Nr. 421
Symbiose der Verdammten Im Labyrinth des Riesenplasmas von Detlev G. Winter
Als Atlantis-Pthor, der durch die...
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Nr. 421
Symbiose der Verdammten Im Labyrinth des Riesenplasmas von Detlev G. Winter
Als Atlantis-Pthor, der durch die Dimensionen fliegende Kontinent, die Peripherie der Schwarzen Galaxis erreicht – also den Ausgangsort all der Schrecken, die der Dimensionsfahrstuhl in unbekanntem Auftrag über viele Sternenvölker gebracht hat –, ergreift Atlan, der neue Herrscher von Atlantis, die Flucht nach vorn. Nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zukommen werden, fliegt er zusammen mit Thalia, der Odinstochter, die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an und erreicht das sogenannte Marantroner-Revier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wird. Dort beginnt für Atlan und seine Gefährtin eine Serie von Abenteuern, die allesamt voller tödlicher Gefahren sind. Die ersten Stationen ihres Weges sind unter anderem Enderleins Tiegel, der Schrottplanet, Xudon, der Marktplanet und Gooderspall, die Welt der Insektoiden. Vor kurzem hatten Atlan und Thalia sich mit den Herrschern von Ringtor auseinanderzusetzen, was schließlich zu einer überstürzten Flucht per Transmitter führte. Der Arkonide und das Mädchen gelangen dadurch in das Labyrinth des Riesenplasmas – und sie erleben die SYMBIOSE DER VERDAMMTEN …
Symbiose der Verdammten
3
Die Hautpersonen des Romans: Atlan und Thalia - Die beiden Pthorer in einem lebenden Labyrinth. Corfyl - Ein obedianischer Wissenschaftler. Glaumo - Ein Mutant. Tyrns - Atlans und Thalias unfreiwilliger Führer. Kandyr-Corn - Leiter einer Expedition.
Wenn du in der Lage wärst, zu denken und zu verstehen, würdest du eines Tages beginnen, über deine Existenz zu grübeln und nach dem Sinn deines Lebens zu fragen. Du würdest schreckliche und erschütternde Antworten erhalten. Du würdest erfahren, daß du in ferner Vergangenheit eine Vielzahl warst und unter dem Einfluß künstlicher Strahlung zu einer Einheit verschmolzen bist. Du könntest erkennen, daß du mißbraucht wirst von jenen, die dich geschaffen haben. Du könntest sie hassen und vernichten. Doch du bist des Denkens und des Verstehens nicht mächtig. Trotz deiner enormen Größe stehst du auf der untersten Stufe der Evolution. Eine Ansammlung von Zellen und Zellverbänden, eine willkürlich verwachsene, formlose organische Masse. Taub, blind und stumm. Angefüllt mit Instinkten, Gefühlen und ungeordnetem Geist. Du kannst empfinden. Manchmal spürst du wohlige Wärme, die in dich eindringt, Freundlichkeit und Zufriedenheit, Behagen und Wollust. Ein anderes Mal, so wie jetzt, durchziehen dich geistige Qual und körperliche Folter. Du nimmst es hin. Du bist nicht fähig, die Ursachen zu erkennen. Du kannst dich nicht wehren, mußt es geschehen lassen. Deine Reaktionen sind unbewußt und ungesteuert. Denn du denkst nicht und verstehst nicht. Du bist irgendwann entstanden und wirst irgendwann vergehen. Du lebst. Du fühlst. Du bist. Nicht mehr # und nicht weniger.
1. Es war lange her, daß der Arkonide die Begleiterscheinungen eines Transmitterdurchgangs in so intensiver Weise erlebt hatte. Er hatte das Gefühl, von einer gigantischen Kraft gepackt und zerrissen zu werden. Er spürte jede Faser seines Körpers. Der Schmerz raubte ihm fast die Sinne. Haltlos taumelte er einige Schritte nach vorn, die Arme in unkontrolliertem Reflex ausgestreckt. Schwer atmend blieb er schließlich stehen. Noch fühlte er sich benommen, aber unter den belebenden Impulsen des Zellaktivators erholte er sich verhältnismäßig schnell. Atlans Blick klärte sich; aus den verwaschenen Schemen konfuser Wirrnis schälten sich die Konturen einer farbenschillernden, in träger Bewegung verhafteten Wirklichkeit. Mit Erleichterung nahm Atlan zur Kenntnis, daß bisher kein Angriff erfolgt war. In den Minuten der geistigen Verwirrung wären er und seine Mitstreiter völlig wehrlose Opfer gewesen. So merkwürdig dieser Ort auf den ersten Blick wirkte, es bestand offenbar keine unmittelbare Bedrohung. Wenige Schritte neben sich sah er Thalia. Die fünf anderen vermochte er nirgends zu entdecken, und obwohl dieser Umstand seine Verwirrung steigerte, schob ihn Atlan als ein Problem zweitrangiger Bedeutung zunächst zur Seite. In erster Linie war es wichtig, sich um die Pthorerin zu kümmern. Sie hielt die Augen geöffnet, aber es war deutlich, daß sie die Orientierung noch nicht wiedergefunden hatte. Der Arkonide ging zu ihr und ergriff sie behutsam an den Schultern. »Thalia!« sagte er eindringlich. Ihre Lider zuckten unkontrolliert, dann
4 flackerte Erkennen in ihrem Blick auf. »Das war hart«, murmelte sie. »Ich dachte nicht, daß ich es lebend überstehen würde.« »Bist du in Ordnung?« Sie nickte schwach, während sie tief einatmete und die Luft zischend wieder ausstieß. »Ich denke ja.« Sie schüttelte ruckartig den Kopf, um die letzten Schatten der Desorientierung zu vertreiben. »Seit ich dich kenne, habe ich mich an einiges gewöhnt.« Atlan konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er fand die Art, wie seine Gefährtin die eben hinter sich gelassenen Strapazen überging, ermutigend. Überdies gab es noch immer keine Anzeichen, daß jemand einen Angriff auf sie vorbereitete. Vielleicht war ihnen nach den turbulenten Ereignissen auf Sinkle-Eehl endlich etwas Ruhe und Erholung vergönnt. So weit in seinen Gedanken gekommen, meldete sich die lautlose, ernüchternde Stimme des Extrasinns, die ihm in gewohnt frappierender Offenheit klarmachte, daß er sich nur umzusehen brauche, um festzustellen, wie weit es mit der erhofften Entspannung her sei. Unwillkürlich nickte Atlan. Der Ort, an den sie der Ringtor-Transmitter geschleudert hatte, war von faszinierender Fremdartigkeit. Ein kuppelförmiger Raum, dessen technische Anlagen in eine farbige, ruhelose Masse eingebettet waren. Träge pulsierend, in ständiger, schwerfälliger Bewegung begriffen, wölbte sich die Substanz in schwindelerregende Höhe hinauf. Es schien, als würde sie durch energetische Felder daran gehindert, den Saal auszufüllen. Ruhelosigkeit bestimmte das Bild. Überall in dieser zähen Masse bildeten sich Strudel und Wirbel, die sich alsbald wieder auflösten, leichte Schwingungen zogen über die Substanz hinweg, es entstanden geschwulstartige Auswölbungen. Atlan wurde den Eindruck nicht los, sich im Innern eines riesigen Organklumpens zu befinden, der die Gerätschaften der Transmitteranlage schützend umschloß. Die Erzeugnisse einer frem-
Detlev G. Winter den Technik waren auf beinahe harmonische Weise in die lebende Masse eingefügt und mit ihr verbunden. Dennoch ging eine unwirkliche Bedrohung von dem Organismus aus, sein Anblick war gleichermaßen phantastisch und erschreckend. Es waren keine Leuchtquellen zu entdecken, aber die in allen Farben schillernde Substanz erfüllte die Umgebung mit grünlichtrüben Licht. »Ich kann nicht behaupten, daß ich mich hier sonderlich wohl fühle«, sagte Atlan, nach einem langen Rundblick. Thalia nickte. Sie war einige Schritte auf und ab gegangen, um die schmerzenden Muskeln zu trainieren. Jetzt kam sie zu Atlan und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wir werden eine Menge Probleme zu lösen haben«, sagte sie und machte eine alles umfassende Geste. »Wir wissen nicht, wo wir sind, was uns erwartet und wie wir hier herauskommen sollen.« »Es wird uns etwas einfallen«, versicherte der Arkonide. Allmählich kehrten seine Kräfte vollständig zurück. »Was mich im Moment beschäftigt, ist die Frage, wo die anderen geblieben sind.«
* Die anderen – das waren die fünf Mitglieder der Obed-Sippe, mit denen Atlan und Thalia auf dem Planeten Sinkle-Eehl zusammengetroffen waren: die ebenso häßliche wie eitle Santhillia, der verwegenwilde Kuron, der schweigsame Drumuuhl, der clevere, intelligente Carnat – und Tehtleyn, das kindlichirre, heimtückische Familienoberhaupt. Einst Mitglieder eines alten Adelsgeschlechts, das über diesen Bereich der Schwarzen Galaxis herrschte, hatten sie sich auf der Flucht vor den Häschern des Dunklen Oheims in eine Festung zurückgezogen, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen architektonischen Merkmale Ringtor genannt wurde. Hier glaubten sie, Ruhe zu finden und irgendwann in Vergessenheit zu geraten. Sie hatten freilich nicht mit der Schläue
Symbiose der Verdammten Chirmor Flogs, des unumschränkten Herrschers über das Marantroner-Revier, gerechnet. Durch das Studium alter Dokumente mußte er auf die Idee gekommen sein, das Geheimnis von Ringtor zu ergründen und geeignetenfalls für seine machtpolitischen Zwecke einzusetzen. Er hatte die LARZIER losgeschickt, ein Organschiff, dessen Besatzung auf Sinkle-Eehl nach dem Rechten sehen sollte. Durch die verderbliche Strahlung Ringtors zum Absturz gebracht, hatte es immerhin noch einen Notruf absetzen können. Chirmor Flog zögerte nicht lange. Er, der seine schlimmsten Befürchtungen offenbar bestätigt sah, setzte unverzüglich eine Vernichtungsflotte in Marsch, die den letzten Überlebenden des alten Adelsgeschlechts den Garaus machen sollte. Atlans technischem Verständnis war es zu verdanken, daß die Transmitteranlage der Festung rechtzeitig aktiviert werden konnte. Er, Thalia und die Obed-Familie wurden entmaterialisiert, bevor die feindliche Flotte Ringtor zerstörte. Die Funktion eines Transmitters war dem Arkoniden vertraut. Um so seltsamer erschien es Atlan, daß nur er und Thalia hier materialisiert waren. Die Obeds tauchten nicht wieder auf. Sie blieben verschollen. Es war müßig, darüber zu spekulieren, was ihnen zugestoßen sein mochte. Vielleicht waren sie durch einen technischen Fehler oder ein Naturereignis abgesondert worden und an einem anderen Ort herausgekommen. Atlan hielt es auch für denkbar, daß die Rekonstruktion ihrer atomaren Muster nicht reibungslos abgelaufen war. Sie hatten lange unter dem Einfluß Ringtors gelebt, dessen Strahlung ihnen sogar zur Unsterblichkeit verholfen hatte. Möglicherweise war ihr Körpergefüge im subzellularen Bereich derart verändert worden, daß es einen Hypertransport unmöglich machte. Die Frage, an welchen Ort sie der Transmittersprung verschlagen hatte, hielt der Arkonide momentan dringender der Klärung bedürftig. Der Entzerrungsschmerz war ungewöhnlich heftig gewesen, und Atlan war geneigt zu glauben, daß die Entfernung, die
5 sie zurückgelegt hatten, dementsprechend groß war. Vielleicht befanden sie sich überhaupt nicht mehr im Marantroner-Revier. Narr! Der Einwand kam mit gewohnter Kaltschnäuzigkeit. Sein Extrasinn gedachte, ihn eines Besseren zu belehren. Hast du vergessen, was in Ringtor los war, als wir abgestrahlt wurden? Die Flotte des Neffen war dabei, die Anlage in Schutt und Asche zu legen. Unermeßliche Energien sind dabei freigesetzt worden. Es ist normal, daß dies nicht ohne Auswirkungen auf unseren Sprung geblieben ist. Atlan verzichtete auf eine geistige Debatte mit seinem Logiksektor. Die Erklärung, die der Extrasinn anbot, entbehrte nicht einer großen Wahrscheinlichkeit. Der Arkonide ging hinüber zu den Schaltanlagen. Er hatte die spontane Idee, den Transmitter neu zu justieren und sich und Thalia von hier abzustrahlen. Seine Bemühungen blieben erfolglos. Die Energieversorgung war unterbrochen, das Gerät mußte sich nach ihrer Ankunft automatisch abgeschaltet haben. »Gib es auf«, riet Thalia, die sein Vorgehen verfolgt hatte. »Es wird uns nichts übrigbleiben, als aus eigener Kraft hier herauszufinden.« Ihr ausgestreckter Arm wies auf die gegenüberliegende Wand der Organmasse. Dort führten mehrere Gänge tiefer in die fremdartige Substanz hinein. Über jede der Öffnungen wölbte sich eine grünliche, zuckende Membran. Auch sie schienen organischen Ursprungs zu sein, denn sie bewegten sich genau im Rhythmus des umliegenden Gewebes. Atlan nickte zustimmend. Wahrscheinlich hatten sie wirklich keine andere Möglichkeit, als eine der Membranen zu durchbrechen und in den dahinterliegenden Korridor vorzustoßen. Vorsichtig, fast ängstlich, näherten sich die beiden Menschen einem der Gänge. Das leise, stetige Rauschen wie von einem weit entfernten Wasserfall wurde deutlicher, und jetzt wurde Atlan schlagartig klar, was es zu bedeuten hatte.
6 Es war das Geräusch von Körperflüssigkeit, die den fremden Organismus durchströmte, ihn mit Nährstoffen versorgte und am Leben hielt! Die Erkenntnis versetzte ihm einen Schock. Zwar hatte er das Ungeheuerliche die ganze Zeit über vermutet, aber insgeheim hatte er gehofft, daß er sich täuschen könnte. Atlan, der uralte und erfahrene Arkonide aus dem Geschlecht der Gonozal, Mentor der terranischen Menschheit, Freund und Berater Perry Rhodans, König von Pthor – er stand fassungslos und entsetzt einem Phänomen gegenüber, das ihm im Augenblick des deutlichen Erkennens den Verstand zu rauben schien. Für einen Moment verlor er jedes Zeitgefühl. Er wußte nicht, wie lange er so dastand und seine Gedanken zu ordnen versuchte, bis Thalia ihn heftig anstieß. »Was ist los?« rief sie. Noch immer maßlos verwirrt, deutete der Arkonide auf die pulsierende Masse vor ihnen. »Es lebt!« sagte er rauh. »Wir stehen mitten in einem gewaltigen Organismus.« »Nichts anderes haben wir vermutet.« Die Leichtigkeit, mit der sie darüber hinwegging, gab ihm etwas von seiner Standfestigkeit wieder. Er sah die farbschillernde Substanz, hörte das verhaltene Rauschen der Körperflüssigkeit, spürte im Gesicht die Wärme, die der Organismus ausstrahlte – und wußte, daß er die Tatsachen endgültig akzeptiert hatte. Gleichzeitig begann er sich zu fragen, wie umfangreich dieses monströse Gebilde sein mochte, ob es natürlichen oder künstlichen Ursprungs war, wie es hatte entstehen können … Vergessene Bilder: Garnverc »Es wäre eine idyllische Welt«, kommentierte CorfylObed, »wenn sie nicht diese entsetzlichen Wesen hervorgebracht hätte.« Krilla-Obed, die neben ihm stand, nickte zustimmend. Ihr Gesicht wirkte verkniffen, während sie den Landschaftsausschnitt, der
Detlev G. Winter auf dem Bildschirm wiedergegeben wurde, unlustig musterte. »Ich fürchte«, sagte sie, »unsere Mission steht unter einem ungünstigen Stern. Die erste Sonne, die wir angeflogen haben, besaß überhaupt keine Planeten, das zweite System bestand nur aus toten Materieklumpen – und jetzt das!« Corfyl unterdrückte ein Lachen. Krilla gehörte zu den Leuten, die sich mit einer Aufgabe, die ihnen gestellt wurde, hundertprozentig identifizierten. Sie hatte den Auftrag, in insgesamt drei Sonnensystemen nach bewohnbaren Welten zu suchen. Das Scheitern ihrer Expedition mußte der stolzen Obedianerin wie ein Schlag ins Gesicht erscheinen. »Immerhin haben wir etwas gefunden, was sich zu beobachten lohnt«, versuchte der Wissenschaftler ihre Laune zu bessern. Er nahm einige Schaltungen vor. Das Bild auf dem Monitor schien ruckartig näherzukommen. »Sieh hin«, forderte er seine Begleiterin auf. »Du vergibst dir nichts dabei.« Widerwillig fügte sich die Frau seinem Vorschlag. Auf dem Bildschirm war in gestochen scharfer Ausschnittsvergrößerung eines der riesigen Protoplasmawesen zu erkennen. Es pulsierte aus sich selbst heraus, auf seiner Oberfläche waren vielfältige farbige Muster in ständiger, ruheloser Bewegung. Während des Orbits um diese Welt, der sie den Namen Garnverc verliehen hatten, hatten sie unzählige dieser Wesen entdecken können. Noch war nicht geklärt, ob der Kontakt mit ihnen einem Menschen gefährlich werden konnte, doch schien bereits jetzt festzustehen, daß die Gründung einer Kolonie auf Garnverc ausgeschlossen war. Am Bildrand, in unmittelbarer Nähe des Plasmaklumpens, tauchte eine schlangenähnliche Kreatur auf, die in geschmeidiger Be wegung über den steinernen Untergrund glitt. Krilla hatte einen entsetzten Schrei auf den Lippen, als sie sah, wie sich die Schlange in das Plasma hineinzuwühlen begann und darin verschwand. »Es ist abstoßend«, murmelte sie. Corfyl verstand ihre Reaktion,
Symbiose der Verdammten aber er war zu sehr nüchterner Wissenschaftler, als daß er ihre Einstellung hätte teilen können. »Das Leben auf Garnverc«, erklärte er, »hat sich in einer umfassenden Symbiose zusammengefunden. Tiere und Pflanzen leben mit und von den Plasmawesen. Hättest du dich etwas mehr auf Beobachtungen konzentriert, hättest du vorhin feststellen können, daß einige größere Tierarten das Plasma als Nahrung benutzen. Sie beißen Teile davon ab und verschlingen sie.« »Wozu sollte das gut sein?« »Verstehst du denn nicht?« Langsam redete sich Corfyl in euphorischen Eifer hinein. »Wir wissen nicht, wie die Plasmaklumpen entstanden sind, aber wir werden Zeugen von der Art, wie sie sich in Flora und Fauna dieser Welt eingegliedert haben. Sie sind Grundlage und Stütze einer planetaren Zweckgemeinschaft geworden.« »Glaubst du, daß sie intelligent sind?« »Kaum. Ihre Lebens und Ernährungsweise läßt nicht darauf schließen. Außerdem findet man symbiotische Verbindungen meistens bei niederen Arten. Dennoch ist es ein faszinierendes Schauspiel.« Krilla wurde seine verschrobene Anschauungsweise einer zur Besiedlung ungeeigneten Welt zu viel. Sie schaltete die Vergrößerung zurück und tastete ein Programm in den Bordrechner. Sekunden später lagen ihr die Daten zum Verlassen der Atmosphäre vor. Der Wissenschaftler beobachtete ihre Vorbereitungen ungläubig. »Du hast hoffentlich nicht vor, den Heimflug anzutreten?« »Natürlich!« schrie sie ihn an. »Was sonst? Wir sollten bewohnbare Planeten ausfindig machen, nicht irgendwelche unwichtigen Plasmaklumpen studieren!« Es war ihre Art, auf Mißerfolge zu reagieren. Corfyl hatte sich längst gelernt, der Pilotin in solchen Momenten zweckmäßigerweise nicht zu widersprechen. Daß er es dennoch tat, entsprach eher einem unbestimmten Gefühl als vernünftiger Überle-
7 gung. »Ich möchte, daß wir noch eine Weile hierbleiben«, verkündete er. Krillas Kopf ruckte sprachlos herum. Es dauerte seine Zeit, bis sie die Überraschung verdaut hatte, die der Wissenschaftler mit seinem Ansinnen erzeugte. »Darf man nach dem Grund fragen?« wollte sie dann in ihrer unnachahmlich bissigen Art wissen. Corfyl wirkte unsicher. »Ich glaube, daß man mit den Plasmawesen einige Experimente anstellen müßte. Vielleicht können sie uns in irgendeiner Weise nützlich werden.«
2. Wuchtig stieß Atlans Faust nach vorn. Die Membran zerriß mit einem häßlichen, knallenden Geräusch. Das Gesicht des Arkoniden wirkte verbissen, als er die Hand wieder zurückzog. Es widerstrebte ihm, einem lebenden Wesen Schmerz zuzufügen, und er war nahezu sicher, daß die Organmasse seine Aktion als Schmerz empfinden würde. Atlan war sich jedoch darüber im klaren, daß sie keine andere Möglichkeit hatten, den Transmitterdom zu verlassen. Er wollte sich anschicken, durch den entstandenen Spalt in den angrenzenden Gang vorzudringen, als ihm die Veränderung auffiel, die mit der Membran vor sich ging. An den Rändern des Risses bildete sich mit atemberaubender Schnelligkeit neue Substanz, die aufeinander zuwuchs und sich schließlich nahtlos zusammenfügte. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die Öffnung wieder geschlossen. Thalia stieß einen erstickten Laut aus. In ihren Augen spiegelte sich jäh aufkeimendes Entsetzen. »Es regeneriert sich selbst«, stellte der Arkonide fest. Er bemühte sich, ruhig und sachlich zu bleiben, um die Stimmung seiner Begleiterin nicht weiter zu verschlechtern. »Wir müssen es anders versuchen.« Eine Tatkraft und Entschlossenheit hatte
8 ihn ergriffen, die typisch für sein Verhalten in scheinbar ausweglosen Situationen war. Wie groß und ausgedehnt der Organklumpen auch sein mochte, es war kaum anzunehmen, daß er den gesamten Planeten bedeckte. Irgendwo mußte es einen Weg ins Freie geben. Sie würden ihn finden! Abermals stieß er mit der Faust durch die grünliche Membran. Er schob den zweiten Arm nach, zerrte die zähe, dünne Substanz auseinander und zwängte sich vollends hindurch. Der harte Stahlboden der Transmitterhalle endete an der Grenze zum Korridor. Atlan gelangte auf nachgiebigen, federnden Untergrund. Vor sich sah er, den Blick nicht mehr durch die Membran getrübt, den von pulsierender organischer Substanz umschlossenen Gang, der sich bis in die Unendlichkeit hinzuziehen schien. Vielerlei technisches Gerät war in die Wandung eingebettet und teilweise von der Plasmamasse umschlossen. Auch hier herrschte trübes, grünliches Licht. Atlan wandte sich um und beobachtete Thalia, die auf der anderen Seite des Durchgangs unschlüssig verharrte. »Komm schon!« forderte er die Pthorerin auf. Thalia zögerte, während sich die Öffnung ständig verkleinerte. Schließlich gab sie sich einen Ruck, schob das Zellgefüge erneut auseinander und trat hindurch. Atlan atmete auf. Die erste Hürde auf dem Weg nach draußen war genommen. Sie hatten ihre Abneigung überwunden, der Plasmamasse nahezukommen. Alles Weitere würde leichter sein. Prüfend preßte der Arkonide eine Hand gegen die Wand des Korridors. Das Gewebe gab unter dem Druck nach, ließ sich aber nicht durchdringen. Es wirkte zäh, fest und trotz seiner wallenden, ruhelosen Konsistenz stabil. Unwillkürlich fragte sich Atlan, ob der Transmitterdom und die angrenzenden Gänge ihre Form aufgrund natürlicher Vorgänge bewahrten oder ob das Plasma durch energetische Felder in Schranken gehalten wurde.
Detlev G. Winter Wahrscheinlich war letzteres der Fall. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Organklumpen aus sich selbst heraus dauerhafte Freiräume in seinem Innern bildete. Mit dieser Einsicht einhergehend, stellte sich die Frage, wer die Konstrukteure der Körperhöhlen und der technischen Anlagen waren. Für Atlan bestand kaum ein Zweifel, daß es sich um dasselbe Volk handelte, das auch die Ringtor-Festung erbaut hatte. Von den dunklen Mächten erbarmungslos gejagt, existierten sie längst nicht mehr. Der überraschte Ruf, den Thalia ausstieß, veranlaßte ihn, seine Beobachtungen zu unterbrechen. Die Pthorerin war einige Schritte vorausgegangen und hatte sich an einem der monströsen Geräte zu schaffen gemacht. Atlan eilte zu ihr. »Das Plasma …«, stammelte sie. Der Arkonide erfaßte sofort, was seine Begleiterin so entsetzte. Die Organmasse rund um die Apparatur hatte ihre Bewegung intensiviert. Von allen Seiten begann das Plasma sich vorzutasten und die Maschine zu umschließen. »Du hast die Schaltungen manipuliert«, warf Atlan der Pthorerin vor. »Das schützende Energiefeld ist zusammengebrochen.« Auf dramatische Weise sah er seine Vermutungen bestätigt. Jeden Halts beraubt, floß das Plasma auf den Gang hinaus. Innerhalb weniger Sekunden hatte es die Maschine völlig unter sich begraben. Wie unter einer untragbaren Last bog sich die Decke nach unten durch. Thalia stand wie gelähmt und blickte verwirrt um sich. »Es tut mir leid«, brachte sie hervor. Ein Plasmafladen, der sich von der Decke gelöst hatte, fiel auf Atlans Arm. Er unterdrückte den Impuls, den Brocken abzuschütteln, als er sah, daß sich die Substanz zusammenzog und sich wie unter Schmerzen wand. Sie verlor ihr farbenprächtiges Aussehen, wurde schmutziggrau. Übler, modriger Geruch stieg auf. Dann stellte der Klumpen seine Zuckungen ein und fiel kraftlos zu Boden.
Symbiose der Verdammten Der Arkonide begriff, daß die Berührung mit den Segmenten seines Schutzanzugs für das aus dem Gesamtorganismus herausgelöste Plasma tödlich war. Unter dem geheimnisvollen Einfluß des Goldenen Vlieses verlor es jede Kraft und starb augenblicklich ab. Hingegen hatten die Zellverbände, die er bisher mit Schuhen und Handschuhen berührt hatte, keine Wirkung gezeigt. Solange sie in die Organmasse eingegliedert und integriert waren, besaßen sie offenbar eine größere Widerstandskraft. Sein Anzug würde ihm in der gegenwärtigen Lage nicht viel helfen können, und Thalias Montur bot der Pthorerin eher noch weniger Schutz. Es blieb ihnen nur die Flucht. »Los!« bellte er, packte Thalia am Arm und stieß sie von sich. »Wir laufen um unser Leben!« Er hatte sich kaum in Bewegung gesetzt, als hinter ihm ein riesiger Brocken Plasma sich schmatzend aus der Decke löste und donnernd herniederbrach. Er hastete weiter. Bis zur Membran waren es höchstens fünfzehn Meter, aber es kam ihm vor, als dehne sich die kurze Strecke ins Unermeßliche. Vor ihm stolperte Thalia, verlor auf dem weichen Untergrund den Halt. Atlan packte sie an den Armen, richtete sie auf und zerrte sie mit sich – Meter um Meter. Hinter ihnen brach der Gang endgültig zusammen. Der Sektor, den die von Thalia umgeschaltete Apparatur geschützt hatte, war dem Untergang geweiht. Der Organberg eroberte einen Teil seiner selbst zurück. Atlan durchstieß die Membran, die sich längst wieder geschlossen hatte, die Pthorerin noch immer hinter sich her ziehend. Unmittelbar hinter der halbdurchsichtigen Membran kam die aufgewühlte Organmasse, von den unsichtbaren Fesseln des Transmitterdoms gebremst, zur Ruhe. Es war schwer vorstellbar, daß es sich dabei um ein Energiefeld konventioneller Art handelte, denn ein solches hätten Atlan und Thalia ebenfalls nicht durchdringen können. Dem Arkoniden schien es wahrscheinlicher, daß die Erbauer der Station mit interferenten Schwingungs-
9 feldern arbeiteten, deren Frequenz den Zellschwingungsrhythmus des Plasmas beeinflußte. Solange die Apparaturen einwandfrei funktionierten, wurde der Organismus derart veranlaßt, bestimmte Gestaltungsformen anzunehmen und beizubehalten. Atlan blickte sich um. In der Transmitterhalle hatte sich nichts verändert. Es gab keine Anzeichen, die darauf hindeuteten, daß sich hier ein ähnlich bedrohlicher Vorgang wie im Korridor vollziehen könnte. Der Arkonide genoß den Moment der Schwäche, den die einsetzende Erleichterung in ihm verursachte. Für Sekunden schloß er die Augen. »Wir sind in Sicherheit«, sagte er. Thalia sah ihn an. Noch war die Angst nicht völlig von ihr gewichen. Sie zitterte und atmete heftig.
* Das Erlebnis hatte zweierlei bewirkt. Zum einen waren sie sich darüber klargeworden, daß sie während des Weges nach draußen keinen Augenblick in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen durften. Die Anlagen, die das Plasma in Zaum hielten, besaßen ein zwar unbekanntes, aber mit Sicherheit sehr hohes Alter, und es hatte den Anschein, daß sie bereits seit langer Zeit nicht mehr kontrolliert und gewartet wurden. Die Wahrscheinlichkeit, daß die eine oder andere Maschine nicht mehr zufriedenstellend arbeitete oder irgendwann gänzlich ausfiel, war entsprechend groß. Eine Katastrophe wie im ersten Korridor konnte jederzeit erneut über sie hereinbrechen. Es war zweitens erforderlich, ihrem Marsch ins Freie eine geboten erscheinende, gesteigerte Eile zu verleihen. Neben den bereits genannten Gründen beunruhigte Atlan und Thalia, daß sie über keinerlei Ausrüstung verfügten. Sie besaßen weder Waffen noch Nahrungsmittel, und es gab keinen Anlaß zu glauben, daß sie irgendwo in der Nähe ein Depot finden würden, in dem noch genießbare Konserven oder chemisch er-
10 zeugte Konzentratnahrung lagerten. Ihre Überlebenschance lag außerhalb des Organbergs. Dort würden eßbare Früchte wachsen oder kleinere Tiere leben, die sie erlegen konnten. Überdies durften sie die Aufgabe nicht vergessen, die sie sich selbst gestellt hatten und in deren Verfolgung sie hierher verschlagen worden waren. Pthor, der Kontinent des Schreckens, war durch unbekannte Steuerungsmechanismen aus dem Dimensionskorridor gerissen und in der Randzone der Schwarzen Galaxis zum Stillstand gebracht worden. Noch bevor sich jene, die die unheimliche Sternenballung beherrschten, um den Materiebrocken kümmern konnten, hatte Atlan die Flucht nach vorn ergriffen. Er und Thalia, die Tochter des Göttervaters Odin, hatten Pthor verlassen, um Informationen über die machtpolitischen Hintergründe in der Schwarzen Galaxis, über die herrschenden Mächte und deren militärische Möglichkeiten und ethischmoralische Einstellung zu sammeln. Was den letzten Punkt anging, hatten sich die schlimmsten Befürchtungen des Arkoniden bereits bestätigt, und er war fast sicher, daß die Schergen des Dunklen Oheims die Verhältnisse auf Pthor mittlerweile fest im Griff hatten. Sein Ziel war der Planet Säggallo, die Residenz Chirmor Flogs. Von dort wurden die Geschicke im Marantroner-Revier geleitet, von dort hoffte der Arkonide – von innen heraus –, etwas für seine Freunde auf Pthor tun zu können. Angesichts der Verhältnisse, die er und Thalia hier, am Endpunkt ihres Transmittersprungs, vorgefunden hatten, mußte sich Atlan allerdings eingestehen, daß er von seinem Ziel weiter entfernt war, als jemals zuvor während der Irrfahrt durch die Randbezirke der Schwarzen Galaxis. Immerhin hegte er einige zuversichtliche Gedanken. »Auf diesem Planeten«, sagte er, als sie die Membran rechts neben dem eingestürzten Korridor durchbrochen hatten und in die anschließende organische Röhre vordrangen, »müßte es, wenn die Erbauer der Anlage nicht sämtliche Einheiten abgezogen haben,
Detlev G. Winter ein Raumschiff geben. Es sollte sich finden lassen.« Thalia war davon weniger überzeugt. »Du redest, als hätten wir den Organberg schon hinter uns gelassen. Wir wissen nicht einmal, wie es draußen aussieht, welche Verhältnisse dort herrschen, ob es überhaupt ein Draußen gibt! Was, wenn das Plasma die gesamte Planetenoberfläche bedeckt? Wenn es keinen Weg ins Freie gibt?« »Es gibt ihn! Hier herrscht eine atembare Atmosphäre. Sie entsteht nicht von selbst. Sie kommt von dort, wo wir hin wollen.« »Gut. Das Argument sticht.« Thalia schien neuen Mut zu fassen. Während der letzten Minuten waren sie einigermaßen zügig vorangekommen. Der Arkonide schätzte, daß sie zweihundert oder mehr Meter zurückgelegt hatten. Ein Ende der organischen Röhre war aber noch nicht zu erkennen. Nahezu geradlinig führte der Korridor in ungewisse Bereiche des Plasmabergs hinein. Je weiter sie kamen, desto unruhiger wurden sie. Das Bewußtsein, sich inmitten einer unüberschaubaren organischen Masse zu bewegen, zerrte an den Nerven. Auch auflockernde Wortgefechte vermochten daran nichts zu ändern. Sie waren umgeben von bebendem Gewebe, liefen auf weichem, nachgiebigem Untergrund, durch das grünlichtrübe Licht zellulärer Eigenstrahlung. Mehr und mehr entfernten sie sich von dem halbwegs sicher scheinenden Ort ihrer Ankunft, stießen in Bereiche vor, in denen die Zeugnisse einer fremden Technik immer seltener wurden. Nur noch vereinzelt entdeckten sie einige der klobigen, in das Plasma eingefügten Apparaturen. Das Rauschen der irgendwo durch den Organismus fließenden Körperflüssigkeit schien ständig intensiver zu werden. Beinahe mechanisch setzten sie einen Fuß vor den anderen, in der Hoffnung, den Weg ins Freie zu finden, bevor diese wahnsinnige Umgebung sie seelisch erdrückte. Als sich weit vor ihnen quirlende Bewegung aus dem Halbdunkel schälte, blieben
Symbiose der Verdammten sie wie auf Kommando stehen. Das Rauschen hatte sich weiter verstärkt. »Was ist das?« murmelte Thalia und deutete nach vorn. Atlan bemühte sich, die dämmrige Trübe mit den Blicken zu durchdringen, aber das gelang ihm nur mangelhaft. Der Untergrund schien seine Beschaffenheit dort geändert zu haben, schien Blasen zu werfen und zu sprudeln. Mehr konnte der Arkonide nicht erkennen. »Wir müssen näher heran«, sagte er und setzte sich wieder in Bewegung. Thalia folgte ihm zögernd. Es bedurfte nur weniger Meter, um die beiden erkennen zu lassen, welches Phänomen sie vor sich hatten. Unwillkürlich verlangsamten sie ihre Schritte. Resignation erfaßte sie. »Hier endet unser Weg«, faßte Thalia in Worte, was sie beide in diesem Moment dachten. Auf einer Breite von gut fünfzig Metern ergoß sich ein offener Strom von Körperflüssigkeit über den Korridor. Aus einer pulsierenden Öffnung in der rechten Wand schoß er hervor und verschwand auf der anderen Seite in einem gleichartigen Kanal. Aus und Einlaß mußten annähernd kreisförmig sein, wenn auch nur das obere Drittel zu sehen war. Atlan und Thalia konnten daran ermessen, daß sich der Gang bis in eine Tiefe von vierzig Metern absenkte, um den Strom aufnehmen zu können. Die Flüssigkeit war von dunkelgrüner Farbe und verströmte einen intensiven süßlichen Duft. Atlan und Thalia waren bis zum Ufer des Flusses weitergegangen. Dort ging der Arkonide in die Hocke und spähte über die wirbelnden Flüssigkeitsmassen hinweg. »Hier kommen wir nicht weiter«, stellte er fest, während er sich langsam wieder aufrichtete. »Wir können nicht hinüberschwimmen. Die Strömung würde uns fortreißen.« »Du trägst das Goldene Vlies«, erinnerte Thalia. »Du könntest es schaffen.« »Unsinn!« entgegnete er schärfer als beabsichtigt. »Glaubst du, ich wollte dich hier
11 zurücklassen? – Nein, es wird uns nichts übrigbleiben, als umzukehren und einen anderen Weg einzuschlagen.« Müde schüttelte sie den Kopf. »Wir werden nie aus diesem Organismus herausfinden.« Atlan antwortete nicht. Seine Aufmerksamkeit wurde von einer Bewegung abgelenkt, die er aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Dort, wo der Strom aus der zuckenden Aderöffnung trat, war ein Schatten hervorgeschossen. Ungläubig wandte der Arkonide den Kopf. Er erkannte ein Wesen, das entfernt an eine ins Riesenhafte vergrößerte terranische Krabbe erinnerte. Annähernd anderthalb Meter lang, die mehrfach gegliederten Extremitäten balancierend nach oben gereckt, mit den Greifzangen klappernd und knarrende Töne ausstoßend, jagte das Tier auf seinem Rückenpanzer über die Flüssigkeit. Augenblicke später war es in der gegenüberliegenden Öffnung verschwunden. Natürlich hatte auch Thalia den seltsamen Vorgang bemerkt. Sie war nicht weniger verblüfft als Atlan. Noch hatten sich beide nicht von ihrer Überraschung erholt, als ein weiteres Krabbenwesen den organischen Kanal verließ und in gleicher Weise den Fluß entlangglitt. Ihm folgten in kurzen Abständen mehrere Dutzend Artgenossen. Die dumpfen, knarrenden Laute, die sie von sich gaben, summierten sich zu einem heftigen Geschnatter, das das Rauschen der Körperflüssigkeit mühelos übertönte. Atlans Erstaunen hielt an. Er stand am Ufer des Stroms, hatte die Fäuste in die Seite gestützt und beobachtete fassungslos die Szene. Lange sagte er nichts, und alles, was er schließlich hervorbrachte, war: »Es muß ihnen unheimlichen Spaß machen.« Für einige Minuten vergaß er alle Sorgen, die ihn eben noch geplagt hatten. Das unverhoffte Auftauchen dieser seltsamen Wesen, ihr abenteuerlicher Ritt auf den reißenden Wellen dahinschießender Nährflüssigkeit amüsierte ihn und löste seine innere Gespanntheit etwas. Ein Blick in das Gesicht
12 seiner Begleiterin überzeugte ihn, daß Thalia kaum anders empfand. Trotz der Geschwindigkeit, die sie auf dem Fluß vorlegten, mußten einigen der Riesenkrabben die am Ufer stehenden fremden Gestalten aufgefallen sein. Für Atlan und Thalia völlig überraschend, warfen sich drei der Wesen urplötzlich herum, so daß jetzt die Gliedmaßen in die Flüssigkeit tauchten. Sie scherten aus dem Verband ihrer Artgenossen aus und paddelten, mit unglaublich anmutenden Kräften gegen die Strömung ankämpfend, auf die beiden Menschen zu. Einem inneren Impuls folgend, traten der Arkonide und die Pthorerin einige Schritte zurück. Es war nicht auszuschließen, daß die Krabben beabsichtigten, sie anzugreifen oder in das zweifelhafte Vergnügen ihres Wellensports einzubeziehen. Selbst unbeabsichtigt konnten sie ihnen mit den gewaltigen Scheren der Greifzangen böse Verletzungen zufügen. Die Gliederfüßer erreichten den Untergrund des Korridors. Sie stellten ihre Schwimmbewegungen ein und tappten unbeholfen über den nachgiebigen Boden. Die Rückenpanzer hoben und senkten sich in schwankender, grotesk anmutender Weise. »Was haben sie vor?« murmelte Thalia. »Was wollen sie?« Atlan beobachtete schweigend weiter. Wenige Meter vor ihnen blieben die Wesen ste hen. Ihre panzerbewehrten Körper wippten rhythmisch auf und ab, und der Arkonide mußte beunruhigt feststellen, daß sie ihn in aufgerichtetem Zustand um etliche Zentimeter überragten. Kleine, listige Äuglein funkelten ihn an, die langen Greifzangen pendelten aufgeregt schnappend umher. Der monotone, knarrende Singsang riß nicht ab. Mehr unbewußt als infolge überlegten Denkens verlieh Atlan den Krabbenwesen bei sich eine Bezeichnung, die ihm aufgrund der Laute, die sie fortwährend ausstießen, naheliegend schien. Er nannte sie Yahrrks. Trotz ihrer ungewöhnlichen Erscheinung war er weit davon entfernt, Abneigung oder gar
Detlev G. Winter Ekel zu empfinden. In seinem Leben war er oft genug Existenzformen begegnet, die weitaus erschreckender und exotischer, auch auf den ersten Blick widerlicher und abstoßender wirkten als diese krabbenähnlichen Parasiten. So standen sie sich gegenüber – zwei Menschen von Pthor, die ein ungnädiges Schicksal hierher verschlagen hatte, und drei Yahrrks, die den Organberg als Partner einer parasitären Symbiose bevölkerten. Keiner wußte zunächst, was er von dem anderen halten sollte. Atlan war jedoch bereit, den Wesen eine gewisse Form niederer Intelligenz zuzugestehen. Es war offensichtlich, daß sie keine feindlichen Absichten hegten und durch ihr Verhalten signalisierten, daß sie sich mit den Menschen verständigen wollten. So wenig moduliert ihre knarrenden Laute klangen, hätte der Arkonide einiges dafür gegeben, in dieser Situation einen Translator zu besitzen. »Was sollen wir tun?« drang Thalias Stimme in seine Überlegungen. »Es sieht aus, als erwarteten sie etwas von uns.« Atlan war nicht weniger ratlos, aber während er noch darüber nachdachte, wie sie sich den Yahrrks gegenüber verhalten sollten, kam ihm eine geradezu wahnwitzige Idee. »Sie haben uns gesehen, wie wir unschlüssig am Ufer standen«, sagte er. »Vielleicht haben sie erkannt, daß wir unfähig waren, den Strom zu überqueren. Vielleicht sind sie hier, um uns zu helfen.« »Du bist verrückt!« entfuhr es Thalia. Aber der Gedanke ließ den Arkoniden nicht mehr los. Er sah die dicken, festen Schwimmhäute zwischen den unteren Gliedern der Extremitäten der Yahrrks, erinnerte sich der zügigen, kraftvollen Art, wie sie sich über die Flüssigkeit bewegt hatten – wußte, daß Thalia und er, wenn sie überleben wollten, diesen irrsinnigen Berg aus organischem Plasma verlassen mußten, daß der Weg nach draußen über jenen reißenden Strom körpereigener Nährlösung führte … Atlan handelte. Fassungslos beobachtete Thalia, wie er
Symbiose der Verdammten sich aus seiner Starre löste und sich den Yahrrks zuwandte. Kurz breitete er die Arme in friedlicher Geste aus, dann ging er an ihnen vorbei zum Ufer. Die Krabbenwesen folgten ihm. Die Tochter Odins kannte Atlan gut genug, um zu wissen, daß er sich selten zu Handlungen hinreißen ließ, die absolut keinen Erfolg versprachen. Jetzt aber begann sie an seinem Verstand zu zweifeln. Nahm er wirklich an, die Parasiten könnten in der Lage sein, ihn zu verstehen und ihnen zu helfen? Sie sah, daß Atlan heftig gestikulierte. Wieder und wieder deutete er auf die Yahrrks und auf den Strom, machte Ansätze, als wollte er sich in die Fluten stürzen, winkte zu Thalia herüber und in Richtung des gegenüberliegenden Ufers. Es kam der Pthorerin albern und kindisch vor, aber sie empfand, wie so oft, Achtung für diesen Mann, der selbst in hoffnungsloser Lage nicht aufzugeben bereit war. Bis jetzt hatte sie an ihrem Standort in respektvoller Entfernung vom Flußufer verharrt und Atlans närrisches Gebaren schweigend verfolgt. Jetzt jedoch hielt sie die Zeit für gekommen, hinzugehen und den Arkoniden zu Verstand zu bringen. Noch während sie sich in Bewegung setzte, hob Atlan einen Arm und winkte ihr zu. »Komm her, Mädchen!« rief er. »Die Yahrrks werden uns hinübertragen!« Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Sie faßte es nicht. Ernsthaft hätte sie den Gedanken, daß er mit seiner lächerlich anmutenden Aktion Erfolg haben könnte, nie in Erwägung gezogen. Atlan lachte sie an, als sie die Gruppe erreichte, und aus dem Lachen sprachen Erleichterung und beinahe heitere Gelöstheit. »Ich hatte recht mit meiner Vermutung, daß sie eine schwach ausgeprägte Intelligenz besitzen«, erklärte er. »Sie haben instinktiv erfaßt, daß wir den Strom überqueren wollen. Sie werden uns helfen.« Thalia blieb skeptisch. Ausgiebig betrachtete sie die drei Wesen, die sich erboten hatten, sie über den
13 Fluß zu geleiten. Sehr vertrauenerweckend wirkten sie nicht, doch das war, wie sie wußte, kein Kriterium, das eine Bewertung des Angebots erlaubt hätte. Trotzdem vermochte sie ihr Unbehagen nicht zu unterdrücken. Zwei der Yahrrks knickten ihre Gliedmaßen so weit ein, daß die Ränder ihrer Panzer nur wenige Zentimeter über dem Boden schwebten. Es war eine deutliche Aufforderung. Atlan nickte der Pthorerin ermutigend zu. »Wir schaffen es!« sagte er und klappte entschlossen das silberne Gespinst des Schutzhelms nach vorn. Thalia zögerte nicht länger. Sie schloß ihren Helm ebenfalls und kletterte auf den Rückenpanzer eines der Yahrrks. Mit den Händen klammerte sie sich an den Rändern der knapp einen Meter durchmessenden Hornplatte fest. Sofort kam Bewegung in das Krabbenwesen. Thalia schloß ergeben für einen Moment die Augen. Der Panzer schwankte, und sie hatte ein Gefühl, als würde sie jeden Augenblick den Halt verlieren. Sie preßte sich fester gegen die Körperplatte, rutschte etwas zur Seite und verstärkte den Klammergriff ihrer Hände. Es war der vergebliche Versuch, auf diesem schaukelnden Untergrund sich etwas sicherer zu fühlen. Durch einen schnellen Blick zur Seite stellte sie fest, daß Atlan auf dem Panzer des zweiten Yahrrks mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Nebeneinander tauchten die Tiere in die Fluten. Es schien, als würden sie von der Strömung fortgerissen; gischtende Flüssigkeitsmassen umspülten die Panzer und wollten sie davontreiben. Dann setzten die kraftvollen Schwimmbewegungen ein. Thalia spürte es durch das Material ihrer Schutzmontur. Mühelos widersetzte sich der Yahrrk dem Druck des Stromes. Meter um Meter kämpfte er sich vorwärts. Die Gruppe seiner Artgenossen, die sich vorhin in spielerischer Leichtigkeit auf ihren Rückenschilden hatten treiben lassen, war längst in anderen Bereichen des Organberges verschwun-
14 den. Thalia wußte später nicht mehr zu sagen, wie lange es gedauert hatte, bis sie das gegenüberliegende Ufer erreichten. Aber sie erinnerte sich der Ängste und seelischen Nöte, die sie während des Transports auszustehen hatte: tosende Massen widerlich grüner Flüssigkeit, die sie umspülten, langsam erlahmende Kräfte, die ständige Gefahr, den Griff um den Rand des Rückenpanzers aus Schwäche lösen zu müssen, von der Strömung fortgerissen zu werden … Es war ein Alptraum – voll exotischer Fremdheit und zwielichtigem Schrecken, dämonischer Düsternis und abgründiger Ironie. Als sie daraus erwachte, sah sie Atlan lächelnd neben sich stehen. Unter ihren Füßen wellte sich weiche, bewegliche Substanz. Drei Yahrrks stürzten sich, wenige Schritte von ihr entfernt, in die Fluten, warfen sich herum und schossen auf ihren Rückenschilden dahin. Die pulsierende Öffnung des Flüssigkeitskanals verschluckte sie. Vergessene Bilder: Wachstum Die Versuchsanordnung war hinter einer durchsichtigen Wand aus bruchfestem und verzerrungsfreiem Panzerglas aufgebaut worden, um die Beobachter vor unvorhergesehenen Reaktionen des Plasmas zu schützen. Es war ein verhältnismäßig kleiner Brocken Substanz, den sie von einem der riesigen Wesen auf Garnverc abgetrennt hatten. Unter der Decke des Labors hing eine Strahlungsquelle, die den Komplex mit leichten Energieschauern überschüttete. Die Personen im Beobachtungsraum ließen keinen Augenblick in ihrer Aufmerksamkeit nach. Sorgfältig registrierten sie jede Reaktion, jede Veränderung des Plasmas, zeichneten Meßwerte und Aktivitätskurven auf. Es war verständlich, daß sie ungehalten waren, als die Tür geöffnet wurde und die Pilotin eintrat. Krilla trug wie immer eine derart mürrische Miene zur Schau, daß Corfyl ihr am liebsten ins Gesicht gesprungen wäre. »Du störst!« fauchte er sie an. »Kannst du uns nicht in Ruhe unsere Arbeit beenden las-
Detlev G. Winter sen?« Sie trat an die Sichtscheibe und betrachtete das Plasma, das zuckend und bebend auf dem Boden des Labors ruhte »Ich frage mich noch immer, wozu das alles gut sein soll«, bemerkte sie, ohne einen der Wissenschaftler anzusehen. »Wir vergeuden unsere Zeit.« »Was verstehst du davon!« Corfyls Ärger über die Störung war nicht zu überhören. »Du wirst den Sinn früh genug erfahren.« Krilla drehte sich abrupt um und funkelte den Forscher zornig an. Kaltes Feuer sprühte aus ihrem Blick. »Dazu wird es nicht kommen«, verkündete sie. »Wir starten!« Corfyl hatte eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, aber er kam nicht mehr dazu, sie auszusprechen. Einer seiner Mitarbeiter hieb mit der Hand auf die Deckplatte eines Meßpults und sprang erregt auf. »Da!« rief er und deutete auf den Plasmaklumpen hinter der Sichtscheibe. Corfyl schluckte seinen Ärger hinunter. Der Erfolg ihrer Experimente war ihm vorerst wichtiger als die Auseinandersetzung mit der Pilotin. Er würdigte Krilla keines weiteren Blickes und beobachtete schweigend die Veränderung, die mit dem Versuchsobjekt vor sich ging. Die Bewegung des Plasmas hatte sich verstärkt. Es pulsierte jetzt sehr heftig, bildete in schneller Folge Auswüchse und Pseudopodien die tastend über den Boden krochen und weitere Substanz mit sich zogen. Die Masse schien sich aufzublähen, wuchs in die Höhe und in die Breite, dehnte sich langsam, aber erkennbar aus. »Es wächst«, murmelte Corfyl und sah seine Leute der Reihe nach an. »Wir haben es geschafft!« Unter normalen Umständen wäre der Erfolg ihrer Bemühungen Anlaß zu unverhohlenem Jubel gewesen. Keiner der Wissenschaftler war jedoch in der Stimmung, seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Zu ungewiß und brisant waren die politischen Verhältnisse in dem von den Obeds beherrschten
Symbiose der Verdammten Bereich der Galaxis, die letztendlich der Grund für ihre Mission gewesen waren. Krilla wußte von alledem nichts. Sie war in ihrer Naivität noch immer der Meinung, daß sie vordringlich zur Besiedlung geeignete Welten hatten ausfindig machen sollen. Sie sah die verschrobenen Experimente der Wissenschaftler durch kein vernünftiges Argument gerechtfertigt. Entsprechend war ihre Reaktion. »Ich werde mir das nicht länger bieten lassen!« keifte sie. »Ihr bringt mit euren lächerlichen Versuchen das gesamte Schiff und seine Besatzung in Gefahr. Meine Geduld ist zu Ende. Schafft diesen Plasmaklumpen weg!« »Das werden wir tun.« Es bereitete Corfyl Genugtuung, den Ausdruck der Verblüffung in ihrem Gesicht zu beobachten. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß er so schnell und widerstandslos nachgeben würde. Sie wollte den Raum bereits verlassen, um letzte Startvorbereitungen zu treffen, als hektische Betriebsamkeit die Wissenschaftler zu ergreifen begann. Sie schienen es plötzlich sehr eilig zu haben, schalteten an ihren Geräten, notierten einige endgültige Ergebnisse, liefen aufgeregt umher und unterhielten sich mit knappen Worten. Corfyl, von dem plötzlichen Eifer scheinbar ausgespart, stand in der Mitte des Raumes und verteilte Anweisungen. »Warum diese Eile?« wollte Krilla wissen. »Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es mir nicht an. Wenn ihr nur das Plasma fortbringt und endlich zur Vernunft kommt.« Corfyl sah sie starr an. »Wir werden das Plasma nach Garnverc zurückschaffen. Aber wir werden mitgehen!« Krillas Zorn erwachte von neuem. Langsam wurde es ihr zuviel, was sich der Forscher herausnahm. »Tut, was ihr wollt! Notfalls starte ich ohne euch!« »Wir starten nicht.« Corfyl hielt plötzlich eine glänzende Plakette in der Hand.
15 »Gemäß Verordnung 23 c übernehme ich kraft meines Sonderstatus die Befehlsgewalt auf diesem Schiff.« Krilla erstarrte. Fassungslos blickte sie auf das runde, silberne Ding, das den Wissenschaftler als Bevollmächtigten der regierenden Obeds auswies. Sie hatte ein Gefühl, als würde sie innerlich zerbrechen, aber sie begann schnell zu verstehen, was auf ihrem Schiff gespielt wurde. »Die Suche nach bewohnbaren Planeten war ein Vorwand«, murmelte sie. »Was ist der wirkliche Grund für unseren Flug?« Corfyl machte eine verneinende Geste. »Es ist zu früh, darüber zu reden. Ich möchte dich nur bitten, meine Entscheidungen zu akzeptieren und dich nicht weiter dagegen aufzulehnen. Es wäre mir lieber gewesen, wir hätten uns auf andere Weise verständigen können.« Sie wirkte unbeholfen, wie sie dastand und ihre verwirrten Gedanken zu ordnen versuchte. »Was soll das Getue mit den Plasmawesen?« setzte sie erneut an. »Was versprecht ihr euch davon, wenn ihr sie zum Wachsen bringt?« »Es dient dem Wohl aller Obeds und der Sicherung unserer technischen Errungenschaften. Die dunklen Mächte werden immer stärker, und wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie sie alles zerstören, was wir aufgebaut haben. Mehr kann ich dazu nicht sagen.« Krilla schwieg betroffen. Was der Wissenschaftler andeutete, berührte sie tief. Es war bekannt, daß die Mächte des Dunklen Oheims mehr und mehr die Kontrolle über die Galaxis übernahmen. Bisher schien die Öffentlichkeit jedoch über das wahre Ausmaß der Bedrohung im unklaren gelassen worden zu sein. Glaubte man Corfyls Worten, so begann sich die Niederlage der Obeds bereits abzuzeichnen. Unter dem Vorwand, bewohnbare Welten ausfindig zu machen, suchte man Orte, die geeignet schienen, den Untergang aufzuhalten oder zumindest hinauszuzögern.
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Detlev G. Winter
Was die Plasmawesen von Garnverc dazu beitragen konnten, vermochte sich Krilla allerdings nicht vorzustellen.
3. Die Blase zerplatzte, als Atlan und Thalia an ihr vorbeigingen, und gab eine Kolonie schwarzer, madenähnlicher Lebewesen frei. Wie in einem Knäuel ruhten sie neben und übereinander, verhalten zuckend und sich windend. Interessiert trat der Arkonide einen Schritt näher, um das seltsame Schauspiel genauer zu beobachten. Nachdem sie der durch die Blase gesetzten Fesseln ledig waren, begannen die Maden nach allen Seiten auseinanderzustreben und an der Wand des Korridors entlangzukriechen. Einige wurden von zitterndem Plasma umschlossen und wieder einverleibt, andere gruben sich selbst ihren Weg in die Organmasse. Wenige Minuten dauerte es, bis jeder der kleinen Parasiten in dem farbenschillernden Organismus verschwunden war. »Es scheint außer den Yahrrks noch einige andere Lebensformen zu geben, die eine Symbiose mit dem Plasmaberg eingegangen sind«, stellte Atlan fest. »Solange sie uns in Ruhe lassen, soll es mir recht sein«, sagte Thalia und sah sich unbehaglich um. »Allerdings glaube ich nicht, daß wir noch lange ungeschoren bleiben.« Der Arkonide lachte humorlos auf und ergriff seine Begleiterin am Arm. »Du hast recht. Wir sollten sehen, daß wir weiterkommen.« Die Bereiche, in denen sie sich jetzt, nachdem sie den Strom von Nährflüssigkeit mit Hilfe der Yahrrks überquert hatten, aufhielten, wirkten noch fremdartiger und erschreckend instabil. Nirgendwo waren mehr technische Gerätschaften zu entdecken, die stetig wallende Bewegung des sie umgebenden Plasmas hatte sich rapide verstärkt. Der Boden unter ihren Füßen hob und senkte sich, als würde der Organismus von Krämpfen geschüttelt. Manchmal sanken sie bis zu
den Knöcheln in die nachgiebige Masse ein, es war beschwerlich, das Gleichgewicht einigermaßen sicher zu halten. Von Decke und Wänden leckten Auswüchse, schienen nach ihnen greifen und sie in die Substanz hineinziehen zu wollen. Die grüne Eigenstrahlung der Zellverbände war etwas heller und intensiver geworden, und die Farbspiele auf der Oberfläche des Plasmas verstärkten sich zu einer schillernden Orgie. Atlan fand dafür nur eine Erklärung. Dies war ein Gebiet, das von den Geräten, die die Obeds im Innern des Organbergs installiert hatten, nicht mehr beeinflußt wurde. Keinerlei Strahlung zwang die Substanz, bestimmte Erscheinungsformen beizubehalten. Warum die unbeeinflußten Freiräume nicht längst von der drückenden Masse, die über ihnen lagerte, ausgefüllt worden waren, blieb dem Arkoniden vorerst ein Rätsel. Vor ihnen verbreiterte sich der Gang zu einer kleinen Höhlung. Unsicher blieben sie stehen. Atlan schätzte die Ausdehnung des Raumes auf annähernd hundert Quadratmeter. Die niedrige Decke war stark nach unten durchgewölbt; zähe Plasmafäden lösten sich aus ihr und fielen platschend herab in eine gelbe, eiterähnliche Substanz, die den Boden in Pfützen bedeckte. Ein schmaler Durchlaß auf der gegenüberliegenden Seite führte in eine weitere Höhle. »Das sieht nicht sehr vertrauenerweckend aus«, stellte Thalia fest, während sie mit verkniffenem Gesicht, den Weg betrachtete, den sie würden einschlagen müssen. »Es hilft nichts«, sagte Atlan. »Wir müssen hindurch.« Ihm selbst war alles andere als wohl zumute. Die gelblichen Pfützen, die fast den gesamten Boden der Höhle bedeckten und nur wenig freien Raum zwischen sich ließen, erweckten in der Tat den Eindruck, als wären dort Körpergeschwüre aufgebrochen und hätten ihren eitrigen Inhalt über den Untergrund ergossen. Es war keine angenehme Vorstellung, und der menschliche Geist bedurfte einiger Überwindung, um unwillkürliche Gefühle des Ekels und des Abscheus
Symbiose der Verdammten durch vernünftige Überlegung zu unterdrücken. Selbst dem Arkoniden gelang es nur mangelhaft. Er hätte allerdings der psychischen Hilfe nicht bedurft, die jetzt Thalia zuteil wurde. Aus einer der Eiterpfützen sprang ein silbriges, fingerlanges Objekt, zappelte im Flug wie ein Fisch und fiel in die Flüssigkeit zurück. Thalia, die den Vorgang beobachtet hatte, lachte befreit auf. Das Gesehene löste alle Verkrampfung. »Sie leben darin«, sagte sie kopfschüttelnd. Atlan grinste sie an. »Und offenbar fühlen sie sich wohl dabei«, fügte er hinzu. Ohne weiter darüber nachzudenken, betrat er die Höhle. Die Pthorerin folgte ihm. Der Bann, unter dem sie für kurze Zeit gestanden hatte, war gebrochen. Daß sie über feuchten, glitschigen Boden ging, nahm sie kaum wahr. Ein Plasmatropfen fiel dicht neben ihr in eine der Pfützen, und mehrere Tropfen der gelben Flüssigkeit spritzten gegen ihren Schutzanzug. Es störte sie nicht. Belustigt beobachtete sie eines der Fischwesen, wie es kraftvoll nach oben sprang, sich zappelnd in der Luft drehte und danach in sein angestammtes Lebenselement zurückfiel. Winzige silberne Schuppen bedeckten das Wesen, und unwillkürlich fragte sich Thalia, für welche Existenzformen der Organberg noch Heimstatt und Überlebensgrundlage sein mochte. Sie hatten den Durchgang zum nächsten Raum fast erreicht, als ihnen bestialischer Gestank entgegenschlug. Atlans erster Gedanke war, daß in der angrenzenden Höhle Raubtiere hausen könnten wie er sie von der Erde und vielen anderen Planeten kannte. Sein Extrasinn bestätigte ihm mittels eines warnenden Impulses, daß dieser Verdacht durchaus seine Berechtigung besaß. Er verlangsamte den Schritt und streckte den rechten Arm zur Seite. »Vorsicht«, raunte er Thalia zu, die sich weiter hinter ihm hielt.
17 Aufmerksam trat er an den Durchlaß. Erst jetzt, als er unmittelbar davorstand, konnte er erkennen, was dahinter lag. Die anschließende Höhle war bedeutend größer und höher als der Raum, den sie eben durchquert hatten. Der Boden setzte sich noch knapp zwei Meter horizontal fort und führte in dieser Breite an der Wand der Höhle entlang. Zur Mitte hin fiel er steil ab und bildete eine Mulde, in der sich fünfzig Zentimeter durchmessende, kugelförmige Pelztiere tummelten. Von ihnen mußte der stechende Geruch ausgehen, der den zwei Menschen in die Nase biß. Atlan war schon geneigt, die Tiere als harmlos einzustufen, als eines von ihnen auf die Ankömmlinge aufmerksam wurde und fauchend eine Reihe gewaltiger Zähne entblößte. Mehr und mehr seiner Artgenossen gesellten sich zu ihm und taten es ihm gleich. Bald hatte die Raublust die gesamte Gruppe erfaßt. Geifernde Mäuler und funkelnde Augen reckten sich ihnen entgegen. Es war gefährlich, aber Atlan und Thalia blieb keine andere Wahl, als auf dem Grat zwischen Wand und Senke die Höhle zu umrunden. Es gab nur einen Ausgang, und der lag wiederum auf der gegenüberliegenden Seite. Ohne sich durch Worte zu verständigen, wußten sie, was sie zu tun hatten. Sie hielten sich sorgsam in der Mitte des Rundgangs. Rechts von ihnen wallte bebendes Plasma in die Höhe, das mit tastenden Auswüchsen nach ihnen zu greifen schien, links senkte sich der Boden zu den lauernden Bestien hinab. Atlan zweifelte nicht daran, daß die Tiere in der Lage waren, die Stellung mit Hilfe eines gehörigen Anlaufs zu überwinden. Darüber hinaus bot der weiche Untergrund so wenig Standsicherheit, daß jederzeit die Gefahr bestand, den Halt zu verlieren und in die Mulde zu stürzen. Trotz aller Vorsicht kamen sie zügig voran. Atlan ließ die Tiere keinen Moment aus den Augen. Dicht zusammengedrängt, standen sie am Grund der Senke und verfolgten lauernd jede Bewegung der Menschen. Bösartiges Knurren drang aus ihren Kehlen.
18 Noch zögerte sie, aber der Arkonide zweifelte nicht, daran, daß sie in den nächsten Minuten zum Angriff übergehen würden. Der rettende Ausgang war vielleicht noch fünf, höchstens sechs Meter entfernt, als es geschah. Eines der bepelzten Kugelwesen löste sich aus der Gruppe und hetzte die Böschung hinauf. Atlan sah das Tier auf sich zustürmen und registrierte zugleich erleichtert, daß dessen Artgenossen sich weiterhin abwartend verhielten. Er widerstand dem Impuls, zurückzuweichen und die Flucht in Richtung des aus der Höhle hinausführenden Stollens zu ergreifen. Es wäre das Falscheste gewesen, was er hätte tun können. Auch Thalia schien das erfaßt zu haben, denn sie blieb ebenfalls stehen und rührte sich nicht von der Stelle. Dann war die Bestie heran. Atlan wartete nicht, bis sie auf dem ebenen Teil des Höhlenbodens Fuß gefaßt hatte. Mit aller Kraft trat er zu. Das Tier wurde zurückgeschleudert und kugelte heulend die Schräge hinab, mitten in den auseinanderstiebenden Pulk seiner Artgenossen. Augenblicklich verschärfte sich das grollende Knurren und ging in wildes, angriffslustiges Fauchen über. Atlan begann zu laufen. Die Pthorerin setzte sich gleichfalls in Bewegung. Wenige Schritte hinter dem Arkoniden hastete sie auf den Ausgang zu. Er hatte den Tunnel bereits erreicht, als Thalia spürte, wie das Plasma unter ihr zusammensank. Sie taumelte, verlor den Halt und fühlte sich von der in die Senke abfließenden Masse mitgezogen. Entsetzt schrie sie auf. Atlan drehte sich nach ihr um, und als er erkannte, was mit ihr geschah, wandte er sich ihr zu, um ihr zu helfen. »Verschwinde!« rief sie. »Mach, daß du hier herauskommst!« Unter ihr war das Röcheln der hungrigen Pelzwesen verstummt. Sie hatte erwartet, daß die Tiere jetzt, während sie überrascht und hilflos war, sich im Pulk auf sie stürzen würden. Die Bestien schienen jedoch mehr Intelligenz zu besitzen, als es den Eindruck erweckte. Sie warteten! Warteten, bis das
Detlev G. Winter Plasma ihr Opfer hinabgetragen hatte! Welch wahnsinnige Symbiose, in der der Wirtskörper auf diese Weise dafür sorgte, daß seine Parasiten zu eßbarer Nahrung kamen! Sollten sie sich um ihre Beute schlagen und sich dabei gegenseitig das Fell über die Ohren ziehen, dachte Thalia in einem Anflug humorloser Ironie. Dann gewann schlagartig der Wille zu überleben die Oberhand. Sie bewegte die Beine und suchte mit den Armen nach einem Halt. Das Plasma floß unter ihr weg, doch sie bemerkte, daß sie nicht weiter mitgezerrt wurde, sondern nun auf der Stelle trat. Sofort begannen die Bestien wieder zu fauchen. Wie lange würden sie abwarten, bevor sie sich dazu entschlossen, die Sicherstellung ihrer Beute nicht dem Organberg zu überlassen? Thalia fühlte sich, als krieche sie mit allen vieren auf einem Transportband, das sich unter ihr in entgegengesetzter Richtung bewegte. Sie hatte noch keinen Meter gutmachen können. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis ihre Kräfte nachließen. Atlan … Wo war Atlan? Sie wußte, daß er sie nicht ihrem Schicksal überlassen würde. Es war undenkbar, daß er ihrem spontanen Aufruf gefolgt war und allein die Flucht angetreten hatte. Vielleicht senkte sich die Organmasse auf ganzer Breite in die Mulde ab, und er sah keine Möglichkeit, ihr zu helfen, ohne selbst mitgerissen zu werden. Vielleicht schwebte auch er bereits in Lebensgefahr. Thalia wußte es nicht. Sie hatte längst den Überblick verloren. Da fühlte sie sich am Handgelenk gepackt. Atlan kniete über ihr, auf offensichtlich noch stabilem Boden, und unterstützte ihre Anstrengungen, indem er sie hinaufzuziehen versuchte. Der Erfolg wurde augenblicklich sichtbar. Es gelang Thalia, sich aus der zähen Plasmamasse zu lösen. Ohne sie loszulassen, richtete der Arkonide sich auf und zog sie weiter aus dem Morast. Stolpernd taumelte sie auf ihn zu.
Symbiose der Verdammten Erst jetzt spürte sie den Schweiß auf der Stirn, erst jetzt gelang es ihr, ihre Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Kurz sah sie sich um. Die Tiere hatten sich abermals dicht zusammengedrängt. Es konnte nicht lange dauern, bis sie einen neuen Angriff starteten. Die Ebene des Rundgangs war auf einer Länge von zehn Metern in die Senke abgeflossen. Atlan und Thalia beeilten sich, in den Korridor zu gelangen, der aus der Höhle der Bestien hinausführte. Als sie weit genug in den Gang eingedrungen waren, um sich halbwegs in Sicherheit zu wähnen, blieben sie erschöpft stehen. Die Anstrengungen begannen sich bemerkbar zu machen. Trotz ihres kräftezehrenden Ungeschicks war es diesmal Thalia, die den Humor zuerst wiederfand. »Was sagt deine innere Stimme?« fragte sie und lächelte den Arkoniden an. »Was soll sie sagen!« knurrte er. »Daß ich in Zukunft besser auf dich aufpassen muß?« Die kurz aufgeflackerte Fröhlichkeit war bereits wieder aus ihrem Gesicht verschwunden. »Nun, sie könnte dir den Tip geben, dich langsam an den Gedanken zu gewöhnen, daß wir den Organberg nicht lebend verlassen werden …« Sie sprach sehr langsam und akzentuiert, und Atlan erkannte bestürzt, daß sie es nicht einfach dahersagte. Sie schien tatsächlich am Ende ihrer psychischen und physischen Kraft angelangt. Der Arkonide kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten oder zu versuchen, sie innerlich wieder aufzurichten. Die Schlangen griffen an.
* Es begann mit lautem, heftigem Zischen, das von allen Seiten auf Atlans Sinne einstürmte. Auf der Oberfläche des wogenden Plasmas hatten sich Augen geöffnet, kleine, starrende Augen, katzenhaft geschlitzt und inmitten des schillernden Farbenspiels der Organmasse kaum zu erkennen. Schmale, an
19 den Spitzen gespaltene Zungen zitterten zwischen den Augen, pendelten witternd umher, zogen sich schnell zurück, um Sekunden später abermals vorzustoßen. Ein eiskalter Schauer lief dem Arkoniden über den Rücken. Dann schoben sich zwei Handflächen breite, flache Köpfe aus der Wandung des Korridors – Reptilienköpfe mit kleinen, starren Augen und gespaltenen Zungen … Da begriff Atlan. Der Schauder des Unheimlichen verschwand. Es waren Schlangen, die sich in das Plasma hineingewühlt hatten und hier auf vorbeikommende Opfer lauerten. Der Arkonide wagte ihre Zahl nicht abzuschätzen. Überall, auf einer unüberschaubaren Länge des Ganges, schälten sie sich aus der organischen Masse. Quälend langsam, aber doch voll deutlicher Drohung. »Komm!« sagte er zu Thalia, die die Szenerie unbeweglich musterte. Sie schien von den stechenden Blicken der Reptilien gelähmt und auf den Fleck gebannt zu sein. Atlan nahm sie an der Hand. Nebeneinander gingen sie weiter, langsam, behutsam, um die Schlangen nicht zu reizen, um den Überblick zu behalten und sofort reagieren zu können, sobald sich eines der Reptilien vollständig aus dem Plasma löste. Wieder entstand der Eindruck, daß der Organberg zur Sicherung der Beute seiner Parasiten beitragen wollte. Der Untergrund wurde nachgiebiger, warf breite Wellen und bebte stark. Auch aus ihm schoben sich einige Schlangen heraus, aber es waren so wenige, daß die beiden Menschen keine Mühe hatten, sie zu umgehen. Es war ein grauenvolles und faszinierendes Bild, wie sich überall schuppige, glänzende Körper zentimeterweise in den Korridor hinausarbeiteten. Noch war der Abstand groß genug, nicht mit ihnen in Berührung zu kommen. Weiter vorn konnte Atlan erkennen, daß sich der Gang wiederum in eine Halle öffnete. Dort sah er keine der pendelnden Reptilienhälse mehr. Dort wartete eine zumindest vorläufige Sicherheit. Aber es
20 war bereits abzuschätzen, daß sie dem Kampf nicht entgehen konnten. Der Weg war zu weit. Lange bevor sie die Halle erreichten, würden sie mit den Schlangen in Berührung kommen. Atlan und Thalia beschleunigten ihren Schritt, verfielen in leichten Trab, wurden unbewußt schneller, bis sie ihre Hände voneinander lösten und losrannten. Sie liefen um ihr Leben. Die erste Schlange verließ das Plasma. Sie schnellte sich regelrecht heraus, schoß auf Thalia zu und prallte gegen sie. Die Pthorerin wollte ausweichen, aber ihre Bewegung war so ungeschickt, daß sie im Moment des Zusammenstoßes stürzte. Die Schlange begann sich um ihre Beine zu rollen. Weiter vorn hatte sich ebenfalls ein Exemplar aus dem Organismus gelöst. Schnell ringelte es sich auf den Ort des Geschehens zu. Atlan überlegte nicht lange. Er packte zu. Mit beiden Händen umfaßte er den schleimigen Körper, der mit unglaublich starken Sehnen Thalias Beine zerquetschen wollte. Unter ihm wogte das Plasma. Er fand kaum Halt, um seine Kraft voll einzusetzen. Es gelang ihm nicht, die Schlange zu greifen und wegzuziehen. Thalia selbst leistete kaum Widerstand. Sie war ausgelaugt und ermattet. Erst als die zweite Schlange heran war und über ihren Rücken kroch, bäumte sie sich noch einmal auf, wand sich in der starken Fessel, die ihre Beine umklammert hielt. Aber der Druck wich nicht, ihre Bemühungen blieben erfolglos. Immer mehr Reptilien lösten sich aus der plasmatischen Masse, ließen sich auf den Boden fallen und bewegten sich auf ihre Opfer zu. Zischende Laute ausstoßend und erregt züngelnd, krochen sie unerbittlich näher. Atlan sah keine Möglichkeit, den Kampf zu seinen und Thalias Gunsten zu entscheiden. Die wilden Bewegungen des Organismus behinderten ihn in seinen Aktionen, und die Schlangen entwickelten eine derart animalische Kraft, daß sie kaum aufzuhalten waren. In blinder Verzweiflung trat der Arkonide um sich, hatte dabei Mühe,
Detlev G. Winter sich in dem wogenden Untergrund auf den Beinen zu halten, und erreichte doch nichts. Die Angreifer kümmerten sich nicht um ihn. Zielstrebig hielten sie auf Thalia zu. Atlan konnte nur vermuten, daß sie vor dem goldenen Schimmer seines Schutzanzugs gehörigen instinktiven Respekt hatten. Freilich half dies weder ihm noch seiner Begleiterin. Fünf oder sechs Exemplare hielten Thalia mittlerweile umklammert. Widerliche Schleimspuren zogen sich über ihren Anzug. Sie schrie in panischer Angst auf, und der Arkonide begann sich zu fragen, warum die Schlangen sich nicht längst um ihren Hals gelegt und sie erdrosselt hatten. Lähmende Lethargie erfaßte ihn. Es schoß ihm durch den Kopf, daß sie die Helme ihrer Schutzmonturen besser nicht wieder nach hinten geklappt hätten, nachdem die Yahrrks sie über den Strom getragen hatten. Mach dir nichts vor, drang der Einwand des Extrasinns in seine Gedanken. Ein geschlossener Helm könnte Thalias Tod vielleicht hinauszögern, aber nicht verhindern. Die nüchterne Logik schockierte ihn, obwohl er sich eingestehen mußte, daß es für Thalia vermutlich wirklich keine Rettung mehr geben würde. Hilflos stand er da und mußte mitansehen, wie der Körper seiner Gefährtin mehr und mehr von der Masse über sie kriechender Reptilien begraben wurde. In wahnsinniger, verzweifelter Wut ballte er die Hände zu Fäusten. Unbeherrscht sprang er vor, warf sich in das zuckende, zischende Knäuel schuppigfeuchter Leiber, wühlte mit den Armen darin, packte zu, schlug, trat … in der wilden Hoffnung, die Schlangen auseinandertreiben zu können. Der Erfolg blieb aus. Gib es auf! ermahnte ihn der Extrasinn. Du kannst ihr nicht mehr helfen. Du mußt dich um dich selbst kümmern! Warum griffen die Bestien nicht auch ihn an? Es wäre leichter für ihn gewesen. Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen schossen, als er von dem Pulk der Reptilien abließ. Er konnte nichts mehr tun. Thalia war verloren. Die Einsicht raubte ihm fast
Symbiose der Verdammten den Verstand. Ein vielstimmiger, heulender Schrei gellte durch den Korridor. Für Atlan war es der grauenvolle Gesang einer hereinbrechenden persönlichen Hölle. Irgendwo wuchsen skurrile Schatten zu Sinnbildern dämonischer Düsternis heran. Die Impulse des Logiksektors, die ihn zur Besinnung rufen wollten, ignorierte er. Eines klaren Gedankens war er in diesen Minuten nicht fähig. Die Welt versank um ihn in geistiger Verzweiflung und wechselnden, emotional verzerrten Eindrücken. Allein die Schatten im diffusgrünen Licht farbüberströmter Plasmamassen behielten ihre Gegenständlichkeit … und die schrillen, markerschütternden Schreie. Vergessene Bilder: Beuterkum Unter Corfyls Leitung wurde solide Arbeit geleistet. Nachdem die wachstumsanregende Strahlungsart gefunden und spezifiziert worden war, gab es kein Zögern mehr. Ein Gremium aus Technikern, Ingenieuren und Biologen befaßte sich mit den Ideen, die bislang nur in den Köpfen einiger Wissenschaftler herumspukten. In tagelangen Sitzungen entwickelten sie Pläne, wie das Projekt erfolgreich durchgeführt werden konnte. Die Art, wie Krilla in regelmäßiger Nichtbeachtung übergangen wurde, war ihr äußerst zuwider. Sie wußte, daß sie, nachdem Corfyl sich zu erkennen gegeben hatte, auf diesem Schiff absolut keine Befehlsgewalt mehr besaß, und dieser Umstand weckte tiefen Groll in ihr. Zumindest hätte sie erwartet, daß man ihr mit etwas weniger Überheblichkeit und Arroganz gegenübergetreten wäre. Bislang hatte sie nicht herausfinden können, was die Wissenschaftler mit den Protoplasmawesen von Garnverc konkret vorhatten. Sie fand die Geheimnistuerei im höchsten Grade lächerlich, zumal sie überzeugt war, daß sie es irgendwann doch erfahren würde. Es nahm daher kaum Wunder, daß Krilla die Aktionen der Wissenschaftler mit gehöriger Verdrossenheit verfolgte. Auf dem Kontinent, der nach Corfyls Schätzungen die meisten Protoplasmawesen beherbergte,
21 wurden zahlreiche Energiequellen installiert, die einen bestimmten Bereich mit ihrer Strahlung überschütteten. Solcherart in ihrem natürlichen Lebensrhythmus manipuliert, begannen die Organklumpen ins Riesenhafte zu wachsen. Der Zweck hinter allem blieb weiterhin unklar. An einem dieser, wie sich später herausstellen sollte, schicksalhaften Tage riß bei Krilla der Geduldsfaden. Sie fand, daß es an der Zeit sei, die Wissenschaftler und insbesondere den Bevollmächtigten des ObedClans zur Rede zu stellen. Mit dem nötigen Zorn und dem Willen, sich diesmal durchzusetzen, betrat sie den Beobachtungs- und Kontrollraum. »Ich möchte endlich wissen, was das alles zu bedeuten hat«, rief sie aufgebracht, als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte. »Ich lasse mich von euch nicht länger wie ein unmündiges Kind behandeln!« Corfyl ließ sich von ihrem Gefühlsausbruch nicht beeindrucken. Er wandte sich ihr zu und führte sie zu einem der Bildschirme. »Du kommst gerade richtig, um den entscheidenden Moment mitzuerleben«, begrüßte er sie. »Wir werden gleich erfahren, ob das Plasma für unsere Zwecke wirklich zu gebrauchen ist.« Obwohl sie sich geschworen hatte, auf das Experiment selbst nicht einzugehen, sondern ausschließlich die Art ihrer Behandlung zu kritisieren, warf sie unwillkürlich einen Blick auf den Monitor. Krilla hatte die Protoplasmawesen, wie sie sie erstmals gesehen hatte, noch gut in Erinnerung. Was mittlerweile aus ihnen geworden war, erschreckte sie zutiefst. Die Organklumpen waren in der Tat in gigantischer Weise gewuchert, die meisten besaßen längst die Ausmaße kleiner Gebirge. Sie nahmen bereits einen so großen Lebensraum in Anspruch, daß sich einige berührten, und – sie verwuchsen miteinander! Schlagartig begann die Pilotin zu begreifen. »Ihr … ihr wollt aus diesen Plasmaklumpen … ein einziges Wesen schaffen …!«
22 Corfyl nickte ernst. »Dort entsteht Beuterkum«, sagte er leise. »Wir sind fast am Ziel.« Beuterkum: im obedianischen Sprachgebrauch das Synonym für die Stätte der Erhaltung und Bewahrung, aber auch für letzte Zuflucht und in die Zukunft gerichtete Hoffnung. Krilla schwieg betroffen. Das Wort, entstanden aus religiösen Mythen, besaß heute seine eigene, zukunftsträchtige Bedeutung. Allein die Bezeichnung, die Corfyl dem monströsen Kunstwesen verliehen hatte, machte deutlich, wie es um die Vorherrschaft und die Macht der Obeds in diesem Sektor der Galaxis bestellt war. Ihr Zorn verflog. Plötzlich sah sie ein, daß die Wissenschaftler sie nicht hatten informieren dürfen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten, eine unkontrollierbare Reaktion der Besatzung auszulösen. Jeder wußte zwar, daß die dunklen Mächte auf dem Vormarsch waren, aber keiner machte sich über das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung vermutlich eine richtige Vorstellung. Wäre es bekannt geworden, hätten sich auf dem Schiff wahrscheinlich schnell zwei Parteien gebildet: eine, die den Obeds auch in dieser Situation treu ergeben war, und eine weitere, die es aus Angst um ihre Sicherheit oder ihr Leben für vernünftiger hielt, zu den neuen Machthabern zu stehen. Ein Kampf zwischen beiden Gruppen wäre unvermeidlich gewesen. Das Verhalten der Forscher sah Krilla nun in einem anderen Licht. Natürlich mußten sie darum besorgt sein, ihre Arbeit ungestört fortführen und zum Abschluß bringen zu können. »Was geschieht weiter?« wollte sie wissen. »Wozu soll dieses Gebirge aus Protoplasma dienen?« Corfyl lächelte verhalten. »Ich hatte die Idee bereits, als ich die Wesen das erste Mal sah. Unsere Aufgabe ist es, Orte zu suchen, an denen unsere Transmitteranlagen vor dem Zugriff der dunklen Mächte geschützt sind. Dies ist der ideale Platz dafür … das Innere von Beuterkum!«
Detlev G. Winter Auf den Bildschirmen war zu erkennen, daß sich immer mehr der riesigen Plasmawesen miteinander verbanden. Nicht mehr lange, und sie würden sich zu einem gewaltigen organischen Gebirge zusammengeschlossen haben. Krilla beachtete die Szene kaum. Die Perspektiven, die sich aus Corfyls Plänen ergaben, waren faszinierend. Andererseits erschauerte sie bei dem Gedanken, wie ein lebendes Wesen manipuliert und für die Zwecke der Obeds mißbraucht werden sollte. »In Kürze«, fuhr der Wissenschaftler fort, »werden weitere Schiffe hier eintreffen, die die erforderlichen technischen Anlagen an Bord haben. Dann beginnt unsere eigentliche Aufgabe.« Die Pilotin wollte von alledem nichts mehr hören. Sie hatte erfahren, was sie wissen wollte, und damit gab sie sich zufrieden. Es war sinnlos, mit den Wissenschaftlern über Wert oder Unwert ihres Unternehmens zu diskutieren, obwohl sie ganz und gar nicht der Meinung war, daß die Unterbringung einer Transmitteranlage in Beuterkum irgendeinen praktischen Nutzen besitzen könnte. Innerlich fühlte sie mit den Protoplasmawesen. Im Grunde ihrer Seele fand sie die Manipulation, die mit ihnen vorgenommen wurde, schäbig und unmenschlich. Aus Verzweiflung und blindem Erhaltungsstreben geboren und in normalen Zeiten absolut nicht zu rechtfertigen. Aber die Zeiten und die Verhältnisse, mit denen sich die Obeds auseinanderzusetzen hatten, waren alles andere als normal. Die Mächte des Dunklen Oheims saßen ihnen im Nacken, und es durfte nicht verwundern, wenn sie ihre technischen Errungenschaften vor fremdem Zugriff zu entziehen und zu erhalten suchten. Eine der Möglichkeiten dazu bot Beuterkum. Wenige Tage später traf die von Corfyl angekündigte Flotte ein. Es waren drei Frachtschiffe, die unverzüglich auf Garnverc landeten. Mittlerweile war der Prozeß des Zusammenschlusses der Protoplasmawesen
Symbiose der Verdammten zu einer organischen Einheit abgeschlossen. Beuterkum bot das Bild eines riesigen, in ständiger Bewegung begriffenen, farbenüberströmten Gebirges. Und unter dem Einfluß der anregenden Strahlung wuchs es ständig weiter. Von Bord des normalerweise von Krilla kommandierten Schiffes beobachtete Corfyl die Arbeiten, die seine Kollegen auf Garnverc vornahmen. Annähernd hundert Spezialisten waren mit den Frachtern eingetroffen und führten die von ihm begonnene Entwicklung fort. Mit Hilfe von Energiefeldern, denen die Zellschwingungswerte des Plasmas zugrunde lagen, schufen sie Schächte und Stollen, die in das Innere des Organbergs führten. Höhlungen und Korridorsysteme entstanden, die die Sicherheit der technischen Geräte und der Bedienungsmannschaften garantieren sollten. Als ihm schließlich gemeldet wurde, daß die vorbereitenden Arbeiten abgeschlossen seien, sprach Corfyl ein letztes Mal mit der Pilotin. »Wir sind soweit«, verkündete er. »Die Voraussetzungen auf Garnverc sind geschaffen. Meine Leute und ich werden das Schiff verlassen und nach unten gehen.« Krilla sah ihn sprachlos an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hätte erwartet, daß er nach Beendigung seiner Aufgabe den Heimflug antreten würde. »Ich gebe dir hiermit offiziell das Kommando über dein Schiff zurück«, fuhr Corfyl fort. »Ihr werdet, gemeinsam mit den drei Frachtern, den Heimathafen anfliegen und über den Erfolg unserer Mission berichten. Es braucht sich vorerst niemand um uns zu kümmern. Wir werden zurechtkommen.« »Wie lange wollt ihr auf Garnverc bleiben? Wann werdet ihr wieder abgeholt?« »Ich weiß es nicht. Zunächst müssen wir uns darum kümmern, daß der Transmitter in die Hohlräume von Beuterkum eingebaut wird. Sobald das geschehen ist, werden wir einen Impuls absenden, der die Betriebsbereitschaft des Geräts anzeigt. Von da an kann die Anlage benutzt werden.« Er zöger-
23 te einen Moment, dann setzte er hinzu: »Hoffentlich zum Wohle aller Obeds.« Er ging, und Krilla hatte das Gefühl, daß dies ein Abschied für immer war. Nicht, daß sie Corfyl sonderlich gemocht hätte. Aber es bereitete ihr Unbehagen, über hundert Mitglieder ihres Volkes auf Garnverc zurückzulassen, ohne zu wissen, ob die Aufgabe, die sie dort ausführten, im Endeffekt überhaupt gelingen würde. Eine einzige Fehlschaltung im Komplex der komplizierten Apparaturen, und die Wissenschaftler wären dazu verdammt, den Rest ihres Lebens auf diesem entsetzlichen Planeten oder gar im Innern von Beuterkum zu fristen. Es war keine schöne Vorstellung. Dennoch fügte sie sich den Anweisungen. Ein Beiboot brachte Corfyl und seinen Stab nach unten und setzte die Leute am Fuß des Organbergs ab. Material und Proviant, um dort für längere Zeit überleben zu können, waren in ausreichenden Mengen vorhanden. Plötzlich wurde Krilla bewußt, wieviel Idealismus in einem Menschen stecken mußte, damit er sich freiwillig in die Einöde eines fremden Planeten zurückzog, um dort unter großen persönlichen Entbehrungen und Gefährdungen einer Tätigkeit nachzugehen, die dem Erhalt oder der Sicherheit seines Volkes dienen sollte. Vier Tage später starteten die Frachter. Gemeinsam mit Krillas Schiff traten sie den Heimflug an. Einhundertvierzehn Obeds waren auf Garnverc geblieben.
4. Inmitten der verzerrten, unwirklichen Eindrücke psychischer Wirrnis schienen die schreienden Schatten den einzigen konkreten Bezug zur Wirklichkeit zu bilden. Sie standen am Ende des Stollens und hatten die Arme in winkender Geste erhoben. Die Laute, die sie ausstießen, waren schrill und hoch, reichten wahrscheinlich bis in den Ultraschallbereich. Atlan stand ungläubig und erstarrt. Nur allmählich lichtete sich die Ver-
24 wirrung im Geist des Arkoniden. Langsam fand er in die Realität zurück. Er sah die Traube wild zuckender Schlangen, die unvermittelt von Thalia abließen und in geradezu panischer Eile den Schutz des Plasmas suchten. Er sah die Pthorerin reglos am Boden liegen, aber nach überstandenem Schrecken heftig atmend. Er sah die Schatten, die sich langsam näherten und in ihrem ohrenbetäubenden Geschrei nicht nachließen. Und er begann zu verstehen. Die Schlangen flohen! Sie flohen vor den wilden Schreien, deren Frequenz teilweise in einem Bereich lag, den menschliche Sinne nicht mehr wahrzunehmen vermochten. Sie vertrugen keinen Ultraschall; er griff ihr Wahrnehmungsvermögen an und reizte ihr Nervensystem bis zur Überlastung. Sie vergaßen ihr Opfer und gruben sich in Wände und Boden des Plasmakorridors. Erst als das letzte Reptil in der organischen Masse verschwunden war, stellten die Schatten ihre schrillen Rufe ein. Atlan war zu sehr Realist, um an Wunder zu glauben, aber was er eben erlebt hatte, grenzte zumindest an das, was er mit glücklicher Verkettung unwahrscheinlicher Zufälle zu umschreiben pflegte. Die Unbekannten, die die Reptilien in die Flucht getrieben hatten, hätten keine Sekunde später erscheinen dürfen. Sie näherten sich weiter seinem Standort, aber der Arkonide kümmerte sich zunächst nicht um sie. Feindliche Absichten schienen sie keine zu haben, deshalb war es vertretbar, zunächst nach Thalia zu sehen. Er ging neben der Pthorerin in die Hocke und drehte sie behutsam auf den Rücken. Das Plasma unter ihm hatte sich wieder beruhigt und behinderte ihn nicht mehr. Thalia blickte ihn aus großen, verängstigten Augen an. Sie mußte Schmerzen haben, denn ihr Gesicht war verzerrt. »Es war grausam«, murmelte sie schwach. Atlan versuchte ein aufmunterndes Lächeln zustande zu bringen. »Es ist vorbei«, sagte er. »Wir haben unerwartete Hilfe bekommen. Kannst du auf-
Detlev G. Winter stehen?« Sie versuchte es, indem sie die Beine anwinkelte und sich mit einer Hand abstützte. Atlan griff ihr unter die Arme und zog sie nach oben. Schließlich stand sie unsicher neben ihm. »Außer einigen Prellungen scheine ich nichts abbekommen zu haben«, sagte sie. »Aber auch das reicht mir. Es tut höllisch weh.« »Kein Grund zur Besorgnis. Ich hätte eher damit gerechnet, daß sie dir einige Knochen zerquetscht haben.« Atlan fühlte sich erleichtert. Wenn sich nicht später herausstellte, daß die Pthorerin vielleicht doch innere Verletzungen davongetragen hatte, würde sie den heimtückischen Überfall der Reptilien innerhalb weniger Stunden verkraftet haben. Mittlerweile hatten sich die Unbekannten, deren Eingreifen Thalia ihr Leben verdankte, bis auf Sichtweite genähert. Es waren drei aufrecht gehende Wesen von höchst unterschiedlichem Aussehen. Atlan sah ihnen mit neu erwachendem Interesse entgegen. Eines von ihnen überragte ihn um gut zwei Kopfeslängen, es war dünn und knochig, mit schmalen Schultern und einem langen Hals, der ohne erkennbaren Absatz in den Kopf überging. Das zweite schien eher verkrüppelt, es lief auf kurzen, krummen Beinen, und aus den Schultern wuchsen außer zwei normal ausgeprägten Armen zwei weitere Armstummel. Das dritte Wesen schließlich wirkte wie eine undifferenzierte Fleischkugel, die mit Hilfe zweier aus ihr hervortretender, breiter Füße durch den Korridor watschelte. Alle drei Unbekannten verfügten über menschenähnliche Sinnesorgane, wobei die Augen allerdings ungewöhnlich weit auseinanderstanden. Die Hände waren breit und wirkten infolge grober, kurzer Finger ungeschlacht. Keines der Wesen trug Kleidung, jedoch waren ihre Körper, der des kugelförmigen Individuums ausgenommen, von dichtem Haarwuchs bedeckt. Für Atlan gab es kaum einen Zweifel, daß jeder der Fremden über ein nicht unbeträcht-
Symbiose der Verdammten liches Maß an Intelligenz verfügte. Allein die ruhige, gelassene Weise, in der sie sich völlig furchtlos näherten, bewies es. Und trotz des unterschiedlichen Erscheinungsbildes schienen sie alle von einer Art abzustammen, durch unbekannte Einflüsse in ihren Erbanlagen geschädigt und zum Teil ins Groteske mutiert. Wenige Schritte vor Atlan und Thalia blieben die Unbekannten stehen. Der Arkonide breitete die Arme aus und drehte die Handflächen nach außen: universelle Geste für Verständigungsbereitschaft und friedliche Absichten. Die Ankömmlinge schienen die Bedeutung des Zeichens sofort zu erfassen, denn der Große, Knochige trat vor und ahmte Atlans Haltung nach. Dann begann er zu sprechen. »Wir grüßen euch.« Überrascht ließ der Arkonide die Arme sinken. Er hatte sich von dem Kontakt mit diesen Wesen einiges versprochen. Damit, daß sie sich auf Anhieb verbal würden verständigen können, hatte er jedoch nicht gerechnet. Die Worte des Unbekannten wirkten abgehackt und verstümmelt, durch Dialekt und Jargon verfremdet, aber sie waren leicht interpretierbar. Sie entstammten einem Idiom, das Atlan und Thalia gut kannten: dem Garva-Guva, der gültigen Sprache des Marantroner-Reviers.
* Damit wurde endgültig klar, mit wem sie es bei den fremden Helfern zu tun hatten. Es waren die Nachkommen jener Obeds, die einst die Transmitteranlage im Innern des Riesenplasmas erbaut hatten. Ein grausames Schicksal mußte sie daran gehindert haben, diesen Planeten wieder zu verlassen, und über die Generationen hinweg hatten schreckliche Mutationen ihr Aussehen und vermutlich auch ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten drastisch variiert. Atlan empfand Mitleid mit ihnen, obwohl er sich darüber im klaren war, daß dies eine unpassende Gefühlsregung war. Die Obeds hatten
25 offensichtlich gelernt, die Verhältnisse zu akzeptieren und sich ihnen unterzuordnen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es Atlan und Thalia immer besser, das verstümmelte Garva-Guva zu verstehen. »Wohin werdet ihr uns führen?« fragte Atlan, nachdem er sich mit den Fremden geeinigt hatte, daß er und Thalia ihnen folgen wollten. Er sah darin die einzige Möglichkeit, den Organberg in absehbarer Zeit zu verlassen, zumal sich die Obeds hier gut auszukennen schienen. Der Lange, der sich Tymmo nannte und als Wortführer agierte, beantwortete seine Frage. »Du wirst den Operateur kennenlernen.« »Was ist ein Operateur?« wollte der Arkonide wissen. »Es ist Glaumo.« Atlan konnte damit nicht viel anfangen, und er beschloß, vorerst keine weiteren Fragen zu stellen. Glaumo mochte ein Name oder eine Bezeichnung sein. Schweigend folgten sie den Obeds. Thalia humpelte etwas, aber sie hielt trotz ihrer Schmerzen mit. Schließlich gelangten sie an die Stelle, an der sich der Korridor in eine weite, ausgedehnte Höhle öffnete. Tymmo blieb stehen und machte eine weitschweifende Armbewegung. »Duntrayöhrn«, sagte er. Das erste, was Atlan auffiel, war der Eindruck von Leben, der hier herrschte. Zahllose Obeds hielten sich in diesem Gebiet auf; einige standen in Gruppen beisammen und redeten miteinander, andere lagen träge auf dem Boden und schienen vor sich hinzudösen, wieder andere verrichteten irgendwelche Tätigkeiten, deren Sinn dem Arkoniden verschlossen blieb. Keiner der Fremden ähnelte einem seiner Artgenossen, jeder hatte seine eigenen, charakteristischen Körpermerkmale, die ihn von den anderen unterschieden. Es war nicht sicher, seit wievielen Generationen die Obeds schon hier lebten – auf jeden Fall mußten die Rate und der Umfang der sprunghaften Erbänderungen enorm gewesen sein.
26 Tymmo setzte sich wieder in Bewegung und bedeutete den beiden Menschen, ihm zu folgen, während seine Begleiter sich mit linkischen Gesten verabschiedeten und sich unter die Menge mischten. Atlan fühlte Unbehagen in sich aufsteigen, als sie an den ersten Obeds vorbeigingen. Die Mutierten musterten sie mit unverhohlener Neugier, ihre stechenden Blicke waren fast körperlich spürbar. »Für diese Leute sind wir ausgesprochen exotische Erscheinungen«, ließ sich Thalia vernehmen. Sie sprach Pthora, um keinem der Obeds Gelegenheit zu geben, sie zu verstehen und über ihre Äußerungen gekränkt oder verletzt zu sein. »Es wundert mich, daß sie unsere Anwesenheit so gelassen hinnehmen.« Atlan antwortete nicht. Einmal mehr begann er sich zu fragen, wie die Stabilität der Hohlräume im Innern des Organbergs gewährleistet wurde. Die Höhle, in der sie sich jetzt befanden, besaß eine Ausdehnung von fast zweihundert Metern. Überall wurde sie von Plasmazungen durchzogen, die von der Decke zum Boden reichten und wie Stützpfeiler wirkten. In der Wand gab es zahlreiche Durchgänge zu angrenzenden Räumen und in sich geschlossenen Nischen. Durch die träge Bewegung, die dem gesamten System anhaftete, wirkte es auf bedrohliche Weise instabil und wenig vertrauenerweckend. Dennoch mußte es über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinweg seine jetzige Form bewahrt haben. An einer Stelle der Höhlenwand, etwa zwei Meter über dem Boden, sprudelte ein kleines Rinnsal grüner Körperflüssigkeit aus dem Plasma, sammelte sich in einer Mulde und floß an deren Seite durch einen schräg nach unten führenden Kanal wieder ab. Thalia machte den Arkoniden darauf aufmerksam. Als Atlan sah, daß sich einige Obeds über den Tümpel beugten und von der Flüssigkeit tranken, blieb er überrascht stehen. Tymmo drehte sich nach ihm um und machte eine einladende Handbewegung. »Wahrscheinlich habt ihr Durst«, sagte er.
Detlev G. Winter »Wollt ihr trinken?« Atlan wandte sich angewidert ab. Die Vorstellung, von dieser Flüssigkeit zu trinken, war alles andere als angenehm. Dennoch war ihm klar, daß Thalia und er auf die Dauer nicht ohne Nahrungsmittel auskommen würden, zumal nicht abzuschätzen war, wie lange ihre Odyssee durch das Labyrinth des Plasmabergs noch dauern würde, bevor sie nach draußen gelangten. Ziere dich nicht, verlangte der Extrasinn. Was die Obeds am Leben erhält, kann für dich kaum schädlich sein. Zumal der Zellaktivator mögliche Giftstoffe neutralisieren wird. Das war richtig, und Atlan beschloß spontan, den Versuch zu wagen. Am Rand des kleinen Sees ging er in die Hocke und nahm etwas Flüssigkeit mit den schaufelförmig geformten Händen auf, nachdem er die klobigen Fäustlinge seines Anzugs abgestreift hatte. Süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase. Er unterdrückte den Impuls, den Körpersaft zurückzuschütten. Zögernd führte er die Hände zum Mund und begann zu trinken. Es prickelte etwas auf der Zunge, ansonsten war kein bestimmter Geschmack festzustellen. Das machte ihn sicherer. Er wiederholte den Vorgang so oft, bis er keinen Durst mehr verspürte. »Ich denke, das Zeug ist genießbar«, sagte er, während er sich aufrichtete. Jeglichen Widerwillen hatte er überwunden. Thalia blieb jedoch skeptisch. »Ich gebe zu, daß ich großen Durst und ebenso großen Hunger habe. Aber ich will mich nicht mit Gewalt vergiften.« »Der Metabolismus der Obeds dürfte unserem ähnlich sein. Ich glaube nicht, daß eine Gefahr besteht.« Die Pthorerin zögerte noch einen Moment unschlüssig, doch schließlich überwand sie ihren instinktiven Abscheu und trank ebenfalls einige Schlucke aus der mit Nährflüssigkeit gefüllten Mulde. Atlan sah sich nach Tymmo um, der sich einige Schritte von ihnen entfernt hatte. Der Obed stand an der Höhlenwand und kratzte
Symbiose der Verdammten mit den Händen ein wenig von der plasmatischen Substanz ab. Dann kam er zurück und reichte dem Arkoniden den Organklumpen. »Ihr könnt essen.« Ruhig nahm Atlan das Plasma entgegen. Es hatte seine farbschillernde, zuckende Konsistenz verloren und lag als zähe Masse bewegungslos in seiner Hand. Wiederum bedurfte es einiger innerer Überwindung, bevor er ein Stück abtrennte und es sich entschlossen in den Mund schob. Es ließ sich leicht kauen und schlucken, war ebenfalls geschmacklos und erzeugte bereits nach wenigen Sekunden ein ausgeprägtes Sättigkeitsgefühl. Tymmo machte ein zufrieden wirkendes Gesicht und besorgte der Pthorerin auf die gleiche Weise Eßbares. Es fiel Atlan auf, daß der Teil der Höhlenwandung, aus dem ihr Betreuer die Substanz schabte, auf einer Breite von zehn Metern jene eigentümlich blasse Färbung aufwies und von der bebenden Bewegung des umliegenden Plasmas ausgeschlossen blieb. »Diese Stelle«, wandte er sich an Tymmo, »ist offenbar nicht natürlich entstanden. Wie verändert ihr die Substanz, damit man sie essen kann?« »Der Operateur tut es.« »Der Operateur …«, wiederholte Atlan nachdenklich, »das ist Glaumo?« »Glaumo!« bestätigte der Obed in seiner knappen, nichtssagenden Art. Nach allem, was er bisher gehört und gesehen hatte, vermutete der Arkonide in Glaumo ein mit besonderen Fähigkeiten ausgestattetes Wesen, fraglos ebenfalls einen Obed, das mit Hilfe parapsychischer oder artverwandter Kräfte in der Lage war, gewisse Manipulationen mit dem Plasma vorzunehmen. »Führe uns zu ihm«, bat er. »Wir wollen nicht noch mehr Zeit verlieren.« Sie setzten ihren Weg fort. Immer mehr gewann Atlan den Eindruck, daß die Obeds das Höhlensystem als ihren natürlichen Lebensraum ansahen, als ein vorgegebenes, ursprüngliches Medium, das sie hervorgebracht hatte und ihre Existenz sicherte. Sie
27 wußten nichts von ihrer Vergangenheit. Sie waren Verdammte, Vergessene, die, der Not gehorchend, mit dem Plasmaberg eine Symbiose eingegangen waren und heute, vielfältig mutiert und mißgestaltet, ohne Ziel und ohne das Bewußtsein oder die Suche nach dem Sinn allen Daseins stumpf vor sich hinvegetierten … Wie hatte es geschehen können? Ein schmatzendes Geräusch unterbrach Atlans Gedanken. Sie waren an einer Stelle stehengeblieben, an der sich die Wand der Höhle leicht nach außen wölbte. Jetzt konnten sie beobachten, wie die Wölbung heftig zu zittern begann und dabei jene seltsamen Laute erzeugte. Wie ein Ballon blähte sich die Substanz auf, warf Wellen und Blasen – und bildete schließlich einen senkrecht verlaufenden Einschnitt, aus dem sich ein hochgewachsenes, schlankes Wesen langsam herausschälte. Unwillkürlich hielt Atlan den Atem an. Er war sich, ohne nach einer Erklärung zu fragen, bewußt, daß sie einem bedeutungsvollen Ereignis beiwohnten. Mit geschmeidigen Bewegungen befreite sich der hochgewachsene Obed vollständig aus der Plasmamasse, die hinter ihm zu ihrer ursprünglichen Form zusammenwuchs. Aufmerksam musterte er seine drei Besucher. Tymmo hob in dramatischer Geste die Arme. »Das ist Glaumo«, verkündete er. Vergessene Bilder: Duntrayöhrn Verthannon-Obed war bei dem Gedanken, den Rest seines Lebens auf Garnverc fristen zu müssen, schier verzweifelt. Seine Persönlichkeit zerbrach. Wimmernd kauerte er in der Nische zwischen zwei Maschinenblöcken und wehrte jeden Versuch, sich ihm zu nähern, mit wirbelnden Fäusten ab. Er ertrug es nicht, in einem Berg aus lebender Substanz zu sein. Niemand hatte ihn gewarnt, niemand hatte ihn darauf vorbereitet, welche Verhältnisse auf dem Planeten geschaffen worden waren, um die wertvolle Anlage zu verbergen. Hätte er es gewußt, er wäre nie auf die Idee gekommen, sich für den Versuch zur
28 Verfügung zu stellen. Hätte er geahnt, daß der Transmitter nur einseitig funktionierte, er wäre lieber zu den dunklen Mächten übergelaufen. Doch dazu war es zu spät. Er befand sich in Beuterkum, unter Artgenossen zwar, aber inmitten einer wahnsinnigen, willenzerstörenden Umgebung, ohne jede Hoffnung, dieses monströse Gebilde jemals wieder verlassen zu können. Er wußte, daß er den Verstand verlieren würde, und er wußte, daß er nichts dagegen tun konnte. Vergeblich hatte Corfyl versucht, ihn zu beruhigen. Es war ihm nicht gelungen, zumal auch bei ihm der Schock tiefer saß, als er anderen gegenüber zuzugeben bereit war. Mit aufopferungsvollem Einsatz hatten sie die Transmitteranlage in Beuterkum installiert, hatten eine gewaltige Halle und mehrere Zugänge und Luftschächte geschaffen, hatten das gesamte System durch ausgeklügelte energetische Schwingungsfelder vor dem Einsturz gesichert – nur um am Ende ihrer Bemühungen feststellen zu müssen, daß sie irgendwo einen winzigen Fehler begangen haben mußten. Der Transmitter sendete nicht. Nachdem sie den vereinbarten Erkennungsimpuls abgesetzt hatten, war Verthannon im Entstofflichungsfeld erschienen, ein Freiwilliger, der die Funktionsfähigkeit der Anlage prüfen sollte und sich von diesem Unternehmen einige persönliche Belobigungen und Auszeichnungen versprach. Die Euphorie über den Erfolg ihrer Arbeit schwand jedoch sehr schnell, als sie sich mittels des Transmitters von Garnverc zurückziehen wollten. Irgendwo im Abstrahlungsmechanismus lag ein Defekt vor. Das Gerät arbeitete nur einseitig, gestattete zwar den Transport nach Beuterkum, versagte aber in umgekehrter Richtung. Trotz aller Bemühungen wurde der Fehler nicht gefunden. In gewisser Weise war Verthannons Haltung verständlich. Nachdem der Schock der Erkenntnis ihn getroffen hatte, zog er sich in sich selbst zurück und versuchte so, das Unfaßbare aus seinem Leben auszuklammern.
Detlev G. Winter Allen anderen Obeds fiel die Umstellung leichter. Die Wissenschaftler hatten darauf gefaßt sein müssen, für immer auf Garnverc verbannt zu bleiben. Auch sie brauchten ihre Zeit, bis sie sich mit den Verhältnissen abgefunden hatten. Es war ein Unterschied, ob man mit einer bestimmten Möglichkeit rechnete und sie insgeheim doch weit von sich wies, oder ob man mit dem theoretisch Denkbaren plötzlich auf unabänderliche Weise konfrontiert wurde. Dennoch dachte keiner der Forscher daran, seine Existenz nach Verthannons Beispiel einfach zu verleugnen oder wegzuwerfen. Das Leben ging weiter, und Garnverc war eine fruchtbare Sauerstoffwelt, die genügend Chancen bot, dieses Leben halbwegs angenehm und zufriedenstellend zu gestalten. Sofern die dunklen Mächte nicht gerade auf den Einfall kamen, den Planeten zu untersuchen, würde sich eine friedliche Gemeinschaft aufbauen lassen. Daß dies ein Traum bleiben mußte, stellte sich heraus, als ein junger Obed aus einem der Zugänge zum Transmitterdom stürmte und schwer atmend vor Corfyl stehenblieb. Die Züge seines Gesichts waren von Angst und Schrecken gekennzeichnet, er blutete aus mehreren leichten Wunden. »Wir … wir sind verloren …!« stammelte er. In seiner Bestürzung brachte er keinen vernünftigen Satz zustande. »Das Plasma … der Weg nach draußen …« Eisige Kälte breitete sich in Corfyl aus. Er ahnte, was der Jüngere hatte sagen wollen, aber er beherrschte seine widerstreitenden Emotionen meisterhaft. Hinter sich hörte er Verthannon stöhnen und wild gegen die Verkleidung einer Maschine trommeln; trotz seines Zustands hatte er den Sinn der gestammelten Botschaft erfaßt. »Berichte der Reihe nach«, forderte Corfyl den Jungen auf. »Und beruhige dich!« Nur schwer gelang es dem anderen, seine Fassung wiederzufinden. »Wir wollten nach draußen, um die Abgabeleistung der Energiestrahler zu drosseln. Plötzlich begann sich die Decke über uns zu
Symbiose der Verdammten senken und herabzubrechen. Fünf Männer wurden von dem Plasma begraben. Es war furchtbar …« Er verstummte schluchzend, seine Augen füllten sich mit Tränen. Corfyl legte ihm väterlich einen Arm um die Schulter. »Ruhe dich etwas aus. Du mußt versuchen, das Erlebnis zu vergessen.« Viel Trost vermochte er ihm damit nicht zu vermitteln. Gesenkten Kopfes wandte sich der Jüngere ab. Ein medizinisch ausgebildeter Obed kümmerte sich um seine Verletzungen. In Corfyl kam Bewegung. Er hatte einen Verdacht, den er bestätigt oder zerstreut wissen wollte. Es bereitete ihm keine Mühe, einige seiner Leute um sich zu versammeln, denn fast alle waren durch den Zwischenfall von ihrer Arbeit abgelenkt worden und hatten ihr Augenmerk auf ihn gerichtet. »Ihr habt gehört, was geschehen ist«, sagte er. »Wir bilden zwei Gruppen zu je fünf Personen. Jede Gruppe wird durch einen der beiden anderen Ausgänge vordringen und erkunden, ob es noch eine Möglichkeit gibt, die freie Planetenoberfläche zu erreichen. Du, Hymillat, kümmerst dich bitte um Verthannon. Paß auf, daß er keine Dummheiten macht.« Es gab keine Fragen. Die Wichtigkeit von Corfyls Anordnung war jedem bewußt. Vorsichtig drangen die beiden Teams in die zwei übrigen nach außen führenden Stollen vor. Wie so oft in den letzten Tagen, begann Corfyl auch jetzt drückendes Unbehagen zu befallen. Die Plasmamasse bebte und zitterte, mit ihrem verwirrenden Farbenspiel schien sie den Eindringlingen den Kampf ansagen zu wollen. Manchmal glaubte Corfyl das primitive Leben zu erfassen, als zuckten mentale Blitze zwischen seinem Geist und dem Organismus umher. Jetzt, in der Stunde akuter Bedrohung, empfand der Wissenschaftler diesen Eindruck besonders intensiv, aber er war sich immer noch nicht sicher, ob er sich alles nicht vielleicht nur einbildete.
29 Sich darüber Klarheit zu verschaffen, war er momentan nicht fähig; er hätte Ruhe und Besinnung dazu gebraucht. Er bemühte sich, das Problem beiseitezuschieben und sein Unbehagen zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht völlig. Erst als sie das Rinnsal überquerten, das aus der plasmatischen Korridorwand hervortrat, den Gang in seiner gesamten Breite durchfloß und auf der anderen Seite wieder versickerte, schreckte Corfyl auf und vergaß alle anderen Gedanken. Die von der Nährflüssigkeit überflutete Fläche war seit seinem letzten Besuch erheblich breiter geworden, außerdem hatte sich der Boden weiter abgesenkt. Wenige Schritte hinter dem Rinnsal war der Stollen zu Ende. Einer seiner Mitarbeiter stieß einen erstickten Laut aus. Auch Corfyl gelang es nur mühsam, die Fassung zu bewahren. »Beuterkum ist unserer Kontrolle entglitten«, sagte er so ruhig wie möglich. »Es hat sich selbständig gemacht.« Dort, wo jetzt eine bebende Wand plasmatischer Substanz den Weg versperrte, war bisher der Ausgang zur Planetenoberfläche gewesen. Corfyls Anweisung, die Strahlungsstärke der rund um den Organberg installierten Energiequellen zu senken, war zu spät erfolgt. Unter ihrem Einfluß war Beuterkum weiter gewuchert. Irgendwann war der Druck der zellulären Massen so groß geworden, daß das Plasma an den Flanken des Gebirges abzurutschen begann und die Zugänge verschüttete. Niemand hatte damit gerechnet, daß etwas Derartiges passieren könnte. Die theoretische Planung war von einer konstanten, kontrollierbaren Wachstumsrate ausgegangen. »Wir sind eingeschlossen«, murmelte jemand. Die anderen schwiegen betroffen und versuchten, die schreckliche Erkenntnis innerlich zu verarbeiten. Corfyl gab sich keinen Illusionen darüber hin, daß es ihnen gelingen könnte, den Stollen durch das nachgerückte Plasma weiter voranzutreiben. Die energetischen Felder, die die Zellverbände beeinflußten und die Substanz in den von den Obeds bestimmten
30 Grenzen zurückhielt, reichten nur knapp über das Rinnsal hinaus. Ihnen war es zu verdanken, daß das herabgebrochene Plasma nicht bereits den gesamten Korridor überschwemmt hatte. Die Aggregate waren fest in der farbigen Masse verankert, jeder Standortwechsel hätte verheerende Folgen gehabt. Überdies fehlte das Material, um weitere Maschinen zu bauen. Corfyl trat näher an die herabgebrochene Wand heran. Sie war keineswegs homogen, sondern wurde von vielen Einkerbungen und Spalten durchzogen. Der Forscher glaubte einen linden Luftzug zu spüren, und unter dem Druck seiner Hand wölbte sich die Substanz nach innen. Sie war weich und unbeständig, nachgiebig, verformbar … Corfyl schien in einem Strudel ungesteuerter Emotionen zu versinken, Gefühle und zügellose Gedanken peitschten in seinen Geist, rissen die Dunkelheit des Nichterkennens auf und versetzten ihm grelle Stöße mentaler Übereinstimmung. Er hörte eine schreiende Stimme, kräftige Hände packten ihn und riefen ihm seine Körperlichkeit ins Bewußtsein zurück. Das Plasma löste sich von ihm – oder löste er sich von dem Plasma? –, haltsuchend breitete er die Arme aus, taumelte. »Bist du von Sinnen?« fuhr ihn einer seiner Leute an, während er seiner schwankenden Unsicherheit begegnete und ihn stützte. Die Verwirrung wich nur langsam aus Corfyls Geist. Noch immer maßlos durcheinander, musterte er seine Mitarbeiter und sah in ihre entsetzten Gesichter. »Was ist geschehen?« Sinthylla trat zu ihm, jene Frau, die ihm deutlich zeigte, welche Gefühle sie für ihn hegte, und die er bisher immer abgewiesen hatte, weil er sich nicht sicher war, was er seinerseits für sie empfand. In diesem Moment wurde es ihm klar. »Du weißt es nicht mehr?« fragte sie, und in ihrer Stimme lagen gleichermaßen Besorgnis und Zuneigung. »Nein.« Nachdenklich wandte sich Sinthylla ab.
Detlev G. Winter »Vielleicht ist es besser so.« Klantur, ein stämmiger Mann mit polterndem Gemüt, war anderer Ansicht. »Er kann es ruhig erfahren«, sagte er und baute sich wie ein Kämpfer vor Corfyl auf. »Du hast durchgedreht!« Sein Arm wies anklagend auf die Plasmamauer. »Du hast versucht, dich von diesem entsetzlichen Zeug verschlucken zu lassen. Glaubst du, damit kannst du die Probleme lösen?« In der Stunde der Not, überlegte Corfyl, traten schwelende Konflikte offen zutage. Klantur hatte seine Abneigung gegen ihn zwar nie deutlich gezeigt, aber er hatte ihm auch keine übertriebene Sympathie entgegengebracht. Er hatte seine Entscheidungen und Anweisungen respektiert und ausgeführt, das war alles. Erst jetzt wurde deutlich, was er wirklich von ihm hielt. Aber dies war nicht der Zeitpunkt, darauf einzugehen. Noch einmal rief er sich das seltsame Erlebnis, das ihn in solche Verwirrung gestürzt hatte, in seine Gedanken zurück. Das, was er bisher in verständlicher Unsicherheit als Einbildung abgetan und beiseite geschoben hatte, war Realität geworden. Er war mit dem Plasma in geistigen Kontakt getreten! Er war, wenn auch unabsichtlich, in diese lebende Masse eingedrungen, ohne dabei Abscheu oder körperliches Unbehagen zu empfinden. Dort war, trotz der zähen Beschaffenheit der Substanz, Raum für ihn gewesen, Bewegungsfreiheit, Atemluft … »Wer weiß«, meinte er versonnen, »vielleicht gelingt es mir tatsächlich.« Klantur, der nicht damit gerechnet hatte, eine Antwort auf seine rhetorische Frage zu erhalten, starrte ihn verständnislos an. Später, nachdem auch der zweite Erkundungstrupp nichts anderes melden konnte, als daß der Ausgang versperrt war, und Corfyl seine Leute zu einer Lagebesprechung um sich versammelt hatte, ging er näher auf seine Überlegungen ein und versuchte sie zu begründen. »Ich bin mittlerweile davon überzeugt, daß das Plasma unsere Anwesenheit wahr-
Symbiose der Verdammten nehmen kann. Das ungeheure Wachstum, zu dem wir es veranlaßt haben, hat dazu beigetragen, daß sich so etwas wie Geist oder niederes Bewußtsein entwickeln konnte. Ich hatte schon längere Zeit den Eindruck, daß zwischen mir und der Substanz eine schwache mentale Beziehung bestünde, und mein Erlebnis im Stollen scheint das zu bestätigen. Ich bin in das Plasma eingedrungen und habe zugleich eine verstärkte psychische Beziehung verspürt. Ich bin weder erstickt, noch hat mich die Substanz erdrückt. Sie hat mich aufgenommen und sich dabei zurückgezogen, um mir Lebensraum und Bewegungsfreiheit zu bieten!« »Du unterstellst Beuterkum konstruktive Intelligenz«, protestierte Klantur. »Keineswegs«, widersprach Corfyl. »Von Intelligenz kann keine Rede sein, vielleicht nicht einmal von Instinkt. Aber Beuterkum lebt! Es ist sich seiner selbst sicher nicht bewußt, aber auf eine Weise, die ich nicht erklären kann, nimmt es uns wahr und akzeptiert uns.« »Worauf willst du hinaus?« fragte Sinthylla ruhig. Corfyl blickte sich bedeutungsvoll um. »Wir alle müssen lernen, die geistige Verbindung mit Beuterkum herzustellen und uns nutzbar zu machen!« »Das ist Wahnsinn!« rief Klantur und sprang erbost auf. »Was bezweckst du mit deinen verrückten Hypothesen? Sieht denn niemand, daß dieser Mann seinen Verstand verloren hat?« »Es ist unsere einzige Chance.« Corfyl blieb beherrscht und gelassen. »Wir wollen überleben!« Eine lebhafte Debatte entwickelte sich. Es stellte sich, auch für Corfyl überraschend, heraus, daß etliche seiner Mitarbeiter jenen merkwürdigen, leisen Kontakt zu dem Plasma ebenfalls verspürt hatten und nur aus Angst, man könnte sie für geisteskrank erklären, bisher nicht darüber sprechen mochten. Andere bezeichneten alles als Hirngespinst und als Symptom des Eingeschlossenseins. So kontrovers die Meinungen auch
31 waren, man einigte sich schließlich, den Versuch zu wagen. Man wollte Beuterkum durchdringen, um in die Freiheit zu gelangen. Den schwachsinnig gewordenen Verthannon schleppten sie mit sich. Längst hatte er jeden Widerstand aufgegeben und ließ sich willenlos führen. Hinter der frei durch den Stollen fließenden Körperflüssigkeit erhob sich die Mauer aus zitterndem Plasma. Viele Obeds waren bei den Bauarbeiten in den vergangenen Monaten ums Leben gekommen. Es waren kaum noch mehr als achtzig, die jetzt unschlüssig stehenblieben und ihre neu erwachende Furcht zu unterdrücken suchten. Corfyl registrierte besorgt, daß der Nährstrom abermals etwas breiter und tiefer geworden war. Irgendwann würde es hier kein Weiterkommen durch die Flüssigkeit mehr geben. Aber sie hatten ohnehin nicht vor, jemals hierher zurückzukehren. Corfyl trat dicht an die organische Mauer heran. Plötzlich stiegen Zweifel in ihm auf, ob der von ihm entwickelte Plan wirklich zum Erfolg führen konnte. Aber er ließ sich nicht mehr beirren. Er hatte seine Leute bis hierher geführt, und er würde sie auch nach draußen führen. Hinter ihm wurden Unmutsäußerungen laut, während er vor dem Plasma stand und sich zu konzentrieren versuchte. Beim ersten Mal war er unbewußt in die Masse eingedrungen, jetzt bemühte er sich, den Vorgang verstandesmäßig zu steuern, ohne sich von den mentalen Eindrücken ablenken oder verwirren zu lassen. Es war ein Unterschied! Aber es gelang ihm. Er spürte, wie das Plasma unter dem Druck seiner Hände und seines Körpers nachgab, wie es sich vor ihm öffnete und Wellen unterschiedlichster Gefühle auf ihn einstürmten. Beuterkum empfing ihn als Partner, bildete schmatzend Freiräume und kleine Tunnel. »Folgt mir!« rief Corfyl überschwenglich, aber seine Stimme klang gedämpft, und er begriff, daß das Plasma sich hinter ihm wieder geschlossen hatte, daß es den anderen den Zutritt
32 verwehrte. Offenbar war die mentale Verbindung mit ihnen nicht ausgeprägt genug. Schockiert blieb er stehen. Die Substanz um ihn wogte unbeständig hin und her, schien sich über ihn ergießen und ihn erdrücken zu wollen. Der geistige Kontakt verflachte zusehends. Panik ergriff den Wissenschaftler. Wenn es ihm nicht gelang, die Verbindung zu Beuterkum aufrecht zu erhalten und zu intensivieren, waren er und seine Freunde verloren. Er schloß die Augen und konzentrierte sich. Mühsam versuchte er, seine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken und sich dem Organismus mitzuteilen. Dabei war er sich darüber im klaren, daß Beuterkum ihn niemals verstehen würde. Bestenfalls konnte das Plasma empfinden, was er ihm auf geistiger Ebene zu vermitteln trachtete. Mit aller Inbrunst, derer er fähig war, versuchte er, die mentalen Schwingungen Beuterkums aufzunehmen und seine eigenen Emotionen anzugleichen. Er fühlte, wie er zufrieden und ruhig wurde, wie erneut jene nicht erklärbare geistige Übereinstimmung entstand und sich verfestigte … Und er hörte das Schmatzen, als die farbige Masse sich weiter zurückzog, Höhlen und Korridore bildete. Er vernahm die erstaunten Rufe seiner Artgenossen, als die Mauer vor ihnen aufbrach und den Weg zu ihm freigab. Da wußte er, daß er recht behalten hatte. Daß er gewonnen hatte. So entstand Duntrayöhrn, das Höhlensystem, das den Obeds neuer Lebensbereich werden sollte. Hier würden sie existieren, sich ernähren und fortpflanzen. Den Weg nach draußen fanden sie nie. Das Wachstum des Plasmas ging zu schnell vor sich, als daß sie auf einem beschwerlichen Weg durch die Substanz damit hätten Schritt halten können. Schon bald gaben sie die Versuche auf, und mit der Zeit fanden sie sich mit dem Schicksal ab. Beuterkum würde nicht aufhören, sich auszudehnen, solange die Strahlungsquellen noch mit Energie versorgt wurden, und als das Plasma sein Wachstum endlich einstellte, hatte es auf dem Weg in die Frei-
Detlev G. Winter heit so viele gefährliche Eigenschaften ausgebildet, daß kein Obed sie jemals überwinden konnte. In Duntrayöhrn hatten sie eine neue Heimat gefunden, der sie sich anzupassen vermochten und die sie am Leben erhielt.
5. Lange standen sie sich gegenüber und sahen sich schweigend in die Augen. Atlan erkannte sofort, daß er eine Persönlichkeit besonderer Prägung vor sich hatte. Glaumo wirkte abgeklärt und weise, in seinem Auftreten spiegelten sich Erfahrenheit und Reife. Eine Aura der Unberührbarkeit schien ihn zu umspielen und ihm eine geheimnisvolle Distanz zu seiner Umwelt zu verleihen. Es war nicht zu übersehen, daß er in der Hierarchie der Obeds eine besonders exponierte Stellung verkörperte. Atlan versuchte sich auszumalen, was hinter der Stirn des Operateurs vor sich gehen mochte. In seinem Goldenen Vlies mußte der Arkonide ihm wie ein Fabelwesen aus einer unwirklichen Welt vorkommen. Es hatte allerdings nicht den Anschein, daß er sich davon sonderlich beeindrucken ließ. Mit einer herrischen Geste veranlaßte er Tymmo, sich abzuwenden und zu seinen Freunden zurückzutrotten. Obwohl er mentalstabilisiert war, spürte Atlan die zwingende Ausstrahlung, die Glaumo verströmte. Es überraschte ihn nicht. Er hatte von Anfang an vermutet, daß der Obed parapsychisch begabt war. »Ihr gehört nicht zu uns«, sagte der Operateur in gebrochenem Garva-Guva. Seine Stimme war kalt und gefühllos. Sie schien aus einer fremden, dämonischen Welt zu kommen und hätte jedem Unerfahreneren als Atlan einen Schauer über den Rücken gejagt. »Ihr seid anders.« Nach der Rettung vor den mordlüsternen Reptilien und Tymmos freundlichem Entgegenkommen hatte der Arkonide eine derart abweisende Begrüßung nicht erwartet. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, daß Thalia
Symbiose der Verdammten zusammenzuckte. Sie war durch Glaumos Worte noch stärker schockiert. Fieberhaft begann Atlan zu überlegen, wie er die Sympathie oder zumindest die Hilfsbereitschaft des Anführers der Obeds gewinnen könnte. Vergeblich wartete er auf Hinweise seines Extrasinns, doch der Logiksektor schwieg sich aus. Schließlich sagte er sich, daß Offenheit womöglich die beste Methode sei, den Fremden für sich einzunehmen. »Nein, wir gehören nicht zu euch«, bestätigte er Glaumos Feststellung. »Wir sind auch nicht gekommen, um eure Gemeinschaft zu stören oder uns euch aufzudrängen. Wir sind auf dem Weg nach draußen.« Die Physiognomie eines artfremden, noch dazu mutierten Wesens war nicht leicht zu interpretieren, dennoch glaubte der Arkonide die Wandlung, die im Gesicht des Operateurs vor sich ging, am ehesten damit umschreiben zu können, daß sich seine Miene weiter verdüsterte. »Es gibt keinen Weg, wie ihr ihn sucht«, erklärte Glaumo abweisend. Mit den Armen fabrizierte er eine ungeschickte Bewegung, die das Höhlensystem symbolisch umfassen sollte. »Dies ist Duntrayöhrn, und Duntrayöhrn ist eingebettet in Beuterkum. Das ist die Welt.« Es war Atlan sofort klar, daß mit »Duntrayöhrn«, jenem seltsam klingenden Wort, das auch Tymmo bereits benutzt hatte, der Lebensraum der Obeds gemeint war, während »Beuterkum« offenbar den Plasmaberg in seiner Gesamtheit bezeichnete. Daß er keine Ahnung oder Vorstellung von anderen, außerhalb des Riesenorganismus gelegenen Daseinsbereichen haben wollte, nahm der Arkonide dem Operateur allerdings nicht ab. Wäre es der Fall gewesen, hätte er seine Erklärung anders formuliert. »Beuterkum ist nicht die Welt«, widersprach Atlan. »Du weißt es, und ich versichere dir nochmals, daß unser Weg uns nur deshalb hierher geführt hat, weil wir dieses Gebiet verlassen möchten.« »Ihr werdet es verlassen«, versicherte Glaumo in gleichbleibendem Tonfall. »Ihr
33 werdet dorthin zurückkehren, woher ihr gekommen seid.« »Dort können wir nicht leben.« Atlan mußte alles auf eine Karte setzen. Wenn er jetzt nachgab und sich dem Willen des Operateurs auch nur zum Schein beugte, würden sie keine Gelegenheit mehr erhalten, abermals nach Duntrayöhrn zu gelangen. »Wir brauchen die Freiheit und die Unabhängigkeit. Sie liegen in der anderen Richtung, außerhalb von Beuterkum.« »Du bist sehr kühn, daß du so mit mir zu sprechen wagst.« »Ich ersuche dich um deine Hilfe. Warum drohst du mir?« versetzte Atlan. »Meine Begleiterin und ich sind nicht dazu geboren, in Beuterkum zu leben. Wir wollen nichts von euch.« »Ihr wollt uns verführen, mit euch zu gehen und Duntrayöhrn zu verlassen.« »Das ist falsch. Zeige uns den Weg, und wir werden ihn alleine gehen. Niemand braucht sich um uns zu kümmern.« Glaumo hatte durch seine Worte längst verraten, daß er in der Tat über die Existenz einer Welt außerhalb des Plasmabergs informiert war. Dennoch blieb er unnachgiebig. Was steckte dahinter? Hatte er wirklich die Befürchtung, daß seine Artgenossen das Höhlensystem verlassen könnten, wenn ihnen nur jemand voranging? Fürchtete er um seine Macht oder seinen Einfluß? Oder gab es unbekannte Mythen, die ihm die Hilfe für Fremde untersagten? Atlan wußte es nicht, und er begann einzusehen, daß er den Operateur nicht würde umstimmen können. Er mußte eine andere Taktik einschlagen. »Ich sehe ein, daß wir ein Störfaktor innerhalb eurer Gemeinschaft sind«, sagte er, nachdem Glaumo seine Ablehnung abermals bekräftigt hatte. »Wir werden uns deinem Wunsch beugen und Duntrayöhrn in der Richtung verlassen, aus der wir gekommen sind. Aber wir sind von der langen Wanderung müde. Gestatte uns, eine Weile zu ruhen.« Es war ein riskantes Spiel, das er mit dem Operateur trieb, aber Glaumo kam anschei-
34 nend erst gar nicht auf die Idee, daß er hintergangen werden sollte. Er war es gewöhnt, daß seinen Anweisungen Folge geleistet wurde; durch seine parapsychische Ausstrahlung unterstützt, hatte er seine Untertanen stets unter Kontrolle. Atlan und Thalia waren zwar Fremde, die sich schwer beeinflussen ließen, aber er schien der Meinung zu sein, daß ihr Widerstand nunmehr gebrochen sei. »Damit bin ich einverstanden«, sagte er mit deutlicher Zufriedenheit. Er deutete auf eine der Nischen, die die Plasmawand in unregelmäßigen Abständen unterbrachen. »Ihr könnt euch dort niederlassen. Tyrns wird euch beobachten. Sobald ihr wieder bei Kräften seid, müßt ihr gehen.« Er winkte einem seiner Artgenossen und wandte sich würdevoll ab. Atlan sah ihm nach, bis er in einer Nebenhöhle verschwunden war. Der Obed, den der Operateur herbeigewinkt hatte, entpuppte sich als ein kleines, verkrüppeltes Wesen, dem das Laufen auf seinen kurzen Beinen offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Vor den beiden Fremden blieb es stehen und musterte sie mit großen, glotzenden Augen. »Ich bin Tyrns«, stellte er sich vor. Atlan beschloß, ihm zunächst keinerlei Beachtung zu schenken, um sein Mißtrauen nicht zu wecken. Vermutlich war Tyrns dem Operateur treu ergeben, andernfalls hätte dieser ihn kaum zu ihrer Bewachung bestimmt. Jedes falsche Wort konnte katastrophale Folgen haben. Der Arkonide brauchte außerdem einige Zeit, um sich über sein weiteres Vorgehen klarzuwerden. Er führte Thalia mit sich in die Nische. Zufrieden stellte er fest, daß sie hier dem direkten Blick des Gnomen entzogen waren. »Entspanne dich«, wandte er sich an Thalia, die der parapsychischen Aura Glaumos zwar nicht erlegen war, aber ihren Einfluß doch deutlich gespürt hatte. Er sprach leise und benutzte das Pthora, um ihrem Bewacher keine Gelegenheit zu geben, das Gesagte zu verfolgen. »Ich bitte um eine Erklärung, welche Tak-
Detlev G. Winter tik du verfolgst«, erwiderte Thalia, ohne sich eine Schwäche geistiger Art anmerken zu lassen. »Du hättest Glaumo mit der großen Plejade beeinflussen können.« »Das war zunächst auch meine Überlegung«, bekannte Atlan und schüttelte dabei entschieden den Kopf. »Der Operateur besitzt jedoch einen sehr starken Willen und verfügt über eine ausgeprägte parapsychische Begabung. Ich fürchte, die Plejade hätte nichts ausgerichtet. Das hätte uns um unseren größten Trumpf gebracht.« »Du willst es bei Tyrns versuchen«, riet Thalia. Atlan nickte lächelnd. »Bei ihm ist der Erfolg so gut wie sicher«, sagte er. »Aber wir sollten nichts überstürzen. Es ist wichtig, daß wir ausgeruht und bei Kräften sind, wenn wir Duntrayöhrn verlassen. Wir müssen versuchen, etwas zu schlafen.« Die Pthorerin war davon nicht begeistert, weil sie fürchtete, durch unkontrollierte Reaktionen des Plasmas oder durch einen Überfall der Obeds gefährdet zu sein. Es bedurfte einiger Überzeugungskraft, ihre Bedenken zu zerstreuen. Nach allem, was er beobachtet hatte, glaubte Atlan nicht, daß jemand ihnen etwas würde anhaben wollen, und die Organmasse schien ihm hier weit weniger unbeständig als anderswo. Die mutierten Obeds lebten seit Generationen in ihr. Obwohl sie sich vor der Wehrlosigkeit fürchtete, fiel Thalia schließlich doch in einen tiefen Schlaf. Sie hatte viel mitgemacht und sich körperlich verausgabt, und das forderte seinen Tribut. Atlan brauchte weniger Entspannung. Der in seiner Brust verborgene Zellaktivator half ihm über Erschöpfung und Müdigkeit über längere Zeit hinweg. Dennoch spürte auch er, wie ihm nach wenigen Minuten die Augen zufielen. Tyrns, der Gnom, reagierte unwillig, als er einen Blick in die Nische warf und die Schlafenden sah. Innerlich verfluchte er den Operateur, der ihn zur Bewachung der Fremden eingeteilt hatte. Sie waren völlig ungefährlich, und es war nicht abzusehen,
Symbiose der Verdammten wie lange sie brauchten, bis sie sich erholt hatten. Er hätte Besseres zu tun gewußt, als hier auszuharren und zu warten. Aber er hatte nicht die Kraft, sich Glaumos Befehl zu widersetzen. Sein Geist war zu schwach.
* Die große Plejade, in deren Besitz Atlan auf dem Planeten Xudon gelangt war, hatte ihm im Kampf gegen die Hilfstruppen Chirmor Flogs bereits manchen guten Dienst erwiesen. Insbesondere war es immer wieder gelungen, die Galionsfiguren an Bord der Organschiffe aus ihrer geistigen Abhängigkeit zu befreien und zur freiwilligen Mitarbeit zu veranlassen. Der Arkonide hatte sich mit Thalia nochmals über ihr weiteres Vorgehen verständigt. Beide fühlten sich frisch und ausgeruht, die wenigen Stunden Schlaf hatten ihnen gutgetan. Die Aussicht, den Plasmaberg und die in ihm hausenden Symbionten vielleicht schon bald zu verlassen, stärkte ihren Aktionsdrang zusätzlich. Aus einer Tasche des Goldenen Vlieses zog Atlan die faustgroße Marmorkugel hervor und wog sie prüfend in der Hand. Auch er spürte die geheimnisvolle Aura, die sie verströmte. »Tyrns!« rief er, während er aus der Nische hervortrat. Der Gnom, der es sich vor ihrer Schlafstatt bequem gemacht hatte, sprang auf und wandte sich dem Arkoniden zu. Bevor er etwas sagen konnte, fiel sein Blick auf die Marmorkugel, die Atlan ihm in der hohlen Hand entgegenstreckte. Der Widerschein der Freiheit: jenes unbestimmbare, mystische Fluidum der großen Plejade, das denen, die in seinen Bann gerieten, Kraft und Mut verlieh, sie aus psychischen Abhängigkeiten befreite und ihnen den Drang nach Weite und die Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung vermittelte. Tyrns erlag ihm mit Körper und Seele. Augenblicklich ging eine Wandlung mit ihm vor. Er reckte sich, als wollte er sich selbst seine gnomenhafte Gestalt vergessen machen,
35 plötzliches Interesse und Unternehmungslust schimmerten in seinen großen Augen. »Wir möchten Beuterkum verlassen«, sagte Atlan. »Wirst du uns führen?« »Man kann Beuterkum nicht verlassen. Viele haben es versucht, aber alle kehrten hierher zurück und berichteten schreckliche Dinge.« Atlan zweifelte nicht daran, daß er die Wahrheit sprach. Den parapsychischen Einfluß Glaumos hatte er unter der Wirkung des Widerscheins der Freiheit abgestreift. Es gab für ihn keinen Grund zur Lüge. »Aber es gibt einen Weg«, hakte der Arkonide nach. »Zeige uns die Richtung, und wir werden ihn allein beschreiten.« »Er führt über die achtzehn Pässe, das Reich der Toten, zu den Sturmbögen. Was dahinter liegt, weiß ich nicht.« Atlan konnte sich unter den Begriffen nicht viel vorstellen, aber er hatte bereits einen bestimmten Verdacht. »Was sind die Sturmbögen?« fragte er. »Die Zone der Vernichtung«, behauptete Tyrns. »Wilde Orkane toben dort und reißen jeden in den Tod, der sich zu weit vorwagt. Niemand hat je den Mut gefunden, das Gebiet zu durchqueren. Auch euch wird es nicht gelingen.« Eigentlich, überlegte der Arkonide, konnte es mit den Sturmbögen keine andere Bewandtnis haben, als daß von dort aus die Zufuhr frischer Atemluft ins Innere Beuterkums erfolgte. Tyrns' Schilderung ließ eine gegenteilige Deutung kaum zu. Wenn es richtig war, befand man sich in diesem Gebiet bereits in den Randzonen des Plasmabergs, auf dem Weg in die Freiheit. »Führe uns zu den achtzehn Pässen«, bat Atlan. »Von dort werden wir alleine weiterfinden.« Der Gnom erklärte sich dazu bereit und setzte sich in Bewegung. Niemand beachtete sie oder hielt sie auf. Für die übrigen Bewohner Duntrayöhrns schienen sie Objekte von untergeordneter Bedeutung zu sein, um die man sich nicht weiter zu kümmern brauchte. Glaumo, der Operateur, hingegen,
36 der die Fremden so gerne dorthin abgeschoben hätte, woher sie gekommen waren, ließ sich nicht blicken. Wahrscheinlich hatte er sich irgendwo zur Ruhe begeben oder war wieder in die Plasmamasse eingedrungen und überließ ihre Bewachung Tyrns, den er noch immer in seiner Abhängigkeit wähnte. Unterwegs, als sie bereits mehrere Höhlen durchquert hatten und nur noch selten einem Obed begegneten, hielt es Atlan für an der Zeit, sich ein genaueres Bild von dem Anführer der Mutierten zu machen. »Glaumo ist ein seltsamer Mann«, sagte er zu Tyrns, der daraufhin überrascht stehenblieb. »Er dringt in die Wände Duntrayöhrns ein, ohne daß er dabei Schaden nimmt. Dagegen habe ich niemanden von euch anderen beobachtet, die ihm das nachahmen.« »Wir können es nicht.« »Was tut Glaumo im Innern des Plasmas?« »Er sendet Impulse aus«, erklärte der Gnom bereitwillig und bewies damit, daß er über die Gegebenheiten recht gut unterrichtet war, »und sichert uns so das Wohlwollen Beuterkums. Die Wellen, die sein Geist verströmt, bereiten dem Plasma Freude und helfen ihm, seine Form zu bewahren. Sie veranlassen es, uns Nahrung und Lebensraum bereitzustellen. Wenn es keinen Operateur gäbe, müßten wir alle vergehen.« Etwas Ähnliches hatte Atlan bereits vermutet. Mittels seiner ausgeprägten parapsychischen Begabung war Glaumo in der Lage, die Zellverbände des Organbergs im Sinn der Obeds zu beeinflussen. Nur so konnte es gelingen, das Höhlensystem ohne die Unterstützung technischer Gerätschaften stabil zu halten. Allerdings erschien es dem Arkoniden undenkbar, daß nur ein einziger Vertreter dieses Volkes dazu fähig war. Wenn Glaumo jemals ausfiel oder starb, mußte das eine Katastrophe heraufbeschwören. »Wie viele Operateure gibt es?« wollte er wissen. »Niemand außer Glaumo.« »Was geschieht, wenn Glaumo stirbt?«
Detlev G. Winter »Sein Nachkomme übernimmt die Aufgaben.« »War das schon immer so? Die Fähigkeiten eines Operateurs vererben sich auf seine Kinder?« »So ist es«, bestätigte Tyrns. »Jeder Operateur vermag aber nur einen Nachkommen zu zeugen, deshalb bleibt ihre Zahl immer gleich. Vor Glaumo war Mallk, davor Unktys, davor Morjinta, und so fort. Der Urvater war Corfyl.« Atlan hatte genug gehört, um sich ein deutliches Bild von dem Leben der Obeds und den dazu notwendigen Voraussetzungen machen zu können. Er wollte Tyrns zum Weitergehen auffordern, aber der Gnom schien plötzlich von einer ungewöhnlichen Mitteilsamkeit zu sein. »Möchtest du mehr über den Urvater wissen?« erkundigte er sich. Der Arkonide war nicht abgeneigt, aber er fand, daß sie bereits lange genug herumgestanden und ihre Zeit vergeudet hatten. »Wir müssen weiter«, erklärte er. »Du kannst uns auf dem Weg darüber erzählen.« Tyrns deutete in eine Richtung, die etwas abseits von der bisherigen Route lag. »Ich kann euch in das Archiv führen. Es ist ein geheimer Ort, zu dem nur Glaumo und ich Zutritt haben.« Sein Eifer war bemerkenswert, und in Atlan erwachte sofort das Mißtrauen. Doch dann sagte er sich, daß der Gnom unter dem Einfluß der großen Plejade nicht in der Lage war, sie zu hintergehen oder in eine Falle zu locken. Tyrns meinte es ehrlich, und der Arkonide war brennend daran interessiert, Einzelheiten über die Vergangenheit der Obeds und das Schicksal, das sie hierher verschlagen hatte, zu erfahren. Er stimmte zu. Sie brauchten nur wenige Minuten, um das Archiv zu erreichen. Zu Atlans Überraschung war es eine mit vielerlei künstlichen Einrichtungsgegenständen und technischem Gerät ausgestattete Höhlung, die drei oder vier Meter ins Innere des Plasmas hineinreichte. Das hatte er nicht erwartet. Eine Sperre, die Unbefugten den Zutritt verwehr-
Symbiose der Verdammten te, existierte nicht. Wahrscheinlich lag Tyrns' Aussage, daß nur er und Glaumo diesen angeblich geheimen Ort betreten durften, in der Tatsache begründet, daß er niemandem außer ihnen überhaupt bekannt war. Der Gnom war im Eingang stehengeblieben und beobachtete Atlan und Thalia, die die Einrichtung der Nische zu untersuchen begannen. Der Arkonide wandte sich zu ihm um. »Kannst du diese Geräte bedienen?« »Nein.« Tyrns' Antwort klang bedauernd. Atlan lächelte verstehend. Glaumos Vertrauter war offensichtlich weniger gut informiert, als er ihnen gegenüber den Anschein hatte erwecken wollen. Was er wußte, hatte er sich größtenteils zusammengereimt oder aus mündlichen Überlieferungen erfahren. Nichts davon stammte aus den Unterlagen des Archivs. Aber Tyrns war neugierig. Die Existenz dieses Raumes war ihm bekannt, wohl auch sein Verwendungszweck, und er versprach sich einiges davon, daß er die Fremden hergeführt hatte. Der Arkonide gestand ihm zu, daß er über eine gehörige Portion Cleverness verfügte. »Wer mag diesen Raum eingerichtet haben?« überlegte Thalia. »Wahrscheinlich war es der Urvater«, vermutete Atlan, während er eine Schalteinheit studierte. »Er hat die Fortentwicklung der Obeds vorausgesehen, und wollte dafür Sorge tragen, daß das Wissen um die Vergangenheit nicht völlig verlorengeht.« »Genau das ist aber eingetreten. Heute kennt nur noch der jeweilige Operateur dieses Archiv.« »Vielleicht ist das gut so. Die Obeds sehen ihre Symbiose mit dem Plasma als etwas Natürliches an. Stell dir vor, was geschehen würde, wenn sie plötzlich erführen, wer sie wirklich sind und welches grausame Schicksal ihnen in Wahrheit aufgebürdet wurde.« Auch Glaumos Eilfertigkeit, die beiden Eindringlinge so schnell wie möglich wieder loszuwerden, erschien jetzt in einem anderen
37 Licht. Er mußte befürchtet haben, daß Atlan und Thalia zu viel über die Vergangenheit seines Volkes wußten, das, wenn es publik wurde, großes Unheil hätte auslösen können. Deshalb hatte er ihnen auch verwehrt, die gewünschte Richtung einzuschlagen, die, wie er wußte, in der Nähe des Archivs vorbeiführte. Langsam begann der Arkonide das Verhalten des Operateurs zu verstehen. Was er hingegen nicht verstand, war die Funktionsweise der in der Nische installierten Geräte. Die Technik war ihm fremd, und es würde einige Zeit dauern, bis er sie erfolgreich aktiviert hatte. Unterdessen mochte dem Operateur das Verschwinden der beiden Fremden und seines Vertrauten bereits aufgefallen sein. Wenn Tyrns in absehbarer Frist nicht zurückkehrte, würde er Verdacht schöpfen und sich auf die Suche nach ihm begeben. Atlan wollte seine Bemühungen deshalb schon einstellen, als vor der Rückwand der Nische die Projektion eines Obeds entstand. Eine Stimme erklang; leidenschaftslos und ruhig begann der Mann zu sprechen. Der Arkonide zweifelte nicht daran, daß er ein Bild des legendären Corfyl vor sich hatte. Und er erfuhr die tragische Geschichte eines zu niederstem Leben verdammten Volkes, die Entwicklung der Mutantenkolonie im Innern eines gewaltigen Plasmaberges – vor, während und nach der Entstehung von Beuterkum. Vergessene Bilder: Symbiose Vielstimmige, schrille Rufe gellten durch Duntrayöhrn. An den Grenzen des Höhlensystems hatten sich fast alle Obeds versammelt und versuchten mit wilden Gesten und lauten Schreien die angreifenden Parasiten zu vertreiben. Sie steigerten sich in einen wahren Abwehrtaumel, während sie sich bemühten, die Tonlage ihres grellen Gesangs immer weiter hochzuschrauben. Sie wußten mittlerweile, daß Ultraschall den Schlangen unerträglich war und sie in die Flucht trieb, dennoch gelang es einzelnen Exemplaren, den akustischen Sperriegel zu durchbrechen. Mit stählernen Stangen, letzten Überbleibseln einer verabscheuten Technik, droschen die
38 Obeds auf sie ein. Corfyl beobachtete die Szene von seinem Lager aus. »Wir werden niemals Ruhe finden«, sagte er müde. »Irgendwann wird sich das System stabilisieren«, widersprach Sinthylla nachdenklich. »Jedes Mitglied wird seinen eigenen Lebensraum finden und dessen Grenzen respektieren.« »Ich glaube nicht mehr daran. Wir können in Beuterkum nicht überleben. Es kommt die Zeit, da unsere Feinde übermächtig werden und unsere eigenen Probleme uns erdrücken.« Corfyl war ein alter Mann, kraftlos, körperlich zerfallen und vom nahenden Tod gezeichnet. Er besaß nicht mehr die Energie, die ihn befähigt hätte, Zuversicht zu empfinden und sich gegen ein grausames Schicksal aufzulehnen. Nicht, daß er sich damit abgefunden hatte und die Entwicklung akzeptierte. Er sah die Schrecken und die Not seiner Artgenossen, sah ihren verzweifelten Mut und ihre Auflehnung gegen die Überfälle der Parasiten. Aber er war zu verbittert und innerlich zerstört, um ihnen noch beizustehen, sie zu unterstützen, mit ihnen zu streiten. Er konnte nicht mehr kämpfen, wollte es, nicht mehr. Seine Aufgaben hatte längst ein anderer übernommen. Das Plasma verlangte in regelmäßigen Abständen nach geistiger Befriedigung, nach starken mentalen Impulsen. Corfyls Sohn verschaffte sie ihm: Krukktor, eine Ausgeburt verdorbener Phantasie, eine abscheuliche Kreatur, von unkontrollierten mutativen Veränderungen gekennzeichnet, geistig und körperlich auf das Widerlichste entartet. Corfyl hatte die Geburt des Monstrums nie ganz verkraftet, hatte seinen Sohn verdammt und ihn zu töten versucht. Und er hatte sich und sein Volk verflucht, als offenbar wurde, daß alle Neugeborenen nicht mehr das waren, was sie nach der Erbmasse ihrer Eltern hätten sein sollen. Andere, auch Sinthylla, waren leichter darüber hinweggekommen. Irgendwo hatte sich mit der Zeit das Bewußtsein gebildet,
Detlev G. Winter daß die entsetzlichen Mutationen notwendig waren, um in dieser gespenstischen Umgebung die Art zu erhalten. Kaum jemand machte sich überhaupt Gedanken, wie es dazu hatte kommen können, welches die Ursachen waren. Corfyl ahnte es. Sie hatten die Protoplasmawesen mit hochfrequenter, spezifischer Strahlung überschüttet, um ihr Wachstum anzuregen und zu beschleunigen. Durch das Unglück, das über sie hereingebrochen war, hatten die Obeds keine Möglichkeit mehr, die Energiequellen zu desaktivieren. Nicht nur Beuterkum, auch die in ihm Eingeschlossenen, waren dem verderblichen Einfluß der Strahlung erlegen. Sie veränderte Gene und Erbanlagen, erzeugte sprunghafte, unterschiedliche Mutationen. Corfyl wußte nicht, wie lange die Quellen noch intakt blieben, ob sie vielleicht schon erloschen waren, aber er wußte, daß die Entwicklung sich nicht mehr rückgängig machen lassen würde. Manchmal wünschte er sich, ein Ende wie Verthannon gefunden zu haben, in geistiger Umnachtung, ohne den Blick für die Realität, gedanken- und interesselos. Vieles wäre anders gekommen. Niemals hätte Duntrayöhrn entstehen können, und irgendwann hätte der Plasmaberg die Obeds unter sich begraben. Er, Corfyl, hätte nicht mit dem Bewußtsein sterben müssen, daß er seinem Volk zwar das Überleben gesichert, sie aber dennoch in die Verdammnis geführt hatte. Eine Existenz wie diese war unmenschlich. Er konnte es nicht mehr ändern, aber er machte sich bittere Vorwürfe. Und er war einsam geworden. Seit Krukktor in das Plasma eindrang und für die Stabilität des Höhlensystems sorgte, kümmerte sich kaum noch jemand um ihn. Sie verehrten seinen Sohn, nannten ihn einen Operateur, folgten blind seinen Anweisungen. Immer mehr Parasiten machten sich die neue Beschaffenheit des Organbergs zu Nutzen und begannen ihn neben den Obeds zu bevölkern. Allein die Schlangen waren eine Bedrohung und mußten ständig zurückgetrieben wer-
Symbiose der Verdammten den. Corfyl nahm dabei nicht mehr als die Rolle eines geduldeten Statisten ein. Mit aller Energie, deren er noch fähig war, hatte er eine Art Archiv eingerichtet, um denen, die nach ihm kamen, ihre Vergangenheit zu bewahren. Niemand nahm es zur Kenntnis, Krukktor ausgenommen, und der verstand nicht, was sein Vater damit wollte. Vielleicht Sinthylla: wenn es ihr gelang, den Mißratenen von der Wichtigkeit zu überzeugen, konnte Corfyls Erbe über die Generationen bewahrt werden. Wenn es überhaupt einen Sinn hatte … »Der Angriff ist abgeschlagen!« Die Stimme seiner Gefährtin drang nur träge in seine Gedanken, er erfaßte den Gehalt ihrer Worte nicht mehr. »Die Schlangen haben sich zurückgezogen.« Corfyl spürte eine Berührung am Arm. Eine bepelzte Hand suchte den Kontakt mit ihm. Nicht das! schrie es in seinem Geist. Nicht er! Einsam war er geworden, und einsam wollte er sterben, niemand außer Sinthylla an seiner Seite. Nicht unter den Augen des Monstrums. »Was willst du?« murmelte er. Mühsam gelang es ihm, seine Gedanken aus der Ewigkeit zurückzuholen, die Lider zu öffnen. Mit einer heftigen, schmerzenden Bewegung schüttelte er die Hand seines Sohnes ab. »Gönnst du mir keinen Frieden?« Krukktors Stimme war sanft und einschmeichelnd, etwas Bittendes, Flehendes lag darin. »Ich möchte, daß du mich endlich anerkennst. Daß du mich akzeptierst.« Zeit seines Lebens hatte Krukktor unter der Verachtung seines Vaters gelitten. Nur die Verantwortung für das Volk hatte es ihn ertragen lassen. Aber auch jetzt erkannte Corfyl seine seelische Verbitterung nicht, und er sah die Tränen nicht, die in Sinthyllas Augen standen. »Du bist eine Kreatur«, hauchte er. »Du gehörst nicht in diese Welt. Ich werde dich im Tod noch verachten.«
39 »Ich bin dein Sohn. Du hast mich gezeugt, und Sinthylla hat mich geboren. Warum bringst du mir nichts als Haß entgegen? Wo sind deine Aufgeschlossenheit, die Toleranz früherer Tage geblieben? Warum willst du nicht einsehen, daß auch ich ein Recht auf Leben und Anerkennung habe?« »Niemand von uns hat noch ein Recht auf Leben«, widersprach Corfyl schwach. »Mit der Manipulation der Plasmawesen haben wir ungeheure Schuld auf uns geladen. Die Natur hat sich grausam gerächt. Deine Geburt war die schlimmste Strafe, die mir zuteil werden konnte.« Der Operateur wollte etwas entgegnen, aber Sinthylla gebot ihm mit einer stummen Geste, zu schweigen. Es würde nicht mehr gelingen, den Begründer Duntrayöhrns zu einer neuen, besseren Einsicht zu bewegen. Selbst in der Stunde des Todes war er nicht bereit, die Dinge in einem zuversichtlichen, auf die Zukunft gerichteten Licht zu sehen. So starb Corfyl-Obed – einsam, sich selbst verurteilend, ohne jede Hoffnung und mit tiefer Verbitterung im Herzen. Sinthylla und Krukktor standen lange vor dem Leichnam und versuchten, ihren Schmerz zu beherrschen. Sie sprachen nicht. Einige der anderen Obeds wurden auf sie aufmerksam und näherten sich mit unbeholfenen Schritten. Andere folgten. Bald war die gesamte Kolonie um den Toten versammelt. Reglosigkeit und stumme Trauer erfüllte sie. Niemand hätte später zu sagen gewußt, wieviel Zeit verstrichen war, als Sinthylla sich umwandte und die Masse der Umstehenden musterte. Die Alten waren längst in der Minderzahl. Vielfältige körperliche Gestaltungsformen beherrschten das Bild. Kaum ein Vertreter der neuen Generation glich einem seiner Artgenossen, jeder war auf andere Weise entstellt oder verändert. Konnte auch nur einer von ihnen Corfyls entsetzlichen Schmerz darüber nachempfinden? Sie selbst begann erst jetzt langsam zu begreifen und den verstorbenen Partner zu verstehen.
40 »Wir müssen ihn fortbringen«, sagte sie, und erstmals wurde ihr bewußt, wie weit auch die geistige Entfremdung bereits fortgeschritten war. Jeder lebte für sich, bestenfalls in einer Gruppe mit höchstens drei oder vier weiteren Personen. Corfyls Tod war das erste Ereignis seit langem, das sie alle zusammengeführt hatte, aber keiner schien bereit, beim Transport des Leichnams behilflich zu sein. Es war die Aufgabe des nächsten Angehörigen, des Lebensgefährten; niemandes sonst. Nicht einmal Krukktor rührte sich. Die letzten Worte seines Vaters würde er nicht vergessen können. Von den Alten war es schließlich Klantur, der hervortrat und seine Unterstützung anbot. Er, der mit Corfyl seit langem im Zwist gelegen hatte – in diesem Moment vergaß er seine Feindschaft und war bereit, dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Sinthylla war ihm dankbar dafür. Gemeinsam trugen sie den Leichnam fort, während sich die Versammlung der Obeds allmählich auflöste. Der Begründer Duntrayöhrns war aus dem Leben geschieden: man hatte es zur Kenntnis genommen und Trauer empfunden, jetzt wandte man sich wieder dem gewohnten Daseinsrhythmus mit seinem stupiden und ziellosen Gepräge zu. Nur Krukktor stand noch eine Weile reglos da und sah den Alten nach. Der Weg ins Reich der Toten führte in der Nähe des von Corfyl eingerichteten Archivs vorbei. Sinthylla nahm sich vor, das Vermächtnis ihres Gefährten zu bewahren und seine Aufzeichnungen weiterzuführen. Die Entwicklung der Obeds mußte für die Nachwelt sichtbar bleiben, als Warnung, als ständige Mahnung, nicht im Desinteresse zu versinken, als Ansporn, irgendwann aus diesem entsetzlichen Plasmaorganismus auszubrechen, neue Wege zu suchen … Vielleicht erhielten die Aufzeichnungen eines Tages auch eine völlig neue, eigene Bedeutung … Vorerst mußte sie jedoch darum besorgt sein, Corfyls sterbliche Hülle dem Plasma zu übergeben. Die modrige Luft aus dem Reich der Toten schlug ihr bereits entgegen.
Detlev G. Winter Die grüne Eigenstrahlung der Zellverbände verlor ihre Intensität und machte grauer Düsternis Platz. Die Substanz Beuterkums war in dieser Region weitgehend abgestorben, hatte ihre Beweglichkeit eingebüßt und ihre Farbenprächtigkeit verloren. Eine Enklave des Todes, der Vergänglichkeit und der mystischen Stille inmitten eines von pulsierendem Leben erfüllten Organismus. Sinthylla und Klantur warteten nicht, bis jene Bereiche des Plasmas, die noch erneuerungsfähig waren, den Leichnam Corfyls in sich aufgenommen hatten. Wie die meisten Alten empfanden auch sie diese Form des Abschiednehmens entwürdigend, aber sie wußten, daß es in Beuterkum keine andere Möglichkeit gab. Corfyls Körper würde in den Zellverbänden aufgehen; nach dem intensiven geistigen Kontakt würde er die vollkommene Integration erreichen. Auch auf dem Rückweg sprachen die beiden Obeds nicht miteinander. Sinthyllas Schmerz war noch zu groß, sie wollte allein damit fertig werden. Klantur erkannte und akzeptierte es. Erst als sie Duntrayöhrn wieder erreichten und sich dem Archiv näherten, brach die Frau das Schweigen. »Unsere Wege trennen sich hier«, sagte sie. »Ich möchte allein sein.« »In dieser Stunde der Trauer«, widersprach Klantur, »werde ich dich nicht dir selbst überlassen. Ich bleibe bei dir.« »Ich möchte es nicht. Ich bin dir für deine Anteilnahme und Hilfsbereitschaft sehr dankbar, aber ich bitte dich, meinen Wunsch zu respektieren.« Klantur sah sie lange an. Besorgnis lag in seinem Blick. Vielleicht ahnte er, was sie insgeheim zu tun beabsichtigte, aber sie war entschlossen, ihren Weg zu gehen. »Was hast du vor?« »Ich möchte das Archiv ergänzen«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Und ich möchte es alleine tun.« Klantur sah ein, daß es keinen Sinn hatte, sie umstimmen zu wollen. Er verabschiedete sich und ging mit steifen Schritten davon. Vor langer Zeit hatte auch er um Sinthyllas
Symbiose der Verdammten Gunst geworben. Sie war nie ernsthaft darauf eingegangen, was wohl auch ein Grund war, daß sich zwischen ihm und Corfyl tiefe Feindschaft gebildet hatte. Vielleicht hatte er gehofft, wenigstens jetzt, auf seine alten Tage, eine zumindest freundschaftliche Beziehung zu ihr herstellen zu können. Es mußte eine neuerliche Enttäuschung für ihn sein. Sie erreichte das Archiv in dem Gefühl grenzenloser Einsamkeit. Fast erschien es ihr wie ein heiliger Ort. Die geistige Hinterlassenschaft Corfyls bedrückte sie. Aber sie war stark genug, sich nicht irritieren zu lassen. Sie aktivierte ein Aufnahmegerät und zeichnete einen kurzen Bericht auf, schilderte die Ereignisse der Zeit zwischen Corfyls letzter Eintragung und seinem Tod und sprach die Hoffnung aus, daß die Obeds eines Tages wieder zu sich selbst finden würden, daß sie sich auf vergangene Werte und Traditionen besännen und ihr Schicksal nicht widerspruchslos hinnähmen. Aber sie wußte, daß dies eine unsinnige Hoffnung war. Je länger sie nach dem Abschluß ihres Berichts hier verweilte, desto deutlicher wurde ihr, daß sich die Lebenseinstellung der Mutierten nicht mehr ändern würde. Corfyl hatte es schon längst erkannt gehabt, und er hatte die Einsicht seelisch nicht verkraftet. Seine Verbitterung darüber hatte er mit in den Tod genommen. In diesen Minuten begriff Sinthylla mit erschreckender Klarheit, wie weit sich die neue Generation von den Alten bereits entfernt hatte, und daß es niemandem jemals gelingen konnte, die Kluft zu überbrücken. Mit jeder neuen Generation würde sich die apathische, antriebslose Lebenseinstellung weiter verfestigen. Die Symbiose mit Beuterkum würde weitergehen, sich vervollkommnen und zum eigentlichen Inhalt obedianischer Existenz entarten. Dies war nicht mehr ihre Welt! Dies war nicht, wofür sie gelebt hatte! Der Gedanke, der ihr vorhin, als sie Corfyl bestattet hatten, durch den Kopf geschossen war, nahm konkretere Formen an. Mit jedem Augenblick, den sie hier stand, verfe-
41 stigte er sich, tauchte aus dem Nebel des für undurchführbar Erachteten und wurde zum Symbol der Auflehnung und der Flucht vor dem scheinbar Unabänderlichen. Damit brach Sinthylla endgültig aus der Masse aus. Plötzlich hatte sie ein Ziel.
6. »Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich behaupten, daß Tyrns uns belogen hat.« Thalia sprach leise und stockend, während sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte. Der Weg, den sie eingeschlagen hatten, erforderte höchste Konzentration. Jeder Fehltritt konnte tödliche Folgen haben. »Sein Verhalten gab keinen Anlaß, an seinen Worten zu zweifeln«, entgegnete Atlan. Wenige Schritte vor der Pthorerin bewegte er sich langsam über den nachgiebigen Untergrund. »Die Plejade hat ihm jedes Mißtrauen gegen uns genommen. Er hatte überhaupt kein Motiv, uns zu hintergehen.« Längst hatten sie sich von dem gnomenhaften Obed getrennt. Tyrns war um keinen Preis bereit gewesen, das Reich der Toten zu betreten. Viele Legenden und furchteinflößende Geschichten rankten sich um dieses Gebiet, das von den Lebenden möglichst gemieden wurde. Tiefverwurzelte Ängste hinderten den Vertrauten des Operateurs daran, in die farblose Düsternis vorzudringen. Außerdem hatten ihm Corfyls Berichte und Sinthyllas abschließende Erklärung, die er im Archiv gehört hatte, einen gehörigen Schock versetzt. Es würde noch einige Zeit dauern, bis er damit fertig wurde. Für Atlan und Thalia war er keine große Hilfe mehr, deshalb hatten sie ihn zu Glaumo zurückgeschickt. Aus der befreienden Wirkung der großen Plejade entlassen und allmählich dem Einfluß des Operateurs wieder erliegend, war ihm der Abschied sichtlich leichtgefallen. Seitdem waren der Arkonide und die Pthorerin erneut auf sich alleine gestellt, und sie fühlten sich keineswegs wohl dabei. Insbesondere Thalia stellte sich immer öfter die
42 Frage, ob sie sich wirklich auf dem richtigen Weg befanden. Atlan mochte ähnliche Zweifel hegen, aber er äußerte sie nicht. Seit der Entstehung Duntrayöhrns bestatteten die Obeds hier ihre Toten. Die Körper der Verstorbenen wurden vom Plasma zunächst bereitwillig einverleibt, aber aus unbekannten Gründen war es dem Organismus nicht möglich, die aufgenommenen Zellverbände zu verarbeiten und zu integrieren. Die Leblosigkeit schritt in ihm selbst fort, das umliegende Gewebe Beuterkums starb mit der Zeit ab, zersetzte sich und erzeugte jenen modrigen, Übelkeit erregenden Gestank. Nach und nach war die Substanz in sich zusammengesunken, hatte tiefe Schluchten gebildet, die nur über schmale Grate zu überwinden waren. Tyrns hatte von achtzehn solcher Pässe gesprochen. Früher mußten es weniger gewesen sein. Die Toten konnten jeweils nur an den Grenzen des Schluchtensystems bestattet werden, dort, wo noch lebendes Plasma vorhanden war, das sie in sich aufnahm. Nach Jahren bildete sich dann aus abgestorbener Zellmasse eine weitere Absenkung, und der Bereich aktiver Substanz zog sich um mehrere Meter zurück. Auf diese Weise war das Reich der Toten mit den Generationen immer größer und ausgedehnter geworden. Es war ein endloser Prozeß, der nicht aufhören würde, solange die Obeds sich fortpflanzten. Atlan und Thalia hatten nicht gezögert, sich einem der Pässe anzuvertrauen. Sie wußten, daß es nur diesen Weg in die Freiheit gab, wenn er auch nicht sehr vertrauenerweckend schien. An einigen Stellen war der Grat bedenklich schmal, und das herrschende Halbdunkel vergrößerte die Gefahr noch, einen falschen Schritt zu tun und in die Tiefe zu stürzen. Angesichts dieses Aspekts verblaßte die Frage, welcher Mechanismus für die Stabilität der Pässe verantwortlich war, zur Zweitrangigkeit. Der Arkonide hatte sich dennoch seine Gedanken darüber gemacht, ohne jedoch ein eindeutiges Ergebnis zu erzielen.
Detlev G. Winter Tyrns hatte einige Male angedeutet, daß das Skelett der Verstorbenen von dem zersetzenden Prozeß Beuterkums nicht angegriffen würde. Es war denkbar, daß unter der toten Substanz der Grate Unmassen von Knochen lagerten, die dafür garantierten, daß nicht auch die Überwege in sich zusammensanken. Besonders einleuchtend erschien Atlan diese Deutung freilich nicht. Es gab im Zusammenhang mit dem Organberg etliche Fragen, die sich nie zufriedenstellend würden klären lassen. Der Arkonide schätzte, daß sie bereits eine Stunde auf dem Grat unterwegs waren, als er den kühlen Zug frischer Luft im Gesicht verspürte. Inmitten des Gestanks abgestorbener Zellmassen war es eine Wohltat. Weiter vorn leuchtete geisterhaft grüner Schimmer in der Düsternis. »Du hattest recht«, ließ sich Thalia hinter ihm vernehmen. »Tyrns hat nicht gelogen, als er uns versprach, daß wir bald in ein windreiches Gebiet gelangen würden.« »Zeitweise«, gab Atlan zu, »habe auch ich mich des Eindrucks nicht erwehren können, daß wir geradewegs ins Nichts laufen. Aber es gab keinen stichhaltigen Grund, an der Beschreibung unseres unfreiwilligen Freundes zu zweifeln.« Die Luft wurde jetzt immer besser. Der Widerschein lebenden Plasmas verdichtete sich zusehends und spendete bereits genügend Helligkeit, um die Beschaffenheit des Passes deutlicher erkennen zu können. Dennoch hüteten sie sich, angesichts des nahen, sichereren Gebietes in eine schnellere Gangart zu verfallen. Sie mußten ihre besonnene Vorsicht bewahren. Alles andere konnte ihr Verderben sein. So dauerte es fast eine weitere halbe Stunde, bis sie das Reich der Toten hinter sich ließen. Im Gegensatz zu dem System der achtzehn Pässe erschien Atlan die neue Umgebung wie eine Oase der Sicherheit, obwohl er sich darüber im klaren war, daß sie noch längst nicht alle Gefahren überwunden hatten. Ein scharfer Wind blies hier, der frische, würzige Luft mit sich trug. Die Organ-
Symbiose der Verdammten masse war, wie in den meisten anderen Teilen Beuterkums, von pulsierendem Leben erfüllt, das eine trügerische Stabilität vorgaukelte. Es schien undenkbar, daß Glaumos Einfluß bis hierher reichte. Jederzeit konnte das Plasma sich umgestalten, verformen und andere Wege öffnen, um atembare Atmosphäre in sein Inneres zu transportieren. »Wir sollten nicht zu lange warten«, sagte der Arkonide besorgt. »Wir müssen sehen, daß wir weiterkommen. Der Weg kann nicht mehr lang sein.« Thalia war, von der angestrengten Konzentration der letzten neunzig Minuten gezeichnet, erschöpft stehengeblieben und sah sich interesselos um. Etwas wie Resignation schien sich in ihr auszubreiten. »Dein Optimismus muß unerschöpflich sein«, gab sie giftig zurück. »Trotzdem sollte es mir erlaubt sein, mich ein paar Minuten zu entspannen.« Atlan begriff, daß seine Begleiterin kurz davor stand, jede Hoffnung aufzugeben. Diese unwirkliche, wahnsinnige Umgebung zerrte mehr und mehr an ihren Nerven. Mochte sie sich nach der Begegnung mit den mutierten Obeds etwas erholt haben, so brach das Bewußtsein, in einem geschlossenen Organismus ziellos umherzuirren, jetzt wieder voll über sie herein. Sie brauchte Zeit, die Notwendigkeiten ihrer Situation einzusehen. Der Arkonide ließ sie ihr. Er redete nicht auf sie ein, bedrängte sie nicht, wartete, bis sie sich innerlich gefaßt hatte. Irgendwann in diesen schweigenden Minuten huschte der Anflug eines Lächelns über Thalias Gesicht, gleich darauf preßte sie die Lippen geradezu trotzig zusammen. »In Ordnung«, murmelte sie, während sie langsam einige Schritte vorausging. »An mir soll es nicht liegen.« Nebeneinander bewegten sie sich weiter durch die von schmutziggrünem Licht erfüllten Hohlräume Beuterkums. Es gab hier keine Stollen oder Korridore mehr; vielfach verzweigt und verästelt, auf teilweise unterschiedlichem Bodenniveau und sich in ver-
43 schiedene Höhen erstreckend, bot sich die Umgebung dar. In vielen Nischen und Vorsprüngen verfing sich der hereingetragene Wind und erzeugte heulende und pfeifende Geräusche, wurde mit jedem Meter, den sie weiter vordrangen, stärker und heftiger und ließ das Rauschen der Körperflüssigkeit in den Hintergrund treten. »Wenn das so weitergeht«, sagte Thalia mit wieder aufflammendem Sarkasmus, »haben wir bald gegen einen Sturm anzukämpfen.« »Tyrns hat es uns prophezeit«, entgegnete Atlan einsilbig. Er war längst nicht mehr überzeugt, daß sie tatsächlich einen Weg finden würden, der aus Beuterkum hinausführte. Das Gelände war zu unübersichtlich und unterschiedlich geartet, um eine sichere Route nach draußen zu bestimmen. Der Wind kam nicht aus einer einheitlichen Richtung, die ihnen die Suche erleichtert hätte. Sie mußten darauf gefaßt sein, wieder und wieder in Sackgassen zu geraten. Überdies wurde das Vorwärtskommen durch zahlreiche Schrägen und Niveauverschiebungen des Untergrunds und den immer stärker werdenden Luftzug zusätzlich erschwert. Hinter einem Vorsprung glaubte der Arkonide einen huschenden Schatten wahrgenommen zu haben. Alarmiert ruckte sein Kopf herum, aber das Phänomen war bereits wieder verschwunden. Sofort erwachte sein Sinn für versteckt drohende Gefahr, obwohl er geneigt war, die schemenhafte Beobachtung seiner durch die letzten Erlebnisse übersteigerten Einbildungskraft zuzuschreiben. »Hast du es auch gesehen?« wandte er sich an seine Gefährtin. Thalia musterte ihn erstaunt von der Seite. »Was?« »Ich habe mir eingebildet, dort vorn eine Bewegung erkannt zu haben.« »Es wird das Plasma gewesen sein«, vermutete die Pthorerin. »Was sollte sich sonst hier bewegen!« Atlan blieb stehen und sah sich aufmerk-
44 sam um. Es ist nichts, versuchte er sich einzureden, aber die nagende Unruhe in ihm blieb. Er war mißtrauisch geworden, und obwohl er weder einen bestimmten Verdacht noch eine konkrete Vorstellung davon hatte, wogegen sich sein Mißtrauen überhaupt richtete, nahm er sich vor, ab sofort erhöhte Wachsamkeit walten zu lassen. Es mochte hier Parasiten oder von außen eindringende Tiere geben, die im Schutz der verwinkelten Hohlräume auf Opfer lauerten. Als Thalia einen spitzen Schrei ausstieß, fuhr der Arkonide alarmiert zusammen. Die Pthorerin war einige Schritte vorausgegangen und stand bewegungslos vor einer Nische. Ihr Körper war in entsetzter Starre leicht nach vorn gebeugt, die Augen Schreckens weit geöffnet. Die vom Wind zerzausten Haare schienen das einzig Lebendige an ihr zu sein. Atlan stand in einer zu ungünstigen Position, um erkennen zu können, was sie so schockierte. Hastig eilte er zu ihr, warf einen Blick in die Nische – und hielt wie vom Schlag gerührt inne. Dort lagen, in verkrampft anmutenden Winkeln zueinander angeordnet, die bleichen Knochen eines Skeletts. Er brauchte die Hilfe seines Extrasinns nicht, um zu erkennen, wessen sterbliche Überreste sie vor sich hatten. Thalia sprach es aus, als sich ihre Verkrampfung lockerte. Ihre Stimme war fast tonlos und im Heulen des Sturms kaum zu verstehen. »Das ist Sinthylla …« Atlan nickte stumm. Das Schicksal der Obedianerin machte ihn betroffen. »Sie hat es nicht geschafft«, murmelte Thalia rauh. »Sie hat ihr Ziel nicht erreicht.« In ihren Worten lag die unausgesprochene Angst, daß auch sie an den unwirtlichen Eigenschaften Beuterkums scheitern würden. »Sie war sehr alt und hatte nicht mehr viel körperliche Kraft«, sagte der Arkonide in dem Bemühen, die schleichende Resignation seiner Gefährtin abzubauen. »Wahrscheinlich hat sie selbst nicht damit gerechnet, daß ihr der Ausbruch gelingen
Detlev G. Winter könnte.« Aus Sinthyllas letzten Aussagen, die er im Archiv gehört hatte, wußte er, daß die Obedianerin das ziellose Leben ihrer Artgenossen nicht länger mitansehen wollte. Sie hatte das sich abzeichnende Schicksal nicht hingenommen. Sie hatte den wahnwitzigen Versuch gewagt, durch das Reich der Toten und die Sturmbögen ins Freie zu gelangen, die lähmenden Fesseln Beuterkums abzustreifen. Tobende Orkane mußten sie aufgehalten und zurückgeworfen haben. Zu schwach, den hereinbrechenden Luftmassen zu widerstehen, und nicht bereit, weiter unter den Ihren zu leben, hatte sie sich in diese Nische verkrochen und in einsamer Verbitterung auf den Tod gewartet. Was macht dich so sicher, daß es sich um Sinthylla handelt? rügte der Extrasinn. Erinnere dich, daß unzählig viele Obeds versucht haben, die Sturmbögen zu überwinden. Dies hier kann irgend jemand sein. Das ist mir klar, gab Atlan unwirsch zurück. Natürlich war das Argument des Logiksektors nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Dennoch sagte ihm ein unbestimmtes inneres Gefühl, daß sie tatsächlich Sinthylla vor sich hatten. Nimm es als Symbol – und erkläre mir lieber, warum die Knochen der Verstorbenen über die Generationen hinweg nicht zersetzt wurden. Der chemischbiologische Aufbau eines obedianischen Skeletts ist nicht bekannt, gab der Extrasinn zurück. Es dürfte einige Stoffe enthalten, die eine Konservierung bewirken. Es war eine recht nebelhafte Deutung, und der Arkonide mußte sich damit zufriedengeben, daß sie hier einem Phänomen gegenüberstanden, das sich vermutlich niemals völlig ergründen ließ. Er wandte sich Thalia zu, die in die Hocke gegangen war und, die Unterarme auf die Knie gestützt, nachdenklich das erschreckende Bild in sich aufnahm. »Wie lange mag sie hier schon liegen?« Atlan war nicht mehr bereit, auf die Ge-
Symbiose der Verdammten fühle seiner Gefährtin übersteigerte Rücksicht zu nehmen. Ein gefährlicher Weg lag noch vor ihnen, und ungern erinnerte er sich der Bewegung, die er vorhin wahrzunehmen geglaubt hatte. »Es ist nicht wichtig«, sagte er, während er der Pthorerin eine Hand auf die Schulter legte. »Wir müssen weiter. Komm!« Thalia erhob sich schwerfällig. Sie warf einen letzten Blick in die Nische und wandte sich entschlossen ab. Ihr Gesicht war gerötet, aber der Wind verschaffte ihr angenehme Kühlung. Als sie sich wieder in Bewegung setzte, straffte sie sich unwillkürlich. Mit jedem Schritt, den sie weiter in die Sturmbögen vordrangen, verstärkte sich der Luftzug, blies ihnen machtvoll entgegen und zwang sie, die Helme ihrer Anzüge zu schließen. Mit leicht vorgebeugten Oberkörpern stemmten sie sich gegen den Druck des Windes. Atlan hatte kaum noch Gelegenheit, die Umgebung so genau zu beobachten, wie es ihm geboten erschien. Er war vollauf damit beschäftigt, das Gleichgewicht halbwegs sicher zu halten und gegen den Sturm anzukämpfen. Durch das Gespinst des Helmes hörte der Arkonide das Heulen der Luftmassen. Er sah, wie Thalia von einer Böerfaßt wurde, sich unkontrolliert einmal um ihre eigene Achse drehte und zu Boden stürzte. Sofort war er bei ihr und half ihr wieder auf die Beine. Sich gegenseitig stützend, setzten sie ihren Weg fort. Mehrmals mußten sie sich gegen die plasmatischen Wände lehnen, um vom Sturm nicht weggerissen zu werden. Der Organismus war hier inaktiv und größtenteils unbeweglich, was ihnen sehr zustatten kam. Irgendwo erkannte Atlan die Umrisse einer aufgewirbelten Staubfahne. Der Ausgang! schoß es durch seine Gedanken. Im Innern von Beuterkum gab es nichts, was der Orkan hätte umherschleudern können. Der Schleier kleinster Teilchen mußte von außen hereingetragen worden sein.
45 Sofort änderten sie die Richtung. Wieder packte der Sturm zu, drohte sie von den Beinen zu reißen und wegzufegen. Sie gingen in die Knie, um mit Händen und Füßen besseren Halt zu haben. Ein gedrungener Schatten bewegte sich um einen Plasmavorsprung und verschwand augenblicklich wieder. Dem Arkoniden gelang es auch diesmal nicht, zu erkennen, worum es sich dabei handelte. In diesem tosenden Chaos aufgewühlter Luftmassen schien es auch gleichgültig. Langsam begann Atlan zu bezweifeln, daß sie unversehrt ins Freie gelangen würden. Der Orkan, der um sie tobte und sie immer wieder zurückwarf, war zu stark und wurde mit jedem Schritt mächtiger. Hier gab es kein Durchkommen. Unzählige Obeds, die es vor ihnen versucht hatten, waren gezwungen gewesen, umzukehren. Ihnen würde es nicht anders ergehen. Auf allen vieren nahmen sie eine leichte Steigung in Angriff, gruben die gekrümmten Hände in das Plasma und arbeiteten sich schwerfällig nach oben. Ein Erdklumpen klatschte gegen Atlans Helm, fiel herab und wurde vom Sturm davongefegt. Welche Ironie des Schicksals! Irgendwo in der Nähe mußte der Ausgang zu finden sein, der Weg, der aus dem Innern Beuterkums auf die Oberfläche des Planeten führte. Überall umherwirbelndes Erdreich und Pflanzenreste bewiesen es. Und sie, der Arkonide und die Pthorerin, besaßen nicht die Kraft, diese letzte Hürde zu überwinden. Abermals verlor Thalia den Halt. Ihre Hände lösten sich aus dem Plasma, der Orkan packte sie und drängte sie zur Seite. Geistesgegenwärtig krümmte sie sich zusammen, um sich bei dem rollenden Sturz über die Schräge keine Verletzungen zuzuziehen. Mehr konnte sie den aufgewühlten Naturgewalten nicht entgegensetzen. Atlan wandte den Kopf, um seine Begleiterin nicht aus den Augen zu verlieren. Da sah er den Schatten, der sich aus einer Nische löste und auf Thalia zutrat – ein in lederartige Kleidung gehülltes, breitschultri-
46 ges Wesen, kaum einhundertfünfzig Zentimeter groß und von echsenförmiger Gestalt. Es ergriff die Pthorerin bei den Schultern und schob sie kraftvoll vorwärts. Der Arkonide hatte kaum Zeit, die Erkenntnis zu verdauen, daß es sich bei dem Fremden um einen Noot handelte, einen Vertreter jenes Volkes, dem er erstmals auf Xudon begegnet war. Auch er wurde von kräftigen, krallenbewehrten Händen gepackt und emporgezerrt. Von beiden Seiten gestützt, stolperte er die Steigung hinauf. Fast verlor er das Gefühl für Zeit und Raum. Er hörte das heulende Brausen des Sturms, erblickte kurz das froschähnliche Gesicht eines der Fremden mit dem fingerlangen, in der Schädelmitte emporragenden Horn, fühlte sich von den Noots mitgeschleift, die kaum Probleme zu haben schienen, gegen den Orkan zu bestehen. Sie bahnten sich ihren Weg durch wirbelnde Staubmassen, durch umherfliegendes Blattwerk und emporgeschleuderte Erdballen. Dann verlor der Wind, aus verschiedenen Richtungen eindringend und sich in vielfältigen reißenden Wirbeln zum Sturm verdichtend, an Kraft. Das grüne Leuchten plasmatischer Zellverbände wurde schwächer, büßte seine geisterhafte Fluoreszenz ein und machte dämmrigem Halbdunkel Platz. Die Noots lösten ihren harten Griff, Atlan stolperte einen Abhang hinunter, sah in einiger Entfernung das grelle Licht zweier Scheinwerfer durch die Nacht stechen und Teile der gewaltigen organischen Masse beleuchten, gelangte auf festen, widerstandsfähigen Boden … Plötzlich fühlte er sich in seinem Goldenen Vlies eingeengt. Hastig öffnete er den Helm und klappte das silberne Gespinst in den Nacken. In tiefen Zügen atmete er die Luft des Planeten ein. Neben ihm stand Thalia, die es ihm gleichtat. Er fühlte sich von einer klammernden Fessel befreit, der Druck, der die ganze Zeit auf seiner Seele gelastet hatte, schwand. Sie waren aus dem Labyrinth des Organbergs entkommen.
Detlev G. Winter Sie hatten Beuterkum verlassen.
* Die Situation war alles andere als eindeutig. Die Noots stellten eines der Hilfsvölker Chirmor Flogs. Atlan war ziemlich sicher, daß nach ihm und Thalia aufgrund ihrer Aktivitäten auf verschiedenen Welten des Marantroner-Reviers mittlerweile überall im Machtbereich des Neffen des Dunklen Oheims gefahndet wurde. Dennoch schienen die Echsenabkömmlinge keine Ahnung zu haben, wen sie soeben gerettet hatten. Beinahe ratlos standen sie am Fuß des Plasmagebirges. Das konnte nur bedeuten, daß sie sich schon seit geraumer Zeit auf diesem Planeten aufhielten und von den Vorgängen in anderen Bereichen des Reviers nicht informiert waren. Atlan beschloß, alles auf eine Karte zu setzen, und ergriff die Initiative. »Was sucht ihr hier?« fragte er mit fester Stimme. Er war nicht sicher, ob die Noots auf seinen Trick hereinfallen würden, aber er hatte keine andere Wahl, als es zu versuchen. Einer der Fremden baute sich vor ihm auf. Seine Schuppen auf den nicht von der Lederkleidung bedeckten Körperpartien schimmerten im Licht des Gleiters bläulich. »Ich bin Kandyr-Corn«, stellte er sich vor. »Wir befinden uns seit geraumer Zeit auf Garnverc und suchen nach Überresten des Obed-Adels.« Atlan schaltete blitzschnell. Offenbar hatte Chirmor Flog auch auf diese Welt, ebenso wie auf den Planeten Sinkle-Eehl, Hinweise erhalten. Es gehörte nicht viel Einbildungskraft dazu, sich vorzustellen, wie das Kommando der Noots überall auf Garnverc nach Spuren einer Zivilisation gesucht hatte, bis sie schließlich auf die Idee kamen, im Innern des gewaltigen Plasmabergs nachzuforschen. Er konnte von Glück sagen, daß sie nicht eher in die Organmasse eingedrungen
Symbiose der Verdammten waren. »Chirmor Flog schickt euch, nicht wahr«, knurrte Atlan. Als der Noot eine zustimmende Geste machte, fuhr er fort: »Wahrscheinlich dachte er, ihr könntet mehr Erfolg haben als wir.« Kandyr-Corn schien keinerlei Mißtrauen zu entwickeln. Durch die lange und erfolglose Suche war sein Urteilsvermögen abgestumpft. Aus Atlans Worten schloß er, daß die Geretteten ebenfalls im Auftrag des Neffen hier waren. »Wir waren dreißig Leute, als wir in dieses entsetzliche organische Monstrum eindrangen«, log der Arkonide weiter. »Keiner von den anderen ist mehr am Leben. Wenn ihr nicht rechtzeitig aufgetaucht wärt, hätten auch wir den Tod gefunden.« »Wir werden euch an Bord unseres Schiffes bringen«, schlug der Noot vor. »Dort könnt ihr euch von den Strapazen erholen. Anschließend werden wir die Suche gemeinsam wieder aufnehmen.« »Das ist nicht mehr nötig«, behauptete Atlan kaltblütig. Er wurde jetzt immer sicherer, daß die Echsenabkömmlinge keinen Verdacht schöpfen würden. »Wir haben im Innern des Riesenorganismus die Überreste alter technischer Anlagen gefunden. Sie sind nicht mehr funktionsfähig, denn sie wurden von Körpersäuren zerstört und zerfressen. Denjenigen, die sie einst bedient haben, erging es wahrscheinlich ebenso. Wir fanden lediglich einige bruchstückhafte Aufzeichnungen.« »Dann ist unsere Aufgabe auf Garnverc beendet«, resümierte Kandyr-Corn. Es schien ihm große Erleichterung zu bereiten, daß er die Aktion abbrechen konnte. Außer Beuterkum mußte es auf dem Planeten noch unzählige, wenn auch nicht derart riesenhafte Protoplasmawesen geben, die den Noots das Leben hier nicht unbedingt angenehm gestaltet hatten. Thalia hatte sich aus dem Gespräch vorsichtshalber herausgehalten, um Atlans gefährliches Spiel nicht durch eine unbedachte Äußerung zu verraten. Jetzt, als sie hinter
47 den Noots auf den startbereiten Gleiter zugingen, warf sie ihm einen bedeutungsvollen und zugleich ungläubigen Blick zu. Sie faßte es nicht, daß die Fremden sich so leicht hinters Licht führen ließen. Das Fluggerät startete unmittelbar, nachdem Atlan und Thalia eingestiegen waren. In einer weiten Schleife flog der Pilot um das Gebirge aus lebendem Plasma herum. Erst jetzt konnte sich Atlan ein halbwegs sicheres Bild über die Ausmaße Beuterkums machen. In verhaltenem Schimmer glänzend, ragte die Organmasse bis in eine Höhe von nahezu eintausend Metern empor und bedeckte eine gewaltige Fläche, deren Durchmesser in Bodenhöhe bestimmt vier oder mehr Kilometer betrug. Es war ein gespenstischer und furchteinflößender Anblick. Wenn er überlegte, wie lange sie im Innern dieses Monstrums hätten umherirren können, ohne einen Ausstieg zu finden, wie leicht sie unter dem enormen Gewicht des Organismus hätten begraben werden können, jagte es ihm im Nachhinein eisige Schauer über den Rücken. Die Unsicherheit ihrer gegenwärtigen Lage und die Frage, wie lange es dauern würde, bis die Noots sie durchschauten, erschienen dagegen geradezu harmlos. Von den Strahlungsquellen, die die Obeds benutzt hatten, um das Plasma zum Wachstum anzuregen, konnte der Arkonide nichts mehr entdecken. Wahrscheinlich waren sie unter der wuchernden Masse begraben worden, bevor der Organismus seine Ausdehnung eingestellt hatte. Als der Pilot zur zweiten Umkreisung Beuterkums ansetzte, hielt Atlan es für nötig, einzugreifen. Wenn die Noots wider Erwarten etwas entdeckten, das er übersehen hatte, konnte das schlimme Folgen für ihn und Thalia haben. Seine Lügengeschichte stand ohnehin auf reichlich schwachen Füßen. »Wir haben lange gekämpft, bevor wir den Organismus verlassen konnten«, erinnerte er. »Ich wäre euch dankbar, wenn ihr unsere Nerven nicht weiter strapazieren
48 würdet, indem wir uns das Monstrum jetzt dauernd von außen betrachten müssen.« Kandyr-Corn ging sofort darauf ein. Auch er war froh, dieser Gegend den Rücken kehren zu dürfen. Er gab dem Piloten einen Wink, der daraufhin einen neuen Kurs wählte, der die Maschine von Beuterkum wegführte. In Flugrichtung leuchteten die Positionslichter des Mutterschiffs. Sanft setzte der Gleiter in einem Hangar auf. Kandyr-Corn führte seine Gäste in die Kommandozentrale. Überrascht stellte Atlan fest, daß sie nirgendwo Besatzungsmitgliedern begegneten. Offenbar waren alle zur Erfüllung des Auftrags auf die Planetenoberfläche abkommandiert worden. Ein rhythmisch blinkendes Licht auf einer der Bedienungskonsolen veranlaßte den Noot zu nervöser Eile. Der Arkonide beobachtete, wie er den Bildschirm eines Empfangsgeräts aktivierte. Als der düstere, schattenhaft verschwommene Umriß auf der Sichtscheibe erschien, fuhr er zusammen. Etwas in ihm verkrampfte sich. Thalia atmete heftig ein. Das Spiel war aus! »Waquant an Bord der OPIER.« Die Stimme klang dumpf und hatte einen harten Akzent. »Warum meldet ihr euch nicht?« »Das Schiff war zeitweise nicht bemannt«, erklärte Kandyr-Corn. »Wir haben uns alle der Aufgabe gewidmet, die Chirmor Flog uns gestellt hat.« Atlan hörte kaum noch hin. Was sich auf dem Bildschirm abzeichnete, war der Schattenschild eines Scuddamoren! »Wir sind gemeinsam mit der JARANTHIEN und der MORIEN im Auftrag des Neffen hier«, sagte Waquant. »Ein Impuls im Raum-Zeit-Gefüge ist geortet worden. Was kannst du uns berichten?« Die Gedanken des Arkoniden jagten sich. Selbstverständlich hatte die Aktivierung des Transmitters auf Sinkle-Eehl eine Erschütterung des vierdimensionalen Kontinuums ausgelöst, die von Chirmor Flogs Flotte empfangen worden war, bevor sie Ringtor zerstört hatte. Ein gleichartiger Impuls muß-
Detlev G. Winter te naturgemäß auch vom Empfangsgerät im Innern Beuterkums ausgegangen sein. Die Verbindung war eindeutig, das Erscheinen der drei Organschiffe die logische Konsequenz. Atlan überlegte, ob er in das Gespräch zwischen Kandyr-Corn und Waquant eingreifen sollte. Was der Noot zu berichten wußte, war nicht viel, aber es war von großer Brisanz. Doch selbst wenn sich der Arkonide eingemischt hätte, wäre es ihm kaum gelungen, die Wahrheit weiter zu verbergen. Irgendwann in den nächsten Minuten mußten er und Thalia ihre Maske fallenlassen. »… immerhin konnten wir zwei Überlebende einer früheren Expedition in Sicherheit bringen«, beendete Kandyr-Corn seine Meldung. »Von einer früheren Expedition ist mir nichts bekannt«, entgegnete der Scuddamore. »Wer sind die beiden?« Der Arkonide spürte die fragenden Blicke seiner Begleiterin auf sich ruhen. Stumm schüttelte er den Kopf. Sie konnten nichts mehr tun, als den Fortgang der Ereignisse abzuwarten. Gegen die Übermacht von drei Organschiffen waren sie selbst dann wehrlos, wenn es ihnen gelänge, den nootischen Expeditionsraumer in ihre Gewalt zu bringen. Mittlerweile hatte er zu dem, was unweigerlich geschehen mußte, eine neue Philosophie entwickelt. Eine Gefangennahme würde sich nicht mehr umgehen lassen – und vielleicht konnte dies zu einer guten Ausgangsposition werden, endlich nach Säggallo zu gelangen. Dort, in der Keimzelle der Macht Chirmor Flogs, mochten sich Wege finden lassen, etwas für ihre Befreiung und die Sicherheit Pthors zu tun … »Nehmt sie fest!« gellte Waquants Stimme durch die Kommandozentrale. »Sie sind sofort an Bord der OPIER zu bringen!« Kandyr-Corn mochte durch den Aufenthalt auf Garnverc und im Bann riesiger Plasmamassen müde und vertrauensselig geworden sein. Aber er war weder dumm noch be-
Symbiose der Verdammten griffsstutzig. Der Scuddamore hatte den Befehl kaum zu Ende gesprochen, da zog der Noot in einer blitzschnellen Bewegung seine Waffe und richtete sie auf den Arkoniden. Einer seiner Leute trat ebenfalls hinzu und hielt Thalia in Schach. »Beeilt euch!« drängte Waquant, bevor der Bildschirm erlosch. »Ihr habt uns belogen«, sagte der Noot voller Zorn. Wahrscheinlich war er weniger auf die Fremden als auf sich selbst wütend, weil er das Märchen, das sie ihm aufgetischt hatten, ohne Abstriche geglaubt hatte. Atlan antwortete nicht. Ohne Gegenwehr ließen er und Thalia sich von den schwerbewaffneten Noots in einen Hangar treiben, in dem ein startbereites Beiboot wartete. Neben dem Piloten bestiegen zwei weitere Echsenabkömmlinge das Fahrzeug. Als das Außenschott sich öffnete und das Beiboot aus dem Hangar hinausjagte, lehnte Atlan sich in seinem Sitz zurück. Er beobachtete Thalias verbissen wirkendes Gesicht. Sie schien die Hoffnung aufgegeben zu haben, daß sie aus der Auseinandersetzung mit den Mächten der Schwarzen Galaxis als Sieger hervorgehen könnten. Der Arkonide war etwas zuversichtlicher. Er hatte das sichere Gefühl, daß ihnen bedeutsame, schicksalbestimmende Ereignisse bevorstanden. Visionäre Bilder: Glaumo »Ich habe sie bis zum Reich der Toten geleitet«, sagte Tyrns. »Dort bin ich umgekehrt.« Glaumo sah den Vertrauten schweigend an. Er mißbilligte dessen Verhalten, aber er war weit davon entfernt, ihm einen Vorwurf zu machen. Der Gnom konnte nicht ahnen, welche Bedeutung der Operateur den beiden Fremden zunächst beigemessen hatte. Wenn sie draußen – nur er allein wußte, daß es ein Draußen gab! – auf andere Mitglieder ihres Volkes stießen und ihnen von der Kolonie der Obeds berichteten, war die Sicherheit Duntrayöhrns nicht länger gewährleistet. Erst durch die Meditation war Glaumo zu der Überzeugung gekommen, daß diese anfängliche Befürchtung nicht eintreten würde. »Es waren Wesen aus unbekannten Berei-
49 chen Beuterkums, die sich hierher verirrt hatten und den Weg in ihre Heimat suchten«, bemühte sich Tyrns weiter um seine Verteidigung. »Sie sind sehr klug und mutig und würden nichts tun, was uns schaden könnte.« »Du warst einige Zeit mit ihnen zusammen und weißt doch nichts über sie«, sagte Glaumo. »Ich aber habe ihre geistige Aura erfaßt und in tiefer Meditation die Linien ihres Schicksals gedeutet. Sie sind einsam und sehnen sich nach dem Kontakt mit ihresgleichen. Dabei wissen sie nicht, was sie erwartet.« »Du weißt es?« »Ich ahne es. Eine schreckliche Zukunft steht ihnen bevor.« »Das ist nicht richtig«, protestierte der Gnom matt. »Es sind liebenswerte Wesen, die Glück und Zufriedenheit verdienen. Alles andere wäre ungerecht.« Glaumo versank immer mehr in die Vergegenwärtigung dessen, was er verspürt hatte, als er den Fremden gegenüberstand. »Der Goldene«, murmelte er, »trägt ein Gerät in sich, das eine geheimnisvolle Strahlung aussendet. Ich ahne, daß diese Strahlung ihm zum Verhängnis wird.« Tyrns unterbrach ihn nicht. Von dem, was der Operateur erzählte, verstand er kaum die Hälfte. Die Worte blieben für ihn nebelhaft und düster, aber es stand ihm nicht zu, Fragen zu stellen. »Die Frau dagegen erwartet ein noch schwereres Schicksal. Die Linien des nahenden Todes umweben sie bereits und werden sie nicht mehr freigeben.« Der Gnom war bestürzt. Er wußte um die unheimliche Fähigkeit Glaumos, mögliche Ereignisse der Zukunft vorauszuahnen, und er hatte die Erfahrung gemacht, daß die Warnungen und Deutungen des Operateurs bisher immer eine reale Grundlage besessen hatten. Aber der Kontakt mit den Fremden war nur kurz und wenig intensiv gewesen. Vielleicht täuschte er sich diesmal. »Du weißt viel zu wenig von ihnen, um solches sagen zu können«, wagte Tyrns
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Detlev G. Winter
einen Einwand. »Du kannst nicht einmal erklären, wer sie sind und woher sie kommen. Vielleicht kehren sie sogar zurück und helfen uns bei der Bewältigung mancher Aufgaben.« Glaumo sah ihn mitleidig an. Seine Augen hatten jeden Glanz verloren. Was wußte sein Vertrauter schon über die bestimmenden Schicksalszüge höherer, unbekannter
Gewalten! Was wußte er von den in tiefer innerer Vergeistigung gewonnenen Einsichten! »Wer immer sie sind«, murmelte der Operateur, »sie werden nicht wiederkommen.«
ENDE
Weiter geht es in Atlan Band 422 von König von Atlantis mit: Auf Dykoor wartet der Tod von Peter Terrid