SCIENCE FICTION ROMANE aus der Perry‐Rhodan‐Redaktion
Station der Biorobots von Falk Ingo Klee Die Ha...
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SCIENCE FICTION ROMANE aus der Perry‐Rhodan‐Redaktion
Station der Biorobots von Falk Ingo Klee Die Hauptpersonen des Romans: Professor Dr. Frank Bachmann – Der Zoologe muß um sein Leben kämpfen. Dr. Arne Nilson – Bachmanns Assistent. Luis Santana – Der Raumfahrer wird zum Köder einer Elektronik. Tom Stratford – Erster Pilot der TOBRO. Eins und Achtundvierzig – Zwei Biorobots.
1. Der hünenhafte Mann, der in einer Doppelkabine des Kugelraumers TOBRO schlief, schnarchte, als gelte es, einen ganzen Wald abzuholzen. Plötzlich fuhr ein Ruck durch das Schiff. Die massige Gestalt landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden. Abrupt brachen die Schnarchgeräusche ab. Für einen Moment war es still, dann hörte man einen verhaltenen Fluch. „Nilson, machen Sie Licht!“ Nichts geschah. „Wachen Sie auf, Nilson!“ Wieder blieb alles ruhig – und dunkel. Tappende Schritte wurden hörbar, dann gab es ein krachendes Geräusch. In das Gepolter umstürzender Behälter mischte sich der Schmerzensruf des Mannes. „Wenn Sie Schlafmütze nicht augenblicklich Licht machen, werde ich rabiat!“ Diesmal flammte die Deckenleuchte auf. Dr. Arne Nilson hockte verschlafen auf seinem Bett und rieb sich die Augen. „Ist schon Zeit zum Aufstehen?“ „Nein, Sie Murmeltier.“ Erst jetzt sah Nilson, daß sein Kabinengenosse unter einem Stapel Kästen begraben lag. „Was ist passiert, Professor? Was machen Sie da zwischen den Boxen?“ „Inventur!“ gab der andere bissig zurück. „Sitzen Sie nicht untätig herum, sondern helfen Sie mir endlich heraus.“
Steifbeinig kletterte Dr. Nilson von seiner Schlafstätte herunter und begann, umständlich die Behälter beiseite zu räumen. „Jetzt fehlt nur noch, daß Sie die Kästen etikettieren.“ „Wieso?“ Der Zoologe blickte seinen Vorgesetzten irritiert an. „Weil bei Ihrem Tempo eine Lebensaufgabe daraus wird“, schnaubte der Professor erbost. Der Wissenschaftler schob die breiten Schultern nach vorn und befreite sich mit wuchtigen Armbewegungen von den Behältern. „So macht man das!“ Professor Dr. Frank Bachmann richtete sich auf und blickte seinen um fast zwei Köpfe kleineren Mitarbeiter von oben herab an. „Warum haben Sie eigentlich nicht gleich die Beleuchtung eingeschaltet, he? Ich hätte mich hier zu Tode stürzen können.“ „Ich habe geschlafen“, verteidigte sich Arne Nilson. Er blickte auf sein Armbandchronometer. „Es ist ja erst 3.15 Uhr. Was haben Sie denn mitten in der Nacht gesucht? Oder sind Sie neuerdings unter die Schlafwandler gegangen?“ „Reden Sie keinen Unsinn“, sagte Bachmann grob. „Sie wollen nur ablenken. Sie haben wieder Schlafmittel genommen, habe ich recht?“ „Natürlich. Glauben Sie, bei Ihrem Geschnarche kann ein vernünftiger Mensch schlafen? Und jetzt lege ich mich wieder hin. Gute Nacht, Professor!“ Dr. Nilson grinste Bachmann frech an und ging zu seinem Bett. Noch bevor er es erreichte, durchlief ein Zittern den Raumer. Verstrebungen und Zwischendecks knisterten und knackten, die Schiffszelle wurde zum Schwingen gebracht. In das helle Singen des strapazierten Materials mischte sich ein unterschwelliges Dröhnen. Unvermittelt legte sich die TOBRO schräg. Beide Männer wurden von den Beinen gerissen. Während Dr. Nilson das Glück hatte, weich auf seiner Liege zu landen, ging der Professor erneut zwischen den Boxen zu Boden. „Jetzt reicht es mir aber“, brüllte Bachmann wütend. „Dieses dumme Pilotengespann wird von mir etwas zu hören bekommen, daß…“ Weiter kam er nicht. Irgendwo begann eine Alarmsirene zu heulen, knallend schlugen schwere Schotte zu. Das Licht flackerte, wurde schwächer und erlosch schließlich ganz. „Lassen Sie den Unsinn, Nilson. Schalten Sie sofort die Beleuchtung wieder ein!“ „Ich habe den Schalter überhaupt nicht berührt.“ Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Schlag. Die TOBRO schüttelte sich, als wäre sie von einer Riesenfaust getroffen worden. Nilson wurde aus dem Bett geschleudert und landete zwischen einigen Stühlen. Er schlug hart auf und handelte sich einige blaue Flecken ein. Auch dem Professor erging es nicht besser. Obwohl Bachmann die unterste Ebene bereits erreicht hatte, geriet er mitsamt den Behältern in Bewegung. Er prallte unsanft gegen einen Einbauschrank und erlitt durch mehrere Kästen, die auf ihn stürzten, zusätzliche Verletzungen. Noch während beide Männer ihrem Schmerz ungehindert Luft machten, flammte die Beleuchtung wieder auf. Zugleich fiel die Gravitation aus, und die Klimaanlage
stellte ihren Dienst ein. Alles, was nicht fest verankert war, strebte nach oben. Professor Dr. Frank Bachmann wirkte inmitten der schwebenden Boxen wie ein exotisches Insekt. Sein Assistent kämpfte einen heroischen Kampf gegen Kissen und Decken, die ein verwirrendes Knäuel um ihn gebildet hatten. Damit nicht genug, mußte sich Nilson ebenso wie sein Herr und Meister noch der herumfliegenden, gewichtslosen Gegenstände erwehren. Mit rudernden Arm‐ und Beinbewegungen schafften es die beiden schließlich, den so aufdringlichen Ausrüstungsstücken unter die Kabinendecke zu entkommen. Gesellschaft leistete ihnen dabei ein Glas Fruchtsaft, das Arne Nilson gedankenlos als Schlummertrunk neben seine Schlafstatt gestellt hatte. Schlagartig setzte die Gravitation wieder ein. Augenblicklich folgte alles wieder den Gesetzen der Schwerkraft. Polternd fielen die Gegenstände zu Boden. Dr. Nilson prallte mit Händen und Knien auf einem Tisch auf. Dabei handelte er sich einige Hautabschürfungen sowie eine verstauchte Hand und Schienbeinprellungen ein. Professor Bachmann hatte es diesmal besser getroffen. Er landete weich in seinem Bett. Allerdings hielt es dem Aufprall des massigen Mannes nicht stand und brach krachend zusammen. Ein Teil des Fruchtsafts folgte dem heftigen Sog und benetzte Lager und Professor. „Das geht entschieden zu weit.“ Der Wissenschaftler schleuderte Kissen und Decken zur Seite und sprang wütend aus den Trümmern seiner einstigen Ruhestatt. „Den verdammten Anfängern in der Kanzel werde ich zeigen, was es heißt, so mit Frank Bachmann umzuspringen. Wer hat den Seelenverkäufer mit dieser elenden Besatzung überhaupt gechartert?“ „Die Zoologische Gesellschaft von 1978.“ „Das ist typisch. Wahrscheinlich wurde das Schiff im selben Jahr gebaut.“ Bachmann fuhr sich erregt über Stirnglatze und Löwenmähne. „Kommen Sie, Nilson, die angeblichen Piloten kaufen wir uns!“ Plötzlich stutzte er. Behutsam strich er sich nochmals über die Haare. „Ihnen sollte ich ebenfalls eine Abreibung verpassen, Sie Null. Wissen Sie, was das hier ist? Ihr verdammter Fruchtsaft! Alles an mir klebt. Ich hätte nicht übel Lust, Sie zu verprügeln.“ „Das wäre Mißhandlung und Körperverletzung. Ich bin verletzt und kann mich nicht wehren“, jammerte der schmächtige Zoologe. Prof. Frank Bachmann sah ihn mitleidig an. „Selbst wenn Sie täglich fünf Pakete Kraftnahrung verspeisen würden, hätten Sie keine Chance gegen mich.“ Er packte Nilson am Arm und schüttelte ihn kräftig. „Kommen Sie endlich von diesem albernen Tisch herunter, bevor ich Ihnen Beine mache.“ „Au, sind Sie verrückt? Sie brechen mir ja alle Knochen!“ „Ihre Anatomiekenntnisse sind ungenügend, Nilson. Wie viele Knochen hat ein Arm, he?“ Jaulend heulte die Alarmsirene wieder auf. „Aha, unsere Steuerkünstler leiten ihr nächstes Überholmanöver im freien Raum ein und warnen uns“, sagte der Wissenschaftler sarkastisch. „Halten Sie sich fest, Nilson,
es wird wieder ernst.“ Bachmann klammerte sich an die Platte des festverankerten Tisches. Sein Assistent reagierte nicht rechtzeitig genug. Die TOBRO machte plötzlich einen Sprung nach vorn und geriet ins Schlingern. Nilson verlor den Halt und stürzte auf die herumliegenden Boxen. Zusammen mit ihnen rutschte er im Rhythmus der Schlingerbewegungen hin und her. „Sie sind ein Unglücksrabe, Nilson. Habe ich Sie nicht gewarnt?“ Der Zoologe antwortete nicht. Seine Augen waren geschlossen. „Nilson, was ist mit Ihnen? Sind Sie verletzt?“ Der andere schwieg. Besorgt blickte Professor Bachmann zu seinem Mitarbeiter, der wie ein lebloses Bündel auf dem Boden lag. Seine Haut zeigte eine auffallende Blässe. Sich mit einer Hand am Tisch festhaltend, ließ Bachmann sich auf den Boden nieder. Noch immer schaukelte und schlingerte das Schiff. Der Wissenschaftler kroch langsam auf Nilson zu. Das Wimmern der Sirene verstummte. Nach und nach stabilisierte sich die Lage des Raumers. Der Wissenschaftler sprang auf und rannte zu seinem Mitarbeiter. Wie eine kurze Untersuchung ergab, war er nur bewußtlos. Die Platzwunde am Hinterkopf stufte Bachmann als unbedenklich ein. Liebevoll, wie der Professor meinte, tätschelte er Arne Nilson mit seinen riesigen Pranken die Wangen. Der Zoologe schlug die Augen auf und verzog vor Schmerz das Gesicht. „Hören Sie auf, mich zu verprügeln“, sagte er mit schwacher Stimme. „Aber, Nilson, ich schlage Sie doch nicht. Ich habe Sie lediglich aufgeweckt. Was ist mit Ihnen?“ „Mir ist, schlecht, abgrundtief schlecht.“ Professor Bachmann erhob sich aus der Hocke und eilte zu einem Wandschrank. Mit einer Flasche und einem Glas kehrte er zurück. Er füllte das Glas bis zum Rand und reichte es seinem Assistenten. „Hier, trinken Sie, das wird Ihnen helfen.“ Nilson blickte seinen Vorgesetzten dankbar an. Mit einem Zug trank er das Glas leer. „Jetzt geht es mir schon besser. Geben Sie mir noch einen Schnaps.“ „Wollen Sie zum Alkoholiker werden, Nilson?“ Bachmann nahm dem anderen das Glas aus der Hand und verstaute die Flasche wieder. „Alkohol ist wie Medizin, da schadet Übermäßigkeit. Außerdem ist Übelkeit keine richtige Krankheit, die ernsthafter Maßnahmen bedarf. Nein, Nilson, ein Schnaps reicht. Und jetzt kommen Sie, wir haben mit unseren Flugamateuren noch ein Hühnchen zu rupfen.“ * „Das hätte leicht ins Auge gehen können.“ Tom Stratford, der Erste Pilot, fuhr sich über die schweißnasse Stirn. „Ein Glück, daß uns der Hypersturm nur gestreift hat.“ „Immerhin scheinen einige Aggregate etwas abbekommen zu haben.“ Luis Santana, der Zweite Pilot, deutete auf eine Reihe blinkender Signallämpchen. „Ich schätze, daß die Instandsetzungen eine Weile dauern werden.“ Stratford blickte zum Zentralbildschirm, auf dem sich unbekannte
Sternenkonstellationen abzeichneten. „Weißt du, wo wir uns befinden?“ Als Santana den Kopf schüttelte, schaltete Stratford den Kartentank ein. In Sekundenschnelle verglich die Elektronik die fremden Sternbilder mit den gespeicherten Unterlagen. Das Ergebnis war negativ. „Das hat uns noch gefehlt“, stöhnte der Pilot. „Luis, willst du die Standortbestimmung vornehmen?“ „Immer überträgst du mir die unangenehmen Aufgaben“, beschwerte sich Santana. „Du brauchst doch nur ein wenig hochzurechnen. Und du bist im Kopfrechnen nun einmal besser als ich. Ich kümmere mich derweil um die Schäden.“ Stratford schnallte sich los und stand auf. „Doch zuerst hole ich uns mal Kaffee.“ Er zapfte am Automaten zwei Becher und kehrte zum Steuerpult zurück. Plötzlich klopfte jemand heftig gegen das Schott und verlangte lautstark Einlaß. „Die Agaporniden“, seufzte Santana. „Agaporniden“ war der Spitzname für Professor Bachmann und Dr. Nilson. Kollegen der beiden Zoologen hatten die Männer so getauft, weil sie ebenso unzertrennlich waren wie die Papageienvögel der Gattung Agaporniden – die Unzertrennlichen. Das Gepolter draußen steigerte sich. „Laß sie herein, Luis, bevor sie die TOBRO auseinandernehmen.“ Der Zweite Pilot hob die Verriegelung auf. Kaum war das Schott etwas zur Seite geglitten, als sich Bachmann hindurchzwängte. Seinen Assistenten zog er wie einen ungezogenen Knaben hinter sich her. „Warum schließen Sie sich ein, he?“ polterte der Zoologe los. „Haben Sie Angst vor mir?“ „Warum sollten wir vor Ihnen Angst haben?“ fragte Stratford. „Deshalb!“ Bachmann rollte die Ärmel seiner Kombination hoch und zeigte dem Piloten blaue Flecke und Hautabschürfungen. „Und deshalb!“ Er drückte Nilsons Kopf herunter und wies auf die Platzwunde. „Na, was sagen Sie dazu?“ „Haben Sie miteinander gerauft?“ „Gerauft?“ Der Professor baute sich drohend vor dem Raumfahrer auf. „Ich hätte nicht übel Lust, Sie zu verprügeln.“ „Versuchen Sie es doch“, sagte Stratford gleichmütig. Er war fast genauso groß wie der Wissenschaftler, besaß aber nicht dessen kräftige Statur, sondern wirkte sehniger. Zudem war er ein Dutzend Jahre jünger als Bachmann, dem an einem halben Jahrhundert nur zwei Jahre fehlten. „Warum wollen Sie Tom eigentlich eine Abreibung verpassen?“ fragte Santana. „Warum?“ Der Professor wandte sich dem Zweiten Piloten zu und funkelte ihn zornig an. „Haben Sie unsere Verletzungen gesehen?“ Der Raumfahrer nickte. „Sie und Ihr Kollege sind daran schuld. Es ist ein Wunder, daß wir uns bei Ihren
vermaledeiten Flugmanövern nichts gebrochen haben.“ „Das waren keine Flugmanöver, sondern die Auswirkungen eines Hypersturms. Wären wir näher am Zentrum gewesen, hätten Sie sich nicht nur die Haut geschrammt, sondern wären in hübsche kleine Atome zerlegt worden.“ „Hypersturm! Sie wollen sich doch nur herausreden.“ Bachmann schnaufte verächtlich. „Nilson, was sagen Sie zu dem Unsinn?“ „Ich bin kein Raumfahrer…“ „Nein, Sie sind eine Null. Wollen Sie diese Kerle etwa verteidigen?“ Die Raumüberwachung gab Alarm und unterbrach das Geplänkel. Stratford eilte zu seinem Pult und aktivierte den Orterschirm. Ein Objekt wurde sichtbar, das frappierende Ähnlichkeit mit einem gigantischen Wagenrad hatte. Von der Nabe im Zentrum zweigten sternförmig sechs Speichen ab. Der Gesamtdurchmesser des Gebildes wurde mit dreihundert Metern angegeben, der Querschnitt der Nabe und des Außenrings betrug dreißig Meter. Zweifellos handelte es sich um ein Raumschiff. Und es kam schnell näher. „Verdammt, das hat uns noch gefehlt. Luis, verstärke die Schutzschirme, aktives Waffensystem in Bereitschaft. Ich übernehme die Steuerung.“ „Was ist denn nun schon wieder los?“ fragte Bachmann ärgerlich. „Wir bekommen Besuch.“ Der Professor warf einen Blick auf den Orterschirm. „Meinen Sie dieses Ding da? Was ist das überhaupt?“ „Dieses Ding ist mit Sicherheit ein Raumschiff.“ „Sie sind übergeschnappt, Stratford. Raumer, die aussehen wie Wagenräder, werden in der ganzen bekannten Galaxis nicht benutzt.“ „Wir sind in keinem bekannten Teil der Galaxis.“ „Soll das etwa heißen, daß Sie sich verflogen haben?“ empörte sich Bachmann. „Nicht verflogen, sondern vom Hypersturm hierher verschlagen.“ „Haben Sie das gehört, Nilson? Schon wieder der Hypersturm. Reine Unfähigkeit Ihrerseits ist das…“ „Halten Sie endlich den Mund“, sagte Tom Stratford grob, „ich muß mich konzentrieren. Setzen Sie sich in die Sessel und schnallen Sie sich an. Es kann sein, daß es in Kürze ungemütlich wird.“ Der Zoologe schwieg verdattert. So war noch keiner mit ihm umgesprungen. Während die Wissenschaftler wortlos Platz nahmen, hantierte Stratford verbissen an seinem Pult. Plötzlich sprach das Normalfunkgerät an. Santana warf seinem Partner einen erstaunten Blick zu. „Sie wollen Kontakt aufnehmen. Gehe auf Empfang und schalte den Rechner dazwischen.“ Aus dem Lautsprecher drangen zirpende Laute. Nach exakt dreiundzwanzig Sekunden brach der Kontakt ab. Die synthetische Stimme des Computers schwieg. Eine Entschlüsselung oder gar Übersetzung war demnach nicht möglich. „Dann versuche ich es mal, vielleicht haben die Fremden bessere Anlagen. Luis, stelle um auf Sendung und bleibe auf gleicher Frequenz.“
Tom Stratford zog sich ein Mikrophon heran. „Hier spricht der terranische Raumer TOBRO. Wir sind in friedlicher Absicht…“ Unvermittelt blitzte es drüben an mehreren Stellen des Außenringwulstes auf. „Sie schießen auf uns!“ kreischte Nilson. „Tun Sie doch was! Sagen Sie, daß wir harmlose Wissenschaftler sind und wieder von hier verschwinden. Worauf warten Sie denn noch?“ „Sagen Sie es Ihnen doch“, entgegnete der Pilot gereizt. Dann wandte er sich dem Zweiten Piloten zu. „Wir schaffen es nicht, die TOBRO ist zu langsam. Gib alle Energie auf die Schirme.“ Santana hatte gerade noch Zeit, den entsprechenden Schalter zu betätigen, dann hüllte ein gleißendes Leuchten den terranischen Raumer ein. Sofort schoben sich Filter vor die Optiken, dennoch wurden die Männer durch die Lichtflut geblendet. Nilson schrie auf. Eine unbekannte Kraft preßte die Terraner plötzlich tief in die Sitze und machte ihnen das Atmen schwer. Das Blut rauschte in den Ohren. Unterschwellig vernahmen die Raumfahrer das schrille Heulen, überlasteter Aggregate. „Das waren Gravitationsgeschosse, keine Raumtorpedos“, keuchte Stratford. Sein Gesicht war vor Anspannung verzerrt. „Kannst du zurückfeuern, Luis?“ „Ich komme nicht an den Feuerknopf heran. Dieser unerträgliche Druck…“ Abrupt verschwand der Druck. Sofort beugte Santana sich vor und hieb auf den Auslöser für die Werfer. Ein rotes Warnlicht leuchtete auf. „Tom, die Werfer sind blockiert!“ Alarmiert blickte Stratford zu Luis Santana. „Wir brauchen keine Werfer mehr!“ rief Nilson begeistert. „Sehen Sie, wir haben es geschafft!“ Die Köpfe der beiden Piloten fuhren herum. Der Zoologe hatte recht. Das Raumschiff der Fremden war verschwunden, die Kameras zeigten ein wesenloses Wallen. „Sie haben uns in den Hyperraum versetzt.“ Verblüfft sah Santana seinen Kameraden an. „Wie haben sie das gemacht?“ „Das interessiert mich im Moment herzlich wenig. Was ich weiß, ist besorgniserregend genug.“ „Reden Sie keinen Unsinn, Stratford“, mischte sich Professor Bachmann ein. „Ich rechne es den Fremden hoch an, daß sie uns nicht vernichtet, sondern nur in den Überraum katapultiert haben. Es muß sich um eine sehr humane Rasse handeln.“ „Sie sollten nicht von Dingen reden, von denen Sie nichts verstehen“, wies Stratford ihn zurecht. „Ein unkontrollierter Hyperflug ist das reinste Glücksspiel. Wir haben Aussichten, heil durchzukommen, genausogut kann aber jede Sekunde unsere letzte sein. Was sagen Sie nun?“ Dr. Arne Nilson wurde blaß. Unbeherrscht schrie er: „Dann tun Sie doch etwas dagegen!“ „Ruhig, Nilson, schön ruhig bleiben.“ Bachmann tätschelte seinem jungen Assistenten beschwichtigend die Hand. Dann sah er den Piloten scharf an. „Was gedenken Sie zu tun?“ „Nichts!“
„Nichts?“ Prof. Frank Bachmann zog überrascht die linke Braue hoch. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Stratford, he?“ „Hören Sie, Ihre ständige Einmischung in meine Angelegenheiten mißfällt mir, Professor. Nehmen Sie Ihren hysterischen Mitarbeiter und verschwinden Sie in Ihre Kabine.“ „So lasse ich nicht mit mir umspringen, Stratford. Als Passagier habe ich ein Recht, zu erfahren, warum Sie nichts zu unserer Rettung unternehmen wollen.“ „Erkläre du es ihm, Luis.“ „Kurz gesagt, wir wissen nichts über die Abstoßwaffe der Fremden und über das Feld, das uns derzeit den Aufenthalt im Überraum ermöglicht. Sofern wir nun unser eigenes Feld aktivieren oder den Hyperantrieb einschalten, kann es zu einem gegensätzlichen Effekt und damit zur Katastrophe kommen. Verstanden, Professor?“ Der Zoologe nickte. Er hakte Nilson unter und geleitete ihn zum Schott. Auf der Schwelle drehte Bachmann sich noch einmal um. „Und ich sage Ihnen, das alles wäre nicht passiert, wenn Sie beide nicht so schlechte Piloten wären. Von wegen Hypersturm.“ Santana wartete, bis sich das Schott hinter den Männern geschlossen hatte, dann sagte er: „Ein entzückendes Paar, diese Agaporniden.“ Tom Stratford grinste. „Ja, vor allem dieser ältere Unzertrennliche. Leider zeigt er sich auch uns gegenüber recht anhänglich.“ „Dagegen läßt sich etwas unternehmen.“ Der Zweite Pilot lächelte säuerlich. „Sofern wir Gelegenheit dazu erhalten.“ 2. Niemand hätte vermutet, daß es auf Chrootheer, dem Planeten der Saurier, einen Stützpunkt der Zivilisation gab, und doch war es so. Die subplanetare Anlage, von ihren Erbauern Burg genannt, existierte und funktionierte noch – wenigstens teilweise. Leben im menschlichen Sinn gab es dort nicht mehr. Die vier Proohler, die als Letzte ihrer Rasse diese Burg als Zuflucht errichtet hatten, waren tot. Im Streit um die einzige Frau unter ihnen waren sie umgekommen. Wächter der Anlage waren die Biorobots. Es handelte sich um Wesen mit biosynthetischen Gehirnen und robotischen Körpern. Einer Marotte ihres Schöpfers zufolge, steckten sie in Ritterrüstungen und waren mit mittelalterlichen Waffen ausgerüstet. Da es niemanden mehr gab, der ihnen die Wirkstoffe zuführte, die die gezüchteten Gehirne zur Gesunderhaltung benötigten, waren sie im Lauf der Zeit wunderlich geworden, um nicht zu sagen verrückt. Herzstück der Station war ein Elektronengehirn, das einst ein Raumschiff gelenkt und seine technische Einrichtung gesteuert hatte. Jetzt überwachte und kontrollierte
es die Anlagen der Burg. Allerdings tat es das mehr schlecht als recht, denn die notwendigen Reparaturschaltungen scheiterten mangels Ersatzteilen. Genauso marode wie der Computer waren die Maschinen und Aggregate, die er zu bedienen und zu steuern hatte. Das lag weniger an der Qualität der Werkstoffe und Anlagen als vielmehr an fehlender Wartung. Einst hatte es Reparaturrobots in genügender Zahl gegeben, aber dann wurden die Biorobots zunehmend merkwürdiger, und die Zahl der Maschinen nahm ab. Seit geraumer Zeit lagen die Retortenwesen im offenen Clinch mit der Elektronik, und das wirkte sich negativ auf die Wartungsrobots und die technischen Einrichtungen aus. Konkret gesagt: Die Biorobots machten sich einen Spaß daraus, die Reparaturmaschinen zu jagen und zu vernichten. * Nach exakt 4,371.796 Stunden Aufenthalt im Überraum fiel die TOBRO in das Einstein‐Universum zurück. Vor dem Kugelraumer lag ein System mit vier Planeten. Wie eine rasch durchgeführte Spektralanalyse ergab, handelte es sich bei der Sonne um einen G‐Typ, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Sol auf wies. Die beiden inneren Planeten befanden sich in der Ökosphäre, die äußeren waren Gasriesen. Wie Fernmessungen ergaben, entsprachen die Bedingungen auf dem inneren Planeten etwa denen der Venus vor der Urbanisierung. Lediglich der zweite Planet entsprach irdischem Standard. Zivilisation war nicht feststellbar. Die psychische Anspannung der letzten Stunden ließ die Raumfahrer die übliche Vorsicht vergessen. Körper und Geist verlangten nach Ruhe, der Wunsch nach Schlaf war übermächtig. So beschränkten sich die Männer darauf, lediglich den Raum abzutasten, bevor sie die TOBRO in einen Orbit um den zweiten Planeten steuerten. Immerhin waren sie noch umsichtig genug, die Überwachungsautomatik einzuschalten und eine Sonde auszuschleusen. Das Chronometer in der Zentrale zeigte 9.17 Uhr Terrazeit, als Stratford und Santana ihre Sessel zurückklappten. Erschöpft schliefen sie sofort ein. * Ein lautes Geräusch riß Tom Stratford aus dem Schlaf. Erschrocken fuhr er hoch. Sein erster Blick galt den Instrumenten. Alle zeigten normale Werte. Während er noch überlegte, was ihn aufgeweckt haben konnte, erklang vom Schott her ein heftiges Pochen. „Öffnen Sie endlich!“ Das war eindeutig der Baß von Professor Bachmann. Mißmutig blickte der Pilot auf den Zeitmesser. Es war 14.03 Uhr, er hatte also noch nicht einmal fünf Stunden geschlafen. „Verdammte Agaporniden“, knurrte Stratford. Er faßte Santana an der Schulter und, rüttelte ihn. „Aufwachen, Luis, wir bekommen Besuch.“ Der Zweite Pilot schlug die Augen auf und blickte seinen Kameraden verständnislos
an. „He, sind Sie denn taub? Machen Sie endlich auf!“ Der Zoologe trommelte wütend gegen die Schottflügel. „Ich verlange, auf der Stelle eingelassen zu werden.“ Santana fuhr sich schlaftrunken durch das schwarze Kraushaar. Sein dunkles Gesicht verzog sich, als würde er körperlichen Schmerz empfinden. „Jage sie zum Teufel, Tom!“ Stratford lachte humorlos, während er den Öffnungskontakt betätigte. Professor Dr. Frank Bachmann stürmte wie ein Racheengel in die Zentrale. „Das war das letztemal, daß Sie uns ausgeschlossen haben, Stratford. Wir sind nicht nur Ihre Passagiere, sondern auch Ihre Auftraggeber. Und da Sie bisher ein absolutes Unvermögen als Pilot an den Tag gelegt haben, steht uns das Recht zu, Sie zu kontrollieren. Schließlich ist es unsere Haut, die Sie da zu Markte tragen!“ „Machen Sie sich nicht lächerlich, Professor. Sie haben die TOBRO weder gechartert, noch haben Sie eine Ahnung, wie man sie fliegt.“ „Aber dafür haben Sie unseren wohlverdienten Schlaf gestört“, sagte Santana übellaunig. „Also verschwinden Sie wieder.“ „Sie haben geschlafen?“ fragte der Zoologe fassungslos. „Beide?“ Er drehte sich um und rief seinem Assistenten zu: „He, Nilson, haben Sie gehört, was dieser Höllenpilot gesagt hat?“ Entnervt sank er in einen Sessel. „Geschlafen, und das Raumschiff rast derweil unkontrolliert durch den Raum.“ Dr. Nilson, der bisher draußen auf dem Gang gestanden hatte, streckte seinen Kopf durch die Öffnung und trat zaghaft näher. „Es ist doch nichts passiert, Professor. Sehen Sie, wir haben sogar einen Planeten gefunden.“ Der Zoologe deutete auf den Bildschirm. „Er sieht fast aus wie Terra.“ „Es würde mich nicht wundern, wenn diese Nullen im Kreis geflogen wären und wir tatsächlich wieder im Solsystem stehen würden“, raunzte Bachmann. „Da muß ich Sie enttäuschen, verehrter Herr Wissenschaftler.“ Stratford grinste süffisant. „Diese Welt heißt weder Terra, noch macht die TOBRO Rundflüge.“ „Und wie heißt dieser Planet?“ „Er hat noch keinen Namen.“ „Kennen Sie ihn etwa gar nicht?“ fragte der Zoologe mißtrauisch. „Nein.“ „So etwas gibt es doch gar nicht.“ Bachmann schlug erregt auf die Sessellehne. „Geben Sie zu, daß Sie von der Raumfahrt keine Ahnung haben. Und geben Sie ferner zu, daß dieser Planet uns gefunden hat. Er hat das Schiff angezogen, stimmt’s?“ „Alles falsch, Professor. Unser Raumer bewegt sich seit mehreren Stunden in einer stabilen Kreisbahn um den Planeten. Anfängern ist ein derartig kompliziertes Steuermanöver nicht möglich.“ Santana blinzelte Stratford zu. „Ausnahmsweise überlassen wir Ihnen die Namengebung, obwohl es üblich ist, daß der Entdecker das tut.“ „Nun, wenn das so ist.“ Der Zoologe war bereits halbwegs versöhnt und lächelte geschmeichelt. „Ich nenne diese Welt zur Erinnerung an einen der Großen der Naturforschung Darwins Planet. Nilson, wie gefällt Ihnen das?“
„Sollten wir nicht lieber den Namen eines populäreren Wissenschaftlers wählen?“ wandte Nilson ein. „Ich denke da an…“ „Sie sind ein Banause, Nilson. Sie sollten sich Ihr Gehirn durchblasen lassen. Diese verdammten Barbiturate oder was sonst immer in Ihren lausigen Schlafpillen enthalten ist, vernebeln allmählich Ihren Geist. Was halten Sie von meiner Entscheidung, Stratford?“ „Ich finde sie gut.“ „Sie kennen Darwins Werke und Verdienste?“ „Das nicht, aber der Name gefällt mir“, bekannte der Pilot grinsend. „Ich hätte wissen müssen, daß ich hier von Ignoranten umgeben bin. Sogar mein Assistent, mit zweiunddreißig Jahren selbst schon ein Wissenschaftler von hohen Graden, schlägt sich auf die andere Seite“, klagte Bachmann. „Danke, Professor.“ Dr. Nilson strahlte seinen Vorgesetzten an. „So haben Sie mich noch nie in aller Öffentlichkeit gelobt.“ „Das war kein Lob, sondern ein Armutszeugnis, Sie… Sie Nilson Sie!“ „Ich glaube, wir haben mittlerweile genug Höflichkeiten ausgetauscht. Luis, rufe mal die Bilder der Sonde ab, damit wir wissen, wohin es uns verschlagen hat.“ „Da, er gibt sogar zu, daß es uns verschlagen hat.“ Anklagend blickte der Professor Stratford an. „Jetzt kann uns nur noch ein Wunder retten.“ Der Pilot antwortete nicht. Er beobachtete, wie Santana einige Sensortasten berührte und damit dem Rechner den Befehl gab, die Informationen des Explorers abzurufen. In Sekundenschnelle verschwand die Kugel des Planeten vom Schirm und machte anderen Bildern Platz. Urwälder der Jura‐ und Kreidezeit zogen vorüber; es zeigten sich Araukarienwäldchen, Schuppen‐ und Siegelbäume, Riesenfarne und Zypressen. Inmitten dieser prähistorischen Pflanzenkulisse tauchten plötzlich Tiere auf – Saurier. Professor Bachmann, der dem Film anfangs nur wenig Beachtung geschenkt hatte, war auf einmal hellwach. „Halt – stoppen Sie die Aufzeichnung!“ Ein wenig überrascht kam Santana der Aufforderung nach. „Da, sehen Sie sich das an, Nilson. Iguanodons – lebende Iguanodons, und eine ganze Gruppe.“ Der Zoologe war außer sich. „So etwas hat vor uns noch kein Mensch gesehen. Wissen Sie, was das heißt?“ Er griff sich an den Kopf und flüsterte mit bebenden Lippen einige unverständliche Worte. „Mein Gott, daß ich so etwas erleben darf. Stratford, Sie sind ein Juwel.“ Er erhob sich und schüttelte dem Raumfahrer die Hand. „Was wären wir ohne Ihre Intuition. Ich danke Ihnen, Diener der Zoologie. Sobald wir wieder auf der Erde sind, werde ich veranlassen, daß man Sie entsprechend würdigt. Sie natürlich auch, Santana. Sie wissen gar nicht, wie hoch Ihre Entdeckung einzuschätzen ist.“ Er drückte beiden die Hand. „Danke, nochmals danke.“ „Wollten Sie nicht…“ „Geschenkt, Stratford, geschenkt. Was bedeutet es schon, ein Programm umzuwerfen, wenn man Gelegenheit hat, die Vorfahren unserer terranischen Tierwelt zu studieren?“
Der Zoologe ging zurück zu seinem Sitz und bat, den Film wieder abzufahren. Ebenso wie sein Assistent starrte er auf die von der Sonde übermittelten Bilder. Luis Santana sah seinen Kameraden an und tippte sich verstohlen an die Stirn. Er sah nur lederhäutige Ungeheuer, die auf zwei Beinen liefen und annähernd zehn Meter lang und halb so hoch waren. Die Iguanodons, wie der Wissenschaftler sie nannte, waren mit ihren Pferdeköpfen, den kleinen Vorderbeinen und den schnabelartigen Kiefern durchaus keine Lebewesen, die einem gefallen konnten. „Sehen Sie, Professor – ein Allosaurus taucht dort hinten auf!“ rief Dr. Arne Nilson begeistert; „Er greift die Pflanzenfresser an!“ „Wir müssen auf Darwins Planet landen“, stieß Bachmann hervor, ohne den Blick zu wenden. „Ich muß diese Fauna unbedingt aus der Nähe studieren.“ „Trauen Sie uns Anfängern denn eine einwandfreie Landung zu?“ fragte Stratford ironisch. „Nun legen Sie meine Worte nicht ständig auf die Goldwaage, sondern tun Sie, was ich Ihnen sage.“ „Auf Ihre Verantwortung, Professor.“ Der Wissenschaftler winkte unwirsch ab. Die beiden Raumfahrer grinsten sich an. Die TOBRO mußte ohnehin überprüft werden, und das ging auf einem Planeten nun einmal besser als im freien Raum. „Auf Geheiß und demzufolge notgedrungen“, wie Stratford vermerkte, landete der Kugelraumer auf Darwins Planet. Natürlich wußten die Terraner nicht, daß die Proohler ihn „Chrootheer“ getauft hatten. Es gab zwar keine Proohler mehr auf Chrootheer, aber ihre Kreaturen, die Biorobots, waren trotz ihrer Verrücktheit noch aktiv. Die Terraner sollten es noch zu spüren bekommen. * Sofort nach der Landung begannen die Wissenschaftler damit, ihre Ausrüstung zusammenzustellen. Sie konnten es kaum erwarten, die urweltlichen Riesen aus nächster Nähe zu studieren. Mit ihrer Hektik steckten sie schließlich sogar die Raumfahrer an. Ursprünglich war vorgesehen, gleich mit den Überprüfungen und Reparaturen zu beginnen, doch auf einmal hatte Stratford keine Lust mehr dazu. Nachdem die bakteriologischen Untersuchungen durchgeführt waren, stand er auf. „Ich werde die Agaporniden begleiten“, verkündete er. „Das kommt überhaupt nicht in Frage“, protestierte Santana. „Glaubst du, ich mache die ganze Arbeit allein?“ „Du kannst die Anlagen ja erst mal durchchecken und mögliche Fehler analysieren. Die Instandsetzungen führen wir dann zusammen durch.“ „Das hast du dir wirklich fein ausgedacht, Tom. Ich würde auch lieber ausspannen.“ „Wer spricht denn von Ausspannen? Hast du bemerkt, in welcher Verfassung unsere beiden Zoologen sind? Die sind ja völlig aus dem Häuschen und kaum noch in der Lage, logisch zu denken. Ich gehe nur mit, um sie vor Dummheiten zu bewahren und vor Gefahren zu schützen.“ „Nein, wie selbstlos du wieder bist“, spottete Santana. „Und wie fürsorglich mir
gegenüber. Damit mir kein Leid geschieht, läßt du mich im schützenden Schiff zurück und kämpfst dich allein durch die Wildnis draußen. Du bist wirklich wie ein Vater zu mir – dabei bist du nur acht Jahre jünger als ich.“ „Rede doch nicht solchen Unsinn“, sagte Stratford ärgerlich. „Glaubst du, es ist die reine Freude, auf zwei Männer aufzupassen, die sich wie ausgelassene Kinder benehmen?“ „Warum reißt du dich dann so darum?“ fragte der Zweite Pilot anzüglich. „Also gut, dann spiele du das Kindermädchen“, erwiderte Stratford heftig. Deutlich war ihm anzumerken, daß er wütend war. „Hoffentlich hast du einen schönen Tag.“ „Das wünsche ich dir auch“, antwortete Luis Santana gönnerhaft. „Und wie gesagt: Die Reparaturen führen wir zusammen durch.“ Lachend verschwand er aus der Zentrale. Sein Partner sah ihm grimmig nach. Er hatte nicht übel Lust, Luis nachzulaufen und ihm einen derben Tritt vors Schienbein zu geben. * Es kostete Santana einige Mühe, die Wissenschaftler davon zu überzeugen, daß es zu gefährlich war, allein von Bord zu gehen. Als sie seine Begleitung akzeptiert hatten, mußte der Raumfahrer erneut seine ganze Überredungskunst aufbieten, um die Agaporniden zu veranlassen, ihr Expeditionsgepäck auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Als er es endlich auch noch geschafft hatte, daß sie Flugaggregate anlegten, stand der Exkursion nichts mehr im Wege. Nacheinander – Santana an der Spitze – schwebten sie aus der Schleuse. Die Luft war warm und würzig. Die Männer hatten ihre Helme zurückgeklappt und atmeten in tiefen Zügen. Gegenüber der sterilen Atemluft im Schiff war die Atmosphäre von Darwins Planet eine wahre Duftorgie. Die TOBRO war auf einer grasbewachsenen Ebene gelandet, die von kleinen Wäldchen und lichten Hainen durchsetzt war. Linker Hand lag die grüne Wand eines Urwalds. Seine Baumriesen ragten teilweise bis fünfzig Meter empor. Professor Bachmann und Dr. Nilson erklärten dem Raumfahrer, daß es sich bei den tannenähnlichen Gewächsen um Araukarien handelte, andere, palmfarnartige Nadelbäume bezeichneten sie als Bennettitales. Nach einer halben Stunde Flug stieß Santana einen erstaunten Ruf aus. Seine ausgestreckte Hand zeigte zum nordöstlichen Horizont. „Was ist?“ fragte Bachmann unwillig. Er ärgerte sich, daß ihnen bisher noch keine Echse vor die Kamera gekommen war. „Dort hinten bewegt sich etwas durch die Luft!“ rief der Zweite Pilot. „Das sind Flugsaurier!“ schrie Arne Nilson begeistert. „Professor, die müssen wir filmen.“ „Worauf warten Sie dann noch?“ Der Professor schaltete sein Rückentriebwerk auf volle Beschleunigung und raste davon. Sein Assistent tat es ihm nach, und Santana blieb nichts anderes übrig, als
ihnen zu folgen. Die Szenerie änderte sich fast unmerklich. Die Nadelbäume wurden seltener, dafür traten Schachtelhalme, Schuppen‐ und Siegelbäume in den Vordergrund. Nach und nach verschwanden auch diese Giganten. Sie machten bleichen Stelzenbäumen und überdimensionalen Riesenpilzen Platz, die im Morast wurzelten. Die Männer waren den Flugechsen inzwischen so nahe, daß man sie deutlich erkennen konnte. Es waren lachsfarbene Ungeheuer mit etwa acht Metern Flügelspannweite. Mit trägen Schlägen ihrer ledrigen Schwingen kreisten sie über dem Sumpf. „Es müßten Pterosaurier sein.“ Die Augen Bachmanns glänzten. „Wir müssen näher heran. Ich muß jede Einzelheit an ihren Körpern studieren.“ „Sind Sie denn übergeschnappt, Professor? Lassen Sie den Unsinn.“ Der Zoologe hörte nicht auf Santana. Er flog zwischen den zehn bis zwölf Meter hohen Pilzen hindurch und stieg steil nach oben. Wie nicht anders zu erwarten, folgte Dr. Nilson ihm. „Kommen Sie sofort zurück“,» schrie Santana aufgebracht. „Zurück, ich befehle es Ihnen!“ Die beiden Männer ignorierten seine Anweisung. Der Raumfahrer zog seinen Strahler und richtete ihn auf die Flugechsen. Er brauchte nicht zu schießen. Als die Zoologen ihnen näher kamen, schraubten die monströsen Tiere sich höher. Bachmann und Nilson folgten ihnen. Schließlich wurden die Pterosaurier der Sache überdrüssig. Mit kräftigen Schlägen ihrer ledrigen Schwingen flogen sie davon, ohne auch nur versucht zu haben, ihre Verfolger zu attackieren. Erleichtert steckte der Pilot die Waffe wieder ein. Zugleich war er froh, daß die Wissenschaftler endlich Vernunft anzunehmen schienen und zu ihm zurückkehrten. „Mit Ihrem albernen Gebrüll haben Sie die Saurier vertrieben“, rief Professor Bachmann aufgebracht. „Wenn Sie in Zukunft nicht Ihren Mund halten, werde ich Sie paralysieren, haben Sie verstanden?“ Nun wurde es dem Raumfahrer zu bunt. „Wenn Sie und Ihr vermaledeiter Assistent sich wie kleine Kinder benehmen, müssen Sie auch so behandelt werden, verstanden? Noch einmal derartige Eskapaden, und ich stelle Sie unter Arrest. Und Sie auch, Nilson.“ Santana funkelte beide Männer an. „Wir haben da einen schönen Raum im Schiff, hübsch kahl und unwohnlich. Falls Sie ihn kennenlernen wollen, brauchen Sie nur so eigenmächtig zu handeln wie eben.“ „Das werden Sie nicht wagen.“ „Ich wage noch ganz andere Sachen, Professor. Wissen Sie was? Mich wird man nämlich zur Rechenschaft ziehen, wenn Sie beide in Ihrer Einfalt ums Leben kommen.“ „Von Ihnen lasse ich mir nicht sagen, was ich filmen und beobachten kann und was nicht, Santana. Sie sind nur ein Pilot und ein Ignorant dazu.“ „Nun, es ist immer gut, zu wissen, was man voneinander hält. Sie halten mich für einen Ignoranten, ich Sie beide für Spinner. Und jetzt Schluß mit der Diskussion,
wir…“ Erschreckt brach Santana ab. Unten im Sumpf gurgelte und brodelte es, Schlamm spritzte hoch. Etliche Brontosaurier von gut zwanzig Metern Länge tauchten aus dem Morast auf und streckten ihre massigen Schädel empor. Instinktiv schaltete der Raumfahrer das Rückentriebwerk auf Steilflug. Mit voller Wucht prallte er gegen die rosa Lamellen, die wie schwammige Lappen unter dem Pilzdach hingen. Übergangslos erstarrten die Lamellen, wurden dunkelgrau und überschütteten Santana mit einer wahren Sporenflut. So heftig wurden die Sporen hinauskatapultiert, daß sie seinen Körper fast mit der Wirkung von Schrotgeschossen trafen. Augenblicklich Verlor der Raumfahrer die Kontrolle über sich. Mit Vehemenz wurde er gegen einen anderen Pilz geschleudert. Ringe tanzten vor seinen Augen. Verzweifelt versuchte er, das Fluggerät zu drosseln und seinen Flug zu stabilisieren, doch es gelang ihm nicht. Durch das ständige Rotieren und Überschlagen war ihm schwindlig, seine Hand verfehlte den Schalter. In einem wilden Zickzackkurs kurvte er zwischen den Pilzen hindurch. Schemenhaft sah er vor sich einen gelblichen Stengel aufragen. Automatisch streckte er Arme und Beine aus, um den Zusammenstoß abzumildern, doch eine unerwartete Pirouette vereitelte sein Bemühen. Mit dem Kopf voran wurde er in den fleischigen Stiel förmlich hineingebohrt. Das Triebwerk versuchte aufheulend, den unerwarteten Widerstand zu kompensieren. Bis zu den Schultern trieb es den Zweiten Piloten in das schwammige Fleisch. Damit war die Kapazität des Geräts auf der augenblicklichen Stufe erschöpft. Mit einem letzten schrillen Jaulen stellte es den Dienst ein. Der Energieblitz, der aus dem überlasteten Aggregat schlug, verbrannte einen Teil des Stengels. Santana kam dadurch frei. Wie ein Stein fiel er nach unten. Die sumpfpflanzenabweidenden Kolosse tauchten erschreckt unter, als der Terraner platschend auf der Wasseroberfläche aufschlug. Das federnde Wurzelgeflecht, mit dem die Pilze untereinander verbunden waren, milderte den Sturz aus sechs Meter Höhe stark ab. Es wurde durch das Körpergewicht unter Wasser gedrückt, Schlamm‐ und Morastfontänen spritzten hoch. Bis zu den Schultern steckte Santana im Sumpf, nur noch Kopf und Hals ragten heraus. Professor Bachmann und Dr. Nilson hatten dem Geschehen bisher tatenlos zusehen müssen. Nun rasten sie heran, um zu helfen. Bachmann ließ sich absinken und verhielt einen Meter über dem stinkenden Wasser. Arne Nilson jagte heran und stoppte abrupt, als er über Santana schwebte. „Er hat das Bewußtsein verloren“, keuchte der Professor. Er hantierte bereits an seiner linken Gürteltasche, die ein dünnes, aber reißfestes Kunststoffseil enthielt. Mit flinken Fingern knüpfte er eine Schlinge, wirbelte das Seil gleich einem Lasso durch die Luft und warf es über den ohnmächtigen Raumfahrer. „Sie müssen es beschweren, Professor“, rief Nilson und deutete auf die schwimmende Schnur. Eilig entnahm Dr. Bachmann einem angeschnallten Behälter einige Werkzeuge und
knotete sie an das Lasso. Diesmal sank das Kunststoffseil unter. Der Zoologe zog prüfend daran. Die Schlinge zog sich zu und schien festzusitzen, denn er spürte starken Widerstand. „Hoffentlich kommen uns die Brontosaurier jetzt nicht dazwischen“, knurrte Bachmann. Gewissenhaft knotete er das andere Ende der Schnur an seinen Gürtel und steigerte vorsichtig die Triebwerkleistung. Das Seil spannte sich, das Aggregat heulte überlastet auf, doch der Wissenschaftler kam keinen Millimeter vorwärts. Mit einem schnellen Handgriff erhöhte er auf fünfzig Prozent Leistung – umsonst. Ärgerlich schaltete er auf die höchste Stufe, und diesmal hatte er Erfolg. Unendlich langsam, Zentimeter für Zentimeter, gab der Sumpf den Abgestürzten frei. Die Männer hatten den Eindruck, daß der Morast wie ein Polyp nach Santana griff und ihn nur widerwillig losließ. Es dauerte fast fünf Minuten, bis der Zoologe den Raumfahrer herausgezogen hatte. Augenblicklich schoß Bachmann nach oben. Nilson schwebte an seine Seite und übernahm den Bewußtlosen. Dankbar nickte Bachmann ihm zu. Nebeneinander überflogen sie mit rund achtzig Stundenkilometern den Sumpf. Die Wissenschaftler atmeten erleichtert auf, als nach einer knappen halben Stunde Flug der Untergrund zusehends fester wurde und Gräser und Sträucher das Bild beherrschten. Prof. Bachmann landete sanft auf dem Boden und half seinem Assistenten, den ohnmächtigen Santana vorsichtig abzusetzen. Die Männer betteten den Raumfahrer bequem und öffneten die Halsverschlüsse seiner Montur. Zusätzlich injizierte der Professor ihm noch ein Kreislaufpräparat. „Da liegt er nun, unser Beschützer“, murmelte Nilson. „Erst vergrault er uns die Tiere, und dann müssen wir ihm auch noch das Leben retten. Sollen wir Stratford informieren?“ Der ältere Zoologe schüttelte den Kopf. „Er wird noch früh genug davon erfahren“, sagte Bachmann und sah sich interessiert um. Das hüfthohe Gras war von graugelber Farbe und dehnte sich, so weit das Auge reichte. Ab und zu wurde das wogende Meer aus Halmen von Buschinseln unterbrochen. Sie bestanden aus Sträuchern mit handtellergroßen, lappigen Blättern. Einige von ihnen trugen gelbe Früchte, die in Form und Aussehen an überdimensionale Himbeeren erinnerten. Die Sonne hatte bereits einen tieferen Stand erreicht, trotzdem war es noch immer angenehm warm. Manchmal übertrug ein leichter Wind das Brüllen einiger Tierriesen, ansonsten war es ruhig. „Sobald Santana wieder bei Bewußtsein ist, werden wir uns die Ebene vornehmen. Sie, Nilson, behalten mir dabei diesen Piloten im Auge.“ Der Professor drehte sich um. „Mal sehen, ob das Medikament schon Wirkung zeigt.“ Die Stelle, an der Santana gelegen hatte, war leer.
3. Nachdem die insektoiden Chraahns die Proohler besiegt und vernichtet hatten, übernahmen sie ganz selbstverständlich auch den Milchstraßensektor, den die Proohler als ihren Einflußbereich betrachtet hatten. Es handelte sich um etliche Sonnensysteme, deren Planeten noch unberührt und intakt waren. Die Proohler standen der Raumfahrt recht distanziert gegenüber, und so hatten sie darauf verzichtet, andere Welten auszubeuten oder gar zu besiedeln. Es genügte den Planetariern, zu wissen, daß es diese Planeten gab und man notfalls darüber verfügen konnte. Auch die Chraahns konnten diese Systeme trotz ihrer starken Expansion noch nicht nutzen – es waren einfach zu viele Welten. Trotzdem wachten sie eifersüchtig darüber, daß ihnen den Anspruch darauf niemand streitig machte. Eine ganze Flotte von Wachkreuzern patrouillierte ständig durch den Teil des Alls, den die Insektoiden als ihren Besitz betrachteten. Der Wabenraumer THSY 814 gehörte mit sechshundert Mergh Länge und dreihundert Mergh Durchmesser (8,75 Mergh entsprechen einem Meter) zu den kleineren Einheiten. Er pendelte an den Grenzen der Wabe XXI Blau 14, die zu den äußeren Sektoren des Einflußgebiets der Chraahns gehörte. Innerhalb von Wabe XXI Blau 14, die umgerechnet knapp vierunddreißig Lichtjahre durchmaß, stand auch die Sonne, die Darwins Planet beschien. Routinemäßig nahm die THSY 814 Kurs darauf. * Zu den wenigen Einrichtungen, die noch einwandfrei funktionierten, gehörte die Raumüberwachung. Schon bevor die TOBRO in einen Orbit um Darwins Planet ging, hatte die Sensorik dem Computer der Burg die Annäherung eines unbekannten Raumschiffs gemeldet. Der Rechner hatte diese Information zunächst nur zur Kenntnis genommen; es handelte sich schließlich weder um einen Diskus der Proohler noch um einen Wabenraumer der Chraahns, sondern um eine Kugel. Auch als der Kugelraumer zur Landung ansetzte, verhielt sich der Computer weiterhin abwartend. Erst später, als drei humanoide Wesen von Bord gingen, erwachte das Interesse des Rechengehirns. Die Gestalten wirkten – trotz teilweiser Körperbehaarung – wie verkleinerte Ebenbilder der Herren, der Proohler. Während der Computer noch die Möglichkeiten durchrechnete, mit den Wesen in Kontakt zu kommen, ohne die Position der Burg preiszugeben, kam ihm ein glücklicher Umstand zu Hilfe. Ein Humanoider – er war anscheinend verletzt – wurde in der Nähe einer sogenannten „Kontaktstelle“ abgelegt. Kontaktstellen waren in beiden Richtungen passierbar und dienten als Fluchtausstiege. Ihre Wirkungsweise erinnerte ganz entfernt an Transmitter; das Funktionsfeld ließ sich zentral durch den Rechner und auch mittels Kodegebern
variieren. Der Computer zögerte keine Sekunde. Jetzt hatte er Gelegenheit, sich ohne Nachteil für die Anlage eines der Wesen zu bemächtigen und seinen genetischen Kode zu untersuchen. Handelte es sich wirklich um mutierte Proohler, würde er ihnen die Burg übergeben. Wenn nicht, würde er den Fremden durch eine andere Kontaktstelle wieder an die Oberfläche befördern. Mit minimaler Energiezufuhr vergrößerte der Rechner den Radius der Kontaktstelle. Der Platz, an dem Santana gelegen hatte, war plötzlich leer. * Als stationäre Einheit ohne mobile Ableger war der Computer nicht in der Lage, den Humanoiden an Ort und Stelle zu untersuchen. Er mußte das Wesen, von dem er annahm, daß es ein mutierter Proohler war, dazu an einen anderen Ort befördern beziehungsweise befördern lassen. Früher hätten die Biorobots so etwas erledigt, doch inzwischen ignorierten und bekämpften sie den Rechner. Sogar die Wartungs‐ und Reparaturrobots, die ihm direkt unterstellt waren, griffen sie an und zerstörten sie. Sein Handikap war, daß die drahtlose Befehlsgebung nicht mehr funktionierte. Die Robotfunkleitstelle war total verrottet. Wenn er einem Robot etwas mitteilen oder befehlen wollte, mußte er das akustisch über ein noch intaktes Lautsprechersystem tun. Die Biorobots waren so in der Lage, alles mitzuhören. Sobald die Elektronik eine Reparaturmaschine aus einem Versteck lotste und zu einem defekten Gerät beorderte, rotteten sich die Synthowesen zusammen und machten Jagd auf den Robot. Notgedrungen mußte der Rechner die Maschine ständig umleiten, und so dauerte es manchmal einen ganzen Tag, bis der Automat endlich an Ort und Stelle eintraf und den Schaden beheben konnte. Im Verlauf des Einsatzes verloren die genarrten Biorobots dann meist die Lust, dem kybernetischen Handwerker zu folgen oder aufzulauern; oft entzweiten sie sich im Verlauf der Verfolgung auch untereinander und lieferten sich gegenseitig Gefechte. Nur deshalb gab es noch eine kleine Anzahl von Robots. Als die Biorobots ihren Krieg gegen die Elektronik begannen, war eine Pattsituation von Anfang an gewissermaßen vorprogrammiert. Dem Rechner war es untersagt, die Synthowesen mit Waffengewalt zu bekämpfen und zu eliminieren, während es den Biorobots verboten war, gewisse Zonen und Räume – dazu gehörte das Steuerzentrum – zu betreten. Der Computer wußte nicht, wie die Biorobots reagieren würden, wenn sie das Wesen zu Gesicht bekämen. Normalerweise hätte der Anblick gewisse Assoziationen zu den Herren wecken müssen, doch die Elektronik vermochte nicht definitiv zu errechnen, ob das der Fall war. Es war nicht auszuschließen, daß die Synthowesen in ihrer Verrücktheit sogar soweit gingen, den Humanoiden zu töten. Es galt daher, das Wesen ungesehen in die Untersuchungseinheit zu schaffen. Dazu genügte es, die Biorobots abzulenken und zu verwirren.
„3‐D‐17 nach Sektor A, erste Abzweigung benutzen. B‐B‐4 in die obere Ebene, 3‐D‐4 begibt sich zum Verteiler im zweiten Stock. 4‐B‐3 sucht den Magazintrakt auf.“ Kaum war die Durchsage verklungen, als die Robots – je nach Typ – aus ihren Verstecken schwebten, rollten und liefen. Auch die Biorobots wurden aktiv. Sie unterbrachen ihre Zweikämpfe und Rundgänge und marschierten zu den angegebenen Positionen. Alles verlief unkoordiniert und unkontrolliert, und doch hatten die Maschinen fast keine Chance, heil durchzukommen. Es gab im Verhältnis einfach zu viele Biorobots – und für einen einfachen Instandsetzungsautomaten war ein Biorobot schon das Ende. Während das Gros der Synthowesen den zuerst genannten Punkten zustrebte, machten sich Eins und Achtundvierzig – so schlichte Bezeichnungen trugen die Biorobots – auf, um den Robot vor dem Magazin abzufangen. „Endlich wieder eine Jagd“, sagte Eins. „Ja, und wenn wir die Maschine gestellt haben, werde ich sie mit einem einzigen Hieb vernichten.“ „Das wirst du nicht tun, Achtundvierzig. Ich werde sie zerstören.“ „Auf keinen Fall!“ Achtundvierzig zog sein Schwert. „Erst mußt du beweisen, daß du der Bessere bist.“ „Da gibt es gar keine Frage!“ Eins riß seine Waffe aus der Scheide und drang auf den anderen ein. Achtundvierzig parierte geschickt und hieb seinerseits auf Eins ein. Das Klirren ihrer Schwerter hallte durch den Gang. „3‐D‐17 verläßt Sektor A und begibt sich auf die mittlere Ebene. B‐B‐4 benutzt die dritte Abzweigung nach unten, 3‐D‐4 kehrt zur Ausgangsposition zurück, 4‐B‐3 ebenfalls.“ Während der nächsten Minuten verschob die Elektronik ihre Kreaturen wie Schachfiguren. Die genarrten Biorobots kreischten vor Wut und Enttäuschung. Was die Synthowesen nicht wußten: Der Rechner stand unter Zugzwang. Santana war inzwischen wieder zu sich gekommen. Der Gang, in dem er sich befand, besaß zwar Spionaugen, aber keine Lautsprecher. So konnte der Computer den Fremden zwar beobachten, ihn aber weder warnen noch mit ihm Kontakt aufnehmen. Es hatte zwar einige Zeit gedauert, bis der Terraner gewagt hatte aufzustehen, aber dann ging er zielstrebig daran, seine Umgebung zu erkunden. Wie das ausgehen würde, war einfach auszurechnen. Die Röhre besaß zwar einige Abzweigungen, ging aber in ihrer Stoßrichtung geradeaus. Es lag auf der Hand, daß der Mann dem Hauptgang folgen würde. Früher oder später würde er auf Biorobots stoßen. Der Rechner extrapolierte, ob es sinnvoll wäre, die Robots bewußt zu opfern, um das Wesen zu retten. Das Ergebnis der Hochrechnung war negativ. Die Maschinen würden vernichtet werden, und trotzdem würde der Mann den Synthogeschöpfen in die Hände fallen. Wie die Oberflächenoptiken zeigten, waren die Gefährten des Wesens noch in der Nähe der Kontaktstelle. Die Elektronik beschloß, den einen Humanoiden zu opfern, um die beiden anderen zu retten – und zu untersuchen.
Sie fuhr in ihrem „Schachspiel“ fort und dirigierte die Automaten und somit auch die Biorobots in die Nähe der Gangmündung. Es dauerte nicht lange, bis ein Freudengeheul der Biorobots ertönte. Ein Mensch hätte nun befriedigt registriert, daß sein Plan gut und richtig war, doch der Rechner vermerkte nur, daß seine Berechnungen stimmten. Kurzfristig konnte er noch verfolgen, daß die Biorobots das Wesen umringten und wegführten, dann erlosch seine optische Wahrnehmung infolge defekter Kameras. Immerhin war das Ziel erreicht. Der Rechner konzentrierte sich nun auf die beiden anderen Humanoiden, die Bachmann und Nilson hießen. * „Santana ist verschwunden.“ Verblüfft blickte der Professor seinen Assistenten an. „Können Sie sich einen Reim darauf machen?“ „Verschwunden? Was heißt verschwunden?“ Arne Nilson sah sich gehetzt um. „So etwas gibt es doch gar nicht. Er ist verschleppt worden.“ „Verschleppt, he?“ Prof. Frank Bachmann fixierte sein Gegenüber scharf. „Womöglich von einem Saurier? Sie sind ein Kindskopf, Nilson.“ „Wir müssen sofort Stratford benachrichtigen. Er muß mit der TOBRO hier landen und die Gegend mit dem technischen Instrumentarium des Raumers absuchen.“ „Das ist doch völliger Unsinn, Nilson. Was sagen Sie ihm? Wie erklären Sie ihm das Verschwinden eines ausgewachsenen Menschen? Wir nehmen die Sache selbst in die Hand und sehen uns zuerst einmal um.“ „Und wenn wir auch spurlos verschwinden?“ „Nun werden Sie nicht gleich hysterisch, Sie Hasenfuß. Nichts und niemand verschwindet spurlos. Los, halten Sie die Augen offen und suchen Sie die Umgebung ab.“ Der Professor ging langsam zu der bewußten Stelle. Es gab keine sichtbaren Anzeichen dafür, wie der Zweite Pilot verschwunden war. Es existierten keine Abdrücke am Boden, keine Kampf‐ oder Schleifspuren, kein Erdloch – nichts. Bachmann ging in die Hocke und tastete mit der Rechten das niedergedrückte Gras ab. Es hatte sich durch Santanas Körpergewicht umgebogen, richtete sich jedoch an einigen Stellen bereits wieder auf. Aufmerksam verfolgte der Professor die unscharfen Konturen, fand aber zwischen den graugelben Halmen keinen Anhaltspunkt; auch das sattdunkle, feuchte Erdreich gab keinen Aufschluß. „Nichts!“ Enttäuscht richtete sich der Zoologe auf. Dr. Nilson hatte währenddessen das in Frage kommende Gebiet abgeschritten. Auf die stumme Frage seines Vorgesetzten antwortete er mit einem Kopf schütteln. Nachdenklich ging Bachmann auf seinen Mitarbeiter zu, um sich mit ihm zu beraten. Plötzlich verlor er den Boden unter den Füßen, die Umgebung drehte sich rasend schnell. Ein verwirrender Farbentornado entstand in seinem Gehirn, ein unerklärlicher Druck legte sich auf die Ohren.
Bevor er einen Warnruf ausstoßen konnte, landete er bereits unsanft in einem völlig dunklen Raum. Alles mußte in Sekundenbruchteilen abgelaufen sein. Bachmann konnte sich nicht erinnern, vor Schreck geschrien zu haben, und doch hörte er das hohle Echo seiner eigenen Stimme. Benommen richtete er sich auf und schrak unwillkürlich zusammen, als er in der Nähe ein unterdrücktes Stöhnen vernahm. „Nilson?“ rief er leise und versuchte, die Dunkelheit mit den Augen zu durchdringen. Er erhielt keine Antwort. Kurz entschlossen streckte er die Arme nach vorn, um eventuelle Hindernisse zu ertasten. Mit vorsichtigen Schritten tappte er auf die Stelle zu, von der er den Laut vernommen hatte. Frank Bachmann mochte etwa zwei Meter zurückgelegt haben, als unerwartet grelles Licht aufflammte. Geblendet schloß er die Augen und schlug die Hände vors Gesicht. Nach einigen Sekunden hatte er sich an die strahlende Helligkeit gewöhnt. Verwirrt sah er sich um. Vor und hinter ihm erstreckte sich ein endloser Gang von sechs Metern Höhe und sieben Metern Breite. Wände, Decke und Boden bestanden aus festgestampfter Erde. In unregelmäßigen Abständen waren in den Seitenwänden Nischen angebracht. In ihnen befanden sich Leuchtplatten, die das grelle Licht ausstrahlten. Durchgänge oder Öffnungen waren nicht zu erkennen. Drei Meter vor ihm an der linken Gangwand lag sein Mitarbeiter. Er mußte das Bewußtsein verloren haben, denn er lag mit geschlossenen Augen und in unnatürlicher Körperhaltung auf dem Boden. Ab und zu wimmerte er leise. Aus einem unterschwelligen Furchtgefühl heraus zog der Wissenschaftler den Strahler. Als er neben Nilson niederkniete, legte er die Waffe griffbereit neben sich. Der Zoologe gab dem Jüngeren einige Klapse auf die Wange, öffnete die oberen Verschlüsse der Montur und fächelte ihm frische Luft zu. Der Begriff „frische Luft“ war durchaus nicht paradox. Das Gemisch war sehr sauerstoffreich und besaß bedeutend weniger Luftfeuchtigkeit als die Planetenatmosphäre; auch die modrige, dumpf und abgestanden riechende Beimischung, die eigentlich typisch für derartige Gangsysteme war, fehlte völlig. Es lag daher auf der Hand, daß diese recht einfache Anlage über eine eigene Luftversorgung verfügen mußte. Das stand nun wiederum in krassem Gegensatz zu der primitiven Lehmröhre. Prof. Bachmann erkannte diesen Widerspruch; da er jedoch von Technik wenig verstand und Fakten fehlten, verdrängte er den Gedanken daran. Er beobachtete besorgt seinen Assistenten. Der Ärmste hatte wiederholt gestöhnt, zugleich strampelte er heftig und schlug um sich. Es mochten einige Minuten vergangen sein, als der junge Wissenschaftler die Augen aufschlug. Die Helligkeit blendete ihn. Mit gequältem Gesichtsausdruck senkte er die Lider wieder. „Na endlich.“ Der Professor atmete erleichtert auf. „Wie fühlen Sie sich?“ „Schlecht. Was ist geschehen?“ fragte Nilson mit schwacher Stimme. „Mein Kopf
schmerzt so.“ Bachmann antwortete nicht. Er vernahm ein leises Stampfen, das lauter wurde und näher kam. Es mußte aus der vor ihnen liegenden Gangmündung kommen. Beschwörend legte er den Finger auf den Mund. Kampfroboter, durchzuckte es ihn. Automatisch griff er zu der wieder im Halfter steckenden Waffe. Sein Assistent rappelte sich auf und zog ebenfalls den Strahler. „Schalten Sie Ihren Individualschirm ein“, raunte Bachmann. Gehorsam betätigte Arne Nilson den Schalter. Nichts geschah. „Das Ding funktioniert nicht!“ „Pst, nicht so laut. Probieren Sie es noch einmal, Sie haben bestimmt den falschen Knopf gedrückt.“ Der junge Zoologe versuchte es nochmals, wieder ohne Erfolg. Der Professor fluchte verhalten. „Treten Sie hinter mich. Ich schalte meine Energiesphäre ein und schirme Sie ab.“ Folgsam kam Nilson der Anweisung nach. Nur – Bachmanns Energieschirm baute sich auch nicht auf. „Verdammte terranische Technik“, raunzte der Professor. „Wozu benötige ich hochmoderne Ausrüstung, wenn sie im Ernstfall versagt?“ Als der Wissenschaftler Dr. Nilsons gehetzten Gesichtsausdruck sah, fügte er beschwichtigend hinzu: „Wir haben ja noch unsere Funkgeräte. Ich rufe jetzt Stratford. Er muß uns mit der TOBRO zu Hilfe kommen.“ „Hoffentlich kommt er auch. Und vor allem rechtzeitig.“ „Nur keine Panik, Nilson. Immerhin haben wir noch unsere Strahler.“ Arne Nilson entgegnete nichts darauf. Er hatte den Oberkörper vorgebeugt und lauschte angestrengt. Das Marschgeräusch klang mittlerweile schon bedrohlich nahe. Rasch nahm Bachmann sein Funkgerät in Betrieb. * Verzweifelt bemühte sich Bachmann, das Schiff zu erreichen, doch er erhielt keinen Kontakt. Schon tauchten die ersten Fremden auf. Als der Professor sie erblickte, schloß er gequält die Augen. Die Gestalten vor ihm schienen den Wahnvorstellungen eines Irren entsprungen zu sein. Neben ihm stöhnte Dr. Nilson auf. Fast widerwillig öffnete Frank Bachmann die Augen und zwang sich, die grauenhaften Gestalten näher zu betrachten. Es waren acht Fremde, die nach Art mittelalterlicher Ritter Metallrüstungen trugen, die lediglich den Kopf frei ließen. Diese Köpfe waren das Schrecklichste, was der Professor je gesehen hatte. Während einige wie grinsende Totenschädel aussahen, besaßen die anderen ein menschliches beziehungsweise schimpansenähnliches Gesicht. Die Gesichter waren mehr oder weniger zerfressen und mit Geschwüren bedeckt. Teilweise schimmerte der Schädel durch die Gesichtshaut, die Ohren fehlten, die Lippen waren an einigen Stellen aufgelöst. Einigen fehlte die Nase oder die Augen.
Die Schädeldecke war transparent; deutlich sah man das Pulsieren der rötlich schimmernden Gehirne. Ein unerträglicher Gestank ging von diesen Wesen aus. Mühsam unterdrückte Bachmann den aufkommenden Brechreiz und atmete flach durch den Mund. Mit schußbereiter Waffe verharrte er auf der Stelle. Die Metallenen bewegten sich nicht und musterten die Agaporniden. Aus den Augenwinkeln heraus sah der Zoologe, daß sein Assistent sich würgend übergab. Ein Fremder gab einen dumpfen Laut von sich und schüttelte den Kopf. Die Bewegung reichte aus, um einen Teil der Wange abzuschütteln. Klatschend fiel ein handtellergroßes Stück grünlichen Hautgewebes auf den Gang. Nun konnte auch Bachmann sich nicht mehr beherrschen, er übergab sich ebenfalls. Schließlich richtete er sich keuchend auf. Seine Eingeweide revoltierten noch immer, er fühlte sich elend. Die Metallenen hatten die Szene mit Interesse verfolgt. Nun traten sie vor und streckten die behandschuhten Hände aus. Ekel erfaßte die Wissenschaftler, sie wichen zurück. Die Gestalten beschleunigten ihre Schritte. Der erste Metallene war bis auf zwei Schritte herangekommen und streckte nun erneut die Rechte aus, um Nilson zu ergreifen. Der Zoologe machte einen Sprung zurück, brachte den Strahler mit beiden Händen in Anschlag und drückte ab. Nichts geschah. Wieder betätigte er den Auslöser – das vernichtende Strahlenbündel blieb aus. Panik erfaßte ihn. „Nein!“ schrie er. Es war ein Schrei in höchster Not. Instinktiv nahm er die Waffe in eine Hand und schleuderte sie dem vordersten Wesen vor die Brust. Scheppernd prallte der Strahler gegen den Harnisch und fiel zu Boden. Unbeirrt rückten die alptraumhaften Gestalten weiter vor. Dr. Nilson warf sich herum, um zu fliehen. Er kam nicht weit. Ein heftiger Schlag traf ihn in den Rücken und warf ihn um. Bachmann ereilte das gleiche Schicksal. Bewußtlos gingen die Terraner zu Boden. 4. Die Elektronik registrierte, daß ihr Plan nicht aufgegangen war. Während das Gros der Biorobots mit dem Gefangenen davonzog, blieben elf Synthowesen zurück. Unter ihnen waren auch Eins und Achtundvierzig. „Laßt uns nachsehen, ob noch mehr dieser Wesen in die Burg eingedrungen sind“, sagte Achtundvierzig. „Vielleicht sind es so viele, daß jeder von uns eins zum, Jagen und Kämpfen bekommt.“ Lautes Freudengeheul war die Antwort. Mit Achtundvierzig an der Spitze drangen sie in den Gang ein.
Noch einmal versuchte der Rechner, die Biorobots abzulenken, um die Humanoiden für sich zu retten. Über Lautsprecher setzte er ein halbes Dutzend Wartungsrobots in Marsch. Tatsächlich gelang es ihm dadurch, drei Biorobots zur Umkehr zu bewegen; sie versprachen sich von einer Jagd auf die Automaten mehr Unterhaltung als von den zerbrechlich wirkenden Lebewesen. Dennoch hatte der Computer auch diesmal das Spiel verloren. Die restlichen acht Synthowesen ließen sich nicht beirren. Zielstrebig marschierten sie voran. Die Elektronik errechnete, daß die Biorobots die Humanoiden mit großer Wahrscheinlichkeit in die eigentliche Burg bringen würden. Innerhalb der Anlage bestand die Möglichkeit, sich mit den Wesen akustisch in Verbindung zu setzen. Die Erfolgsquote, den Lebewesen zur Flucht zu verhelfen und sie dabei so zu leiten, daß sie untersucht werden konnten, war nicht übermäßig hoch, doch auch nicht absolut minimal. Über das im Gang eingebaute Linsensystem beobachtete der Rechner die Humanoiden. Er registrierte, daß sie Strahlenwaffen trugen, die die Biorobots vernichten, konnten. Obwohl er damit die Möglichkeit hatte, daß die Eindringlinge die Synthowesen so für ihn ausschalteten, erlaubte seine Programmierung nicht, daß er das zuließ. Er aktivierte ein Absorptionsfeld und entzog den Waffen und den anderen technischen Geräten sämtliche Energie. Wenig später stießen die Biorobots auf die Wesen. Untätig mußte die Elektronik zusehen, wie die Synthowesen die Humanoiden niederschlugen. * Mit dröhnendem Schädel kam Prof. Bachmann zu sich. Tausend winzige Reparaturrobots schienen in seinem Kopf zu hämmern, zu klopfen und zu sägen, untermalt vom ehernen Klang einer Bronzeglocke. Gequält preßte er die Hände gegen die Schläfen, zuckte aber sofort zurück, als ein stechender Schmerz sein Gehirn durchfuhr. Mühsam stemmte er sich hoch, wobei er verbissen gegen die wirbelnden Leuchtspiralen vor seinen Augen ankämpfte. Nach mehreren vergeblichen Versuchen lehnte er schließlich schwer atmend mit dem Rücken an der Wand. Allmählich klärte sich sein Blick. Links neben ihm hockte sein Assistent. Dessen Gesicht war schmerzverzerrt, der Blick apathisch. Angewidert wandte der Professor den Kopf, als er die Totenköpfe erblickte, die sich im Halbkreis vor ihnen aufgebaut hatten. Obwohl er die aufkommende Übelkeit mannhaft bekämpfte, mußte er sich erneut übergeben. Hastig knöpfte er die rechte Brusttasche seiner Kombination auf, entnahm ihr eine Plastikbox und wählte mit zitternden Fingern einige Medikamente aus. Gierig schluckte er die Hälfte. Unter Schmerzen tappte er zu Nilson und zwang den teilnahmslos Dasitzenden, ebenfalls einige Kapseln einzunehmen. Unerwartet trat einer der fast drei Meter großen Fremden vor. Er blieb tatsächlich
stehen, als der Wissenschaftler abwehrend die Hände hob. Mit einer Stimme, die kaum verständlich war und aus einer Gruft zu kommen schien, sagte der Metallene etwas. Es klang wie „Trengh soother gelool“. „Ich verstehe nicht.“ „Trengh soother gelool – kommt mit uns“, wiederholte der Fremde mit Nachdruck. Bachmann zuckte verständnislos mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Eingehüllt in eine Wolke bestialischen Gestanks, sprang der Metallene auf ihn zu. Bevor der Zoologe eine Abwehrreaktion zeigen konnte, schlug das Wesen ihn heftig ins Gesicht. Unter schaurigem Lachen drückte es dem Terraner den Hals zu. Verzweifelt wehrte Bachmann sich gegen den Griff der schraubstockartigen Hände. Er packte den Daumen der in einem Handschuh steckenden Hand des Metallenen und versuchte, ihn umzubiegen. Höhnisch lachend drückte der stinkende Totenkopf fester zu. Todesangst ergriff den Wissenschaftler. Mit aller Kraft stieß er den Metallenen vor die Brust. Einen Augenblick lang bekam er Luft, dann preßte der andere ihm erneut die Kehle zu. Arne Nilson hatte den ganzen Vorgang mehr oder weniger unbewußt wahrgenommen. Jetzt sah er seinen Vorgesetzten plötzlich in Lebensgefahr. Obwohl er noch ein wenig wacklig war, kam er augenblicklich auf die Beine. Ihm war klar, daß er ohne Waffe keine Chance hatte. So zog er blitzschnell die Universalaxt aus dem Beinfutteral. Weit ausholend und den eigenen Schwung nutzend, schleuderte er die Axt mit aller Kraft gegen die transparente Gehirnkuppel des Wesens. Mit schrillem Kreischen prallte das Werkzeug von der Schädelkapsel ab. Ungläubig starrte der Zoologe zuerst auf die Gestalt, dann auf die Axt. Der Metallene hatte trotz seiner Unverwundbarkeit etwas gemerkt. Unwillig drehte er sich um, ließ den halb besinnungslosen Professor los und sprang Nilson an. Auch jetzt griff er sofort zum Hals, doch da nahte für die Terraner unerwartet Hilfe. Dumpf grollend löste sich ein anderer Totenkopf aus der Formation und stürzte sich auf seinen Kumpan. Ein Handkantenschlag traf den Würger und brachte ihn zu Fall. Eilig flüchtete Nilson aus der Reichweite der beiden und beobachtete den Kampf aus sicherem Abstand. Dem Würger war es inzwischen gelungen, den Angreifer zu Boden zu werfen. Mit einem Triumphschrei schmetterte er dem anderen die geballte Faust ins Gesicht. Der Getroffene – es war niemand anders als Eins, der sich mit Achtundvierzig rangelte – nahm den Schlag ohne Wirkung hin. Er griff seinerseits an. Mit beiden Händen umfaßte er den Kopf von Achtundvierzig und schlug ihn mehrmals auf den Boden. Das Pulsieren des rötlichen Gehirns verlangsamte sich. Beifallheischend sah sich der Sieger um. Eins hatte sich zu früh gefreut. Wie von der Sehne geschnellt, schossen die Arme des Würgers vor und umklammerten den anderen von hinten. Zusammen rollten sie über den Lehmboden. Eins bekam die herumliegende Axt zu fassen. Er wälzte sich herum und schlug zu. Der Hieb zerschmetterte den Totenkopf genau an der Stelle zwischen Schädel und Gehirnkuppel. Röchelnd sackte Achtundvierzig zusammen, sein Griff löste sich. Eine
Minute später war das Wesen tot. Die anderen sechs riefen und applaudierten begeistert. Der Sieger nahm davon keine Notiz. Er schritt davon. Ohne ein Wort zu verlieren, scheuchten die Metallenen die Terraner auf. Sie nahmen sie in die Mitte und marschierten los. Die beiden Männer hielten sich die Nase zu; der Gestank war unerträglich. Nilson warf Bachmann einen fragenden Blick zu. Der Zoologe zuckte nur die Schultern. „Aber wir müssen doch etwas unternehmen, Professor“, sagte Dr. Nilson erregt. „Wollen Sie diesen Verrückten die Initiative überlassen?“ „Staleem – schweig!“ bellte ein Metallener und puffte ihn unsanft. Der Wissenschaftler schwieg ergeben. Der Himmel mochte wissen, ob sie je wieder heil hier herauskamen. * Sie mochten ungefähr eine Viertelstunde durch den nur schwach gewundenen Gang marschiert sein, als er anzusteigen begann. In regelmäßigen Abständen tauchten nun links und rechts Abzweigungen auf, aus denen urweltliches Gebrüll ertönte. Da ihr Niveau tiefer lag, waren die Nebenröhren nur teilweise einzusehen. Bachmann hatte bis jetzt auf jeder Seite sieben Einmündungen gezählt. Auf einmal standen sie vor einem Fallgitter, das den Durchgang versperrte. Zu beiden Seiten des Gitters ragten Sensoren aus der Wand. Sie hatten früher wahrscheinlich zur Öffnungsautomatik gehört, die aber inzwischen nicht mehr funktionierte. „Baantroh – öffne!“ rief der Anführer. Auf der anderen Seite ertönte ein schauriges Lachen, als sich der Boden plötzlich auftat und das vorderste Wesen – es war Eins – in die Tiefe stürzte. Es gab einen dumpfen Aufschlag, dann erklang das gereizte Brüllen einer Echse. Bevor sich die getarnte Falltür wieder schloß, hörte man noch Schreie und das Knirschen von Metall, dann war es still. Die anderen Metallenen tanzten begeistert; sie schienen sich über diesen makabren Zwischenfall zu freuen. Kreischend glitt das Gitter nach oben. Der Torposten sah genauso ekelhaft aus wie seine Artgenossen. Er hielt ein gewaltiges Schwert in der Faust. Der Wächter kicherte irre. Ansatzlos schlug er mit der Waffe nach Bachmann. Dieser entging dem tödlichen Streich nur dadurch, daß er sich mit einem Riesensatz in Sicherheit brachte. Der Wachtposten lachte schrill. Er warf sich herum, ließ das mächtige Schwert über seinem Kopf kreisen und drang erneut auf den Wissenschaftler ein. Geduckt stand der löwenmähnige Terraner vor dem Metallenen. Er hatte seine Axt gezogen und wog sie prüfend in der Rechten. Ihm war klar, daß er dem rund einen Meter größeren Riesen hoffnungslos unterlegen war, aber er wollte seine Haut so teuer wie möglich verkaufen. Der Angriff kam unerwartet. Die Augenhöhlen schienen tückisch zu glitzern, als der Totenkopf die Klinge durch die Luft sausen ließ. Während Frank Bachmann mit einem schnellen Sidestep nach links auswich, versuchte er, mit der Axt den Schlag
abzublocken. Es gelang ihm nicht ganz. Das Werkzeug wurde ihm aus der Hand geprellt. Glühender Schmerz tobte in seiner rechten Schulter und strahlte auf die ganze Körperhälfte aus. Die flache Klinge mußte einen Nerv getroffen haben, denn der Zoologe war unfähig, den Arm zu bewegen. Sein Widersacher lachte höhnisch. Bachmann sah sich gehetzt nach einer Waffe oder einer Fluchtmöglichkeit um. Sie befanden sich in einem acht Meter hohen Gemäuer von zwölf Metern Kantenlänge. Mobiliar war nicht vorhanden; lediglich altertümliche Waffen hingen in gut drei Metern Höhe an den Wänden – unerreichbar für ihn. Die Halle hatte drei Ausgänge. Einer führte zu dem Erdgang, der zweite war vergittert. Vor dem dritten stand das Scheusal mit blitzendem Schwert. „Wenn ich nur eine Waffe hätte und den Arm wieder bewegen könnte“, stöhnte der Wissenschaftler. Langsam näherte er sich seinem Assistenten. Der Metallene beobachtete ihn. Ganz ruhig stand er da. Anscheinend konnte er sich auf Bachmanns Verhalten keinen Reim machen. Endlich schien er einen Entschluß gefaßt zu haben. Er kam näher. Der Wissenschaftler duckte sich etwas und stemmte den rechten Fuß gegen die Wand. Er wollte seinem Gegner durch einen schnellen Spurt entkommen; eine andere Möglichkeit blieb ihm nicht. Mit den Augen maß er die Strecke und erkannte, daß seine Chance gering war. Plötzlich gewahrte er hinter dem Angreifer ein anderes Wesen; das sich lautlos anschlich. Der Wächter war völlig ahnungslos. Er hatte nur Augen für sein vermeintliches Opfer. Der andere Totenkopf hatte sich dem Schwertträger bis auf einen Schritt genähert und stieß nun einen markerschütternden Schrei aus. Verschreckt fuhr der Torposten herum. Bevor er reagieren konnte, war es für ihn schon zu spät. Ein mit furchtbarer Wucht geführter Schlag mit einem riesigen Morgenstern trieb den Kopf förmlich in die Rüstung. Einen Moment lang war Bachmann wie erstarrt gewesen, jetzt atmete er befreit auf. „Prenool ther a memool dantheer – ich bin ein sehr guter Kämpfer!“ dröhnte der Metallene, klopfte sich an die Brust und schwang die Keule. „Eehl protheer eehl braneel – und stark und listig“, fügte er hinzu, dann ließ er den Morgenstern mit aller Gewalt auf den Schädel des ihm am nächsten Stehenden niedersausen. Schaudernd wandten die Terraner sich ab. Allmählich glich das Gemäuer dem Schauplatz eines Horrorfilms. Schadenfrohes Gelächter der anderen erklang. Und dann begann der Tumult. Jeder schlug auf jeden ein. Zwischen den Kämpfenden, im dicksten Getümmel, stand der Keulenschwinger. Er begleitete jeden Treffer mit einem Freudenschrei. Die Terraner standen unbeachtet da. „Wir müssen hier heraus, solange sie sich gegenseitig umbringen“, rief Bachmann seinem Mitarbeiter zu.
Obwohl Nilson ihn bei dem Lärm unmöglich verstanden haben konnte, schien er Bachmanns Absicht erraten zu haben; er nickte bestätigend. Eng an die Wand gepreßt, rannten die beiden Männer auf den Ausgang zu. Der Professor war nur noch wenige Meter von dem rettenden Durchlaß entfernt, als sich ein Totenkopf plötzlich umdrehte und den Terraner bemerkte. Mit einer blinkenden Streitaxt bewaffnet, ging er offen auf den neuen Gegner zu. Er mochte gerade zwei, drei Schritte gemacht haben, als der Keulenschwinger hinter ihm auftauchte. Dieser stieß einen heiseren Kampfschrei aus und ließ den Morgenstern niedersausen. Der Axtträger blieb auf der Strecke. Blitzschnell nahm der Sieger die Streitaxt auf. Beim Aufrichten sah er Dr. Nilson. Mit einem irren Lachen schleuderte er die Waffe in Nilsons Richtung. Der junge Zoologe sah den tödlichen Stahl durch die Luft sausen. Mit einem verzweifelten Satz warf er sich nach vorn, rutschte einige Meter über den Steinboden und fing sich mit den Händen ab. Hinter ihm prallte die Axt funkenstiebend an die Wand. Der Metallene brüllte ärgerlich. Er sah sich nach einem neuen Wurfgeschoß um, als ein hinterrücks geführter Schwertstreich seinen rechten Unterarm traf. Ohne sich darum zu kümmern, warf er sich herum und stürzte sich erneut in den Kampf. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten die Agaporniden den Ausgang. Er konnte ebenfalls verschlossen werden. Rasch warfen sie das Eisengitter hinter sich ins Schloß, so daß sie vor eventuellen Verfolgern sicher waren. Aufatmend preßten beide die schweißbedeckte Stirn gegen die kühlen Quader der Wand. Der beleuchtete Gang vor ihnen war leer. Er erstreckte sich fast fünfzig Meter weit, bevor er auf eine Querverbindung traf. Aufmerksam musterte Professor Bachmann Wände und Decke. An manchen Stellen entdeckte er schlecht versteckte Aufnahmeoptiken und Sensoren. Sie machten einen verwahrlosten und inaktiven Eindruck. „Hoffentlich gibt es nicht noch mehr von diesen verrückten Totenköpfen in dieser Station“, meinte Nilson. „Glauben Sie, daß es sich um Lebewesen handelt, die sich natürlich als Rasse entwickelt haben?“ Der Wissenschaftler schüttelte den Kopf. „Nein, Nilson, auf keinen Fall. Es müssen Automaten sein, in die organisches Gewebe integriert wurde. Ich würde sie Synthorobots nennen, halborganische Automaten. Doch um auf den ersten Teil Ihrer Frage zurückzukommen: Alles hier wirkt wie eine mittelalterliche Burg. Bei den Ausdehnungen derartiger Anlagen halte ich es für wahrscheinlich, daß sich noch mehr von diesen Automaten hier befinden.“ „Was sollen wir tun?“ fragte sein Mitarbeiter. „Wir haben noch nicht einmal Waffen.“ „Ich helfe Ihnen“, drang es in schlechtem Terranisch aus einem verborgenen Lautsprecher. Die beiden Männer wirbelten herum. „Wer spricht da?“ „Die zentrale Elektronik“, kam es zurück. „Ich hatte inzwischen Gelegenheit, Ihre Sprachgrundlagen zu analysieren. Von woher kommen Sie?“
„Von Terra“, sagte Nilson arglos. Bachmann sah ihn strafend an. „Kennen Sie Proohl?“ „Äh – nicht genau“, log Bachmann. „Warum fragst du?“ „Sie haben Ähnlichkeit mit den Erbauern der Station“, antwortete der Rechner. „Das ist nicht verwunderlich. Wir sind die Nachfahren“, behauptete der Professor kühn. Sein Mitarbeiter blickte ihn erstaunt an. Der Zoologe bedeutete ihm mit einer Handbewegung, zu schweigen. „Können Sie das beweisen?“ „Hör mal zu, Computer, deine Schaltkreise sind wohl durcheinandergeraten. Wir sind die Nachkommen deiner ehemaligen Herren. Somit sind wir autorisiert, über dich zu verfügen, klar?“ „Ich muß widersprechen. Bis jetzt habe ich noch keine Fakten darüber, ob Ihre Behauptung stimmt.“ „Aber du hast doch selbst gesagt, daß wir den Erbauern der Station ähneln, he?“ „Ganz recht. Allerdings sprechen Sie eine andere Sprache, sind viel kleiner und behaart.“ „Nennst du das gravierend? Unsere Vorfahren, deine Herren, siedelten auf einem anderen Planeten. Wir sind durch Selektion und Mutation entstanden.“ „Die Herren waren weißhäutig. In dieser Anlage befindet sich aber ein dunkelhäutiges Wesen, das Ihnen ähnelt und die gleiche Sprache spricht wie Sie.“ Die beiden Männer tauschten einen verstehenden Blick. „Dieses dunkelhäutige Wesen gehört zu uns – Mutation und Selektion, wie ich schon sagte. Schicke den Mann zu uns.“ „Selbst wenn ich wollte, stünde das nicht in meiner Macht. Die Biorobots haben ihn festgesetzt.“ „Sind das die verrückten Metallwesen?“ „Sie sind es“, bestätigte der Rechner. „Und du hast keinen Einfluß auf sie?“ fragte der Professor ungläubig. „Nein, keinen.“ „Und da nennst du dich die zentrale Elektronik?“ „Die Biorobots besitzen ein synthoorganisches Gehirn. Sie sind mir gegenüber autark und nicht weisungsgebunden. Die Herren haben sie zu ihrem Schutz, zu ihrer Freude und zu ihrer Bequemlichkeit erschaffen.“ „Erzähle mehr davon.“ Im Verlauf der nächsten Minuten gab der Rechner eine kurze Schilderung über die Entstehung der Burg genannten Anlage und die Geschichte der Erbauer der Station. Auf der Flucht vor ihren Erzfeinden, den insektoiden Chraahns, waren die letzten Proohler – so nannte sich die Rasse – hier gelandet. Es handelte sich um drei Männer und eine Frau. Aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus war die Station erstellt worden; die technischen Anlagen von zwei Raumschiffen wurden in die Burg integriert. Da die Elektronik mit Begriffen wie Eifersucht und Begierde nichts anfangen konnte,
umschrieb sie das Buhlen der Männer um die Gunst der einzigen Frau. Sie wußte auch nicht, daß der Schöpfer der Biorobots bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen war, bei dem es um eben diese Frau ging. Allerdings hatte der Rechner registriert, daß alle Proohler den Planeten – von den Terranern Darwins Planet genannt – mit einem fernflugfähigen Raumschiff verlassen hatten. Seitdem wartete der Computer darauf, daß die Herren zurückkehrten. „Deine Darstellung stimmt mit unserer Geschichtsschreibung überein“, sagte Bachmann nach kurzem Nachdenken. Er log völlig bewußt, um den Rechner als Verbündeten zu gewinnen. „Glaubst du nun, daß wir berechtigt sind, über die Burg und über dich zu verfügen?“ „Sie sind mir den Beweis immer noch schuldig“, beharrte der Computer. „Habe ich deine Geschichte nicht bestätigt?“ „Das ist kein Beweis. Stellen Sie sich zu einer Genkodeuntersuchung zur Verfügung?“ „Überschreitest du da nicht deine Befugnisse?“ „Keinesfalls. Wenn ich sicher bin, daß Sie die Nachfahren der Herren sind, übergebe ich Ihnen die Kommandogewalt über die Station.“ „Und wie hältst du uns die Biorobots vom Leib?“ „Vor den Biorobots müssen Sie sich selbst schützen, das steht nicht in meiner Macht.“ „Dann verzichten wir auf Untersuchung und weitere Zusammenarbeit“, gab Bachmann unwillig zurück. „Wir werden es auch ohne deine unwesentliche Hilfe schaffen.“ „Aber ich kenne die Station, alle Gänge und Ausstiege. Ich kann Sie leiten, während meine Roboter die Biorobots in die Irre führen. Ich kann die Kontaktstellen auf größeren Radius schalten und Sie so schneller an die Planetenoberfläche befördern. Ich kann…“ „Sind wir durch ein solche Kontaktstelle hierhergekommen?“ „Ja!“ „Kannst du die Kontaktstellen auch abschalten?“ fragte der Professor lauernd. „Nein, aber den Durchmesser variieren.“ „Danke, das genügt. Wir lehnen dein Angebot ab.“ Der Lautsprecher blieb stumm. „War das nicht ein Fehler?“ „Wollen Sie sich etwa untersuchen lassen? Sie haben doch gehört, daß der Einfluß der Elektronik ohnehin begrenzt ist.“ „Aber jetzt haben wir sie uns zum Gegner gemacht.“ „Sie hätte uns sowieso bekämpft, wenn sie festgestellt hätte, daß wir sie belogen haben. Oder glauben Sie, daß wir von Proohlern abstammen?“ Der Professor wartete die Antwort nicht ab, sondern fuhr fort: „Wir müssen Santana finden und dann nach einem Ausgang suchen.“ Bachmann reckte sich. Die Wirkung der Pharmaka hatte noch nicht nachgelassen; da er auch den Arm wieder bewegen konnte, fühlte er sich relativ fit. Der Wissenschaftler näherte sich Nilson und raunte ihm ins Ohr:
„Die Elektronik versteht unsere Sprache. Wenn Sie in Zukunft etwas sagen wollen, sprechen Sie leise oder machen Sie Zeichen. Wir müssen dem Rechner ja nicht vorher verraten, was wir vorhaben.“ Arne Nilson nickte. Er deutete mit der Hand nach vorn. Bachmann senkte zustimmend den Kopf. „Achten Sie auf verborgene Fallen“, mahnte er, als sein Assistent allzu forsch ausschritt. Vorsichtig hielten sie sich links und rechts an den Wänden. Mit vorgestreckten Füßen tasteten sie nach unsichtbaren Kontakten, die mögliche Geheimtüren auslösen konnten. Hinter ihnen wurde das Geschrei der Biorobots immer leiser, bis es schließlich ganz verstummte. „Sie haben sich gegenseitig umgebracht“, raunte Arne Nilson. „Still jetzt!“ Sie brachten den Gang ohne Zwischenfälle hinter sich und näherten sich nun der Kreuzung. Jederzeit bereit, sich zurückzuziehen, spähte der Wissenschaftler um die Ecke; sein Mitarbeiter verharrte abwartend. Der Gang, auf den sie gestoßen waren, besaß ungefähr die doppelte Breite. Der rechte Teil endete bereits nach zwanzig Metern vor einer metallenen Tür. Das linke Stück setzte sich scheinbar endlos fort, ab und zu unterbrochen von Nischen, Holztüren und vergitterten Abzweigungen. Niemand war zu sehen. Der Professor winkte Nilson. Mit zwei Sprüngen überwand er den Zwischenraum und landete neben Bachmann. „Wir gehen nach links“, flüsterte der weißhaarige Wissenschaftler. „Sie bleiben hinter mir.“ Eng an die aus wuchtigen Quadern errichtete Mauer gepreßt, schlichen sie auf den Gang hinaus. Auch hier waren in regelmäßigen Abständen Leuchtplatten angebracht, die das grelle Licht verstrahlten. Die „Unzertrennlichen“ hatten noch keine zehn Meter zurückgelegt, als sie metallisch klingende Schritte vernahmen. „Schnell!“ zischte Bachmann. „Hier hinein!“ Hastig zog er Nilson in die nächste Nische und drückte sich fest an die Wand. Zu spät erkannte er, daß er in eine Falle getappt war. Die Einbuchtung enthielt eine Geheimtür, die nun nachgab und die beiden Männer lautlos verschluckte. * Tom Stratford hatte die Überprüfung der energetischen Anlagen abgeschlossen. Bis auf einen Umformer und zwei Speicherbänke waren die Aggregate intakt. Innerhalb der Verbundschaltungen waren einige kleinere Einheiten zerstört worden, aber insgesamt hielten sich die Schäden in Grenzen. Was noch wichtiger war: Die Defekte ließen sich in relativ kurzer Zeit mit Bordmitteln beheben. Zufrieden stand der Pilot auf. Das konzentrierte Arbeiten hatte ihn hungrig gemacht. Ein leichter Imbiß würde die Zeit bis zum Abendessen überbrücken. Eher beiläufig blickte er auf das Chronometer: 21.13 Uhr Terranorm. Er schaltete den
Zentralbildschirm ein. Draußen war es bereits dämmrig, in Kürze würde die Sonne untergehen. Stratford erschrak. Santana und die beiden Zoologen hätten längst zurück sein, zumindest aber sich über Funk melden müssen. Ob ihnen etwas zugestoßen war? Stratford setzte sich vor das Pult und schaltete den Kommunikator von „Empfang“ auf „Senden“. Nacheinander rief er die Namen der Männer ins Mikrophon. Er erhielt keine Antwort. Nach mehreren vergeblichen Versuchen stellte er die Anlage wieder um. Er verließ seinen Platz und ging unruhig auf und ab. Waren die drei dem Angriff eines Sauriers zum Opfer gefallen? Bei der technischen Ausrüstung, die ihnen zur Verfügung stand, war das schlecht vorstellbar. Nein, diese Möglichkeit schied aus. Gab es aber dann außer den Tierriesen noch andere Gefahren, von denen die Terraner nichts wußten? Welcher Art konnten sie sein? Grübelnd ließ sich der Pilot in einen Sessel sinken. Er machte sich heftige Vorwürfe. Hätte er doch nur darauf bestanden, die Wissenschaftler zu begleiten. Santana war jünger und weniger erfahren als er, vielleicht auch etwas leichtsinniger und impulsiver. Einem Gegner fiel es leichter, Luis in eine Falle oder einen Hinterhalt zu locken als ihn, den abgeklärten Raumfahrer. Unwillig schüttelte er den Kopf. Gegner, Fallen, Hinterhalte. All das konnte es auf Darwins Planet nicht geben. Es gab nicht einmal Eingeborene, von einer Zivilisation ganz zu schweigen. Nein, so kam er nicht weiter. Seufzend lehnte er sich zurück. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Von Nervosität getrieben, sprang er wieder auf und setzte die ruhelose Wanderung fort. Eine innere Unruhe erfüllte ihn. Hätte er gewußt, daß der Chraansraumer THSY 814 in wenigen Stunden terranischer Zeit über Darwins Planet schweben würde, wäre er allerdings noch wesentlich unruhiger geworden. * Hinterrücks fielen die Zoologen in einen hell erleuchteten Raum und schlugen mit den Köpfen auf den Steinboden. Benommen richteten sie sich auf und sahen sich um. Sie waren anscheinend in einer Waffenkammer gelandet. An den Wänden, an Haken und in Regalen hingen und lagerten unzählige altertümliche Hieb‐ und Stichwaffen. In flachen Mauereinbuchtungen standen drei Meter hohe Rüstungen auf Podesten, über ihnen waren Wappen und Schilde angebracht. Links und rechts davon standen grobgearbeitete, fellbezogene Sessel; weiteres Mobiliar war nicht erkennbar. Ein Großteil der Waffen lagerte in parallel verlaufenden Holzgestellen. Plötzlich tauchte nur wenige Meter entfernt ein Biorobot aus den Regalreihen auf. Überrascht musterte er die beiden Terraner, dann lachte er hohl und ging auf sie zu. Schnell sprangen die Männer auf und schnellten sich in verschiedenen Richtungen davon. „Dreehol woth a saalth eehl noothil – ich werde euch fangen und vernichten!“ drohte er mit schriller Stimme. „Prenool ther a Praath. Oother Lalool geetrengh soothrag – ich bin ein Wächter. Kein Fremder entkommt mir!“
Stampfend marschierte er in die Richtung, in der Bachmann verschwunden war. Der Professor bemühte sich, so leise wie möglich aufzutreten, um dem Verfolger keinen Hinweis auf seinen Standort zu geben. Plötzlich übermannte ihn ein heftiges Schwindelgefühl. Instinktiv suchte er Halt und klammerte sich an das nahe stehende Gestell. Der unsanfte Griff erschütterte es und brachte die gelagerten Waffen zum Klirren und Schwingen. Bachmann fluchte lautlos. Hastig griff er in das Regal, entnahm der Halterung eine scharfgeschliffene Streitaxt und riß ein Schwert aus der Scheide. Lauernd sah er sich um. Der Totenkopf war nicht zu sehen, aber die stampfenden Schritte näherten sich eindeutig seinem Standort. Wie eine Katze schlich der Wissenschaftler davon. Erleichtert atmete er auf, als er den Regalkorridor endlich durchquert hatte. Vorsichtig lugte er durch die Querlatten an den Stirnseiten auf den Hauptgang. Von dem Metallenen war nichts zu sehen und zu hören. Wahrscheinlich verharrte er lauschend, vielleicht war er aber auch unschlüssig, wen er verfolgen sollte. Verdammte Stille, dachte Bachmann. Die gespenstische Ruhe zerrte an seinen Nerven. Unruhig spähte er zum wiederholtenmal durch die Regalverstrebungen. Er war sichtlich erleichtert, als der Fremde sich wieder in Bewegung setzte. Zielstrebig bog der Biorobot in den Korridor ein, den der Professor vorher hinter sich gebracht hatte. Als er die Regalreihe fast durchquert hatte, hob der Zoologe den rechten Arm mit dem Schwert schlagbereit bis in Schulterhöhe. Die Linke umklammerte die Streitaxt. Wenige Schritte vor Bachmanns Deckung verhielt der Biorobot. Unwillkürlich hielt der Terraner den Atem an. Deutlich sah er nun das pulsierende Gehirn unter der transparenten Schädelkapsel. Plötzlich kamen ihm Zweifel, ob er berechtigt war, dieses Leben zu vernichten. Gewiß, es war das Leben einer wahnsinnig gewordenen künstlichen Züchtung, aber war es nicht letztendlich doch erhaltenswert? Andererseits stand der Ausgang des Kampfes keineswegs fest. Der fast drei Meter große Biorobot hatte aufgrund seiner Größe und Kraft die besseren Chancen, wenngleich er, Bachmann, hoffte, das Überraschungsmoment auf seiner Seite zu haben. Es war sein Selbsterhaltungstrieb, der den Gewissenskonflikt beendete. Rigoros und kategorisch verlangte er, das Wesen auszuschalten, damit sein Trägerbewußtsein überleben konnte. „Trengh vanthaar, laloos Krethos – kommt heraus, fremde Feiglinge“, schrie der Totenkopf. Lautlos sprang Bachmann aus seinem Versteck hervor. Weit ausholend schmetterte er das Schwert mit aller Kraft gegen den Waffenarm des Gegners. Obwohl der Biorobot augenblicklich reagierte, reichte die Abwehrbewegung nicht mehr aus, um den Schlag zu parieren. Der Arm wurde halb abgetrennt, der Säbel sank herab. Dieses Herabsinken schien jedoch mehr Reflex als Wirkung zu sein, denn sofort ruckte der Säbel wieder nach oben. Mit stoßbereiter Waffe drang der Metallene auf Bachmann ein. Nur mit Mühe entkam der Professor den tödlichen Hieben. Verzweifelt versuchte er,
die Angriffe des Fremden abzuwehren, doch mit einem gekonnten Streich schlug der Biorobot dem Terraner das Schwert aus der Hand. Prof. Bachmann wußte, daß die ihm verbliebene Streitaxt nur eine unzureichende Waffe war. „Nilson!“ rief er. „Helfen Sie mir!“ Als eine Antwort ausblieb, lachte das Wesen höhnisch und betrachtete sein Opfer prüfend. „Noch hast du mich nicht getötet, du Scheusal!“ schrie Bachmann. Grimmig packte er die Streitaxt fester. In seiner Not blickte er nach oben und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Wer beschreibt sein Erstaunen, als er Nilson auf dem links stehenden Regal liegen sah. Er mußte unbemerkt hochgeklettert sein. Als Bachmann ihn erblickte, legte der junge Zoologe beschwörend den Finger auf den Mund. Triumphierend zeigte er auf eine mächtige Keule. Der – Wissenschaftler nickte unmerklich. Er mußte den Biorobot ablenken und so in Position bringen, daß sein Assistent Gelegenheit erhielt, den Gegner zu erledigen. Die Streitaxt locker in der Rechten wiegend, tänzelte der Professor auf und ab. Zugleich schob sich Nilson vorsichtig näher heran. Vergnügt, wie es schien, betrachtete das Synthowesen Bachmanns seltsamen Tanz. Nach einigen Augenblicken wurde es ihm zuviel. Blitzartig riß es den Säbel hoch und schlug ihn abwärts, um dem Terraner den Schädel zu spalten. Mit einem verzweifelten Sprung rettete Bachmann sich in ein Regal. Der Säbel drang mit mörderischer Wucht in das Kantholz und wurde zentimetertief in den Balken getrieben. Hilflos lag Bachmann zwischen den scheppernden Waffen. Er riß erstaunt die Augen auf, als er sah, was geschah. Der Hieb war mit solchem Effekt geführt worden, daß der halb abgetrennte Arm von der prellenden Waffe endgültig abgerissen wurde. Der Biorobot kommentierte den Verlust der Extremität mit einem hohlen Gelächter. Zugleich trat er derart heftig gegen das Gestell, in dem der Professor lag, daß es bedenklich schwankte und umzustürzen drohte. Der Raum war erfüllt vom ehernen Klang der in Schwingungen versetzten Waffen. Diese Gelegenheit nutzte Nilson, um sich ungehört näher heranzuschieben. Der Biorobot hatte mittlerweile einen Morgenstern aus der Halterung gezerrt und hielt ihn abwägend in der intakten Linken; dabei kicherte er unentwegt. Nilson kroch noch etwas weiter nach vorn und erhob sich in die Hocke. Es kostete ihn einige Anstrengung, die schwere Waffe über den Kopf zu heben. Mit der ganzen Kraft seines schmächtigen Körpers ließ er die Keule auf die transparente Gehirnkuppel niedersausen. Das Material war dieser Belastung nicht gewachsen. Wie vom Blitz getroffen, brach der Biorobot zusammen, schlug dumpf auf den harten Steinboden und blieb reglos liegen. Der junge Wissenschaftler warf die gewichtige Keule achtlos zur Seite und kletterte vom Regal herunter. Unterdessen befreite sich Bachmann von einigen Waffen, die durch die Erschütterung auf ihn gefallen waren. Als die beiden Männer voreinander standen, schüttelte der Professor seinem
Mitarbeiter dankbar die Hand. „Sie haben mir das Leben gerettet, Nilson. Vielen Dank.“ „Nicht der Rede wert, Professor.“ Nilson winkte ab. „Schließlich nennt man uns nicht umsonst die Agaporniden.“ Bachmann tappte zu einem der Fellsessel, ließ sich einfach in das viel zu große Sitzmöbel fallen und schloß für einen Moment die Augen. Bisher hatten sie alle Widrigkeiten lebend und fast unverletzt überstanden. Würde ihnen das Glück auch weiterhin zur Seite stehen? Oder würde das Gemäuer zu ihrem Grab werden? 5. Apathisch lag Luis Santana auf einer Holzpritsche. Sein ganzer Körper schmerzte, sein Geist war in Lethargie versunken. Die Zelle, in der er sich befand, maß vier Meter im Quadrat. Sie war aus groben Quadern gemauert und roch feucht und modrig. Hinter vergitterten Nischen befanden sich zwei völlig verstaubte Leuchtplatten. Ihr schwacher Schein, der ab und zu flackernd erlosch, schuf ein dämmriges Zwielicht. Der kahle Raum enthielt außer der Liege, einem grobgezimmerten Tisch und einem großen, klobigen Stuhl keinerlei Mobiliar. Fast pausenlos drang das urweltliche Gebrüll von Sauriern in das Verlies. Der Zweite Pilot nahm es kaum wahr. Die schwere Holztür, die die Zelle von der Außenwelt abschloß, knarrte. Ein Totenkopf trat ein und ging zu Santanas Lager. Der Terraner wälzte sich herum und starrte den Metallenen furchtsam an. Das Wesen trug eine zwölfschwänzige Lederpeitsche. „Canthoor – aufstehen!“ sagte es. Im selben Augenblick wurde die Tür aufgerissen. Ein anderes Wesen stand mit blankem Schwert auf der Schwelle. Der Peitschenträger stieß einen zornigen Ruf aus. Achtlos ließ er die Lederrute fallen und zog seinerseits das Schwert. Sofort ging er zum Angriff über. Das andere Synthogeschöpf lachte, als es die Attacke parierte und einen unbedeutenden Treffer anbringen konnte. Der kleine Raum war erfüllt vom Fechtlärm. Nachdem der Peitschenträger anfangs in Bedrängnis geraten war, gewann er zunehmend die Oberhand. Immer weiter wich der andere zurück, so daß die beiden ihre Klingen schließlich vor der Zelle kreuzten. Von draußen drangen Applaus und Anfeuerungsrufe anderer Biorobots herein. Santana witterte eine Chance, zu entkommen. Gerade, als er sich von der Pritsche erheben und davonschleichen wollte, sah ein Totenkopf in das Verlies. Als er den Terraner erblickte, grunzte er zufrieden und zog die Tür ins Schloß. Knarrend wurde von außen der Riegel vorgeschoben. Der Raumfahrer war wieder allein in seiner Zelle. Santana fluchte unterdrückt und setzte sich auf die Kante der Liege. Aus seiner
Pharmabox nahm er einige Kapseln zu sich und versorgte seine Wunden mit einem schmerzlindernden Gel. Nach wenigen Minuten fühlte er sich besser, die Schmerzen wurden erträglicher. Ihm war klar, daß er aus diesem Loch so schnell wie möglich heraus mußte. Ob Stratford ihn suchen würde? Unbewußt nickte der dunkelhäutige Raumfahrer heftig. Ganz gewiß würde der Partner ihn nicht im Stich lassen. Die Frage war nur, ob man ihn auch finden würde – rechtzeitig finden würde, zumal er nicht einmal selbst wußte, wo er sich befand. * Vorsichtig öffnete Bachmann die schwere Holztür und spähte auf den Gang hinaus. „Die Luft ist rein“, flüsterte er und deutete mit einem Kopfnicken nach draußen. Geschmeidig glitten beide Männer durch die Tür, die Nilson geräuschlos hinter ihnen verschloß. Bis auf die geringere Breite unterschied sich der Gang durch nichts von den anderen Korridoren, die sie bisher zu Gesicht bekommen hatten. Nach beiden Seiten erstreckte er sich mindestens sechzig Meter weit; infolge der Gangkrümmung konnte er nicht weiter eingesehen werden. „Nach links“, entschied der Professor. Als sein Assistent zögerte, packte er ihn am Arm. „Rasch!“ zischte er und eilte in geduckter Haltung voraus. Eilig folgte Nilson. Prof. Bachmann hatte inzwischen gut zwanzig Meter zurückgelegt, ging nun in die Hocke und sah sich nach seinem Mitarbeiter um, der heftig atmend hinter ihm landete. Das grelle Licht ließ Arne Nilsons ohnehin helle Haut bleich und wächsern erscheinen. Die blauen Augen waren weit aufgerissen, das dunkle Haar war schweißverklebt. „Was sehen Sie mich so merkwürdig an?“ „Sie fangen an durchzudrehen, Nilson. Ich habe mich lediglich umgesehen. Halten Sie Ihre Waffen fest, es geht gleich weiter.“ Jeder war mit einem Schwert und einem Morgenstern bewaffnet; es hatte sich gezeigt, daß diese Waffen am wirkungsvollsten waren. Der Gang vor ihnen war, soweit überschaubar, wie ausgestorben. Die absolute Stille in dem Gewölbe zerrte an den Nerven. Plötzlich knackte es über ihnen, eine Lautsprecherdurchsage erklang. Obwohl die Männer die Sprache nicht verstanden, glaubten sie, verschiedene Kodebezeichnungen herausgehört zu haben. Die Agaporniden blickten sich alarmiert an. „Unser elektronischer Freund macht anscheinend Jagd auf uns“, flüsterte Bachmann. „Oder er hat uns die Biorobots auf den Hals gehetzt.“ Angestrengt spähte der Professor nach vorn. Nur ein Dutzend Schritte von ihrem derzeitigen Standort entfernt öffnete sich ein Teil der Wand. Auf breiten Walzen rollte lautlos ein schildkrötenähnlicher Robot mit Tentakelauswüchsen auf den Flur. Er ruckte herum und bewegte sich auf die Terraner zu. „Los, weg hier!“
Der Wissenschaftler sprang auf und hastete zurück. Arne Nilson folgte ihm. Die Nischen mit ihren teuflischen Geheimtüren, die am Anfang Sicherheit und Versteck signalisiert hatten, mieden sie nun. Einige Meter voraus sah Bachmann einen Durchlaß. Infolge der Gangkrümmung war er einzusehen und ließ einige Stufen erkennen. „Wir gehen nach unten“, raunte der ältere Zoologe. „Warum?“ „Deshalb!“ Bachmann deutete auf den Automaten, der ihnen beharrlich folgte. „Und weil Santana – sofern er noch lebt – wahrscheinlich in irgendeinem Verlies sitzt. Diese Zellen befinden sich auch in alten terranischen Burgen stets auf der unteren Ebene.“ Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, strebte der Professor auf die Treppe zu. Er packte die Keule fester und zog das Schwert aus der Scheide, die provisorisch am Gürtel befestigt war. Der Wissenschaftler wollte sich nicht noch einmal von versteckten Biorobots überraschen lassen. Er mochte drei Schritte gemacht haben, als er glaubte, das Herz bliebe ihm stehen. Die fast absolute Stille wurde durchschnitten von dem typischen Geklirr, das tanzendes Metall auf Stein verursacht. Sein Körper versteifte sich unwillkürlich. Als er sich umdrehte, sah er seinen Mitarbeiter wie vom Donner gerührt im Gang stehen. Nilson zuckte hilflos die Schultern. Mit der blanken Waffe deutete er auf die Scheide. Sie hatte sich vom Gürtel gelöst und lag vor ihm auf dem Boden. Kaum war das Echo des unnatürlich laut wirkenden Geräusches verhallt, als aus der Ferne das Stampfen marschierender Roboter hörbar wurde. „Kommen Sie!“ Dr. Nilsons Starre löste sich. Mit weiten Sätzen stürmte er vorwärts. „Nehmen Sie die Schwertscheide mit!“ rief Bachmann. Irritiert stoppte der junge Wissenschaftler. Er warf sich herum, rannte zurück und hob die Metallhülle auf. Dann stürmte er wieder der Treppe zu. Der Professor wartete bereits auf dem ersten Absatz, und als er Arne Nilson sah, sprang er, mehrere Stufen auf einmal nehmend, nach unten. Krampfhaft die Waffen haltend, folgte sein Mitarbeiter. Während sie nach unten hasteten, verklang das Stampfen der Biorobots allmählich. Nachdem die Gejagten drei Etagen zwischen sich und ihre Verfolger gebracht hatten, legten sie eine Pause ein. Heftig atmend, mit schmerzenden Lungen und rasend schlagenden Herzen, lehnten sie an einer Säule des Aufgangs. Als Prof. Frank Bachmann seinen Assistenten drohend anblickte, senkte Nilson schuldbewußt den Kopf. „Es tut mir leid, Professor“, keuchte er. „Schon gut“, murmelte der Zoologe versöhnlich. Er stieß sich von der steinernen Stütze ab. „Weiter nach unten!“ Nach vorn und hinten sichernd, schlichen sie über die breiten Stufen weiter in die Tiefe. Allmählich beruhigten sich die überreizten Nerven wieder. Die Korridore, die durch die Treppen verbunden wurden, glichen sich aufs Haar. Um so verwunderter waren die Wissenschaftler, als sie nach fünf Stockwerken
plötzlich auf ein stählernes Schott stießen, das unmittelbar am Treppenabsatz vor ihnen emporwuchs. Hier gab es keine Gänge und Abzweigungen, keine Nischen und Verstecke. Glatt schlossen die aus wuchtigen Quadern errichteten Wände den Aufgang ab. Die perfekte Falle, dachte Bachmann, hütete sich jedoch wohlweislich, seinen Gedanken auszusprechen. Das Nervenkostüm seines Mitarbeiters war ohnehin dünn genug. Das übermannshohe Tor wies keinerlei Öffnungsmechanismen auf. Entsetzt prallten die Terraner zurück, als sich die Hälften auf einmal auseinanderschoben und den Eingang freigaben. Der dahinterliegende Raum war gigantisch in seinen Ausmaßen und nicht zu überblicken. Gewaltige, silbrige Maschinen ragten empor, teilweise untereinander verbunden durch armdicke Leitungen und stillgelegte Förderbänder. Seltsam geformte Anlagen standen gleich Monumenten im Saal, zum Teil zerstörte Bildschirme bedeckten die Wände. In stumpfem Schwarz gehaltene Rechner bildeten eine Art Kontrollzentrum. Soweit erkennbar, war die gesamte Anlage energetisch tot. Dennoch blieb Bachmann vorsichtig. Er rief Nilson zurück, der bereits auf den Eingang zusteuerte. „Was ist?“ murrte der Zoologe. „Von oben können jeden Augenblick Biorobots kommen.“ „Werfen Sie zuerst die Schwertscheide in den Raum!“ befahl der Professor. Erstaunt blickte Dr. Nilson seinen Vorgesetzten an, tat dann jedoch, was der andere verlangte. Aus dem Handgelenk schleuderte er das Metallstück durch die Öffnung. Der erwartete Effekt blieb aus. Keine Strahler flammten auf, keine Energiewand entstand – nichts. Scheppernd schlug das Wurfgeschoß an eine Maschine und fiel zu Boden. Triumphierend lächelnd deutete Nilson mit gespreizten Fingern ein V für „Victory“ an und durchschnitt das Schott. Auch jetzt erfolgte keine Reaktion. Bachmann folgte dem jüngeren Kollegen. Als er sich die jenseitige Schottwand besah, wußte er, warum keine Abwehrmaßnahmen erfolgt waren. Die ehemals wahrscheinlich automatisch arbeitende Überwachungsanlage war verrottet und zerstört; lediglich der einfache Türkontakt funktionierte noch. Die beiden Zoologen waren keine Techniker. Für sie war die Anlage fremdartig. Die silbernen, zwölf Meter hohen Türme mit nur drei Metern Querschnitt wurden umrankt von gleichfarbenen Metallspiralen, deren obere Enden in den Säulen verschwanden. Es mochten etwa zwölf dieser Gebilde sein, die in der Halle standen. Sie glichen Hydriertürmen und waren durch dezimeterstarke Leitungen miteinander verbunden. Rohre von siebzig Zentimetern Durchmesser führten von der Basis eines jeden Turmes zu asymmetrischen Konstruktionen. Trotz ihrer quadratischen Gründfläche wirkten sie mit ihren Auswüchsen, Einbuchtungen und Verformungen skurril. Sie sahen aus, als habe jemand Würfel mit einem Strahler bearbeitet. Diese ebenfalls silbrigen Maschinen – sechs an der Zahl – hatten ein Sockelmaß von sieben Metern bei fünf Metern Höhe; jeweils an einer Seite befanden sich Öffnungen
von zwei Metern Durchmesser. Direkt darunter liefen Transportbänder zu einem aluminiumartigen, abstrakten Gebilde von vierzehn Metern Höhe. Weiter hinten standen überdimensionale Trichter, wie durch eine Zentrifuge verformte Pyramiden und einige andere Maschinen, die wie exotische Kunstwerke wirkten. Während der Professor noch die Anlage bestaunte, hatte sein Assistent sich bereits zum Steuerzentrum begeben. Die Kontrollichter waren erloschen und zeigten somit Deaktivierung an. „Lassen Sie die Finger davon“, warnte Bachmann, doch es war bereits zu spät. Nilson mußte eine Kontaktplatte betreten haben, die die Anlage in Betrieb setzte. Die toten Lämpchen der Computer leuchteten teilweise auf, fremdartige Zeichen huschten über die noch intakten Datenschirme. Ununterbrochen stieß ein Digitalrechner Stanzstreifen mit unverständlichen Symbolen aus. Auch die Maschinen erwachten zum Leben. An den Spitzen der Türme flammten bunte Lichter auf, die Transportbänder setzten sich rumpelnd in Bewegung. Aus dem asymmetrischen Würfel ertönte heftiges Stampfen. Der aluminiumartige Gigant war plötzlich von einer bläulichen Energiesphäre umgeben, und auf den Pyramidenspitzen tanzten rötliche Elmsfeuer. Aus dem verwirrenden Durcheinander von Röhren, Leitungen und Metallschlangen, die die Maschinen teilweise umwanden und verbanden, erklang ein leises Zischen. Surrend verschwand ein Teil der gut fünfzehn Meter hohen Decke. Ein Strom von Erzbrocken ergoß sich mit donnerndem Getöse in die gewaltigen Trichter, die ihre Arbeit aufnahmen. Einige der achteckigen Konstruktionen glühten hellrot und verstrahlten trotz der Abschirmung eine mörderische Hitze. Über ihnen sprang eine verborgene Klimaanlage an. Der Boden vibrierte leicht. Über allem lag das feine Summen von Umformern und Speicherbänken. „Kommen Sie weg von hier!“ rief Bachmann. Widerspruchslos gehorchte Nilson und hastete hinter dem Professor her, der sich durch einen schmalen Gang zwischen zwei Förderbändern zwängte. Erschreckt blieb er stehen, als vor ihm die Maschine polternd zwei Metallarme auf das Band spie. „Sehen Sie doch, Professor!“ Der Aufforderung hätte es nicht mehr bedurft. Alarmiert durch das Geräusch, hatte der Wissenschaftler den Kopf gedreht. Fassungslos blickte er auf die mattglänzenden Kunstextremitäten. „Hier also werden die Biorobots produziert“, flüsterte er und verfolgte den weiteren Weg der Arme. Ebenso wie die Nachbarbänder, die sternförmig auf einen fast dreizehn Meter hohen Giganten zuliefen, endete dieses Band in dem Maschinenkoloß. Die anderen Transportstraßen trugen jetzt ebenfalls Robotteile – Beine, Brustteile und Körperhüllen. Sämtliche Produktionen verschwanden im gierigen Schlund der asymmetrischen Konstruktion, hinter der im Winkel zu den Zubringern ein weiteres Rollband verlief. Darauf lag nun ein fertiger Biorobot, allerdings ohne Gehirn und Transparenzkuppel.
Er wurde zu einer Pyramide befördert, die jetzt ebenfalls durch einen Energieschirm geschützt wurde, das Transportband aber ungehindert durchließ. Kaum war die Körperhülle darin verschwunden, als im Hintergrund des Raumes eine vierzig Zentimeter durchmessende, bläulich schimmernde Energiekugel emporstieg. Sie war durchsichtig genug, um den Inhalt erkennen zu lassen: In ihr pulsierte ein Klumpen rötlicher Plasmamasse. „Phantastisch“, murmelte Professor Bachmann. Wie von Geisterhand gesteuert, schwebte die Kugel auf die Pyramidenspitze zu. Bei der Berührung flackerten deren Elmsfeuer auf und züngelten an dem Energieball empor. Als die Flämmchen zurückzuckten, war die Kugel mit dem Plasma verschwunden. Das Arbeitsgeräusch der Pyramide verstärkte sich kurz, dann verringerte es sich wieder auf das übliche Maß. Im Sockel bildete sich eine ovale Öffnung. Langsam stieg eine Schwebeplatte daraus empor, auf der ein fertiger Biorobot lag. Als sie drei Meter Höhe erreicht hatte, verharrte sie für einen Moment. Gleich darauf beschleunigte sie ihren Horizontalflug und steuerte entlang einem Bodenleiter durch einen breiten Gang zu einem verborgenen Durchlaß, der sich automatisch öffnete. Damit entschwand das Schwebegerät mit seiner Fracht den Augen der Terraner. Der gesamte Herstellungsprozeß hatte nicht einmal zehn Minuten gedauert. Er hatte die Männer derart fasziniert, daß sie ihre eigene Situation vollkommen vergessen hatten. Die harte Stimme eines Biorobots rief ihnen die Realität schlagartig ins Bewußtsein zurück. „Trengh vanthaar, laloos Krethos – kommt heraus, fremde Feiglinge!“ Erschreckt blickten die Wissenschaftler zum Eingang. Flankiert von mehreren Artgenossen, stand dort ein Biorobot mit blankem Schwert. „Schert euch zum Teufel!“ schrie der Professor und sprang nach vorn. Er zuckte heftig zusammen, als es neben ihm polterte. Automatisch hob er die Keule. Er ließ sie erleichtert sinken, als er erkannte, daß die Maschine neben ihm nur neue Körperteile auf das Band gestoßen hatte. „Trengh vanthaar, laloos Krethos!“ schrie das Synthowesen wütend. Frank Bachmann horchte auf. Der Biorobot war aufgebracht, das war unüberhörbar, doch weder er noch die anderen machten Anstalten, in die Halle einzudringen. Anscheinend war ihnen das Betreten der Anlage verboten. Hinter ihm erhob sich Nilson aus seiner Deckung. Er winkte und lachte schadenfroh. Augenblicklich mußte er sich wieder ducken, denn die Biorobots bewarfen ihn mit Lanzen. „Krethos – Feiglinge!“ brüllten die enttäuschten Synthowesen. „Laloos Krethos – fremde Feiglinge!“ Wütend schleuderten sie ihre Waffen in die Halle. Keine von ihnen traf die Terraner, aber dafür wurden einige Geräte und Rechner beschädigt und fast alle Bildschirme zerstört. Die Implosionen der Schirme zerfetzten energetische Leitungen und riefen dadurch Kurzschlüsse an einigen Anlagen hervor. Durch Überschlagblitze wurden weitere Einrichtungen zerstört und schwer beschädigt.
Mit einem heftigen Knall stellte die Klimaanlage ihren Dienst ein. Sofort erfüllte der Gestank verschmorter Isolierung die Produktionsstätte. Eine der achteckigen Konstruktionen veränderte die Farbe und wurde weißglühend. Augenblicklich begann die Luft zu flimmern. Es wurde unerträglich heiß in dem Raum. „Vorsicht!“ schrie der Professor und duckte sich hinter einen Maschinenblock. Keine Sekunde zu früh. Unter ohrenbetäubendem Lärm explodierte die Maschine, riß kompakte Steinbrocken aus der Decke und schleuderte sie zu Boden. Feiner Staub peinigte Augen und Lungen. Hilflos lagen die Zoologen in ihrer Deckung, hustend und um Luft kämpfend. Ein wahrer Tornado aus glühenden Metallsplittern überschüttete die Anlage und vernichtete die letzten intakten Bildschirme. Als die Agaporniden schon glaubten, der ganze Spuk wäre vorbei, explodierten weitere Anlagen. Erneut prasselten Gesteinsbrocken herab und schwirrten scharfkantige Metallzacken durch die Halle. Das Atmen wurde zusehends mühsamer. Die Augen tränten unablässig. Zugleich rief die heiße, staubige Luft Hustenreiz und würgende Übelkeit hervor. „Raus hier!“ keuchte Dr. Bachmann, als weitere Explosionen ausblieben. Halb blind tappte er vorwärts. Dunkler Qualm wogte durch den Raum und erschwerte die Orientierung. Die Biorobots am Eingang waren nicht mehr zu sehen. Nachdem die beiden Wissenschaftler die Transportbänder hinter sich gelassen hatten, fanden die tastenden Hände keinen Widerstand mehr. Die Terraner schritten forscher aus, um so rasch wie möglich aus der stickig‐heißen Halle zu entkommen. Bachmann hatte einige Meter zurückgelegt, als er mit dem linken Schienbein an ein Rohr stieß. Vorsichtig tastete er es ab und stellte fest, daß es fast rechtwinklig zu seinem bisherigen Weg verlief. Es mochte einen Meter Durchmesser haben und fühlte sich warm an. „Was ist?“ japste Nilson. „Wir… folgen… dem… Rohr“, entschied der Professor. Nach rund zwanzig Metern endete die Leitung an einem runden Behälter, der mit einem transparenten Vakuumdeckel verschlossen war. Bachmann traute seinen Augen nicht, als er den makaberen Inhalt erblickte. In einer irisierenden Nährflüssigkeit schwamm ein großes Stück rötlichen Plasmas. Ab und zu löste sich ein faustgroßes Gewebeteil und verschwand in der Röhre. Trotzdem wurde das Mutterplasma nicht kleiner. Das ließ nur den Schluß zu, daß es sich durch Teilung vermehrte. Als Nilson hinter ihm auftauchte, deutete Bachmann schweigend auf das Bassin und ging eilig weiter. Die Männer folgten nun der Beckenrundung und gingen dann geradeaus weiter. Nach einigen Minuten tauchte vor ihnen eine Wand auf. Obwohl der Blick noch getrübt war, erkannte der ältere Zoologe die Umrisse einer Tür. Sie war nur wenige Schritte entfernt und verhieß Rettung. Hastig ging Bachmann darauf zu, riß sie auf und sprang nach rechts in den toten Winkel. Als nichts geschah, richtete er sich auf und spähte vorsichtig durch die Öffnung. Unmittelbar hinter der Tür führte eine bemooste Steintreppe in die Tiefe. Modriger Geruch stieg aus dem Gewölbe empor.
Zwei Stufen unter der Tür befand sich an der rechten Seite ein weiterer Durchlaß. Wahrscheinlich wurde er von den Biorobots benutzt, da ihnen das Betreten der Maschinenhalle offensichtlich verboten war. Allerdings schien die Treppe kaum passiert zu werden, denn Trittspuren waren auf dem Moos nicht zu erkennen. „Hier sind wir richtig“, behauptete Bachmann und betrat die glitschigen Stufen. * Stratford war in einen unruhigen Schlaf gefallen. Als er nach kurzer Zeit daraus erwachte, fühlte er sich wie gerädert und kein bißchen erfrischt. Immerhin wußte er nun, wie er die Spur der Vermißten aufnehmen konnte: Er würde den Infrarotspürer einsetzen. Der Pilot erhob sich und begab sich in die Naßzelle. Als er in den Spiegel sah, blickte ihm ein scharfgeschnittenes Gesicht mit müden Augen entgegen. „Ich glaube, du wirst alt, Tom Stratford“, sagte er zu sich selbst. „Da mußt du erst träumen, damit dir eine Lösung einfällt.“ Er schnitt eine Grimasse und streckte seinem Spiegelbild die Zunge heraus. Der Raumfahrer ließ kaltes Wasser über Gesicht und Handgelenke laufen und trocknete sich ab. Auf dem Rückweg in die Zentrale machte er einen Abstecher in die Küche und holte sich einige Kekse, die er unterwegs verzehrte. „Kein Wunder, daß ich an dich zuletzt gedacht habe“, murmelte er, als er vor den Kontrollen saß und den Infrarotspürer einschaltete. „Du bist noch niemals benötigt worden.“ Obwohl es draußen noch finster war, behinderte das Stratford in keiner Weise. Deutlich sah er auf dem Sichtschirm die leuchtende Spur, die von der Schleuse wegführte. Mittels ihrer Gravitatoren ließ er die TOBRO auf einen halben Kilometer Höhe steigen und folgte dann der stahlenden Linie. Als der Raumer die Stelle passierte, an der Santanas Flugaggregat durchgebrannt war, verhielt Stratford einen Moment und studierte den farbigen Fleck. „Da ist etliches an Energie freigesetzt worden“, sagte er beklommen. „Wahrscheinlich haben sie auf etwas geschossen.“ Als er sah, daß sich die Leuchtspur fortsetzte, ließ sein Unbehagen nach. Wenig später gelangte die TOBRO zu dem Punkt, wo die strahlende Linie abrupt abbrach. Verblüfft starrte Stratford auf den Schirm. „Das gibt es doch gar nicht!“ Er schaltete eine Scheinwerferbatterie ein und richtete sie nach unten. Das Gelände war nun taghell erleuchtet, doch von den drei Männern war nichts zu sehen. Tom Stratford überlegte. Sollte er landen und selbst nachsehen? Oder sollte er im Schiff bleiben und mit den Mitteln der TOBRO versuchen, die Vermißten aufzuspüren? Er entschied sich für die zweite Möglichkeit. Das technische Instrumentarium des Raumers bot bessere Aussicht auf Erfolg, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, wie der Erfolg aussehen sollte. Er mußte aufs Geratewohl vorgehen, da er keinerlei Anhaltspunkte darüber besaß, wie und wodurch sein Partner und die Agaporniden verschwunden waren.
Als er den Hohlraumtaster einschaltete, flammte eine rote Kontrollampe auf. Das gleiche passierte, als er eine Tiefenmeßsonde aktivierte. Beide Geräte mußten durch den Ausfall der defekten Systeme in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Wütend hieb der Pilot auf die Sessellehne. Ausgerechnet jetzt mußten sich die Schäden so unangenehm bemerkbar machen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zuerst die Reparaturen durchzuführen. Er ließ die TOBRO absinken und landete sie in der Nähe der Stelle, wo die Männer verschwunden sein mußten. Kaum stand das Schiff auf seinen Landetellern, als er zwei Wartungsrobots zu sich befahl. Zusammen mit den Automaten begab er sich nach unten in das technische Herz der TOBRO. Zu diesem Zeitpunkt war die THSY 814 noch exakt 2,24 Lichtjahre von Darwins Planet entfernt. * Nach dem dritten Treppenabsatz blieb Bachmann stehen und lauschte. Deutlich hörte er urweltliches Brüllen und Fauchen. Die abgestandene Luft wurde zusehends von den beißenden Körperausscheidungen irgendwelcher Raubtiere durchsetzt. Nilson verharrte ebenfalls und sog prüfend das von keiner Umwälzanlage regenerierte Luftgemisch ein. Fragend sah er seinen Vorgesetzten an. „Ich glaube, irgendwo dort unten wird Santana festgehalten“, erklärte der Professor leise. „Versuchen Sie, ob Ihr Funkgerät inzwischen wieder funktioniert.“ Nach mehreren vergeblichen Versuchen schüttelte der junge Zoologe den Kopf. „Dann müssen wir es allein versuchen“, entschied Dr. Bachmann. Geräuschlos glitt er abwärts, das blanke Schwert in der Rechten. Es war die einzige Waffe, die sie noch besaßen. Bis jetzt hatten sie keinen weiteren Biorobot zu Gesicht bekommen. Der Wissenschaftler hoffte inständig, daß es so bleiben möge. Die obligatorischen Quader, aus denen vermutlich die gesamte Burg erbaut war, glitzerten feucht. Das Grau der Steine wurde hier von dem stumpfen Grün einer Moosart überdeckt, die die gesamten Wände mit einem samtenen Gespinst überzogen hatte. Das Licht der Lampen wirkte hier weniger grell, dafür wurde es merklich kühler. Der Gang, der an die Treppe anschloß und von Bachmann nun eingesehen werden konnte, verlief schnurgerade und war von einer gewaltigen Ausdehnung. Über zwölf Meter breit, besaß er eine Scheitelhöhe von fünfzehn Metern. In regelmäßigen Abständen waren rechts schwere hölzerne Türen angebracht, die durch massive Riegel verschlossen waren. Linker Hand stießen einige unverkleidete Erdröhren auf den riesigen Tunnel. Sein anderes Ende war so weit entfernt, daß es nicht mehr zu erkennen war. Kein einziges Synthowesen war zu sehen, dafür erfüllte der ohrenbetäubende Lärm urweltlicher Echsen das Gemäuer. „Wir sehen zuerst hinter den Türen nach“, rief der Professor seinem Mitarbeiter ins Ohr.
Arne Nilson nickte. Mit großen Sprüngen durchquerten sie den Tunnel. Bachmann schob mit aller Kraft den schweren Riegel zurück und riß an der massiven Holztür. Unendlich langsam drehte sie sich in ihren Halterungen und gab den Blick auf den dahinterliegenden Raum frei. Der quadratische Raum war bis auf wenige klobige Möbel leer. Enttäuscht warf der Terraner die Tür zu und schob den Riegel vor. Voller Ungeduld eilte er zur nächsten Zeilentür. Während er sie hastig öffnete, beobachtete sein Assistent mit der Waffe in der Hand die Umgebung. Man wollte sichergehen, nicht von plötzlich auftauchenden Biorobots überrascht zu werden. Wieder schwang die Tür unendlich langsam zurück, und wieder fühlte der Wissenschaftler Spannung und Erwartung in sich aufsteigen. Ein Blick genügte, um die Hoffnung jäh zu zerstören. Die Zelle war leer. Bachmann gab dem Jüngeren einen Wink und eilte zur nächsten Tür. * Mißmutig und verdrossen saß Santana in seinem Verlies. Ärgerlich betrachtete er das zerlegte Funkgerät, dessen technische Innereien vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet waren. Aus unerklärlichen Gründen war der Energieblock entladen, zudem waren einige Druckschaltungen beschädigt. Wütend gab der Gefangene dem Tisch einen Tritt und wischte das nunmehr unnütze Zeug mit einer Handbewegung von der Platte. Dann stützte er den Kopf in die Hände, um nachzudenken, doch das Tiergebrüll störte ihn in der Konzentration. „Elende Viecher“, sagte er vor sich hin und stand auf. Unruhig ging er auf und ab. Seine Lage war mißlich. Er selbst konnte nichts zu seiner Befreiung unternehmen, die Hilfe mußte von außen kommen. Dabei war es fraglich, ob es den anderen überhaupt gelingen würde, ihn hier aufzustöbern; gleichzeitig mußten sie die Metallenen überlisten und ausschalten. Von derartigen Gedanken erfüllt, gab er die sinnlose Wanderung auf und warf sich auf die Liege. Er starrte auf die verstreut herumliegenden Teile des Funkgeräts. Mit den Augen verband er sie durch gedachte Linien und schuf so ein imaginäres skurriles Kunstwerk. Es lenkte ihn ein wenig ab und ließ ihn seine Situation für einen Augenblick vergessen. Santana wußte nicht, wie lange er sich derart die Zeit vertrieben hatte, als er hörte, daß sich jemand an der Tür zu schaffen machte. Sofort sprang er von der Pritsche auf und starrte haßerfüllt auf den Eingang, durch den in wenigen Sekunden einer seiner Peiniger treten würde. Die ohnmächtige, wilde Wut des gequälten Individuums überdeckte die unterschwellige Angst, die der Mann empfand. Langsam schwang die hölzerne Tür zurück, hinter der Santana stand und mit geballten Fäusten einen Totenkopf erwartete. Wer beschreibt sein Erstaunen, als er statt eines Metallenen Bachmann auf der Schwelle stehen sah. Für einen Moment verschlug es ihm die Sprache, dann machte sich seine Erleichterung in einem Wort Luft.
„Professor!“ brüllte er. In seiner Begeisterung schlug er Bachmann enthusiastisch auf die Schulter, wieder und wieder. „Lassen Sie es gut sein.“ Der Zoologe lachte und deutete auf seinen Mitarbeiter. „Heben Sie sich noch etwas für Nilson auf.“ Erst jetzt bemerkte der Zweite Pilot den anderen Wissenschaftler. Nun schon etwas gemäßigter, wiederholte er seine Begrüßung und bedankte sich. Der Zellentür gab er einen wilden Tritt und schob mit grimmiger Miene den Riegel vor. „So“, murmelte er und klopfte sich die Hände ab, „nun erzählen Sie mal, wie Sie mich gefunden haben.“ „Später“, sagte Bachmann. Er sah sich aufmerksam um. Kein Biorobot war zu sehen. „Wir nehmen den nächsten Seitengang“, entschied er und ließ sich von Nilson die Waffe geben. „Los!“ kommandierte er, dann rannten die drei Männer nebeneinander durch das Gewölbe auf die Erdröhre zu. 6. Beißender Gestank schlug ihnen entgegen und nahm ihnen fast die Luft. Das Brüllen und Fauchen der Echsen malträtierte das Trommelfell. Eine Verständigung war nur noch durch Gesten möglich. Zu beiden Seiten der Erdröhre befanden sich gemauerte Käfige, die zum Gang hin durch starke Eisengitter abgesichert waren. Im ersten Gefängnis hockte ein junger Allosaurus, der die Terraner lauernd anblickte. Plötzlich sprang er mit einem Satz nach vorn, schlug mit den kleinen Vorderbeinen durch das Gitter und zeigte das furchterregende Gebiß. Entsetzt prallten die Männer zurück. Dadurch gerieten sie in den Bereich einer anderen Echse. Mit ihrem Schlangenhals schoß sie blitzartig durch die Gitterstäbe und schnappte nach Bachmann. Santana schrie warnend auf. Obwohl der Zoologe den Warnruf unmöglich gehört haben konnte, mußte er die Gefahr instinktiv geahnt haben. Er warf sich herum. Wie ein Blitzstrahl fuhr der scharfe Stahl durch die Luft und erledigte das Ungeheuer. Der Aufschlag des massigen Körpers ließ den Boden erzittern. Ein wenig blaß, doch unverletzt wandte der Professor sich ab. Schweigend deutete er mit dem Schwert nach vorn und setzte sich wieder in Bewegung. Sofort verhielt er wieder, als die Geräuschkulisse zum Orkan anschwoll. Die anderen Tiere schienen das Blut des toten Sauriers gewittert zu haben und gebärdeten sich nun wie toll. Wahrscheinlich halb wahnsinnig vor Hunger oder auch nur einfach blutgierig, tobten sie in ihren Käfigen herum. Erschreckt beobachteten die Terraner, wie sich die zentimeterstarken Metallstäbe verbogen, hinter denen ein gigantisches krokodilähnliches Wesen gefangengehalten wurde.
Mit Ingrimm und einer Beharrlichkeit, die nur instinktgesteuerten Wesen zu eigen ist, schleuderte das Tier den gepanzerten Schädel gegen die Gitterstäbe. „Schnell weg!“ keuchte Santana. Er ahnte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis eins der Riesentiere ausbrach. Bachmann schien zu einem ähnlichen Schluß gekommen zu sein, denn er winkte heftig und stürmte im Laufschritt vorwärts. Bereits nach wenigen Metern stellte er fest, daß Eile verderblich sein konnte. Unversehens schlug eine krallenbewehrte Pranke durch die Stäbe nach ihm und zerfetzte seine Kombination an der rechten Schulter; ihm war, als schnitte ihm jemand mit glühenden Messern durchs Fleisch. Vor Schmerz schrie er auf; da traf ihn ein weiterer Hieb und warf ihn zu Boden. Noch im Fallen schleuderte Bachmann das Schwert geistesgegenwärtig zur Seite und versuchte, den Sturz durch eine Rolle abzufangen. Obwohl ihm das nur unvollkommen gelang, kam er mit einigen Prellungen davon und verletzte sich nicht schwerer. Eilfertig kamen die beiden anderen herbeigerannt und zogen ihn zur Seite. Nilson sprühte sogleich einen blutstillenden Film mit antiseptischer Wirkung auf die Wunde. Santana wollte ihn, stützen, doch Bachmann winkte unwillig ab. Ächzend stemmte er sich hoch und sah nach der Waffe. Unerreichbar für ihn lag das Schwert dicht vor einem Käfig, der einen ausgewachsenen Tyrannosaurus beherbergte. Er hatte Glück im Unglück gehabt, daß er ausgerechnet hier zu Fall gebracht worden war. Zwei Meter weiter, und das Raubtier hätte ihn zu fassen gekriegt. Dann marschieren wir eben waffenlos weiter, dachte der Wissenschaftler trotzig. Erneut gab er das Marschzeichen. Diesmal waren sie gewarnt und bewegten sich bedeutend vorsichtiger. Geschickt wichen sie den schlagenden Tatzen und Pranken und den nach ihnen schnappenden Mäulern aus. Das kostete natürlich Zeit, und entsprechend langsam kamen sie vorwärts. Der Gang stieg unaufhörlich an und erschwerte in Verbindung mit der schlechten Luft das Fortkommen. Die Männer konnten bereits erkennen, daß die Röhre auf einen Gang traf, als der nach hinten sichernde Santana die beiden Zoologen anstieß. Fassungslos deutete er zurück. Das Bild, das sich ihnen bot, war erschreckend genug. Zwei Biorobots standen weit hinten im Gang und drohten den Terranern mit blanken Schwertern, während sich drei andere an den Käfigen der Echsen zu schaffen machten. Mit rasantem Schwung flogen die Gittertüren auf, und brüllend und fauchend verließen drei urweltliche Riesen ihre Gefängnisse. Augenblicklich stürzten sie sich auf die Synthowesen, die nun von Befreiern zu Opfern wurden. Prankenhiebe und Schwanzschläge beendeten innerhalb von Sekunden das künstliche Leben der drei Metallenen. Während die Saurier auf die sich verzweifelt wehrenden Schwertträger losgingen, hasteten die Terraner bereits weiter. Die Furcht saß ihnen im Nacken. Reflexhaft wichen sie den Schlägen und Hieben der Tiere immer wieder aus. Unangefochten erreichten sie den Tunnel, den sie bereits zu
Beginn ihrer Gefangennahme durchschritten hatten. Die Männer hielten sich nach links. So mußten sie zwangsläufig zu der Kontaktstelle gelangen; die Frage war nur, ob sie die Stelle rechtzeitig erreichen würden und ob ihnen nicht Biorobots dort auflauerten. Während sich die Saurier nach der Zerstörung der Biorobots untereinander bekämpften, hatte sich die vorher bereits beobachtete Panzerechse selbst befreit. Der Archosaurier – genauer gesagt war es ein Deinosuchus – war ein krokodilartiges Raubtier von achtzehn Metern Länge. Zielstrebig kroch es in die Richtung, die die Terraner genommen hatten. Die tückischen kleinen Augen schienen gierig zu leuchten, die aus dem Maul ragenden Kegelzähne funkelten drohend. Das Urkrokodil war nur noch hundertfünfzig Meter von der Gangmündung entfernt, als die Terraner losrannten. In gleichmäßig trabendem Rhythmus liefen sie auf den schätzungsweise zwei Kilometer entfernten Rematerialisationspunkt zu. Als Nilson während des Laufes nach hinten blickte, bemerkte er, daß der Archosaurier unablässig aufholte. „Schneller“, keuchte der Zoologe. Bachmann und Santana sahen sich um. Der Deinosuchus war mittlerweile auf einhundert Meter herangekommen. Im Sprinttempo rasten die Männer vorwärts. Heftig schwänzelnd setzte das lebende Fossil ihnen nach. Die krallenbewehrten Pranken schlugen im Takt in den festgestampften Lehm und rissen kopfgroße Brocken heraus, die nach hinten geschleudert wurden. Das Geräusch des über den Boden schleifenden Bauchpanzers wurde ab und zu übertönt durch ein heiseres Bellen, das die Echse ausstieß. Gelegentlich knurrte sie gereizt und schnappte mit dem riesigen Maul nach imaginären Beutestücken. Der Abstand verringerte sich nur noch geringfügig, doch die tödliche Bedrohung durch das riesige Reptil blieb. Die drei legten einen Zwischenspurt ein und stürmten mit weiten Sätzen durch den Gang. Ein schneller Blick nach rückwärts zeigte, daß die geifernde Echse etwas zurückgefallen war, aber trotzdem beharrlich folgte. Die Luft begann knapp zu werden, die Lungen schmerzten, und der Blick wurde verschwommen. Dennoch trommelten die Füße in stetem Rhythmus über den Boden. Der mächtige Selbsterhaltungstrieb hatte die Regie übernommen und peitschte Körper und Muskeln unerbittlich zu Höchstleistungen an. „Ich… ich… kann nicht mehr“, japste Nilson schließlich und lehnte sich taumelnd gegen die kühle Lehmwand. Auch der Lauf der beiden anderen war unregelmäßig geworden. Nur der Wille zum Leben hielt sie noch aufrecht. Keuchend blieben sie stehen und faßten den sich wehrenden Zoologen an den Schultern. „Lassen Sie mich! Ich halte den Archosaurier auf. Bringen Sie sich in Sicherheit!“ „Unsinn, Nilson, wir lassen Sie nicht im Stich. Kommen Sie, wir helfen Ihnen.“ „Ich kann nicht mehr“, jammerte Dr. Nilson. „Lassen Sie mich.“ Das Gigantkrokodil war bereits bis auf achtzig Meter herangekommen. Das stereotype Schleifgeräusch klang nun bedrohlich nahe. Noch einmal stachelte das Fauchen und Knurren der Echse den Lebensmut der Terraner an.
Der ausgepumpte Nilson raffte sich auf und setzte sich mit torkelnden Schritten in Bewegung. Seine Begleiter stützten ihn. Mehr getragen als gehend, schleppte er sich vorwärts. Bereits nach zwanzig Metern mußten sie den jungen Wissenschaftler tragen. Wie ein kraftloses Bündel hing er zwischen ihnen. Obwohl sie selbst am Ende ihrer Kräfte waren, weigerten sie sich, den Gefährten zurückzulassen. Unaufhörlich verkürzte das gewaltige Reptil die Entfernung zu seiner Beute. In gleichmäßigem Bewegungsablauf kroch es durch den Tunnel, in stetem Takt schleuderten die krallenbewehrten Füße Erdreich hinter sich. Wiederholt stieß es urweltliche Laute aus. Die kleinen Augen mit den gelben Spaltpupillen funkelten tückisch. Erschreckt drehte Bachmann sich um, als er den rasselnden Atem des Archosaurus hinter sich hörte. Die Riesenechse war nur noch ein Dutzend Meter entfernt. „Schneller“, keuchte er und zog seinen halb ohnmächtigen Assistenten mit aller Kraft nach vorn. Santana war darauf nicht gefaßt und geriet ins Stolpern. Nur mit Mühe konnte er sich abfangen. Dabei entglitt der junge Zoologe seinem Griff und schlug hart auf den Boden. Mühsam bückten sich die Männer und zogen Nilson an den Armen. „Zu spät!“ Der Raumfahrer deutete resignierend auf das Gigantkrododil. Der total überanstrengte Körper vermochte es nicht mehr, die Bewegungen zu koordinieren. Eine unendliche Gleichgültigkeit überkam die Männer. Mit zitternden Muskeln, ohne die verkrampften Hände von Nilson zu lösen, machten sie noch drei, vier Schritte vorwärts, bevor sie zu Boden fielen. Wie in Großaufnahme sah Frank Bachmann den breitgedrückten, häßlichen Echsenkopf nur sechs Meter hinter sich. Unbewußt schob er sich wieder vorwärts und zog Nilson und Santana mit sich. Und dann geschah es: Bunte Farbspiralen rotierten vor seinen Augen, sein Gehör wurde taub, farbige Leuchtraketen explodierten in seinem Gehirn. Wir haben die Kontaktstelle erreicht, war Bachmanns letzter bewußter Gedanke, dann wurde er ohnmächtig. * Der Rechner der Burg hatte die Aktionen der Humanoiden, von denen er inzwischen wußte, daß sie sich Terraner nannten, verfolgt, soweit ihm intakte Spionaugen Gelegenheit dazu gaben. Aufgrund vergleichender Berechnungen und Analysen war er zu dem Schluß gekommen, daß die Terraner keine mutierten Nachfahren der Herren sein konnten. Verhaltensmuster, Sprache und Körperbau waren zu verschieden. Sein Versuch, die Wesen durch Wartungsrobots zur Untersuchungseinheit zu dirigieren, war daher nur eben als Versuch zu werten und nicht als ernsthafte Maßnahme. Nachdem die Elektronik erkannt hatte, daß die Humanoiden sie falsch informiert hatten, waren ihr intakte Automaten wichtiger als genetische Informationen über fremde Wesen.
So sah sie auch keine Notwendigkeit, einzugreifen, als die Terraner durch die Biorobots und schließlich durch die Saurier in Bedrängnis gerieten. Im Gegenteil, sie hätte es aus Sicherheitsgründen lieber verhindert, daß die Fremden durch die Kontaktstelle wieder nach draußen gelangten. Sie kannten nun die Anlage und die Position einer Kontaktstelle. Das war ein Sicherheitsrisiko für die Station. Andererseits stufte der Computer die Technik der Terraner verhältnismäßig niedrig ein. So war es ihm gelungen, mittels eines varioenergetischen Kommunikationsfeldes Kontakt mit dem Bordrechner des kürzlich in der Nähe gelandeten Kugelraumers aufzunehmen. Natürlich war dieser Kontakt einseitig. Niemand würde nachprüfen und feststellen können, daß ein Unbefugter die Speicher abgefragt hatte. Als der im Schiff verbliebene Terraner versuchte, technische Hilfsgeräte zu aktivieren, manipulierte der Rechner kurzerhand seinen terranischen Gegenpart. Das fiel ihm relativ leicht, da er sich als übergeordnete Einheit identifizierte und aufgrund höherwertiger Bausteine in der Lage war, die Programmierung des fremden Computers zu umgehen. Es war daher kein Zufall, daß ausgerechnet die Instrumente ausfielen, die zu einer Entdeckung der Burg führen konnten. Insofern, konstatierte die Elektronik, konnten die Fremden der Station nicht gefährlich werden. Selbst eine kleinere oder mittlere Flotte der Kugelraumer vermochte der Rechner notfalls durch Absorptionsfelder zu neutralisieren. Der Computer korrigierte seine erste Hochrechnung. Die Wesen, die sich Terraner nannten, konnten einem – speziell diesem – Stützpunkt der Herren nicht gefährlich werden. Diese Zivilisation bedeutete für die Rasse der Proohler keine Gefahr. * „Ich möchte wissen, welcher Raumkobold da seine Finger im Spiel hat“, meinte Tom Stratford wütend, als er die Zentrale betrat. „Da krieche ich wie ein Narr durch die Anlagen, und was stelle ich fest? Alles ist intakt.“ Zornig hieb er auf die Kommunikationstaste des Terminals. „Warum haben die Geräte nicht funktioniert, die ich eingeschaltet habe? Ich verlange eine einleuchtende Erklärung von dir!“ „Für dieses Phänomen habe ich keine Erklärung“, schnarrte die künstliche Stimme des Rechners. „Ich vermute, daß ein kurzfristiger Energieausfall dafür verantwortlich ist.“ „Sehr interessant. Und du vermutest, ja?“ höhnte Stratford. „Kannst du deine Vermutung auch belegen?“ „Leider nicht, Sir. Es handelt sich um ein Novum.“ „Es ist tröstlich zu wissen, daß auch Elektroniken an Geister glauben.“ Der Pilot holte tief Luft. „Du steuerst keine simple Produktionsstätte, sondern ein Raumschiff, klar? Und im Raum gibt es weder Gespenster noch andersgeartete physikalische Unmöglichkeiten. Weißt du was? Du und deine Speicher sind verrottet!“ „Da muß ich widersprechen, Sir. Es…“ „Schweig!“ brüllte der Raumfahrer. Lauernd fragte er: „Funktionieren die
Instrumente wieder?“ „Gewiß, Sir. Ein Energieausfall…“ „Hast du etwas Derartiges registriert?“ „Nein, Sir, aber alle anderen Möglichkeiten scheiden aus.“ Stratford seufzte. Sofern man kein Kybernetiker war, zog man bei einem Dialog mit einer Elektronik immer den kürzeren. Er schaltete den Hohlraumtaster ein. Sofort leuchtete das rote Kontrollicht auf. Als er die Tiefenmeßsonde aktivierte, passierte das gleiche. „Hast du einen Energieausfall festgestellt?“ „Nein, Sir.“ „Und warum funktionieren die Instrumente nicht?“ „Das ist das Phänomen, von dem ich sprach, Sir“, sagte der Rechner beflissen. „Es muß hier irgend etwas geben…“ „Ja, Saurier, du Dummkopf. Ende der Unterhaltung!“ Erbost schaltete Stratford den Kommunikator ab. Nach den Instrumenten schien jetzt auch der Computer störanfällig geworden zu sein. Diese Anhäufung von technischen Defekten kam dem Raumfahrer zwar sonderbar vor, doch er sah noch keinen Grund zur Beunruhigung. Im Augenblick beschäftigte ihn das Schicksal der drei Verschwundenen ohnehin mehr. Zu seinem Leidwesen hatte er infolge der ausgefallenen Geräte keine Möglichkeit, nach ihrem Verbleib zu forschen. Und zu einer erneuten Überprüfung der Anlagen hatte er weder die Zeit noch die Nerven. Aber etwas mußte er doch unternehmen! Die Robots! Natürlich! Stratford tippte sich an die Stirn. Daß er nicht gleich darauf gekommen war. Über das Bordkomnetz befahl er drei Dienstrobots zu sich und bestückte sie mit Universalsonden. Sodann aktivierte er die Außenoptiken und beobachtete, wie die Automaten von Bord gingen. Draußen war es mittlerweile hell geworden. So bereitete es dem Piloten keine Schwierigkeiten, den Weg der Maschinen zu verfolgen. Er konnte sie exakt zu der Stelle dirigieren, an der die Spur des Infrarotspürers abbrach. Schwerfällig stapften die Roboter durch die dichten Halme. Sie hatten sich verteilt und bewegten sich sternförmig auf den bewußten Punkt zu. Mit der TOBRO und auch untereinander standen sie in ständiger Funkverbindung. Ihre Geräte hatten bisher noch nichts Verdächtiges angezeigt. Nach Stratfords Schätzung waren die Automaten noch etwa achtzig Meter von dem Koordinatenkreuz entfernt, als sich auf dem Bildschirm plötzlich eine Bewegung abzeichnete. Hastig beugte er sich vor. Er hatte sich nicht geirrt. Drei Gestalten lagen genau an der Stelle im Gras, die der Infrarotspürer als letzte Position der Vermißten angezeigt hatte. Mit einem Tastendruck schaltete Stratford das Bild auf optimale Vergrößerung. Ja, das waren Santana und die Agaporniden. Sie bewegten sich zwar nicht, wirkten aber heil und unverletzt. Der Raumfahrer stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Gerade wollte er die ursprüngliche Anweisung widerrufen und den Robots den Befehl geben, die Männer
ins Schiff zu holen, als er mitten in der Bewegung erstarrte. Unvermittelt war hinter den Gefährten ein monströses Riesenkrokodil von fast zwanzig Metern Länge aufgetaucht. Die Echse blickte sich verwirrt um und peitschte nervös mit dem mächtigen Schwanz. Die drei Männer schwebten in höchster Gefahr. Der Pilot handelte wie ein Automat. „Alpha‐Order!“ schrie er in das Mikrophon. „Alle Robots sofort von Bord.“ „Alpha‐Order“ bedeutete, daß Terraner in Lebensgefahr schwebten. Stratford bedauerte, daß er die Dienstrobots nicht mit Strahlern ausgerüstet hatte. Nun war es zu spät, um sich Vorwürfe zu machen. Per Fernsteuerung öffnete er das Schleusenschott und eilte zum Geschützstand. Mit fliegenden Fingern richtete er einen leichten Werfer aus und aktivierte die Energiezufuhr. Die mit den Meßgeräten ausgerüsteten Robots rannten im Laufschritt auf das riesige Reptil zu. Getreu ihrer Programmierung würden sie das Gigantkrokodil angreifen und versuchen, die Terraner zu retten; doch waffenlos, wie sie waren, hatten sie auch zu dritt kaum eine Chance, das Tier zu besiegen. Die Echse, verharrte noch unschlüssig. Der Raumfahrer hoffte inständig, daß es so bleiben möge, bis die anderen Automaten heran waren. Die ersten Kampfmaschinen verließen das Schiff. Ungeduldig blickte Tom Stratford ihnen nach. Wie lange das alles dauerte… Vor ihm auf dem Pult leuchtete in beruhigendem Grün die Kontrolle für den Werfer. Es gab also doch noch ein technisches Gerät, das einwandfrei funktionierte. Bezeichnenderweise war es eine Waffe. Für einen Augenblick starrte der Pilot auf den grellrot blinkenden Feuerknopf. Ihm war klar, daß er die Bestie nur ablenken konnte. Ein gezielter Schuß würde auch die Männer gefährden, vielleicht sogar töten. Die Szenerie auf dem Schirm geriet in Bewegung. Anscheinend hatte das Reptil die Männer nun gewittert. Es richtete den Blick auf die drei und schnappte mit dem riesigen Maul. Die handlangen Kegelzähne blitzten bedrohlich, als es sich langsam auf seine Beute zuschob. Die Dienstrobots waren inzwischen bei dem Riesenkrokodil angelangt. Gemeinsam sprangen sie die Echse an und versuchten, sie an der Flanke zu packen. Das Tier zuckte unwillig und schüttelte die Automaten ab wie lästige Insekten. Als die Maschinen nicht aufgaben und erneut angriffen, drehte das Reptil den fast zwei Meter langen Kopf und öffnete drohend das gewaltige Maul. Rasch wichen die Robots zur Seite, doch damit gerieten sie in den Aktionsbereich des muskulösen Schwanzes. Ein wuchtiger Schlag fegte alle drei Automaten gleichzeitig von den Beinen und machte sie kampfunfähig. Gequält stöhnte Stratford auf. Die Kampfmaschinen waren für einen gezielten Schuß noch zu weit entfernt. Entschlossen hieb er auf die Feuertaste. Für einen Moment erhellte ein greller Blitz den Schirm, dann wurde das Bild wieder Klar. Einhundert Meter hinter dem Riesenkrokodil war das Gras verbrannt, die Erde kochte. Eine fette, schwarze Rauchsäule stieg empor und verdunkelte momentan den Himmel. Die Echse brüllte und warf sich herum. Erregt riß sie mit ihren krallenbewehrten Pranken Grasbüschel und Erdbrocken aus dem Boden. Wie gebannt blickte sie auf
die träge dahinziehende dunkle Qualmwolke. Das wurde ihr zum Verhängnis. Fauchend fuhren von mehreren Seiten die konzentrierten Energiebündel der Robotwaffen auf sie zu und töteten sie auf der Stelle. Noch einmal bäumte sich der mächtige Leib auf, zerrissen die Pranken die Erdkruste, peitschte der riesige Schwanz durch die Luft. Mit einem dumpfen Aufprall schlug der schwere Körper auf. Reglos blieb das Tier liegen. Tom Stratford hatte das Ende des Reptils mit angesehen. Er befahl den Automaten, die Männer ins Schiff zu bringen, dann ging er zum Steuerpult und ließ sich erleichtert in seinen Sessel sinken. Zu diesem Zeitpunkt hatte die THSY 814 den einzigen Mond von Darwins Planet bereits passiert und nahm Kurs auf die von den Proohlern „Chrootheer“ genannte Welt. Der Energieausstoß des terranischen Raumers war nicht unbemerkt geblieben. 7. Ein Terraner hätte die knapp eineinhalbmetergroßen Chraahns impulsiv als Riesenwespen bezeichnet. Der Kopf mit den beiden seitlichen Facettenaugen und den drei Scheitelaugen auf der Stirn war durch ein schmales Halsstück mit der Brust frei beweglich verbunden. Zwei fadenförmige Fühler und zum Kauen eingerichtete Mundwerkzeuge vervollständigten das typische Bild von irdischen Insekten. Der Leib war zwischen dem ersten und zweiten Hinterleibsring eingeschnürt. Die Vorderbeine waren zu Greiforganen umgebildet, während die beiden hinteren Beinpaare der Fortbewegung dienten. Die Stummelflügel – eigentlich waren es nur noch Flügelansätze – wurden durch einen Schulterumhang verdeckt. Jeder Chraahn trug so einen Umhang. Entsprechend dem Rang des einzelnen waren die Capes verschieden gefärbt. Rot war die Farbe der Kommandierenden und Herrscher. Immerhin gab es unter den Rotträgern rund zwei Dutzend Ränge, und entsprechend vielfältig waren die Farbnuancen. Die Übergänge der Farbtöne waren so gering, daß ein Mensch sie nicht bemerkt hätte, doch den Insektoiden zeigten sie sich so deutlich wie leuchtende Rangabzeichen. Interessant war, daß sich die Raumschiffsbesatzungen wie überhaupt die Masse der produzierenden Insektoiden aus weiblichen Chraahns rekrutierten. Den wenigen männlichen Vertretern fiel in erster Linie die Aufgabe zu, die auch die Drohnen bei den Bienen erfüllten. Sie begatteten die Herrscherinnen und sicherten damit den Fortbestand der Rasse. „Kommandantin, ich habe soeben einen Fremdenergieausstoß empfangen“, meldete sich die Ortungstechnikerin der THSY 814. „Der Impuls kam eindeutig von dem vor uns liegenden Planeten.“ Die Kommandantin trug ein dunkelrotes Cape. Wie bei den Wabenraumern der Chraahns üblich, thronte die oberste Befehlshaberin auf einem erhöhten Platz inmitten der Zentrale. „Ein Irrtum ist nicht möglich?“ fragte die Schiffsführerin herrisch. Die Technikerin
mit dem dunkelblauen Umhang duckte sich unwillkürlich. „Das Echo war einwandfrei zu identifizieren, Kommandantin.“ „Haben Sie den genauen Standort ermitteln können, 327‐Mry?“ „Gewiß, Kommandantin.“ „Geben Sie die Koordinaten an die Pilotinnen weiter.“ Die Schiffsführerin zog ein Mikrophon heran und aktivierte das Lautsprechersystem. „Kommandantin an alle. Es wurden Fremdenergieimpulse empfangen. Das Schiff ist sofort in Gefechtsbereitschaft zu versetzen. Alarmstufe 2!“ Sie schaltete ab und rief die Pilotinnen. Sofort ruckten die Köpfe der zwei Riesenwespen herum. „Kommandantin?“ „Sie steuern nach den Daten der Ortung.“ „Gewiß, Kommandantin.“ „703‐Cym!“ Unterwürfig trat die mit einem orangefarbenen Umhang ausgestattete Stellvertreterin der Kommandantin an das Podest heran. „Kommandantin?“ „Sie achten auf unbekannte Objekte im Raum und auf dem Planeten. Sobald Sie etwas Derartiges bemerken, informieren Sie mich sofort, verstanden?“ „Jawohl, Kommandantin. Darf ich mich entfernen?“ Die Schiffsführerin nickte huldvoll. 703‐Cym wollte davoneilen, doch ihre Vorgesetzte rief sie zurück. „Wir befinden uns zwar in Alarmbereitschaft, aber deshalb sind Disziplinlosigkeiten nicht weniger schwerwiegend. Nun, 703‐Cym?“ Die Gemaßregelte knickte den Oberkörper nach vorn und kreuzte die Fühler. Erst nach dieser Demutsgebärde, die jeder Chraahn einem höherrangigen nach einem direkten Sprechkontakt schuldig war, durfte 703‐Cym sich entfernen. Für einen Moment betrachtete die Kommandantin die emsige Geschäftigkeit ihrer Untergebenen, dann richtete sie den Blick ihrer starren Facettenaugen auf den sechseckigen Deckenbildschirm. Die Kugel des blau‐weißen Planeten stach deutlich vom schwarzen Hintergrund des Alls ab. Es war eine schöne Welt, fruchtbar und reich an Rohstoffen. Sofern dort einige der verhaßten hellen Weichhäutigen leben oder gelandet sein sollten, würde die Schiffsführerin nicht eine Sekunde zögern, die geballte Feuerkraft der THSY 814 einzusetzen. Zwar wußte die Rotträgerin, daß man damals die Städte und Siedlungen der Proohler dem Erdboden gleichgemacht und die Rasse ausgelöscht hatte, dennoch war es möglich, daß es einigen gelungen war, zu entkommen. Aber auch wenn es sich um andere Wesen handelte, würde man sie vernichten. Dieses Sonnensystem gehörte den Chraahns, da war für ein anderes Volk kein Platz. Schon sah sich die Kommandantin dastehen, wie ihre Vorgesetzte ihr den um eine Nuance helleren Umhang umlegte. Daran, daß es dem Wabenraumer gelingen würde, ein dort unten möglicherweise vorhandenes Raumschiff zu zerstören, zweifelte die Befehlshaberin keinen Augenblick.
„An den angegebenen Koordinaten befindet sich ein fremdes Raumschiff, Kommandantin. Die Taster lassen keinen Zweifel daran“, meldete 703‐Cym. „Können Sie identifizieren, ob es einer uns bekannten Rasse gehört?“ „Leider nicht, Kommandantin. Soll ich eine Identifikationsmessung durchführen?“ „Das kostet nur unnötig Zeit. Angreifen und vernichten!“ befahl die Kommandantin knapp. Es war ihr letzter Befehl. Bevor die Geschützbedienungen die Feuertasten betätigen konnten, zuckte vom Planeten ein ultraheller Blitz zur THSY 814 hoch. Er war von solcher Intensität, daß die Schirmfelder des Wabenraumers nicht in der Lage waren, die Energie zu neutralisieren. Der Schutzschirm blähte sich auf, dann wurde er transparent. Aus dem sechseckigen Leib der THSY 814 schlug eine gewaltige Stichflamme. In einer grellen Leuchterscheinung zerbrach das Schiff in mehrere Teile. Der Wabenraumer existierte nicht mehr. Und kein Chraahn würde jemals erfahren, wer oder was den Wachkreuzer eliminiert hatte. Selbst die Automatik des Raumers kam nicht mehr dazu, einen Notruf abzusetzen. 8. Innerhalb kurzer Zeit kamen die drei bewußtlosen Männer wieder zu sich. „Nun erzähle mal, was mit euch passiert ist, Luis“, drängte Stratford. „Ich kann da wenig berichten“, sagte der Zweite Pilot. „Ich saß die meiste Zeit in einem Verlies. Unsere Zoologen haben bestimmt eine spannendere Geschichte für dich.“ „Ja, es ist wirklich spannend, wenn man von halborganischen Robotern gejagt wird, die einem nur ein wenig das Leben nehmen wollen“, bemerkte Bachmann sarkastisch. „Von halborganischen Robotern gejagt? Das ist ja sehr interessant, Professor.“ „Das fanden wir eigentlich weniger, Nilson, oder?“ Der junge Wissenschaftler nickte. „Wissen Sie, Santana, es kommt da immer auf den Betrachter an. Wenn man als Unbeteiligter hier im sicheren Raumschiff sitzt…“ „Daraus können Sie mir keinen Vorwurf machen“, unterbrach Stratford. „Tue ich das? Ich wollte nur darauf hinweisen, wie unterschiedlich man eine Sache sehen kann.“ „Nun ergehen Sie sich nicht in philosophischen Betrachtungen, sondern berichten Sie endlich, Professor.“ „Also gut. Aber ersparen Sie mir Einzelheiten.“ In groben Zügen schilderte der Wissenschaftler nun die Erlebnisse in der subplanetaren Anlage. „Sollen wir uns die Sache nicht noch einmal gemeinsam ansehen?“ fragte der Pilot. Alle drei hoben abwehrend die Hände. „Sie sind wohl übergeschnappt, Stratford. Wir sind froh, mit heiler Haut und dem
Schrecken davongekommen zu sein, da verlangen Sie von uns, daß wir uns noch einmal in die Gewalt der verrückten Biorobots begeben?“ Der Professor schüttelte energisch den Kopf. „Keine zehn Pferde bringen mich noch einmal in die Station.“ „Aber mit unserer technischen Ausrüstung und den Kampfrobots…“ „Von wegen technische Ausrüstung“, schnauzte Bachmann. „Nichts hat funktioniert – kein Funkgerät, kein Strahler, kein Schirmfeld – nichts.“ „Aber das ist doch unmöglich.“ „Bei mir war es genauso“, mischte sich Santana ein. „Später habe ich festgestellt, daß die Energieblöcke entladen waren. Die Burg muß über irgendwelche Anlagen verfügen, die unsere Geräte neutralisieren. Vielleicht Zapffelder oder etwas Ähnliches.“ „Also gut, kein Ausflug in die Unterwelt. Ich mache uns jetzt einen starken Kaffee“, sagte Stratford. Bachmann lehnte kategorisch ab. Er verschwand aus der Zentrale und kehrte kurz darauf mit einer Flasche und zwei Gläsern zurück. „Das ist die wahre Medizin für einen dem Leben zurückgegebenen Menschen.“ Der Professor reichte seinem Assistenten ein volles Glas. „Trinken Sie den Schnaps mit Verstand, Nilson, mehr gibt’s nicht.“ „Und was ist mit uns?“ protestierte Santana. „Sie sind Piloten und müssen nüchtern bleiben.“ „Das ist doch Unsinn, Professor. Wir befinden uns auf einem Planeten und nicht im Raum. Ein Schlückchen kann nicht schaden.“ „Ganz gewiß schadet Alkohol Ihnen. Sie werden nämlich in Kürze dieses Raumschiff steuern.“ „Aber Sie wollten doch die Saurier studieren“, sagte Stratford überrascht. „Die können mir gestohlen bleiben“, antwortete Bachmann giftig. „Auf diesem närrischen Planeten muß man ja Angst haben, daß der nächste Schritt wieder in ein subplanetares Verlies führt, wo verrückte Biorobots nur darauf warten, unschuldige Terraner zu Tode zu hetzen. Vielleicht laufen diese Irren sogar frei herum und lauern hinter dem nächsten Busch auf Opfer.“ Der Professor schüttelte den Kopf. „Nein, hier bleiben wir keinen Augenblick länger.“ „Wie stellen Sie sich das vor, Professor? Wir müssen noch einige dringend notwendige Reparaturen durchführen.“ „Das können Sie immer noch nachholen, Stratford. Wenn ich zurück bin, starten wir.“ „Wo wollen Sie denn hin?“ fragte Santana arglos. „Natürlich in die Kabine, um den Schnaps zu verstecken. Meinen Sie, ich sehe nicht, wie gierig Sie die Flasche anstarren?“ „Nun machen Sie einmal einen Punkt, Professor. Glauben Sie, wir wären auf Ihren Fusel angewiesen?“ Der Zweite Pilot ging zu einem Wandschrank und öffnete ihn. In bruchsicheren Halterungen lagerte eine ganze Batterie hochwertiger Spirituosen. „Nun, Professor?“ Der Zoologe schluckte heftig. Wortlos verließ er die Zentrale.
„Könnten Sie mir noch ein Gläschen einschenken?“ fragte Nilson zaghaft. Santana sah seinen Partner an. Stratford nickte grinsend. „Aber selbstverständlich, Herr Doktor.“ Der Zweite Pilot nahm ein Wasserglas und schenkte es randvoll. „Prost, Mister Nilson.“ Der Zoologe stürzte den hochprozentigen Inhalt in einem Zug hinunter. „Ah, das tut gut. So langsam werde ich wieder Mensch.“ „Als was haben Sie sich denn bisher gefühlt?“ „Als Gejagter und Opfer von Verrückten und Sauriern“, klagte der junge Zoologe. „Dann wird es Zeit, daß Sie wieder zu Ihrem eigenen Ich zurückfinden und ein vollwertiger Terraner werden.“ Santana schenkte nach. „Trinken Sie.“ Arne Nilson ließ sich das nicht zweimal sagen. Er nahm das Glas und leerte es erneut. „Sie sind ein Prachtmensch, Santana. Sie zeigen eine menschliche Größe, zu der der Professor nie fähig wäre. Er ist ein hervorragender Wissenschaftler, aber die Freuden des Lebens kommen bei ihm einfach zu kurz.“ Demonstrativ hielt er dem Raumfahrer das Glas hin. „Wie ich sehe, besitzen Sie Lebensart.“ „Ganz ohne Zweifel.“ Santana füllte erneut das Glas. „Sehr zum Wohl!“ „Auf Ihre Gesundheit!“ Wieder kippte der Zoologe den Schnaps auf einmal hinunter. „Sie sind ein Schatz, Luis.“ Er lachte. „Wenn Bachmann das wüßte…“ Der Zweite Pilot reichte ihm die halbvolle Flasche. „Hier, nehmen Sie, bevor Ihr Chef etwas merkt.“ Dr. Nilson nahm die Flasche und drückte sie an sich. „Sie sind ein Schatz, Luis.“ Der Wissenschaftler stelzte zum Ausgang. „Vielen Dank. Bis später, Freunde.“ Das Schott rollte zurück. Bachmann stapfte in die Zentrale. Rasch verbarg der junge Zoologe die Schnapsflasche hinter seinem Rücken. „He, Nilson, wo wollen Sie hin?“ „Wer, ich?“ „Heißt denn hier sonst noch einer Nilson?“ „Keine Ahnung.“ Der Wissenschaftler kicherte. „Vielleicht benutzen unsere Freunde ein Pseudonym.“ „Nun werden Sie nicht albern, Nilson.“ Der Professor sah seinen Assistenten strafend an. „Also, wo wollen Sie hin?“ „In die Unterkunft.“ „Nichts da, Sie bleiben hier!“ „Aber…“ „Keine Widerrede, Nilson.“ Hilfesuchend sah der Zoologe die Raumfahrer an. „Bei den Startvorbereitungen brauchen wir absolute Ruhe“, sagte Stratford. „Bitte begeben Sie sich in die Kabine.“ „Ja, begeben wir uns in die Kabine“, echote Nilson. „Papperlapapp. Diese Raumartisten müssen ständig kontrolliert werden. Denken Sie nur daran, was die beiden alles anrichten können, wenn sie sich aus ihrer Bar bedienen.“
Der Professor bemerkte nicht, daß sein Mitarbeiter den Raumfahrern zublinzelte. Eifrig fuhr er fort: „Unsere beiden Zickzackpiloten haben nämlich selbst nüchtern und im Leerraum Schwierigkeiten, nicht vorhandenen Hindernissen und Stürmen auszuweichen. Da es um unser Leben geht, bleiben wir selbstverständlich.“ „Ich habe Ihre Selbstherrlichkeit allmählich satt“, brauste Luis Santana auf. Stratford winkte ab, doch sein Partner war nicht zu bremsen. „So viel Arroganz gepaart mit so viel Naivität ist unerträglich. Ihre kindischen Unterstellungen…“ „Haben wir nicht sein Leben gerettet, Nilson?“ unterbrach Bachmann sanft. „Aber, Professor. Habe ich nicht auch Ihr Leben gerettet?“ fragte Nilson. „Das ist doch im Augenblick völlig belanglos, Nilson. Hier geht es um diesen kleingeistigen Piloten.“ „Luis ist nicht kleingeistig, Professor. Er ist großherzig.“ „Nilson, was ist denn mit Ihnen los? Was haben diese Burschen mit Ihnen gemacht, als ich weg war? Heraus mit der Sprache!“ „Was sollen sie mit mir gemacht haben, Professor?“ Der junge Zoologe kicherte. „Sie haben mir noch ein Gläschen angeboten, nachdem Sie sich so geizig zeigten.“ „Sie sind betrunken, he?“ Bachmann starrte seinen Mitarbeiter entsetzt an. „Das ist eines Zoologen unwürdig.“ „Geiz ist der Anfang allen Übels“, sagte Nilson mit schwerer Zunge. Er zeigte auf die halbvolle Flasche und schwenkte sie triumphierend. „Sie finden mich in der Kabine, Professor. Ich werde auf Ihr Wohl trinken.“ Schwankend verließ er die Steuerkanzel. Bachmanns Proteste ignorierte er. „Wie können Sie es wagen, meinem Assistenten Alkohol anzubieten!“ polterte der Professor los. „Halten Sie Ihren Mund“, sagte Stratford grob. „Wir müssen uns konzentrieren. Setzen Sie sich hin und schnallen Sie sich an.“ Ohne sich noch weiter um den Wissenschaftler zu kümmern, begann der Raumfahrer mit den Startvorbereitungen. Santana ging ihm dabei zur Hand. Die beiden Männer waren noch mit dem Durchchecken der Systeme beschäftigt, als plötzlich ein greller Energiestrahl in unmittelbarer Nähe emporzuckte. Er strich knapp über die TOBRO hinweg und verlor sich zwischen den Wolken. „Sofort starten!“ schrie Bachmann. „Was die übergeschnappten Biorobots nicht geschafft haben, versucht nun die verrückte Elektronik. Starten Sie, bevor der Rechner sich einschießt!“ Stratford schaltete den Bildschirm aus. Als er den fragenden Blick des Wissenschaftlers bemerkte, sagte er bissig: „Damit Sie nicht durchdrehen. Die TOBRO bringt nämlich nur noch knapp achtzig Prozent der üblichen Leistung.“ „Ich verlange, daß Sie einen Notstart durchführen“, schrie der Professor. „Das ist ein Notstart.“ Der Pilot lächelte freudlos. „Wenn wir allerdings Gelegenheit gehabt hätten, die Schäden zu beheben, wäre es ein wirklicher Alarmstart geworden.“
„Dann schalten Sie wenigstens die Schutzschirme ein, zum Teufel!“ „Die stehen schon längst, Sie Besserwisser. Und wenn Sie jetzt noch ein Wort sagen, beziehen Sie Prügel.“ „Sie könnten zu dieser schizophrenen Rasse passen, die die irren Synthowesen und die verrückte Elektronik produziert hat“, ereiferte sich Bachmann. „Sie sind genauso verrückt, Stratford.“ Der Raumfahrer erwiderte nichts darauf. Er schnallte sich los und ging zum Sessel des Wissenschaftlers. Wortlos gab er ihm zwei schallende Ohrfeigen und ging zu seinem Platz zurück. Als Tom Stratford wieder in seinem Sitz saß, drehte er sich um und grinste schadenfroh. „Wußten Sie nicht, daß man Verrückte nicht reizen soll, Professor?“ Der Wissenschaftler warf dem Piloten einen vernichtenden Blick zu, erwiderte aber nichts. Statt dessen rieb er sich die schmerzenden Wangen. „Wir werden den äußeren Planeten ansteuern und in einen Orbit gehen. Dort werden wir die notwendigen Instandsetzungen durchführen und eine Standortbestimmung vornehmen – vorausgesetzt, wir werden nicht abgeschossen. Dann werden wir den Flug fortsetzen und Sie zu Ihrem Ziel befördern. Was sagen Sie zu diesem Service, Professor?“ „Ich bin gerührt“, erklärte Bachmann. „Und wie genial Ihr Plan ist.“ „Sie sollten sich einen anderen Ton angewöhnen, Herr Wissenschaftler. Oder sollen wir noch einmal kurz auf Darwins Planet landen?“ „Um Himmels willen, Stratford, nur das nicht. Ich werde Sie und Santana in Zukunft mit ausgesuchter Höflichkeit behandeln.“ „Das ist lobenswert. Am besten fangen Sie gleich damit an und pressen ganz fest die Lippen aufeinander.“ Ergeben schwieg der Zoologe. Die beiden Piloten grinsten sich an. Endlich hatte man ein Mittel gefunden, um den vorlauten Wissenschaftler am Reden zu hindern. Allerdings war zweifelhaft, ob Bachmann seinem Vorsatz treu bleiben würde. Er blieb es nicht. Als die TOBRO nach erfolgter Reparatur das System mit Darwins Planet hinter sich ließ, war er bereits wieder der alte. Mit einigen Beleidigungen, die ihm nur allzu leicht von der Zunge gingen, hatte er die nächste Runde eröffnet. Seitdem lag Bachmann mit den Narren, wie er die Raumfahrer nannte, wieder im offenen Streit. NACHWORT Die Terraner würden nie erfahren, daß die Elektronik der Burg keineswegs die TOBRO vernichten wollte, sondern daß sie im Gegenteil den vier Menschen das Leben gerettet hatte. Ohne Zweifel hätte der Angriff des Wabenraumers Erfolg gehabt, wenn die Programmierung des Stationsrechners nicht so eindeutig gewesen wäre. Für den Computer waren die Insektoiden immer noch die Feinde der schon längst nicht mehr existierenden Proohler. Getreu seiner Speicherung hatte der
Rechner die THSY 814 angegriffen und zerstört. Auch sonst unterlagen die Terraner mancherlei Irrtümern über die Proohler und ihre Geschöpfe, die Biorobots. Die Proohler waren keineswegs Verrückte, sondern ein hochstehendes Volk. Daß sie dennoch untergingen und ausgerottet wurden, lag an ihrer Mentalität. Sie waren bodenständige Planetarier, denen Raumfahrt ein Greuel war. Als natürliche Telepathen erwehrten sie sich ihrer Feinde, speziell der insektoiden Chraahns, durch einen geistigen Block, der Panikstrahlung in den Raum reflektierte. Als es den Insektenabkömmlingen gelang, eine Abschirmung dagegen zu entwickeln, war das Schicksal der Proohler besiegelt. Nur zwei von ihnen gelang die Flucht. Sie siedelten auf Darwins Planet, der von ihnen Chrootheer genannt wurde. Später stießen noch zwei der verachteten Raumfahrer zu ihnen. Einer der beiden war ein in Unehren entlassener Wissenschaftler, der auf Chrootheer seine verbotenen Gen‐Experimente fortsetzte. Ihm gelang es, aus der Gehirnmasse eines Sauriers Plasma zu züchten und zu vermehren. Das war die Geburtsstunde der Biorobots. Aus einer Laune heraus hatte er sie als altertümliche Ritter ausstaffiert. Sie sollten als Schutztruppe und Diener ihren Dienst versehen, doch als die Herren verschwanden, gab es niemanden mehr, der ihnen dringend benötigte Substanzen zuführte. Diese Mangelerscheinungen zeigten sich immer deutlicher in zunehmendem Irrsinn der Synthowesen. Die ehemals willigen Geschöpfe wurden zu verrückten Tötungsmaschinen, die sich sogar gegenseitig vernichteten. Mit der Züchtung intelligenten Plasmas aus den Gehirnen primitiver Saurier hatte man Jahrmillionen übersprungen und der Evolution ein Schnippchen geschlagen, doch letzten Endes ließ sich die Natur nicht überlisten. Die Biorobots waren ein Beispiel dafür. Und die letzten Proohler? Der Schöpfer der Synthowesen war bei einem Streit um die Gunst der letzten weiblichen Vertreterin ums Leben gekommen. Zwar gelang es der Frau, mit ihren beiden Begleitern ein Raumschiff startklar zu machen, um von Chrootheer zu fliehen, doch damit war das Ende schon programmiert. Der Start des Raumers aktivierte Kampfmaschinen, die die Proohler zur Umkehr zwingen wollten. Bei dem Versuch, die Roboter zu zerstören, kamen alle noch lebenden Proohler ums Leben. Seitdem driftete das zum Sarg gewordene Raumschiff durch das All. In einigen Jahren würde es keine Biorobots mehr geben. In ihrem Wahn würden sie sich gegenseitig vernichten. Nur die Elektronik würde dann noch über die Anlage wachen und auf die Rückkehr ihrer längst nicht mehr existierenden Herren warten. Eines Tages würde auch sie nicht mehr funktionieren, weil sie verrottet war. Dann gehörte der Planet wieder ganz den Sauriern, und die Evolution würde in ihrer Auslese fortfahren, bis der Globus in Jahrmillionen von intelligenten Wesen bevölkert würde, deren Wiege und Heimat Darwins Planet war. ENDE