FLAMMENSTAUB 3 Nr. 51
Todeszone Schimayn von Christian Montillon
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uf den von Menschen besiedelten Welten der Milchstraße schreibt man das Jahr 1225 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4812 alter Zeit entspricht. Der relativ unsterbliche Arkonide Atlan, der seit Jahrtausenden im Auftrag der Menschheit wirkt, kämpft in der fernen Galaxis Dwingeloo gegen die mysteriösen Lordrichter. Auf Anregung der Widerstandsgruppe »Konterkraft« reist Atlan zur geheimnisvollen Intrawelt, um dort den Flammenstaub, der eine ultimate Waffe sein soll, zu besorgen. Nach zahlreichen Abenteuern in der gigantischen Hohlwelt gelingt es ihm, diesen zu bergen. Aber er verweigert dessen Herausgabe, davon überzeugt, dass die Anführer der Rebellen zu schwach für seine Verwendung sind. Atlan trägt nun den Flammenstaub in sich und testet die Wirkung erfolgreich gegen die Truppen der Lordrichter. Aber je intensiver er ihn benutzt, desto verheerender ist sein Einfluss auf Psyche und Körper. Auf der Vulkanwelt Ende kann er einen Großteil der lebensgefährlichen Substanz loswerden. Dort findet auch das Treffen mit den Cappins statt. Atlan spekuliert auf die Rückkehr in die Milchstraße, doch der Transfer per Pedopeiler führt ihn in die TODESZONE SCHIMAYN...
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Ich spüre es. Die Dunkelheit naht. Der Tod eilt mit Riesenschritten her bei. Wenn ich mich niederlege, so fürchte ich, nie wieder aufzustehen. Esse ich, habe ich Angst, es könnte die letzte Mahlzeit sein. Sehe ich ein Neugeborenes, denke ich an meine eigene Kindheit, die viel zu schnell vergangen ist. Ich hasse die, die mein Volk dazu verdammten, schneller und kürzer zu leben als alle anderen Cappins. Ich verachte die, die uns Juclas dazu zwangen, so zu sein, wie wir sind.
Christian Montillon
schäumten Hohlstege mussten abge rissen werden. Dutzende von Piloten hatten ihre Raumschiffe in eine an dere Position zu dirigieren. Es war notwendig, dass neue Verbindungs gänge entstanden, damit jedes Mit glied des Clans problemlos in be nachbarte oder auch weiter entfern te Schiffe überwechseln konnte. Der Komplex war eine Errungen
schaft seines neunten Vorgängers
Abenwosch-Pecayl 957., die der
jetzige Abenwosch beibehalten
wollte. Er spürte, dass dies eine gute,
zukunftsweisende Idee darstellte.
Das Vernetzen der
Raumschiffe des Er
Beginn der letz Die Hauptpersonen des Romans: courra-Clans ver ten Aufzeichnung minderte das Ge des AbenwoschAllan - Der Arkonide will in die Milchstraße zurückkehren. fühl, im eigenen Pecayl 965. Aruma Cuyt - Der ganjasische Kommandant Schiff isoliert zu der CAVALDASCH hat andere Pläne. sein. Carmyn Oshmosh - Die Kommandantin des Die Clans der Beiboots AVACYN bewährt sich im Krisen fall. Juclas lebten seit Im Kugelhaufen Abenwosch-Pecayl 966. - Der Clanführer Jahrhunderten in Schimayn: der Juclas folgt seiner Bestimmung. ihren Raumschif so jung und doch fen, seit sie nach so alt Ovarons Rückkehr von den anderen Abenwosch-Pecayl 966. suchte die Cappin-Völkern endgültig aus der Zentrale seines Schiffes auf. Mit sei Völkergemeinschaft Gruelfins ver ner Ernennung zum neuen Anführer trieben worden waren. Sie führten des Clans war die TIA zum Flagg ein unstetes Leben, ständig unter wegs, ohne Heimat, ohne wirkliches schiff des Clans geworden. Die Arbeiten zum Umbau des Ziel. Sie waren Weltraumnomaden, Komplexes waren in vollem Gange. und das seit so vielen Generationen. Es war Abenwosch-Pecayl 957. zu Es stellte die Logistiker vor gewalti ge Herausforderungen, die 733 mit verdanken, einen ersten großen einander zum Komplex verbunde Schritt getan zu haben, dieser ewi nen Schiffe des Clans grundlegend gen Wanderschaft entgegenzuwir anders zu gruppieren. Die TIA muss ken: den Komplex. Seit neun Herr te sich als Flaggschiff ungefähr im schergenerationen bildete nicht Zentrum des Schiffsverbundes be mehr nur das einzelne Schiff den Aufenthaltsort eines Juclas, sondern finden. Viele der verbindenden, aufge der gesamte Komplex. Dieser bot
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durch seine Größe die Illusion einer Heimatwelt. Jedes andere Mitglied des Clans war zumindest theoretisch für jeden erreichbar. Der Abenwosch hatte dadurch ei nen angenehmen Nebeneffekt er zielt. Seine Macht war gestiegen. Wo auf den einzelnen Schiffen früher Anarchie geherrscht hatte, setzte sich in zunehmendem Maß der Ge danke eines gemeinsamen Ganzen durch. Dadurch nahm faktisch auch das Maß der Kontrolle zu, die der Anführer ausüben konnte. Die Idee des 957. war so einfach gewesen. Er ließ die Schiffe des Er courra-Clans nicht mehr nebenein ander durch den Raum treiben, son dern miteinander. Dazu entwickelte er die ersten Tuilerien, die aufge schäumten Hohlstege, die erstaun lich feste Konsistenz annahmen und doch flexibel genug blieben, um die miteinander verbundenen Schiffe bei kleineren Synchronisationsfeh lern während des Fluges nicht zu ge fährden. Verbanden einzelne Tuile rien erst einmal zwei oder durch Verknüpfungen auch mehrere Schif fe miteinander, wurden sie durch Prallfelder vor dem Vakuum ge schützt. Der Komplex als Ganzes war auf diese Weise sogar fähig, Überlichtflüge vorzunehmen. Das System funktionierte tadellos, und es war ein geradezu genialer Einfall des neunten Vorherrschers gewesen. Wie Abenwosch-Pecayl 966. schon als Zweijähriger, als er noch seinen Geburtsnamen Scytim getragen hatte, in einer Hypnoschu lung gelernt hatte, waren damals die Grundsteine eines neuen Selbstbe wusstseins für das Volk der Juclas
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gelegt worden. Man liebte nach wie vor das wilde Leben und war nicht abgeneigt, tagelang zu feiern. Doch Abenwosch beobachtete, dass die alkoholischen Exzesse nachließen. Auch verzeichnete die Statistik we niger Todesopfer durch Drogen. Der berühmte 957. war ein Visio när ohnegleichen gewesen. Viele sei ner Worte waren bis heute unverges sen, und dadurch hatte er dem allge genwärtigen Tod ein Schnippchen geschlagen; in gewisser Weise war er unsterblich geworden. Jeder Aben wosch musste sich seitdem der Weis heit beugen, die er hinterlassen hat te: Der Komplex ist der erste Schritt zum Ziel. Das Ziel jedoch ist das En de der Unstetigkeit. Abenwosch trat an sein Komman dopult. Er befahl Dittsil zu sich, den obers ten Logistiker des Clans, den er mit der Koordination des Umbaus be auftragt hatte. Es dauerte lange, bis dieser die Zentrale betrat. »Ent schuldige, Abenwosch-Pecayl 966. Ich konnte deinem Ruf nicht schnel ler folgen.« »Was hinderte dich daran?«, braus te der Anführer auf. Er mochte es nicht, wenn man ihn warten ließ. Daran änderte auch die Ehrerbie tung Dittsils nichts, die sich darin äußerte, dass er den vollen Namen des Anführers aussprach, statt die seit einigen Generationen übliche Abkürzung Abenwosch zu benutzen. »Ich musste ...« Der Anführer ließ seinen Unterge benen nicht aussprechen. »Du muss test Dinge erledigen, die wichtiger waren als mein Befehl?« Er lauerte auf die nächsten Worte Dittsils.
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Wenn dieser die falsche Antwort gab, würde er ihm eine Lektion er teilen! Das käme ihm gerade recht, um die aufgestaute Unruhe loszu werden, die in ihm kochte, seit er ge zwungen worden war, über das Le ben und den Tod seines Vorgängers nachzudenken. Dittsil wand sich und blickte schließlich in die grauen Augen sei nes Anführers. »Nichts ist wichtiger als dein Befehl. Ganz im Gegenteil.« »Warum bist du ihm dann nicht sofort gefolgt?« Abenwosch beugte sich nach vorne, dass sein blau schwarzes Haar über die Schultern strich. »Weil ich durch deinen Befehl dar an gehindert wurde.« Du machst dich über mich lustig!, wollte Abenwosch ihm impulsiv ent gegenschmettern und an ihm ein Ex empel statuieren. Doch ihm wurde rasch klar, was Dittsil damit meinte. Mit äußerster Selbstbeherrschung, einer Gabe, über die nur wenige Ju clas verfügten, zwang er sich zur Ru he. »Du hast dich in einem Interessen konflikt befunden.« Dittsil nickte eifrig. »Du sagst es, Abenwosch-Pecayl 966. Du hast mir befohlen, der Umstrukturierung des Komplexes erste Priorität einzuräu men. Gerade als dein Befehl, dich hier in der Zentrale aufzusuchen, eintraf, beschäftigte ich mich mit ei nem Problem, das umgehender Lö sung bedarf.« »Berichte mehr darüber.« »Es müssen zwei sehr alte Tuile rien aufgelöst werden. Es heißt, sie seien die ältesten, die überhaupt existieren.« Abenwosch ahnte, was das bedeu
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tete. »Olmon versucht das zu verhin dern.« »Er bittet darum, dich sprechen zu dürfen, Abenwosch-Pec...« »Ich werde ihn aufsuchen«, würgte der Anführer ihn ab. Ihm war nicht danach, dass Dittsil schon wieder der Etikette Genüge tat und seinen vollen Namen aussprach. Olmon! Er hätte damit rechnen müssen, dass dieser selbst ernannte Bewahrer der Ruhe und Schönheit Schwierigkei ten bereiten würde. Ehe er ihn aufsuchte, musste er sich allerdings noch um etwas ande res kümmern. *
Abenwosch durchsuchte die weni gen persönlichen Hinterlassenschaf ten seines Vorgängers und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu kön nen. Abenwosch-Pecayl 965. war zwei unddreißig Jahre alt geworden, ehe er gestern als zitternder Tattergreis sein verdientes Ende gefunden hatte. Seit langer Zeit hatte er den Clan nicht mehr führen können, aber die se Aufgabe trotzdem nicht niederge legt. Jetzt war er tot, und der neue Abenwosch, der 966., der diesen Eh rentitel trug, hatte die Herrschaft ergriffen. Endlich führte ein Jüngerer den Clan an. Abenwosch war zwölf Jah re alt. Seiner Meinung nach das ideale Alter für einen Jucla, diese große Verantwortung zu überneh men. Er stand auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Kraft; schon in wenigen Jahren würde es diesbezüg lich bergab gehen. Ganz anders sah
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es mit seiner charakterlichen Stärke aus. Hier hatte er die Spitze seiner Entwicklung noch lange nicht er reicht. Das war ein unabänderliches Pro blem seines Volkes; es blieb ihnen verwehrt, innere und äußere Reife annähernd gleichzeitig zu erlangen, wie es bei allen anderen CappinVölkern der Fall war. Gelangte ein Jucla im psychologischen Sinne ins Erwachsenenalter, war der körperli che Zenit schon lange überschritten, nahte die Vergreisung und Hinfällig keit. Abenwosch hatte erwartet, dass sich unter den Hinterlassenschaften seines Vorgängers nichts Nützliches finden ließ. Doch jetzt hielt der neue Anführer des Ercourra-Clans ein höchst ungewöhnliches Erbe in der Hand. Eine Botschaft, die der alte Abenwosch offensichtlich mit eige ner Hand geschrieben hatte. Das passte zu dem senilen und depressi ven Schwächling, der er in seinen letzten Lebensjahren gewesen war. Wer tat schon so etwas Unsinniges? Es brachte keinen Nutzen! Nur je mand, dessen Verstand vom Alters wahnsinn zerfressen war, der besser schon längst gestorben wäre, konnte auf so eine Idee kommen. Ich spüre es. Die Dunkelheit naht, las Abenwosch-Pecayl 966. die ers ten Worte auf den Folien. Der Tod eilt mit Riesenschritten herbei. Er verzog verächtlich das Gesicht. Aber die nächsten Zeilen verursachten Unruhe in ihm, und es gelang ihm nicht mehr, spöttisch darüber hin wegzugehen. Er las von Angst und Hass, von innerer Qual. Diese Gefühle kannte er nur zu
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gut, genauso wie sein Vorgänger und wie jeder andere Jucla. Die Angst vor dem frühen, gene tisch bestimmten Tod war allgegen wärtig. Ebenso der Hass auf die Ta kerer, die die Juclas auf diese Weise gezüchtet hatten. Jeder Jucla war prädestiniert, so zu empfinden. Wie sehr er sich auch dagegen sträuben mochte, es gab keine Chance, dieser Prägung zu entkommen. Aggression und Kampftrieb bestimmten den Alltag. Immer häufiger bemerkte der neue Anführer, dass seine Gedanken um diese drei Pole kreisten. Angst. Hass. Aggression. Negative Empfindun gen, die sein Inneres auffraßen und ihn in einen Strudel der Gewalt zo gen. Was Abenwosch nun las, berührte ihn auf unangenehme Weise. Er hat te seinen Vorgänger stets verachtet, weil er alt und schwach gewesen war. Doch schon die ersten Worte der Hinterlassenschaft machten ihm klar, dass der alte Herrscher vor allem eins gewesen war: ein Ju cla. Genauso wie er selbst. Genauso wie jeder andere, der dem Ercourra-Clan angehörte. Abenwosch ließ die Botschaft ver schwinden, indem er den Schrank seines verstorbenen Vorgängers wie der verschloss. »Zeitverschwen dung«, murmelte er ärgerlich, ohne selbst wirklich davon überzeugt zu sein. »Ich habe anderes zu tun! Wichtigeres!« Die Zukunft des gesamten Clans lag in seinen Händen. Er war dafür verantwortlich, alle ihm anbefohle nen Juclas in ein besseres Leben zu
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führen. Ein Leben, das von neuem Selbstbewusstsein geprägt war. Und nicht von Angst, Hass und Aggression, dachte er. In diesem Mo ment wurde ihm klar, dass er sich früher oder später genauer mit der Hinterlassenschaft seines Vorgän gers beschäftigen musste. *
»Du hast darum gebeten, mich sprechen zu dürfen, Olmon«, sagte Abenwosch wenig später mühsam beherrscht. Er hatte sich entschlos sen, den alten Jucla in seiner Kabine aufzusuchen, anstatt ihn zu sich in die Zentrale zu befehlen. Er vermu tete, dass es angebracht war, dieses Gespräch ohne die Anwesenheit Dritter zu führen. »In der Tat, Abenwosch.« Olmon stand in dem geöffneten Schott di rekt vor seinem Anführer, und er beugte sich übertrieben deutlich herab, um mit ihm auf einer Augen höhe zu sein. Diese Geste stachelte Abenwoschs Ärger noch stärker an, als es ohne hin schon der Fall war. »Du verhin derst die Ausführung eines meiner Befehle. Was, glaubst du, gibt dir das Recht dazu?« »Komm erst einmal herein«, bat Olmon und gab das Schott frei. »Darf ich offen sprechen?« Abenwosch nickte und folgte ihm ins Innere der Kabine. Hinter ihm schloss sich das Schott. Sofort schlug ihm ein unangeneh mer Geruch entgegen: der Gestank des Alters, vermengt mit den muffi gen Ausdünstungen der widerlichen Felle, mit denen die enge Kammer
voll gestopft war. Vor wenigen Gene rationen noch waren die Wände der Jucla-Schiffe mit Pelzen behangen, nicht mal die Zentrale war davon bewahrt. Abenwosch war froh, dass sich mit dem neuen Selbstbewusst sein auch der Geschmack änderte. Olmon wies auf das lang gezogene Gesicht seines Anführers. »Du bist jung, Abenwosch. Immer noch ver unzieren dich die Narben deiner Pu bertätsakne.« »Komm zur Sache«, verlangte Abenwosch kühl. »Ich bin längst bei der Sache. Um dir zu erklären, worum es geht, muss ich mit dir über grundlegende Dinge sprechen.« »Wie etwa Pubertätsakne? Beeil dich gefälligst! Ich habe noch ande res zu tun.« »Ich bin alt, Abenwosch, und da mit das genaue Gegenteil von dir. Die Jahre haben mich gelehrt, ein wichtiges Gespräch mit Bedacht zu führen. Jedes Wort sollte sorgsam er wogen werden, auch wenn uns nicht viel Lebenszeit zur Verfügung steht. Wir sprachen vor kurzem bereits darüber, dass man sich für manche Dinge Zeit nehmen sollte.« Zufrie denheit breitete sich in seinen Zügen aus, als er sah, dass sein Gegenüber schwieg und ihn auffordernd ansah. Er setzte sich am Tisch nieder und bedeutete Abenwosch, es ihm gleichzutun. »Und da du mir erlaubt hast, offen zu sprechen, sage ich dir, dass ich Reife erlangt habe und du noch nicht.« Abenwosch ballte die Hände zu Fäusten. Er blieb stehen. Jetzt sah er auf den anderen hinab. »Du solltest froh sein, dass niemand Zeuge dieses
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Gespräches wird! Wenn du diese Worte jemals vor einem Mitglied meines Clans wiederholst, solltest du dir darüber im Klaren sein, dass es nicht ohne Folgen bleiben wird.« Er zog einen Wurfdolch aus der Ta sche seiner Kombination und ramm te ihn direkt neben Olmons rechter Hand in die Tischplatte. Er blieb mit der Spitze stecken und vibrierte mit dumpfem Summen. »Du bist jung und aufbrausend«, erwiderte Olmon ungerührt. Seine Hand hatte nicht einmal gezuckt. »Wie jeder andere Zwölfjährige auch. Ich mache dir deshalb keinen Vorwurf.« Er zog den Dolch aus der Tischplatte und wog ihn nachdenk lich in der Hand. »Eine martialische Waffe. Unpräzise und ungeeignet für einen Kampf. Und doch typisch für Juclas an der Schwelle zum Erwach senwerden. Mit einer Klinge zu töten verschafft eine andere Art der Be friedigung als ein Laserschuss, nicht wahr? Auch ich besaß einen Wurf dolch, als ich jung war.« »Und jetzt bist du alt!«, stieß Abenwosch aus. »Alt und schwach. Ein Tattergreis, genau wie mein Vor gänger am Ende seiner Herrschafts zeit. Vom Leben gebeutelt und vom Schatten des Todes geprägt!« »Und weißt du auch, warum es so ist? Jeder Cappin, der nicht das Pech hatte, als Jucla geboren zu werden, wäre mit meinen neunundzwanzig Jahren noch jung! Wäre nicht ein mal an der Hälfte seines Lebens an gelangt. Doch uns hat das Schicksal einen anderen Weg zugedacht.« »Das Schicksal?« Abenwosch lachte humorlos. »Was du so be zeichnest, nenne ich beim Namen!
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Es waren die Takerer, unsere so ge nannten Brüder, die uns das antaten! Sie führten vor Tausenden von Jah ren die genetischen Manipulationen durch, die unser Volk ins Dasein rie fen.« »Das weiß ich, Abenwosch«, erwi derte Olmon kühl. »Ein Taschkar er schuf uns als Krieger, als Schutz truppe für die Außenbezirke seiner Galaxis. Noch heute ist unser Volk von den Eigenschaften und Ein schränkungen bestimmt, die er da mals in uns legte. Wir sind wild, kriegerisch und aggressiv! Voller Hass und voller Angst vor dem Tod, der uns früher ereilt, als es sein dürfte. Obwohl unsere Ärzte und Wissenschaftler die Lebensspanne schon erweiterten, sterben wir nach dreißig Jahren. Nach spätestens fünfundzwanzig Jahren vergreisen wir, doch dann, wenn wir Glück ha ben und noch fähig sind zu denken, gewinnen wir einen anderen Blick winkel auf unser Leben.« Abenwosch wollte etwas erwi dern, aber ein hartnäckiger Gedanke verschlug ihm die Sprache. Da wa ren sie wieder, die Eckpfeiler seines Lebens, diesmal von Olmon ausge sprochen: Angst - Hass - Aggression Kampf - Tod. Genau wie er es vor wenigen Stunden in den Aufzeich nungen seines Vorgängers gelesen hatte. Währenddessen sprudelten die Worte aus Olmon heraus. »Wir kämpfen und wir hassen. Immer wieder werden wir vertrieben, müs sen fliehen. Warum sind wir hier, im Kugelhaufen Schimayn vor Gruel fin? Warum, Abenwosch?« »Weil mein Vorgänger so alt war,
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dass er immer wieder Fehler beging! Weil wir seinetwegen erneut fliehen mussten, als ein Raubzug misslang!« Jetzt lachte Olmon, und es klang rau und völlig humorlos. Er legte den Dolch auf den Tisch. »Vielleicht liegt die Ursache tiefer? Könnte es nicht damit zusammenhängen, dass wir uns überhaupt auf einen Raub zug begeben haben? Weil wir immer noch unstet durch die Galaxis zie hen wie schon seit Hunderten von Generationen? Weil wir immer noch keine Heimat haben, sondern uns mit Gewalt nehmen, was wir benöti gen?« »Mein Vorgänger hat uns dem Ziel, unsere Lebensweise zu ändern, kei nen Schritt näher gebracht«, sagte Abenwosch kühl. »Und auch du wirst es nicht, Olmon, egal welch hehre Philosophie du auch verbrei ten magst. Du bist ein schwacher Greis, der keine Tatkraft mehr in sich trägt.« »Und du, Abenwosch, bist ein Heißsporn, dem Weisheit und Reife fehlen. Durch List und Intrige bist du an die Macht gelangt, aber das heißt nicht, dass du weißt, welche Konsequenz diese Macht nach sich zieht!« »Nun hast du lange genug offen geredet, Olmon. Jetzt ist die Reihe an mir. Ich folge der Tradition, dass das Flaggschiff des Komplexes na hezu im Mittelpunkt steht und von den anderen 732 Schiffen umgeben wird. Das neue Flaggschiff ist meine TIA, und deshalb wird der Komplex umstrukturiert, bis sie sich im Zen trum befindet!« »Du folgst der Tradition, doch nicht ihrem Geist«, widersprach Ol
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mon. »Derjenige, den du mit dem Umbau beauftragt hast, will die äl testen noch existierenden Tuilerien zerstören. Verbindungsgänge, die der Schöpfer des Komplexes selbst gebildet haben soll. Ein Ort, in dem Juclas seit neun Generationen ihre verborgenen Talente ausleben und Schönheit erschufen, die ...« »Schweig, alter Mann!«, unter brach Abenwosch. »Wenn diese Tui lerien tatsächlich so alt sind, wie du behauptest, dann bedeutet das nur eins: Die Schiffe, die durch sie ver bunden sind, sind seit neun Genera tionen nicht mehr von ihrem Platz im Komplex gewichen. Eine viel zu lange Zeit. Sie hätten längst auf Raubzüge gehen und zu diesem Zweck abgetrennt werden müssen. Ich danke dir, dass du mich darauf hingewiesen hast. Ich werde das än dern.« »Aber ...« »Deine Redezeit ist abgelaufen, Olmon. Alter und Schwäche haben zu schweigen. Nun werden Jugend und Stärke zur Tat schreiten.« Olmon wandte sich ab. »Wir wer den sehen, wohin du uns führst«, murmelte er und öffnete das Schott seiner Kabine. »Du schickst mich grußlos hin aus?«, rief Abenwosch erzürnt. »Du vergisst, mit wem du geredet hast!« »Ich habe mit meinem Anführer geredet, der genauso wie alle ande ren Juclas genetisch zur Aggression und zum Kampf vorherbestimmt ist.« Abenwosch verließ den Raum, ohne darauf zu antworten. Wenige Stunden später war die Umstrukturierung komplett. Die
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TIA befand sich im Zentrum des Komplexes aus den 733 Schiffen des Ercourra-Clans. Die alten Tuilerien waren zerstört, ihre Überreste trie ben im All. *
Die Machtübernahme, die mit dem Tod seines Vorgängers begonnen hatte, war damit auch nach außen hin vollzogen. Zum ersten Mal seit der Erschaffung des Komplexes kam der Anführer des Clans von einem anderen Schiff als dem des berühm ten Abenwosch-Pecayl 957. Zum ers ten Mal seit neun Generationen war nicht der Sohn des alten Herrschers zum neuen Anführer ausgerufen worden. Abenwosch hätte zufrieden sein können, doch er war es nicht. Er wusste nicht, was ihn hier im Sternhaufen Schimayn erwartete. Diese Region war ihm völlig unbe kannt. Er musste sich auf das Kom mende vorbereiten. Eine Bestandsaufnahme war not wendig. Welche Dinge des alltägli chen Lebens würden sie in absehba rer Zeit benötigen? Welche Posten mussten neu besetzt werden? Wo regte sich möglicherweise Wider stand gegen den neuen Abenwosch, der bis vor kurzem der völlig unbe kannte Scytim, Sohn des Komman danten der TIA, gewesen war? Solche internen Angelegenheiten waren vorhersehbar und berechen bar. Abenwosch war sicher, dass er dies alles in den Griff bekommen würde, denn fast alle einflussreichen Kommandanten befanden sich in seiner Hand.
Aber er kannte nicht die Bedin gungen, die in diesem Sternhaufen herrschten. Er befürchtete, dass sie mitten in ein Krisenzentrum geflo hen sein könnten. Überall in Gruel fin tobten Kriege. Die alte Ordnung war am Zerbrechen, wie es hieß. Abenwosch wusste nicht wirklich, was an den Gerüchten dran war, die besagten, dass eine geheimnisvolle Macht in Aktion getreten war, die ... Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als ein Generalalarm durch das Schiff gellte. 2. 25. September 1225 NGZ Atlan: gerettet, verloren und betrogen Jetzt überfluten mich: Bilder. Sie wirbeln durch mein Bewusst sein. Zahllose alternative Versionen meiner selbst. Der Flammenstaub in mir hat sie für mich sichtbar ge macht. Wesen einer Parallelrealität, nur durch eine andere Wahrschein lichkeit von mir getrennt. Von mir? Gibt es dieses Mir tatsächlich? Exis tiere ich? Wenn ja, liege ich hier auf dem harten Basaltboden, um zu sterben. Der Flammenstaub frisst mich auf. Alles um mich herum hat sich verän dert, ein Chaos aus Alternativwelten ist entstanden, und nur ich bin der Anker, der alles zusammenhält. Bin ich das? Warum lebe ich? Warum verblas sen die anderen, die ähnlich sind wie ich und doch anders? Sie lösen sich auf, verwehen in der heißen Luft,
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existieren nur noch in meiner Erin nerung. Die Enge in mir und um mich her um verschwindet. Der fluoreszieren de Wirbel, der mein Bewusstsein trübte und schon der ewigen, dunk len Schwärze wich, vergeht. Die Schmerzen, die mich quälen und in das Tal des Todes reißen wol len, weichen. Sie verschwinden nicht, sondern sammeln sich an ei ner einzigen Stelle. Mein rechter Un terarm steht in Flammen. Er pocht und pulsiert, heiß und eiskalt zu gleich. Etwas ist anders. Ich lebe, aber diesem Leben scheint ein grundle gendes Element zu fehlen. Ich kann es nicht benennen, erkenne nicht, worum es sich handelt. Und doch war es immer da gewesen, all die Jahre und Jahrhunderte meiner Exis tenz. Das Chaos in meinen Gedanken lichtet sich. Die anderen, die mich wie in einem bizarren Spiegelkabi nett, das den Besucher tausendfach wiedergibt, umgaben, sind endgültig verschwunden. Aus der Schwärze um mich herum bilden sich wieder Formen. Ich erinnere mich an den einen al ternativen Atlan, der Kontakt mit mir aufnahm, als sich Dunkelheit und Kälte endgültig über mich legen wollten. Ich sterbe, sagte er, doch du sollst leben. Leben! Dieses Wort weckt eine weitere Erinnerung. Jetzt weiß ich, was ich tun muss. Ich öffne den Mund, sauge Luft in die Lungen, merke jetzt erst, dass ich nicht geat met habe. Viel zu lange nicht geat met habe.
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Die Luft ist süß. Sie ist heiß, schmeckt nach Schwefel, und doch ist sie süß, süß, so ... So süß. Ich atmete sie tief ein, die Luft des Planeten, den ich auf den Namen »Ende« getauft hatte und der zu meinem Grab hatte werden sollen. Hier, auf dieser Welt ohne eigenes in telligentes Leben, hatte ich den fina len Kampf gegen mich selbst austra gen wollen. Oder gegen den Flam menstaub in mir. Ich hatte den Kampf verloren. Ich hatte im Sterben gelegen. Oder war ich bereits gestorben?, stieg aus ei nem verborgenen Winkel meines Be wusstseins eine bange Frage auf. War ich nach dem Kontakt mit dem »anderen« ins Leben zurückgekehrt? Der andere - eine der durch den Flammenstaub zugänglich gemach ten alternativen Versionen meiner selbst. Er war mir sehr ähnlich ge wesen, kaum von mir zu unterschei den. Nur winzige Wahrscheinlich keitsunterschiede hatten ihn von mir getrennt. Er hatte mich gerettet, in dem er sich opferte, den tödlichen Flammenstaub aus mir herauszog und in sich aufnahm. Es war zu einer letzten Entladung gekommen, das Basaltgestein war aufgespaltet, der andere von den austretenden Lava massen verschlungen worden. Er war gestorben, damit ich leben konnte. Jetzt, da sich meine Gedanken klärten, erinnerte ich mich wieder daran, dass der andere mich von der Stelle seines Todes weggeschleudert hatte. Sogar daran hatte der Ster bende gedacht. Ich wäre aus eigener
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Kraft niemals den entfesselten Ge walten der Explosion entkommen. Ich wandte den Blick dorthin, ent deckte einen neu entstandenen rot glühenden Lavasee, dessen Oberflä che so hell war, dass es in den Augen schmerzte. Blasen stiegen träge an die Oberfläche, zerplatzten mit sat tem Schmatzen. Glühende Tropfen verteilten sich in weitem Umfeld, ei nige landeten noch nahe bei meinen Füßen. Nichts mehr erinnerte an meinen Retter, die glühende Masse hatte ihn restlos beseitigt. Und mit ihm war wohl auch der Flammenstaub ver gangen. Mühsam erhob ich mich aus der liegenden Position. Dabei veränder te sich die Lage meines rechten Arms. Die Hand schleifte über den Boden. Ein mörderischer Schmerz durchzuckte mich von den Finger spitzen bis in die Schultern. Ich schrie gepeinigt auf und zog den Arm unwillkürlich an den Körper. Mein Unterarm war gebrochen. Ich hatte es im Rausch der Alterna tivwelten und des nahenden Todes vergessen, selbst als die allgegen wärtigen Schmerzen sich wieder auf diese Stelle konzentrierten. Ich erinnerte mich an den Sturz auf die rechte Hand, der zu dem Bruch geführt hatte. Der Arm war an der Bruchstelle dick geschwollen; durch das Fleisch waren die bloßen zersplitterten Knochen sichtbar. Der ganze Bereich war eine einzige offe ne Wunde, die dringend medizinisch versorgt werden musste. Dieser Teil meiner Erinnerungen war also tatsächlich Realität und keine durch den Flammenstaub ge
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schaffene andere Wahrscheinlich keitsebene gewesen. Oder doch? Würde es überhaupt einen Unter schied machen? Noch immer fiel es mir schwer, meine Lage zu analysieren. Die star ken Schmerzen verhinderten jeden logischen Gedanken. Dennoch wur den die Fragen in mir immer drän gender. Was hatte den anderen dazu bewogen, sein Leben für mich zu ge ben? Wieso hatte er sich geopfert? Die Antwort würde mir wohl für im mer verschlossen bleiben. Ich verspürte tiefe Trauer über seinen Tod. Es war, als sei mit ihm ein Teil von mir gestorben. Der Ver lust hinterließ ein Gefühl der Verlas senheit und Einsamkeit in mir, das ich beinahe körperlich wahrnehmen konnte. Oder resultierte diese Leere dar aus, dass der Flammenstaub aus mir entfernt worden war, dass ich diese rätselhafte Substanz, die fast zu meinem Tod geführt hatte, endlich wieder losgeworden war? Du täuschst dich!, ertönte plötz lich die Stimme des Extrasinnes in mir. Nach dem Kampf gegen Peonu war er sehr geschwächt gewesen, hatte inzwischen jedoch zu der übli chen mentalen Stärke zurückgefun den. Du trägst immer noch einen Rest des Flammenstaubs in dir. Der andere hat ihn nicht vollständig ent fernt, sondern nur den größten Teil davon. Etwas ist zurückgeblieben, und es wird sich weisen, was das für dich bedeutet! Ich ging nicht näher auf diesen Impuls ein. Nicht jetzt. Es würde die Zeit kommen, zu der ich mich damit beschäftigen musste, doch momen
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tan hatte ich andere Sorgen. Für den Augenblick genügte es, dass der Flammenstaub nicht mehr in un mittelbar tödlicher Konzentration vorhanden war. Ich musste den offenen Unterarm bruch versorgen. Die Schmerzen hämmerten unab lässig in mir. Es kostete mich äu ßerste Kraft, mich in Bewegung zu setzen. Dabei hielt ich den Arm so ruhig wie möglich. Als ich mich einige weitere Schrit te von dem neu entstandenen Lava see entfernt hatte, sank die Tempe ratur merklich. Es tat gut, der glü henden Hitze entkommen zu sein. Ich beschloss, zuerst den vargani schen Schutzanzug zu suchen, den ich achtlos weggeworfen hatte. Es fiel mir schwer, mich zu orientieren, doch schließlich war ich mir sicher, mich dem richtigen Ort zu nähern. Schon von weitem sah ich, dass das komplette Gebiet durch Magma eruptionen zerstört worden war. An verschiedenen Stellen ragten Bruch stücke von Felsen aus träge dahin fließenden Lavaströmen. Mir bot sich das Bild einer chaotischen, ur zeitlichen Welt. Mein letzter Weg vor dem scheinbar unvermeidbaren Tod hatte eine Schneise der Vernichtung hinterlassen. Es hat keinen Sinn, meldete sich erneut mein Logiksektor zu Wort. Der Schutzanzug ist für dich verlo ren. Dem war nichts hinzuzufügen. Hoffentlich war das Zaqoor-Bei boot, mit dem ich hierher gelangt war, nicht zerstört worden. Dort würde sich mir wenigstens die Chance bieten, den Bruch erstzuver
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sorgen und ein Schmerzmittel einzu nehmen. Da der Medo-Syntron nicht auf fremde Metabolismen eingestellt war, könnte ich nicht viel mehr tun. Selbst auf ein Schmerzmittel, das auch bei arkonidischer Physiologie wirkte, konnte ich nur hoffen. Grundlegende Versorgung war je doch absolut notwendig. Der Unter arm war kompliziert gebrochen. Es bestand die Gefahr, dass die Kno chen schief zusammenwuchsen. Um das zu verhindern, musste ich die Knochen richten und eine Schiene anlegen. Schon der Gedanke daran war in höchstem Maß unangenehm. Ich machte mich auf den Weg zu dem Beiboot. Inzwischen fiel mir je der Schritt schwerer als der voran gegangene. Meine Kräfte schwanden merklich. Mir brach der Schweiß aus, und die Muskulatur oberhalb des Bruches begann unkontrolliert zu zittern. Ich hielt mich mit schie rer Willenskraft aufrecht. Ich passierte eine der zahlreichen heißen Quellen des Planeten. Grün gelbes Wasser schoss fontänenartig in die Höhe und stürzte in einen kleinen See. Dann näherte ich mich einer markanten Formation aus ur alter, erstarrter Lava, die im Laufe der Jahrtausende schwarze Färbung angenommen hatte. In die zerklüfte te Oberfläche waren vereinzelte Rin nen wie Kriechgänge kleinster Tiere eingegraben. Mein Blick wanderte wieder ein mal zu dem Bruch. Die nach wie vor sichtbaren zersplitterten Knochen enden boten einen recht makabren Anblick. Ich biss die Zähne zusam men und versuchte meinen Gang zu beschleunigen. Trotz aller Anstren
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gung taumelte ich mehr, als dass ich ging. Als die DYS-116, das Zaqoor-Bei boot, endlich in der Ferne sichtbar wurde, kam ich ins Nachdenken. Nun, da ich den varganischen Schutzanzug nicht mehr besaß, war mein letztes Hilfsmittel des uralten Volkes verloren gegangen. Von dieser Feststellung aus wan derten meine Gedanken unwillkür lich zu Kythara, der Varganin, die in den letzten Monaten meine Begleite rin gewesen war. Die Intrawelt hatte ich ohne sie betreten, und schon bald nach meiner Rückkehr, nach dem Kampf mit unserem Widersacher Peonu, war sie in meinen Armen ge storben. Die Begegnung mit ihr und damit mein erneutes Aufeinander treffen mit dem Volk und der Kultur der Varganen schien also nichts wei ter als eine Episode gewesen zu sein. Ich erreichte die DYS-116 und suchte sofort den Medo-Bereich auf. Ich schluckte ein Schmerzmittel, das nicht auf den arkonidischen Orga nismus abgestimmt war und deshalb nur wenig Wirkung zeigte. Den Un terarmbruch selbst zu richten war eine Tortur ohnegleichen. Ich schrie auf, hörte, wie die Knochenenden aneinander rieben und ein hässli ches Knirschen verursachten. Neues Blut floss. Die linke Hand, mit der ich die makabre Arbeit verrichten musste, zitterte. Alles drehte sich vor meinen Au gen. Ich sank auf den Boden nieder, verlor für kurze Zeit das Bewusst sein. Als ich wieder zu mir kam und mich etwas erholt hatte, säuberte ich die Wunde, legte einen Verband an und schiente den Unterarm notdürf
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tig. Das war dringend notwendig, denn der Zeilaktivator würde zwar für eine beschleunigte Heilung, Des infektion und Zellgewebsheilung sorgen, konnte jedoch kein falsches Zusammenwachsen der Knochen verhindern. Danach legte ich mich müde und kraftlos auf eine Pritsche und schloss die Augen. Augenblicklich schlief ich ein. *
Als ich erwachte, schwamm ich in einem Meer aus Schmerzen, dem ich nur langsam entrinnen konnte. Ich schwang die Beine benommen von der Pritsche und betrachtete sit zend meinen rechten Arm. Die Schiene saß nach wie vor perfekt. Die Wunde pochte unter dem dicken, inzwischen durchgebluteten Ver band. Ich verfluchte den Umstand, auf Ende festzusitzen und keinen Zugang zu einer Medostation zu haben, die auf den arkonidischen Metabolismus eingerichtet war. Die beste heutzutage mögliche medizini sche Versorgung hätte die Wundhei lung und das Knochenwachstum ex trem beschleunigen können. Narr! Auf diesen sarkastischen Kommentar hätte ich nur allzu ger ne verzichtet. Du befindest dich im Halo von Dwingeloo. Der nächste Mediziner, der sich mit dem arkonidischen Körper aus kannte, war buchstäblich Lichtjahre weit entfernt. Etwa sechzehn Millionen Licht jahre, um genauer zu sein. So weit war ich von der Milchstra ße entfernt, und ich hatte keine
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Möglichkeit, in die heimatliche Ga laxis zurückzugelangen. Die turbu lenten Ereignisse der letzten Monate hatten mich als Gestrandeten zu rückgelassen. Was war mir geblieben? Durch die Kraft des Flammenstaubs, den ich unter vielerlei Gefahren aus der In trawelt geborgen hatte, war es offen sichtlich gelungen, die Macht der Lordrichter in Dwingeloo vorläufig zu brechen. Aber ganz anders sah es in der Milchstraße und der Riesengalaxis Gruelfin, der Heimat der CappinVölker, aus. Dort operierten diese nach wie vor geheimnisvollen mäch tigen Wesen noch immer. Besonders Gruelfin wurde von ihren Intrigen und Machtplänen in Mitleidenschaft gezogen; entsetzliche Bruderkriege tobten. Die genetisch eng verwand ten Cappin-Völker bekämpften sich gegenseitig. Dieses Resümee hinterließ einen schalen Geschmack in meinem Mund. Ich fühlte mich betrogen. Es hatte nicht nur meine Rettung bedeutet, dass mir die größte Menge des Flammenstaubs entzogen wor den war. Gleichzeitig war mir auch das geraubt worden, wonach ich in der Intrawelt so lange gesucht hatte und worum ich so hart gekämpft hatte. Mir war bewusst, dass diese Empfindung jeglicher Vernunft wi dersprach. Dennoch konnte ich sie nicht unterdrücken. Der Logiksek tor wies mich augenblicklich dar auf hin, dass mir der Flammen staub nichts nutzte, wenn ich tot war. Eine sehr simple Überlegung, Arkonide!
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Das war es in der Tat, und damit teilte er mir nichts Neues mit. Aber Gefühle standen nun einmal oft jen seits der Logik, und trotz allem, was mich mein langes Leben gelehrt hat te, war ich nach wie vor ein emotio nales Wesen. Ich hoffte, dass es nie anders werden würde. Trotzdem musst du in diesem Fall deinen Verstand über das Gefühl set zen. Das war eine Forderung, die all dem entsprach, was das Wesen des Extrasinnes ausmachte. Kühl, ver nünftig, nüchtern. Dieses Mal hatte er jedoch absolut Recht. Ich horchte in mich hinein. Befan den sich wirklich noch Restmengen des Flammenstaubs in mir? Spürst du nicht die Kopfschmer zen? Sie sind die Folge davon. Und wie ich sie spürte. Sie waren permanent vorhanden, als bohre sich etwas in meinen Hinterkopf. Nicht einmal das Hämmern in mei nem geschwollenen Arm konnte sie vollständig überdecken. Ich stand auf, ging zu dem Pilo tensessel der DYS-116. Ich hatte mich lange genug mit dem desolaten Zustand meines Körpers auseinan der gesetzt. Ich beschloss, das Alte hinter mir zu lassen und nach vorne zu sehen. Ich musste mir neue Ziele setzen! Auf den ersten Blick existierten zwei Alternativen: die Rückkehr in die Milchstraße oder der Weg nach Gruelfin. Da an beiden Stellen noch die Lordrichter und ihre Truppen aktiv waren, fiel mir die Wahl nicht schwer. Ich musste zurück in meine Hei mat, herausfinden, wie sich die Zu
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stände in der Milchstraße entwickelt hatten. Was hatten die Lordrichter dort inzwischen bewirkt? Existierte die alte, mir bekannte Ordnung überhaupt noch? Was geschah auf Arkon, was auf Terra? Viel zu lange war ich notgedrun gen der Heimat fern gewesen. Seit fast vier Monaten hielt ich mich in Dwingeloo auf, die Zeit, die ich in der Intrawelt verbracht hatte, mit eingerechnet. Am 2. Juni dieses Jah res war ich durch das Transportfeld des Pedopeilers der Cappins gegan gen, der die Versetzung über sech zehn Millionen Lichtjahre bewirkt hatte. Inzwischen schrieb man den 25. September. Doch wie sollte ich zurückkehren? Der Empfangs-Pedopeiler ERYS GAN in Dwingeloo war unmittelbar nach meiner Ankunft von den Trup pen der Lordrichter zerstört worden. Dessen Kommandant Toragasch hatte die Stellung gerade lange ge nug gehalten, um uns die Ankunft zu ermöglichen. Die Rückkehr war mir auf diesem Weg also verwehrt. Sechzehn Millionen Lichtjahre waren eine gewaltige Distanz, trotz aller modernen Raumschiffsantrie be. Zumal mir kein fernflugtaugli ches Schiff zur Verfügung stand. Gruelfin befand sich ebenfalls in un erreichbarer Entfernung. Was konn ten also meine nächsten Schritte sein? So kam es, dass ich in einem klei nen Zaqoor-Beiboot saß und mich fragte, wie ich zurück zur heimat lichen Galaxis gelangen könnte, als die Ortungsgeräte Alarm schlugen. Zwei große feindliche Einheiten näherten sich dem Planeten.
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3. Im Kugelhaufen Schimayn: von alters her bestimmt Abenwosch-Pecayl 966. fluchte. Es war, als habe er durch seine Ge danken die Schwierigkeiten erst heraufbeschworen. »Warum wurde Generalalarm aus gelöst?«, rief er. Es ärgerte ihn, dass er nicht sofort automatisch in Kenntnis gesetzt worden war. Er be fand sich in der Zentrale der TIA, des neuen Flaggschiffs im Zentrum des Komplexes. Der Heulton gellte in den Ohren. »Das Späherschiff MIRA meldet ein Geschwader der Ganjasen«, be richtete Maliug, der Stellvertretende Kommandant. »Die Schiffe nähern sich uns.« »Ganjasen?«, entfuhr es dem An führer verblüfft. Es war weniger eine Frage als vielmehr Ausdruck seines Erstaunens. »Ja, Abenwosch.« Die Ganjasen waren ein CappinVolk, das im Inneren Gruelfins sie delte. Wieso hielten sie sich hier, im Halo der Galaxis, so weit abseits ih rer eigentlichen Lebensräume auf? »Verbinde mich sofort mit dem Kommandanten des Späherschiffs!« Abenwoschs Gedanken über schlugen sich. Er hatte sich hier, in den Randgebieten der Galaxis, zu sicher gefühlt. Zu wenig Späher waren ausgeschickt worden, um die Lage zu erkunden. Mussten sie jetzt alle den Preis dafür zahlen? Bis vor kurzem war es Abenwosch noch wichtig gewesen, die Umstruk turierung des Komplexes zu vollen den, als äußeres Zeichen seiner
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Machtergreifung. Jetzt erkannte er, dass dies ein taktischer Fehler gewe sen war, für den es nur eine Ent schuldigung gab: die hektische Pha se des Machtwechsels. Der Sieges rausch, in dem er gefangen gewesen war, die Trauer und der Zorn über das notwendige schreckliche Opfer. Zum Komplex verbunden waren die Schiffe des Ercourra-Clans na hezu hilflos. Dies war der einzige Nachteil dieser Lebensweise, der sich nun verhängnisvoll auswirken konnte. Kam es zu einer Schlacht, konnten sie sich nur schlecht zur Wehr setzen. »Sprechkontakt zur MIRA.« Der Stellvertretende Kommandant leite te die Verbindung auf Abenwoschs Führungskonsole weiter. »Abenwosch«, erklang eine aufge regte Stimme. Der Sprecher hielt es nicht einmal für notwendig, sich zu identifizieren. »Ein ganzes Ge schwader Kampfschiffe der Ganja sen nähert sich unserer Position. Ein Kontakt wird nicht zu vermeiden sein.« »Genauere Angaben«, forderte Abenwosch knapp. »Mindestens zehn Schiffe der ABENASCH-Klasse und zwei Ein heiten der KELTATRON-Klasse. Des Weiteren wenigstens acht Schiffe der KYNOVARON-Klasse.« Der Kommandant ratterte die An gaben stur herunter. Abenwosch er kannte, dass sich der Clan in tödli cher Gefahr befand. Zehn Achthun dert-Meter-Standardraumer, unter anderem mit Initialstrahlern und Dopplergeschützen bewaffnet. Al lein gegen diese besaßen sie nicht die geringste Chance. Wieder fragte sich
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Abenwosch, was eine derart massive Konzentration an Raumern der Ganjasen hier zu suchen hatte. »Doch das ist noch nicht alles, Abenwosch«, fuhr der Kommandant der MIRA fort. Seine Stimme zitterte vor mühsam unterdrückter Erre gung. »Gib eine deutliche Meldung!«, verlangte Abenwosch unwirsch. Er spürte, wie sich seine Verblüffung mit Zorn vermischte. Zorn, der sogar die nagende Angst vertrieb, die sich in ihm breit machte. »Wir haben noch weitere Ortungs daten«, ertönte es. »Daten, die wir mehrfach überprüften, weil ...« »Genug herumgeredet!« Was Abenwosch dann zu hören be kam, verschlug ihm die Sprache. Zwei Tage zuvor »Er stirbt.« Wer als Erstes diese Worte in den Mund genommen hatte, war nicht mehr festzustellen. Die Botschaft verbreitete sich mit rasender Ge schwindigkeit durch den ganzen Komplex. »Unser Herrscher stirbt.« Die Jüngsten wisperten es hinter vorgehaltener Hand, ohne die ganze Tragweite auch nur annähernd zu begreifen. Einige der zweijährigen Jungen kicherten, als sie es den Mädchen ins Ohr flüsterten. »Der Abenwosch stirbt.« Die Ältesten stießen es mit rauer Stimme hervor, und die Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie fürchteten die Veränderung, die da mit einherging. Sie waren entsetzt
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wegen des auch ihnen bald bevorste henden Todes, an den sie wieder ein mal drastisch erinnert worden wa ren. »Der Anführer unseres Clans stirbt.« Scytim, der Sohn des Komman danten der TIA, sprach es jubelnd aus. Endlich. Endlich war es so weit. Abenwosch Pecayl 965. sah dem Tod ins Auge. Und das mit zweiunddrei ßig Jahren! Er war schon lange ein Tattergreis gewesen, schwach und erbärmlich. Viel zu alt, um die Ge schicke des Ercourra-Clans effektiv leiten zu können. »Eine gute Nachricht«, sagte Scytim zu seinem Vater Pelyr. »Un ser Clan erhält bald einen neuen An führer!« Er lächelte seinen Vater vielsagend an. In seinen Augen fun kelte der Eifer der Jugend. Sein Vater beugte sich zu ihm her ab. Er war dreiundzwanzig Jahre alt und stand damit kurz vor dem Be ginn der Vergreisung, die aus ihm im Laufe der nächsten Jahre einen zit ternden Schwächling machen wür de. »Der Clan braucht dich, mein Sohn.« Scytims graue Augen verengten sich. »Aber Vater ... du bist doch der jenige, der ...« »Schweig, mein Sohn, schweig!« Pelyr deutete auf das Rangabzei chen, das ihn als Kommandanten der TIA auswies. »Für mich ist dies hier der Gipfel meiner Karriere. Al les andere wäre vermessen. Sieh mich an!« Scytim gehorchte, und er wusste genau, worauf sein Vater hinaus wollte. Aber das wollte er nicht ak zeptieren. »Du bist nicht zu alt!«
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»Du enttäuschst mich, Scytim, denn du begehst einen Fehler! Die Zuneigung, die du für mich empfin dest, trübt dein Urteilsvermögen. Du darfst niemals zulassen, dass deine persönlichen Gefühle deine Ent scheidungen diktieren!« Er legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. Der leichte Druck, den er ausübte, machte klar, dass er nicht den geringsten Widerspruch duldete. »Ich bin zu alt, um den Clan zu führen. Ja, noch bin ich stark, noch bin ich Herr meiner Sinne, aber schon bald werde ich ein Abbild des jetzigen Abenwosch sein. Sieh doch, was aus unserem Anführer gewor den ist. Er ist altersstur, hält an sei nen Entscheidungen fest, so falsch sie auch sein mögen! Doch dann, ei nen Tag oder auch nur eine Stunde später, gibt er dem Druck der acht jährigen Heißsporne nach und ent scheidet wieder anders. Er hat kein Kriegsgeschick, und eines Tages wird einer der Raubzüge, die er ver ordnet, zu unserem Verderben wer den. Willst du wirklich, dass der Clan in wenigen Jahren schon wie der vor derselben Situation steht?« »Vater ...« Mehr als dieses Wort brachte Scytim nicht hervor. Für ihn war in diesen Sekunden eine Welt zusammengebrochen. Seit Jahren arbeiteten sie darauf hin, dass Pelyr eines Tages der neue Anführer des Clans, dass ihre TIA zum Flaggschiff gekürt werden würde. Er stöhnte, als sich die Finger seines Vaters schmerzhaft in seine Schulter bohr ten. »Aber du, mein Sohn«, nahm Pelyr den Faden wieder auf, »bist zwölf Jahre alt! Auf dem Höhepunkt dei
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ner körperlichen Entwicklung. Das Wenige, was dir an innerer Reife noch fehlt, wirst du bald erlangen, wenn du erst einmal die Verantwor tung übernommen hast.« Der Kom mandant zeigte ein schmales Lä cheln und löste den Griff. »Außer dem werde ich in den ersten Jahren da sein, um dich zu beraten.« »Du wusstest es schon lange«, er kannte Scytim. Er wich dem Blick seines Vaters aus. Wie immer, wenn er stark erregt war, juckte die Narbe an der Nasenwurzel unerträglich. »Du hast all die Vorbereitungen nicht deinetwegen getroffen, son dern meinetwegen.« Seine Stimme war wie ein Hauch. »Welchen größeren Triumph könn te es für einen Vater geben, als dass sein Sohn ihn überflügelt und zum Herrscher wird? Und nun geh und erkundige dich bei denen, die mehr wissen. Sprich mit dem Abenwosch und seinem Sohn. Finde heraus, wann unser Anführer seiner Krank heit erliegen wird. Morgen? Oder erst in einer Woche? Wir müssen es genau wissen. Frag die Mediziner!« Pelyr verschränkte die Arme vor der Brust. »Und bring vor allem die Früchte unserer Ränke ein. Der Sohn des Abenwosch muss von der Bildfläche verschwinden, damit die genetische Herrschaftslinie unter brochen wird. Der Platz muss frei sein für dich. Schreite heute noch zur Tat und zeige dem alten Narren und seinem nichtsnutzigen Spröss ling, was die Stunde geschlagen hat!« Scytim verließ die Kabine seines Vaters und machte sich auf den Weg. Er durchquerte viele Schiffe und
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Tuilerien, um das Flaggschiff zu er reichen, in dem der sterbende Aben wosch seinen Wohnsitz hatte. Unterwegs hörte er etliche Versio nen dessen, wie es um den Aben wosch stand. Der gesamte Clan be fand sich in fieberhafter Aufregung. Er kann kaum noch atmen und seine Medizin nicht mehr bei sich be halten. Es war ein Gerücht - er wird nicht sterben. Noch nicht! Er war bereits tot. Man hat ihn ins Leben zurückgeholt, doch er vege tiert nur noch vor sich hin. Scytim belauschte zwei Vierjähri ge: Der Alte hatte Sex, das hat sein Herz nicht mehr ertragen. Einen Au genblick lang überlegte Scytim, die beiden für ihre Respektlosigkeit zu bestrafen, doch dann entschied er sich anders. Als er eine der größten und längs ten Tuilerien durchquerte, entdeckte er den alten Olmon. Scytim bahnte sich einen Weg bis zu dem greisen Jucla, der sich für seine letzten Le bensjahre der Kunst und ihrer Er forschung verschrieben hatte. Von ihm konnte Scytim endlich ei ne verlässliche Auskunft erhalten. Olmon war mit dem Abenwosch auf gewachsen, hatte nahezu sein kom plettes Leben als der persönliche Be rater des Anführers verbracht. Ohne lang zu zögern, fragte er: »Wie geht es ihm wirklich?« Olmon musterte ihn lange. Um Scytim in die Augen sehen zu kön nen, senkte er den Blick ein wenig. »Du bist Pelyrs Sohn«, stellte er schließlich fest, hob die Hand zum Mund und hustete. Er wirkte hinfäl lig. »Ich gebe dir einen Rat, Junge.
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Durchbreche nicht das, was natür lich gewachsen ist. Es gibt Dinge, die man nicht verändern sollte.« »Wovon redest du?«, fragte Scytim unwirsch. »Der neue Anführer sei der Sohn des alten Abenwosch.« Scytim spürte, wie Zorn in ihm aufstieg. Olmon gefiel sich in wohl formuliertem, orakelhaftem Ge schwätz. Am liebsten hätte er den alten Narren zum Schweigen ge bracht, denn mit diesen Worten of fenbarte er Wissen. Gefährliches Wissen. Olmon schien über Dinge im Bild zu sein, die noch nicht nach au ßen dringen durften. »Ich weiß nicht, wovon du redest.« »So?« Olmon lachte rau. »Dann habe ich mich wohl getäuscht. Lass mich dir die Schönheit erklären, die Generationen von Juclas in dieser weit verzweigten Tuilerie hinterlas sen haben. Sie legten etwas von sich selbst in die Ausgestaltung dieser Wände.« Der Greis strich zärtlich über die weiße, gewölbte Begren zung des Hohlweges. »Niemand hat Zeit!«, zitierte Scytim den Wahlspruch der Juclas. »Sag mir nur eins: Wie ist der Zu stand des Abenwosch?« »Gerade du solltest Zeit für Schönheit und Kunst aufbringen, Scytim. Sie offenbaren uns die Wahrheit, wenn wir sie nur verste hen. Wer hoch hinauswill, sollte bis zum Kern der Wahrheit vordringen. Nur dort liegt Weisheit verborgen.« Scytim beschloss, offen zu spre chen. Olmon schien ohnehin über al le geheimen Pläne im Bilde zu sein. »Die Wahrheit, alter Mann, ist ganz einfach. Es bedarf keiner Philoso
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phie, sie zu ergründen. Ich will es dir ins Gesicht sagen. Die Zeit für einen Wechsel ist gekommen.« Olmon sog langsam und tief die Luft ein. Er stützte sich an der Wand ab, sah dann dem Jungen ins Ge sicht. »Vielleicht bleibt dem Aben wosch noch ein Tag, vielleicht zwei«, erwiderte er kühl und warf Scytim einen unergründlichen Blick zu. Dann wandte er sich einem in sich verschlungenen Gebilde zu, das aus der Wand der Tuilerie herausgear beitet worden war. »Zeit genug für dich, von mir etwas zu lernen.« Scytim ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Hinter sich hörte er noch einmal die leise Stimme Ol mons. »Komm bald zu mir, Junge, solange ich noch lebe.« Scytim suchte die sieben mäch tigsten Schiffskommandanten des Komplexes auf. Jeder einzelne von ihnen wusste, was der Besuch zu be deuten hatte. Scytim brauchte nicht erst lange Erklärungen abzugeben. Er hatte sie alle in der Hand, denn jeder hütete ein dunkles Geheimnis, das er ängstlich zu verbergen ver suchte. Die sieben Kommandanten schlossen sich ihm an. Die Machter greifung konnte beginnen. Die Intri gen vieler Monate trugen nun Früch te. Zu acht standen sie schließlich vor dem sterbenden Abenwosch in sei nem offiziellen Empfangsraum. Ne ben dem Anführer stand sein schmalbrüstiger Sohn Lakim, ein stets bleicher Vierzehnjähriger. Seit einem verhängnisvollen Zweikampf vor sechs Jahren verband Scytim mit Lakim eine tiefgehende Feindschaft,
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die schon mehrfach fast eskaliert wäre. Scytim musterte den Greis ver ächtlich. »Deine Zeit ist abgelau fen, Abenwosch-Pecayl 965.« Es war reiner Hohn, dass er den vollen Herrschertitel aussprach, was nor mal als Zeichen besonderer Ehr furcht galt. Der Anführer saß in einem gepols terten, hochlehnigen Stuhl, die Ar me auf den Seiten abgelegt. Seine Augen blickten trübe und waren gelblich verfärbt. Sein rechter Mundwinkel wies nach unten. Er zeigte auf die Herausforderung kei ne Reaktion. Spärliche weiße Haare hingen lang an beiden Seiten des ausgezehrten, ausdruckslosen Ge sichts herab. »Ich bin hier, um dir mit Unter stützung dieser sieben Schiffskom mandanten eine Botschaft zu brin gen«, fuhr Scytim fort. »Hoffentlich bist du noch fähig, dich an sie zu er innern.« »Wie redest du mit meinem Vater, deinem Abenwosch?«, brauste La kim auf. Sein schwarzes Haar war kurz geschoren, die Nase stand schief, was ihm ein verwegenes Aus sehen hätte geben sollen, in Scytims Augen jedoch nur lächerlich wirkte. Es erinnerte ihn stets an den alten Kampf, den sie miteinander ausge fochten hatten. Scytim wirbelte herum. »Kann der Alte nicht mehr für sich selbst spre chen?« Seine Stimme triefte vor Hohn. Abenwosch öffnete den Mund, und ihm entrang sich ein kehliges Stöh nen. Dumpfe, unartikulierte Laute folgten. Dann, endlich, nach peinli
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chen Momenten: »Das ... das kann ich no-och.« »Vater, du darfst ...« »Sei still.« Die Worte waren leise, kaum zu verstehen und doch von zwingender Gewalt. In diesen Se kunden ließ der Sterbende etwas von dem Charisma erahnen, das er einst besessen hatte. »Lass Scytim spre chen.« Das letzte Wort klang wie ein Seufzen, das aus der tiefsten Seele des alten Juclas kam. »Die Botschaft lautet, dass eine neue Zeit anbrechen wird.« Scytim zögerte einen winzigen Moment lang, den hilflosen Greis mit den Tatsachen zu konfrontieren. Doch dann schob er das Mitleid mit dem einstmals Mächtigen, der tief gefal len war, beiseite. »Nicht dein Sohn wird dein Nachfolger werden, son dern ich.« Lakim schrie auf, stieß Scytim an der Schulter. »Was fällt dir ein? Wie kommst du dazu ...« »Still, beide!« Der Abenwosch sprach lauter, als Scytim es ihm noch zugetraut hätte. Der Mund blieb of fen stehen, Speichel rann über das Kinn und versickerte im Kragen der Uniform. »Erkläre dich«, forderte er dann. »Diese sieben Kommandanten sind zusammen mit meinem Vater die Mächtigsten des Clans. Alle an deren werden dem folgen, was sie wünschen. Und sie alle plädieren dafür, dass nicht Lakim dein Nach folger wird, sondern ich. Eine neue genetische Herrschaftslinie muss entstehen. Es wird höchste Zeit.« »Mein Sohn wird das zu verhin dern wissen«, sagte der Abenwosch. Im Laufe des Gesprächs wurden sei
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ne Worte zunehmend sicherer. In sei ne totenbleiche Gesichtshaut kehrte etwas Farbe zurück. Der innere Auf ruhr schien ihm Kraft zu verleihen. »Nun lasst mich allein. Noch bin ich nicht tot. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Unsere Ressourcen werden knapp.« »Vater, du darfst sie nicht einfach gehen lassen!« »Darum wirst du dich kümmern«, waren die letzten Worte, die Scytim hörte, ehe sich das Schott des Emp fangsraums hinter ihm schloss. Da wusste er, dass der Kampf er öffnet war. Die nächsten Tage wür den die Entscheidung bringen. Scytim erstattete seinem Vater Pe lyr Bericht und versäumte nicht, über die Schwachheit des Aben wosch zu spotten. Das Mitleid, das ihn unwillkürlich immer wieder überkam, ohne dass er es verhindern konnte, verschwieg er. Der Kommandant der TIA zeigte sich sehr zufrieden. »Ich bin stolz auf dich, mein Sohn. Lakim wird keine Chance gegen dich haben.« »Was wird er tun? Er kann sich ge gen den Willen der versammelten Kommandanten nicht durchsetzen!« »Er weiß, dass wir sie alle in der Hand haben. Wenn er kein vollkom mener Narr ist, muss ihm klar sein, dass wir gegen ihn intrigiert haben. Er wird also versuchen, das Übel bei der Wurzel zu packen und dich und mich auszulöschen. Wir müssen mit allem rechnen.« Scytims Augen funkelten erregt. »Soll er nur kommen. Es wird sein Ende sein!« Aggression und Zorn stiegen in ihm auf, genau wie es ge netisch in seine Rasse gelegt worden
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war. Er war ein Krieger, und er woll te kämpfen! Der nächste Tag brachte Kampf, doch nicht für ihn. Der Abenwosch befahl einen Raubzug, um die Ressourcen des Komplexes aufzustocken. Der äuße re Schiffsring sprengte die Tuilerien ab und steuerte das Ziel an, eine ab gelegene Handelswelt der Loisooger in nur wenigen Lichtjahren Entfer nung. »Der Abenwosch ist ein Narr«, er klärte Pelyr seinem Sohn, als er da von erfuhr. »Er hat nicht genug In formationen eingeholt. Diese Han delswelt wurde erst vor kurzem von den Olkonoren geplündert. Danach wurde dem Handelsposten starker militärischer Schutz gewährt. Unser Anführer hat seine eigenen Schiffe ins Verderben befohlen!« Scytim nahm diese Information kühl zur Kenntnis. An das Schicksal der Schiffsbesatzungen dachte er nicht. Er sah nur die Möglichkeit, die sich ihnen dadurch bot. »Diese Fehlentscheidung werden wir zu un seren Gunsten ausnutzen«, rief er begeistert. Wenig später, noch ehe die ersten Nachrichten von Erfolg oder Misser folg des Raubzugs eintrafen, rief Pe lyr eine Versammlung der Komman danten der umliegenden Schiffe ein. Alle folgten seinem Ruf, denn die Gerüchte, dass sein Sohn schon bald der neue Abenwosch sein könnte, waren bereits in Umlauf gebracht worden. Niemand wollte sich mit dem künftigen Anführer schlecht stellen. Pelyr wiederholte die Anschuldi gungen öffentlich. »Der Blutzoll
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wird hoch sein«, beendete er die Er klärungen. »Und damit ist endgültig bewiesen, dass weder der jetzige Abenwosch noch sein Sohn fähig sind, den Clan zu führen. Jetzt, da der Vater dahinvegetiert, weder fä hig, zu leben noch zu sterben, hätte der Sohn eingreifen müssen! Dieser närrische Raubzug wird viele von uns das Leben kosten. Er gefährdet die Sicherheit des gesamten Kom plexes!« Weiter kam er nicht. Jemand bahnte sich rücksichtslos seinen Weg durch die Masse der Zu hörenden, stieß die neugierig herbei gelaufenen Kinder brutal zur Seite. Lakim! »Hört ihr, wie dieser Verräter über meinen Vater spricht? Über euren Abenwosch?« Seine Stimme war hasserfüllt. Er blieb direkt vor Pelyr stehen. »Ihr seid meine Zeugen, dass dieser Kommandant ein Lügner und ein Feind des Abenwosch und damit des kompletten Clans ist.« Lakims Hand fuhr in die Tasche seiner Uniform. Er zog einen Wurf dolch und presste die Schneide an Pelyrs Kehle, ehe dieser irgendetwas dagegen unternehmen konnte. Der Kommandant war von diesem kühnen Angriff offensichtlich völlig überrascht worden. »Du bist ein Narr, Lakim«, murmelte er kühl. »Du kannst mich nicht umbringen. Nimm den Dolch weg, ehe ...« »Der Narr bist du, dass du dich mir ausgeliefert hast!«, zischte La kim und kicherte. »Deine Rede hat mir genau den Vorwand geliefert, den ich benötigte, um dich aus dem Weg räumen zu können.« Laut fügte er hinzu: »Er ist ein
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Hochverräter, und er verdient den Tod! Ihr alle habt gehört, was er ge sagt hat. Er lästert dem Abenwosch! Womöglich ist er ein Verräter, der mit unseren Feinden gemeinsame Sache macht!« »Ein Kollaborateur!«, rief irgend jemand, und Empörung machte sich breit. »Entferne die Klinge von seinem Hals!«, übertönte eine barsche Stim me das aufgeregte Gemurmel der Menge. Scytim trat mit weit ausla denden Schritten vor, blieb in fünf Metern Entfernung von Lakim und seinem Vater stehen. »Wage es nicht, ihn zu töten oder ihn auch nur zu verletzen.« »Wage du es lieber nicht, näher zu treten«, erwiderte Lakim. Sein Ge sicht verzerrte sich zu einer Maske aus Wut und Entschlossenheit. Er drückte die Klinge ein wenig fester an den Hals seines Opfers. Sie schnitt in die Haut, einige Blutstrop fen quollen über das glänzende Me tall. »Lass dich nicht einschüchtern, mein Sohn!«, rief Pelyr. Nicht die ge ringste Angst lag in seiner Stimme. »Schweig!«, schrie Lakim mit sich überschlagender Stimme. Seine Hand, die den Dolch hielt, zitterte leicht. Die Schneide bohrte sich tie fer ins Fleisch. Der Kragen der Uni form färbte sich rot. »Ich werde niemals schweigen. Der Abenwosch ist ein Narr!« Lakim zog die Klinge durch. Ein Blutschwall ergoss sich über ihn. Pe lyrs hämisches Lachen erstarb in ei nem Gurgeln. Mit ungläubigem Aus druck in den Augen stand er noch einige Sekunden aufrecht, dann
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sackte er zusammen und blieb reglos liegen. Scytim zog seinen eigenen Wurf dolch und schleuderte ihn noch in derselben Bewegung. Die Waffe überschlug sich in der Luft. Das Me tall warf blitzende Reflexe. Die Klinge drang Lakim genau über der Nasenwurzel bis zum Schaft in die Stirn. Ein Aufschrei ging durch die Menge, als der Killer tot über seinem Opfer zusammenbrach. »Ich habe den Mörder meines Va ters gerichtet«, sagte Scytim laut, trat an die Toten heran, drückte Pe lyr die Augen zu und zog den Dolch aus Lakims Stirn. Die Trauer über seinen Verlust wurde von dem Wis sen überdeckt, dass ihm nun nichts mehr im Wege stand. Es gab genü gend Zeugen dafür, dass er eine not wendige Blutrache vollzogen hatte. Bald kamen die wenigen Schiffe zurück, die bei dem Überfall auf die Loisooger nicht zerstört worden wa ren. Ihre Kommandanten brachten schlechte Nachrichten. Es gab kei nen Zweifel daran, dass ihre Flucht hierher beobachtet worden war. Aus den Vektoren würden die Loisooger den Aufenthaltsort des Komplexes erschließen können. Der letzte Befehl, den der alte Abenwosch-Pecayl 965. gab, war die Flucht in den Kugelhaufen Schi mayn. Er starb, als er die Nachricht vom Tod seines Sohnes erhielt. Gegenwart Die letzten Stunden waren hek tisch gewesen, bestimmt von Tri umph, Trauer und Bürokratie.
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Scytim hatte die zeremonielle Verbrennung des verstorbenen Abenwosch vorbereitet, den Todes ritus für seinen Vater durchgeführt, der ehrlosen Beseitigung Lakims beigewohnt. Die kurzlebige Spezies der Juclas hatte viele Bräuche entwickelt, die sich mit dem allgegenwärtigen Tod beschäftigten. Außerdem hatte er die Umstruk turierung des Komplexes befohlen und sich mit Olmon auseinander ge setzt. Es war keine Zeit geblieben, klar und nüchtern nachzudenken. Und jetzt war es nicht mehr zu ändern. Ob es ein Fehler gewesen war oder nicht - die Schiffe des Clans waren nahezu vollständig zum Komplex verbunden. Sie waren weder zur Verteidigung noch zum Kampf be reit. »Kein Irrtum möglich?«, fragte Scytim den Kommandanten des Späherschiffs MIRA, nachdem die ser sekundenlang auf eine Antwort gewartet hatte. »Wir haben die Ortungsdaten mehrfach überprüft, Abenwosch. Ich schlage vor, dass sich alle Schiffe so schnell wie möglich kampfbereit machen.« Gegen ein Kampfgeschwader der Ganjasen hatten sie keine Chance und erst recht nicht gegen das, was noch geortet worden war. Doch wie war das überhaupt mög lich? Hier, im Halo Gruelfins, in ei nem völlig unbedeutenden Stern haufen? Abenwosch beendete die Funkver bindung, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Er musste die Tatsachen
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als gegeben hinnehmen. Er atmete tief durch. Obwohl alles in ihm wi derstrebte, obwohl er damit gegen seine Prägung, gegen seine Kondi tionierung handelte, beschloss er, friedlichen Kontakt zu den Ganja sen zu suchen. »Wir werden uns nicht kampfbe reit machen«, setzte er den Stellver tretenden Kommandanten Maliug und die anderen anwesenden Offi ziere in Kenntnis. »Ich werde ver handeln.« Nach seinem Befehl herrschte To tenstille in der Zentrale des neuen Flaggschiffs. Vielleicht, dachte Abenwosch, bin ich derjenige, der mein Volk einen Schritt weiterbringt auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Es ist sinnlos, diejenigen zu hassen, die uns als kurzlebige Soldaten schufen. Es bringt uns nicht weiter, die anderen zu verachten, denen ein längeres Le ben gegönnt ist. Wir müssen gegen das ankämpfen, was wir zu sein glauben. Doch was nützte eine Tugend wie Selbstbeherrschung angesichts des sen, was auf sie zukam? Welchem Geheimnis waren sie hier unverhofft auf der Spur? 4. Planet Ende Atlan: getäuscht, gerettet, gesprungen Zwei große feindliche Einheiten näherten sich meiner Position. Wie sollte ich mich verteidigen? Im Grunde hatte ich keine Chance. Das Zaqoor-Beiboot verfügte nicht über
die Möglichkeiten, sich effektiv zur Wehr zu setzen. Was sollte ich also tun? Fliehen, solange die Feinde noch nicht einge troffen waren? Das Beiboot verlas sen und mich irgendwo auf Ende verbergen? Der Planet war äußerst unwirtlich und bot nicht die Mög lichkeit, dort längere Zeit ohne Aus rüstung und Verpflegung zu überle ben. Narr! Mehr als dieses kurzen Impulses bedurfte es nicht. Nach allem, was in den letzten Stunden geschehen war, war mein logisches Denkvermögen offenbar immer noch eingeschränkt. Die Schmerzen in Arm und Kopf ta ten ihr Übriges dazu, dass ich nicht in gewohnter Geschwindigkeit rea gieren und analysieren konnte. Ich hatte die Situation völlig falsch eingeschätzt. Ich befand mich in einem Beiboot der Zaqoor, eines Volkes, das zu den Garbyor gehörte, den Truppen der Lordrichter. Wenn die sich nähernden Einheiten von den Ortungsgeräten als »feindlich« eingestuft wurden, war das für mich eine gute Nachricht! Jeder Feind der Zaqoor musste mein Freund sein. Nach wie vor gellte der Alarm durch die Zentrale der DYS-116. Ich stellte ihn ab und beschaffte mir an den Ortungsgeräten weitere Infor mationen. Zwei aneinander gekoppelte Pe dopeiler-Einheiten flogen auf Ende zu. Cappins, genauer gesagt Ganja sen! Ich kannte diese gewaltigen eiför migen Raumer der BAYT-Klasse, die bei einem Maximaldurchmesser von 200 Metern eine Länge von 800 Me
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tern aufwiesen. Ein solcher Pedo peiler hatte mich mit Hilfe einer Pe dotransmitterverbindung von der Milchstraße nach Dwingeloo ver setzt, wo ich im Transportfeld der kurz darauf zerstörten ERYSGAN materialisiert war. Wie kam ein Pedopeiler ausge rechnet dazu, nach Ende zu fliegen? Ein Zufall war nahezu ausgeschlos sen. Ich erinnerte mich an die letzten Sekunden vor dem Tod des anderen, meines Retters. Hatte er nicht zu er kennen gegeben, dass er Hilfe her beiholen würde? Offensichtlich hatte er durch die Macht des Flammen staubs ein letztes Mal die Wahr scheinlichkeit manipuliert und sich gewünscht, dass sich mir eine Mög lichkeit bot, Dwingeloo zu verlassen. Der Aufopferungswille meines Retters versetzte mich erneut in Er staunen. Wieder fragte ich mich, weshalb er derart selbstlos gehan delt hatte. Darauf wirst du nie eine Antwort erhalten. Diesem nüchternen Kommentar des Extrasinnes konnte ich nur zu stimmen. Es blieb keine Zeit, dar über nachzudenken. Ich musste han deln, ehe es zu weitreichenden Miss verständnissen kam. Ich kannte die internen Verschlüs selungskodes der Cappins. In der Milchstraße hatte ich lange in Kon takt mit Heroshan Offshanor gestan den, dem Kommandanten des dort positionierten Pedopeilers SYVE RON. Ich sandte eine Botschaft an die sich nähernden Cappins. Darin nannte ich meinen Namen in der be gründeten Hoffnung, dass er dem
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Kommandanten des Pedopeilers be kannt sein würde. Ich musste nicht lange auf Ant wort warten. »Hier spricht Aruma Cuyt, Kommandant der CAVAL DASCH. Du bist tatsächlich Atlan, der ehemalige Begleiter des Ewigen Ganjo?« Man erkannte in mir erneut den jenigen, der mit Ovaron persönlich unterwegs gewesen war, der bis heu te in weiten Teilen Gruelfins Ewiger Ganjo genannt wurde. »Der bin ich«, bestätigte ich und fügte hinzu: »Ein Freund der Cap pins.« Um die letzten Zweifel zu zer streuen, gab ich kurze Berichte über zerstörte Lordrichter-Einheiten und -Stationen in Dwingeloo. Im We sentlichen waren diese Kämpfe durch den Einsatz des Flammen staubs erfolgreich gewesen, den ich in mir getragen hatte. Aruma Cuyt stellte kurze Zwi schenfragen, wohl um meine Identi tät erneut zu überprüfen. Offen sichtlich antwortete ich zu seiner Zufriedenheit. »Du bist es also wirk lich«, schloss er. »Ich bin begierig, Genaueres zu erfahren. Ein äußerst merkwürdiger Zufall hat mich hier her geführt.« »Ich bitte mit der DYS-116 an Bord deiner CAVALDASCH kom men zu dürfen. Dort werde ich die sen ... Zufall erklären können.« Ich legte ganz bewusst eine Pause ein, um klarzustellen, dass es sich um al les andere als einen Zufall gehandelt hatte. »Deine Bitte ist dir gewährt. Ich werde veranlassen, dass du direkt zu mir geführt wirst. Wir haben einiges zu besprechen.«
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»Ich bitte, dass ich zuerst medizi nisch versorgt werde. Danach stehe ich dir gerne zur Verfügung.« Ich hoffte auf eine professionelle Be handlung des Unterarmbruchs. Die provisorische Schiene musste ent fernt und eine korrekte Operation durchgeführt werden. Die Mediziner der Cappins konnten bleibende Schäden verhindern. Aruma Cuyt stimmte zu, und kurz darauf startete ich das Zaqoor-Bei boot. Man öffnete mir eine Schleuse in einem der eiförmigen Raumer. Ich landete die DYS-116 im Hangar. Ein Trupp der Ganjasen empfing mich. Ein schlanker, breitschultriger Cappin trat vor und sprach mich an. »Folge mir in die Medostation. Dort wird man sich um dich kümmern.« Der Blick seiner eisgrauen Augen wanderte über meinen rechten Arm, und seine Lippen verzogen sich ver blüfft. »Deine Verletzung wird or dentlich versorgt werden.« Ich beachtete den leichten Spott nicht. Der Ganjase führte mich durch einige Gänge, ehe wir in ei nem Antigravschacht nach oben schwebten. Vor dem Eingang in die Medostation verabschiedete er sich mit knappen Worten. Ich trat ein und begab mich in die Hände einer Ärztin. Die junge Gan jasin wies mich an, auf einer Prit sche Platz zu nehmen, und führte ei ne rasche Untersuchung durch. »Wir werden eine Operation durchführen«, setzte sie mich in Kenntnis. »Außer den Knochen ist auch deine Unterarmmuskulatur in Mitleidenschaft gezogen. Etliche Fa sern sind gerissen. Außerdem wurde ein Nervenstrang beschädigt.« Sie
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sah mir tief in die Augen. »Die Schmerzen müssen unerträglich sein.« »Seit ich ein Schmerzmittel einge nommen habe, ist es auszuhalten.« Ich verschwieg, dass das Mittel kaum Linderung gebracht hatte. Außerdem dachte ich an die Stun den, ehe ich nach meinen Erlebnis sen auf Ende das Beiboot erneut er reicht hatte. Auch da hatte ich es notgedrungen ertragen müssen. »Du hast den Bruch selbst gerich tet und geschient?« In ihren braunen Augen las ich ebenso Erstaunen wie Bewunderung. Ich nickte. »Es war notwendig. Ich wusste nicht, wann Hilfe eintreffen würde.« Sie lächelte, und dabei fiel mir auf, dass sie hübsch war. Die kurz geschnittenen Haare besaßen exakt denselben Farbton wie ihre Augen. Ich fragte mich, ob es sich um eine Laune der Natur handelte oder ob sie dabei nachgeholfen hatte. Wahrscheinlich war das Letztere der Fall. »Nach der Operation wird es zwei bis drei Wochen dauern, bis dein Arm wiederhergestellt ist. Ich werde dir jetzt ein Betäubungsmittel ver abreichen. Du brauchst nichts zu be fürchten. Die Operation ist reine Routine.« Sie injizierte mir etwas in die linke Armbeuge. Ich sah mich nicht dazu genötigt, ihr zu erklären, dass der Zellaktiva tor den Heilungsprozess um die Hälfte beschleunigen würde, so dass nur mit einer Rekonvaleszenzzeit von maximal zehn Tagen zu rechnen war. »Es werden keine dauerhaften Be
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einträchtigungen zurückbleiben«, hörte ich noch, dann schlief ich ein. *
Ich erwachte mit bohrenden Kopf schmerzen, die inzwischen zur bitte ren Normalität geworden waren. Ich wusste, dass sie nichts mit der Ope ration oder mit Nachwirkungen der Betäubung zu tun hatten, sondern auf die Restmengen des Flammen staubs in meinem Körper zurückzu führen waren. Das mir bereits bekannte schmale und ebenmäßige Gesicht der ganja sischen Ärztin tauchte in meinem Blickfeld auf. »Es gab wie erwartet keine Komplikationen«, setzte sie mich in Kenntnis. »Wie fühlst du dich?« »Hervorragend«, log ich mit leicht gequältem Gesichtsausdruck. »Ich danke für deine Hilfe.« »Du solltest noch liegen bleiben. Ich werde unseren Kommandanten Aruma Cuyt informieren, dass du er wacht bist. Er möchte mit dir spre chen. Ich werde ihm sagen, dass er aus medizinischen Gründen hierher kommen muss.« »Wie lange war ich betäubt?« »Etwas mehr als eine Stunde.« Sie sagte es mit eigenartiger Betonung. »Was ist?« Sie zögerte, lächelte scheu. »Dein Körper zeigt erstaunliche Reaktio nen. Du bist früh erwacht.« Ich verspürte keine Lust, weiter darüber zu diskutieren und das Ge spräch damit auf den Zeilaktivator und seine Auswirkungen zu lenken. »Ich bin an Verletzungen und kör perliche Schmerzen gewöhnt«, wich
ich aus und schloss demonstrativ die Augen. »Ich rufe den Kommandanten«, meinte sie leicht pikiert. Ich hielt die Augen weiter ge schlossen und nutzte die Ruhezeit, um nachzudenken. Der Pedopeiler bot mir die Möglichkeit, in die Milchstraße zurückzukehren. Es war ein wirklicher Glücksfall wenn dieses Glück auch keinesfalls auf einen Zufall zurückzuführen war. Ich musste Aruma Cuyt dazu überreden, eine Pedotransmitter verbindung in die heimatliche Ga laxis aufzubauen. Ich legte mir eine Strategie zu recht, wie ich den Kommandanten überzeugen konnte. Die Ärztin, de ren Namen ich noch immer nicht kannte, kam zurück und riss mich aus den Gedanken. Obwohl ich die Augen nach wie vor geschlossen hielt, bemerkte ich ihre Annäherung schon, ehe sie mich am Arm berühr te. »Versuch dich aufzusetzen«, sagte sie. Unser zurückliegendes Gespräch erwähnte sie mit keinem Wort. Ich bemerkte, dass eine gewisse Kühle in ihren Worten lag. Es gelang mir ohne Schwierigkei ten, mich zu erheben, wenn man da von absah, dass sich die Kopf schmerzen durch die Bewegung ver stärkten. Ein sengender Pfeil schien sich in meine Augenhintergründe zu bohren. »Du hast Schmerzen«, stellte sie fest. Sie war eine gute Beobachterin, was eine wichtige Voraussetzung für ihren Beruf bildete. »Nichts, was mit dem Armbruch zu tun hat. Du hast sehr gute Arbeit
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geleistet ... Ich weiß nicht einmal deinen Namen.« »Alyc Timlyn.« Sie fasste meinen Arm, hob ihn an und streckte ihn. Das verursachte keine weiteren Schmerzen. »Wenn du über deine Probleme re den willst, wende dich an mich.« Sie bog und streckte jeden einzelnen meiner Finger. »Der Kommandant wird gleich eintreffen. Wenn dich das Reden zu sehr mitnimmt und dir übel wird, rufe mich. Es ist möglich, dass es dich überanstrengt. Ich kann deinen Kreislauf mit Medikamenten unterstützen.« »Das wird nicht nötig sein«, versi cherte ich. Zum ersten Mal seit mei nem Erwachen betrachtete ich mei nen Arm genauer. Der Bereich zwi schen Handgelenk und Ellenbogen lag unter einem dichten Verband verborgen. Ich spürte nichts außer starker Kälte. Als ich die Ganjasin darauf an sprach, erklärte sie: »Die Kälte lin dert die starke Schwellung des Ge webes. Ich habe eine spezielle Salbe aufgetragen, ehe ich dir den Verband angelegt habe.« Da öffnete sich das Schott der Me dostation, und Aruma Cuyt traf ein. Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass es sich um ihn handelte. Er war groß, muskulös und strahlte ein starkes Charisma aus. Er trug seine Uniform mit sichtlichem Stolz. »Atlan«, begrüßte er mich. Ich er kannte seine befehlsgewohnte Stim me wieder, die ich bereits über Funk gehört hatte. Ich erhob mich. »Kommandant, ich danke dir für deine Hilfe.« Er nickte knapp und blickte mir in
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die Augen. Dann kam er direkt zur Sache. »Ich habe lange nachgedacht. Lass mich dir schildern, was gesche hen ist, Atlan, ehemaliger Begleiter Ovarons. Die CAVALDASCH befand sich im Überlichtflug, als urplötzlich ein Triebwerksschaden auftrat und uns zwang, in den Normalraum zu rückzukehren. Höchst ungewöhn lich.« Etwas Raubtierhaftes zog in sei nen Blick ein. Er neigte den Kopf nach vorne und strich sich durch die kurzen schwarzen Haare. »Doch da mit nicht genug, erfolgte der Rück sturz innerhalb eines Sonnensys tems, und zwar ganz in der Nähe ei nes unbewohnten Planeten, auf dem wir bei einer routinemäßigen Ortung die Emissionen eines Zaqoor-Bei boots feststellten. Und in diesem Boot befand sich niemand anders als du, Atlan. Eine der bedeutend sten Persönlichkeiten in unserem gegenwärtigen Kampf gegen die Garbyor und ihre Herren, die Lord richter. Ein bemerkenswerter Zu fall.« »Wie ich dir schon über Funk mit teilte, handelte es sich um alles an dere als einen Zufall.« »Ich bin nicht geneigt, an so etwas wie Schicksal oder Vorherbestim mung zu glauben.« »Davon rede ich nicht«, stellte ich klar und erwähnte den Flammen staub und seine Fähigkeit, die Wahr scheinlichkeit zu manipulieren. Die genaueren Umstände ließ ich aller dings unerwähnt. Ich war davon überzeugt, dass der mysteriöse Triebwerksschaden der CAVAL DASCH von meinem sterbenden Retter »gewünscht« worden war. Der
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andere hatte mir damit eine Mög lichkeit geschaffen, in die Milchstra ße zurückzukehren. Aruma Cuyt schien der unge wöhnlichen Erklärung Glauben zu schenken. »Ich hörte davon, welche Schlachten in Dwingeloo stattge funden haben«, sagte er. »Auch deine Rolle darin blieb nicht unerwähnt. Es gibt vermutlich zurzeit keinen einzigen Cappin in ganz Dwingeloo, der nicht von Atlans großen Taten gehört hat. Du hast den Lordrich tern große Niederlagen zugefügt. Dafür ist dir jeder Cappin zu Dank verpflichtet.« Ich berichtete ihm nähere Einzel heiten über die Kämpfe, die unter meiner Leitung geführt worden wa ren. Cuyt wiederum konnte mir an dere strategische Details zur Lage der Auseinandersetzungen liefern. Dabei erklärte er auch, warum er sich hier in Dwingeloo aufhielt. »Die CALVADASCH ist nicht der einzige Pedopeiler, der sich in dieser Galaxis befindet. Wir bilden die Rückende ckung für die ERYSGAN, die bereits vor längerer Zeit hier stationiert wurde. Ich bin auf dem Weg, mich mit der ERYSGAN und deren Kom mandanten Toragasch zu treffen.« Die Worte trafen mich hart und verursachten ein flaues Gefühl. Er neut hatte ich eine Information wei terzugeben; Worte, die Aruma Cuyt überhaupt nicht gefallen würden. »Ich habe eine schlechte Nachricht für dich. Die ERYSGAN bildete die Empfangsstation für mein Schiff,« oder für Kytharas Schiff, durchzuck te es mich - »als ich hierher nach Dwingeloo reiste. Schon zum Zeit punkt meiner Ankunft wurde die
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ERYSGAN von den Garbyor schwer attackiert und kurz darauf zerstört.« Aruma Cuyts Miene versteinerte. »Ich kannte Kommandant Tora gasch seit meiner Kindheit«, sagte er schließlich. Seine Lippen entblößten breite Zähne. »Sein Tod ist ein schwerer Verlust für unser Volk. Nicht der einzige, den wir in diesen Tagen zu beklagen haben.« »Du hast mein Mitgefühl.« »Wir haben den Pedoleitstrahl der ERYSGAN seit geraumer Zeit nicht mehr anpolen können. Wir befürch teten schon lange, dass dort eine Ka tastrophe stattgefunden hat. Doch wir konnten uns nie sicher sein. Dei ne Worte bestätigen unsere schlimms ten Befürchtungen.« Seine Gesichts züge verhärteten sich. »Wer ermög lichte dir den Pedotransfer hierher?« »Heroshan Offshanor. Sein Pe dopeiler in der Milchstraße trägt den Namen ...« »Ich weiß von Offshanor und der SYVERON«, unterbrach mich der Kommandant. »Wir müssen über et was anderes sprechen, Atlan. Die Macht der Lordrichter in Dwingeloo ist gebrochen.« Ich hörte seiner Stimmlage an, dass er offensichtlich dieselben Schlussfolgerungen wie ich gezo gen hatte. »Was nichts anderes be deutet«, ergänzte ich, »als dass sie den anderen Orten, an denen sie nachweislich tätig sind, größere Aufmerksamkeit zuwenden wer den.« Ein Schatten legte sich über das Gesicht meines Gegenübers. »Und um es beim Namen zu nennen, wer den sich die Lordrichter um die bei den Galaxien kümmern, die unsere
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Heimat bilden. Mein Gruelfin und deine Milchstraße.« »Ich möchte dich bitten, dass du mir den Transfer in die Milchstraße ermöglichst.« Ich beobachtete ihn bei diesen Worten genau. »Ich muss wissen, welche Zustände dort inzwi schen herrschen.« Ich war am 2. Juni 1225 NGZ nach Dwingeloo vorgestoßen, vor mittler weile fast vier Monaten. Was war in dieser Zeit geschehen? »Ich kenne die genaue Position der SYVERON. Sie wartet dort, bis mir die Rückkehr möglich ist.« Dabei war ursprünglich natürlich an eine Rückkehr mit Hilfe der ERYSGAN gedacht worden, bevor alles anders gekommen war. »Ich bin geneigt, dir diesen Wunsch zu erfüllen«, entschied Aru ma Cuyt zu meiner Erleichterung. »Ich kann dir damit im Namen mei nes Volkes für deine Hilfe danken.« »Dann bitte ich dich den Transfer vorzubereiten, während ich in der Medostation bin. Ich möchte keine Zeit mehr verlieren.« Eifer hatte mich gepackt. Noch vor wenigen Stunden war es unmöglich erschie nen, in absehbarer Zeit die Milch straße erreichen zu können; jetzt lag die Rückkehr greifbar nahe vor mir. Wenn die beiden eiförmigen Raumer, die gemeinsam den Pe dopeiler CAVALDASCH bildeten, sich trennten, konnte zwischen ih nen ein Transportfeld aufgebaut werden. Die SYVERON bildete die Empfangsstation, an der der tech nisch erzeugte Pedoleitstrahl endete. Danach konnte ich mit der DYS-116 durch die Pedotransmitterverbin
dung den Sprung in die Milchstraße durchführen. Dazu fädelten sich die Ganjasen an Bord der DYS-116 in den Pedo leitstrahl ein und transportierten sich und das komplette Beiboot samt Inhalt bis zur Empfangsstation. Offshanors SYVERON befand sich 2763 Lichtjahre von Vassantor ent fernt im Ortungsschatten einer na menlosen Sonne. »Ich werde alles organisieren und mich so schnell wie möglich wieder bei dir melden«, sagte Aruma Cuyt. *
Ich verbrachte die nächste Stunde in der Medostation. Alyc Timlyn un tersuchte mich noch einmal und war sichtlich zufrieden. Ich saß wie auf glühenden Kohlen. Die Fragen, die in mir aufstiegen, verdrängten erstmals das schreckli che Geschehen auf Ende. Was war zwischenzeitlich auf Arkon gesche hen oder im Sol-System, was mit all den Freunden und Wegbegleitern, die ich zurückgelassen hatte? Ich wartete ungeduldig auf Aruma Cuyts Rückkehr. Als der Kommandant endlich die Medostation betrat, lag ein freundli ches Lächeln auf seinen Zügen. »Ich freue mich, dir mitteilen zu können, dass deiner Heimkehr nichts im We ge steht«, begrüßte er mich. »Aller dings möchte ich dich bitten, uns die DYS-116 zur Verfügung zu stellen. Das Zaqoor-Beiboot könnte uns möglicherweise Aufschlüsse über die Technik der Garbyor bringen. Ich weiß, dass wir unsere Erwartun gen nicht zu hoch schrauben dürfen,
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aber vielleicht ergibt eine genaue Untersuchung etwas.« »Das sollte machbar sein.« »Im Austausch stelle ich dir die AVACYN zur Verfügung.« Er lachte rau. »Es ist eines unserer Beiboote, das im Übrigen wesentlich leis tungsfähiger ist als die DYS-116. Die AVACYN gehört der NAMEIREKlasse an. Zehn Besatzungsmitglie der. Die Kommandantin Carmyn Oshmosh wird dich auf deinem Sprung begleiten.« Wie auf ein Stichwort hin betrat eine hagere Ganjasin die Medostati on. Dunkle Augen blickten aus ei nem Gesicht, das von tiefschwarzem Haar umrahmt wurde und von vie len Falten durchzogen war. Sie hielt die Schultern eingezogen. »Die AVA CYN steht unter meinem Komman do. Meine Mannschaft wird dich an dein Ziel bringen«, sagte sie leise. Auf den ersten Blick erkannte ich, dass sie über keinerlei Selbstbe wusstsein verfügte. Ich fragte mich, was sie für den Posten als Komman dantin qualifiziert haben mochte. »Ich danke dir.« Ich ließ mir meine Zweifel nicht anmerken. »Ich bin auf dem Weg zu meinem Beiboot«, erklärte sie. »Du kannst mich begleiten.« »Wenn Kommandant Cuyt einver standen ist?« Dieser nickte. »Es ist alles geklärt. Die Trennung der Einzelraumer ist bereits eingeleitet, das Transportfeld wird in Kürze aufgebaut werden.« Ich verabschiedete mich von Aru ma Cuyt und fragte mich, ob ich ihn jemals Wiedersehen würde. *
Carmyn Oshmosh ging neben mir. Jetzt erst fiel mir auf, dass tiefe Rin ge unter ihren Augen lagen. Ohne mich anzuschauen, dozierte sie: »Die AVACYN besitzt leistungs starke Impulstriebwerke. Der maxi male Überlichtfaktor liegt bei 45 Millionen. Sie verfügt über zwei Initialstrahler, zwei Initial-Doppler geschütze, einen Initial-Punktator, außerdem Thermo- und Impuls strahler sowie ...« Ich nahm die Daten in mich auf, hoffte jedoch, dass ich niemals in Verlegenheit kommen würde, die Bordbewaffnung in Aktion erleben zu müssen. »Wann bist du geboren?«, fragte ich die hagere Ganjasin, als sie eine Pause machte. Leicht verwirrt sah sie mich an, ehe sie antwortete. Ich errechnete, dass sie 1176 NGZ geboren war. Ehe ich ein Gespräch in Gang bringen konnte, ratterte sie weitere Daten der AVACYN herunter und listete die derzeitigen Besatzungsmitglie der auf. So kam es, dass ich die Pilotin My reilune namentlich begrüßen konn te, als wir die Zentrale des Beibootes betraten. Sie hatte ihr Haar hell ge färbt, was ungewöhnlich für eine Ganjasin war. Sie war fast doppelt so alt wie ihre Kommandantin und war stark geschminkt. Sie bedachte mich mit einem langen Blick und wirkte hocherfreut, dass ich ihren Namen kannte. »Es ist mir eine Eh re, dich in deine Heimat bringen zu dürfen«, erklärte sie. Ich wiegelte sie mit einer Floskel ab. »Ich hörte von deinen Großtaten während der Kämpfe gegen die
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Garbyor.« Myreilune war ihre Be geisterung deutlich anzumerken. »Es gibt viele Berichte, geradezu un glaubliche Nachrichten. Was davon ist wahr?« »Vielleicht kommen wir irgend wann dazu, die Gerüchte mit den tatsächlichen Ereignissen zu verglei chen.« Ich wandte mich wieder Car myn Oshmosh zu. Die Kommandan tin stand schweigend neben uns. Die Pilotin der AVACYN ließ sich nicht abspeisen. Sie redete unabläs sig weiter, verwickelte mich in ein Gespräch, obwohl meine Antworten recht einsilbig blieben. Carmyn Oshmosh entfernte sich schließlich ohne ein weiteres Wort, überließ mich ganz ihrer Pilotin. Dieses Verhalten nahm ich mit Be fremdung zur Kenntnis. Myreilune schien durch die Wucht ihrer Per sönlichkeit über ihre schüchterne Kommandantin zu dominieren. »Wie hast du diese Heldentaten nur vollbringen können?«, fragte Myreilune. »Ich bewundere dich und kann es kaum glauben, dir von An gesicht zu Angesicht gegenüberzu stehen.« Ich nickte höflich, schwieg aber. Daran störte sie sich nicht. »Meine Familie steht seit fünf Generationen im Dienst der ...« Ich schaltete innerlich ab. Weitere Besatzungsmitglieder lernte ich nicht mehr kennen. Die Startfreiga be erfolgte und erlöste mich vom Re deschwall der Pilotin. Sie lenkte die AVACYN in den freien Weltraum und wendete das Schiff. Wir näherten uns dem akti vierten Transportfeld und rasten hinein.
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Die so lange vermisste Heimat wartete auf mich! 5. Im Kugelhaufen Schimayn:
Zeichen der Zeit
»Kein Zweifel möglich!«, sagte Abenwosch-Pecayl 966. zu Maliug, dem Stellvertretenden Komman danten des Flaggschiffes TIA. Um ihn herum herrschte hektischer Be trieb in der Kommandozentrale. »Es handelt sich um eine PedopeilerSammeleinheit.« »Abgesichert von mehreren kampfkräftigen Schiffen der Ganja sen«, ergänzte Maliug. Abenwosch glaubte zu wissen, dass es nicht viele dieser gewaltigen Einheiten gab, die in der Lage wa ren, ein Transportfeld über etliche Millionen Lichtjahre aufzubauen. »Seit vielen Generationen wurde kein Pedopeiler mehr im Halo von Gruelfin gesichtet«, murmelte der Anführer des Ercourra-Clans nach denklich. »Was hat das zu bedeuten?« »Was sollen wir tun, Abenwosch?« »Meine Entscheidung hat sich nicht geändert!«, antwortete er ag gressiv. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Ich werde Kontakt auf nehmen und verhandeln.« »Überdenke deinen Entschluss«, riet Maliug. »Ein Kampf ...« »Ein Kampf würde tödlich für uns enden«, unterband Abenwosch jedes weitere Wort. »Wir können den Kurs nicht mehr ändern. Wir sind bereits entdeckt worden. Selbst eine radi kale Absprengung aller Tuilerien würde uns nicht schnell genug die
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Flucht ermöglichen oder Kampfbe reitschaft herstellen.« »Der Kommandant des Pedopei lers sucht Kontakt«, setzte der Lei ter der Abteilung Funk und Ortung ihn in Kenntnis. Abenwosch atmete tief ein. Nun war es also so weit. Jetzt würde sich zeigen, ob er den Anforderungen als Anführer gewachsen war. Einen Au genblick lang dachte er wehmütig an seinen Vater. Außerdem werde ich in den ersten Jahren da sein, um dich zu beraten, hatte er gesagt. War das wirklich erst zwei Tage her? So viel war seitdem geschehen. Vor Abenwoschs Augen stieg das grausame Bild auf, als Lakim die Klinge durch den Hals seines Vaters gezogen hatte. Wieder sah er das Blut und den ungläubigen Ausdruck in den gebrochenen Augen seines Vaters, erinnerte sich, wie er tot zu Boden gestürzt war. Doch ebenso fühlte er erneut die Befriedigung, die es ihm gebracht hatte, den Dolch zu schleudern und seinem Konkur renten das Leben zu nehmen. Abenwosch riss seine Gedanken gewaltsam in die Gegenwart zurück. »Leg das Gespräch auf meine Kon sole!«, befahl er. »Kommandant Sabylchin von der MARKASCH«, ertönte kurz darauf eine nüchterne Vorstellung. »Abenwosch-Pecayl 966. des Er courra-Clans der Juclas«, erwiderte er kühl. Er konnte aus der Stimm lage des anderen nicht auf dessen Gemütsverfassung schließen. »Wir haben keinerlei feindliche Absich ten.« Ein abgehacktes, völlig humorlo ses Lachen drang aus dem Lautspre
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cher. »Das würde euch auch nicht gut bekommen, Abenwosch.« »Was wünschst du? Wir haben an deres zu tun.« Er wusste, dass diese Worte kühn gewählt waren. Er woll te keineswegs zugeben, dass sie sich in einer nahezu ausweglosen Lage befanden, falls sich die Ganjasen zu einem Angriff entschließen sollten. Deshalb spielte er Selbstsicherheit vor, die er keineswegs empfand. Sabylchin ging auf die Provokati on nicht ein. »Ich frage mich, was ein Clan der Juclas ausgerechnet hier zu suchen hat.« »Dieselbe Frage könnte ich dir stellen.« Eine kurze Pause entstand. »Deine Schiffe sind zum Komplex-Modus verbunden. Die MARKASCH hinge gen ist ebenso kampfbereit wie die Schiffe meines Begleitschutzes. Du bist nicht in der Position, Fragen zu stellen, sondern tätest gut daran, sie zu beantworten.« In Abenwosch brannte Ärger auf. Mit äußerster Anstrengung zwang er sich, äußerlich ruhig zu bleiben. Dennoch bebte seine Stimme, als er fortfuhr. »Wir sind bereit, dieses Ge biet zu verlassen, wenn du es wünschst, Sabylchin.« Dieses Einge ständnis der Hilflosigkeit entfachte die Flamme der Wut in ihm noch stärker. Doch es war unabdingbar notwendig, sich zu demütigen. »Auf dieser Basis können wir zu sammenkommen. Deine Einsicht ehrt dich. Also lass es mich klar aus drücken: Du hast hier nichts zu su chen.« Aber du?, dachte Abenwosch un willkürlich. Fast hätte er die Worte laut ausgesprochen und damit das
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bisher Erreichte zunichte gemacht. Er musste diplomatisch bleiben. »Du wirst dich mit deinem Clan von hier zurückziehen und die Be gegnung mit uns augenblicklich und unwiederbringlich vergessen. Ich bin ein besonnener Mann, und dar über solltest du froh sein. Doch den ke immer daran, dass du dich in Ge fahr begibst, falls du jemals irgend jemandem von unserer Begegnung berichten solltest.« »Ist das eine Drohung?« »Wer sich in Gefahr begibt, wird darin umkommen.« »Das ist keine Antwort.« »Zieh dich zurück, Abenwosch, und sei froh, dass du ausgerechnet auf mich getroffen bist. Ein anderer wäre nicht so nachsichtig mit dir. Dieser Tag hätte für dich und deine Sippen einen völlig anderen Verlauf nehmen können. Ich erwarte, dass du dich augenblicklich entfernst. Sabylchin Ende.« Die Verbindung war unterbro chen, ehe Abenwosch noch etwas er widern konnte. Er starrte noch einige Sekunden lang die Kommandokonsole an. »Du hast es gehört«, befahl er dem Pilo ten. »Rückzug! Wir verschwinden von hier.« *
»Wie kann dieser Ganjase es wa gen, so mit uns zu sprechen?«, schrie der Stellvertretende Kommandant und schlug mit der Faust gegen seine Konsole. »Er hat uns gedroht! Das können wir nicht auf uns sitzen las sen!« »Schweig, Maliug!«, rief Aben
wosch scharf. »Wir werden uns zu rückziehen, weil wir sonst sterben!« In der Kommandozentrale machte sich wütendes Gemurmel breit. »Kein Jucla darf sich so etwas gefal len lassen!« - »Wir müssen zurück schlagen!« - »Noch nie ist so etwas geschehen.« Worte wie »Beleidi gung« und »Ehre« machten die Run de. Abenwosch nahm das Geschehen scheinbar ungerührt hin. Er wusste, dass er jetzt nicht den Kopf verlieren durfte. Dies war seine Bewährungs probe, und er würde sie bestehen. Er würde nicht zulassen, dass der ge samte Clan in den Untergang geris sen wurde. »Rückzug!« Sein erneu ter Befehl übertönte den Lärm. »So fort!« Der Pilot zeigte keine Reaktion. Abenwoschs Gestalt straffte sich. »Führe sofort meinen Befehl aus oder verlasse deine Station und stirb! Ich dulde keine Rebellion!« Seine Stimme war kalt wie ein Eis hauch. In der Zentrale verstummte jedes Wort. Eisige Stille herrschte, die erst durch eine Meldung des Piloten un terbrochen wurde. »Der Komplex wird sich entfernen«, meldete er nüchtern und gab einen Kurs ein. Die Daten wurden an die übrigen Schiffe des Komplexes überspielt und mit den dortigen Bordrechnern synchronisiert. »An die Arbeit!«, rief Maliug. »Habt ihr nichts zu tun? Aben wosch-Pecayl 966. erwartet ein rei bungsloses Funktionieren des Bord ablaufs.« Zufrieden bemerkte Abenwosch, dass der Stellvertretende Komman
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dant den kompletten Ehrentitel aus gesprochen hatte. Er hatte die Re bellion im Keim erstickt. Wenn ihm das nicht gelungen wäre, wäre seine Autorität für alle Zeiten zerstört ge wesen. Für alle Zeiten? Das Ende al ler Zeiten wäre in diesem Fall wohl schon in wenigen Augenblicken in Form eines massiven Angriffs der Ganjasen angebrochen. »Folge mir in den Besprechungs raum, Maliug«, verlangte Aben wosch. Während der Komplex seine Flug richtung änderte und auf neuen Kurs ging, verließ Abenwosch die Zentrale und suchte den daneben liegenden Besprechungsraum auf. Dort ließ er sich am Tisch nieder. Er musste nicht lange warten, bis Mali ug ebenfalls eintrat und sich das Schott hinter ihm schloss. Abenwoschs Backenzähne mahl ten aufeinander. Durch seinen aus geprägten Überbiss berührten sich die Schneidezähne kaum. Er warf dem Stellvertretenden Komman danten des Flaggschiffes einen durchdringenden Blick zu, sprach jedoch kein Wort. Das war auch nicht nötig. Er bot Maliug keinen Platz an. Diese Geste zeigte über deutlich, wie ernst es ihm war. Maliug wand sich unbehaglich. »Es tut mir Leid, Abenwosch. Ich habe für einen Augenblick die Be herrschung verloren.« »Mehr hast du nicht zu sagen?« »Ich danke dir dafür, dass du mich zu dir gerufen hast. Ich hoffe, dass dein Vertrauen zu mir wiederherge stellt ist.« »Ich erwarte absoluten Gehorsam in Krisensituationen«, stellte Aben
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wosch klar. »Es war mir gelungen, einen Kampf mit den Ganjasen zu verhindern, und im nächsten Mo ment fällst du mir in den Rücken! Warum sollte ich dir noch vertrauen? Vertrauen ist keine Bringschuld, Maliug. Man muss es sich verdie nen.« »Ich war deinem Vater stets ein guter Stellvertreter, seit vielen Jah ren. Das weißt du.« »Er hat immer positiv von dir ge sprochen«, bestätigte Abenwosch. »Solange ich denken kann.« Und darüber solltest du froh sein. »Dein Vorgehen war weise«, lobte Maliug. Abenwosch versuchte, diese letz ten Worte einzuschätzen. Bemühte sich Maliug nur, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, oder war er wirklich davon überzeugt? »Du hast dich nicht von deinen In stinkten leiten lassen wie wir ande ren. Jeder von uns hätte uns in die Schlacht und damit in den Tod ge führt.« »Ist dir klar, was dann letzten En des geschehen wäre?«, erwiderte Abenwosch leise. »Die, die uns zu dem machten, was wir sind, hätten triumphiert! Wir hätten genauso ge handelt, wie sie es vor Jahrtausen den bestimmten.« Er zog die Augen brauen hoch. »Aber wir müssen un serer Konditionierung widerstehen! Anders handeln, als wir es immer getan haben! Darin liegt der Weg in unsere Zukunft, und dann werden wir eines Tages die wahren Sieger sein.« Maliug nickte stumm. Er bringt keine weiteren Schmei cheleien vor, erkannte Abenwosch.
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Auch hat er meinen Ehrentitel nur ein einziges Mal komplett ausge sprochen, draußen, als alle anderen es hören konnten. Als es wirklich zählte und ihn etwas kostete. Dieser Gedankengang überzeugte ihn von der Ehrlichkeit seines Gegenübers. »Du wirst deinen Posten behal ten«, entschied er. »Bis auf Weiteres übergebe ich dir das Kommando über die TIA. Ich muss in meiner Ei genschaft als Anführer dieses Clans wichtige Dinge bedenken. Koordi niere du unseren Rückzug. Suche ei ne Gegend, die frei ist von jeglichem Schiffsverkehr.« Maliug machte sich auf, den Be sprechungsraum zu verlassen und in die Kommandozentrale zurückzu kehren. Als er das Schott erreicht hatte, hielt Abenwosch ihn zurück. »Eins noch. Nimm Kontakt mit Kommandant Sabylchin auf und tei le ihm mit, dass es einige Zeit dauern wird, einen Kursvektor für den Komplex zu errechnen. Und wenn du ihn nicht mehr länger hinhalten kannst, wähle keine allzu große Fluggeschwindigkeit.« *
Der nächste Schritt kostete Aben wosch erneut Überwindung. Aber er wusste, dass er Hilfe brauchen konn te. Einen Rat, den sein toter Vater ihm nicht mehr geben konnte. Er, nahm Kontakt zum alten Ol mon auf. »Wenn du mich sprechen möchtest«, antwortete dieser über die Kommunikationsanlage, »erwar te ich dich in meiner Kabine.« Abenwosch überlegte zuerst, den Alten zu sich zu befehlen, entschied
sich jedoch anders und schluckte seinen Stolz hinunter. Es würde oh nehin schneller gehen, wenn er sich selbst auf den Weg machte. Er hatte keine Zeit zu verschwenden. Er verließ die TIA, nutzte Trans portbänder, eilte durch eine Unzahl Tuilerien und stand bald dem grei sen Jucla gegenüber. Wieder einmal. »Vor zwei Tagen in der großen Tui lerie bat ich dich, mich bald aufzu suchen«, sagte Olmon zufrieden, als sie sich am Tisch gegenübersaßen. »Ich freue mich, dass du dieser Ein ladung gefolgt bist. Du hast erkannt, dass das Ungestüm der Jugend nicht alles ist, Abenwosch?« »Ich war bereits gestern bei dir«, erinnerte er. Olmon winkte ab. »Dabei ging es nicht um den Kern der Sache. Diese Begegnung zählt nicht. Dennoch musste ich mit Bedauern feststellen, dass du meinem Rat nicht gefolgt bist. Das war ein Fehler. Du hast ei ne falsche Entscheidung getroffen.« Das habe ich in der Tat, dachte Abenwosch. Aber nicht so, wie du denkst. Sein Fehler war es gewesen, die Schiffe des Clans nicht kampfbe reit zu machen, sondern den Kom plex umzustrukturieren. Dass er zu diesem Zweck die alten Tuilerien zerstört hatte, bereute er nicht. »Ich will dich davon in Kenntnis setzen, was geschehen ist«, sagte er, ohne näher auf die Bemerkung des Alten einzugehen. »Also benötigst du die Dienste ei nes Beraters?« Olmon kicherte rau. »Es ehrt mich, dass du dabei an mich gedacht hast.« »Du hast meinem Vorgänger als Berater gedient.«
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»Und als Freund.« »Das qualifiziert dich dazu, auch mir einen Rat zu geben.« »Ich nehme dein Friedensangebot an.« Die Worte berührten Abenwosch unangenehm. Er fühlte sich immer stärker zu Olmon hingezogen. Er be richtete dem Greis von der Begeg nung mit der MARKASCH und dem Gespräch mit Kommandant Sabyl chin. »Du hast den Rückzug befohlen«, wiederholte Olmon bedächtig. »Da mit hast du eine gute Entscheidung getroffen, die ich dir nicht zugetraut hätte. Es steckt mehr in dir, als ich bislang glaubte.« Schwerfällig erhob er sich und wanderte in der engen Kabine hin und her. Einen Moment lang fühlte sich Abenwosch, als sei er wieder der junge Scytim und rede mit seinem Vater. Er verdrängte den Gedanken ebenso wie das in ihm aufblitzende Bild blutbesudelten Metalls und blickloser, starrer Augen. »Meine Mannschaft drängt es danach zu kämpfen.« »Es wäre ein Kampf gewesen, der uns alle vernichtet hätte.« »Was wäre, wenn wir jetzt den Komplex auflösen, in Kampfforma tion gehen und zurückkehren? Die Ganjasen sind uns überlegen, aber ein Sieg ist möglich!« »Bist du bereit, gleich nach dei nem Amtsantritt zum Verräter zu werden, nur um die Gelüste deiner Untergebenen zu befriedigen? Bist du bereit, einen hohen Blutzoll zu zahlen, nur um möglicherweise ei nen unehrenhaften Sieg zu errin gen?« Wie zufällig wanderte Olmons
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Hand über die Tischplatte und strich mehrfach über die Kerbe, die der Wurfdolch Abenwoschs gestern hin terlassen hatte. »Das bin ich nicht, und das weißt du.« »Ich sehe dir an, dass du in Wirk lichkeit über etwas ganz anderes nachdenkst.« »Was würdest du tun?«, fragte Abenwosch ablenkend. Er war an der Meinung des Alten tatsächlich interessiert. Zwischen ihnen herrsch te eine stille Übereinkunft, ein wachsendes Vertrauen. Der Alte schwieg einen Augen blick. »Hier im Halo Gruelfins ist heimlich ein Pedopeiler stationiert worden. Und wenn wir schon mit diesem Geheimnis konfrontiert sind, stellt sich die Frage, ob es für uns lu krativ sein könnte. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Unser Schiffs material ist ausreichend, kleine und wehrlose Planeten auszurauben, aber gegen gut ausgerüstete Kampf schiffe sind wir unterlegen. Wenn wir jedoch hier bleiben und beob achten ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende. »Du denkst wie ich, Olmon.« »Wer hätte das gestern noch ge dacht? Ich bin nicht der weltfremde, sentimentale Narr, für den du mich hältst. Ich habe lediglich einen an deren Blickwinkel als du.« Neben der Aussicht auf möglichen Profit hielt Abenwosch die Neugier de im Griff. Was suchte ein Pedopei ler so weit abseits vom Machtzen trum der Ganjasen? »Wir werden uns in den Ortungsschatten einer Sonne begeben und dort vorsorglich den Kampfmodus der Flotte herstellen«,
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entschied Abenwosch. »Dann wer den wir abwarten und sehen, was hier tatsächlich vor sich geht.« 6. Atlan: bittere Erkenntnisse Der Transport vollzog sich völlig unspektakulär. Wir jagten in das Pedotransmitterfeld, und scheinbar ohne jeglichen Zeitverlust traten wir aus dem Empfangsfeld wieder aus. Sechzehn Millionen Lichtjahre in einem Atemzug. Eben hatte sich die AVACYN noch in Dwingeloo befun den - nun war ich mit ihr zur Milch straße zurückgekehrt. Erleichterung erfasste mich. Aber auch große Sorge. Wieder fragte ich mich bang, was während der letzten Monate hier in der heimatlichen Ga laxis geschehen war. Waren die nie derträchtigen Pläne der Lordrichter erfolgreich gewesen? War das mir zuletzt bekannte Machtgefüge mög licherweise schon zerbrochen? Hat ten die Lordrichter, ähnlich wie es in Gruelfin geschehen sein sollte, die Milchstraße in einen blutigen Krieg gestürzt? Ich wandte mich an die Komman dantin Carmyn Oshmosh. »Ich möchte möglichst schnell ...« In diesem Augenblick erkannte ich, dass etwas ganz und gar nicht nach Plan verlaufen war. Wir waren im Empfangsfeld eines Pedopeilers materialisiert, aber es handelte sich nicht um die SYVERON! Wir befan den uns auch nicht in der Nähe der namenlosen Sonne, in deren Or tungsschatten wir Heroshan Offsha
nors Pedopeiler zurückgelassen hat ten. »Was ist hier los?«, dröhnte Car myn Oshmoshs Frage durch die Zen trale. Von einer Sekunde auf die an dere war sie wie verwandelt. Sie hielt ihren Körper gestrafft, ihre Au gen blitzten vor Erregung. Ihre Stimme drang bis in den letzten Winkel des Raumes. Myreilune, die Pilotin, schwieg. Sie starrte auf die Anzeigen ihrer Displays und wirkte mehr als ver wirrt. Ypt Karmasyn, eine 38 Jahre alte Ganjasin, meldete sich zu Wort. Sie war für Funk und Ortung zuständig. Pockenartige Narben verunzierten ihr rundliches Gesicht, das nicht be sonders vorteilhaft von schwarzem Haar umrahmt wurde. »Eine Nach richt des Kommandanten des Pe dopeilers kommt herein. Es handelt sich um die MARKASCH.« Diese Mitteilung traf Carmyn Oshmosh wie ein Schlag. Ihre ohne hin blasse Gesichtshaut verlor noch mehr Farbe. »Die MARKASCH?«, rief sie. Der Name schien ihr geläufig zu sein. Ich beobachtete sie verblüfft. Plötzlich war sie ganz Kommandan tin und alles andere als eine farblose Persönlichkeit. Im Gegenteil - Car myn Oshmosh strahlte gewaltiges Charisma aus und behielt in dieser Notsituation den Überblick. Sie sprach mit dem Kommandanten der MARKASCH. Betrachte die Sternenlandschaft, meldete sich mein Logiksektor. Ein böser Verdacht stieg in mir auf. Wir waren offensichtlich nicht an dem Ziel materialisiert, mit dem
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wir alle gerechnet hatten. Ein ande rer Pedopeiler hatte uns als Emp fangsstation gedient. Das konnte kein Zufall sein. Ich dachte an Aruma Cuyt, der uns auf den Weg geschickt hatte. Die Worte, die wir gewechselt hatten, stiegen wieder in mir auf. ... werden sich die Lordrichter um die beiden Galaxien kümmern, die unsere Hei mat sind. Mein Gruelfin, deine Milchstraße ... Außerdem glaubte ich die uns umgebenden Sternenkon stellationen zu erkennen. Ich hatte sie schon einmal gesehen, mich sogar längere Zeit hier aufgehalten. All diese Überlegungen führten zu einem einzigen Ergebnis: Dies war nicht die Milchstraße. Wir befanden uns im Sombreronebel. Carmyn Oshmosh bestätigte diese Schlussfolgerung. Sie hatte den ers ten Informationsaustausch mit der MARKASCH beendet und setzte uns von dem in Kenntnis, was ich längst wusste. »Gruelfin!«, rief sie. »Aruma Cuyt hat uns nach Gruelfin ge schickt!« *
»Du wusstest nichts davon?«, ver gewisserte ich mich, obwohl ihre Re aktion für sich sprach. Sie trat dicht vor mich. »Was im mer Aruma Cuyt dazu bewogen hat, uns zu betrügen, ich war nicht ein geweiht.« Empörung stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Was hast du im Gespräch mit dem Kommandanten der MAR KASCH erfahren?« »Sein Name ist Sabylchin. Er hat uns erwartet. Aruma Cuyt hat ihm
unsere Ankunft angekündigt. Mehr weiß ich noch nicht.« »Ich muss mit ihm sprechen«, ver langte ich. Carmyn Oshmosh nickte. »Ihm blieb angeblich noch keine Zeit, die Situation einzuschätzen. Er sagte, er wurde durch Aruma Cuyts Ankün digung selbst überrascht. Sabylchin wird sich in Kürze wieder bei uns melden, bat uns, bis dahin abzuwar ten.« Sie lächelte bitter. »Das heißt, eigentlich war es weniger eine Bitte als vielmehr ein Befehl.« Uns blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. In mir kochte es. Cuyt hatte mich betrogen, seine Freund schaft war nur gespielt. Es war ihm wohl sicherer erschienen, mich an zulügen, als zu versuchen, mich zu überzeugen. Also hatte er mich schlicht vor vollendete Tatsachen gestellt. Seine Methode war hinterhältig, aber effektiv. Oder wärst du freiwil lig hierher nach Gruelfin gesprungen anstatt die Milchstraße aufzusu chen? Die Funkerin Ypt Karmasyn mel dete sich erneut zu Wort: »Soeben wurde eine Nachricht freigegeben, die schon vor unserem Aufbruch in die Bordsysteme eingespeist worden ist.« Dann griff sie nach einer Fla sche, die in einer Spezialhalterung an ihrem Sitz steckte. Darin befand sich ein Getränk von sämiger Kon sistenz. Die Funkerin nahm einen kräftigen Schluck. »Auf meine Konsole!«, befahl die Kommandantin. Jetzt, da sie gefor dert war, war nichts mehr von ihrer Unscheinbarkeit übrig geblieben. Sie entschied schnell und effektiv,
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konnte sich auf die neuen Begeben heiten sofort einstellen. Ich wunder te mich nicht mehr, wie sie ihren Rang erreicht hatte. Sie rief mich zu sich. »Die Bot schaft stammt von Aruma Cuyt und ist an dich adressiert.« Ich stellte mich neben Carmyn Oshmosh, die in ihrem Stuhl saß. Auf dem Hauptbildschirm der Konsole erschien das Gesicht des Kommandanten der CAVALDASCH. »Atlan«, sprach er mich an, als sei es keine Aufzeichnung, sondern der Beginn eines Gespräches. »Was ich getan habe, ist mir nicht leicht ge fallen. Du weißt inzwischen, dass ich zu einer List gegriffen habe, und dafür entschuldige ich mich aus drücklich. Ich habe nicht aus egois tischen Gründen so gehandelt, son dern aus Liebe zu meinem Volk. Und aus einer Notwendigkeit her aus. Es war keine einfache Ent scheidung. Ich musste sie schnell treffen, und ich konnte kaum je manden befragen. Nur ein Berater stand mir beiseite. Du kennst Eide Symtosch nicht, aber ich möchte betonen, dass er mit mir einer Mei nung war.« Aruma Cuyt schwieg und schloss die Augen. Seine Worte arbeiteten in mir. Was halfen mir die Beteuerungen des Kommandanten? Nach wenigen Se kunden redete er weiter. »Ich sagte dir in unserem Ge spräch, dass ich nicht an Zufall und Schicksal glaube. Dennoch scheint es, als habe es so sein sollen, dass ausgerechnet ich dich auf diesem verlassenen Planeten gefunden ha be. Mir steht ein Pedopeiler zur Ver fügung und damit die Möglichkeit,
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dich nach Gruelfin zu schicken. Ich bitte dich um Vergebung, und ich be tone noch einmal, dass ich es einzig und allein aus Liebe zu meinem Volk und zu meiner Heimat getan habe. Gruelfin braucht dich. Ich habe un ehrenhaft gehandelt, und diese Schuld wird immer auf mir lasten. Ich bitte dich, den Ganjasen in der MARKASCH jede dir mögliche Un terstützung zukommen zu lassen, denn sie haben eine wichtige Aufga be zu erfüllen. Du genießt einen gu ten Ruf unter den Angehörigen mei nes Volkes, und du verfügst über ge waltige Erfahrung. Ich wiederhole meinen Appell, Atlan: Hilf meinem Volk!« Jetzt erst öffnete Cuyt die Augen wieder. Bis jetzt war seine Stimme hart gewesen, doch nun wurde sie unsicher, als schäme er sich dessen, was er zu sagen hatte. »Komman dant Sabylchin von der MAR KASCH ist soeben durch einen voll automatisierten Funkspruch ange wiesen worden, dir unter keinen Umständen die Rückkehr nach Dwingeloo zu erlauben oder den Weg in die Milchstraße zu ermögli chen. Es gibt noch etwas, das ich dir berichten muss. Ein Bote teilte unse rem Volk mit, dass möglicherweise sogar Ovarons Bewusstsein in Ge fahr sei. Nicht nur alle Völker der Cappins brauchen deine Hilfe, son dern auch der Ewige Ganjo, dein ehemaliger Weggefährte. Suche Kom mandant Sabylchin auf, er wird dir mehr darüber berichten.« Wieder schwieg er kurz. »Ich wün sche dir alles Gute und jeden nur denkbaren Erfolg. Und bitte vergiss nicht, dass ich mir darüber im Kla
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ren bin, was ich getan habe.« Da nach wurde der Bildschirm dunkel. Carmyn Oshmosh warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu, dann wandte sie sich an Ypt Karmasyn. »Ist soeben ein automatisierter Funkspruch abgegangen?« Die Funkerin bejahte. »Als die Wiedergabe der Botschaft Aruma Cuyts begann«, präzisierte sie. »Ich konnte es nicht verhindern, denn ...« »Ich weiß«, unterbrach die Kom mandantin. »Ich will sofort unter richtet werden, wenn sich Sabylchin wieder meldet! Bis dahin warten wir auf dieser Position ab.« Sie wandte sich an mich. »Wir sollten uns zurückziehen. Wir müs sen ungestört reden.« Carmyn Oshmosh führte mich in einen winzigen Raum. Auf einem Beiboot von 70 Metern Länge wie der AVACYN blieb wenig Platz für alles, was nicht dringend notwendig war, zumal sich zurzeit zehn Besat zungsmitglieder an Bord befanden. »Ich bin genauso überrascht wie du«, versicherte sie. »Davon bin ich überzeugt.« Wir standen nahe zusammen, die schmucklosen Metallwände des klei nen Raumes im Rücken. Carmyn Oshmosh sah zu mir auf. Obwohl sie nicht gerade klein war, überragte ich sie um einige Zentime ter. »Vor dem Sprung glaubten wir, den Pedoleitstrahl der SYVERON in der Milchstraße angepolt zu haben. Aruma Cuyt muss die Kennung der CAVALDASCH hier in Gruelfin ver fälscht haben. Er hat uns ebenso ge täuscht wie dich.« »Eine groß angelegte Irreführung, die er in kürzester Zeit plante«, fol
gerte ich bitter. Ich hatte mich nur wenige Stunden an Bord seiner CA VALDASCH aufgehalten. »Ich kann verstehen, dass er so handelte.« Sie lächelte flüchtig. »Auch wenn ich es nicht gutheiße.« »Er sprach davon, dass Ovarons Bewusstsein in Gefahr sein könnte. Was weißt du darüber?« »Ich höre zum ersten Mal davon. Auch der Bote, den Aruma Cuyt er wähnte, ist mir unbekannt.« Ihre Antwort überraschte mich nicht. Ich verknüpfte viele Erinne rungen mit Ovaron. Vor langer Zeit hatte er einen Zellaktivator getra gen, der in seinem Fall zu einem qualvollen körperlichen Ende ge führt hatte. Die Pedotransferfähig keit vertrug sich nicht mit dem Zell aktivator, so dass er nach Jahren, in denen er nur in einer Nährflüssigkeit überleben konnte, schließlich im Jahr 3580 alter Zeitrechnung starb. Später stellte sich heraus, dass sein Geist immer noch existierte und letztendlich mit Hilfe eines Gängers des Netzes nach Gruelfin zurück kehren konnte. Ich hatte seit vielen Jahrhunderten nichts mehr von ihm gehört. Es hieß, dass ... Der plötzliche Alarm riss mich aus meinen Erinnerungen. *
Carmyn Oshmosh und ich rannten zurück in die Zentrale. Dort war hektische Aktivität ausgebrochen. Myreilune gab hastig einen Aus weichkurs ein. Ypt Karmasyn, die pockennarbige Orterin, meldete: »Der Pedopeiler wird angegriffen.«
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Um uns loderte der Weltraum in grellen Farben. Ein ganjasisches Schiff der KELTATRON-Klasse von 450 Metern Länge verging unter dem konzentrierten Beschuss der noch unbekannten Angreifer. Dicht neben der AVACYN explodierte es. Glü hende und in der eisigen Kälte des Vakuums sofort erlöschende Trüm merteile sausten in alle Richtungen. Myreilune hatte bereits unsere Schutzschirme aktiviert. Ein winzi ges Trümmerstück des zerstörten Schiffes verdampfte im zweifach gestaffelten Hochenergie-Hybrid schirm. Doch davon spürten wir nichts. Nicht die geringste Erschüt terung durchlief die Zentrale. Wieder bewies Carmyn Oshmosh ihre Führungsqualitäten. Sie stellte sich sofort auf die neue Situation ein. Angesichts des um uns herum tobenden Kampfes behielt sie einen kühlen Kopf. »Ich brauche genaue Daten!«, befahl sie in Richtung Ypt Karmasyns. Dann wandte sie sich an mich. »Deine Erfahrung kann uns helfen.« Das war eine weise Entscheidung. Ich versuchte mir einen Überblick zu verschaffen. Die Orterin meldete: »Bei den An greifern handelt es sich um Takerer. Sie sind in der Überzahl, und noch weitere Einheiten fallen aus dem Hyperraum. Die MARKASCH hat kaum eine Chance.« »Das ist nicht unser Kampf!«, rief Myreilune. In der Stimme der Pilotin flackerte Panik auf. »Niemand von uns sollte hier sein!« Die Takerer bildeten ebenso ein Volk der Cappins wie die Ganjasen. Ich erlebte zum ersten Mal einen Teil
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jenes Bruderkrieges, der Gruelfin mit Chaos und Tod überzog und der auf die Intrigen der Lordrichter zu rückging. In Dwingeloo hatte ich be reits davon gehört. Und genau des wegen hatte Aruma Cuyt mich hier her geschickt. Mitten hinein in die Hölle. War es also doch unser Kampf oder zumindest der aller Ganjasen? Ich war der einzige Nicht-Cappin an Bord. Der Pedopeiler hatte das Feuer auf die Angreifer längst eröffnet. Strahlenschüsse jagten durch den Weltraum. »Weitere Einheiten fallen aus dem Hyperraum«, meldete die Orterin. »Ebenfalls takerisch. Sechs 800-Me ter-Raumer. Außerdem ...« Ich hörte nicht hin. Unwillkürlich durchzuckte mich ein Gedanke. Es war genau wie bei meinem ersten Pedotransmittersprung nach Dwin geloo. Nur dass diesmal einige Mi nuten vergangen waren, ehe der An griff begann. Damals stürmten Truppen der Garbyor die ERYS GAN, heute kämpfte Cappin gegen Cappin. Doch es schien auf dasselbe Ende hinauszulaufen - die Zerstö rung des Pedopeilers. »Kontakt zur MARKASCH«, rief Ypt Karmasyn. »Kommandant Sa bylchin.« »Atlan«, ertönte die markige Stimme des Ganjasen. Ich bemerkte, dass er mich als Ver antwortlichen ansprach, nicht Car myn Oshmosh. »Es bleibt keine Zeit. Schließ dich uns an. Hilf uns bei der Verteidigung. Der Pedopeiler darf unter keinen Umständen zerstört werden. Sabylchin Ende.« Die Verbindung brach ab.
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»Mehrere Treffer! Noch halten die Schutzschirme«, setzte Carmyn Oshmosh ihre Besatzung in Kennt nis. Auf die Kompetenzfrage ging sie nicht ein. Dann gab sie weitere Be fehle. »Ausweichkurs! Feuer auf die Takerer eröffnen!« Die Schlacht hatte begonnen. 7. An Bord der TIA:
Zeit und Vergänglichkeit
Abenwosch-Pecayl 966. trium phierte. Er hatte Recht behalten! Es war lohnenswert gewesen, in der Nähe des Pedopeilers zu bleiben und zu beobachten. Der Stellvertretende Komman dant der TIA meldete, dass etliche Schiffe aus dem Hyperraum gefallen waren und das Feuer auf die CA VALDASCH eröffnet hatten. »Dort hat eine Schlacht begonnen, Aben wosch. Bei den Angreifern handelt es sich ebenfalls um Cappins. Ge naueres konnten wir bislang nicht herausfinden. Mehrere Einheiten der Ganjasen sind bereits gefallen. Auch ein Schiff der Angreifer explodierte unter konzentriertem Beschuss.« »Ich brauche weitere Einzelheiten, Maliug!« »Noch läuft die Ortung«, vertrös tete dieser seinen Anführer. »Die ersten Schüsse sind erst vor weni gen Augenblicken abgefeuert wor den.« »Ich verlange, dass ich bald über alles informiert werde. Du trägst die volle Verantwortung. Um welches Volk handelt es sich bei den Angrei fern, mit wie vielen Einheiten sind
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sie aufgetaucht? Welchen Verlauf nimmt die Schlacht?« Der Stellvertretende Komman dant bestätigte und entfernte sich. Abenwosch blieb im Beratungs raum des neuen Flaggschiffes zu rück. Er war nicht allein. Nach wie vor befand sich der alte Olmon bei ihm. In den letzten Stunden war er ihm nicht von der Seite gewichen. »Ich merke, dass du immer unru higer wirst.« Abenwosch lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und sah zu dem alten Jucla auf, der ihm in den sich überschlagenden Ereignissen zu einem Ruhepol geworden war. Zum einzigen Ruhepunkt, der ihm Si cherheit gab. Abenwosch stieß ein kurzes Lachen aus. In der Tat über schlugen sich seine Gedanken. »Wie sollte es anders sein? Dies ist mein erster Tag als Abenwosch, gestern starb mein Vater. Seitdem habe ich einen groben Fehler begangen, habe dennoch den Clan vor der Vernich tung bewahrt, und ...« »Und du hast einen Berater ge wonnen«, unterbrach der Greis die hektisch vorgebrachte Aufzählung. »Mich, den du noch vor zwei Tagen für deinen Feind gehalten hast.« »Feind ist wohl kaum das richtige Wort.« »Du warst der Meinung, ich sei nicht für dich, also war ich in deinen Augen gegen dich.« Olmon ver schränkte die Arme vor der Brust. »Dein Feind.« In Abenwoschs erschöpfter Seele regte sich tatsächlich etwas. Olmon bezeichnete es als Unruhe. Er selbst nannte es Kampfeswillen, die Lust, zu töten und seinen Aggressionen
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freien Lauf zu lassen. Das zu tun, wozu er als Jucla bestimmt war. Sein Inneres war aus dem Gleich gewicht geraten, seit er während der Konfrontation mit Kommandant Sabylchin seine Ohnmacht einge standen hatte. Ein taktischer Rück zug entsprach nicht der Mentalität der Juclas. Alles in ihm hatte danach gedrängt, in einen Kampf ohne Rückkehr zu ziehen und so viele Gegner wie möglich mit in den Un tergang zu reißen. »Du schweigst, Abenwosch?« »Ich denke darüber nach, was ich bin. Welchen Weg ich eingeschlagen habe. Und ob es richtig ist, wie ich handle.« »Was richtig oder falsch ist, wirst du nicht in der Hektik erkennen. Ich sagte es dir schon bei unserer Begegnung in den Tuilerien: Gerade du brauchst Ruhe. Wer Verantwor tung trägt, muss nach der Wahrheit streben. Nur dann findest du die Weisheit, die du benötigst, um den Clan zu führen. Und die Wahrheit wiederum liegt in der Schönheit verborgen, die sich dir erst er schließt, wenn du innehältst. Du darfst deine Entscheidungen nicht übereilt treffen.« Philosophie, dachte Abenwosch verächtlich. Es gelang ihm jedoch nicht mehr so einfach wie noch vor kurzem, die Worte des Alten abzu tun. Er spürte, dass Wahrheit in Ol mons Worten steckte. Diese Gewiss heit brachte sein Inneres noch stär ker in Aufruhr. Sein ganzes Leben lang war er der Meinung gewesen, das Alter sei die Zeit der Schwäche und Nutzlosig keit. Zuletzt hatte er die ultimative
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Bestätigung seiner Worte im Leben seines Vorgängers gefunden. Früher, als er noch seinen Ge burtsnamen Scytim getragen hatte, hatte er mit der Unerschütterlich keit jugendlichen Ungestüms ge wusst, dass die Lösung aller Proble me in der Hand seiner eigenen Gene ration lag. Damals war ihm klar ge wesen, dass jeder, der das Ende des dritten Lebensjahrzehnts erreichte, die Existenzberechtigung verwirkt hatte. Vielleicht mit einer einzigen Ausnahme, seinem Vater Pelyr. Denn dieser hielt seinen Körper durch hartes Training beweglich und stark, so dass er noch einige Jahre lang ein gutes Gefäß für seinen flexiblen Geist bilden würde. Scytim, pflegte sein Vater immer zu sagen, es wird Zeit! Zeit für einen Wechsel, Zeit ... Sechs Jahre zuvor »... dass der Abenwosch abgelöst wird. Doch noch ist es nicht so weit, mein Sohn. Noch heißt es warten.« »Warten und beobachten! Und dann, wenn es so weit ist, zuschla gen.« Der sechsjährige Scytim wuss te genau, was sein Vater hören woll te. Er hatte es ihm oft genug gepre digt. Pelyr lächelte milde. »So ist es, mein Sohn. Du hast gut aufgepasst.« Scytim sah zu seinem Vater mit Bewunderung auf. »Ich verinnerli che deine Lehre. Alles andere wäre Dummheit.« »Ich muss in die Zentrale. Die TIA ist ausgewählt worden, einen Raub zug zu leiten.« »Darf ich dich begleiten?« Scytim
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fühlte in seinem Magen das gewisse Ziehen, das sich immer einstellte, wenn Aussicht auf Kampf und Blut bestand. Er konnte es kaum erwar ten, selbst in einen Bodeneinsatz ge schickt zu werden und seine Fähig keiten nicht nur im Training einzu setzen. Er wollte endlich einem Gegner in die Augen sehen, wenn der Blick brach und der Lebensfun ke darin erlosch. Er sehnte sich da nach, eine Kehle durchzuschneiden und nicht gezwungen zu sein, den im Kampftraining Besiegten aufste hen und wegziehen zu lassen. Die Erregung ließ seine Finger zittern. Pelyr schüttelte den Kopf. »Ge dulde dich, Kind.« Scytim hasste es, wenn sein Vater ihn so nannte. Er war kein Kind mehr! Die Zeit der Unmündigkeit war längst vorbei. Andere in seinem Alter hatten den Kampfrausch be reits erleben dürfen, hatten getötet oder waren selbst getötet worden. Der Gedanke daran schreckte Scytim nicht. War es nicht viel bes ser zu sterben, als untätig abzuwar ten? Er schluckte die scharfe Erwide rung, die ihm auf der Zunge lag, hin unter. Diese Diskussion hatte er schon viel zu oft geführt. Einmal hatte er sich in ein Beiboot geschlichen, das auf Raubzug ging. Er war bereit gewesen! Er hatte sich nicht aufhalten lassen wollen, egal was sein Vater sagte. Über die Kon sequenzen hatte er sich keine Ge danken gemacht; und sie waren hart gewesen. Er hatte die Strafe für et was tragen müssen, was nie gesche hen war, denn er war noch vor dem Start des Beibootes entdeckt wor
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den. Sein Vater hatte ihn gezüchtigt, körperlich und seelisch. Scytim er innerte sich genau an jede Einzel heit, aber am deutlichsten sah er die Enttäuschung im Gesicht Pelyrs vor sich. Dieser Anblick war es, der verhin derte, dass er noch einmal gegen den Willen seines Vaters handeln würde. Strafen konnte er ertragen, Wunden würden heilen, Dunkelhaft ging vor über; aber der Ausdruck in den Au gen seines Vaters verfolgte ihn noch heute in seinen Träumen. »Für dich habe ich etwas Besseres vorgesehen, Scytim. Geh, suche La kim auf.« »Den Sohn des Abenwosch?« Pelyr lächelte schmallippig. »Ich habe ein besonderes Kampftraining für dich arrangiert. Sieh es als Ehre an. Du wirst gegen Lakim kämpfen.« Seine Stimme klang lauernd. »Besie ge ihn, Scytim. Demütige ihn vor al len, die zusehen. Zeig, dass die gene tische Herrscherlinie nicht alles ist. Lakim ist als Nachfolger seines Va ters ausersehen, aber ...« »Er ist ein Schwächling«, rief Scytim impulsiv. Sein Vater ging nicht darauf ein. »Du kannst heute ein Zeichen set zen, mein Sohn! Tu das, was nie mand sonst wagt: Besiege Lakim! Wirf ihn zu Boden, verletze ihn, lass sein Blut fließen. Es wird sich rasch im ganzen Komplex herumsprechen, und das soll der Anfang sein, den Glauben in die genetische Herr scherlinie zu zerstören.« Pelyr wandte sich ab. »Ich vertraue auf dich.« Scytim sah den breiten Rücken seines Vaters, die Uniform, die sich
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eng über die Schultern spannte. Den von grauem Haar bedeckten Na cken. »Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen.« Denn schon bald wirst du der Abenwosch sein, und ich, dein Sohn, werde dir irgend wann in die Herrscherposition fol gen, wenn wir eine neue genetische Linie geschaffen haben! Scytim blieb allein zurück und versuchte, der Gefühlsflut in seinem Inneren Herr zu werden. Er war ent täuscht, nicht mit in den Kampf zie hen zu dürfen, aber gleichzeitig ver spürte er Begeisterung über das be vorstehende Treffen und die Ausein andersetzung mit Lakim. Dazu gesellte sich immer stärkerer Blut durst. Dem Wunsch seines Vaters würde er nur allzu gerne entsprechen. Er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass er Lakim besiegen konn te. Demütige ihn ... wirf ihn zu Bo den ... verletze ihn ... lass sein Blut fließen ... Scytim zog den Wurfdolch, be wunderte die glatte, reflektierende Schneide. Er ließ die Klinge ohne je den Druck über seinen Handballen gleiten. Das Metall drang trotzdem durch seine oberen Hautschichten. Scytim lächelte, hob den Dolch und ballte die Hand. Dunkel quoll sein Blut zwischen den Fingern hindurch und tropfte zu Boden. Es sollte nicht das letzte Blut sein, das heute fließen würde. Er fieberte dem Kampftraining in der Versammlungshalle des Flagg schiffs entgegen, einem großen Raum, dessen einziger Einrichtungs gegenstand eine erhöhte Plattform
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war, auf der die Trainingskämpfe stattfanden. Dutzende Neugierige fanden sich ein, um den Kampf zu beobachten. Scytim ließ den Blick schweifen. Wenn bekannt wäre, was heute ge schehen wird, wären nicht nur Dut zende gekommen, sondern Hunder te. Es war bei weitem nicht der erste Schaukampf, den der Sohn des Abenwosch ausfocht, aber es würde der erste werden, in dem die unge schriebene Regel gebrochen wurde. Denn bislang hatte der Sieger von vornherein immer festgestanden Lakim. Keiner hatte es je gewagt, über den Herrschersohn zu triumphieren, denn so war es Tradition. Deshalb hatten sich alle besiegen lassen, so getan, als seien sie unterlegen. Schwächlinge! Erbärmliche Feig linge! Die beiden Gegner bestiegen unter großem Geschrei der Zuschauer die Plattform und stellten sich auf ihre Positionen. »Möge der Bessere gewinnen«, sprach Lakim die traditionellen Worte. Scytim musterte ihn verächtlich. Lakim war zwar zwei Jahre älter und einige Zentimeter größer als er, aber er war hager und schwächlich. Syctim lachte. Welcher Hohn aus den festgelegten Eröffnungsworten sprach! »So soll es sein«, antwortete er und führte den Dolch in einem Halbkreis vor seinem Körper, zog dann die Hand an, legte sie an seine Brust und knickte das Handgelenk, so dass die Klinge auf seinen Geg ner wies.
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Lakims Mundwinkel zuckten. Die letzten Worte entsprachen nicht dem Ritual. Nach dem ersten Satz verlief der Kampf üblicherweise schwei gend. Scytim hoffte, dass dem Weichling schon in diesem Moment klar wurde, dass dieses Mal alles anders kommen würde. Er stürmte los, stieß die Waf fenhand nach vorne. Noch ehe sein Gegner begriff, was geschah, schlitzte die Klinge seine Oberbekleidung über der Schulter auf und schnitt ihm einige der schwarzen Haare ab. Gleichzeitig schlug Scytim mit der Linken zu, rammte Lakim die Faust in die Ma gengrube. In derselben Bewegung rannte er an seinem Gegner vorbei, wirbelte herum, warf den Dolch in die Luft. Er überschlug sich mehrfach, ehe Scytim ihn mit der Linken wieder auffing. »Was ist, Lakim?«, rief er höh nisch. »Willst du noch lange Maulaf fen feilhalten?« Einer der Zuschauer schrie auf, erschrocken, verwundert, begeistert. Beiläufig und zufrieden erkannte Scytim, dass es sich um Lamain han delte. Die unnahbare Lamain, von der er mehr als einmal geträumt hat te. Aufgeregtes Stimmengemurmel machte sich unter den Zuschauern breit. Lakim krümmte sich unwillkür lich, streckte sich nur mühsam wie der. Sein Blick huschte zu seiner Schulter, sah die zerschnittene Kleidung. Die Klinge hatte seine Haut nicht einmal geritzt. »Du wagst es ...« »Möge der Bessere gewinnen«, un
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terbrach Scytim kalt. »Hast du das nicht selbst gesagt?« Lakim brüllte voll Zorn, als er los stürmte. Sein Angriff war plump, Scytim parierte mühelos. Er riss das Knie hoch, rammte es Lakim zwischen die Beine. Dieser schnappte nach Luft und stöhnte. Scytim warf den Dolch erneut in die Luft, stieß mit beiden Handbal len gegen Lakims Brust und fing die Waffe auf, ehe sie zu Boden fallen konnte. Lakim taumelte zurück, die Augen fassungslos geweitet. Er trat über den Rand der Plattform, verlor den Halt und stürzte. Hart schlug er rücklings auf, auch der Kopf prallte auf den Boden. Scytim lachte höhnisch. »Ist das alles, was du zu bieten hast?« Lakim stöhnte, rollte sich zur Sei te und erhob sich. Sein Gesicht ver zerrte sich zu einer Grimasse des Hasses. »Du willst echten Kampf? Du sollst ihn haben!« Er drehte sich zu den Zuschauern um. »Raus hier! Alle raus!« Ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel über das Kinn. »Du willst nicht, dass jemand deine Niederlage sieht?«, fragte Scytim. »Niemand soll sehen, was hier ge schehen wird. Dies ist kein Training mehr, Scytim!« »Das kommt mir gerade recht.« Alles in ihm schrie nach Blut. Sein klares Denken war ausgeschaltet. Demütige ihn ... wirf ihn zu Bo den ... verletze ihn ... lass sein Blut
fließen ... »Was ist?«, schrie Lakim. »Habt ihr es nicht gehört? Raus! Ich bin der
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Sohn des Abenwosch, und ich befeh le es euch!« Scytim lachte. Ein Kampf ohne Regeln war genau nach seinem Ge schmack. Vielleicht würde die Gier in seinem Inneren endlich gestillt werden. Einer nach dem anderen verließ die Halle. Scytim wusste, dass sich die Nachricht von den Ereignissen bereits jetzt im ganzen Komplex verbreitete. Das Ergebnis des Kamp fes würde nicht geheim bleiben. Da mit erfüllte Scytim die Bitte seines Vaters. Und lag es an ihm, dass La kim mehr forderte? Bald waren die beiden allein. La kim kletterte wieder auf die Platt form. »Du hast keine Chance«, sagte Scytim kalt. »Ich war bis jetzt immer sieg reich.« »Weil jeder dich gewinnen ließ. Bist du so erbärmlich, dass du das nicht einmal weißt?« Lakim spuckte Schleim und Blut auf den Boden. »Pass auf, was du sagst.« »Und du solltest darauf achten, was ich tue.« Scytim ging einen Schritt auf seinen Gegner zu. »Wir werden den anderen nicht töten. Das ist die einzige Grenze.« Lakims Blick flackerte. »Die einzi ge Grenze«, wiederholte er. Während des letzten Wortes schleuderte er sei nen Dolch. Scytim war darüber völlig über rascht und reagierte zu spät. Die Klinge drang ihm in den linken Oberarm. Lakim lachte triumphie rend. Du bist ein Narr!, dachte Scytim
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trotz der Schmerzen, die in ihm ex plodierten. Jetzt war Lakim waffen los. Er zog den Dolch aus seinem Arm und unterdrückte einen Schrei. Sein linker Arm wurde taub, der Är mel seiner Uniform füllte sich mit warmer, schwerer Nässe. »Das hät test du nicht tun sollen!«, schrie er und steckte den Dolch in die Schei de, die er an seinem Bein trug. »Nun habe ich zwei Klingen und du kei ne.« Doch da zog Lakim eine zweite Waffe. »Dies ist ein Kampf ohne Re geln«, spottete er. »Du kannst aufge ben, wenn du willst.« »Es ist nicht erlaubt, das Kampf training mit mehr als einer Waffe zu beginnen! Du bist ein erbärmlicher Betrüger.« »Sei vorsichtig, wie du mit dem Sohn des Abenwosch redest. Gib auf, Scytim. Deine Wunde ...« »Ich besiege dich auch mit einem Arm.« Scytim stürmte vor, blind vor Zorn. Lakim wich zur Seite aus. Damit hatte Scytim gerechnet. Er wirbelte herum, trat Lakim voll in die Kniekehlen. Sein Gegner stürzte. Scytim war einen Augenblick später über ihm. Rasend vor Wut rammte er seine Faust in Lakims Gesicht. Es knirschte, und Blut schoss dem Ge troffenen aus Mund und Nase. Scytim presste Lakims Waffen hand mit dem Knie auf den Boden. Der Sohn des Abenwosch zappelte hilflos unter ihm, hustete, spuckte einen Blutschwall aus. Scytim schlug erneut zu. Das Nasenbein brach. Dann erhob sich Scytim, blickte auf den Wimmernden hinab. »Nicht
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einmal mit schmutzigen Tricks ge winnst du«, sagte er verächtlich. Er spürte den Schmerz seiner eigenen Verletzung nicht. Triumph erfüllte ihn, als er in das unmenschlich ver zerrte Gesicht seines Gegners blick te. Als Lakim sich zur Seite drehte und aufstand, lachte er. »Du willst weiterkämpfen?« Lakim atmete schwer. »Ich werde dich töten, Scytim.« Seine Stimme klang gepresst, spiegelte den Rausch ungezügelter Kampfleidenschaft wi der, der auch Scytim ergriffen hatte. »Versuche es.« Lakim stürmte mit gesenktem Kopf heran. Scytim wartete eiskalt ab, hob den Wurfdolch. Er umklam merte den Griff der Waffe, seine Nä gel bohrten sich in die Haut des Handballens. Beide Gegner wollten nur noch eins: den anderen töten. Leben aus löschen. Den Triumph des Sieges schmecken. Lakim brüllte, rannte ungedeckt weiter. Er rammte den Kopf gegen den verletzten, blutigen Arm seines Gegners. Scytim jaulte vor Schmerz auf. Seine Waffenhand zuckte instinktiv hinab, traf auf Widerstand. Mehr be merkte er nicht. Seine Wahrneh mung verschwand hinter dunklen Wellen. Er schrie, stürzte, wusste nicht, ob die Schreie, die er hörte, nur von ihm stammten. Alles um ihn herum er losch, klang plötzlich seltsam ge dämpft. Jede Farbe verlor ihre Exis tenzberechtigung. Es wurde schwarz. Als er wieder zu sich kam, lag er in
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der Medostation der TIA. Mühsam öffnete er die Augen. Das Licht einer grellen Lampe bohrte sich wie Dol che durch die Augen in sein Gehirn. Es dauerte lange, bis er bemerkte, dass die Lampe nur einen schwa chen, trüben Schein abstrahlte. Sein Vater stand neben ihm. »Ihr hättet beide sterben können«, tadel te er. »Fast hätte dein Arm amputiert werden müssen. Es wird Monate dauern, bis du ihn wieder vollstän dig einsetzen kannst.« »Und Lakim?«, ächzte Scytim. »Dein Dolch steckte bis zum Schaft in seinem Rücken, als man euch fand. Nur eine Notoperation rettete sein Leben.« Scytim atmete schwer. Er schloss die Augen und lächelte. Dieses Mal lag keine Enttäuschung in der Stim me seines Vaters. Sondern Anerkennung. Gegenwart »Ich erkenne an, dass du einige gute Entscheidungen getroffen hast«, sagte Olmon. »Dennoch wird dir keine andere Wahl bleiben, als dir Ruhe zu gönnen. Mein Rat an dich ist, innezuhalten.« »Es gilt abzuwarten, welche Nachrichten Maliug bringen wird«, antwortete Abenwosch auswei chend. »Ich sehe es in deinen Augen, dass der Kampftrieb in dir groß ist. Den noch darfst du dich nicht in die Schlacht, die dort draußen tobt, ein mischen. Überwinde deine geneti sche Bestimmung, Abenwosch-Pe cayl 966. Überwinde dich selbst.«
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Abenwosch sah zu seinem Berater auf. »Vielleicht wäre es klug zu kämpfen?« »Klug wäre es abzuwarten. Lass die beiden Parteien sich gegenseitig schwächen oder auslöschen. Dann sieh, ob du leichte Beute machen kannst. In den Wirren des Macht wechsels musstest du bereits zu viele überhastete Entscheidungen treffen. Du hast selbst gesehen, wohin das führte.« Nachdenklich musterte Aben wosch sein greises Gegenüber. »Das komplette Leben eines Juclas be steht aus Eile und Hast. Niemand hat Zeit. Wir leben schneller als alle anderen Cappins. Wir bewegen uns schneller als sie, wir schlafen weni ger Stunden am Tag, wir ...« »Wir lassen unser ganzes Dasein vom Tod bestimmen?« Olmon sank ächzend auf einen Stuhl. »Was willst du damit sagen?« »Warum tun wir Juclas all das, was du gerade aufgezählt hast? Es gibt nur einen einzigen Grund dafür: Wir wissen, dass wir früh sterben werden. Wir vergreisen, wenn ande re Cappins noch nicht einmal in der Blüte ihrer Jahre angelangt sind.« Abenwosch schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? »Ich habe Studien betrieben«, sag te Olmon überraschend. »In vielen Kulturen heißt es, man solle beden ken, dass man sterben wird, auf dass man klug wird. Für uns gilt umge kehrt: Wir müssen uns nicht bewusst machen, dass wir morgen sterben. Das wissen wir alle. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir heute leben.« »Was nutzt mir dein Gerede?«
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Abenwosch kam nicht dazu, wei teren Widerspruch vorzubringen. Das Schott des Raumes glitt zur Sei te. Maliug stürmte in den Raum. »Wir haben die Angreifer identifi ziert. Es gibt keinen Zweifel«, mel dete er mit bebender Stimme. »Was hast du zu sagen?«, unter brach Olmon. Sein Blick war dabei auf das Gesicht des jungen Aben wosch fixiert. Der Stellvertretende Komman dant der TIA beachtete den Alten nicht. »Es sind Takerer!« Abenwosch schloss die Augen, stieß die Luft aus und schlug mit der Faust gegen die Wand. »Takerer«, presste er heraus. Es waren die Takerer gewesen, die in verderblichen genetischen Expe rimenten vor Jahrtausenden die Ju clas geschaffen hatten und sie zu ih rem kurzen, von Aggressionen ge steuerten Leben voller Kampf ver dammten. Die Takerer, ihre schlimmsten Feinde. Das personifi zierte Böse. »Ist der Kampfmodus unserer Schiffe hergestellt?« Maliug lächelte kalt. »Der Kom plex ist völlig aufgelöst, Aben wosch.« »Bedenke, was du tust!«, rief Ol mon. Abenwosch beachtete ihn nicht. Alles Reden über Philosophie und Selbstbeherrschung war mit einem Mal bedeutungslos geworden. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Dort draußen tobte ein Kampf der Take rer gegen die Ganjasen. Es spielte keine Rolle mehr, was der überhebliche Kommandant des Pedopeilers MARKASCH ihm ange tan hatte. Sabylchin kämpfte gegen
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die Takerer, und damit war er zu ei nem Verbündeten geworden. »Wir verlassen den Ortungsschutz der Sonne und greifen in den Kampf ein«, entschied Abenwosch. »Tod den Takerern!« »Wir wissen nichts über die ge naue Kampfstärke der Takerer«, wandte Olmon von Panik erfüllt ein. »Selbst wenn wir unsere Schiffe den Ganjasen zur Seite stellen, sind die Takerer möglicherweise überlegen. Dort draußen tobt ein Krieg zwi schen mächtigen Schiffen, die unse re alten Raumer zerstören können! Maliug, wie viele Einheiten ...« »Schweig!«, unterbrach ihn Aben wosch rigoros. »Die Zeit des Redens ist vorbei. Die Zeit des Kampfes ist angebrochen!« Er verließ zusammen mit Maliug den Raum und lief in die Zentrale des Flaggschiffes, um den Angriff zu koordinieren. *
»Juclas des Ercourra-Clans! Ich bin erst seit einem Tag euer Anführer, und ihr habt das Recht zu erfahren, warum ich den Angriff be fehle. Wir sind Cappins, und doch unterscheiden wir uns von all den anderen Völkern, die sich unsere ge netischen Brüder nennen. Wir sind dazu verdammt, ein Le ben zu führen, in dem innere und äu ßere Reife einander entgegenlaufen. Seit unser Volk vor Jahrtausenden gezüchtet wurde, sind wir darauf konditioniert zu kämpfen. Wir ver danken all unser Leid den Takerern. All unser Hass bündelt sich in die sem Namen. Dort draußen sind viele der ver
hassten Takerer. Dort draußen ist der Feind! Er bekämpft die Ganja sen, die ebenfalls nicht unsere Freunde sind, denn ein Jucla kennt keine Freunde außerhalb seines Vol kes. Aber die Ganjasen sind nun un sere Verbündeten denn sie kämpfen gegen den Feind. So wie wir. Unser Leben dient ab jetzt nur noch einem einzigen Ziel: Tod den Takerern! Wir sind schwach, unsere Schiffe sind alt, aber wir haben dem Feind eines voraus: Wir haben Leiden schaft! Wir hassen aus der tiefsten Tiefe unseres Herzens! Wo er Technik hat, um uns zu zer schmettern, haben wir Wagemut und den Einsatz unseres Lebens. Wir wissen, dass wir sterben werden, aber dieses Wissen soll uns nicht mehr bremsen, sondern uns voran treiben. Denn wenn wir heute sterben, dann soll es so sein. Wir kennen keine Angst! Wir zie hen los! Für uns! Für alle Juclas! Tod den Takerern!« *
Tausend Juclas in den 733 Schif fen des Ercourra-Clans schrien: Tod den Takerern. 8. Atlan: Zeuge Um uns tobte die Schlacht mit gnadenloser Härte. Die Angreifer gingen mit aller Ge walt vor. Immer wieder nahmen sie
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einen Raumer der Ganjasen unter konzentrierten Punktbeschuss, bis dessen Schutzschirm überlastet wurde und zusammenbrach. Sieben Schiffe der Ganjasen wa ren bereits explodiert, ihre Besat zungen einen grausamen, sinnlosen Tod gestorben. Sie waren die Opfer eines Bruderkriegs, der von den Lordrichtern heimtückisch verur sacht worden war. Jene wahren Ver ursacher dieses Leids hielten sich im Verborgenen. Meine Verachtung ge gen sie verstärkte sich in diesen schrecklichen Momenten noch mehr. Im Gegenzug konnten erst drei Raumer der Takerer vernichtet wer den, darunter keine einzige der grö ßeren Einheiten. Carmyn Oshmosh bot ein Bild ab soluter Konzentration. Sie gab der Pilotin Myreilune Angriffs- und Ausweichkurse vor, erteilte Feuer befehle und wandte sich immer wie der an mich. Wenn ich es für nötig hielt, befahl ich zusätzlich. Allerdings erfüllte sie ihre Aufgabe mit Bravour, so dass ich kaum in Aktion treten musste. Meist bestätigte ich ihre Vorgaben, was ein verwegenes Blitzen in ihre Augen zauberte. Das Schott öffnete sich, und ein weiteres Besatzungsmitglied betrat die Zentrale der AVACYN. Als die Kommandantin den Neu ankömmling bemerkte, zuckten ihre Mundwinkel. Ihre Mimik versteiner te. »Myreilune, ich übertrage dir das Kommando. Weiterhin Angriff. Bei Kontakt mit dem Kommandanten des Pedopeilers wende dich augen blicklich an Atlan oder mich.« Die Pilotin bestätigte. Ich zweifel
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te nicht daran, dass sie der Aufgabe gewachsen war. Carmyn Oshmosh wies auf die ein getretene kahlköpfige Cappinfrau. »Komm her. Es wurde Zeit, dass du hier auftauchst.« Schon aus der Entfernung sah ich deutlich, dass mit ihrem Gesicht et was nicht stimmte. Als sie näher trat, wurde es offensichtlich. Ihre linke Gesichtshälfte wies schreckli che Verbrennungsnarben auf. Die Haut war ledrig rot. Was immer ihr widerfahren war, es hatte sie ein Ohr und ein Auge gekostet. Dass sie überhaupt noch lebte, musste auf ei ne außergewöhnlich zähe Konstitu tion zurückzuführen sein. Ein camou flagegefärbter, hervorspringender Metalltrichter glänzte anstelle des Ohrs. Das linke Auge war künstlich und leuchtete in grellem Rot. Ihr natürliches Auge war schwarz. Die ersetzten Organe verliehen ihr ein unheimliches, cyborghaftes Ausse hen. Es muss sich um Kaystale han deln, Offizierin zur besonderen Ver wendung, machte mir der Logiksek tor klar. Carmyn Oshmosh hat dir von ihr erzählt. Sie ist Takererin. »Kommandantin«, sagte Kaystale und wandte sich dann mir zu, be grüßte mich mit Namen. Carmyn Oshmosh hatte mir von der einzigen Takererin an Bord be richtet, als wir uns noch an Bord der CAVALDASCH in Dwingeloo befunden hatten. Damals war noch nicht klar, welche Brisanz in diesen Worten lag. Eine Takererin an Bord eines Ganjasen-Schiffes, das gegen ihr eigenes Volk kämpfte ... In Frie denszeiten hätte das keinerlei Pro
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bleme verursacht, doch jetzt könnte es verhängnisvolle Auswirkungen haben. »Sie wird uns keine Schwierigkei ten bereiten«, versicherte die Kom mandantin, als habe sie meine Ge danken gelesen. »Ich bin eine Kämpferin«, ergänz te Kaystale kühl. »Für mich zählt, wer mein akuter Anführer ist. Ihm bin ich absolut loyal.« Sie blickte mich an. Das Glühen ihres Kunstau ges hätte so manchem zartbesaitete ren Gemüt einen Schauer über den Rücken gejagt. »Gegen wen der Kampf geht, spielt keine Rolle. In diesem Fall kann ich jedoch mögli cherweise von besonderem Nutzen sein. Ich kenne mein Volk wie kein anderer an Bord.« Carmyn Oshmosh stimmte zu. »Halte dich bereit. Es ist möglich, dass wir deiner Hilfe bedürfen.« Die Antwort bestand in einem lei sen Quietschen. Ich bemerkte, dass es von einigen Metallgliedern stammte, die drei Finger ihrer rechten Hand ersetzten. Kaystale ballte sie zur Faust. »Deshalb bin ich hier.« Ehe ich weitere Fragen stellen konnte, drang Myreilunes Ruf durch die Zentrale. »Mehrere Treffer. Un ser Schutzschirm ist geschwächt. Funktionsweise bei sechzig Pro zent.« »Ausweichmanöver! Weg von hier!«, rief die Kommandantin. »Kontakt mit Kommandant Sa bylchin vom Pedopeiler!« Das war Ypt Karmasyn. »Ich nehme das Gespräch an«, stellte ich klar und versuchte, die bohrenden Kopfschmerzen zu igno
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rieren, die wieder stärker geworden waren. »Atlan«, erklang eine gehetzte Stimme. »Wir werden verlieren. Flieh mit der AVACYN. Ich werde wieder Kontakt mit dir aufnehmen, und zwar ...« »Was?«
»Verbindung unterbrochen«, in formierte die Funkerin. Wieder setz te sie die Flasche mit dem sämigen Getränk an. »Mehrere Schiffe der Takerer fol gen uns. Wir liegen weiterhin unter Beschuss.« - »Zwei weitere ganjasi sche Einheiten zerstört.« - »Schutz schirme bei vierzig Prozent.« Die Meldungen überschlugen sich. »Wir nehmen einen kurzen Hyper raumsprung vor!«, befahl die Kom mandantin. »Und kehren anschließend sofort zurück«, ergänzte ich. Ich hörte Kaystale rau lachen. Sie ist eine Söldnerin. Kampf gefällt ihr. »Wir werden eingekesselt. Ein Entkommen in den Hyperraum ist unmöglich«, meldete Ypt Karmasyn. »Dreißig Prozent!« »Feuer!«, befahl ich. »Auf das Ta kererschiff der KYNOVARON-Klas se.« Der Extrasinn hatte es als die Schwachstelle in der feindlichen Li nie erkannt. Es wurde bereits von ei nem Ganjasenraumer attackiert. »Zusammenbruch der Schirme steht unmittelbar bevor!« Unter dem gemeinsamen Feuer versagten die Schutzschirme der Ta kerer. Das Schiff verging in einer Feuerlohe. Myreilune nutzte sofort die Chance, jagte die AVACYN in ei nem haarsträubenden Manöver durch die noch glühenden Teile, ehe
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sich die Lücke wieder schließen konnte. »Eintritt in den Hyperraum in fünf Sekunden ... drei ... jetzt.« Etwas von der inneren Anspan nung fiel von mir ab, als wir den Normalraum verließen. »Rücksturz«, meldete Myreilune nach wenigen Augenblicken. »Ich programmiere einen Kurs zurück zum Schlachtfeld. Entfernung weni ge Lichtminuten.« Ich widerrief meinen diesbezügli chen Befehl nicht. Ich würde nicht eher fliehen, bis ich wusste, wo ich wieder auf Kommandant Sabylchin treffen konnte. Außerdem wollte ich das Wenige an Kampfkraft, das die AVACYN zu bieten hatte, zum Schutz des Pedopeilers nutzen. Die Umstände hatten die Ganjasen zu unseren Verbündeten, die Takerer jedoch zu unseren Gegnern ge macht. Ist es richtig, dass wir auf einer Seite in die Schlacht eingreifen? Diese bittere Frage hätte der Lo giksektor nicht erst stellen müssen. Ich fragte mich genau das, seit der erste Schuss gefallen war. Was wuss te ich schon über die Hintergründe des Kampfes? Im Moment blieb kei ne andere Möglichkeit, als diese Überlegung auszuklammern. »Warum gibt es keine Angriffe durch Pedotransferer?«, fragte ich Carmyn Oshmosh. Die meisten Cappins waren fähig, die sechsdimensionale ÜBSEF-Kon stante eines anderen Lebewesens anzupeilen und es zu übernehmen, indem sie in dessen Körper über wechselten. Warum versuchten kei ne Takerer, zentrale Stellen der Gan
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jasen zu übernehmen und umge kehrt? Die Kommandantin blickte mich erstaunt an. »Du weißt nichts von den Abwehrmaßnahmen? Die Pe diaklasten ...« Weiter kam sie nicht. »Erneuter Hyperraumeintritt!«, gellte Myreilu nes Stimme. »Und ... Rücksturz.« Wir befanden uns ein wenig ab seits des eigentlichen Schlachtfel des. Uns bot sich ein düsterer An blick. Während unserer kurzen Ab wesenheit hatte sich die Situation noch weiter verschlimmert. Die Worte Kommandant Sabylchins fan den ihre grausame Bestätigung. Die Ganjasen waren eindeutig unterle gen. Das Feuer auf den Pedopeiler hatte sich noch weiter verstärkt. Dann entdeckte ich etwas Unge wöhnliches. Eine Unzahl weiterer, bislang unbekannter Schiffe war aufgetaucht. Die Orterin bestätigte diesen Ein druck, der sich mir im Chaos der schematischen Projektion bot. »Äl tere Cappinraumer noch unbekann ter Zuordnung haben auf Seiten der Ganjasen in die Schlacht eingegrif fen! Mehrere hundert Einheiten. Ständig treffen neue ein.« Schiffe der Takerer explodierten reihenweise, ehe sich deren Kom mandanten auf die neue Situation einstellen konnten. *
Die Schlacht erreichte apokalyp tische Ausmaße. Zu den sich erbit tert bekriegenden Ganjasen und Ta kerern hatte sich eine bislang unbe kannte dritte Partei gesellt.
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»Ich brauche Details über die Neuankömmlinge«, rief Carmyn Oshmosh. »Ich arbeite daran«, antwortete Ypt hastig. »Die Schiffe sind alt«, sagte Kays tale neben mir. Ihre künstlichen Fin ger quietschten unablässig. Sie trommelte damit unruhig auf ihren Beinen herum. »Es handelt sich zweifellos um Cappins.« »Die Schiffe weisen die typische Eiform auf«, stimmte ich zu. »Mehr kannst du nicht dazu sagen?« Wenn überhaupt jemand an Bord, dann sie, kommentierte der Extra sinn. Sie ist eine Söldnerin, die im Laufe ihres Lebens wohl schon vie len Herren gedient hat. Kaystale fuhr mit den Metallglie dern ihrer Finger über die verbrann te Gesichtshälfte. Mit einem hohlen Klingen stießen sie an den Metall trichter des Ohres. »Ich habe einiges erlebt, aber hier kann ich dir nicht weiterhelfen. Sollten wir aber je mals in einen Kampf Mann gegen Mann verwickelt werden, werden dir die Augen übergehen. Ich wende meine eigenen Methoden an, um mich meiner Gegner zu entledigen.« »Sie hat einen schmutzigen Kampfstil«, sagte Myreilune. Kaystale stieß einen grimmigen Laut aus. »Ich kann die Kennungen der Schiffe nicht zuordnen«, teilte Ypt das magere Ergebnis ihrer Bemü hungen mit. »Es tut mir Leid, ich ...« Sie brach ab und las gehetzt die In formationen, die in ihrer Station eingingen. Schon wieder griff sie da bei nach der Flasche an ihrem Stuhl. »Was trinkt sie da immerzu?«,
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fragte ich die Kommandantin ver wundert. »Ein Symbiontengetränk, das an geblich die Konzentration stärkt. Sie schwört darauf. In Krisensitua tionen schüttet sie es ständig in sich hinein.« Ohne aufzusehen, rief die Orterin: »Der Widerstand der Ganjasen ist nahezu erloschen. Die unbekannten Schiffe verzeichnen jedoch gewalti ge Erfolge. Immer wieder starten sie selbstmörderische Aktionen. Es kam zu mehreren Kollisionen.« »Selbstmordattentäter?«, verge wisserte ich mich. »Kleine Schiffe reißen auf diese Art wesentlich größere Einheiten der Takerer mit sich in den Untergang.« Kaystales Mundwinkel zuckten. Das rote Glühen ihres Kunstauges schien sich zu intensivieren. »Sehr effektiv. Allerdings zeugt es von Wahnsinn.« Inzwischen konzentrierte sich der Angriff der Takerer auf den Pe dopeiler. Salve um Salve schlug in die geschwächten Schutzschirme ein. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die 800 Meter langen Schiffsgiganten der ABENASCHKlasse fielen. »Wir setzen alles daran, die Zer störung des Pedopeilers zu verhin dern«, entschied ich. »Wir greifen wahllos Schiffe an, die auf die MAR KASCH feuern. Wir zerstören sie oder lenken ihr Feuer zumindest auf uns. Danach fliehen wir sofort.« »Und ich will augenblicklich Kon takt mit Kommandant Sabylchin auf der MARKASCH!«, verlangte Carmyn Oshmosh. In diesem Moment verging ein Teil
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eines der Pedopeilerschiffe in einer gewaltigen Explosion. Die Hülle zerriss in einem Dutzende von Me tern umfassenden Gebiet. Die Trieb werkssektion! Damit war Flucht für den Pedopeiler unmöglich gewor den. Myreilune hatte längst einen Kurs eingegeben, der uns näher an das Geschehen heranbrachte. Die AVA CYN eröffnete das Feuer auf ein Schiff der KELTATRON-Klasse, das nahezu zehnmal so groß wie unser Beiboot war und unablässig den Pe dopeiler beschoss. Unsere Schüsse zeigten kaum Wir kung. »Damit werden wir sie nicht auf halten können«, sagte ich grimmig. Plötzlich raste eines der neu auf getauchten Cappinschiffe heran und jagte ungebremst mitten in die feindliche Einheit. Der 450 Meter lange Raumer verging in einer Feu erhölle. Ich konnte darüber keinen Triumph empfinden. Dort draußen waren soeben mindestens achtzig Takerer gestorben und die Besat zung des Selbstmordschiffes eben falls. »Weiter! Wir wenden uns dem nächsten Angreifer zu!«, befahl die Kommandantin kühl, ohne auch nur eine einzige Sekunde zu verlieren. Ich bewunderte ihre Professionali tät. Sie betrachtete das Sterben um sie herum mit der notwendigen Di stanz. Doch es war bereits zu spät. Der Pedopeiler war verloren. »Fluchtkurs!«, schrie Myreilune, während ihre Finger über die Senso ren ihrer Station huschten. Ich hörte, wie etwas zersplitterte. Ypt Karmasyns Flasche verbreitete
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ihren schleimigen Inhalt über den Boden der Zentrale. Die Orterin war bleich geworden. Und das aus gutem Grund. Die Schutzschirme des Pedopei lers waren endgültig zusammenge brochen. Viele Schüsse trafen nun gleichzeitig die Hülle des Raumgi ganten. Überall an der Oberfläche loderten Feuer auf. Die Hülle brach an mehreren Stellen. Fluchtkapseln setzten sich ab. Myreilune flog unsere AVACYN in größere Entfernung zum Pedopeiler. Hinter uns erschütterten gewalti ge Explosionen das Kontinuum. Die Teilschiffe der MARKASCH zer barsten. Die Fluchtkapseln wurden ebenso mit in den Untergang geris sen wie mehrere Schiffe der Ganja sen und Takerer, die sich nicht in ausreichender Entfernung befanden. Dank Myreilunes schneller Reak tion befand sich die AVACYN in Si cherheit. Wir ließen ein flammendes Inferno hinter uns zurück. Mit Sabylchin und seiner Mannschaft starb auch jede Möglichkeit, mehr über die Hintergründe zu erfahren, welche Absichten Kommandant Aruma Cuyt gehegt hatte, indem er mich nach Gruelfin schickte. *
Das Sterben war noch nicht zu Ende. Immer noch wurden kleinere Schiffe zerstört, als gewaltige Bruchstücke des Pedopeilers sie mit voller Wucht trafen und die Außen hüllen zerschmetterten. Immer noch versagten Schutzschirme unter geg nerischem Feuer. »Die Reste des ganjasischen Ver
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bandes verlieren den Mut und ziehen ab«, meldete Ypt Karmasyn und er gänzte: »Niemand hat versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen.« »Die Kommandanten Aruma Cuyt und Sabylchin haben mich als äu ßerst wichtige Persönlichkeit ange sehen«, meinte ich zu Carmyn Oshmosh, »aber im Moment ist die AVACYN ein Schiff wie jedes ande re.« »Jeder versucht, sein eigenes Le ben zu retten«, kommentierte Kays tale das Geschehen. Ihr war deutlich anzuhören, was sie von der Flucht der Ganjasen hielt. Jemand wie sie hätte niemals so gehandelt. Die Cappinschiffe unbekannter Herkunft flohen nicht. Sie setzten ihre kühnen und selbstmörderischen Angriffe auf die Takerer fort. Mit dem Mut der Verzweiflung zerstör ten sie Einheit um Einheit des Fein des. Es ist unlogisch. Sie sind tech nisch unterlegen. Im Lauf der nächsten Minuten wandelte sich das zahlenmäßige Verhältnis zu Ungunsten der Take rer. Obwohl die Streitmacht der Un bekannten stark dezimiert wurde, fielen noch mehr Einheiten der ehe maligen Aggressoren. »Wir sollten von hier verschwin den«, raunte Carmyn Oshmosh mir zu. Die Zerstörung des Pedopeilers hatte sie hart getroffen. Seitdem hat te sie mir das Kommando ganz über geben und sich in jene stille, un scheinbare Ganjasin zurückverwan delt, als die ich sie kennen gelernt hatte. »Wir bleiben«, widersprach ich. Ich wollte das Geheimnis der unbe
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kannten Cappinschiffe lüften. Wer hatte hier so beherzt eingegriffen und bereitete den Takerern eine ebenso radikale wie schmachvolle Niederlage? Ihr Erfolg resultiert aus einer im mensen Leidenschaft, analysierte der Logiksektor nüchtern. Tiefge hende Emotionen motivieren sie und treiben sie zu Höchstleistungen an. Bald stand der Ausgang der un glaublichen Schlacht fest. Das letzte Schiff der Takerer explodierte. Die technisch veralteten Schiffe der Unbekannten trugen den Sieg davon. Doch der Blutzoll, den sie da für hatten zahlen müssen, war groß. 9. An Bord der TIA: Blutzeit »Fast vierhundert unserer Schiffe sind vernichtet«, vernahm Aben wosch-Pecayl 966. Er wusste nicht, wer es gesagt hatte. Der Kampfrausch hielt ihn immer noch im Griff. Abenwosch umklammerte mit beiden Händen die Seiten des Kommandopults. Sein Atem ging schwer, seine Herz frequenz verringerte sich nur lang sam. Er erinnerte sich, dass der Verlauf der Schlacht auch an der TIA nicht spurlos vorübergegangen war. »Wie ist unser Zustand?«, presste er her vor. Der Durst nach Blut und Tod klang langsam ab. »Keine nennenswerten Schäden.« Das war Maliugs Stimme, erkannte Abenwosch. Seine Gedanken klär ten sich. »Die Schutzschirme waren nur einige Augenblicke lang über
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lastet. In dieser Zeit sind mehrere Schüsse in Sektion ...« Abenwosch hörte nicht weiter zu. Eine Liste kleinerer Schäden inter essierte ihn nicht. Für ihn zählte nur eins: Die Takerer waren besiegt. Die Juclas hatten den Sieg davongetra gen. Sie hatten die verhassten Fein de bis auf den letzten Mann ausge rottet. Er löste seine verkrampften Hän de, schüttelte sie herzhaft und lehnte sich zurück. Plötzlich schoss ihm eine Erkennt nis durch den Kopf: Der Sieg über die Takerer war keinesfalls das ein zig Wichtige. Er war der Aben wosch! Er war verantwortlich für alle Juclas des Ercourra-Clans. Fast vierhundert unserer Schiffe sind vernichtet, hämmerte es nun unablässig hinter seiner Stirn. Fast vierhundert unserer Schiffe sind ver nichtet. »Wie viele Schiffe sind noch voll einsatzbereit?« »345«, meldete Maliug. Sein Stell vertreter auf der TIA schien offenbar bei klarerem Verstand zu sein als er selbst. »Beschädigt?«, fragte Abenwosch knapp. »Kaum ein Dutzend.« Weil ein Jucla sich nicht besiegen lässt. Weil ein beschädigtes Schiff immer noch für eine Kollision nutz bar ist. Und ein weiterer Gedanke: Weil der Kampf uns zu wilden Krea turen macht, die die Kontrolle über sich verlieren. Mehr als die Hälfte der Juclas des Ercourra-Clans waren tot. Dieser Verlust konnte keinesfalls durch die Beute, die die ausgeglühten Wracks der feindlichen Einheiten boten,
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aufgewogen werden. Aber die Take rer sind tot. Der Feind ist vernichtet! Abenwosch erhob sich. »Maliug, du übernimmst die Koordination. Kümmere dich darum, dass sich die verbliebenen Schiffe sammeln. Ich werde später zu den Überlebenden sprechen.« Ohne die Bestätigung ab zuwarten, verließ er die Brücke. Er wanderte durch die stillen Gän ge der TIA. Szenen der Schlacht blitzten vor seinem inneren Auge auf: Ein riesiger Takererraumer ver geht unter dem konzentrierten Feuer von acht Juclaschiffen. Wenigstens hundert Feinde sterben in einem einzigen Augenblick. Die TIA ist getroffen. Abenwosch hat eine Entscheidung zu fällen. »Wie stark ist der Schaden?« Von der Antwort hängt die Zukunft ab. Er bereitet alles vor, das Schiff auf Kol lisionskurs zu bringen. Abenwosch spricht mit Komman dant Jarim von der KALAR. Plötz lich ist die Verbindung tot. Die KA LAR besteht nur noch aus einer Trümmerwolke. Die Meldung lässt auf sich warten. Abenwoschs Herz hämmert in mör derischer Geschwindigkeit. Er selbst gibt den Kurs ein, der eine TakererEinheit ins Verderben reißen wird. »Keine größeren Schäden. Waffen und Schutzschirme voll einsatzfä hig.« - Abenwosch ändert den Kurs, vergisst im Blutrausch, was eben ge schehen war ... ... neben der TIA treibt das Wrack eines Ganjasenraumers. Ein Dut zend Rettungskapseln vergeht in ei ner Salve der Takerer. Abenwosch erreichte sein Ziel, kehrte gedanklich in die Gegenwart zurück. Schon auf dem Gang waren
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die Zerstörungen deutlich zu erken nen. Maliug hatte gemeldet, dass es geringe Schäden gegeben hatte. Of fenbar auch hier. Gerade hier. Abenwosch stand vor einem Schott. Das sonst glatte Metall wies nach außen gewandte Ausbeulungen auf. Von innen mussten gewaltige Kräfte eingewirkt haben. Er öffnete, trat hindurch. Keine nennenswerten Schäden, hatte es geheißen. Für das Schiff mochte das gelten. Für Abenwosch nicht. Denn auch wenn in den letz ten Stunden Tausende Juclas gestor ben waren, so traf ihn dieser Anblick härter als alles andere. In der engen Kabine lag der alte Olmon in seinem Blut. Der Boden ne ben ihm war aufgebrochen, die Wän de waren durchlöchert. Olmons Au gen waren weit aufgerissen, doch er nahm nichts mehr wahr. Die Pupillen waren ins Unendliche erweitert. Ein gezacktes Bruchstück zerfetzten Me talls ragte aus seiner Brust. * Abenwosch verließ die Kabine. Sein Gesicht war steinern. »Er war alt«, flüsterte er vor sich hin. »Er wä re sowieso bald gestorben.« Dann dachte er zurück. Früher war er da von überzeugt gewesen, dass ein Ju cla am Ende des dritten Lebensjahr zehnts seine Existenzberechtigung verlor. Früher. Als man ihn noch nicht Aben wosch nannte. Als er nur Scytim ge wesen war, der junge, niemandem verantwortliche Sohn des Kom mandanten der TIA - Pelyr, der ein
Opfer der Machtkämpfe geworden war. Es schien Abenwosch, als sei diese Zeit Ewigkeiten entfernt. Dabei trug er die Last seines Amtes erst so kurz. Waren es zwei Tage? Oder schon drei? Während der Schlacht hatte er jegli ches Zeitgefühl verloren. Wenige Stunden, die die jugendliche Naivität in ihm für immer ausgelöscht hatten. Er war zwölf Jahre alt, doch inner lich war er älter geworden. Viel älter. Wieder dachte er an seinen Vater. Das Wenige, was dir an innerer Reife noch fehlt, wirst du bald erlangen, wenn du erst einmal die Verantwor tung übernommen hast. Wie Recht er behalten hatte. Abenwosch-Pecayl 966. schloss die Augen. Noch eine weitere Stim me erklang in ihm, die des alten Olmon. ... auch wenn uns nicht viel Lebenszeit zur Verfügung steht. Wir sprachen vor kurzem bereits dar über, dass man sich für manche Din ge Zeit nehmen sollte ... Abenwosch ignorierte den Wahl spruch der Juclas und nahm sich Zeit zu trauern. *
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Christian Montillon
Stunden später erreichte er seine Kabine. Er öffnete seinen Schrank und griff nach einigen Folien. Er hatte sie aus dem persönlichen Raum sei nes verstorbenen Vorgängers ge nommen, als sie im Ortungsschat ten der Sonne abgewartet hatten. Seine Hinterlassenschaft. Die letz te Botschaft des Abenwosch-Pecayl 965. Abenwoschs Finger zitterten, als er zu lesen begann. Wie anders diese Zeilen plötzlich klangen. Als er sie zuletzt gelesen hatte, waren sie ihm wie Narretei erschienen, das senile Gejammer eines unmündigen Grei ses. Ich spüre es. Die Dunkelheit naht. Der Tod eilt mit Riesenschritten her bei. Wenn ich mich niederlege, so fürchte ich, nie wieder aufzustehen. Esse ich, habe ich Angst, es könnte die letzte Mahlzeit sein. Sehe ich ein Neugeborenes, denke ich an meine eigene Kindheit, die viel zu schnell vergangen ist. Eine völlig neue Bedeutung blitzte zwischen diesen Zeilen auf. Und so las er weiter, las von Tod, Selbst zweifeln und Ängsten. Von Hass und von der genetischen Bestimmung des Volkes zu kämpfen.
Abenwosch schwieg. Die zuletzt gelesenen Zeilen hielten ihn nach wie vor in ihrem Bann. Maliug wür de schon sagen, was er mitzuteilen hatte. »Dieser Kommandant sendet pau senlos eine Nachricht. Er bittet, mit dem Anführer der unbekannten Cappinschiffe sprechen zu dürfen.« Abenwosch erhob sich, legte die Hinterlassenschaft seines Vorgän gers zurück in den Schrank. »Gibt es einen Grund, warum ich Kontakt aufnehmen sollte?« Maliug zögerte. »Es ist deine Ent scheidung, Abenwosch-Pecayl 966.« »Aber ich frage dich. Was würdest du tun?« »Ich würde mir anhören, was er zu sagen hat, und dann entschei den, ob ich sein Schiff vernichte. Die Ganjasen sind nicht mehr unse re Verbündeten. Die Takerer sind tot, die Verhältnisse haben sich ge wandelt.« »Ich nehme das Gespräch an«, ent schied Abenwosch. »Wie lautet der Name des Kommandanten?« »Er nennt sich Atlan.«
Epilog 1:
Nachricht
Hass und Tod umgeben mich selbst im Alter, in meinen letzten Lebensta gen. Es wäre kühn, von Wochen oder gar Jahren zu sprechen. Das Ende lässt nicht mehr lange auf sich war ten, ich spüre es, ich weiß es. Olmon, mein Freund, spricht im merzu von Schönheit und von Wahr heit. Er verbringt seine verbliebene
Eine Funknachricht riss Aben wosch aus der Lektüre. Maliug nahm Kontakt zu ihm auf. »Die Ganjasen sind nicht vollständig ge flohen. Nur ein einziger Komman dant ist offenbar kein Feigling.«
Epilog 2:
Aus der letzten Aufzeichnung des
Abenwosch-Pecayl 965.
Todeszone Schimayn
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Zeit damit, sie zu suchen. Er hat Recht, aber er ist ein Träumer. Die Wirklichkeit wird auch ihn eines Ta ges einholen. Er sagt, Leben sei le benswert, auch jetzt noch. Aber was hat das Alter mir ge bracht? Man kämpft schon um mei ne Nachfolge. Auch mein Sohn ist davon nicht ausgenommen. Ich sehe die Anzeichen einer Rebellion ge gen die genetische Herrscherlinie. Lakim wird der Leidtragende sein, denn er ist zu schwach, um einen
Sturm zu überstehen. Ich hoffe nur, ich kann vor ihm sterben, um nicht vor seiner Leiche stehen zu müs sen. Kampf. Immer wieder Kampf. Wenn wir keine anderen Gegner ha ben, kämpfen wir mit unserem eige nen Volk, Jucla gegen Jucla. Ja, ich glaube, wenn am Ende der Zeiten nur noch ein einziges Intelli genzwesen im Universum existiert, wird es gegen sich selbst kämpfen, anstatt einfach nur zu leben.
ENDE
Durch die Vernichtung des Pedopeilers MARKASCH sieht sich Atlan vor erst jeder Möglichkeit beraubt, in die Milchstraße zurückzukehren. Seine Einmischung in die kriegerischen Auseinandersetzungen innerhalb der Sombrero-Galaxis scheint unvermeidbar. Atlan benötigt nun dringend mehr Informationen. Im Ercourra-Clan leckt man sich die Wunden, schließlich hat man über die Hälfte der Schiffe verloren. Von der Weichen stellenden Begegnung unseres Arkoniden mit deren Clan-Oberhaupt erzählt Altmeister Hans Kneifel in: DIE VERSAMMLUNG Der Roman erscheint in vierzehn Tagen überall im Zeitschriftenhandel.
Atlan - erscheint zweiwöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Internet: www.vpm-online.de. Redaktion: Sabine Kropp, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Titelillustration: Arndt Drechsler. Druck: VPM Druck KG, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, 65396 Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, Tel.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 31. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Öster reich: Pressegroßvertrieb Salzburg Gesellschaft m.b.H., Niederalm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskript sendungen wird keine Gewähr übernommen. Printed in Germany. März 2006. Internet: http://www.Atlan.de und E-Mail:
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