OSHO
TAO DAS HERZ DER FREIHEIT
Dieses Buch ist eine gekürzte Version des ersten Bandes der englischen Originalausgabc Tao, The Pathless Path. Wie alle Diskurse, die Osho vor einer internationale n Zuhörerschaft gehalten hat, sind diese als Originale publiziert worden und als Original-Audios erhältlich. Audios und das vollständige TextArchiv finden sie unter der online Bibliothek „Osho Library" bei www.osho.com
Titel der englischen Originalausgabe Tao; The Pathless Path
l Auflage 2007
Umschlaggestaltung: Silke Watermeier Übersetzung: Prem Nirvano Zusammengestellt von Sarito Carol Neimann Scanned by Antitrack/Legend December 2007 Copyright 2002 Osho International Foundation Schweiz www.osho.com Copyright 2007 Innenwelt Verlag GmbH, Köln www.innenwelt-verlag.de
ISBN 978-3-936360-46-2
OSHO
TAO DAS HERZ DER FREIHEIT
INHALT
Einführung 9
I.
Wer ist wahrhaft glücklich? 15
II.
Endlich einer, der sich zu trösten weiß 51
III.
Nichts zu bedauern 87
IV.
Keine Ruhe für die Lebenden 125
V.
Sei am besten still, sei am besten leer 163
VI.
Die Tora ist ein Schrittstein zum Tao - Fragen 195
Über den Autor 218
EINFÜHRUNG
EIN TAOISTISCHES GLEICHNIS:
Von Laotse, dem Begründer des Tao, existiert eine Statue, und ein junger Mann träumt schon seit Jahren davon, ins Gebirge zu gehen, um einmal diese Laotse-Statue zu sehen. Er liebt Laotses Worte, die Art wie er sprach, seine ganze Lebensweise - aber er hat noch nie eine Statue von ihm gesehen. Es gibt keine taoistischen Tempel, also auch nur ganz wenige Staaten, und die sind nur im Gebirge zu finden, unter freiem Himmel, herausgehauen aus einer Bergflanke - ohne Dach, ohne Tempel, ohne Priester, ohne Anbetung. Und die Jahre gehen dahin, und immer kommt ihm irgendctwas dazwischen. Aber eines Nachts schließlich beschließt er dorthin aufzubrechen. Er muss einfach - und so weit weg ist es auch wieder nicht, nur einhundert Meilen. Aber er ist arm, also muss er zu Fuß gehen. Um Mitternacht... er wählt bewusst den Zeitpunkt, da die ganze Familie - seine Frau und die Kinder - schläft und es keine Probleme geben wird, schnappt er sich eine Lampe, denn es ist stockfinstere Nacht, und verlässt seine Stadt. Wie er kurz nach der Stadt den ersten Meilenstein erreicht, muss er denken: „Mein Gott, einhundert Meilen?! Wo ich doch nur zwei Beine habe - das wcrd ich nicht überleben! Ich versuche Unmögliches. Ich bin noch nie im Leben einhundert Meilen gegangen, und es gibt keine Straße!" Er geht nur auf einem schmalen Bergpfad, einem Fußpfad, durchaus nicht ungefährlich. Also denkt er: „Ich warte besser den Morgen ab. Wenigstens wird es dann hell sein und ich kann besser sehen; sonst stürze ich irgendwann von diesem schmalen Grat ab. Und dann wäre es aus mit mir, und ich hätte nie die LaotseStatue gesehen. Bin ich denn lebensmüde?" Also setzt er sich gleich am Stadtrand hin, und als die Sonne
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aufgeht, kommt ein alter Mann vorbei, sieht den jungen Mann dasitzen und fragt: „Was tust du hier?" Der junge Mann erklärt es ihm. Der alte Mann muss laut lachen und sagt: „Hast du denn noch nie das alte Sprichwort gehört? Niemand vermag zwei Schritte auf einmal zu tun, man kann immer nur jeweils einen Schritt tun. Das gilt gleichermaßen für alle - die Mächtigen, die Schwachen, die Jungen, die Alten. Und das Sprichwort geht weiter: .Wenn der Mensch einfach nur einen Schritt nach dem ändern tut, kann er zehntausend Meilen weit kommen.' Und du hast nur einhundert Meilen vor dir! Du scheinst ein Dummkopf zu sein. Und wer sagt denn, dass du pausenlos gehen musst? Nimm dir ruhig etwas Zeit; alle zehn Meilen kannst du dich für einen Tag oder zwei Tage ausruhen. Genieße die Reise! Kaum irgendwo sonst könntest du ein schöneres Tal und schönere Berge finden, und die Bäume hängen voll herrlicher Früchte - Früchte, wie du sie vielleicht noch nie gekostet hast. Nun, ich muss weiter. Du kannst gern mit mir gehen. Ich bin diesen Pfad schon tausend Male gegangen und ich bin mindestens viermal so alt wie du. Steh auf!" Der Mann sagte so bestimmt „Steh auf!", dass der junge Mann sofort aufsprang. Und dann fuhr der Alte fort: „Gib mir deine Sachen. Du bist jung und unerfahren; ich werde deine Sachen tragen. Du brauchst mir nur zur folgen, und wir werden so viele Ruhepausen einlegen, wie du nur willst." Und es war, wie der Alte gesagt hatte - je riefer sie in den Wald und ins Gebirge vordrangen, desto schöner wurde es. Und wilde, saftige Früchte ... und sie rasteten oft; wann immer er wollte, war der Alte bereit. Er wunderte sich, dass der alte Mann selber niemals um eine Rast bat. Aber jedes Mal, wenn der junge Mann sagte, dass er eine Rast brauche, war er sofort
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bereit mit ihm zu rasten - ob einen Tag oder zwei -, und danach setzten sie die Reise wieder fort. So vergingen diese einhundert Meilen wie im Fluge, und endlich standen sie vor der schönsten Statue eines der größten Männer, die je ihren Fuß auf die Erde gesetzt haben. Selbst seine Statue hatte cm gewisses Etwas ... Sie war nicht irgendein beliebiges Kunstwerk, sondern war von taoistischen Künstlern so gefertigt worden, dass sie den Geist des Tao verkörperte. Tao lehrt die Philosophie des Loslassens. Es lehrt, dass du nicht zu schwimmen, sondern dich einfach nur vom Fluss tragen zu lassen brauchst - dem Fluss zu gestatten brauchst dich mitzunehmen, wo immer er hingeht. Demi jeder Fluss erreicht letztendlich das Meer. Du brauchst dir also keine Gedanken zu machen, du wirst das Meer schon erreichen. Verspanne dich also gar nicht erst... Dort also stand die Statue, an diesem einsamen Fleck, und direkt neben ihr kam ein Wassertall herabgestürzt - denn Tao wird auch „der Weg des Wassers" genannt. So wie das Wasser ständig nur weiter und immer weiter fließt - ohne Wegweiser, ohne Landkarte, ohne Vorschrift, ohne jede Disziplin - seltsamerweise aber äußerst bescheiden, denn es strebt immer und überall nach unten: Nie fließt es bergauf, sondern immer nur bergab. Aber es erreicht das Meer - dem es ursprünglich entstammt Der ganze Ort dort oben atmete den Geist des Tao, des Loslassens. Der Alte sagte: „So, und jetzt geht die Reise los." Der junge Mann sagte: „Was? Ich dachte, nach einhundert Meilen wäre die Reise vorbei?" Der Alte sagte: „Du darfst nicht alles auf die Goldwaage
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legen, was die Meister den Leuten erzählen. Aber die Realität ist, dass jetzt, a» diesem Punkt, in dieser Atmosphäre, eine Reise von eintausend und einer Meile beginnt. Und ich will dir nichts vormachen: Denn nach eintausend und einer Meile wirst du einen anderen Alten treffen - vielleicht mich -, der dir sagen wird: ,Das hier ist nur eine Verschnaufpause, geh weiter!' Geh weiter!, lautet die Botschaft. Die Reise selbst ist das Ziel. Sie währt unendlich. Sie währt ewig.
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WER IST WAHRHAFT GLÜCKLICH?
KAPITEL
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Als Liehtse einmal auf einer Reise nach Wei essend am Straßenrand saß, fiel sein Blick auf einen hundertjährigen Totenschädel. Mit einem Stöckchen wies er auf den Schädel und sagte zu seinem Schüler Pai Feng: „Nur er und ich wissen, dass du nie geboren wurdest und niemals sterben wirst. Ist also nun er der wahrhaft Unglückliche, und sind wir die wahrhaft Glücklichen?"
ICH BIN BEGEISTERT VON LIEHTSE! Wie kaum einer kann er das Unaussprechliche vollendet aussprechen. Die Wahrheit lässt sich nicht aussprechen; diese Unaussprechlichkeit ist ein Wesenszug der Wahrheit. Tausende und Abertausende haben sie auszusprechen versucht - und nur ganz Wenigen ist es gelungen, sie auch nur anzudeuten. Liehtse ist einer von diesen ganz Wenigen; er ist einmalig. Bevor wir nun aber seine Welt betreten werden, sind noch ein paar Dinge zu klären, was ihn und seinen Ansatz betrifft. Er hat den Ansatz eines Künstlers oder Dichters oder Geschichtenerzählers; und Geschichten kann er meisterhaft erzählen. Wer das Leben erfahren hat, dessen Erfahrung blüht in Form von Gleichnissen auf, offenbar ist das der einfachste Weg, das Unsagbare anzudeuten. Ein Gleichnis ist ein Kunstgriff, ein großartiger Kunstgriff - jedenfalls alles andere als eine gewöhnliche Geschichte. Es soll euch nicht unterhalten; es soll euch etwas Bestimmtes mitteilen, das sich nicht anders sagen lässt. Das Leben lässt sich in keine Theorie pressen - so riesig, so grenzenlos ist es. Eine Theorie ist von Natur aus in sich geschlossen. Eine Theorie muss abgeschlossen sein, sofern sie überhaupt eine ist; sie darf nicht unabgeschlossen sein, sonst macht sie keinen Sinn. Ein Gleichnis dagegen ist unabgeschlossen; es besagt etwas, lässt aber vieles offen, tippt es nur an. Und was nicht gesagt werden kann, auf das kann hingewiesen werden - wie ein Finger, der zum Mond zeigt. Klammert euch also nicht an den Finger - der spielt keine Holle; schaut hinauf zum Mond. Diese Gleichnisse sind in sich schön, aber das ist nicht ihr Zweck - sie weisen über sich selbst hinaus, sie sind transzendental. Wenn man das Gleichnis selber auseinandernimmt, wird man kaum schlau aus ihm werden. Es ist wie mit dem Nabel im Körper des Menschen. Geht man zum Chirurgen
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und fragt ihn, was denn der Zweck des Nabels im Körper sei, und der untersucht daraufhin den Körper, wird er keinen Zweck finden. Der Nabel scheint geradezu unnütz zu sein. Was für einen Zweck hat der Nabel? Er hatte wohl mal einen Zweck, als das Kind noch im Mutterleib war: da war sein Zweck der, eine Beziehung zwischen Kind und Mutter herzustellen, das Kind mit der Mutter zu verbinden. Aber nun ist das Kind nicht mehr im Mutterleib - vielleicht ist die Mutter längst tot und das Kind langst alt. Was also soll der Nabel jetzt noch? Sein Zweck ist transzendental: Er weist über sich hinaus. An und für sich hat er keinen Zweck. Man wird überall suchen müssen, auf allen Seiten, um Aufschluss darüber zu finden, worauf er hinweist: Er weist daraufhin, dass der Mensch einst ein Kind war, das das Kind einst im Schoß einer Mutter lag und das Kind mit der Mutter verbunden war. Jetzt ist er nur noch eine Spur der Vergangenheit. So wie der Nabel auf Vergangenes hinweist, so weist ein Gleichnis auf Zukünftiges hin. Es weist dich daraufhin, dass es eine Möglichkeit gibt zu wachsen, mit der Existenz verbunden zu sein. Das ist zwar vorläufig nur eine Möglichkeit, die sich erst noch verwirklichen muss. Nimmt man das Gleichnis auseinander, wird eine gewöhnliche Geschichte aus ihm. Nimmt man aber, statt es zu zerlegen, nur seinen Sinn, seine Poesie, seine Musik in sich auf- vergisst man also die Geschichte und lässt nur die Bedeutung auf sich wirken -, dann wird man sehr bald gewahr, dass sie auf etwas Zukünftiges hindeutet, auf etwas, das zwar sein kann, aber noch nicht ist. Das heißt „transzendental". Im Westen existiert außer den Gleichnissen Jesu nichts, was sich mit Lichtse, Tschuangtse oder Buddha vergleichen lässt... Dort gibt es nichts von der Art dieser Gleichnisse - außer Jesus.
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Und selbst die Gleichnisse Jesu klingen, als ob er sie aus dem Osten mitgebracht hätte. Es gibt zwar noch die griechischen Fabeln Aesops, aber auch die sind nur ein Echo des Panchatantra, der größten Gleichnissammlung des Orients. Das Gleichnis ist eine orientalische Erfindung - und von enormer Tragweite. Das ist also das Erste, was man sich über Liehtse klarmachen muss: dass er kein Theoretiker ist und man von ihm keine Theorie erwarten darf. Er wird einem nur Gleichnisse erzählen. Eine Theorie kann man analysieren - ihr Sinn liegt in ihr beschlossen; sie hat nichts Transzendentales, ihr Sinn ist in ihr drin, ist „immanent". Ein Gleichnis kann man nicht analysieren; analysiert man es, wird es sterben. Sein Sinn ist transzendental, ist nicht in ihm enthalten. Er liegt woanders - notgedrungen. Ein Gleichnis gilt es zu leben, nur so stößt man auf seinen Sinn. Es muss zu deinem Herzschlag, zu deinem Atem werden; es muss zu deinem inneren Rhythmus werden. Diese Gleichnisse hier sind also ungeheuer künstlerisch, aber nicht nur Kunst - sie sind auch voller Religiosität. Liehtse ist deshalb aber kein Theologe; er spricht nicht über Gott. Er spricht Gott, aber nicht über Gott. Was immer er sagt, kommt aus der Quelle, aber er spricht nicht über die Quelle. Macht euch das bitte ganz klar! Es gibt zweierlei Leute: Der eine spricht „über Gott", das ist der Theologe; und es gibt noch den anderen, der „Gott spricht" - das ist der Mystiker. Liehtse ist ein Mystiker. Wer „über Gott" spricht, hat Gott nicht erkannt; warum sonst sollte er „darüber" sprechen? Das Darüber verrät seine Unwissenheit. Wer dagegen „Gott spricht", hat ihn erfahren. Ihm ist Gott keine Theorie mehr, die es zu beweisen, zu widerlegen gilt, nein; ihm ist Gott sein Leben selbst - und das will gelebt
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sein. Wer einen Mann wie Liehtse verstehen will, der muss authentisch leben. Nur so, aufgrund der eigenen Erfahrung, wird man nach vollziehen können, was er mit seinen Gleichnissen meint. Man kann also nicht einfach hergehen und es wie Theorien auswendig lernen, um sich zu informieren; solche Informationen werden einem nicht weiterhelfen. Nichts wird weiterhelfen, außer man erkennt. Nur also, wenn diese Gleichnisse in dir einen Durst nach Erkenntnis, einen großen Drang nach Erkenntnis, einen Heißhunger auf Erkenntnis wecken, wenn dich diese Gleichnisse veranlassen, eine große Reise, eine Pilgerreise anzutreten - nur so, nur indem du dich selbst auf den Weg machst, wirst du den Weg verstehen lernen, Für Liehtse, Tschuangtse und Laotse, diese drei großen taoistischen Meister, gibt es nur ein Thema: der Weg. „Tao" bedeutet „der Weg" - über das Ziel verlieren sie kein Wort, Sie sagen: Das Ziel wird schon für sich selber sorgen; um das Ziel brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Wer den Weg kennt, der kennt auch das Ziel; denn das Ziel steht nicht erst ganz am Ende des Weges, sondern erstreckt sich bereits über den ganzen Weg - es steckt in jedem Augenblick und in jedem Scliritt. Es ist nicht so, dass du erst dann am Ziel ankommst, wenn der Weg endet. Sondern sobald du dich auf den Weg machst, befindest du dich in jedem Augenblick und, egal wo du bist, am Ziel. Auf dem Weg sein heißt, bereits am Ziel sein. Folglich reden sie nie vom Ziel, reden sie nie von Gott, reden sie nie von mokska, nirvana, Erleuchtung - nein, kein Wort. Ihre Botschaft lautet schlicht und einfach: „Finde den Weg!" Allerdings wird die Sache noch etwas komplizierter, denn sie sagen: Für den Weg gibt es keine Karte, der Weg ist nicht vorgegeben, der Weg ist nicht dergestalt, dass du nur jemanden zu
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finden und ihm zu folgen brauchst. Der Weg gleicht keiner Superschnellstraße; der Weg gleicht eher einem Vogel, der am Himmel fliegt, ohne eine Spur zu hinterlassen. Der Vogel hat zwar seine Bahn gezogen, hat aber keine Spur hinterlassen, niemand kann ihm folgen. Das macht den Weg zu einem weglosen Weg. Zwar ein Weg, aber ungebahnt. Er steht nicht fest, ist nicht vorgegeben; man kann sich nicht einfach vornehmen, seinen Fuß darauf zu setzen, sondern wird ihn erst finden müssen. Und man wird ihn auf seine ureigene Art und Weise finden müssen. Keines anderen Menschen Weg kann weiterhelfen. Buddha ist ihn gegangen, Laotse ist ihn gegangen, Jesus ist ihn gegangen, aber ihre Wege können dir keine Hilfe sein; denn du bist nicht Jesus, du bist nicht Laotse und du bist auch nicht Liehtse. Du bist du - ein unverwechselbarer Mensch. Nur indem du ihn gehst, wirst du den Weg finden - nur indem du dein Leben lebst. Dies ist unermesslich wertvoll. Aus diesem Grund ist der Taoismus auch keine organisierte Religion - kann er gar keine sein. Er ist zwar eine organische Religion, aber keine organisierte Religion. Du kannst ein Taoist sein, wenn du dein Leben einfach nur spontan und authentisch lebst, wenn du den Mut aufbringst dich unbegleitet, auf dich selbst gestellt ins Unbekannte zu wagen - ohne sich auf irgendwen zu stützen, ohne irgendwem zu folgen, einfach nur indem du hinaus in die finstere Nacht gehst, nicht ahnend, ob du irgendwo ankommen oder dich verlaufen wirst. Falls du genügend Mut hast - das Risiko musst du auf dich nehmen; es ist riskant, es ist ein Abenteuer. Christentum, Hinduismus, Islam sind lauter Superschnellstraßen; da brauchst du kein Risiko einzugehen, brauchst du nur der Masse zu folgen, dich dem Mob anzuschließen. Beim
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Tao musst du allein gehen, musst du allein sein. Tao achtet das unverwechselbare Individuum und nicht die Masse. Tao achtet die Freiheit und nicht die Anpassung. Tao kennt keine Überlieferung. Tao ist eine Rebellion - die denkbar größte Rebellion. Damm nenne ich Tao „den weglosen Weg". Wohl ein Weg, aber nicht wie andere Wege. Er hat etwas völlig anderes - etwas Freiheitliches, etwas Anarchisches, etwas Chaotisches. Dem Tao zufolge machst du dich, wenn du dich einer Disziplin unterwirfst, zum Sklaven. Deine Disziplin muss sich aus deiner Bewusstheit ergeben, nur dann bist du dein eigener Herr. Wenn du deinem Leben eine bestimmte Ordnung aufzwingst, kommt dabei nur eine Fassade heraus, rief in dir drin wird die Unordnung weitergehen. An der Oberfläche wird Ordnung sein, im Kern wird Unordnung herrschen. So etwas bringt nichts. Die wahre Ordnung kommt nicht von außen, sondern aus dem innersten Kern deines Seins. Lass die Unordnung zu, unterdrücke sie nicht. Stelle dich ihr, akzeptiere die Herausforderung der Unordnung. Indem du die Herausforderung der Unordnung akzeptierst und sie lebst - gefährlich lebst -, stellt sich in dir eine Ordnung ein. Diese Ordnung beruht auf dem Chaos, nicht auf irgendeiner Vorschrift. Der Kontext ist damit ein völlig anderer: Wenn sie aus dir heraus geboren wird, ist sie taufrisch. Sie ist nicht überliefert, sondern jungfräulich; sie ist nicht aus zweiter Hand. Tao hält nichts von einer Secondhand-Religion und einem Secondhand-Gott. Wenn du den Gott von Jesus übernimmst, wirst du ein Christ; wenn du den Gott Krishnas übernimmst, wirst du ein Hindu, wenn du den Gott Mohammeds übernimmst, wirst du ein Muslime.
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Tao sagt dagegen: Bevor du nicht deinen Gott findest, bist du nicht auf dem Weg. All diese Wege lenken dich also nur vom wahren Weg ab. Wenn du anderen folgst, gehst du in die Irre. Wenn du irgendeine Lebensart übernimmst, wirst du ein Sklave. Wenn du irgendein Muster befolgst, sperrst du dich selber ein. Und Gott oder das Tao oder dharma oder die Wahrheit erschließen sich nur dem, der absolut frei, bedingungslos frei ist. Gewiss, Freiheit ist gefährlich, denn sie gibt keine Sicherheit, keine Garantie. Wer der Masse folgt, geht ganz auf Nummer Sicher: Die Masse beschützt ihn. Wenn du der Masse folgst, fühlst du dich absolut sicher; denn das Wissen, von so vielen Menschen umgeben zu sein, gibt dir das Gefühl, nicht allein zu sein und dich nicht verlieren zu können. Aber genau wegen dieser Sicherheit bist du verloren, denn wegen dieser Sicherheit forschst du nie nach, suchst du nie und stellst keine Fragen. Und die Wahrheit ist nur dadurch zu finden, dass du nachforschst, dass du auf eigene Verantwortung nachforschst. Wenn du dich mit geborgten Wahrheiten abspeisen lässt, wirst du zwar beschlagen; aber Beschlagenheit ist keine Erkenntnis. Tao hält ganz und gar nichts von Gelehrsamkeit. Tao zufolge schadet es nicht einmal, wenn du unwissend bist, solange es deine eigene Unwissenheit ist - zumindest ist es deine, und das hat etwas Unschuldiges. Aber wenn du dich mit fremden Federn geschmückt, mit fremdem Wissen vollgestopft hast aus den Heiligen Schriften, aus der Tradition -, dann führst du ein hohles, ein Scheinleben. Dann lebst du im Grunde gar nicht, sondern stellst dich nur lebend; dann machst du nur kraft- und saftlose Gesten, leere Gebärden. Deinem Leben fehlt alle Intensität, alle Leidenschaft - es kann keine Leidenschaft haben. Wahre Leidenschaft kommt nur auf, wenn du deinen
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eigenen Weg gehst - allein, auf den unendlich entfernten Horizont der Existenz zu. Warum könnt ihr nicht allein gehen? Weil ihr dem Lehen nicht vertraut. Ihr schließt euch den Muslimen an, ihr schließt euch den Hindus an, ihr schließt euch den Juden an, weil ihr nicht dem Leben vertraut, sondern den Massen vertraut. Um allein gehen zu können, muss man sehr viel Vertrauen ins Leben haben - in die Bäume, die Flüsse, den Himmel, die Ewigkeit aller Dinge -, der vertraut man. Ihr vertraut Vorstellungen, Systemen, Ideologien von Menschenhand. Wie könnten Ideologien von Menschenhand wahr sein? Der Mensch hat sich diese Ideologien doch nur ausgedacht, um davon abzulenken, dass er tatsächlich nichts weiß. Um zu verbergen, dass er tatsächlich unwissend ist. Der Mensch ist listig, der Mensch ist schlau, und er kann alles rationalisieren, aber seine Rationalisierungen sind Hokuspokus - sie können euch nicht zur Wahrheit führen. Ihr werdet sie verwerfen müssen. Tao zufolge ist es nicht Unwissenheit, was euch den Zugang zur Wahrheit versperrt - die Sperre heißt Wissen. Lasst mich euch ein paar Anekdoten erzählen. In Samuel Becketts großartigem Werk „Warten auf Godot" kommt folgende kleine Szene vor. Erwägt ihre Tragweite: Zwei Landstreicher, Wladimir und Estragon, befinden sich auf der Bühne. Sie sind da, um zu warten - so wie jeder andere Mensch auf der Welt ebenfalls wartet; worauf, das weiß keiner so recht. Alle warten und hoffen sie darauf, dass irgendwann etwas passiert. „Heute ist es zwar noch nicht passiert, aber morgen, da wird es bestimmt passieren!" So denkt der Verstand des Menschen: Das Heute geht zwar immer leer aus, aber morgen, so hofft er, wird irgendetwas passieren...
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Diese zwei Landstreicher sitzen also unter einem Baum und warten ... warten auf Godot. Keiner weiß genau, wer dieser Godot ist. Das Wort klingt wie Gott, aber es klingt halt nur so, denn im Grunde sind alle Götter, auf dir ihr wartet, nur lauter Godots. Ihr habt sie erfunden, weil man ja schließlich auf irgendwas warten muss - wie wäre die Existenz sonst zu ertragen? Wozu? Wie könnte man sein Leben sonst auf später vertagen? Wie sonst könnte man hoffen? Das Leben wäre schier unerträglich, ja unmöglich, wenn es nicht etwas gäbe, worauf man wartet. Der eine wartet auf Geld, der andere wartet auf Macht, wieder ein anderer wartet auf Erleuchtung, und der Nächste auf irgendwas anderes ... aber jeder wartet. Und wer wartet, der wird leer ausgehen. Diese beiden Landstreicher sind nur da, um zu warten. Worauf sie warten, ist, dass ein Mann namens Godot einträfe, von dem sie erwarten, dass er ihnen Obdach und Auskommen beschere. Bis dahin vertreiben sie sich die Zeit mit Geschwätz, Witzeleien, Spielchen und belanglosem Zank und Streit... Genauso ist euer Leben auch. Man vertreibt sich fürs Erste die Zeit mit Lappalien. Das Wesentliche wird erst morgen passieren. Godot kommt erst morgen ... heute zankt man sich die Frau mit ihrem Mann, der Mann mit seiner Frau. Belanglosigkeiten: Smalltalk, Witze, Kartenspiel ... Öde und Leere. Heute ist das los, was jeder empfindet: Langeweile, Leere ... „Es gibt nichts zu tun", lautet der ständige Refrain der beiden. Wieder und wieder sagen sie: „Es gibt nichts zu tun", doch immer trösten sie sich sofort: „Aber morgen kommt er bestimmt." Dabei hat er ihnen überhaupt nichts versprochen, sie kennen ihn überhaupt nicht, sind ihm nie begegnet - er ist reine Erfindung. Was bleibt einem auch anderes übrig, als zu erfinden? Not macht erfinderisch - man erfindet das Morgen
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und etwas, woran man sich klammern kann. Eure Götter, eure Himmel, eure Paradiese, eure mokshas sind samt und sonders Erfindungen. Tao verliert kein Wort über sie. „Warten auf Godot", dieses Schauspiel von Samuel Beckett, ist im Grunde durch und durch taoistisch. Mitten im ersten Akt kommen zwei Fremde auf die Bühne gestürzt, Pozzo und Lucky. Pozzo scheint ein wohlhabender Mann zu sein, der Lucky, seinen Diener, an der Leine zu einem nahegelegenen Marktplatz treibt, wo er verkauft werden soll. Pozzo preist den Landstreichern Luckys Qualitäten an, deren beachtlichste sei, dass er denken könne. Um es ihnen vorzuführen, knallt Pozzo mit der Peitsche und befiehlt: „Denke!" woraufhin ein langer Monolog Luckys folgt - „hysterisch, verworren, zusammengewürfelt aus lauter Texten aus Theologie, Naturwissenschaft, Sportjournalismus und allen möglichen Wissensgebieten, bis alle drei sich schließlich auf ihn stürzen und ihn zum Schweigen bringen." Was ist euer Denken? Was meint ihr damit, wenn ihr sagt: „Ich denke"? Nichts als einen hysterischen, verworrenen Monolog - „lauter zusammengewürfelte Bruchstücke aus Theologie, Naturwissenschaft, Sportjournalismus und verschiedenen Wissensgebieten" ... bis der Tod kommt und euch zum Schweigen bringt. Woraus besteht all euer „Denken"? Was könnt ihr schon denken? Was gibt es groß zu denken? Und wie könnte man durch Denken zur Wahrheit gelangen? Das Denken kann euch keine Wahrheit bescheren: Die Wahrheit ist eine Erfahrung. Zudem eine Erfahrung, zu der es nur kommen kann, wenn alles Denken stillsteht! Tao zufolge also bringt Theologie nichts, bringt Philosophie nichts, bringt Logik nichts, bringt der Verstand nichts. Ihr könnt
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im Kopf noch so viel denken und denken - es wird alles nur Erfindung sein - schiere Erfindungen des menschlichen Verstandes, um seine eigene Dummheit zu vertuschen. Und damit könnt ihr bis in alle Ewigkeit weitermachen ... der eine Traum führt zum nächsten, und dieser andere Traum mündet wieder in einem anderen Traum ... Traum über Traum über Traum aus nichts anderem besteht all eure Philosophie und Theologie. Traum über Traum über Traum ... so macht der Verstand immer weiter. Sobald man zu träumen anfängt, ist kein Ende mehr abzusehen. Und was ihr „Denken" nennt, solltet ihr besser „Träumen" nennen - es ist kein Denken. Merkt euch: Zur Wahrheit ist kein Denken nötig, sondern Erfahrung. Wenn du die Sonne und ihr Licht siehst, brauchst du nicht erst darüber nachzudenken - du siehst es. Wenn dir eine Rosenblüte begegnet, brauchst du nicht über sie nachzudenken, du siehst sie. Wenn dir ihr Duft in die Nase steigt, riechst du sie und brauchst nicht erst über sie nachzudenken. Wann immer man der Wirklichkeit näherkommt, braucht man nicht erst zu denken - dann genügt die Wirklichkeit, dann genügt eure Sinneswahrnehmung. Nur, je weiter ihr euch von der Wirklichkeit entfernt, beginnt ihr zu denken, ersetzt ihr eure Wahrnehmung durch Denken. Wer gut gegessen hat, wird nachts nicht davon träumen, zu einem Festmahl geladen zu sein. Wer den ganzen Tag keinen Bissen gegessen hat, muss nachts zwangsläufig von einem Festmahl träumen. Wer sexuell befriedigt ist, der hat keine sexuellen Träume. Mehr ist nicht dran an der ganzen Freudschcn Psychologie: Man träumt von den Dingen, die einem das Leben vorenthält; man träumt, um zu kompensieren. Das ist auch der ganze taoistische Ansatz. Was Freud über das Träumen sagt, das sagt der taoistische Ansatz über das Denken
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schlechthin. Und das Denken ist nur ein Bestandteil des Träumens und nichts weiter. Denken ist Träumen in Worten, Träumen ist Denken in Bildern - das ist der einzige Unterschied. Traumen ist eine primitive Form von Denken, und Denken ist eine etwas entwickeltere Form von Träumen - zivilisierter, kultivierter, intellektueller ... aber im Grunde dasselbe, außer dass die Bilder von Wörtern ersetzt werden; und im selben Maße, wie das Denken die Bilder durch Wörter ersetzt hat, hat es sich auch weiter von der Wirklichkeit entfernt. Demi Bilder kommen der Wirklichkeit näher als Wörter. Liehtse ist kein Denker. Lasst das tief in euch einsinken, und ihr werdet seine Gleichnisse besser verstehen können. Liehtse ist ein Dichter, kein Denker. Und wenn ich „Dichter" sage, dann meine ich damit jemanden, der sich nur auf die Erfahrung und nie auf die Spekulation verlässt. Der Dichter ist auf der Suche. Seine Suche gilt zwar dem Schönen, aber Schönheit ist nichts anderes als ein Aufleuchten der Wahrheit. Wenn einem die Wahrheit nur für einen Augenblick aufleuchtet, tritt sie als Schönheit in Erscheinung. Hat man die Wahrheit dann vollends erkannt, begreift man, dass Schönheit nur eine Begleiterscheinung der Wahrheit ist. Wo immer man Wahrheit antrifft, da trifft man auch Schönheit an - sie folgt der Wahrheit als Schatten. Solange man die Wahrheit nur verschleiert erkennt, ist sie Schönheit, erscheint die Schönheit nackt, wird sie zu Wahrheit. Der Dichter und der Mystiker sind also nicht weit voneinander entfernt: Der Dichter nähert sich der Wahrheit, der Mystiker ist bei ihr angekommen. Dem Dichter blitzt die Wahrheit nur hier und da auf; dem Mystiker bedeutet die Wahrheit sein ganzes Leben. Der Dichter wird nur manchmal
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in die Welt der Wahrheit erhoben und fällt dann wieder zurück. Dem Mystiker ist die Wahrheit zur Heimat geworden, er lebt in ihr, lebt selber als Wahrheit. Die Dichter kommen der Religiosität am nächsten. Die Denker, Philosophen, Logiker, Theologen und Naturwissenschaftler sind noch weit entfernt von ihr. Ihr ganzer Ansatz ist ein verbalisierender. Der dichterische Ansatz ist existenzieller, und der Ansatz des Mystikers ist existenziell par excellence, ist endgültig existenziell. Tao heißt „auf dem Wege sein", und zwar dergestalt, dass du und der Weg nicht mehr zu trennen seid. Unsere Existenz ist ungeteilt - wir sind nicht von ihr zu trennen. Schon die Vorstellung, von ihr getrennt zu sein, ist völlig illusorisch. Wir hängen zusammen, wir sind ein Ganzes. Wir existieren nicht als Inseln, sondern als ein einziger Kontinent. Ihr seid in mir, ich bin in euch. Die Bäume sind in euch, ihr seid in den Bäumen, alles ist ein einziges, zusammenhängendes Ganzes. Basho hat das einmal im Bild eines riesigen Spinnennetzes ausgedrückt. Habt ihr das auch schon mal versucht? Ganz gleich, an welcher Stelle du ein Spinnennetz berührst - das ganze Netz erzittert, alles fängt an zu vibrieren.. Berühre das Blatt eines Baumes, und du hast alle Sterne in Schwingung versetzt. Ihr mögt es im Moment noch nicht erkennen können, aber alles hängt so tief zusammen, dass man unmöglich ein Blatt - das winzige Blatt eines Baumes! berühren kann, ohne damit nicht auch die Sterne berührt zu haben. Das All ist eins, da ist unmöglich etwas abzutrennen. Mit dem bloßen Gedanken an Abgetrenntheit sperrst du dich selber aus. Und die Vorstellung, abgetrennt zu sein, ist das, was wir „das Ego" nennen. Wer sich fürs Ego entscheidet, der ist nicht auf dem Weg, ist nicht im Tao.
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Sobald du das Ego aufgibst, bist du im Tao. Tao heißt: eine egolose Existenz; heißt: als ein Teil dieses unendlichen Ganzen leben und nicht bloß abgeschnitten für sich leben. Nun, gewöhnlich sind wir dazu erzogen worden, uns selber als abgetrennte Wesen zu betrachten; man hat uns beigebracht, auf unserm eigenen Willen zu beharren. Es kommen Leute zu mir und wollen wissen: „Wie können wir unsere Willenskraft stärker entwickeln?" Tao hält nichts vom Willen, Tao hält nichts von Willenskraft, weil Tao für das Ganze ist und nicht für den Teil. Wenn der Teil im Ganzen existiert, ist alles harmonisch. Wenn der Teil anfangt sich abzusetzen, wird alles unharmonisch - kommt es zu Uneinigkeit, Streit, Verwirrung. Wenn du dich nicht ins Ganze fügst, entsteht Unfug. Wo die Fügung ins Ganze wegfallt, kann der Unfug einfach nicht ausbleiben. Wann immer du nicht mit dem Ganzen mitgehst, bist du unglücklich. Nehmt dies als Definition von „Glück": Mit dem Ganzen sein heißt, glücklich sein; mit dem Ganzen sein heißt, gesund sein; mit dem Ganzen sein heißt, heil und ganz, ja heilig sein. Von ihm abgetrennt sein heißt, ungesund sein; abgetrennt sein heißt, neurotisch sein. Abgetrennt sein ist der Sündenfall. Der Sündenfall bestand nicht dann, dass der Mensch Gott nicht gehorchte. Sein Sündenfall war, dass er sich für existent hielt. Der Sündenfall ist, dass der Mensch meint, als losgelöstes Wesen zu existieren. Das ist dumm: Du hättest nie existieren können, hätte es deine Eltern nicht gegeben - und die Eltern deiner Eltern, und deren Eltern und deren Eltern ... und so weiter und so fort, bis zu Adam und Eva. Hätte es Adam und Eva nicht gegeben, hätte es dich nie gegeben. Also hängst du mit der gesamten Vergangenheit zusammen. Und Adam und Eva sind nur ein Mythos.
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Die Vergangenheit hat keinen Anfang, kann gar keinen Anfang haben; die bloße Vorstellung von einem „Anfang" ist absurd. Wie könnte urplötzlich alles anfangen? Es ist eine anfangslose Folge von Ereignissen. Du hängst mit der gesamten Vergangenheit zusammen; ebenso wie du mit der gesamten Zukunft zusammenhängst, weil ohne dich die Zukunft nicht das wäre, was sie ist. Du magst ein Niemand sein, aber du wirst eine Spur hinterlassen. Die ganze Zukunft, die ganze ewige Zukunft wird etwas Bestimmtes an sich haben, nur weil du existiertest. Du magst nur siebzig Jahre lang existiert haben, und vielleicht bist du davon nur sieben Sekunden lang bewusst gewesen, und dennoch hast du eine Spur hinterlassen; das Ganze wird anders sein als sonst. Wärest du nicht gewesen, wäre alles völlig anders gelaufen. Jetzt aber wird alles absolut anders sein, weil du existiert hast: Du wirst fortleben. Du magst nichts Spezielles, nichts Großes und Hervorragendes leisten - nur ein ganz gewöhnliches Leben... und dennoch wirst du einen Einfluss auf den gesamten Verlauf der Existenz ausüben. Vergangenheit, Zukunft, mit denen bist du verbunden - das ist die Dimension der Zeit. Außerdem bist du aber auch im Raum mit allem verbunden. Mit diesen Bäumen, der Sonne, dem Mond, den Sternen ... du bist mit allem verbunden. Wenn die Sonne aufhört zu existieren oder sich einfach nur abkühlt - was ja gar nicht ausbleiben kann, weil sie tagtäglich Energie verliert ... Sobald sich die Sonne abkühlt, werden wir alle miteinander sofort erfrieren, werden wir unser Leben verlieren. Denn Leben erfordert Wanne; eben darum bekommt ihr unentwegt Wärme von der Sonne ... Und merkt euch: Kein Vorgang im Leben geht nur in eine Richtung - ausgeschlossen. Alles ist wechselseitig - alle Straßen
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verlaufen in beide Richtungen. Wenn die Sonne euch Leben spendet, dann müsse auch ihr der Sonne auf irgendeine Weise Leben spenden. Das hat Gurdjieff gemeint, wenn er nicht müde wurde seinen Schülern zu sagen, dass der Mond sich vom Menschen ernähre. Ausgeschlossen ist das nicht... Ihr ernährt euch von Tieren, ihr ernährt euch von Bäumen... Alles ernährt sich von etwas anderem, warum sollte der Mensch davon ausgenommen bleiben? Gurdjieff sagt das nicht einfach nur obenhin. Alles ist Nahrung für etwas anderes, warum sollte der Mensch also die einzige Ausnahme bilden und niemandem als Nahrung dienen? Er ernährt sich von der gesamten Existenz, und da sollte er selbst nicht auch Nahrung für irgendwas sein? Das ist ausgeschlossen; alles hängt zusammen. Also kam Gurdjieff auf die herrliche Theorie, dass der Mond vom Menschen zehre - dass der Mond sich vom Menschen, vom menschlichem Bewusstsein ernähre! Und eines scheint zumindest dafür zu sprechen: In der Vollmondnacht spielen nämlich viele Leute verrückt. Aus diesem Grund heißen im Englischen Verrückte lunatics Mondsüchtige, von dem lateinischen Wort luna für „Mond". Ein Verrückter ist mondsüchtig. Das Meer wird tobsüchtig warum sollte da nicht auch der Mensch in der Vollmondnacht tobsüchtig werden? Schließlich besteht der Mensch zu neunzig Prozent aus Meerwasser und nichts anderem. Zu neunzig Prozent seid ihr pures Meer! Ihr besteht aus Meer; neunzig Prozent sind Wasser, und dieses Wasser hat genau denselben Salzgehalt wie das Meer, in genau derselben Proportion. Wenn also das Meer zu toben beginnt, muss auch in eurem Körper was los sein! Zu neunzig Prozent seid ihr Meer - irgendetwas muss also zu toben anlangen. Die Dichter sagen, sie hätten ihre poetischs-
ten Inspirationen in der Vollmondnacht. Liebende sagen, in der Vollmondnacht würde es ungeheuer romantisch. Und heutzutage steht fest, dass mehr Menschen in der Vollmondnacht wahnsinnig werden als sonst in irgendeiner anderen Nacht. Statistisch werden in der Neumondnacht am wenigsten Menschen und in der Vollmondnacht am meisten Menschen wahnsinnig. Vielleicht hat Gurdjieff ja irgendwo Recht, wenn er behauptet, der Mond ernähre sich von eurem Bewusstsein. Mag sein, dass das nur eine Fiktion ist, aber selbst Fiktionen enthalten oft ein Körnchen Wahrheit. Und wenn ein Mann wie Gurdjieff eine Fiktion in die Welt setzt, muss wohl etwas Wahres dran sein... Das Ganze ist miteinander verbunden. Wir essen und werden gegessen - auf der einen Seite nehmen wir, auf der anderen Seite geben wir. Du isst einen Apfel. Eines Tages wird der Apfelbaum von deinem Körper zehren, wird dein Körper ihn düngen. Als du den Apfel aßest, hattest du keinen Gedanken daran, dass in dem Apfel vielleicht dein Vater oder dein Großvater enthalten ist und du damit deine Großmutter oder deinen Großvater verzehrst... Und dass eines Tages deine Kinder dich verzehren werden... Das Ganze ist miteinander verbunden. Das Wort Tao steht genau für diese Verbundenheit: dass alles miteinander verbunden ist, vernetzt ist, wechselseitig abhängig ist. Niemand ist abgetrennt; folglich ist das Ego absurd. Nur das Ganze kann „Ich" sagen; seine Teile dürfen nicht „Ich" sagen. Und wenn sie es denn unbedingt sagen müssen, sollten sie dies als eine linguistische Notwendigkeit betrachten, aber nicht persönlich auf dieses „Ich" pochen. Wenn du dich von der Existenz getrennt siehst, existierst du im Unglück - weil du dich damit von ihr abschneidest.
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Niemand anders ist verantwortlich dafür, nur du selbst. Passt, wenn ihr glücklich seid, einmal genau auf, was sich da abspielt: Wann immer du glücklich bist, ist das Ego nicht mehr da. In solchen Augenblicken des Glücks, der Freude, der Seligkeit löst sich dein Ego auf - verschmilzt du mehr mit dem Ganzen, verschwimmen deine Konturen, verblassen deine Grenzen. Wenn sich deine Grenzen restlos verloren haben, so als hätte der Fluss sich im Ozean aufgelöst, wenn alle Grenzen verwischt sind und du eins mit dem Ganzen bist, mit ihm pulsierst, breitet sich Glück aus... Irgendwo soll einmal ein König gelebt haben. Der König hatte alles, was man sich nur wünschen kann, Reichtum, Macht, sogar Gesundheit. Er hatte Frau und Kinder, die er liebte, nur an einem fehlte es ihm: Glück. Traurig und niedergeschlagen saß er auf seinem Thron... was nur natürlich ist. Je mehr weltliche Güter man hat, desto weniger Glück empfindet man; denn je mehr weltliche Güter man hat, desto stärker wird das Ego, desto kompakter, kristallisierter wird das Ego - und Unglück ist die Folge. Deswegen hat man nie oder nur hin und wieder mal von einem glücklichen König gehört. Nicht zufällig verließen sowohl Buddha wie Mahavir ihr Königreich und wurden zu Bettlern. Und kaum waren sie Bettler, erklärten sie: „Jetzt sind wir Kaiser" - denn auf einmal waren sie glücklich. Sannyasin ist einer, der den Weg des Tao gewählt hat und sagt: „Ich existiere nicht; nur das Ganze existiert." Genau das meint Jesus, wenn er ständig wiederholt: „Gesegnet sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich." Mit „Arm im Geiste" meint er jemanden, der kein Ego mehr hat und so arm geworden ist, dass er nicht einmal mehr die Vorstellung eines „Ich" hat. Und genau das macht ihn andererseits zum Allerreichsten.
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Das meint Jesus mit: „In meinem Reich Gottes werden die Letzten die Ersten sein." Die Ärmsten werden die Reichsten sein. Wohlverstanden ist mit „arm" hier kein finanzieller Wohlstand gemeint - „arm" ist einfach nur der, der nichts von sich hermacht. Indem du zu einem Nichts wirst, bist du Teil des Ganzen, dieser König muss tief unglücklich gewesen sein... „Ich will unbedingt glücklich sein!", sagte der König. Er ließ den kömglichen Leibarzt rufen. „Ich will Glück! Mach du mich glücklich, und ich werde dich reich machen. Wenn du mich nicht glücklich machst, werde ich dir den Kopf abschlagen", sagte der König. Der Arzt war ratlos. Was sollte er tun? Wie machte man jemanden glücklich? Niemand weiß, wie das geht, niemand ist je imstande gewesen, einen anderen glücklich zu machen. Aber der König war außer sich und bedrohte sein Leben. Der Arzt sagte: „Ich werde darüber meditieren, Majestät, und die Schriften zu Rate ziehen. Morgen Früh werde ich kommen." Und so meditierte er die ganze Nacht über. Und am Morgen hatte er einen Einfall: „Die Sache ist doch ganz einfach!" Er hatte die Bücher gewälzt, aber in der medizinischen Literatur war nirgends die Rede von Glück. Das Problem hatte es in sich ... aber dann war ihm ein Einfall gekommen und so brachte er ein Rezept mit. Er sagte: „Majestät, Ihr müsst das Hemd eines glücklichen Menschen suchen und es ihm wegnehmen lassen. Dann wird Euch das Glück zuteil werden und Ihr werdet wissen, was Glück ist. Ein simples Gegenmittel: Finde einen glücklichen Menschen, nimm ihm
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sein Hemd und trage es. Der König war sehr glücklich, dies zu hören. Er sagte: „Was - so einfach?" und trug seinem Wesir auf: „Geh und suche einen glücklichen Menschen und bringe mir umgehend sein Hemd." Der Wesir ging. Er ging zu dem reichsten Mann und bat diesen um sein Hemd. Doch der sagte: „Du kannst so viele Hemden haben, wie du willst, aber ich bin kein glücklicher Mensch. Hemden kannst du haben, so viele du willst, aber ich selber bin unglücklich. Nun aber weiß ich Rat: Ich werde meine eigenen Diener ausschicken; sie sollen einen glücklichen Menschen suchen und mir sein Hemd bringen. Vielen Dank für den Tipp." Doch wohin der Wesir auch kam - niemand war glücklich. Sie alle wollten helfen und sagten: „Wir können dir unser Leben geben, wenn das den König glücklich macht, und erst recht unser Hemd. Unser ganzes Leben gäben wir hin ... aber wir selbst sind nicht glücklich. Was kann also unser Hemd da schon ausrichten?" Der Wesir war sehr betrübt. Was sollte er tun? Jetzt hatte er das Nachsehen - der Arzt hatte ihm den Schwarzen Peter zugeschoben, also fürchtete er um sein Leben. Bis irgendwer sagte: „Nur keine Sorge! Ich kenne einen glücklichen Menschen! Und gewiss hast auch du ihn schon irgendwo, irgendwann gehört - man kann ihn immer nachts auf seiner Flöte spielen hören, unten am Fluss. Hast du ihn nie gehört?" Er antwortete: „Doch, manchmal hat mich das mitten in der Nacht wie verzaubert - welch herrliche Töne! Wer ist dieser Mann? Wo wohnt er?" Der Mann sagte: „Wir können gleich heut Nacht hin-
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gehen und ihn aufsuchen. Er kommt immer, jede Nacht." Am selben Abend gingen sie also hin, und der Mann spielte tatsächlich auf seiner Flöte und es war überwältigend schön. Seine Musik war so voller Seligkeit, dass der Wesir Mut schöpfte und sagte: „Endlich hab ich den Richtigen gefunden!" Als er dann vor ihm stand, unterbrach der Unbekannte sein Flötenspiel und fragte: „Was willst du?" Der Wesir fragte: „Bist du glücklich?" Er bekam zur Antwort: „Ich bin glücklich. Ich bin Glück. Was willst du?" Der Wesir tanzte vor Freude. Er sagte: Nun, gib mir einfach dein Hemd!" - aber der Mann blieb still. Und der Wesir sagte: „Warum sagst du nichts? Gib mir dein Hemd! Der König braucht es." Der Mann sagte: „Das ist nicht möglich, da ich gar kein Hemd habe. Weil es so dunkel ist, kannst du's nicht sehen, aber ich sitze hier nackt. Ich hätte dir gern mein Hemd gegeben - selbst mein Leben -, aber ich habe kein Hemd." „Wie kommt es, dass du dann glücklich bist?", fragte ihn der Wesir. „Wie kannst du da glücklich sein?" Und der Mann sagte: „Glücklich bin ich an dem Tag geworden, als ich alles verlor - mein Hemd und alles. Ich habe tatsächlich nichts mehr, nicht einmal mich selbst habe ich mehr. Der hier Flöte spielt, bin nicht ich - du hörst das Ganze durch mich spielen. Ich bin null und nichtig, ein Nichts, ein Niemand ..." Genau das ist mit einem „Armen im Geiste" gemeint - einer,
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der nichts besitzt, der nichts hat, der nichts weiß, der nichts ist. Tao besagt: Wenn du zunichte wirst, dann wirst du zu allem. Löse dich auf und du wirst heil sein. Beanspruche, da zu sein, und du wirst unglücklich sein. Dies Tao, dies Verschmelzen mit dem Ganzen, dies Sichauflösen im Kosmos lässt sich nicht lehren. Man kann es zwar erlernen, doch beibringen lässt es sich nicht. Daher predigen die taoisrischen Meister nicht - Liehtse und Laotse und andere; sie haben nichts zu predigen. Sie sprechen in Gleichnissen. Man kann sich seine Geschichte anhören, und wer wirklich hinhört, dem wird ein inneres Licht aufgehen. Es kommt also nur darauf an, wie man zuhört. Liehtse selber hatte lange Jahre bei seinem Meister gesessen, einfach nur still dagesessen, ohne etwas zu tun, und nur gelernt still zu werden, gelernt passiv zu sein, gelernt empfänglich zu sein, gelernt weiblich zu sein - denn nur so wird ein Jünger aus dir. Ich will es euch verraten: Genau genommen gibt es nämlich gar keine Meister, sondern nur Jünger, nur Lernende. Denn da man es gar nicht lehren kann, darf man auch nicht sagen, es gäbe Meisten Buddha kann es euch nicht lehren, Liehtse kann es euch nicht lehren - wieso sie also „Meister" nennen? Aber wer ein Jünger ist, der lernt... Ein Meister ist also niemand, der euch lehrt; ein Meister ist jemand, in dessen bloßer Präsenz ihr lernen könnt. Macht euch den Unterschied bitte ganz klar: Ein Meister ist niemand, der euch lehrt - weil es gar nichts zu lehren gibt. Ein Meister ist einer, in dessen Präsenz es möglich wird, zu lernen. Einmal kam ein Wahrheitssucher zu dem Sufi-Mystiker Jalaluddin Rumi und sagte: „Wirst du mich lehren? Kannst du mich lehren, Meister?"
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Jalaluddin sah ihn an und fragte zurück: „Wirst du mir denn gestatten zu lehren?" Der Mann sagte: „Warum sollte ich dir nicht gestatten zu lehren, wo ich doch extra zu dir gekommen bin um zu lernen!" Jalaluddin sagte: Darum geht es - oh du mir gestatten wirst zu lehren. Denn wie sonst soll ich dich lehren? Im Grunde ist es nämlich unmöglich, zu lehren, es ist nur möglich, zu lernen. Nur wenn du es zulasse, öffnet sich die Blüte des Lernens." Liehtse hatte also lange Jahre bei seinem Meister gesessen, einfach nur schweigend bei ihm gesessen, ohne etwas zu tun, und war einfach nur immer untätiger geworden. Bis der Tag kam, da es absolut windstill in ihm wurde und ihn keine einzige Gedankenwelle mehr durchzog. Seine Energie war vollkommen präsent - ein spiegelglatter See, ohne Wellen, ohne Wind - und er erkannte. Es passiert blitzartig, im Nu. Das Erkennen der Wahrheit ist kein Prozess, sondern kommt plötzlich. Es kommt nicht allmählich, es erfordert keine Zeit. Wenn es Zeit erfordert, dann nur euretwegen, da ihr noch nicht auf Anhieb still sein könnt. Sobald ihr still sein könnt, tritt sie noch im selben Augenblick ein. Aber das tut sie immer nur in der Stille. Was genau ist es, das da in der Stille geschieht? Wenn du still bist, hörst du auf zu sein - lösen sich deine Grenzen auf, bist du eins geworden mit dem Ganzen. Lasst mich euch eine taoistische Geschichte erzählen. Ein Schüler von Laotse sagte: „Meister, ich bin angekommen." Laotse sagte: „Wenn du sagst, dass du angekommen
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bist, dann ist eines absolut sicher, nämlich dass du noch nicht angekommen bist." Der Schüler wartete monatelang, bis er dann eines Tages sagte: „Du hattest Recht, Meister. Jetzt ist es angekommen. Erst hatte er gesagt: „Ich bin angekommen" und später dann sagte er: „Es ist angekommen." Laotse sah den Schüler voller Mitgefühl und Liebe an und tätschelte ihm den Kopf mit den Worten: „So ist es richtig. Jetzt erzähle mir, was vorgegangen ist. Jetzt möchte ich von dir hören: Was ist da vorgegangen?" Er sagte: „Bis zu dem Tag, als du zu mir sagtest: ,Wenn du sagst, dass du angekommen bist, ist eines absolut sicher, nämlich dass du noch nicht angekommen bist', hatte ich mich enorm angestrengt, hatte ich getan, was in meinen Kräften stand und mir alle erdenkliche Mühe gegeben. Deine Worte damals aber trafen ins Schwarze: Wie konnte ,ich’ ankommen? Wo mir doch gerade mein ,Ich’ im Wege stand! Also musste ich aus dem Weg treten." Es kann ankommen ... ja, die Taoisten nennen es sogar Es. Sie sprechen von keinem „Er", sie sprechen von keiner „Sie", sie sprechen von keinem „Gottvater". Sie haben keinen persönlichen Namen dafür, sondern sagen einfach nur "Es". Es ist unpersönlich und bezeichnet das Ganze: „Tao" bedeutet „Es". „Tao ist angekommen", fuhr er fort, „aber es kam erst, als ich nicht mehr da war." Laotse sagte: „Erzähle den anderen Schülern, wie es sich abgespielt hat." Und er sagte: „Alles, was ich sagen
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kann, ist dies: Ich war nicht gut, ich war nicht schlecht, ich war kein Sünder, ich war kein Heiliger, ich war weder dies noch das, ich war niemand Besonderes, als Es kam. Ich bestand einfach nur aus Passivität, war eine ungeheure Passivität, nur eine Tür, eine Öffnung. Ich lud es nicht einmal ein. Hört ihr?! Ich hatte es noch nicht einmal eingeladen, denn selbst unter die Einladung hätte ich meine Unterschrift gesetzt. Ich hatte nicht einmal eine Einladung verschickt ... Genau genommen hatte ich Es völlig vergessen! Ich saß einfach nur da. Ich suchte nicht, ich forschte nicht, ich wollte überhaupt nichts mehr wissen. Ich war nicht da - und plötzlich hat Es mich überflutet." Genau so passiert es. Es kann auch dir passieren, wenn du einfach nur immer passiver wirst. Tao ist der Weg des Weiblichen. Alle anderen Religionen sind aggressiver, alle anderen Religion sind mehr männlich ausgerichtet; Tao ist eher weiblich. Und vergesst nicht: Die Wahrheit kommt nur, wenn man sich in einem weiblichen Bewusstseinszustand befindet, niemals anders. Man kann die Wahrheit nicht erobern. Es ist töricht, ja geradezu albern, sich auch nur vorzustellen, man könne die Wahrheit erobern - dass der Teil das Ganze erobern wolle! Der Teil kann es nur zulassen, der Teil kann es nur gewähren lassen. Dieses Gewahrenlassen wird dann möglich, wenn man Folgendes fertigbringt: Sich an kein Wissen mehr zu klammern, sich an keine Philosophie mehr zu klammern, sich an keine Lehrmeinungen und Dogmen mehr zu klammern. Klammert euch nicht länger an die Kirchen und die organisierten Religionen, sonst werdet ihr euch falsche Vorstellungen
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machen, und diese falschen Vorstellungen werden die Wahrheit daran hindern, euch zu erreichen. Ein schönes Gleichnis... Überall auf den Giebelspitzen der Bauernhöfe saßen reihenweise die Schwalben und zwitscherten unruhig miteinander über dies und das, hatten aber eigentlich nur den Sommer und den Süden im Kopf, denn der Herbst nahte und der Nordwind war sich schon am vorbereiten. Und plötzlich, eines Tages waren sie alle auf einmal weg. Da gab's nur noch ein Thema bei den Hühnern des Hofs: die Schwalben und der Süden. „Ich glaube, ich zieh nächstes Jahr auch in den Süden", sagte eine Henne. Die Monate gingen ins Land und die Schwalben kehrten zurück; wieder verstrichen Monate und wieder saßen sie auf den Giebelspitzen, und die Hühner hatten nur ein Thema: die Reise der Henne. Dann eines ganz frühen Morgens kam der Wind von Norden, und auf einmal flogen alle Schwalben auf, spürten den Wind in ihren Flügeln und eine Kraft und ein seltsam uraltes Wissen und eine große Zuversicht kam über sie. Sie stiegen weiter auf in den Himmel und verließen den Qualm unserer Städte. „Ich glaube, der Wind bläst in die richtige Richtung," sprach da die Henne, breitete auch ihre Flügel aus und rannte los. Flatternd und gackernd rannte sie die Straße hinauf und noch ein Stück weiter, bis sie schließlich zu einem Garten kam. Am Abend kam sie keuchend zurück und erzählte den anderen Hühnern, sie sei bis tief in den Süden vorgedrungen, bis zur Autobahn. Dort habe sie den Verkehr
der großen weiten Welt vorbeirauschen gesehen. Und sie habe Länder gesehen, wo Kartoffeln wuchsen und die Menschen auf Stoppelfeldern wohnten. Und am Ende der Straße habe sie einen Garten gefunden - in dem habe es Rosen, die wunderschönsten Rosen gegeben, und sogar der Gärtner selber wäre dagewesen." „Wie ungemein interessant!", staunten die anderen Hühner, „und wie schön du das alles beschrieben hast!" Wieder ging ein Winter zuende und mit ihm die harte Zeit, und der Frühling brachte die Schwalben zurück. Als aber die Schwalben vom Meer im Süden erzählten, glaubten die Hühner ihren Geschichten nicht mehr: „Ihr solltet hören was die Henne sagt!", gackerten sie. Jetzt ist die Henne zum Besserwisser geworden. Sie kennt sich nun aus im Süden. Dabei hat sie noch nicht mal den Ort verlassen, hat nur mal ein Stückchen Straße gesehen. Unser Intellekt ist eine Henne und kommt nicht sehr weit. Aber sobald die Henne etwas weiß, beschränkt dich das, wird es zur Sperre. Lass deinen Intellekt fallen, und du wirst nicht viel verlieren. Schlepp deinen Intellekt mit, und du wirst alles verlieren. Lass deinen Intellekt fallen, und du verlierst nur dein Gefängnis, deine Unechtheit. Lass deinen Intellekt fallen, und plötzlich steigt dein Bewusstsein in die Höhe, schwingt es sich in den Himmel hinauf- und du wirst es bis in den tiefen Süden schaffen, zu den offenen Meeren, wo du hingehörst. Der Intellekt ist die Bürde, die den Menschen niederhält. Noch ein Letztes, ehe wir auf unser Gleichnis eingehen: Tao setzt beim Tod an. Warum? An den Anfang gehört etwas Wesentliches. Tao zufolge wirst du, wenn du den Tod verstehst,
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alles verstehen; denn im Tod verlieren deine Grenzen ihre Konturen. Im Tod wirst du dich auflösen. Im Tod wirfst du dein Ego ab. Im Tod tritt der Verstand ab. Im Tod wird alles Unwesentliche wegfallen und alles Wesentliche wird bleiben. Wenn du den Tod verstehen kannst, wird dir aufgehen, was Tao heißt, was es mit dem „weglosen Weg" auf sich hat - weil Religion ebenfalls eine Art zu sterben ist, Liebe ebenfalls eine Art zu sterben ist, Beten ebenfalls eine Art zu sterben ist. Meditation ist freiwilliger Tod. Der Tod ist das Größte; er ist der Höhepunkt, das Crescendo, der höchste Gipfel des Lebens. Ihr kennt nur einen Höhepunkt, nämlich den sexuellen, aber der ist von allen Gipfeln des Himalajas der niedrigste; der Tod ist der höchste Gipfel. Sex heißt Geburt, mit ihm beginnt der Himalaja, er ist der niedrigste Gipfel. Der höchste Gipfel ist gleich zu Anfang noch nicht möglich. Langsam aber sicher werden die Gipfel zusehends höher, bis hinauf zum allerhöchsten Gipfel. Der ist der Tod; der Sex ist nur der Anfang. Zwischen Sex und Tod spielt sich die ganze Geschichte des Lebens ab. Die Psychologie des Westens setzt damit ein, den Sex zu verstehen. Die Psychologie des Ostens, die Psychologie der Buddhas setzt damit ein, die Psychologie des Todes zu verstehen. Den Sex zu verstehen ist nur die allererste Grundlage; den Tod zu verstehen ist die höchste Vollendung. Und wer den Tod versteht, der kann bewusst sterben. Wer bewusst stirbt, wird niemals mehr wiedergeboren werden - das ist dann auch nicht mehr nötig. Du hast deine Lektion gelernt, also wirst du nicht mehr in das Rad von Leben und Tod zurückgeworfen, wieder und wieder. Du hast alles erfahren, alles gelernt - also brauchst du nicht mehr zur Schule zu gehen; das hast du hinter dir. Solange du die Bedeutung des Todes
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nicht lernst, wirst du nicht versetzt. Das Leben ist dazu da, zu lernen, was Tod heißt. Nun zum heutigen Gleichnis: Als Liehtse einmal auf einer Reise nach Wei essend am Straßenrand saß, fiel sein Blick auf einen hundertjährigen Totenschädel. Mit einem Stöckchen wies er auf den Schädel und sagte zu seinem Schüler Pai Feng: „Nur er und ich wissen, dass du nie geboren wurdest und niemals sterben wirst. Ist also nun er der wahrhaft Unglückliche, und sind wir die wahrhaft Glücklichen?"
Eine sehr kryptische Feststellung - ein Code, den es zu dekodieren gilt. „Nur er und ich wissen", sagte Liehtse, indem er auf einen hundertjährigen Totenschädel wies, „dass du nie geboren wurdest und niemals sterben wirst." Warum sagt er: „Nur er und ich"? Der Totenschädel ist unwillentlich gestorben und Liehtse ist willentlich gestorben beide sind gewissermaßen tot. Liehtse ist durch Meditation gestorben. Liehtse ist tot, weil er kein Ego mehr ist, weil er nicht mehr vom Ganzen getrennt ist, weil er nicht mehr da ist. Das ist der wahre Tod, letztlich tiefer als der Tod des Schädels. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob der tote Besitzer jenes Schädels, der seit hundert Jahren dort liegt, erkannt hat. Das ist ungewiss - vielleicht hat er erkannt, vielleicht auch nicht. Aber fest steht, das Liehtse erkannt hat: Sein Tod ist bewusst. Aber er hat die Situation zum Anlass genommen. Ein Gleichnis bezieht sich immer auf eine Situation. Neben ihm sitzt sein Schüler Pai Feng, dort liegt der Schädel, und so zeigt er auf den Schädel: „Nur er und ich wissen, dass du nie geboren wurdest und niemals sterben wirst."
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Wer stirbt? Und wer wird geboren? Das Ego wird geboren und das Ego stirbt. Tief drinnen, dort, wo das Ego zu sein aufhört, bist du nie geboren und stirbst du nie, bist du ewig, bist du Ewigkeit, bist du das eigentliche Substrat, der Stoff selbst, aus dem die Existenz ist - wie könntest du da sterben? Aber das Ego wird geboren und das Ego stirbt. Du wirst nie geboren und kannst auch nie sterben - aber wie kann man das erkennen? Sollst du etwa warten, bis der Tod kommt? Das ist sehr riskant, denn wenn du dein ganzes Leben lang unbewusst bleibst, hast du kaum Chancen, dass du im Augenblick deines Todes bewusst wirst. Das ist nicht möglich. Wenn dein ganzes Leben eine einzige Kette unbewussten Lebens gewesen ist, wirst du auch unbewusst sterben, wirst du das nicht erkennen können. Du wirst im Koma sterben und nicht in der Lage sein zu beobachten und zu sehen, was sich jetzt abspielt. Du warst nicht einmal fähig das Leben zu sehen, wie kannst du da den Tod sehen? Der Tod ist subtiler. Wenn du wirklich erkennen willst, dann werde nach und nach hellwach und aufmerksam. Lebe bewusst, lerne, bewusst zu sein, sammle Bewusstheit an. Werde zu einer großen Flamme der Bewusstheit; dann wirst du, wenn der Tod kommt, sein Zeuge sein, wirst du ihn sehen können und wirst wissen: „Nur der Körper stirbt jetzt, das Ego stirbt jetzt, aber ich sterbe nicht, weil ich der Zeuge bin." Dieser Zeuge ist der innerste Kern der Existenz. Dieser Zeuge ist das, was andere Religionen „Gott" genannt haben und was Liehtse und Tschuangtse „Tao" nennen - den Wissenden, das wissende Element - Bewusstsein, Aufmerksamkeit, Wachheit. Fang an ein bewusstes Leben zu führen. Tu, was immer zu tun ist, aber tu es so, als wärest du Zeuge davon - beobachte es, beobachte es stillschweigend, immerzu. Verliere dich nicht in
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alles Mögliche; bleibe hellwach, halte dich raus. Beginne mit kleinen Dingen: Wie du die Straße entlanggehst, isst, ein Bad nimmst, die Hand eines Freundes hältst, dich unterhältst, zuhörst - lauter Kleinigkeiten, aber bleibe wach. Es wird dir immer wieder entgleiten; dann nimm den Faden einfach wieder auf, melde dich wieder zurück, mach weiter damit. Das ist es, was Buddha „Geistesgegenwart" nennt, was Gurdjieff „Selbsterinnerung" nennt: Erinnere dich daran, dass du ein Zeuge bist. Am Anfang ist das deshalb so anstrengend und schwer, weil unser Schlaf schon so lange währt. Wir haben schon viele Leben verschlafen; wir haben uns zu schlafen angewöhnt, metaphysisch gesehen schnarchen wir. Es ist schwer, aber wenn du es versuchst, wird nach und nach ein Strahl der Bewusstheit in dein Dasein dringen. Es ist möglich - schwierig, aber möglich, nicht unmöglich. Und dies ist das Wertvollste im Leben überhaupt. „Nur er und ich wissen, dass du nie geboren wurdest und niemals sterben wirst." Ich weiß zwar, dass du niemals sterben wirst, weil du nie geboren wurdest, aber du weißt es nicht. Dass ich es weiß, wird dir nicht helfen können - du musst es wissen. Es muss zu deiner eigenen Erkenntnis werden, zu einem Licht, das dir selber leuchtet. „Ist also nun er der wahrhaft Unglückliche, und sind wir die wahrhaft Glücklichen?" Und dann stellt er seinem Schüler die Frage: Wer ist glücklicher? Die, die leben, oder die, die tot sind? Wer ist wirklich unglücklich? Die, die lebendig sind, oder die, die tot sind? Wer ist wirklich glücklich? Und er belässt es bei der Frage. Es ist ein Koan: Der Schüler soll darüber meditieren. Das Gleichnis schweigt sich hierüber aus, es endet plötzlich. Jetzt muss der Schüler schlau daraus werden. Jetzt muss er meditieren, muss er sich klar werden, was Tod heißt, was
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Leben heißt, oder Liebe und überhaupt alles andere. Und er muss über die Frage meditieren: Wer ist wirklich glücklich? Seid ihr glücklich, einfach nur weil ihr lebt? Ihr seid es nicht; die ganze Welt ist kreuzunglücklich. Eines lässt sich also sagen, und zwar ohne Zweifel sagen: dass man nicht schon deshalb zwangsläufig glücklich ist, weil man lebt. Einfach nur lebendig zu sein genügt nicht, um glücklich zu sein - es gehört noch etwas mehr dazu, um glücklich zu sein, irgendein „Plus". Leben plus Bewusstheit ... dann steigt das Glück auf: Denn in der Bewusstheit, im Licht der Bewusstheit, verfliegt das Dunkel des Ego. Und dann, wenn zum Leben das Plus der Bewusstheit dazukommt, passieren tolle Sachen. Zunächst einmal verschwindet das Ego, und mit dem Ego verschwindet der Tod, weil nur das Ego sterben kann - weil das Ego geboren wurde. Ist erst einmal das Ego verschwunden, ist auch die Geburt verschwunden, ist auch der Tod verschwunden. Wenn das Ego verschwunden ist, ist dein Abgetrenntsein von der Existenz verschwunden. Das ist die tiefere Bedeutung der Kreuzigung. Das Ego stirbt am Kreuz. Wenn Jesus gekreuzigt wird, kommt der Christus zur Welt. Das ist die Bedeutung der Wiederauferstehung. Auf der Vorderseite die Kreuzigung, auf der Rückseite die Wiederauferstehung. Stirb, wenn du wirklich lebendig sein willst! Höchst paradox, aber ungeheuer wahr, absolut wahr. So wie du bist, bist du weder lebendig noch bist du tot. Du hängst irgendwo dazwischen. Daher all das Unglück, die Anspannung, die Qual. Du bist gespalten, du bist weder lebendig noch tot. Sei entweder total lebendig, und dann wirst du wissen, was Leben heißt, oder sei total tot... und auch dann wirst du wissen, was Leben heißt - denn erst wenn du total bist, tut sich das Tor des Tao
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auf. Sei total. Jemand, der schläft, kann nirgends total sein. Wenn du isst, bist du nicht voll bei der Sache; du denkst an alles Mögliche, hängst tausend Träumen nach und stopfst dich währenddessen einfach nur mechanisch voll. Wenn du mit deiner Frau oder deinem Mann im Bett bist, bist du im Grunde woanders. Vielleicht denkst du an andere Frauen, schläfst gerade mit deiner Frau und hast dabei irgendeine andere im Sinn. Oder du denkst ans Einkaufen, oder daran, wie viel all die Sachen kosten, die du dir kaufen möchtest, oder an ein Auto oder an ein Haus oder was auch immer - schläfst dabei aber mechanisch mit deiner Frau. Sei in allem, was du tust, total; und wenn du total bist, musst du aufpassen - niemand kann total sein, ohne höllisch aufzupassen. Total sein heißt, restlos bei der Sache sein. Wenn du isst, dann iss nur, und du bist total hier und jetzt. Es gibt für dich nur das Essen: Du stopfst dich nicht einfach nur voll, sondern genießt jeden Bissen. Körper, Sinne, Seele, alles ist in Einklang, wenn du isst, da herrscht Harmonie, ein tiefer Rhythmus zwischen den drei Schichten deines Seins. Dann wird das Essen zur Meditation, wird das Gehen zur Meditation, wird das Holzhacken zur Meditation, wird das Wasserholen vom Brunnen zur Meditation, wird das Essenkochen zur Meditation. Dann transformieren sich die kleinsten Handschläge und werden zu leuchtenden Taten. Und all dein Tun wird so total, dass jegliches Tun das Flair von Tao annimmt. Dann, wenn du total bist, bist nicht mehr du es, der alles tut. Dann ist Gott es, der es tut, oder meinetwegen das Ganze - du jedenfalls bist nur ein Vehikel, ein Kanal. Und wer so zum Kanal wird, der ist selig, ist gesegnet.
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ENDLICH EINER, DER SICH ZU TRÖSTEN WEISS!
KAPITEL
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Als Konfuzius auf dem Berge Tai umherzog, sah er Jung Chi Chi über das Moor von Chang ziehen; er trug einen zotteligen Pelzmantel mit einem Strick um die Hüfte und sang, während er die Laute zupfte. „Meister, was ist der Grund für deine Freude?", fragte Konfuzius ihn. „Ich habe viele Freuden. Unter den unzähligen Dingen, die der Himmel erschuf, ist das Menschengeschlecht das edelste - und ich habe das Glück ein Mensch zu sein. Dies ist meine erste Freude. Es werden Menschen geboren, die kaum einen Tag oder Monat lang leben, die nie aus den Windeln herauswachsen; ich aber lebe nun schon seit neunzig Jahren. Dies gereicht mir zur Freude. Für alle Menschen ist Armut die Norm und der Tod das Ende. Wenn ich mich mit der Norm abfinde und meinem Ende entgegensehe worüber sollte ich mir dann noch Sorgen machen?" „Gut!", sagte Konfuzius. „Endlich einer, der sich zu trösten weiß!“
DIES IST EIN SEHR SCHÖNES GLEICHNIS. Und nicht nur schön, sondern auch sehr subtil. Wer es nur oberflächlich betrachtet, der wird nicht auf seinen Sinn stoßen. Taoistische Gleichnisse bleiben nämlich nicht an der Oberfläche. Sie sind sehr tief, und man muss in sie eindringen und sie untersuchen und über sie meditieren - nur dann wird man ihren wahren Sinn erkennen. Oberflächlich betrachtet scheint dies Gleichnis Konfuzius zu preisen. Oberflächlich betrachtet scheint Konfuzius der Weise zu sein. In Wirklichkeit trifft das Umgekehrte zu. Zwischen der taoistischen Einstellung und der konfuzianischen Einstellung ist ein himmelweiter Unterschied, ja sie sind einander diametral entgegengesetzt. Konfuzius könnte von der taoistischen Vision nicht weiter weg sein. Konfuzius pocht aufs Gesetz, Konfuzius pocht auf die Tradition, Konfuzius pocht auf Disziplin. Konfuzius hält etwas von Charakter, Moral, Kultur, Gesellschaft, Bildung. Tao bekennt sich zu Spontaneität, Individualität, Freiheit. Tao ist rebellisch; Konfuzius ist äußerst konformistisch. Der Taoismus ist der tiefgreifendste Nonkonformismus, den es je gegeben hat, gleich wo auf der Welt und zu welchem historischen Zeitpunkt. Er ist im innersten Wesen rebellisch. Folglich löste er eine Rebellion aus, und die taoistischen Mystiker - Laotse, Tschuangtse und Liehtse - haben die konfuzianische Einstellung immer nur verspotten können. Dies ist ein spöttisches Gleichnis. Ihr werdet das sofort verstehen, sobald ich es euch erklärt habe. Sein Spott ist überdies sehr versteckt, nicht grob. Machen wir uns aber zunächst klar, was es oberflächlich bedeutet. Als Konfuzius auf dem Berge Tai umherzog, sah er Jung Chi Chi über das Moor von Chang ziehen; er trug einen zotteligen Pelzmantel
Endlich einer der sich zu trösten weiß!
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mit einem Strick am die Hüfte und sang, während er die Laute zupfte. Das Singen, Musizieren und Tanzen ist die Sprache der Freude, des Glücks. Damit bringt man zum Ausdruck, dass man nicht unglücklich ist. Aber das kann auch nur zum Schein so sein, es kann nur vorgetäuscht sein, nur aufgesetzt sein; darunter kann genau das Umgekehrte der Fall sein. Manchmal kommt es vor, dass man nur deshalb lacht, weil man nicht weinen möchte. Manchmal kommt es vor, dass man lächelt, weil einem die Tränen kommen - die einem, wenn man nicht lächeln würde, gleich über die Wangen laufen würden. Manchmal setzt man nur eine Attitüde, eine Grimasse, eine Maske des Glücks auf - denn wozu der Welt sein Unglück zeigen? Nur deswegen wirken die Menschen so fröhlich. Jeder hält sich für den unglücklichsten Menschen unter der Sonne, denn er weiß, wie es in ihm aussieht, erkennt aber nur die Gesichter der anderen, die künstlichen Gesichter. Also denkt jeder im Stillen: „Ich bin der unglücklichste Mensch von der Welt! Aber wieso soll ausgerechnet ich der Unglücklichste sein, wo doch alle so glücklich sind?" Singen und Tanzen sind zweifellos die Sprache der Freude aber man kann sich diese Sprache auch aneignen, ohne zu wissen, was Freude ist. Genau das hat die Menschheit getan, die Leute haben sich lauter Gesten, hohle Gesten zugelegt. Aber Konfuzius lässt sich täuschen. Er sagt: „Meister, was ist der Grund für deine Freude?" Die Maske hat Konfuzius getäuscht; vielleicht ist der Mann ja freudig, vielleicht aber auch nicht. Man muss dem Mann direkt in sein Inneres schauen – auf sein Wesen, nicht auf das, was er sagt, seine Worte könnten falsch sein, manch einer verstellt sich auszudrücken. Manchmal ... achtet einmal darauf: Jemand
lächelt, ein wunderschönes Lächeln spielt auf seinen Lippen aber wenn ihr ihm in die Augen schaut, ist dort genau das Gegenteil zu sehen. Jemand sagt zu dir: „Ich liebe dich!" Aber wenn du dem Betreffenden ins Gesicht und in die Augen siehst und auf seine ganze Ausstrahlung achtest, dann scheint er dich eher zu hassen! Und er sagt nur „Ich liebe dich!", um höflich zu sein. Konfuzius hat nur aufs Äußere geachtet - das ist das Erste, was man sich merken muss. Und dass er sich hat hinters Licht führen lassen - und zwar in einem Grade, dass er den Mann mit „Meister" anspricht. Er sagt: „Meister, was ist der Grund für deine Freude?" Nun, auch hier wieder: Freude hat keinen Grund, Freude kann keinen Grund haben. Wenn Freude einen Grund hätte, wäre sie überhaupt keine Freude. Freude kann nur grundlos sein, ohne Ursache. Eine Krankheit hat einen Grund, aber Gesundheit? Gesundheit ist das Natürliche. Wenn du zum Arzt gehst und ihn fragst: „Warum bin ich gesund?", kann er dir keine Antwort darauf geben. Wenn du zum Arzt gehst und ihn fragst: „Warum bin ich krank?", kann er dir das beantworten, weil Krankheit einen Grund hat. Er kann deinen Fall diagnostizieren und die Ursache feststellen, warum du krank bist. Aber niemand hat bisher den Grund zu finden vermocht, warum ein Mensch gesund ist. Gesundheit ist natürlich, Gesundheit ist so, wie es sein sollte. Krankheit ist so, wie es nicht sein sollte. Krankheit heißt, dass etwas schiefgegangen ist. Wenn alles gut läuft, ist man gesund. Wenn alles im Einklang ist, ist man gesund. Wenn man sich in Harmonie mit dem Ganzen befindet, ist man gesund. Es gibt keinen Grund dafür. Aber Konfuzius hatte gefragt: „Meister, was ist der Grund für deine Freude?"
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Hier macht sich Liehtse einfach nur über Konfuzius lustig. Hier sieht man, wie subtil Taoisten sind. Er will demonstrieren, dass der ganze verkehrte konfuzianische Ansatz bereits in der ersten Frage erkennbar ist: „Hört, hört! Konfuzius glaubt, es könne Gründe für Freude geben!" Es kann aber keine Gründe für Freude geben. Freude ist einfach da - ohne Erklärung, unerklärbar. Wenn sie da ist, ist sie da; wenn nicht, dann nicht. Wenn sie nicht da ist, kannst du ergründen, warum sie nicht da ist; wenn sie aber da ist, gibt es da nichts zu ergründen, warum sie da ist. Und wenn du Gründe anführen kannst, warum du dich freust, dann ist deine Freude aufgesetzt, unecht, unwahr, nicht authentisch. Dann kommt sie nicht aus deinem innersten Kern, sondern dann verstellst du dich nur, manipulierst du dich nur, täuschst sie nur vor. Für eine vorgetäuschte Freude lässt sich ein Grund finden. Aber wenn es wahre Freude ist, dann ist sie so geheimnisvoll, so unantastbar, dass sich kein Grund in ihr finden lässt. Wenn man einen Buddha fragt: „Warum bist du glücklich?", wird er die Achseln zucken. Wenn man Laotse fragt: „Warum bist du selig?", wird er sagen: „Frag nicht so viel; statt mich zu fragen, warum ich selig bin, frag lieber dich selbst, warum du es nicht bist." Es ist wie mit einem kleinen Bergquell: Wenn kein Hindernis da ist, sprudelt das Wasser, wenn ein Fels darauf liegt, kann es nicht fließen. Entfernt man den Fels ... damit erzeugst du die Quelle nicht, sondern entfernst du nur, was stört, entfernst du nur das Hindernis, die Quelle war schon da, aber der Fels erlaubte ihr nicht, zu fließen. Indem du den Fels wegräumst, erschaffet du nicht etwa die Quelle - die Quelle war bereits da. Durch das Entfernen des Felses entfernst du nur das Negative, das Hindernis, und siehe da, die Quelle fließt.
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Stellt man also die Frage: „Warum fließt die Quelle?", so lautet die Antwort: „Weil die Quelle da ist, darum fließt sie. Wenn sie nicht fließt, dann muss das seinen Grund haben." Lasst das tief in euch einsinken, denn das ist auch euer Problem. Frag niemals, warum du glücklich bist. Frag niemals, warum du selig bist - sonst hast du eine verkehrte Frage gestellt. Konfuzius stellt eine Frage; und indem er sie stellt, verrät er seine Voreingenommenheit. Konfuzius glaubt, es müsse für alles einen Grund geben. Wenn alles einen Grund hätte, dann könnte es nur Naturwissenschaft geben. Dann wäre keine Religiosität möglich. Denn Naturwissenschaft erforscht den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung; sie ist die Erforschung ursächlicher Zusammenhänge, die Erforschung von Kausalität. Das ist die wissenschaftliche Haltung in Reinkultur. Sie geht nämlich davon aus, dass es für alles, was da ist, auch eine Ursache geben müsse. Sie mag bekannt sein oder auch nicht, aber eine Ursache dafür muss es zwangsläufig gehen. Mag sein, dass wir die heute noch nicht kennen, doch morgen oder übermorgen werden wir sie kennen; jedenfalls muss die Ursache zwangsläufig ans Licht kommen, denn es muss eine Ursache existieren. So lautet die naturwissenschaftliche Grundüberzeugung: Alles lässt sich auf seine Ursache zurückführen. Und was ist dann die religiöse Einstellung? Die religiöse Einstellung besagt, dass sich nichts wirklich auf seine Ursache zurückführen lässt. Sofern sich etwas zurückführen lässt, ist es unwesentlich. Alles Wesentliche ist einfach da - es existiert, ohne jede Ursache; es ist mysteriös. Nichts anderes bedeutet Mysterium: dass es keine Ursache hat. Konfuzius stellt eine Frage so, wie er's versteht - er verrat damit seine Philosophie: „Meister, was ist der Grund für deine Freude?“
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Warum stellt er diese Frage? Damit andere, falls der Grund bekannt ist, ebenfalls davon profitieren können. Wenn jemand sagt: „Wenn ich einen Kopfstand mache, werde ich ganz friedlich", machst auch du Kopfstand und wirst friedlich. Jemand sagt: „Ich bin glücklich, weil ich der Welt entsagt habe", dann entsagst du der Welt ebenfalls und wirst glücklich. Und so wird Glück zu etwas Manipulierbarem. Aber so sind die Leute - sie ahmen einander nach. Dabei gibt es gar keine Ursache für Glück. Von dem Tag an, da du dies verstehst, kannst du jederzeit glücklich werden. Gibt es dagegen eine Ursache, dann erfordert diese Ursache Zeit. Dann wirst du erst üben müssen, und zwar lange üben müssen. Und der ganze, radikale Ansatz von Tao besteht darin, dass du jetzt sofort glücklich sein kannst. Was heißt das? Das heißt, dass keine Ursache da ist - also brauchst du dann auch nicht zu üben. Dann kommt es nur darauf an, dass du es zulässt. Es ist bereits da - wenn du's nur zulässt. Wenn du es nicht zulasst, verhältst du dich wie der Fels; wenn du es zulässt, wird der Fels weggeräumt. Du brauchst es nur zuzulassen. Gott ist schon da, du lässt ihn rein - das ist alles. Lässt du ihn nicht rein, bleibt er draußen, denn er will deine Freiheit nicht antasten, ihm ist deine Freiheit heilig. Wenn du Nein sagst, setzt er keinen Fuß in dein Sein. Wenn auf deiner Tür steht: „Hier darf niemand ohne Erlaubnis eintreten!", dann wartet er ab. Er wird dich noch nicht einmal um Erlaubnis bitten, sondern einfach nur warten. Denn schon um deine Erlaubnis zu bitten wäre zudringlich, eine Antastung deiner Freiheit. Er wird warten. Er wird nicht klingeln, er wird einfach warten. Gott ist überall und wartet; und er wartet in solcher Sülle ... dass uns seine Anwesenheit nie auffällt, dass er praktisch abwesend wirkt. Könnt ihr das nicht sehen?
Gott scheint das Allerabwesendste auf der Welt zu sein; nur deswegen kann es überhaupt Atheisten geben, die daherreden: „Wo steckt denn euer Gott? Wir können nichts sehen." So sehr hält er sich zurück; er lässt euch totale Freiheit. Und totale Freiheit beinhaltet auch, sich gegen Gott wenden zu können. Dein Wesen ist reine Glückseligkeit. Du bestehst aus dem Stoff, der Glückseligkeit heißt. Aber du musst sie zulassen, du musst dich entspannen, du musst loslassen; es gibt keine Ursache - du brauchst nur loszulassen. Insofern kann es theoretisch jetzt sofort passieren, brauchst du nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde zu vertun. Wenn es eine Ursache gibt, ja dann... erfordert es sehr viel Zeit, und selbst dann gibt es keine Garantie - vielleicht schaffst du's, vielleicht aber auch nicht. Seht euch an, wie sich die hinduistische Auffassung von der taoistischen Auffassung unterscheidet: Der Hindu, der Jain, der Buddhist - sie alle sagen, man muss erst sein Karma aus früheren Leben abarbeiten. Das ist eine Riesenaufgabe, dazu ist eine enorme Disziplin nötig - aber nur so kannst du ans Ziel kommen. Ashtavakra, Laotse, Bodhidharma, Lin-Chi sagen dagegen, dass gar nichts nötig ist - außer es zuzulassen. Entspanne dich, lass es zu, und schon in diesem Augenblick beginnt es sich in dein Inneres zu ergießen. Konfuzius sagt: „Meister, was ist der Grund für deine Freude?" Sag mir, wie du sie erlangt hast. Sag mir, wie das gelaufen ist, an welche Methode du dich gehalten hast, an welche Prinzipien, welche Disziplin, welche heilige Schrift. Wie hast du sie erlangt? Jetzt wird Konfuzius gierig. Er möchte denselben Zustand erlangen, wo das Singen natürlich ist und die Musik nur so strömt und man nur noch feiern möchte. Er ist ganz hingerissen von diesem Mann, „der einen zotteligen Pelzmantel mit
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einem Strick um die Hüfte trug und sang und dazu die Laute zupfte."
Was hat ein armer Mann glücklich zu sein? Wie kommt er darauf, glücklich zu sein? Wäre er unglücklich, könnte man das verstehen; wäre er niedergeschlagen, könnte man das verstehen - dann wäre Konfuzius achtlos an ihm vorübergegangen, hätte er nicht einmal Notiz von seiner Existenz genommen. Doch wieso erlaubt sich dieser Arme, der nichts weiter besitzt als einen Strick um die Hüften, zu singen?! Gar noch ein fröhliches Lied zu singen? Eine Laute zu zupfen? Konfuzius ist hingerissen, wie hypnotisiert - doch er stellt eine verkehrte Frage. Ein Taoist würde nie eine solche Frage stellen. Freude ist - ist einfach nur da, ohne jede Ursache! Also kann es da auch keine Methoden geben, nur Erkenntnis. Dieser Mann sagte: „Ich habe viele Freuden."
Wenn du viele Freuden hast, dann hast du nicht verstanden, was Freude heißt. Denn es kann nur eine Freude geben. Viele Freuden kann es nicht geben. Es kann viele Krankheiten geben, aber nicht viele Gesundheiten. Du kannst deine Krankheit haben, ich kann meine Krankheit haben und ein Dritter irgendeine andere... Aber wenn ich gesund bin, du gesund bist, der Dritte gesund ist - wo ist da der Unterschied? Kann man zwischen meiner Gesundheit und deiner Gesundheit unterscheiden? Ausgeschlossen, Gesundheit ist universell, Krankheit ist individuell. Krankheit gehört zum Ego, Gesundheit gehört nicht zum Ego. Krankheit betrifft den Körper oder den Verstand; Gesundheit betrifft das Jenseitige, und das Jenseitige ist eins. Mein Körper ist anders als deiner - also habe ich natürlich auch eine andere Krankheit, hast du eine andere Krankheit. Aber Gesundheit? Gesundheit gibt es nur eine. Sie schmeckt überall genauso, sie schmeckt immer gleich, ewig gleich. Buddha wurde einmal gefragt: „Wie schmeckt deine
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Buddhaschaft?" Er antwortete: „Geh und koste vom Meer, koste es, wo du willst, ob an diesem Ufer oder an jenem Ufer oder an gleich welchem Strand ... oder fahre aufs Meer hinaus und koste es dort, oder an der Küste gegenüber - und du wirst überall den gleichen Geschmack finden: Überall schmeckt es salzig. Buddhaschaft hat nur einen Geschmack." Wer auch immer zum Buddha geworden ist, hat denselben Geschmack gefunden. Gesundheit schmeckt überall gleich. Ob das Kind gesund ist, ob der junge Mensch gesund ist oder ob der alte Mensch gesund ist - immerzu schmeckt es gleich. Ob die Frau gesund ist oder der Mann gesund ist - der gleiche Geschmack. Aber Krankheiten unterscheiden sich. Heute sagt die medizinische Wissenschaft, dass, selbst wenn zwei Personen dieselbe Krankheit haben, ihre Krankheiten keineswegs dieselben sind. Also kann Folgendes vorkommen: Wenn du irgendeine Krankheit hast, vielleicht Tuberkulose, und deine Frau dieselbe Krankheit hat, auch Tuberkulose, bei ihr aber dieselben Medikamente nicht anschlagen. Du brauchst die eine Sorte, deine Frau braucht irgendeine andere Sorte. Genau darum ist ein Arzt unentbehrlich; andernfalls würde der Apotheker genügen. Wenn feststeht, dass bei Tuberkulose die und die Medizin hilft, wieso soll man dann noch zum Arzt gehen? Dann braucht man ja nur zum Apotheker zu gehen. Je tiefer die medizinische Forschung heute in die Phänomene von Gesundheit und Krankheit eindringt, desto klarer kristallisiert sich heraus, dass bei jeder Krankheit auch die Persönlichkeit eine Rolle spielt. Sie wird mitgeprägt von der betroffenen Person. Deshalb heißt es inzwischen: „Behandelt den Patienten, nicht die Krankheit! Befasst euch nicht zu sehr mit der Krankheit, nehmt den Kranken unter die Lupe, seine ganze
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Persönlichkeit, seine Lebensweise, seine Einstellungen, seine Verhaltensmuster . . . Untersucht das alles, und ihr werdet sehen, dass man zwar immer noch von „Tuberkulose" sprechen kann - denn man kann schließlich nicht jede Erkrankung nach der betroffenen Person benennen, dass aber jeder, der an Tuberkulose erkrankt ist, auf seine Art leidet und daher auch auf seine Art behandelt werden muss." Krankheiten sind also persönlich, aber Gesundheit? Gesundheit ist unpersönlich, allgemein. Dasselbe gilt für Freude. Unglück ist eine Krankheit; Freude ist Gesundheit, Wohlbefinden. Konfuzius hat eine falsche Frage gestellt und eine falsche Antwort provoziert. Und natürlich hat dieser Mann keinen Schimmer, was Freude heißt. Er sagt: „Ich habe viele Freuden,"
Viele? Dann stimmt etwas nicht. Es gibt nur eine Freude. Wer behauptet, viele Freuden zu haben, weiß nicht, was Freude ist. Er mag Genüsse meinen, er mag jene sogenannten Glücksmomente meinen, die gar keine Glücksmomente sind, sondern nur Momente verminderten Unglücks ... Jemand fühlt sich extrem unglücklich, und irgendwann fühlt er sich etwas weniger unglücklich und sagt: „Ich bin ja so glücklich!" Das ist nur relativ. Er weiß nicht, was Glück bedeutet. Er kennt nur ein manchmal sehr intensives und manchmal ein etwas weniger intensives Unglück. Wenn es nicht so intensiv ist, sagt er: „Ich bin glücklich." Ihr könnt das an euch selbst beobachten. Habt ihr je erfahren, was Glück ist? Wisst ihr, wie es schmeckt? Alles, was ihr je kennengelernt habt, sind verschiedene Grade von Unglück. Manchmal ist das Unglück so stark, dass es unerträglich wird. Manchmal lässt es sich ertragen, ist es unter Kontrolle - es ist auszuhalten. Ihr pendelt nur zwischen weniger Unglück und mehr Unglück, von mehr
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Unglück zu weniger Unglück. Aber ihr wisst noch gar nicht, was Glück bedeutet. Habt ihr aber erst einmal erfahren, was Glück heißt, braucht ihr nie wieder unglücklich zu werden denn dann haltet ihr den Schlüssel in der Hand. Mit dem könnt ihr diese Tür dann jederzeit aufschließen, wann immer ihr wollt. Aber noch bekommt ihr die Tür des Glücks nicht auf was nur beweist, dass ihr den Schlüssel nicht habt. Mehr oder weniger kennt ihr nur einen einzigen Zustand: Mal ist es pechschwarz vor den Augen und ihr könnt überhaupt nichts sehen, und mal ist es nicht ganz so finster, nur dämmrig. Aber was Licht ist, das habt ihr noch nie kennengelernt, Licht ist nicht ein Zustand relativer Dunkelheit, Licht ist nicht „etwas weniger Dunkelheit". Merkt euch: Licht ist eine völlig andere Energieform und hat mit Dunkelheit nichts zu tun. Dunkelheit und Licht können im selben Zimmer nicht koexistieren. Licht ist der positive Pol, Dunkelheit ist der negative Pol - genau wie Unglück. Der Mann sagt also: „Ich habe viele Freuden. Von dm unzähligen Dingen, die der Himmel erschuf, ist die Menschheit das edelste - und ich habe das Glück ein Mensch zu sein. Dies ist meine erste Freude."
Oberflächlich betrachtet klingt das sehr tiefsinnig, verführerisch, da äußerst befriedigend für das menschliche Ego. Der Mensch hält sich seit jeher für die Krone der Schöpfung. Der Mensch sieht sich seit jeher in unmittelbarer Nachbarschaft zu Gott und gefällt sich sehr darin. Aber wie soll das Glück aus dem Ego kommen? Das Unglück kommt aus dem Ego. Und der Egoist hat keinen höheren Trumpf als diesen: dass der Mensch gleich nach Gott kommt. Aber selbst das sagen wir nur aus Höflichkeit, im tiefsten Grunde weißt du, dass Gott gleich nach dir kommt. In der bloßen Vorstellung eines Ich schwingt bereits mit, dass
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man selber ganz oben steht und alles danach zweitrangig ist. Friedrich Nietzsche kommt der Wahrheit naher als so manche andere Leute, wenn er sagt: „Ich kann nicht zugestehen, dass Gott existiert, weil mich das zweitrangig macht, und ich kann nicht zweitrangig sein; ich kann es nicht hinnehmen, an zweiter Stelle zu stehen. Wenn es einen Gott gibt, dann werde ich immer zweitrangig sein. Ich kann noch so sehr wachsen und so weit kommen, wie ich will, ich werde zweitrangig bleiben und niemals erstrangig werden, der Erste sein." Und da das für ihn unannehmbar ist, sagt er: „Gott ist tot und der Mensch ist frei." Gott ist unsere Knechtschaft. Damit hat er Recht - in gewisser Weise. Ich sage „in gewisser Weise" deshalb, weil alle insgeheim genauso denken: Jedes Ego will an erster Stelle stehen. Selbst wenn du ein großer Frommer bist, ein sogenannt religiöser Mensch, versuchst du ständig, Gott zu manipulieren, ihn dir gefügig zu machen: „Tu, was ich will!" All deine Gebete laufen nur hierauf hinaus: „Handle so, wie ich es möchte. Höre auf mich." Dein ganzes Streben ist darauf gerichtet, Gott zu deinem Diener zu machen. Du nennst ihn „Herrgott", „Meister", aber das sind lediglich Schmeicheleien, mit denen du ihn dir gefügig machen willst. Du sagst: „Ich bin niemand, du bist alles" - aber tief drinnen weißt du genau, wer hier wer ist. Ja, selbst wenn ihr für euren Gott in den Krieg zieht, tut ihr's für euren Gott. Selbst wenn ihr euch auf goldenem Tablett, auf irgendeinem Altar aufopfert, tut ihr's für euren Gott. Wenn ihr euch vor einem Gottesbild verneigt, ob in einem Tempel, in einer Moschee oder einer Kirche, dann verneigt ihr euch vor dem Bild, das ihr euch von eurem eigenen Gott gemacht habt, verneigt ihr euch vor eurem Geschöpf, verneigt ihr euch quasi vor einem Spiegel. Dir seht euer Spiegelbild dann und sagt: „Wie herrlich!" Wenn ein Christ prahlt, wie herrlich Christus
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ist, wenn ein Hindu prahlt, wie herrlich Krishna ist, und wenn ein Buddhist prahlt, wie herrlich Buddha ist, kann weder der Buddhist einverstanden sein, dass Christus herrlich sei - weil das gegen sein Ego ist -, noch kann der Christ beipflichten, dass Buddha herrlich sei - weil das gegen sein Ego ist -, ebenso wenig wie der Hindu glauben kann, dass Christus oder Mohammed oder Moses herrlich seien - denn das geht ihm gegen den Strich. Merkt euch: Wir befriedigen unser Ego, wo und wann immer wir können - ob grobschlächtig oder subtil, direkt oder indirekt. Und ein wirklich religiöser Mensch ist jemand, der das weiß, der sich das bewusst macht. Und in dieser Bewusstheit löst sich das Ego auf. Ein wahrhaft religiöser Mensch macht sich keine Gedanken darüber, wer der Überlegene ist. Ein religiöser Mensch kann nicht sagen: „Ich bin mehr wen als der Baum, ich bin mehr wert als das Tier, ich bin mehr wert als der Vogel." Ein religiöser Mensch kann nicht sagen: „Ich bin mehr wert." Ein religiöser Mensch ist zu der Erkenntnis gelangt, dass „es mich nicht gibt", und in dem Moment wo er diese Erfahrung von „ich existiere nicht" macht, strömt Freude, der Fels ist aus dem Weg geräumt. Nun, dieser Mann sagt also: „Ich habe viele Freuden. Von den unzähligen Dingen, die der Himmel erschuf, ist das Menschengeschlecht das edelste ..." Warum? Wieso ist das Menschengeschlecht das edelste? Ein Blick auf die Menschheitsgeschichte beweist uns eher, dass das Menschengeschlecht das allerunedelste zu sein scheint. Seht euch daneben die Tiere an: Sie sind nicht so brutal, nicht so mörderisch gewesen; sie sind nicht so wahnsinnig gewesen. Habt ihr jemals ein Tier gesehen, das Politiker geworden ist oder Präsident eines Landes werden wollte? Tiere sind nicht
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von Sinnen, sondern leben natürlich und sterben natürlich. Tiere in freier Wildbahn werden nicht wahnsinnig. Manchmal zwar werden sie wahnsinnig, aber nur, weil man sie lebend in einem Zoo eingesperrt hat - den Zoo haben Menschen erfunden. Tiere begehen nie Selbstmord - im Zoo manchmal wohl. Im Zoo werden sie manchmal mörderisch und gefährlich. Richtig, Tiere töten; aber sie töten nur, wenn sie Hunger haben. Der Mensch tötet ohne Grund. Ein Mann geht in den Urwald und tötet einen Tiger und sagt: „Das macht Spaß! Das ist Wild. Ich habe es erlegt!' Hätte man je gehört, dass ein Löwe ein Tier „erlegt"? So etwas kommt einem Löwen nicht in den Sinn. Wenn ein Löwe Hunger hat, tötet er freilich, aber für ihn ist das völlig natürlich. Folgende Geschichte... Ein Löwe und ein Fuchs wollen in einem Restaurant gemeinsam speisen. Sie nehmen Platz und der Fuchs bestellt, aber er bestellt nur für eine Person. Also fragt der Kellner: „Und was ist mit Ihrem Freund?" Da sagt der Fuchs: „Was soll die Frage? Glauben sie vielleicht, ich säße noch hier, wenn er Hunger hätte?" Er hat keinen Hunger, das liegt auf der Hand! Wenn Tiere Hunger haben, töten sie, aber sie töten nicht für Waidmanns Heil, sie töten nicht zum Spaß. Töten um des Tötens willen interessiert sie nicht. Natürlich wollen sie was zu fressen haben - was ist verkehrt daran? Der Mensch aber tötet ohne jeden Grund. Tiere töten nicht aus Ideologie; sie sagen nicht: „Ich bin Kommunist und du bist Kapitalist, also musst du sterben." Sie sagen nicht: „Ich bin Faschist und du bist Kommunist, also musst du sterben." Sie haben keine
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Ideologien. Und sie töten auch nicht, nur weil sie Christen sind oder Hindus oder Muslime. Der Mensch tötet unter jedem Vorwand, jedem beliebigen Vorwand. Hindus können Muslime töten, Muslime können Hindus töten, Christen können Muslime töten, und Buddhisten können . . . und so weiter und so fort. Und wofür? Für abstrakte Dogmen, Prinzipien . . Zwar ist niemand bereit für diese Lehren zu leben, aber wenn es darum geht, für ebendiese Lehren zu töten, stehen sie alle bereit. Wenn du die Bibel beleidigst, ist der Christ bereit dich zu töten; aber wenn du ihn fragst: „Lebst du denn auch gemäß deiner Bibel?“, wird er sagen: „Tja, das ist gar nicht so leicht.“ Er will gar nicht ihr gemäß leben. Kein Mensch will seiner heiligen Schrift gemäß leben; aber wenn es ans Töten geht, sind sie plötzlich alle da. Seit Menschengedenken ... In dreitausend Jahren haben fünftausend Kriege stattgefunden. Nein, so unedel ist kein Tier - die Tiere haben einen angeborenen Adel. Der Mensch ist sehr gerissen. Doch unser Mann ist der Meinung: Das Menschengeschlecht ist das edelste - und ich habe das Glück, ein Mensch zu sein. Dies ist meine erste Freude. Das ist keine Freude. Das ist der Genuss, den man aus seinem Egoismus zieht, der da sagt: „Ich bin wer!" Und merkt euch: So etwas kann dir kein wahres Glück bescheren, denn darunter steckt das Vergleichen. Und wer sich überlegen fühlt, der kann sich jederzeit auch unterlegen fühlen. Einmal habe ich zugehört, wie ein frommer Mann, ein Heiliger, ein in Indien sehr bekannter Heiliger, seinem Schüler folgenden Rat gab: „Orientiert euch immer nur an denen, die weniger haben als ihr, und ihr werdet euch sehr glücklich fohlen. Wenn du ein Haus hast, schau immer auf diejenigen, die kein Haus haben. Das macht dich natürlich glücklich.
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Wenn du einäugig bist, schau auf den blinden ... das wird dich glücklich machen." Was mag das nur für ein Glück sein? Und so etwas nennt sich Religion! Außerdem musst du dann freilich auch die Kehrseite der Medaille in Kauf nehmen: Wenn du nur ein Auge hast, mag dich der Anblick eines Blinden beglücken - aber was ist, wenn du jemanden triffst, der zwei wunderschöne Augen hat? Du wirst todunglücklich sein! Euer sogenanntes Glück schließt das Unglück mit ein. Nein: Zur Freude führt kein Weg übers Vergleichen, Freude ist ein Zustand, der nicht vergleicht. Vergleicht nicht. Ich habe gehört... Pappi nimmt seinen Sohn mit in die Show, bei der fünfzig splitternackte Tänzerinnen auftreten. „Ohhh! Ohhh! Ohhh, Ohhhhhhh!", stöhnt Pappi die ganze Show über in seinen Bart. „Was hast du nur, Pappi? Gefällt dir die Show nicht!", fragt der Sohn. „Klar gefällt sie mir", antwortet er. „Ich muss nur die ganze Zeit über an Mammi denken!" Wer Vergleiche anstellt, darf sich nicht wundern, wenn er dadurch Probleme kriegt. Vergesst nicht, Freude kommt nicht vom Vergleichen - nie und nimmer. Aber was sagt dieser Mann? Ich habe viele Freuden. Von den unzähligen Dingen, die der Himmel erschuf, ist das Menschengeschlecht das edelste - und ich habe das Glück, ein Mensch zu sein. Dies ist meine erste Freude.
An so einer Freude ist nicht viel dran, die kitzelt nur das Ego, man fühlt sich großartig, man fühlt sich überlegen. Aber wer überlegen sein muss, um sich wohlzufühlen, der sitzt innerlich
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auf einem Vulkan. Wer überlegen sein muss, um sich wohlzufühlcn, der leidet unter einem tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplex. Nur ein unterlegener Mensch muss sich dauernd seine Überlegenheit bestätigen. Ein echter Mensch, ein authentischer Mensch ist weder unterlegen noch überlegen. Er ist einfach nur - unverwechselbar er selber. Niemand steht unter ihm und niemand steht über ihm. Die gesamte Existenz ist gleichberechtigt. Die Bäume und die Felsen und die Tiere und die Vögel und Männer und Frauen und Gott - sie alle sind gleichberechtigte Teilhaber an der gesamten Existenz. Im selben Augenblick, da du diese ungeheure Gleichberechtigung siehst, dieses Einssein siehst, bist du voll Freude. Und dann hat deine Freude keine Ursache, ist sie unverursacht. „Es kommen Leute zur Welt, die kaum einen Tag oder Monat leben, die niemals den Windeln entwachsen, ich aber lebe nun schon seit neunzig Jahren. Dies ist meine Freude." Immer vergleichen: Einer ist geboren worden und gestorben, einer war noch blutjung und ist gestorben, und so vergleicht der Mann ständig: „Ich bin bereits neunzig, ich habe mein Leben gelebt, worüber also sollte ich unglücklich sein? Ich bin glücklich, ich habe mehr gelebt als andere." Was wäre aber, wenn all die anderen nicht gestorben wären... ? Würde die ganze Welt versinken und nur dieser eine Mann übrig bleiben, wäre dieser Mann dann glücklich? Überlegt einfach mal... Die ganze Welt verschwindet, nur dieser Mann ist noch da. Es gibt keine Tiere, keine Vögel, keine Felsen - er kann sich mit nichts mehr vergleichen und er kann sich nicht mehr einen „überlegenen Menschen" nennen. Keine jungen Menschen sterben, keine Kinder sterben . . . Er kann seine neunzig Jahre mit nichts mehr vergleichen. Würde er, wenn er allein übrig bleibt, glücklich
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sein? All sein Glück würde verschwinden, weil es auf Vergleichen beruhte. Tao sagt: Wenn du allein bist, absolut allein, und dein Glück bleibt gleich, dann bist du angekommen. Andernfalls bist du nicht angekommen. Ein „vergleichsweises" Glück ist ein Pseudoglück. „Ich habe ein großes Auto und du nicht. Dass du keins hast, macht mich glücklich." Das ist reine Idiotie. Wie kann ich glücklich darüber sein, dass du kein Auto hast? Was hat es mit meinem Glück zu schaffen, dass du kein Auto hast? „Ich habe ein großes Haus und du hast kein großes Haus, also bin ich glücklich." Dieses „Glück" ist offenbar mehr daran interessiert, andere unglücklich zu machen, als selber glücklich zu sein. „Du hast kein Auto, du hast kein gutes Haus - ich bin glücklich, weil es dir schlecht geht." Seht euch nur diese Logik an. Eine simple Rechnung: „Ich bin glücklich, wenn es anderen schlecht geht. Je schlechter es also den Leuten geht, desto glücklicher werde ich sein. Wenn die ganze Welt zur Hölle wird, kennt mein Glück keine Grenzen." Das ist die Logik, und genauso hat es der Mensch bisher gemacht. In Kalkutta war ich häufig Gast in einem Haus - dem schönsten Haus von ganz Kalkutta. Und sein Besitzer war wirklich wahnsinnig in sein Haus verliebt. Es war ein Marmorpalast, exquisit, mit Geschmack, ja geradezu aristokratischem Geschmack gebaut; und mitten in Kalkutta einen zehn Morgen großen Garten zu haben war etwas Unvorstellbares - aber er hatte einen. Er hatte wirklich eine tiefe Liebe zu ihm, und jedes Mal, wenn ich ihn besuchen kam, führte er mich zum Swimming
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Pool, in den Garten, auf den Rasen und zeigte mir hier was und da was - lauter Verbesserungen, die er seit meinem letzten Besuch bewerkstelligt hatte. Aber bei meinem letzten Besuch war er tief unglücklich. Ich fragte: „Was ist denn nur los? Du hast mir ja noch gar nichts gezeigt. Hast du etwa nichts Neues gemacht?" Er sagte: „Mein Interesse ist futsch. Siehst du denn nicht, dass gleich nebenan mein Nachbar ein besseres Haus gebaut hat? Und solange ich kein größeres Haus bauen kann als dies, werde ich unglücklich bleiben." Nun, dieser Mann hatte nach wie vor dasselbe Haus, aber sein Glück war verschwunden. Was hat dein Glück mit deinem Nachbarn zu tun? Was geht es dich an, wenn der ein größeres Haus gebaut hat? Und dein Haus bleibt, wie es war! Aber du bist nicht mehr glücklich. Ich sagte zu ihm: „Dann ist eines gewiss - nämlich dass es gar nicht dein Haus war, was dich so glücklich gemacht hatte. Dein Glück beruhte auf dem armen Haus des Nachbarn." Passt auf. Haltet immer die Augen offen. Dies ist Gewalt: glücklich zu sein, wenn es jemandem schlecht geht. Auf die Art und Weise geraten die Leute auf den Holzweg - werden sie zu Unterdrückern, werden sie zu Ausbeutern, werden sie gefährlich. Sie sind ein Fluch auf dem Antlitz der Erde. Aber ihre ganze Logik ist genauso wie die dieses Mannes. Was sagt er denn anderes als: „Ich bin glücklicher als andere: Seht, wie viele Menschen im zartesten Alter sterben mussten, und ich bin nach wie vor am Leben, bin gesund und schon neunzig Jahre alt! Das ist meine Freude." Jetzt sagt er: „Für alle Menschen ist Armut die Norm und der Tod das Ende. Wenn ich mich mit der Norm abfinde und mein Ende erwarte, worüber brauch ich mir dann noch Sorgen zu machen?"
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„Fast alle Menschen sind arm. Das ist also die Norm: arm zu sein. Und natürlich muss jeder sterben, also werde auch ich sterben. Ich bin arm, ich werde sterben. Alle müssen sterben, alle sind arm, wozu also unglücklich sein? Also bin ich glücklich."
Das ist nicht Glück. „Gut!", sagte Konfuzius... Konfuzius war äußerst beeindruckt und sagte: „Gut! ... „Endlich mal einer, der sich selber zu trösten weiß." Aber mit diesem Satz spielt Liehtse seine Trumpfkarte aus. Er sagt, das Konfuzius äußerst beeindruckt war, denn er lasst ihn sagen: „Gut! Endlich mal einer, der sich selber zu trösten weiß." Für Konfuzius nämlich besteht der Sinn und Zweck des Lebens darin, sich mit ihm abzufinden. Wer mehr verlangt, meint Konfuzius, verlangt Unmögliches. Dies ist alles, was ein Mensch erwarten kann; doch dieser Mann versteht sich zu trösten: Seht nur, wie glücklich er ist er singt sogar! Für einen Taoisten ist Trost jedoch etwas Negatives - jedenfalls keine Zufriedenheit. Zufriedenheit hat nichts mit Trost zu tun. Zufriedenheit ist eine völlig andere Dimension. Versucht dies zu verstehen: Trost heißt, seine Situation irgendwie zu rationalisieren - zu versuchen sich keine Sorgen zu machen, zu versuchen sich nicht zu viele Gedanken zu machen, sich mit Stoßdämpfern abzufedern. Das ist es, was Gurdjieff „Puffer" nannte; jeder umgibt sich mit Puffern, damit das Leben kein solcher Schock wird. Puffer sitzen an Eisenbahnwaggons. So wie Federungen in den Autos, damit man, wenn man über holprige Straßen fährt - und das Leben ist eine holprige Straße - nicht allzu sehr durchgerüttelt wird. Die Federungen sind wie Puffer. Wenn die Straße holprig istf wird die Holperigkeit durch die Federung oder Puffer aufgefangen und kann einem nichts anhaben. Alle sogenannten Trostphilosophien sind Puffer. Wenn du siehst, wie arm du bist, wärst du tief unglücklich. Also federst
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du dich ab und denkst: „Schau mal, wie viele Menschen arm sind - Millionen von Menschen sind arm. Warum dich also deswegen sorgen? So ist das Leben eben." Damit hast du dir einen Puffer geschaffen. Du bist krank, dich überkommt das heulende Elend? „Geh ins Krankenhaus, besuche die Leute dort, sieh sie dir an, und sofort wirst du ausgesprochen glücklich werden." Damit hast du dir einen Puffer geschaffen: Zumindest bist du nicht so krank wie viele andere. Du hast ein Bein verloren? „Geh nur mal auf die Straße und sieh dir einen Bettler an, der beide Beine verloren hat; das wird dich schon trösten." Das alles sind Puffer: „Richte dein Augenmerk immer auf Leute, die noch nicht einmal so viel haben wie du. Auf die Art stößt du dich weniger hart am Leben, lebst du angenehmer, komfortabler und bleibst unberührt." Nach und nach klafft, dank dieser Puffer, so viel Abstand zwischen dir und dem Leben, dass dich nichts mehr erreichen kann. Du lebst abgeschottet hinter deinen Puffern, Philosophien, Tröstungen. Eines Tages endet das Leben? Tröste dich mit: „Jeder muss sterben. Das ist nichts Besonderes, das nur dir allein passiert. Die Existenz hat nichts gegen dich, das ergeht jedem so." Du kannst aber auch anfangen, an die Theorie von der Wiedergeburt zu glauben: dass du wiedergeboren wirst und die Seele ewig lebt - auch so ein Puffer. Oder du kannst dir erzählen, dass da ja doch nur dein Körper stirbt - „Und was ist schon der Körper? Nichts als Knochen, Mark, Fleisch und Blut... lauter wertloses Zeug. Er ist nutzlos, ein schmutziger Sack! Mag er ruhig sterben. Deine reine Seele wird dagegen immer und ewig da sein" - wieder hast du einen Puffer kreiert. Diese Puffer verstellen dir den Blick auf die Realität; sie sind ein probates Mittel dich zu trösten. Aber Konfuzius ist überzeugt, dass man sich letztendlich trösten kann: Wer es schafft,
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sich selber zu trösten, ist der wahre Lebenskünstler. Das bedeutet für Konfuzius jegliche Lebenskunst: Wie man es hinkriegt, in dieser unglücklichen Welt vergleichsweise leicht zu leben, sich vergleichsweise nicht zu sehr niederdrücken zu lassen. Wohl gibt es viel Unglück, aber man kann sich vor Unglück schützen, indem man sich gewisse Vorstellungen, Rationalisierungen zulegt. Und tatsächlich ist die Menschheit von einer Rationalisierung zur nächsten weitergegangen - und sie denkt sich immer noch neue Rationalisierungen aus. Zum Beispiel geht eine uralte orientalische Rationalisierung so: Wenn du unglücklich bist, besagt sie, dann musst du im vorigen Leben etwas Schlimmes getan haben. Irgendetwas ist in der Vergangenheit schief gelaufen, und damit hast du schlechtes Karma angehäuft - darum bist du jetzt unglücklich. Jetzt ist alles klar: Kein Wunder, dass du leiden musst; was du gesät hast, musst du auch ernten. Die ganze Karma-Philosophie beruht auf dem Gedanken, dass du früher etwas gesät hast, das du jetzt erntest. Du hast etwas Schlimmes getan, also hat das natürlich Konsequenzen. Das tröstet dich. Also behandelt dich niemand irgendwie ungerecht: Gott ist nicht ungerecht, das Schicksal ist nicht ungerecht, die Welt ist nicht ungerecht, die Gesellschaft Ist nicht ungerecht - es ist dein eigenes Karma, was kannst du machen? Da muss man durch. Und man muss sich seinen Gleichmut, sein Gleichgewicht bewahren. Nur darfst du so etwas nie wieder tun, sonst musst du im nächsten Leben wieder dafür büßen. Mehr also kannst du nicht machen. Die Vergangenheit kannst du zwar nicht ändern, aber du hast wenigstens noch Einfluss auf deine Zukunft...ein schöner Trost! Der hat dafür gesorgt, dass der Osten arm und elend geblieben ist; der hat dafür gesorgt, dass der Osten hässlich, krank
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und unhygienisch geblieben ist. Der hat dem Orient dazu verholten, sich zu trösten - und dieser Trost ist in eine ungeheure Lethargie umgeschlagen: „Was kannst du schon machen - du musst damit leben! Nun behalte wenigstens die Zukunft im Auge." Also muss man nur die Vergangenheit ertragen und die Zukunft fürchten, das ist alles. Dennoch scheint der Osten bei aller Armut, allem Schmutz und Elend glücklicher zu sein als der Westen. Warum? Weil der Osten einen fantastischen Puffer hat, einen starken Puffer hat, um sich bedeckt zu halten. Nun, jede Gesellschaft legt sich ihre Tröstungen zu, jede auf ihre eigene Art und Weise. Im Westen ist heute die Psychoanalyse einer der größten Trostspender: Du gehst zu einem Psychiater, und der schiebt die ganze Schuld auf deine Mutter, und du fühlst dich erleichtert. Du sagst: „Was kann ich schon machen?" Deine Mutter kannst du so wenig ändern, wie du deine Vergangenheit ändern kannst. Deine Mutter ist deine Vergangenheit - was also kannst du machen? Pass das nächste Mal besser auf! Geh einfach nie mehr in einen Mutterschoß ein, das genügt. Diesmal ist es dir leider wieder passiert: Die und die Mutter hat dich geboren und sie hat dein Leben vermurkst, also trifft dich keine Schuld. Prima. Du hast eben leider Pech gehabt. Aber was passiert ist, ist passiert - akzeptiere es. All die Jahre der Psychoanalyse bringen dich einfach nur dahin, zu akzeptieren; sie machen dir klar, wie sich das alles abgespielt hat und dass sich daran nichts mehr ändern lässt. All die Erklärungen der Psychiater sind Rationalisierungen; und auf sie alles kommen! Aber egal mit welchem Problem du ihnen kommst, sie haben eine passende Antwort. Wenn du rauchst, können sie dir erklären, warum du rauchst. Deine Mutter muss dich viel früher von der Brust genommen
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haben, als du wolltest, also rauchst du jetzt. Somit ist das nicht deine Schuld, was kannst du schon dafür? Deine Mutter hat dir die Brust entzogen, jetzt ist die Zigarre deine Ersatzbrust - und irgendwie ist sie das auch. Sie finden sehr clevere Erklärungen! Es klingt völlig plausibel... denn warme Milch fließt aus der Brust und aus der Zigarette fließt warmer Rauch. Also gibt es da eine gewisse Ähnlichkeit, und sieh dir mal an, wie du die Zigarre hältst: genauso wie ein Kind die Brust im Mund hält! Aber wenn es die Psychiater selber betrifft, wird es problematisch. Es heißt, Freud habe alles und jedes aus dem Sex erklärt egal was du machtest, er hatte eine sexuelle Erklärung dafür. Wenn du im Traum einen Berg bestiegen hast, war das sexuell: Du hast eine Frau bestiegen. Wenn du im Traum zu schnell gefahren bist, war das nichts weiter - es war sexuell: Du wolltest so schnell wie möglich in eine Frau eindringen. Jede Erklärung kam bei ihm aus dem Sex. So wie man im Osten alles auf die Seele schob - und daraus tröstliche Erklärungen zog -, so schob Freud alles auf den Sex. Aber er selber geriet manchmal in die Klemme. Er selber war Kettenraucher, und einmal fragte um einer seiner Schüler: „Was hat eigentlich Ihr ständiges Zigarrenrauchen zu bedeuten?" Worauf er erwiderte: „Manchmal muss eine Zigarre halt einfach nur eine Zigarre sein und nichts weiter als eine Zigarre." Natürlich gab sich sein Schüler damit nicht zufrieden, und so sagte er zu den anderen Schülern: „Das beweist doch, dass Freud sich selber nur hinter einer Rationalisierung für sein Zigarrenrauchen versteckt. Er will sich bedeckt halten. Schließlich würde es zu weit gehen, hinter seinem Rauchen einen Komplex zu vermuten. Jeder hat einen Komplex, also muss jeder sich auch den Trost gönnen, dass er aufgrund seines Komplexes..."
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Aber ein Freud darf keinen Komplex haben, sonst hätte er ein echtes Problem, denn: „Ich bin der bedeutendste Psychoanalytiker, den es je gab. Ja, ich selbst habe die Psychoanalyse gegründet. Und ich rauche nun mal, und ich weiß schließlich, was das heißt-.." Folglich sagt er lieber: „Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre." Diese Tour, für alles Mögliche Erklärungen zu finden, ist heute im Westen richtig Mode. Sie hat geradezu epidemische Ausmaße angenommen. Die Psychoanalyse reitet immer nur auf dem „Warum" hemm - so als wäre, wenn man nur weiß, warum, alles gelöst. Warum bist du so unglücklich? Such dir einen Psychoanalytiker, er wird schon eine Antwort finden: Weil dein Vater so und so war, deine Mutter so und so war; deine Kindheit so und so war - darum. Und sofort bist du glücklich und zufrieden. Es macht dich glücklich, weil du nun eine Rationalisierung hast. Hört euch folgenden Psychiater-Witz an - den kürzesten aller Zeiten. Er klingt nicht nach viel, aber aufgepasst! Ein Mann fragt einen anderen; „Sind Sie Psychiater?" Der andere Mann fragt zurück: „Warum fragen Sie?" Da sagt der erste: „Also doch - Sie sind Psychiater!" „Warum?" - ihr ewiges Warum, so als würde das Warum alles erklären können. Dabei schiebt man die Frage damit nur hinaus, schiebt sie nur möglichst weit auf die lange Bank, bis man wieder „Warum?" fragen kann. Die Hindus sagen: „Weil du etwas im vergangenen Leben falsch gemacht hast." Und fragst du wieder „Warum?", müssen sie das nächst frühere Leben heranziehen. Fragst du dann wieder „Warum?", hat dein Mahatma die Nase voll und sagt: „Schluss jetzt! Das geht zu
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weit. Es gibt Dinge, die muss man erfahren haben, da hilft kein Fragen." Was heißt schon: „Ich habe in meinem früheren Leben etwas falsch gemacht"? Und warum? „Aufgrund von etwas in einem Leben davor!" Und wieder warum? „Warum habe ich in meinem allerersten Leben etwas falsch gemacht?" Es ist sinnlos. Aber genauso wie die Religion im Osten zu einem Quell des Trostes wurde, geschieht dasselbe heute im Westen, wo die Psychoanalyse zu einem Quell des Trostes wird. Psychoanalyse ist die geradezu zwanghafte Besessenheit, alles und jedes analysieren und seine Ursache herausfinden zu müssen. Vor allem in Amerika hat dies bereits Formen einer kollektiven Neurose angenommen; jeder geht dort zum Psychoanalytiker oder Psychiater - jeder muss hin, sofern er sich das leisten kann. Wer sich keinen Psychiater leisten kann, ist ein armer Schlucker. Wenn sich die Frauen in ihrem Club treffen, reden sie nur über ihren Psychiater; was er alles gesagt hat und wie tiefschürfend seine Analyse ist. Dabei wird da alles nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht. Wenn du deinen Analytiker fragst, wo diese Lotusblüte herkommt sagt er: „Aus dem Schlamm." Wenn du spirituelle Erfahrungen gemacht hast, was ist ihre Ursache? Er weiß es: „Der Sex!" Der Schlamm - der kleinste gemeinsame Nenner. Aber irgendwie kann das helfen. Wenn du entdeckst, dass an dem samadhi, das all diese Mahatmas erfahren, nichts weiter dran ist als Sexualität - „sublimierte Sexualität!" -, beruhigt dich das. Also brauchst du dir darüber weiter keine Gedanken zu machen, brauchst du nicht auch das samadhi anzustreben - es ist ja doch nur sublimierte Sexualität! Also bist du okay, egal wie weit du bist. Wenn Buddha die Glückseligkeit erlangt hat, ist das nichts
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weiter als eine sexuelle Fantasie; also ist mit dir alles in Ordnung, kannst du den Playboy ruhig weiter lesen und deine sexuellen Fantasien genießen. Schließlich war Buddhas Erfahrung ja auch nichts anderes als eine sublimierte sexuelle Fantasie. Ein schöner Trost... Ich habe von einem Priester gehört, der im Zweiten Weltkrieg in seinen Predigten vor Frontsoldaten ständig etwas von „Schicksal und Prädestination", der unentrinnbaren Vorbestimmung erzählte. Der Priester riet den Soldaten, sich keine Sorgen über ihre Zukunft oder ihr Schicksal im Felde zu machen, denn wenn ihnen der Tod vorherbestimmt sei, würde die Kugel ihr Ziel finden, egal wo sie sich befänden. Wenn sie dagegen ausersehen seien verschont zu bleiben, würde keine Kugel sie treffen. Wenig später geriet er selbst mitten in ein Gefecht und die Kugeln pfiffen nur so durch die Luft, Da rannte er, was er konnte, und ging hinter dem dicksten Baum in der Nähe in Deckung. Ein Soldat, der auch dort stand, erinnerte ihn an seine Predigten über Prädestination und wollte wissen, warum er sich dann jetzt verstecke? „Du hast da wohl was missverstanden", gab der Priester zurück. „Mir war es vorherbestimmt, zu rennen und hinter diesem Baum Deckung zu suchen." Erklärungen über Erklärungen . . . gewiefte Tröstungen ... gute Deckung. Dem Leben muss man sich stellen. Es weht ein scharfer Wind in ihm. Es ist voller Schmerz, aber man muss sich dem Schmerz stellen. Es bringt Unglück, aber dem darf man nicht
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ausweichen, da muss man durch - ohne Erklärungen und ohne Tröstungen. Wenn du es schaffst, dein Leben zu bewältigen ohne darüber zu theoretisieren - also direkt, unmittelbar, von Augenblick zu Augenblick -, dann wirst du eines Tages zu jener Quelle der Freude gelangen, die keine Tröstung mehr ist, sondern ein gestillter Durst. Und was ist der Unterschied? Ein gestillter Durst ist ein positiver Seinszustand. Wohingegen eine Tröstung nur negativ ist: „Ich habe nur ein Auge, andere haben nicht einmal eins das tröstet mich. Mir geht es schlecht, anderen geht es noch viel schlechter - das tröstet mich. Ich bin jung, andere sind alt - das tröstet mich. Ich bin alt, andere sind jung gestorben - das tröstet mich," Tröstungen über Tröstungen, aber alle leer. Konfuzius geht es um Tröstungen, Liehtse geht es um Sättigung. Und diesen Unterschied muss man sich merken. Gesättigt wirst du nur dann, wenn du keine Vergleiche ziehst, wenn du einfach nur in dir selbst ruhst, total in dir selbst - zentriert, verwurzelt. Und indem du in deinem Sein ruhst, geht dir plötzlich auf, dass das Ganze dir gehört und du ihm angehörst, nicht getrennt von ihm bist. Dein Ego hat sich aufgelöst, du bist universal geworden. In diesem Augenblick geschieht eine ungeheure Sättigung, ein ungeheurer Segen. Aber dieser Segen, diese Sättigung beruht nicht auf Rationalisierung, sondern auf Erkenntnis. Das ist der Unterschied. Ein Trost ist eine Rationalisierung, eine Sättigung ist eine Erkenntnis. Es gibt also drei Geisteszustände: erstens die Unzufriedenheit - ein Zustand des Vergleichens. Du vergleichst dich mit denen, die mehr haben als du, und das macht dich unzufrieden. Jemand fährt ein schickes Auto und du musst zu Fuß gehen, du bist nur ein Fußgänger, und das macht dich unzufrieden. Der zweite Zustand ist Zufriedenheit - du bist ein Fußgänger und
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siehst einen Bettler, der keine Beine hat: Du vergleichst dich mit einem, der weniger hat als du - aber du vergleichst immer noch. Auf der einen Seite der Medaille Unzufriedenheit, auf der anderen Seite derselben Medaille Zufriedenheit - eine sogenannte Zufriedenheit. Und der Name der Medaille ist „Vergleichen". Wenn du die ganze Münze fortgeworfen hast - sowohl Unzufriedenheit als auch Zufriedenheit -, dann bist du plötzlich in einem dritten Zustand, wo du nicht mehr vergleichst: Das ist die Sättigung, die wahre Zufriedenheit. Dann achtest du nicht mehr darauf, wer mehr hat und wer weniger hat. Denn jetzt geht es dir grundsätzlich gar nicht mehr ums Haben, sondern ums Sein. Haben bringt nie was. Du kannst so viel haben, wie du dir nur wünschen kannst, aber durch Haben hat noch nie jemand zum Leben gefunden. Leben beruht nur auf Sein, nie auf Haben. Dem entsprechen drei Arten von Menschen: erstens diejenigen, die haben - die Weltlichen; dann diejenigen, die entsagen - die Unweltlichen, Jenseitigen. Diese beiden bilden keinen Gegensatz, so entgegengesetzt sie auch scheinen mögen. Die einen glauben, ihr Glück dadurch zu finden, dass sie mehr haben; die anderen glauben, ihr Glück dadurch zu finden, dass sie nichts mehr haben - aber beide definieren sich am Haben. Die dritte - die vollkommen andere Dimension beruht auf dem Sein; also weder dem Haben noch Nichthaben. Das ist es, was für mich „Sannyas" heißt: Sei weder weltlich noch unweltlich. Vergleiche dich weder mit denen, die mehr haben, noch mit denen, die weniger haben. Sondern vergleiche dich gar nicht. Sei einfach du selbst... lass dein Sein zu. Sei, und dieses Sein wird dir eine enorme Freude bescheren. Und diese
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Freude wird eine sein, nicht viele. Und diese Freude wird keine Ursache haben - sie wird unverursacht sein, sie wird genauso sein wie Wohlbefinden, Gesundheit...
Ich habe gehört... Es war einmal ein Mann, der war sehr allein und elend. Er betete zu Gott und sagte: „Herrgott, schick mir eine schöne Frau, ich bin so allein und brauche Gesellschaft." Gott lachte und fragte: „Warum nicht ein Kreuz?" Der Mann wurde böse und sagte: „Kreuz! Wozu? Will ich etwa Selbstmord begehen? Ich will nur eine schöne Frau." Also bekam er seine schöne Frau. Aber es dauerte nicht lange, bis er noch elender war als je zuvor. Die Frau war eine richtige Nervensäge. Er betete erneut und bat: „Herrgott, schick mir ein Schwert!" Damit wollte er die Frau töten und wieder freikommen. Denn er sehnte sich zurück in die gute alte Zeit. Aber wieder lachte Gott und sagte: „Was ist mit dem Kreuz? Soll ich es dir jetzt schicken?" Der Mann geriet in Weißglut und sagte: „Findest du nicht, dass diese Frau schon ein Kreuz genug war? Schick mir bitte einfach nur ein Schwert." Also bekam er sein Schwert. Er tötete die Frau, wurde festgenommen und zum Kreuzestod verurteilt. Er betete zu Gott und musste laut lachen und sagte: „Vergib mir, Herr, dass ich nicht auf dich hören wollte, als du mir das Kreuz schon gleich zu Anfang schicken wolltest. Hätte ich nur auf dich gehört, dann hätte ich mir so manche Unannehmlichkeit ersparen können!"
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Ob die Welt oder die Welt der Entsagung, ob ein Leben als Haushälter oder als Mönch ... so oder so, man hat nichts als Scherereien. Wenn du auf Tao hörst, dann ist die Botschaft ganz einfach: Ruhe in deinem Sein, und dir werden alle Probleme erspart bleiben, die Probleme des Habens so gut wie die Probleme des Nichthabens. Sei einfach nur. Das Ziel von Tao heißt Sein. Aber hier gibt es noch etwas zu verstehen: Im Sein bist du bereits. Da ist kein Werden nötig, brauchst du nicht erst etwas zu werden - dein Sein existiert bereits. Du hast es in dir. Es muss sich nur öffnen dürfen, damit es seinen Duft in alle Winde verströmen kann... und das ist der wahre Gesang: die Freude. Dieser Mann sang zwar, aber das war nur vorgetauscht; sein Singen beruhte auf einem Trost, es war kein echtes Singen. Der Mann spielte zwar auf einem Instrument, aber das war keine echte Musik, denn wahre Musik entsteht nur, wenn du zutiefst in dir selber wurzelst. Dann bist du das Instrument, und auf ihm spielt die ganze Existenz. Denkt dran: Wenn du nach Trost suchst, wirst du ihn finden; aber er ist nur Falschgeld. Bequem und angenehm zwar, er wirkt wie eine Droge. Du besäufst dich und du bleibst unglücklich. Dein Unglück ändert sich nicht, aber das Trinken hilft dir, das zu vergessen. Trost ist eine An Suff, und alles bleibt dann beim Alten, weil die Tür zum Unglück sperrangelweit offen steht: Denn du vergleichst nach wie vor. Das Vergleichen ist die eigentliche Wurzel allen Unglücks. Wenn es dir gelingt, dich nicht mehr zu vergleichen, weder über noch unter anderen zu stehen, einfach nur du selbst zu sein, dich nicht immer im Verhältnis zu anderen zu betrachten, sondern dich in deinem ungeheuren Alleinsein einzurichten - dann bist du glücklich.
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Ich habe gehört... Sie hatte eine Figur, wie sie nur alle Jubeljahre mal vorkommt. Perfekte Proportionen, knackiger Busen ... einfach super. Aber neben all diesen Vorzügen hatte sie auch eine Neurose: Dass sie von Spannern beobachtet würde. „Und was unternehmen Sie, um dieser Misere zu entkommen?", wollte ihr Psychiater wissen. „Na ja, meine Vorhänge sind immer zu, alle Fenster vergittert und ich zieh mich immer nur hinter einer spanischen Wand aus." „Und wie verhindern Sie, dass die Jungs durchs Schlüsselloch spähen?" „Ganz einfach: Ich lasse die Tür offen." Richtig: Wenn du die Tür offen lässt, kann niemand durchs Schlüsselloch gucken. Aber die Tür lässt du offen, was soll's also? Nicht anders dein Trost: Die Tür bleibt offen; denn deinen Trost ziehst du nach wie vor aus dem Vergleichen, so wie du schon dein Unglück aus dem Vergleichen zogst. Und so bleibt die Tür offen, während du dich immer mehr an deinem Trost berauschst und immer mehr an deinen eigenen Theorien, deinen Rationalisierungen erstickst, dich mehr und mehr abschottest. Während du dich hinter deinen Puffern verkriechst, geht das Leben an dir vorbei. Hör auf zu vergleichen! Nun, wenn man dieses Gleichnis ganz einfach so liest, wird man kaum den Eindruck gewinnen, dass Liehtse an Konfuzius etwas auszusetzen hat. Aber so halten es diese Taoisten; sie gehen sehr subtil vor. Er hat kein einziges Wort gegen Konfuzius gesagt und doch die gesamte konfuzianische Philosophie in Schutt und Asche
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gelegt. Wenn ihr diese Gleichnisse lest, nehmt sie nicht als unschuldige Gleichnisse. In gewisser Weise sind sie zwar unschuldig, aber sie gehen ans Eingemachte. Man muss tief eintauchen, muss nachgraben, jeden Stein umdrehen . . und muss den Unterschied kennen zwischen Disziplin und Spontaneität. Tao ist gegen alles, was auf Disziplin pocht. Tao ist für alles Spontane. Tao heißt Spontaneität, Tao heißt Sosein. Tao ist eine uneingeschränkte Akzeptanz von allem, was ist. Und in solcher Akzeptanz blüht man auf.
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NICHTS ZU BEDAUERN
KAPITEL
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Als Lin-Lei fast hundert Jahre alt war, zog er sich mitten im Frühling seinen Pelzmantel an und ging auf die Reisfelder, um die bei der Ernte abgefallenen Körner aufzusammeln. Und während er so durch die Felder zog, sang er. Konfuzius, der nach Wei unterwegs war, sah ihn von fern, und zu seinen Schülern gewandt sagte er: „Es würde sich bestimmt lohnen, mit jenem Alten dort ein paar Worte zu wechseln. Einer von euch sollte zu ihm gehen und herausfinden, was er zu sagen hat." Daraufhin bat Tse-Kung, hingehen zu dürfen. Er traf Lin-Lei am Ende der Einfassung und sagte seufzend zu ihm, wobei er ihm direkt ins Gesicht sah: „Empfindest du denn gar kein Bedauern? Du singst sogar noch, während du die Körner aufliest!" Lin-Lei blieb weder stehen noch unterbrach er seinen Gesang. Tse-Kung bohrte aber so lange weiter, bis er aufschaute und sagte: „Was hätte ich zu bedauern?" „Als Kind hast du dich nie zu benehmen gelernt; als Mann warst du nie bestrebt dich auszuzeichnen, jetzt bist du ein Greis und hast weder Frau noch Sohn, und die Zeit deines Todes naht! Meister, welches Glück kennst du, dass es dich drängt zu singen, während du dich nach den Körnern bückst?" „Die Gründe für mein Glück sind allen Menschen gemein", erwiderte Lin-Lei lächelnd, „sie aber machen sich stattdessen Sorgen um
sie. Warum habe ich denn so lange zu leben vermocht? Weil ich mich in der Jugend nie um gutes Benehmen bemüht habe und mich als Erwachsener nie auszeichnen wollte. Und ich kann nur deswegen so glücklich sein, weil ich als Greis weder Frau noch Söhne habe und die Zeit meines Todes naht." „Es ist doch menschlich, lange leben zu wollen und den Tod zu hassen - wieso solltest du gern sterben?" „Der Tod ist eine Rückkehr dorthin, wo wir bei unserer Geburt antraten. Weiß ich denn, ob ich, wenn ich jetzt sterbe, nicht woanders wieder zur Welt kommen werde? Weiß ich denn, ob das Leben nicht genauso gut ist wie der Tod? Weiß ich denn, ob es nicht Täuschung ist, sich ängstlich ans Leben zu klammern? Weiß ich denn, ob mein Tod, wenn ich jetzt sterbe, nicht besser wäre als mein bisheriges Leben?" Tse-Kung hörte wohl zu, verstand aber nicht, was er meinte. Er ging zurück und erstattete Konfuzius Bericht. „Sagte ich nicht, es würde sich lohnen, mit ihm zu reden?", sagte Konfuzius. „Und es hat sich gelohnt. Aber er ist ein Mann, der es gefunden hat, auch wenn er noch nicht alles gefunden hat."
TAO IST NICHT RATIONAL. Es ist aber auch nicht anti-rational. Es ist überrational. Das Leben ist mehr als Vernunft. Das Leben ist mehr, als was sich vom Verstand aus verstehen lässt. Das Leben muss dir mehr vorsetzen, als du zu lernen imstande bist; es sprengt den Rahmen dessen, was du zu lernen vermagst. Es ist größer, als .sich jemals ermessen lässt - aber man kann es fühlen. Tao ist intuitiv. Tao ist umfassender. Wenn du dich dem Leben über den Kopf und nur über den Kopf näherst, bleibt deine Annäherung unvollständig, muss es zwangsläufig Missverständnisse geben. Jemand, der alles „durchschauen" will, wird todsicher in eine ungeheure Falle gehen und da nicht so leicht wieder herausfinden können. Sobald du dem Leben intellektuell bcizukommen versuchst, gerätst du auf den Holzweg. Man muss das Leben leben - und zwar existenzicll und nicht nur intellektuell leben. Der Intellekt ist keine Brücke, sondern eine Barriere. Dies gilt es zu verstehen - dann gewinnt dieses Gleichnis eine enorme Tragweite. Und wir werden es hier ganz langsam erschließen und dabei versuchen, jeden Satz zu verstehen, genauer gesagt jedes Wort. Der konfuzianische Ansatz ist ein verstandesgemäßer Ansatz. Der taoistische Ansatz ist ein nicht-verstandesgemäßer Aasatz. Konfuzius denkt über das Leben nach. Laotse, Tschuangtse und Liehtse denken nicht über das Leben nach, weil sie sagen, dass man immerzu weiter nachdenken kann - ewig und drei Tage lang, ohne jemals den Kern zu erreichen. Drumrum ist nicht der Weg. Geh schnurstracks darauf zu, sei unmittelbar sieh das Leben, denk nicht drüber nach. Vergesst nie: Die Speisekarte ist nicht das Essen. Du kannst die Speisekarte ewig weiter studieren - satt wirst du davon
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nicht. Du wirst etwas essen müssen, du wirst es schlucken müssen, du wirst es verdauen müssen. Du wirst dich existenziell mit deinem Essen verbinden müssen, dein Sein wird es absorbieren müssen, du wirst es deinem Sein einverleiben müssen. Nur die Speisekarte oder das Kochbuch zu studieren wird nichts bringen. Der Gelehrte studiert nur immer die Speisekarte: Je hungriger er wird, desto mehr studiert er die Karte; und natürlich bleibt der Gelehrte damit einer der hungrigsten Menschen auf Erden. Er hat nie gelebt, er hat nie geliebt, er hat nie etwas riskiert. Er hat sich nie bewegt, nie getanzt, nie gefeiert; er hat nur immerzu dagesessen und darüber nachgedacht. Der Gelehrte hat den Vorsatz gefasst, erst müsse er alles verstanden haben, bevor er einen Schritt tut. Nun, auf die Art und Weise kommt man nicht voran. Erst musst du dich in Bewegung setzen, und danach kommt die Erkenntnis. Das ist, als würde einer sagen: „Erst muss ich wissen, was Liebe ist, und dann bin ich auch bereit zu lieben." Wie willst du da herausfinden, was Liebe ist? Herausfinden, was Liebe ist, kannst du einzig und allein, indem du dich verliebst - es gibt keinen anderen Weg. Du kannst in die Bibliothek gehen, du kannst alle möglichen Leute befragen, kannst noch so viele Bücher und Nachschlagewerke wälzen, und wirst so vielleicht zigtausend Dinge über die Liebe finden, aber keine Liebe. Du magst überaus gelehrt werden, dein Kopf wird voller Informationen sein, aber Informiertsein und Kennen sind zweierlei. Wissen ist nicht dasselbe wie Kennen. Wissen kann zwar dich, aber es kann nicht das Leben täuschen. Was das Leben betrifft, wirst du eine Einöde bleiben - die Blüte der Liebe wird sich niemals in deinem Leben öffnen. Das gilt auch für alles Wesentliche. Das gilt auch für alles Organische. Dasselbe gilt für alles Lebendige. Dies ist der grundlegende Gedanke von Tao.
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Nun zu diesem Gleichnis: „Als Lin-Lei fast hundert Jahre alt war, zog er sich mitten im Frühling seinen Pelzmantel an und ging auf die Reisfelder, um die bei der Ernte abgefallenen Körner aufzusammeln; und während er so durch die Felder zog, sang er."
Lin-Lei ist ein taoistischer Meister, aber wie alle taoistischen Meister führte er ein ganz gewöhnliches Leben. Ihre Lebensweise hat nichts Außergewöhnliches, sie geben sich nicht als besondere Wesen, begabte Genies, Heilige und Mahatmas aus; sie erheben auf nichts Anspruch. Sie führen ganz einfach deshalb ein sehr gewöhnliches Leben, weil sie natürliche Wesen sind, natürlich wie die Bäume, natürlich wie die Vögel, so natürlich wie die Natur selbst. Sie sind in keiner Weise egoistisch. Wenn man z.B. in Indien wissen will, wo die Mahatmas zu finden sind, ist das überhaupt kein Problem. Aber wenn man das alte China besucht hätte, um einen taoistischen Meister kennenzulernen, hätte niemand sagen können, wo einer zu finden wäre. Man hätte suchen, im Lande herumziehen müssen ... und irgendwann wäre man vielleicht einem begegnet. Aber es wäre ausgeschlossen, wenn man noch nicht selbst solche Erfahrungen gemacht hätte. Wer nicht schon selbst den Geschmack gekostet, den Duft erschnuppert hätte, der könnte einen taoistischen Meister erst gar nicht erkennen. Lin-Lei ist ein taoistischer Meister - sehr schlicht, sehr alt, uralt, hundert Jahre alt, und er liest die Reiskörner auf, die die Schnitter übrig gelassen haben. Nun, man könnte keine niedrigere Arbeit finden, eine für Bettler, und doch ... „sang er, während er durch die Felder zog." Ein Taoist ist immerzu glücklich, weil er nicht erst auf eine Ursache wartet, auf keine besondere Situation wartet, in der er glücklich sein wird. Glück ist wie Atmen, Glück ist wie das
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schlagende Herz. Glück ist seine Natur und nicht etwas, das ihm widerfährt. Glück ist nicht etwas, das passiert oder nicht passiert, Glück ist etwas, das immer da ist. Er ist voller Glück. Glück ist der Stoff, aus dem die Existenz gemacht ist; und ein Taoist ist einfach in Einklang gefallen mit der Existenz - natürlich ist er dann glücklich. Was er auch tun mag, er tut es glücklich. Sein Glück geht seinem Tun voraus. Manchmal seid ihr glücklich und manchmal seid ihr unglücklich - weil euer Glück von etwas abhängt. Wenn ihr Erfolg habt, seid ihr glücklich, wenn ihr keinen Erfolg habt, seid ihr unglücklich - euer Glück hängt von einer äußeren Ursache ab. Ihr könnt nicht andauernd singen; und selbst wenn ihr singt, hat euer Singen nicht unbedingt etwas Singendes. Manchmal wird es aus fröhlichem Herzen kommen und manchmal wird es nur hergeleiert, tot und stumpf sein. Manchmal, wenn dein Freund gekommen ist, wenn du eine Geliebte gefunden hast, bist du glücklich. Manchmal, wenn der Freund nicht mehr da ist, die Geliebte verloren ist, bist du unglücklich. Dein Glück ist wie dein Unglück von außen verursacht - es ist kein innerer Strom, nicht etwas, das dir eigen ist. Es wird dir von anderen verliehen und genommen, wird dir von den Umständen geschenkt und tortgenommcn. Dies ist nichts wert, denn da bleibst du ein Sklave, bist du kein Herr. Die Taoisten nennen denjenigen einen Herrn, dessen Glück restlos ihm gehört. Er kann ohne Rücksicht auf die Situation glücklich sein: Jung ist er glücklich, alt ist er glücklich; als Kaiser ist er glücklich, als Bettler ist er glücklich. Sein Gesang ist über alle Umstände erhaben; sein Gesang ist ihm eigen, Singen ist sein natürlicher Rhythmus. Dieser hundertjährige Mann . . . Normalerweise kann ein hundertjähriger Mann nicht mehr singen, was hätte er noch
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groß zu singen? Das Leben ist verschwunden, das Leben ist versiegt, er ist fast so trocken wie ein Knochen und er hat nichts mehr zu hoffen, ihm steht nur noch der Tod bevor. Singen? Feiern? - Wozu? Ein hundertjähriger Mann hat keine Zukunft; sein Lehen ist verausgabt, er ist erschöpft, in jedem Moment wird der Tod ihn niederstrecken. Für wen? Wofür? Was hat so einer zu singen? Und muss man denn noch mit hundert Jahren hingehen und so eine Bettelarbeit verrichten, muss man die Reiskörner auflesen, die die Schnitter fallen gelassen haben? Das bedeutet, dass es niemanden gibt, der sich um den alten Mann kümmert. Er ist alleinstehend - offenbar ohne Familie, ohne Söhne, ohne Töchter, ohne Frau, ohne Brüder, niemand, der sich um ihn kümmern könnte. Was gibt es da groß zu singen? Aber wenn es dein Gesang ist - der wirkliche Gesang, der Gesang, der aus deinem Innersten, deiner innersten Mitte aufsteigt - dann spielt es keine Rolle. Dann kannst du sogar noch im Augenblick deines Todes singen, kannst du noch singen, wenn jemand dich umbringt. Man kann zwar deinen Körper töten, aber nicht deinen Gesang. Man kann zwar deinen Körper einsperren, aber nicht deinen Gesang. Dein Gesang ist ewig, weil er keine Ursache braucht. Merkt euch dieses ganz grundlegende Lebensgesetz: Was verursacht wird, wahrt niemals ewig. Was verursacht wird, ist zeitlich: Sobald seine Ursache wegfallt, wird es verschwinden; es ist eine Begleiterscheinung. Was ohne Ursache ist, wird auf immer und ewig Bestand haben, weil es nichts gibt, was es zerstören kann. Dein Körper wird sterben - er wurde verursacht; das Zusammentreffen deines Vaters und deiner Mutter war seine Ursache. Dein Körper wird sterben, irgendwann wurde er verursacht. Er hat ein gewisses Maß Energie, eine gewisse Lebensspanne - danach ist es aus mit ihm. 94
Mit jedem Tag stirbst du mehr, eines Tages wirst du einfach im Grab verschwinden. Aber ist das alles, woraus du bestehst? Ist dein Dasein nicht mehr als das? Gibt es da nicht noch etwas? Es gibt etwas in dir, was da war, ehe du überhaupt geboren wurdest, und was noch da sein wird, nachdem du für immer verschwunden bist. Wenn du gestorben bist, wird das, was schon vor deiner Geburt da war, bleiben - das ist unverursacht. Darum glauben die Taoisten nicht, dass Gott die Welt erschuf, dass Gott den Menschen erschuf, dass Gott Seelen erschuf. Wenn Gott Seelen erschaffen hätte, dann wären sie verursacht und würden eines Tages verschwinden - wie lange es bis zu jenem Tag noch dauert, spielt keine Rolle. Gäbe es eine Ursache für die Welt und wäre der Mensch erschaffen, dann würde die Welt irgendwann abgeschafft werden und würde der Mensch abgeschafft werden. Die Taoisten sprechen nur von etwas Ewigem, Unverursachtem, Unerschaffenem einen Schöpfergott kennen sie nicht. Tatsächlich hat nie wieder jemand jenen Gipfel, jenen erhabenen Erkenntnisgipfel der Taoisten erklommen. Die geistige Reife der Taoisten ist so ungeheuer, ist von solchem Glanz, ist von solch einer Höhe und Tiefe, dass keine Religion mit ihr zu vergleichen ist; neben ihr wirken sie alle wie Kindergärten - gezielt für Kinder erdacht. Sie wurden gezielt für Kinder gemacht. Darum ist Gott „der Vater": Kinder können nicht selbstständig sein, sie brauchen einen Vater. Wenn dein wirklicher Vater nicht mehr da ist, brauchst du einen eingebildeten Vater im Himmel, der dich zügelt. Du bist nicht reif genug, man darf dich nicht allein lassen, du musst dich auf irgendwen stützen. Taoisten haben keine Vorstellung von Gott. Nicht, dass sie gottlos wären, sie sind die Göttlichsten überhaupt - aber sie
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haben keinen Gottesbegriff. Die Existenz genügt. Es gibt keinen Schöpfer, es gibt keine Schöpfung, wohl aber die Ewigkeit. Dies war von jeher so, dies wird immer so sein. Sobald du mit dieser ewigen Dauer in deinem Sein in Berührung gekommen bist, mit der Tragschicht, gibt es nichts mehr, worüber du unglücklich sein kannst. Du bist ewig, du bist unsterblich; es gibt für dich keinen Tod, denn es hat nie eine Geburt gegeben. Du bist unerschaffen, und somit unzerstörbar. Was immer die äußeren Umstände - dein inneres Licht brennt hell weiter und der Gesang geht weiter. Konfuzius, der imtenvegs nach Wei war, sah ihn von fern, und zu seinen Schülern gewandt sagte er: „Es würde sich bestimmt lohnen, mit jenem Alten dort ein paar Worte, zu wechseln. Einer von euch sollte zu ihm gehen und herausfinden, was er zu sagen hat."
Konfuzius war immer auf Wissen aus. Er suchte stets nach jemandem, der ihm etwas Neues mitteilen konnte, er wollte immer sein Wissen vermehren. Das ist die Art und Weise des Intellektuellen. Was immer er hat, ist geborgt; er schaut nie nach innen, er sucht mimer nur draußen: „Wenn irgendwer irgendwas weiß, dann muss ich hin und nachfragen." Der Intellektuelle ist imitativ, mechanisch, wie ein Papagei; für den Intellektuellen ist Wissen etwas, das sich erlernen lässt. Er wirft nie einen Blick in sein eigenes Inneres, er schaut nie in sein eigenes inneres Bewusstsein; er versucht nie den Erkennenden zu verstehen. Er ist auf Wissen aus - und da liegt der Unterschied. Der Taoist ist nicht auf Wissen aus, sondern will nur wissen: Wer ist dieser Erkennende? Was ist diese Erkenntnis, diese Weisheit? Er will die Quelle dieser Weisheit erkennen wo dieses Bewusstsein herkommt. Du sitzt hier und hörst mir zu. Nun, das kannst du entweder als Konfuzianer tun oder als Taoist, denn das sind die beiden
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einzigen möglichen Standpunkte. Wenn du mir zuhörst und dich mehr und mehr für das interessierst, was ich sage, und anfängst es dir zu merken, dann bist du ein Konfuzianer. Aber wenn du dir, während du mir hier zuhörst, deines eigenen inneren Bewusstseins gewahr wirst - also deiner inneren Wachheit bewusst wirst und unbedingt wissen willst, was sie ist -, dann erhebt sich ein tiefer Forscherdrang: „Wer bin ich?" Nicht, dass du die Worte „Wer bin ich?" wiederholen müsstest... vielmehr erhebt sich in dir ein tiefer Forscherdrang, eine Suche, ein leidenschaftliches Wissenmüssen: „Wer ist dieses Bcwusstsein in mir? Was hat es auf sich mit diesem Bewusstsein in mir? Was ist sein Wesen? Woraus besteht es? Wo kommt es her? Worauf will es hinaus?" Wenn sich diese Forscherleidenschaft in Bezug auf dein Bewusstsein bemerkbar macht, bist du ein Taoist. Und nur ein Taoist ist ein religiöser Mensch. Der Konfuziarier ist ein Gelehrter, er ist ein Pandit, er ist ein Professor. Wenn du mit ihm sprichst, wird er von großen Dingen zu dir sprechen, aber wenn du in sein Inneres blickst, ist da nichts. Alles, was er aufgelesen hat, ist geborgt. Mit Freude bringen die Taoisten Geschichten in Umlauf, in denen Konfuzius mal wieder unterwegs ist, von hier nach dort, immer auf Reisen und überall Wissen aufgabelnd und immer auf der Lauer nach noch mehr Wissen - so als wäre Wissen eine Ware, als wäre Wissen eine Sache, die irgendwer irgendwo feilbietet. Niemand kann dir Erkenntnis geben. Sie ist keine Sache, die sich übertragen ließe. Du musst sie dir anverwandeln, du musst in die Weisheit hineinwachsen; sie ist eine innere Transformation. Keine Universität vermag dir das zu geben, was religiöse Menschen „das wahre Wissen" nennen. Was dir die Unversitäten vermitteln können, ist nur Information - abgestanden, geborgt, ja schmutzig, weil es durch tausende Hände
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gegangen ist wie ein Geldschein. Eben darum ist das englische Wort für Währung currency, „Laufgeld" - weil es wie Wasser von einer Hand zur nächsten läuft, von einer Hosentasche zur nächsten. Aber dabei wird es ständig immer schmutziger. Genauso verhält es sich mit dem Wissen: Über Jahrhunderte hinweg wird es von Generation zu Generation weitergereicht, von einer Professorengeneration zur nächsten. Erkenntnis dagegen ist frisch, Erkenntnis kommt aus der Quelle. Und diese Quelle ist in dir lebendig und wartet nur darauf, dass du dich ihr zukehrst. Suche sie nicht irgendwo da draußen - schau in dein Inneres. Das meint Jesus, wenn er immer wieder sagt: „Das Reich Gottes ist in euch." Konfuzius, der unterwegs nach Wei war... Er ist immerzu unterwegs, auf der Suche nach, erpicht auf Wissen. Er geht zu allen und jedem. Wo immer irgendeiner behauptet, dass irgcndjemand zu Wissen gelangt sei, muss er hin. Dies ist albern, dies ist dumm, aber dies ist die Dummheit, die alle Gelehrten gemein haben. Sie sind grundsätzlich überzeugt, dass man Wissen erwerben könne. Sie sind grundsätzlich überzeugt, dass Wissen eine Sache sei und keine Erfahrung, eine Theorie sei und keine Erfahrung. Folglich kann man sie auch von anderen erfahren. Vergesst eines nicht - und zwar den Unterschied zwischen wissenschaftlichem Wissen und religiösem Wissen. Sobald jemand einmal das Gesetz der Schwerkraft entdeckt hat, muss nicht jeder es wieder und wieder entdecken - das wäre töricht, Du kannst dich nicht vor die Welt hinstellen und sagen: „Auch ich habe das Gesetz der Schwerkraft entdeckt!" Die Leute würden sich totlachen. Sie würden sagen: „Wo gibt es da jetzt noch etwas zu entdecken? Entdecke üeber etwas anderes, etwas, das bisher noch nie entdeckt wurde!"
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Wissenschaft ist Information. Was einer einmal entdeckt hat, das ist jetzt allen zugänglich. Das Wissen, wonach die Wissenschaft sucht, ist äußerlich, also kann man es sich auch äußerlich aneignen. Religion dagegen gilt es wieder und wieder zu entdecken. Darin gleicht sie der Liehe: Abermillionen haben schon vor dir geliebt, aber solange du noch nicht selber liebst, wirst du nie wissen, was das ist. Du kannst nicht hergehen und sagen: „Millionen haben bereits geliebt, was für einen Zweck hat es also noch, wenn auch ich liebe? Warum in dieselbe Fahrspur rutschen? So viele Menschen haben schon gelieht und ihre Tagebücher geschrieben, und ihre Liebesbriefe sind zu kaufen - wir können ihre Bücher lesen und dann werden wir Bescheid wissen." Aber nein - du selber wirst lieben müssen, du wirst es wiederentdecken müssen. Solange du es nicht entdeckst, wirst du nie wissen, worum es sich handelt. Religiosität ist wie Liebe; sie ist nicht wie Wissenschaft. Einstein hat die Relativitätstheorie entdeckt, jetzt ist Schluss damit - jetzt braucht sie niemand mehr wiederzuentdecken. Wozu ein Wissenschaftler einst viele Jahre gebraucht hat, kann ein Schulkind heute in fünf Minuten auswendig lernen. Aber mit der Religiosität verhält es sich anders. Was Buddha entdeckt hat, was Laotse entdeckt hat, was Liehtse entdeckt hat, das wirst auch du wiederentdecken müssen. Konfuzius ist auf dem Holzweg.
Konfuzius dient den taoistischen Geschichten als Zielscheibe für ihren Spott. Konjuzius, der unterwegs nach Wei war, sah ihn von fern, und zu seinen Schülern gewandt sagte er. „Es würde sich gewiss lohnen, mit jenem Alten dort ein paar Worte zu wechseln." Warum? Weil er mit seinen hundert Jahren die niedrigste Arbeit verrichtet - und trotzdem singt! Geht und fragt nach, was der Grund für sein Glück ist, warum er glücklich ist,
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warum er singt, auf dass wir ein Gesetz davon herleiten oder eine neue Technik entwickeln können: „Einer von euch sollte zu ihm gehen und herausfinden, was er zu sagen hat." Daraufhin bat Tse-Kung - einer von Konfuzius' Meisterschülern - hingehen zu dürfen. Er traf Lin-Lei am Ende der Einfassung und sagte seufzend zu ihm, während er ihm direkt ins Gesicht sah: „Empfindest du denn gar kein Bedauern? Du singst sogar noch, während du die Körner aufliest!" „Empfindest du denn gar kein Bedauern?" - denn für einen Konfuzianer scheint dieser Mann nichts zu lachen zu haben. Weinen sollte er lieber, das wäre logisch. Er sollte tieftraurig sein, das wäre rational. Aber nein, er singt! Muss Reiskörner auflesen, ist hundert Jahre alt, steht kurz vor dem Tod - was braucht man mehr, um Trübsal zu blasen? Er sollte kreuzunglücklich sein, das wäre logisch. Das ist unlogisch, aber Taoisten sind nun mal unlogische Leute. Und ich möchte, dass auch ihr unlogisch werdet, weil nur unlogische Leute das große Glück haben, glücklich zu sein. Die Logiker sind niemals glücklich - woher auch? Sie sind von Anfang an auf den Holzweg geraten. Sie meinen, Glück habe eine Ursache, so wie alles andere ebenfalls eine Ursache haben müsse - aber da liegen sie falsch. Um glücklich zu sein, braucht man nur Einsicht und sonst keine Ursache. Und selbst Einsicht ist keine Ursache für Glück - Einsicht entschleiert nur, es befindet sich in dir. Einsicht hebt einfach nur den Schleier, und plötzlich ist das Glück da - das Geliebte steckt in dir, du brauchst es nur zu entschleiern, mehr nicht. Entschleiern ist keine Ursache. „Ursache" besagt, dass es erst hergestellt werden muss; mit „entschleiern" ist lediglich gesagt, dass es längst da war, nur warst du töricht genug, nicht den Schleier zu heben.
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Diese konfuzianische Weltanschauung müsst ihr verstellen; denn viele von euch werden nicht umhin können, sich in der Gesellschaft von Konfuzius zu befinden. Der gesamte Westen ist nämlich konfuzianisch, logisch, intellektuell. Die konfuzianische Haltung beruht auf dem Gedanken, dass man die Wahrheit erlernen müsse, dass sie nur erlernt zu werden brauche: Wenn du nur gut lernst, wirst du die Wahrheit schon irgendwann wissen. „Nein!", halten die Taoisten dagegen „Die Wahrheit will gelebt, nicht erlernt sein." Die Wahrheit muss erfahren werden; nur indem du immer gelehrsamer wirst, kannst du sie nicht erkennen. Im Gegenteil, um zur Wahrheit zu gelangen, wirst du verlernen müssen, musst du deinen Geist reinwaschen. Alles Erlernte steht dir dabei im Wege. Du wirst wieder unwissend, wirst wieder unschuldig werden müssen, du wirst all diesen Unsinn aufgeben müssen, den du als Wissen getarnt mit dir herumschleppst. Du weißt gar nichts, bildest dir aber ein, viel zu wissen. Diese Einbildung ist das Problem. Sobald man dich fragt: „Kennst du Gott?", antwortest du sofort „Ja." Hast du je darüber nachgedacht, was du da eigentlich sagst? Kennst du um wirklich? Aber du tust so, als ob. Wem machst du damit etwas vor? Folgende schöne Anekdote: Ein Muskelprotz kommt in eine schummrige Bar. „Heißt hier einer Fred?", knurrt er in die Runde. Eisiges Schweigen. Dann wiederholt er: „Heißt hier einer Fred?" Alles schweigt, aber dann steht ein schmächtiger Typ auf, geht auf um zu und sagt: „Ich bin Fred." Der Muskelprotz hebt ihn hoch versetzt ihm ein paar
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Kinnhaken, schmeißt ihn über den Tresen, versetzt ihm noch ein paar Tritte in die Seite und geht wieder. Nach etwa einer Viertelstunde kommt der Kleine langsam zu sich, „Mann", freut er sich, „den hab ich aber angeschmiert! Ich heiß gar nicht Fred." Wen hast du angeschmiert? Du hast dich nur selber angeschmiert und sonst keinen. Merkt euch ganz klar, was ihr wisst und was ihr nicht wisst. P.O. Ouspensky sagt im Tertium Organum, einem seiner größten Bücher, dass es für einen Sucher das Wichtigste ist, zwischen dem zu unterscheiden, was er weiß und was er nicht weiß - das Allerwichtigste. Sobald dir das klar ist, wird alles sonnenklar. Weißt du, wer du bist? Weißt du, was Liebe heißt? Weißt du, was Leben heißt? Aber der Mensch tut andauernd so, als wisse er alles. Denn zu wissen, dass du nichts weißt, tut sehr weh; zu wissen, dass du nichts weißt, zerschmettert dein Ego. Das Ego ist ein Betrüger, das Ego ist der größte Hochstapler, den es gibt. Es behauptet, es sagt: „Ja, ich weiß." Die einen Bescheidwisser sagen, dass es keinen Gott gibt, und die anderen Bescheidwisser sagen, dass es einen Gott gibt; aber beide sind nur Bescheidwisser. Was ihr Wissen angeht, unterscheidet sich der Theist keinen Deut vom Atheisten. Wenn ihr diese Frage den Leuten in Indien stellt - egal wem -, werden sie sagen: ,Ja, es gibt einen Gott!" Wenn ihr das irgendwen in der Sowjetunion fragt, werden alle sagen, dass es natürlich keinen Gort gibt. Nur eines ist gewiss: Beide „wissen Bescheid" - und genau da liegt das Problem. Der Theist, der also an Gott glaubt, und der Atheist, der nicht an Gott glaubt, sind nicht entgegengesetzt. Sie sind nicht Gegner, sondern Partner in ein und demselben Spiel weil alle beide vorgeben Bescheid zu wissen. Ein Mensch von
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wirklicher Einsicht wird nicht vorgeben etwas zu wissen, und dann besteht auch die Möglichkeit, dass er eines Tages erkennt. Fang als Unwissender an, und dann hast du eines Tages vielleicht das Glück, zu erkennen. Fang als Wissender an, und du kannst dich darauf verlassen, dass du niemals erkennen wirst. Der Konfuzianer will immerzu lernen. Der Taoist will immerzu verlernen. Lin-Lei blieb weder stehen noch unterbrach er seinen Gesang. TseKung bohrte aber so lange weiter, bis er aufschaute und fragte: „Was hätte ich zu bedauern?"
Zunächst mag er nicht einmal seinen Gesang unterbrechen, um sich anzuhören, was dieser Mann wissen will - denn für neugierige Leute interessieren Taoisten sich nicht. Für sie bringt Neugier nichts, ist Neugier eine Krankheit - Neugier ist kein Nachforschen. Nachforschen heißt, dass du bereit bist dein Leben aufs Spiel zu setzen. Nachforschen heißt, dass du nicht nur ein Schüler bist, sondern ein Jünger. Nachforschen heißt, dass du nicht nur aus Lust und Laune Fragen stellst, sondern dich einlassen willst, koste es, was es wolle: Du bist bereit den Preis zu zahlen, du fragst nicht nur, um dich zu amüsieren. Lin-Lei blieb weder stehen noch unterbrach er seinen Gesang. Er beachtete diesen Neugierigen überhaupt nicht, der wissen wollte: „Warum singst du? Was hast du, worüber du glücklich sein könntest?"; denn wäre dieser Mann wirklich ein Wahrheitssucher, würde er sich nicht so plötzlich auf ihn stürzen. Er würde abwarten; er wäre gekommen und hätte sich neben ihn gesetzt und abgewartet. In taoistischen Kreisen ist es Sitte, dass ein Jünger zu warten hat, wenn er zu seinem Meister kommt, bis der Meister ihn fragt: „Wozu bist du hergekommen?" Und der Meister wird erst fragen, wenn er sich überzeugt hat, dass du nicht nur
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neugierig bist, sondern etwas auf dem Herzen hast. Dass du nicht einfach nur mal kurz reinschaust, ohne ein eigentliches Anliegen zu haben, sondern dass es dich drängt, dass es dir unter den Nageln brennt, dass du kurz davor stehst zu explodieren. Nur dann wird der Meister fragen: „Wozu bist du hergckomnmen? Was hast du auf dem Herzen?" Auf die Art und Weise nähert man sich nicht einem Meister - und dann auch noch, um eine so alberne Frage zu stellen! Die Frage ist albern; zu fragen: „Warum bist du glücklich?" Sowas ist einfach albern. Ein Warum ist hier unangebracht. Wenn es jemandem schlecht geht, kann man fragen: „Warum geht es dir schlecht?" Aber wenn es jemandem gut geht, kann man nicht fragen: „Warum geht es dir gut?" Ist jemand krank, dann frag: „Warum bist du krank?" - dann ist die Frage angebracht. Aber wenn einer gesund ist, kannst du nicht fragen: „Warum bist du gesund?" - die Frage ist unangebracht. Gesundheit sollte die Regel sein; Glück sollte die Regel sein. Wenn einer von Sinnen ist, kannst du fragen, warum er von Sinnen ist; aber wenn er bei Sinnen ist, fragt man nicht: „Warum bist du bei Sinnen? Was hast du getan, um bei Sinnen zu sein?" - das ist absurd. Wenn du zu einem glücklichen Metischen, einem wirklich glücklichen Menschen kommst, dann solltest du die Augen aufmachen, anstatt so verschwommene Fragen zu stellen. Du solltest warten, du solltest dem Meister zur Hand gehen, du solltest dich an der Energie, die den Meister umfließt, vollsaugen; du solltest von dem Jubel kosten, der dort in Gang ist. Du solltest seiner Präsenz gestatten dein Sein zu erfassen, du solltest wie ein Schwamm sein, damit du die Präsenz des Meisters aufsaugen kannst - das wird seine Antwort sein. Doch so etwas ist töricht; aber mir sind solche Leute schon
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zu Tausenden untergekommen. Ich bin früher kreuz und quer durch das Land gereist; und selbst auf Bahnhöfen ... Einmal musste ich dringend meinen Zug erreichen, als jemand mir nachlief und fragte: „Gibt es wirklich einen Gott? Existiert Gott?" Ich durfte den Zug nicht verpassen und gleich musste er losfahren. Ich sagte: „Komm später!" Er sagte: „Doch nur auf die Schnelle - ein Satz genügt!" Als ob es den geringsten Unterschied machen würde, ob ich nun Ja oder Nein sagte! Törichte Leute, Dummköpfe: Sie halten sich für religiös, für tolle Wahrheitssucher. Eben darum blieb Lin-Lei weder stehen noch unterbrach er seinen Gesang. Doch Tse-Kung bohrte so lange weiter, bis er aufschaute und fragte: „Was hätte ich zu bedauern?" Seht doch nur diese Veränderung. Tse-Kung fragt: „Worüber solltest du glücklich sein?", und der Meister antwortet: „Worüber sollte ich unglücklich sein?" Die totale Volte - eine Kehrtwende um hundertachtzig Grad! „Als Kind hast du nie gelernt dich zu benehmen; als Mann hast du dich nie auszeichnen wollen. Weder Frau noch Sohn im hohen Alter, und die Zeit deines Todes naht!. Meister, welches Glück kennst du, dass es dich zu singen drängt, wahrend du dich nach den Körnern bückst?"
Versucht, jeden Satz zu verstehen. Jeder ist äußerst bedeutungsschwangcr. „Als Kind hast du nie gelernt dich zu benehmen..." Für gewöhnlich wäre man, wenn man als Kind nie gelernt hatte sich zu benehmen, den Rest seines Leben unglücklich. Man würde es bereuen, nie zur Schule gegangen zu sein, nie Sitte und Anstand, also die gesellschaftlichen Umgangsformen, erlernt zu haben - die Höflichkeiten; das würde man sein ganzes Leben lang bedauern. Was aber sagt er? „Es gibt nichts zu bedauern! Denn als ich ein Kind war, habe
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ich nie gelernt mich zu benehmen. Ich war nie ein Sklave. Ich war von Anfang an frei. Ich habe mich nie von irgendwem maßregeln lassen. Ich habe nie nachgeahmt. Ich habe mein Leben so gelebt, wie ich es wollte. Ich habe nie irgendwem erlaubt, mich mir zu entfremden: Warum also sollte ich etwas bedauern? Warum? Es gibt keinen Gaind, zu bedauern!" Wenn ich es den Leuten gestattet hätte... meiner Familie, den Freunden, der Gesellschaft, dem Priester, dem Politiker, dem Staat ... wenn ich es den Leuten gestartet hätte, mich zu maßregeln, dann wäre ich heute über vieles unglücklich. Aber ich habe von frühester Kindheit an ein freies Leben geführt. Ich bin frei geblieben, ich habe in Freiheit gelebt - was also gibt es da zu bedauern? Dies ist von unschätzbarem Wert. Und wenn ich das hier zu euch sage, empfinde ich genauso. Auch ich habe genauso gelebt, wie ich leben wollte. Ich habe nie jemandem erlaubt, mich mir zu entfremden. Ob richtig oder falsch, gut oder schlecht, töricht oder weise - ich habe so gelebt, wie ich es wollte. Ich bedaure nichts. Da kann es gar kein Bedauern geben. Auf die Art und Weise wollte ich leben, auf die Art und Weise habe ich gelebt. Und das Leben hat mir erlaubt, so zu leben, wie ich es wollte - ich bin dankbar, zuriefst dankbar. Heute weiß ich, dass ich unglücklich geworden wäre, wenn ich die Wohltäter an mich rangelassen hätte. Nicht dass ihnen wirklich daran gelegen war, mir zu schaden, sie mögen redlich beabsichtigt haben, mir zu helfen - aber darum geht es überhaupt nicht. Sie mögen mein Bestes gewollt haben, aber eines ist gcwiss: Sie wollten mich von mir abbringen, sie wollten mir irgendwelche Richtungen aufzwingen, auf die ich niemals spontan gekommen wäre. Darauf habe ich nie gehört. Ich habe
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zu meinen Wohltätern gesagt: „Vielen Dank für die Mühe, die ihr euch mit mir gebt, aber ich muss meinem eigenen Weg folgen. Wenn ich scheitere, werdet ihr den einen Trost haben, dass ich meinem eigenen Weg gefolgt und gescheitert bin. Folge ich aber euch, werde ich es, selbst wenn ich Erfolg habe, immer bereuen: Wer weiß, was herausgekommen wäre, zu was es geführt hätte, wenn ich meinem eigenen Weg gefolgt wäre? Ich habe von einem großen Arzt, einem großen Chirurgen gehört, der eine internationale Berühmtheit war. Und als er alt wurde und sich zurückzog, gaben ihm seine Schüler aus aller Welt ein großes Fest. Doch wirkte er an diesem Ehrentag, fanden sie, etwas traurig - irgendwie geistesabwesend. Also fragte ihn einer seiner Schüler: „Was ist nur mit Ihnen los? Warum schauen Sie so traurig drein? Warum? Sie haben ein erfolgreiches Leben hinter sich, niemand könnte mit Ihnen konkurrieren. Sie sind auf Ihrem Gebiet unschlagbar; Sie stehen ganz an der Spitze Ihres Fachs, und auf Jahrhunderte hinaus wird niemand Sie ersetzen können. Sie haben allen Grund glücklich zu sein... und schauen Sie sich Ihre Schüler, Ihre Jünger an: Wir sind über die ganze Welt verstreut! Was betrübt Sie nur so?" Und er sagte: „Angesichts all dieser Erfolge stimmt mich Folgendes ganz traurig, dass ich eigentlich nie Arzt werden wollte. Ich wollte Tänzer werden! Und jetzt ist mein Leben vorbei und vertan. Denn im tiefsten Herzen bereue ich, damals auf andere gehört zu haben. Ja, ich war wohl erfolgreich, doch dieser Erfolg befriedigt mich nicht, weil er mir fremd ist. Es ist, wie wenn du keinen Hunger hättest und jemand hätte dich zum Essen gezwungen - vielleicht ein sehr nahrhaftes Essen, aber dir wird übel davon. Oder du wolltest Wasser trinken, und irgendwer hätte dich gezwungen Milch zu trinken - sicherlich
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besser als Wasser, aber du wolltest eben nur Wasser trinken. Du wolltest nur deinen Durst stillen, und die Milch hat ihn nicht gestillt, sie hat dich enttäuscht." Und ich kann diesen Mann verstehen. Er war traurig, und seine Traurigkeit macht Sinn. Er war traurig, weil jetzt dieser ganze Erfolg ihn zu einem einzigen Versager machte. Tief drinnen hat er versagt, hat er sich selber verraten - er hat sich nicht auf seine eigene Intuition verlassen und sich der Manipulation anderer gefügt. Seht, was Tse-Jung über diesen alten Mann Lin-Lei sagt: „Als Kind hast du nie gelernt, dich zu benehmen..." Aber was gibt es da zu bedauern? Er hat sein Leben gelebt, und er hat es auf seine eigene Art und Weise gelebt. „Als Mann hast du nie danach gestrebt dich auszuzeichnen." Und er wollte sich nie auszeichnen. Er war nicht ehrgeizig - aber was gibt es da zu bedauern? Ein Ehrgeizling hat immer etwas zu bedauern. Alexander starb traurig, in großer Frustration; denn Ehrgeiz ist seinem ganzen Wesen nach unerfüllbar. Als Alexander in Indien war, soll er einen Astrologen aufgesucht und ihn nach seiner Zukunft betragt haben. Der Astrologe besah sich seine Hand und sagte: „Eines muss ich dir sagen: Du wirst diese Welt zwar erobern; nur vergiss nicht, dass es darüberhinaus keine andere Welt gibt. Und dann sitzt du da. Was willst du dann machen?" Der Astrologe muss ein großer Weiser gewesen sein; und es heißt, dass Alexander bei den Worten „Es gibt keine andere Welt" in Trübsinn verfiel. Er brauchte nur zu denken: „Was willst du machen, nachdem du diese Welt erobert hast? Es gibt keine andere Welt!" Da muss sich ein ehrgeiziger Geist einfach in die Enge getrieben fühlen: „Was soll ich dann tun?" Und egal wie viel du erreichst, du hast nichts erreicht, weil der Ehrgeiz immer nur weiter ausholt. Nur ein unehrgeiziger Mensch kann glücklich
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sein. Ein ehrgeiziger Mensch ist zwangsläufig immer frus-, triert. Ehrgeiz kommt aus Frustration, alles Erreichte zeitigt noch mehr Frustration, und es ist ein Teufelskreis. Dieser alte Meister war unbesorgt um weltlichen Erfolg, er brauchte nicht zu beweisen, dass er wer war. Er hatte kein Interesse an einem Platz in der Geschichte. Er hatte kein Interesse daran, dem Leben seinen Stempel aufzudrücken, denn das ist töricht; selbst wenn du einen Platz in der Geschichte erwirbst - wozu soll er gut sein? Folgende Anekdote: Moses führt sein Volk aus Ägypten heraus, und als er schließlich ans Meer kommt, geht es einfach nicht weiter - dieses Gleichnis ist ein sehr modernes Gleichnis. Er sieht seinen Presse-Agenten an und sagt: „Was meinst du? Ich hätte da 'ne Idee - sei ehrlich! Ich kann das Meer bitten, uns Platz zu machen, und dann teilt das Meer sich." Der Presse-Agent antwortet: „Wenn du das fertigbringst, kriegst du zwei Seiten im Alten Testament." Aber selbst wenn du im Alten Testament zwei Seiten kriegst - oder zwanzig oder zweihundert, was hat es für einen Sinn? Und je mehr Geschichte sich ansammelt, desto mehr und mehr werden deine zwei Seiten schrumpfen, und irgendwann sind sie dann nur noch eine Fußnote. Und dann, wenn die Geschichte noch länger wird - und sie wird mit jedem Tag länger! -, werden alle Fußnoten im Anhang verschwinden und nach und nach bist du weg vom Fenster. Wie lange, wenn dein Leben vorbei ist, kann sich dein Stempel auf dem Leben halten? Und wozu überhaupt?
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Dieser alte Meister hat wirklich den Durchblick. „Als Mann warst du nie bestrebt dich auszuzeichnen." Was also gibt es da zu bedauern? Wenn du ehrgeizig bist, wirst du es bereuen, weil Ehrgeiz nie zu befriedigen ist. Wenn du unehrgeizig bist, wirst du froh sein, weil du dann gegen Frustration gefeit bist. Und er hat keine Frau und keinen Sohn, warum sollte er deswegen unglücklich sein? Versucht zu verstehen, was er damit sagen will. Er ist absolut allein - niemand kann ihm in sein Alleinsein dreinreden. Seine Abgeschiedenheit ist vollkommen: „Ich bin allein, frei, absolut mein eigener Herr. Niemand kann mich hin und her zerren, keine Familie, keine Verwandten - was gibt es da unglücklich zu sein?" Macht euch klar: Wenn ihr allem seid, seid ihr nicht allein, sondern einsam, fehlt euch die Gesellschaft der ändern. Dir fehlt aber nur deshalb die Gesellschaft der anderen, weil du nie gelernt hast ganz und gar in deiner eigenen Gesellschaft zu sein. Dir fehlt die Gesellschaft der anderen, weil du nie gelernt hast es mit dir selber auszuhalten. Einsamkeit ist negativ, ist die Abwesenheit der anderen. Alleinsein ist positiv, ist die Präsenz deines eigenen Seins. Einsamkeit ist Verlassenheit, Alleinsein ist Abgeschiedenheit. Einsamkeit ist hässlich, Alleinsein ist schön: Im Alleinsein steckt etwas Leuchtendes. Buddha ist allein, ich bin allein, Liehtse ist allein; dieser alte Mann Lin-Lei ist allein. Wenn du allein dasitzt, fühlst du dich einsam, fehlt dir einfach nur etwas. Tief drinnen suchst du irgendwie Gesellschaft: „Wohin mit mir, was soll ich machen, womit soll ich mich beschäftigen, damit ich mich selber vergessen kann?" Du hast nie gelernt, mit dir selbst in Beziehung zu treten. Du hast dich noch nie in dich selber verliebt. „Bist jetzt steinalt und hast weder Frau noch Sohn..."
„Was gibt es da zu bedauern? Ich bin allein, so allein wie ein
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mächtiger Gipfel des Himalaja. Alles ist schön und still und selig." „.. .und die Zeit deines Todes naht!"
Der Tod ist für den Taoisten nur die Heimkehr, die Reise ist vorbei. Der Tod ist ein Zurückkehren nach Hause, zurück zum Ursprung, zurück zur Quelle, die Heimkehr dorthin, wo wir herkamen. „Und die Zeit deines Todes naht."
Was soll es da also zu bedauern geben? Ich bin einfach nur glücklich, rundum glücklich. Alles ist einfach wunderbar - was will man mehr? „Als Kind hast du dich nie zu benehmen gelernt; als Mann warst du nie bestrebt dich auszuzeichnen. Jetzt bist du steinalt und hast weder Frau noch Sohn, und die Zeit deines Todes naht. Meister, welches Glück kennst du, dass es dich drängt zu singen, während du dich nach den Körnern bückst?"
Aber der Konfuzius-Schüler verstand einfach nicht. Er wiederholte seine Frage. Er begriff nicht. Er hatte gehört, aber nicht zugehört - es ging über seinen Horizont. „Was habe ich zu bedauern?" Was für ein herrlicher Ausspruch, so voller Erfahrung, so absolut revolutionär - aber der Konfuzianer begriff nicht. Der Gelehrte geht stets an der Wahrheit vorbei. Niemand ist so unfähig zuzuhören wie der Pandit, sein Kopf ist einfach zu voll von seinen eigenen Vorstellungen. Tse-Kung muss sich über tausend und eine Sache den Kopf zerbrechen, muss sich neue Fragen ausdenken: „Was soll ich als Nächstes tragen?" Er scheint zuzuhören, hört aber gar nicht zu. „Meister, welches Glück kennst du, dass es dich drängt zu singen, während du dich nach den Körnern bucht?"
Wieder klingt die Frage sinnvoll: „Welches Glück kennst du...?" Wie gesagt, wenn es eine Ursache für Glück gibt, dann
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muss sie notgedrungen in der Vergangenheit liegen. Ursachen liegen immer in der Vergangenheit. Wenn du glücklich bist, lautet folglich die Frage: „Was hat dich glücklich gemacht?", und was immer dich glücklich gemacht hat, ist inzwischen vergangen. Somit orientiert sich ein verursachtes Glück an der Vergangenheit. Auf etwas zurückblicken heißt, dass es nicht mehr da ist: Es ist Fiktion, Einbildung, Illusion. Das wahre Glück orientiert sich an der Gegenwart, niemals an der Vergangenheit. Das wahre Glück ist hier und jetzt, in diesem Augenblick zugegen. Es hat nicht die Zeit, verursacht zu werden, sondern ist Ursache und Wirkung zugleich. Versucht dies zu verstehen. Wenn du sagst: „Ich bin glücklich, weil ich als Kind eines reichen Mannes zur Welt kam", dann liegt das jetzt siebzig oder hundert Jahre zurück. Dein Glück beruht auf einem hundert Jahre alten Geschehen, also auf nichts weiter als der Einbildung deines Gedächtnisses. Du sagst: „Ich bin glücklich, weil ich vor zehn Jahren den Nobelpreis bekam." Zehn Jahre ist es schon her, dass du den Nobelpreis bekamst? - da ist dein Glück ziemlich verstaubt. In zehn Jahren hat sich eine dicke Staubschicht darauf gelegt; es ist nicht mehr frisch, sondern abgestanden. Du bist ein bettelarmer Mensch, der noch von einer Speise zehrt, die vor zehn Jahren zubereitet wurde. Das wahre Glück ist hier und jetzt. Es liat nichts mit der Vergangenheit zu tun, es hat nichts mit der Zukunft zu tun. Manchmal wirst du wegen der Zukunft glücklich: Du hoffst, im Lotto zu gewinnen oder hoffst, auf ein bestimmtes zukünftiges Ereignis: Morgen kommt deine Freundin, also bist du schon ganz aufgeregt. Weswegen? Wegen morgen - das noch gar nicht da ist! Du bist verrückt. Entweder orientiert sich dein Glück an der Vergangenheit
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oder an der Zukunft: In beiden Fällen ist es unecht, weil weder die Vergangenheit noch die Zukunft existiert. Die Vergangenheit existiert schon nicht mehr und die Zukunft ist noch nicht da. Das wahre, authentische Glück ist hier und jetzt. Es zeigt sich in diesem Moment aus dem Nirgendwo. Wir bekommen keine zwei Momente auf einmal - darum ist Glück unverursacht. Denn wenn Ursache und Wirkung koexistieren sollen, sind dazu zumindest zwei Augenblicke erforderlich: der erste für die Ursache, der zweite für die Wirkung. Aber wir bekommen immer nur diesen Augenblick - ganz und gar, allein, einzeln. Wieder stellt der Kundschafter die falsche Frage: „Welches Glück kennst du, dass es dich drängt zu singen, während du dich nach den Körnern bückst?" „Die Gründe für mein Glück sind allen Menschen gemein..." Wieder sagt der Alte etwas Schönes: „Die Gründe für mein Glück sind allen Menschen gemein..." Es hat nichts speziell mit mir zu tun; es ist ihnen allen gemein, aber sie erkennen es nicht. Nicht nur erkennen sie es nicht, sondern suchen obendrein etwas, das sie längst haben. Nicht nur suchen sie an falscher Stelle, sondern machen „sich auch noch Sorgen darüber." Die gleichen Gründe; zum Beispiel diese vier Gründe: „Die Gründe für mein Glück sind allen Menschen gemein", erwiderte Lin-Lei lächelnd, „sie aber machen sich stattdessen Sorgen um sie." Du machst dir Sorgen um deine Kindheit ... dass du keine gute Ausbildung hattest, dass du nicht in Harvard oder Oxford oder Cambridge studiert hast, dass deine Eltern arm waren, dass du keine so gute Erziehung genossen hast, wie du sie vielleicht gern gehabt hättest, dass du keine Lehre genossen hast, dass dir viele Chancen entgangen sind. Das tut dir leid, darum
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machst du dir Sorgen. Dabei sollte dies eine Ursache sein glücklich zu sein - alles sollte eine Ursache sein glücklich zu sein, nur so kann man überhaupt glücklich werden. Andernfalls bliebe ein armer Mensch ständig untröstlich, weil er arm wäre, und bliebe ein reicher Mensch ständig untröstlich, weil er reich wäre. Ich kenne reiche Leute, die behaupten, ihre Eltern hätten ihnen ihr Leben vermasselt, weil sie es ihnen als Kind so bequem gemacht hatten, dass sie überhaupt nichts gelernt hätten. Ihr habt gesehen, ihr müsst beobachtet haben, wie selten ein intelligenter Sohn reicher Leute anzutreffen ist. Sie sind allesamt dumm - sind es zwangsläufig: denn wozu noch seine Intelligenz schulen? Wozu die Mühe? Sie haben doch schon alles, was sie brauchen. Was immer sie durch Intelligenz erreichen könnten, ist bereits da, was sollen sie also mit Intelligenz? In den Universitäten rasseln sie durch, überall rasseln sie durch; ihnen ist das völlig egal. Als ich an der Universität war, hatte ich einen Studenten, der fünf Jahre hintereinander durch sein Examen fiel. Ich fragte ihn - fünf Jahre wartete ich ab - im sechsten Jahr fragte ich ihn kurz vor seinem Examen: „Was sind deine Pläne? Gedenkst du diesmal wieder durchzufallen?" Er sagte: „Ist doch völlig egal! Mein Vater ist reich. Nur Arme strengen sich an." Wer reich geboren wurde, der wird seines Lebens auch nicht froh. Wer freilich arm geboren wird, der kann seines Lebens gar nicht froh werden. Wer gesund ist, ist deshalb nicht froh, weil kein Gesunder seine Gesundheit richtig zu schätzen weiß. Ein gesunder Mensch denkt nie über seine Gesundheit nach. Wenn du nicht gesund bist, bist du unglücklich. Seht euch die Logik eures Verstandes an. Worüber ihr unglücklich sein könnt, darauf stürzt ihr euch regelrecht, und
worüber ihr glücklich sein könnt, das überseht ihr einfach, das nehmt ihr gar nicht erst wahr. „Warum habe ich denn so lange zu leben vermocht? Weil ich mich in der Jugend nie um gutes Benehmen gekümmert habe und mich als Envachsener nie auszeichnen wollte. Und nur darum, weil ich als Greis weder Frau noch Sohn habe und die Zeit meines Todes naht, kann ich so glücklich sein."
Dies ist ein Zug aller heiligen Schriften des Orients: ständige Wiederholung. Und zwar deswegen, weil die Wahrheiten so beschaffen sind, dass die Meister sie einfach wiederholen müssen; denn würden sie nur ein Mal gesagt, würden sie gar nicht verstanden. Buddha hat immer alles drei Mal gesagt selbst Kleinigkeiten. Zum Beispiel konnte er einen Schüler fragen: „Hast du mich gehört? Hast du mich gehört? Hast du mich gehört?" Drei Mal! Aus reinem Mitgefühl ... Als die buddhistischen Schriften in westliche Sprachen übersetzt wurden, stand man vor einem Rätsel: Warum? Waren Buddhas Zuhörer etwa Dummköpfe? Warum sonst hat er sich so oft wiederholt? Nein, sie waren genauso intelligent wie ilir, wie Menschen überhaupt nur sein können. Es ist keine Frage der Intelligenz, sondern eine Frage der Bewusstheit. Sie waren nicht bewusst; sie waren genauso unbewusst wie ihr. Ich muss mich ständig wiederholen. Meine Textbearbeiter stehen vor einem Rätsel. Sie können nicht begreifen, warum ich mich wiederhole. Am liebsten würden sie's rausstreichen. Das erlaube ich ihnen aber nicht und sage: „Lasst alles so, wie es ist. Denn hier handelt es sich um Wahrheiten, die ihr vielleicht beim ersten Mal, ja selbst noch heim zweiten Mal überhört, und beim dritten Mal, hoffe ich, passt ihr vielleicht etwas besser auf." Ich muss mich immerzu wiederholen - so als würde ich euch
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den Kopf behämmern. Wie lange könnt ihr euch taub stellen? Es ist ein Krieg zwischen mir und euch. Der alte Mann wiederholte sich also, wurde aber wiederum mehr verstanden. Tse-Kung sagte: „Es ist doch menschlich, lange leben zu wollen und den Tod zu hassen - wieso solltest da gern sterben?' Die grundsätzlichen Dinge hatte er überhört. Er hat sich nur einen Punkt aus den vieren herausgepickt - den letzten. Aber der letzte ist nur dann zu verstehen, wenn man die drei vorangegangenen verstanden hat, sonst nicht. Hätte er die ersten drei verstanden, „.. als Kind hast du nie gelernt dich zu benehmen; als Mann warst du nie bestrebt dich auszuzeichnen. Jetzt bist du ein Greis und hast weder Frau noch Sohn - und die Zeit deines Todes naht!" Seht ihr? Der erste Punkt betrifft die Kindheit, der zweite die Jugend, die dritte das Mannesalter und danach kommt der Tod. Alles hangt ganz natürlich zusammen, ist absolut logisch - man muss ganz vorn anfangen. Aber die ersten drei hat er überhört. Er hat gar nicht erst hingehört und sich gleich auf das vierte gestürzt. Er muss ein angstvoller Mann gewesen sein - ein Mann, der Angst hatte vor dem Tod. Da wurde er aufmerksam! Aber wenn man die ersten drei nicht verstanden hat, entgeht einem das vierte. „Es ist doch menschlich, lange leben zu wollen und den Tod zu hassen - wieso solltest du gern sterben ?" Es ist nicht menschlich - vielleicht ist es männlich, aber nicht menschlich. Die beiden Worte gilt es zu unterscheiden. Im Englischen gibt es für man zwei Bedeutungen, außer Mann auch Mensch, insofern könnte man sie für Synonyme halten. Das sind sie in Wirkliclikeit aber nicht. So wie die Wörter Einsamkeit und Alleinsein im Duden ebenfalls als Synonyme
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behandelt werden, in Wirklichkeit aber keine sind, sind auch man und human in Wirklichkeit keine Synonyme. Das Englische man ist ein allgemeines Wort, wie Hund, wie Büffel, wie Esel. Man ist ein statischer Begriff, nur die Bezeichnung einer bestimmten Gattung, eines Gattungsvertreters. So wie es die Gattung der Affen gibt oder die der Büffel, gibt es auch die der Menschen. Ist es euch noch nie aufgefallen, dass wir im Englischen zwei Begriffe für Mensch haben: man und human? Für Hunde dagegen nur einen, dogs. Für Büffel nur einen, buffaloes; für Esel auch nur einen, donkeys. Das hat einen Sinn: man bezeichnet einfach nur eine biologische Spezies; human hat nichts mit Biologie zu tun. Human ist ein Wachstumsbegriff, ein offener Begriff; man ist ein geschlossener Begriff, man heißt, dass du ein Lebewesen bist. Human heißt, dass du ein Prozess bist, unterwegs bist, auf Pilgerschaft bist, nicht festgelegt bist, sondern Grenzen überschreitest. Friedrich Nietzsche hat gesagt: „Das Größte, was ich am Menschen liebe, ist, dass er kein Ziel ist, sondern eine Brücke. Was ich am meisten am Menschen liebe, ist, dass er ein fortschreitender Prozess ist, kein Ziel, sondern ein Mittel, eine Reise. Human ist die Brücke, die Brücke zwischen Mensch und Gott. Man bedeutet nur Mann, ein geschlossenes System. Das Wort human ist offen, es übersteigt den Mann. Human ist eine Brücke, human ist eine Reise, eine Pilgerfahrt - man geht auf ein Ziel zu, man ist auf der Suche nach etwas, man möchte etwas Bestimmtes werden. Man ist statisch, human ist dynamisch. Man ist wie ein Ding. Human ist ein Prozess, wie ein Fluss, strömend, zum Jenseits hinstrebend, im Dunkeln tastend. Man sitzt nur da, will nirgendwo hin, ist gelähmt, tot, wie ein Grab. Human ist ein Strom, der nicht weiß, wo das Meer ist, es
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aber unbedingt erreichen will. Merkt es euch: Man hat Angst vor dem Tod. Human? - nein, es ist nicht human, Angst vor dem Tod zu haben. Jemand, der auf einer Pilgerschaft ist, der ist zu sterben bereit, wenn das erforderlich ist, um weiterzukommen; er ist bereit ins Jenseits einzugehen, er ist bereit, durchs Tor des Todes zu gehen, um ins Jenseits zu gelangen. Der Mann sagte: „Es ist doch menschlich, lange leben zu wollen..." Nein, es ist nicht menschlich, ein langes Leben zu wollen. Ja, das ist zwar für den Begriff man relevant. Hunde haben Angst vor dem Tod, Büffel haben Angst vor dem Tod, Esel haben Angst vor dein Tod - der man-Mensch desgleichen. Aber was den human-Menschen betrifft: Der ist so fasziniert von Grenzüberschreitungen, dass er wissen will, was der Tod heißt. Sobald er sein Leben gelebt hat, rührt sich das Gefühl: „Jetzt, da ich das Leben kennen gelernt habe, möchte ich auch wissen, was es mit dem Tod auf sich hat. Das Leben kenne ich nun, es war wunderbar. Jetzt wollen wir sehen, was der Tod ist, ich bin bereit zu einem neuen Abenteuer." Sokrates war human, als er starb, als ihm das Gift gereicht wurde. Seine Schüler um ihn her weinten und schluchzten, er aber sagte: „Schluss damit! Das könnt ihr machen, wenn ich nicht mehr bin, aber nicht jetzt. Das ist Verschwendung, pure Verschwendung. Hier geschieht etwas dermaßen Großes: Ich sterbe - und ihr heult hier rum!" Sie aber sagten: „Meister, du musst sterben - hast du denn keine Angst?" Er sagte: „Wozu denn? Ich habe mein Leben gelebt, ich habe es geliebt, es war wunderschön. Ich habe es ausgekostet, aber es ist nicht nötig, dass es bis in alle Ewigkeit weitergeht. Jetzt steht etwas Neues an - der Tod ist so neu! Ich bin hingerissen und gespannt, ein großes Abenteuer erwartet mich", erwiderte
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Sokrates. „Ich möchte jetzt sehen, was der Tod ist." Einer seiner Schüler, Crito, sagte: „Aber Meister, jedermann fürchtet den Tod." Sokrates erwiderte: „Ich weiß nicht. Ich verstehe nicht, warum die Menschen Angst vor dem Tod haben. Wenn es stimmt, was die Atheisten behaupten, nämlich dass man endgültig stirbt und nichts übrig bleibt, dann steht nichts zu befürchten, dann braucht man doch keine Angst zu haben. Dann wird es keinen Sokrates mehr geben - na und? Es gab mich auch vor meiner Geburt nicht, und ich habe keine Angst deswegen." Hat es dir jemals Angst bereitet, dass es dich, bevor du geboren wurdest, noch nicht gab? Packt dich da die Angst? Keineswegs, Du wirst sagen: „Unsinn, denn wieso sollte es mir Angst machen, dass es mich noch nicht gab?" Und Sokrates sagte: „Ich werde einfach wieder verschwinden, falls die Atheisten Recht haben, wozu also Angst haben? Es wird niemanden geben, der Angst hätte. Oder vielleicht haben die Theisten Recht und es wird mich noch geben. Wenn es mich dann aber noch geben wird, weshalb Angst haben?" Nun, dies ist ein Mann, der ein bewegtes Leben hinter sich liat, ein Leben des Wachstums, der Evolution. Wenn du ein Leben der Evolution geführt hast, dann kommt der Tod als Revolution, als plötzlicher Wandel zu einer unbekannten Wirklichkeit. Warum sollte man Angst haben? Von wegen human - es ist nicht human, nicht menschlich. Aber nicht alle Menschen sind human, menschliche Wesen. Die sind sehr rar, ab und zu mal ein Sokrates, ein Liehtse, ein Buddha - die sind menschliche Wesen. Gewöhnlich gibt es nur Männer und Frauen, aber keine menschlichen Wesen. Ein menschliches Wesen zu werden bedeutet, zu einem Prozess zu werden, zu
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einem Wissenwollen zu werden, zu einer Leidenschaft für's Unmögliche zu werden ... kurz zum Sucher, zum Wahrheitssucher. Der alte Mann darauf: „Der Tod ist eine Rückkehr dorthin, wo wir bei unserer Geburt angetreten sind. Weiß ich denn, ob ich, wenn ich jetzt sterbe, nicht woanders wieder zur Welt kommen werde?" Dieselbe sokrarische Haltung: „Weiß ich denn, ob ich, wenn ich jetzt sterbe, nicht woanders wieder zur Welt kommen werde? Weiß ich denn, ob das Leben nicht genauso gut ist wie der Tod? Weiß ich denn, ob es nicht Täuschung ist, sich ängstlich ans Leben zu klammern? Weiß ich denn, ob mein Tod, wenn ich jetzt sterbe, nicht besser wäre als mein bisheriges Leben?"
„Weiß ich denn...?" Seht, worauf es ihm ankommt. Er sagt nicht etwa: „Ich weiß", er beansprucht keinerlei Wissen. Kein Weiser hat je irgendein Wissen beansprucht. Eben darum sagt Sokrates: „Vielleicht haben die Atheisten Recht, vielleicht aber auch die Theisten, aber das spielt keine Rolle. Wer von ihnen auch Recht haben mag - ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen." Die Weisheit, die wirkliche Weisheit ist immer agnostizisdsch. Merkt euch dieses Wort: Agnostiker; ein wahrer Sucher ist ein Agnostiker - er hält ein übersinnliches Sein für „nicht erkennbar". Er behauptet niemals: „Ich weiß" und sagt auch nie: „Dies ist die Wahrheit." Er ist völlig offen, er schottet sich nicht ab. Er hat kein Dogma, er hat kein Glaubensbekenntnis, er ist einfach nur bewusst und hellwach und stellt sich bereitwillig jeder Wirklichkeit, egal welcher. Auf jegliche Wirklichkeit, die sich ihm offenbart, lässt er sich willig ein. Er vertraut dem Leben. Nur Leute ohne Vertrauen ins Leben erfinden Glaubenssysteme, Dogmen, Theorien - um sich zu schützen. Der wirklich weise Mensch bleibt verwundbar und schottet
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sich nicht ab. Er bleibt offen für alle Wechselfälle, für Wind und Regen, für die Sonne, für den Mond, für das Leben, für den Tod, für Finsternis, für Licht - er ist offen für alles. Er braucht keine Deckung; seine Verwundbarkeit ist total. Merkt euch: Dieser Mann ist ein Agnostiker. Als hundertjähriger Greis bekommt man Angst vor dem Tod. Man denkt sich: „Die Seele muss unsterblich sein." Man stellt sich vor: ,Jetzt werde ich mit Pauken und Trompeten im Paradies empfangen. Gott wartet sicher schon auf mich, und bestimmt steht für mich ein Marmorpalast bereit." Man beginnt sich alles mögliche einzubilden, beginnt zu träumen. Doch dieser Mann sagt: „Was weiß ich?" Er beansprucht keinerlei Wissen. Er sagt einfach nur: „Ich hab keine Ahnung, ob es so oder so wird. Ich bin absolut unwissend. Ich habe noch nie vom Tod gekostet, wie kann ich es also wissen? Ich will‘s aber wissen! Warum sollte ich schon von Anfang an Angst haben? Vielleicht erweist er sich als besser als das Leben, wer weiß? Soll er nur kommen!" Merkt euch: Die echte Einsicht wartet erst ab, bis es wirklich so weit ist. Nie urteilt sie schon zuvor, nie plant sie vor - sie ist spontan. „Tse-Kung hörte wohl zu, verstand aber nicht, was er meinte. Er ging zurück und erstattete Konfuzius Bericht." Er konnte ihn gar nicht verstehen, weil er ein großer Gelehrter war, der Meisterschüler des Konfuzius! Er war bereits bis obenhin voll mit Wissen, wie konnte er da verstehen. „Er erstattete Konfuzius Bericht.“ Und was sagt sein Meister Konfuzius? Hört zu:
„Sagte ich nicht, es würde sich lohnen, mit ihm zu reden?" So redet nur der Alleswisser. Jetzt sagt er: „Sagte ich nicht es würde sich lohnen, mit ihm zu reden? .. - Und es hat sich gelohnt!" Was er seinen Schülern damit sagen will, ist dies: „Ich hab mal wieder Recht gehabt, meine Schlussfblgerung hat
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gestimmt: Es lohnt sich, mit diesem Mann zu reden." Aher mit dem, was der Mann gesagt hat, kann er sich nicht anfinden; es geht auch ihm über den Horizont. Es geht seinem Schüler über den Horizont, und geht auch ihm über den Horizont. Er sagt: „Aber er ist ein Mann, der es gefunden hat, auch wenn er noch nicht alles gefunden hat." Nun wird's absurd. Die Wahrheit ist nicht teilbar - entweder du hast sie gefunden, restlos gefunden, oder du hast sie überhaupt nicht gefunden. Es ist unmöglich, nur ein „Körnchen Wahrheit" zu haben. Sie lässt sich nicht zerbröseln, sie lässt sich nicht in Scheiben schneiden. Die Wahrheit ist total, die Wahrheit ist heil und ganz - entweder du hast sie oder du hast sie nicht. Du kannst nicht ein bisschen Wahrheit haben. Aber wenn du dich an einen Experten wendest, muss er etwas sagen, das beweist, dass er Bescheid weiß. Konfuzius sagt, jener Mann habe es gefunden. Er sagt das, weil er den Schüler ja hingeschickt hatte; jetzt muss er beweisen, dass er es zu Recht tat. Aber er kann nicht zugeben, dass jener Mann Bescheid weiß. Darum fügt er hinzu: „Er weiß zwar ein bisschen, aber längst nicht alles." So geht es. Ein Alleswisser hält sein Ego immer bedeckt. Diese Feststellung könnte gar nicht absurder sein. Fragt Buddha, fragt Laotse, fragt Jesus, fragt Krishna - und sie alle werden sagen, dass die Wahrheit unteilbar ist. Sie ist keine Sache, die man zerstückeln kann. Sie ist eine Erfahrung - wenn sie eintritt, tritt sie ein. Wenn sie eintritt, tritt sie restlos ein, gehst du in dieser Erfahrung auf. Aber Konfuzius sagt: „Er weiß zwar ein bißchen, aber längst nicht alles." Diese Feststellung allein beweist seine Unwissenheit, aber der Experte muss immer sein Expertentum herausstreichen. Irgendein Urteil muss man schließlich fällen, mag es noch so absurd sein.
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Konfuzius sagt: „Dieser Mann weiß zwar ein bisschen, aber längst nicht alles." Mehr fällt ihm dazu nicht ein ... Dabei hat dieser alte Mann etwas zutiefst Philosophisches ausgesprochen. Und damit hat er die ganze Botschaft von Tao auf den Punkt gebracht: „Sei anarchisch, aber bleibe authentisch, deinem eigenen Wesen treu. Höre auf dich selber. Erlaube niemandem dich zu disziplinieren. Erlaube niemandem dich zu versklaven, erlaube niemandem dich zu prägen. Meide den Priester und den Politiker - meide sie, meide die Wohltäter. Denk dran, dass du einfach nur du selber zu sein hast und sonst niemand: diese Anarchie, diese chaotische Freiheit ... Und sei nicht ehrgeizig, denn das ist einfach nur Durchschnitt. Leb du nur dem eigenes Leben so rückhaltlos wie möglich. Wolle auf den Seiten der Geschichtsbücher nicht Eindruck schinden - das ist sinnlos. Und beschäftige dich nicht immer nur mit anderen. Lerne nach und nach allein zu sein, genieße dein Alleinsein - um nichts anderes geht es beim Meditieren. Und vergiss vor allem nicht, dass der Tod kein Tod ist, sondern ein Neubeginn. Und - wer weiß? - vielleicht führt er dich ja zu einem höheren Leben. Wenn der Kosmos einen Rhythmus birgt, kann es gar nicht anders sein, muss er dich einem höheren Leben zuführen. Du hast vieles dazugelernt, bist würdiger geworden, da muss der Tod dich natürlich einer höheren Lebensstufe zuführen. Das leuchtet ein: Ein Mensch, der gelebt, geliebt, Erfahrungen gesammelt und meditiert hat, der so vieles im Leben durchgemacht hat, der hat sich das nunmehr verdient - er muss ein höheres Leben bekommen. Wenn diese Existenz auch nur einen Funken Mitgefühl hat, dann wird der Tod dir eine höhere Seinsfülle, einen höheren Gipfel bescheren.
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Erwarte ihn mit Spannung, mit einem großen Gefühl von Abenteuer. Warte mit äußerster Freude, mit Entzücken und Jubel. Das Glück ist etwas Natürliches; man sollte nicht nach ihm suchen, sondern es einfach genießen ..." Was für eine herrliche Botschaft! - aber was fällt Konfuzius dazu ein? Dass dieser Mann zwar fündig geworden sei, aber leider nur zum Teil ... so als hätte Konfuzius schon ausnahmslos alles gefunden! Diese Gleichnisse sind sehr subtil. Sie legen das konfuzianische Ideal in Schutt und Asche, doch sie tun dies auf eine sehr höfliche Art und Weise. Wer da nicht tiefer dringt, der versteht sie vielleicht überhaupt nicht. Meditiert über diese Gleichnisse. Es sind Kassiber, es stecken großartige Botschaften darin - dekodiert sie! Sie werden, euer Leben enorm bereichern.
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KEINE RUHE FÜR DIE LEBENDEN
KAPITEL
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Tse-Kung hatte das Studieren satt und erklärte Konfuzius: „Ich möchte zur Ruhe kommen." „Es gibt keine Ruhe für die Lebenden. „Werde ich sie dann niemals finden?" „Freu dich auf dein erhabenes Grabgewölbe, dann weißt du, wo du Ruhe finden wirst." „Groß ist der Tod! Der Gentleman findet Ruhe in ihm und der gemeine Mann beugt sich ihm!" „Tse-Kung, du hast verstanden. Alle Menschen verstehen die Lust des Lebens, nicht aber sein Unglück; die Gebrechlichkeit des Älterwerdens, nicht aber seine Annehmlichkeit; die Hässlichkeit des Todes, nicht aber seine Ruhe."
DIE PHILOSOPHIE IST DER FEIND DER WAHRHEIT. Und wenn ich „Philosophie" sage, meine ich alle Philosophie, einschließlich meine, weil die Philosophie einen Schleier aus Worten webt und man dann die Wirklichkeit nicht mehr als das erkennen kann, was sie ist. Sie verzerrt die Wirklichkeit, sie maskiert die Wirklichkeit, sie versteckt die Wirklichkeit, sie verdeckt die Wirklichkeit. Die Wahrheit ist nackt, die Wahrheit ist überall, die Wahrheit ist innen wie außen; und die einzigen Hindernisse sind die Wörter, die Theorien, die Theologien, die man euch eingeimpft hat. Sie erlauben euch nicht zu sehen, was ist, sie stellen sich in den Weg, sie machen voreingenommen. Jegliche Philosophie ist Vorurteil, und die Begriffe sind allesamt keine Brücken - kein Begriff ist eine Brücke -, sondern sie sind die Barrieren. Eines Tages irgendwann erreicht ein authentischer Wahrhcitssuchcr jenen Augenblick der Erkenntnis, da er sich erschöpft fühlt und müde - müde von all diesem Unsinn, der sich im Namen des Denkens abspielt. Das Wort Gott ist nicht Gott. Wie lange kannst du mit dem bloßen Wort herumspielen? Das Wort Speise ist keine Speise. Wie lange kannst du dich mit dem Wort Speise abspeisen lassen und hungrig bleiben? Irgendeines schönen Tages wird dir bewusst werden, dass du nur ein Wort in Händen hältst - es kann dich nicht ernähren, es kann dir kein Leben schenken, es kann dir keinen Frieden bescheren. Es kann dir überhaupt nichts geben. Natürlich verspricht es dir das Blaue vom Himmel, nur deshalb kann Philosophie so wichtig werden - wegen ihrer Versprechungen. Aber all diese Versprechungen sind leer, sie werden nie eingelöst. Die Philosophie hat noch niemandem geholfen die Wahrheit zu erkennen.
Keine Ruhe für die Lebenden
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Dieser große Augenblick der Erkenntnis also ist jetzt im Leben von Tse-Kung, der der Meisterschüler von Konfuzius war, eingetreten: Tse-Kung hatte das Studieren satt ... die spirituelle Suche ist das eine, das Studieren aber ist ihr diametral entgegengesetzt. Wenn ich zu dir sage: „Geh und sieh dir die blühenden Rosen im Garten an!", und du gehst statt in den Garten nun in die Bibliothek und liest alles nach, was man über diese Rosen weiß - das heißt Studieren. Immer rund herum, wie die Katze um den heißen Brei: Nie trifft man ins Schwarze, ins Ziel. Tse-Kung hatte das Studieren satt . - - keine Wörter mehr, keine Theorien, keine Dogmen, keine Ideologien mehr! Und das nenne ich einen großen Augenblick im Leben eines Wahrheitssuchers. Denn jeder muss sich erstmal seinen Weg durch Wörter bahnen, weil wir nun mal dazu erzogen wurden, Wörter zu bilden. Jeder muss sich durch Theorien durchbcißen; man hat uns von Kindesbeinen mit Theorien gefüttert. Man hat uns am Gängelband der Vorurteile, Lehrmeinungen, Kirchen und Schulen erzogen. Der eine ist ein Christ und der andere ist ein Muslime und der dritte ist ein Hindu, und entsprechend sind wir erzogen, geprägt worden. Folglich kommt uns im selben Augenblick, da wir fragen: „Was ist Wahrheit?", unser Verstand mit irgendwelchen Wörtern: Er hat fix und fertige Antworten parat! Diese Antworten stimmen zwar alle nicht, diese Antworten sind allesamt nachgeplappert, aber er liefert uns wunderbare Antworten. Sie befriedigen auch eine Zeit lang, und wenn unser Forscherdrang eher lau ist, finden wir uns vielleicht für immer damit ab. Nur ein echter Wahrheitssucher durchschaut irgendwann, dass Wörter bedeutungslos sind. Nicht die Sprache ist das Tor zur Wirklichkeit, sondern das Schweigen.
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Das innere Geschwätz muss verstummen, nur so gelangst du zur Klarheit. Nur so offenbart sich dir die Wirklichkeit. Du plapperst innerlich immerzu weiter, und dein Verstand ist immerzu geschäftig, emsig wie ein Besessener. Und der Verstand ist ein Besessener. Er heckt ständig neue Worte, neue Verbindungen, neue Theorien aus, hört nie zu spekulieren auf. Er ist ein großer Erfinder von Theorien und er gönnt dir keine einzige Pause, keine Lücke, um einmal nachzuschauen, was eigentlich da ist. Erst muss dies innere Geschwätz verstummen, dann plötzlich fällt die Barriere - es war nie eine da! Den Zemnönchen zufolge ist die Wahrheit von Anfang an offenbar, steht sie dir vor Augen. Was also suchst du? Wo rennst du hin? Aber deine Augen sind von Vorurteilen verklebt... Tse-Kung hatte das Studieren satt ... Er hat viel gelernt; aber nun erkennt er, dass um das Lernen nicht satt gemacht hat. Es hat ihn nicht stark gemacht, es hat ihm nichts gegeben, es tat ihm nicht das Gefühl gegeben, wirklicher zu sein als zuvor. Es führt nirgends hin, er ist immer noch leer. Keine Spur von Einswerden. Er weiß ja nicht einmal, wer er ist! Er hatte es satt. Er muss ein großer Wahrheitssucher gewesen sein - selbst ein Konfuzius hatte ihn nicht zu täuschen vermocht. Konfuzius ist ein großer Gelehrter, er hat für jede erdenkliche Frage eine Antwort parat, und er kann sich tolle Antworten ausdenken. All diese Antworten sind an den Haaren herbeigezogen, „Marke Eigenbau", aber sie können Narren täuschen. Sie verleihen vielen Leuten das Gefühl, Bescheid zu wissen. Sie können Trost spenden. Und sein Wissen, sein Ansehen, seine Unbescholtenheit ... Er ist ein Tugendbold, bedenkt das, ein Moralist bis in die Knochen, ein „Mann von Charakter", von „gediegenen Umgangsformen", von „ausgesuchter Höflichkeit" - mit einem Wort: ein Gentleman. Der Gentleman ist das
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Ideal aller konfuzianischen Philosophie; ein Mann muss zum Gentleman werden. Nun, Konfuzius hat eine weiße Weste, sein Charakter ist ohne Makel, er ist der Inbegriff aller Tugenden, ein moralischer Mann, von höchster Bildung, gestützt auf die Tradition, die Konventionen, die heiligen Schriften - geehrt von den Königen und Königinnen, ja im ganzen Lande verehrt.. - aber nicht einmal er hat Tse-Kung zu täuschen vermocht. Tse-Kung hatte das Studieren satt ... - Wenn du alles Studieren satt hast, ist der große Augenblick gekommen, da der Student zu einem Jünger wird. Und wenn du das Studium satt hast, dann machst du eine Kehrtwende um hundertachtzig Grad. Dann interessieren dich keine Theorien mehr, sondern jetzt willst du Wirklichkeit, willst du nahrhafte Speise, die dich sättigen kann. Und du willst auch keine Rezepte mehr, willst keine Kochbücher mehr, sondern eine gediegene Mahlzeit. ...und erklärte Konfuzius: „Ich möchte zur Ruhe kommen."
Worte machen rastlos. Lehrmeinungen und Dogmen machen einen nur immer verspannter, weil sie einen an der Nase herumführen... Sie führen dich immer weiter von der Wirklichkeit weg. Je weiter du dich von der Wirklichkeit entfernst, desto rastloser wirst du sein. Das ist das Erkennungszeichen: Wann immer du dich rastlos fühlst, ist es ein Zeichen dafür, dass du dich weit von der Wirklichkeit entfernt hast. Je näher du der Wirklichkeit kommst, desto mehr macht sich eine enorme Entspannung, Ruhe, Stille, Gnade, Sammlung und Friedlichkeit in dir breit. Du fühlst dich zu Hause; denn die Wirklichkeit ist dein Zuhause. Rastlosigkeit ist einfach nur ein Zeichen dafür, dass du dich von deinem Zuhause entfernt hast und dein ganzes Wesen im Begriff ist, aus deinem Zuhause entwurzelt zu werden - von daher die Unrast.
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Tse-Kung sagte: „Ich möchte zur Ruhe kommen." Ich habe genug von Theorien und genug von allem Studieren. Ich habe alles studiert, was es nur zu studieren gibt. Ich bin zu einem hochgelehrten Mann geworden - zu deinem Meisterschüler! Aber das alles befriedigt mich nicht. Verhilf mir bitte dazu, endlich zur Ruhe zu finden. Ist es euch nicht ebenso ergangen? Je mehr man sich mit Wörtern auskennt - in den heiligen Schriften, im Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, in der Bhagawad Gita, dem Koran, der Bibel, den Weden -, desto mehr stellt sich das Gefühl ein, in den Wahnsinn getrieben zu werden, in lauter verschiedene Richtungen gezerrt zu werden. Die eine Theorie behauptet dies, die andere behauptet jenes ... und alle widersprechen einander, ja, sie gehen einander ständig an die Kehle! Tolle Argumente, aber nie kommt es zu einem Ergebnis. Seit Urzeiten hat noch keine Philosophie auch nur irgendein Ergebnis erbracht. Seit fünftausend Jahren diskutieren die Philosophen nun schon, aber noch nie sind sie sich schlüssig geworden - und zwar dergestalt, dass sie sich alle mal einig würden. Eine Einigung hat es bisher noch nie gegeben. Die gab es noch nie und wird es auch tue geben. Zwei Philosophen können nicht einer Meinung sein. Denn zum Einvernehmen kann es nur kommen, wenn die Wirklichkeit berücksichtigt wird - erst dann wird man sich einigen können. Wenn du die Wirklichkeit kennst und ich die Wirklichkeit kenne, dann sind wir uns einig - weil es dann kein Problem gibt. Du kennst dieselbe Wirklichkeit wie ich, was gibt es da noch zu streiten? Streiten können wir uns aber nur, wenn jeder von uns seine eigene Theorie verficht, und so kann es nie Einigkeit geben. Einigkeit ergibt sich aus Erfahrung. Durch Erfahrung wird man sich schlüssig. Durch Argumentation wird
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man sich niemals schlüssig. Da kann immer nur das eine Argument das andere geben, und so weiter und so fort. Wenn zwei Personen sich streiten, können nicht beide Recht haben. Beide können zwar Unrecht, aber nicht Recht haben. Folgende Geschichte: Mulla Nasruddin streitet sich mal wieder mit seiner Frau - der übliche Eheknatsch. Und der kommt zu seinem üblichen Schluss, indem Mulla sich irgendwann fragt: „Warum hah ich bloß wieder damit angefangen?!" Er hat Hunger, und seine Frau denkt nicht daran, zu kochen. Also kriecht er zu Kreuze und sagt: „Tut mir leid. Ich geb's ja zu: Ich hatte Unrecht." Die Frau sagt: „So leicht kommst du mir nicht davon. Schwöre erst, dass ich Recht hatte! Dass du Unrecht hattest, will nicht viel besagen. Ich möchte von dir ausdrücklich hören, dass ich Recht hatte! Denn wenn du sagst, dass du Unrecht hattest, kannst du insgeheim glauben, dass ich ebenfalls Unrecht hatte. Also kommen wir so nicht weiter." Unrecht können beide haben - denkt daran. Es gibt nur eine Wahrheit. Zwar kann es Unwahrheiten so viele geben wie Sand am Meer, Religiosität aber gibt es nur eine! Zwei kann es deshalb nicht geben, weil es nur eine Wahrheit gibt. Philosophien dagegen kann es so viele geben, wie ihr wollt. Jeder kann seine eigene Philosophie haben. Du kannst dir deinen eigenen Traum von der Wirklichkeit erfinden, du kannst dir eine ganz persönliche Theorie zusammenbasteln. Die Wirklichkeit kann man sich nicht zusammenbasteln; das bringt nur Unruhe. Und wenn du zu keinem Schluss kommst,
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hängst du nur in der Luft. Und genau dieses In-der-LuftHängen, dieses Weder-Fisch-noch-Fleisch-Sein ist es, was die Philosophie dem Menschen eingebrockt hat. Sie gibt ihm zwar das Gefühl, gelehrt zu sein, aber im tiefsten Herzen weiß er genau, dass er keine Ahnung hat. Nun, so eine Anspannung ist kaum auszuhalten. Einerseits das Gefühl, Bescheid zu wissen, und andererseits zu wissen, dass du überhaupt nichts weißt: Das spaltet dich nach und nach, bis du schizophren wirst. Und in diesem Zustand der Unschlüssigkeit fiihlt man sich ständig unvollständig; und Unvollständigkeit tut weh. Man will die ganze Wahrheit, die volle Wahrheit wissen. Ein Vertreter will ein Hotelzimmer buchen. Der Rezeptionist sagt: „Tut mir leid. Wir haben zwar ein Zimmer frei, aber das kann ich Ihnen nicht geben." Der Vertreter fragt: „Aber warum nicht? Warum, kann ich das Zimmer nicht haben, wenn es frei ist?" Der Manager darauf: „Ein wichtiger Politiker wohnt im Zimmer darunter. Er wohnt im ersten Stock und möchte, dass das Zimmer im zweiten Stock über ihm frei bleibt. Er regt sich über jede Kleinigkeit auf. Man braucht nur in dem Zimmer umher zu gehen, und schon schlägt er Krach und flippt aus. Ich will keine Probleme; steigen Sie bitte woanders ab." „Aber", beharrt der Vertreter, „es ist nirgendwo etwas frei, alle Hotels sind ausgebucht. Bitte, haben Sie Erbarmen! Ich verspreche Ihnen auch, dass ich mich in dem Zimmer nicht rühren werde. Den ganzen Tag bin ich in der Stadt unterwegs, abends fall ich einfach nur ins Bett und bin dann am nächsten Morgen ganz früh wieder weg. Seien Sie so gut und geben Sie mir das Zimmer!"
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Und so bekam er es. Spät nachts kommt er ins Hotel, setzt sich erschöpft aufs Bett, zieht den einen Schuh aus und - lasst ihn aus Versehen zu Boden fallen. Da fällt ihm der wichtige Politiker unter ihm ein, und mucksmäuschenstill zieht er sich dann den zweiten Schuh aus, setzt ihn leise auf den Fußboden und legt sich hin. Nach einer Stunde klopft jemand wie wild an seiner Tür. Er öffnet und hat einen tobenden Verrückten vor sich. Erstaunt fragt er: „Was hab ich denn getan? Seit einer Stunde schlafe ich fest! Oder bin ich vielleicht geschlafwandclt? Habe ich irgendein Geräusch gemacht? Das täte mir leid, das war nicht meine Absicht." Der Politiker schnaubt: „Ach was, darum geht es doch nicht! Was ist mit dem zweiten Schuh? Seit einer Stunde liege ich wach! Als ich hörte, wie der erste Schuh zu Boden fiel, sagte ich mir: ,Aha, jetzt ist er da!' und seitdem warte ich auf den zweiten Schuh. Wollen Sie mich auf die Palme bringen? Was ist mit dem zweiten Schuh?" So ergeht es einem, der sich nicht schlüssig werden kann. Über seinem Kopf hängt so etwas wie ein Schwert. Man kann die Schwierigkeit des Politikers verstehen. Er muss versucht haben einzuschlafen, hatte aber den zweiten Schuh im Kopf: „Was ist mit dem?" Der Verstand gibt erst Ruhe, wenn er sich schlüssig geworden ist - niemals eher. Und Philosophie wird sich niemals schlüssig. Nur die Wirklichkeit ist schlüssig; nur die Erfahrung, nur die Existenz ist schlüssig. Tse-Kung hatte das Studieren satt und erklärte Konfuzius: „Ich möchte zur Ruhe kommen." „Es gibt keine Ruhe für die Lebenden."
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Nun, dieser Standpunkt, dass es für die Lebenden keine Ruhe gibt, basiert auf einer bestimmten Philosophie, die besagt: Das Leben ist ein Kampf, das Leben muss aktiv sein, das Leben besteht aus Konflikten, das Leben ist reiner Übcrlebenskampf- wie soll man da ausruhen? Genau diese Philosophie beherrscht heute den Westen. Darwins Philosophie vom „Recht des Stärkeren" und Nietzsches „Wille zur Macht". Für den Westen ist Konfuzius absolut einleuchtend; ja, er ist ein Westler. Er wurde zwar im Osten geboren, denkt aber keine Spur östlich. Er hat eine aktive Lebenseinstellung. Das ist eine yang-Haltung, eine männliche Haltung - „Kämpfe und reib dich mit anderen, streite, erobere, setz deinen Willen durch! Du bist nur dazu hier, um deinen Willen durchzusetzen. Du musst der Welt beweisen, dass du jemand bist. Du musst der Geschichte deinen Stempel aufdrücken, andernfalls hast du umsonst gelebt. Du musst dich mit anderen messen, musst kämpfen - nur so kannst du in die Geschichtsbücher eingehen. Aber wie willst du das schaffen, wenn du nur still dasitzt und dich nicht vom Fleck rührst?" Laotse hat der Geschichte nicht seinen Stempel aufgedrückt - Tamburlan wohl. Tschuangtse hat der Geschichte keinen Stempel aufgedrückt - aber Despoten wie Nadir Schah, Alexander, Napoleon oder Hitler, Stalin und Mao haben alle sehr wohl der Geschichte ihren Stempel aufgedrückt. Mao war ein Konfuzianer. Er schwor auf Konfuzius und ließ nichts unversucht, um alle Spuren und Potenziale des Taoismus in China auszumerzen. Er zerschlug viele taoistische Klöster und wollte sie dem Erdboden gleich machen. Warum? - weil sie nichts vom Kämpfen halten. Wie kannst du zur Revolution aufrufen, ohne den Kampf zu predigen? Die taoistische Haltung ist auf Kooperation, nicht auf
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Konflikt aus. Die taoistische Haltung geht nicht gegen die Natur an, sondern mit ihr mit; sie lässt die Natur gewähren, ihren eigenen Lauf nehmen, unterstützt sie, folgt ihr. Die taoistische Haltung beruht auf völliger Entspannung. Verwechselt das aber nun bitte nicht mit Passivität. Sie hat weder etwas mit Aktivität noch Passivität zu tun, sondern geht über beides hinaus. Die Taoisten nennen das wu wei - was so viel heißt wie „Tun durch Nichttun". Das ist das Ziel von Tao: „Handle durchaus, aber bestimme dein Handeln nicht; agiere wohl, aber bleibe dabei durchlässig für das Tao; lass es durch dich agieren und unterstütze es einfach nur. So kannst du auch - auf dem Wege des Tao - Ruhe im Leben finden." Aber wie kannst du bei Konfuzius Ruhe finden? Er hat Recht, wenn er sagt, entsprechend seiner Philosophie: „Es gibt keine Ruhe für die Lebenden...“ Du musst dich schwer ins Zeug legen! Du musst beweisen, was in dir steckt, du musst deinen Willen beweisen! Das Leben ist dazu da, dass du die Gelegenheit beim Schöpfe packst und dich bewährst. Leben heißt Kämpfen - ein Wettkampf bis aufs Messer! Und wer sich entspannt, der ist weg vom Fenster. Kämpfe hart! Bleib so wach, wie du nur kannst, und vergiss alles Ausruhen." Schon das Wort „ausruhen" klingt für den Konfuzianer nach Drückebergerei. „Wer meditieren will, der möchte sich drücken. Verzieh dich nicht in den Himalaja und sitz nur still da - das ist Eskapismus! Tu was! Man lebt nur, um etwas zu tun, und der Tod ist dazu da, nichts zu tun." So lautet ihre Logik. Freilich, eines Tages bist du dann tot und kannst dich ausruhen, was soll man sich deswegen Gedanken machen? Ihre Unterscheidung ist glasklar; und allen, die logisch denken, imponiert das. Er sagte: „Es gibt keine Ruhe für die Lebenden." „Werde ich dann niemals Ruhe finden?", erwiderte der Jünger.
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Natürlich: Wenn es für die Lebenden keine Ruhe gibt, für wen dann? Wann kann ich ausruhen? Werde ich niemals Ruhr finden? Soll dieser Alptraum denn immer und ewig so weitergehen? Und da ist kein Ende abzusehen ... Er antwortete: „Freu dich auf dein erhabenes Grabgewölbe, und du wirst wissen, wo du Ruhe finden wirst."
„Du wirst ..." Merkt euch diese Worte! Das ist der größte Betrug, den sich der Mensch je ausgedacht hat: „Du wirst Ruhe finden... freilich nicht jetzt, aber irgendwann in der Zukunft. Nicht hier, aber woanders." Alle sogenannten Religionen haben mit diesem Täuschungsmanöver operiert. Sie machen Versprechungen. Sie sagen: „Ihr werdet alles finden, wonach ihr euch sehnt, nur nicht jetzt ... morgen." Und das Morgen kommt nie - es kann von Natur aus nicht kommen. Die Zukunft kommt deshalb nie, weil sie, wenn sie kommt, bereits Gegenwart ist. Es gibt immer nur jetzt und jetzt und jetzt. Wo immer du sein wirst, es wird stets hier und jetzt sein. Und das Versprechen lautet: „Du wirst..." Dieses Versprechen ist richtig abgefeimt, aber so haben es bisher alle Religionen gehalten: „Im Himmel wirst du Fneden, Ruhe und Glück finden. Im moksha, im nirvana ..." irgendwo weit weg existiert das Land des Friedens und des Glücks. Dort wirst du eines Tages landen, aber nicht jetzt. Aber wenn du dort hinkommen willst, musst du dein gegenwärtiges Glück dafür opfern. „Diesen Preis gilt es zu zahlen", sagen sie. „Und dies ist der Preis: Opfere der Zukunft deine Gegenwart auf. Opfere dem Eingebildeten das Wirkliche auf. Opfere dein jetziges Leben dem auf, was nach dem Leben kommt." Und das haben sie der ganzen Menschheit weisgemacht, und so haben praktisch alle Menschen ihr Leben aufgeopfert.
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Niemand kommt vom Himmel zurück und berichtet, ob es tatsächlich so ist. Niemand kehrt nach dem Tod zurück und sagt: „Ja, Konfuzius hat Recht!" Also kann der Betrug nur deslialb weitergehen, weil niemand ihm widersprechen kann. Wie clever: Der Betrug ist eben nicht zu widerlegen! Man kann ihn weder aufdecken noch widerlegen - das geht einfach nicht. „Du wirst ..." Lasst euch dieses Wort nur mal auf der Zunge zergehen: „Du wirst!" Daraufhat man euch alle programmiert. In der Kindheit sagen die Eltern: „Nicht jetzt. Werd erst Mal älter, dann darfst du!" Wenn du dann älter bist, heißt es wiederum: „Nicht jetzt. Wenn du dein Leben gelebt hast und Rentner bist und das nötige Bankpolster hast, dann kannst du die Hände in den Schoß legen und dich ausruhen - aber nicht vorher!" Und wenn du dann alt geworden bist, heißt es: „Nach dem Tod!" Es wird einfach immer weiter hinausgeschoben. Die Möhre der Zukunft baumelt dir vor der Nase, und wenn du nach ihr greifst - schwupp, hängt sie schon wieder weiter weg. Und darüber versäumst du alles, was tatsächlich möglich war. Jede zukunftsonentierte Philosophie ist Gift. Jede zukunftsorientierte Philosophie ist wie Opium: Sie betäubt dich und hindert dich daran, dein Leben jetzt gleich zu leben, hier jetzt. Und das ist das einzige Leben, das es gibt! Schaut euch nur die Antwort an, die Konfuzius gibt. Der Schüler möchte zur Ruhe kommen; und was bekommt er zu hören? „Es gibt keine Ruhe für die Lebenden. Leben ist Kampf, also erwarte keine Ruhe." Die Ruhe kommt wohl, garantiert, aber nicht jetzt, niemals jetzt: Du wirst . . . schau nach vorn, schau immer nach vom, schau nie aufs Hier und Jetzt, nicht auf den gegenwärtigen Augenblick! „Lebe für die Zukunft und opfere ihr die Gegenwart!" Dies ist, sage ich, die größte Augenwischerei, die sich der
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Mensch je ausgedacht hat. Es hat prima geklappt. Sowohl der Priester als auch der Politiker leben davon - von der Zukunft. Die Kommunisten sagen ständig: „Wartet nur, opfert für die Zukunft! Früher oder später ist die klassenlose Gesellschaft da, und dann werdet ihr alle glücklich sein!" Ihr seid unglücklich, euch geht es dreckig, ihr wollt euch jetzt ausruhen, sie aber sagen: „Nur keine Sorge. Bald werdet ihr euch ausruhen können! Schaut nach vorn, lasst die Revolution kommen, und dann ist alles in Ordnung. Und wer für eine glückliche Zukunft ist, der muss opfern. Opfert!" Die Faschisten sagen: „Opfert, damit das Vaterland siegen kann. Und sobald das Vaterland gesiegt hat und die nordische Rasse ihre Überlegenheit bewiesen hat, wird Friede auf Erden herrschen." Der Politiker beutet euch aus, im Namen der Zukunft. Die Gegenwart ist abstoßend, elend, grauenhaft. Er denkt sich ferne Ziele, Utopien aus - ausgeschmückt bis in die herrlichsten Einzelheiten, ausgemalt in den grellsten Farben, und ihr seid so hingerissen, dass ihr gar nicht mehr merkt, wie es tatsächlich um euch her aussieht: Wohin das Auge reicht - alles abstoßend, grauenvoll, elend, innen wie außen. Ihr lebt in einem Meer von Tränen und Qualen, in der reinsten Hölle. Sie aber sagen: „Ihr werdet... ! Schaut nach vorn. Jener große Tag ist nicht mehr fern!" Davon lebt der Politiker und davon lebt der Priester. Und Politiker und Priester stecken unter einer Decke. Sie betreiben gemeinsam dasselbe Geschäft. Ihr Geschäft ist, dem Menschen das Hier und Jetzt auszutreiben. Denn wenn der Mensch erst einmal im Hier und Jetzt lebt, ist er so glücklich, dass er auf alle Politiker pfeifen wird und auf alle Priester pfeifen wird. Hört euch einfach nur an, was diese Leute seit jeher sagen: „Wer glücklich sein will, ist selbstsüchtig; wer sich opfert, ist gut." Aber wer sich opfert, der wird
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unglücklich. Und ein unglücklicher Mensch steckt andere mit seinem Unglück an. Und ein unglücklicher Mensch wird sich rächen - er kann nie vergeben; man hat sein Leben ruiniert. Es heißt immer, die Frau solle sich für ihren Mann aufopfern und der Mann solle sich für seine Frau aufopfern. Wieso? Wenn alle beide sich autopfern, verfehlen alle beide ihr Leben! Ich lehre die pure Selbstsucht. Opfert euch nie für irgendwen auf. Lebt euer Leben einfach authentisch, und dann werdet ihr euch niemals an irgendwem rächen wollen und nie einen Groll gegen irgendwen hegen. Und ein Mensch ohne Groll gegen andere ist ein Mensch, der lieben kann - mitfühlend, freundlich und sozial. Und ein Mensch, der keinen Groll gegen irgendwen hegt - gegen die Kinder, den Mann, die Frau -, ist strahlend schön. Er strahlt eine Aura von Glück aus: Jeder, der in seine Nahe kommt, badet in seinem Glück. Seid selbstsüchtig. Schaut euch nur mal die Bäume an: Kein Baum will sich für einen anderen Baum aufopfern; darum sind sie so grün! Würden sie anfangen sich zu opfern, wäre kein Baum mehr grün und würde kein Baum mehr blühen. Schaut euch die Sterne an: Sie sind sehr selbstsüchtig - sie funkeln um ihrer selbst willen; sie opfern sich nicht auf. Andernfalls würde die ganze Schöpfung hässlich und düster werden. Selbstsucht ist natürlich. Und das Selbst, von dem ich hier rede, ist gleich dem Tao, ist eure Natur. Hört auf sie, folgt ihr. Deine Natur sagt dir: „Sei glücklich!" Wäre dieser Tse-Kung mit seiner Frage zu Laotse gekommen, hätte der gesagt: „Allerherzlichsten Glückwunsch! Du hast also vom Studieren die Nase voll? Ausgezeichnet! Nun gib alles Denken auf und fang an zu meditieren. Du willst deine Ruhe? Kannst du sofort haben." Ein Laotse würde nicht sagen: „Du wirst..." Die Zukunft ist eine Chimäre, sie ist ein Trick -
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ein Trick, der dich darüber hinwegtrösten soll, dass du sie nicht jetzt sofort bekommst. Aber später ... So kannst du hoffen, und dein ganzes Dasein mit Hoffnungen vergiften. Der Priester und der Politiker wollen euch zu Märtyrern machen. Aber die Märtyrer sind keine guten Menschen; denn sie kochen vor Wut. Sie haben ihr Leben verfehlt, wie sollten sie da nicht wütend sein? - das ist nur natürlich. Ihr habt sie gezwungen ihr Leben zu ruinieren, ihr habt sie beschwatzt, ihr habt sie bestochen ihr Leben zu zerstören - wie könnten sie da glücklich sein?, und wie könnten sie euch das je verzeihen? Unmöglich. Lebe für dich selbst, und dann wirst du für alle anderen leben, aber das ist dann kein Aufopfern mehr. Lebe für dich selbst! Sei im wahrsten Sinne des Wortes, sei authentisch selbstsüchtig, suche dich selbst - so will es die Natur. Sorge du für dein Glück, deine Ruhe, dein Leben, und dann wirst du einfach nicht fassen können, dass du damit, dass du glücklich bist, auch anderen dazu verhilfst, glücklich zu werden. Denn mit der Zeit verstehst du, dass es dich selber nur noch glücklicher macht, wenn auch die anderen glücklich sind. Glück kann nur in einem Meer von Glück existieren. Es kann nicht allein für sich existieren. Macht euch die Logik, die tiefe Logik der Selbstsucht klar: Das Glück kann keine Inselexistenz füllen, nein. Wenn alle um dich rum unglücklich wären, könntest du kaum glücklich sein - praktisch unmöglich; denn die Brandung dieses Unglücksmeeres würde gegen deine Ufer schlagen. Das Elend um dich hemm würde dich berühren, es würde dich bis ins Innerste durchdringen. Ein glücklicher Mensch begreift daher irgendwann folgendes fundamentales Grundgesetz: „Wenn ich glücklich sein will,
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sorge ich besser dafür, dass die Menschen um mich her glücklich werden." Aber er dient nicht den anderen, wohlgemerkt! Er opfert sich nicht auf. Er sucht sich einfach nur selbst, ist selbstsüchtig. Weil er lächeln möchte, bringt er dich ebenfalls zum Lächeln; denn es kann kein isoliertes Lächeln geben, es würde sonst völlig absurd wirken. Stellt euch das nur einmal vor: Du sitzt in einem Raum voller Leute, und als einziger lächelst nur du, und alle anderen blicken finster drein. Du wärst peinlich berührt und bekämst Schuldgefühle: „Warum lächle nur ich, waaim lächelt sonst niemand? Irgendwas scheint hier nicht zu stimmen!" Das nächste Mal wirst du besser aufpassen. Du wirst dich hüten... Nein, wenn alle mitlachen, fällt es ganz leicht, zu lachen; dein soziales Umfeld gestattet es dir, zu lachen. Wir sind auf unser soziales Umfeld angewiesen, wir sind Teil von ihm. Indem du glücklich bist, ermöglichst du es auch anderen, glücklich zu sein. Und das ist die wahre Nächstenliebe - sie hat mit Aufopferung überhaupt nichts zu tun, sie macht dich auch nicht zum Märtyrer. Die Mutter ist glücklich - darum liebt und herzt sie ihr Kind. Ihr Glück ist so groß, dass sie es mit ihrem Kind teilen möchte. Sie wird nie und nimmer einen Groll gegen es hegen. Im Gegenteil, sie wird dem Kind dankbar sein dafür, dass es ihr so viele schöne Augenblicke beschert hat! Sie wird dem Kind ewig dankbar sein: „Weil du zu mir gekommen bist, weil du mich als deine Mutter auserwählt hast, dich für meinen Schoß entschieden hast, verdanke ich dir mein grenzenloses Glück! Ich danke dir für all die vielen schönen Augenblicke, die ich ohne dich nie erlebt hätte - sei bedankt!" Und auch das Kind wird so einer Mutter, die ihm dankbar ist, dankbar sein und wird nie etwas gegen seine Mutter haben -
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kein Gedanke daran! Aber wenn man sich so umhört, gibt es kaum jemanden, der keinen Groll gegen seine Mutter oder seinen Vater hegt. Das gibt es nur ganz selten ... Gurdjieff pflegte zu seinen Schülern zu sagen: „Erst wenn ihr euren Vätern und Müttern vergeben habt, könnt ihr wachsen." Ihr mögt sagen: „Was für ein Quatsch! Was sagt er da? Erst wenn du deinen Eltern vergibst...?" Das stand sogar über Gurdjieffs Eingangstor: „Tritt nicht eher ein, als bis du Vater und Mutter vergeben hast!" Aber kein Mensch hat je Vater und Mutter vergeben können - eben weil die Eltern sich allzu sehr aufgeopfert haben! Vater und Mutter haben sich „solche Sorgen" um ihre Kinder gemacht. Und sie werden nicht müde zu sagen, „wie sehr wir gelitten haben". Keine Mutter sagt: „Wie habe ich es genossen, deine Mutter zu sein!" Kein Vater sagt: „Als du in unser Haus kamst, hast du uns Licht gebracht, uns die Liebe gebracht!" In dem Fall würden die Kinder ihnen nicht nur vergeben, sondern sie lieben, ihnen dankbar sein. Wenn man Tao einmal verstanden haben wird, muss das ganze psychoanalytische Business schließen. Denn das ganze psychoanalytische Business beruht eben nur darauf, dass ihr Vater und Mutter nicht vergeben könnt. Was tut ihr denn, wenn ihr auf der Psychoanalytiker-Couch liegt? Ihr tobt eure Wut auf Mutter und Vater aus. Und was anderes tut ihr in der Primärtherapie? Janov wäre out, würde man Tao verstehen. Denn was tut ihr, wenn ihr in der Primärtherapie brüllt und um euch schlagt? Auf wen schlagt ihr ein? Mutter und Vater! Wen brüllt ihr an? Mutter und Vater! Wenn man mal unter der Psychiatercouch lauschen könnte - worüber redet denn der Patient? Zu neunzig Prozent über seine Mutter! Alles, was ihr habt, ist der gegenwärtige Augenblick - mehr
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nicht. Nutzt ihn intelligent und lasst euch von keinem was vormachen. Konfuzius sagt: „Freu dich auj dein erhabenes Grabgewölbe, und du wirst wissen, wo du Ruhe finden wirst."
Dein Grabmal? Ein Grab ist ein Grab, und etwas Hässliches obendrein, wie schon man es auch gestalten mag. Man kann ein Marmorgrabmal errichten und in goldenen Lettern den Namen draufsetzen, aber wen kann das schon täuschen? Das bringt gar nichts. Drinnen wohnt nur der Tod, und ein hässlicher Tod obendrein - weil es der Tod eines ungelebten Lebens ist. Ein nie gelebtes Leben ist hässlich; ein auf die lange Bank geschobenes Leben ist hässlich. Ein gelebtes Leben ist herrlich. Und es gibt nur sehr wenige Menschen, die ihr Leben leben und nur deren Tod kann schön sein. Sie bringen nämlich auch noch einen schönen Tod zustande - weil sie ihr Leben so voll ausgekostet, ein so schönes Leben zustande gebracht haben, dass sie selbst ihren Tod noch ausleben können. Erst leben sie ihr Leben aus und dann leben sie ihren Tod aus.. Ein ungelebtes Leben kann zu keinem schönen Tod führen. Ihr könnt meinetwegen ein Marmorgrabmal bauen und in goldenen Lettern den Namen draufsetzen und schöne Verse anbringen, und ihr könnt Kerzen anstecken und könnt Blumen ablegen - aber das ist alles nur Theater. Wen glaubt ihr damit täuschen zu können? All dieser Marmor und diese goldenen Lettern und Blumen und Kerzen können den Menschen nicht wieder lebendig machen: Dieser Mensch ist tot. Und er hat nie wirklich leben dürfen ... euretwegen. Schaut euch diesen gefährlichen Satz, den Konfuzius sagt, genau an: „Freu dich auf dein erhabenes Grabmal, und du wirst wissen, wo du Ruhe finden wirst." Wer im Leben keine Ruhe hat finden können, der wird auch
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im Tod keine finden. Macht es euch zur absoluten Regel: Alles, was du im Leben zustande bringst, das wird auch im Tod noch bei dir bleiben können - nicht umgekehrt. Wenn es dir gelungen ist zu meditieren, wird dein Tod meditativ sein. Wenn es dir gelungen ist zu lieben, wird dein Tod voller Liebesenergie sein. Wenn es dir gelungen ist zum Göttlichen vorzudringen, wird dein Tod göttlich sein. Nur eines vergiss nicht: Der Tod kann dir gar nichts bringen - nur das Leben kann dir etwas bringen. Der Tod ist nur die Quittung, die Gesamtbeurteilung. Der Tod setzt einfach nur einen Punkt hinter das Leben und verkündet das abschließende Urteil. Wenn der Verstorbene ein großer Liebender war und gehebt hat, und zwar bedingungslos geliebt hat, und wenn sein Leben von einer Flamme der Liebe erhellt war, dann wird sein Tod dies Kapitel mit einem hellen Auflodern dieser Flamme beschließen. Aber wenn der Tod dein Leben abschließt, und es nur ein einziges Elend gewesen ist und nichts weiter - nichts als ein Hoffen auf die Zukuft, ohne eine einzige authentische Erfahrung - dann stirbst du auf eine fruchtlose Art und Weise. Das ist es, was Gurdjieff einen „Hundetod" nennt. Dann stirbst du einfach mit leeren Händen: Da ist gar nichts. Niemand gewinnt etwas durch seinen Tod, das er nicht bereits durch sein Leben gewonnen hat. Der Tod ist nur ein einziger Augenblick. Was kannst du schon in einem einzigen Augenblick erreichen? Du hast ein achtundsiebzig Jahre währendes Leben ungenutzt verstreichen lassen und erhoffst dir nun etwas von einem einzigen Augenblick? Achtzig Jahre lang hast du unbewusst gelebt, innerlich aufgewühlt, wahnsinnig, voller Alpträume, und nun plötzlich sollst du ausgerechnet im Tod Ruhe finden? Nein, mein Herr, du wirst dich in deinem
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Grabe rastos hin und her wälzen; du wirst keine Ruhe finden. Was Konfuzius sagt, ist falsch, absolut falsch. Er versucht zu trösten. Das ist kriminell. Solch einen Trost zu spenden ist ein Verbrechen an der Menschheit - weil du damit jemanden von seinem Weg abbringen kannst. Wie diesen Jünger, den er erfolgreich von seinem Weg abbrachte. „Groß ist der Tod! Der Gentleman findet Ruhe in ihm und der gemeine Mann beugt sich ihm!"
Konfuzius hat ihn mit Erfolg von seinem Weg abgelenkt. Der großartige Augenblick ist verpufft. Tse-Kung stand praktisch schon auf der Schwelle des Tores, durch das er hätte entrinnen können, war ganz nahe dran - aber da kam Konfuzius und hat ihn zurückgerissen. Und so fangt der Jünger wieder an, sich in philosophischen, dogmatischen, gelehrten Betrachtungen zu ergehen. Das hat er aus seinen heiligen Büchern: „Groß ist der Tod!" Was weiß er denn? Er weiß ja noch nicht einmal, was Ruhe bedeutet - wie kann er da wissen, was Tod bedeutet? Der Tod ist die letztmögliche Ruhe, absolute Ruhe, und er weiß noch nicht einmal annähernd, was Ruhe bedeutet. Er weiß nicht, was Leben bedeutet, er ist aufgewühlt, gespalten. Und da tönt er großartig: „Groß ist der Tod!" Er hat auf seinen Meister gehört und sich wieder von Wörtern einnebeln lassen. Konfuzius war ein bedeutender Lehrer, sehr charismarisch und von großem Einfluss. Er hat China jahrhundertelang beherrscht - er ist noch heute einflussrcich, hat noch immer das Land fest in seiner Hand. Auch in Indien gibt es einen Mann, den man mit Konfuzius vergleichen kann; sein Name ist Manu. Indien wird nach wie vor von Manu beherrscht, und das ist ein Mann vom gleichen Schlage - kein Haar anders. Die indische Gesellschaft baut auf den Gesetzen Manus auf, so wie die chinesische Gesellschaft auf den konfuzianischen Gesetzen auf-
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baut. Und beide Männer haben ihr Land zugrunde gerichtet. „Groß ist der Tod!" Auf den Meister, seinen Lehrer hörend, hat sich der Jünger wieder einnebeln lassen; das Charisma des Lehrers tut seine Wirkung - er lässt sich täuschen. Er hat schon wieder vergessen, dass er gesagt hat: „Ich will endlich zur Ruhe kommen und habe die Nase voll von allem Studieren." Er stand genau auf der Schwelle, wo aus einem Schüler ein Jünger werden kann. Wieder hat er's verfehlt, wieder geht er in die alte Falle - in die man deshalb so leicht gehen kann, weil man sie in- und auswendig kennt; sie ist vertraut! Ohne eine Ahnung zu haben, was Leben ist, ohne eine Ahnung zu haben, was Ruhe ist, posaunt er seine tiefe Wahrheit heraus: „Groß ist der Tod!" Das muss er irgendwo aufgeschnappt haben. Ja, in den heiligen Schriften steht zu lesen: „Groß ist der Tod!" Aber der Tod ist nur dann groß, wenn auch das Leben groß ist, Bedenkt: Dein Tod ist dein Tod; mein Tod ist mein Tod. Mein Tod wird von meinem Leben abhängen, dein Tod wird von deinem Leben abhängen. Wenn dein Leben groß ist, wird auch dein Tod groß sein; denn der Tod ist der Höhepunkt deines Lebens. Wenn du richtig und total gelebt hast, dann wirst du einen hohen Gipfel, einen Himalaja-Riesen erklimmen. Aber wenn du nur am Boden herumgekrochen bist, wenn du überhaupt nicht gelebt hast, wenn du immer nur geträumt und gehofft und gewünscht hast, ohne auch nur einen einzigen Augenblick wirklich gelebt, einen einzigen Augenblick authentisch, gelebt zu haben; wenn du stattdessen immer nur Rollen gespielt und dich hinter Masken verkrochen hast - dann bist du nie ein echter, sondern immer nur ein unechter Mensch gewesen. Und dann wird auch dein Tod unecht sein, kann er nicht groß sein. Dein Ende kann nur dann groß sein, wenn die ganze Reise
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groß war. Jeder Schritt der Reise trägt zum Ende bei. Das ist sonnenklar, liegt auf der Hand. Wenn du dein ganzes Leben lang getanzt hast, wird auch dein Tod ein großer Tanz sein. Wenn du immer nur geweint und gegreint hast, wird auch dein Tod nur ein Weinen und Greinen sein. Wie könnte es anders sein? Er rundet dein Leben ab. Merkt euch also: Jeder lebt sein Leben und jeder stirbt seinen Tod. Dein Tod ist genauso einmalig und individuell, wie dein Leben einmalig und individuell ist. Wenn ein Buddha stirbt, dann stirbt freilich Buddha. Wenn Liehtse stirbt, dann stirbt freilich Liehtse: Deren Tod hat etwas Glorreiches, einen unbeschreiblichen Duft - er ist ein Aufblühen. In einem einzigen Augenblick verausgabt sich ihr ganzes Leben in einer allerletzten Stichflamme. Nun haben sie es geschafft, sind sie zu Hause angekommen! Euer Tod ist nichts weiter als der Beginn eines weiteren müden Lebens. Hier sterbt ihr, dort werdet ihr wiedergeboren. Kaum seid ihr zur einen Tür hinaus, kommt ihr schon zur anderen Tür wieder ins Leben zurück ... und natürlich dreht sich dort im selben Geleise dasselbe Rad. „Groß ist der Tod!" - aber nicht auf den Lippen Tse-Kungs. Ja, würde Laotse das sagen, wäre es in Ordnung. Aber auf den Lippen von Konfuzius ist nicht einmal der Tod groß, denn sein ganzer Ansatz stimmt nicht. „Der Gentleman findet Ruhe in ihm..." Achtet auf diesen Ausdruck, „der Gentleman". Er ist der Inbegriff der konfuzianischen Ethik, der Gentleman! Und wer ist ein Gentleman? Eine unechte Person. Wer ist ein Gentleman? Ein Heuchler. Wer ist ein Gentleman? Einer, der sich hinter Manieren, Etikette, Charakter versteckt, der sich den überkommenen Sitten, der Tradition beugt. Ein Gentleman ist kein Individualist, sondern nur Mitglied einer Gesellschaft.
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Er lebt nicht aus sich heraus: er hat gar kein eigenes Lehen. Er existiert nur als Teil seiner Gesellschaft, und was die Gesellschaft zulässt, ist sein Leben, und was die Gesellschaft verbietet, das verkneift er sich. Er hat sich für die Gesellschaft entschieden, statt für die Natur. Das also tut ein Gentleman: Er zieht das vom Menschen gemachte Gesetz den Gesetzen der Natur vor. Ein Gentleman ist jemand, der die Existenz verraten hat, ein Gentleman ist jemand, der sich auf die Seite der Gesellschaft geschlagen hat. Und die Gesellschaft ist neurotisch, die Gesellschaft ist krank, die Gesellschaft ist absolut unnormal. Bisher hat noch nie eine normale Gesellschaft auf Erden existiert. Nur ab und zu sind mal ein paar Einzelne normal gewesen. Die Gesellschaft ist unnormal - eine riesige Masse von Wahnsinnigen. Und der Gentleman ist einer, der dieser Masse hinterherrennt. Ein Gentleman hat keine Seele. Natürlich bringt die Gesellschaft ihm eine gewaltige Hochachtung entgegen. So jemanden muss die Gesellschaft achten; für die Gesellschaft ist er ein Mahatma, ein Heiliger, ein Weiser. Die Gesellschaft achtet ihn deshalb, weil dieser Mensch sein Leben der Gesellschaft unterworfen hat. Ein echter Mensch ist rebellisch. Ein echter Mensch schert sich nicht um Achtbarkeit, ein echter Mensch lebt sein Leben auf natürliche Art und Weise. Ihn kümmert es nicht, was die Gesellschaft sagt oder nicht sagt. Der echte Mensch zieht die Gesellschaft gar nicht erst in Betracht. Wer unecht sein möchte, der muss auf Schritt und Tritt auf die Gesellschaft achten: Was du sagst, wie du's sagst, wann du's sagst und wann nicht; wie du lebst oder nicht lebst. Die Gesellschaft hat alles vorgeschrieben. Du brauchst dich ihr nur zu beugen, du brauchst nur Rädchen im Getriebe zu spielen.
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Ein echter Mensch wird nicht geachtet. Wie könnte die Gesellschaft auch den echten Menschen achten? Also wird Jesus gekreuzigt, also wird Buddha gesteinigt, also wird Sokrates vergiftet. Die Gesellschaft huldigt diesen Leuten erst dann, wenn sie tot sind. Dann macht ihnen das nichts mehr aus, denn ein toter Jesus kann nicht rebellieren, ein toter Sokrates kann nicht rebellieren. Ein toter Buddha wird zum avatar, zur göttlichen Inkarnation erhoben. Ein lebender Buddha ist gefährlich; aber einen toten Buddha darf man im Tempel anbeten. Merkt euch: Sobald diese großartigen echten Menschen sterben, werden sie von allen angebetet. Solange sie noch leben, kann niemand sie ausstehen. Genau die Leute, die Jesus kreuzigten, sind später zu Christen geworden - genau dieselben! Die Leute sind immer dieselben. Jesus konnten sie nicht ertragen, aber als ein Toter ist Jesus ihnen durchaus willkommen - was kann er schon anrichten? Einen toten Jesus habt ihr in der Hand: Ihr interpretiert ihn, ihr spinnt ihn in Theorien ein, er kann nichts mehr sagen, ihr macht ilm zu eurem eigenen Sprachrohr. So ist es immer. Wenn du also wirklich ein authentischer Mensch sein willst, darfst du dich nicht allzu sehr darum kümmern, was die Gesellschaft sagen mag. Womit ich nicht behaupte, dass man unbedingt gegen die Gesellschaft angehen soll. Nein - das wäre nicht Rebellion, sondern Reaktion. Halte du dich nur an deine Natur. Wenn sie konfliktlos mit der Gesellschaft leben kann gut; dann brauchst du nicht auf die Barrikaden zu gehen. Wenn sie sich an der Gesellschaft reibt, auch gut; dann brauchst du dich eben nicht nach der Gesellschaft zu richten. Zwischen einem Rebellen und einem Reaktionär besteht ein Unterschied. Ein Reaktionär ist einer, der unter allen
Umständen die Gesellschaft bekämpfen muss. Er hat sich gegen die Gesellschaft entschieden, selbst dann, wenn die Gesellschaft Recht hat. Manchmal hat die Gesellschaft halt Recht, denn die Gesellschaft kann nicht absolut im Irrtum sein . . . . Selbst ein Wahnsinniger hat manchmal Recht! Selbst diese Wahnsinnsgesellschaft hat manchmal Recht andernfalls würde sie nicht existieren. Um existieren zu können, muss irgendetwas stimmen, andernfalls wäre kein Leben möglich. Der Reaktionär ist eigentlich genau der alte Traditionsmensch, nur jetzt im anderen Extrem. Der Traditionsmensch folgt der Gesellschaft, ob sie Recht hat oder nicht:. „Right or wrong, my country - Recht oder Unrecht, dies ist mein Land. Recht oder Unrecht, dies ist meine Religion. Recht oder Unrecht, dies ist mein Priester. Recht oder Unrecht, dies ist meine heilige Schrift." So denkt der traditionelle Mensch. Und dann wechselt so einer irgendwann ins Gegenlager über und sagt: „Recht oder Unrecht, ich hab mit der Gesellschaft gebrochen." So redet der reaktionäre Mensch: ein- und dieselben Leute, völlig identisch. Wer ist dagegen ein rebellischer Mensch? Der rebellische Mensch ist einer, dem die Gesellschaft schnurzegal ist. Er fühlt sich einfach nur seinem Innersten verpflichtet: So einer folgt seinem Tao. Wenn die Gesellschaft seinem inneren Tao nicht in die Quere kommt, gut, dann geht er mit der Gesellschaft mit er ist kein Reaktionär. Wenn die Gesellschaft seinem inneren Tao jedoch in die Quere kommt, geht er halt seiner Wege. Er ist kein traditionell, konventionell, angepasst denkender Mensch. Er richtet sich nach seiner inneren Seele. Gentleman beschreibt einen, der sich von der Gesellschaft dazu beschwatzen ließ, sein authentisches Wesen zu verraten
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und sich von der Gesellschaft eine verlogene Maske geborgt hat. „Groß ist der Tod! Der Gentleman findet Ruhe in ihm ... Aber, was hat ein Gentleman mit Ruhe und Tod zu tun? Ein Gentleman kann ja nicht einmal im Leben zur Ruhe kommen! Ein Gentleman ist sehr repressiv; ein Gentleman hat seinem ganzen Wesen nie freien Lauf gegönnt, hat sich tausend Dinge verkniffen, und das alles brodelt nun in seinem Innern - wie kann er da Ruhe finden? Und wenn du im Leben keine Ruhe finden kannst, wie sollst du sie dann im Tod finden? Dann mach dir nichts vor, dies ist Opium. Du hoffst, dass im Tod etwas passieren wird, das dein ganzes Leben lang nie geschehen ist. Du stehst unter Drogen! Der Gentleman hat nie so geliebt, wie er lieben wollte. Der Gentleman ist nie wütend geworden, der Gentleman hat nie jemanden gehasst - nicht, dass er etwa nicht gehasst hätte, aber er hat das nie gezeigt. Einem Gentleman bleibt nichts anderes übrig, als sich an die Sitte zu halten. Innerlich hat er sich nie geändert. Es kommt durchaus Wut in ihm hoch, aber er zeigt sie nicht; er unterdrückt sie. Und so sammeln sich in seinem Innern ständig tausende Dinge an und stiften Chaos und köcheln vor sich hin. Ein Vulkan, der jederzeit ausbrechcn kann. Ein Gentleman ist ein gefährlicher Lebensgefährte... Lebt nicht mit einem Gentleman oder einer Lady zusammen. Eine Frau ist schön, eine Lady ist abstoßend. Eine Frau ist natürlich, eine Lady ist gekünstelt. Der Gentleman, die Lady sind künstliche Menschen, die immer nur Theater spielen. Bei ihnen ist alles aufgesetzt, nichts echt, nichts ehrlich. Wenn sie Wut empfinden, lächeln sie. Wenn sie dich hassen, umarmen sie dich. Auf sie ist nie Verlass, du weißt nie, ob sie tatsächlich lächeln oder nur so tun. Tatsächlich wissen sie nach so langer Übung selber nicht mehr, ob sie wirklich lachen oder nur zu
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lachen vorgeben, ob sie diese Frau wirklich geliebt haben oder nur so getan haben. Es kommen viele Leute zu mir und sagen: „Wir können nicht beurteilen, ob wir wirklich Liebe empfinden oder nicht." Man hat schon so lange in Lügen gelebt - vielleicht schon seit vielen Leben -, dass man vom Weg abgekommen ist. Man weiß nicht mal mehr: Was ist richtig und was falsch und was ist wahr und was nicht? Jeden Tag kommt so jemand an und sagt: „Ich habe mich in die und die Frau verliebt, aber ich weiß nicht, ob ich sie wirklich liebe." Was zeigt das an? Dass du den Kontakt zu dir selber verloren hast, du dir selber entfremdet bist. Du bist dir selbst fremd geworden. Dabei müsste so etwas doch ganz einfach sein ...
Das ist, als würde einer sagen: „Ich kann nicht beurteilen, ob diese Rose echt oder nur gemalt ist. Ich kann das nicht unterscheiden." Was soll das heißen? „Ich kann nicht beurteilen, ob diese Bäume grün sind oder jemand sie nur mit grüner Farbe besprüht hat." Gut, diese Bäume stehen irgendwo da draußen, da mag man sich vielleicht manchmal täuschen: „Vielleicht ist dieser Baum ja nicht echt, sondern künstlich ...?" Aber wenn du dich nicht einmal in deinen eigenen inneren Gefühlen auskennst... Was zeigt das? Es zeigt einfach, dass du die Sprache der Wahrheit vergessen hast. Du hast so lange gelogen, schon so lange, dass Lügen praktisch deine Wahrheit geworden sind. Ein Gentleman ist ein unglaubwürdiger Mensch. Seid niemals ein Gentleman, niemals eine Lady; seid einfach nur Menschen. Das sind alles nur Rollen, Schauspiel. Seid wahrhaftig - es ist euer Leben; seid authentisch ... damit es wachsen kann. Denn Wachstum ist nur dann möglich, wenn du wahrhaftig und authentisch bist. Mag sein, dass du einen hohen Preis dafür zahlen musst - dann musst du ihn zahlen.
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Vielleicht wird es schmerzhaft sein - aber alles Wachstum findet unter Schmerzen statt. Vielleicht wirst du nur noch Probleme bekommen, aber keine Sorge ... sie sind es wert. Sokrates lag im Sterben, war vergiftet worden ... Seid ihr eigentlich nie neidisch auf ihn? Ihr seid lebendig: Würdet ihr nicht gern euer Leben gegen den Tod des Sokrates eintauschen? Sein Tod ist wahrhaftiger als euer Leben. Jesus wurde gekreuzigt. Er war erst dreiunddreißig, hatte noch kaum gelebt - aber würdet ihr nicht gern mit ihm den Platz tauschen? Würdet ihr nicht lieber am Kreuz hängen, statt euer Scheinleben zu führen? Er zumindest war ehrlich - am Kreuz, aber ehrlich. Ihr seid unehrlich. Ein unechtes Leben ist schlimmer als ein echter Tod: Ein echter Tod ist besser. Unechtes Glück ist schlimmer als echtes Unglück - vergesst das nie. Echte Tränen sind besser als ein falsches Lächeln - weil man nur wachsen kann, wenn man wahrhaftig ist. Verlogenheit führt niemals zu Wachstum, und das Ideal des Gentleman ist das Ideal des verlogenen Menschen. „Groß ist der Tod! Der Gentleman findet Ruhe in ihm, der gemeine Mann beugt sich ihm!" Und auf noch etwas mache ich euch aufmerksam: Konfuzius muss immer vergleichen! Er reitet immer auf dem Unterschied hemm - zwischen dem Gentleman und dem Gemeinen, dem Überlegenen und dem Unterlegenen, dem Außergewölmlichen und dem Gewöhnlichen. Für Tao ist niemand überlegen und niemand unterlegen, ist niemand vornehm und niemand gemein, weil wir alle derselben Wirklichkeit, ein und demselben Tao angehören. Wie könnten wir niedrig oder überlegen oder unterlegen sein? Das ist unmöglich - wir sind alle aus demselben Zeug gemacht. Ein und dieselbe Existenz pulsiert in euch und pulsiert in mir,
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pulsiert in den Bäumen und in den Felsen. Da ist keiner überlegen und keiner unterlegen. Schon der bloße Gedanke ans Vergleichen ist egoistisch . . . Aber die konfuzianische Philosophie orientiert sich am Ego. Nun sagt dieser Tsc-Kung: „Groß ist der Tod! Der Gentleman findet Ruhe in ihm, und der Gemeine unterwirft sich ihm!" Jetzt macht ihm die Vorstellung Spaß, dass er ein großer Mann, ein Gendeman ist, und so hat ihn Konfuzius über sein Ego verführt: „Du bist ein Großer, ein Gentleman, ein überlegenes Wesen. Du wirst Ruhe im Tod finden. Du bist kein niederer Mensch, mach dir also keine Sorgen - nur niedere Menschen finden keine Ruhe im Tod." Und sehne dich nicht danach, im Leben Ruhe zu finden, denn auch das wäre Konfuzius zufolge niederes Streben. Ruhe ist nicht möglich, Ruhe ist Eskapismus. Konfuzius hatte immer Probleme mit Laotse und seinen Lehren. Es heißt, einmal habe er Laotse aufgesucht. Er war natürlich älter als Laotse, also wollte er, dass Laotse sich gebührend benehme, wie der Jüngere gegenüber dem Alteren. Aber Laotse blieb einfach nur sitzen und stand nicht einmal auf um ihn zu begrüßen. Er forderte ihn nicht mal auf, Platz zu nehmen, und beachtete ihn auch sonst kaum. Konfuzius war empört, so einer will ein Meister sein?! Und er sagte: „Gelten für dich die Anstandsregeln etwa nicht?" Laotse sagte: „Wenn dir nach Sitzen zumute ist, dann setz dich; wenn du lieber stehen möchtest, bleib stehen. Wer bin ich, mich hierzu zu äußern? Es ist dein Leben; ich misch mich du nicht ein." Konfuzius war schockiert. Dann wollte er etwas über den Übermenschen, den Gentleman wissen, aber Laotse lachte nur und sagte: „Mir ist noch nie ein Übermensch oder Untermensch begegnet. Menschen sind Menschen, so wie Bäume
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Bäume sind, alles gehört der gleichen Existenz an. Niemand ist üherlegen und niemand ist unterlegen. Was soll all dieser Unsinn und Quatsch!" Da bekam es Konfuzius mit der Angst zu tun ... Zudem war da so eine gewaltige Stille um Laotse, er war ein geradezu Meer der Stille! Als Konfuzius heimkehrte, wollten seine Jünger wissen: „Was ist nun mit Laotse?" Er sagte: „Haltet euch fern von diesem Mann! Er ist gefährlich. Wenn du einem Tiger begegnest, kannst du irgendwie dein Leben retten. Wenn du einem Löwen begegnest, kannst du heil davonkommen. Aber dieser Mann ist hochgefährlich. Er ist wie ein Drache, ein fliegender Drache! Er wird euch töten! Geht ja nicht hin! Wann immer ihr hört, dass Laotse in der Nähe ist, sucht schnellstens das Weite!" Konfuzius konnte mit Laotses Lehren nichts anfangen. Seine Lehren sind dermaßen anders, dermaßen wahr, dermaßen amoralisch, dermaßen rebellisch und dermaßen individualistisch! Da gelten nicht die Gesetze der Menschen, sondern nur die der Natur. Vertraue in die Natur - das bedeutet Tao. Und Laotse zufolge kannst du Ruhe im Leben finden, selbst dann wenn du in Bewegung bist. Deine innerste Mitte kann stets reglos bleiben; du kannst zum Auge des Hurrikans werden. Das Rad dreht sich, aber die Nabe steht still. Das Rad dreht sich immer weiter, aber es dreht sich um eine Achse, die sich nicht dreht. Handle, mache, aber bleibe ein Untätiger im tiefsten Innern. Spreche, rede, aber bleibe untätig in deinem Innern. Gestatte den Gegensätzen zu verschmelzen, den Paradoxen sich aufzulösen, so wie Laotse es sagt. Sei paradox, da das Leben paradox ist. Lebe, aber lebe so, als wärest du tot. Und wenn du dann stirbst, stirb so, als gingest du in ein anderes Leben ein ein höheres Leben, ein größeres Leben.
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Lass die Paradoxe zusammenfließen, sich vermischen und zur Einheit verschmelzen. Das konfuzianische Denken beruht auf Trennen, Klassifizieren, Kategorisieren. Leben ist Leben und bedeutet Kampf. Tod ist Tod und bedeutet Ausruhen - klar definierte Kategorien. Laotse sagt, keine Unterschiede, keine klar definierten Kategorien gelten: Leben ist Tod, Tod ist Leben. Ein Mensch kann zutiefst leben und doch im Innersten absolut transzendental bleiben - weg, weit weg, distanziert, absolut unbeteiligt. Du kannst einen Fluss durchschreiten, ohne dass deine Füße vom Wasser berührt werden. Du kannst sein wie eine Lotusblüte. Und das ist das wahre Leben. Du sprichst, und sprichst dennoch nicht. Etwas in dir bleibt ganz weit weg. Du berührst die Erde, und dennoch bleibt etwas in dir hoch oben im Himmel. Ein konfuzianisches Leben wird ein sehr gewöhnliches Leben sein - sehr logisch, mathematisch, alles fein säuberlich getrennt, aber sehr platt. Ein taoistisches Leben ist wirklich außergewöhnlich, äußerst reichhaltig, denn es enthält sowohl das Negative wie das Positive, das Yin wie das Yang, sowohl den Konflikt wie die Zusammenarbeit, die Liebe wie den Hass, das Leben wie den Tod. Vergiss nie, in dir eine Harmonie zwischen den Widersprüchen entstehen zu lassen, und du wirst den höchsten Punkt uml den höchsten Gipfel erreichen. Wähle nicht nur die eine Seite, wähle beide zugleich. Habe Mut. Sei nicht kleinlich im Wählen. Wenn das Leben dir ein Paradox vorsetzt, nimm das ganze Paradox an; schluck's ganz und unzerkaut runter, verdaue es vollständig, und du wirst ein fliegender Drache werden. „Tse-Kung", sagte Konfuzius, „du hast verstanden." Natürlich
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muss Konfuzius sich sehr gefreut haben. Er hat den Jünger rumgekriegt, ihn wieder aufs alte Gleis gesetzt: „Tse-Kung, du hast verstanden." In Wirlichkeit hat er die Gelegenheit zu verstehen verpasst! Aber Konfuzius sagt: „Du hast verstanden. Alle Menschen verstehen die Lust des Lebens, nicht aher sein Unglück; die Gebrechlichkeit des Älterwerdens, nicht aber seine Annehmlichkeit; die Hässlichkeit des Todes, nicht aber seine Ruhe." Wieder diese Schubladen: „Die einen verstehen das Schöne am Leben, nicht aber seine hässliche Seite. Die ändern verstehen die hässliche Seite des Lebens, nicht aber seine Schönheit. Wieder andere verstehen das Abstoßende am Tod, nicht aber die Ruhe, die er schenkt. Und schließlich gibt es welche, die zwar die Ruhe des Todes verstehen, nicht aber seine Hässlichkeit" - dabei ist beides immer dasselbe! Du wählst die eine Schublade, jemand anders wählt eine andere Schublade ... Man darf nichts ausklammern, man muss immer beides gemeinsam akzeptieren - und zwar so sehr, dass es da gar nichts mehr zu wählen gibt. Das Leben ist hässlich und das Leben ist schön; und der Tod ist hässlich und der Tod ist schön - denn die ganze Existenz besteht aus dialektischen Prozessen. Dein linkes Bein bewegt sich, weil dein rechtes Bein stillsteht; nur dadurch, dass das eine Bein stillsteht, wird Fortbewegung möglich. Die Fortbewegung wird durch den Stillstand ermöglicht. Ich kann nur deshalb zu euch sprechen, weil tief in mir etwas ist, das immerzu schweigt. Das Wort bezieht seinen Sinn, seine Bedeutung nur aus diesem Schweigen. Wäre kein Schweigen da, würde das Wort bedeutungslos, zum bloßen Blablabla. Wenn das Wort Bedeutung hat, dann denkt immer daran, dass es seine Bedeutung aus dem Schweigen zieht, dass das Schweigen sich in das Wort ergießt und das Wort aufleuchten lässt. Liebe ist deshalb schön, weil es die Möglichkeit des Hasses
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gibt; andernfalls wäre Liehe so süß, dass man zuckerkrank davon würde! Immer nur Zucker, Zucker, Zucker ... Nein, das Salz gehört auch dazu; der Hass steuert das Salz zum Leben bei. Aktivsein ist gut, aber wenn es ganz ohne Inaktivität ist, wird es zur Neurose, zur Hektik. Inaktivität ist gut, aber ganz ohne Aktivität wird daraus eine Art Tod - Lethargie, Abstumpfung. Beides zusammen ist gut, ist als Ganzes gut. Tao zufolge ist das Ganze gut: Wähle also nicht, lass es so, wie es ist. So, wie es ist, beruht es auf Weisheit. Diese Welt ist die beste aller möglichen Welten. Sie lässt sich einfach nicht verbessern. Akzeptier beides, und durch diese Akzeptanz gehst du über beides hinaus. Dieser Tse-Kung hatte praktisch schon auf der Schwelle gestanden, über die er in den offenen Himmel entschwunden wäre. Er hat sich wieder irreführen lassen. Denkt daran, auch in eurem Leben wird es viele Augenblicke geben, da ihr entkommen könnt; aber eure Vergangenheit wiegt schwer und zerrt euch zurück. Konfuzius konnte ihn nur deshalb mit Erfolg zurückzerren, weil Tse-Kungs ganze Vergangenheit nur aus Theorien, Begriffen, Philosophien, Lehrmeinungen bestand. Und die sprechen alle dieselbe Sprache. Und so hielt er ihn zurück. Wieder einmal wurde dieser große Moment verfehlt. Und wann kommt so ein großer Moment schon mal wieder... Dieser Tse-Kung weiß doch bereits, dass er das Studieren satt hat, was wird er jetzt mit Konfuzius anfangen? Pauken und pauken und pauken ... was sonst! Konfuzius kennt kein Meditieren, er hält nichts von Ekstase, er ist ein Moralapostel - sehr platt. Er kennt nichts Höheres als die Gesellschaft, nichts Größeres als die Gesellschaft; er hat sehr eng anliegende Scheuklappen. Was wird er nun anfangen? Er wird wieder studieren, er wird wieder über den Büchern hocken; wird die
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altüberlieferten, vermoderten Bücher wälzen ... wieder mal. Dabei hat er das doch schon seit jeher getan! Prägt es euch ein: Wann immer sich plötzlich etwas Neues auftut, eine neue Erkenntnis auftaucht, dann entscheide dich für das Neue. Denn das Alte hat dir nichts gebracht, wozu also zum Alten zurückkehren? Selbst wenn sich das Neue dann als falsch erweisen sollte, wähle trotzdem das Neue. Zumindest wird es ein neues Abenteuer sein, wirst du wieder irgendetwas in Erfahrung bringen. Wird dein Mut, dich ins Unbekannte zu wagen, dich dem Unbekannten anzuvertrauen, zunehmen. Das wird dein Gewinn sein. Aber entscheide dich nie für das Alte. Wann immer sich eine Möglichkeit für das Neue ergibt, lass dich auf das Neue ein. Und zwar schnell - denn das Alte lastet so schwer, dass es dich zurückziehen wird. Wieder und wieder sehe ich eine ganze Reihe von Leuten hier vor nur sitzen, die zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart schwanken. Bedenkt: Die Gegenwart ist sehr kurz und die Vergangenheit ist sehr lang. Folglich hat sie ein großes Gewicht. Wenn du nicht all deinen Mut zusammennimmst, wirst du ihr nie entrinnen. Beim Alten zu bleiben ist sehr bequem und angenehm, aber was zählt schon ein bequemes und angenehmes Leben? Nur Wachstum zählt. Wachse. Wenn dein Wachstum Unbequemlichkeit und Widrigkeiten mit sich bringt - gut. Dann ist das Widrige gut und segensreich; dann ist das Unbequeme gut und segensreich. Nur vergiss eines nicht: ständig weiterzuwachsen. Fahr dich nicht fest. Dreh dich nicht standig im selben alten Teufelskreis herum - wieder und wieder und immer wieder.
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SEI AM BESTEN STILL, AM BESTEN LEER
KAPITEL
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Jemand fragte Liehtse: „Warum legst du so viel Wert auf Leere? In der Leere gibt es doch keine Bewertung." Liehtse erwiderte: „Wert ist nicht das richtige Wort. Sei am besten still, sei am besten leer. In Stille und Leere finden wir unser Obdach; durch Geben und Nehmen verlieren wir es."
ES GIBT NUR EINE WAHRHEIT - es kann gar nicht anders sein. Denn die Existenz ist ein Universum und kein Multiversum. Sie ist eins, wie aus einem Guss. Sie ist eine Koexistenz, sie ist ein Kosmos. Und das, was das Universum im Innersten zusammenhält, nennen wir Wahrheit - oder Tao, oder Gott. Tao ist so wenig eine Person, wie Gott eine Person ist, sondern die Einheit, die alles durchwirkt, wie ein Faden, der sich durch eine Girlande zieht. Das Universum ist kein wahllos zusammengewürfelter Haufen von Dingen - alle getrennt, jedes für sich, wie Inseln. Nein, das Universum ist ein zusammenhängendes Ganzes, und irgendein Faden hält es zusammen . . . es fällt nicht auseinander. Das, was es zusammenhält, nennen wir Gott, Tao. Aber der Mensch kann sich auf zwei Wegen dieser Wahrheit nähern. Diese beiden Ansätze gilt es zu verstehen. Es gibt zwar nur eine Wahrheit, aber zwei Wege. Der erste Weg ist die via affirmativa, der positive Weg, der Weg des Jasagers, der Weg dessen, der sich hingibt. Jesus, Mohammed, Krishna - die sind dem Weg der Affirmation gefolgt. Der Weg der Affirmation scheint der Weg der Mühe, enormer Mühen zu sein: Man möchte zu Gott finden, und um dies möglich zu machen, muss man sich alle erdenkliche Mühe geben, muss man sein Äußerstes geben, muss man sich selber aufs Spiel setzen. In neuerer Zeit sind Gurdjieff und Ramakrishna der via affirmativa, dem Weg der Affirmation gefolgt. Der andere Weg ist die via negativa - er führt durch die Verneinung, durch das Nein. Laotse, Buddha, Nagarjuua - die sind dem Weg der Verneinung gefolgt. In moderner Zeit folgten Ramana Maharshi und J. Krishnamurti dem Weg des Nein. Diese beiden Wege müssen so klar wie möglich verstanden werden, weil viel davon abhängt. Eines Tages wirst du dich
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entscheiden müssen. Sie verlaufen in verschiedene Richtungen; sie führen zwar zum gleichen Ziel, gehen aber in verschiedene Richtungen. Der positive Weg ist eine positive, direkte Gottsuche: ein Streben zu Gott hin, ein Suchen, ein Nachforschen. Der negative Weg ist ein Warten auf Gott - kein Suchen. Der negative Weg will nur, dass die Tür offen bleibt, will nicht aufbrechen, nicht suchen, will nicht nachforschen, einfach nur empfänglich sein wie ein Mutterschoß. Der erste ist yang, der zweite ist yin. Der erste Weg ist männlich geprägt, der zweite Weg ist weiblich geprägt. Man braucht auf dem zweiten nur gelöst zu sein: ohne Willen, voll Ergebenheit. Da braucht man nur Gott walten zu lassen - muss man Gott nicht erreichen, sondern sich nur für ihn zur Verfügung halten. Du bleibst einfach nur still und leer. Machst dich geräumig, damit du, wenn er kommt, offen für ihn bist. Du hältst dich für ihn offen. Auf dem Weg des Willens gibt es viel tun; auf dem Weg der Hingabe gibt es gar nichts zu tun - buchstäblich nichts zu tun, nur nichts zu tun. Man kann diese beiden Wege auch anders benennen. Den ersten Weg kann man auch als den Weg des Asketen bezeichnen. Das Wort Asket geht auf das Griechische ascesis zurück - was „Übung" bedeutet. Da kommen viele Methoden, viele Übungen in Frage - Yoga, Methoden, Techniken. Den zweiten Weg kann man auch als den Weg des Mystikers bezeichnen - keine Übungen, keine Methoden, keine Techniken. Der erste Weg erfordert unweigerlich Zeit. Da kannst du nicht sofort erleuchtet werden - Methoden brauchen Zeit, Übungen brauchen Zeit, Vorbereitungen brauchen Zeit, also wirst du viele Leben warten müssen. Die Erleuchtung wird langsam passieren, sie kann nicht plötzlich passieren. Auf dem
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negativen Weg kann sie urplötzlich passieren, kann sie in diesem Augenblick passieren. Da ist keine Zeit erforderlich, weil keine Übung erforderlich ist. Da brauchst du nirgendwo hinzugehen; da brauchst du dich einfach nur still hinzusetzen, brauchst du einfach nur entspannt zu sein. Man braucht nicht zu warten. Der Weg des Mystikers ist mysteriös - unerklärlich. Der Weg des Asketen ist erklärbar: Er ist sehr wissenschaftlich, sehr logisch. Man kann ihn Schritt für Schritt erklären; man kann ihn analysieren, in einfache Schrittchen unterteilen. Man kann die Schritte so klein machen, dass jeder sie bewältigen kann, selbst ein kleines Kind; da kann es schrittweise vorangehen. Aber der Weg des Mystikers ist sehr mysteriös, weshalb er auch der mystische Weg genannt wird. Dazu sind weder Schritte noch Schrittchen erforderlich, sondern ein Quantensprung, ein Sprung ins Unbekannte - plötzlich, blitzhaft. Natürlich lässt sich das nicht logisch erklären. Der logische Verstand kommt da nicht mit. Es gehört sehr viel Einsicht dazu, die nicht auf Logik, sondern auf Intuition beruht, nicht auf dem Intellekt beruht, sondern auf Intuition beruht. Das erfordert einen unlogischen, abenteuerfreudigen Geist, einen, der keiner Schritte bedarf, einen, der bereit ist ins Unbekannte zu gehen, einen, der mutig genug ist den Spnmg zu wagen. Auf ersterem Weg setzt du einen Schritt vor den andern, steigst du aufwärts. Auf letzterem wagst du einfach einen Sprung in den Abgrund. Es ist ein bodenloser Abgrund, eine gähnnende Leere, das absolute Nichts. Du verschwindest darin. Dies also sind die zwei Wege; und ein jeder muss im eigenen Innersten entscheiden, welcher von beiden ihm oder ihr behagt. Das ist schwer zu entscheiden.
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Aber es muss entschieden werden, andernfalls wirst du dich ständig mit Dingen befassen, die sich dann als sinnlos entpuppen werden. Wenn du zu springen fähig bist, brauchst du kein Yoga-Training anzufangen. Wenn du unfähig bist zu springen, dann hat es keinen Zweck, nur dazusitzen und zu warten. Auf dem ersten Weg droht als größte Gefahr das Ego, weil es da viel zu tun gibt, und wer zu egoistisch ist, der wird ein Macher werden und dem wird sein Ego in die Quere kommen. Mail muss zwar viel tun, aber nicht, um sein Ego zu stärken. Auf dem zweiten Weg heißt das Problem Lethargie. Da darfst du nämlich überhaupt nichts tun; davon kann man lethargisch werden, und dann stumpft man ab, stirbt man ab. Das ist die Gefahr - naheliegend. Wer nur still dasitzt, gar nichts tut, der versackt mit der Zeit, stumpft ab, verblödet gewissermaßen. Du verlierst deine Konturen, du verlierst deine Lebendigkeit und wirst idiotisch. Das ist durchaus möglich ... Hier gilt es also höllisch aufzupassen. Auf dem ersten Weg muss man aufpassen, dass sich das Ego nicht breitmacht. Auf dem zweiten Weg muss man aufpassen, dass man nicht in Lethargie versackt. Wenn diese beiden Fallen gemieden werden, kann man sowohl auf dem affirmativen wie dem negativen Weg ans Ziel kommen. Menschen sind schon auf beiden Wegen angekommen, also steht ihre Gangbarkeit außer Frage. Die Frage ist nur, welcher der leichtere sein wird, welcher mehr deinem inneren Wesen entspricht: Den wähle. Auf dem Weg des Nichts gilt es ein paar Dinge zu verstehen. Liehtse ist nämlich ein Anhänger dieses Weges, der via negativa, des mystischen Pfades. Den mystischen Pfad musst du ganz allein gehen - kein Gedanke an eine „Seilschaft". Da ist nur tiefe Untätigkeit angesagt - so tief, dass man den Gedanken an jegliche Tätigkeit aufgeben und auf sie verzichten muss. Kein
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Verlangen, kein Handeln . . . Man muss sein Alleinsein erfahren. Man muss seine Abgeschiedenheit erfahren. Auf dem Weg der Affirmation ist Gott immer bei dir, bist du niemals allem. Du kannst immer mit Gott reden, immer zu Gott beten; du kannst immer hoffen, dass er bei dir ist. Er ist um dich, er hält deine Hand. Und er ist sehr zugegen auf dem Weg der Affirmation. Ihr geht nahezu Hand in Hand. Das ist keineswegs Einbildung - vergesst das nicht, das ist keine Halluzination; es ist so. Wenn du alles getan hast, was du nur tun kannst, ist er plötzlich da. Mehr kannst du nicht tun: Du hast nichts zurückbehalten , du hast getan, was du tun konntest, du hast dich rückhaltlos in die Arbeit gestürzt, du hast deine Obergrenze erreicht - von dem Moment an übernimmt Gott die Führung. Aber erst muss man sein Maximum leisten, alles darunter bringt's nicht. Man muss sich erhitzen bis hundert Grad, dann plötzlich - verdampfst du. Auf dem Weg des Asketen begleitet dich Gott, bist du nie allein, kanast du immer beten. Aber auf dem negativen Weg ist kein Beten möglich - ist Beten nicht erlaubt, ist Beten ein Hindernis. Merkt euch auch dies: Was auf dem einen Weg helfen mag, kann auf einem anderen Weg vielleicht zum Hindernis werden. Beten ist ein Hindernis. Wenn du jemanden fragst, der der via negativa folgt, wird er sagen: „Beten heißt, dass du nicht in der Lage bist, allein zu sein. Du klammerst dich immer noch an den andern. So sehr du deine Bindung an deine Frau, an deinen Mann, an die Kinder, an den Freund, an die Gesellschaft auch gelöst haben magst, aber jetzt hast du einen Gott projiziert, und an dem hältst du dich fest; du kannst einfach noch nicht allein sein." Beten heißt hier, dass du immer noch Angst hast allein zu sein. Also baust du dir eine Brücke zum „anderen", suchst du
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den andern. Beten heißt lediglich, dass du, selbst wenn du allein bist, gar nicht allein bist, sondern einsam bist. Dir fehlt der andere. Auf der via negativa ist Alleinsein einfach das Großartigste, was es gibt. Fragt ihr den Mystiker, wird er sagen, dass das Einsamkeitsgefühl nur eine Übergangsphase ist. Das Alleinsein ist der Endzustand. Ob man einsam oder in Gesellschaft ist, tut nichts zur Sache - das Entscheidende ist, dass man allein ist. Sich einsam zu fahlen ist ein Zeichen dafür, dass sich deine bisherige Erfahrung behauptet oder fortsetzt, wohingegen das Alleinsein eine radikale Veränderung bedeutet, eine Kehrtwende um 180 Grad, eine innere Unikehr oder metanoia. Einsam zu sein ist der Weg zurück zu den anderen. Wann immer man sich einsam fühlt, sucht man irgendwie den anderen. Das Alleinsein ist ein Weg zurück zu sich selbst. Das müsst ihr euch merken. Darum ist auf dem negativen Weg Meditation wichtiger als Beten, ist Meditation eine Hilfe und Beten eine Behinderung. Auf der via affirmativa ist Beten eine Hilfe und wird über Meditation kein einziges Wort verloren. Darum ist im Christentum, im Islam, im Judentum, im Hinduismus das Meditieren nicht entwickelt worden. Das Meditieren wurde durchweg von den Buddhisten und den Taoisten entwickelt - als ihr Geheimschlüssel. Man kann sämtliche Religionen in zwei Kategorien unterteilen: einerseits Hinduismus, Islam, Judentum und Christentum - die allesamt dem Weg der via affirmativa folgen, und andererseits Buddhismus und Tao - die im Grunde negativ sind, dem Weg der via negativa folgen. Hinduismus und Islam haben ihre höchste Blüte im Sufismus entfaltet. In ihm begegnen sich Hindu und Muslime, und aus dieser Begegnung ist eine wirklich schöne Blüte hervorgegan-
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gen, die eine Kreuzung ist, der Sufismus. Der steht weit über allem, was es im Hinduismus gibt, und weit über allem, was es im Islam gibt. Er steht über beidem - er hat seine beiden Eltern transzendiert. Das Kind ist schöner als seine Mutter und sein Vater - muss es sein, denn in ihm haben sich sowohl Mutter wie Vater aufgelöst. Der Sufismus ist folglich der Gipfel vom Weg des Betens. Ebenso wie sich Buddhismus und Tao begegnet sind und Zen gezeugt haben - das Beste auf dem Weg der Meditation. Wiederum schöner als Buddhismus und Taoismus, besser als beide Eltern, wieder eine Kreuzung. Die Verschmelzung von Islam und Hinduismus vollzog sich in Indien. Der Islam kam nach Indien, traf dort auf den Hinduismus - und ein wunderschönes Kind kam zur Welt. Die Begegnung von Taoismus und Buddhismus vollzog sich in China. Der Buddhismus kam nach China, traf dort auf den Taoismus und ein wunderschönes Kind kam zur Welt - Zen. Wenn alles vom Erdboden verschwände und nur diese beiden, Sufismus und Zen, weiterbestehen dürften, wäre nichts verloren. Das sind die höchsten Gipfel, aber von zwei verschiedenen Wegen: Der Sufismus ist reinstes Gebet - zikr, Gottesinbrunst; und Zen ist reinste Meditation. Das Wort Zen geht auf das Sanskritwort dhyana zurück. Zunächst wird dhyana in Pali, was Buddhas Sprache war, zu jhana. Danach wurde jhana in China zu ch'an, und daraus wurde in Japan dann Zen. Aber es bedeutet nach wie vor dasselbe wie dhyana, das ursprüngliche dhyana: „Schlichtes Alleinsein" absolutes Alleinsein, ohne die Gesellschaft auch nur eines einzigen Gedankens. In diesem Alleinsein verschwindet alles. Man ist nur noch weit, man ist nur noch Raum, pur und transparent. In dieser Reinheit „kommt man an“, „erscheint Gott“.
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Wenn du bereit bist, dich vollends leer zu machen, kommt Gott herein. Der Sufi sucht Gott. Der Zenschüler wartet: Gott kommt. Und nun zu diesem herrlichen Gleichnis: Jemand fragte Liehtse: „ Warum legst du so viel Wert auf Leere? Was soll die Leere schon wert sein!"
Natürlich, welch einen Wert könnte Leere haben? Sie wird auf der ganzen Welt verurteilt. Außer den Taoisten und den Buddhisten, versteht niemand, was Leere überhaupt bedeutet der Westen verdammt sie. Ein englisches Sprichwort lautet: „An empty mind is the devil's Workshop - ein leerer Geist ist die Werkstatt des Teufels." Nun, kann man verdammender sein? Werkstatt des Teufels? - der leere Geist? Und für die Taoisten und die Buddhisten ist der leere Geist das Allerhöchste, das Ziel! Wenn du vollständig leer bist, kommt Gott herein! Der Teufel kann nur mit einem tätigen Geist paktieren, nie mit einem untätigen Geist. Der Teufel kann nur auf Gedanken reiten, kann sich Gedanken und Wünsche zunutze machen. Was aber soll er mit Leere anfangen? Und sie scheinen Recht zu haben: Hitler ist so wenig leer wie Dschingis Khan oder Tamburlan, das sind äußerst geschäftige Leute! Über die hat sich der Teufel in die Welt eingcschlichcn... Bodhidharma ist leer, Liehtse ist leer, Nagarjuna ist leer - um sie hat der Teufel einen großen Bogen geschlagen! Aus diesen leeren Leuten ist nie etwas Verkehrtes hervorgegangen, nur Gutes, und nur Gutes ist aufgeblüht. Was für einen herrlichen Duft haben sie verbreitet! Jahrhunderte sind verstrichen, aber ihr Duft ist so frisch wie eh und je. Normalerweise aber hat man Leere noch nie als einen Wert
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geschätzt, also scheint dieser Fragesteller Recht zu haben.
Er sagt: „Warum legst du so viel Wert auf Leere? Was soll die Leere schon wert sein!" Wieso diese Wertschätzung? Was meinst du mit „Leere“? Ein Wert beruht auf Nutzen. Versucht dies zu verstehen: Ein Wert entsteht, wenn etwas nützlich ist. Wie soll man aber etwas bewerten, das gar nicht da ist? Es ist nicht nur nicht nützlich, sondern existiert noch nicht mal - wie kann man es bewerten? Aber so ist der negative Weg. Laotse sagt: Der Wert des Raums beruht nicht auf den Wänden, sondern auf dem leeren Raum zwischen ihnen. Ihr benutzt den Raum, nicht die Wände. Natürlich, wenn man ein Haus baut, dann baut man Wände, nicht die Leere, niemand kann die Leere bauen. Die Leere ist ewig, ist Teil der Natur, Teil der Existenz, ist nicht Menschenwerk. Häuser sind zwar Menschenwerk, aber nicht die Leere. Doch was benutzt ihr? Benutzt ihr die Wände oder benutzt ihr die Zwischenräumc? Das Wort Raum ist gut: Raum signalisiert Geräumigkeit. Ihr benutzt den Raum, den Zwischenraum, die Geräumigkeit. Wo geht ihr hindurch, wenn ihr durch die Wände geht? Die Tür. Die Tür ist ein Loch. „Tür" bedeutet das Ausgesparte, das, was nicht da ist - sonst könntet ihr nicht rein und raus gehen. Ihr geht durch die Tür, nicht durch die Wand. Und ihr benutzt den Raum, nicht die Wände. Was benutzt ihr, wenn ihr einen Tontopf benutzt? Die Tonwand oder den Hohlraum darin? Was benutzt ihr, wenn ihr zum Brunnen geht, um Wasser zu schöpfen? Die Leere des Tontopfes. Diese Leere ist wertvoll, und diese Leere ist nicht von euch geschaffen. Den Taoisten zufolge ist alles wertvoll, was nicht vom Menschen erzeugt wurde. Alles Erzeugte mag einen relativen Wert, einen Marktwert haben, aber eigentlich ist es nicht wertvoll -
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hat es keinen Wert. Etwas, das der Mensch erzeugt hat, ist eine Ware. Natürlich, wenn du zum Markt gehst und anfängst Leere feilzubieten, wird niemand sie kaufen wollen. Sie bildet keinen Wert und die Leute werden dich auslachen. Laotse durchquert einen Wald, der abgeholzt wird. Dutzende Holzfäller sind an der Arbeit. Dann erreicht er einen großen Baum - einen äußerst großen Baum, da passen hundert Ochsenkarren drunter - und er ist voller grüner Blätter, einfach wunderbar. Laotse schickt seine Schüler zu den Holzfällern um herauszufinden, warum sie diesen Baum nicht gefällt haben. Und die Antwort lautet: „Weil er nutzlos ist. Er taugt nicht für Möbel, er taugt nicht als Brennholz, weil er zu viel Rauch macht. Er ist zu nichts nütze, darum haben wir ihn nicht gefällt." Da sagt Laotse zu seinen Schülern: „Lernt von diesem Baum. Werdet so unnütz wie dieser Baum, dann will niemand euch fällen." Nutzlosigkeit ist sehr viel wert. Er fährt fort: „Seht diesen Baum und beobachtet ihn. Lernt etwas von diesem Baum. Dieser Baum ist großartig. Seht ihr? Alle anderen Bäume sind weg. Sie waren nützlich, darum sind sie weg. Der Baum dort war kerzengerade, darum ist er weg. Er muss sehr egoistisch gewesen sein, ganz aufrecht und stolz darauf, jemand zu sein - weg ist er. Dieser Baum dagegen ist nicht gerade, kein einziger Ast ist gerade. Er ist kein bisschen stolz; darum hat er überlebt. Laotse sagt zu seinen Schülern: „Wenn ihr lange leben wollt, werdet nutzlos."
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Aber achtet darauf, was er mit „nutzlos“ meint: „Werdet nicht zu einer Ware, macht euch nicht zu einer Sache. Wenn du zu einer Sache wirst, dann wirst du auf dem Markt verkauft und gekauft, und dann bist du unfrei, ein Sklave. Wer aber kann dich kaufen, wenn du keine Sache bist, und wer kann dich verkaufen?" Bleib ein Geschöpf der Existenz, der Natur. Werde nicht zu einer menschlichen Ware, und niemand wird dich brauchen können. Und wenn dich niemand brauchen kann, wirst du ein wunderbares eigenes Leben führen ... unabhängig, frei, voller Freude. Wenn niemand dich brauchen kann, wird niemand aus dir ein Mittel zum Zweck machen. Dann wirst du niemals erniedrigt werden, denn in diesem Leben gibt es keine größere Erniedrigung als die, zu einem Mittel zum Zweck gemacht zu werden: Irgendwer wird schon einen Nutzen für dich haben - für deinen Körper, deinen Geist, dein Dasein. Laotse sagt: „Werde so, als gäbe es dich gar nicht, damit du überhaupt nicht melir wahrgenommen wirst; und dann kannst du dem Leben so leben, wie du es willst - als dein Lehen. Dann kommt niemand an und will was von dir. Tschuangtse, Laotses Jünger, passierte einmal Folgendes... Er war so berühmt geworden, dass der Kaiser seine Minister zu ihm schickte, um ihn einzuladen sein Kanzler zu werden. Laotse war darüber sehr verärgert und sagte: „Du musst irgendetwas falsch gemacht haben. Wie sonst hast du das Interesse des Kaisers wecken können? Irgendwie musst du dich als nützlich erwiesen haben. Du hast meine Lehren offenbar missverstanden, warum sonst könnte der Kaiser sich für dich interessieren? So wirst du niemals zur Ruhe kommen."
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Sei ein Niemand, damit keiner auch nur auf den Gedanken kommt dich zu irgendetwas brauchen zu können. Es gibt eine Nutzlosigkeit, die von größtem Nutzen ist. Laotse nennt ihn „den Nutzen der Nutzlosigkeit". Aber auf jeden Fall stellt sie keinerlei Wert dar - zumindest keinen Marktwert. Gewöhnlich will man einen gewissen Wert gewinnen - ein Arzt werden oder ein Ingenieur, ein Dichter, ein Mahatma, kurz, jemand, der wertvoll ist, der der Welt unentbehrlich ist. Du hörst es sehr gern, wenn die Leute kommen und sagen: „Wenn du nicht mehr da sein wirst, werden wir dich niemals ersetzen können.“ Das freut dich zwar sehr, aber was sagen sie im Grunde damit? Sie sagen damit: „Du bist eine Sache, die wir gut gebrauchen können.“ Je unentbehrlicher du wirst, desto mehr wirst du zur bloßen Sache gemacht, und desto mehr verlierst du deine Freiheit. Wenn du sterben kannst, als hieße es nichts, wenn du völlig spurlos aus der Welt verschwinden kannst, dann ... Einst war ein großer Taoist gestorben und Liehtse ging hin, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Er fand dort Tausende versammelt. Ihm war das ein Rätsel, und so kehrte er, ohne dem Toten und seinem Leichnam die letzte Ehre erwiesen zu haben, sofort wieder heim. Ein paar Leute, die mit ihm gekommen waren, fragten ihn: „Warum? Du warst gekommen, um Abschied zu nehmen - warum gehst du unverrichteter Dinge zurück?" Er erwiderte: „Dieser Mann kann kein Taoist gewesen sein. Hier weinen so viele untröstliche Leute, dass er ihrem Leben irgendwie unentbehrlich geworden sein muss. Er muss sich als außerordentlich nützlich erwiesen haben, denn sonst wären die Leute nicht so untröst-
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lich und in Tränen aufgelöst, so als wäre ihr Vater oder ihre Mutter gestorben oder als wäre ihr Sohn gestorben. Er kann nicht absolut unnütz gewesen sein, er muss einen Nutzen gehabt haben - darum geh ich heim. Er war kein wahrer Schüler des Meisters." Für sie hat es einen Wert, ist es der oberste Wert, ein Niemand zu sein, leer zu sein, zu nichts zu gebrauchen zu sein. Wer für die Menschen unnütz ist, der nützt der Existenz ganz enorm. Dann beginnt die Existenz durch dich zu fließen, dann wirst du zu ihrem Medium - denn nur weil du so leer bist, kann sie ungehindert durch dich hindurch fließen. Du bist zu einer hohlen Bambusflöte geworden, auf der die Existenz ihr Lied spielen kann. Wenn du menschlichen Lippen gestattest auf dir zu spielen, gibst du damit der Existenz einen Korb. „Warum legst da so viel Wert auf Leere? Was soll die Leere schon wert sein!“ Liehtse erwiderte: „Wert ist nicht das richtige Wort.“ Sie ist so wertvoll, dass sie nur unschätzbar genannt werden kann. Wert ist nicht das richtige Wort. „Wert" bedeutet Ware, „Wert" bedeutet etwas, das menschlichen Nutzwert hat, etwas, das als Mittel zum Zweck dienen kann und kein Selbstzweck ist. Ein Selbstzweck kann nicht „wertvoll" im üblichen Wortsinn sein. Wenn dich z.B. jemand fragt: „Du liebst, aber was ist der Wert der Liebe?", was wirst du ihm darauf antworten? Du wirst sagen: „Wert ist nicht das richtige Wort.“ Liebe hat keinen Wert im gleichen Sinne, wie ein Auto einen Wert hat, ein Haus einen Wert hat. Geld hat Wert, Gesundheit hat Wert, aber Liebe? Liebe ist das Allerhöchste, das Letztendliche.
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Du liebst um der Liebe willen. Sie ist kein Mittel zu irgendwas anderem, sondern ist ihr eigener Zweck. Ihr Wert ist mitgegeben, sie hat ihren Zweck in sich selbst. Wenn dich jemand tragt: „Was ist der Wert des Lebens?“, wirst du bestimmt sagen: „Wert ist nicht das richtige Wort dafür.“ „Warum lebst du?“ Du wirst sagen: „Weil ich es genieße, zu leben.“ Aber was ist der Wert? „Wert? ... hat es keinen.“ Alles Wesentliche ist „wertlos“ im üblichen Sinne des Wortes. Aber alles andere bezieht seinen Wert aus dem Wesentlichen. Wert ist also nicht das richtige Wort dafür, obwohl jeglicher Wert auf ihm beruht. Du gehst ins Büro, machst deine Arbeit - die hat Wert. Du bekommst dafür eintausend Dollar pro Monat. Und dann gehst du hin und gibst die eintausend Dollar deiner Frau, weil du die Frau liebst. Du arbeitest für sie, du arbeitest für eure Kinder du liebst sie. Liebe hat keinen Wert. Deine Arbeit hat Wert, aber am Ende legt man alles, was Wert hat, zu Füßen dessen, was „keinen Wert hat" - oder „unschätzbar ist". Denkt dran, das Ziel kann keinen Wert haben. Irgendwann einmal kam ein Mann zu mir und sagte: „Was ist der Zweck des Lebens?" Und ich sagte: „Es hat keinerlei Zweck. Leben ist einfach.“ Das befriedigte ihn nicht. Er sagte: „Ich komme von weit her.“ Er war aus Nepal gekommen, und er sagte: „Ich bin ein alter Mann, ein pensionierter Professor. Schick mich nicht mit leeren Händen wieder fort! Ich bin nur gekommen, um diese eine Frage zu stellen: Was ist der Zweck des Lebens?"
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Und ich sagte; „Wenn ich dich mit leeren Händen zurückschicken kann, dann hat deine Reise ihren Zweck erfüllt. Denn mit leeren Händen dazustehen ist das Ziel. Er sagte: „Sprich nicht in Rätseln! Sag mir lieber klipp und klar, was der Zweck des Lebens ist.“ Nun, er konnte nicht begreifen, dass er eine absurde Frage gestellt hatte. Das Leben kann keinen Zweck haben; denn hätte das Leben einen Zweck, dann gäbe es etwas Wertvolleres als das Leben, und dann stünde man wieder vor derselben Frage: „Was ist der Zweck davon?" Wenn wir sagen: „Das Leben ist dazu da, die Wahrheit zu finden", dann ist die Wahrheit der wahre Zweck. Aber was ist dann der Zweck der Wahrheit? Wenn wir sagen: „Das Leben ist dazu da, Gott zu suchen“, dann lautet die Frage: „Was ist der Zweck Gottes oder des Finden Gottes oder der Erkenntnis Gottes?“ Am Ende muss man das Wort „Zweck" aufgeben; letztendlich müsst ihr es fallen lassen. Ja, „Wert" ist nicht das richtige Wort dafür, „Zweck" ist nicht das richtige Wort dafür; und wer dies erkennt, dem wird ein großes Licht aufgehen. Leben hat weder Zweck noch Wert. Liebe hat weder Zweck noch Wert. Gott hat weder Zweck noch Wert. Wahrheit hat weder Zweck noch Wert. Mit anderen Worten: Gott, Leben, Wahrheit, Liebe sind nur vier verschiedene Namen für ein und dasselbe. Sie unterscheiden sich nicht, weil sie ein und dasselbe sind - und das hat keinerlei Zweck. Alles führt seinen Zweck nur darauf zurück, dass dies das Allerhöchste, der absolute Gipfel ist. Eine Frau fragte mich: „Es fällt mir sehr schwer, zu verstehen, was du mit „Gott“ meinst, denn ich glaube nicht an Gott. Ich
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habe nie an Gott geglaubt. Ich würde gern verstehen, aber sobald du das Wort „Gott“ aussprichst, sträubt sich etwas in meinem Kopf dagegen, mache ich zu." Ich sagte zu ihr: „Mach's einfach so: Jedesmal, wenn ich ,Gott' sage, hörst du ‚Leben' - das wird reichen. Wann immer ich ,Gott‘ sage, hör es als ,Leben‘ - übersetze es sofort als ,Leben‘." Sie war erleichtert. Wie sehr wir doch auf Wörter fixiert sind! Wenn ich „Gott“ sage, sperrt sich der eine dagegen, wenn ich „Leben" sage, sperrt sich ein anderer dagegen. Dabei tausche ich nur die Begriffe aus. Aber „eine Rose ist eine Rose ist eine Rose", egal welchen Namen man ihr gibt. Ihr könnt sie Jasmin nennen die Rose bleibt eine Rose. Es gibt nur ein Letztendliches. Verschiedene Menschen haben es nur verschieden benannt. Dieses eine ist deshalb „wertlos", weil es den letztendlichen Wert darstellt. Darüber hinaus gibt es nichts, was andere Dinge „wertvoll" machen kann. Man kann es nicht als Sprungbrett benutzen, weil es jenseits von ihm nichts mehr gibt; es ist jenseitig. Liehtse erwiderte: „Wert ist nicht das richtige Wort dafür. Sei am besten still, sei am besten leer. In Stille und Leere finden wir unser Obdach; durch Geben und Nehmen verlieren wir es.
„Sei am besten still." Nun, statt also damit zu antworten, was ein Wert ist oder warum die Leere ein Wert ist, beruft Liehtsc sich hier auf Erfahrung. Der taoistische Ansatz ist im Grunde existenzialistisch. Sie halten nichts von abstrakten Spekulationen und Begriffen. Sie sagen: „Du kannst es selbst erfahren, deswegen brauchst du es dir nicht aus zweiter Hand zu besorgen!" Tatsächlich kann Gott niemals secondhand sein; er muss immer firsthand sein. Du kannst dir meinen Gott nicht borgen - mein Gott ist
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mein Gott. Du wirst zu deinem eigenen Gott finden müssen. Natürlich, wenn du hingekommen bist, wirst du finden, dass mein Gott und dein Gott dieselben sind, aber du wirst auf dich selbst gestellt hinfindcn müssen; es muss in deinem eigenen Sein aufblühen. Eine taoistische Geschichte geht so: Herzog Huan saß einmal oben in seinem Saal und las ein Buch, während unten der Radmacher P'ien ein Rad anfertigte. Nach einer Weile legte Pien Hammer und Hobel beiseite, stieg die Treppe hinauf und sagte: „Ich wage es, Euer Durchlaucht eine Frage zu stellen: Was für Worte lest Ihr da?" Der Herzog antwortete: „Die Worte von Weisen." „Leben diese Weisen noch?" „Sie sind tot", war die Antwort. „Dann ist also das, was Ihr, mein Herrscher, da lest", fuhr P'ien fort, „nur der Bodensatz und die Überbleibsel von jenen Alten." Der Herzog sagte: „Wie willst du, ein Raclmacher, irgendeine Meinung zu dem Buch haben, das ich hier lese? Wenn du mir das erklären kannst, sehr gut; wenn nicht, wirst du sterben müssen. Ich werde dich töten." Er war richtig empört. Das ging zu weit! Da kommt so ein Radmacher zu seinem Fürsten gelaufen und sagt: „Alles, was du liest, ist nichts als der Bodensatz und die Überbleibsel von alten toten Männern!" Der Radmacher sagte: „Dein Diener betrachtet die Sache vom Standpunkt seiner eigenen Kunst. Wenn ich Räder baue und es vorsichtig angehe, sodass es angenehm für mich ist, wird die ausgeführte Arbeit aber
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nicht stabil genug. Wenn ich es zu grob angehe, wird's anstrengend und dann passen die Teile nicht ineinander. Nur wenn meine Handbewegungen weder zu vorsichtig noch zu grob sind, kann ich das umsetzen was mir vorschwebt. Aber was sich da genau abspielt, vermag ich nicht in Worten auszudrücken." Weder zu grob noch zu vorsichtig - genau dazwischen, ausgewogen ... Wie sagt der Radmacher? „Aber was sich da genau abspielt, vermag ich nicht in Worten auszudrücken. Wie diesen absoluten Mittelpunkt zwischen Mühe und Mühelosigkeit, zwischen Tun und Nichttun zu erreichen, vermag ich nicht in Worten auszudrücken; da ist ein Kniff dabei, aber ich kann ihn nicht beschreiben. Ich kann‘s zwar, aber ich kann's nicht sagen. Ich kann diesen Kniff nicht meinem Solm vermitteln - nicht einmal meinem Sohn! Auch kann mein Sohn ihn nicht von mir lernen. Man kann ihn unmöglich „lernen". Beim Lernen und Lehren, Lehren und Lernen kann es immer nur um äußere Dinge gehen - dies aber ist ein inneres Empfinden. So kommt es, dass ich in meinem siebzigsten Jahr stehe und in meinem hohen Alter noch immer Räder anfertige. Aber diese alten Weisen und das, was sie ohnehin nicht vermitteln konnten, sind tot und vergangen. Folglich ist das, was Ihr, mein Fürst, da lest, nichts als Bodensatz und Überreste!" Damit will er sagen: Ich lebe noch, ich kenne den Kniff und kann ihn dennoch nicht vermitteln, kann mein Wissen nicht
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weitergeben. Und ich lebe und ich versteh meine Kunst, und ich habe meinen Sohn und würde sie ihm liebend gern beibringen. Ich bin so alt, schon siebzig, und muss immer noch arbeiten. Wenn ich es meinem Sohn beibringen könnte, könnte ich mich zur Ruhe setzen. Aber wenn ich meine Kunst nicht einmal zu Lebzeiten vermitteln kann, wie können dann diese alten Weisen, die tot sind, etwas vermitteln, das sich nur erfahren lässt? Es war zu Lebzeiten des Weisen nicht zu vermitteln, wie sollte es sich also vermitteln lassen, wenn es den Weisen schon seit Jahrhunderten gar nicht mehr gibt? „Ihr verschwendet eure Zeit, Herr", schloss er. „Dies ist nichts als Plunder." Dieser Alte ist ein Mann des Tao. Die Taoisten haben herrliche Gleichnisse, so wie dieses: ein gewöhnlicher Mann, ein armer Mann, ein Radmacher, den kein Mensch kennt..., aber er hat etwas erkannt. Der ganze Ansatz des Taoismus ist der, dass nur Erfahrung den Schlüssel zu liefern vermag. Fragen kann man stellen, Fragen kann man beantworten, aber sie sind letztlich nichts wert. Um zu wissen, wie es schmeckt, musst du es essen; um zu wissen, was Liebe ist, musst du heben. Es lässt sich unmöglich beschreiben. Das ist der Grund, warum Liehtse, statt zu antworten, sagte: „Sei am besten still..." Ja, „Wert“ ist nicht das richtige Wort dafür. Aber was meint er mit „Sei still"? Ihr schwankt ständig, seid niemals still. Selbst wenn ihr dasitzt wie eine Statue, schwankt ihr noch, rennt euer Verstand immerzu noch in alle Himmelsrichtungen weiter, ist eure innere Flamme niemals reglos. Ständig flackert sie, mal nach dieser Seite, mal nach jener - irgendeine Begierde hat euch immer am Wickel. Erst wenn gar keine Begierde mehr da ist - nicht einmal die Begierde, anzukommen - wird man still.
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Wenn alle Begierden verstummen, das genau bedeutet via negativa. Wenn alle Begierden verstummen, dann wirst du plötzlich still. Dann brauchst du nirgendwo mehr hin, brauchst du keine Bewegung. Kein Wind bläst. Begierde ist der Wind, der durch dein Inneres bläst und deine innere Flamme flackern lässt, dann bist du nicht still. Selbst im Schlaf bist du nicht still. Selbst wenn du still in Meditation sitzt, bist du nicht still. Erst kürzlich fragte mich jemand: „Die Gedanken hören auch in der Meditation nicht auf, ja, sie werden sogar mehr." Solange dich dein gewöhnliches Alltagsleben auf Trab halt, kommen nicht so viele - du bist beschäftigt, konzentriert. Aber wenn du dich hinsetzt und nichts tust, dann geht deine ganze Energie in die Gedanken. Dann bricht in deinem Innern ein großer Sturm los: Gedanken über Gedanken, und manchmal bist du einfach fassungslos, was für Gedanken! Erinnerungen an früher - vor dreißig Jahren ist etwas passiert, und plötzlich sprudelt es hoch. Oder Gedanken an die Zukunft - deine Frau mag noch nicht einmal schwanger sein, aber du überlegst bereits: „Wenn wir ein Kind haben, auf welches College sollen wir es dann schicken?" Lauter so abstruses Zeug zerrt an dir herum, treibt dich an... und du weißt, dass das Unsinn ist. Viele Male erkennst du es und willst es lassen, aber du bist einfach machtlos. Seine Gedanken kann man nicht unmittelbar fallen lassen macht euch das bitte ganz klar! Lasst das tief in euch einsinken. Seinen Gedanken kann man nicht direkt Einhalt gebieten, weil Gedanken nichts anderes sind als die Diener der Begierden. Wenn eine Begierde da ist, kannst du die Gedanken nicht stoppen; ihr Herr ist da, also haben die Diener zu folgen. Du willst diesen Gedankengang abbrechen: Er ist töricht, albern ... Deine Frau ist ja noch nicht mal schwanger, und du
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denkst schon über deinen Sohn nach, der nun schon erwachsen ist und studieren wird! Auf welche Universität soll er gehen Cambridge oder Oxford? Und du zerbrichst dir ernstlich den Kopf darüber, welche von beiden die bessere wäre ... Doch der Gedanke selbst ist nicht das Problem. Du hast einen Wunsch, du hast Ambitionen, vieles in dir ist unerfüllt geblieben und du würdest das gern durch deinen Sohn nachholen. Dein „Sohn" ist nichts weiter als dein personifizierter Ehrgeiz. Du wärst gern nach Oxford gegangen, es ging aber nicht; jetzt soll es in Gestalt deines Sohnes geschehen. Da liegt der Hase im Pfeffer, daher ist dir dieser Gedanke gekommen. Dreißig Jahre sind verstrichen, und plötzlich taucht etwas auf. Nichts passiert plötzlich, alles im Verstand hat seine Ursache. Wenn dir solche Gedanken kommen, heißt das, dass da noch etwas in dir nagt; du kannst es nicht einfach nur als „dummes Zeug" abtun und vom Tisch fegen. Vor dreißig Jahren hat dich irgendwer beleidigt und die Wunde ist noch nicht verheilt; sie schmerzt noch immer. Während du so still dasitzt, kommt der Schmerz ans Licht. Über tausenderlei weltliche Beschäftigungen hast du die Sache vergesssen, aber kaum bist du mal unbeschäftigt, springt die Wunde auf, beginnt die Wunde dir Botschaften zu senden: „Tu endlich was für mich. Ich bin noch frisch, ich bin immer noch nicht verheilt. Es wird Zeit, dass du dich meiner annimmst!" Wieder und wieder hat sich diese Wunde bei dir gemeldet, und wie oft hast du schon beschlossen, dich zu rächen oder etwas zu unternehmen? Und immer wieder kommt sie an und immer noch hast du den Wunsch, dich an deinem Feind, der dich beleidigt hat, zu rächen. Der Gedanke ist nicht das Problem, der Rachewunsch ist das Problem. Analysiere deine Gedanken, und du wirst stets
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sehen, dass Gedanken nur Diener sind und dass sich irgendwo hinter dem Rücken des Dieners der Herr versteckt hält. Töte den Herrn, und die Diener werden verschwinden. Töte immer wieder nur die Diener, und nichts wird geschehen der Herr wird mit neuen Dienern ankommen. Solange der Herr noch am Leben bleibt, wird er neue Diener anheuern. Du kannst noch so viele von den alten umbringen - er wird neue anheuern. Gedanken bleiben nie von sich aus weg. Sie bleiben erst dann weg, wenn die Begierde verschwindet. Das ist es, was mit „Sei am besten still" gemeint ist. Auf die Art und Weise sagen die Taoisten: „Sei wunschlos." Darum sagen sie auch, dass du dir sogar durch den Wunsch, Gott zu erkennen, Gott zu finden nur den Weg verstellst. Sei einfach still, ohne Wunsch - so, als brauche nichts zu geschehen, als werde nichts geschehen. Sei absolut hoffnungslos, denn Hofmung ist nichts weiter als ein anderes Wort für das Wünschen. Das Wort Hoffnung ist eine Beschönigung für das Wort Begierde. Begierde ist ein etwas hässlicher Begriff, Begierde ist ziemlich ungeschminkt. Eine Hoffnung ist eine maskierte Begierde. Seid ohne Hoffnung! Nichts wird passieren. Nichts passiert je. Es gibt keine Zukunft; also lasst allen Ehrgeiz fahren. Nur dieser Augenblick existiert, also rennt nicht kopflos durch die Gegend - das ist sinnlos, das ist neurotisch, das ist verrückt. Entspannt einfach in diesem Moment - seid einfach nur. Das ist mit „Sei einfach still..." gemeint. Und diesen Unterschied gilt es zu verstehen. Wenn du zu einem Yoga-Meister gehst, wird er dir sagen, wie du still werden kannst. Er wird dir sagen, welche Stellung dir zu Stille verhelfen wird, wie du atmen sollst, welcher Rhythmus am
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ehesten zu Stille führt, ob du beim Atmen die Augen schließen oder deinen Blick nur auf deine Nasenspitze richten sollst... Er wird dir Anweisungen, Hinweise geben, er wird dir eine Wanderkarte in die Hand drücken. Die Taoisten haben keine Wanderkarten. Sie sagen, dass du dir zwar, wenn du eine bestimmte Stellung ausprobierst und z.B. auf deine Nase schaust und in einem bestimmten Rhythmus atmest, eine gewisse Stille aufzwingcn kannst, diese dann aber nicht echt sein wird. Sie ist künstlich, sie ist etwas Aufgesetztes, sie ist unecht. Die echte Stille hat nichts mit irgendwelchen Übungen zu tun. Die echte Stille kommt nicht durch Übung zustande. Zur echten Stille kommt es nur aus Erkenntnis - der Erkenntnis nämlich, dass alles Begehren nichts bringt. Versucht dies zu verstehen: Im Tao gibt es keine Übungen. Die Taoisten haben nichts zu bieten, was sich mit den YogaSutras des Patanjali vergleichen ließe, haben keine „Acht Wege des Yoga". Sie verraten dir nicht, welche Stellung, welche Disziplin, was für eine Moral - was du essen oder nicht essen darfst, wann du zu Bett gehen und wann du morgens aufstehen sollst. Sie schreiben gar nichts vor, denn sie sagen, dass euch all diese Dinge nur eine falsche, weil erzwungene Erfahrung von Stille vermitteln. Und dies will verstanden sein. Wenn du dich in einer bestimmten Stellung hinsetzt, kannst du damit deinem Verstand helfen etwas stiller zu werden. Wenn der Körper vollkommen still ist, wird auch der Verstand etwas stiller, weil Geist und Körper nicht zweierlei sind. Da gibt es keine scharfe Grenzlinie. Geist und Körper hängen zusammen. Ihr solltet, statt zu sagen, dass ihr aus Geist und Körper besteht, lieber von Geistkörper sprechen - ein Wort. Das „und" stimmt nicht, streicht
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es weg. „Geistkörper" ... „psychosomatisch": Der Geist ist die innerste Schicht des Körpers und der Körper ist die äußerste Schicht des Geistes. Wenn also der Köper still wird, dringen natürlich einige seiner stillen Frequenzen auch bis in die innerste Schicht vor; so bekommt die Stille eine physische Grundlage und man fühlt sich ruhiger werden. Man kann es aber auch anders angehen ... Wenn du wütend wirst, was tust du dann? Du beißt die Zähne zusammen, du ballst eine Faust. Warum? Kannst du nicht einfach auch ohne diese Anstalten wütend werden? Vcrsuch's irgendwann mal. Werde einfach nur wütend, ohne die Faust zu ballen und ohne die Zähne zusammenzubeißen. Bleibe einfach nur körperlich entspannt und versuche wütend zu werden, und du wirst sehen, es geht einfach nicht! Wie kannst du wütend werden, wenn du nicht den Körper zu Hilfe nimmst? Und dann versuch's auch mal andersherum: Mach ohne Wut eine Faust und beiße die Zähne zusammen... mime einfach nur mal die Wut mit Gestik, und plötzlich wirst du feststellen, dass so etwas wie Wut in dir autsteigt. Du kannst wütend werden, indem du nur die Symptome nachahmst genau dasselbe tun die Schauspieler. Der Schauspieler muss seine Rolle, wenn sie verlangt, wütend zu werden, auch spielen können, ohne wütend zu sein. Was muss er also tun? Er wird sie körperlich darstellen, und indem er das tut, stellt sie sich auch psychisch ein. Er fühlt sich nicht glücklich, muss aber einen Glücklichen spielen, also stellt er ihn körperlich dar, und hinterher macht sich eine Art Glück in ihm breit.... Körper und Geist hängen zusammen. Die Taoisten sagen, dass man das verstehen muss, weil man sonst nur eine Pseudostille herstellt. Eine nur durch eine Körperstellung hergestellte Stille ist nicht die wahre Stille, sondern ein Trick. Sie ist fast so
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chemisch, wie wenn man ein Schlafmittel nimmt; sie ist eine Droge. Wenn du mal fastest, wirst du dich sehr ruhig fühlen, weil sich die Körperchemie verändert: Der Körper bekommt weniger zu tun und darf sich entspannen. Der Magen hat nichts zu tun und ist entspannter. Und wenn der Magen nichts zu tun hat, geht mehr Energie in den Kopf. Ihr kennt das - wenn man zu viel isst, fühlt man sich plötzlich schlapp, weil der Magen alle Energie braucht um das Essen zu verdauen. Der Kopf ist nicht so wichtig - er ist ein Luxus; wenn der Magen also mehr Energie braucht, fließt die Energie zum Magen und muss sofort den Kopf verlassen. Darum wird man dann müde und die Augen fallen zu und man fängt an zu gähnen. Das besagt nur, dass die Energie vom Kopf zum Magen abgezogen wurde: Du schläfst ein. Habt ihr das schon beobachtet? Wenn man nicht gut gegessen hat, kann man nicht einschlafen; denn wenn der Magen nichts zu tun hat, steht seine Energie zur Verfügung. Sie geht sofort in den Kopf und wird dort aktiv und beginnt zu fantasieren und nachzudenken. Wenn also jemand fastet, fühlt er sich nach dem dritten oder vierten Tag sehr ruhig werden. Aber das ist eine chemische Veränderung und keine wirkliche Ruhe. Man gebe ihm zu essen und die Ruhe ist hin. Und du glaubst, du hättest dich verändert?! Wenn jemand viele Tage hintereinander fastet, wird er ein gewisses sexuelles Desinteresse verspüren - brahmacharya, die Enthaltsamkeit! Das ist ein Irrtum! Denn die Sexenergie wird durch die Nahrung gespeist. Wenn sie dem Körper entzogen wird, bleibt die Sexenergie aus, verschwindet die Sexenergie. Nach drei Fastenwochcn interessiert sich kein Mann mehr für Frauen und keine Frau mehr für Männer. Darauf sind schon viele fromme Leute reingefallen. Und sie meinen, sie
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wären nunmehr in brahmacharya, im Zölibat. Von wegen Zölibat - es ist eine Art Impotenz. Sie haben ihre Lebenskraft, ihre Vitalität verloren. Und dann bekommen sie Angst vorm Essen, bekommen sie Essstörungen, denn sobald sie gut essen, bekommen die Geschlechtsorgane sofort einen Energieschub und die Sexualität ist wieder da. Tao geht die Sache vollkommen anders an. Nämlich nicht durch Disziplinierung, sondern durch Einsicht. „Sei am besten still ... " Durch Einsicht. Durch Bewusstwerdung. „Sei am besten leer. In Stille und Leere finden wir unser Obdach..." Was heißt Leere? Leere heißt, dass du nicht mehr da bist. Gewöhnlich ist die Vorstellung, da zu sein, nichts weiter als die Ansammlung von allem, was du tust. Du hast dieses getan, du hast jenes getan, du hast einen Preis gewonnen, du hast ein erfolgreiches Geschäft gemacht, du hast ein dickes Bankkonto, du bist berühmt, du hast soundsoviele Bücher veröffentlicht, du hast viele Sachen gemacht. Diese Dinge zusammen machen dich zu einem Jemand. Leere heißt: Lass alles fallen, was du getan hast, vergiss alles, was du getan hast. Vergiss die Vergangenheit - nur dank der Vergangenheit hast du das Gefühl, ein Jemand zu sein. Überleg doch mal: Wenn sich deine Vergangenheit jetzt sofort wegwischen ließe - wer wärest du dann? Wenn im jetzigen Augenblick durch irgendein Wunder deine Vergangenheit wegfiele, wer wärest du dann? Du wüsstest nicht mehr, wer du bist. Also ist alles, was du bist, deine Vergangenheit. Und mit Leere meinen die Taoisten: Vergiss die Vergangenheit. Sobald du von deiner Vergangenheit abgeschnitten bist, bist du leer. Dann weißt du nicht mehr, wer du bist, weil alle Vorstellungen, die du von dir hast, aus der Vergangenheit kommen, auf der Ver-
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gangenhcit beruhen. Meditiert einfach mal über diese Tatsache. Wenn die Vergangenheit entfällt - wer bist du dann? Ramana Maharshi ließ seine Schüler immer über nur eine Sache meditieren: „Wer bin ich?" Wenn du immerzu weiter über dieses einfache Mantra „Wer bin ich?" meditierst, wirst du früher oder später begreifen, dass du niemand bist. Weder bist du dein Körper noch bist du dein Geist; noch bist du der Vater oder der Sohn von irgendwem; weder reich noch arm: einfach niemand. Am selben Tag, da du zu einem Nichts wirst, hast du erkannt, wer du bist: Du bist dieses Nichts! „Sei am besten leer. In Stille und Leere finden wir unser Obdach..." In der Leere bist du zu Hause. Du wirst zu einem Tempel, einem Schrein. In dieser Leere brennt die Flamme deines Bewusstsems, und diese Flamme ist eine Flamme der Göttlichkeit, des Tao. Dies ist die via negativa. „Durch Geben und Nehmen verlieren wir es."
Sobald du anfängst mit Geben und Nehmen - „Tu dieses, aber nicht jenes", dich auf andere zu beziehen und Verbindung mit ihnen aufzunehmen - verlierst du deinen Platz, verlierst du deine innere Flamme, verlierst du deinen Kontakt nach innen. Dies ist aber nur am Anfang so. Liehtse spricht hier zu einem Neuling, darum sagt er dies. Anfangs kommt das noch vor. Sobald du aber allein bist - still, ruhig und schweigend -, wirst du dich plötzlich in deiner Mitte finden, mir festem Boden unter den Füßen. Du wirst die unermessliche Freude des Nichtseins empfinden - niemand zu sein. Dein Nichts wird leuchtend sein, es wird voller Licht, Duft, Segen und Schönheit sein. Aber anfangs wird es wieder und wieder geschehen, dass das im selben Moment, da du dich auf jemanden beziehst, verloren gehen wird, dass du deine Innenwelt verlieren wirst. Die Gefahr ist, dass du beziehungsscheu werden könntest. Anfangs
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ist diese Scheu berechtigt, aber wenn sie zur Gewohnheit und zu einer eingefleischten Angst wird, dann wird es gefährlich. Der Osten ist früher in diese Falle gegangen. Viele Menschen bekamen Angst vor Beziehungen. Buddhisten entzogen sich dem Leben, Taoisten flohen in den Himalaja oder ins Gebirge, um dort als Einsiedler zu leben, denn: Durch Geben und Nehmen verlieren wir es. Aber so meint Liehtse es gar nicht. Er sagt: Ja, wenn wir geben und nehmen und ins Marktgetümmel des Lebens stürzen, dann geht die Meditation verloren. Finde zunächst zur Meditation, und mische dich dann immer unters Volk, nur werde immer bewusster, damit du eines Tages die Fähigkeit erlangen kannst, Beziehungen einzugehen und noch im Zusammensein allein zu bleiben, auf dem Marktplatz zu sein und dennoch nicht dort zu sein, in der Menge zu sein und dennoch allein zu sein. Das ist das Allerhöchste. Nur kann man das einem Anfänger noch nicht sagen. Das geschieht erst, wenn man zum Meister geworden ist. Für den Anfänger aber sagt Liehtse: Dann wirst du wissen, wer du bist, und dann plötzlich wirst du sehen, dass du es im Geben und Nehmen immer wieder verlierst. Du gewinnst etwas, und kaum trittst du mit jemandem in Beziehung - mit der Frau, mit dem Mann, mit den Kindern, dem Markt, dem Kunden, dem Chef- verlierst du's. Hol es dir wieder und wieder zurück; wann immer du Zeit erübrigen kannst, tritt wieder mit dir selbst in Kontakt. Nach und nach, nach und nach ... und ganz allmählich, eines Tages wirst du sehen, dass du mitten auf dem Marktplatz stehen kannst und so allein und still bleiben wirst wie nur irgendwo. Dann bist du zum Lotus geworden - stehst du im Wasser, ohne dass dich das Wasser berühren kann.
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Entwickle zunächst, entfalte das, was im Sanskrit shunya genannt wird - den Nullzustand, die Leere. Und dann trag ihn in die Welt hinein. Wieder und wieder wirst du's verlieren, das ist wahr, aber du brauchst dich deswegen nicht von der Welt abzukehren und ein Eskapist zu werden. Es ist eine Herausforderung. Und der höchste Gipfel ist erst erklommen, wenn niemand mehr deinen inneren Frieden stören kann - niemand und keine Situation ihn mehr stören kann. Dann hast du ihn erstmalig wirklich in Besitz genommen. Dann besitzt nicht nur du ihn, sondern er auch dich. Dann ist er dein, wirklich dein. Aber solange ilin dir noch irgendetwas rauben kann, ist er noch nicht vollends dein. Du liast ihn zwar berührt, aber du hast noch nicht Besitz von ihm ergriffen. Ich möchte euch gern eine Geschichte erzählen: In. einem entfernten Land lebte einst ein genialer Erfinder, der vor lauter Fernscherbastelei nicht mehr ganz richtig im Kopf war. Bei seinen Experimenten hatte er eine Art Geistes-Spiegel konstruiert, den er „Psychoskop" nannte. Damit konnte man seinen Geisteszustand so klar erkennen wie seinen Körper im Spiegel. Kaum war das Instrument fertig, wurde eine Fabrik gegründet, um es hcrzustellen und eine Werbekampagne überflutete das ganze Land. Die Fabrik konnte sich bald nicht mehr retten vor Aufträgen. Ehefrauen kauften das Instrument für ihre Männer: wohlgemerkt für ihre Männer! - und Ehemänner für ihre Frauen und deren Familie. Eltern kauften sie für ihre Kinder und sogar Kinder kauften sie für ihre Eltern. Arbeitgeber bestellten sie massenweise für ihre Angestellten. Wie bekannt wurde - aber vielleicht war das ja nur ein
Sei am besten still, sei am besten leer
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Gerücht -, soll nur ein einziger gewissenhafter Kunde im ganzen Lande das Instrument zum Eigengebrauch gekauft haben! Der berauschte Erfinder sah sich schon im Reichtum baden; Millionen dieser Instrumente wurden verkauft. Dann aber, so plötzlich wie er begonnen hatte, verebbte die Nachfrage und war im Handumdrehen auf Null. Die Pfandleihen quollen über von Psychoskopen, Tausende waren „aus Versehen" zerbrochen oder „unerklärlicherweise" auf dem Müll gelandet. In seiner Verzweiflung suchte sich der Erfinder eine neue Aufgabe. Er manipulierte das Instrument derart, dass es das gespiegelte Selbst im herrlichsten Licht erscheinen ließ. Dann sah man sich nicht mehr so, wie man wirklich war, sondern wie man gern sein wollte alle Fehler und Makel waren verklärt und schimmerten rosig, und alles Hässliche erschien in schönster Unschuld. Und am Ende des Jahres konnte die Firma eine Dividende von 50 Prozent ausschütten ... Wer will sich selber schon so sehen, wie er ist? Wer wird also zweimal in so einen „Geistspiegel" hineinschauen wollen? Kaum aber bestätigt uns einer in unseren Wahnvorstellungen von uns selber, kann er von uns alles haben, was er nur will. Merkt euch: Leer sein heißt, dich auf einen Zustand einzulassen, wo du dich so sehen wirst, wie du bist. Eben darum kriegen die Leute es so mit der Angst: Am liebsten wollen sie nichts davon wissen. Sie haben ihre Idealbilder, ihre Selbstbilder, herrlich ausgeschmückt. Sie befürchten, dass diese Bilder zerrinnen werden, wenn sie nach innen gehen - sie müssen zwangsläufig zerrinnen und sich in Luft auflösen, weil sie nicht stimmen und nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben können.
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Folglich geht niemand in sich. Alle Meister der Welt, egal ob sie der via affirmativa oder der via negativa folgen, alle Meister haben auf einem bestanden: dass du dich deiner Wirklichkeit stellen musst, so wie du bist. Aber wer hört schon auf sie ... Selbst wenn die Leute so tun, als wollten sie wissen, wer sie sind, erwarten sie das Selbst zu finden, das sie projizieren. Kaum machen sie sich an die Arbeit, fangen schon die Probleme an: Alles Hässliche taucht auf, man spürt seine Gehässigkeit, seine Wut, seinen Hass, seine Eifersucht. Ein Höllenspektakel bricht los und man kriegt einen solchen Schreck, dass man wegrennt und sich wieder an sein ideales Selbstbild klammert. Das ist billig zu haben. Merkt euch: Man muss sich so erkennen, wie man ist. Lasst all eure Idealbilder fallen. Sie sind zwar schön, aber auch giftig; es sind Wahnvorstellungen. Solange du nicht deine Idealvorstellungen von dir selber aufgibst - die Bilder, die du dir in deiner Ohnmacht ausgemalt hast, um deine Wirklichkeit zu übertünchen, zu maskieren ... Lass alle Masken fallen, sei still, sei leer und schau in dein Wesen - egal wie es ist. Anfangs wird es eine geradezu höllische Erfahrung sein, aber das ist der Preis, den wir zahlen müssen. Wenn du genug Mut hast und wenn du es schaffst durchzuhalten, verzieht sich die Hölle bald, verziehen sich die Wolken und die Sonne scheint im wolkenlosem Blau. Dann bist du in deinem inneren Paradies angelangt. Hölle und Himmel liegen beide in dir. Aber die Hölle ist nur die Peripherie, der Himmel ist dein innerster Kern. Du bist das Auge des Hurrikans. Tao zufolge braucht man eigentlich gar nichts zu tun, braucht man nur bis in sein innerstes Wesen vorzudringen.
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DIE TORA IST EIN SCHRITTSTEIN ZUM TAG ANTWORTEN AUF FRAGEN
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KAPITEL
KÖNNTE MAN KONFUZIUS UND DIE WESTLICHE NATURWISSENSCHAFT NICHT AUCH ALS TEIL DES TAO VERSTEHEN, UND SOMIT ALS SPIRITUELL?
DAS TAO IST GRENZENLOS. Es kann die Naturwissenschaft miteinbeziehen. Aber die Naturwissenschaft ist nicht grenzenlos und kann das Tao nicht miteinbeziehen. Die Naturwissenschaft ist Teil des grenzenlosen Mysteriums des Lebens; wenn man also die Naturwissenschaft im Tao miteinbezieht, dann ist daran nichts verkehrt. Aber sie gibt vor, ja behauptet, das Ganze zu sein, und damit wird alles schief. Dasselbe gilt für den Intellekt, das Kalkül, die Mathematik. Nichts ist verkehrt am Intellekt, solange er eine Teilfunktion bleibt und nicht hergeht und beansprucht: „Ich bin das Ganze." Wenn der Intellekt beansprucht, alles zu sein, dann haben wir ein Problem. Wenn der Intellekt sagt: „Ich bin nur ein Teil des großen Ganzen, einer gewaltig großen Wesenheit, und ich mach hier nur meine Arbeit - was darüber hinaus vor sich geht, davon hab ich keine Ahnung", dann haben wir kein Problem. Ich habe nichts gegen den Intellekt an sich. Ich bin nur gegen einen Intellekt, der sich als das Ganze ausgibt. Und so sehen es auch Laotse, Tschuantse und Liehtse: Sie sind nicht gegen den Intellekt. Wie könnten sie? Sie sind gegen gar nichts. Meine Hand ist ein Teil meines Körpers, aber wenn die Hand hergeht und behauptet: „Ich bin das Ganze“ und wenn die Hand Ansprüche stellt und sagt „Ich sollte das Ganze beherrschen, denn ich bin das Ganze, alles andere ist zweitrangig“, dann ist die Hand durchgedreht. Dann ist diese Hand gefährlich - sie hat den Kontakt zum Ganzen verloren. Nichts ist verkehrt an den Naturwissenschaften an sich. Aber
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sie sollten sich zur Religiosität gehörig betrachten, dann sind sie schön. Der Intellekt sollte sich als zugehörig zu allen Menschen sehen, dann ist er schön. Auch der Intellekt ist schön. Ich bediene mich des Intellekts Tag für Tag. Was mache ich denn hier anderes? Der Intellekt ist so wichtig, dass man sich selbst dann noch seiner bedienen muss, wenn die Rede von Dingen ist, die außerhalb seiner Reichweite liegen. Selbst wenn vom Tao die Rede ist, muss man den Intellekt zu Hilfe ziehen, muss man sich des Intellekts bedienen. Wie könnte also das Tao gegen den Intellekt, gegen den Verstand sein? Das Einzige, was das Tao von euch erwartet, ist, dass ihr einseht, dass das Leben mehr ist als der Verstand, weiter ist als der Verstand. Der Verstand deckt nur ein kleines Gebiet ab, aber umfasst nicht das Ganze. Laotse ist groß und Konfuzius kann in ihm enthalten sein, aber Konfuzius ist sehr eng begrenzt und Laotse kann nicht in ihm enthalten sein. Laotse ist wie das Tao. Konfuzius ist wie die Tora. Tora ist ein hebräisches Wort, aber ich mag es, weil es klanglich zu Tao passt. Tao bedeutet Liebe, Tora bedeutet Gesetz. In dem Wort „Tarot" steckt das Won „Tora". „Tarot" leitet sich von den beiden Wörtern Tora rota her, was „das Rad des Gesetzes" bedeutet - das sich drehende Rad des Gesetzes. Ein Gesetz muss zwangsläufig strikt sein, und ein Gesetz muss zwangsläufig engmaschig sein. Ein Gesetz muss bis ins Kleinste definiert sein; wenn es Undefiniert bleibt, taugt es nichts. Das ist der Punkt, wo Jesus in der Geschichte der Juden ins Spiel kam: Er führte in die Welt der Tora das Tao ein. Natürlich provozierte er damit seine Kreuzigung - das lag auf der Hand, denn die Tora kann Tao nicht dulden. Das Gesetz und die auf das Gesetz pochende Haltung kann die Liebe nicht zulassen,
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denn wenn die Liebe kommt, zerbricht ein jedes Gesetz. Die Liebe ist so uferlos, ozeanisch! - und wenn sie in die enge Welt des Gesetzes eindringt, dann fällt das Gesetz zusammen. Die Juden konnten Jesus nur deshalb nicht zulassen, weil er ein völlig fremdes Klima mitbrachte, das mit der jüdischen Haltung nicht zu vereinbaren war. Jesus ist undefinierbar; Moses ist sehr wohl definierbar. Moses würde sofort zu Konfuzius stehen, aber nicht zu Laotse. Die Zehn Gebote sind das Fundament einer gesetzeshörigen Haltung. Und natürlich kann eine gesetzeshörige Haltung immer noch Mittel und Wege und Schlupflöcher im Gesetz finden. Eine Frau, eine verheiratete Frau, verliebt sich in einen jungen Mann und der junge Mann will mit ihr ins Bett. Aber sie sagt: „Das darf man nicht. Das verstößt gegen das Gesetz. Und damit würden wir eins von den Zehn Geboten brechen." Worauf der junge Mann sagt: „Na und? Es bleiben ja noch neun übrig!" Das Gesetz ist eng, und zwar so eng, dass man sich Schlupflöcher suchen muss; sonst würde das Leben unmöglich. Das Gesetz erzeugt den Heuchler, das Gesetz erzeugt den schlauen Fuchs, das Gesetz erzeugt den Verbrecher - andernfalls würde das Leben absolut unmöglich. Das Gesetz lässt einen nicht leben; es macht das Leben so eng, dass man nach Mitteln und Wegen suchen muss... Und dann kommt der Rechtsanwalt... Der hilft euch, der zeigt euch, wie ihr das Gesetz brechen und trotzdem noch auf dem Boden des Gesetzes bleiben könnt - das ist seine ganze Aufgabe. Der
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Rechtsanwalt ist unentbehrlich; denn auf der einen Seite bringt das Gesetz den Verbrecher hervor und auf der anderen Seite bringt es den Rechtsanwalt hervor. Und beide sind gleich. Ich habe gehört ... Ein Priester sagt zu einem jungen Mann: „Hör dir diese Geschichte an. Es gab einmal zwei Brüder. Der eine fürchtete das Gesetz und wurde Anwalt, und der andere war sehr aufsässig und wurde Verbrecher. Der Verbrecher sitzt jetzt für den Rest seines Lebens hinter Gittern. Was sagst du dazu, mein Sohn?" Der junge Mann antwortet: „Ich kann nur eines sagen: Den einen hamse geschnappt und den andern hamse noch nicht geschnappt." Der Anwalt und der Verbrecher sind alle beide Begleiterscheinungen des Gesetzes, der Tora. Ich bin nicht gegen die Tora, weil eine so riesige Menschheit klarkommen muss. Ohne Tora geht das nicht, ohne Gesetz geht das nicht. Alle müssen sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Wenn jeder nach Belieben rumlaufen würde, so wie es die Leute in Indien tun - dann wäre das sehr schwierig, dann wäre das sehr gefährlich. Man muss das Gesetz befolgen. Aber das Gesetz ist nicht das Leben. Man sollte sich merken, dass man sich zwar ans Gesetz halten muss, es befolgen muss, sich aber trotzdem offenhalten muss für das Tao, das Jenseits. Das Tao sollte das Ziel sein und die Tora dürfte nur ein Mittel sein. Und die Tora dürfte sich nicht für das Ganze ausgeben. Sobald die Tora behauptet: „Ich bin das Ganze!", wird das Leben sinnlos. Sobald die Logik behauptet: „Ich bin das Ganze!", wird das Leben sinnlos. Sobald jemand sagt: „Das
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Leben besteht nur aus Wissenschaft!", dann ist das eine Einengung und alles wird auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht. Dann ist Liebe nichts weiter als Chemie - eine hormonelle Angelegenheit. Dann läuft alles aufs Unterste hinaus, dann ist der Lotus nichts weiter als Schlamm. Man sollte sich für das Tao offenhalten; zwar die Tora befolgen, aber offen bleiben für das Tao. Ja, die Tora hat nur insofern Recht, als sie euch in die Richtung des Tao lenkt. Das Gesetz hat nur dann wirklich Recht, wenn es euch zur Liebe hinführt. Ein Gesetz, das gegen die Liebe verstößt, ist illegal. Zum Beispiel bestimmt das Gesetz, dass man nur mit seiner Ehefrau schlafen darf. Gut, wenn du deine Frau liebst, dann fördert das Gesetz die Liebe. Aber wenn du deine Frau nicht liebst, dann ist es unmoralisch, mit ihr zu schlafen, dann verstößt das Gesetz gegen die Liebe. Wenn du mit einer Frau schläfst, mit der du nicht verheiratet bist, dann tust du's aus Liebe und nicht aufgrund des Gesetzes. Und wenn du es schaffst, diese Frau zu heiraten, dann wird es wiederum Gesetz - verstößt aber nicht gegen die Liebe. Ein Weiser wird dafür sorgen, dass sich sein Leben zwar nach dem Gesetz richtet, aber immer im Dienste der Liebe steht. Die Tora ist ein Sprungbrett zum Tao. Wenn Konfuzius im Dienst von Laotse steht, wenn die Tora im Dienst des Tao steht, dann gibt es keine Probleme. Umgekehrt jedoch läuft alles schief; stand steht alles Kopf und man muss sofort eingreifen.
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GIBT ES EINEN UNTERSCHIED ZWISCHEN INNERER DISZIPLIN UND LIEBE?
NEIN, KEINEN. Bei innerer Disziplin entfaltet sich die Liebe von selber. Aber zwischen der äußeren Disziplin und der Liebe gibt es einen Riesenunterschied - nicht nur Unterschied, sondern Gegensatz. Wenn du dir eine äußere Disziplin aufzwingst, wird sie deine Licbesfähigkeit im Keim ersticken. Sie wird dein liebendes Einfühlungsvermögen abtöten, sie wird dich abstumpfen. Du wirst deine feine Empfänglichkeit verlieren, weil jede von außen auferlegte Disziplin gegen deine Feinfühligkeit ist; und Liebe ist der Gipfel allen Feingefühls. Wenn du dich in eine Frau verliebst, dann tust du das mit allen fünf Sinnen. Du magst dir dessen gar nicht bewusst sein, denn der Mensch hat sich seinen Sinnen heutzutage so entfremdet, dass er es nicht mehr merkt. Aber beobachtet die Tiere, die noch in ihrer Natur verwurzelt sind - egal wie unbewusst sie sein mögen, aber sie sind immer noch in ihrer Natur, verwurzelt. Ein Hund schnuppert erst einmal seine Freundin ab, bevor er Liebe macht. Es genügt also nicht nur, eine schöne Frau zu sehen - man sollte sie auch riechen können. Es kann vorkommen, dass ihr Gesicht zwar schön ist und dich anzieht, aber ihr Geruch dich abstößt. Wenn du diese Frau dann heiratest, sitzt du in der Patsche. Der eine Sinn will nur noch die Scheidung und der andere Sinn will ständig heiraten, und dann hängt der Haussegen schief. Zur wahren Liebe kann es nur kommen, wenn alle fünf Sinne miteinander harmonieren wie ein Orchester. Dann währt deine Liebe sozusagen eine Ewigkeit. Dann ist sie nicht
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zeitlich begrenzt, dann ist sie nicht flüchtig. Wenn du eine Frau liebst, liebst du an ihr, wie sie klingt, liebst du, wie sie sich anfühlt, liebst du, wie sie riecht, liebst du, wie sie geht, liebst du die Art, wie sie dich ansieht. Kurz, liebst du sie mit Haut und Haar. Und diese Totalität erfährt man nur, wenn alle Sinne miteinander harmonieren. Aber der Mensch hat sich ganz aufs Auge verlegt. Die anderen Sinne dürfen nicht mehr mitreden, es zählen nur noch die Augen - die Proportionen! Der Körpergeruch spielt bei euren Wahlen zur Miss Universum keine Rolle mehr. Wie töricht! Das ist einfach stockdumm. Eine Frau mag körperlich noch so schöne Proportionen haben und dennoch stinken! Die Proportionen mögen stimmen, aber dafür ihre Stimme nicht - wie sie klingt. Sie mag unmelodisch klingen ... dann ist sie nicht schön, dann fehlt ihr etwas. Eine echte Miss Universum-Wahl würde alle fünf Sinne einbeziehen. Warum dürfen die Augen alles diktieren und beherrschen? Das ist sehr undemokratisch. Euer ganzes Leben wird nur vom Auge diktiert. Natürlich könnt ihr da eures Lebens nicht froh werden, wenn ein Sinn zu Adolf Hitler wird! In eurem Dasein, eurem Körper sollte es demokratisch zugehen. Alle Sinne sollten sagen dürfen, was sie auf dem Herzen haben und ihr solltet auf sie alle hören. Wenn ihr euch irgendeine Disziplin von außen aufzwingt, wird das eure Liebe töten, weil jede aufgezwungene Disziplin euch zwangsläufig abstumpft. Das läuft auf eine Disziplinierung von außen hinaus - genau das, was Mahatma Gandhi ständig tut. Genau das hat Adolf Hitler getan - er wollte der ganzen Nation eine Disziplin von außen aufzwingcn. Und zwar in einem so totalen Maße, dass die Leute Dinge fertigbrachten, an die sie nicht mal im Traum gedacht hatten. Aber
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ihre Disziplinierung hatte sie dermaßen abgestumpft, dass sie nichts mehr empfanden. Millionen von Juden wurden vergast und verbrannt, und die Leute, die für diese Massenvernichtung der Juden verantwortlich waren, schauten ungerührt zu. Was war nur geschehen? Ihre Empfindungen waren methodisch abgestumpft worden, eine dicke Hornhaut hatte sich auf ihre Seele gelegt. Genau dasselbe geschieht in jeder Armee. Bei allem militärischen Drill geht es nur darum, den Menschen abzustumpfen - seine Empfindsamkeit abzutöten und seine Intelligenz abzutöten. Intelligente Militärs sind nirgends zu finden - wie denn auch? Wieso wären sie sonst beim Militär? Konnten sie keine andere Laufbahn einschlagen? Das Militär sollte als Letztes infrage kommen. Und die ganze Ausbildung ist nur darauf angelegt, euch abzustumpfen: „Links rum, rechts rum, links rum, rechts rum!" - und drei oder vier Stunden lang, jeden Morgen, pausenlos... Einmal wurde ein Professor eingezogen, ein Mann von hoher Intelligenz. Als dann der Befehl kam: „Rechts um!", blieb er einfach nur wie angewurzelt stehen. Der Feldwebel blaffte ihn an: „Warum bleiben Sie stehen, wenn ich ,Rechts um!' befehle und alle ändern gehorchen?" Der Professor erwiderte: „Aber sofort danach sagen Sie wieder ,Links um!' - was soll's also? Dann sind wir ja sowieso wieder in der Ausgangsposition. Und das geht dann stundenlang so weiter - wozu also?" Wozu dieses ewige „Links um! Rechts um!"? Das ist nur ein Trick, um euch zu automatisieren. Ihr sollt nicht mehr nachdenken. „Links um!" heißt: „Dreh dich links rum! Du hast zu
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gehorchen. Tu einfach immer nur das, was dir befohlen wird!" Und nach und nach bist du dann deine Intelligenz losgeworden. Dann denkst du nicht mehr nach, und eines Tages dann, wenn man dir zu töten befiehlt, wirst du einfach nur töten. Genau wie das „Links um, rechts um!". Du brauchst gar nicht erst nachzudenken, was du da tust; zum Beispiel „Was hat dieser Mann mir eigentlich getan? Warum sollte ich ihn toten?" Die Frage „Warum?" stellt sich nicht mehr - du tust es einfach, basta. Du wirst zum Roboter, zur Maschine. Du bist kein Mensch mehr. In Indien sind die Sikhs, die in der Provinz Punjab wohnen, die besten Militärs, die besten Soldaten; und natürlich gelten sie im ganzen Land als die Allerdümmsten. Beides geht zusammen: Wenn eine Rasse sich ausgesprochen fürs Kriegsgeschäft eignet, dann büßt diese Rasse Intelligenz ein. Beides ist unvereinbar. Der intelligente Mensch muss nachdenken, bevor er handelt. Der Soldat muss handeln, bevor er nachdenkt. Genau so spielt es sich ab. Er sollte vor jedem Nachdenken handeln. Und was gibt es noch nachzudenken, wenn man es schon getan hat? Dann ist es nicht mehr nötig ... Jede von außen auferlegte Disziplin, ob als Soldat oder Mönch, stumpft eure Empfindsamkeit ab, tötet euer Feingefühl, eure Empfänglchkeit ab. Und selbstverständlich tötet sie auch eure Liebe ab, weil Liebe nichts anderes ist als das Zusammenspicl sämtlicher Sinne mit eurer Intelligenz. Aber die innere Disziplin steht nicht im Widerspruch zur Liebe. Bei innerer Disziplin entsteht Liebe. Aber lasst es mich noch einmal betonen: Die Liebe, die aus der inneren Disziplin kommt, ist nicht die Liebe, die ihr bisher gekannt habt; eure Form der Liebe ist alles andere als Liebe.
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Die Limousine fährt hei der Nervenheilanstalt vor und ein aristokratischer Herr entsteigt ihr. „Bin ich hier richtig bei der Nervenklinik?", fragt er den Pförtner. „So ist es, mein Herr", sagt der Pförtner. „Kann man sich hier selber einweisen?" „Da bin ich überfragt. Aber warum wollen sie das?", fragt der Pförtner. „Nun, die Sache ist die", sagt der Herr. „Ich bin grad eben einen Stapel meiner alten Liebesbriefe durchgegangen ... und mir ist klar geworden, dass ich geisteskrank bin." Lest euch nur mal eure alten Liebesbriefe durch, und ihr werdet ebenfalls zu dem Schluss kommen, dass ihr in die Klapse gehört - euch am besten selber dort einweisen solltet. Alles, was ihr so Liebe nennt, ist eine Wahnsinnsattacke, ein Fieberunfall, eine Art biochemische Neurose - jedenfalls keine Liebe. Wie könntet ihr lieben? Zur Liebe kommt es erst aufgrund von Meditation. Wenn man hellwach geworden ist, stellt sich eine neue Lebensqualität ein - die heißt Liebe. Alles, was ihr im Augenblick Liebe nennt, ist Eifersucht, Konkurrieren, Besitzgier, Wut und Hass. Vielleicht hast du dich selber satt: Du hältst es nicht mehr mit dir selbst aus, also brauchst du jemanden und nennst das dann „Liebe". Du besuchst irgendjemanden, an den du dich klammern kannst, den du rumkommandieren kannst, den du manipulieren kannst. Das ist Politik und nicht Liebe, das ist das Bedürfnis irgendwen zu beherrschen und nicht Liebe. Und natürlich fuhrt dieser Weg zur Hölle, natürlich wirst du dadurch nur immer unglücklicher.
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Was hat deine „Liebe" mit dir gemacht? Träume, Träume und noch mal Träume. Aber Träume entstehen nur dann, wenn du deine Liebe irgendwo in der Zukunft suchst. Dann ist es ein Traum. Und wenn du auf die Liebe zurückblickst, die hinter dir liegt, dann ist sie ein Alptraum. Alle Träume enden als Alpträume. Nein, das ist keine Liebe; andernfalls wäre die ganze Erde längst glücklich geworden. Die Menschen „lieben" sich, wohin man nur blickt: Jeder ist liebevoll... die Mutter ist liebevoll, der Vater ist liebevoll, der Sohn, die Schwester, der Bruder, die Frau, der Mann, der Freund, der Priester, der Politiker - jeder ist liebevoll zu jedem. Es muss enorm viel Liebe geben! Aber seht den Leuten in die Augen - ihr findet darin nur Unglück und nichts weiter. Also ist irgendetwas schiefgelaufen, hat man etwas anderes „Liebe" getauft. Es ist nicht Liebe. Auf dem Behälter steht zwar „Liebe", aber seht euch den Inhalt an: Eifersucht, Besitzgier, Wut, Hass, Herrschsucht - nur lauter hässliches Zeug. Ja, der Behälter ist wunderschön, wunderschön verpackt, wie ein Weihnachtsgeschenk. Macht es auf - und drinnen geht die reinste Hölle los. Von dieser Liebe rede ich hier nicht. Wenn du in dein Inneres vordringst, steigt eine total neue Energie auf. Dann hast du so viel Energie, dass du sie mir anderen teilen möchtest, dann ist Liebe ein Austeilen. Dann bist du nicht liebebedürftig, hast du es nicht nötig, von irgendwem geliebt zu werden, sondern hast zum ersten Mal Besitz ergriffen von deinem Schatz der Liebe, und es kommt ein neues Bedürfnis auf ... nämlich das, ihn mit anderen zu teilen - mit jedem, der Liebe braucht. Teile sie aus und verschenke sie. Wenn Liebe nur ein Bedürfnis ist und du nur willst, dass irgendwer dich liebt, muss es zum Unglück führen. Das ist die Liebe des Bettlers, und
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Bettler können nicht glücklich sein. Wenn man weiß, was Liebe heißt - und das ist erst möglich, wenn man in sein Inneres geht und bis zum Allerheiligstcn des eigenen Seins vorstößt... Erst wenn du weißt, dass dich dort ein Stausee voller Liebe erwartet, meldet sich ein neues Bedürfnis, nämlich sie mit anderen zu teilen, sie an alle zu verschenken, die sie gebrauchen können. Verschenk sie, und du wirst dankbar sein, dass jemand sie dir abgenommen hat. Dann empfindest du Glück, dann ist Liebe der Himmel. Aber damit ist aus dem Bedürfnis sein genaues Gegenteil geworden: Jetzt drängt es dich, Liebe zu geben. Im Augenblick drangt es dich, Liebe von irgendwem zu bekommen... bist du ein Bettler. Dann aber wirst du ein Kaiser sein - hat die innere Disziplin dich zum Kaiser gemacht.
KANN MAN AN TAO GLAUBEN - MIT ANDEREN WORTEN, SICH NICHT IN DAS LEBEN ANDERER LEUTE EINMISCHEN UND AKZEPTIEREN, WAS JETZT IST
UNDTROTZDEM PSYCHOTHERAPEUT VON
BERUF SEIN? GIBT ES EINETAOISTISCHE MÖGLICHKEITTHERAPEUT ZU SEIN, UND WENN, WIE SIEHT SIE AUS?
ZUNÄCHST: TAO BRAUCHT KEINEN GLAUBEN. Man kann nicht an es „glauben". Tao hat kein Glaubenssystem. Es sagt nicht: „Glaube!" So was tun nur andere Religionen. Tao heißt: jegliches Glaubenssystem aufgeben. Dann steigt ein völlig neues Vertrauen auf - das Vertrauen aufs Leben. Glauben heißt: an Begriffe glauben, sich einen Begriff vom Leben zu machen. Vertrauen pfeift auf Begriffe.
Antworten auf Fragen
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Vertrauen bringt man dem Leben unmittelbar, direkt entgegen; vertraut dem Leben, nicht „ans" Leben, wie der Glaube; der ist weit vom Leben entfernt. Je stärker der Glaube, desto höher die Sperre. Tao ist weder Glaube noch Unglaube, sondern die Absage an jeglichen Glauben und jeglichen Unglauben. Wenn du allen Glauben oder Unglauben aufgibst und unmittelbar bist, also mit dem Leben in Berührung bist, dann steigt Vertrauen auf, steigt ein großes Ja auf in deinem Dasein. Dieses Ja transformiert dich, transformiert dich total. Das Erste also, was du fragst: „Kann man an Tao glauben...?' Nein. Es ist kein Glaube. Sucbe dich ihm nicht durch die Tür des Glaubens zu nähern, sonst landest du in einer Philosophie, in einer Religion, in einer Kirche, in einem Dogma, jedenfalls nicht im Leben. Das Leben ist einfach nur, und ist keine Doktrin, die jemand predigt. Das Leben ist einfach nur da, es umfängt dich drinnen wie draußen. Sobald du es nicht mehr durch die Brille von Wörtern, Begriffen, Verbalisierungcn betrachtest, offenbart es sich dir. Dann wird alles ganz kristallklar, durchsichtig! In dieser Durchsichtigkeit bist du überhaupt nicht von ihm zu trennen - wie kannst du da an es glauben oder nicht glauben? Du bist es. Das ist der Weg des Tao: zum Tao zu werden. Und was das Zweite betrifft: „Kann man an Tao glauben - sich also nicht in das Leben anderer einmischen...?"
Der Fluss fließt bereits auf das Meer zu, warum sich also einmischen? Warum ihn lenken wollen? Wenn du anfängst den Fluss zu lenken, tötest du ihn - wird er zu einem Kanal. Dann ist er kein Fluss mehr, dann ist das Leben aus ihm entwichen, dann ist er ein Gefangener. Dann kannst du ihn zwingen, wo du willst, aber dann hat er sein Lied und seinen Tanz verloren; eine Leiche wird auf ihm schwimmen.
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Als Fluss war er lebendig, als Kanal ist er tot. Als Kanal ist er nur noch dem Namen nach ein Fluss. Er ist gar kein Fluss mehr, denn ein Fluss sein heißt frei sein, heißt fließen, heißt suchen, heißt seiner innersten Natur folgen. Die innerste Natur des Fluss-Seins besteht darin, nicht gelenkt zu werden, nicht hin und her geschoben zu werden, nicht manipuliert zu werden. Hast du das erst mal verstanden - dass du nur weiter wachsen kannst, wenn du dich nicht einmischst - nicht einmal in dein eigenes Leben... Hast du erst einmal begriffen, dass du nur dann wachsen kannst, wenn sich niemand in dein Leben einmischt, wie könntest du dich dann noch in das Leben anderer einmischen wollen, egal wessen? Aber wenn du dich in dein eigenes Leben einmischst... Wenn du irgendein Ideal hast, dem es entsprechen sollte, dann mischst du dich mit diesem Ideal ein. Das „Sollte" ist die Einmischung. Wenn du ein Ideal hast - dass du wie Jesus oder wie Buddha oder wie Laotse zu sein hast, dass du ein perfekter Mann oder eine perfekte Frau zu sein hast, dass du was auch immer zu sein hast - dann ist das eine Einmischung. Dann lebst du nach Plan, hast du eine Richtung - und bist damit auf eine bestimmte Zukunft festgenagelt. Dann ist deine Zukunft schon tot, hast du deine Zukunft deiner Vergangenheit gleichgemacht, kann sie nichts Neues mehr bringen. Dann hast du sie zu etwas Totem gemacht. Von nun an schleppst du dich mit ihrer Leiche ab und wirst dich in alles einmischen; denn jedes Mal, wenn du das Gefühl haben wirst, dich verfahren zu haben ... mit verfahren meine ich, vom Ideal abgewichen zu sein. Denn niemand hat sich je verirrt, niemand kann sich verirren, es ist gar nicht möglich, einen Fehler zu machen. Ich wiederhole: Es ist unmöglich, sich zu verirren, denn wo immer du hingehst ist das Göttliche da; und
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egal was du tust, du wirst im Göttlichen ankommen. Alles Tun verwandelt sich ganz natürlich ins Höchste - ob es gut ist oder schlecht, alles. Ob Sünder oder Heiliger, alle erreichen das Göttliche. Gott lässt sich einfach nicht vermeiden. Aber wenn du irgendein Ideal hast, kannst du ihn hinhalten. Entrinnen kannst du ihm nicht: Früher oder spater wird Gott Besitz von dir ergreifen. Aber du kannst es hinauszögern, du kannst es bis in alle Ewigkeit hinauszögern - die Freiheit hast du. Ein Ideal haben heißt, sich gegen die Natur sperren. Gurdjieff hat immer wieder gesagt, dass alle Religionen gegen Gott sind - und da ist was dran. Damit spricht er eine tiefe Erkenntnis aus: Alle Religionen sind deshalb gegen Gott, weil alle Religionen nur Ideologien und Ideale in die Welt gesetzt haben. Man braucht keine Ideale, keine Ideologien. Man sollte ein einfaches, schlichtes Leben führen. Man sollte Gott walten und schalten lassen, wie er es für richtig hält. Wenn er dich so haben will, gut: „Sein Reich komme, sein Wille geschehe". Das ist die taoistische Haltung. Dann schließt sich jede Einmischung von selber aus - jedes Ideal und jede Einmischung. Und hast du erst mal von der Freiheit gekostet, die sich dir auftut, wenn du kein Ideal mehr hast - wie könntest du es dann noch über dich bringen, dich in das Leben eines anderen einzumischen? Ihr aber mischt euch in das Leben eurer Kinder ein, ihr mischt euch in das Leben eurer Frau, eures Mannes, eures Bruders, eures Freundes, eurer Geliebten ein. Das geht aber nur solange, wie man glaubt, ihnen mit so einer Einmischung helfen zu können. Dabei verkrüppelt man sie! Für diese eure Art der Einmischung haben die Zenleute genau den richtigen Ausdruck gefunden; nämlich dass man damit „einer Schlange
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Schuhe anzieht." Ihr wollt jemandem helfen, ihr gebt euch die größte Mühe, tut ein gutes Werk - und zieht einer Schlange Schuhe an! Und ihr denkt euch dabei: „Wie kann man diese Schlange auch ohne Schuhe losziehen lassen! Wo doch überall Gefahren lauern, die Straßen voller Schlaglöcher sind und es von Dornen wimmelt. Das Leben ist voller Dornen, also lasst uns der Schlange helfen - ziehen wir ihr einfach Schuhe an!" Damit bringt ihr aber die Schlange nur um... Hierauf lauten alle Bemühungen hinaus, das Los anderer Menschen zu verbessern. Aber das könnt ihr natürlich nur, wenn ihr euch selbst verbessern wollt - dann werdet ihr auch die anderen verbessern wollen. Dann steckt ihr andere mit eurer eigenen Krankheit an. Sobald du aufhörst dich selbst zu verbessern ... sobald du dich so akzeptierst, wie du bist, ohne Bedingungen, ohne Groll, ohne Klage, sobald du anfängst dich selbst so zu lieben, wie du bist, lässt du auch die Finger davon, dich einzumischen. Das Dritte: Kann man ... akzeptieren, was jetzt ist ~ und trotzdem Psychotherapeut von Beruf sein?
Das kann man sehr wohl, aber Therapeut in einem völlig anderen Sinne - nicht im Freudschcn Sinne, sondern im wirklichen Sinne. Und was ist ein „Therapeut im wirklichen Sinne"? Er wird völlige Freiheit gewähren; er wird nur eine Präsenz, ein Licht, eine Freude sein. Ohne den Patienten ändern zu wollen - obwohl der Patient sich ändern wird. Er wird sich nicht bemühen den Patienten gesund zu machen. Er wird sich nicht bemühen ihn normal zu machen. Er wird sich nicht versteigen ihm zu helfen, sich wieder dieser neurotischen Gesellschaft anzupassen. Er wird überhaupt nichts wollen. Er wird einfach nur als Katalysator präsent sein. Er wird den Patienten lieben. Er wird ihn an seiner Energie teilhaben lassen, er wird
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seine Energie über ihm ausschütten. Und denkt dran: Die wahre Therapie heißt Liebe; alles andere ist Nebensache. Tatsächlich gibt es nur deshalb so viele psychiatrische Patienten auf der Welt, weil sie nie geliebt worden sind. Niemand hat sie je geliebt - darum sind sie aus dem Gleichgewicht geraten, haben sie den Kontakt zu ihrer Mitte verloren; denn nur durch Liebe findet man zu seiner Mitte. Das wirkliche Problem ist also nicht irgendeine Krankheit; das wirkliche Problem ist, dass sie im tiefsten Grunde nie geliebt worden sind, dass sie nie die Atmosphäre der Liebe geschnuppert haben. Ein taoistischcr Therapeut hat also nur seine Liebe, seine Einsicht, seine Vision zu bieten. Er wird dir seine Energie widmen und sich in keiner Weise einmischen. Und dann geschieht die Heilung von selbst. Zur Heilung kommt es nicht durch irgendwelche Bemühungen des Therapeuten, sondern durch seine Gelassenheit, durch seine Untätigkeit, durch seine ungeheure Passivität. Habt ihr das noch nie an euch selbst beobachtet? Manchmal bist du krank und rufst den Arzt, und der Arzt kommt; und er braucht nur zur Türe hereinzukommen, und schon fühlst du dich etwas weniger krank als zuvor. Er hat dir keinerlei Arznei gegeben - nur seine Präsenz, seine Anteilnalmie, seine Liebe... Er legt dir seine Hand auf den Kopf, misst deinen Puls, und plötzlich spürst du, wie eine Veränderung eintritt. Dabei hat er überhaupt nichts getan, hat dir keine Medizin verabreicht nicht einmal eine Diagnose hat er gestellt. Schon vor jeder Diagnose ist deine Krankheit, wenn dein Arzt ein liebevoller Mensch ist, zu fünfzig Prozent geheilt. Und was die anderen fünfzig Prozent betrifft, da muss er etwas unternehmen. Denn auch er weiß noch nicht, dass kein Mensch einen anderen zu heilen vermag, dass es immer nur die Natur ist, die heilt.
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Der Mensch kann sich nur zum Medium der Heilenergie machen... Nur darum funktioniert das Geistheilen: Da brauchen sich nur drei oder vier Personen - liebevolle Menschen um den Kranken zu setzen. Sie halten sich bei den Händen, singen ein Lied, ein rhythmisches Lied, und plötzlich spürt der Kranke in seinem Innern ein gewaltiges Aufwallen und es findet eine Transformation statt. Was hat sich da abgespielt? Diese vier liebevollen Personen sind zu Medien des Tao geworden. Man kann durchaus Therapeut sein. Tao hat nichts gegen Therapie - nur muss die Therapie von anderer Qualität sein. Sie wird wu wei sein, wird ein „Handeln durch Nichthandeln" sein. Sie wird feminin sein und nicht aggressiv, sie wird den Patienten nicht „einer Heilmethode unterwerfen", sondern ihn einfach nur sanft überreden. Sie wird den Patienten nur dazu ermuntern wieder gesund zu werden, mehr nicht. Das Ganze wird sich als eine große Verführung abspielen. Der Therapcut bleibt in seiner Mitte, ist geerdet, fließend; seine Präsenz, sein Licht, seine Liebe wird die Energie des Patienten locken aufzusteigen, sich über sein ganzes Dasein zu breiten. Sie war die ganze Zeit über da - nur hatte er den Kontakt zu ihr verloren. In den Zentempeln behandelt man auch Wahnsinnige. Man macht überhaupt nichts mit ihnen. Man nimmt sich nur ihrer an. Wenn die Mönche beten, kann der Wahnsinnige kommen und sich dazusetzen - und sie beten nicht etwa für ihn, das ist ihre Sorge nicht. Sie beten wie üblich, sie singen wie üblich, und der Wahnsinnige sitzt nur dabei. Einhundert singende Mönche... und der schöne Gesang, und die Schwingung, und die ganze Atmosphäre und Stille einer Zengemeinschaft, und die Bäume und der Steingarten und die ganze Stimmung des Orts... und der Patient sitzt nur da... Ja, sie nennen ihn nicht einmal einen Patienten; denn wenn man jemanden „Patient"
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nennt, setzt er es sich in den Kopf, krank zu sein. Das ist eine Hypnose, und zwar eine sehr gefährliche. Sie sprechen nicht von einem „Patienten", sondern von einem, der Meditation braucht, der sich entspannen muss, aher nicht von einem Parienten. Nicht, dass er krank wäre; nicht, dass in seinem Kopf etwas nicht stimmen würde, dass er „plemplem" wäre, nein. Schon der bloße Gedanke, verrückt zu sein, setzt sich sofort in dem Betreffenden fest: „Ich bin verrückt." Und je mehr er sich das einredet, desto mehr wehrt er sich dagegen, verrückt zu sein. Und nun kommt ein gewisses Gesetz zur Geltung, das die Hypnotiseure entdeckt und als „Umkehreffekt" bezeichnet haben: Wer sich anstrengt, nicht verrückt zu sein, der wird es. Ihr könnt das mal an euch selber ausprobieren. Versucht einmal sieben Tage lang, „nicht verrückt" zu sein - redet euch ständig ein, macht euch ständig klar: „Ich bin nicht verrückt!" Beobachtet euch genau, alles was ihr macht ... und binnen sieben Tagen findet ihr euch in der Psychiatrie wieder! Die stetige Wiederholung löst den Umkehreffekt aus. In einem Zenkloster denkt man vielmehr, dass so jemand Entspannung braucht, das ihm die Welt zu viel geworden ist und er sich zu sehr verspannt hat, dass er erschöpft ist... mehr nicht. Keinerlei Werturteil - pures Mitgefühl. Man bringt ihn nicht ins Krankenhaus, sondern in einen Tempel. In früheren Zeiten hingierten die Tempel als Stätten der Therapie. Ein Tempel ist schon deshalb der richtige Ort für Therapie, weil der Grundansatz ein anderer ist. Man ist dort nicht Patient, man liegt nicht in einem Krankenhaus, man braucht sich nicht auf die Therapeutencouch zu legen, sondern geht zum Tempel. Man zieht sich dorthin zurück, um wieder mit der Existenz in Kontakt zu kommen, um wieder mit der Existenz in Berührung zu kommen.
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Denn die Existenz ist die Quelle aller Erholung uml Gesundheit und Ganzheit. Ja, man kann durchaus Psychotherapeut sein. Besser gesagt: Man kann nur als Taoist ein authentischer, wahrer Psychotherapeut sein. Aber dann ist man kein Macher mehr. Dann ist man nurmehr ein Vehikel, ein Medium.
WARUM KLAMMERT MAN SICH AN DAS ALTE? WARUM HAT MAN ANGST VOR DEM NEUEN?
DAS HAT SEINEN NATÜRLICHEN GRUND. Mit dem Alten kennt man sich aus, mit dem Neuen ist man unbeholfen. Mit dem Alten weißt du umzugchen, mit dem Neuen musst du wieder beim ABC anfangen. Das Neue gibt dir das Gefühl nichts zu wissen. Das Alte kennst du in- und auswendig: Du hast es stets und immer wieder gemacht, es läuft wie am Schnürchen, da brauchst du nicht sonderlich aufzupassen. Bei etwas Neuem musst du höllisch aufpassen, die Augen offen halten, sonst könnte etwas schiefgehen. Ist dir das noch nie aufgefallen? Wenn du Autofahren lernst, passt du auf wie ein Luchs. Wenn du's dann gelernt hast, denkst du an andere Dinge, du singst ein Lied, machst das Radio an, unterhältst dich mit einem Freund und denkst an alle möglichen Dinge, und das Fahren läuft wie von selber, mechanisch, robotermäßig - es geht auch ohne dich. Das Alte wird automatisiert, zur Gewohnheit. Darum löst alles Neue Angst aus. Darum können Kinder gut lernen. Denn je älter du wirst, desto mehr nimmt deine Lernfähigkeit ab. Einem alten Hund kann man kaum noch neue Tricks beibringen. Die alten kann er gar nicht oft genug wiederholen; die Tricks kennt er!
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Ich habe gehört... Der ausländische Diplomat ist zu Besuch bei der UNO, spricht aber kein Wort Englisch. Als er das Signal zum Lunch aus der Abgeordneten-Kantine hört, stellt er sich an und passt auf, was der Mann vor ihm am Büffet verlangt: „Apple pie and coffee - Apfelkuchen und Kaffee". Also spricht er es genau nach - und verlangt vierzehn Tage über immer wieder dasselbe zum Lunch. Dann aber will er mal was Neues probieren und belauscht wieder einen Kunden: Der will ein „Ham sandwich Schinken-Sand wich". „Ham sandwich", sagt er zu dein Mann am Büffet. „White or rye? - Weizen oder Roggen?", fragt der zurück. „Ham sandwich", wiederholt der Diplomat „White or rye?', fragt der Mann am Büffet noch mal. „Ham sandwich", wiederholt der Diplomat. Da platzt dem Mann am Büffet der Kragen und er brüllt: „Sind Sie taubstumm oder was? Sie...", und schreit noch mal, während er dem Diplomaten den Vogel zeigt: „ White or rye - auf Weiß- oder Roggenbrot?" „Apple pie and coffee“, antwortet der Diplomat. Wer will es schon so weit kommen lassen? Das kann ja gefährlich werden! Also bleibt man lieber beim Alten. Aber wenn du dich immer nur ans Alte hältst, lebst du überhaupt mehr, bist du ein Scheintoter. Das Leben hält immer zum Neuen. Nur im Neuen und nur im Neuen steckt Leben. Das Leben muss frisch sein. Bleibe ein Lernender, werde nie ein Wisser. Bleib offen, verschließe dich nie. Bleib unwissend, miste immer wieder alles Wissen aus, das sich angesammelt hat - und zwar automatisch, wie selbstver-
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ständlich. Mache dich jeden Tag, jeden Moment von a l l e m f r e i , was du gelernt hast, und werde wieder Kind. Der einzige Weg. zu leben - und in Hülle und Fülle zu leben - ist der, wieder so unschuldig zu werden wie ein Kind.
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ÜBER DEN AUTOR
OSHOS LEHREN WIDERSTEHEN jeglicher Kategorisierung, sie gehen von der persönlichen Sinnsuche bis hin zu den dringendsten sozialen und politischen Fragen, mit der die Welt heute konfrontiert ist. Seine Bücher sind nicht geschrieben, sondern aus zahllosen Tonband- und Videoaufhahmcn transkribiert. Er hat über einen Zeitraum von 35 Jahren vor einer internationalen Zuhörerschaft stets aus dem Stegreif gesprochen. Der Londoner Sunday Times zufolge zählt Osho zu den „1000 Machern des 20. Jahrhunderts"; der amerikanische Romanautor Tom Kohbins hat ihn einmal „den gefährlichsten Mann seit Jesus Christus" genannt. Osho selbst beschreibt sein Werk als „Beitrag, die Voraussetzungen für die Entstehung einer neuen menschlichen Lebensweise zu schaffen". Diesen neuen Menschentypus hat er immer wieder als „Sorbas der Buddha" umschrieben - also ein Menschen, der nicht nur wie Sorbas der Grieche die irdischen Freuden zu schätzen weiß, sondern ebenso sehr die stille Heiterkeit eines Gautam Buddha. Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Aspekte von Oshos Arbeit die Vision einer Verschmelzung der zeitlosen Weisheit des Ostens mit den höchsten Potenzialen westlicher Wissenschaft und Technik.
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VOR ALLEM SEINE REVOLUTIONÄREN NEUANSÄTZE zur Wissenschaft der inneren Transformation haben Osho berühmt gemacht. Denn seine Auffassung von Meditation wird dem rasanten Tempo einer modernen Lebensweise gerecht. Seine innovativen „aktiven Meditationen" basieren auf dem Gedanken, dass erst der in Körper und Geist angesammelte Stress abgebaut werden muss, um frei von Gedanken und entspannt einen meditativen Zustand zu erfahren. www.osho.com
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OSHO INTERNATIONAL MEDITATION RESORT
DAS OSHO INTERNATIONAL MEDITATION RESORT ist ein großartiger Platz um Urlaub zu machen und auszuspannen. Ein Platz an dem Menschen aber auch eine ganz neue Lebensweise direkt erfahren können - geprägt von mehr Bewusstheit, Entspannung und Lebensfreude. Etwa 100 km südöstlich von Mumbai im indischen Pune gelegen, hat dieser Platz ein reichhaltiges Programm zu bieten; Tausende von Menschen aus mehr als hundert Ländern weltweit besuchen den Platz Jahr für Jahr. Die Stadt Pune, ursprünglich eine Sommerresidenz für Maharadschas und reiche Briten der Kolonialzeit, hat sich zu einer blühenden modernen Großstadt entwickelt, die heute eine ganze Reihe von Universitäten und high-tech Industrien beherbergt. Das Meditation Resort erstreckt sich über ca. 15 Hektar inmitten eines von prächtigen alten Baumalleen gesäumten Villenviertels namens Koregaon Park. Das Resort bietet Unterkunftsmöglichkeiten auf dem Campus im neuerbauten Guesthouse; daneben gibt es aber noch ein breites Angebot an nahegelegenen Hotels und Privatappartments. DAS PROGRAMM DES RESORTS gründet auf Oshos Vision einer qualitativ neuen Art von Mensch, der nicht nur sein Alltagsleben schöpferisch zu gestalten vermag, sondern auch Zugang zu entspannter Stille und Meditation findet.
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Praktisch alle Veranstaltungen finden in modernen, klimatisierten Räumlichkeiten statt. Angeboten werden u.a. Einzelsitzungen, Kurse und Workshops zu allen möglichen Themen - von den bildenden Künsten bis hin zu ganzheitlichen Heilmethoden, von persönlicher Transformation bis hin zu Therapie, esoterischer Wissenschaft, Sport- und Fitnessprogrammen mit ,Zen'-Akzent, Bezichungsthemen und Angebote für Menschen, die in grundlegenden Veränderungsphasen ihres Lebens sind. Und natürlich gibt es ganzjährlich die täglich stattfindenden Meditationen im Resort. In den Cafes und Restaurants unter freiem Himmel stehen sowohl Menüs der indischen Küche als auch eine breite Palette internationaler Gerichte zur Wahl. Verarbeitet werden nur Gemüse aus organisch-kontrolliertem Anbau von der Farm des Resorts. Der Campus verfügt über sicheres, gefiltertes Wasser aus der eigenen Trinkwasseranlage. www.osho.com/resort
www.osho.com ist eine umfangreiche Website in mehreren Sprachen. Hier können sie eine Online Tour durch das Meditation Resort machen. Sie finden hier eine Übersicht über die angebotenen Kurse und Seminare, Informationen über Bücher und CDs, Adressen von Osho Informationszentren und Auszüge aus Oshos Vortragen. Osho International, New York
[email protected]
www.osho.com/oshointernational
OSHO DAS ZEN-PRINZIP DER WEG DES PARADOXES 224 S. BROSCHUR. ISBN 978-3-936360-96-7 „Zen ist ein Spiegel, ist eine Reflexion dessen, was ist. Zen mischt sich nicht mit irgendwelchen menschlichen Vorstellungen ein. Es bevorzugt nichts. Es fügt nichts hinzu, es lässt nichts weg. Deswegen ist Zen paradox - weil das Leben paradox ist."
OSHO DAS HARA BUCH ZURÜCK ZUR QUELLE DER LEBENSKRAFT VORWORT VON GABRIELLE ROTH
336 S., GEBUNDEN, ISBN 978-3-936360-84-4 Tai Chi, Chi Gong,Yoga oder die östlichen Kampfkünste wissen und schätzen die Zentriertheit im Nabelzentrum, oder auch Hara genannt, als unerschöpfliche Quelle für Kraft, Ausdauer und Zentriertheit. Osho erläutert wie man die Achtsamkeit auf das Hara richten kann, und so Schritt für Schritt dieses Zentrum stärkt.
OSHO DIE TANTRISCHE VISION WEISHEIT, LIEBE, SPONTANEITÄT & SEX 384 S., BROSCHUR, ISBN 978-3-936360-97-4 Der Begründer des buddhistischen Tantra, Saraha, der vor über 2000 Jahren in Indien lebte und von dessen „Lied an den König" dieser Text handelt, trifft eine Pfeilmacherin, die ihn die Kunst der Verschmelzung lehrt. Unter der Anleitung dieser Pfeilmacherin wird Saraha zum Tantriker.
OSHO DIE VERBOTENE WAHRHEIT ÜBER DIE JESUSWORTE AUS DEM THOMAS-EVANGELIUM 336 S., BROSCHUR ISBN 978-3-936360-65-3 1945 wurde in einer Höhle in Oberägypten eine gnostische Bibliothek entdeckt, die das „Thomas-Evangelium"enthielt, das eine Revolution in der heutigen Christenheit haue auslösen müssen. In diesem Dokument spricht ein anderer Jesus als im Neuen Testament - der kompromisslose Jesus.
www.innenwelt-verlag.de
IN SEINEN KOMMENTAREN ZU FÜNF GLEICHNISSEN AUS „DAS BUCH LIEHTSE" STELLT OSHO DIE URALTE WEISHEIT DES TAO IN DAS LICHT SEINER UNVERSTAUBTEN UND ZEITGEMÄßEN DEUTUNG.
DER WAHRHAFT GLÜCKLICHE nimmt einen am Wanderweg liegenden Totenschädel zum Anlass, der Frage der Unsterblichkeit auf den Grund zu gehen - und wieso die Existenz des Egos nur Unglück heraufbeschwort. ENDLICH EINER, DER SICH ZU TRÖSTEN WEISS, fühlt der vorgetäuschten Heiterkeit eines Wandermönchs auf den Zahn und fragt, ob es ein Gluck gibt, welches das Auf und Ab des Lebens überdauert. NICHTS ZU BEDAUERN ist ein Gleichnis über den Unterschied zwischen äußerlich aufgesammeltem Wissen und einer Weisheit, die sich von innen heraus entfaltet. KEINE RUHE FÜR DIE LEBENDEN nutzt den Dialog eines mutlosen spirituellen Schülers mit seinem Meister, um die Grenzen der Philosophie sowie die lähmenden Folgen eines auf ein zukünftiges Ziel ausgerichtetes Leben aufzuzeigen. SEI AM BESTEN STILL, SEI AM BESTEN LEER bespricht die Unterschiede zwischen dem Pfad der Willenskraft, der so genannten via affirmativa von Christentum, Judentum und Islam, und dem Pfad der Mystik, der via negativa, den Buddha und Laotsc gehen. Das Buch schließt mit Fragen und Antworten zum Tao - dem Herz der Freiheit.