Hermann Kurzke Thomas Mann: Tonio Kröger
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Thomas Mann: Tonio Kröger Von Hermann Kurzke
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Hermann Kurzke Thomas Mann: Tonio Kröger
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Thomas Mann: Tonio Kröger Von Hermann Kurzke
Dietrich Bode zum Sechzigsten Meine Geliebte ist die Abbreviatur des Universums, das Universum die Elongatur meiner Geliebten. Novalis
I Thomas Mann schrieb an Tonio Kröger im Zeitraum vom Dezember 1900 bis etwa November 1902, also ziemlich lange; es war ein mühsamer Prozess. Der große Roman Buddenbrooks war zwar fertig, aber der Ruhm stand noch aus. Thomas Mann litt, sprach am 13. Februar 1901 in einem Brief an den Bruder gar von »vollkommen ernst gemeinten Selbstabschaffungsplänen«, die er hinter sich habe, die aber auch mit »einem unbeschreiblichen, reinen und unverhofften Herzensglück« gewechselt hätten.1 Er meint damit die Liebe zu dem jungen Maler Paul Ehrenberg, die ihm bewiesen habe, »daß es in mir doch noch etwas Ehrliches, Warmes und Gutes giebt und nicht bloß ›Ironie‹, daß in mir noch nicht Alles von der verfluchten Litteratur verödet, verkünstelt © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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und zerfressen ist. Ach, die Litteratur ist der Tod!« Die Erlösung vom Tode durch die Liebe zu Paul Ehrenberg wollte aber nicht anhalten. Mann erkannte, dass er sein Leben nicht auf der Homosexualität aufbauen wollte. Das Ehrenberg-Erlebnis wird abgelöst durch die Werbung um Katja Pringsheim, die im Oktober 1904 zur Verlobung und im Februar 1905 zur Hochzeit führt. Diese Erprobungs-, Krisen- und Umbruchsjahre, Jahre unmittelbar vor einer großen Lebenswende, bilden den biographischen Hintergrund zu Tonio Kröger (1903). Es ist die Erzählung eines Mannes, dessen ziellose Erfahrungen den ihnen bestimmten Ausweg noch nicht gefunden haben, das Produkt einer unbestimmten Sehnsucht nach dem »Leben«, die erst durch die Heirat einigermaßen pazifiziert wird. Üblicherweise pflegt eine Tonio-Kröger-Interpretation auf die Polarität von Künstler und Bürger abzuheben. Man kann dann erst einmal autobiographisch ansetzen und die Thematik der Erzählung aus dem Leben Thomas Manns ableiten, soweit er es offenkundig verwendet hat. Denn nicht nur Einzelheiten wie den Walnussbaum oder die Reise nach Aalsgaard gab es wirklich, sondern die ganze Grundkonstellation ist fast ungefiltert autobiographisch. Auch Thomas Mann war ja, wie Tonio Kröger, ein Lübecker Patriziersohn und ein indolenter Gymnasiast; auch seine Mutter war exotischer Herkunft, auch sein Vater starb früh, worauf die Firma aufgelöst wurde und die Mutter in den Süden zog, auch er wurde dann Literat in München-Schwabing. Auch er pflegte sich ordentlich anzuziehen und zur Boheme eine gewisse Distanz zu halten. Auch er ist, wie Lisaweta von Tonio sagt, »ein verirrter Bürger« (305).2 Allerdings läuft eine solche Interpretation Gefahr, die Erzählung zu einer reinen Privatgeschichte zu machen, die im Extremfall nur noch für entwurzelte Lübecker Patriziersöhne von Interesse wäre. Sollte man also, um vom Individuellen aufs Generelle zu kommen, lieber sozialgeschichtlich ansetzen? Man könnte dann auf den zeittypischen Gegensatz © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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zwischen der leistungsstolzen gründerzeitlichen Bourgeoisie und einem BohemeKünstlertum verweisen, das auf seine Unabhängigkeit vom Leben, vom Markte und von der spießbürgerlichen Moralität stolz ist. Wichtige Szenen des Tonio Kröger spielen ja in der Schwabinger Boheme. Das Atelier der Lisaweta Iwanowna ist ein typischer Boheme-Schauplatz, und Adalbert der Novellist ist ein typischer Kaffeehausliterat. Das Kaffeehaus3 ist die Sphäre, in der man vom Frühling und vom »Leben« nicht gestört wird und insofern reiner Künstler sein kann. Es stellt »die entrückte und erhabene Sphäre des Literarischen dar« (294). Im Kaffeehaus entsteht Literatur für Literaten. Die literarische Welt unterhält sich mit sich selbst. Die bürgerliche Gesellschaft und die soziale Realität sind fern und unwirklich. Die Kunst ist das Einzige, was zählt. Sie ist frei von den stets kompromittierenden Ansprüchen der Wirklichkeit. Auch Tonio Kröger ist ein Ästhetizist dieses Sinnes. Er hält es für einen Kunstfehler, wenn das Wirkliche, eine Empfindung, eine Tendenz, ein nichtkünstlerisches Wollen oder ein Bekenntnis ins Kunstwerk eindringen. Künstlerisch sei nicht das warm Empfundene, sondern nur die kalte Ekstase des artistischen Nervensystems (295). Zu bemängeln fand Thomas Mann in diesem Sinne sogar seine eigene Erzählung. Das Bekenntnis zum Leben gehe in seiner Deutlichkeit und Direktheit bis zum Unkünstlerischen, schrieb er an Kurt Martens.4 Sozialgeschichtlich betrachtet könnte die Erzählung als Versuch der Versöhnung von Boheme und Bourgeoisie verstanden werden, sofern das reine Bohemedasein zurückgewiesen wird und Thomas Mann seine Kunstfigur darauf bestehen lässt, dass nur die Bürgerliebe zum Gewöhnlichen aus einem Literaten einen Dichter mache (338).5 Ein Literat in diesem Sinne ist der dem Leben nicht verpflichtete, »wirklichkeitsrein« ästhetizistische Bohemien. Der »Dichter« hingegen fühlt sich dem bürgerlichen Leben verbunden und verpflichtet.
© 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Die sozialgeschichtliche Deutung geht allerdings schon deshalb nicht ganz auf, weil die gründerzeitliche Bourgeoisie in der Erzählung kaum vorkommt. Es gibt zwar Tonios Vater, den langen, sinnenden Herrn mit der Feldblume im Knopfloch, aber er ist eine Verfallsfigur wie Thomas Buddenbrook, von Storm und Turgenjew beeinflusst,6 und tritt als Kapitalist im Grunde nicht in Erscheinung. Auch im übrigen Verlauf treten »Bürger« nur als Randfiguren auf. Eine repräsentative Gegenfigur zum »Künstler« Tonio Kröger fehlt. Wie immer bei Thomas Mann ist auch hier das Sozialgeschichtliche sekundär. Wenn man rein strukturanalytisch die Motive betrachtet, die Thomas Mann dem Bürgerlichen einerseits, dem Künstlerischen andererseits zuordnet, dann zeigt sich auch ein anderes Bild. Jeder verständigen Lektüre fällt ja schnell auf, dass die Motive einer Art von allegorischer Syntax folgen. Sie lassen sich in der Regel einer Antithesenkette zuordnen, die im Prinzip nach dem folgenden Schema funktioniert: Künstler Geist Erkenntnis Durchschauen »Tonio« Mutter (liederlich) Zigeuner im grünen Wagen Süden, Italien München-Schwabing Fixativ Magdalena Vermehren Hamlet, Don Carlos, Immensee
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Bürger Leben Empfindung Naivität »Kröger« Vater (korrekt) Konsul Krögers Sohn Norden, Dänemark Lübeck Frühlingsarom Ingeborg Holm Pferdebücher usw.
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Zum Bürgerlichen gehört danach wesentlich die sich selbst nicht reflektierende Naivität des Lebens, zum Künstlerischen hingegen der Geist im Sinne einer reflexiven Distanz zum Leben. Hinter dem soziologischen Begriff des Bürgers wird ein philosophischmetaphysischer sichtbar: der von Nietzsche inspirierte Begriff des Lebens. Dass Ingeborg Holm »auf eine gewisse übermütige Art lachend den Kopf zur Seite warf, auf eine gewisse Art ihre Hand, eine gar nicht besonders schmale, gar nicht besonders feine Kleinmädchenhand zum Hinterkopfe führte« (281 f.), deutet nicht auf etwas Soziologisches, sondern auf den Begriff des Lebens. Das isolierte Lebensdetail, der flüchtig vorbeihuschende Lebensausschnitt, der irrationale, sich in kein Begriffssystem einfügende, der zergliedernden Erkenntnis widerstehende Augenblick, das unvorhergesehene Erlebnis: sie konstituieren »Leben«, nicht Bürgerlichkeit. »Geist« und »Leben« bilden insofern die fundamentalere Antithese als »Künstler« und »Bürger«. Weil der Grundgegensatz dieser Erzählung also ein philosophischer ist, ist es konsequent, dass auch ihr entstehungsgeschichtlicher Ausgangspunkt nicht irgendeine Handlung oder ein Charakter war, sondern ein theoretisches Problem. Sie sollte nicht von ungefähr ursprünglich den Titel Litteratur tragen.7 Ihre Mitte bildet ein Kunstgespräch. Die dort entfaltete Theorie strukturiert die erzählenden Passagen, nicht umgekehrt. Das Goethesche »Bilde, Künstler, rede nicht« hat Thomas Mann hier außer Acht gelassen. Er hat vielmehr exzessiv »geredet«. Infolge dieser von einer philosophischen Antithese bestimmten Anlage weist die Struktur der Erzählung eine eigentümliche Statik auf. Am deutlichsten zeigen dies die Leitmotive. Leitmotive werden als solche erkennbar durch Wiederholung. Wiederholungen von präfigurativen Ursituationen prägen, anstelle von Handlungsfortschritten, den Bau des Tonio Kröger. Das erste Kapitel (Liebe zu Hans © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Hansen) wird durch das zweite wiederholt (Liebe zu Ingeborg Holm). Das zweite (Tanzstunde) wird vom achten gespiegelt (Tanzbelustigung in Aalsgaard). Das vierte (Literaturgespräch) korrespondiert mit dem neunten (Brief an Lisaweta), das fünfte mit dem siebten (Motiv des Meeres), das sechste schließlich (Besuch in Lübeck) mit dem ersten (Lübecker Schulzeit). Jedes Mal wird der dazugehörige Formelschatz von Leitmotiven durchgespielt. Es handelt sich nicht um einen Bildungsroman, in dem ein Held durch Erziehung verändert, durch Erfahrungen korrigiert wird. Es handelt sich um die Antithese von Geist und Leben, die in den verschiedenen Lebensphasen mit immer neuen Beispielen illustriert wird. Eine Entwicklung gibt es nicht. Den Schluss des letzten Kapitels bildet ein Satz, der schon am Ende des ersten steht: »Sehnsucht ist darin und schwermütiger Neid und ein klein wenig Verachtung und eine ganze keusche Seligkeit.« (338; 281) Sehnsucht und Keuschheit am Anfang wie am Ende: Es ist das Entscheidende, dass es bei aller Liebe zum Leben nicht zu einer wirklichen Kontaktaufnahme mit demselben kommt. Tonio lernt nichts Neues. Die Liebe zu den Wonnen der Gewöhnlichkeit bleibt eine Liebe aus der Ferne. Sie wird nicht zur Tat. Tonio heiratet nicht, im Gegensatz zu seinem Autor.
II Die Frage, warum aus Tonios Bekenntnis zur Bürgerlichkeit keine praktischen Folgen erwachsen, lässt sich rein künstlerisch beantworten, denn solche Folgen hätten die geschilderte statische Struktur notwendig sprengen müssen. Sie lässt sich auch dezisionistisch beantworten, indem man erklärt, dass der Dichter seine Erzählungen enden lassen kann, wie er will, und keiner Belehrung durch spätere Interpreten bedarf. © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Da Thomas Mann aber immer wieder, von seinen frühesten bis zu seinen spätesten Werken, Gestalten geschaffen hat, die das Leben begehren, aber von ihm ausgeschlossen bleiben, könnte es für diese Konstante seines Schaffens auch eine konstante Begründung geben. Dazu soll ein zweiter Blick auf den biographischen Hintergrund geworfen werden, dieses Mal aber nicht auf den offenkundigen, jedem halbwegs informierten Leser erkennbaren, sondern auf den versteckten, der sich nur mit Hilfe von Informationen erschließt, die Thomas Mann bis ins hohe Alter zu verheimlichen versucht hat. Diese versteckte Schicht – es geht natürlich um die Homosexualität – soll zwar nicht als eigentlicher Schlüssel vorgestellt werden, der alle anderen Deutungen entbehrlich machte. Die Erzählung lässt sich zweifellos auch ohne solche Kenntnisse sinnvoll lesen. Aber mit ihnen kommt doch eine weitere Strukturebene in den Blick, die einige Motive anders zu deuten ermöglicht und einige zusätzliche Antworten erlaubt. Unter dem Titel Meine erste Liebe erschien 1931 eine Absage auf die Umfrage einer Redaktion. In dieser Absage äußert Thomas Mann: »Ich hätte mich übrigens nur auf meine Jugenderzählung ›Tonio Kröger‹ beziehen können, die von solchen süßen Schmerzen allerlei zu erzählen weiß.«8 Wem galten die süßen Schmerzen? Im hohen Alter hat Thomas Mann Auskunft gegeben. Einem Schulfreund, der in einem Brief den Namen Armin Martens erwähnt hatte, antwortet er, der Name hätte eine rote Unterstreichung verdient: Denn den habe ich geliebt – es war tatsächlich meine erste Liebe, und eine zartere, selig-schmerzlichere war mir nie mehr beschieden. So etwas vergißt sich nicht, und gingen 70 inhaltsvolle Jahre darüber hin. Mag es lächerlich klingen, aber ich bewahre das Gedenken an diese Passion der Unschuld wie einen Schatz. Nur zu begreiflich,
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daß er mit meiner Schwärmerei, die ich ihm einmal an einem ›großen‹ Tage gestand, nichts anzufangen wußte [. . .].9 »Er lebt im ›T. K.‹«, bestätigt auch eine Tagebuchnotiz vom 16. Juli 1950. Mann ergänzt: »Auf ihn meine ersten Gedichte.« Das Motiv »Gedichte schreiben« kommt auch im Tonio Kröger vor. Es ist stets negativ konnotiert: die Gedichte taugen nichts, weil sie empfunden sind. Dass er Verse schreibt, schadet Tonio bei seinen Mitschülern (274) und macht auf Ingeborg Holm keinen Eindruck (287). Sie werden ähnlich schlecht gewesen sein wie die des dichtenden Leutnants, von dem im Lisaweta-Gespräch die Rede ist (304). Dass Thomas Mann als Lyriker begann, ist verschiedentlich bezeugt, obgleich nur weniges erhalten blieb. Er hat diese Produkte seiner Empfindung frühzeitig vernichtet, wie auch die frühen Tagebücher. Die Liebe ist produktionsästhetisch eine Katastrophe. »Es ist aus mit dem Künstler, sobald er Mensch wird und zu empfinden beginnt«, sagt Tonio Kröger (296). Das hat Thomas Mann an seiner eigenen, nicht erhaltenen Pubertätslyrik erfahren. Sie war offensichtlich pathetisch und bekenntnishaft, wie jene »innigen und hilflosen Verse«, die Tonio Kröger in seiner Schublade verwahrt hielt (313). Heinrich Mann hat sich in Briefen an den Schulfreund Ludwig Ewers weidlich über die frühen Liebesgedichte seines Bruders lustig gemacht. Er sei »von den Gefühlsprodukten einer halbwüchsigen liebenden Seele [. . .] immer stillschweigend oder laut lachend zur Tagesordnung übergegangen«,10 »alles Wasser, nichts als Wasser, in dem ganze Rudel von Enten und Gänsen in Gestalt von ›Ach!!!‹s und ›Oh!!!‹s vollkommen unmotiviert herumschwimmen«. Heinrich nimmt die homoerotische Veranlassung dieser Lyrik durchaus wahr. Er reagiert auf sie roh und höhnisch. Bei der Lektüre von Thomas’ letzten Gedichten sei er »aus dem peinlichen Gefühl gar nicht herausgekommen, das mir in ähnlicher Weise nur Platen, der Ritter © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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vom heiligen Arsch, verursacht hat. Diese weichliche, süßlich-sentimentale ›Freundschafts‹-Lyrelei – – als an deiner Brust ich ruhte . . . – als um den Freund den Arm ich schlang, Und ich in süßer Lust mich wiegte . . . Wenn d a s wahres Gefühl ist (traurig genug, wenn dies der Fall ist!) – so danke ich für Obst, nehme nicht mal Käse, sondern französischen Abschied.«11 Nie wieder will Thomas in die Lage kommen, so verspottet zu werden. Er sucht nach anderen, verdeckteren Ausdrucksformen, und er findet sie. Den Durchbruch bringt die Novelle Der kleine Herr Friedemann (1897). Seitdem, so schreibt Mann am 6. April 1897 an seinen Vertrauten Otto Grautoff, »vermag ich plötzlich die diskreten Formen und Masken zu finden, in denen ich mit meinen Erlebnissen unter die Leute gehen kann. Während ich ehemals, wollte ich mich auch nur mirselbst mitteilen, eines heimlichen Tagebuchs bedurfte . . .«.12 Der Bruder aber scheidet als Vertrauter aus. Noch 1918 beklagt sich Thomas Mann, dass Heinrich immer wieder, »mit dem Recht der Leidenschaft«, seine einfachsten und stärksten Empfindungen misshandelt habe.13 Nur noch seinen Figuren sollen die Peinlichkeiten begegnen, denen er selber künftig konsequent aus dem Weg geht. Als »Passion der Unschuld« hat Thomas Mann im oben erwähnten Brief an Hermann Lange seine Liebe zu Armin Martens bezeichnet. Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Mann praktizierte Homosexualität nicht nur für bürgerlich tödlich, sondern auch für ästhetisch peinlich, lächerlich und abstoßend hielt. Noch im Tagebuch von 1951 äußert er seinen Abscheu vor wirklichen Zärtlichkeiten. »Ich – und einem geliebten Jungen irgend etwas zumuten! Undenkbar!«14 Es spricht alles dafür, © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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dass Mann ín Bezug auf seine homosexuellen Neigungen sein Leben lang keusch geblieben ist. Das soll hier auch nur insoweit interessieren, als es einen Grundzug seines Werkes zu erklären vermag. Mann reagiert auf seine Veranlagung mit Verdrängung und Verdeckung, mit Keuschheit und Askese, mit Werkzensur, Lyrikvernichtung und Tagebuchverbrennung. Er bleibt, wie sein Tonio Kröger, der aus der Ferne Schwärmende, der sehnsüchtig von draußen auf das Fest des Lebens blickt; ein Voyeur des Lebens, der wie Tonio »diebischen Genuß« dabei empfindet, »hier im Dunkeln stehen und ungesehen die belauschen zu dürfen, die im Lichte tanzten« (330). Die Figur des Hans Hansen ist, wie wir gesehen haben, von einer wichtigen Herzenserfahrung des jungen Thomas Mann gespeist. Das gibt ihr Leben und Farbe. Für Hans Hansens weibliche Wiederholung als »Ingeborg Holm« ist hingegen kein Vorbild bekannt (es gibt nur eines für ihr Kontrastbild, die unerotische Magdalena Vermehren, die beim Tanzen immer hinfällt15). Es spricht infolgedessen manches dafür, dass Inge nur eine literarische Doppelung ist, eine verdeutlichende Postfiguration des HansHansen-Erlebnisses. Wie die vielen Leitmotive zeigen, die sie, wenig variiert, mit Hans Hansen teilt, bringt Ingeborg kaum etwas eigenes ein. Was Tonio in sie verliebt macht, ist die Art, wie sie lachend den Kopf zur Seite wirft oder ihre feine Kleinmädchenhand zum Hinterkopf führt, wobei der Gazeärmel von ihrem Ellenbogen zurückgleitet, oder wie sie ein Wort, ein gleichgültiges Wort, auf eine gewisse Art betont, wobei ein warmes Klingen in ihrer Stimme ist (281 f.). Etwas individuell Zurechenbares oder auch nur etwas spezifisch Weibliches fehlt diesen fragmentarischen Verliebtheitsgründen. Sie sind auf das Typische des Verliebtheitsphänomens überhaupt aus und bezeichnen im Grunde nur allegorisch »das Leben«. Wenn es überhaupt einen biographischen Hintergrund zu Inge gibt, dann besteht er im Paul-Ehrenberg-Erlebnis.16 Es gibt dafür sichere philologische Indizien. Denn Thomas Mann legt seinem in Inge verliebten Tonio Worte in den Mund, die er selbst einst an © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Paul Ehrenberg gerichtet hatte. Zu Lisaweta spricht Tonio von seiner Sehnsucht nach den »Wonnen der Gewöhnlichkeit« und konkretisiert sie als Suche nach einem Freund, einem menschlichen Freund. »Aber bislang habe ich nur unter Dämonen, Kobolden, tiefen Unholden und erkenntnisstummen Gespenstern, das heißt: unter Literaten Freunde gehabt.« (303) Um solche Freundschaft hatte Thomas Mann Paul Ehrenberg angefleht: Wo ist der Mensch, der zu mir, dem Menschen, dem nicht sehr liebenswürdigen, launenhaften, selbstquälerischen, ungläubigen, argwöhnischen aber empfindenden und nach Sympathie ganz ungewöhnlich heißhungrigen Menschen Ja sagt –? Unbeirrbar? Ohne sich durch scheinbare Kälte, scheinbare Abweisungen einschüchtern und befremden zu lassen?17 »Damals lebte sein Herz«, heißt es leitmotivisch von Tonio, als er Hans und Inge liebte (281; 287; 336). Damals schrieb er auch Gedichte, wie Thomas Mann, von dem ein Gedicht an Paul Ehrenberg erhalten ist, das Tonio zitiert. Was war gewesen in all der Zeit, in der er zum Künstler geworden war, fragt er, als er Hans und Inge in Aalsgaard wiedersieht. »Erstarrung; Öde; Eis; und Geist! Und Kunst! . . .« (336) Die Zeile ist einem Gedicht an Paul Ehrenberg entnommen, das sich im siebten Notizbuch findet: Was war so lang? – Erstarrung, Öde, Eis. Und Geist! Und Kunst! Hier ist mein Herz, und hier ist meine Hand Ich liebe Dich! Mein Gott . . . Ich liebe Dich! Ist es so schön, so süß, so hold, ein Mensch zu sein?18
© 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Das Gedicht ist pathetisch und sentimental, ungewürzt und unironisch – kurz: es verstößt gegen die im Lisaweta-Gespräch entfalteten Regeln der Tonio Kröger’schen Ästhetik. Die Liebe ist ein »unlitterarisches« Erlebnis.19 Mann schreibt deshalb im Tonio Kröger nicht mehr als Bekennender, sondern als Tarnender, Bekenntnisse schamhaft Versteckender, nicht mehr als Lyriker, sondern als Epiker. Tonio Krögers Pathoskritik hängt insofern mit der Verdrängung der homoerotischen Grundierung des der Erzählung zugrunde liegenden Erlebens zusammen. Pathos ist Gefühl, Offenheit, coming out. Ironie hingegen ist Tarnung. Ironie heißt, sich nicht bei einer Leidenschaft, bei einem Gefühl ertappen lassen, heißt überlegen bleiben und unangreifbar sein. Pathos ist Lyrik, Ironie Epik. Sogar dass Thomas Mann so eindeutig Epiker wurde und nicht Lyriker oder Dramatiker, findet so eine gewisse Erklärung. Das Lyrische erscheint ihm als bekenntnishaft und deshalb peinlich, das Theatralische als zu unironisch und direkt. Lyrik und Drama sind seiner Auffassung nach fundamental pathetisch. Erzählen allein kann ironisch und diskret sein. »Geist« und »Leben« waren also gar nicht abstrakte Gegensätze, sondern bezeichneten lebenspraktische Probleme, die Thomas Mann auf den Nägeln brannten. Unter »Geist« verstand er das erosfreie und asketische, aber von Sterilität bedrohte reine Künstlertum. Unter »Leben« verbarg sich nicht Liebe überhaupt, sondern konkret Homoerotik. Der Kern der Liebe des Geistes zum Leben ist die Faszination des Dichters durch schöne Knaben. Dass diese Liebe stets eine Liebe von außen bleibt, eine Schwärmerei von des Festes Rand, liegt daran, dass ein coming out und ein konkreter Vollzug für Thomas Mann nicht in Frage kamen. Er wollte die Kunst, nicht das Leben. Als Anregung für die Kunst brauchte er die Sehnsucht und die Gefühle, deren Realisierung er sich jedoch verbot. Thomas Mann ist Asket. Er scheute zweifellos die gesellschaftliche Ächtung,20 die damals mit einem outing in weit höherem Maß als heute verbunden gewesen wäre. Aber das war es nicht allein. Er scheute auch das Körperliche © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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als solches. Was Zouzou zu Felix Krull sagt, dürfte auch Thomas Mann aus der Seele gesprochen sein. Auf etwas Lächerliches, Absurdes und Kindisch-Unappetitliches habe Felix es abgesehen: Sie wollen [. . .], daß wir uns umschlingen, der eine Mensch den anderen, von der Natur sorgsam von ihm getrennten und abgesonderten, und daß Sie Ihren Mund auf meinen drücken, wobei unsere Nasenlöcher kreuzweis stehen und einer des anderen Atem atmet [. . .].21 Tonios Herz, so heißt es im Text, war tot, als er in Wollust und Abenteuer des Fleisches verstrickt war (290). Die Fleischeslust ist der Tod.22 Körperlichkeit ist für den protestantisch Erzogenen Sünde. Alles Handeln sei Sünde in den Augen des Geistes, sagt Tonio Kröger (302) noch grundsätzlicher. Der Geist ist keusch. Der keusche Joseph ist nicht von ungefähr das Thema von Thomas Manns größtem Roman. Die Abkehr von der Homosexualität und die Hinwendung zur Ehe bereiten sich insgeheim schon am Ende des Tonio Kröger vor, wo auf die Formkunst und auf die homosexuellen Neigungen August von Platens angespielt wird. Tonio begründet seine Bürgerliebe zum Lebendigen und Gewöhnlichen biblisch, mit dem Brief des Paulus an die Korinther: »[. . .] fast will mir scheinen, als sei sie jene Liebe selbst, von der geschrieben steht, daß einer mit Menschen- und Engelszungen reden könne und ohne sie doch nur ein tönendes Erz und eine klingende Schelle sei« (338; nach 1. Kor. 13,1). Thomas Mann hat die Stelle sehr wahrscheinlich von Goethe, der am 25. Dezember 1825 zu Eckermann sagte, dass August von Platen die Liebe fehle und man deshalb auf ihn den Spruch des Apostels, den Goethe dann wörtlich zitiert, anwenden könne. Tonio Kröger argumentiert also mit Goethe gegen Platen; gegen den (vermeintlich) kalten Künstler, der seine nicht gelebte Homosexualität in hochartifizielle Formkunst © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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verwandelte; zugunsten von Wärme, Bürgerlichkeit und letztlich von Ehe. Die Absage an Paul Ehrenberg zugunsten von Katja Pringsheim wird biographisch der Kröger’schen Absage an Platen folgen.
III Das alles darf ja keineswegs heißen, diese Erzählung ginge nur Homosexuelle an. Die verdrängte Homosexualität mag das zentrale Motiv des Mann’schen Schaffens sein, aber sie ist dennoch nicht seine einzige Aussage. Anstatt ihm zu empfehlen, er hätte seine Neigung ausleben sollen, sollte man das Gewaltige anerkennen, was durch diese Verdrängung geleistet wurde. Die tarnende Transposition des autobiographischen Konflikts ins Allgemeine trifft ja wirklich ein Allgemeines. Ob der oder die Geliebte – beide können »Abbreviatur des Universums« (Novalis) sein. Die Problematik der erzwungenen Keuschheit ist auch im Zeitalter der sexuellen Liberalisierung nicht ausgestorben, die Scheu vor dem körperlichen Vollzug ebenso wenig. Unerfüllte Liebe gibt es nach wie vor, und auch die Liebe zum oder zur Unwürdigen wird es immer geben. Der Liebende ist göttlicher als der Geliebte, heißt es im Tod in Venedig.23 Dass die unerfüllte Liebe in gewisser Hinsicht mehr ist als die erfüllte, auch daran ist ja etwas Richtiges. In der Phantasie ist Reinheit möglich, völlige, restlose Stimmigkeit, traumhafte Erfüllung. In der Realität ist keine Liebe vollkommen. Immer sind Kompromisse beigemischt. So ist Tonio Kröger die Erzählung für alle Einsamen, Sehnsüchtigen, Unverstandenen, für die Intellektuellen mit dem vollen Herzen und der körperlichen Unbeholfenheit, für die zwischen Minderwertigkeitsgefühlen und Erwähltheitshochmut Hin- und Hergeworfenen, die sich zugleich zu schlecht und zu gut für das Leben vorkommen, für die Jugendlichen mit der späten Pubertät, die noch © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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immer mit keiner Frau geschlafen haben, obgleich alle anderen um sie herum das längst hinter sich haben, für die Scheuen, deren Liebe nicht zupackt, sich nicht zu erkennen gibt, aber zehrend schaut und erhört werden will ohne Worte, so wie Tonio erhört werden will, als er sich danach sehnt, dass Inge kommen müsste, fühlen müsste, wie es um ihn stand, ihn bitten müsste: Komm herein zu uns, sei froh, ich liebe dich (286). Und nicht zuletzt ist Tonio Kröger die, wie es Marcel Reich-Ranicki ausdrückt, »Bibel der Heimatlosen, die letztlich ein Asyl oder vielleicht doch eine Heimat und nicht die schlechteste gefunden haben: die Literatur«.24
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Literaturhinweise Thomas Mann: Tonio Kröger. In: Neue Deutsche Rundschau 14 (1903) H. 2. S. 113– 151. – Tonio Kröger. In: Tristan. Sechs Novellen. Berlin: S. Fischer, 1903. S. 165–264. – Tonio Kröger und Mario und der Zauberer, Ein tragisches Reiseerlebnis. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch, 1973 [u. ö.]. – Frühe Erzählungen. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1981. (Gesammelte Werke in Einzelbänden. Frankfurter Ausgabe. Hrsg. von Peter de Mendelssohn.) – Tonio Kröger. Mit einem Nachw. von Hanns-Josef Ortheil. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1980. – Gesammelte Werke in dreizehn Bänden. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1974. [Tonio Kröger in Bd. 8: Erzählungen. Fiorenza. Dichtungen, S. 271–338.] Bellmann, Werner: Erläuterungen und Dokumente: Thomas Mann, Tonio Kröger. Stuttgart 1983. Durchges. und erg. Ausg. 1986. Dichter über ihre Dichtungen. Bd. 14: Thomas Mann. Hrsg. von Hans Wysling. 3 Tle. Zürich/München [u. a.] 1975–81. Kurzke, Hermann: Thomas Mann. Epoche – Werk – Wirkung. München 31997. – Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk. München 1999. 32000. Mendelssohn, Peter de: Der Zauberer. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1975. Neuaufl. 1992. Reich-Ranicki, Marcel: Thomas Mann und die Seinen. Stuttgart 1987. Sakurai, Yasushi: Tonio Kröger – ein Beispiel der »imitatio Goethes« bei Thomas Mann. In: Interpretationen: Thomas Mann. Romane und Erzählungen. Hrsg. von Volkmar Hansen. Stuttgart 1993. Schröder-Augustin, Markus: Décadence und Lebenswille. Tonio Kröger im Kontext von © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Schopenhauer, Wagner und Nietzsche. In: Wirkendes Wort 48 (1998) S. 255–274. Szendi, Zoltán: »Bürgerliches Künstlertum, ein verwirklichtes Paradoxon« in der Struktur von Tonio Kröger. In: Studien zur Germanistik 4 (1996) S. 85–108. Thomas-Mann-Handbuch. Hrsg. von Helmut Koopmann. Stuttgart 1990. Vaget, Hans Rudolf: Thomas Mann – Kommentar zu sämtlichen Erzählungen. München 1984.
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Anmerkungen 1
Thomas Mann – Heinrich Mann. Briefwechsel, Frankfurt a. M. 1984, S. 19. Tonio Kröger wird zitiert nach der Ausgabe: Thomas Mann, Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Frankfurt a. M. 1974, Bd. 8: Erzählungen. Fiorenza. Dichtungen, S. 271–338, hier S. 305. In ihren anderen Teilen wird diese Ausgabe zitiert als: GW, mit Band- und Seitenzahl. 3 Das Café Stefanie und weitere Materialien zum Tonio Kröger sind abgebildet bei: Hans Wysling, Thomas Mann. Ein Leben in Bildern, Zürich 1994. 4 Am 28. März 1906; vgl. Dichter über ihre Dichtungen, Bd. 14: Thomas Mann, hrsg. von Hans Wysling, Zürich [u. a.] 1975–81, Tl. 1, S. 144; vollständig in: ThomasMann-Jahrbuch 3 (1990) S. 225. 5 Die Kritik am Literaten richtet sich auch gegen den Bruder Heinrich. In einer Arbeitsnotiz zum Tonio Kröger steht: »Der Litterat als Abenteurer. Typus Henry.« Mit zahlreichen weiteren Materialien wiedergegeben in: Hans Wysling, »Zur Entstehung des Tonio Kröger«, in: Paul Scherrer / Hans Wysling, Quellenkritische Studien zum Werk Thomas Manns, Bern/München 1967, S. 57. 6 Das schreibt Mann in seinem Essay Theodor Storm, in: Thomas Mann, Essays, hrsg. von Hermann Kurzke und Stephan Stachorski, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1994, S. 224; vgl. GW 9,247. 7 So heißt sie noch im oben zitierten Brief an Heinrich Mann vom 13. Februar 1901. 8 Zit. nach: Mann, Essays (s. Anm. 6), S. 295. (Nicht in GW.) 9 Brief an Hermann Lange; zit. nach: Thomas Mann, Briefe, hrsg. von Erika Mann, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1965, S. 387. Ein Foto von Armin Martens findet sich im oben (s. Anm. 3) zitierten Bildband von Hans Wysling (S. 57). 2
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Heinrich Mann, Briefe an Ludwig Ewers, Berlin 1980, S. 19; Brief vom 25. November 1889. 11 Heinrich Mann an Ludwig Ewers am 27. März 1890; ebd., S. 106 und 109. 12 Thomas Mann, Briefe an Otto Grautoff 1894–1901 und Ida Boy-Ed 1903–1928, Frankfurt a. M. 1975; Brief vom 6. April 1897. 13 Thomas Mann an Heinrich Mann am 3. Januar 1918. 14 Tagebuch vom 6. Oktober 1951; zit. nach: Thomas Mann, Tagebücher 1951–1952, hrsg. von Inge Jens, Frankfurt a. M. 1993. 15 Magdalene Brehmer, abgebildet bei: Wysling (s. Anm. 3) S. 149. 16 Thomas Mann hat homoerotische Erlebnisse häufig in heteroerotische transponiert. Im Zauberberg hat Hans Castorps Verliebtheit in Clawdia Chauchat ihre präfigurative Grundlage in der Schülerbeziehung zu Pribislaw Hippe, die ihrerseits, anders als die zu Clawdia, autobiographisch belegt ist (Williram Timpe; Abb. bei: Wysling, s. Anm. 3, S. 209). Hinter der liebenden Mut-em-enet im Joseph-Roman versteckt sich in einem gewissen Grade Thomas Mann selbst, der dort noch einmal seine Passion zu Paul Ehrenberg gestaltet (Näheres bei: Hermann Kurzke, Mondwanderungen, Wegweiser durch Thomas Manns Joseph-Roman, Frankfurt a. M. 1993, S. 63–66). Die in Felix Krull verliebte Madame Houpflé hat ebenso Züge von Thomas Mann wie die in den Amerikaner Ken Keaton verliebte Rosalie von Tümmler in der Betrogenen. 17 Mann, Briefe (s. Anm. 9), S. 432; vgl. auch: Wysling (s. Anm. 3) S. 129 (mit einer Abbildung von Paul Ehrenberg) und: Wysling (s. Anm. 5) S. 51 f. 18 Thomas Mann, Notizbücher, Bd. 2: 7–14, Frankfurt a. M. 1992, S. 46. 19 Als »unlitterarisch« bezeichnet Thomas Mann das Paul-Ehrenberg-Erlebnis im oben zitierten Brief an Heinrich Mann vom 13. Februar 1901. 20 Vgl. dazu die grundlegende Studie von Karl Werner Böhm, Zwischen Selbstzucht und Verlangen. Thomas Mann und das Stigma Homosexualität, Würzburg 1991. © 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
Hermann Kurzke Thomas Mann: Tonio Kröger
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Thomas Mann, Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, 3. Buch, Kap. 10, in: GW 7,631. 22 Eine kleine Ästhetik des Erotischen, der zufolge alles direkt Sexuelle verabscheuenswert ist, enthält Thomas Manns Brief an Heinrich vom 5. Dezember 1903. 23 Der Tod in Venedig, Kap. 4 (GW 8,492), Platons Sokrates zitierend. ›Der Gott‹ sei im Liebenden, nicht im Geliebten, schreibt Thomas Mann auch im Kapitel Einkehr der Betrachtungen eines Unpolitischen (GW 12,91). 24 Marcel Reich-Ranicki, Thomas Mann und die Seinen, Stuttgart 1987, S. 108.
© 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart. Erstdruck: Interpretationen. Erzählungen des 20. Jahrhunderts 1. Stuttgart: Reclam, 1996. (Reclams Universal-Bibliothek. 9462.) S. 38–54.
© 1996, 2000 Philipp Reclam jun., Stuttgart.