymphozytäre Kreuzprobe für eine Transplantationsentscheidung herangezogen wird, liefert der Nachweis lymphozytotoxischer Antikörper eine Basisinformation zur Beurteilung der Kreuzprobe.
z Prinzip Zum Nachweis von HLA-Antikörpern im Enzymimmuntest (»enzyme-linked immunosorbent assay«, ELISA) wird die Bindung von HLA-Antikörpern im Testserum an immobilisierte HLA-Moleküle durch Anti-Humanimmunglobulin-Enzymkonjugate mit nachfolgender Substratreaktion messbar gemacht.
Durchflusszytometrie z Prinzip Grundlage der indirekten, zellulär basierten, durchflusszytometrischen Bestimmung von HLA-Antikörpern ist die indirekte Immunfluoreszenz nach Inkubation von Lymphozyten mit Testserum und anschließender Quantifizierung der Zellbindung der antilymphozytären Antikörper des Testserums durch Fluorochrom-markierte Anti-Human-IgG- und -IgM-Sekundärantikörper. z Durchführung Nach Isolierung der Zellen werden diese zunächst mit dem Testserum inkubiert. Nach mehreren Waschschritten erfolgt die Inkubation mit den Fluorochrom-markierten Anti-human-IgG und Anti-human-IgM-Sekundärantikörper. Die Zellen werden mit Paraformaldehyd fixiert und die HLA-Antikörper schließlich im Durchflusszytometer bestimmt. Die Auswertung wird durch Vergleich der Fluoreszenzverteilungen unter Einbeziehung von Positivund Negativkontrollen durchgeführt. Im Unterschied zum lymphozytotoxischen Test ermöglicht die durchflusszytometrische Bestimmung von HLA-Antikörpern nach Markierung mit Anti-CD3, -CD19/CD20 und Propidiumiodid prinzipiell den sicheren Ausschluss von Granulozyten, Monozyten und avitalen Lymphozyten aus der Analyse sowie simultan eine Aussage zur Zellspezifität (B- und/oder T-Lymphozyten). Als Fluorchrome werden vorzugsweise Fluoreszein-Isozyanat (FITC), Phycoerythrin-R (R-PE) und Peridinin-Chlorophyll-Protein (PerCP) eingesetzt. Für die durchflusszyometrische PRA-Bestimmung werden Zellpools eingesetzt. Zur Spezifizierung können gezielt Einzelzellpräparationen gemäß der Vorinformationen ausgewählt werden. z Anwendung Die Durchflusszytometrie ermöglicht den empfindlichsten zellulärbasierten Nachweis von HLA-Antikörpern. Die indirekte durchflusszytometrische Methode kann zur Spezifizierung von Antikörpern eingesetzt werden. Dies ist jedoch aufgrund des Arbeitsaufwandes in der Regel gezielten Einzeluntersuchungen vorbehalten. Das primäre Einsatzgebiet der Durchflusszytometrie ist der empfindliche Nachweis von spenderspezifischen Antikörpern vor und nach Transplantation.
ELISA
z Durchführung HLA-Antigene für den ELISA werden aus Zellkulturüberständen oder durch Solubilisierung aus Zellmembranen gewonnen und auf einem Träger immobilisiert. Zusätzlich finden rekombinant hergestellte Einzelantigene Verwendung. Das Testserum wird in die Vertiefungen der antigenbeladenen Mikrotiterplatten oder -streifen pipettiert und inkubiert. Nach dem Waschen wird das Enzymantikörperkonjugat zugegeben und nachfolgend die Antikörperbindung an die HLA-Antigene durch Substratzugabe und Messung im ELISA-Lesegerät quantifiziert. Bei klassenspezifischen HLA-Antigenmischungen kann die Höhe der optischen Dichtewerte nur bedingt mit dem PRA-Wert des lymphozytotoxischen Tests in Beziehung gesetzt werden. Bei Einzelzell- oder Einzelantigenpräparationen können aufgrund der Antigenverteilung der einzelnen Testansätze die Antikörperspezifitäten bestimmt werden. Hierbei sind die entsprechenden Einschränkungen zu beachten, die sich durch die Panelzusammensetzung und Kopplungsungleichgewichte (bei Einzelzellpräparationen) ergeben. Bei hoch titrigen Seren sind u. U. mehrere Verdünnungen einzusetzen, um eine Spezifizierung zu erzielen. z Modifikationen Antigenpräparationen unterscheiden sich je nach ihrer Quelle (z. B. Thrombozyten, Lymphozyten) hinsichtlich der qualitativen (Klasse-I- und/oder Klasse-II-Antigene) und quantitativen Zusammensetzung (zelltypspezifisches Expressionsverhalten einzelner Gene und Allele). Weiterhin unterscheiden sich kommerzielle Tests hinsichtlich des Auflösungsvermögens: Es gibt klassenspezifische Antigenpräparationen (HLA-Klasse I und II), Einzelzellpräparationen oder Einzelantigenpräparationen. In der Regel wird ein Anti-Human-IgG-Enzymkonjugat zur Detektion eingesetzt. Abhängig von der Wahl des verwendeten Konjugats können auch IgA- und IgMAntikörper nachgewiesen werden. z Anwendung Antigenspezifische ELISA-Nachweisverfahren werden im Rahmen von Reihenuntersuchungen zum Nachweis bzw. zum Ausschluss von HLA-Antikörpern eingesetzt. Zur Spezifizierung werden Einzelzellpräparationen oder Einzelantigenpräparationen genutzt. Resultate ELISA-basierter Verfahren ergänzen in der Regel die Resultate lymphozytotoxischer Tests. Sie ersetzen diese jedoch nicht. Von besonderem Wert sind antigenspezifische Verfahren in Situationen, bei denen therapeutisch eingesetzte zytotoxische Antikörper (z. B. ATG) zu falsch positiven Ergebnissen im Lymphozytotoxizitätstest führen können. Dies kommt insbesondere beim Monitoring nach Transplantation solider Organe und im Rahmen der Behandlung maligner hämatopoetischer Systemerkrankungen vor.
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Kapitel 42 • Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität
Mikropartikeldurchflusszytometrie
42
z Prinzip Bei diesem direkten Nachweissystem werden anstelle von Zellen Mikropartikel (2–6 μm Durchmesser) eingesetzt, die mit HLAAntigenen beladen sind. Dabei kommen aus Zellkulturüberständen oder durch Solubilisierung aus Zellmembranen sowie rekombinant gewonnene HLA-Antigene infrage. In der Weiterentwicklung mikropartikelbasierter Testsysteme wurde die LabMAP/xMAP-Technologie (»laboratory multiple analyte profiling«) genutzt. Prinzip dieser Technik ist der Einsatz farbkodierter Mikropartikel, die in einem 2-Laser-Durchflusszytometer mit hohem Parikeldurchsatz analysiert werden. Dabei können bis zu 100 Analyte in einer Reaktion beurteilt werden. z Durchführung Nach Inkubation des Testserums mit den Mikropartikeln und nachfolgenden Waschschritten erfolgt die Zugabe der Antikörperfluorchromkonjugate. Nach erneuten Waschschritten wird der Antikörpernachweis im Durchflusszytometer geführt. Die Quantifizierung orientiert sich an den mitgeführten Kontrollen und erlaubt eine Positiv/Negativ-Differenzierung für die Reaktion jedes einzelnen Mikropartikels und damit für jede Antigenmischung bzw. jedes Einzelantigen entsprechend der Antigenbeladung der Mikropartikel. Unter Umständen sind mehrere Verdünnungen des Testserums einzusetzen, um auch bei hoch titrigen Seren eine Spezifizierung zu erzielen. z Modifikationen Testmodifikationen ergeben sich aufgrund der Zusammensetzung der HLA-Antigenpräparationen. Dabei werden verschiedene Antigenquellen (z. B. Thrombozyten, Lymphozyten) für die Gewinnung genutzt. Hinsichtlich der Auflösung stehen klassenspezifische (HLA-Klasse I und II), Einzelzell oder -antigenspezifische Testformate zur Verfügung. z Anwendung Antigenspezifische Testsysteme für die Durchflusszytometrie sind in der Regel dem sensitiven Nachweis und der Spezifizierung von HLA-Antikörpern bei gezielten Fragestellungen vorbehalten. Zum Indikationsbereich zählen die differenzierte HLA-Antikörperanalyse bei sensibilisierten Patienten zur Erstellung eines immunologischen »Patientenprofils«, bei bekannten oder vermuteten Sensibilisierungsereignissen (Transplantation, Schwangerschaft, Abort, Transfusion), die Suche nach spenderspezifischen Alloantikörpern bei Abstoßungsreaktionen nach Transplantation oder die Klärung diskrepanter oder unklarer Testergebnisse. z Bemerkungen Die Kenntnis der HLA-Spezifität(en) eines Testserums erlaubt – unter Berücksichtigung der HLA-Antigenverteilung in der Referenzbevölkerung – die Kalkulation des sog. virtualen PRA-Wertes (»virtual PRA«). Der virtuelle PRA-Wert ist methodenunabhängig und erhöht die Vergleichbarkeit innerhalb der Referenzbevölkerung. Die diffenzierte Spezifizierungsdiagnostik richtet sich zunehmend auf die Charakterisierung der Zielepitope von HLA-Antikörpern und wird zur Kompatibilitätsbeurteilung eingesetzt (z. B. MatchMaker, Êhttp://www.hlamatchmaker.net/).
42.2.3
Serologische Verträglichkeitsproben
Lymphozytotoxische Kreuzprobe Der Zweck einer lymphozytären serologischen Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe, »crossmatch«) ist der Nachweis präformierter spenderspezifischer (allogene Kreuzprobe) oder autoreaktiver (autologe Kreuzprobe) lymphozytotoxischer Antikörper. z Prinzip Für die serologische Verträglichkeitsprobe wird der lymphozytotoxische Test verwendet. z Durchführung Bei der Durchführung einer Kreuzprobe werden Empfängerserum und Spenderzellen eingesetzt. Bei der Verwendung von Spenderserum und Empfängerzellen spricht man von reverser Kreuzprobe. Als Zellen werden unseparierte Lymphozytenpräparationen (Vollblut, Lymphknoten oder Milz) oder isolierte T- und B-Lymphozyten eingesetzt. Bei der autologen Kreuzprobe werden zunächst Serum und Lymphozyten des Probanden durch Zentrifugation aus einer Blutprobe gewonnen. Bei der Bewertung des Resultats einer allogenen Kreuzprobe geht man davon aus, dass spenderspezifische IgG-Antikörper gegen HLA-Klasse-I-Antigene für den klinischen Ausgang einer Transplantation relevant sind. Ebenfalls konnte die Relevanz von Antikörpern gegen HLA-Klasse-II-Antigene belegt werden; IgM-Antikörpern gegen HLA-Antigene wird eine untergeordnete Bedeutung für den Ausgang einer Transplantation beigemessen. Da DTT auch auf IgG-Antikörper einwirkt, kann der Nachweis DTTsensitiver Antikörper ursächlich auf schwache HLA-Antikörper der Klasse IgG oder auf autoreaktive bzw. infektassoziierte Antikörper zurückgeführt werden. Letzteren wird keine Transplantationsrelevanz zugemessen. z Modifikationen Modifikationen des Lymphozytotoxizitätstestes werden zur Steigerung der Sensitivität (verlängerte Inkubationszeiten, Einsatz von Anti-Human-Globulin [AHG]) und zum Ausschluss bzw. Nachweis von IgM-Antikörpern eingesetzt (Dithiothreitol [DTT]). Zum Nachweis von autoreaktiven lymphozytotoxischen Antikörpern kann eine autologe Kreuzprobe (»auto-crossmatching«) angesetzt werden. Nach Isolation von B- und T-Lymphozyten des Probanden werden diese mit autologem Serum im Lymphozytotoxizitätstest bei verschiedenen Temperaturen (4 °C, 22 °C, 37 °C) inkubiert. Autoreaktive lymphozytotoxische Antikörper zeigen bei 4 °C deutliche und bei 37 °C schwache Aktivität. Der Einsatz einer autologen Kreuzprobe kann ergänzende Informationen liefern, hat jedoch bezüglich der Beurteilung der Transplantationsrelevanz lymphozytotoxischer Antikörper an Relevanz verloren.
Durchflusszytometrische Kreuzprobe Die zytofluorometrische Kreuzprobe ist empfindlicher als die Kreuzprobe im lymphozytotoxischen Test. Sie erfasst darüber hinaus auch IgG2- und IgG4-Antikörper. Man muss hier jedoch mit einer höheren Rate an falsch positiven Ergebnissen rechnen. Wegen der bisher unzureichenden Standardisierung des Verfahrens müssen Resultate zurückhaltend bewertet werden. z Modifikation Die Behandlung von Lymphozyten mit Pronase, einem proteolytischen Enzym, verbessert die Sensitivität und Spezifität des durchflusszytometrischen Nachweises von HLA-Antikörpern durch Ent-
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42.3 • HLA-Typisierung: molekulargenetische Methoden
fernung membranständige Moleküle z.B. Immunglobuline, FC-Rezeptoren und CD20. z Anwendung Die serologische Kreuzprobe wird im Rahmen der Spender/Empfänger-Auswahl vor der Transplantation solider Organe zur Vermeidung hyperakuter und akuter Abstoßungsreaktionen sowie bei HLA-disparaten Spender/Empfänger-Kombinationen vor hämatopoetischer Stammzelltransplantation zur Minimierung der Gefahr einer Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (GvHR) bzw. eines Transplantatversagens eingesetzt. 42.3
HLA-Typisierung: molekulargenetische Methoden
Die molekulargenetische HLA-Typisierung ist auf die Identifzierung von HLA-Antigen- oder Allel-spezifischen Nukleinsäuresequenzen gerichtet. Als Ausgangsmaterial wird in der Regel genomische DNA eingesetzt. Die Auswahl der analysierten kodierenden Regionen (Exone) sowie die Untersuchungstiefe bestimmen den Auflösungsgrad einer molekulargenetischen HLA-Typisierung. Unter dem Aspekt der Transplantationsrelevanz werden primär die Exone 2 und 3 bei HLA-Klasse-I-Genen (HLA-A, -B,- C) und Exon 2 bei HLAKlasse-II-Genen (HLA-DRB1, -DQB1, -DPB1) analysiert. Für eine Hochauflösung wird eine eindeutige, d. h. ambiguitätenfreie Sequenzidentifizierung in den genannten Zielexonen gefordert. Wird dies nicht erreicht, so wird der Auflösungsgrad – je nach Informationsumfang – als intermediär oder niedrig bezeichnet. Letzteres entspricht in vielen Fällen dem Auflösungsgrad der Serologie. Die Analyse weiterer Exone oder auch intronischer Sequenzabschnitte ist jedoch oftmals für eine eindeutige Allelidentifzierung erforderlich (z. B. Ausschluss von Null-Allelen). Somit wird, in Abhängigkeit von der Indikationsstellung, das Vorgehen und die Methodenwahl zur molekulargenetischen HLA-Typisierung bestimmt. Weitere Parameter der Methodenauswahl sind die zeitliche Dringlichkeit einer Typisierung, der Probenumfang und die Automationsmöglichkeiten sowie die Notwendigkeit einer Stufendiagnostik.
42.3.1
DNA-Extraktion: Übersicht und methodische Prinzipien
z Prinzip Desoxyribonukleinsäure (DNA) kann aus kernhaltigen Zellen isoliert werden. DNA-Extraktionsverfahren umfassen – beim Einsatz von Blut – die Lyse der Erythrozyten mit Entfernung von Hämoglobin und anderen Proteinen, die die PCR hemmen können, die Lyse des Zellkerns, die Verdauung/Denaturierung von Proteinen (häufig unter Verwendung von Proteinase K) sowie die Trennung von DNA und Proteinen und Präzipitation der DNA. DNA-Isolierungsverfahren lassen sich anhand des zugrunde liegenden Prinzips klassifizieren in: 5 organische Lösungsmittelextraktion (Phenol/Chloroform/Isoamylalkohol), 5 Aussalzungsverfahren (hochmolare Salzlsösung [NaCl]), 5 hypotone Lyse (Sucrose/Triton), 5 Detergenzlyseprotokolle (Trimethylammoniumbromidsalze [DTAB/CTAB]), 5 Metallionenkomplexierung (Chelex), 5 affinititätschromatographische Reinigung, 5 immunomagnetische Reinigung.
42
z Durchführung Für die molekulargenetische Gewebetypisierung wird genomische DNA in der Regel aus Vollblut, isolierten Zellfraktionen oder Mundschleimhautabstrichen gewonnen. In der Organspenderdiagnostik werden auch Milzgewebe und Lymphknoten eingesetzt. Jedoch können auch andere Zellquellen oder Materialasservate genutzt werden. Zunehmend werden kommerzielle Testkits verwendet. Der Laborbereich, in dem die genomische DNA gewonnen wird (Prä-PCR-Bereich) ist zur Vermeidung von Kontaminationen durch PCR-Amplifikate räumlich vom PCR-Bereich und vom Post-PCRBereich zu trennen. Die Quantität und Qualität (Proteinkontamination) der isolierten DNA wird spektrophotometrisch überprüft. Der Quotient der Extinktionen bei 260 nm und 280 nm ist ein Maß für die Verunreinigung der DNA mit Proteinen. Verunreinigungen der DNA-Lösung mit Aromaten (z. B. Phenol) oder RNA können das Ergebnis verfälschen. Eine Lagerung der DNA kann bei Raumtemperatur (kurzfristig) oder für längere Zeiträume bei –20 °C bis –70 °C erfolgen. Dabei sind alkoholische Lösungen (70–100 %) stabiler als wässrige Lösungen. z Bemerkungen Für die Quantifizierung stehen neben der direkten absorptionsspetrometrischen Messung weitere Farbstoff-abhängie Verfahren zur Verfügung. Hierzu gehört beispielsweise die fluormetrische Doppelstrang-DNA-Bestimmung mittels PicoGreen, Hoechst 33258 oder SYBR Green.
42.3.2
Gesamt-Genomamplifikation
Mit zunehmendem Einsatz molekulargenetischer Verfahren kann die verfügbare Menge isolierter genomischer DNA limitierend sein. Der Einsatz Gesamt-Genom-amplifzierender Methoden (»whole genome amplification«, WGA) erlaubt, ausgehend von Minimalstmengen, die Gewinnung qualitativ und quantitativ suffizienter DNA für die verschiedenen molekulargenetischen Methoden zur Gewebetypisierung. Im Vordergrund steht dabei die isothermische Multiple-Displacement-Amplification-Methode (MDA) unter Verwendung der Bakteriophagen-φ29-Polymerase. So werden in wenigen Stunden aus genomischer Ausgangs-DNA um den Faktor 10.000 vermehrt MDA-DNA- Produkte mit einer Durchschnittslänge von 10–12 kb und einer Basenfehlerrate von ca. 1 Fehlbase pro 106–107 Basenpaaren synthetisiert.
42.3.3
Polymerasekettenreaktion (PCR)
z Prinzip Die Polymerasekettenreaktion (PCR) ist eine enzymatische Methode zur In-vitro-Amplifikation ausgewählter DNA-Sequenzabschnitte. Dies wird durch zyklisch durchgeführte Strangseparation und anschließende Primeranlagerung und nachfolgende Neusynthese des jeweils komplementären Strangs erzielt. z Durchführung Die Auswahl des zu vervielfachenden Bereichs (»template«) erfolgt durch den Einsatz geeigneter, flankierender Oligonukleotide (Primer). Die Strangseparation wird durch Temperaturerhöhung (94–96 °C) erzielt. Nach Abkühlung auf ca. 50–60 °C erfolgt die Anlagerung der Primer an komplementäre Sequenzen (»annealing«) auf der Matrizen-DNA und anschließend die Neusynthese (72 °C)
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42
Kapitel 42 • Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität
des komplementären Strangs (»extension«) mittels einer thermostabilen DNA-Polymerase. Der Amplifikaktionsverlauf ist exponenziell und liefert theoretisch 2n Kopien der Matrizen-DNA nach n Zyklen. Die tatsächliche Amplifikationseffizienz unterliegt jedoch einem Plateaueffekt, sodass die theoretisch erwartete Molekülzahl nicht erreicht wird. Der Nachweis der Amplifikate zur Kontrolle der PCR-Reaktion kann gelelektrophoretisch (Agarosegel) erfolgen. DNA-Moleküle wandern aufgrund der negativen Ladung ihrer Phosphate im elektrischen Feld zur Anode. Entsprechend der Stärke des elektrischen Feldes, den Gel- und Pufferbedingungen sowie der Größe der DNA-Moleküle kommt es zu einer Trennung der Amplifikate. Nach Färbung der DNA-Moleküle mit Ethidiumbromid, einem Fluoreszenzfarbstoff, der zwischen die Basenpaare der DNA interkaliert, können die Amplifikate unter UV-Licht sichtbar gemacht werden. z Modifikationen Der Amplifikationserfolg, gemessen an Spezifität und Ausbeute, hängt insbesondere von der Primerwahl, der Qualität und Quantität der eingesetzten Matrizen-DNA, der gewählten Taq-Polymerase, der Magnesiumkonzentration und der Variation des Thermoprofils (z. B. Hot Start, mehrstufige Thermoprofilprogramme) ab. Zur Auswahl der Primer stehen mittlerweile verschiedene Programme zur Verfügung (z. B. OligoCalc, Primer 3). Zur Überwindung von Amplifikationsproblemen von GC-reichen Matrizen können – neben den obligaten Reaktionskomponenten – Zusätze eingesetzt werden, die die PCR-Effizienz erhöhen. Hierbei finden insbesondere Betain (N,N,N-Trimethylglycin), DMSO (Dimethylsulfoxid), DTT (Dithiothreitol), Formamid und Glycin Verwendung. Neben der Anwesenheit eines einzigen Primerpaars werden bei der Multiplex-PCR verschiedene Primerpaare gleichzeitig in einer PCR verwendet. Dies wird beispielsweise bei der Primeranalytik zum Einschluss einer internen Kontroll-PCR genutzt. Weiterhin können verschiedene Allele bzw. Gruppen von Allelen gleichzeitig amplifiziert werden. Experimentell kann die die Harmonisierung der Amplifikationsbedingungen der verschiedenen Primerpaare sehr aufwendig sein.
42.3.4
Gensondenanalytik (PCR-SSO/-SSOP)
z Prinzip Nukleinsäureabhängige Testverfahren haben den Nachweis von Basensequenzdifferenzen zwischen Genen bzw. Allelen zum Ziel. Bei der Gensondenanalytik wird der Nachweis bestimmter Basensequenzen durch die Hybridisierung einer Gensonde mit der Zielsequenz geführt. Hierfür wurden die Begriffe SSO (»sequence-specific oligonucleotide«) bzw. SSOP (»sequence-specific oligonucleotide probe«) geprägt. z Durchführung Bei der Hybridisierung von PCR-Produkten mit Oligonukleotiden wird zunächst eine PCR-Amplifikation der Zielsequenz vorgenommen und die Kopien nachfolgend als Einzelstrang-DNA an eine Trägermatrix gebunden. Als Gensonden finden kurze, ca. 15–25 Nukleotide lange Einzelstrang-DNA-Stücke (Oligonukleotide) Verwendung. Diese werden vor ihrem Einsatz mit einer Markierung (z. B. Digoxigenin) versehen. Unter geeigneten Bedingungen werden Gensonde und Zielsequenz zusammen inkubiert (Hybridisierung). Die Reaktionsbedingungen während der Hybridisierung und der nachfolgenden Waschschritte bestimmen die Stringenz und
damit die Spezifität der grundsätzlich reversiblen Hybridisierung von DNA-Einzelstrang und Gensonde. Hybride aus spezifischer Gensonde und Zielsequenz werden nachfolgend durch indirekte, enzymatische Verfahren nachgewiesen. Im Fall der Markierung mit Digoxigenin erfolgt der Nachweis durch Anti-Digoxigenin, das mit alkalischer Phospahatase markiert ist. Die Hybridisierungsreaktion wird durch Farbreaktionen oder mit Hilfe der Chemolumineszenz sichtbar gemacht. Zur HLA-Genotypisierung werden Sequenzunterschiede im Amplifikationsbereich (polymorphe Genregionen) zwischen den verschiedenen Allelen bzw. Allelgruppen zum Design eines Panels von Oligonukleotiden genutzt. Zur Interpretation und Festlegung des Genotypisierungsergebnisses erfolgt die Zuordnung des erhaltenen Hybridisierungsmusters zum HLA-Genotyp gemäß des unterschiedlichen Hybridisierungsverhaltens der einzelnen Oligonukleotide bei einem bestimmten Allel bzw. Allelgruppen. Das Auflösungsvermögen richtet sich einerseits nach Art und Verteilung polymorpher Basenpositionen im Bereich der untersuchten Genregion und andererseits nach der Anzahl der eingesetzten Oligonukleotide. Grenzen dieses Verfahrens liegen in der Differenzierung von Allelkombinationen (z. B. bei Heterozygotie), die ein identisches Hybridisierungsmuster aufweisen (»ambiguities«), sowie beim Nachweis von neuen Allelen, die durch ein ungewöhnliches Hybridisierungsmuster auffallen können, aber nicht müssen, sodass neue oder seltene Allele nicht erkannt werden. Die Zusammensetzung des Oligonukleotidpanels richtet sich nach dem gewünschten Auflösungsgrad des HLA-Genotyps. Für die HLA-Klasse-I-Genotypisierung werden hauptsächlich polymorphe Regionen in Exon 2 und 3 untersucht. In einigen Fällen muss für eine eindeutige Bestimmung auch Exon 4 herangezogen werden. Für die HLA-Klasse-II-Genotypisierung wird vornehmlich Exon 2 genutzt. Dies gilt auch für die im Folgenden beschriebenen Typisierungsverfahren. z Modifikation: Reverse PCR-SSO/-SSOP (PCR-rSSO) Bei der reversen PCR-SSO werden die genort- oder gruppenspezifischen PCR-Amplifikate während der Amplifikationsreaktion markiert (z. B. Biotin). Die Hybridisierung der denaturierten PCR-Produkte erfolgt mit an einer Membran in geordneten Linien fixierten Oligonukleotiden (»array«, »lineblot«). Der Nachweis gebundener PCR-Produkte erfolgte durch Umsetzung eines chromogenen Substrats nach Bindung von Streptavidin-gekoppelter alkalischer Phosphatase. Weitere Begriffe für diese Methodik sind »immobilizedprobe-array« und »reverse-lineblot-system«. Neben der Nutzung einer Fixierung der Oligonukleotidsonden auf einer Trägermatrix hat sich der Einsatz farbkodierter Mikropartikel als Sondenträger im Rahmen der LabMAP/xMAP-Technologie (»laboratory multiple analyte profiling«) etabliert. In diesem Verfahren wird zuerst die Ziel-DNA unter Verwendung genort- bzw. gruppenspezifischer PCR-Primer amplifiziert. Das biotinylierte PCR-Produkt wird nachfolgend mit R-Phycoerithrin-konjugiertem Streptavidin durch Messung der Fluoreszenzintensität von Phycoerithrin nachgewiesen. Aufgrund der Automatisierbarkeit stellt die PCR-rSSO eine praktikable Alternative zum klassischen PCR-SSO/-SSOP-Verfahren dar. z Anwendung Die PCR-SSO/-SSOP-Genotypisierung – einschließlich der Modifikation der PCR-rSSO – ist neben der Primeranalytik (PCR-SSP) und der direkten Sequenzierung mittlerweile das Standardverfahren zur HLA-Genotypisierung mit niedriger und intermediärer
613
42.3 • HLA-Typisierung: molekulargenetische Methoden
Auflösung. Durch Erhöhung der Zahl der Oligonukleotidsonden bzw. der Änderung des Sondendesigns zur Erfassung zusätzlicher Basenunterschiede kann der Auflösungsgrad gesteigert werden. Das Verfahren ist automatisierbar und insbesondere für einen großen Probendurchsatz geeignet.
42.3.5
Primeranalytik (PCR-SSP)
z Prinzip Die Taq-Polymerase besitzt keine 3'-5'-Exonukleaseaktivität (Korrekturleseaktivität). Eine fehlende Basenpaarung (»mismatch«) zwischen 3'-Terminus eines PCR-Primers und DNA-Matrize verhindert unter geeigneten Versuchsbedingungen die Primerelongation durch die Taq-Polymerase. Dieses Prinzip erlaubt die direkte Feststellung einer Punktmutation: Findet sich am 3'-Terminus eines der beiden PCR-Primer ein Basen-Mismatch gegenüber der Matrize, unterbleibt die Amplifikation. Findet sich eine passende Basenkombination (»match«), lässt sich anschließend ein spezifisches PCR-Produkt nachweisen. Diese Methode wird mit dem Begriff SSP (»sequence-specific-priming«) bzw. ARMS (»amplification-refractory-mutation-system«) beschrieben.
PCR-Produkt in einer 2. PCR eingesetzt, bei der intern positionierte, allel- bzw. allelgruppenspezifische Primer verwendet werden. Der Nachweis der PCR-Amplifikate erfolgt, wie bei der Standard PCR-SSP, durch Gelelektrophorese. Der Vorteil einer geschachtelten PCR-SSP kann darin liegen, dass sie zu einem geringerem Maß als die direkte PCR-SSP von der Qualität der isolierten DNA und der Möglichkeit von Fehlpaarungen abhängig ist. Des Weiteren kann durch eine genort- oder gruppenspezifische Erstamplifikation das Auftreten von nichtauflösbaren Allelkombinationen reduziert werden. Ein Nachteil ist der erhöhte Arbeits- und Materialaufwand. z Anwendung Die PCR-SSP-Genotypisierung – einschließlich der geschachtelten PCR-SSP – ist eine schnelle Einzelbestimmungsmethode und daher insbesondere für die Organspenderdiagnostik oder beispielsweise die Bestätigungstypisierung vor hämatopoietischer Stammzelltransplantation geeignet. Darüber hinaus wird sie zur Überprüfung mehrdeutiger serologischer oder molekulargenetischer Typisierungsbefunde und zur ergänzenden Subtypisierung bzw. Alleldifferenzierung eingesetzt.
42.3.6 z Durchführung Spezifische Primerpaare werden unter Ausnutzung des »3’-Mismatch-Prinzips« konstruiert und unter identischen Bedingungen in parallelen PCR-Ansätzen mit der genomischen DNA des Probanden einer Amplifikationsreaktion unterworfen. Anschließend werden die PCR-Produkte nach Ethidiumbromidfärbung als DNABanden in der Agarosegelelektrophorese analysiert. Zur Kontrolle der PCR-Amplifikation wird ein Kontrollprimerpaar in jeder PCRReaktion mitgeführt, das in jedem Fall zu einem sichtbaren Produkt führen soll (Positivkontrolle). Zur Interpretation und Festlegung des Genotypisierungsergebnisses erfolgt die Zuordnung des erhaltenen PCR-Amplifikatmusters zum HLA-Genotyp gemäß dem erwarteten Amplifikationsverhalten der spezifischen Primerpaare für bestimmte Allel bzw. Allelgruppen. Das Auflösungsvermögen richtet sich einerseits nach Art und Verteilung polymorpher Basenpositionen im Bereich der untersuchten Genregion und andererseits nach der Anzahl der eingesetzten Primerpaare. Begrenzungen dieses Verfahrens liegen in der Differenzierung von Allelkombinationen (z. B. bei Heterozygotie), die ein identisches Bandenmuster aufweisen, sowie beim Nachweis von neuen Allelen, die durch ein ungewöhnliches Amplifikationsmuster auffallen können, aber nicht müssen, sodass neue oder seltene Allele nicht erkannt werden. Die Zusammensetzung des Primerpaarpanels richtet sich nach dem gewünschten Auflösungsgrad des HLA-Genotyps. Praktischerweise wird die Zusammensetzung des Primerpaarpanels gemäß der Auflösungsanforderung gewählt und zunächst auf niedrig auflösender Stufe durchgeführt. Etwaige weitergehende Differenzierungen des Genotyps (Subtypisierung) können mit Hilfe weiterer Primerpaare angeschlossen werden. z Modifikation: geschachtelte Primeranalytik (»nested« PCR-SSP) Bei der »nested-PCR« wird die PCR-Amplifikation sequenziell durch Schachtelung von 2 PCR-Amplifikationsrunden vorgenommen. In der 1. Runde wird die genomische DNA mit genort- oder gruppenspezifischen Primern amplifiziert. Nachfolgend wird dieses
42
Direkte Sequenzierung (PCR-SBT)
z Prinzip Methodisches Prinzip der derzeit für die HLA-Genotypisierung routinemäßig eingesetzten Verfahren der direkten Sequenzierung (»sequencing-based typing«, SBT) ist das Kettenabbruchverfahren enzymatisch synthetisierter Extensionsprodukte an einer komplementären DNA-Matrize nach Sanger. Einzelne Modifikationen des SBT-Verfahrens unterscheiden sich hinsichtlich des erforderlichen Ausgangsmaterials (DNA, RNA bzw. cDNA), der Amplifikationsstrategie (genort- oder haplotypspezifisch) und der Sequenzierungsstrategie (direkt oder indirekt [nach Klonierung]). z Durchführung Initialer Schritt zur labortechnischen Durchführung einer Sequenzierung ist eine genort- bzw. allelegruppenspezifischen PCR, gefolgt von der in der Regel enzymatischen Aufreinigung des PCR-Amplicons mittels ExoSAP-ITĺ, einem Enzymgemisch aus Exonuklease I und Shrimp alkalischer Phosphatase. Nachfolgend wird in der eigentlichen Sequenzierungsreaktion unter Verwendung von farbmarkierten Didesoxynukleosidtriphosphaten (ddNTPs; z. B. DYEnamic ET Terminatorenĺ, BigDye Terminatorenĺ) und TaqPolymerase der komplemtäre Strang synthetisiert. Der Einbau von ddNTPs führt zu einem Kettenabbruch, da die Polymerase keine weiteren Nukleotide einbauen kann. Die Aufreinung der Extensionsprodukte der Sequenzierreaktion kann durch Membranfiltration, Gelfiltration oder zumeist Ethanolpräzipitation erfolgen. Nach Denaturierung werden die Einzelstrangmoleküle kapillarelektrophoretisch aufgetrennt und das resultierende Elektropherogramm hinsichtlich der Basenabfolge analysiert (Base-Calling). An diesen Schritt schließt sich die eigentliche HLA-Allel-Bestimmung durch Abgleich mit der HLA-Alleldatenbank an (Allele-Calling). Hierbei ist auf einen aktuellen Stand dieser Referenz-Sequenzdatenbank zu achten, um sämtliche bekannte Allele in die Analyse einbeziehen zu können. Die direkte Sequenzierung von genort- bzw. allelegruppenspezifischen PCR-Produkten liefert die zuverlässigste und weitestgehende Information über die Sequenzvariabilität der untersuchten Genabschnitte.
614
42
Kapitel 42 • Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität
Der als transplantationsrelevant angesehene Polymorphismus der HLA-Klasse-I-Gene ist nahezu ausschließlich in den die α1und α2-Domänen kodierenden Exone 2 und 3 lokalisiert. Weitere Exone enthalten ebenfalls Sequenzvariabilitäten, die jedoch in der Regel nicht betrachtet werden, da für die meisten Fragestellungen eine klinische Relevanz dieser Sequenzunterschiede nicht belegt ist. Standardprotokolle zur direkten Sequenzierung von HLA-A-, -B-, und -C-Genen basieren somit auf der Amplifikation der Exons 2 und 3 (separat und gemeinsam) mit meist intronisch positionierten Primern, gefolgt von der exonspezifischen Sequenzierung. Durch eine gruppenspezifische Amplifikationsstrategie kann in den meisten Fällen eine »haplotypspezifische« Vorgehensweise erzielt werden. Der entscheidende Vorteil liegt in der Definition der cis/trans-Kopplung der polymorphen Sequenzmotive. Ein Teil der Ambiguitäten (7 s. unten) sowie die Fehldeutung neuer Allele als heterozygote Kombinationen bekannter Allele kann damit vermieden oder minimiert werden. Zur PCR-SBT-Analyse von HLA-Klasse-II-Genen werden in der Regel PCR-Primer eingesetzt, die eine nachfolgende Sequenzierung des Exons 2 der DR-, DQ- und DP-Gene ermöglichen. Bei der PCR-Amplifikation werden zumeist genort- bzw. allelgruppenspezifische Primer eingesetzt. Die zusätzliche Analyse von Exon 3 (DQB1, DPB1) sowie Exon 4 (DPB1) ist bei bestimmten Allelkombinationen zur Reduzierung der Zahl der Ambiguitäten sinnvoll bzw. erforderlich. Eine methodische Herausforderung der PCR-SBT liegt in der Auflösung von Ambiguitäten. Hierbei können 3 wesentliche Ursachen für das Auftreten von Ambiguitäten unterschieden werden: 1. Einzelne Allele können aufgrund des Vorliegens von Nukleotidsequenzunterschieden, die außerhalb des amplifizierten und sequenzierten Bereichs liegen, nicht voneinander unterschieden werden (z. B. A*0207 und A*0215 N; DQB1 * 0201 und DQB1 * 0202, *0204). 2. Mehrere Allelpaare weisen identische heterozygote Sequenzmuster auf. Hierbei weisen die Allelpaare identische Sequenzmotive auf, die jedoch in unterschiedlichen Kombinationen vorliegen (z. B. die alternativen Paarungen DRB1 * 0402, *1302/ DRB1 * 0414, *1301). Die komplette, jeweils aktuelle Liste wird unter Êhttp://www.ebi.ac.uk/imgt/hla/ambig.html zur Verfügung gestellt. 3. Die komplette Sequenz eines Allels ist nicht bekannt. Sofern ansonsten keine differenzierenden polymorphen Positionen gegenüber anderen Allelen bekannt sind, kann keine eindeutige Zuordnung erfolgen. Eine Auflösung derartiger Ambiguitäten kann teilweise durch gruppenspezifische PCR-Amplifikationen und nachfolgende erneute direkte Sequenzierung oder Hybridisierung bzw. direkt durch den Einsatz spezifischer Primerpaare oder einer direkten allel- oder gruppenspezifischen Sequenzierung erfolgen. z Anwendung Die direkte Sequenzierung der HLA-Klasse-I- und -II-Gene zum Zweck der Gewebetypisierung findet zunehmend Verbreitung und ist die Methode der Wahl zur hochauflösenden Genotypisierung z. B. im Rahmen der Transplantation hämatopoetischer Stammzellen. Weitere Indikationen umfassen die Kontrolle divergenter Typisierungsergebnisse und die Auflösung nicht eindeutiger Ergebnisse einer niedrig oder intermediär auflösenden Genotypisierung.
42.3.7
Sonstige Genotypisierungsverfahren
Neben den etablierten Verfahren (PCR-SSO, -SSP, und -SBT) wurden im Laufe der Zeit weitere, zumeist PCR-abhängige Verfahren entwickelt, die mittlerweile nicht mehr in der Routine eingesetzt werden. Diese umfassen im weitesten Sinne gelelektrophoretische Verfahren, die einen zumeist indirekten Nachweis von punktuellen Sequenzunterschieden erlauben. 42.4
Indikation und Auflösungsgrad der Genotypisierung
42.4.1
Transplantation solider Organe
Bei der Gewebetypisierung für die Transplantation solider Organe wird primär eine Untersuchung der HLA-Genorte HLA-A, -B und -DR verlangt. In der Regel erfolgt die zusätzliche Bestimmung von HLA-DQ. Die Differenzierung und die Beurteilung der Disparitäten bzw. Übereinstimmungen zwischen Empfänger und Spender erfolgen auf Haupt- und parziell auf Splitgruppenebene.
42.4.2
Transplantation hämatopoetischer Stammzellen
Grundlage für die Auswahl geeigneter Spender/Empfänger-Kombinationen ist die hochauflösende Untersuchung der HLA-Genorte HLA-A, -B, -C (Klasse I) und HLA-DRB1 und DQB1 (Klasse II). Inwieweit HLA-DPB1 ebenfalls einbezogen werden sollte, wird kontrovers diskutiert. Im Rahmen der Familienspendersuche wird obligat eine Typisierung der Genorte HLA-A, -B, und -DRB1 mit niedriger bzw. intermediärer Auflösung durchgeführt. Können keine eindeutigen Segregationsverhältnisse in der Familie belegt werden, wird eine Typisierung mit höherer Auflösung zur Klärung durchgeführt. Bei der Fremdspendertypisierung wird mit Aufnahme in eine Fremdspenderdatei mindestens eine niedrig auflösende entweder serologische oder molekulargenetische Typisierung der Genorte HLA-A und -B durchgeführt. Meist erfolgt bei Aufnahme aber auch primär eine HLA-DRB1-Typisierung bzw. eine Typisierung von HLA-DRB1, HLA-C und HLA-DQB1. Im Rahmen der Spenderauswahl werden gezielt weitergehende Typisierungen bei potenziellen Spendern (zusätzliche Genorte, höherer Auflösungsgrad) veranlasst. Die obligate Retypisierung im Rahmen der Bestätigungstypisierung (»confirmatory typing«, CT) umfasst in der Regel die hochauflösende Analyse alle 5 Genorte. Für die Bewertung der Spender/Empfänger-Konstellation und die Spenderauswahl ist die Anzahl der Disparitäten, die Richtung der Disparität (GvH vs. HvG) und die vorliegende Erkrankung sowie die Dringlichkeit einzubeziehen.
42.4.3
Krankheitsassoziation
Verschiedene, zumeist autoimmune Erkrankungen weisen Assoziationen und Kopplungen im Erbgang mit HLA-Klasse I und/oder Klasse II auf. HLA-Typisierungen zur Frage der Krankheitsassoziation sind zielgerichtet auf die krankheitsspezifischen assoziierten bzw. gekoppelten Merkmale, Allele oder Epitope gerichtet. Es werden sowohl Assoziationen und Kopplungen mit der Manifestation
615
42.6 • Internetadressen
der Erkrankung, d. h. des Erkrankungsrisikos, als auch mit dem Verlauf einer Erkrankung beobachtet. Dies ist bei der Befundung zu bewerten.
42.4.4
Transfusion
Zur HLA-angepassten Thrombozytentransfusion werden Thrombozytenspender und Patienten hinsichtlich ihrer HLA-A und -B Merkmale typisiert und eine möglichst hohe Kompatibilität bei der Präparateauswahl sichergestellt. Da in der Regel bei den Patienten Sensibilisierungen gegen HLA-Merkmale vorliegen, sind bei der Auswahl die HLA-Antikörperbefunde zu berücksichtigen.
42.4.5
T-Lymphozyten-basierte Immuntherapie
Die T-Lymphozyten-basierte Immuntherapie unterliegt dem Prinzip der MHC-Restriktion der T-Lymphozyten-Immunerkennung. Daher ist sicherzustellen, dass das relevante antigenpräsentierende HLA-Molekül bei dem Patienten vorliegt, um eine effektive Antigenpräsentation zu ermöglichen. Die HLA-Typisierung zielt dabei direkt auf den Nachweis der erforderlichen HLA-Merkmale bzw. Allele. 42.5
Nomenklatur
42.5.1
Allgemeines
Grundlage für die korrekte Bezeichnung der nachgewiesenen HLAMerkmale in Testbericht und Befund ist die durch das »WHO Nomenclature Committee« festgelegte Bezeichnung von HLA-Genen, Spezifitäten und Allelen. Diese wird in regelmäßigen Abständen überarbeitet und in einschlägigen Fachjournalen (International Journal of Immunogenetics, Human Immunology, Tissue Antigens) veröffentlicht [2] sowie im Internet übersichtlich dargestellt (Êhttp://www.ebi.ac.uk/imgt/hla/nomenclature/index.html). Die Nomenklatur umfasst die Bezeichnung neuer Gene, Allele und serologischer Spezifitäten. Die Benennung einer HLA-Spezifität (serologische Definition) setzt sich aus dem Namen des Genortes und der Nummer der Spezifität zusammen. Die Einfügung eines »w« (»workshop«) zwischen Genortsbezeichnung und Spezifitätennummer charakterisiert die Definition dieser Spezifität als vorläufig. In der gegenwärtig gültigen Nomenklatur wird die »w«-Bezeichnung nur noch für die Bw4- und Bw6-Epitope zur Unterscheidung von anderen HLA-B-Spezifitäten, für die HLA-C-Allele – um diese nicht mit den Komplementfaktoren zu verwechseln – und für die HLADP-Spezifitäten beibehalten. Die Bezeichnung eines Allels (molekulargenetische Definition) setzt sich ebenfalls aus der Genortsbezeichnung und einer Allelnummer zusammen; beide sind durch ein »*«-Zeichen voneinander getrennt. Die Allelnummer umfasst üblicherweise 4 Ziffern, wobei die ersten beiden die Haupt- und die letzten beiden die Nebengruppe angeben. Eine 5. und 6 Ziffer wird zur Bezeichnung von Alleldifferenzen eingesetzt, die sich durch synonyme Mutationen unterscheiden. Weitere Ziffern (Position 7 und 8) werden zur Differenzierung und Bezeichnung weiterer polymorpher Abschnitte (z. B. Introns oder 5’- und 3’-flankierende Sequenzen) genutzt. Der Namenszusatz N bzw. L dient der Bezeichnung nichtexprimierter, sog. Null-Allele bzw. der Charakterisierung niedrig exprimierter Varianten (serologisch nicht nachweisbar). Mit dem Zusatz S wird ein sezerniertes
42
lösliches Molekül bezeichnet, das nicht auf der Zelloberfläche zu finden ist. Bei rein zytoplasmatischer Lokalisation wird das Suffix C gewählt. Eine aberrante Expression wird durch den Zusatz A kenntlich gemacht und eine fragliche Expression durch Q angezeigt. In Testbericht und Befund sind die eingesetzte Methode und die korrekte, Nomenklatur-konforme Schreibweise zu verwenden. Eventuell sind zusätzlich Angaben gemäß den Vorgaben eines Transplantationsprogramms oder einer Transplantationsorganisation zu machen (z. B. NMDP-Kodierung, Eurotransplant [Angabe serologischer Äquivalente]).
42.5.2
Mehrdeutigkeiten (»Ambiguitäten«) und serologische Äquivalente
Können Ambiguitäten auf Allelebene (»four-digit level«) nicht aufgelöst werden, so sind entweder alle möglichen Kombinationen anzugeben oder das wahrscheinlichste Allel zu nennen und seltene Varianten in einer Fußnote zu erwähnen. Liegen mehr als 6 alternative Möglichkeiten vor, ist eine Festlegung auf Hauptgruppenebene (»two-digit level«) zu treffen. Können Ambiguitäten auf Hauptgruppenebene nicht aufgelöst werden, so ist das Vorgehen in Abhängigkeit von der Notwendigkeit der Auflösung (Indikation) zu wählen. Entweder können alle möglichen Kombinationen angegeben oder die wahrscheinlichste Hauptgruppe genannt und seltene Hauptgruppen in einer Fußnote erwähnt werden. Die Übersetzung von molekulargenetischen Ergebnissen in serologische Äquivalente setzt voraus, dass eine serologische Reaktivität für das jeweilige Allel bekannt und eine eindeutige bzw. direkte Übersetzung möglich ist. Probleme treten dann auf, wenn eine oder beide Voraussetzungen nicht erfüllt sind. So ist beispielsweise die serologische Reaktivität von DQB1*0309 nicht bekannt. HLA-B*15 enthält 8 serologische Spezifitäten, und es bedarf einer hochauflösenden HLA-B*15-Genotypisierung, um eine Zuordnung zu treffen. Eine Angabe von z. B. HLA-B*62 ist falsch (korrekt: B*15). Eine Zusammenfassung der serologischen Äquivalente findet sich bei [3]. 42.6
Internetadressen
z Standards der Histokompatibilitätstestung und Akkreditierung 5 American Society for Histocompatibility and Immunogenetics: Êhttp://ashi-hla.org
5 European Federation of Immunogenetics: Êhttp://www.efiweb.org; http://efiweb.eu
z Datenbanken 5 IMGT/HLA-Sequence-Database: Êhttp://www.ebi.ac.uk/ imgt/hla
5 National Center for Biotechnology Information: Êhttp://www. ncbi.nlm.nih.gov/, Êhttp://www.ncbi.nlm.nih.gov/gv/mhc/main. fcgi?cmd=init (dbMHC) z Stammzellfremdspenderregister 5 Bone Marrow Donor Worldwide: Êhttp://www.bmdw.org 5 Zentrales Knochenmarkspenderregister Deutschland (ZKRD): Êwww.zkrd.de
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Kapitel 42 • Nachweis von HLA-Antigenen, HLA-Antikörpern und Histokompatibilität
Literatur 1
2
42
3
4
5
6
Land GA, Strothman RM, Hahn AB (2000) ASHI Laboratory Manual, 4th edn. Suppl 1 (2006) und Suppl 2 (2007). American Society for Histocompatibility and Immunogenetics, Lenexa, KS Marsh SG, Albert ED, Bodmer WF Bontrop RE, Dupont, B Erlich HA, Geraghty DE, Hansen JA, Hurley CK, Mach B, Mayr WR, Parham P, Petersdorf EW, Sasazuki T, Schreuder GMTh, Strominger JL, Svejgaard A, Terasaki PI, Trowsdale J (2005) Nomenclature for factors of the HLA system, 2004. Tissue Antigens 65:301–368. Reports und Updates online verfügbar unter: http://hla.alleles.org/nomenclature/nomenc_reports. html Schreuder GM, Hurley CK, Marsh SG, Lau M, Fernandez-Vina M, Noreen HJ, Setterholm M, Maiers M (2004) The HLA Dictionary 2004: a summary of HLA-A, -B, -C, -DRB1/3/4/5 and -DQB1 alleles and their association with serologically defined HLA-A, -B, -C, -DR and -DQ antigens. Tissue Antigens 65:1–55 Tiercy JM, Marsh SG, Schreuder GM, Albert E, Fischer G, Wassmuth R (2002) Guidelines for nomenclature usage in HLA reports: ambiguities and conversion to serotypes. Eur J Immunogenet 29:273–274 Tilanus MGJ, Hansen JA, Hurley CK (2002) IHWG Technical Manual – Genomic analysis of the Human MHC, distributed by the International Histocompatibility Working Group. IHWG press, Seattle Wassmuth R (2005) Einführung in das HLA-System. ecomed, Landsberg
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Stichwortverzeichnis
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Stichwortverzeichnis
A AB0-Blutgruppenbestimmung 149, 580 AB0-Identitätstest 213 – am Krankenbett 290 Aborte, habituelle 483 Absorption von thrombozytären Antikörpern 595 ACD-Stabilisator 229 ACE (Angiotensin Converting Enzyme) 53 Acetylsalizylsäure 51 »acute respiratory distress syndrome« 42, 520 ADAMTS13 48, 369 ADCC (antikörperabhängige Zytotoxizität) 26 Adenosinmonophosphat, zyklisches 52 Adhäsionsmoleküle 41 ADP-Rezeptorantagonisten 51 »adult respiratory distress syndrome« 42, 520 »adult T cell leukemia« 542 Affinitätsreifung 68 Afibrinogenämie 353 AIHA, serologische Befunde 585 AIN (Autoimmunneutropenie) 101 AITP (Autoimmunthrombozytopenie) 92, 397 Albumin – Funktion 384 – Indikationen 385 Alloantigene, thrombozytäre 178 Alloantikörper, thrombozytäre 434 Alloimmunneutropenie, neonatale 438 Alloimmunthrombozytopenie – fetale 434 – neonatale 95, 398, 434, 435, 437 AMG (Arzneimittelgesetz) 206 Amnionflüssigkeit, Spektrophotometrie 427 Amniozentese, diagnostische 421 Analbuminämie 384 Anämie im Kindesalter, Transfusionsindikationen 442 Anaphylaktische Transfusionsreaktion 77, 518 Angiotensin 1 53 Angiotensin 2 53 Angiotensin Converting Enzyme 53 ANH (akute normovoläme Hämodilution) 495 Annelloviren, humane 546 Anti-D-Prophylaxe bei Schwangeren 428 Antigene, s. Blutgruppenantigene Antigen-präsentierende Zellen 29, 67 Anti-HPA-1a 95, 434 Anti-HPA-5b 95, 434 Anti-IgA-Antikörper – Kartentest 586 – Nachweis 586 Antikoagulanzientherapie, DIC 366 Antikörper – inkomplette erythrozytäre 578 – komplette erythrozytäre 578 – medikamentabhängige thrombozytäre 594 – Nachweis granulozytärer 598 – Nachweis medikamentenabhängiger granulozytärer 599, 616 – Nachweis thrombozytärer 592 – natürliche 143 Antikörper-abhängige Zytotoxizität 26 Antikörperdifferenzierung 583 Antikörperrepertoire 68 Antikörpersuchtest 583 Antithrombin 58 Antithrombinmangel, Substitutionstherapie 377 Antithrombotika, Blutungen 372
Apherese – Antikoagulation 459 – Gefäßzugänge 459 – Indikation 459 – Nebenwirkungen 460 – Verfahren zur Depletion v. Lipoproteinen 469 – Wirkungsweise 458 Apherese-Thrombozytenkonzentrat 329 aPTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit) 362 ARDS (»acute respiratory distress syndrome«) 42, 520 Arthus-Phänomen 77 Arzneimittel 206 Arzneimittelgesetz 206 ATL (»adult T cell leukemia«) 542 Aufbewahrungspflicht 214 Aufklärung, therapeutische 212 Aufwandsentschädigung 211 Autoantikörper, thrombozytäre 92 Autoimmunhämolyse, α-Methyldopa-assoziierte 587 Autoimmunhämolyt. Anämien v. Wärmetyp 585 – serologische Befunde 585 Autoimmunneutropenie 101 Autoimmunthrombozytopenie 92 Autoimmunthrombozytopenie 92, 397 Autotransfusion, maschinelle 305, 494
B Babesia microtii 549 Babesiose 471 Bedside-Test 213, 290, 588 Bestrahlung von Blutkomponenten 237 BFU (»burst-forming unit«) 18 Bg- (Bennett-Goodspeed-)Antigene 193 Blutersatzlösungen – Elektrolytlösungen 500 – kolloidale Plasmaersatzlösungen 500 – künstliche Sauerstoffträger 502 Blutgruppenantigene – AB0-System 148 – AB0-Untergruppen 150 – Antiglobulintest 146 – antithetische Antigene 141 – Assoziationen mit Erkrankungen 148 – Bg- (Bennett-Goodspeed-)Antigene 193 – Cw-Antigen 159 – D-Antigen 158 – D-Antigenbestimmung b. Blutspendern 160 – D-Antigenbestimmung b. Transfusionsempfängern 160 – D-Epitope 158 – D-Kategorie 158 – D-Kategorie VI 158 – Dosiseffekt 141 – Duffy-System 164 – Epitope 141 – f-Antigen 159 – G-Antigen 159 – GLOB-System u. GLOB-Kollektion 156 – Glykosyltransferasen im AB0-System 154 – granulozytenspezifische 170 – Haplotypen 142 – hoch frequente Antigene 140 – Immunogenität 145 – I-System 152
– – – – – – – – – – –
Kell-System 163 Kidd-System 164 Klassifikation 134 klinische Bedeutung von Antikörpern 145 Kollektionen 134 Lewis-Phänotypen 156 Lewis-System 151 Lutheran-System 166 MNS-System 165 molekulare Basis der Rhesusantigene 161 Morbus haemolyticus neonatorum durch Anti-D 160 – multiple Alloantikörper 147 – Mutationen im AB0-Gen 154 – Nachweis granulozytärer 601 – niedrig frequente Antigene 140 – Null-Phänotypen 142 – »partial D« 158 – partielle Antigene 141 – P-System 156 – Rhesusbestimmung bei Neugeborenen 160 – Rhesushaplotypen 159 – Rhesussystem 157 – serologische Antigen-D-Bestimmung 160 – Systeme 134 – Terminologie 141 – »weak D« 158 Blutgruppenbestimmung – Automatisierung 582 – molekulargenetische Methoden 581 Blutgruppenidentitätstest am Krankenbett 588 Blutgruppensysteme 135 Blutkomponenten – Bestrahlung 237 – Lagerung 235 – Transport 241 – Waschen 237 Blutprodukt 207 Blutspende – Ausschluss 225 – Blutentnahme 227 – Eisenstatus 116 – Entnahmevolumen 224 – gerichtete 553 – Hautdesinfektion 227 – physiologische Grundlagen 224 – Volumenverlust 224 – Voraussetzungen 224 – Zwischenfälle 227 Blutstammzellapherese 252 Blutstammzellen – allogene 250 – autologe 248 – CD34-Positivselektion 255 – Mobilisation 248 – rechtliche Grundlagen 246 – Vorteile von peripheren 246 Blutstammzelltransplantation 449 – allogene 450 – autologe 450 Blutstillung 46 Bluttransfusion – donorspezifische 482 – Immunmodulation 480 – postoperative bakterielle Infektionen 483 – Rezidivrate bei Kolonkarzinom 483 – Toleranzinduktion bei Organtransplantationen 481 – Virusaktivierung 484
619
Stichwortverzeichnis
Blutungsanämie – Feten 431 – Neugeborene 431 Blutungstypen 330 – Hämophilie-ähnliche 330 – thrombozytäre 330 Blutverlust 37 – akuter 298, 299, 305 – erweitertes hämodynamisches Monitoring 299 – invasives Monitoring 298 – nichtinvasives Basismonitoring 298 – Stufenkonzept zur Substitution 305 Blutvolumen 36 B-Lymphozyten 33, 67 BNP (B-Typ-natriuretisches Peptid) 524 Bombay-Phänotyp 151 Borrelia burgdorferi 547 »burst-forming unit« 18
C cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) 52 CD109 182 CD16b 170 CD177 172 CD34 18 – Messung 249 Cephalosporin-assoziierte Immunhämolyse 587 CFU (»colony-forming unit«) 18 Chagas-Krankheit 549 Chargendokumentationspflicht 213 Chemokine 26 Chikungunyavirus 547 Chimärismus 481 Chinidin 94 Chinin 94 Chloroformelution 584 Chorionzottenbiopsie 420 Citratreaktionen 412 »cluster of differentiation« 18 CMV (Zytomegalievirus) 543 CMV-Infektion, IVIG 395 CMV-Pneumonie 543 »colony-forming unit« 18 »corrected count increment« 334 CPD-Stabilisator 229 CREG (»cross reacting groups«) 95 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 550 Crossmatch, HLA 610 CTL (»choline transporter-like protein«) 72, 173 Cyklooxygenase 51
D Darmerkrankungen, chronisch entzündliche 472 Deferasirox 114, 524 Deferipron 114, 524 Deferoxamin 114, 524 »delayed type hypersensitivity« 77 Dendritische Zellen 67 Denguevirus 547 Desferrioxamin 114 Desmopressin 304 Determinante – konformationelle 64 – sequenzielle 64
Dilutionskoagulopathie 362 DIC (disseminierte intravasale Gerinnung) 364 Dilutionsmethode 36 Dimethylsulfoxid 124 2,3-Diphosphoglycerat 23, 231, 240, 312 DMSO (Dimethylsulfoxid) 124 DMT-1 (divalenter Metalltransporter 1) 24 Dokumentationspflicht d. Anwendung v. Blutprodukten 213 Dolichos-biflorus-Lektin 149 Donath-Landsteiner-Antikörper 143 Donath-Landsteiner-Hämolyse, serologische Befunde 585 2,3-DPG (2,3-Diphosphoglycerat) 23, 231, 240, 312 Dysfibrinogenämie 353
E EBV (Epstein-Barr-Virus) 544 Ehrlichia spp. 549 Eigenblutspende 215 – Durchführung 491 – Eisensubstitution 491 – Gabe von Erythropoietin 491 – Infektionsdiagnostik 492 – Kindesalter, präoperative 443 – Kontraindikationen 492 – präoperative 215, 302, 490 – Stimulation der Erythropoese 490 – Überprüfung d. Blutgruppe vor der Transfusion 290 – Verbot d. Verwend. autol. Spenden f. andere Empfänger 553 Einfrieren von Plasma 232 Einwilligung des Spenders 210 Einwilligung, Gabe eines Blutproduktes 212 Eisenbelastungstest 117 Eisenbindungskapazität 117 Eisenmangel 114 – Diagnostik 117 – Therapie 115 Eisenmangelanämie 114 – eisenrefraktäre 115 Eisenresorption 24, 106 Eisenstatus, Diagnostik 117 Eisenstoffwechsel 24, 105 Eisentransporter 106 Eisenüberladung, Therapie 113 Elution von thrombozytären Antikörpern 595 Endothelzellen 52 Entzündung, Anämie der chronischen 114 EPO (Erythropoetin) 248 Epstein-Barr-Virus 544 Ereignis, unerwünschtes 216 Eryhtrozytentransfusion 313 Erythropoese 18 Erythropoetin 249 Erythrozytapherese, therapeutische 470 Erythrozytäre Antikörper – Agglutinationstest 578 – Antiglobulintest 579 – Antikörpersuchtest 583 – Coombs-Test 579 – Differenzierung 583 – Elutionstechniken 584 – Enzymtest 579 – Festphasentest 583
A–F
– Gelzentrifugationstest 579 – Hämolysetest 580 – inkomplette 578 – Kartentest 579 – komplette 578 – LISS 578 – Säurehämolysetest (Ham-Test) 580 – Supplementtests 578 – Titerbestimmung 578 Erythrozyten, Überlebenszeit 25, 312 Erythrozytenkonzentrate – European Frozen Blood Bank 147 – Lagerung 312 – seltene Blutgruppen 147 Erythrozytentransfusion – bestrahlte Erythrozytenkonzentrate 316 – Blutstammzelltransplantation 452 – Dosierung von Erythrozytenkonzentraten 317 – erlaubte Empfänger-/Spender-Blutgruppenkonstellationen 317 – gewaschenes Erythrozytenkonzentrat 316 – Indikation bei chronischer Anämie 315 – Indikation bei Feten, Neugeborenen 315 – Kontraindikationen 317 – kryokonserviertes Erythrozytenkonzentrat 316 – Nebenwirkungen 318 – Transfusionsgeschwindigkeit 317 Etherelution 584 EU-Richtlinien 206
F Faktor-V-Leiden-Mutation 377 Faktor-VIIa/TF-Komplex 55 Faktor-VIII-Bypass-Medikamente 371 Faktor-Xa- und Thrombininhitoren, Blutungen 373 Fcγ-RIIIb (Fcγ-Rezeptor IIIb) 170 – löslicher 171 Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion 103, 517 FEIBA (»factor eight bypassing activity«) 371 Ferritin 24, 108, 110 Ferritinkonzentration im Serum 117 Ferroportin-1 24 Fertigarzneimittel 208 Fetale Alloimmunthrombozytopenie 434 – pränatales Management 435 – Therapie 435 – durch passiv übertragene mütterliche Autoantikörper 93 Fibrinogen 57, 353 Fibrinogenbestimmung 362 Fibrinogenrezeptor 47 Fibrinolyse(system) 60 FIO2 (inspiratorische Sauerstoffkonzentration 303 FNHTR (febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion) 103, 517 Frischplasma 364 – DIC 366 – Methylenblau 235 – Solvent/Detergent- (SD-)Verfahren 235 – Virusinaktivierung 556 Frischplasma, Indikation f. d. Gabe bei Neugeborenen 439 Frühgeborene – Anforderungen an das Transfusionsblut 439 – Thrombozytopenie 433
620
Stichwortverzeichnis
– Transfusionsrichtlinien 423 Frühgeborenenanämie 422 – Therapie mit Erythropoetin 423
G GAT (Granulozytenagglutinationstest) 599 Gauer-Henry-Reflex 37 GB-Virus Typ C 539 G-CSF (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor) 21, 248, 322 – Nebenwirkungen 251 Gedächtnis, immunologisches 77 Gerinnung, plasmatische 55 Gerinnungsaktivierung, DIC 365 Gerinnungsfaktoren – Faktor-II-Mangel 353 – Faktor-V-Leiden-Mutation 377 – Faktor-V-Mangel 353 – Faktor-VII-Mangel 353 – Faktor-VIIa/TF-Komplex 55 – Faktor VIII 344 – Faktor VIII/vWF 55 – Faktor-VIII-Bypass-Medikamente 371 – Faktor IX 344 – Faktor-X-Mangel 353 – Faktor-Xa- und Thrombininhitoren 373 – Faktor-XI-Mangel 353 – Faktor XII 55 – Faktor XIII 56 – Faktor-XIII-Mangel 353 – Fibrinogen 57 – Halbwertszeit 55 – Kontaktaktivierung 55 – plasmatische 55 – rFVIIa 371 – Substitution 346 – Vitamin-K-Abhängigkeit 55 Gerinnungsstörungen – hepatische 367 – leukämische 368 – unklarer Genese, Therapie 373 – urämische 368 Gewebeperfusion 39 Gewebezubereitungen 208 GIFT (Granulozytenimmunfluoreszenztest) 598 Glycerin 124 Glykophorin A 165 Glykophorin B 165 GMP (gute Herstellungspraxis) 282 GP (Glykoprotein) – GPIa/IIa 31, 182 – GPIb/IX 48, 49, 181 – GPIb/IX/V 31 – GPIIb/IIIa 31, 47, 52, 181 Graft-vs.-Host-Erkrankung 237, 481 – extrakorporale Photochemotherapie 474 – transfusionsassoziierte 452, 522 Granula, dichte 50 α-Granula, Thrombozyten 50 Granulozytapherese 240 Granulozyten 25 – ABH-Antigene 170 – basophile 27, 76 – Bildung 322 – eosinophile 26 – HLA-Klasse-I-Antigene 170
– Kinetik 28, 322 – marginaler Zellpool 322 – Nachweis granulozytärer Antigene 601 – Nachweis granulozytärer Antikörper 598 – neutrophile 170 – zirkulierender Pool 322 Granulozytenagglutinationstest 599 Granulozytenimmunfluoreszenztest 598 Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor 21, 248, 322 – Nebenwirkungen 251 Granulozytenkonzentrate – Herstellung 323 – maximale Lagerungsdauer 324 – Qualitätskriterien 324 – Spenderauswahl 323 – Spenderkonditionierung 323 Granulozytentransfusion 322 – Anti-CMV-Status 323 – Bewertung des Transfusionserfolgs 324 – Blutstammzelltransplantation 452 – Dosierung 324 – granulozytäre Alloantikörper 103 – Indikationsstellung 324 – Nebenwirkungen 324 – Nebenwirkungen durch Gabe von Amphotericin B 324 – Transfusionsfrequenz 324 Guillain-Barré-Syndrom 462 Gute Herstellungspraxis (GMP), Herstellung von Plasmaderivaten 282 GvHD (Graft-vs.-Host-Erkrankung) 237, 452, 474, 481, 522
H Hämapherese, therapeutische, s. Apherese 458 Hämapheresegeräte 458 Hämatokrit 37 hämatopoetische Stammzellen, Transplantation 451 Hämochromatose – hereditäre 110 – molekulargenet. Diagnostik der hereditären 119 – primäre 112 – sekundäre 112 Hämochromatoseprotein 109 Hämodilution 41, 494 – akute normovoläme 495 – isovolumetrische 41 – normovoläme 303 Hämoglobin 23 Hämoglobinkonzentration, kritische 314 Hämoglobinurie, paroxysmale nächtliche 580 Hämojuvelin 109 Hämolyse 513 Hämolysine 578 Hämolytische Transfusionsreaktionen 512 – AB0-inkompatible Thrombozytenkonzentrate 516 – akute 512 – nicht immunologisch induzierte 523 – serologische Befunde 586 – Sichelzellkrankheit 516 – verzögerte 515 Hämolytisch-urämisches Syndrom 369
Hämophilie – Hemmkörperbildung 349 – kontrollierte Heimselbstbehandlung 348 – Therapie 345 Hämophilie A 344 Hämophilie B 344 Hämophiliezentrum (»comprehensive care center«) 345 Hämosiderin 24, 108 Hämostasestörungen – beim Neugeborenen 438 – thrombophile 376 Hämostasesystem 46 Hämotherapie – autologe 215, 490 – rechtliche Grundlagen 490 Ham-Test (Säurehämolysetest) 580 Haptoglobin 25 Haupthistokompatibilitätskomplex 64 HAV (Hepatitis-A-Virus) 538 HBV (Hepatitis-B-Virus) 531 HCV (Hepatitis-C-Virus) 536 HDV (Hepatitis-Delta-Virus) 535 HELLP-Syndrom 370 Helminthen 549 Hemmkörperhämophilie 370, 372 – Immuntoleranzinduktion 351 – IVIG 398 Heparine, Blutungen 373 Heparinresistenz 377 hepatische Gerinnungsstörungen 367 Hepatitis A, passive Immunisierung 394 Hepatitis-A-Virus 538 Hepatitis-B-Virus 531 Hepatitis-C-Virus 536 Hepatitis-Delta-Virus 535 Hepatitis-E-Virus 539 Hepatitis-G-Virus 539 Hepcidin 24, 107 Herpesviren 542 – Herpesvirus 8, humanes 544 Herstellung von Blutkomponenten 228 – Antikoagulanzien 229 – Stabilisatoren 229 Herstellungsleiter 211 Herzzeitvolumen 38 HES (Hydroxyethylstärke) 124, 127 HFE (Hämochromatoseprotein) 109 HHV (humane Herpesviren) 544 Hitzeelution 584 HIV (Human Immunodeficiency Virus) – HIV 1 540 – HIV 2 540 – Epidemiologie 540 – Testung von Blutspenden 541 HLA (Human Leukocyte Antigens) – Bestimmung mit molekulargenetischen Methoden 190 – Crossmatch 610 – DNA-Extraktion 611 – Krankheitsassoziation 614 – Kreuzreaktionen 194 – Nomenklatur 191 – Organtransplantation 614 – auf Thrombozyten 178 – Transfusion 615 – Transplantation hämatopoetischer Stammzellen 614
621
Stichwortverzeichnis
HLA-Antikörper – Nachweis 608 – Panelreaktivität 608 – serologische Verträglichkeitsprobe 610 HLA-DRB3*0101 95 HLA-Klasse-I-Antigene 193 HLA-Klasse-II-Antigene 194 HLA-Moleküle 30 – lösliche 482 HLA-System 190 – Funktion der Genprodukte 197 – genetische Organisation 192 – Genloci 192 – Interaktion von Zellen des Immunsystems 198 – Kopplungsungleichgewicht 197 – Krankheitsassoziationen 200 – Polymorphismus 199 – Transplantation 200 HLA-Typisierung 606 – molekulargenetische Methoden 611 – serologische Methoden 606 – Zellisolierung 606 HLTV-I-assoziierte Myelopathie 542 HNA (Human Neutrophil Antigens) – HNA-1-Antigene 170 – HNA-2-Antigene 172 – HNA-3-Antigene 173 – HNA-4a-Antigen (MART) 173 – HNA-5a-Antigen (OND) 173 HNA-Nomenklatur 170 HPA (Human Platelet Antigens) – HPA-1 179 – HPA-15 182 – HPA-2 180 – HPA-3 181 – HPA-4 181 – HPA-5 182 HPA-Alloantikörper, Thrombozytentransfusion 95 HTLV-I/II 541 Humane Annelloviren 546 Humanes Herpesvirus 8 544 Humanes Immundefizienzvirus, s. HIV Humanes T-Zellleukämievirus Typ I und II 541 HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom) 369 Hydrops universalis, Fetus u. Plazenta 426 Hydroxyethylstärke 124, 127 Hyper-IgM-Syndrom 75 Hyperkaliämie 412 Hypervolämie 412 – transfusionsassoziierte 523 Hypoalbuminämie 384 Hypofibrinogenämie 353 Hypokaliämie 412 Hypothermie 292 Hypovolämie 412
I IL (Interleukine) 73 Immundefizienz 78 – primäre 395 – sekundäre 396 Immunglobuline 33, 69 – Blutstammzelltransplantation 453 – Depletion 464 – Wirkungsmechanismen 392 – zur intravenösen Anwendung 391
Immunglobulinklassen 69 – IgA 69 – IgD 69 – IgE 70 – IgG 69 – IgG-Halbwertszeit 390 – IgG-Subklassen 390 – IgM 69 Immunglobulinpräparate – Herstellung 392 – Indikationen 394 – klinische Anwendung 392 – Off-label-use 399 – unerwünschte Wirkungen 399 Immunhämolyse, Cephalosporin-assoziierte 587 Immunkomplexe 77 Immunmodulation 480 – durch IVIG 397 – durch zelltherapeutische Verfahren 484 – Eigenblut 491 – Leukozytenkontamination 481 Immunneutropenie – Medikamenten-induzierte 102 – nach Knochenmark- und Stammzelltransplantation 101 – neonatale 100, 171 Immunoadsorption, Depletion v. Immunglobulinen 464 Immunologisches Gedächtnis 77 Immunpathologische Reaktion 77 Immunsystem, Zellen 64 Immuntherapie, Spenderlymphozyten zur adoptiven 255 Immunthrombozytopenie – fetale/neonatale 93 – in der Schwangerschaft 93 – IVIG 397 – Medikamenten-induzierte 94 Immuntoleranz 480 – neonatale 480 Infektionen, postoperative bakterielle 483 Infektionskrankheiten – Labortests zur Vermeidung d. Übertrag. durch Blut 554 – Strategien zur Vermeidung d. Übertrag. durch Blut 551 Infektionssicherheit von Plasmaderivaten 557 Informationsbeauftragter 211 Inhibitoreradikation 372 Inkrement, korrigiertes 334 Interdigitierende dendritische Retikulumzellen 29 Interleukine 73 International Histocompatibility Workshop 190 Isoagglutinin 143 Isoantigen, thrombozytäres 183 ITP (idiopathische thrombozytopenische Purpura) 92 IVIG (Immunglobulin z. intravenösen Anwendung) 391ff., 520
K Kälteagglutininkrankheit, serologische Befunde 585 Kältehämolysine, biphasische 143 Kawasaki-Syndrom, IVIG 398 Kinetik des granulozytären Systems 28
Knochenmark, blutbildendes 21 Knochenmarkparenchym 21 Knochenmarkstroma 21 Kolloidale Plasmaersatzmittel 302 Kommission für transfusionsmedizinische Angelegenheiten 215 Komplementsystem 70 – klassischer Aktivierungsweg 70 – Regulatorprotein 70 Konditionierungsverfahren m. reduz. Intensität 450 Kontaktaktivierung 55 Kontamination zellulärer Blutpräp., bakterielle 547 Kordozentese 420, 421, 441 Krankenstation, Lagerung von Blutkomponenten 290 Kreuzprobe 587 Kryokonservierung – Blutzellen 124 – Erythrozyten 126 – Granulozyten 128 – Grundlagen 124 – hämatopoetische Progenitorzellen 129 – hämatopoetische Stammzellen 124 – Lymphozyten 128 – Monozyten 128 – präoperative Eigenblutgewinnung 127 – Thrombozyten 127 Kryoprotektive Substanzen 124 – Wirkungsmechanismen 126 Kumarinnekrosen 380
L Lagerung von Blutkomponenten, Krankenstation 290 Langerhans-Zellen 29 LCT (lymphozytotoxischer Test) 607 LDL-Lipoproteinapherese 469 Lebendnierenspende, donorspezifische Transfusion 482 Lebertransplantation, Hämostasemanagement 367 Leishmania donovani 549 Leukostasesyndrom 472 Leukozytapherese, therapeutische 472 Leukozyten-Adhäsions-Defizienz Typ II 151 Leukozytendepletion 230 – zellulärer Blutkomponenten 555 Leukozyten-Endothel-Interaktion 41 LIFT (Lymphozytenimmunfluoreszenztest) 600 Lipoproteinapherese 469 Lipoproteine, Depletion 469 Look-back 217 Luftembolie, Transfusion 524 Lungeninsuffizienz, transfusionsassoziierte akute 520 Lupus-Antikoagulans 377 Lymphknoten 32 Lymphozytenimmunfluoreszenztest 600 lymphozytotoxischer Test 607 – Anti-human-Globulin-Modifikation 608 – Dithiothreitol-Modifikation 607
F–L
622
Stichwortverzeichnis
M MAIGA 600 MAIPA 593, 616 Makrophagen 29, 76 Malaria 471, 549 MALT (mukosaassoziierte lymphatische Gewebe) 32 Margination 41 Massivtransfusion 364, 406 – Hämostasestörungen 411 – Hypothermie 410 – praktische Durchführung 415 – Prognose 415 – Substitutionstherapie 413 Mastzellen 27, 76 MAT (maschinelle Autotransfusion) 494 Medikamentabhängige Antikörper, Nachweis 584, 599, 616 Medikamenten-induzierte Immunneutropenie 102 Medikamenten-induzierte Immunthrombozytopenie 94 Medikamentös bed. Immunhämolysen, serolog. Befunde 586 Megakaryozyten 31, 46 Meldewesen 217 Metalltransporter, divalente 24 Metamyelozyt 322 α-Methyldopa-assoziierte Autoimmunhämolyse 587 Methylenblau-Lichtverfahren 556 MHC (»major histocompatibility complex«) 64 – Klasse-I-Moleküle 64 – Klasse-II-Moleküle 66 MHC-Restriktion 73 MICA 198 MICB 198 Mikrofilarien 549 Mikropartikel 50 Milz 32 Minderjährige 212 MIT (Medikamenten-induzierte Immunthrombozytopenie) 94 Modellviren 558 Monozyten 29, 76 Monozyten-Makrophagen-System 29 Morbus haemolyticus fetalis/neonatalis 424 Morbus haemolyticus neonatorum 425 – AB0-Inkompatibilität 429 – Blutgruppenantikörper außerhalb d. AB0- u. Rhesussystems 431 – erythrozytäre Wärmeautoantikörper 431 – pränatale Diagnostik 426 – Rhesusinkompatibilität 425 – serologische Befunde 586 »mucosa-associated lymphoid tissue« 32 Multiple Sklerose, IVIG 398 Myasthenia gravis, IVIG 398 Myeloblast 322 Myelopoese 322 Myelozyt 322
N Nabelschnur, intrauterine Punktion 420 Nabelschnurblut 262
– Erythrozyten 145 – Stammzellen aus 262 Nabelschnurerythrozyten, Nachweis von Anti-i 152 Nak(a) 183 Neonatale Alloimmunneutropenie 438 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie 95, 434 – IVIG 398 – postnatale Behandlung 437 – pränatales Management 435 – Therapie 435 Neonatale Immungranulozytopenie durch mütterl. Antikörper 438 Neonatale Immunneutropenie 100, 171 Neonatale Immunthrombozytopenie durch mütterl. Antikörper 93, 437 Neugeborene – Anämie 422 – Anforderungen an das Transfusionsblut 439 – Blutkomponenten 240 – Thrombozytopenie 437 – Transfusionsrichtlinien 424 Neugeborenensepsis, Thrombozytopenie 433 Neutropenie b. Kindern, Indikat. z. Granulozytentransfusion 443 Neutrophile Granulozyten 170 – Entwicklung 322 – Transfusion 322 NIN (neonatale Immunneutropenie) 100 NK-Zellen (natürliche Killerzellen) 34, 76 NO 53 Notaufnahmen 408 Notfalltransfusion 406 – organisatorische Maßnahmen 408 – Probenverwechslung 410 – Risiken 410 – Standardprotokolle 415 – zeitliche Planung 409
O Organtransplantation – Alloimmunthrombozytopenie 96 – Toleranzinduktion 481 Osteoklasten 29
P PAR (Protease-aktivierte Rezeptoren) 52 Paroxysmale Kältehämoglobulinurie, serolog. Befunde 585 Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie 580 Parvoviren 545 Parvovirus B19 545 Passenger-lymphocyte-Syndrom 96 – Hämolyse 517 Passive alloimmune Thrombozytopenie 520 Pathogeninaktivierung 234 – von zellulären Blutprodukten 556 Paul-Ehrlich-Institut 208 PCR (Polymerase Chain Reaction) – PCR-RFLP 581 – PCR-SBT 190, 613 – PCR-SSO 581, 612 – PCR-SSOP 190, 612
– PCR-SSP 190, 581, 601, 613 – »nested« 613 PEI (Paul-Ehrlich-Institut) 208 Pemphigus vulgaris, extrakorp. Photochemotherapie 474 Perfluorcarbone 503 Perfusion des Gewebes 39 periphere Blutstammzellen vs. Knochenmark 246 Photochemotherapie, extrakorporale 473 – Graft-vs.-Host-Erkrankung 474 – kutane T-Zell-Lymphome 474 – Pemphigus vulgaris 474 Photopherese 473 Pilotröhrchen 290 Plasma humanum ad separationem 272 Plasma zur Fraktionierung 272 Plasmaaustausch, therapeutischer 462 Plasmaderivate, Virusinfektionen 559 Plasmaersatzmittel, kolloidale 302 Plasmafiltration 458 Plasmafraktionierung 275 – Albumin 279 – Antithrombin 279 – C1-Esteraseinhibitor 279 – Faktor IX 278 – Faktor VIII/vWF 278 – Faktor XIII 278 – Fibrinogen/Fibrinkleber 278 – Immunglobuline 279 – Prothrombinkomplexkonzentrat 278 – Verfahren zur Prionenreduktion 281 – Virusentfernung 281 – Virusreduktion 280 – α1-Proteinaseinhibitor 279 Plasmapherese 240 Plasmapool 557 Plasmaproteine – rekombinante 281 – therapeutische 272 Plasmatische Gerinnung 55 Plasmaviskosität 39 Plasmavolumen 36 Plasmodien 549 Plättchenumsatz 328 PNH (paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie) 580 Polyagglutinabilität 144 Polyneuropathie Guillain-Barré, IVIG 398 Polyvinylpyrrolidon 127 Pool-Thrombozytenkonzentrat 329 Posttransfusionelle Purpura 519 – IVIG 398, 520 Präoperative Eigenblutspende 490 Präparation von Blutkomponenten aus Vollblut 232 Predonation Sampling 231, 553 Primäre Immundefizienz, IgG-Substitution 395 Prionen 550 Progenitorzellen, hämatopoetische 18 Promyelozyt 322 Prostaglandinstoffwechsel 51 Protease-aktivierte Rezeptoren 52 Protein C 58 Protein-C-Mangel 376 – Substitutionstherapie 379 Protein-S-Mangel 376 Prothrombin-G20210A-Variante 377 Protozoen 549
623
Stichwortverzeichnis
PTP (posttransfusionelle Purpura) 519 – IVIG 398, 520 Pulmonalarterienkatheter 38 Pulpa (rote, weiße) 32 Purpura, posttransfusionelle 519 Purpura fulminans 376, 377
Q Qualitätsbeauftragter 215 Qualitätskontrolle, Leiter 211 Qualitätssicherungssystem 215 Quarantänelagerung v. gefrorenem Frischplasma 555 Querschnitts-Leitlinien z. Therapie m. Blutkomponenten u. Plasmaderivaten 209 Quickwert 362
R Ramban-Hasharon-Syndrom 151 Reaktion – anaphylaktische 77 – immunpathologische 77 Regulatorische T-Zellen 72 Rekombinante Plasmaproteine, Herstellung 281 RES (retikuloendotheliales System) 29 Retikulozytenhämoglobin 118 Retikulumzellen – follikuläre dendritische 29 – interdigitierende dendritische 29 Retroviren 540 Rezeptoren, Protease-aktivierte 52 Richtlinien zur Gewinnung v. Blut u. Blutbestandteilen u. z. Anwendung v. Blutprodukten 209 Röteln, passive Immunisierung mit IVIG 394 Rückstellproben 555 Rückverfolgung 217, 555
S Sachkundige Person 211 Sauerstoffkonzentration, inspiratorische 303 Sauerstoffträger auf Hämoglobinbasis, künstliche 504 Säureelution 584 Säurehämolysetest (Ham-Test) 580 SCF (Stammzellfaktor) 248 Schlafkrankheit, afrikanische 549 Schlauchverbindungen, sterile 241 Schwangere, Anti-D-Prophylaxe 428 Sekundäre Immundefizienz, IgG-Substitution 396 Sekundärtrennsysteme 458 Selbstausschluss, vertraulicher 552 Sepsis, IVIG 397 Serologische Verträglichkeitsprobe 587 Serumeisen 117 Serumferritin 117 Serumkrankheit 77 Serumtransferrin 117 SGPT-Testung 554 Sichelzellerkrankung 470 – hämolytische Transfusionsreaktionen 516
»sickle cell hemolytic transfusion reaction syndrome« 516 Siderosome 110 Simian Foamy Virus 542 SIRS (»systemic inflammatory response syndrome«) 42, 397 Spende 207 Spender, Thrombozytapherese 226 Spenderimmunisierung 211 Spenderlymphozyten zur adoptiven Immuntherapie 255 Sperrlagerung 274 Sphärozytose, hereditäre 23 Stammzellapherese 253 Stammzellen, hämatopoetische 18 Stammzellen aus Nabelschnurblut 262 – Gewinnung und Aufbereitung 263 – immunologische Verträglichkeit 264 – Indikationen 265 Stammzellfaktor 249 Stammzellmobilisierung 23 Stewart-Hamilton-Verfahren 38 sTfR (löslicher Transferrinrezeptor im Serum) 118 – sTfR-Index 118 Stickstoffmonoxid 53 Stufenplanbeauftragter 212 Substitutionstherapie, akute DIC 366 Swirling-Phänomen, Thrombozytenkonzentrat 234 Syphilis 547 »systemic inflamatory response syndrome« 42 – IVIG 397
T TACO (»transfusionassociated circulatory overload«) 523 TAFI (Thrombin-aktivierbarer Fibrinolyseinhibitor) 61 TA-GvHD (»transfusion-associated graft-versushost-disease«) 452, 522 T-Aktivierung 144 TAP (»transporter associated with antigen processing«) 193 Tetanusimmunglobulin 394 TF (»tissue factor«) 53 TFG (Transfusionsgesetz) 206, 208 TFPI (»tissue factor pathway inhibitor«) 58, 59 TfR (Transferrinrezeptor) 118 – TfR1 108 – TfR2 109 TH17-Zellen 72 TH1-Zellen 72 TH2-Zellen 72 Thalassämie 471 Therapeutische Aufklärung 212 Therapeutische Erythrozytapherese 470 – Babesiose 471 – hereditäre Hämochromatose 471 – Malaria 471 – Sichelzellerkrankung 470 – Thalassämie 471 Therapeutische Leukozytapherese 472 – chronisch entzündliche Darmerkrankungen 472 – Leukostasesyndrom 472
M–T
Therapeutische Plasmaproteine – Herstellung 272 Therapeutische Thrombozytapherese 473 – essenzielle Thrombozythämie 473 – Polycythaemia vera 473 – reaktive Thrombozytosen 473 Thermodilutionsmethode 38 Thrombasthenie, erworbene 94 Thrombin-aktivierbarer Fibrinolyseinhibitor 61 Thrombomodulin-Protein-C-Reaktionsweg 58 Thrombophilie 376 – angeborene 376 – erworbene 377 Thromboplastinzeit, aktivierte partielle 362 Thromboplastinzeit (Quickwert) 362 Thrombopoetin 31, 46 Thrombotisch thrombozytopenische Purpura 369 Thromboxan A2 51 Thrombozytapherese 238 – therapeutische 473 – Thrombozytenkonzentrat 329 Thrombozytäre Alloantigene 178 – niedrig frequente 182 – Nomenklatur 179 Thrombozytäre Antikörper – Absorption/Elution 595 – ELISA-Nachweis 592 – MAIPA-Nachweis 593, 616 – Nachweis 592 – Nachweis durch Immunpräzipitation 594 – Thromb.-Susp.-Immunfluoreszenztest 593 – Thrombozytenisolierung zum Nachweis 592 Thrombozytäres Isoantigen 183 Thrombozyten 30, 46 – Aggregation 52 – dichte Granula 50 – α-Granula 50 – HLA-Antigene auf 178 – Kinetik 328 – Lebenszeit 31, 328 – Thrombozytenumsatz 328 Thrombozytenfunktionshemmer, Blutungen 373 Thrombozytenkonzentrat – Buffy-coat-Verfahren 233 – Plättchenreichen-Plasma- (PRP-)Verfahren 234 – Swirling-Phänomen 234 Thrombozyten-Suspensions-Immunfluoreszenztest 593 Thrombozytentransfusion 328 – AB0-Blutgruppen 333 – Alloimmunisierung 95, 333 – Blutstammzelltransplantation 453 – Indikation 330 – Indikation bei Neugeborenen 433 – Kontraindikationen 332 – korrigiertes Inkrement 334 – prophylaktische 330 – Refraktärzustand 335 – therapeutische 330 – unerwünschte Wirkungen 337 Thrombozytenzahl, Verlustkoagulopathie 362 Thrombozytopathie b. Kindern, Indikat. z. Thrombozytentransfusion 443 Thrombozytopenie – b. Kindern, Indikat. z. Thrombozytentransfusion 443 – Blutungsrisiko 330 – passive alloimmune 520
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Stichwortverzeichnis
Thrombozytopoese 46 Thymus 32 Tiefkühlerythrozyten 127 Tissue Factor 53 Tissue Factor Pathway Inhibitor 58, 59 T-Lymphozyten 33, 70 – zytotoxische 72 Toleranzinduktion bei Organtransplantationen 481 Tollwut, passive Prophylaxe 394 Toxoplasma gondii 549 TPHA (Treponema-pallidum-Hämagglutinationsassay) 547 TPO (Thrombopoetin) 31, 46 TRALI (»transfusion related acute lung injury«) 102, 520 – Nachweis leukozytärer Antikörper 602 Transferrin 24 Transferrinrezeptor (TfR) 118 – im Serum, löslicher 118 – TfR1 108 – TfR2 109 Transferrinsättigung 118 Transfusion – donorspezifische 481 – Durchführung 291 – Eisenstatus 116 – Erwärmen von Blut 292 – intrauterine 440 – Neugeborene 293 – Kinder, Berechnung d. Transfusionsvolumina 443 – Verwendung von Perfusorspritzen 293 – Vorbereitung 290 »transfusion-assciated microchimerism« 522 »transfusion-associated circulatory overload« 523 Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz 102, 520 Transfusionsassoziierte Alloimmunneutropenie 103 Transfusionsassoziierte Graft-vs.-Host-Disease 452, 522 Transfusionsassoziierte Hypervolämie 523 Transfusionsbeauftragter 214 Transfusionsgerät 291 – Mikroaggregatfilter 291 – Standardfilter 291 Transfusionsgeschwindigkeit 291, 524 Transfusionsgesetz 206, 208 Transfusionshämosiderose 524 Transfusionskommission 215 Transfusionsreaktionen – akute hämolytische 512 – anaphylaktische 518 – febrile nichthämolytische 103, 517 – hämolytische 512 – nicht immunologisch induzierte 523 – verzögerte hämolytische 515 Transfusionssyndrome, fetale 431 Transfusionsverantwortlicher 214 Transplantation hämatopoetischer Stammzellen 451 – Immunthrombozytopenie 96 – Transfusionsbedarf 451 Transport von Blutkomponenten 241 Treg 72 Treponema pallidum 547 – Hämagglutinationsassay 547
Tropische spastische Paraparese 542 Trypanosoma brucei gambiense 549 Trypanosoma brucei rhodiense 549 Trypanosoma cruzi 549 TTP (thrombotisch thrombozytopenische Purpura) 369 TT-Virus 546 T-Zellen, regulatorische 72 T-Zellleukämievirus Typ I und II 541 T-Zelllymphome 474 T-Zellrepertoire 73 T-Zellrezeptorkomplex (TCR) 33
U Überempfindlichkeitsreaktion vom Spättyp 77 Ulex europaeus, Lektin 149 Unerwünschtes Ereignis 216 Urämische Gerinnungsstörung 368
V Varizellen-Zoster-Immunglobulin 394 vCJK (Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung) 550 Venendruck, zentraler 38 Verlustkoagulopathie 362 Verschreibungspflicht 212 Verträglichkeitsprobe, serologische 587 Verwandtenspende 208 Virusinfektionen durch Plasmaderivate 559 Viskosität 39 – Plasma 39 – Vollblut 40 Vitamin-K-Antagonisten, Blutungen 372 Vollblutlagerung 231 Volumenersatz 301 Volumenverlust 37 von-Willebrand-Faktor 48 – Hemmkörper 356 – Multimere 48 – Struktur 354 von-Willebrand-Syndrom 354 – Klassifikation 354 – Therapie 356 Voten des AK Blut 209
W WNV (West-Nil-Virus) 546
X XMRV (Xenotropes murines Retrovirus) 542
Z Zellen – dendritische 67 – des Immunsystems 64
Zentrifugation von Vollblut 231 Zeugen Jehovas 212 Zulassung 208 Zwischenfall, schwerwiegender 216 Zyklische Thrombozytopenie 92 Zyklisches Adenosinmonophosphat 52 Zytapherese, therapeutische 470 Zytokine in Blutprodukten 517 Zytomegalievirusinfektion 543 – Epidemiologie u. Übertragung 543 – Testung von Blutspenden 543 – transfusionsbedingte 452 Zytoskelett 23 Zytotoxische T-Lymphozyten 72 Zytotoxizität, antikörperabhängige 26