Sieben Jahre ohne dich
Elizabeth Sinclair
Collection Baccara 209-2 - 4/04
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von br...
89 downloads
556 Views
432KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Sieben Jahre ohne dich
Elizabeth Sinclair
Collection Baccara 209-2 - 4/04
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von briseis
1. KAPITEL
Vor Schreck ließ sich Honey Logan wie ein Stein auf das Sofa fallen und starrte ihre Schwiegermutter entsetzt an. Amanda Logans Gesichtsausdruck blieb jedoch völlig gelassen. Sie schien keine Ahnung zu haben, was ihre Ankündigung in Honey auslöste. „Nun, meine Liebe", sagte Amanda, während sie sanft mit ihren manikürten Fingernägeln Honeys Hand streichelte, „das wird nicht allzu lange dauern. Nur ein paar Wochen." „Ein paar Wochen?" Ebenso gut hätte Amanda von ein paar Jahren sprechen können. Mit wenig Erfolg versuchte Honey die Verzweiflung aus ihrer Stimme herauszuhalten. „Kann er nicht woandershin?" „Ich hatte mir so gewünscht, dass du damit einverstanden wärst." Amanda seufzte. „Ich fürchte, es geht nicht. Sein Haus ist seit zwei Jahren unbewohnt, und es muss erst mal gründlich gereinigt und renoviert werden." Lächelnd fügte sie hinzu: „Außerdem ist er mein Neffe, Liebes. Familie. Ich kann ihn doch nicht im Stich lassen, oder?" Doch, kannst du, hätte Honey am liebsten geschrien. Du kannst ihn in einem Hotel in der nächsten Stadt, in einem anderen Land oder sonst wo unterbringen, nur nicht hier. Bedauerlicherweise wusste sie, dass sie eine solche Forderung nicht stellen konnte. Egal wie gut sie sich auch verstanden, letzten Endes gehörte das Haus Amanda. Honey war schließlich nichts weiter als ein gern gesehener Gast, der gleichzeitig als Krankenschwester diente. Sie hatte das Gefühl, dass sie genauso wenig zu sagen hatte wie der Gärtner oder die Haushälterin. Nur der Rücksichtnahme ihrer Schwiegermutter war es zu verdanken, dass sie überhaupt dieses Gespräch führten. „Natürlich kannst du das nicht", murmelte sie schließlich. „Ich wusste, du würdest es verstehen." Amanda drückte Honeys Hand. „Es wird schon alles klappen. Du wirst sehen." Müde lehnte sie sich in ihrem Rollstuhl zurück. Das Licht der Tiffanylampe ließ die Diamanten ihrer Fingerringe glitzern. „Bin ich erschöpft. Ich glaube, ich gehe früh zu Bett. Würde es dir etwas ausmachen, Tess zu bitten, das Gästezimmer vorzubereiten? Ich fürchte, Matt wird bereits morgen früh hier ankommen." Resigniert seufzte Honey. „Brauchst du Hilfe?" Die ältere Frau schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Das schaffe ich allein." Innerlich musste Honey über ihre Schwiegermutter schmunzeln, die sich weigerte, die Schwächen ihres Alters zu akzeptieren. Amanda wiederum machte sie immer wieder darauf aufmerksam, dass sie noch nicht für ein Altersheim reif war. Honey folgte dem elektrischen Rollstuhl in den Flur. Das sanfte Summen des Motors nagte an ihren Nerven. Sie beobachtete, wie Amanda sich sicher in den Sessellift setzte, der sie in das obere Stockwerk brachte. Anschließend verstaute Honey den Rollstuhl in einer Nische unter der Treppe. Sie vergewisserte sich, dass Amanda sicher oben angekommen war und ihre Gehhilfe benutzte. Dann machte sie sich auf der Suche nach Tess, Amandas langjähriger Freundin und Haushälterin, um sie über den morgigen Besucher zu unterrichten. Morgen früh. In einigen Stunden würde das sichere Leben, das sie sich geschaffen hatte, durcheinander geraten. Es hatte sie Jahre gekostet, die Berührung von Matt Logans Lippen, die Zärtlichkeit seiner Hände, sein Lächeln und die Liebesnächte mit ihm zu vergessen. Aber am härtesten war es gewesen, über den Schmerz hinwegzukommen, den er ihr mit seinem plötzlichen Verschwinden zugefügt hatte. Jetzt, nach sieben Jahren, kam er zurück, als wenn nichts gewesen wäre. Und um es schlimmer zu machen, wollte er auch noch bei ihnen wohnen. Mit Matt unter einem Dach ... und mit Danny. O Gott, sie hatte ihren Sohn vergessen. Sie versuchte die aufsteigende Panik zu unterdrücken.
Du wirst damit fertig werden, sagte sie zu sich. Du wirst damit fertig werden, genauso, wie du es mit deinem Vater und mit deinem Bruder, Jesse, geschafft hast. Aber Matt hatte trotz seiner Macken weder ihrem dominanten Vater noch ihrem ruhigen, empfindsamen Bruder geähnelt. Im Gegensatz zu ihnen war Matt warm und verständnisvoll gewesen Plötzlich musste sie daran denken, wie ihr Vater sie gezwungen hatte, Amandas verwöhnten Sohn, Stan Logan, zu heiraten. Ihre Welt war damals außer Kontrolle geraten. Zurück waren ihre Hilflosigkeit und Verletzbarkeit geblieben. Sie ging in die Küche, aber Tess war nicht dort. Stattdessen fiel ihr Blick auf das Telefon an der Küchenwand. Emily. Sie würde ihre Schwester anrufen. Vielleicht wusste die, was zu tun war. Auf jeden Fall würde es gut tun, mit jemandem zu reden. Mit zittrigen Händen griff sie nach dem Hörer und wählte die Nummer. Emilys Schwiegermutter nahm ab. „Rose, ich weiß, dass Emily wahrscheinlich damit beschäftigt ist, die Zwillinge ins Bett zu bringen. Aber könntest du sie bitten, später rüberzukommen? Ich muss dringend mit ihr sprechen. Dannys Vater kommt nach Hause." Bevor Rose antworten konnte, trat Tess in die Küche, Als wenn sie bei etwas Verbotenem ertappt worden wäre, legte Honey hastig den Hörer auf. Sie kam sich lächerlich dabei vor. Tess lächelte sie hintergründig an. „Heimlicher Verehrer?" fragte sie. Seit über zwanzig Jahren arbeitete die rotwangige Haushälterin für die Logan-Familie, die sie in ihr Herz geschlossen hatte. An der Spüle begann sie die Tassen abzuwaschen, die Honey und Amanda vorher benutzt hatten. „Nein. Ich habe bloß mit meiner Schwester gesprochen. Sie kommt gleich rüber. Ich mache schon mal Kaffee." Während sie mit der Kaffeemaschine beschäftigt war, spürte sie Tess' Blick in ihrem Rücken. „Ist alles in Ordnung?" fragte Tess. Ihr irischer Akzent war unüberhörbar. „Was? Klar, wie kommst du darauf?" Sanft schob Tess Honey zur Seite und öffnete den Kaffeefilter. „Auch wenn Miss Emily schwachen Kaffee bevorzugt, dürfte dieser hier, selbst für sie, eine Spur zu schwach sein." Beide starrten auf den leeren Filter. „Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?" Kopfschüttelnd trat Honey zurück und ließ Tess Kaffee in die Filtertüte füllen. „Mir geht es gut. Ich bin nur ein wenig zerstreut." Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, ihr Magen rebellierte, ihre Schläfen pochten, und sie hatte das Bedürfnis wegzulaufen, weit weg von Matt. „Miss Amanda möchte, dass du das Gästezimmer herrichtest. Ihr Neffe wird eine Weile hier wohnen. Er kommt morgen früh." War das wirklich ihre Stimme, die so ruhig und kontrolliert klang? „Matthew? Er kommt her?" Honey nickte. Verärgert schimpfte Tess: „Warum hat sie mir das nicht schon am Morgen gesagt?" „Wir haben das selbst erst so spät erfahren." „Na ja." Tess' Stirnrunzeln ging in ein Lächeln über. „Warum bin ich überhaupt überrascht? Den Burschen konnte ich noch nie durchschauen. Er hat sich nicht ein Deut verändert. Schön, ihn wieder zu Hause zu haben." Tess suchte sich ihre Putzutensilien zusammen und verließ mit einem Besen den Raum. Alle schienen über Matts unerwarteten Besuch entzückt zu sein. Honey hatte ihre eigene Meinung über Matthew Logan, und die war alles andere als entzückend.
Allein beim Gedanken an das Chaos, in dem Matt sie allein zurückgelassen hatte, hätte sie vor Wut an die Decke gehen können. Je wütender sie wurde, je besser fühlte sie sich. Also ließ sie ihrem Zorn freien Lauf und stellte erfreut fest, dass sie ihre Kontrolle wiedergewann. Matt steuerte seinen schwarzen Pick-up-Truck an die Straßenseite und hielt genau vor dem Ortsschild, auf dem „Bristol, New York, 3000 Einwohner und stetig wachsend" stand. Der Optimismus der Stadtväter war zum Lachen. Bristol hatte sich in den vergangenen sieben Jahren kaum vergrößert. Beim Anblick der vertrauten Berge am Horizont seufzte Matt zufrieden. Dann vergewisserte er sich, dass sein Motorrad noch sicher auf der Ladefläche seines Trucks stand. Seine Heimatstadt wieder zu sehen gab ihm ein gutes, vertrautes Gefühl. Er wollte es allen Neinsagern beweisen, dass man zu seinen Wurzeln zurückkehren konnte, selbst wenn man dabei gegen böse Geister aus der Vergangenheit kämpfen müsste. Vielleicht hatte ihm der Bulle, der sein Bein verletzt und ihn damit gezwungen hatte, die Rodeoreiterei aufzugeben, letztlich einen Gefallen getan. Allmählich kehrten die Erinnerungen zurück. Einige Minuten saß er reglos im Wagen und starrte auf das Ortsschild der Stadt, von der er einst geflohen war. Seitdem war er nicht zurückgekehrt, nicht einmal zu Stans Beerdigung vor einem Jahr oder der seines Vaters vor zwei Jahren. Er bedauerte es aufrichtig, seiner Tante nicht beigestanden zu haben, als Stan gestorben war, aber seine Rückkehr hätte auch bedeutet, Honey wieder zu sehen, und das hatte er auf jeden Fall vermeiden wollen. Außerdem war er mit dem Rodeoteam in Australien gewesen. Amanda hatte es verstanden, dass er unter diesen Umständen nicht hatte kommen können. Es hatte ihm Leid getan, denn Stan war sein bester Freund gewesen, obwohl Matt ihm den Verrat nie verzeihen konnte. Der Beerdigung seines Vaters war er bewusst ferngeblieben. Was hätte es auch gebracht? Der alte Mann hatte sich sein ganzes Leben lang nicht für ihn interessiert. Matt streckte sein rechtes Bein auf dem Sitz aus. Die lange Fahrt von Texas hierher machte sich in seinem verletzten Bein bemerkbar. Vorsichtig massierte er die Muskeln. Langsam ließ der Schmerz nach. Plötzlich befürchtete er, zu schläfrig für die Weiterfahrt zu werden, und setzte das Fahrzeug in Bewegung. Er wollte in das einzige Restaurant der Stadt, das jetzt noch geöffnet hatte und das den besten Kaffee und die größten Burger servierte. Erst würde er seinen Magen füllen und dann zu Amanda fahren. Am nächsten Morgen wollte er als Erstes zur Stadtverwaltung gehen, um die überfälligen Steuern für das Haus seines Vaters zu bezahlen. Nein. Er schob die unangenehmen Erinnerungen zur Seite und schaute positiv in die Zukunft. Es war jetzt sein Haus. Jim, ein Rodeofreund, hatte ihn gewarnt, dass er erst mit seiner Vergangenheit abrechnen müsste, bevor er eine neue Zukunft starten könnte. Aber Matt glaubte nicht daran. Er würde sich auf die Renovierung konzentrieren und nicht mehr an die unglücklichen Erinnerungen denken, die mit diesem Haus verknüpft waren. Wie sollte man auch mit einem Mann abrechnen, der bereits tot und begraben war? „Also, was gedenkst du zu tun?" Honey antwortete nicht. Schweigen breitete sich in der Küche aus. Sie rührte in ihrer Tasse herum. Ihre Wut war bereits verraucht. Zurück war nur ein dumpfes Gefühl geblieben. „Honey?" Sie zuckte zusammen. „Ich weiß es nicht." „Nun, ich will dich ja nicht drängen, aber so viel Zeit hast du nicht mehr, um Entscheidungen zu treffen." Emily legte beruhigend ihre Hand auf Honeys Arm. „Er wird morgen früh hier sein." „Ich weiß."
Sie stand auf, ging zur Spüle und schüttete ihren kalten Kaffee aus, um sich neuen einzugießen. „Was gibt ihm das Recht, hierher zu kommen und in mein Leben einzudringen?" „Er hat das gleiche Recht zurückzukommen, wie es mein Mann gehabt hat. Ebenso wie Kat ist auch Matt hier aufgewachsen." Honey hob den Blick von ihrer Tasse und sah in das besorgte Gesicht ihrer Schwester. „Glaubst du, dass er es bemerken wird - das mit Danny, meine ich?" „Wenn er in den letzten Jahren nicht erblindet ist, natürlich! Du solltest dich besser darauf vorbereiten." Honey nickte bedrückt. Der Knoten in ihrem Hals erschwerte ihr das Sprechen enorm. Emilys Blick wanderte zwischen ihrer Schwester und ihrer Tasse hin und her. „Es gibt etwas, was mich schon immer gestört hat, aber du wolltest ja nicht über Matt sprechen, daher habe ich dich nie gefragt. Warum hast du es ihm damals nicht erzählt?" Honey seufzte und nahm sich Bedenkzeit, indem sie einige Heldenfiguren von Dannys Spielzeug neu aufstellte. Traurig lächelte sie. Sogar Danny hatte Helden. Sie selbst hatte nie welche gehabt. Schnell schüttelte sie ihr Selbstmitleid ab und konzentrierte sich wieder auf Emilys Frage. „Dad hat von mir verlangt, es niemandem zu erzählen. Dadurch würde alles nur noch schlimmer werden, meinte er." Sie verdrehte die Augen. „Trotzdem versuchte ich es Matt zu sagen, aber das Problem war, dass niemand in der Stadt wusste, wo er steckte. Er war einfach verschwunden." Schulterzuckend fügte sie hinzu: „Nach einigen Jahren hielt ich es für besser, das Ganze auf sich beruhen zu lassen. Was sollte es auch für einen Sinn machen?" Fast hätte sie hinzugefügt, dass es Matt auch nicht zurückgebracht hätte. „Was war mit Matts Vater? Hast du es ihm erzählt?" Honey schüttelte den Kopf. „Mr. Logan hat sich nie für Matt interessiert. Ich habe niemals eine Art Zuneigung zwischen den beiden beobachtet. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Matt für seinen Vater gar nicht existierte. Nachdem Matt fortgegangen war, erschien mir Mr. Logan noch unzugänglicher als sonst. Ich bin einige Male dort gewesen, aber er hat mir nicht die Tür geöffnet. Also gab ich es auf. Einmal habe ich ihm noch geschrieben, aber er hat nie darauf geantwortet. Wer weiß, ob er den Brief überhaupt gelesen hat." „Was ist mit Matts Mutter?" Emily machte es sich auf ihrem Stuhl bequem, indem sie ihre Beine übereinander schlug. „Ich war damals zu jung, um mich an sie zu erinnern. Hat sie die Familie verlassen oder was?" „Sie starb, als Matt zehn Jahre alt war." Honey nahm einen Schluck Kaffee und zog eine Grimasse. Schon wieder kalt. Sie stellte die Tasse ab, schob sie beiseite und sah ihre Schwester an. „Das alles löst nicht mein jetziges Problem, Em. Wie hast du dich Kat gegenüber verhalten, als er wiederkam? Ich weiß, dass du sehr wütend auf ihn gewesen warst, aber dann habt ihr geheiratet und die Mädchen bekommen. Wie hast du ..." „Hey. Warte mal." Emily hob abwehrend die Hände. „Die Umstände waren ein wenig anders." „Sicher, du wolltest einen Vater für dein Kind, die Bedingungen eines verrückten alten Mannes erfüllen und dein Haus behalten." Honey lächelte zum ersten Mal an diesem Abend und schüttelte wieder den Kopf. „Du bist nie den einfachen Weg gegangen." Emily schmunzelte bei der Erwähnung ihrer Zwillinge. „Es war das beste Geschäft meines Lebens. Ich habe den Mann, den ich bewundert habe, und zwei entzückende Kinder bekommen. Und Rose nicht zu vergessen. Meine beste Freundin ist auch meine Schwiegermutter. Nicht schlecht für ein Mädchen, das kurz davor war, in Panik zu geraten." Darüber mussten beide herzlich lachen. „Also, was soll ich tun?" wollte Honey von ihrer Schwester wissen, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten.
Emily sah auf ihre Uhr, stand auf, streifte den Riemen ihrer Handtasche über die Schulter und lächelte Honey an. „Es gibt keine Antwort auf deine Frage. Am besten folgst du dem Gefühl in deinem Bauch." Sie ging zur Tür und blieb kurz stehen. „Oder hör auf dein Herz." Stirnrunzelnd sah ihr Honey hinterher. Matt stand auf der Veranda des Hauses seiner Tante. Er blickte auf seine Uhr. Ein Uhr nachts. Hätte er bloß das Restaurant früher verlassen. Aber er hatte es genossen, mit Freunden zu sprechen, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Auf seinen Reisen hatte er diese Freundschaften und Vertraulichkeiten vermisst. Das würde sicher die unglücklichen Geister seines Hauses und seines Lebens in Zukunft vertreiben. Er griff nach dem Türklopfer, zögerte aber. Nicht einmal eine Explosion würde Tess wecken. Dann fiel ihm ein, dass seine Tante einen leichten Schlaf hatte. Er holte sie nicht gern aus dem Bett. Aber die nächste Schlafmöglichkeit wäre in einem Motel dreißig Meilen entfernt. Und er hatte keine Lust mehr, Auto zu fahren. Plötzlich hatte er einen Einfall. Er trat zurück und begutachtete das Rosenspalier an der Hauswand. In ihrem letzten Jahr an der High School hatten Stan und er des Öfteren diesen Weg gewählt, um nachts unbemerkt ins Haus zu gelangen. Sollte er? Er würde wahrscheinlich als Einbrecher gefasst werden und im Gefängnis von Bristol landen. Was soll's, wenigstens hätte er dann ein warmes Bett. Versuchsweise setzte er leise einen Fuß auf die unterste Sprosse. Obwohl das Holz knirschte und sein Bein schmerzte, stieg er daran empor. Nur das Pieksen der Rosendornen brachte ihn zum Fluchen. Dann stieg er über die Brüstung des Balkons von Stans ehemaligem Zimmer. Die Tür stand offen. Tess wollte sicherlich das Zimmer für seine Ankunft lüften. Im angrenzenden Raum hörte Amanda Logan das vertraute Geräusch des knarrenden Spaliers. Ein Geräusch, das sie an alte Zeiten erinnerte, als Matt und ihr Sohn nachts heimlich nach Hause kamen. Sie erkannte auch die fluchende Stimme ihres Neffen. Nur um sicherzugehen, blickte sie aus dem Fenster, um gerade noch zu sehen, wie Matt auf den Balkon stieg. Fast hätte sie Stan erwartet, der ihm stets gefolgt war. Aber Stan erschien nicht. Stan würde nie wieder erscheinen. Tränen stiegen ihr in die Augen. Obwohl bereits ein Jahr vergangen war, seitdem er bei einem Autorennen ums Leben gekommen war, war der Schmerz noch sehr stark und die Leere erdrückend. Mit einem Kopf schütteln schob sie die Tränen und Erinnerungen beiseite und legte sich wieder ins Bett. Es war jetzt nicht die Zeit, sich zu sorgen. Jetzt war die Zeit reif für neue Abenteuer und neue Liebschaften. In ihre Kissen gelehnt, stellte sie sich bildlich die Szene im angrenzenden Raum vor. Morgen würde, dank dem Schicksal und einer kleinen Einmischung ihrerseits, dieses öde, alte Haus Zeuge einer Richtigstellung und vielleicht eines neuen Anfangs werden. Matt trat in Stans altes Zimmer und blieb vor Schreck stehen. Im Bett schlief eine Frau, nur mit einem T-Shirt und Schlüpfer bekleidet. Ein schön geformtes, langes Bein lag ausgestreckt quer über dem Bettlaken. Irgendetwas an ihr kam ihm vertraut vor. Als er auf das Fußende des Bettes zuging, wusste er auch, warum. Honey Kingston schlief dort tief und fest. Ihr wunderschönes honigfarbenes Haar lag ausgebreitet auf dem Kissen. Was für ein Schreck, der Frau zu begegnen, der man eigentlich aus dem Weg gehen wollte. Trotzdem musste er sich eingestehen, dass sie es immer noch fertig brachte, ihm den Atem zu rauben - und ihm Angst einzujagen. Das war auch der Grund, weshalb er vor Jahren weggelaufen war. Er konnte sich nicht erinnern, jemals eine schönere Frau gesehen zu haben. Und auf seinen Reisen waren ihm viele schöne Frauen begegnet. Sein Magen fühlte sich flau an. Sein Herz schien zu zerspringen. Alte Emotionen stürzten über ihn herein. Emotionen, die Matt
seit sieben Jahren zu vergessen versucht hatte. Emotionen, von denen er gedacht hatte, dass sie vorbei wären - bis jetzt. Als wenn es gestern gewesen wäre, kamen die Erinnerungen zurück. Ohne es bewusst wahrzunehmen, bewegte er sich auf das Bett zu. Irgendetwas schien ihn zu steuern, etwas, das er nicht kontrollieren konnte. Sanft berührte er mit seinem Daumen Honeys Wange und streichelte ihre weiche Haut. Sie seufzte und rührte sich im Schlaf. Aus Angst, sie zu wecken, zog er rasch seine Hand zurück. Am liebsten hätte er sich zu ihr in das Bett gelegt und sie wachgeküsst. Ihm fielen die kleinen Laute ein, die sie beim Liebesspiel immer von sich gegeben hatte. Er spürte seine Erregung wachsen. Hastig trat er einen Schritt zurück, als hätte er sich verbrannt. Er musste damit aufhören jetzt. Sie soll verdammt sein! Was war an dieser Frau, dass sie ihm seinen gesunden Menschenverstand und seinen Stolz rauben konnte? Zwar schaffte er es, seine Lust zu unterdrücken, aber die Tatsache, dass sie seinen Cousin geheiratet hatte, noch bevor seine Spur vom Winde verweht gewesen war, blieb. Schmerz breitete sich in ihm aus, so stark wie damals, als er von ihrem Treuebruch erfahren hatte. Die Hochzeitskarte hatte er in einem weißen Umschlag ohne Absender erhalten. Doch er hatte die Handschrift seines Vaters erkannt. Nur er wusste seine Anschrift. Es war Matt immer noch unverständlich, weshalb er seinem Vater sein Postfach mitgeteilt hatte. Vielleicht hatte er gehofft, dass dieser sich ändern würde. Vielleicht... Er drehte sich um und ging zur Tür. Wäre er bloß nicht zurückgekommen. Hatten diese Neinsager zu guter Letzt doch Recht? Vielleicht sollte man nicht mehr heimkommen. Vielleicht waren die Geister seiner Kindheit viel stärker, als er angenommen hatte. Vielleicht war er nicht über Honey Kingston hinweggekommen, und Gott stehe ihm bei, vielleicht würde er es niemals.
2. KAPITEL
Hellwach lag Honey im dunklen Schlafzimmer und starrte an die Decke. Sie hatte immer noch starkes Herzklopfen. Erst hatte sie die Fußtritte auf dem Balkon für die eines Einbrechers gehalten. Aber im Mondlicht hatte sie das Gesicht von Matt Logan erkannt, und eine ganz andere Art der Angst breitete sich in ihr aus. Sie musste sich dazu gratulieren, dass es ihr gelungen war, still zu verharren, während Matt ihre Wange streichelte. Doch dann erinnerte sie sich wieder an ihr Seufzen bei seiner Berührung, und das Zittern stellte sich wieder ein. Es kostete sie Überwindung, nicht über die Stelle zu streichen, die er vorher angefasst hatte. Sie rollte sich zur Seite und starrte weiterhin in die Dunkelheit. Lieber Gott, wie sollte sie die nächsten Wochen überstehen? Wie konnte sie mit ihm unter einem Dach leben? War sie total verrückt geworden? Nur weil er sie einmal berührt hatte,, sollte sie ihm wieder verfallen sein? Warum musste sie immer auf Männer treffen, die sie verletzten? Andere Frauen hatten Helden als Männer. Sie hatte immer nur die schwierigen Fälle abbekommen. Zum tausendsten Mal schwor sie sich, dass Danny nicht so ein Mann werden sollte. Um ihre Wut zu verstärken, stellte sie im Geiste eine Liste all der Gründe zusammen, die es gab, um Matt Logan zu verabscheuen. Wegen Matt hatte sie allein gegen den Zorn ihres Vaters antreten müssen. Wegen Matt hatte sie es nicht geschafft, sich ihrem Vater zu widersetzen, da ihr Schmerz zu groß gewesen war. Deshalb hatte sie sechs schreckliche Jahre als Stan Logans Ehefrau aushalten müssen. Hauptsache, Frank Kingston hatte aufrechten Hauptes durch die Stadt gehen können. Wegen Matt war ihr Halbbruder Jesse so wütend auf ihren Vater geworden, dass er aus dem Haus gestürmt war. Wegen Matt musste sie dafür kämpfen, dass ihr Sohn mit Werten und einem Verantwortungsgefühl großgezogen wurde. Wegen Matt war ihr Herz tot. Und als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, kamen durch ihn Erinnerungen an ihren selbstgerechten, gefühllosen Vater hoch, der seine Familie tyrannisiert hatte. Sie sog versuchsweise die Luft ein. Manchmal meinte sie noch den Zigarettengeruch ihres Vaters wahrnehmen zu können. Das war natürlich nicht möglich, da in Amandas Haus niemand rauchte. Der Geruch brachte auch andere Erinnerungen hoch. Sie hatte als Kind versucht, das Herz ihres Vaters zu erreichen, aber es war ihr nie gelungen. Jahrelang hatte sie geglaubt, in seinen Augen versagt zu haben. Es hatte lange gedauert, bis sie begriffen hatte, dass ihr Vater sich selbst das Leben zur Hölle gemacht hatte. Weder sie noch Emily noch ihre Mutter waren schuld daran gewesen. Aber sie hatten sein zorniges Schweigen und seine Unfähigkeit, andere verstehen zu können, ertragen müssen. Sie hatte sich so einsam gefühlt. Nachdem ihre Mutter gestorben war, war Jesse zu ihnen gezogen. Sie standen sich nicht sonderlich nahe, und schon bald stellte sie fest, dass er sich genauso unwohl in dem Haus fühlte wie sie. Nach einem Streit mit seinem Vater war er ausgezogen. Bei all den Enttäuschungen, die sie mit Männern erlebt hatte - so die eiserne Hand ihres Vaters, ihr egozentrischer Bruder, Matts böswilliges Verlassen, Stans Unreife -, war Honey zu einer starken Person gereift. Sie kam zu dem Entschluss, dass sie allein über ihr Glück entscheiden konnte und dass es Helden nur im Kino und in Romanen gab. Entschlossen schüttelte sie die Erinnerungen ab und legte sich in die Kissen zurück. Da sie ein pragmatischer Mensch war, brauchte sie sich nichts vorzumachen. Ihr war bewusst, dass ihre Schlaflosigkeit nicht allein auf die Geister ihrer Vergangenheit zurückzuführen war. Und es lag auch nicht daran, Matt wieder zu sehen.
Ihr war klar, dass ihre wachsende Angst durch Ernsteres hervorgerufen wurde als dadurch, einer alten Flamme nach sieben Jahren wieder zu begegnen. „Matt ist schon hier." Honey hielt in der Bewegung inne. Dann stellte sie vorsichtig das Glas Wasser für Amandas Medizin auf den Nachttisch zurück. Sollte sie ihrer Schwiegermutter erzählen, dass sie das bereits wusste? Dass er letzte Nacht in ihrem Schlafzimmer gewesen war? Amanda lachte leise und nahm Honey die Entscheidung ab. „Ich hörte ihn letzte Nacht das Rosenspalier hochklettern, als wäre er wieder ein Schuljunge." Sie sah Honey direkt an. „Er ging durch dein Zimmer. Hast du das nicht bemerkt?" Statt zu antworten, brachte Honey die Tablettenschachteln in das Badezimmer zurück, bevor Amanda aus ihrem Gesicht etwas hätte ablesen können. Doch dort musste sie sich am Waschbecken aufstützen. Im Spiegel blickte ihr ein "blasses Gesicht entgegen. Sie musste sich zusammenreißen. Matt war wieder da. Er würde für eine unbestimmte Zeit hier leben. Sie drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Das würde sie schon schaffen. Mit neuer Zuversicht und geradem Rücken trocknete sie sich mit einem weichen Handtuch ab und kehrte ins Schlafzimmer zurück. „Bist du bereit, dich für das Frühstück anzuziehen?" Die lilafarbene Tagesdecke bis zum Kinn hochziehend, schüttelte Amanda den Kopf. „Ich bin müde und möchte noch ein wenig schlafen. Sechs Uhr dreißig ist eine ungehörige Zeit, um jemanden aus dem Bett zu werfen." „Und was ist mit Matt?" „Ich bin sicher, dass du ihn an meiner Stelle unterhalten kannst, Liebes. Entschuldige mich bitte und teile ihm mit, dass wir uns zum Mittagessen sehen werden." Normalerweise war Amanda ein Frühaufsteher. Sie hatte sich noch nie zuvor über frühes Aufstehen beschwert. „Bist du sicher, dass es dir gut geht?" „Klar. Ich bin nur ein wenig müde." Amanda schloss die Augen. „Geh jetzt. Danny wird bald aufwachen und sein Frühstück wollen." Danny! Honey hatte ihn völlig vergessen. Schnell schaltete sie das Licht aus und schloss die Tür hinter sich. Als sie durch den Flur lief, fiel ihr die geschlossene Tür des Gästezimmers auf. Gott sei Dank. Vielleicht wollte Matt auch ausschlafen. Die stille Morgenstunde genießend, trank Matt seinen Kaffee und blickte aus dem Fenster des großen Esszimmers auf die ausgedehnte Rasenfläche vor Amandas Haus. Eine Katze überquerte ziellos das Gras. Matt fragte sich, ob das Tier wohl ein Heim hätte oder ob es wie er von einem Haus zum nächsten zog. Allerdings hatte er sich hier schon immer heimisch gefühlt. Als es in seinem Haus nicht mehr auszuhalten gewesen war, hatte ihn Amanda mit offenen Armen aufgenommen und die Lücke gefüllt, die der frühe Tod seiner Mutter hinterlassen hatte. Sein Vater hatte an dem kleinen Jungen immer etwas zu bemängeln gehabt. Amanda und Tess hatten ihm Liebe und Verständnis gegeben. Diese Dinge hatte er in seinem Heim schmerzlich vermisst. Er lächelte. War es da ein Wunder, dass er Amanda angerufen hatte, nachdem er beschlossen hatte, zurückzukehren? Glaubte man den Berichten aus dem Restaurant letzte Nacht, hatte sein Vater nach Matts Verschwinden nicht viel am Haus getan. Das wunderte ihn nicht. Kevin Logan hatte nach dem Verlust seiner Frau und Matts älterem Bruder nur noch auf den erlösenden Tod gewartet. Die trüben Gedanken abschüttelnd, dachte er an die Frau, die er gestern Nacht in dem Bett vorgefunden hatte. Die Frau, die seinen Cousin und besten Freund geheiratet hatte, nur zwei Wochen, nachdem er fortgegangen war.
Der alte Zorn stellte sich wieder ein. Hatte Honey ihn wirklich so schnell vergessen können? Es war richtig gewesen, sie zu verlassen, bevor sie ihm das Herz hätte brechen können. Nur nicht an die alten Geister der Vergangenheit denken, sagte er sich. Ein Geräusch im Hintergrund unterbrach seine Grübelei. In der Fensterscheibe sah er plötzlich Honeys Spiegelbild. Sie stand an der Tür. Ihr prächtiges Haar fiel ihr lockig auf die Schultern. Sie trug ein blaues Sommerkleid mit Spaghettiträgern. Das Schminken konnte sie sich sparen, da sie mit einer natürlichen Schönheit gesegnet war. Obwohl sie ein Herz aus Stein hatte, gab es für Matt keine vergleichbare Frau. Auf einmal hatte er das Bild der letzten Nacht vor Augen. Sein Körper reagierte. Zu seinem Verdruss überkam ihn ein überwältigendes Verlangen, ihre seidige Haut zu berühren. „Hallo, Matt." Ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen und ging ihm durch Mark und Bein. Sie blickte sich schnell im Zimmer um. „Bist du allein?" Er trank einen Schluck Kaffee, um den Kloß in seiner Kehle loszuwerden und um Zeit zu schinden. Dann drehte er ihr langsam das Gesicht zu. „Honey, es sieht so aus, als wenn wir beide die einzigen Frühaufsteher wären. Und Tess natürlich. Aber normalerweise bist du dann immer wie ein Vogel davongeflogen." Diese Worte trafen sie wie spitze Pfeile. Sie wusste, dass er auf die Nächte anspielte, in denen sie sich geliebt hatten und sie frühmorgens nach Hause gelaufen war, bevor ihr Vater es bemerkte. Sie war noch nicht bereit, Unerfreulichkeiten auszutauschen. Daher schenkte sie sich auch eine Tasse starken Kaffee ein und setzte sich an das andere Tischende, weit weg von Matt. „Amanda lässt sich entschuldigen. Sie möchte noch ein wenig schlafen. Eigentlich ist sie sonst als Erste auf." Sofort fragte er besorgt nach. „Sie ist doch nicht krank, oder?" Honey schüttelte nur den Kopf, denn ihre Stimme hatte einen sonderbaren Klang bekommen. Unter dem Tisch legte sie ihre Handflächen auf ihre Beine, damit sie endlich zu zittern aufhörten. Matt bei Tageslicht zu sehen, hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Aber nach einem Moment hatte sie sich wieder gefangen, dachte sie jedenfalls, bis sie ihn wieder ansah. Im Wesentlichen sah er aus wie damals, nur dass seine Arme jetzt muskulöser waren. Sie glichen nicht mehr den Armen des siebenundzwanzigjährigen Mannes, der sie gehalten hatte. Auch war seine Haut damals nicht so gebräunt gewesen. Seine Augen waren immer noch auffallend blau. Und doch erkannte sie eine Traurigkeit und Leere in ihnen, die es vorher nicht gegeben hatte. Als wenn er ihre Entdeckung bemerkt hätte, blinzelte er einige Male und drehte sich wieder dem Fenster zu. Er verbarg seine Gefühle hinter einer Wand. Das war ihr nicht fremd. Im Grunde kannte sie ihn kaum/obwohl sie sich einmal geliebt hatten. Offensichtlich wollte er es dabei belassen. Das war ihr nur recht. Bewusst vermied sie jeden Gedanken an die gemeinsamen Nächte. Ein Sonnenstrahl fiel durch das Fenster auf sein schwarzes Haar. Sie musste schlucken. Ihr hatte es damals sehr gefallen, mit den Fingern durch sein weiches Haar zu streichen. Ein Geräusch aus der Küche brachte sie in die Gegenwart zurück. Sie griff nach ihrer Tasse und meinte: „Amanda sagte mir, dass du in das Haus deines Vaters ziehen willst." „Mein Haus", korrigierte er sie. Ohne sie anzusehen, ging er zum Sideboard hinüber und füllte sich erneut Kaffee aus der silbernen Kanne ein. Eine Wolke seines moschusartiges After Shaves wehte zu Honey hinüber, als er zu seinem Stuhl zurückkehrte. Sie hielt die Luft an, bis er wieder saß. „Wie bitte?" fragte sie schließlich nach, als sie sicher war, dass ihre Stimme ihr gehorchen würde.
„Ich sagte, es ist mein Haus." „Oh, ich wusste nicht, dass es da einen Unterschied gibt." Er schwieg und schaute wieder aus dem Fenster. Honey sah zur Treppe und dann auf ihre Uhr. Es entging ihm nicht, und er fragte: „Halte ich dich von irgendetwas Wichtigem ab?" Sie sah ihn an, aber bevor sie hätte antworten können, drehte er sich wieder weg, als wenn er ihren Anblick nicht ertragen könnte. „Nein. Der Bus für meinen Sohn kommt..." Seine Augen funkelten. „Sohn? Du und Stan, ihr habt einen Sohn?" Sie runzelte die Stirn. „Das wusstest du nicht?" Sie war davon ausgegangen, dass irgendjemand es ihm mitgeteilt hätte. Warum hatte Amanda ihren geliebten Enkel nie erwähnt? Sonst hatte sie es doch auch jeden wissen lassen. Warum nicht Matt? Anschuldigend musterte er sie. „Nein. Anscheinend hielt es niemand für wichtig genug, es mir zu erzählen." Sofort ging Honey in die Defensive. „Vielleicht, weil keiner wusste, wo du warst." Sie hätte sich auf die Zunge beißen können. „Es tut mir Leid. Ich will mich nicht mit dir streiten, Matt." Laut klirrend setzte er seine Tasse wieder ab, stand auf und kam zu ihr herüber. Sein schwaches Hinken fiel kaum auf. Er stützte beide Handflächen auf den Mahagonitisch auf und beugte sich zu ihr hinunter, bis ihre Augen auf einer Höhe waren. „Na klar willst du das. Du verlangst Antworten, und am liebsten würdest du mir den Kopf abreißen. Nun, aber ich habe eine eigene Liste von Fragen, Honey. Zum Beispiel, warum du Stan geheiratet hast, kaum dass ich die Stadtgrenze überquert hatte?" Honey holte tief Luft und starrte in seine kalten, wütenden Augen. Was kümmerte ihn das? Offenbar wollte er sie einschüchtern. Sie stand auf und schob ihren Stuhl so heftig zurück, dass er fast umgestürzt wäre. Gerade noch fing sie ihn auf. „Das hat dich sieben Jahre nicht interessiert, und jetzt geht es dich nichts an." Schon wollte sie gehen, doch er griff nach ihrem Arm und drehte sie zu sich um. „Ich glaube, es geht mich was an." Honey versuchte sich loszureißen, da seine Nähe sie schwach machte. Schließlich musste sie ihn mit ihrer ganzen Kraft bekämpfen, um das hier durchzustehen. Doch sie hätte ihm dabei nicht in die Augen blicken dürfen. Sofort fühlte sie die vertraute Anziehungskraft, und jeglicher vernünftige Gedanke schwand dahin. Matt wusste, es war dumm gewesen, sie zu berühren. Aber er konnte sie nicht loslassen. Hier standen sie nun, mit glühenden Augen und schwer atmend. War es Wut oder der Neubeginn einer alten Leidenschaft? Er wusste es nicht. Er wollte es nicht wissen. Sicher war nur, dass er ihren süßen Mund küssen würde, sollte er sie in den nächsten zehn Sekunden nicht loslassen. Mit einem Ruck ließ er sie frei. Für einen kurzen Moment starrte sie ihn an und versuchte ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Sie setzte einen vorsichtigen Schritt zurück, wobei eine Hand nach dem Stuhl suchte und die andere Hand ihren Hals umklammerte. Sie atmete noch heftig. „M-M-Mom?" Gleichzeitig drehten sich beide um. Honey hörte Matt scharf einatmen. Sie zwang sich zu einem Lächeln und ging zu ihrem Sohn hinüber. „Danny, das ist der Cousin deines Vaters, dein ... Onkel Matt." Sie wunderte sich über ihre kontrollierte Stimme. Doch wie würde Matt reagieren? Sein Blick wanderte langsam über die Gesichtszüge, die seinen eigenen sehr glichen. Danny hatte weder Stans noch ihr blondes Haar oder deren helle Haut geerbt. Erkannte Matt seinen Sohn? Abgesehen von einem Zucken an der rechten Lippe versteckte Matt seine Gefühle hinter einer Maske.
„Gib Onkel Matt die Hand", sagte Honey. „Wie g-g-geht es dir?" Danny streckte ihm seine kleine Hand entgegen. Matt nahm sie und wandte den Blick nicht von dem Jungen ab. Als er schließlich lächelte, konnte Honey endlich ausatmen. „Ich freue mich, dich kennen zu lernen." „W-w-warum?" Danny ließ Matts Hand los. Matt schien über diese Frage erstaunt. Er bückte sich, um auf gleicher Höhe zu sein. „Nun, weil dein ... Dad und ich Freunde waren und wir es hoffentlich auch werden." Er warf Honey einen intensiven Blick zu. Ihr wurde klar, dass sie sich zu früh in Sicherheit gewiegt hatte. Er wusste es. Sie sah weg. „Danny, du musst frühstücken. Der Schulbus wird gleich hier sein. Du willst doch nicht an deinem ersten Probentag zu spät kommen wollen?" Matt stand auf. „Probe?" „Für meine Sch-Sch-Schulaufführung", erklärte Danny. „M-M-Mom will, d-d-dass ich mitmache, a-a-aber ich ..." „Erzähl mir nicht, dass du nicht willst." Matt hob überrascht eine Augenbraue. Bevor Honey dazu kam, hatte Matt bereits Milch in eine Schale Cornflakes gegossen und reichte sie Danny. Danny senkte seinen Blick auf den Tisch. „Die K-K-Kinder werden mich au-au auslachen." Matt setzte sich hin und schenkte Danny seine volle Aufmerksamkeit. „Warum sollten die das tun?" Kaum zu glauben, dass er so eine Frage stellt, dachte Honey. War es denn nicht offensichtlich, dass Danny ein Problem hatte? Warum sollte man es ihn noch extra erklären lassen. Sie trat einen Schritt vor, um zu vermitteln. „Weil ich k-k-komisch spreche." Stirnrunzelnd lehnte sich Matt im Stuhl zurück. „Tust du das? Ich habe es nicht bemerkt. Was ist daran so komisch?" „Das reicht, Matt!" Honey konnte es nicht mehr ertragen. „Es ist o. k., M-M-Mom. Ich kann es i-i-ihm sagen." Honey zögerte kurz. „Wenn es dir nichts ausmacht. Aber du musst es nicht jedem erklären", meinte sie. Danny blickte sie an. „Ich w-w-weiß." Dann schaute er, wieder zu Matt hinüber. „Ich stottere." Nachdenklich fragte Matt: „Hm. Gerade eben hast du aber nicht gestottert. Bist du sicher, dass du stotterst?" Danny lachte laut. Wie lange hatte Honey ihren Sohn schon nicht mehr lachen hören? Er schob sich einen großen Löffel Cornflakes in den Mund. Milch tröpfelte aus einer Ecke seines Mundes heraus. Mit seiner Faust wischte er den Tropfen ab und aß weiter. „Bitte benutze die Serviette, Danny." Sie reichte ihm eine gestärkte Stoffserviette. „Erzähl mir von der Aufführung. Was ist deine Rolle?" „Eine T-T-Tomate." Sofort fing er an, von dem Theaterstück „Farmer Jones' Gemüsegarten" zu erzählen, und Matt hörte aufmerksam zu. Honey kam sich plötzlich überflüssig vor. Und das Gefühl gefiel ihr ganz und gar nicht. Gerade beschrieb Danny den Höhepunkt des Stücks, als sie eine Hupe hörten. „Danny, der Bus ist da. Du kannst Onkel Matt später den Rest erzählen." Schnell sprang er hoch, griff nach seinem Ranzen, drehte sich zu Matt um und fragte: „Wirst du h-h-hier sein, wenn ich w-w-wiederkomme?" „Genau hier", versicherte ihm Matt und schenkte ihm ein Lächeln, wie sie es seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Danny strahlte sie beide an. Die Ähnlichkeit mit seinem Vater war verblüffend. Zum zweiten Mal musste Honey sich heute an einem Stuhl abstützen. Froh, einen Grund zu haben, um Matt zu entkommen, begleitete sie ihren Sohn zum Bus. Sie bückte sich zu ihm hinunter und hielt ihm ihre Wange für einen Abschiedskuss hin. Seufzend verdrehte er die Augen und gehorchte ihr, wobei er einen Milchfleck auf ihrer Wange hinterließ. Als sie ihn wegwischte, stellte sie fest, dass Danny zum Esszimmerfenster winkte. Sie drehte sich um und sah, dass Matt die Gardine zur Seite geschoben hatte und Danny beobachtete, wie er in den schwarz-gelben Bus stieg. Matt blickte dem Bus hinterher. „Mein Sohn." Versuchsweise sprach er diese Worte aus. Plötzlich durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz. Sechs Jahre von Dannys Leben hatte er verpasst. Und Honey hatte sie ihm gestohlen. Niemals würde er diese Jahre wiederbekommen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und schlug gegen den Fensterrahmen, um die entsetzliche Qual zu lindern. Am liebsten hätte er sie gefragt, weshalb sie es ihm nie erzählt hatte, aber er fürchtete seine Reaktion. Stattdessen wartete er ab, bis der Schmerz nachließ und er sich wieder unter Kontrolle hatte. Durch die Gardine beobachtete er Honey, wie sie dem Bus hinterherwinkte. Wie konnte eine Frau, die er als süß und gefühlvoll in Erinnerung hatte, so grausam sein? Aber dann fiel ihm ein, dass sie ihm vor sieben Jahren vorgetäuscht hatte, ihn zu lieben, um dann, kaum dass er die Stadtgrenze passiert hatte, seinen Cousin und besten Freund zu heiraten. Als süß und gefühlvoll konnte man Honey Kingston wohl kaum bezeichnen. Entschlossen, die Wahrheit zu erfahren, verließ Matt das Zimmer. Wütend ging er auf die Frau zu, die ihn nicht nur einmal, sondern zwei Mal betrogen hatte, und das auf die grausamste Art und Weise. Vorsichtig, damit sie ihn nicht bemerkte, legte er seine Hände von hinten auf ihre Schultern. Da sie nicht reagierte, drehte er sie zu sich um. „Komm rein. Wir müssen uns über unseren Sohn unterhalten", forderte er sie auf.
3. KAPITEL
Honey sah sich in Amandas riesigem viktorianisch eingerichteten Wohnzimmer um. Vor fast zwei Jahren hatten sie in diesem Raum mit vielen Gästen die Hochzeit ihrer Schwester gefeiert. Jetzt schien das Zimmer selbst für Matt und sie zu klein zu sein, denn so viele unbeantwortete Fragen standen zwischen ihnen. Zaghaft sah Honey zu ihm hinüber. Sie konnte ihm nicht mehr ausweichen. Komischerweise empfand sie es fast als Erleichterung, endlich loszuwerden, was sie so lange bedrückt hatte. Ob es ihr gefiel oder nicht, jetzt war es an der Zeit, das zu tun, was sie schon vor sieben Jahren versucht hatte. Sie spannte die Schultern und sah ihn an. „Was willst du wissen?" Ihre Stimme zitterte. Verdammt! Er sollte nicht merken, in was für einer Verfassung sie war. Sie räusperte sich. „Alles. Beginne am Anfang." Matt stand wartend an der geschlossenen Tür. Die Hände steckten tief in den Hosentaschen seiner Jeans, wodurch der Stoff gespannt wurde. Es fiel ihr schwer, ihren Blick abzuwenden. Sie atmete tief durch und schluckte. „Du hast Recht. Danny ist dein Sohn, nicht Stans." Leise fluchend trat Matt mit großen Schritten auf sie zu. „Das brauchst du mir kaum zu bestätigen. Es gibt Schulfotos von mir, die auch von Danny hätten sein können. Das Kind ist eine Miniaturausgabe von mir. Wie lange wolltest du mich darüber im Dunkeln lassen?" „Das hatte ich nie vor." Sie blickte ihn an. Auch ohne seinen Sarkasmus war die Situation schwer genug. „Willst du es nun hören oder nicht?" Er setzte sich auf einen Stuhl, stützte seine Ellbogen auf die Knie und verschränkte die Hände fest. „Mach weiter. Auf die Entschuldigung bin ich gespannt, mir die Existenz meines Sohnes für fast sieben Jahre vorenthalten zu haben." Dankbar, sich hinsetzen zu können, ließ Honey sich auf das Sofa fallen. „Du hast kein Recht, mir Vorwürfe zu machen. Du bist gegangen, nicht ich. Ich hätte es dir erzählt, wenn du hier geblieben wärest." Matt lehnte sich zurück. Der Punkt ging an sie. Er konnte ihr nicht mitteilen, weshalb er gegangen war. Hätte er ihr sagen sollen, dass er wie ein verschrecktes Kaninchen weggelaufen war, weil sein Vater nichts von ihm hielt und ihre Liebe ihm Angst machte? Selbst wenn er es ihr erzählt hätte, was nützte das jetzt noch? Sie hatte nicht einmal abgewartet, ob er zurückgekommen wäre. Tatsache war, dass sie Stan geheiratet und Matt um seinen Sohn gebracht hatte. „Hast du überhaupt versucht, mich zu finden, oder hast du dir gleich den nächsten Kerl geschnappt, der Geld besaß, und ihm weisgemacht, dass das Kind von ihm wäre?" Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, hätte er sich dafür auf die Zunge beißen können. Er kannte Honey gut genug, um zu wissen, dass sie sich wie eine Auster verschließen würde, wenn er sie zu hart rannahm. Ungläubig starrte sie ihn an. Es kostete sie Überwindung, ihn nicht zu ohrfeigen. Ihre wütende Stimme bestätigte seine Vermutung. „Wie kannst du mir unterstellen, dass ich Stan hereingelegt und ihn nur des Geldes wegen geheiratet habe?" Matt bewegte sich auf gefährlichem Terrain, aber er konnte die Frage nicht zurückhalten, die ihm schon seit Jahren auf der Seele brannte. „Warum hast du ihn denn geheiratet?" Honey wendete sich ab. „Das geht dich nichts an. Wir reden hier über Danny und nicht über meine Ehe mit Stan." Diese Antwort stellte Matt nicht zufrieden, da für ihn beides miteinander zusammenhing. Aber er ließ es stehen - im Moment. So schwer es ihm auch fiel, er musste seine Wut zurückhalten und Honey erzählen lassen. Kopfschüttelnd stand er auf. „Hör zu, es bringt nichts, uns gegenseitig für Dinge anzuklagen, die sich nicht mehr ändern lassen. Erzähl mir, was geschehen ist."
Er hat sich nicht für seine beleidigenden Worte entschuldigt, registrierte sie. Doch seine Meinung konnte ihr letztlich gestohlen bleiben. Sie faltete die Hände im Schoß und sah ihn an. „Ich habe Stan nie hereingelegt. Von Anfang an wusste er, dass Danny nicht sein Sohn war. Trotzdem hat er ihn geliebt, als wäre es sein Kind gewesen." „Das beantwortet noch nicht meine Frage. Warum hast du nicht versucht, mich zu finden?" Um Zeit zu gewinnen, strich Honey über den Bezug der Sessellehne. Sie suchte noch die richtigen Worte. Würde er es glauben, dass sie versucht hatte, ihn zu finden? Dass sie jeden in der Stadt nach ihm gefragt hatte? Doch niemand hatte es gewusst. Die bloße Erinnerung an diese Zeit brachte den Schmerz, ihre Verzweiflung von damals zurück. Sie war vollkommen allein gewesen und hatte nicht gewusst, wo sie hätte hingehen und an wen sie sich hätte wenden können. Das war vielleicht der Grund gewesen, weshalb ihr Stans Freundschaft willkommen gewesen war und weshalb sie später, nachdem ihr Vater sie gedrängt hatte, seinen Heiratsantrag angenommen hatte. Zuletzt fiel ihr nur die einfachste Erklärung ein. „Ich habe es versucht. Aber niemand wusste, wo du hingegangen warst." „Das reicht mir nicht. Mein Vater wusste, wo ich war, Honey. Warum hast du ihn nicht gefragt?" Sie hatte das Gefühl, als wenn die fast verheilte Wunde ihres Herzens mit einem Mal aufgerissen wurde. Hätte Mr. Logan doch nur die Tür geöffnet. Hätte ... Sollte sie Matt sagen, dass sein Vater ein alter, kranker, griesgrämiger Mann gewesen war, der wie ein Einsiedler gelebt hatte? „Ich habe versucht, mit deinem Vater zu sprechen, aber ich glaubte nicht..." „Was glaubtest du nicht? Dass ich mein eigenes Kind wollte?" Matt lief zum Fenster und zog die Spitzengardine zur Seite. Doch nicht, um hinauszusehen. Stattdessen blickte er zurück in die Vergangenheit. Dort sah er einen kleinen Jungen, der vor der Tür stand und darauf wartete, dass sein Vater Notiz von ihm nahm. Er sah einen stolzen Teenager, der seinem Väter einen handgemachten Schlips schenkte, was jedoch kaum Beachtung fand. Er sah einen jungen Erwachsenen, der einem alten, einsamen Mann seine Liebe anbot, um die Lücke auszufüllen, die der Tod der Frau und des Sohnes hinterlassen hatte. Aber diese Liebe wurde weggewischt. Er hörte die Worte Du wirst nie wie dein Bruder sein durch seinen Kopf geistern. Honey wusste nichts von all dem, und er würde es ihr nicht sagen. Langsam schob er die Erinnerungen beiseite. „Also, wie wollen wir jetzt vorgehen? Sollen wir Danny erzählen, dass ich sein Vater bin?" Wie ein Blitz sprang Honey vom Sofa auf. „Nein. Nein, wir können es ihm nicht sagen, zumindest nicht im Augenblick. Dannys Stottern hat mit dem Verlust von seinem ... von Stan zu tun. Dr. Thomas sagt, dass jede weitere emotionale Belastung sein Stottern chronisch machen könnte. Solange wir ihn nicht unter Druck setzen, wird er es überstehen." Matt hatte keine Wahl. Er musste warten, bis Dannys Zustand sich stabilisierte, um ihn dann darüber aufzuklären, dass er sein Vater war. „Wie lange, sagt der Arzt, braucht er Zeit?" Sie löste den Blick von ihm und begann, Blumen in der Vase am Nebentisch zu arrangieren. „Wir wissen es nicht. Vielleicht Monate, vielleicht Jahre." „Und in der Zwischenzeit?" Sie drehte sich zu ihm hin. „In der Zwischenzeit werden wir abwarten und ihn nicht beunruhigen." „Was wohl bedeuten soll, dass wir ihm nichts über mich erzählen." „Ich fürchte, ja." Matt schaute sie lange schweigend an. In ihren Augen konnte er ihr Mitgefühl erkennen.
„Matt, ich weiß, das ist nicht einfach für dich." Bevor er antworten konnte, ging sie zur Tür. Mit einer Hand am Türgriff, meinte sie: „Ich wünschte ..." Er wartete auf den Rest, aber sie beendete den Satz nicht. „Was?" Sekundenlang sah sie ihn an, schüttelte dann aber den Kopf und verließ den Raum. Honey stand in der großen Eingangshalle mit dem Rücken an der Wand gelehnt. Was hatte sie gewünscht? Dass diese sieben Jahre nie gewesen wären? Dass sie niemals Matt Logan kennen gelernt hätte? Dass er diese sieben wunderbaren Jahre von Dannys Heranwachsen miterlebt hätte? Dass ein verbitterter, alter Mann ihr die Tür geöffnet hätte? Dass Matt sie so geliebt hätte wie sie ihn? Sie schob ihre Gedanken beiseite? Die Vergangenheit musste so bleiben, wie sie war unveränderlich. Wichtiger war es jetzt zu überlegen, wie sie Amanda beibringen sollte, dass Danny Matts Sohn und nicht ihr Enkelkind war. Amanda hatte nach Stans Tod Danny in den Mittelpunkt ihres Lebens gestellt. Wie würde sie die Neuigkeit aufnehmen? Mit Recht hatte sich Honey vor Matts Rückkehr gefürchtet. Das Leben war vorher so einfach gewesen. Kaum war er einen Tag da, schon war nichts mehr so wie früher. Sie seufzte und wollte gerade in die Küche gehen, als sie das Summen von Amandas Sessellift hörte. Sofort holte sie den Rollstuhl aus der Nische und schob ihn ihrer Schwiegermutter hin. „Amanda, warum hast du mich nicht gerufen? Ich hätte dir doch beim Anziehen helfen können." „Warum? Damit du das Unvermeidliche hättest vermeiden können?" Sie stemmte sich selbst vom Sessellift in den Rollstuhl und bedeckte ihre Beine mit einer Decke. Mit einem wissenden Blick beobachtete sie Honey. „Komm ins Esszimmer und trink eine Tasse Kaffee mit mir, während ich frühstücke." Geschickt manövrierte sie den Rollstuhl, den sie schon fünf Jahre benutzte, durch die Esszimmertür zum Tisch. Honey füllte ihr einen Teller auf. Als sie mit dem üblichen Frühstück, bestehend aus Obst und Toast, zu ihr trat, umfasste Amanda Honeys freie Hand. „Hast du es ihm gesagt?" „Was gesagt?" „Das über Danny?" Honey seufzte. „Du meinst Dannys Stottern." „Doch nicht das. Hast du ihm gesagt, dass Danny sein Sohn ist?" Nur mit größter Konzentration schaffte es Honey, den Teller sicher auf dem Tisch abzusetzen, ohne ihn fallen zu lassen. Sie ließ sich schwer auf den Stuhl fallen und starrte Amanda an. „Woher..." Amanda kicherte, ließ Honeys Hand los und legte sich eine Serviette über den Schoß. „Liebes, ich habe das schon lange vermutet. Je älter das Kind wurde, desto mehr glich es Matt als Junge. Ich wusste, dass du mit Matt zusammen gewesen warst, bevor er die Stadt verließ, und den Rest konnte ich mir zusammenreimen." Honey traute ihren Ohren nicht. Wie hatte sie in den letzten sechs Jahren gezittert, dass niemand, vor allem Amanda, bemerken möge, dass Matt Dannys Vater war. Sie hatte an dem Geheimnis festgehalten, obwohl es schon längs keines mehr war. „Wer weiß es sonst noch?" Amanda schmierte sich Marmelade auf den Toast. „Vielleicht noch Tess. Aber sie hat mir nie etwas gesagt. Du kannst davon ausgehen, dass es sonst niemand weiß, ansonsten würde die ganze Stadt davon reden." Gott sei Dank war sie kein Stadtgespräch. Trotzdem hatte sie Amanda gegenüber Schuldgefühle. Stan hatte damals darauf bestanden, es vor seiner Mutter geheim zu halten.
Erst Jahre später hatte sie verstanden, dass es wenig mit Rücksichtnahme Amanda gegenüber, aber eine Menge mit seinem männlichen Ego zu tun gehabt hatte. „Es tut mir so Leid, dass wir dir nicht die Wahrheit gesagt haben. Stan wollte es nicht, und nach seinem- Tod hattest du genug Sorgen. Da wollte ich dir nicht auch noch sagen, dass du nicht nur einen Sohn, sondern auch deinen Enkel verloren hattest." Amanda legte die Gabel beiseite und drehte sich zu Honey. „Ich werde nie mein Enkelkind verlieren. Dieses Kind hat seinen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Es steht mir so nahe, als wenn Stan der Vater gewesen wäre." Tränen stiegen ihr in die Augen. Dieses Bekenntnis rührte Honey zutiefst. „Da sind sich Matt und ich einig. Danny wird dein Enkelkind bleiben, solange ihr beide es so haben wollt." Sie küsste Amandas Wange. „Ich danke dir." „Ist schon gut." Amanda tat es mit einer Handbewegung ab. „Sieh mal nach, ob Tess frischen Kaffee gemacht hat." Solche gefühlvollen Szenen waren nichts für Amanda. Daher ging Honey in die Küche, nicht ohne sich vorher zu fragen, womit sie eine solch wundervolle Frau in ihrem Leben verdient hatte. Matt fuhr mit einem Tuch über den glänzenden Lack seines Motorrads. Etwas anderes* als ein gefülltes Bankkonto, ein lahmes Bein und diese Maschine hatten ihm die Jahre beim Rodeo nicht gebracht. Bisher schien das ein Muster in seinem Leben gewesen zu sein - nichts vorweisen zu können. Aber jetzt hatte er Danny. Matt polierte weiterhin den Lack und ließ dabei seiner Fantasie freien Lauf. Er stellte sich vor, Danny geduldig das Reiten, das Baseballspielen und das Motorradfahren beizubringen. Alles, wovon jeder Vater träumte, es seinen Sohn zu lehren - jeder Vater außer Kevin Logan. Matts Vater hatte nur von der Frau, die er durch Brustkrebs verloren hatte, und von dem Sohn, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, geträumt. Und wie er Matt zu Jamie, seinem verstorbenen Bruder, machen könnte. In Gedanken stellte sich Matt ein Leben mit Danny vor. Nur Honey passte nicht in dieses Bild. Nie wieder sollte eine Frau Teil seines Lebens werden. Hätte er sich nicht schon gegen die Liebe entschieden, als er damals gegangen war? Und niemals würde er versuchen, die Erwartungen irgendeines anderen Menschen zu erfüllen. Das konnte nur zu Enttäuschungen auf beiden Seiten führen. Er wünschte nur, dass Danny ihn bald Dad nennen würde. Doch er verstand Honeys Sorge. Matt hatte nach dem Tod seiner Mutter selbst gestottert. Nur einer geduldigen Lehrerin war es zu verdanken gewesen, dass er es überwunden hatte. Und Matt würde Danny dabei helfen, ob es Honey gefiel oder nicht. Amanda ergriff Matts große Hände und lächelte ihn liebevoll an. „Mein Gott, wie ich dich vermisst habe, Matthew." In vielerlei Hinsicht erinnerte er sie an Stan. Seine breiten Schultern, seine starken Hände mit dem sanften Griff. Aber es gab auch viele Gegensätze. Stan war immer zum Lachen und zu Spaßen aufgelegt gewesen, während Matt nachdenklich und ruhig war. Matt war zu einem Mann herangewachsen. Stan hingegen war weiterhin ein großes Kind geblieben, und sein jungenhafter Leichtsinn hatte ihn letztlich das Leben gekostet ... Bei dem Gedanken stiegen Amanda Tränen in die Augen. Sofort schob sie die Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf Matt. Einer der Gründe, weshalb sie Danny als ihren Enkel akzeptiert hatte, war, weil sie Matt immer schon als ihren zweiten Sohn betrachtet und ihn genauso geliebt hatte wie Stan! Matts wortloses Verschwinden hatte sie damals verletzt. Doch sie hatte Kevin Logan gekannt und sich nur gewundert, wie Matt es so lange bei ihm ausgehalten hatte. „Amanda, es tut mir so Leid, dass ich nicht ..."
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Ich sagte bereits, keine Reue, Matt. Ich weiß, warum du nicht zum Begräbnis gekommen bist, und ich verstehe es." Dankbar küsste er ihre Wange. Zögernd berichtete er: „Ich weiß das über Danny." „Honey hat es mir erzählt. Ich bin froh, dass die Sache geklärt ist", sagte Amanda lächelnd. „Amanda ... warum hat Honey Stan geheiratet? War es nur wegen Danny?" Nachdenklich glättete sie die Decke über ihren Beinen. „Nein, aber das ist alles, was ich zu diesem Thema sage. Das geht nur dich und Honey etwas an. Ich habe kein Recht, ihre Geschichte zu erzählen." Ungeduldig runzelte Matt die Stirn. „Du hattest kein Problem damit, mich einzuladen, obwohl du wusstest, dass ich herausbekommen würde, dass Danny mein Sohn ist." Sie schüttelte ihre perfekt frisierten Haare. „Ach, das war nur ein unschuldiger Versuch, zwei dickköpfige Menschen dazu zu bewegen, sich ihren Problemen zu stellen. Ich bin eine alte Frau, die sich ein wenig einmischt. Wie auch immer, ich werde keine Vertraulichkeiten ausplaudern." Es wurmte ihn, dass Honey sich ihr anvertraut hatte und ihm nicht. Sie traute ihm nicht. „Dann hat sie dir alles erzählt?" „Nicht alles." „Also ..." „Ich bin zwar alt, aber nicht dumm. Ich habe mir meinen eigenen Teil gedacht, und Honey hat heute Morgen einige Lücken gefüllt." Ernst fügte sie hinzu: „Denk daran, Matt, du bist nicht der einzige Mensch mit Problemen auf der Welt." Was sollte das jetzt bedeuten? Bevor er fragen konnte, fuhr sie fort: „Was wirst du jetzt mit deinem Sohn anfangen?" Matt hatte fast den ganzen Tag damit verbracht, über Danny nachzudenken. Auf jeden Fall wollte er Teil seines Lebens sein. „Ich bin mir nicht sicher. Aber ich werde nicht aus seinem Leben verschwinden, egal was passiert." Er seufzte tief und stand dann auf. „In der Zwischenzeit werde ich mir mein Haus ansehen und schauen, was zu tun ist. Ich komme rechtzeitig zum Abendessen zurück." Amanda sah den Schmerz in seinem Gesicht und schüttelte den Kopf. Sie hatte nie daran gezweifelt, dass Matt am Leben seines Sohnes teilhaben wollte. Aber hatte er verstanden, dass er erst sich selbst lieben müsste, um sein Kind lieben zu können - und vielleicht auch die Mutter des Kindes? Durch das Fenster beobachtete sie ihn, wie er die Katze von seinem Track verscheuchte, einstieg und losfuhr. Zum ersten Mal seit Matts Heimkehr überlegte sie, ob sie richtig gehandelt hatte. Würden die alten Wunden verheilen, oder würde es neue geben?
4. KAPITEL
Matt hörte das laute Motorengeräusch, aber es verscheuchte nicht die Gedanken an seine Kindheit, die ihm durch den Kopf gingen, Erinnerungen, die ihn von der Minute an überfielen, als er auf die Auffahrt seines früheren Elternhauses einbog. Verkrampft umfasste er das Lenkrad und starrte auf das verwitterte Gebäude. Die alten Geister meldeten sich wieder. Er erkannte den Baum, den seine Mutter und er an seinem fünften Geburtstag gepflanzt hatten. Oder die Verandaschaukel, wo er seinem Vater den handgemachten Schlips überreicht hatte, der kaum beachtet wurde. Viel mehr hatte er sich über die Fußballkarten von Jamie gefreut. Sein Vater hatte von ihm erwartet, dass er wie sein Bruder Jamie werden sollte. Diese Erwartung hatte er, trotz größter Anstrengung, nie erfüllen können. Irgendwann hatte er den aussichtslosen Kampf aufgegeben. Seufzend stieg er aus seinem Truck und ging auf den einzigen Platz zu, den er schon als Kind geliebt hatte - das Gewächshaus seiner Mutter. Unkraut säumte den Weg dorthin. Als er auf der Rückseite des Hauses ankam, setzte das lästige, laute Motorengeräusch wieder ein. Neugierig geworden, verlangsamte er seinen Schritt und schaute um die Ecke. Der Rasen hinter dem Haus war gemäht und die Kanten ordentlich getrimmt. Ein stattlicher Mann in einem Overall beseitigte mit einem lauten Gerät das Unkraut um das Gewächshaus herum, dessen Glas erst kürzlich gereinigt worden war. Matt sah sich den Mann genauer an. Als er seine Steuern vor nicht einmal einer Stunde bezahlt hatte, hatte ihm der Angestellte gesagt, dass das Haus jetzt ihm gehöre. Wer also war der Kerl? Plötzlich stoppte die laute Maschine, und der Mann drehte sich zu ihm um. Sofort erkannte Matt Sam Thatcher, seinen Nachbarn und alten Freund. „Matt, mein Junge. Als sie erzählten, dass du zurückkommen würdest, konnte ich das kaum glauben." Er stellte die Maschine an der Wand ab und reichte ihm seine dicke Hand. Sein lächelndes Gesicht wurde plötzlich ernst. „Wie ist es dir ergangen, Junge?" Matt freute sich, nahm- seine Hand und schüttelte sie. „Mir geht es gut, Sam, aber was zum Teufel machst du hier?" Er deutete auf den gemähten Rasen. Der ältere Mann schob seine Baseballmütze auf seiner Glatze zurecht. „Ach, du kennst ja Alma. Sobald sie von Mildred Henderson gehört hat, dass du zurück bist, hat sie darauf bestanden, dass ich hier schon mal aufräume." Verlegen sah er sich seine Arbeit an. „Obwohl ich das selbst nicht glauben konnte, hat Alma immer gesagt, dass deine Wurzeln hier wären und du zurückkehren würdest, sobald du dich ausgetobt hättest." Er nahm seine Mütze ab und kratzte sich seine Glatze. „In mehr als sechsundvierzig Jahren hat sie sich nicht einmal geirrt. Nicht einfach, mit einer Frau zusammenzuleben, die immer Recht hat." Doch Matt wusste, wie sehr er seine Frau liebte. Für einen Moment beneidete er ihn darum. Während Sam erzählte, erinnerte sich Matt gerne an die Zeit seiner Kindheit zurück, als er bei Alma in der Küche gesessen und heiße Schokolade getrunken hatte. Die Thatchers hatten keine eigenen Kinder und kümmerten sich deshalb rührend um die Jungen und Mädchen aus der Nachbarschaft. Kekse und Milch hatten immer für sie bereitgestanden. „Das Gewächshaus braucht einige neue Scheiben. Was hast du damit vor, Matt?" Matts Blick glitt zum Glashaus hinüber. „Ich bin mir nicht sicher. Noch nichts Konkretes." „Matthew Logan! Gott im Himmel. Bist du das?" Eine aufgeregte Frau mit einer hohen Stimme tauchte auf. Schnell eilte sie in ihrem blassen pinkfarbenen Kleid mit passendem Hut auf ihn zu. Alma Thatcher hatte sich überhaupt nicht verändert. Schwer atmend hielt sie vor Matt und starrte ihn an.
„Du bist aber ein hübscher Kerl geworden, Matthew." Bevor Matt antworten konnte, umschlang sie ihn mit ihren Armen und küsste seine Wangen. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Schön, dass du wieder zu Hause bist. Es hat zu lange leer gestanden. Das Haus braucht eine Familie." Sie trat zurück und blickte sich um, als wenn sie nach seinem Anhang Ausschau hielte. Lächelnd drückte Matt ihre Hand. „Nun, das mit der Familie muss noch ein wenig warten." Plötzlich schoss ihm das Bild von Honey und Danny durch den Kopf. Schnell verdrängte er es. „Alles zu seiner Zeit." Sie drehte sich zu ihrem Ehemann um. „Sam, dein Lunch ist fertig, und ich muss los zu meinem Treffen vom Bücherclub. Am besten, du gehst jetzt ins Haus, bevor die Katze dein Thunfischsandwich verspeist." „Kein Grund zum Nörgeln, Frau, ich gehe ja schon." Sam milderte seine Worte mit einem Kuss auf ihre rosige Wange ab und wendete sich noch mal Matt zu. „Schön, dich wieder hier zu haben, Junge. Schau mal bei uns rein. Nach dem Essen mach ich bei dir weiter." Da Matt wusste, dass es zwecklos war, ihn davon abzuhalten, nickte er kurz und sagte: „Das werde ich tun, Sam. Und vielen Dank für deine Hilfe." Mit einer Handbewegung tat Sam das ab und ging in sein Haus. Alma, die neben ihm stand, legte eine Hand auf seinen Arm. „Zorn ist wie Unkraut im Garten. Wenn du es wachsen lässt, wird es sehr bald die Liebe ersticken. Falls du planen solltest, dich hier niederzulassen und glücklich zu werden, musst du den Zorn und den Schmerz gehen lassen." Verwirrt runzelte er die Stirn und ließ seinen Blick kurz auf dem Gewächshaus seiner Mutter verweilen. Zu seiner Überraschung war Alma schon gegangen, bevor er sie fragen konnte, was sie damit meinte. Honey fuhr die Thatcher Lane entlang. Seit langer Zeit war sie nicht mehr hier gewesen. Was suche ich hier eigentlich? fragte sie sich. Dann sah sie Matts schwarzen Wagen in der Auffahrt seines Hauses stehen. War sie absichtlich hergefahren, um ihn zu sehen? Sie schüttelte den Kopf und drückte das Gaspedal durch, entschlossen, vorbeizufahren. Aber ihr Fuß schien seinen eigenen Willen zu haben, denn er trat auf die Bremse. Sie parkte ihr Auto hinter Matts Truck. Was jetzt? Um Zeit zu gewinnen, schaute sie sich Matts Haus an. Bis auf einen Farbanstrich, der dringend nötig war, hatte sich nicht viel geändert. Aus unerklärlichen Gründen fühlte sie sich von diesem Haus angezogen. Schon als junges Mädchen hatte sie sich hier wohl gefühlt. Matt war nirgends zu entdecken. Dann sah sie zu dem Thatcher-Haus hinüber. Nette Leute. Es war ungerecht, dass Menschen, die Kinder so sehr liebten, selbst keine eigenen bekommen konnten. Und ihr Vater war gleich mit drei Kindern gesegnet worden, obwohl er sie kaum hatte ertragen können. Das Leben war nicht fair. Langsam öffnete sie die Wagentür und stieg aus. Sie musste mit Matt sprechen. Vielleicht könnte sie dadurch die Spannung zwischen ihnen mildern, eine Spannung, die auch Danny spüren musste und die seine Probleme verschlimmern könnte. Schließlich mussten sie noch einige Wochen unter einem Dach zusammenleben. Es wäre für alle Beteiligten, vor allem für Danny, von Vorteil, wenn sie offener miteinander umgehen könnten. Entschlossen zog sie ihr rotes T-Shirt glatt. Sie schloss ihr Auto ab und bemerkte dann, dass der Rasen neben dem Haus gemäht war. Matt? Tief durchatmend ging sie am Haus vorbei. Als sie die Hausecke erreichte, sah sie, dass die Tür des Gewächshauses offen stand. Drinnen bemerkte sie Matt, mit einer verrosteten Gartenkelle in der Hand, tief in Gedanken versunken. Noch könnte sie weggehen, denn er hatte noch keine Notiz von ihr genommen.
Aber irgendetwas rührte sie. Etwas, das sie wie angewurzelt stehen ließ. Etwas, das sie sprechen ließ. „Matt?" Er sah nicht auf. „Ich habe ihr am Muttertag einen Satz Gartengeräte geschenkt, ein Jahr, bevor sie starb." Seine Stimme klang leise, fast tonlos. „Sie sagte, dass es ihr schönstes Geburtstagsgeschenk gewesen sei, weil ich mir das Geld dafür selbst erarbeitet hatte, ohne meinen Vater darum zu bitten." Honey wusste nichts dazu zusagen. Daher schwieg sie. Aber ihr Herz flog zu dem kleinen Jungen, der immer noch um seine Mutter trauerte. Das brachte ihr eine Szene in Erinnerung. Ihr Halbbruder Jesse war damals nach dem Tod seiner Mutter von einem Sozialarbeiter zu ihnen gebracht worden. Jesse hatte genauso einsam und verloren ausgesehen. Plötzlich empfand sie starkes Mitgefühl für Matt. „Du hast sie sehr geliebt." Er nickte. „Ja. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre ich schon als kleines Kind durchgebrannt." Die nächste Frage konnte sich Honey nicht verkneifen. „Warum bist du fortgegangen, Matt?" Er streifte sie mit einem Blick und warf die Kelle auf den verrotteten Holztisch. Nie zuvor hatte er jemandem von diesem Teil seines Lebens berichtet, aber das Mitgefühl in ihren Augen sagte ihm, dass sie Verständnis für ihn hatte. Doch für das, was sie ihm angetan hatte, würde er niemals Verständnis aufbringen. „Ich konnte nicht mit meinem Vater und den Erinnerungen an meinen Bruder leben." Er griff nach einem Tontopf. „Ich habe es versucht. Gott, was habe ich es versucht. Aber ich konnte niemals so sein, wie er es wollte." „Und das wäre?" „Jamie. Er wollte, dass ich so wäre wie mein Bruder." Wütend warf er den Tontopf auf den Tisch. Er zerbrach in große Teile. Matt starrte auf die Scherben und lachte humorlos. „Mein Bruder war das typisch amerikanische Kind. Erfolgreich im Sport, gewann viele Pokale und war Klassenbester. Nur eins konnte er nicht so gut - am Leben bleiben." Honey trat einen Schritt auf ihn zu. „Wie ist er gestorben? Da er so viel älter war als wir, habe ich ihn nie kennen gelernt." „Er wollte unbedingt fliegen lernen. Mein Vater war so stolz auf ihn und beteiligte sich am Kauf eines Flugzeuges zu seinem achtzehnten Geburtstag ..." Matt seufzte und musste wegschauen. „Er stürzte sofort damit ab und kam ums Leben." In seinen Ohren klangen die Worte hart und emotionslos, aber er fühlte immer noch den tiefen Schmerz. „Danach hat mein Vater versucht, aus mir Jamie zu machen. Das Witzige daran war, je mehr er es versuchte, desto schlechter wurde ich." „Aber du warst doch noch so jung damals. Was hatte das mit deinem Verschwinden zu tun?" Er stützte sich am Holztisch ab. „Es hörte nicht auf. Er versuchte es immer härter, und ich versagte kläglich. Es war ein Teufelskreis. Nachdem meine Mutter gestorben war, starb auch die Schutzzone zwischen uns. Wir konnten uns kaum noch ansehen. Wir wurden Fremde." Er stellte sich wieder gerade hin. „Wenn ich schon mit einem Fremden zusammenleben musste, hatte ich mich entschlossen, dann sollte es wenigstens einer sein, der nicht ständig über mich urteilte." „Deshalb bist du gegangen?" „Deshalb und wegen anderer Gründe." „Und die wären?" Matt ließ die Frage unbeantwortet. Sie würde die Antworten nicht verstehen, und die waren jetzt auch belanglos. „Wartet Danny nicht auf dich?" Honey schaute auf ihre Uhr. „Ich habe noch einige Stunden Zeit. Wo bist du überhaupt hin?"
„Ich kenne mich mit zwei Dingen recht gut aus, um daraus einen Job zu machen - Pferde und Pflanzen. Da Texas nicht viel mit Landschaft zu tun hat, bin ich zum Rodeo gekommen." Er ging an ihr vorbei. Sein Humpeln schien stärker zu sein als am Morgen. Sie sah auf sein verletztes Bein und suchte seinen Blick. „Rodeo? Ist das nicht gefährlich?" „Nicht gefährlicher, als eine stark befahrene Straße zu überqueren." Einen Augenblick sah er sie intensiv an. „Alles hat seine Risiken, Honey." Dieser Kommentar ärgerte sie. „Was meinst du damit?" Schulterzuckend öffnete er die Tür des Gewächshauses. „Das ist dir überlassen, denke ich." Er ging auf sein Haus zu. Doch sie machte keine Anstalten, ihm zu folgen. Stattdessen lauschte sie dem Summen der Insekten und dem Gesang der Vögel. Was hatte er damit gemeint? Plötzlich breitete sich in ihr ein ungutes Gefühl aus. Mit all diesen unglücklichen Erinnerungen würde er niemals bleiben. Es war dumm von ihr gewesen, sich Hoffnungen zu machen. Aber warum wollte sie ihn überhaupt um sich haben? Er hatte nichts mit ihr zu tun. Er war nur Dannys Vater. Außerdem hatte er die Veranlagung, bei Konflikten davonzulaufen. Und das Letzte, was Honey gebrauchen konnte, war ein Mann, der sich nicht seinen Problemen und Verantwortungen stellte. Den Weg war sie schon einmal gegangen. Sie musste ihn nicht noch einmal wiederholen. Den ganzen Nachmittag arbeitete Matt hart, um Honeys mitfühlenden Blick zu vergessen, der ihn schon die ganze Zeit verfolgte. Ein Blick, der besagte, dass sie ihn verstanden hätte, wäre er nur nie davongelaufen. Diese Gedanken machten ihn verrückt. Sie würde nie verstehen, dass ihre Liebe ihn zu Tode geängstigt hatte, so dass er weglaufen musste. Plötzlich wurde ihm bewusst: Er hatte Angst gehabt, nicht nur seinen Vater, sondern auch Honey zu enttäuschen.
5. KAPITEL
Beim Abendessen erzählte Danny von seinem Schultag. Amanda hörte interessiert zu. Nur Honey war mit ihren Gedanken weit weg. Die Unterhaltung mit Matt ging ihr nicht aus dem Kopf. Ihre Unaufmerksamkeit blieb Amanda nicht verborgen. „Geht es dir gut, Liebes?" flüsterte Amanda ihr zu. Es wird mir erst wieder gut gehen, wenn Matt gegangen ist, dachte Honey. Und dass er gehen würde, wurde ihr langsam klar. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ja, keine Sorge. Ich bin nur ein wenig müde." Sekundenlang verharrte Amandas Blick auf ihr, bis sie dann wieder von Danny abgelenkt wurde. Ein Motorengeräusch ließ Honey aus dem Fenster sehen. Matts Truck kam draußen zum Stehen. Er hatte seine Verspätung vorher angekündigt und gesagt, dass sie nicht mit dem Essen auf ihn warten sollten. Honey hatte gehofft, dass sie ihn dann nicht mehr sehen würde und Danny bereits im Bett wäre. Aber wie gewöhnlich kam es anders als gehofft. Gleichzeitig schien sie auf ihn gewartet zu haben - was völlig absurd war. Um Himmels willen, sie musste sich zusammenreißen. Also konzentrierte sie sich auf ihr Essen und tat so, als wenn sie nicht wüsste, wer gleich hereinkommen würde. Kurze Zeit später erschien Matt entschuldigend im Esszimmer. Aber nur, um gleich wieder im Treppenhaus zu verschwinden. Langsam atmete Honey die angehaltene Luft wieder aus. Auch ihr Herzschlag wurde ruhiger. „Danny, hör bitte auf, mit dem Essen zu spielen. Du musst bald ins Bett gehen." „Aber M-M-Mom. Es ist noch f-f-früh. Gram hat mir v-v-versprochen, mit mir ein V-VVideo zu sehen, bevor ich ins B-B-Bett gehe." Amanda warf ihr einen fragenden Blick zu. Draußen schien noch die Sonne. Schwach lächelnd zuckte Honey die Schultern. „Na gut, von mir aus. Aber vorher wird aufgegessen." Bevor Amanda wieder Fragen stellen konnte, fügte sie hinzu: „Du kennst ja deinen Enkel. Immer spielt er mit seinem Essen herum." Amanda warf einen viel sagenden Blick auf Honeys Teller, auf dem noch Kartoffelpüree, Erben, Soße und ein Stück Roastbeef lagen. Lächelnd meinte Amanda: „Der Apfel scheint nicht weit vom Stamm zu fallen, oder?" Honey fühlte sich ertappt. Wie konnte sie ihr erklären, was sie selber nicht verstand? Ihre Gefühlswelt war aus den Fugen geraten. Jedes Mal, wenn Matt den Raum betrat, schien ihr Verstand durch das geschlossene Fenster zu fliegen. Das musste aufhören. Amanda legte eine Hand auf ihren Arm und riss sie so aus ihren Gedanken. „Bist du sicher, dass dir nichts auf der Seele liegt? Du scheinst so ... abgelenkt und angespannt." Um zu beweisen, dass es ihr gut ging, schüttelte Honey den Kopf und löffelte das Essen in den Mund. Das Schlucken fiel ihr schwer. Schritte waren vor der Esszimmertür zu hören. Geduscht und mit frischer Kleidung betrat Matt den Raum. Fast hätte Honey sich an dem Essen verschluckt. Sein Haar war noch nass, und ein winziger Wassertropfen fiel auf seinen muskulösen Arm. Es juckte ihr in den Fingern, diesen Tropfen aufzufangen und ihn an ihre Lippen zu führen. Ob er wohl nach ihm schmecken würde? Dannys Augen strahlten, und lächelnd begrüßte er seinen vermeintlichen Onkel. „Hi, Onkel M-M-Matt!" „Hey, Sportsfreund. Was ist los?" Matt zerwühlte Dannys Haar, dann setzte er sich neben ihn, direkt Honey gegenüber. „Wie war deine Probe heute?"
Honey hörte nicht weiter zu. Stattdessen wunderte sie sich, wie ähnlich sich die beiden sahen. Danny hatte Matts Grübchen am Kinn geerbt. Und wie seinem Vater fiel auch Danny eine Haarsträhne in die Stirn. Meine Güte! Sie hielten sogar ihre Gabeln auf die gleiche Art und Weise. Die Ähnlichkeit war fast unheimlich. Es war einfach entnervend. „Honey?" Vor Schreck zuckte sie zusammen. Matt starrte sie erwartungsvoll an. „Was ist?" „Wenn du aus deinen Tagträumen zurückkehrst, würdest du mir dann bitte die Kartoffeln reichen?" Wütend sah sie ihn an und gab ihm dann die Schüssel mit den Kartoffeln. „M-M-Mom träumt nicht. Sie ist nur m-m-müde. Sie sagt, dass T-T-Tagträumer in einer F-F-Fantasiewelt leben." „Danny, sprich langsam und iss endlich diese Erbsen auf." Honey vermied es, Matts Blick zu begegnen, und faltete nervös ihre Serviette neu. „Ach, M-M-Mom, E-E-Erbsen sind eklig. Außerdem isst Onkel M-M-Matt auch keine." Matt sah von Honey zu seinem Sohn. „Die rühre ich niemals an. Ebenso wenig wie Leber." Er erschauderte. „Was hältst du davon, gegen alles, was klein, grün und rund ist, zu streiken?" Matt griff nach Dannys Teller und kratzte die Erbsen in eine leere Schüssel. Danny grinste. „Okay." Er hob seine Hand, damit Matt ein^ schlug. Beide brachen in lautes Gelächter aus. Amanda stimmte mit ein. Honey fand das weniger komisch. Wie konnte er es wagen, ihre Autorität vor ihrem Sohn zu untergraben? „Nun, ich bin deine Mutter, und ich sage, dass du die Erbsen essen wirst, oder es gibt kein Video heute Abend." Ihr Ton überraschte sie selber. So hatte sie noch nie zu ihrem Sohn gesprochen. „Ach, Honey, reg dich ab", meinte Matt. „Erbsen bedeuten nicht das Ende der Welt. Selbst Präsident Bush mochte keinen Brokkoli, und trotzdem hat er das Land regiert." Drei Augenpaare starrten sie an. Sie wollte sich nicht vor Danny mit Matt streiten. Außerdem ging es hier nicht um Erbsen. Er konnte doch nicht plötzlich in das Leben des Kindes treten und die Führung übernehmen. Als Dannys Mutter würde sie entscheiden, was gut für ihn wäre. Und, verdammt noch mal, Erbsen waren gut für ihn. Schweigen breitete sich aus. Verwirrt runzelte Amanda die Stirn. Matt starrte sie missbilligend an. Doch nur die feuchten himmelblauen Augen ihres Sohnes konnten Honey erweichen. Was war wichtiger, ein bisschen grünes Gemüse oder Danny? Es ärgerte sie nur, dass Matt das zuerst erkannt hatte. „Na gut. Aber es ist das letzte Mal, dass das durchgeht, junger Mann", ermahnte sie ihren Sohn streng. Dann warf sie Matt einen Das-besprechen-wir-später-Blick zu, den er mit einem Darauf-kannst-du-wetten-Blick beantwortete. Honey nahm die Herausforderung schweigend an. Sie stand auf und räumte den Tisch ab. Matt saß auf dem Balkon seines Schlafzimmers und konnte nicht schlafen. Er massierte sein verletztes Bein. Langsam ließen die Schmerzen nach. Erleichtert lehnte er sich in seinem Sessel zurück und lauschte den vertrauten Geräuschen der Nacht, dem Bellen eines Hundes, dem Zirpen der Grillen. Zufrieden schloss er die Augen. Wie hatte er diesen Frieden vermisst. Der wiederkehrende Schmerz in seinem Oberschenkel erinnerte ihn an seine tägliche Pflicht. Resignierend erhob er seinen müden Körper und humpelte in das Zimmer. Mit einer Schachtel Verbandsmaterial setzte er sich auf den Bettrand. Vorsichtig zog er die Jeans aus, legte seinen Fuß auf einem Stuhl ab, entfernte den Verband und besah sich die Wunde im Licht der Nachtlampe.
Sie schien ohne Probleme zu heilen. Allerdings war der Muskel schwer beschädigt worden, und seine Heilung würde wesentlich länger dauern. Der Chirurg hatte Matt darauf hingewiesen, dass er eventuell sein Humpeln behalten würde. Matt schmierte eine Salbe auf die verwundete Stelle, und anschließend deckte er sie mit Pads ab. Nun folgte der komische Teil der Behandlung. Es gelang ihm nicht, sein Bein mit einer Mullbinde zu umwickeln, ohne dass die Pads herunterfielen. Ständig landeten sie auf dem Boden. „Verdammt!" Er griff nach einem neuen Pad und wünschte sich, drei Hände zu haben. Er wiederholte die Aktion, bis sie ihm erneut auf den Boden fielen. „Darf ich?" Matt hob den Kopf an. Honey stand, mit sanft gerötetem Gesicht, am Türrahmen und blickte auf die Binde. „Das heißt, wenn es dir recht ist?" „Gern." Er überreichte ihr die Mullbinde. „Wenn ich irgendetwas in den letzten zwei Wochen gelernt habe, dann das, dass ich garantiert keine Karriere als Krankenpfleger machen werde." Honey legte die Binde zur Seite und hockte sich behutsam vor ihm hin. Sie ersetzte das Pad, das heruntergefallen war, durch ein sauberes. Ihre warmen Finger berührten seine Haut. Ganz wie früher, als sie ihn gestreichelt hatte, fiel es ihm ein. Ein Prickeln in der Leistengegend ließ ihn zusammenzucken. Honey hielt inne und sah ihn besorgt an. „Hab ich dir wehgetan?" Er schüttelte nur den Kopf, da er seiner Stimme nicht traute. „Halt das mal." Sie nahm seine Hand und platzierte seine Finger an den Ecken der Pads. Dann lehnte sie sich vor, so dass sie fast seinen Oberschenkel berührte. Das Prickeln kehrte zurück und breitete sich in seinem unteren Bauchbereich aus. Er hielt die Luft an. So unauffällig wie möglich griff er nach einem Kissen und legte es auf seinen Schoß. Vielleicht war das nicht die beste Idee. Er beobachtete, wie sie die Mullbinde um sein Bein wickelte. Ihre Hände zitterten leicht. Sie hatte schon viele Wunden gesehen, um beurteilen zu können, dass diese hier sehr ernst war und auch den Verlust des Beines hätte bedeuten können. Ihre eigenen Beine fühlten sich plötzlich wie gekochte Spaghetti an. Angestrengt konzentrierte sie sich auf ihre Tätigkeit. Das half ihr ein wenig. Sie spürte seinen anderen Oberschenkel an ihrem Bein, und das breite Bett, auf dem sie saßen, bekam plötzlich eine neue Bedeutung. Wenn sie ihre Gedanken nicht bald ablenkte, wer weiß, wie diese kleine Szene dann enden würde. „Wann werden die Fäden gezogen?" Hoffentlich klingt meine Stimme nicht so unsicher, wie ich mich fühle, dachte sie. „In einer Woche oder so." „Ich kann das erledigen, wenn du willst." Warum hatte sie das angeboten? Wüsste sie denn nicht, dass nur Distanz zu ihm sie vor seinem Charme schützte? „Du hast den Job. Danke." „Mach dir keine Sorgen. Es wird nicht wehtun. Ich bin sehr vorsichtig. Man sagt mir Feingefühl nach." „Daran kann ich mich noch gut erinnern", meinte er mit einer tiefen, gepressten Stimme. Tief errötet befestigte sie schnell die Enden des Verbandes. „So. Das wäre erledigt." Unsicher trat sie einige Schritte zurück und stieß dabei gegen die Tür. Sie fiel ins Schloss. Peinlich berührt wünschte sie sich, er würde irgendetwas überziehen, statt dieses lächerliche Kissen auf seinem Schoß zu halten. Etwas, das seinen straffen Körper bedecken würde, seine gebräunte Haut und seine ...
Schnell, bevor sie ihren Gefühlen nachgeben und sich ihm in die Arme stürzen würde, überlegte sie angestrengt, warum sie gekommen war. Danny. Sie musste sich nur auf ihren Sohn besinnen. Matt blieb regungslos auf dem Bett sitzen. Seine Augen wichen aber keinen Zentimeter von ihr. Das machte es Honey schwer, sich auf ihr Anliegen zu konzentrieren. „Matt?" Gegen seinen Willen spürte er, wie seine Erregung wuchs. Tief durchatmend, warf er entschlossen das Kissen beiseite und langte schnell nach seiner Jeans. Er stand auf und drehte sich von Honey weg, als er sie überzog. Den Reißverschluss und den Gürtel ließ er offen. Nachdem er sich wieder unter Kontrolle hatte, setzte er sich auf den Bettrand und zeigte auf sein verletztes Bein. „Danke." „Keine Ursache", antwortete sie. Da sie keine Anstalten machte zu gehen, sah er sie fragend an. „Ich weiß, dass du nicht hergekommen bist, um mich zu verarzten. Also, was ist los?" „Wir müssen über Danny reden." Er nickte. „Ja, das stimmt." Das war kein Thema, das ihn erfreute, aber immerhin lenkte es ihn von seiner Erregung ab. Eine beklommene Stille breitete sich im Zimmer aus. Er musste nicht psychologisch bewandert sein, um zu wissen, dass seine kleine Einmischung beim Abendessen Honey missfallen hatte. Aber er konnte nicht tatenlos zusehen, wie sie Danny keine Chance zur Wahl ließ. Auch wenn es nur um die Wahl des Gemüses ging. Seiner Meinung nach war jedes menschliche Wesen ein Individuum mit eigenen Rechten. Honey stand immer noch an der Tür. „Ich beiße nicht." Er glättete die Bettdecke an seiner Seite. „Setz dich." Da sie noch zögerte, fügte er hinzu: „Bitte." Matt suchte nach einem Weg, der sie friedlich miteinander umgehen ließ. Obwohl er ihr die Heirat mit Stan nie vergeben würde, mussten sie um Dannys willen einen Mittelweg finden. „Du hattest kein Recht, meine Autorität vor Danny zu untergraben." Zwar hatte sie sehr ruhig gesprochen, dennoch war es klar, dass sie zu kämpfen bereit war. „Ich wollte deine Autorität nicht infrage stellen. Ich fand es nur unfair von dir, darauf zu bestehen, dass Danny diese Erbsen essen sollte." Er blickte auf ihren reglosen Gesichtsausdruck. „Er ist ein Mensch, Honey. Er hat das Recht, wählen und träumen zu können." Seine Finger berührten ihre Hand. „Wenn er keine Erbsen isst, bedeutet das noch nicht, dass er als Serienkiller enden wird." „Mach dich nicht lächerlich. Es geht hier nicht um Erbsen, das weißt du." Aber um was ging es eigentlich? Ging es darum, dass Danny in Matts Anwesenheit weniger stotterte? Oder ging es darum, dass Danny sich zu Matt hingezogen fühlte, als wären sie schon ewig Freunde gewesen? Sie befreite ihre Hand aus seinem warmen Griff. So dicht neben ihm zu sitzen, war für sie fast nicht auszuhalten. „Ich erlaube Danny, seine Träume zu träumen." „Wie? Indem du ihm erzählst, dass Tagträumereien Blödsinn sind und zu nichts führen?" „Darum geht es nicht." Sie musste Matt verdeutlichen, dass sie nicht wollte, dass Danny so ein Träumer wie Stan wurde. „Träume müssen mit der Realität zu tun haben, so wie alles andere auch. Das versuche ich Danny beizubringen." Wieso rechtfertigte sie sich eigentlich? Tief durchatmend fuhr sie ruhig fort: „Meine Beziehung mit Stan hatte auf Danny nicht den besten Einfluss, und ich möchte, dass sich das ändert." Matt sah sie mit einem langen, harten Blick an. Schließlich sagte er: „Das Leben mit Stan kann nicht so übel gewesen sein. Schließlich hattest du kein Problem damit, sechs Jahre mit
ihm zu verbringen. Sag mal, Honey, wärst du immer noch mit Stan verheiratet, wenn er noch leben würde?" Bestürzt stellte Honey fest, dass alte Erinnerungen über sie herfielen.
6. KAPITEL
Plötzlich schien die sanfte Nachtluft stickig geworden zu sein. Daher atmete Honey einige Male tief durch. Sie dachte an ihre Ehe zurück. Kurz vor seinem tödlichen Unfall hatten sie und Stan über Scheidung gesprochen. Waren es seine letzten Gedanken gewesen, bevor er die Kurve verfehlt hatte? Doch Matt brauchte nicht zu wissen, wie unglücklich beide in dieser Ehe gewesen waren. Ihre Scheidungsabsichten gingen ihn nichts an. Deshalb antwortete sie nur: „Ich weiß es nicht." Dennoch schien er zu erraten, was in ihr vorging. „Du wolltest ihn verlassen?" Matt wusste nicht, warum, aber die Antwort war ihm wichtig. Er wartete. „Urteile nicht so schnell über mich. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es gewesen war, mit Stan verheiratet zu sein. Wie denn auch? Du hattest mich verlassen, so dass ich mit einem Mann zusammenleben musste, der Flausen im Kopf hatte und lieber dem Tod hinterherjagte, als bei seiner Familie zu sein.". „Und wessen Fehler war das, Honey?" „Okay, vielleicht war es meiner. Aber wenn du geblieben wärst..." „Was wäre dann? Wären wir verheiratet und glücklich? Kannst du dir vorstellen, dass ich dich irgendwie anders hätte enttäuschen können?" Sie antwortete nicht. Stattdessen erzählte sie: „Am Anfang bin ich mit Danny immer zu seinen Autorennen mitgegangen, weil ich dachte, dass er einen Vater brauchte. Aber eines Tages kam Stans Wagen ins Schleudern, und Danny bekam einen großen Schrecken und danach Albträume. Von da an blieb ich mit ihm zu Hause." Unruhig ging sie im Zimmer auf und ab. „Ich wusste, dass es für Danny nicht gut war, mit Stan zusammen zu sein und seine verrückten Träume zu teilen." „Danny ist nicht Stan, Honey." Schwungvoll drehte sie sich zu ihm um. „Nein! Er ist es nicht und wird es nie werden, wenn ich es verhindern kann. Ich will einen normalen Sohn, mit einem Sinn für Gerechtigkeit und Verantwortung." Matt kam auf sie zu. „Hab Vertrauen zu ihm. Lass ihn seine Entscheidungen selbst treffen, und du wirst sehen. Er ist ein gutes Kind, Honey. Du hast deine Sache gut gemacht..." Ihr war nicht das unausgesprochene Aber entgangen. Wütend fragte sie ihn: „Seine Entscheidungen selbst treffen, so wie du? Woran soll das arme Kind sich denn orientieren? Es hat, eine Mutter ohne Rückgrat, einen Stiefvater, der russisches Roulett mit seinem Leben gespielt hat, und einen Vater, der seine Probleme löst, indem er vor ihnen davonläuft." Matt erstarrte. Honey konnte kaum glauben, dass sie das gesagt hatte. Schließlich hatte Matt ihr am Nachmittag seine Beweggründe geschildert. Er hatte sich zum Weggehen entschlossen und sie einen ungeliebten Mann geheiratet, um ihre Probleme zu lösen. Waren sie wirklich so verschieden? Ihr Ärger verflog. „Es tut mir Leid, Matt." „Es geht hier, verdammt noch mal, nicht um dich oder mich, sondern um Danny." Seufzend fuhr er mit der Hand über sein Gesicht. „Wir sollten mit diesen gegenseitigen Vorwürfen aufhören. Er spürt die Spannung zwischen uns. Das tut ihm nicht gut." Honey hob ihr Kinn an. „Genau. Deshalb solltest du dich aus der Erziehung meines Sohnes heraushalten. Ich halte mich jedenfalls an das, was Dr. Thomas mir empfohlen hat. Und dann wird Danny sein Sprechproblem irgendwann überwinden." „Unser Sohn", erinnerte er sie leise, aber entschlossen. „Und Dr. Thomas ist uralt. Sein Ansatz ist überholt. In der Psychologie und Medizin hat sich vieles getan."
Er stand auf und stellte sich nur einige Zentimeter vor ihr auf. „Danny zu erzählen, dass er langsam reden und vorher überlegen soll, frustriert ihn nur." „Und wann genau hast du dein Examen in Medizin gemacht?" Er umfasste ihre Schultern. „Vertrau mir, ich weiß mehr, als du denkst." Er wollte ihr erzählen, dass er selber nach dem Tod der Mutter gestottert hatte. Doch der Blick aus ihren klaren, gefühlvollen Augen, ihre Qual und Enttäuschung darüber, ihrem Sohn nicht helfen zu können, ließ ihn verstummen. Mit einem Mal war sie für ihn nur noch die Honey, die einst in seinen Armen gelegen und liebevolle Worte geflüstert hatte. Er vergaß alles um sich herum. Selbst ihren Verrat durch die Hochzeit mit seinem Cousin. Er vergaß auch, dass sie ihm die Geburt seines Sohnes verheimlicht hatte. Und er vergaß, dass er sie nicht mehr liebte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Seine Hände lösten sich von ihren Schultern, doch nur, um mit einer Hand sanft ihr Kinn zu heben. Sein Daumen wanderte zärtlich über ihre Unterlippe. Leise stöhnend lehnte sie sich gegen ihn. Ihre einsamen Jahre fielen von ihr ab. Auch die leeren Nächte verschwanden. Nur die Erinnerung an ihre Liebesnächte war lebendig. Sie blickte auf seinen Mund und wusste, dass sie kurz davor war, einen Fehler zu begehen. Aber ihr fehlte die Kraft, sich wegzudrehen. Ihre Finger fuhren durch sein kräftiges Haar, so wie sie es sich schon oft gewünscht hatte. Leicht öffnete sie die Lippen. Matts Arme umschlossen sie fest, und er küsste sie. Sie schmiegte sich enger an ihn und spürte seine Erregung. Langsam fuhr seine Hand über ihren Oberkörper. Sie hielt die Luft an und wartete gespannt darauf, dass er ihre Brust behutsam umfasste. Als er es endlich tat, stöhnte sie auf. Plötzlich wurde ihr klar, was für ein Wahnsinn das war. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und stieß ihn zurück. Er ließ sie los. Sie blickte in sein überraschtes Gesicht. Wortlos trat sie einen Schritt zurück, drehte sich um und floh in ihr Zimmer. Ihr war klar, dass sie eine lange, schlaflose Nacht vor sich hatte. Honey lenkte ihren Wagen in Emilys Auffahrt. Neben ihr saß Danny, der begeistert nach den Pferden auf der Weide Ausschau hielt. Sie wusste, dass er die Liebe zu diesen Tieren mit seiner Tante und seinem Großvater teilte. Emilys Vorarbeiter, Chuck Emerson, stand am Zaun und winkte ihnen zu. Honey stoppte ihren Wagen. „Ist Emily zu Hause?" „Sie ist drinnen und füttert die Mädchen", rief er ihnen zu. Honey nickte und fuhr weiter zu dem großen weißen Haus. Nachdem sie ausgestiegen waren, fragte Danny gleich: „K-k-kann ich zu den Pferden, M-M-Mom?" Froh, allein mit Emily über Matt sprechen zu können, antwortete sie: „Sicher, aber höre auf Chuck." Sie sah ihrem Sohn nach, der zur Weide hinüberlief. Seit zwei Tagen machte sie einen großen Bogen um Matt. Das Gleiche galt für ihn. Er stand morgens vor ihr auf und kam erst heim, wenn sie bereits zu Bett gegangen war. Einen ganzen Tag war er verschwunden, um sich die Fäden an seinem Bein entfernen zu lassen, obwohl sie ihm dafür ihre Hilfe angeboten hatte. Doch im Grunde war ihr das nur recht. Kaum hatte sie angeklopft, entdeckte sie Matts Truck vor dem offenen Scheunentor. Verdammt! Was macht der hier? „Komm rein. Es ist offen", rief ihr Emily zu. Jetzt konnte sie nicht mehr flüchten. Langsam trat sie ins Haus ein. Ihre Schwester fütterte in der gemütlichen Küche ihre Zwillingsmädchen. „Hi, setz dich." Sie blickte sich um. „Wo ist mein Lieblingsneffe?" „Draußen bei Chuck und den Pferden, wie immer."
„Das Kind wird eines Tages ein großer Tierarzt werden." Honey küsste die Mädchen auf die Wangen und ließ sich auf einen Stuhl nieder. „Chuck zeigt Danny bestimmt unsere Golden-Retriever-Welpen. Bist du an einem interessiert?" fragte Emily. „Nein, das Letzte, was ich jetzt gebrauchen könnte, wäre ein Hund", stöhnte Honey. „Was ist heute los mit dir?" „Es tut mir Leid. Mir geht etwas durch den Kopf." „Und dieses Etwas heißt nicht zufällig Matt Logan?" „Er hat mich geküsst", sprudelte es aus ihr heraus. Mit großen Augen sah Emily sie an und brach dann in lautes Gelächter aus. Die Zwillinge stimmten mit ein. „Ich glaube es nicht! Meine Schwester, die immer alles im Griff hat!" Bevor Honey antworten konnte, kam Emilys Schwiegermutter in die Küche. „Hallo, Honey. Was bringt dich denn hierher?" „Hi, Rose." Honey und Emily starrten sich wortlos an. Rose blickte von einer Schwester zur anderen und fragte: „Habe ich euch bei etwas unterbrochen?" Honey signalisierte Emily, nichts zu verraten. „Nein, wir haben nur ... getratscht." Emily wischte die Münder ihrer Kinder ab. „Würde es dir etwas ausmachen, sie für ihr Mittagsschläfchen ins Bett zu legen?" „Das tue ich gern." Rose lächelte ihre Enkeltöchter an, nahm jedes auf eine Hüfte und stieg die Treppen mit ihnen hoch, nachdem die beiden sich mit einem Küsschen verabschiedet hatten. Seufzend lehnte sich Honey in ihrem Stuhl zurück. Emily holte ihnen Mineralwasser aus dem Kühlschrank. „Ich glaube, wir sind beim ,er hat mich geküsst' stehen geblieben." Ungeduldig trommelte sie mit ihren Fingern auf die Tischplatte. „Ich warte." Honey drehte nervös ihr Glas herum. Das Reden fiel ihr schwer. Es hatte keinen Zweck, um den heißen Brei herumzureden. „Ich habe Angst." „Angst? Wovor?" „Matt." So, jetzt war es raus. „Mir gefällt nicht, was mit mir passiert, Em. Ich fange an, genauso zu fühlen wie vor sieben Jahren." „Und das ist schlecht?" Honey starrte ihre Schwester an. „Natürlich ist das schlecht." „Und du bist zu dem Ergebnis gekommen, weil...?" Aufgebracht stand Honey auf, um in der kleinen Küche hin und her zu gehen. „Ich will nicht wieder verletzt werden. Und auch Danny soll nicht verletzt werden. Vielleicht geht Matt wieder weg, und ich weiß nicht, ob ich das noch einmal durchstehe." Sie setzte sich wieder und drückte fest die Hand ihrer Schwester. „Es hat mich sieben Jahre gekostet, mein Leben wieder in Ordnung zu bringen, und nun ..." „Warum meinst du, dass er wieder gehen wird?" „Ich weiß nicht... Em, wie hast du dich gefühlt bei eurem ersten Kuss, nachdem Kat zurückgekehrt war?" Ein träumerischer Ausdruck trat in Emilys Gesicht. „Es ist schwer zu beschreiben. Mein Kopf war leer, und mein Körper prickelte. Es war ein Gefühl, wie wenn man heimgekommen wäre." Oh, verdammt. Genau dasselbe hatte sie auch gefühlt. Sie wollte gerade etwas sagen, als die Hintertür geöffnet wurde und Kat hereintrat. Ihm folgte Matt. „Hey, Süße." Kat küsste Emily und lächelte sie liebevoll an. Dann sah er zu Matt und dann zu Honey hinüber. „Ich glaube, ihr kennt euch schon." Honey vermied es, Matt direkt anzusehen. „Hallo, Matt." „Honey."
Seine kalte Begrüßung durchbohrte sie wie ein Pfeil. War das derselbe Mann, der sie vor kurzem leidenschaftlich geküsst hatte? „Ich muss jetzt gehen." „Meinetwegen brauchst du nicht zu gehen", sagte Matt trocken. Sein Blick wirkte hart. „Bilde dir nicht zu viel ein. Ich muss los, um für Amanda etwas aus der Reinigung zu holen." Sie winkte Emily und Kat zu. „Bis bald." Emilys Blick war unmissverständlich. Feigling. Vielleicht bin ich ein Feigling, dachte Honey. Vielleicht laufe ich wie Matt auch vor meinen Problemen davon. Aber könnte sie es wagen zu bleiben? Könnte sie es wagen zuzugeben, was sie für Matt empfand? Durfte sie ihr Herz wieder aufs Spiel setzen? Und das von Danny?
7. KAPITEL
Honey war noch keine zwanzig Minuten zu Hause, als Matt mit seinem Truck in die Auffahrt einbog. Sie saß auf der Veranda. „O-O-Onkel M-M-Matt." Danny sprang von der Schaukel und lief direkt in Matts Arme. „Hey, Sportsfreund." Matt umarmte ihn fest. Trotz der Entfernung konnte Honey den Schmerz in seinen Augen erkennen, Schmerz, weil sein Sohn ihn Onkel nannte. Er setzte Danny wieder ab. „Schau mal, was ich im Truck für dich habe." Sie beobachtete, wie Danny zum Wagen lief und die Tür öffnete. Sofort sprang etwas Goldiges in seine Arme. „Ein W-W-Welpe! Ist das m-m-meiner? W-W-Was ist das für einer?" „Er gehört dir und ist ein Golden Retriever", sagte Matt. Dabei mied er Honeys vorwurfsvollen Blick. Jetzt wusste sie, weshalb er bei Emily gewesen war. Während Danny mit dem Hund spielte, stand sie auf und ging zu Matt. Wütend fuhr sie ihn an: „Du hättest das vorher mit mir besprechen müssen. Amanda mag keine Tiere." „Komisch. Sie schien nichts dagegen zu haben, als ich sie gefragt habe." Honey stemmte die Hände in die Hüften. „Du hast Amanda gefragt? Ist es dir nicht in den Sinn gekommen, dass ich Dannys Mutter bin und du mich zuerst hättest fragen müssen?" „Du hättest Nein gesagt." Matt beobachtete Danny und den Welpen. „Ich hoffe, es funktioniert." Plötzlich spürte Honey ein irritierendes Gefühl - Eifersucht. Bisher war sie der Mittelpunkt in Dannys Leben gewesen, und nun musste sie ihn teilen. Das ängstigte sie fast zu Tode. „Du brauchst dir seine Zuneigung nicht zu erkaufen. Danny gibt sie dir auch ohne Bestechung." Matt hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser Anschuldigung. „Ich versuche ihn nicht zu bestechen." „Warum dann dieses Geschenk? Er hat nicht Geburtstag." Matt nahm ihre Hand und zog sie hinter einen Busch. Von da aus konnten sie beobachten, wie Danny und der Hund auf dem Rasen herumtollten. „Matt, ich verstehe nicht..." Er legte einen Finger auf ihre Lippen. „Hör nur zu." Danny lag auf dem Boden, und der Welpe leckte sein Gesicht. „Hey, ich habe mein Gesicht heute schon gewaschen." Danny kicherte, setzte sich auf und legte den kleinen Hund in seinen Schoß. „Du brauchst einen Namen. Wie wäre es mit Rover? Ach, nee, so heißt schon der Hund von Tommy Henderson, und der kann nicht mal einen Stock fangen." Seine Stirn legte sich in Falten, doch plötzlich fing er an zu grinsen. „Jetzt weiß ich. Ich nenne dich Buddy." Wieder runzelte er die Stirn. „Du musst wissen, dass ich manchmal komisch spreche." Der Hund stellte sich auf und leckte erneut Dannys Gesicht. Lachend schloss Danny: „Das bedeutet wohl, dass es dir nichts ausmacht, oder?" Überwältigt trat Honey einen Schritt zurück. Es war das erste Mal seit einem Jahr, dass ihr Sohn sprach, ohne zu stottern. Es kam ihr wie ein Wunder vor. „Warum?" fragte sie mit Freudentränen in den Augen. „Weil der Hund nicht über ihn urteilt." Bestürzt sah sie ihn an. „Aber ich ..." Matt zog sie sanft in das nahe Gartenhäuschen und drehte sich zu ihr um. „Ich möchte eines klarstellen. Ich wollte mir Dannys Zuneigung nicht erkaufen. Der Junge kann uns beide lieben." Er umschloss ihre kalten Hände. „Ich versuche auch nicht, deine Autorität zu untergraben. Meine Gründe sind sehr selbstsüchtig." Sie wartete auf den Rest seiner Erklärung.
„Es versetzt mir jedes Mal einen Stich, wenn Danny mich Onkel nennt. Deshalb schenkte ich ihm den Hund, damit er das Stottern schnell überwindet und mich Daddy nennen kann." „Aber woher wusstest du, dass der Hund ..." Das Gefühl, versagt zu haben, trieb ihr erneut die Tränen in die Augen. Es brach Matt fast das Herz. Ohne an die Konsequenzen zu denken, zog er sie in seine Arme. „Du hast getan, was du für richtig hieltest." „Aber ich hätte merken müssen, dass keinesfalls nicht besser wurde ...", sagte sie schluchzend. Er drückte sie fester an sich und küsste ihr Haar. Honey beruhigte sich etwas, blieb aber in seinen Armen. „Woher wusstest du, dass es ihn heilen würde?" „Er ist nicht geheilt. Er ist nur entspannt, weil der Hund ihn nicht verbessert. In unserer Gegenwart wird er weiterhin stottern. Nur wenn wir ihn nicht ständig korrigieren, wird er eines Tages sein Problem vergessen." Honey sah ihm ins Gesicht. „Woher weißt du das?" Er nahm ihre Hände und hielt sie fest. „Nachdem meine Mutter gestorben war, habe ich auch gestottert. Ich verdanke es einer geduldigen Lehrerin, Mrs. Clayton, die mich unter ihre Fittiche nahm, dass ich meine Probleme überwinden konnte." Er machte eine Pause. „Außerdem war ich während meiner Rodeozeit mit einer Lehrerin aus, die sich auf diesem Gebiet gut auskannte. Margo erzählte mir, dass sie zu Therapiezwecken oft Tiere einsetzen." Honey löste sich aus seinem Griff und stützte sich am Geländer des Gartenhäuschens ab. „Ich hätte zu einem Spezialisten gehen sollen statt zu Dr. Thomas." Matt drehte sie zu sich um. „Keine Vorwürfe mehr. Wir sind auf dem richtigen Weg, und nur das zählt." Sie sah ihm nicht in die Augen, als sie die nächste Frage stellte. „Diese Margo ... War sie hübsch?" Sofort hätte sie sich auf die Zunge beißen können. Er lachte leise. „Nein. Sie war wunderschön." Honeys Herz blieb vor Schreck fast stehen. Schon wollte sie sich wegdrehen, doch er hielt ihre Hände fest umschlossen. Sanft hob er mit einem Finger ihr Kinn an. „Sie war nicht du, Honey." Dann beging sie ihren zweiten Fehler, indem sie eine Haarsträhne aus seiner Stirn zurückstrich. Sofort nahm er ihre Hand und küsste die Handfläche. Sie erschauerte vor Glück und wurde sich ihres Körpers bewusst wie seit Jahren nicht mehr. Ihre Lippen fühlten sich trocken an. Instinktiv fuhr sie mit der Zunge darüber. Matt zog sie fest an sich heran und küsste sie. Sie sträubte sich nicht. Sie wollte seine Lippen auf ihren spüren und die Wärme seiner Arme um sich herum fühlen. Wieder einmal hatte sie sich in Matt Logan verliebt. Aber vielleicht hatte sie auch nie aufgehört, ihn zu lieben. „Sieht so aus, als wenn sich alles recht nett entwickelt." Tess drehte sich vom Fenster weg und lächelte Amanda verschwörerisch an. „Ich wünschte nur, es hätte auch ohne Haustier geklappt." Sie warf einen skeptischen Blick auf den tollenden Welpen und den bislang makellosen Rasen vor dem Haus. „Es überrascht mich, dass du es erlaubt hast." Amanda hatte gewusst, dass Tess einen Hund missbilligen würde, aber es war ihr egal. „Das ist doch ein kleiner Preis, wenn man sieht, wie sie wieder zu einer Familie zusammenfinden. Findest du nicht auch?" Tess sah zu dem Liebespaar hinüber. „Da hast du wohl Recht." Matt nahm kaum die letzten Sonnenstrahlen wahr, die in das Gartenhäuschen fielen. Er hielt Honey immer noch fest umschlungen. Sein Körper hatte sich so sehr nach ihrer Berührung gesehnt.
Hatte er die ganze Zeit darauf gewartet? Es schien so. Eines wusste er mit Sicherheit diese Frau war der Grund, weshalb keine andere ihn zufrieden stellen konnte. Sie schienen füreinander geschaffen zu sein. Plötzlich erhob sich eine warnende Stimme in seinem Inneren. Honey ging ihm zu sehr unter die Haut, und die Vorstellung, jemanden zu lieben, jagte ihm eine Heidenangst ein. Das brachte nur Enttäuschungen und Schmerzen mit sich. Bisher hatte er es immer geschafft, Menschen zu enttäuschen. Honey und Danny hatten schon genug gelitten. Sie brauchten keine weiteren Komplikationen in ihrem Leben. Abrupt ließ er Honey los und starrte sie an. Völlig verwirrt wartete sie auf eine Erklärung für sein merkwürdiges Verhalten. „Ich hätte nie zurückkommen dürfen", murmelte er und ging fort. Honey sah ihm nach. Ihr Herz schien in tausend Stücke zu zerspringen. Am liebsten wäre sie ihm hinterhergelaufen und hätte ihn angeschrien. Doch sie würde ihm nicht die Genugtuung geben zu erfahren, wie tief er sie verletzt hatte. Sie hatte selber Schuld. Schließlich hatte sie seinen Kuss herausgefordert. Das war nun der Preis, den sie zahlen musste. „M-M-Mom, w-w-weinst du?" Mit vom Spielen geröteten Wangen kam Danny zum Gartenhäuschen gelaufen. Er drückte Buddy fest an seine Brust. „H-H-Hat Onkel M-M-Matt dir wehgetan?" Ja, hätte sie am liebsten geschrien, um den Schmerz mit jemandem teilen zu können, aber sie tat es nicht. Er hatte genug eigene Sorgen. Danny stieg mit besorgtem Gesicht die Stufen zu ihr hinauf. „M-m-möchtest du Buddy hh-halten?" Wortlos nahm sie den Welpen in ihre Arme. „I-i-ist das nicht t-t-toll, Mom? Onkel M-M-Matt kennt sich mit H-H-Hunden aus." Sanft streichelte er den Hundekopf und blickte sie dabei an. Vorsichtig, so wie sie es gewöhnlich bei ihm tat, wischte er ihre Tränen ab. „S-s-sag mir, wo es w-w-wehtut, und ich k-k-küsse es weg, Mom." Erst jetzt wurde sie sich ihrer Tränen bewusst. Sie zog ihren Sohn dicht an sich heran. Wenn das Leben doch nur so einfach wäre! Wenn der Kuss eines Kindes ihre verletzte Seele heilen könnte. Wenn ihr Sohn mit dem Stottern aufhören würde. Wenn Matt sie doch so lieben könnte wie sie ihn. Wenn ...
8. KAPITEL
Ruhelos wanderte Honey durch das Wohnzimmer, das nach Pinien duftete. Sie griff nach der letzten Ausgabe ihres Lieblingsmagazins und blätterte lustlos durch die Seiten, ohne irgendetwas zu lesen. Nach einigen Minuten ließ sie die Zeitschrift in den Schoß fallen. Ihre Gedanken wanderten zu Matt und dem Kuss in dem Gartenhäuschen zurück. Es gelang ihr nicht, die Liebe zu diesem Mann zu unterdrücken. Im Grunde waren ihre Gefühle für ihn nie erloschen, sie hatten in ihr geschlummert, und ein kleiner Funke hatte genügt, um sie wieder zu erwecken. Das laute Motorengeräusch aus der Garage unterbrach ihre Träumereien. Plötzlich lief es ihr eiskalt über den Rücken. Das Geräusch kam ihr bekannt vor. Wie oft hatte sie es gehört, als Stan noch lebte. Langsam ging sie zum Fenster und schob die Gardine zur Seite. Mehr noch als den Rennwagen hatte sie damals Stans Motorrad gefürchtet. Wie in einem Albtraum beobachtete sie, wie Matt auf einer schwarz lackierten Maschine aus der Garage fuhr. Sein Gesicht war unter einem Helm verborgen. Er stoppte kurz, stützte sich mit seinem gestiefelten Fuß ab, ließ den Motor aufheulen, um dann mit lautem Getöse loszupreschen. Danny umschlang seine Taille, auch er trug einen Helm. In hilflosem Entsetzen lief Honey nach draußen, aber sie waren schon außer Sichtweite. Sich der wertvollen Fracht bewusst, bog Matt vorsichtig von der Straße ab und hielt unter einer großen, schattigen Eiche an. Sie stiegen ab. Danny nahm seinen Helm ab und fragte Matt: „ W-w-warum halten wir hier?" Matt lächelte ihn an, zerwühlte sein Haar und packte wortlos einige Leckereien aus, die er in den Satteltaschen mitgebracht hatte. „Ich weiß, dass du es bis zum Abendessen aushalten kannst, aber ich brauche jetzt einen kleinen Imbiss. Hier, ich teile ihn gern mit dir." Beim Anblick der Kartoffelchips und der Dose Malzbier bekam Danny große Augen. Matt hatte bereits bemerkt, dass Danny in dieser Hinsicht nicht sehr verwöhnt war. Sein schlechtes Gewissen regte sich nur leicht. Als Danny ihn in der Garage beim Motorradputzen vorgefunden hatte, hatte er so lange um eine Fahrt gebettelt, bis Matt ihm nachgegeben hatte. Eigentlich wollte er nur bis zur nächsten Straßenecke fahren, aber dann nutzte er die Gelegenheit, einige Zeit allein mit seinem Sohn verbringen zu können. Honey hatte dies bisher verhindert, wohl aus großer Angst, dass herauskommen könnte, dass er sein wirklicher Vater war. Unter der großen Eiche machten sie es sich gemütlich. Sie teilten sich das Getränk und aßen in kameradschaftlicher Schweigsamkeit. Als sie alle Chips verdrückt hatten, verschränkte Matt die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich an den Baum. Lächelnd beobachtete er, dass ihn Danny nachahmte. Jetzt war die Gelegenheit günstig, seinen Sohn näher kennen zu lernen. „Was möchtest du später mal werden?" Danny seufzte. „A-a-am liebsten Tierarzt, wie Onkel Kat, aber M-M-Mom will was anderes." Matt wurde wachsam. „Und was?" „Nun, sie sagt, dass A-A-Anwalt oder D-D-Doktor sicherer ist." Die Antwort ärgerte ihn. „Dir gefällt die Idee nicht?" „Nee, ich finde sie d-d-dumm, aber M-M-Mom sagt, dass nur D-D-Dummköpfe gefährlich leben." Matt verbarg seinen' Ärger. Anscheinend hatte Honey ihren Sohn einer Gehirnwäsche unterzogen. Kinder sollten selbst entscheiden, was sie später werden wollen. „Onkel M-M-Matt? Hast du einen V-V-Vater?" „Ja, aber er ist schon vor einer Weile gestorben." Nachdenkliches Schweigen folgte. „War er ein g-g-guter Vater?"
Nein, war er nicht, aber Danny brauchte das nicht zu wissen. „Na ja ... er hat mich einmal vor dem Ertrinken gerettet. Das macht ihn wohl zum guten Vater." Wie in einem Film spulte sich die damalige Szene vor seinem inneren Auge ab: sein Vater, der er ihn aus dem Wasser gezogen und ans Ufer gebracht hatte. Schluchzend hatte er immer wieder Matts Namen gerufen. Und als Matt endlich die Augen öffnete, hatte sein Vater ihn so fest an sich gepresst, dass ihm fast die Luft weggeblieben war. Dabei hatte er ständig seinen Namen geflüstert. Tränen waren ihm über die Wangen gelaufen. „Onkel Matt?" Danny zerrte an seinem Ärmel. Matt brauchte eine Weile, um die Erinnerung abzuschütteln und in die Gegenwart zurückzukehren. „Vermisst du ihn sehr?" „Ja. Ja, das tue ich." Komischerweise war das die Wahrheit. Trotz allem vermisste er seinen Vater. „Warst du ein guter Junge?" „Ich habe es versucht. Es ist schwer, immer gut zu sein. Manchmal habe ich es vergessen." Plötzlich zitterte Dannys Unterlippe, und eine Träne rollte die Wange hinunter. „Ich weiß, es war mein Fehler." „Was?" „Dass mein D-D-Daddy gestorben ist. Ich war sch-sch-schlecht, wie du. Dein D-D-Daddy starb, weil du sch-sch-schlecht warst." Es brach Matt das Herz, seinen Sohn so leiden zu sehen. Er nahm ihn in die Arme, bis das Schluchzen in einen Schluckauf überging. „Du irrst dich, Danny. Menschen werden krank oder sie haben Unfälle oder sie werden alt. Niemand hat Schuld." Er wischte ihm sanft die Tränen ab. „Verstehst du das?" Danny nickte, aber Matt war sich sicher, dass er das Gesagte nicht akzeptierte. Als das Motorrad die Auffahrt heraufgebraust kam, wartete Honey schon vor dem Garagentor. Buddy saß zu ihren Füßen. Sie hatte sich so in ihre Wut hineingesteigert, dass sie Matt am liebsten durchgeschüttelt hätte. Bisher hatte sie sein unverantwortliches Verhalten toleriert. Damit war jetzt aber Schluss. Nur einige Zentimeter vor ihr kam das Motorrad zum Stehen. Während Buddy sogleich zu Danny flitzte, um ihn zu begrüßen, rührte Honey sich nicht. Sie starrte Matt wütend an und wartete, bis die beiden abgestiegen waren und die Helme abgenommen hatten. „Was hast du dir dabei gedacht, Danny so einer Gefahr auszusetzen?" Ohne in ihre Richtung zu schauen und dabei Buddys Ohr kraulend, rief Danny: „Ach, M M-Mom, es war lustig. Onkel M-M-Matt war wirklich v-v-vorsichtig." Honey schob ihren Sohn Richtung Haus. „Geh schon mal hinein und wasch dich fürs Dinner. Ich komm auch gleich nach. Es gibt da nur noch etwas mit deinem Onkel zu klären." Buddy und Danny machten sich auf den Weg ins Haus. „Nun?" forderte sie ihn auf. „Nun, was?" Seine lässige Haltung trug nicht dazu bei, sie zu besänftigen. „Warum hast du Danny auf dem Ding mitgenommen?" Mit anklagendem Finger zeigte sie auf das Motorrad. In aller Ruhe hängte Matt seinen Helm an den Lenker. Dann erst drehte er sich zu ihr um. „Weil er mich darum gebeten hat und ich einige Zeit mit ihm allein verbringen wollte." „Verdammt, Matt, hättest du dann nicht mit ihm spazieren gehen können oder angeln? Wie konntest du es wagen, mich dieser Angst auszusetzen? Wie konntest du es wagen, das Leben deines Sohnes zu gefährden?" Und wie konntest du dein Leben riskieren? Sie verlor den Kampf gegen die Tränen, und ihre Stimme ging in einem Schluchzen unter. „Versprich mir, dass du Danny nie wieder auf dem Ding mitnehmen wirst." Wieder zeigte sie auf das Motorrad. Als sie bemerkte, dass ihre Hand zitterte, zog sie sie schnell zurück.
Erst als Matt das blanke Entsetzen in Honeys Stimme hörte und ihre Tränen sah, wurde ihm bewusst, was er ihr zugemutet hatte. Diese Frau war kurz davor, hysterisch zu werden. „Honey, es war doch nur eine kleine Ausfahrt", versuchte er sie zu beruhigen. Wütend wischte sie sich die Tränen weg und starrte ihn an. „Nein, Matt, es war nicht nur eine Ausfahrt. Du hast wieder meine Autorität untergraben. Du hast Danny zu etwas ermutigt, was ich nicht billige." Matts Nackenhaare sträubten sich. „Er ist auch mein Sohn. Ich kann auch Entscheidungen für ihn treffen." „Nicht wenn sie sein Leben gefährden", fauchte sie ihn an. „Nicht wenn es ihn in Stans Fußstapfen lockt." Frustriert fuhr sich Matt mit den Fingern durch sein Haar. „So, sind wir mal wieder beim Thema." „Ja, das sind wir. Und ich werde es immer sein, solange du dich ohne Recht einmischst." Schon wollte Matt wütend etwas erwidern, als er Danny auf der Veranda bemerkte. Er schien sie zu beobachten. Selbst aus der Entfernung sah sein kleines Gesicht verwirrt aus. Ihre Streitereien machten ihm Angst. Matt erinnerte sich noch gut an die Auseinandersetzungen seiner Eltern. Danny sollte das nicht durchmachen. Er senkte seine Stimme, so dass der Junge ihn nicht hören konnte. „Wir können hier nicht reden, aber offensichtlich haben wir uns eine Menge zu sagen." Grob griff er nach ihrem Arm und zog sie in seinen Wagen. „Wir sollten damit aufhören, Danny in zwei verschiedene Richtungen zu zerren." „Was soll das?" Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. „Lass mich los!" „Nein. Wir fahren jetzt zu mir und werden das ein für alle Mal ausdiskutieren." Er schob sie auf den Sitz und fuhr los. Während der Fahrt sprachen sie kein Wort miteinander. Doch die Luft war spannungsgeladen. Matt hatte immer noch Dannys verwirrten Gesichtsausdruck vor Augen. Wenn das so weiterging, würde er sein Stottern nie überwinden - und Matt würde ihn nie Daddy sagen hören. Doch das war jetzt nebensächlich. Hauptsache, seinem Sohn ging es wieder gut. Jemand musste Honey stoppen, bevor sie sein Leben mit ihren Regeln und Einschränkungen ruinierte. Jemand musste dafür sorgen, dass Danny seine eigene Wahl treffen durfte. Ein Blick auf Honeys rebellischen Gesichtsausdruck genügte, um zu wissen, dass ihm eine schwere Aufgabe bevorstand. Durch ihre Ehe war Honey gezwungen gewesen, für sich und Danny zu sorgen. Sie hatte die Kontrolle übernehmen müssen. Daher konnte Matt nicht erwarten, dass sie das innerhalb einiger Stunden oder Tage aufgeben würde. Honey spürte noch einen Rest der Angst und des Ärgers in sich. Das war ihr nur recht. So konnte sie sich besser gegen Matt und seine absurden Vorstellungen über Erziehung behaupten. Der Truck kam in der Auffahrt zum Stehen. Matt stieg aus, öffnete Honey die Tür und nahm ihren Arm. „Komm. Wir sprechen drinnen." Sie sträubte sich. „Wir können auch hier reden." Ihre Haut prickelte unter seiner Berührung. „Drinnen," erwiderte er entschlossen und zog sie aus dem Wagen. Widerstrebend folgte sie ihm. Er brachte sie in die Küche. Dieser Raum schien noch nicht renoviert worden zu sein. Ein alter Küchentisch, noch aus den fünfziger Jahren, stand in der Mitte des Raumes auf einem abgelaufenen Linoleumboden. Vier dunkelgrüne, mit Plastik überzogene Stühle standen um den Tisch herum. Honey setzte sich hin, ohne an den Staub zu denken, der ihr Kleid beschmutzen würde. Momentan hatte sie wichtigere Probleme. Matt setzte sich ihr gegenüber.
„Honey..." Abwehrend hob sie die Hand. „Matt, du hast nichts verstanden, und es bringt offensichtlich auch nichts, darüber zu reden." „Ich sehe, dass du dabei bist, Dannys Kindheit zu zerstören. Reicht es nicht, dass wir unter unseren Vätern gelitten haben? Soll es Danny genauso ergehen? Willst du, dass Danny dich am Ende hasst?" Ungläubig starrte Honey ihn an. „Du hast keine Ahnung von meiner Kindheit." „Dann solltest du mir davon erzählen." Sie befeuchtete ihre Lippen. Stan war kein Vorbild für Danny gewesen. Und sie zweifelte stark daran, ob Matt eins wäre. Doch hatte er vielleicht Recht? Würde Danny sie eines Tages so hassen, wie sie ihren Vater gehasst hatte?
9. KAPITEL
Matt lehnte sich auf dem unbequemen Küchenstuhl zurück, verschränkte die Arme und sah Honey erwartungsvoll an. „Nun? Erzähl mir etwas über deine Kindheit." Nachdenklich runzelte er kurz die Stirn und meinte dann lachend: „Ist es nicht komisch, da kennen wir uns schon so lange, haben uns aber nie wirklich kennen gelernt. Wir waren wohl damals mit anderen Dingen beschäftigt." Honeys Gesicht lief puterrot an. Verdammt, er hatte Recht. Die kurze Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, war wenig gesprochen, dafür aber viel geliebt worden. „Honey? Deine Kindheit?" Schnell schüttelte sie die Bilder ab. Dann blickte sie aus dem Fenster auf das Gewächshaus im Garten. Ihre Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit. „Meine Kindheit kann man nicht als idyllisch bezeichnen. Meine Mutter starb, als ich noch klein war. Mein Vater hatte keine Ahnung, wie man liebt. Er verwöhnte Emily, weil sie sich auch für Pferde interessierte. Er tolerierte Jesse, und ich ... nun, man kann sagen, wir haben unter einem Dach gelebt. Das enthält so ziemlich alles." „Du meinst also, dass er euch nicht beachtet hat." Matt stützte seine Arme auf der Tischplatte ab. „O nein." Sie verdrehte die Augen. „Ganz im Gegenteil. Er sagte uns, was wir tun sollten, wann und wie wir es tun sollten. Unser Leben wurde von ihm bestimmt." Spöttisch fügte sie hinzu: „Weißt du, warum Emily und Kat geheiratet haben?" Er schüttelte den Kopf. „Weil eine Klausel in seinem Testament besagte, dass Emily bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag ein Baby bekommen müsste, ansonsten wäre die Farm der Wohlfahrt vererbt worden. Sie bat Kat, ihr zu helfen, weil sie den Gedanken an den Verlust der Farm nicht ertragen konnte. Kat weigerte sich, es sei denn, sie würden heiraten. Sie hatte Glück, dass es gut ausging." Sie machte eine Pause. „So hat uns unser Vater erzogen. Wir waren seine Sklaven, sein Eigentum." Tief Luft holend, blickte sie wieder zum Glashaus. „Nicht alle hatten so viel Glück wie Kat und Emily." „Das heißt?" Sie sah ihn an. „Nachdem du gegangen warst und ich feststellen musste, dass ich schwanger war, arrangierte mein Vater die Heirat mit Stan. Kein uneheliches Kind sollte seinen Namen in den Schmutz ziehen. Ich habe Stan nicht geliebt, und ich weiß nicht, ob er mich geliebt hat. Mir war alles egal, nachdem du mich verlassen hattest. Jesse war der Klügere. Er ging weg, bevor mein Vater sein Leben zerstören konnte." Lächelnd fuhr sie fort: „Wenn ich heute zurückblicke, glaube ich, dass es nicht sein alleiniger Fehler gewesen war. Er dachte wohl, dass er das Beste für uns getan hätte. Aber trotz allem hat er uns nie geliebt." Honey stand auf und ging zur Spüle. „Wenn er es nur versucht hätte. Wenn er uns nur einmal seine Zuneigung gezeigt hätte, dann wäre einiges anders gelaufen." Mitfühlend sah Matt sie an. Was ihn aber verblüffte, war die Tatsache, dass sie Danny genau das Gleiche antat. Sie bestimmte sein Leben, übernahm für ihn Entscheidungen. Wie sollte er ihr das klar machen? Leise stand er auf und stellte sich hinter sie. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und drehte sie zu sich um. Überrascht stellte er fest, dass ihre Wangen feucht waren. Sanft wischte er die Tränen fort. Dann setzten sich beide wieder an den Tisch, wobei er ihre kalten Finger in seine Hände nahm. „Honey, was du mit Danny machst, egal wie gut es auch gemeint ist, ist genau dasselbe, was dein Vater mit euch getan hat." Schon wollte sie etwas entgegnen, aber er hob abwehrend die Hand. „Lass mich das beenden." Sie verschloss ihren Mund und schaute weg. „Dein Vater hatte für dich Entscheidungen getroffen, dein Leben bestimmt, deinen Weg festgelegt. Machst
du das nicht auch für Danny? Ich weiß, dass du nicht willst, dass er wie Stan endet. Mein Gott, das will ich auch nicht. Aber sobald du deinen Einfluss auf ihn verlierst, wird er sowieso tun, was er will." „Schlägst du vor, dass ich ihn wild aufwachsen lasse?" fragte sie empört. Er schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Er ist ein kleiner Junge, der lernen muss, den richtigen Weg zu finden. Wir können ihm dabei helfen, bei Entscheidungen seinen Kopf einzusetzen." „Du und ich?" „Ja, wir beide. Seine Eltern." Er beugte sich zu ihr hinunter. „Siehst du? Du bist nicht mehr alleine. Jetzt bin ich auch hier." Für wie lange? fragte sie sich. Aber sie sagte nichts, weil sie die Antwort nicht hören wollte. Es nicht zu wissen, tat weniger weh. Ihre Gefühle Matt gegenüber wurden intensiver, egal wie sehr sie dagegen ankämpfte. „Wirst du wenigstens darüber nachdenken?" fragte Matt. Der Gedanke, dass sie so handeln könnte wie ihr Vater damals, tat ihr unheimlich weh. Sie wollte sich später damit befassen, wenn Matt ihr nicht so nahe war. Wenn seine Augen sie nicht so intensiv ansehen würden. Wenn sie wieder klar denken könnte. Daher nickte sie nur und zog die Hände weg, da sie seine Berührung nicht länger ertragen konnte. „Ja. Ich werde darüber nachdenken." Auf einmal spürte sie eine Veränderung. Lag es an seiner Art, sie anzusehen? Seine Augen schienen zu glühen. Sie konnte die Wärme regelrecht fühlen. Abrupt stand sie auf. „Was hast du hier im Haus bereits verändert?" fragte sie, um die Spannung zu durchbrechen. Er schluckte hart. „Nicht viel. Aufgeräumt. Ich will diese Woche Möbel und Vorhänge holen. Hey. Willst du mir dabei helfen, die Fenster auszumessen?" In dem Moment klopfte es an der Haustür. Draußen stand ein Angestellter der Telefongesellschaft. „Verdammt! Den hatte ich ganz vergessen." Matt öffnete ihm die Tür. „Treten Sie ein." Der Mann kam herein und sah sich voller Interesse um. „Ich möchte ein Telefon in der Küche installiert haben." Als der Angestellte ein funkelnagelneues Gerät an der Küchenwand anmontiert hatte und gegangen war, sah Honey auf ihre Uhr. Ihr fiel ein, dass Tess gleich das Dinner servieren würde. Mittlerweile hatten sie auch die Fenster ausgemessen. Während der ganzen Zeit waren sich beide einer gewissen Spannung zwischen ihnen bewusst gewesen. „Wir können jetzt die fehlenden Zimmer ausmessen," schlug Matt vor, wobei er sehr dicht hinter ihr stand. In ihrem Nacken spürte sie seinen Atem. Sofort bekam sie eine Gänsehaut. Sie steckte das Maßband ein, und zusammen stiegen sie die Treppen hoch. Oben angekommen, betraten sie ein Zimmer, das Honey entzückte, obwohl der Raum renoviert und gereinigt werden musste. Wie auch unten bedeckten weiße Leinentücher einige Möbelstücke. Das musste Matts Schlafzimmer gewesen sein. Der Raum war nicht sehr groß, aber ein riesiges Fenster nahm die ganze Breite des Raumes ein. „Das ist ein wunderschönes Zimmer", sagte sie. Kurzerhand setzte sie sich auf die Fensterbank, kickte ihre Schuhe weg und zog die Beine an. Durch das Fenster sah sie auf den Garten. Dank Sam Thatcher war der Rasen ordentlich gemäht. Während sie die Umgebung begutachtete, war ihr Matts Blick nicht entgangen. Es herrschte eine erwartungsvolle Stille zwischen ihnen. „Diese Fenster schreien förmlich nach weißen Organzavorhängen, Matt."
Er blieb weiterhin schweigsam. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. Irgendetwas hatte sich zwischen ihnen verändert, seitdem sie hier oben waren. Etwas so Mächtiges, dass sie am liebsten weglaufen wurde. Matt lehnte am Türrahmen und sah sie unverwandt an. Immer noch sagte er nichts. Schließlich kam er einen Schritt auf sie zu. „Das ist mein altes Zimmer." Er sah sich um. „Weißt du, früher habe ich mir oft gewünscht, dich dort sitzen zu sehen, mit den Sonnenstrahlen in deinem Haar und mit Augen, die um Liebe betteln", sagte er mit einer tiefen, verführerischen Stimme. „Wirklich?" Matt kam näher. Als er nur noch wenige Zentimeter vor ihr stand, strich er zärtlich mit den Fingerspitzen über ihre Wangen. „Genau da, wo du jetzt bist, habe ich mich auch hingesetzt nach den Nächten, in denen wir miteinander geschlafen hatten. In Gedanken ließ ich unsere Liebesnacht noch einmal vorbeiziehen. Die Weichheit deiner Haut, das Kitzeln deiner Haare ..." „Halt!" Honey schluckte und holte tief Luft. „Bitte." „Warum, Honey? Warum sollten wir nicht unseren Gefühlen nachgeben? Erzähl mir nicht, dass du es nicht auch willst. Das verraten mir deine Augen, deine Küsse." Er zog sie hoch und umarmte sie. „Aber ich..." „Nein. Das sind wir uns schuldig. Die letzten sieben Jahren waren die einsamsten meines Lebens, und ich vermute, deine auch. Warum sollten wir uns diesen Nachmittag nicht gönnen?" „Aber das Dinner..." Seine Lippen kamen ihren sehr nahe. „Ich gebe dir Nahrung, Honey. Die einzige Nahrung, die wir beide brauchen." Als er ihre Lippen berührte, war sie ohnehin zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig. Matt war klar, dass er jetzt eigentlich aufhören müsste, aber er schob den Gedanken beiseite. Sieben lange Jahre hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Und zur Hölle mit dem Schmerz, der später folgen würde. Dann vernahm er einen Laut aus Honeys Kehle, das dem Schnurren einer Katze glich. Erinnerungen an vergangene Liebesnächte mit ihr wurden in ihm wach, und in dem Moment gab es kein Zurück mehr für ihn. Jeden Gedanken verdrängend, konzentrierte er sich nur noch auf die schlanke Frau in seinen Armen. Ihr Haar duftete lieblich nach Blumen, als er sein Gesicht darin vergrub. Ihre Haut fühlte sich unter seinen Händen seidenweich an. Ihre Lippen schmeckten honigsüß. „Willst du, dass ich aufhöre?" fragte er atemlos. Sie schüttelte den Kopf. „Gut. Ich auch nicht." Zärtlich strich er eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. „Ich will dich lieben, bis keiner von uns mehr die Kraft hat wegzugehen." Honey legte ihre Finger auf seine Lippen. Er küsste sie. „Keine Bedingungen. Keine Erwartungen." Ihre Stimme klang rau vor Verlangen. „Liebe mich nur ... jetzt." Matt brauchte keine weitere Aufforderung. Erneut zog er sie in seine Arme und küsste sie. Es war ein langer, tiefer, sehnsüchtiger Kuss. Honey gab sich ihm ganz hin. Schließlich löste Matt den Mund von ihrem und drückte sie fester an sich. Sein Kuss hatte ihr den Verstand geraubt. Aber sie wollte auch nicht mehr denken. Dieser Nachmittag in Matts Armen würde sich vielleicht nicht wiederholen. Sie machte sich keine Illusionen und schloss ihre Augen, um den Moment zu genießen. „Hier hat alles begonnen, deshalb ist es richtig, dass wir uns hier lieben."
In Gedanken stimmte sie ihm zu. Zwar hatten sie damals nicht in Matts Zimmer, sondern im Garten miteinander geschlafen, aber immerhin war es in seinem Heim gewesen. Auch damals war es eine warme Julinacht gewesen. Aber daran wollte sie nicht denken. Sie wollte jetzt nur seine Hand an ihrem Oberschenkel spüren. Plötzlich hielt er inne. Überrascht öffnete sie die Augen. Sein Blick wanderte durch das Zimmer. Völlig außer Atem brachte er nur ein Wort hervor: „Wo?" Sie sah zu dem schmalen Einzelbett hinüber. Er schüttelte den Kopf. „Warte hier. Bin gleich zurück." Er rannte zur Tür, blieb kurz stehen und fragte sie: „Du wirst doch nicht deine Meinung ändern, während ich weg bin, oder?" „Nicht ein bisschen." Mit einem verführerischen Lächeln fügte sie hinzu: „Beeil dich." Grinsend verschwand er im Flur. Sie hörte ihn die Treppen hinunterlaufen und durch die Haustür rennen.
10. KAPITEL
Einen Augenblick später erschien Matt mit einem Schlafsack unter dem Arm im Schlafzimmer. Er entfernte den Schonbezug vom Bett und breitete den Schlafsack darauf aus. Schnell schlüpfte er aus seinen Schuhen, griff nach Honeys Hand und zog sie zu sich herüber. Langsam sanken sie auf die Knie und sahen sich tief in die Augen. Vorsichtig öffnete er den Reißverschluss ihres Kleides. Es rutschte ihr von den Schultern und blieb auf ihrer Hüfte hängen. Mit den Fingerspitzen strich er über ihre Haut. Matts Berührung fühlte sich neu, gleichzeitig auch vertraut an. Unwillkürlich registrierte sie die Veränderungen. Schwielen. Er hatte nicht mehr die weichen Fingerspitzen wie früher. Aber dafür war seine Berührung reifer, sicherer und trotzdem zärtlich, wissend um ihre Bedürfnisse. Plötzlich hakte seine raue Haut an der feinen Spitze ihres BHs. Verlegen zog er die Hand weg. „Meine Hände sind so rau." Sie griff nach seinen Fingern und legte sie auf ihre zum Teil entblößten Brüste. „Deine Hände sind genau richtig." Sofort fing er an, ihre weiche Haut sanft zu liebkosen. Ein erotisches Prickeln breitete sich auf ihrem gesamten Körper aus. Er sog tief die Luft ein. „Ich habe deinen Duft immer geliebt. Erst jetzt merke ich, wie sehr ich ihn vermisst habe." Traurig fügte er hinzu: „Es ist so lange her, Honey." Sie konnte nicht antworten. Stattdessen schob sie ihre Hände unter sein T-Shirt. Mit quälender Langsamkeit hob sie es bis zu seiner Brust an. Als sie an seinen Unterarmen angelangt war, verlor er die Geduld und zog es mit einem Ruck aus. Er warf es auf den Boden und wandte seine Aufmerksamkeit wieder ihrem BH zu. Der Verschluss bereitete ihm einige Schwierigkeiten, doch schließlich öffnete er sich. Als sie so entblößt vor ihm kniete, hielt sie sich verschämt die Hände vor die Brüste. „Der Körper einer Frau verändert sich nach der Geburt eines Kindes", versuchte sie ihn vorzubereiten. Zärtlich entfernte er ihre Hände und blickte ihr in die Augen. „Ich möchte dich ansehen." Langsam ließ er den Blick über ihren Körper wandern. Sie hatte Recht. Die Geburt hatte sie verändert. Ihre Brüste waren voller. Ihre Hüften runder, verführerischer. Das Mädchen, das er damals geliebt hatte, war zu einer Frau gereift. „Wunderschön", murmelte er, völlig von ihrem Anblick verzaubert. Matt konnte nicht genug von ihr bekommen. Aber er hielt sich zurück. Er wollte jeden Moment bewusst genießen. Zärtlich streichelte er ihren Hals und ließ die Finger anschließend zu ihren Brüsten gleiten. Sie erschauerte. „Matt, ich..." „Nicht." Er legte ihr einen Finger auf ihre Lippen. „Sprich nicht. Lass dich fallen und genieße es, Baby." Sie schloss die Augen und legte den Kopf zurück. Sofort bedeckte er ihren Hals mit Küssen. Dunkel nahm er wahr, dass sie sich an seinem Gürtel und an dem Knopf seiner Jeans zu schaffen machte. Als er ihre Hand auf seiner Erregung spürte, sog er hörbar die Luft ein. Er warf Honey auf das Bett, aber er wollte sie dieses Mal langsam lieben, es voll auskosten, denn er wusste, dass sie das nicht wiederholen würden. „Steh auf", sagte er. Bereitwillig verließ sie das Bett und stellte sich vor ihm hin, die Hände auf seine breiten Schultern gestützt. Sie spürte seine harten Muskeln unter ihren Fingern. Er griff nach ihrem
Kleid und zog es von ihren Hüften herunter. Jetzt hatte sie nur noch den Slip an. Er schob seine Finger in das elastische Bündchen und entfernte es mit einer raschen Bewegung. Als er wieder aufsah, hielt er die Luft an. Durch das Fenster fielen Sonnenstrahlen in das Zimmer und tauchten Honeys Körper in goldenes Licht. Ihre Augen blickten ihn voller Leidenschaft an. Ihre Lippen glitzerten feucht von ihren wilden Küssen. Aus ihrer Kehle drangen wieder diese verführerischen Laute. Er bedeckte ihre Haut mit vielen kleinen Küssen. Sie duftete so lieblich. Langsam fuhr er mit seinem Mund bis zur Unterseite ihrer Brüste. Sie stöhnte leise auf, als seine weichen Lippen eine ihrer Brustspitzen umschlossen. Ihre Hände gruben sich in seine Haare. Wie ein hungriges Kind saugte er an ihren Knospen und liebkoste sanft ihre Haut. Wieder drang ein Stöhnen aus ihrer Kehle, und sie presste ihn fester an sich. Matts Lippen wanderten zu ihrem Hals hinauf. Als er ihren Mund küsste, genoss er die Berührung ihrer Brüste an seinem Oberkörper. Ein heißes Verlangen durchströmte ihn. Schnell löste er sieh aus ihrer Umarmung und befreite sich von Jeans und Shorts. „Was ist mit deinem Bein?" fragte Honey, als sie den Verband sah. „Was soll damit sein?" fragte er zurück. Honey strich mit ihren Fingerspitzen über Matts Körper, den sie auf diese Weise neu kennen lernte. Matt keuchte, als hätte er Schmerzen. „O Baby, lange halte ich es nicht mehr aus." Als Antwort trat sie einen Schritt zurück und legte sich auf das Bett. Sie öffnete einladend die Arme. Sekunden später bedeckte Matt sie mit seinem nackten Körper. Sie spürte seine heiße Erregung zwischen ihren Beinen und schloss die Augen. Voller Verlangen bog sie sich ihm entgegen, um diese intime Nähe stärker auskosten zu können. Es war für sie das erste Mal in sieben Jahren, dass sie ihm vertrauen konnte. Sie war für ihn bereit und erwartete ihn. Mit einem Stöhnen drang Matt in sie ein. Es verschlug ihr den Atem. Fast schien es, als wenn sie die vergangenen Jahre wieder aufholen wollten. Matt verlangsamte seine Bewegungen, damit sie gemeinsam den Höhepunkt erleben konnten. Ein Sturm schien in ihrem Inneren zu toben. Sie schloss ihre Beine um ihn, hielt ihn in ihrer Hitze gefangen. Stillschweigend übernahm sie den Rhythmus ihrer Bewegungen. Ihre Herzen schlugen wie wild. Schließlich bäumte sie sich ihm entgegen und krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken. Ein Schauder lief durch ihre Körper, als sie gemeinsam Erfüllung fanden. Langsam in die Realität zurückkehrend, hielt Honey Matt fest umarmt, als wenn sie so verhindern könnte, dass er sie wieder verließ. Matt war total aufgewühlt. Er stützte sich auf seine Ellbogen auf und betrachtete die Frau, die seine Welt auf den Kopf stellte. Ihre honigblonden Haare umflossen ihr erhitztes Gesicht. In ihren blauen Augen sah er nicht das Bedauern, das er vermutet hatte, sondern tiefe Traurigkeit. In dem Augenblick musste er sich etwas eingestehen, was er lange geleugnet hatte. Er liebte Honey. Er liebte sie sogar noch mehr als vor sieben Jahren. Einerseits machte ihn diese Erkenntnis trunken vor Glück, andererseits stürzte sie ihn in Verzweiflung. Er hatte bisher jeden enttäuscht, den er geliebt hatte, ohne es beabsichtigt zu haben. Das konnte er dieser Frau nicht antun. Nicht noch einmal. Matt hängte das Schild „zu verkaufen" an die Griffe des Motorrads und schob es an den Straßenrand. Mehr konnte er nicht tun. Die gestrige Ausfahrt mit Danny durfte sich nicht wiederholen. Zu sehr hatte er Honey in Angst und Schrecken versetzt. „O-O-Onkel Matt?"
Matt war so in Gedanken versunken gewesen, dass er den Schulbus nicht gehört hatte. „Hallo, Sportsfreund! Wie war die Schule?" Buddy kam über den Rasen auf Danny zugelaufen. Danny starrte auf das Verkaufsschild. „Warum v-v-ver-kaufst du das Motorrad?" Geistesabwesend kraulte er Buddys Ohr. „Hallo, Kumpel." „Weil es das Beste ist." „W-W-Warum ist es das Beste?" „Manchmal tun wir mit etwas, woran uns viel liegt, anderen Menschen weh - Menschen, die wir lieben. Verstehst du?" Er wartete auf Dannys Nicken, bevor er fortfuhr. „Deine Mutter hat sich gestern große Sorgen um uns gemacht." „Es ist doch gar nichts passiert!" „Nein, aber sie hatte Angst, dass wir einen Unfall haben könnten. Auch wenn wir das Motorrad mögen, meinst du, dass es fair wäre, deine Mutter wieder damit zu quälen?" Danny schüttelte den Kopf. Nachdenklich sah er Matt an. Plötzlich schien er eine Idee zu haben. „Komm, Buddy. Wir müssen gehen. Bis später, Onkel Matt", rief er ihm über die Schulter zu. Lachend beobachtete Matt, wie der Junge mit dem Hund über den Rasen zum Haus lief. Der Gedanke, das Motorrad verkaufen zu müssen, missfiel ihm genauso wie Danny. Aber mehr noch hasste er es, die Panik in Honeys Augen zu sehen. Das Motorrad musste weg. Er wollte ihr nicht noch einmal wehtun.
11. KAPITEL
Später am Tag ging Honey in Dannys Zimmer. Er selbst war nicht da, aber stattdessen sah sie auf seinem Bett ein Pappschild mit der Aufschrift „zu verkaufen". In einer kleinen Schachtel hatte Danny seine Spielzeugrennwagen aufgereiht. „Honey?" Blitzschnell drehte sie sich um und fuhr sich mit einer Hand an die Brust. Hinter ihr stand Matt. „Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken", sagte er. Sie atmete tief durch. „Schon okay. Ich hatte nur niemanden erwartet." „Was hat das hier zu bedeuten?" fragte Matt und zeigte auf die Spielzeugautos. „Ich habe keine Ahnung." Bevor Matt eine Vermutung äußern konnte, kam Danny in das Zimmer. „M-M-Mom, du solltest das nicht sehen." „Warum denn nicht? Und was soll das überhaupt?" Danny breitete die Tagesdecke über die Schachtel. „Ich v-v-verkaufe meine Sammlung an Jimmy F-F-Fletcher." „Warum?" fragten Matt und Honey gleichzeitig. Verlegen schaute Danny erst Matt, dann seine Mutter an. „Manchmal muss man Dinge t-t tun, die man nicht will, d-d-damit andere Menschen nicht unglücklich werden." Matt nickte Danny zu und hob seinen Daumen als Zeichen der Zustimmung. Sofort breitete sich ein Grinsen auf Dannys Gesicht aus. Matt schien mehr zu wissen, als er zugab. „Matt, kann ich dich mal kurz draußen sprechen?" Honey schloss die Tür hinter sich und ging mit Matt den Flur entlang. Als er sich zu ihr umdrehte, blieb ihr fast der Atem weg. Seine Augen strahlten vor Energie. Durch sein Lächeln vertieften sich seine Grübchen, die ihr schon immer den Verstand geraubt hatten. Sie musste blinzeln und den Blick abwenden, um den unsichtbaren Bann zu brechen. „Hat diese Szene etwas mit dem zu tun, was am Ende der Auffahrt steht?" fragte sie ihn. Obwohl sie froh und erleichtert darüber war, fragte sie sich, was Matt wohl zu dieser Entscheidung bewogen hatte. „Was sollte mein Motorradverkauf mit Dannys Verkauf zu tun haben?" Matts Lächeln vertiefte sich, wodurch seine Grübchen noch stärker hervortraten. Honey musste sich gegen die Wand lehnen, da ihre Knie ganz weich wurden. Matt war sich vielleicht seiner männlichen Anziehungskraft nicht bewusst, aber sie dafür umso mehr. Sie räusperte sich. „Unser Sohn scheint dich nachzuahmen." Matt lehnte sich ebenfalls an die Wand, verschränkte seine Arme vor der Brust und sah ihr tief in die Augen. „Ist dir bewusst, dass du zum ersten Mal von unserem Sohn gesprochen hast?" fragte er mit dunkler Stimme. Honey lenkte ihren Blick auf den orientalischen Läufer. „Ich bin sicher, ich habe ..." „Nein." Matt berührte ihre Hand. Seine Finger waren ebenso warm wie seine Stimme. „Ich glaube, du hast es endlich akzeptiert." Zögernd sagte sie: „Ich habe immer akzeptiert, dass Danny unser Sohn ist." Vorsichtig fügte sie hinzu: „Er liebt uns beide." Kaum hatte sie das ausgesprochen, als Matts Lächeln erstarrte. Sein Gesicht nahm einen abweisenden Ausdruck an. „Ich will nicht, dass er mich liebt. Ich will ihm nur ein guter Vater sein." Er drehte sich um und ging den Flur hinunter. Honey wollte diese Unterhaltung nicht so stehen lassen und folgte ihm. Doch er hatte bereits das Haus verlassen. Als sie in der Halle stand, kam ihr Amanda entgegen.
„Stimmt was nicht, Liebes?" „Wie kommst du darauf?" „Na ja, normalerweise verlässt Matthew das Haus nicht auf diese Art." Amanda betrachtete Honeys Gesicht und wendete dann ihren Rollstuhl in Richtung Esszimmer. „Warum leistest du mir nicht Gesellschaft beim Teetrinken?" Seufzend folgte Honey ihrer Schwiegermutter zum Esstisch. Tess hatte ihn bereits mit Teetassen, Teekanne und einem Teller mit sehr dunklen Schokoladenkeksen gedeckt. Amanda goss den Tee ein. „Drei?" fragte Honey. „Ja, Tess wird uns auch Gesellschaft leisten." Tess war nicht nur Haushälterin, sondern auch Amandas Freundin, mit der sie oft zusammensaß. Nickend nahm Honey die ihr angebotene Tasse an. Auch wenn Matthew nicht die Tür zugeknallt hätte, hätte Amanda aus Honeys Gesichtsausdruck ablesen können, dass irgendetwas mit den beiden nicht in Ordnung war. „Vielleicht verschwinden diese fürchterlichen Falten von deiner Stirn, wenn wir darüber reden." Auffordernd lächelte sie Honey an. Honey trank einen Schluck Tee und konnte sich nicht entscheiden, ob sie über ihre Sorgen sprechen sollte. Doch schließlich überwand sie sich: „Matt hat vorhin etwas sehr Lächerliches gesagt. Er meinte, dass er Dannys Liebe nicht will." Erstaunt stellte Amanda ihre Tasse ab. „Was?" „Genauso habe ich reagiert. Warum sollte ein Vater nicht die Liebe seines Sohnes wollen?" „Das ist doch klar wie Kloßbrühe." Tess kam ins Zimmer und setzte sich müde zu den beiden an den Tisch. Amanda und Honey sahen sie fragend an. „Der Bursche hat Angst." Das mussten beide erst einmal verdauen. Tess nahm sich einen Keks und wartete auf einen Kommentar. Bevor Amanda etwas erwidern konnte, kam ihr Honey zuvor. „Angst vor seinem Sohn?" Lachend erklärte Tess: „Himmel, nein. Doch nicht vor dem kleinen Knirps. Angst vor der Liebe." „Tess, was meinst du damit? Mein Neffe ist immer geliebt worden. Sei es von seinem Vater, seiner Mutter, seinem Bruder oder von mir. Warum sollte er jetzt Angst davor haben?" Tess beugte sich über den Tisch. Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüsterton. „Klar ist er immer geliebt worden. Aber in den meisten Fällen hat ihn die Liebe verletzt. Kein Wunder, dass der Junge nicht geliebt werden will." Sie setzte sich wieder zurück. „Wenn er nicht geliebt wird, kann er auch nicht verletzt werden." „Verletzt?" Schockiert starrte Honey Tess an. „Ja. Verletzt. Seine Mutter starb, als er noch ein kleiner Bub war. Das hat ihm das Herz zerrissen. Sein Vater hatte vergessen, dass es ihn gab. Der Bruder, den er geliebt und bewundert hatte, starb plötzlich. Nur ein alter, verbitterter Mann blieb zurück. Dann hast du auch noch geheiratet, als du mit seinem Kind schwanger warst." Tess sah von einer zur anderen. „Glaubt ihr nicht, dass ihm das wehtat? Nur die Liebe von Amanda und mir war ungefährlich. Aber wir haben auch versagt, denn wir haben dem hässlichen alten Mann nicht mitgeteilt, dass er einen Enkel hatte und der Junge einen Vater brauchte." „Aber ich will ihm nicht wehtun, und Danny will es auch nicht." Tess griff nach Honeys Hand. „Das macht es nicht leichter für ihn. Es ist so, als wenn du deine Finger in eine Mausefalle steckst. Ein oder zwei Mal hältst du den Schmerz aus. Aber nach einigen Versuchen wirst du es lassen." Bei diesem Vergleich konnte sich Amanda ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Warum zeigst du ihm nicht, dass die Mausefalle diesmal nicht wehtun wird?" Tess grinste Amanda an. „Ah, jetzt ist der Groschen gefallen."
Beide sahen Honey an. „Wie soll ich das anstellen?" „Du liebst ihn doch, oder?" fragte Amanda, auch wenn sie die Antwort längst wusste. Zögernd antwortete Honey leise: „Ja. Ich liebe ihn, und Danny tut es auch, obwohl er es noch nie gesagt hat." „Na siehst du", sagten beide unisono. „Und was willst du jetzt machen?" Tess nahm sich einen Keks, betrachtete ihn kritisch und legte ihn wieder auf den Teller zurück. Stattdessen goss sie sich Tee ein und wartete mit Amanda auf Honeys Antwort. Honey sah beide an und überlegte, ob Tess Recht hatte mit ihren Vermutungen. Offensichtlich schienen die beiden ihr zuzutrauen, dass sie Wunder vollbringen könnte. Aber wie? „Ich weiß es nicht", antwortete sie schließlich. Tess schnaufte ungeduldig, und Amanda seufzte.. „Oh, Mädchen, brauchst du es schwarz auf weiß?" Sie ergriff erneut Honeys Hand und drückte sie. „Geh zu ihm. Erzähl ihm, was du für ihn empfindest." „Das will er aber nicht. Er will nicht geliebt werden. Und wenn er es nicht einmal von seinem Sohn will, dann erst recht nicht von mir." Amanda legte ihre Hand auf Tess' Arm, und beide Frauen sahen Honey an. „Er will es. Er weiß nur nicht, wie er es annehmen soll. Du musst ihm dabei helfen. Geh zu ihm. Überzeuge ihn davon, dass Liebe nicht wehtun muss." Matt beobachtete von seinem Schlafzimmerfenster aus, wie Honey in die Auffahrt seines Hauses einbog. Nachdem sie einige Minuten im Auto gesessen hatte, stieg sie aus und warf einen Blick zu seinem Fenster hoch. Sofort trat er einen Schritt zurück. Seit seinem abrupten Abgang hatte er genug Zeit gehabt, um sich Gedanken zu machen. Er liebte Honey und Danny, aber trotzdem wollte er nicht, dass sie ihn auch liebten. Zu groß war seine Angst, sie verletzen zu müssen. Er hätte nicht zurückkehren dürfen. Die Haustür knarrte. „Matt? Matt. Ich weiß, dass du da bist." Langsam stieg sie die Treppen zu seinem Zimmer hoch und öffnete die Tür. Matt stand am Fenster und starrte in die Dunkelheit. „Matt, wir müssen miteinander reden." „Da gibt es nichts zu reden. Fahr nach Hause, Honey." Sie schaltete die Deckenleuchte an. Matt blinzelte. „Ich fahre nicht, bevor wir nicht geredet haben." Verärgert drehte er sich um. „Was soll das bringen?" Honey stellte sich neben ihn und berührte sanft seinen Arm. „Es könnte dir helfen, die Vergangenheit zu verarbeiten, damit du dir eine Zukunft aufbauen kannst." Er ging auf die Tür zu. „Die Vergangenheit verarbeiten? Lass mich in Ruhe, Honey. Ich will weder dir noch Danny wehtun, und das würde ich unweigerlich, wenn wir weitermachen." Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. Voller Panik, dass sie ihn nie wieder sehen würde, lief Honey ihm nach und warf sich in seine Arme. Erst blieb er regungslos stehen. Doch dann presste er sie fest an seine Brust. „Matt, du kannst nicht wieder davonlaufen. Weglaufen löst keine Probleme." Sie lehnte sich zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können. „Bleib und kämpfe um dein Leben. Danny und ich werden dir helfen." Müde lächelnd streichelte er ihr Gesicht. Überrascht stellte sie fest, dass seine Wangen tränennass waren. „Es gibt nichts zu bekämpfen. Und wenn es was gäbe, könntest du mir nicht helfen." „Lass es mich versuchen, bitte." „Es ist zu spät." Er drehte ihr den Rücken zu. „Ich konnte meinem Vater nicht gerecht werden, und ich kann auch dir nicht gerecht werden."
„Was wollte er? Erzähl es mir." Mit einem Ruck drehte er sich ihr wieder zu. „Er wollte, dass ich so bin wie mein Bruder Jamie." Honey schluckte. „Und ich? Was denkst du, was ich will?" Sekundenlang starrte er sie stumm an. Honey fürchtete schon, dass er darauf nicht antworten würde. „Einen Mann, der zu seiner Verantwortung steht. Einen Mann, der nicht so ist wie Stan oder dein Vater." Er schüttelte den Kopf. „Siehst du das jetzt ein? Ich bin nicht besser als sie." Heftig wehrte sie ab. „Aber die sind doch längst tot." „Nur im physischen Sinne. Du lässt dir immer noch von ihnen dein Leben diktieren. Immer vergleichst du andere Männer mit ihnen. Solange du das tust, wirst du nie so unabhängig werden, wie du zu sein glaubst." Er legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich habe schon viele Menschen enttäuscht, Honey, und ich könnte dir nicht garantieren, dass ich nicht wie Stan oder dein Vater handeln würde." Sprachlos vor Entsetzen hörte sie ihm zu. Dann spürte sie, wie er seine Hände von ihren Schultern nahm und wegging. Matt verließ sie wieder. Aber das Schlimmste war, dass sie nicht wusste, ob er vielleicht Recht hatte.
12. KAPITEL
Emily saß im Schaukelstuhl auf Amandas Veranda. „Ich kann nicht lange bleiben. Rose hat einen Zahnarzttermin, und ich habe ihr versprochen, rechtzeitig zurück zu sein, um die Zwillinge zu übernehmen." Ihr Blick schweifte zu Buddy und Danny hinüber, die auf dem Rasen tobten. „Er liebt diesen Hund, nicht wahr?" Honey nickte. „Es war das Beste, was wir für ihn tun konnten. Sein Stottern ist seitdem erheblich zurückgegangen." „Das Beste, was ihr für ihn tun konntet? Du warst doch zuerst total dagegen." „Okay, es war Matts Idee." „Da wir gerade von Matt sprechen, wo ist er überhaupt?" Honey sah der streunenden Katze nach, die Buddy und Danny genau im Visier hatte. „Er arbeitet an seinem Haus." „Ist es bald fertig?" „Keine Ahnung. Ich habe ihn seit Tagen nicht mehr gesehen." Tatsächlich hatte sie, seit dem Gespräch in seinem Haus vor einer Woche, keinen Kontakt zu ihm gehabt. Immer verließ er frühmorgens das Haus und kehrte spätabends zurück, wenn alle bereits schliefen. Plötzlich hörte sie Danny schreien. „Mom!" Honey und Emily schössen in die Höhe. Buddy hatte die Katze entdeckt und jagte ihr hinterher. Verzweifelt rannte Danny dem Hund nach, um ihn aufzuhalten. Honey und Emily nahmen auch die Verfolgung auf. Doch der Hund und die Katze waren nicht einzuholen. Schließlich kletterte die Katze geschwind auf einen alten Apfelbaum in Amandas Rosengarten. Buddy blieb frustriert darunter sitzen. Sofort fing Danny an zu weinen. „Fred sitzt dort fest, Mom. Du musst ihm runterhelfen." „Fred?" „So habe ich ihn genannt. Ich weiß, dass er Angst hat. Wir müssen ihm helfen", jammerte Danny und wollte am Stamm hochklettern. „Du nicht!" Honey zog ihn am Hosenbund zurück. „Ich werde es tun." Hatte sie das tatsächlich gesagt? „Du? Mein Gott, Honey, du hast doch Höhenangst. Lass die Katze. Die kommt schon allein wieder runter." Sogleich verstärkte sich Dannys Heulen. Honey sah ihre Schwester an und fragte: „Willst du es tun?" Emily griff sich ans Herz. „Ich? Ich habe noch mehr Angst als du. Nein, danke." „Mom, er wird sich den Hals brechen. Du musst ihm helfen." „Er fällt schon nicht. Deine Mutter holt ihn runter." Honey warf ihr einen Das-zahle-ich-dir-heim-Blick zu, zog ihre Schuhe aus und näherte sich dem Baum. Hoch oben entdeckte sie Fred. Er sah tatsächlich völlig verängstigt aus. Kurz dachte sie noch daran, eine Leiter zu holen, aber dann fiel ihr ein, dass Matt sie sich ausgeliehen hatte. Ihren ganzen Mut zusammennehmend, stieg sie auf den ersten Ast. Langsam, ohne nach unten zu schauen, kletterte sie den Baum hoch. Als sie nah an der Katze war, machte diese einen gewaltigen Satz und sprang auf den Boden. Sofort rannte sie davon. „Es ist okay, Mom. Fred hat es alleine geschafft. Du kannst jetzt runterkommen." Honey blickte nach unten und fing an zu zittern. Sie drückte ihr Gesicht an die Baumrinde und flüsterte: „Ich kann nicht." „Mom?"
„Honey? Ist alles okay?" Sie hörte die Stimme ihrer Schwester, konnte aber nicht antworten. Mit all ihrer Kraft umklammerte sie den Ast. „Tante Emily, sitzt Mom jetzt fest?" Honey bemerkte, dass die Stimme ihres Sohnes weniger besorgt klang als vorhin, als Fred in Nöten gewesen war. „Ich hoffe nicht. Und wenn, weiß ich auch nicht, wie ich ihr da helfen soll." „Vielen Dank, Em", fluchte Honey. Der Schweiß brach ihr bereits aus, und ihr Magen krampfte sich jedes Mal zusammen, wenn sie hinuntersah. Das Einzige, was ihr jetzt noch Mut machte, war die Prophezeiung einer alten Zigeunerin auf einer Messe letztes Jahr. Und davon, dass sie den Rest ihres Lebens auf einem Baum verbringen sollte, war nicht die Rede gewesen. „Honey?" Matt? Ach du Schande, das hatte ihr gerade noch gefehlt. „Was macht sie denn da oben?" Matts Stimme klang belustigt, was auch nicht gerade ihre Stimmung hob. „Sie wollte Fred retten", antwortete Danny. „Fred?" „Die streunende Katze", erklärte Emily. „Ich wollte sie davon abhalten, aber Danny hat so gekreischt und ..." „Hab ich nicht." „Und wer war es dann?" „Ich hab geschrien, aber nicht gekreischt. Mädchen kreischen, Jungs schreien." „Okay, du hast geschrien", räumte Emily ein. „Hallo, Entschuldigung", unterbrach Honey die Diskussion mit schwacher Stimme. „Ja, Honey?" fragte Matt. „Kann mich jemand runterholen?" „Ich bin sofort bei dir." Sekunden später stieg er den Baum hoch, um sie zu retten. „Gib mir deine Hand", sagte er. Sosehr sie es auch versuchte, ihre Hand gehorchte ihr nicht. „Ich kann nicht." „Doch, du kannst es, Baby." \ Honey versuchte es nochmals, aber die Finger reagierten nicht. „Ich kann nicht." „Okay. Bleib dran." Wieder raschelten Blätter, und dann spürte sie seinen Körper direkt hinter sich. Er legte seine Arme um sie und löste einen Finger nach dem anderen von dem Ast. Langsam drehte er sie zu sich um. Sie umklammerte seinen Hals und vergrub ihr Gesicht in seinem T-Shirt. Ihr ganzer Körper zitterte, und sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Er hob ihr Kinn an. Sein Lächeln milderte ihre Angst. „Keine Zeit zum Kuscheln jetzt. Wir müssen noch runter." Sanft küsste er ihre Nasenspitze. „Ich geh vor, und du folgst mir. Ich verspreche dir, dass du nicht fallen wirst." Er lächelte sie an. „Vertraust du mir?" Sie wusste, dass er ihre Rettung aus dem Baum meinte, doch als sie nickte, ging es um viel mehr. „Ja, ich vertraue dir." Sekundenlang starrte er sie an, als wenn er nicht glauben könnte, was sie soeben gesagt hatte. Sie streichelte ihm über die Wange. „Sollten wir nicht runter?" Verwirrt nickte er. „Äh, klar. Also los." Langsam trat er auf einen Ast unter sich und hielt Honey wartend seine Arme entgegen. Ohne zu zögern folgte sie ihm. Als sie unten angekommen waren, ließ er sie los. Erleichtert atmete Emily aus. Danny umklammerte Honeys Beine. „Onkel Matt ist ein Held, Mom. Er hat dich gerettet, so wie du Fred gerettet hast."
„Ja. Ich denke, er ist einer. Danke", sagte Honey und schaute über Dannys Kopf zu Matt hinüber. „Es war mir ein Vergnügen", antwortete er grinsend, wobei seine Grübchen wieder zum Vorschein kamen und die Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern ließen. „Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein Mann einer Dame aus der Bedrängnis helfen darf." „Mein Lehrer sagt, wenn du jemanden rettest, dann bist du für ihn verant... ver..." „Verantwortlich", schaltete sich Emily ein. Honey sah erst Danny, dann Matt an. „Vielleicht könnt ihr beide meine Helden sein." „Eine Frau braucht nur einen Helden, und es sieht so aus, als wenn du bereits einen hättest." Abrupt drehte Matt sich um und marschierte Richtung Haus. „Was sollte das denn bedeuten?" fragte Emily. „Das heißt, dass Matt nicht mein Held sein möchte", antwortete Honey und bückte sich, um Danny zu umarmen, so dass ihre Schwester ihre Tränen nicht sehen konnte. Matt legte den Glasschneider in seine Werkzeugkiste zurück und bewunderte sein Werk. Alle Scheiben des Gewächshauses waren erneuert. Morgen würde er Setzlinge pflanzen. Er überlegte noch, ob er vielleicht ein Geschäft daraus machen sollte. Auf jeden Fall freute er sich auf die Blütenpracht. Seit Tagen werkelte er an seinem Haus herum. Es hatte von außen einen neuen weißen Anstrich bekommen, und die Fensterläden waren dunkelgrün gestrichen. Ein cremefarbener Teppichboden lag in dem mit neuen Möbeln ausgestatteten Wohnzimmer. Der hässliche Linoleumboden in der Küche war durch Fliesen ersetzt. Nun musste er nur noch die Küchenschränke neu streichen. Dann wäre er fertig. Außer ... Bis jetzt hatte er es vermieden, das ehemalige Schlafzimmer seiner Eltern zu betreten, obwohl er schon mehrmals den Türknopf in der Hand gehabt hatte. Er ging gerade mit der Werkzeugkiste um das Haus herum zu seinem Truck, als ein Auto auf seinem Grundstück hielt. Halb erleichtert, aber auch bedauernd stellte er fest, dass es nicht Honey war. Emily stieg aus dem Wagen und warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu. „Willst du über die kleine Szene am Baum mit mir sprechen?" „Nein", antwortete er knapp. Langsam kam sie auf ihn zu. Sie schob den Gurt ihrer Handtasche über die Schulter. Ihr Ehering fiel ihm dabei auf, wodurch ihm seine Einsamkeit noch bewusster wurde. Schnell schaute er weg. Einige Zentimeter vor ihm blieb sie stehen. „Dein Sohn hält dich für einen Helden, weil du seine Mutter gerettet hast." „Wir machen alle mal Fehler." Emily blickte zum Haus hinüber. „Wie weit bist du?" „Fast fertig." „Es ist eine Schande." Erstaunt fragte er sie: „Was ist eine Schande?" „Dieses Haus. Du. Die Arbeit, die drinsteckt. Alles umsonst." Er folgte ihrem Blick. „Ich würde kaum behaupten, dass alles umsonst war. Schließlich will ich darin wohnen." Ernst sah sie ihn an. „Und wie lange, Matt? Bis du wieder auf Schwierigkeiten stößt, dann schnell packst und verschwindest?" Er schwieg. „Das hatte ich mir gedacht." Verärgert drehte sie ihr Gesicht zur Seite. „Es gibt einen kleinen Jungen, der dich liebt." Matt wollte sie schon unterbrechen, aber sie winkte ab. „Lass mich das hier beenden. Danny hält dich für den Größten. Honey ist sich deiner nicht sicher.
Trotzdem riskiert sie ihr Glück für dich. Meinst du nicht, dass du ihnen etwas schuldig bist? Eine Erklärung oder was auch immer?" Schuldgefühle breiteten sich in ihm aus. „Halt dich da raus, Emily." „Nein, das kann ich nicht, Matt. Ich liebe diese Menschen, und ich weiß, dass Honey mich vierteilen würde, wenn sie wüsste, dass ich mit dir darüber spreche. Aber, verdammt noch mal, jemand muss es doch tun. Du bist dabei, das Wertvollste in deinem Leben wegzuwerfen. Macht dir das nicht ein wenig Angst?" Matt lachte bitter. „Ein wenig? Verdammt, es macht mir mehr Angst als alles andere auf der Welt." „Dann unternimm doch was dagegen. Sprich mit ihr. Aus Erfahrung weiß ich, dass Ungewissheit das Schlimmste ist. Die Fantasie geht dann mit einem durch. Oder man steigert sich in etwas hinein." Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. „Tu ihnen das nicht an. Und auch dir nicht." Winkend stieg sie in ihren Wagen und fuhr davon. Doch ihre Worte gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. Wusste sie denn nicht, dass er keineswegs beabsichtigte, Honey und Danny zu verletzen? Im Gegenteil. Durch sein Verhalten wollte er sie schützen. Er warf die Werkzeugkiste auf die Ladefläche seines Tracks und schlug voller Frust mit der Faust auf den Kotflügel. Dann ließ er den Blick über das frisch gestrichene Haus, den gemähten Rasen und die zurechtgestutzten Sträucher schweifen. Was machte er hier eigentlich? Emily hatte es auf den Punkt gebracht. Er hatte ein Haus, aber niemanden, mit dem er es teilen konnte. Es war ein Haus, aber kein Heim.
13. KAPITEL
Am Abend ging Honey in Dannys Zimmer, um ihm eine gute Nacht zu wünschen. Er und Buddy saßen auf dem Bett und spielten mit einer Socke. Danny trug seinen Supermanumhang, und mit den verwuschelten, vom Duschen noch nassen Haaren sah er sehr verwegen aus. „Los, Buddy, fang die Socke", rief er und wedelte mit dem Strumpf vor Buddys Schnauze herum. Der Welpe schnappte danach. Dem reißenden Geräusch nach zu urteilen, konnte Honey die Socke wohl abschreiben. „Du bist ein guter Hund, Buddy", sagte Danny und streichelte ihn. Honey wurde zum ersten Mal bewusst, dass ihr Sohn seit dem Erlebnis mit der Katze nicht mehr gestottert hatte. War er geheilt? „Danny?" Mit den strahlend blauen Augen seines Vaters sah er sie an. „Hi, M-M-Mom." Ihre Hoffnung verflog. Warum? Hatte Matt vielleicht doch Recht, dass sein Stottern nichts mit Stans Tod, sondern mit ihr zu tun hatte? Sie holte tief Luft. Wie Matt ihr geraten hatte, sprach sie langsam zu ihm. „Es ist Schlafenszeit." „Ach, M-M-Mom. Muss das sein?" Buddy fing an zu bellen, als wenn er sich über die Unterbrechung ihres Spiels beschweren wollte. „Tut mir Leid, Jungs, es ist spät." Sie kraulte Buddy hinter seinem flauschigen Ohr. Sofort legte er en Kopf in ihre Handfläche. „K-k-kann Buddy hier sch-sch-schlafen?" Voller Erwartung sah er seine Mutter an. Selbst der Hund schien auf ihr Einverständnis zu warten, denn er schaute sie mit großen, treuen Augen an. Sie brachte es nicht übers Herz, diese Bitte abzuschlagen. „Von mir aus." „Also los!" Ohne weitere Widerworte schnappte sich Danny den Hund, legte ihm das Laken über und lehnte sich in das Kissen zurück. Buddys Kinn ruhte auf seiner Brust. „M-MMom, kann Onkel Matt mein n-n-neuer Vater sein?" Plötzlich hatte Honey das Gefühl, als ob eine eiserne Hand ihr Herz umklammerte. Der Raum schien sich zu drehen, so dass sie sich am Bettpfosten festhalten musste. Doch sie musste der Realität ins Gesicht blicken. Matt würde nie Teil ihres Lebens werden. Seufzend flüsterte sie: „Ich weiß es nicht." „Ach, M-M-Mom. Onkel M-M-Matt würde das gefallen. Ich hab gesehen, d-d-dass er dich im B-B-Baum geküsst hat. Ho-wie H-H-Hawkins sagt, wenn L-L-Leute sich küssen, lieben sie sich. Er sagt, so m-m-macht man Babys." Lächelnd beugte Honey sich zu Danny hinunter, um ihn zu küssen. „Howie Hawkins sollte lieber seine Quellen noch mal überprüfen." Sie zog das Bettlaken hoch. „K-k-kann er, Mom? Kann O-O-Onkel Matt mein Vater sein?" „Mal sehen." Sie streckte ihren Rücken. Sicher würde ihr Sohn ihr keine Ruhe lassen, bis er eine befriedigende Antwort erhalten hätte. „Ich hab ihn echt gern, w-w-weißt du. Und H-H-Helden sind gute V-V-Väter. Stimmt's, Buddy?" Der Hund winselte. „Ach, dich hab ich auch gern, Buddy." Tränen brannten in ihren Augen, als sie die Zimmertür schloss. Wieder einmal wurde sie daran erinnert, dass der einzige Held in ihrem Leben hinter dieser geschlossenen Tür lag. Und so würde es auch immer bleiben. Am liebsten hätte sie die Unterhaltung mit ihrem Sohn vergessen, aber seine Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Sinn. Warum musstest du zurückkommen, Matt Logan? Uns ging es gut ohne dich. Und warum musste ich mich wieder in dich verlieben?
Verzweifelt biss sie sich in die Faust, lehnte sich an die Wand und ließ ihren Tränen freien Lauf. Wie sollte sie Danny sagen, dass sein Onkel in Wirklichkeit sein Vater war, aber bald wieder gehen würde? All ihre Fragen blieben wie immer unbeantwortet. Ihr war bewusst, dass es, solange Matt Angst davor hatte, sie zu lieben und geliebt zu werden, kein Entrinnen aus dieser Hölle gab. Am folgenden Morgen saß Matt am Frühstückstisch, als Honey ins Esszimmer kam. Sie sah mitgenommen aus. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, und ihre Haut war sehr blass. Matt war sich bewusst, dass er an ihren schlaflosen Nächten nicht unschuldig war. „Morgen", murmelte sie. Nachdem sie sich eine Tasse Kaffee eingegossen hatte, setzte sie sich an den Tisch, vermied aber seinen Blick. Stattdessen schaute sie sich um. „Hat Danny den Schulbus noch bekommen?" „Es ist Samstag. Er spielt draußen mit Buddy", antwortete er. Trotz ihres müden Aussehens fand er sie ungemein attraktiv. Am liebsten wäre er mit ihr zurück ins Schlafzimmer gegangen - aber nicht, um zu schlafen. Müde rieb sich Honey die Augen. „Verdammt. Ich habe verschlafen. Wie spät ist es eigentlich?" Er sah auf seine Armbanduhr. „Fast neun." Als ihr plötzlich bewusst wurde, dass er um diese Zeit immer noch da war, fragte sie ihn: „Was machst du eigentlich noch hier?" „Ich habe auf dich gewartet." „Warum?" fragte sie überrascht. „Danny erzählte mir, dass ihr beide gestern eine Unterhaltung hattet." Ihre Hand hielt auf halbem Weg zu ihrem Mund inne. Sie befeuchtete ihre Lippen und stellte geräuschvoll die Tasse wieder ab. „Hat er dir auch erzählt, worüber wir uns unterhalten haben?" „Er sagte, dass er dich gefragt hätte, ob ich sein Vater werden könnte." Verlegen lachte sie auf. „Du weißt ja, wie kleine Jungs sind. Sie haben plötzlich eine Idee im Kopf und ..." „Honey", unterbrach er sie, „ich glaube, es ist an der Zeit, ihm zu sagen, wer ich bin." Stille breitete sich im Raum aus. Das Ticken der Wanduhr war deutlich zu hören. Draußen sang ein Vogel. Buddy bellte. Wahrscheinlich galt das Fred. Aus der Ferne waren leise Geräusche zu vernehmen. „Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht noch zu früh ist." Matt seufzte. „Sein Sprechen hat große Fortschritte gemacht. Außerdem müssen Dinge manchmal vorangetrieben werden." „Vorangetrieben? Wozu die Eile?" Mit festem Blick sah sie ihn lange an, als ob sie seine Gedanken lesen wollte. Er wich ihrem Blick aus. „Willst du fort?" „Ich ..." Doch weiter kam er nicht. Plötzlich hörten sie ein lautes, quietschendes Geräusch und Dannys Schreien. Beide sprangen sie von ihren Stühlen auf und rannten zur Straße. Matts Herz schlug wie wild. Bitte, lass es nicht Danny sein. Nicht mein Sohn. Erst als er Danny am Straßenrang kniend vorfand, normalisierte sich seine Atmung. Danny hatte den Arm um Buddy gelegt und den Kopf in seinem Fell vergraben. „Buddy, es war nicht dein Fehler. Es war ein Unfall. Fred hat nicht nach beiden Seiten geguckt." An der Straße bemerkte Matt einen grauen Lieferwagen. Die Katze lag bewegungslos dahinter. Fred atmete noch und schien auch nicht zu bluten. „Hol deinen Wagen", rief Matt Honey zu. „Ich habe sie nicht einmal gesehen. Die Katze kam aus den Büschen geschossen, der Hund gleich hinterher. Es ist ein Wunder, dass ich nicht beide erwischt habe."
Ein Mann in Arbeitsmontur stand neben Danny. „Noch nie habe ich ein Tier angefahren. Ich habe selber welche. Falls ich irgendetwas tun kann, hier ist meine Karte." Er überreichte Matt seine Visitenkarte und blickte nochmals zu Danny. „Es tut mir so Leid." Danny nickte. „Fred hätte aufpassen müssen." Honey fuhr direkt neben ihnen vor. Matt hob vorsichtig die Katze in das Auto. Danny und Buddy folgten ihm. „Nein, Danny, du wartest hier. Wir fahren zu Onkel Kat." „Aber Mona!" Er fing an zu weinen. „Ich will bei Fred sein. Er wird ohne mich Angst haben." „Lass ihn mitkommen." Matts Blick erlaubte keine weiteren Widerworte. „Fred wird wieder gesund werden", versicherte er ihm und fuhr los. Unterwegs hörten sie Danny zu Fred sagen: „Ich bin hier, Fred. Du bist bald wieder okay. Buddy wollte das nicht. Stirb nicht, Fred." Auf der ganzen Fahrt zum Tierarzt hörten sie Dannys leises Schluchzen. Minuten später erreichten sie die Praxis. Sie wurden bereits erwartet. Tess oder Amanda mussten Kat benachrichtigt haben. Sie stiegen aus dem Truck aus, und Kat trug die Katze vorsichtig in den Behandlungsraum. Honey setzte sich im Wartezimmer neben Danny auf eine Bank. Sie legte ihm den Arm um die Schultern. „Wird schon werden." „Ich will ... bei ihm sein", schluchzte Danny und wollte schon aufstehen. Matt drückte ihn sanft auf den Sitz zurück. „Deine Mama ist Krankenschwester, Sportsfreund. Wollen wir nicht lieber sie reinlassen? Ich bleibe hier bei dir und Buddy." Er warf ihr einen fragenden Blick zu. Sie nickte und stand auf. Bevor sie ging, gab sie Danny einen Kuss auf die Wange und versicherte ihm, darauf Acht zu geben, dass Onkel Kat die Katze gut behandelte. Danny schaute zur geschlossenen Tür und nickte dann. „Okay. Aber sag Fred, dass Buddy und ich hier sind. Dann hat er nicht so viel Angst." Tränen flössen ihm über die Wangen. Zärtlich wische Honey ihm mit einem Taschentuch das Gesicht trocken. „Das mach ich. Ich bin sicher, er freut sich, dass er nicht alleine ist." Nachdem sie in das Behandlungszimmer gegangen war, drehte sich Danny zu Matt um und drückte sein Gesicht an dessen Brust. „Buddy ... wollte das nicht", schluchzte er. „Sie haben gespielt. Es war nicht sein Fehler." Matt sah auf den Kopf seines Sohnes hinunter. „So was passiert eben, Danny. Erinnerst du dich, wie ich dir erzählt habe, dass manchmal Menschen verletzt werden und niemand Schuld daran hat? Das Gleiche gilt auch für Tiere. Das passiert eben, und wir können nichts dagegen tun." Danny hörte auf zu weinen. Er hob den Kopf an. „So wie Daddys Unfall?" Gab Danny sich wirklich die Schuld an Stans Unfall? „War das auch so?" hakte Danny nach. Matt nickte. „Genau so. Es war nicht nett von Buddy, Fred zu jagen, aber trotzdem war der Unfall nicht sein Fehler. Dein Daddy war erwachsen, und er wusste, was er tat. Deine Mom hatte versucht, ihn von dem Rennen abzuhalten. Doch er hatte nicht auf sie gehört. Und auf dich hätte er wahrscheinlich auch nicht gehört, oder?" Danny nickte. „Also war es sein eigener Fehler. Ebenso wie es Freds Fehler gewesen war. Fred hätte nicht auf die Straße laufen dürfen. Es war seine Entscheidung gewesen." Diesmal schien Danny ihn verstanden zu haben. Matt umarmte seinen Sohn. „Ich liebe dich, Onkel Matt." Matt erstarrte. Doch bevor er etwas erwidern konnte, kehrten Honey und Kat aus dem Behandlungszimmer zurück. „Wie geht es Fred, Onkel Kat?"
Kat hob Danny hoch. „Fred wird wieder gesund werden. Ich möchte ihn heute zur Beobachtung hier behalten. Morgen kannst du wieder mit ihm spielen." Er lächelte Danny an. „Er hat starke Kopfschmerzen und ein oder zwei gebrochene Rippen, aber nichts Ernstes." Danny drehte sich zu dem Hund um. „Hey, Buddy. Fred geht's gut." Er lächelte seine Mutter an. „Hast du das gehört, Mom? Fred geht's gut." Honeys Herz machte einen Sprung. Ihr Sohn hatte sie zum ersten Mal direkt angesprochen, ohne zu stottern. Sie sah zu Matt hinüber, der sie anlächelte. „Hast du mich gehört, Mom?" Sie wischte sich eine Träne weg. „Ja, mein Schatz, ich habe dich gehört." Später in der Küche tranken Honey, Amanda und Matt zusammen Kaffee. Honey lag eine Frage auf der Seele. „Matt, glaubst du, dass Dannys Stottern für immer überwunden ist?" Matt schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht sagen. Niemand kann es. Wir müssen abwarten." „Was ist passiert, dass er so plötzlich damit aufgehört hat? War es der Unfall mit der Katze?" fragte Amanda die beiden. Honey hob die Schultern und wartete auf Matts Antwort. Nachdenklich rührte er den Zucker in seiner Tasse um. Dann erzählte er ihnen von seiner Unterhaltung mit Danny während des Motorradausflugs und in Kats Wartezimmer. „Er gibt sich die Schuld für Stans Tod." Erschrocken lehnte sich Amanda in den Rollstuhl zurück und starrte aus dem Fenster. „Mein Gott. Der arme Junge. Wie kommt er nur zu dieser abscheulichen Schlussfolgerung?" Achselzuckend vermied Matt Honeys Blick. „Manchmal ist es besser, Dinge unerforscht zu lassen." Honey sah ihn durchdringend an. „Manchmal ist es aber besser, Dinge ans Tageslicht zu bringen." „Manchmal führt es aber dann zu mehr Schmerz für alle Beteiligten", beendete er die Unterhaltung, indem er aufstand und zur Tür ging. „Ich fahre jetzt nach Hause und erledige die restlichen Arbeiten." Doch vorher schrieb er noch etwas auf einen Zettel. „Falls du mich brauchen solltest, hier ist meine Telefonnummer." Honey nahm das Blatt entgegen. Ach, wie schön wäre es, wenn man seine Probleme mit einem Telefonanruf loswerden könnte, dachte sie. Buddys Bellen brachte sie in die Realität zurück. Amandas fragender Blick war auf sie gerichtet, aber sie hatte keine Lust auf Erklärungen. Stattdessen legte sie den Zettel auf den Tisch und verließ das Zimmer. Sie konnte sich schon mal an den Gedanken gewöhnen, ohne Matts Hilfe zurechtzukommen. Ihr Gefühl sagte ihr, dass er nicht mehr lange bleiben würde.
14. KAPITEL
Im Obergeschoss seines Hauses blickte Matt nachdenklich auf die verschlossene Schlafzimmertür. Hinter dieser Tür lauerten die letzten Geister seiner Kindheit. Erst wenn er sie ausgetrieben hätte, wäre er hier wieder zu Hause. Doch er öffnete sie nicht, ob nun aus Feigheit oder um dem Unausweichlichen aus dem Weg zu gehen. Stattdessen verließ er durch seine neu renovierte Küche das Haus und ging zum Gewächshaus hinüber. Obwohl das Haus mit neuen Möbeln ausgestattet und frisch gestrichen war, fühlte er sich im Gewächshaus am wohlsten. Bis auf die ersetzten Glasscheiben war noch alles so, wie seine Mutter es hinterlassen hatte. Selbst sein Vater hatte hier nichts angerührt. Er hatte diesen Ort gehasst. Matt hatte viele Stunden mit seiner Mutter im Glashaus verbracht, denn auch er liebte Blumen. Seinem Vater war das stets ein Dorn im Auge gewesen. Später war dieser Platz zu Matts Zufluchtsort geworden, wo ihn die Erwartungen und die Kälte seines Vaters nicht erreichen konnten. Aber selbst hier konnte er heute keinen Frieden finden. Ihm fielen nur der muffelige Geruch verwelkter Pflanzen, die zerbrochenen Blumentöpfe und die verfaulten Holztische auf. Seufzend blickte er durch die Scheiben zur Sonne hinaus. In einiger Entfernung sah er das Dach der Thatchers hinter einem alten Ahornbaum. Kurz entschlossen ging er hinüber und klopfte an die Hintertür. An der Haustür hing ein Schild mit einem Willkommensgruß. Er lächelte. Das war typisch für Sam und Alma. Schwungvoll wurde die Tür geöffnet. Lächelnd stand Alma in einer geblümten Schürze vor ihm. Ihr Haar und ihre Stirn waren mit Mehl bestäubt. „Matthew, wie schön, dass du vorbeischaust. Komm rein." Zimtduft strömte ihm entgegen. „Heute ist Backtag", erklärte sie ihm. „Hallo, Alma. Wenn du beschäftigt bist, kann ich ..." „Um Himmels willen, seit wann bin ich für dich zu beschäftigt, mein Lieber? Ich bin gerade dabei, mir ein Zimtbrot zu schmieren, das auch Sam so gerne mag." Grinsend fügte sie hinzu: „Und wenn ich mich recht entsinne, liebt es noch jemand sehr." Zum ersten Mal seit langer Zeit musste er wieder schmunzeln. „Dein Erinnerungsvermögen ist bemerkenswert." „Na, dann komm und fühl dich wie zu Hause. Ich gebe dir ein Stück." Er spürte ein warmes Gefühl in sich. Hier hatte er sich schon immer willkommen gefühlt. Hier musste er keine Erwartungen erfüllen. Hier konnte er ganz er selbst sein. Während sie ihm das Brot schmierte, sah er sich in der gemütlichen Küche um. Es war noch fast genauso wie früher. Weiße Rüschengardinen zierten das Fenster, und daneben, auf einem Regal, stand eine Sammlung alter Teekannen. Vom zerkratzten Pinientisch aus hatte man einen schönen Ausblick auf den Blumengarten. Matt setzte sich an den Tisch und bekam im Handumdrehen eine riesige warme Scheibe Zimtbrot mit geschmolzener Butter drauf, zusammen mit einer heißen Tasse Schokolade. Alma nahm ihm gegenüber Platz. Herzhaft biss er in das Brot hinein. Butter lief ihm am Kinn hinunter. „Lecker. Keiner backt so ein himmlisches Brot wie du, Alma." Sich das Kinn abwischend, biss er wieder genüsslich in die Scheibe. Alma grinste. „Es ist immer einfacher, den Magen zu füllen als die Seele", sagte sie. Dann sah sie ihn mit ernstem Blick an. „Bedrückt dich irgendetwas? Ist es dein Junge?" Matt, der gerade sein Kinn abwischen wollte, hielt plötzlich in der Bewegung inne. „Ich weiß, dass Danny dein Sohn ist. Die ganze Stadt weiß es, Matthew. Du hättest es früher erfahren können, wenn wir gewusst hätten, wo du warst. Honey scheint nicht der Typ
zu sein, der ihrem Kind den Vater verweigert hätte." Mit der Handfläche wischte sie unsichtbaren Staub vom Tisch. „Nachdem du gegangen bist, hat sich Kevin vor der Außenwelt verschlossen. Er wurde ein richtiger Einsiedler." Sie sah ihn eindringlich an. „Ich glaube, du hast ihm das Herz gebrochen." Matt wich dieser Bemerkung aus. Wie hätte er etwas, was gar nicht vorhanden war, brechen können? „Die ganze Stadt weiß über Danny Bescheid?" Sie nickte. „Natürlich behielten sie es für sich. Man war sich nicht hundertprozentig sicher. Außerdem achtete Frank Kingston sehr auf den Ruf der Familie. Es muss für ihn die Hölle gewesen sein, als er erfuhr, dass Honey schwanger war, und das ohne Trauschein." Matt schreckte zurück. Beruhigend legte sie ihre Hand auf seine. „Es war nicht meine Absicht, dich zu verletzen. Es gibt nichts, wofür ihr euch schämen müsstet. Danny ist ein guter Junge. Du kannst stolz auf ihn sein. Honey hat ihn gut erzogen." Traurig schüttelte sie den Kopf. „Stan, Gott hab ihn selig, hat versucht, ihm ein guter Vater zu sein, aber er war selbst noch ein Kind." Matt nickte zustimmend. Sie hatte Recht. Auch damit, dass Honey eine gute Mutter war, obwohl sie, wie alle Eltern, Fehler gemacht hatte. Auf Danny konnte man stolz sein. Alma ging zur Spüle und fing an, Geschirr abzuwaschen. Sie blickte dabei hinüber zu Matts Haus. „Das nimmt allmählich Gestalt an. Wann willst du einziehen?" Matt antwortete nicht. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt einziehen würde. Ob er überhaupt in Bristol leben wollte. Mit jedem Tag, der verging, stellte er sich erneut diese Frage. Er schien nur das Leben vieler Menschen durcheinander gebracht zu haben. „Ich weiß nicht." „Danny braucht sein eigenes Reich. Nicht, dass er es bei Amanda nicht gut hätte." Sie griff nach einem Handtuch und trocknete das Geschirr ab. „Ein Junge braucht seine Wurzeln. Einen Ort, vom dem er weiß, dass es sein Heim ist. Einen Ort, zu dem er als Erwachsener zurückkehren kann." Sie verstaute eine Bratpfanne im Schrank. „Einen Ort, der voll schöner Erinnerungen steckt." Matt trank seine Tasse aus. „Was versuchst du mir eigentlich zu sagen, Alma? Ich konnte noch nie besonders gut zwischen den Zeilen lesen." Er sah in ihr lächelndes Gesicht. Alma hörte mit dem Abtrocknen auf und legte das Geschirrhandtuch auf die Arbeitsfläche. „Ich versuche dir zu sagen, dass es einige schlechte Erinnerungen in deinem Haus gibt, Matthew. So schlimme, dass sie dich zum Weglaufen getrieben haben. Aber hat dir das geholfen?" Er starrte sie an und schüttelte den Kopf. „Siehst du. Alle haben auf dich gewartet." Sie setzte sich neben ihn auf einen Stuhl und legte ihren Arm um seine Schulter. „Hier gibt es auch schöne Erinnerungen, die manchmal von den schlechten überschattet werden. Schieb Letztere beiseite, und du wirst erkennen, was schon immer da gewesen ist." Schließlich küsste sie ihn auf die Wange und verließ den Raum, um ihm Zeit zum Nachdenken zu geben. Matt starrte in seine leere Tasse. Was behauptete Alma da? Dass er sich absichtlich nur an die schlechten Dinge erinnerte? Plötzlich fiel ihm auch das Gespräch mit Danny wieder ein. Verdrängte er wirklich die guten Erinnerungen? Auf einmal hatte er die verschlossene Tür in seinem Haus vor Augen. Vielleicht war es jetzt an der Zeit. Er stand auf. „Danke für die heiße Schokolade und das Brot, Alma", rief er. „Ich muss los. Es gibt noch einiges zu erledigen." An der Tür blieb er nochmals stehen. „Danke ... für alles", fügte er hinzu. „Jederzeit, Matthew. Meine Tür ist immer offen."
Matt lief zu seinem Haus zurück. Plötzlich konnte es ihm nicht schnell genug gehen, sich den Geistern der Vergangenheit zu stellen. Er sprang die paar Stufen zur Hintertür hinauf und warf die Tür auf. Hastig lief er die Treppen hoch. Schon stand er vor der Tür des Schlafzimmers. Er starrte auf den Türgriff. Vorsichtig öffnete er sie. Ihm war bewusst, dass hier die Erinnerungen am stärksten waren. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Staub stieg ihm beim Eintreten in die Nase, so dass er husten und niesen musste. Er öffnete die Fenster und ließ frische Luft und Sonne herein. Dann drehte er sich um und entdeckte einen braunen Fleck an einer Stelle an der Decke. Dort hatte sich die rosafarbene Tapete bereits wegen der Feuchtigkeit gelöst. Die dunklen Mahagonimöbel, die früher einen seidigen Glanz gehabt hatten, sahen jetzt unter dem Staubmantel stumpf und alt aus. Auf der Frisierkommode standen noch Kevins Utensilien, als wenn sie auf seine Rückkehr warteten. Aus einem Impuls heraus fegte Matt alles mit seinem Arm auf den Boden. Der Deckel der After-Shave-Flasche fiel ab, und plötzlich waren alle Erinnerungen an seinen Vater lebendig. Hastig schritt Matt aus dem Zimmer und kehrte mit einem großen Karton zurück. Er warf alles hinein. Alle Spuren von Kevin Logan sollten aus diesem Zimmer und aus seinem Leben verschwinden. Honey saß auf der Veranda und beobachtete Danny und Buddy beim Spielen. Schließlich nahm sie ihren Mut zusammen. Sie musste ihren Sohn darauf vorbereiten, dass Matt sie bald verlassen würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit. „Danny?" „Ja, Mom?" Sie lächelte, froh darüber, dass das Stottern seit ihrem Besuch beim Tierarzt vorbei war. Sie wusste zwar nicht, was Matt ihm gesagt hatte, aber es hatte Wunder gewirkt. „Komm mal kurz rüber. Ich muss mit dir sprechen." Widerstrebend kam er näher. „Kannst du es kurz machen? Buddy und ich spielen gerade." „Ja, das sehe ich." Tief einatmend fing sie an: „Erinnerst du dich an die Frage, die du mir letztens gestellt hast?" Stirnrunzelnd sah er sie an. „Meinst du die, ob Onkel Matt mein neuer Vater werden könnte?" Honey nickte. Sie schluckte die Tränen hinunter und fuhr fort. „Nun, die Antwort ist nein." Danny starrte sie an. „Warum?" Jetzt kam der schwerste Teil. Sie legte die Hände auf seine schmalen Schultern, die nun eine schwere Last tragen mussten. „Weil ich nicht glaube, dass Onkel Matt bleiben wird." Plötzlich grinste Danny sie an. „Das weiß ich doch. Er wird in sein neues Haus ziehen. Aber wir können mit ihm dort leben. Großmutter wird es nichts ausmachen. Ich werde sie oft besuchen kommen." Schon wollte er sich wegdrehen, aber sie hielt ihn fest. „Nein, Danny. Onkel Matt wird nicht in seinem neuen Haus wohnen. Er wird Bristol verlassen." Einen Augenblick sah Danny sie ausdruckslos an. Dann passierte etwas, das Honey das Herz zerriss. Zum ersten Mal in seinem Leben blickte er sie verachtungsvoll an. „Das ist deine Schuld", schrie er. „Immer meckerst du an ihm herum, weil er mit mir Sachen macht, die du nie erlaubst." Seine Augen füllten sich mit Tränen, die er zornig wegwischte. „Nein, das ist nicht ..."
„Ja, d-d-das ist es." Er wich ihrer Berührung aus. „Er hat s-s-sogar sein M-M-Motorrad verkauft, w-w-weil du es hasst." Dannys Stottern entsetzte sie. Was hatte sie getan? Sie wollte ihn doch nur auf Matts Abreise vorbereiten. Stattdessen hatte sie seine alten Probleme wieder ausgelöst. „Danny", versuchte sie ihn zu beruhigen, aber er schüttelte ihre Hand weg. „Nein, du sollst mich nicht anfassen. Ich hasse dich." Er drehte sich um und lief weg. Buddy folgte ihm schwanzwedelnd, in der Annahme, dass es sich um ein neues Spiel handelte. „Das ist kein Spiel, Buddy. Ich wünschte, es wäre eins." Sie stand auf, um Danny zu folgen, aber dann sah sie ihn unter einem Baum im Gras liegen und weinen. Vielleicht wäre es besser, ihn allein zu lassen. Vielleicht würde es ihr dann auch besser gehen. Schwachsinn. Wem wollte sie etwas vormachen? Wie sollte es ihnen jemals wieder besser gehen? Matt hatte fast alle Sachen seines Vaters in Kartons verstaut. Er trug sie hinunter zum Müll. Nun fehlte nur noch der Wandschrank. Er holte einen weiteren Karton und stellte ihn auf den Boden. Als er den Schrank öffnete, bekam er eine Gänsehaut. Die Kleidung seines Vaters hing ordentlich in einer Reihe. Flaschen, Bürsten und Zeitungen wegzuwerfen, hatte ihm nichts ausgemacht, denn sie waren nicht so persönlich wie Wäsche und Schuhe. Matt zögerte. Er hatte fast das Gefühl, als wenn er seinen Vater persönlich aus dem Haus werfen würde. Aber nun hatte er bereits angefangen, und er würde das hier auch zu Ende führen. Er griff in den Schrank und stopfte Anzüge, Pullis und Hosen in den Karton. Dann folgten die Schuhe. Auf der oberen Ablage befanden sich Hüte, ein Baseball-Handschuh, ein Sweatshirt mit Löchern an den Ellbogen und eine kleine Schachtel. Außerdem stapelten sich dort oben alte Magazine. Er warf alles hinunter, doch dabei öffnete sich die Schachtel, und ihr Inhalt breitete sich auf dem Boden aus. „Verdammt!" Das Durcheinander ignorierend, schnappte er sich die Zeitschriften. Träumte er? Wozu sollte sein Vater Rodeozeitschriften aufbewahrt haben? Er suchte nach deren Erscheinungsdaten. Sein Vater hatte alle Ausgaben, von Matts Verschwinden bis zu seinem Tod, aufbewahrt. Die Seiten waren vom vielen Lesen ganz zerknittert. Er traute seinen Augen nicht. Mit wackeligen Knien setzte er sich auf das Bett und starrte auf die Zeitschriften. Der Stapel rutschte ihm aus seinen tauben Fingern und fiel ihm vor die Füße. „Was hat das zu bedeuten, alter Mann?" Dann bemerkte er die kleine Schachtel und deren Inhalt auf dem Boden. Er griff nach den Papieren, die herausgefallen waren. Es waren Zeitungsausschnitte über Rodeoveranstaltungen. Matt überflog die Artikel und fand seinen Namen, überall, wo er erwähnt worden war, gelb unterstrichen wieder. Langsam wurde ihm die Bedeutung dieses Fundes bewusst. Kevin Logan war stolz auf ihn gewesen. Sein Vater hatte ihn geliebt. Nur - warum hatte er es ihm nie gezeigt? Plötzlich durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz. Ruckartig warf er die Papiere auf den Boden und rannte aus dem Zimmer. Schweigend folgte Danny seiner Mutter ins Haus. Sie hatten Fred vom Tierarzt abgeholt und es ihm in der Garage gemütlich gemacht. Während der ganzen Fahrt hatte ihr Sohn nicht ein Wort mit ihr gewechselt. Sogar Buddy konnte ihn nicht ablenken. Abwesend hatte Danny ab und zu seinen Kopf gestreichelt. Nun stieg er die Treppen zu seinem Zimmer hoch und verschwand darin. Wie konnte sie den Schaden wieder gutmachen? Hätte sie ihm bloß nichts gesagt.
Mit einem Mal wurde sie wütend. Wie konnte Matt es wagen, sie mit diesen Problemen allein zu lassen? Dieses Mal sollte er die Dinge klären, bevor er ging. Vielleicht konnte er es Danny begreiflich machen. Draußen neben ihrem Wagen stand sein Truck. Schnell, bevor sie den Mut verlor, trat sie in sein Zimmer, ohne anzuklopfen. „Ich wusste es", sagte sie mit einem Blick auf den offenen Koffer. Matt legte gerade ein Hemd hinein. „Ich wollte mit dir reden, aber du warst nicht da." Traurig sah er sie an. „Ich wäre diesmal nicht gegangen, ohne es dir vorher zu sagen." Sie schluckte ihre Tränen hinunter. Verdammt, sie würde nicht vor ihm weinen. „Und was ist mit Danny?" Er packte ein weiteres Hemd ein. „Ich hätte auch mit ihm gesprochen." „Nun, das solltest du auch tun. Ich habe es ihm bereits gesagt, und er hat es sehr schlecht aufgenommen." Sie legte eine Pause ein. „Er stottert wieder." Leise fluchend drehte er sich zu ihr um. „Warum zum Teufel hast du ...?" Sie lachte spöttisch. „Deja vu." Mit Blick auf den Koffer sagte sie: „Seit unserer Unterhaltung, vor Freds Unfall, wusste ich es. Du hast es nicht gesagt, aber ich habe es herausgehört." „Ich muss über einige Dinge nachdenken." „Was für Dinge?" Sie trat dichter an ihn heran. „Matt, bitte, sag mir, was es ist. Vielleicht kann ich dir helfen?" Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und blickte zur Decke. „Es hat keinen Sinn. Lass uns jetzt mit Danny reden." Gemeinsam betraten sie Dannys Zimmer. Die Nachttischlampe brannte, aber Danny war nicht da. Auf dem Bett entdeckte Honey einen Zettel. Darauf stand in kindlicher Handschrift geschrieben: Ich und Buddy laufen weg. Dein Sohn Daniel Logan.
15. KAPITEL Matt und Honey starrten entsetzt auf die Notiz. Laut las Honey den Text vor. „Ich und Buddy laufen weg. Dein Sohn Daniel Logan." Mit vor Angst geweiteten Augen drehte sie sich zu Matt um. „Er ist doch erst sechs Jahre alt. Wo könnte er hin?" fragte sie mit bebender Stimme. Matt schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht." Er hatte das Gefühl, als wenn sein Herz vor Schmerz zerspringen würde. Sein Kind, sein einziger Sohn, war vor den Menschen, die ihn am meisten liebten, davongelaufen. „Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?" Honey schloss die Augen, um besser nachdenken zu können. „Vor etwa anderthalb Stunden, als er sich zum Schlafengehen fertig machte." „Das ist nicht lange her. Er kann nicht weit sein", versuchte er Honey zu beruhigen. Doch er selbst hatte Angst, dass Panik ihn ergreifen könnte. „Mein Gott, was habe ich nur getan?" Der Zettel fiel aus ihren zitternden Händen auf den Boden. Matt sah aus dem Fenster und bemerkte die einbrechende Dunkelheit. „Wir haben jetzt keine Zeit für Schuldzuweisungen. Es wird dunkel. Wir müssen Danny finden. Komm mit und hilf mir." Als wenn sie aus einem Traum erwacht wäre, ballte sie die Fäuste und folgte ihm aus dem Zimmer. „Ich rufe jetzt die Polizei an", erklärte Matt und ging entschlossen zum Telefon. „Sieh mal nach, ob du ihn draußen entdecken kannst." Zwanzig Minuten später legte Matt gerade den Hörer auf, als Honey atemlos durch die Haustür trat. Kopfschüttelnd sah sie ihn mit verängstigten Augen an. „Er ist nirgendwo da draußen. Ich hab sogar in der Garage nachgesehen. Ich dachte, vielleicht verschanzt er sich da mit Fred." „Die Polizei wird gleich hier sein." Was für ein erbärmlicher Trost für eine Mutter, deren Kind gerade weggelaufen war. Ein Gefühl der Hilflosigkeit breitete sich in ihm aus. Ein Vater sollte in der Lage sein, seine Familie zu beschützen. Warum hatte er das nicht getan? Warum hatte er das nicht kommen sehen? Weil er mit seinen eigenen Problemen dermaßen beschäftigt war, dass er die Not eines kleinen Jungen nicht bemerkt hatte. „Hier." Sie reichte ihm die Autoschlüssel. Es war ihm klar, was sie wollte, aber er schüttelte nur den Kopf. „Nein. Wir können nicht weg." „Nicht? Was meinst du damit? Wir müssen ihn suchen. Er ist doch ein kleiner Junge." Ihre Verzweiflung brachte ihn fast um den Verstand. Am liebsten wäre er auch in den Wagen gestiegen und hätte jede Straße abgesucht. Aber sie durften nicht. Noch nicht. „Die Polizei bat uns zu bleiben. Normalerweise bekommen kleine Kinder Angst in der Dunkelheit und laufen zurück, sagen sie. Dann sollte jemand hier sein." Lass das bitte der Fall sein. Allein der Gedanke, dass sein Sohn, mit einem Welpen als Beschützer, in der Dunkelheit unterwegs war, machte Matt verrückt. Honey ließ sich auf den Stuhl neben dem Telefon sinken. „Ich hätte es ihm nie erzählen sollen. Ich hab doch nur versucht ..." Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Oh, verdammt, ich weiß nicht, was ich wollte. Es ist alles meine Schuld." „Was ist deine Schuld?" fragte Amanda. Sie kam in ihrem Rollstuhl herangefahren. Honey sah sie an. „Danny ist weggelaufen." Amanda wurde blass. „O mein Gott." Entsetzt fragte sie: „Wann?" „Wir wissen es nicht genau. Aber er muss vor etwa anderthalb Stunden weggelaufen sein. Die Polizei ist bereits auf dem Weg hierher." Matt legte eine Hand auf ihre Schulter. „Lass uns im Wohnzimmer auf sie warten."
Wie eine Schlafwandlerin ging Honey hinterher und setzte sich auf das Sofa. „Habt ihr Emily angerufen?" fragte Amanda mit angespannter Stimme. „Da würde er bestimmt als Erstes hinlaufen." Zerstreut schüttelte Matt den Kopf. „Hab ich schon. Sie hat ihn nicht gesehen. Und bei den Fletchers ist er auch nicht. Nirgends." Nervös ging Matt im Wohnzimmer auf und ab. Dann schaute er auf seine Uhr. „Wo zum Teufel bleibt die Polizei?" „Was ist hier los?" wollte Tess wissen, als sie beim Hereinkommen die bedrückten Gesichter bemerkte. „Danny ist weggelaufen", antwortete Matt. „O nein." Tess' Augen füllten sich mit Tränen. „Der arme Bursche." Sie verließ schnell den Raum und wischte sich die Augen an ihrer Schürze trocken. „O Gott, der arme Bursche." Das Zimmer wurde durch das Scheinwerferlicht eines vor dem Haus vorfahrenden Wagens erhellt. „Die Polizei ist da", stieß Matt erleichtert hervor und eilte ihnen entgegen. Zwei Stunden waren vergangen, seit sie Dannys Nachricht gefunden hatten. In der Zwischenzeit hatte die Polizei die Beschreibung von Danny und Buddy aufgenommen. Stille breitete sich aus. Jeder war in eigene Gedanken versunken. Tess hatte Kaffee gebracht, den niemand trank. Matt sah seine Tante zum ersten Mal weinen. Normalerweise war Amanda Logan eine starke Frau, die auf alles eine Antwort hatte. Doch diesmal wusste auch sie keinen Rat, und ihre Stärke hatte sie verlassen. Am meisten Sorgen machte ihm jedoch Honey. Sie hatte sich völlig in sich zurückgezogen. Ihre Augen blieben trocken. Sie sagte nichts. Sie saß mit gefalteten Händen zitternd auf dem Sofa. Matt setzte sich neben sie und zog ihren Kopf sanft an seine Schulter. Jetzt konnten sie nur noch abwarten und hoffen, dass man Danny bald fand. Es tat ihm so Leid, dass Honey das durchmachen musste. Aber immerhin stand er ihr zur Seite. Plötzlich wurde ihm klar, dass ihre Situation vor sieben Jahren ähnlich gewesen sein musste. Damals hatte er nur selbstsüchtig an seinen eigenen Kummer gedacht und sich keine Gedanken über die Zurückgebliebenen gemacht. Außerdem hatte er seinem Sohn vorgelebt, dass man bei Problemen davonläuft. Das Telefon klingelte. Matt sprang auf und nahm den Hörer ab. „Matt?" Enttäuscht seufzte er. „Ich will nicht unhöflich sein, Emily, aber wir müssen die Leitung für die Polizei freihalten." „Er ist hier. Er ist vor etwa zwanzig Minuten angekommen." Tränen stiegen Matt in die Augen, und eine zentnerschwere Last fiel ihm von den Schultern. Emily sprach leise weiter. „Ich musste schwören, ihn nicht zu verraten, aber er wird es mir verzeihen, denke ich." Matt drehte sich zu Honey und Amanda um. „Danny ist bei Emily", rief er. Es war ihm egal, dass sie seine Tränen sehen konnten. „Wie ist er dahin gekommen?" fragte er in den Hörer. „Zu Fuß." „Zu Fuß? Das sind ja fast zwei Meilen." „Ich weiß. Ganz schön zäh, der kleine Kerl. Wie die Mutter." Emily lachte leise. „Er schläft jetzt. Das arme Kind war total erschöpft." „Wir sind gleich da." Matt wollte schon aufhängen, aber Emily stoppte ihn. „Nein. Lass ihn schlafen. Morgen früh bringe ich ihn vorbei. Ich verspreche es." Am liebsten wäre Matt sofort aufgebrochen, aber er musste jetzt in erster Linie an Dannys Wohl denken. Der brauchte seinen Schlaf. „Na gut. Wir sehen dich morgen. Und, Emily? Danke", sagte er und legte auf.
Amanda und Tess waren zu Bett gegangen. Die Aufregung war zu viel für sie gewesen. Aber Honey konnte nicht schlafen. Sie ging auf die Veranda, setzte sich in den Schaukelstuhl und starrte in die Dunkelheit hinaus. Es wehte eine frische Brise, die sie aber nicht wahrnahm. Immer wieder stellte sie sich dieselbe Frage: Warum hatte sie Danny von Matts Verschwinden erzählt? Hatte sie ihren Sohn wirklich vorsichtig vorbereiten wollen, oder hatte sie egoistischere Gründe? Was für eine Art Mutter war sie überhaupt? Hatte sie ihren Sohn nicht zu sehr eingeengt? Versucht, ihn nach ihrem Bild zu formen? Was war mit seinem Wunsch, Tierarzt zu werden? Er liebte Tiere, aber Honey hatte versucht ihm einzureden, dass er besser Anwalt oder Arzt werden sollte. Dann fiel ihr der Zwischenfall mit dem Motorrad ein. Hatte sie wirklich geglaubt, dass Matt seinen Sohn in Gefahr bringen würde? Oder war es nur ihre eigene Angst, die sie so überzogen reagieren ließ? Matt Logan war ein guter Mann, und Danny hatte seine Gene geerbt. Ihr Sohn würde auch zu einem solchen Mann heranwachsen, vorausgesetzt, sie würde ihn lassen. Auch wenn sie es gut meinte, stimmte es, dass sie Dannys Entscheidungen traf. Sie sagte ihm, was er tun und lassen sollte. Kurz, sie war wie Frank Logan. Diese Erkenntnis entsetzte sie zutiefst. Sie war genauso wie ihr Vater. Plötzlich sah sie ihn mit anderen Augen. Auch wenn er kalt, dominant und rechthaberisch gewesen war, er hatte das Beste für seine Kinder getan, auf die einzige Art, die er kannte. Genauso, wie sie es für Danny getan hatte. Vielleicht hatte er sie doch auf seine Art geliebt. Honey lehnte sich zurück. In Gedanken blickte sie von draußen in das Wohnzimmer ihres Elternhauses. Ein Mann saß dort im Dunkeln, nicht fähig, über seinen Schmerz zu reden. Er hielt seine Gefühle bedeckt, er konnte sie mit niemandem teilen. So wollte sie nicht enden. Sie liebte Matt, aber wenn sich diese Liebe nicht erfüllte, durfte sie sich nicht aufgeben. Dafür musste sie sorgen. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte sie Frieden in sich. Sie schloss die Augen und genoss die Stille der Nacht. Matt trat auf die Veranda und fand Honey schlafend im Schaukelstuhl. Ihr blondes Haar schimmerte im Licht, das aus dem Fenster strahlte. Einem Impuls folgend, beugte er sich über sie und küsste sanft ihre Lippen. Sie stöhnte. Schnell zog er sich zurück. „Hi", sagte sie und blinzelte. „In einem Bett würdest du besser schlafen", entgegnete er. Er ließ sich auch in einem Schaukelstuhl nieder, stellte seine Beine auf die Verandabrüstung und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Honey streckte sich. Ihre Brüste zeichneten sich deutlich unter ihrer Bluse ab. „Eigentlich wollte ich hier nicht campieren. Ich bin nur eingenickt." Schnell wendete er den Blick ab. „Das ist die Aufregung. Mir passierte das oft nach Rodeoauftritten. Es ist, als wenn dein Akku leer wäre." Sie sah ihn an. „Warst du gut darin? Im Rodeo, meine ich?" „Ich denk schon. Immerhin habe ich einige Trophäen gewonnen", antwortete er. „Wo sind sie?" „Ich hab sie verpfändet." Grinsend fügte er hinzu: „Weißt du, es gab Zeiten, mehr am Anfang, da war ich noch nicht so gut, dafür aber hungrig." Die Berge am Horizont betrachtend, wurde ihm bewusst, dass es das erste Mal war, dass er ihr etwas über seine Rodeozeit erzählte. Es gefiel ihm, die Erinnerungen mit jemandem zu teilen. „Und später?"
„Später wurde ich besser und verdiente ganz gut." „Und diese Trophäen? Was ist damit?" Achselzuckend meinte er: „Ich hab sie weggegeben." Immer noch konnte er das Lächeln der Kinder im Krankenhaus vor sich sehen, denen er sie geschenkt hatte. „Dann hast du es also weder für die Trophäen noch für den Ruhm getan." Er schüttelte den Kopf. „Wofür dann?" Darüber hatte Matt nie nachgedacht. „Ich denke, ich wollte etwas beweisen." „Wem?" „Mir selbst, glaube ich." „Und? Hast du?" Plötzlich stand er auf, da ihm die Unterhaltung zu ungemütlich wurde. „Ich habe nur bewiesen, dass mich ein Bulle verletzen konnte, weil ich zu dumm war." Er massierte sein verletztes Bein. Das war nicht der Augenblick, um mit ihr über seine Probleme zu reden. Zwar wollte er es, aber zuerst musste er das mit sich selbst regeln. „Ich gehe ins Bett, und du solltest es auch tun. Deine Schwester wird Danny sicher früh bringen." Honey sah ihm nach, machte aber keine Anstalten, ihm zu folgen. Es sah ganz so aus, als wenn heute noch jemand in sich gehen müsste. Matt hatte nicht von seiner Abreise gesprochen. Aber ob er nun blieb oder nicht, bevor er nicht mit sich selbst im Reinen war, würde er nirgends glücklich werden.
16. KAPITEL
Am nächsten Morgen stand Honey sehr früh auf. Sie konnte es kaum erwarten, ihren Sohn wieder zu sehen. Freudig stieg sie die Treppe hinunter. Doch unten angekommen, entdeckte sie Matts Koffer neben der Haustür. Jetzt hatte sie die Gewissheit, dass er gehen würde. Enttäuschung und Schmerz breiteten sich in ihr aus. Irgendwie hatte sie gehofft, dass Matt nach dem vorherigen Abend seine Pläne geändert hätte. Sie blinzelte einige Male, um die Tränen zurückzuhalten. Schließlich ging sie in das Esszimmer. Matt saß über eine Tasse dampfenden Kaffees gebeugt und hob nicht den Kopf. Sie sagte auch nichts, sondern nahm sich eine Tasse und goss sich ebenfalls Kaffee ein. Es schien fast so, als traute sich keiner etwas zu sagen. Was hätte sie auch sagen sollen? Außer - ich liebe dich, hörte sie eine Stimme in sich. Lass ihn nicht weggehen, bevor du es ihm gesagt hast. Doch sie schwieg. Was sollte es noch bringen? Würde er deshalb bleiben? Du wirst es nicht erfahren, wenn du es nicht versuchst, ermutigte sie die Stimme. Sie schwieg weiterhin. „Emily hat angerufen. Sie ist auf dem Weg und bringt Danny gleich vorbei", teilte Matt ihr mit, ohne sie anzusehen. „Wirst du hier sein?" „Ich warte noch, bis er kommt." Endlich richtete er seinen Blick auf sie, wobei sie die dunklen Ränder unter seinen Augen bemerkte. „Ich sagte dir doch, dass ich nicht gehen würde, ohne mich vorher zu verabschieden." Offensichtlich hatte nicht nur Honey eine schlaflose Nacht hinter sich. Und sein Abschied schien ihm doch nicht ganz gleichgültig zu sein. Schweigend tranken sie ihren Kaffee. Honey starrte auf die dunkle Flüssigkeit und versuchte sich die nächste Zeit ohne Matt vorzustellen. Sie würde es überleben. Daran war sie gewöhnt, aber es würde lange dauern, darüber hinwegzukommen. Wie lange würde sie brauchen, bis sie seinen Namen hören könnte, ohne dabei einen scharfen Schmerz zu verspüren? Matt legte das Messer zur Seite. Sein Toast war kalt geworden. Er hatte keinen Appetit. Während der endlosen Stunden der letzten Nacht hatte er sich darüber Gedanken gemacht, warum er immer weglaufen musste. Er war es "so leid. Eigentlich sehnte er sich nach Wurzeln, nach einem Heim. Nur durfte er das nicht bei dieser Frau suchen. Ihm war klar geworden, dass seine Anwesenheit hier Danny und Honey schaden würde. Sein Haus war jetzt fertig und zum Einzug bereit. Auch die Geister der Vergangenheit waren dort verschwunden. Plötzlich hörten sie draußen Motorengeräusche und ein Bellen. Gleichzeitig erhoben sie sich vom Tisch und stürzten zur Haustür. Wartend standen sie auf der Veranda. Honey schob ihre Hand in seine, und er drückte sie sanft. „Es wird schon wieder gut", versicherte er ihr lächelnd. Die Autotür wurde geöffnet, und Buddy sprang heraus. Übermütig kam er mit seinen kurzen Welpenbeinen über das feuchte Gras geschlittert. Bellend wedelte er mit dem Schwanz. Langsam stieg auch Danny aus. Mit gesenktem Blick kam er auf die Veranda zu. „Hallo, mein Liebling", sagte Honey und streckte die Arme nach ihm aus. Er ging wortlos an ihr vorbei, Buddy auf seinen Fersen. Als er die Haustür öffnen wollte, bemerkte er den dort abgestellten Koffer. Wütend drehte er sich zu Matt um. „W-w-warum gehst d-d-du nicht einfach?" Krachend fiel die Tür hinter ihm und Buddy ins Schloss.
Matt starrte die Tür an und kam sich wie ein Monster vor. Die Enttäuschung und die Wut in den Augen seines Sohnes hatten ihn zutiefst getroffen. „Er ist nicht glücklich darüber, dass ich ihn zurückgebracht habe", erklärte Emily. „Eigentlich sollte ich ihn an der Albany-Busstation rauslassen." Schmunzelnd fügte sie hinzu: „Er hat fünf Dollar dabei und wollte nach Kalifornien." Honey umarmte ihre Schwester. „Danke für das Nachhausebringen." Auch Matt bedankte sich. Doch seine Stimme verriet seinen Gemütszustand. Dannys wütende Worte und das erneute Stottern hatten ihn aufgewühlt. In diesem Augenblick traf er die bisher schmerzhafteste Entscheidung seines Lebens. Diese Wunde würde niemals verheilen. „Falls mal eins meiner Kinder weglaufen sollte, so hoffe ich doch, dass es auch zu euch laufen wird." Emily grinste. „Möchtest du noch einen Kaffee mit uns trinken?" fragte Honey. „Danke", rief Emily zurück, „aber ich bin zum Frühstück mit einem gut aussehenden Tierarzt verabredet." Honey winkte ihrer Schwester nach. Dann drehte sie sich zu Matt um. „Wir sollten jetzt..." „Honey, bevor wir mit Danny sprechen, muss ich dir noch etwas sagen." „Ja?" Er schluckte hart. „Er sollte besser nicht wissen, wer ich bin." Honey traute ihren Ohren nicht. Seit Wochen war es sein größter Wunsch gewesen, Danny mitzuteilen, dass er sein Vater war. Wieso hatte er plötzlich seine Meinung geändert? „Warum?" fragte sie und sah ihn mit großen Augen an. „Ich habe schon genug Schaden angerichtet. Die Wahrheit würde Danny noch mehr verwirren. Lassen wir ihn lieber glauben, dass ich sein verrückter Onkel Matt bin, der nicht lange an einem Ort bleiben kann. Um ehrlich zu sein, ich könnte nie eure Ansprüche erfüllen. Ich würde euch enttäuschen. Und damit könnte ich nicht leben." Lange Zeit sagte Honey nichts. Dann fragte sie: „Wessen Ansprüche könntest du nicht erfüllen?" Da sie nicht mit einer Antwort rechnete, ließ sie ihn stehen und ging ins Haus. Matt folgte ihr. Leise klopfte sie an Dannys Tür. „Danny?" Nichts rührte sich. „Danny?" rief Matt. „Deine Mutter und ich wollen mit dir sprechen. Wir sind dir nicht böse." Noch immer rührte sich nichts. Stattdessen erregte ein leises Wimmern ihre Aufmerksamkeit. Buddy lag vor ihren Füßen. Selbst seinen besten Freund hatte Danny ausgeschlossen. „Danny, bitte lass uns reden", wiederholte Honey. Sie versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Hilflos sah sie Matt an. „Junger Mann", befahl Matt. „Du machst jetzt sofort die Tür auf!" „D-d-du bist n-n-nicht m-m-mein V-V-Vater. D-d-du kannst m-m-mir nichts b-b befehlen", erklang Dannys tränenerstickte Stimme. Matt schluckte diese Worte, die ihn wie Pfeile trafen, hinunter. Ohne Honey anzusehen, drehte er sich um und ging fort. Er hätte nicht auch noch ihren anklagenden Blick ertragen. Einen Tag später, nachdem sie erfolglos versucht hatten, mit Danny zu sprechen, saß Matt in dem Schlafzimmer seines Vaters und sammelte die herumliegenden Zeitungsartikel ein. Honeys Frage spukte in seinem Kopf herum. Wessen Ansprüche willst du erfüllen? Dafür musste er herausfinden, wer er war. Es war aber einfacher, herauszufinden, wer er nicht war. Nämlich sein toter Bruder, Jamie.
Nach längerer Überlegung musste er sich eingestehen, dass er es selbst gewesen war, der seinem Vater seinen Bruder hatte ersetzen wollen. Sein Vater hatte es nie von ihm verlangt. Nie hatte er gesagt: „Warum kannst du nicht so sein wie dein Bruder?" Stattdessen waren Sätze gefallen wie: „Erinnerst du dich, wie Jamie den Ball gefangen hat?" oder „Erinnerst du dich daran, was Jamie dir beigebracht hat?" Nur in seinem Kopf hatte dieser Vergleich stattgefunden. Nach Jamies Tod hatte er unbewusst versucht, seinem Vater die Lücke, die Jamie hinterlassen hatte, auszufüllen. Es war nicht sein Vater, sondern er gewesen, der sein Leben von da an verändert hatte. Matt stand auf und verließ das Zimmer. Um weiter nachdenken zu können, stieg er in seinen Truck und fuhr ziellos umher. Unterwegs wurde er auf ein großes handgeschriebenes Schild am Straßenrand aufmerksam. Es war die Ankündigung von Dannys Schulaufführung. Matt hatte sie völlig vergessen. War es zu spät, die Liebe seines Sohnes zurückzugewinnen? Honey hatte sich im Zuschauerraum in die letzte Reihe gesetzt. Neben ihr saß Amanda in dem Rollstuhl. Die Plätze füllten sich mit aufgeregten Eltern. „Wann kommt Danny dran?" fragte Amanda. „Am Anfang des zweiten Aktes." „War er sehr nervös?" wollte Amanda wissen. Honey schüttelte den Kopf. „Er redet immer noch nicht mit mir. Aber er machte keinen besonders nervösen Eindruck." Honey dagegen machte sich große Sorgen wegen seines Stotterns. Hauptsache, er würde nicht ausgelacht werden. Das Licht wurde abgeblendet, und das Publikum wurde leise. Der Vorhang öffnete sich. Ein kleines Mädchen in einem Kaninchenkostüm trat auf die Bühne. Sie sagte ihren Text auf, aber Honey hörte nicht zu. Ihre Gedanken waren bei dem kleinen Jungen in dem Tomatenkostüm und dem Mann, den sie liebte und wieder verloren hatte. Wo er jetzt wohl war? Sicherlich viele Kilometer entfernt. Wenn er doch nur geblieben wäre und sich seinen Problemen gestellt hätte. Wenn er ihr doch nur eine Chance gegeben hätte, ihm zu helfen. Wenn nur ... Applaus riss Honey aus ihren Gedanken. Der Vorhang wurde langsam geschlossen. „Danny kommt jetzt dran", flüsterte Amanda stolz. Wieder öffnete sich der Vorhang. Die Bühne war leer. Danny, verkleidet als große roten Tomate, trat auf und versuchte noch sein Kostüm zurechtzurücken. Das Publikum kicherte. Dann blieb sein Blick auf etwas in der ersten Reihe hängen. Er runzelte die Stirn. Einen Moment hatte Honey Angst, dass er vielleicht seinen Text vergessen hätte. Aber dann nahm sein Gesicht einen entschlossenen Ausdruck an. Honey hielt erwartungsvoll den Atem an. „Tomaten sind gut für dich, besonders in Spaghettisauce", sagte Danny laut und deutlich, ohne ein einziges Mal zu stottern. Honey stieß die angehaltene Luft aus. Sie spürte Amandas Hand auf ihren Arm. „Er hat es geschafft." „Ja", sagte sie erleichtert. „Er hat es geschafft." Der Rest der Aufführung ging schnell vorbei. Nachdem sich der Saal fast geleert hatte, machte Honey sich auf den Weg zu Danny. Doch der hielt nicht nach ihr, sondern nach jemand anderem Ausschau. Matt! Sie traute ihren Augen nicht. Da stand er und hielt Danny seine Arme entgegen. Danny stand am Rand der Bühne und ließ sich von Matt heruntersetzen. „Du warst gut, Sportsfreund", lachte Matt. Lächelnd sah Danny zu ihm hoch. „Meinst du?" Matt nickte und zerwühlte Dannys dunkles Haar. „Besser als Mel Gibson."
Entschlossen trat Honey auf sie zu. „Na, was hältst du davon, deinen Bühnenauftritt mit einem Eis zu feiern? Wir könnten uns was aus der Eisdiele holen. Du kommst doch auch mit, Matt?" Fragend sah Matt sie an. Schließlich nickte er. Honey nahm Dannys Hand und das Kostüm. Zusammen gingen sie alle zum Parkplatz. Matt ließ seinen Track dort stehen und stieg zu ihnen ins Auto. Honey lächelte. Heute Abend würde sie das Steuer übernehmen.
17. KAPITEL
Amanda war müde und wollte nicht an der kleinen Feier teilnehmen. Daher setzten sie sie zu Hause ab und fuhren anschließend in die Eisdiele. Danny bestellte sich sein Lieblingseis, Vanille-Schokolade mit bunten Streuseln, und Honey bekam ihr Banana-Split, auf ihren Wunsch hin mit zwei Löffeln. „Damals hast du diese Kalorienbombe immer mit mir geteilt", erinnerte sie Matt. Er grinste. „Das tue ich auch jetzt gern. Ich wundere mich nur, dass du das noch weißt'." Seine sanfte Stimme ging ihr durch Mark und Bein. Gab es noch Hoffnung für sie? Das wollte sie an diesem Abend ein für alle Mal beantwortet wissen. Sie nahmen das Eis mit und stiegen in den Wagen. Honey trat das Gaspedal durch. „Willst du Stan nacheifern?" fragte Matt. Sie ignorierte seinen Sarkasmus. „Wo fahren wir hin, Mom?" Sie schwieg auch dazu. „Sieht so aus, als ob sie nicht mehr mit uns spricht, Danny." „Scheint so." Mit einem Blick in den Rückspiegel vergewisserte sich Honey, dass ihr Sohn angeschnallt war. Sein lächelndes Gesicht nahm ihr ein wenig von der Spannung. „Ich beantworte keine Fragen, sondern lasse reden", sagte sie mit einem Seitenblick auf Matt. Was hatte sie vor? Matt wunderte sich, dass Honey so schnell fuhr. Das war nicht ihre Art. Mit einer Hand hielt er das Eis, mit der anderen den Türgriff. „Ich glaube, sie will uns kidnappen, Danny." Danny beugte sich so weit vor, wie der Gurt es erlaubte. „Willst du uns kidnappen, Mom?" „Ja." „Warum?" „Weil diese kleine Gruppe etwas zu besprechen hat und ich dafür sorge, dass keiner entkommt", sagte sie mit einem teuflischen Lachen, das Danny zum Kichern brachte. Matt fand das weniger lustig. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihm aus. „Honey..." „Jetzt nicht, Matt. Ich versuche zu fahren." „ Versuchen scheint mir auch die richtige Bezeichnung dafür." Plötzlich stoppte sie. „Da wären wir." „Kannst du uns mal erklären, was wir hier mitten in der Wildnis sollen, außer Eis essen?" Er hielt ihr das Eis hin, und sie fing an, die leckere Erdbeersoße zu löffeln. „Ich genieße dieses Eis, und ihr beiden sollt reden." Das unangenehme Gefühl meldete sich wieder in ihm. „Irgendetwas Bestimmtes?" Langsam legte sie den Löffel zurück und sah ihm herausfordernd in die Augen. „Ja, du wirst Danny erzählen, wer du bist." „Mom, ich weiß doch, wer er ist. Er ist Onkel Matt. Stimmt's?" Danny schnallte sich ab und beugte sich nach vorn. „Sag es ihr, Onkel Matt." Honey starrte ihn weiter unverwandt an. „Er hat es verdient, die Wahrheit zu erfahren, Matt. Du musst es ihm sagen." Sie meinte es ernst. Das war das Letzte, was er heute erwartet hatte. „Die Wahrheit?" fragte Danny. „Er ist noch nicht so weit, Honey." Sie schüttelte den Kopf. „Seit dem Tag seiner Geburt ist er dafür bereit." Es war das erste Mal, dass sie fest davon überzeugt war.
Danny setzte sich wieder zurück, als wenn er sich von der Unterhaltung distanzieren wollte. Das Eis tropfte ihm auf die Hose, aber er schien es nicht zu bemerken. Er starrte durch das Fenster in die Dunkelheit hinaus. „Nun?" hakte Honey nach. Plötzlich erschien sie Matt wie ausgewechselt. Sie war weder unsicher noch abwehrend. Dies war die Frau, die er schon immer geliebt und bewundert hatte. Diejenige, die sich den Problemen stellte und sie löste, egal um welchen Preis. Sie stellte das zur Hälfte gegessene Eis zur Seite. „Willst du diese Chance vorbeiziehen lassen?" Honey hatte Recht. Dies war der Augenblick. Ansonsten würde immer eine Wand zwischen Danny und ihm stehen. Matt legte den unbenutzten Löffel auf das Armaturenbrett und nickte Honey zu. Zuversichtlich lächelte sie ihn an. Dann drehte er sich zu Danny um und holte tief Luft. Doch Honey zog ihn am Ärmel. „Lass uns rausgehen." Sie holte eine Decke aus dem Kofferraum und breitete sie auf der Erde aus. Danny stieg als Letzter aus dem Wagen, setzte sich jedoch nicht zu Matt und Honey auf die Decke, sondern auf einen Stein daneben. Honey legte ihre Hand in Matts und drückte sie, um ihm Mut zu machen. Matt wollte auch Dannys Hand ergreifen, aber der zog sie weg. Das würde nicht einfach werden. „Danny, du weißt doch, was Liebe ist?" Danny nickte, hielt aber den Kopf gesenkt. „Na ja, manchmal verletzen wir die Menschen, die wir am meisten lieben." Danny runzelte die Stirn. „Okay, lass mich anders anfangen. Vor einiger Zeit traf ich ein Mädchen und verliebte mich in sie.. Sie war das schönste, das ich je gesehen hatte." Honey drückte seine Hand. Mit gerümpfter Nase meinte Danny: „Mädchen sind nicht schön. Sie sind dumm." Matt lachte. „Nicht alle. Nicht deine Mutter." „Meine Mom?" Dannys Blick wanderte von Matt zu Honey. Lächelnd nickte sie. „Ja, deine Mom. Sie war das Mädchen, in das ich mich verliebt hatte. Aber diese Liebe machte mir Angst, und ich lief weg." Das Stirnrunzeln vertiefte sich. „Warum?" „Weil ich dachte, ich würde sie enttäuschen, und das wollte ich nicht. Aber mein Weglaufen hat ihr sehr wehgetan, und daran hatte ich nicht gedacht." „So wie ich neulich weggelaufen bin?" „Genau. Ich bin sicher, dass du deiner Mom nicht wehtun wolltest oder mir oder deiner Großmutter, aber du hast es getan." Wieder langte Matt nach seiner kleinen Hand. Diesmal zog Danny sie nicht weg. „Ich wollte niemandem wehtun", fuhr Matt fort. „Aber ich habe es getan. Weglaufen löst keine Probleme, oder?" „Nee." „Ich habe deiner Mom so wehgetan, dass sie einen anderen geheiratet hat." „Meinen Dad?" Matt nickte, gab aber keinen Kommentar dazu. Es schmerzte zu sehr. „Ich wusste damals nicht, dass sie schwanger war, als ich ging." Er wartete darauf, bis Danny das verdaut hatte. „Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich niemals gegangen, sondern hätte sie geheiratet." Stille breitete sich aus. „Aber Mom hat nur ein Kind." Danny sah seine Mutter an. „Das stimmt doch, Mom?" Honey nickte. Als sie merkte, wie sich der Gesichtsausdruck ihres Sohnes veränderte, hielt sie gespannt die Luft an. Lass ihn das bitte verstehen, betete sie. „Niemand sollte Angst vor der Liebe haben, Danny", sagte Matt und fügte hinzu: „Und niemand sollte davor Angst haben, geliebt zu werden."
Dieses Eingeständnis ließ Honeys Herz vor Glück rasen. Plötzlich stand Danny auf und starrte auf die beiden herunter. „Bin ich dein Kind? Bist du mein Vater?" Matt nickte. „Ja, das bin ich." Endlich war es heraus. Jetzt konnten sie nur noch auf Dannys Reaktion warten. Als sie kam, waren beide schockiert. „Ich will jetzt nach Hause." Still ging Danny zum Wagen und stieg ein. Honey hatte etwas anderes erwartet und wollte ihm schon hinterherlaufen, aber Matt hielt sie zurück. „Lass ihm Zeit. Er muss nachdenken. Das war ein Schock für ihn." Er ließ ihren Arm wieder los und fuhr sich durch das Haar. „Ich sollte mich jetzt besser fühlen, aber stattdessen bin ich völlig gerädert." „Was für eine Nacht", sagte Honey. Zum ersten Mal nahm sie den Rosenduft und das leise Zirpen der Grillen wahr. „Ich denke, wir sollten alle darüber schlafen." Matt lächelte sie an und küsste sanft ihre Lippen. „Ich danke dir, dass du mir meinen Sohn wiedergegeben hast." „Er war es immer, Matt, du hättest nur deinen Anspruch stellen müssen. Ich hoffe, dass du noch bleibst und ihm beistehst." Sie wollte schon weggehen, aber er hielt sie am Arm zurück. „Ich habe die Stadt nicht verlassen. Ich bin nur in mein Haus gezogen." Honeys Herzschlag beschleunigte sich wieder. Lächelnd meinte sie: „Lass uns unseren Sohn nach Hause fahren." Matt legte einen Arm um ihre Schultern. „Lass uns das machen." Amanda hörte die drei hereinkommen. „Hallo, ihr Nachteulen." Eine zentnerschwere Last fiel ihr von den Schultern, als sie Matt sah, der den Arm um Honey gelegt hatte. Und Honey hatte sie selten so gelöst erlebt. Doch dann erblickte sie Danny. „Matt, warum fahrt ihr beiden nicht noch mal zu dir und überprüft, ob du deine Haustür verschlossen hast?" schlug Amanda vor. Erst sah Matt sie völlig verdutzt an, aber dann begriff er. „Jetzt, wo du es sagst, bin ich mir wirklich nicht sicher, ob ich es getan habe." „Aber ..." Verwirrt sah Honey von einem zum anderen. Dann verstand auch sie. „Ja. Klar." Kopfschüttelnd verließen beide das Haus. „Danny?" Schüchtern sah der Junge Amanda an. „Komm her und setz dich zu mir." An seinem Gesichtsausdruck und an seiner Körperhaltung bemerkte Amanda, dass ihn irgendetwas bedrückte. In dem riesigen Sessel wirkte er klein und verloren. „Willst du darüber sprechen?" fragte sie ihn vorsichtig. Er schüttelte den Kopf, doch dann sah er sie mit großen Augen an. „Gram, wusstest du, dass Onkel Matt mein Vater ist?" Amanda nickte. „Ja." „Warum hast du es mir dann nicht gesagt?" Seine blauen Augen füllten sich mit Tränen. Ihr wurde klar, dass er sich verraten fühlte. „Ich konnte es dir nicht sagen. Nur Matt durfte das." „Er hätte es mir sagen müssen", schrie Danny. „Vielleicht hatte er gute Gründe, es nicht zu tun." Amanda glättete die Decke auf ihrem Schoß. „Komm her." Danny stand auf und stellte sich neben sie hin. Amanda griff ihm unter die Arme und setzte ihn auf ihren Schoß. Normalerweise hätte er protestiert und gesagt, dass er für so eine Schmuserei schon zu groß wäre. Als er sich aber an ihre Brust kuschelte, wusste sie, dass sie genau richtig gehandelt hatte.
Sie legte die Arme um ihn und küsste ihn auf den Kopf. Dabei atmete sie den frischen Duft seiner Haare ein. „Als dein Vater zurückgekehrt war, konnte er es dir nicht sagen, weil er Angst hatte, dass sich dein Stottern verschlimmern würde. Also sagte er nichts." „Warum hat er es mir nicht gesagt, als es vorbei war?" „Weil er dich so sehr liebt und dich nicht verletzen wollte. Vor allem, falls er wieder hätte gehen müssen." Das meiste hatte Amanda sich selbst zusammengereimt, aber sie kannte ihren Neffen gut genug, um anzunehmen, dass sie Recht hatte. „Aber er ist doch wieder weggegangen." Danny setzte sich aufrecht hin und sah sie direkt an. „Bist du sicher? Oder ist er nur in sein Haus gezogen?" Dannys Augen leuchteten hoffnungsfroh. „Du meinst, er hat uns gar nicht verlassen?" Das also hatte ihm Sorgen bereitet. Er hatte Angst gehabt, Matt zu akzeptieren, weil er befürchtete, dass Matt wieder gehen würde. Amanda schüttelte den Kopf. „Jetzt steh mal auf. Du bist für solche Schmusereien schon zu alt." Kichernd stand Danny auf. „Ach, Gramma, diese Schmusereien kannst du immer von mir haben." Plötzlich hörte er auf zu lachen und sah sie ernst an. „Bleibst du meine Großmutter?" Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste es. „Ich werde immer deine Großmutter bleiben, solange du willst." Dann ließ sie ihn los und drehte sich schnell zur Seite, damit er ihre Tränen nicht sehen konnte. „Ich gehe jetzt zu Bett." Sie fuhr ihren Rollstuhl zur Tür, blieb aber kurz stehen. „Falls du noch jemanden anrufen willst, die Nummer findest du neben dem Telefon." Auf dem Weg nach oben hörte sie Danny sagen: „Ich liebe dich, Gram." „Ich liebe dich auch, Enkelkind", erwiderte sie lächelnd. Matt hatte gerade das Haus betreten, als er das Telefon klingeln hörte. Er nahm den Hörer ab und zog Honey mit dem anderen Arm dicht an sich heran. „Hallo?“ Da keine Antwort kam, wollte er schon auflegen. Doch dann hörte er eine leise Stimme sagen: „Dad?" Matt musste schlucken, und als er zu sprechen versuchte, bekam er nur ein Flüstern zu Stande. „Ja, Danny?" „Ich wollte dir nur gute Nachte sagen." „Gute Nacht ... Sohn." Die Worte zergingen ihm auf der Zunge. Es folgte eine Pause. „Und ... Dad?" „Ja?" „Ich liebe dich." Matts Kehle war wie zugeschnürt. Mit großer Anstrengung erwiderte er: „Ich liebe dich auch." Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, drehte er sich zu Honey um und sah, dass ihr die Tränen die Wangen herunterliefen. „Hast du das gehört?" Sie nickte und wischte sein feuchtes Gesicht ab. Er hatte seine Tränen nicht einmal bemerkt. Glücklich hob er sie hoch und drehte sich mit ihr schwungvoll im Kreis herum. Lachend warf sie den Kopf zurück. Matt konnte sich nicht erinnern, wann seine Welt das letzte Mal so perfekt gewesen war. Sein Sohn liebte ihn. Er hatte ihn „Dad" genannt, und Matt hielt die Frau, die er liebte, in seinen Armen. Was konnte man mehr wollen? Honey zeigte es ihm. Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände, während er sie" langsam wieder auf die Füße stellte. „Ich liebe dich, Matt Logan, und egal, was du tust, daran wird sich niemals etwas ändern." Sie küsste ihn zärtlich. Zufriedenheit, Seelenruhe, Glück, Erfüllung. All diese Gefühle verspürte er. Und fast hätte er alles verloren. „Ich liebe dich auch, Honey Logan."
„Dann mach mich zu einer ehrbaren Frau." Er blickte in ihr strahlendes Gesicht. Aber würde er ein guter Ehemann und Vater sein, so wie es von ihm erwartet wurde? Als wenn sie seine Gedanken lesen könnte, sagte sie: „Wir schaffen es, wenn wir zusammenhalten und uns lieben." Seine Zweifel verschwanden. Mit Honey an seiner Seite war alles möglich. „Ich nehme deinen Antrag an", antwortete er lächelnd. „Dann lass uns das besiegeln." Schnell lief sie die Treppe hoch und kam mit einer Tagesdecke wieder herunter. Er nahm ihr die Decke ab und wollte sie schon auf dem Boden ausbreiten, als sie ihn aufhielt. „Nein. Lass uns nach draußen in den Garten." Lachend gab er ihr einen schnellen Kuss, und zusammen verließen sie das Haus. In dieser Nacht liebten sie sich dort, wo damals alles begonnen hatte. Ungeduldig rissen sie sich die Kleider vom Leibe. Die Nachtluft war kühl, aber Matt wärmte Honey mit seinem Körper, als er sich auf sie legte. Alles schien ihr wie verzaubert: Das Geräusch des Windes in den Bäumen, der Gesang der Vögel, das Leuchten der Sterne, der Duft der Blumen. Eine Nacht, wie geschaffen für Liebende. Doch als Matt sie zu streicheln begann, nahm sie nichts mehr von der Außenwelt wahr. Sie hörte nur noch ihr Herz schlagen und fühlte seinen harten Körper, dem sich ihr weicher wunderbar anpasste. Wie hatte sie nur ohne das leben können? Um sicherzugehen, dass es sich nicht um einen Traum handelte, erkundete sie seinen Körper von neuem. Sie ließ ihre Hände über seine muskulösen Schultern und seinen Rücken wandern. Dann schmeckte sie seine Haut, dessen salziger Geschmack ihr noch in Erinnerung war. Als er in sie eindrang, genoss sie das berauschende Gefühl, noch viele solche Nächte in seinen Armen vor sich zu haben. Die Jahre, die zwischen ihrer ersten und der heutigen Liebesnacht lagen, schienen sich in nichts aufzulösen. Honey gehörte ihm, und seine Welt war endlich wieder zurechtgerückt. Als sie den Gipfel des Glücks gemeinsam erreichten, schienen die Sterne sie zu segnen. Matt stammelte, dass er sie liebte und sie für immer lieben würde. „Egal wo du bist oder was du tust, ich werde immer ein Teil deiner Seele sein", flüsterte sie ihm zu. Hinterher lagen sie sich in den Armen und genossen die wiedergefundene Liebe. Matt erkannte, dass das Glück, das er überall gesucht hatte, hier war. Die Geister der Vergangenheit waren für immer verschwunden, dank der geduldigen Liebe dieser Frau in seinen Armen. Und dank des kleinen Jungen, der sie beide so sehr liebte, dass er ihnen ihre Fehler vergab und ihnen half, einen neuen Anfang als Familie zu machen. -ENDE -