Sabrina – total verhext!
Nancy Holder
„HILFE HEXENJÄGER“
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Sabrina – total verhext!
Nancy Holder
„HILFE HEXENJÄGER“
scan, layout by Larentia / corrected by vladracul Diese digitale Kopie ist NICHT für den Verkauf bestimmt !
Sabrina, the Teenage Witch © Archie Comic Publications, Inc. © 2002 Viacom Productions Inc. Based upon characters in Archie Comics. All rights reserved. © 2002 für die deutsche Ausgabe by Dino Entertainment AG, Rotebühlstraße 87, 70 178 Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Redaktion: Claudia Weber Redaktionelle Mitarbeit: Marisa Reinek Übersetzung: Ellen Dongowski, Stuttgart Lektorat: Ray Bookmiller, Karlsruhe Umschlag: TAB Werbung, Stuttgart Satz: Greiner & Reichel, Köln Druck: GGP Media, Pößneck ISBN: 3-89 748-613-X Dino entertainment AG im Internet: www.dinoAG.de Bücher – Magazine – Comics
1. Kapitel Piep piep piep piep... Das penetrante Piepen des Weckers riss Sabrina aus einem wunderbaren Traum. Sie war gerade in einem roten Cabrio mit dem schnuckeligen Typen, der im Einkaufszentrum Brezeln verkaufte, durch Paris gedüst. Frustriert drehte sie sich noch einmal um und hoffte, wieder ins Reich der Träume abgleiten zu können. Sie murmelte einen Zauberspruch: „Zehn, neun, acht, sieben, wär noch gern im Bett geblieben.“ Das nervtötende Piepen hörte tatsächlich auf, wurde aber unglücklicherweise durch ein noch nervtötenderes ersetzt. Sabrina stöhnte und öffnete ein verquollenes Auge. Weil ihre Tanten sie davor bewahren wollten, immer wieder zu spät zur Schule zu kommen, hatten sie Sabrinas Wecker mir einer magischen Wecksicherung verhext. Sabrina hatte schon oft versucht, den Sicherungszauber zu brechen, war bisher jedoch immer daran gescheitert. Der Zauber ihrer Tanten war unbezwingbar. Es war ihr noch nicht einmal gelungen, den Wecker wenigstens Rockmusik spielen zu lassen. Ihre Tanten wussten nämlich ganz genau, dass selbst der raueste Rock, der grungigste Grunge oder der heftigste Heavy Metal Sabrina nicht zum Aufwachen bewegen konnten. Opernmusik, allerdings, das war etwas anderes. Aber das würde sie den beiden niemals erzählen. Piep piep piep piep. „Okay, okay“, stöhnte sie und presste sich ihr Kissen auf die Ohren, um das ätzende Geräusch aus ihrem Kopf zu verbannen. „Ist gut. Hör auf zu nerven. Ich steh ja schon auf.“ Piep piep piep piep, schrillte der Wecker weiter. Er ließ sich nicht so einfach täuschen. Sabrina schnaubte wütend und setzte sich auf. Sofort ließ sie sich wieder auf die Matratze fallen.
Salem, der schwarze Kater, der zusammengerollt am Bettende schlief, zuckte zusammen. Im Halbschlaf murmelte er: „Refft die Segel! Ein Sturm zieht auf! Wir werden sie mit Enterhaken und Kanonen angreifen!“ Dann öffnete er seine großen, gelben Augen, schaute sich um und seufzte. „Mist!“ „Ist der Versuch, die Weltherrschaft zu erlangen, wieder einmal an der Realität gescheitert?“, fragte Sabrina und gähnte. Salem war eigentlich ein Hexenmeister. Er hatte versucht, die Welt der Sterblichen in seine Gewalt zu bringen, und war dazu verurteilt worden, sein Leben für einige Zeit als Tier zu verbringen. Sabrinas Tanten trugen während dieser Zeit für ihn die Verantwortung. „Alles, was mir geblieben ist, sind meine Träume“, sagte er theatralisch. „Und nebenbei noch das unheimlich schwere Leben als Katze. Du musst nichts tun außer essen, schlafen und Fusseln beobachten“, erwiderte Sabrina. „Du tust mir echt Leid!“ „Oho, ich erinnere mich, dass da heute eine Mathearbeit auf dich wartet.“ Salem streckte sich. „Und soweit ich weiß, hast du dafür nichts gelernt, oder?“ „Ja.“ Sabrina schlüpfte in ihre Hausschuhe. Er hatte Recht, dieser Tag würde wohl nicht besonders erfreulich werden. Über der ganzen Aufregung, dass Valerie möglicherweise ein echtes Date mit einem echten Typen haben würde, der in einer Band spielte, hatte Sabrina, nun ja, vergessen für die Mathearbeit zu lernen. „Ich werde beim Frühstück noch etwas lernen. Oder vielleicht kann ich Mrs. Quick davon überzeugen, den Test zu vergessen...“ Salem schüttelte den Kopf. „Böse, böse Sabrina. Du hast doch schon genug Ärger bekommen, weil du versucht hast, deinen Notendurchschnitt mit Magie zu beeinflussen, oder?“ Sabrina verzog das Gesicht. „Ich will wieder zurück ins Bett.“
Sie hörte Schritte vor ihrer Zimmertür. „Ich kann nicht glauben, dass sie immer noch schläft“, flüsterte Tante Hilda. „Weiß sie nicht, was heute für ein Tag ist?“ „Ich glaube, sie weiß es tatsächlich nicht“, antwortete Tante Zelda leise. „Haben wir ihr denn je von Kastanalia erzählt?“ Sabrina schaute Salem an. „Haben sie nicht. Was ist das?“ Salem leckte sich die Pfote. „Nichts, was mit mir zu tun hätte. Alles, was ich jemals tue, ist schlafen, essen und Fusseln beobachten.“ Die Tür wurde aufgerissen. „Na endlich, du bist wach!“, freute sich Hilda. Sabrina starrte sie an. Die kleinere ihrer Tanten war von Kopf bis Fuß in ein eigenartig leuchtendes Material eingehüllt, das bei jeder ihrer Bewegungen die Farbe änderte. Es sah aus wie eine Leuchtreklame, die in einem Mixer gelandet war. „Sabrina! Du würdest sogar Halloween verschlafen, da bin ich mir sicher.“ „Nein, das würde sie niemals“, meinte Tante Zelda, die hinter Hilda ins Zimmer gestürmt kam. „Heute weiß sie nur nicht, was sie verpasst.“ Bei Zeldas Anblick riss Sabrina ihre Augen noch weiter auf. Sie trug ein Mieder mit bauschigen Ärmeln und einen riesigen Reifenrock. Das Mieder war aus feiner goldener Spitze und auf den Ärmeln und dem Rock tanzten goldene Blitze. Außerdem hatte sie ein goldenes Diadem im Haar, das über und über mit Diamanten verziert war. Aber vielleicht waren es auch nur Strasssteine, man konnte ja nie wissen. Normalerweise waren ihre Tanten nicht so angezogen. Hilda und Zelda kleideten sich immer so, dass sie in der neuenglischen Kleinstadt Westbridge nicht auffielen: Pullover, Röcke und Kostüme. Sie liefen nicht im modisch letzten Schrei der Hexen-Designer herum. Vor allem Zelda, die ältere der beiden Schwestern, fühlte sich dafür verantwortlich, Sabrina
vorzuleben, wie man sich als Hexe in der Welt der Sterblichen zu tarnen hat. „Guten Morgen, ihr zwei Glamour-Girls“, zog Sabrina sie auf. „Was ist Katzanalia?“ „Okay, ich sag’s dir“, bot Salem ihr an. „Alle Katzen des Universums sind an diesem Tag unterwegs und werden von den sie anbetenden Sklaven, äh, ich meine Anhängern, mit Leckereien und Tunfisch überhäuft. Wir baden in Reichtümern, werden mit Trauben gefüttert und bekommen das Fell gebürstet.“ Er schaute sehnsüchtig in die Ferne. „Achtet nicht auf mich. Ich bin nur nostalgisch und hänge den früheren glorreichen Zeiten nach.“ Kastanalia, sagte Zelda. „K-A-S-T. Nicht Katzanalia. Es hat nichts mit Katzen zu tun.“ Sie schaute Salem an: „Oder mit verbitterten Ex-Hexenmeistern.“ „Das Ex ist nur vorübergehend. Und verbittert bin ich auch nicht immer“, murrte der Kater. „Und?“, fragte Sabrina. „Ist dieses Kastanalia so was wie die Grammy-Verleihung? Brauche ich dafür ein cooles Outfit?“ Ihre Augen glänzten erwartungsvoll. Hilda ließ sich aufgeregt aufs Bett fallen und breitete die Arme aus. Ihr Kleid wogte und schimmerte. „Dein Kleid macht mich seekrank. Katze über Bord!“, maunzte Salem und sprang vom Bett. „Du kannst dir ein verrücktes Kostüm hexen, wenn dir danach ist. Du kannst eigentlich alles tun, was du willst!“, erklärte Hilda begeistert. „Kastanalia ist der tollste Tag für alle, die in der Welt der Sterblichen leben.“ „Aha? Und? Gibt es Geschenke?“ Oder darf man Mathearbeiten schwänzen?, hätte Sabrina am liebsten noch gefragt. „Es ist der tollste Tag für alle Hexen, die in der Welt der
Sterblichen leben“, präzisierte Zelda. Sie schnippte mit den Fingern und sofort sah ihr Outfit wieder mehr nach Tante Zelda aus: ein grauer Pullover und ein schwarzer knielanger Rock, nicht aufgedonnert, aber elegant. Gerade richtig für eine Wissenschaftlerin. Zelda fuhr fort: „Sabrina, Kastanalia wird auch der ,Hexewas-du-kannst-Tag’ genannt. Du kannst so viel Magie anwenden, wie du willst, nach Belieben hexen und zaubern, aber nur bis Mitternacht.“ Sabrina zog eine Augenbraue hoch und schaute sich ihre Tanten genauer an. Sie sahen aus wie zwei aufgeregte kleine Kinder auf dem Weg zu ihren Weihnachtsgeschenken. „Aber ich bekomme immer Schwierigkeiten, wenn ich Magie benutze. Ich meine, wenn ich sie zur falschen Zeit am falschen Ort benutze“, verbesserte sie sich, und sie dachte an die vielen Gelegenheiten, bei denen sie sich total verhext hatte. Wenn man sich beim Zaubern nicht an die Regeln hielt, konnte das nämlich schlimme Folgen haben. Das beste Beispiel war Salem. Er hatte seine magischen Kräfte missbraucht und war zur Strafe in eine Katze verwandelt worden. Eine Hexe zu sein, war eben ganz schön kompliziert. Tante Hilda zerstreute ihre Bedenken: „Nein, heute wirst du keinen Ärger bekommen, wenn du Magie benutzt. Heute existiert nämlich überhaupt nicht.“ „Das ist wahr“, stimmte Zelda ihrer Schwester zu. „Weißt du, Sabrina, der Hexenrat hat den Hexe-was-du-kannst-Tag eingeführt, damit wir Hexen mal etwas Dampf ablassen können. Wir können machen, was wir wollen, denn um Mitternacht wird alles wieder aufgehoben. Das heißt, bis auf...“ Zelda stockte, da aus der Ferne plötzlich ein Donner zu vernehmen war. Ein Blitz erhellte das Haus. Das war ein Zeichen, dass jemand durch die Wäschekammer kam. Die Wäschekammer der Spellmans war die Verbindung zum
Anderen Reich. „Hilda, erzähl ihr den Rest“, sagte Tante Zelda und verließ den Raum. Salem folgte ihr und ließ Sabrina und Hilda allein. Sabrinas zweite Tante war kleiner als Zelda, und wenn sie lächelte, blitzten ihre Augen schelmisch. Ihr hatten sie schon einige heiße Partys zu verdanken. Und sie war es auch, die Sabrina gezeigt hatte, wie man sich mit Männer-Teig einen Mann backte. Außerdem hatte sie die Idee gehabt, dass sie und Zelda sich in Teenager verwandeln könnten, um Sabrina und ihre Freundinnen zu einem Konzert der Violent Femmes in Boston zu begleiten. Sabrina wusste noch, wie es gewesen war, als sie bei ihren Tanten einzog. Ihre Eltern hatten sich scheiden lassen, und ihre Mutter, die Archäologin, war nach Peru geflogen, um dort an einer Ausgrabung teilzunehmen. Ihr Vater, der angeblich im Auswärtigen Dienst arbeitete, war oft unterwegs. Die offizielle Erklärung, die Sabrina für ihren Umzug gegeben wurde, war, dass ihre Tanten ihr ein sicheres und dauerhaftes Zuhause bieten würden, bis sie die Schule fertig hatte. Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie am Morgen ihres sechzehnten Geburtstages über ihrem Bett schwebend erwachte und sich ihre Tanten als Hexen herausstellen würden. Hilda und Zelda erzählten ihr dann auch noch, dass sie selbst eine halbe Hexe sei. Der Auswärtige Dienst ihres Vaters war ganz offensichtlich sehr auswärtig. Er war nämlich ein Hexenmeister. Aber Sabrina konnte mit ihm in ihrem Zauberbuch reden, wann immer sie wollte. Ihre Mutter war eine Sterbliche, die sie allerdings innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht sehen durfte. Sonst würde sie sich in einen Klumpen Wachs verwandeln. Das war ein Gesetz, das der Hexenrat erlassen hatte, um Verbindungen zwischen Sterblichen und Hexen zu erschweren. War das nicht eine total verrückte Familie?
„Also, ich kann so viel Magie anwenden, wie ich will?“, fragte Sabrina und wandte sich wieder der Gegenwart zu. „Ganz genau. Du kannst dich selbst für einen Tag zu einer Königin machen. Oder zur Herbstkönigin“, fügte Hilda lächelnd hinzu. Sie erinnerte sich offenbar daran, dass der große Ball der Westbridge Highschool bevorstand, und dass Sabrina sich schüchtern gewünscht hatte, zur Herbstkönigin gewählt zu werden... „Okay, und wo ist der Haken?“ Sabrina hatte gelernt, dass es, wenn es um Magie ging, meistens einen Haken gab. Deswegen mussten Hexen viel lernen und sich ihre Schülerlizenz verdienen, bevor sie irgendwann eine Hexenlizenz bekommen konnten. In diesem Moment kam Zelda vollbepackt mit Büchern und einer Liste zurück. „Hilda, es sind die Bücher vom Hexen-Buchclub.“ Ächzend setzte sie den Stapel ab und schaute sich das oberste Buch genauer an. Es war riesig und hatte einen langweiligen braunen Umschlag. „Theoretische Axiome der Quantenphysik und ihre magische Anwendbarkeit. Sieht faszinierend aus.“ Sabrina und Hilda versuchten sich ein Grinsen zu verkneifen. „Und es hat ganz viele Fußnoten!“, sagte Zelda glücklich. „Oder wie wäre es damit?“ Sie hielt ein anderes Buch hoch. Darauf war eine geprägte Pfote aus Gold und der Titel Frauen, die zu Wölfinnen werden in riesigen dreidimensionalen Buchstaben zu sehen. Hilda rümpfte die Nase. „Haben sie keine kitschigen Hollywood-Romane?“ „Ich glaube schon“, antwortete Zelda. Sie sah auf die Bestellliste. „Angeblich soll es ein Buch geben, das Rodeo Dive Shop heißt. Es soll ähnlich wie Baywatch sein, nur dass die Badeanzüge noch knapper und die Menschen noch brauner sind.“
Hilda klatschte in die Hände. „Hört sich gut an.“ Zelda ging den Bücherstapel durch und runzelte die Stirn. „Es scheint nicht da zu sein.“ „Du kannst es haben, wenn ich es gelesen habe“, rief Salem aus einem anderen Teil des Hauses. „Ich bin schon am zweiten Kapitel.“ „Eigentlich kann das ja auch warten“, sagte Zelda und legte die Liste hin. Sie strahlte ihre Nichte an. „Schließlich wollen wir nicht einen Moment von Sabrinas erstem Kastanalia verpassen, oder?“ „Nein, nur nicht!“, stimmte Hilda zu. Sie deutete auf Sabrina, die im nächsten Moment ihre Lieblingshosen aus Samt und einen kurzärmeligen Pullover anhatte. Dann schnippte sie mit den Fingern und alle drei saßen am Frühstückstisch in der Küche ihres viktorianischen Hauses. Smiley-Pfannkuchen grinsten Sabrina an. Orangen schwebten in der Luft und drückten sich selbst in ihr Glas aus. Sabrina starrte die Pfannkuchen an und sagte: „Echt super, aber ich bin eigentlich gar nicht hungrig –“ „Du bist nicht hungrig?“, fragte Zelda. Sie lehnte sich über den Tisch und fühlte Sabrinas Stirn. „Du bist doch nicht krank, oder, Liebes? Hilda, hol schnell die Hexitis-Medizin aus dem Schrank.“ Hilda legte Sabrina ebenfalls die Hand auf die Stirn und berührte zum Vergleich ihre eigene Wange. „Zelda, sie ist kühl wie eine Gurke. Du bist so ein Angsthase.“ Hilda schnitt ein Stück von ihrem Pfannkuchen ab, der ihr einen „Schönen Tag!“ wünschte. „Danke“, antwortete sie ihm und schob sich das Stück in den Mund. „Sie sind sehr lecker. Und außerdem auch noch so höflich.“ Sabrina schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht krank.
Wahrscheinlich bin ich einfach nur nervös. Immerhin bin ich es nicht gewöhnt, dass ich hexen darf so viel ich will.“ „Oh, Liebes, das ist genauso einfach wie Skateboard fahren“, beruhigte Hilda sie. Irgendwann während der letzten fünf Sekunden hatte sie sich gegen das Kaleidoskop-Kleid entschieden und trug nun einen bequemen grünen Pullover und schwarze Hosen. „Ich bin noch nie Skateboard gefahren“, gestand Sabrina. „Was?“, rief Hilda. „Na, dann wird es aber höchste Zeit!“ Bevor Sabrina sich besinnen konnte, fegte sie mit 80 Sachen die Straße hinunter. In der Ferne hörte sie Zelda sagen: „Es heißt: ,so einfach wie Rad fahren’, Hilda! Nicht Skateboard!“ „Oh, du hast Recht“, sagte Hilda. „Tut mir Leid.“ „Mir tut’s nicht Leid!“, brüllte Sabrina. Der Wind zerrte an ihren Haaren, während sie den Hügel hinuntersauste. Das war echt klasse! Bis jetzt war der Hexe-was-du-kannst-Tag ein voller Spaß. Sie durfte tun, was sie wollte, und musste überhaupt nicht vorsichtig sein, denn alles wurde um Mitternacht rückgängig gemacht! „Mal sehen, was das Ding so bringt!“ Sie schnippte mit den Fingern und wurde immer schneller. „Schneller! Schneller!“, rief sie. „Happy Kastanalia!“ Als sie in der Schule ankam, hatte sie sich entschieden: Sie wollte Kastanalia feiern und dabei all ihren Freunden für einen Tag ihre Träume erfüllen. Was konnte dabei schon schiefgehen?
2. Kapitel Sabrina fuhr so schnell, dass sie die Schallmauer durchbrach und eine Stunde zu früh zur Schule kam. „Cool!“, rief sie. Mit einem Skateboard gegen die Zeit zu flitzen, war ein weitaus effektiveres Mittel gegen das Zuspätkommen als ein verrückter Wecker. Sabrina wusste nicht, was sie mit dieser gewonnenen Stunde anfangen sollte. Kurz schoss es ihr durch den Kopf, ob es an Kastanalia wohl erlaubt sei, die Uhr etwas vorzudrehen. Trotz ihrer begrenzten Erfahrung als Hexe wusste sie jedoch schon genau, dass Zeit und Hexerei nicht gefahrlos vermischt werden konnten. Damals, als sie gerade in Westbridge angekommen war und ihren ersten Schultag total ruiniert hatte, musste sie beim Hexenrat einen speziellen Antrag stellen, um diese 24 Stunden noch einmal unter besseren Vorzeichen erleben zu dürfen. Sie gewährten ihr eine zweite Chance, doch Sabrina vermutete immer noch, dass ihrem Antrag nur stattgegeben wurde, weil der damalige Vorsitzende des Hexenrates, Drell, einmal mit Tante Hilda zusammen gewesen war. An diesem Tag wartete die Wiederholung des Mathetests von letzter Woche auf sie. Sie hatte ihn mit einer dicken Vier und der Strichzeichnung eines unglücklichen Gesichts zurückbekommen. Daneben war noch zu lesen: Sabrina, komm bitte nach der Stunde zu mir. Eine Stunde Lernen konnte diese Vier sicherlich nicht in eine Eins verwandeln, aber vielleicht in eine Zwei Plus? „Was ist nur mit mir los?“ Sie schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Ich kann diese Vier im Handumdrehen in eine Eins verwandeln.“ Allerdings nur für heute, fiel ihr ein. Der heutige Tag würde morgen noch einmal stattfinden, und damit würde dann die Vier in ihr Zeugnis eingehen. Dennoch, es wäre schon ein Spaß. Sie zeigte mit ihrem Finger auf sich selbst und sang:
„Ladidudidudideins, heut krieg ich in Mathe ne Eins!“ „Sabrina?“, sagte jemand hinter ihr. Sie erschrak, verlor das Gleichgewicht und fiel vom Skateboard direkt auf ihr Hinterteil. Harvey Kinkle, einer ihrer absoluten Lieblingssterblichen, kam zu ihr gelaufen. „Hast du dir wehgetan?“, fragte er und half ihr hoch. Er trug ein Scallions-Sweatshirt und Jogginghosen, die besonders gut zu seinem athletischen Körper, den hellbraunen Haaren und seinen haselnussbraunen Augen passten. Die Scallions, das war die Sportmannschaft der Westbridge Highschool. Sie sollte eigentlich die Stallions, also Hengste, heißen. Die Druckerei hatte sich aber vertan und die Schule war übereingekommen, dass der Name, der sie nun zu Schalotten machte, beibehalten wurde. Die Erwachsenen waren der Meinung, es sei nett, einen etwas anderen Namen zu haben, und die Schüler hatten sich mittlerweile an die Hänseleien der Schüler von anderen Schulen gewöhnt. „Nein, mir geht’s gut.“ Sie lächelte ihn an. „Wenn man auf so einem Brett unterwegs ist, muss man hin und wieder mit einem dramatischen Sturz rechnen.“ „Ich wusste gar nicht, dass du Skateboard fährst“, sagte er beeindruckt. Ein paar Schweißperlen standen auf seiner Stirn und er atmete schwer, als wäre er gerannt. „Klar, ich versuche auf dem Laufenden zu bleiben.“ Sie deutete auf seine Klamotten. „Und was treibst du hier?“ „Ich versuche für das Spiel am Freitag in Form zu kommen.“ Am Freitag fand das erste Footballspiel der Saison statt. Jeder in der Schule sprach darüber. Und über den Herbstball, und wer wohl zu König und Königin gewählt würde. „Ich hoffe, dass ich von Anfang an mitspiele.“ Er schaute hoffnungsvoll und zugleich nervös drein. „Das wirst du ganz bestimmt“, munterte sie ihn auf.
„Ja, klar.“ Er sah sich ihr Skateboard genauer an. „Das ist ein cooles Material, aber Mr. Kraft hat Skateboards und InlineSkates auf dem Schulgelände verboten. Wenn er es sieht, wird er es dir sofort wegnehmen.“ „Heute nicht“, sagte sie und grinste. „Hei, Harvey, ich leih es dir. Dreh doch mal ne Runde!“ Harvey schien es in den Füßen zu jucken. Er schaute sich um. „Ich weiß nicht. Ich sollte mir bis Freitag keinen Ärger einhandeln. Wenn ich wieder auf der Bank sitze, bringt mich mein Dad um.“ Manchmal war Harvey ein richtiger Angsthase. Er schwamm lieber mit dem Strom, aber das war nun mal Teil dieser lieben und unbeschwerten Art, die Sabrina an ihm so mochte. „Du kriegst keinen Ärger“, sagte sie. „Ich schwör es.“ Er zuckte die Achseln und überlegte. Es war offensichtlich, er wollte nichts lieber, als mit ihrem Skateboard fahren. „Ich weiß nicht.“ „Mach schon“, drängte sie ihn. „Es ist noch niemand da, außer uns beiden. Nicht mal Mr. Kraft kommt so früh zur Schule.“ „Du hast Recht.“ Sie hatte gewusst, dass er nicht Nein sagen würde. Er stellte ein Bein auf das Brett und stieß sich mit dem anderen ab. Sabrina deutete mit dem Finger und befahl dem Brett: „Hei, mein supertolles Brett, gib’s dem Harvey richtig fett!“ Das Brett beschleunigte so stark, dass die Räder durchdrehten und qualmten. Schließlich sprang sogar ein Rad ab und Harvey brüllte: „Wie hääääält man dieses Diiiiing aaaan?“ „So!“ Sabrina hob ihren Finger. Sie stieß ein erschrockenes „Huch“ aus, als das Brett plötzlich anhielt und Harvey wie eine Rakete durch die Luft schoss.
„Hiiiilfe“, brüllte er und versuchte, sich durch das Wedeln mit Armen und Beinen in der Luft zu halten. Sabrina bekam Angst. Mit welchem Spruch konnte sie ihn vor einer Bruchlandung bewahren? Sie deutete mit dem Finger auf ihn und sagte: „Seine Augen sind vor Schreck geweitet, mach, dass er sanft zu Boden gleitet!“ Harveys freier Fall wurde sofort gebremst. „Sabrina, ich bin gerettet!“, rief er ihr aus fünf Metern Höhe zu. Doch dann machte sich Entsetzen auf seinem Gesicht breit. „Oje, ich hänge ja mitten in der Luft!“ Den Bruchteil einer Sekunde war Sabrina davon überzeugt, das schlimmste Verbrechen begangen zu haben, dessen Hexen sich schuldig machen konnten. Sterbliche durften weder wissen, dass sie eine Hexe war, noch dass so etwas wie Hexen und Zauberkräfte überhaupt existierten. Aber eigentlich existierte ja der ganze Tag nicht, richtig? Sie konnte also tun, was immer sie wollte. Glücklich zauberte sie ihn auf den Boden zurück. „Super!“, rief er begeistert. „Mann, ein superschnelles, ferngesteuertes Skateboard. Das ist echt cool!“ Harvey konnte sich kaum beruhigen. „Kann ich noch mal fahren? Wo um alles in der Welt hast du das denn her?“ „Nicht von dieser Welt“, sagte sie kichernd und zauberte das Brett zu sich. In diesem Moment läutete die Schulglocke. Die letzte Stunde war wie im Fluge vergangen. „Lass uns nach der Schule noch mal fahren“, schlug Harvey vor. „Und ich will zu diesem Laden gehen und mir auch so ein Brett kaufen.“ Sabrina schaute ihn verwirrt an. „Welcher Laden?“ „Wie hieß er? Nicht von dieser Welt. Super! Du musst mir
unbedingt die Fernsteuerung erklären.“ „Das ist eine besondere Spezialität.“ Sie kicherte. Magie. „Jedenfalls ist es echt cool. Also“, fügte er hinzu, „ich muss mich noch schnell duschen gehen.“ „Ist gut. Wir sehen uns.“ Der nächste Punkt auf Sabrinas magischer Tagesordnung war ein Killeroutfit für sich selbst. Sie hatte sich vorgenommen, jede Schulstunde anders auszusehen. Außerdem wollte sie jedem Schüler der Westbridge Highschool, der jemals etwas Nettes für sie getan hatte, also Harvey und Valerie, in allen Fächern Einsen geben. Sie ging zur Mädchentoilette, wo sie den ersten Klamottenwandel vollziehen wollte. Die Schulgänge waren gepflastert mir Plakaten, die für verschiedene Abiturienten Werbung machten, die in den Hofstaat des Herbstkönigspaares gewählt werden wollten. Sabrina seufzte. Ihr war klar, dass sie niemals gewählt werden würde, auch wenn ihre Tanten ihr immer wieder versicherten, dass sie genauso viele Chancen wie jede andere hatte. Auf der Mädchentoilette traf sie Valerie, die mit einem Lippenstift in der Hand vor dem Spiegel stand. Valerie wollte nichts lieber, als zu den supercoolen Leuten der Schule zu gehören. Ihre Augen und das Haar waren dunkelbraun, und sie war Sabrinas beste Freundin. Die beiden verbrachten viel Zeit miteinander, teilten ihre Träume, ihren Frust und quatschten über Jungs. Valerie sah Sabrina im Spiegel und drehte sich lächelnd zu ihr um. Sie strahlte, als hätte sie im Lotto gewonnen. „Hi, Sabrina. Stell dir vor, Brian Enders will vor der ersten Stunde mit mir sprechen! Ich bin soooo aufgeregt. Vielleicht will er sich mit mir verabreden?“ „Toll, Valerie!“ Sabrina war fast ebenso aufgeregt. Brian Enders war einer der coolsten Jungs der Schule. Er hatte eine
Band, die sich Gruff Baby nannte, und sie waren sogar schon öfter in Jugendclubs aufgetreten. Wenn Brian mit Valerie ausginge, würde sie von allen anderen coolen Typen der Schule als eine von ihnen akzeptiert werden. „Vielleicht will er mich aber auch gar nicht um ein Date bitten“, sorgte sich Valerie. „Weißt du noch, als Chris Silver mich fragte, ob ich im Kino neben ihm sitzen wollte?“ Sabrina verzog das Gesicht. Sie wusste, dass dies eines der schlimmsten Erlebnisse für Valerie gewesen war. Chris hatte Valerie den Platz nämlich nur deswegen angeboten, damit sie diesen für ihn und seinen besten Freund freihielt, während die beiden Popcorn holen gingen. Als die beiden Jungs zurückkamen, verlangte Chris von Valerie, dass sie für seinen Freund wieder aufstand. Valerie hatte natürlich für sich selbst im nunmehr ausverkauften Kino keinen Platz mehr gefunden. Bis Sabrina sozusagen einen für sie „gefunden“ hatte. Der Colabecher von Chris hatte sich selbst wie von Geisterhand über ihm ausgeleert. Er musste gehen, bevor überhaupt die Werbung angefangen hatte. „Warum sollte Brian dich nicht um ein Date bitten?“, fragte Sabrina ihre Freundin aufmunternd. Valerie fehlte es etwas an Selbstvertrauen. Manchmal – okay, zugegebenermaßen, ziemlich oft – vergraulte sie die Jungs, weil sie für jedes bisschen Aufmerksamkeit, das sie ihr schenkten, viel zu dankbar war. Sabrina wollte Valerie gerade vorschlagen, den Lippenstift nachzuziehen, weil sie ihn in ihrer Nervosität schon wieder abgeknabbert hatte. Dann jedoch erinnerte sie sich daran, was gerade für ein Tag war. Als Valerie für einen Moment wegschaute, deutete Sabrina auf ihre Freundin und besorgte das für sie. Zusätzlich verpasste sie ihr noch ein wenig Wangenrouge und zog ihre Augenbrauen nach. „Also...“ Sabrina öffnete die Tür.
Valerie legte sich die Hände um den Hals. „Warum fühle ich mich, als würde ich zu meiner eigenen Hinrichtung gehen?“ „Weil du nicht daran gewöhnt bist, dass coole Jungs sich mit dir verabreden.“ Sabrina versuchte sie zu beruhigen. „Gewöhn dich mal ruhig langsam dran!“ „Wer will sich mit wem verabreden?“ Libby Chessler, die Königin der Oberflächlichkeit an der Westbridge Highschool, kam auf sie zugeschlendert und legte ihre erstklassig manikürte Hand auf Valeries Schulter. Ihre beiden nicht weniger oberflächlichen Freundinnen Cee Cee und Jill nahmen links und rechts von Valerie ihre Stellung ein, als wollten sie für ein Rockvideo posieren. Nur überaus beliebte Mädchen konnten sich so etwas erlauben, ohne dafür ausgelacht zu werden. „Ich habe etwas gefragt!“, herrschte Libby Sabrina und Valerie an. „Äh, nnniemand“, stammelte Valerie mit besorgtem Blick in Richtung Sabrina, und die verstand sofort: Sag kein Wort! Libby brauchte nur den leisesten Hinweis, dass man sich wegen irgendetwas Hoffnungen machte, und schon setzte sie alles daran, diese Hoffnung zunichte zu machen. „Das war ja klar. Niemand.“ Libby wackelte kokett mit ihrem Cheerleaderröckchen, als wollte sie Valerie und Sabrina daran erinnern, dass Cheerleader in der Hackordnung ganz oben, sie aber ganz unten standen. „Wer würde schon mit einer Langweilerin oder einem Freak ausgehen?“ Libby nannte sie immer so und amüsierte sich bei jeder Gelegenheit darüber. Sabrina war sich bewusst, dass sie als Hexe irgendwie in die Kategorie Freak fiel. Dennoch tat es ihr jedes Mal weh, wenn Libby sie so nannte. Dieses Gefühl auch in Valeries Augen gespiegelt zu sehen, machte sie sauer. Sabrina führte mit ihrer Hexenfamilie ein komplett anderes Leben: Skifahren auf dem Mars, Dinnerpartys im Anderen Reich (selbst wenn sie dort immer auf ihre verhasste Kusine
Amanda traf) und auf dem Staubsauger im Mondlicht spazieren fliegen. Valerie hingegen kannte nur das Leben als Sterbliche auf der Highschool. Sabrina war gerade drauf und dran etwas zu sagen – oder vielmehr zu tun –, als Libby jemandem hinter ihnen zuwinkte. „Hallo, Brian!“, flötete sie honigsüß. Tatsächlich, da kam der unheimlich gut aussehende, blonde Brian Enders auf sie zugeschlurft. Er trug schwarze Jeans und eine absolut coole schwarze Lederjacke. Nervös umklammerte Valerie ihre Bücher und flüsterte zu Sabrina: „Oh nein! Ich kann jetzt nicht mit ihm reden. Libby ist da. Sie wird bestimmt alles kaputtmachen.“ Noch bevor Sabrina etwas tun konnte, war Brian schon bei ihnen. Er legte einen Arm um Libby und lächelte sie mit breitem Grinsen an. Dann drehte er sich zu Valerie. „Hier bist du also.“ „Ja“, hauchte Valerie. „Ich bist hier. Ich bin“, korrigierte sie sich selbst. „Hier.“ „Gut. Also, hör zu! Es geht um meine Band.“ „Ja?“ Valeries Wangen glühten. Sabrina nickte ihr aufmunternd zu. „Wir brauchen eine Sängerin“, fuhr Brian fort. „Ja?“ Valerie klang nun ziemlich aufgeregt. „Libby würde es gerne machen, aber sie braucht dann jemanden, der ihren Hund nach der Schule ausführt. Also hab ich ihr gesagt: ,Valerie hat nach der Schule nie etwas zu tun. Frag sie doch.’ Aber sie meinte, dass du dich dann verpflichtet fühlen würdest, ja zu sagen, weil sie doch Cheerleader ist und so.“ „Brian!“ Libby verdrehte die Augen, als wäre ihr peinlich, was er sagte. Aber das war es natürlich nicht. Die Blicke, die sie Valerie zuwarf, waren eiskalt.
„Aber du tust es, oder?“, fragte Brian mit einem Lächeln, auf das in diesem Moment jeder Politiker neidisch gewesen wäre. Ein „Oh!“ war alles, was Valerie in ihrer Enttäuschung über die Lippen kam. Sabrina biss die Zähne zusammen. Wahrscheinlich hatte sich Valerie schon Millionen Mal vorgestellt, wie Brian sie mit diesem Lächeln fragte, ob sie mit ihm in die Slicery oder ins Kino gehen wollte. Nicht einen Augenblick, da war Sabrina sicher, hatte Val sich jedoch ausgemalt, dass er sie darum bitten würde, den Hund eines anderen Mädchens spazieren zu führen. Brian nahm Valeries Hand und schaute sie flehend an. „Ich würde es als einen riesengroßen Gefallen betrachten. Er ist ein echt cooler Hund. Sein Name ist Abdul...“ „Nach Paula Abdul benannt“, warf Libby ein. „Die hat auch mal als Cheerleader angefangen.“ Sie lächelte. „Bitte tu’s. Ich werde auch allen Mädchen auf dem Platz erzählen, was du für mich getan hast.“ Valerie war den Tränen nahe und sie rang um ihre Fassung. „Oh, super!“ „Hab ich es dir nicht gesagt, Libby? Sie hilft dir sofort.“ Brian tätschelte Valeries Schulter, dann griff er Libbys Hand. „Los, Libby! Wir kommen zu spät.“ „Ich werde dich auch dafür bezahlen“, rief Libby noch über ihre Schulter. „Ein Dollar pro Stunde, das ist doch gut, oder?“ Valerie schniefte. Sobald Libby und Brian außer Hörweite waren, drehte sie sich zu Sabrina um. Sie kämpfte mit den Tränen „Ich würde ja anfangen zu heulen, aber dann kommen wir zu spät in den Unterricht. Und wenn ich noch einmal zu spät komme, muss ich nachsitzen. Und ich werde nicht noch mal beim Nachsitzen heulen. Ich bekomme sonst noch einen ganz schlechten Ruf.“
„Oh, Valerie“, tröstete Sabrina ihre Freundin. „Es tut mit so Leid.“ „Wenn ich mit einem Musiker ausgehen würde, hätte das vielleicht mein Ansehen in der Schule gehoben. Aber so... Einmal ne Langweilerin, immer ne Langweilerin. Genau wie Libby sagt.“ Valerie streckte die Hände aus, wie eine Gefangene, die darauf wartete, dass man ihr Handschellen anlegt. Val schien aufzugeben. Sie war langsam der Meinung, dass Libby Recht hatte. Und Sabrina sah ihr das an. Sie wusste genau, was zu tun war. „Nein, nein, nein, Valerie! Du wirst noch das berühmteste Mädchen der Schule werden!“ Sabrina deutete mit dem Finger auf ihre Freundin. Valerie war plötzlich verschwunden. Dafür tauchten jede Menge Schüler auf, die ausgelassen, an Sabrina vorbei, den Gang hinunter in Richtung Ausgang liefen. Einer rief: „Hat denn jemand einen Fotoapparat dabei?“ Jemand anderes brüllte: „Sie fahren gerade vor!“ Libby rannte direkt in Sabrina hinein. Sie war ganz außer Atem. „Tut mir Leid. Oh, Sabrina. Du bist doch Valeries beste Freundin. Du hast vielleicht ein Glück.“ „Ja“, stimmte ihr Brian Enders zu. „Komm schon, Libby. Vielleicht gibt sie uns ein Autogramm!“ Die Schüler strömten nach draußen. Eine lange Limousine mit abgedunkelten Fenstern hielt vor der Schule. Drei muskelbepackte Männer in schwarzen Blousons mit dem Aufdruck VALERIE WORLD TOUR fixierten die Menschenmenge durch ihre Sonnenbrillen. „Das sind ihre Leibwächter, oder?“, schrie Libby Sabrina aufgeregt ins Ohr. Eine Limousinentür öffnete sich. Als Erstes kletterte ein Mann in einem edelsteinbesetzten
Overall und einem Umhang aus dem Wagen. Auch er trug eine Sonnenbrille, hielt seinen Kopf jedoch gesenkt. Das Geschrei der Fans wurde lauter. Er murmelte nur: „Danke. Dankeschön. Danke.“ Dann erschien Valerie in Schlaghosen, einem Trägerhemdchen und Plateau-Turnschuhen. Auf ihrem Oberam prangte ein Tattoo: Es war eine in Form eines Notenschlüssels gewundene rote Rose. „Hallo“, sagte sie nur, aber ihre Fans rasteten total aus und versuchten sich an den Leibwächtern vorbeizudrücken. Libby sprang aufgeregt umher und klatschte. „Valerie, wir lieben dich!“ Sie weinte vor Freude. „Ich kann nicht glauben, dass sie zurück zur Westbridge Highschool gekommen ist.“ „Wenn sie mich nur mal gefragt hätte, ob ich in ihrer Band spielen wollte, dann wäre ich jetzt vielleicht mit meinem Bass on Tour.“ Brian seufzte. „Aber wahrscheinlich bin ich einfach nicht gut genug für sie.“ Libby tätschelte ihm aufmunternd die Schulter. „Immer fleißig üben, Brian. Vielleicht kommst du dann irgendwann auch mal dahin, wo Valerie jetzt ist.“ Die Leibwächter schoben die Schüler so auseinander, dass Valerie und ihr mysteriöser Begleiter zum Eingang des Schulgebäudes gehen konnten. Dort wartete Mr. Kraft mit ausgebreiteten Armen auf sie. „Elvis, ich wusste, dass Sie nicht tot sind!“, rief er begeistert. „Ich habe all Ihre Platten und sogar noch eine Flasche LoveMe-Tender-Shampoo!“ Der Mann im Umhang murmelte wieder: „Danke. Dankeschön.“ Dann sah er Sabrina und winkte ihr zu. „Hey, kleines blondes Mädchen. Wie geht’s dir denn?“ Sabrina grinste breit. Das war so cool! Harvey musste Elvis unbedingt treffen! „Sieht so aus, als wäre meine Arbeit hier
getan! Ich habe heute noch so viel zu tun und leider so wenig Zeit“, murmelte sie. Dann zeigte sie mit dem Zeigefinger auf sich selbst und verschwand.
3. Kapitel Die Schule machte echt Spaß, wenn man dafür sorgen konnte, dass alles so lief, wie man es wollte. Sabrina sprach einen Zauber nach dem anderen aus. Sie sorgte dafür, dass sich das Cafeteria-Essen in Pizza direkt aus dem Ofen der Slicery verwandelte. Oder sie machte Direktor Kraft zum Erziehungsberater des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Mehr aus Spaß denn aus Rache verwandelte sie Libby wieder in die Langweilerin, in die sie sie schon einmal verwandelt hatte. Sie war Vorsitzende des Wissenschaftsclubs und ging darin total auf. Ihr sonst immer so modern gestyltes Haar war an ihrem Hinterkopf in einem altmodischen Knoten gebunden. Sie trug Brillengläser so dick wie Glasbausteine, und auch der Rest ihres Outfits ließ reichlich zu wünschen übrig. Aber das war Libby gerade recht, denn Sabrinas Zauber beinhaltete, dass sie stolz darauf war, dem oberflächlichen Diktat der Mode nicht zu entsprechen. In gleicher Weise hatte sich Sabrina übrigens auch ihrer Anhängerinnen Jill und Cee Cee angenommen. Sie waren zur stellvertretenden Vorsitzenden des Clubs und zur Protokollantin ernannt worden. Sabrina dagegen unterwarf sich währenddessen ausgiebigst dem Diktat der Mode. Sie hatte schnell herausgefunden, dass ihr Gelb nicht so gut stand, Schokobraun dagegen sehr, besonders wenn es sich um enge Stretchhosen handelte. Außerdem lernte sie, dass Valerie äußerst gut in roten Pailletten aussah und Harvey, nun ja, Harvey sah ihrer Meinung nach in allem blendend aus: Jogginghosen, Jeans, Smoking oder Karottenkostüm. Plötzlich war Freitag, so zeigten es zumindest alle Kalender der Schule an (Sabrina hatte einen guten Weg gefunden, dem leidigen Zeitthema beizukommen), und alle fanden sich auf dem Sportplatz der Scallions wieder, wo demnächst das erste
Footballspiel der Saison beginnen sollte. Jede Menge wilde Zeigefingerakrobatik und unsichtbare Sonnenbrillen überzeugten die Anwesenden davon, dass es tatsächlich schon Abend war. Natürlich war Harvey in der Startaufstellung. „Der ist echt Klasse!“, rief der Mann neben Sabrina. „Ich bin Talentscout der Boston University und ich glaube, ich habe schon gefunden, was wir suchen! Wie sehen denn seine Noten aus?“ „Nur Einser“, erklärte sie stolz. Ihr Notenzauber stellte sich als äußerst wertvoll heraus und sie klopfte sich im Geiste auf die Schulter. „Er wird von uns hören“, sagte der Scout. In der Halbzeit gaben Valerie und ihr geheimnisvoller Freund, der genau wie Elvis aussah, ein Gratiskonzert. Valerie bestand darauf, dass Sabrina auf die Bühne kam und das Tamburin spielte. Sie selber sang sich den Blues aus der Seele und Sabrina rockte was das Zeug hielt, während ein Zeppelin mit einer Leuchttafel über ihnen schwebte, auf der zu lesen war: WESTBRIDGE LOVES YOU, VALERIE! „Danke. Danke“, japste Valerie nach ein paar Liedern atemlos ins Mikrofon. „Das alles habe ich Sabrina Spellman zu verdanken, die niemals aufgehört hat, an mich zu glauben.“ „Wofür hat man denn eine beste Freundin?“, grinste Sabrina. „Und ich hoffe, Sabrina, dass du auch niemals aufhörst, an dich selbst zu glauben“, plärrte Valeries Stimme aus den Lautsprechern. „Westbridge! Ich habe die Ehre euch die diesjährige Herbstkönigin vorzustellen. Sabrina!“ Sabrina hatte plötzlich ein langes, weißes Abendkleid an. Um ihre Schultern lag ein roter Samtumhang und in ihren Armen lag ein riesiger Strauß mit mindestens drei Dutzend Rosen.
Sie blinzelte. Dafür hatte sie keinen Zauber ausgesprochen, aber dann sah sie Tante Hilda, die ihr von der Tribüne zuwinkte. Was für ein schönes Kastanalia-Geschenk. Sie war froh, dass ihre Tanten ihr offensichtlich doch zuhörten, wenn sie über ihren Mangel an Beliebtheit in der Schule jammerte. „Und hier kommt Harvey, dein Herbstkönig!“, überraschte Valerie sie erneut. „Cool!“ Harvey stand immer noch verschwitzt und in seinen Sportklamotten auf dem Spielfeld. Er kam zur Bühne gelaufen und setzte Sabrina eine glänzende Krone auf den Kopf. Ihro erlauchte Langweiligkeit Libby und ihre Freundinnen Cee Cee und Jill waren dazu auserkoren, Sabrinas Hofdamen zu spielen. Libby trug die Schleppe der Herbstkönigin und murmelte dabei ununterbrochen die Atomgewichte der chemischen Elemente. „Das ist total super. Schade, dass nichts hier wirklich passiert“, sagte Sabrina leise, während sie ihr begeistertes Publikum mit huldvollem Lächeln und Winken bedachte. Harvey flüsterte ihr zu: „Es ist zwar schwer zu glauben, aber das hier passiert wirklich. Manchmal werden Träume tatsächlich wahr.“ Mr. Kraft schritt gewichtig dreinschauend auf die Bühne und ergriff das Mikrofon. Dann klatschte er in die Hände, um die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zu ziehen. „Liebes Publikum! Es ist mir ein großes Vergnügen, an dieser Stelle den besten Scallion aller Zeiten auszuzeichnen! Und als neuer Erziehungsberater des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ist es mir ein noch größeres Vergnügen, Ihnen jetzt ebendiesen Präsidenten vorzustellen, der im Übrigen eine Präsidentin ist und nun diesen Preis überreichen wird. Meine Damen und Herren, die Präsidentin: Hilda Spellman!“ Es blitzte und Hilda stand auf der Bühne. Sie trug einen
maßgeschneiderten, schwarzen Anzug und eine riesige Brosche mit Diamanten, Rubinen und Saphiren, die das Siegel des Präsidenten darstellten. Man hörte jemanden sagen: „Wow, schaut euch die Präsidentin an!“ Harvey war verwirrt. „Sabrina, seit wann ist deine Tante denn die Präsidentin?“ „Na, seit der letzten Wahl, weißt du nicht mehr?“ Sie zeigte auf ihn und sorgte so dafür, dass er sich „erinnerte“. „Ach ja“, lachte er. „Wie konnte ich das nur vergessen?“ „Willkommen, Frau Präsidentin!“, hob Mr. Kraft an. Dann räusperte er sich und lächelte ins Publikum. „Wenn Sie mir gestatten, ich habe ein paar Worte zur Begrüßung unseres Ehrengastes vorbereitet.“ Aus seiner Brusttasche zog er eine Schriftrolle... „Nun, das wird wohl einen Augenblick dauern“, flüsterte Tante Hilda gelangweilt zu Sabrina. Harvey dagegen hing förmlich an Mr. Krafts Lippen. „Du solltest ihn hören, wenn er die morgendliche Durchsage über den Lautsprecher macht“, klärte Sabrina sie auf. „In der Zeit kannst du einen ganzen Aufsatz schreiben.“ Sie wurde rot. „Also, ich meine, wenn man es nicht schon, wie sich das gehört, am Tag vorher zu Hause getan hat.“ „Langatmigkeit hat ihre guten Seiten“, pflichtete Hilda ihr bei und tat so, als hätte sie Sabrinas Bemerkung über nicht beizeiten gemachte Hausaufgaben überhört. Sie grinste. „Bis jetzt macht es richtig Spaß, die Präsidentin zu sein. Alle glauben immer, dass Zelda die Schlaue ist, die alles unter Kontrolle hat. Und dass ich – nun, meine Bescheidenheit verbietet mir eigentlich fortzufahren – die Lustige und Hübsche bin.“ Sabrina nickte. „Und jetzt bist du die Führerin der Freien Welt.“
„Das bin ich, jawohl.“ Hilda rieb sich die Hände. „Mit einem Telefonat könnte ich den Dritten Weltkrieg ausbrechen lassen, wenn ich wollte! Nicht, dass ich das wollte“, fügte sie schnell hinzu. „Aber es ist lustig, sich das vorzustellen. Äh, also nicht wirklich lustig...“ „Ich verstehe schon, was du meinst, Tante Hilda“, beruhigte Sabrina sie. „Es ist total aufregend, dass wir einmal all die Sachen tun können, die uns sonst hier im Reich der Sterblichen verboten sind.“ „Genau. Es ist so was wie die hexenweite Version der jugendlichen Auflehnung. Nicht, dass wir in dieser Beziehung irgendwelche Probleme mit dir hätten, Liebes.“ Sie tätschelte Sabrinas Arm. „Dankeschön, Tante Hilda.“ Sie deutete auf ihr Kleid: „Und Danke auch, dass du mich zur Herbstkönigin gemacht hast. Du weißt ja, das würde mir im echten Leben niemals passieren.“ Hilda sah sie finster an. „Sabrina, stell dein Licht doch nicht immer so unter den Scheffel!“ „Und wenn ich auf meine Erfahrungen als Erzieher zurückblicke“, fuhr Mr. Kraft mit seiner Rede fort, „so war es in den Sechzigern, als ich feststellte, dass das Privileg einer höheren Schulbildung niemanden von seinen sozialen Verpflichtungen entbindet.“ „Das ist wohl seine Art zu sagen, dass er bei Sit-ins mitgemacht hat“, flüsterte Hilda. „Er war ein ziemlich radikaler und militanter Hippie.“ „Das glaub ich nicht!“ Sabrina schaute sich ihren affektierten, überkorrekten Direktor genauer an. „Stimmt aber. Ich habe es vorhin in seiner Akte gelesen. Oh Mann, ich könnte dir noch so einiges erzählen...“ „Darf ich Ihnen die Präsidentin der Vereinigten Staaten vorstellen. Hilda Spellman!“
„Ah, mein Stichwort.“ Hilda schob ihr Kinn nach vorne und nahm die Schultern nach hinten, als der Applaus aufbrandete. „Es ist mir als Führerin der Freien Welt eine ausgesprochene Freude, heute hier einen außergewöhnlichen Sterblichen, ähem, Amerikaner zu ehren. Er ist nicht nur ein Amerikaner, er ist auch ein Junge.“ Sie verzog das Gesicht, zuckte die Achseln und hob ihren Finger. Sofort erschienen die gewünschten Worte auf einem unsichtbaren Teleprompter. Sie musste sie nur noch ablesen. „Und so ist es mir eine ausgesprochene Freude, meine lieben Mitbürger und Mitbürgerinnen, diesen Pokal dem besten Scallion aller Zeiten zu verleihen!“ Jetzt musste Sabrina wieder zaubern. Mr. Kraft hielt plötzlich einen fast einen Meter hohen Pokal mit einem Footballspieler in seinen Armen. Sichtlich überrascht von dem plötzlichen Gewicht, begann er zu torkeln. „Würde der Empfänger des Preises jetzt biete vortreten? Harvey Kinkle!“ „Juhu, Harvey!“, brüllte Sabrina und klatschte begeistert in die Hände. Harvey blickte erfreut aber auch überrascht drein. Er drückte kurz ihren Arm und sagte: „Ich bin gleich wieder zurück.“ Als er über die Bühne lief, spielte Valeries Band ein paar Takte von „Born to Be Wild“. Mr. Kraft kam auf ihn zugestolpert und drückte ihm den Pokal in die Arme. Harvey räusperte sich. „Wow. Erst Herbstkönig und dann auch noch bester Scallion aller Zeiten. Wenn das nicht einer der wunderbarsten Tage meines Lebens ist.“ „Oh, ich liebe es, mich in das Leben der Sterblichen einzumischen“, flüsterte Hilda Sabrina zu. „Zelda und ich waren mittlerweile ein bisschen eingefahren, was Kastanalia betraf. Es ist so schön, eine neue Hexe dabei zu haben. Das
gibt dem ganzen wieder etwas Pep.“ Sie sah sich um. „Kann der Ball jetzt beginnen?“ „Nee! Vielleicht sollten wir jetzt etwas anderes tun.“ „Gut. Lass uns nach Hause fahren und Zelda holen. Dann drehen wir richtig auf!“ Harvey atmete schwer, als er seinen Pokal zurück zu Sabrina schleppte. „Hei, Sabrina! Ist der nicht cool?“ „Supercool, Harvey. Ich freu mich so für dich.“ Ihm diesen Pokal zu gönnen hatte viel mehr Spaß gemacht, als sich damals selbst auf den ersten Platz beim Karateturnier zu zaubern. Während Harvey mit seinem Pokal beschäftigt war, deutete Hilda in die Luft. Im selben Moment erschien ein riesiger Staubsauger und landete auf der Bühne. Auf seiner Seite stand: STAUBSAUGER FORCE ONE. „Schau dir das mal an!“, rief Harvey begeistert. „Das ist ein Vogel“, war Jill zu hören. „Nein, das ist ein Flugzeug“, verbesserte Cee Cee sie. „Das ist doch ein Staubsauger!“, rief Valerie und griff wild in die Seiten ihrer Gitarre. „Der Schmelzpunkt von Neon liegt bei zweihundertachtundvierzig Komma sechs Grad Celsius“, war von Libby zu hören. Sabrina stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Harvey einen Kuss auf die Wange. „Das ist unsere Mitfahrgelegenheit. Ich muss los!“ Unter den verblüfften Blicken der Menge im Stadion bestiegen die Herbstkönigin und die Präsidentin der Vereinigten Staaten den Staubsauger und schossen davon.
4. Kapitel „Zelda! Wir sind zu Hause!“ Der Staubsauger sauste durch die Hintertür und landete mit Sabrina und Präsidentin Spellman sicher in der Küche. „Sehr gut. Der russische Präsident hat angerufen“, rief Salem ihnen von der Anrichte aus zu. „Er möchte mit dir einen Gipfel in einem Land veranstalten, dessen Hauptindustriezweig die Fischerei ist.“ „Aha? Und wo genau wäre das?“ „Das hat er nicht gesagt.“ Salem tat überrascht. „Gibt es da mehr als eines? Kannst du mich nicht nacheinander in jedes Einzelne schicken, in der Reihenfolge ihres Fisch-Ertrags?“ Er schaute sie unschuldig an. „Bitte! Wo doch Kastanalia ist!“ „Salem willst du nicht mit uns kommen?“ Zelda kam in die Küche geeilt. Sie trug eine Pilotenjacke, eine Fliegerbrille und einen langen weißen Seidenschal. „Euer Majestät! Frau Präsidentin!“, fügte sie lachend hinzu, während sie ihre warmen Lederhandschuhe überstreifte. „Ich wäre dann so weit.“ Sabrina schaute von einer Tante zur anderen „Wofür? Eine Flugschau?“ „Sabrina, ich habe Zelda auf dem Weg nach Hause eine Gedankenmail geschickt und ihr erzählt, wie viel Spaß wir zusammen haben. Da haben wir uns gedacht, dass wir drei eine Reise durchs Universum machen könnten!“ Sie zeigte zuerst auf Sabrina, dann auf sich selbst und schon waren sie beide fast wie Zelda angezogen. „Ihr drei kommt wohl direkt aus einer Dokumentation über die Anfänge der Fluggeschichte“, maulte Salem. Sabrina zeigte auf den Kater und in seinem Gesicht erschien eine Miniaturflugbrille. „Flieg einfach mit uns!“, lachte Hilda. „Fliegen wir zum Fischplaneten? Bitte, bitte, bitte!“, bettelte
Salem. Sabrina runzelte die Stirn. „Ich habe noch nie von einem Fischplaneten gehört.“ „Den gibt’s auch nicht“, gab Salem zu. „Aber du könntest ihn für heute erschaffen.“ „Mal sehen.“ Zelda deutete auf die Besenkammer, aus der ein Staubsauger geflogen kam. „Tante Louisa?“ „Oh, kommt sie auch?“, fragte Sabrina begeistert. Ihre UrUr-Urgroßtante lebte in einem Gemälde, das sie im Esszimmer hängen hatten. Es würde ihr gut tun, ihre Glieder etwas zu strecken und die Welt mal wieder aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. „Sie hat zumindest darüber gesprochen.“ „Nein, Mädels. Fliegt nur los“, rief Tante Louisa ihnen zu. „Leo da Vinci ist gerade vorbeigekommen und wir werden in einem Gemälde von Georges Seurat picknicken.“ „Bist du sicher?“, fragte Sabrina. „Du kommst nicht oft raus.“ „Nein, das ist schon gut so. Schaut euch das Universum ohne mich an.“ „Okay. Dann mal los!“ Sie und Hilda kletterten wieder auf den Staubsauger Force One. Salem und Zelda bestiegen den anderen. Zelda rief: „Energie!“ und sie flogen davon. „Nächster Halt: Fischplanet!“, rief Salem begeistert. Sie flogen aber nicht zum Fischplaneten. Vielmehr stoppten sie auf dem Mars, dem berühmten Skiplaneten. Natürlich testeten sie seine Skigebiete mit ihren Staubsaugern ausgiebig. Danach ging es zur Schönheitskur auf die Venus und weiter in die Milchstraße, wo sie sich ein paar Milchshakes gönnten. In den äußeren Ringen des Jupiters trafen sie eine Gruppe deutscher Apfelhexen, die sich zur Feier von Kastanalia
ebenfalls einen Trip durchs Universum spendiert hatten. Die deutschen Hexen gaben ihnen wertvolle Tipps, wie man mit Gartenzwergen zurechtkommt. Offenbar war das ein ziemlich schwerwiegendes Problem im Schwarzwald. So hieß die Gegend, aus der sie kamen. Apfelhexen sahen sehr vertrocknet und schrumpelig aus, aber sie rochen einfach fantastisch. Zelda bedankte sich auf Deutsch bei ihnen. Sie konnte nahezu sechshundert Sprachen, die jeweiligen Dialekte nicht dazugerechnet. Sabrina hatte schon Schwierigkeiten mit ihren zwei Fremdsprachen, Spanisch und Hexisch, für die sie immer Vokabeln pauken musste. „Was können wir euch denn Gutes tun?“ „Ich habe ein tolles Rezept für einen unsichtbaren Wandschrank“, schlug Hilda ihnen vor. „Noi, noi. Mir brauchet en Zauber, um tote amerikanische Fernsähstaars zu beschwöre“, erklärte die älteste und zugleich dickste der Apfelhexen. „Wisset ihr, mir in Deitschland fahren total uff die amerikanische Staats ab!“ „Ach so.“ Hilda war überrascht, zauberte ihnen jedoch die gewünschte Rezeptkarte her. Oben auf der Karte stand AUS DER SPELLMAN- KÜCHE und daneben war die Zeichnung einer kleinen Hexe zu sehen. Während das Rezept Zeile um Zeile aus dem Nichts erschien, begann die kleine Hexe Sabrina zuzuwinken. „Tante Louisa!“, rief sie überrascht. „Leo musste leider schon früh gehen, weil er das Fliegen erfinden musste. Also dachte ich, ich komme euch Mädels hinterher.“ Die letzte Zeile schrieb sich gerade auf die Karte. Hilda las das Rezept, runzelte die Stirn und gab es Zelda. „Muss dazu Vollmond sein?“ „Nein, Neumond.“ Zelda verbesserte das Rezept.
„Und bei wie viel Grad?“ „Dreihundertfünfzig. Allerdings Fahrenheit!“ „Ja, des Rezept isch subber!“ Die Hexe war beeindruckt und drehte sich zu ihrer Gruppe: „I Love Lucy!“ Eine der anderen Hexen klatschte aufgeregt in die Hände. „Sehr gut.“ Die anderen nickten mit den Köpfen und kicherten. „Wenn ihr mol wieder in Süddeitschland seid kommet doch oifach bei uns vorbei. Dann könne mir mit de Ricardos zusamme Spätzle esse.“ „Das machen wir bestimmt.“ Zelda, Sabrina und Hilda sprangen wieder auf ihre Staubsauger. „Auf Wiedersehen! Frohes Kastanalia!“ „Tschüssle!“, antworteten die Apfelhexen. Die Spellmans sahen sich den größten Teil des bekannten Universums an, wobei sie noch eine ganze Menge Rezepte von Hexen bekamen, die ebenfalls an diesem Feiertag unterwegs waren. „Und kein einziges Rezept für Sushi dabei!“, jammerte Salem. „Du kennst doch den Spruch: ,Zeige einer Hexe, wie man angelt, und sie wird bis in alle Ewigkeit etwas zu essen haben. Zeige ihr, wie man Sushi macht, und sie muss am nächsten Abend wieder etwas zu essen kochen.’“ „Klingt hölzern und stimmt nicht.“ Salem leckte sich die Pfoten. „Man kann sicherlich genauso immer währendes Sushi wie immer währende Spaghetti machen.“ „Immer währende Spaghetti?“, fragte Sabrina und wich schnell einem Asteroiden aus. „Wieso gab es das bei uns noch nie?“ „Weil man dann auch immer währende Reste hat“, antworteten Zelda und Hilda wie aus einem Munde. „Wer als Letzte zu Hause ist, wird in einen verfaulten Apfel
verwandelt!“ Sabrina sprang von ihrem Staubsauger auf eine Sternschnuppe, die mit hohem Ton durch die Atmosphäre sauste. Aber ihre Tanten waren knapp hinter ihr. „Das ist hinterhältig!“, rief Hilda ihr fröhlich hinterher. Sabrina ließ sich von der Sternschnuppe fallen und zauberte sich schnell in die heimische Küche. Sekunden später landeten ihre Tanten in der Tür und Sabrina begrüßte sie mit einer Ladung Mondtorte. „Dafür wirst du büßen!“, rief Hilda und schleuderte ihr ein ganzes Tablett mit plutonischen Windbeuteln entgegen. Innerhalb von Sekunden war Sabrina über und über mit phosphoreszierender, klebriger Soße übergossen. „Das zahle ich euch doppelt heim!“ Das Essen flog durch die gesamte Küche. Bald war es nicht mehr nur eine Essenschlacht, sondern ein allumfassender Essenkrieg. Sabrinas Finger war vom vielen Hexen müde und sie brauchte dringend Munition. Also zog sie sich zwischen belgischen Waffeln und Erdbeersauce zum Kühlschrank zurück und warf einen Blick ins Kühlfach. „Hallo, Kleine! Lass uns raus“, sagte eine Stimme. Sabrina steckte ihren Kopf tiefer in das Fach. „Wer seid ihr?“ „Tiefkühl-Chicky und die Speisereste.“ Zu ihrer Überraschung verbeugte sich ein tiefgefrorenes Hähnchen vor ihr. Drum herum summten Aluminiumpakete und Gefriertüten die Anfangstakte des Musicals Grease. „Tante Zelda, Tante Hilda, unser Essen kann sprechen!“ „Wir sprechen nicht! Wir singen!“, empörte sich Chicky. „Hör dir das an: Oh Kasslerchen, ich liebe dich, was wär ich denn nur ohne dich? Kartoffelbrei und Meerestang, die lieb ich auch mein Leben lang!“ „Wow!“ Sabrina trat einen Schritt zurück und machte das
Kühlfach etwas weiter auf. Das ganze Essen kam herausgeströmt und verteilte sich auf dem Boden. Erbsen und anderes Gemüse stellten sich in einer Reihe auf. TiefkühlChicky platzierte sich in ihrer Mitte und sang: „Hier ist ein Stück Fleisch, direkt aus dem Nacken. Wenn du es auftaust, wird es vielleicht sogar knacken!“ „Dosenfleisch, Dosenfleisch“, sangen Hilda und Zelda, die mittlerweile ihre Schlacht beendet hatten. „Dieser Chicky kennt sich aus mit Dosenfleisch!“ Sie tanzten durch die Küche und quer durch die Trümmer ihrer Schlacht. „Sabrina, sing mit!“, forderte Hilda sie auf. „Das ist die Lebensmittel-Version des Musicals Schwere Jungs und leichte Mädchen. Es heißt Grüne Bohnen und triefender Speck.“ Sabrina kannte zwar weder die Texte noch die Melodie, aber sie machte begeistert mit und schlitterte mit ihren Tanten durch das Durcheinander von Sahne, Beeren und Schokolade. „Lasagne!“, schmetterte Hilda zur Melodie von „Maria“ aus der West Side Story. „Ich aß gerade etwas Lasagne. Und jetzt hab ich erkannt, die Sauce war voll angebrannt!“ Salem war von oben bis unten mit Schokoladensoße bekleckert und sah aus wie eine Katzenzunge. Er saß auf der Anrichte und leckte sich das Fell. „Komm schon, Salem!“, rief Sabrina. „Mach mit!“ „Ich habe zu viel Würde“, sagte er spitzmäulig. Dann rülpste er. „Außerdem musste ich das Chaos beseitigen, das die Fischstäbchen angerichtet hatten.“ „Yiha!“, brüllte Zelda, ergriff Sabrinas Hände und wirbelte sie herum. Plötzlich hatten beide Squaredance-Röcke an, und Hilda stand auf einem Heuballen und spielte die Fiedel. Sie spielte schneller und schneller, Zelda wirbelte Sabrina schneller und schneller herum, und schließlich landeten sie lachend in den Speiseresten. Zelda bewegte ihre Arme und Beine: „Lass uns Speiseengel machen!“
„Wir werden unsere Finger ganz schön strapazieren müssen, um dieses Chaos wieder zu beseitigen!“, sagte Sabrina und setzte sich aufrecht. „Ach, müssen wir ja gar nicht. Um Mitternacht ist ohnehin alles verschwunden.“ „Hoffentlich.“ Hilda zauberte ihre Fiedel ins Niemandsland. „Weißt du, es könnte immerhin die Eine Sache sein...“ In diesem Moment erschien überraschend Sabrinas dritte Tante Vesta. „Sabrina, Liebling!“, rief sie und rutschte durch die Unordnung auf dem Küchenboden direkt in Sabrina hinein. Sie sah sich um: „Welch wunderbares Durcheinander!“ „Tante Vesta!“ Sabrina strich sich die Sahne von der Stirn und bemühte sich auf die Beine zu kommen. „Wie schön, dass du vorbeigekommen bist.“ Anders als ihre beiden Schwestern liebte Tante Vesta den Luxus und lebte in der berühmten Vergnügungskuppel im Anderen Reich. Sie trug ein dunkelrotes halterloses Abendkleid, auf dem Unmengen von Rubinen und Diamanten funkelten. (Das war garantiert kein Strass, denn Vesta würde eher tot umfallen als unechte Steine tragen.) „Im ganzen Kosmos tuscheln sie darüber, dass ihr riesig viel Spaß habt“, erzählte sie. „Ich musste einfach Marigolds Kastanalia-Ball verlassen und mir das anschauen. Sie haben Recht! Endlich erkennst du dein wahres Erbe!“ Hilda und Zelda schürzten die Lippen. „Sabrina weiß ganz genau, dass das nur heute so ist“, sagte Zelda. „Ja“, unterstützte Hilda sie und fragte erstaunt: „Bei Marigold ist eine Party? Wieso sind wir nicht eingeladen?“ „Das muss nicht nur heute so sein!“ Vesta strich sich durch ihr wunderschönes Haar. „In der Vergnügungskuppel kann man das jeden Tag haben.“ „Sabrina weiß das“, erinnerte Zelda sie. Sabrina hatte einmal
ein Wochenende bei Vesta verbracht. „Aber sie hat sich dafür entschieden, in dieser Dimension zu leben. Mit ihren sterblichen Freunden und uns.“ „Das war aber vor heute“, erwiderte Vesta scharf. „Wahrscheinlich fühlst du dich mittlerweile wie das arme Aschenputtel, meine liebe Sabrina.“ Sie strich Sabrina eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Um Mitternacht werden alle deine Zaubersprüche sich im Nichts auflösen und du wirst dich in einen Kürbis verwandeln!“ „Sprichst du hier einen Zauber aus oder versuchst du dich nur an einer dummen Metapher?“, fragte Hilda etwas besorgt. „Ich denke, es war ein Vergleich.“ sagte Zelda und wandte sich an Vesta: „Sabrina weiß schon, was sie will.“ „Bist du dir sicher, Liebes?“ Tante Vesta legte eine Hand auf Sabrinas Schulter und lächelte mitfühlend. Sie war zwar von der wilderen Sorte, aber sie hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Sabrina wusste, Vesta wollte sie nur glücklich sehen. „Hm, ja. Du kennst doch den Spruch:, Wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören.’“ Vesta drehte die Augen zum Himmel. „Oh bitte! Wer sagt denn solch dumme Sachen? Das stimmt doch gar nicht!“ „Ich habe das gesagt“, sagte Zelda. „Und es stimmt. Zuviel Gutes...“ „Das gibt es doch gar nicht: zu viel Gutes“, unterbrach Vesta und sah auf ihre diamantenbesetzte Uhr. „Oje, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man Spaß hat. Und das ist bei mir immer der Fall!“ Sie fasste Sabrina zärtlich ans Kinn. „Ich gehe zurück zu meiner Party, Sabrina. Und wenn du das Ganze irgendwann satt hast, lass es mich wissen.“ „Das werde ich“, versprach Sabrina. Es blitzte und Vesta war verschwunden. „Warum sind wir nicht eingeladen?“, regte sich Hilda immer
noch auf. „Wir sind doch lustig.“ „Wie wild“, gähnte Salem. „Seht nur: Es sind nur noch fünfzehn Minuten bis Mitternacht und alles, was ich vorzuweisen habe, ist eine lausige Schachtel Fischstäbchen.“ „Und eine Menge schöner Erinnerungen“, ermahnte Zelda ihn. „Von Erinnerungen lebt sich’s aber so schlecht, Zelda. Ich habe es versucht.“ „Aber damals hast du eine Diät gemacht“, erinnerte Hilda ihn und gähnte. „Ich werde jetzt schlafen gehen. Sabrina, ich hatte ein wunderbares Kastanalia. Vielen Dank, Liebes.“ Sie umarmten sich. Zelda gab ihr einen Kuss. „Ja, Sabrina. Wir haben dich so gerne hier bei uns. So erleben wir all die ersten Male einer Hexe auch noch einmal.“ „Gute Nacht, Tante Hilda, Tante Zelda.“ Sabrina drehte sich zu Salem. „Es ist noch Zeit für einen letzten Zauberspruch, und den werde ich für dich aussprechen, Salem.“ Sie deutete in Richtung Hintertür. „Pelz, der lebt und geht, nun redet und versteht!“ „Hey, Hübscher“, hörte man eine erotische Katzenstimme vom Garten hereinschnurren. „Wer? Was?“, fragte Salem verwirrt. Sabrina öffnete die Hintertür. „Zeig ihnen, was du drauf hast, Tiger!“ Sie kicherte. „Bin schon unterwegs!“ Im Nu war Salem verschwunden. Die Uhr zeigte fünf vor zwölf und der Hexe-was-du-kannstTag war fast vorüber. Sabrina hatte den Tag in vollen Zügen genossen. Leise rief sie Salem hinterher: „Viel Spaß!“ Dann machte sie sich auf den Weg ins Bett, denn selbst Hexen brauchen hin und wieder etwas Schlaf.
5. Kapitel Noch eine Minute, dann war Kastanalia vorbei. Sabrina bahnte sich ihren Weg durch das Kalorienchaos in der Küche. An der Tür streifte sie ihre Schuhe ab und lief zur Treppe. Ihre Fliegerjacke verwandelte sich plötzlich in ein Nachthemd und ihre Brille verschwand. „Natürlich!“ Sie hatte sich an diesem Morgen gar nicht selbst angezogen, deshalb hatte sie nun, da alle Zaubersprüche aufgehoben waren, wieder das an, was sie vor dem ersten Spruch getragen hatte. Es blitzte und ihr Quizmaster saß auf dem Fensterbrett in ihrem Zimmer. Er war für eine Party gekleidet und hatte eine Trillerpfeife in der Hand. „Hallo“, begrüßte sie ihn halbherzig. „Hattest du viel Spaß heute?“ „Moment“, unterbrach sie ihn. „Ist das ein Test, oder so was?“ Er seufzte tief. „Bevor ich Quizmaster wurde, habe ich für eine große Firma im Anderen Reich gearbeitet. Wir mussten Leute entlassen, und jetzt rate mal, wer die Entlassungsschreiben verteilen durfte. Jedes Mal, wenn die Angestellten der Firma mich auf sich zukommen sahen, brachen sie in Tränen aus. Sie dachten, ich würde ihnen ihre Entlassung bringen. Entweder hatten sie Angst vor mir oder sie hassten mich. Ich weiß genau, wie Drell sich fühlen muss.“ „Und? Was hat das mit mir zu tun?“ „Na ja, mit uns ist es ganz genauso. Jedes Mal, wenn du mich siehst, denkst du, es geht um einen Test.“ „Nun, wahrscheinlich ist das so, weil es bisher immer so gewesen ist?“ „Oh! Okay, dieses Mal bin ich wirklich nur vorbeigekommen, um zu sehen, ob du Spaß gehabt hast.“
„Quizmaster, ich bin bewegt. Und ja, ich hatte tatsächlich Spaß. Kastanalia ist ein toller Feiertag!“ „Das stimmt. Erzähl mir alles, was du unternommen hast. Ich war bei dieser einzigartigen Party, die Marigold geschmissen hat und...“ „Wieso waren wir da eigentlich nicht eingeladen?“ Er zuckte die Achseln. „Ward ihr bestimmt. Marigold sagte, dass alle Hexen und Hexenmeister eine Einladung bekommen haben.“ „Haben wir aber nicht!“ „Kann ich mir nicht vorstellen.“ Er grinste. „Marigold hat einen neuen Hexenfreund. Er ist sehr mächtig und äußerst gut aussehend. Sie hätte es sich nie entgehen lassen, ihn deinen zwei Single-Tanten unter die Nase zu reiben.“ Er schwieg einen Moment. „Ich glaube, sie sagte, dass Amanda die Einladungen verschickt hat...“ „Das erklärt alles!“, unterbrach ihn Sabrina. Kusine Amanda konnte Sabrina nämlich nicht leiden. Dann hellte sich Sabrinas Gesicht auf. „Wir hätten gar nicht mehr Spaß haben können. Wir haben das ganze Universum unsicher gemacht und ich war Herbstkönigin!“ „Fantastisch!“ Er schaute sie zufrieden an. „Aber sag mir: Was war deine Eine Sache?“ Sie schaute verwirrt zurück. „Welche Eine Sache?“ Er lachte. Als sie jedoch nicht mitlachte, hielt er inne und schaute sie verwundert an. „Sabrina, du weißt doch Bescheid über die Eine Sache? Oder?“ Sie knabberte nervös an ihrer Unterlippe. Hatte sie es vielleicht vergessen? Sie konnte sich nicht erinnern, aber es war auch ein anstrengender Tag gewesen. „Sabrina, Sabrina, Sabrina“, sagte er und es klang wenig verheißungsvoll.
„Quizmaster, Quizmaster, Quizmaster“, ahmte sie ihn sichtlich nervös nach. „Mensch, das klingt ja blöd. Ich sollte mir einen Spitznamen zulegen.“ Er neigte sich nach vorne und meinte plötzlich ganz ernst: „Haben dir deine Tanten nichts von der Einen Sache erzählt?“ Sabrina versuchte sich noch einmal zu erinnern. Sie hatten am Morgen auf sie gewartet, um ihr von Kastanalia zu erzählen. Danach waren die Bücher des Hexen-Buchclubs gekommen, sie war in die Schule gegangen und hatte jedem einen wunderbaren Tag gezaubert. Dann waren sie ins Universum gestartet und schließlich hatten sie eine Essenschlacht gemacht. „Ich bin ganz sicher, niemand hat mir etwas über diese Eine Sache erzählt.“ Sabrina lächelte ihn schwach an. „Also, leg los!“ Der Quizmaster schlug sich an die Stirn. „Oje, oje!“ Er deutete in die Luft und sofort erschienen Hilda und Zelda. Hilda hatte eine lila Lavendelmaske im Gesicht und Zelda war gerade dabei, sich die Augenbrauen zu zupfen. „Was soll das?“, protestierten sie einstimmig. „Quizmaster, es ist schon sehr spät und Sabrina hatte einen anstrengenden Tag. Was immer du sie fragen willst, kannst du damit nicht bis morgen warten?“, fragte Zelda entrüstet. „Ich will Sabrina nichts fragen.“ Seine Augen verengten sich. „Meine Ladys, seid ehrlich. Habt ihr vielleicht vergessen, Sabrina etwas von der Einen Sache zu erzählen?“ „Natürlich haben wir ihr davon erzählt“, antwortete Zelda wie aus der Pistole geschossen. Hilda legte ihrer Schwester eine Hand auf den Arm. „Zelda, ähem, ich denke, das haben wir nicht.“ Zelda redete weiter: „Weil wir unsere Verantwortung
nämlich sehr ernst nehmen. Wir würden niemals etwas so Wichtiges verges...“ Zelda schaute Hilda an. „Haben wir das wirklich nicht?“ Der Quizmaster nickte unheilvoll. „Habt ihr nicht.“ „Na ja, es wird schon nicht so schlimm sein“, stellte Hilda fest. „Gleich morgen früh werden wir herausfinden, welcher Zauberspruch nicht rückgängig gemacht wurde, und werden das einfach nachholen.“ Sie ging zum Fenster und zog den Vorhang zurück. „Sehr schön, die Welt ist noch da. Das war es also nicht.“ Der Quizmaster verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr kennt die Regeln, Ladys.“ „Aber wir sind doch Schuld. Wir haben es ihr nicht gesagt.“ Zelda war ganz außer sich. „Und ihr habt mir übrigens immer noch nichts davon erzählt!“, versuchte Sabrina sich Gehör zu verschaffen. „Also, ich meine...“ „Dass du nicht den blassesten Schimmer hast, worum es hier geht“, vollendete der Quizmaster ihren Satz. „Also, Sabrina: Alle Zaubersprüche, die du an Kastanalia sprichst, werden aufgehoben. So haben es dir ja auch deine Tanten erzählt.“ Er warf ihnen einen finsteren Blick zu. „Was sie dir jedoch nicht erzählt haben, ist, dass ein Spruch nicht aufgehoben wird.“ Sabrina sah ihn erwartungsvoll an, aber er schwieg. Schließlich fragte sie: „Okay. Und welcher Spruch ist es?“ Zelda antwortete ihr endlich: „Das ist genau das Problem, Liebes. Wir wissen es nicht.“ „Wir wissen es nicht?“ Sabrina schaute sie ungläubig an. Hilda spreizte die Hände: „Die meisten Hexen sprechen vor Kastanalia einen Such-und-Zerstör-Zauber, damit der eine Spruch, der nicht aufgehoben wird, sofort nach Mitternacht durch diesen anderen Spruch aufgehoben wird. So habe ich es
gemacht, du nicht auch, Zel?“ „Selbstverständlich!“ „Aber ich habe es deshalb nicht gemacht, weil ich gar nicht wusste, dass ich das hätte tun müssen“, sagte Sabrina. Ihre Tanten schauten sie betreten an. „Tut uns sehr Leid, Liebes. Irgendwie haben wir es vergessen. Das war sehr nachlässig von uns.“ „Aber wir helfen dir natürlich, deine Eine Sache zu finden“, munterte Hilda sie auf. Zelda flehte den Quizmaster an: „Bitte, du musst uns erlauben ihr zu helfen. Wer weiß, um welchen Zauberspruch es sich handelt? Es könnte schlimme Auswirkungen auf diese Welt hier haben. Du solltest keine deiner kleinen Prüfungen daraus machen. Wir müssen sofort etwas unternehmen!“ „Meine kleinen Prüfungen?“, empörte sich der Quizmaster. „Meine kleinen Prüfungen? Muss ich dich darauf hinweisen, dass diese kleinen Prüfungen das Einzige sind, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene?“ „Früher hat er Leute gefeuert“, warf Sabrina ein. „Hoffentlich kann er uns nicht feuern“, murmelte Hilda. Zelda knuffte sie mit dem Ellenbogen in die Seite. „Wir können nicht gefeuert werden. Immerhin sind wir mit Sabrina blutsverwandt.“ Hilda sah nicht besonders überzeugt aus. „Aber wir werden doch ganz sicher vor den Hexenrat zitiert, oder?“ „Wahrscheinlich.“ Der Quizmaster nickte. „Dennoch sollten wir jetzt erst einmal damit beginnen herauszufinden, welcher Spruch nicht aufgehoben wurde. Über die Aufhebung eurer Hexenlizenzen können wir später sprechen.“ „Was?“ Sabrina war entsetzt. „Aber das ist nicht fair!“ „Wenn wir das Problem schnell beheben, können wir vielleicht die rechtlichen Auswirkungen umgehen?“, schlug
Zelda zaghaft vor. „Ihr könnt sowieso nichts tun“, entmutigte der Quizmaster sie. „Stimmt. Nur die Hexe, von der der Spruch stammt, kann ihn rückgängig machen. Anders geht es nicht“, pflichtete Hilda ihm bei. „Und vergesst nicht den Rest der Regel: Wenn sie ihn nicht bis zum nächsten Vollmond rückgängig macht, wird es nie mehr gelingen. Der Spruch wird dann ewig Gültigkeit besitzen.“ „Ewig Gültigkeit?“ Sabrina war erschüttert. „Nicht einmal der Hexenrat kann ihn dann aufheben?“ „Nicht einmal der Hexenrat.“ „Wie viel Zeit bleibt mir also?“, fragte Sabrina aufgeregt. Ihre Tanten schauten den Quizmaster betreten an. „Habt ihr Sabrina denn nicht erklärt, wie wichtig es ist, die genauen Termine für Vollmond, Neumond und den blauen Mond zu wissen?“ Enttäuscht schüttelte der Quizmaster den Kopf. „Sie muss so viel lernen“, versuchte Hilda sich zu entschuldigen. „Und Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.“ „Nun, das wäre es, wenn ich damals schon etwas zu sagen gehabt hätte“, erwiderte er selbstgefällig. „Sabrina, der nächste Vollmond ist am Freitag. Du hast also fünf Tage, heute mitgezählt, was ja eigentlich morgen ist.“ Er schnippte mit den Fingern. „Was erzähle ich denn? Es ist ja schon nach Mitternacht, das heißt heute ist heute. Was ich dir damit sagen will: Du solltest dich besser sputen!“ Zelda deutete mit dem Finger in die Luft und sofort hatte jeder einen Pullover und Hosen an. Ein riesiger Bleistift und Papier erschienen vor Sabrina.
„Schreibe alle deine Zaubersprüche auf, an die du dich erinnern kannst“, forderte Zelda sie auf. Sabrina gähnte und ließ sich auf ihr Bett plumpsen. Sie war zwar schrecklich müde, aber das zählte in diesem Moment nicht. Also versuchte sie, sich zu erinnern: „Als Erstes zauberte Hilda mir meine Lieblingsklamotten, dann raste ich auf einem Überschallskateboard zur Schule. Ich habe Harvey darauf fahren lassen. Als er runterfiel, ließ ich ihn langsam zur Erde gleiten, damit er nicht platt wie ein Pfannkuchen aufkommen würde.“ „Sehr clever“, warf ihr Quizmaster lobend ein. Sabrina gähnte wieder. „Wir werden die ganze Nacht hier sitzen. Ich habe bestimmt eine Million Mal gehext!“ „Aber von den meisten Sprüchen wissen wir, dass sie schon aufgehoben wurden. Es tut zwar weh, aber zum Beispiel wurde ich als Führerin der freien Welt abgesetzt.“ „Und ich war Herbstkönigin.“ „Und eine sehr hübsche, meine Liebe!“, lobte Hilda sie. „Vielleicht wirst du am Freitag wieder die Herbstkönigin. Wäre das nicht toll?“ „Und vielleicht setzen sie dich wieder als Präsidentin ein.“ „Oje!“, murmelte Hilda. „Ich habe da ein paar, äh, Dinge getan, die, äh, vielleicht nicht allzu, äh, positiv aufgenommen werden würden, weil ich ja wusste, dass ich nach Kastanalia nicht mehr im Amt bin.“ Ihr Blick verlor sich in der Ferne. Nach ein paar Sekunden atmete sie tief ein. „Nun, ich habe jede Menge Sachen gemacht.“ „Es ist doch so: Sabrina hat Hilda zur Präsidentin gemacht“, unterbrach Zelda sie, „Hilda hat ihre Zaubersprüche als Präsidentin aber selbst ausgesprochen. Das heißt doch, dass Sabrina nicht dafür verantwortlich ist, oder?“ „Richtig“, antwortete der Quizmaster. „Und ich habe einen
Such-und-Zerstör-Zauber ausgesprochen. Also sind meine Sprüche aus dem Rennen.“ Hilda war sichtlich erleichtert. Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, sich alle von Sabrinas Hexensprüchen vorzunehmen und so weit wie möglich festzustellen, ob sie schon aufgehoben waren. Ein kurzer Blick in die Küche genügte und sie wussten, dass sie sich nicht mehr um die vielen Zaubersprüche während der Essenschlacht kümmern mussten. Die Küche war blitzblank. „Die Fischstäbchen sind verschwunden, aber die hat definitiv Salem gegessen“, stellte Zelda fest, als sie sich das Tiefkühlfach ansahen. „Das hat nichts mit Magie zu tun.“ „Schade“, seufzte Hilda. „Ihre Vorstellung von ,Wein nicht um mich, SeaLifeCenter’ war echt klasse.“ „Wenn es irgendwas gewesen ist, das du während unserer Universumstour getan hast, dann brauchen wir uns darum wohl nicht zu sorgen“, beruhigte Zelda sich und die anderen. „Ich kann mich nicht erinnern, dass eine von uns auf der Tour etwas getan hätte, was schwerwiegende kosmische Folgen nach sich ziehen könnte. Ich bin mir sicher, dass es etwas ist, was hier in Westbridge passiert ist.“ „Dann werde ich einfach morgen früh in die Schule gehen und schauen, ob sich etwas verändert hat. Und das hebe ich dann durch einen neuen Spruch auf. Das kann doch nicht so schwer sein“, schlug Sabrina vor. „Du hast Recht.“ Zelda klatschte in die Hände. „Lasst uns schlafen gehen. Vor allem du, Sabrina, musst morgen frisch und munter sein.“ „Okay.“ Sabrina warf ihrem Quizmaster einen Blick zu. „Wird das hier in meinem Hexen-Zeugnis landen?“ „In irgendeinem Zeugnis wird es jedenfalls landen.“ Sein Blick wanderte zu ihren Tanten. „Es ist ja nicht ihre Schuld. Wir haben vergessen, es ihr zu
erzählen“, flehte ihn Zelda an. „Die Regel nicht zu kennen, entschuldigt niemanden. Gute Nacht, Ladys.“ Er verschwand mit einem Fingerschnippen. „Hei, der ist ja fies.“ Hilda seufzte. „Sabrina, mach dir keine Sorgen. Wir kriegen das schon hin.“ Sabrina lächelte. „Ich weiß. Gute Nacht, Tante Hilda und Tante Zelda. Wo ist denn Salem?“ „Er wird draußen sein“, murmelte Hilda schlaftrunken. Ihre Tanten verließen das Zimmer und Sabrina kroch unter die Decke. Ihre Gedanken kreisten um den folgenden Tag. Würde sie Valerie am Morgen als Rockstar begrüßen? Oder würde Libby immer noch als Streberin herumlaufen? Bald würde sie es erleben. Endlich schlief sie ein.
6. Kapitel Piep, piep, piep, piep... Sabrina setzte sich erschrocken auf. „Ich bin wach und stehe auf“, erklärte sie ihrem Wecker, aber der hörte nicht auf zu piepen. „Was soll das?“ Sie lehnte sich hinüber und stellte ihn von Hand ab. Die Weckvorrichtung war verschwunden. „Keine Zeit zum Duschen“, murmelte sie und zog sich Hosen und einen lila Pullover an. Sabrina war so nervös, dass sie sogar vergaß, sich in ihr Outfit hineinzuhexen. Während sie sich kämmte, sammelte sie gleichzeitig ihre Schulbücher ein. Über all der Aufregung hatte sie immer noch nicht für Mathe gelernt. Wenn doch nur die Eins in Mathe diese Eine Sache wäre, zu schön... „Sabrina, du machst mich völlig nervös“, jammerte Salem vom Fensterbrett. „Hör auf, eine solche Hektik zu verbreiten.“ „Dir geht’s wohl nicht so gut, was?“ „Dieses scharfe Malteserkätzchen, das du gestern auf mich gehetzt hast, hatte von Marigolds Party gehört. Also sind wir da noch für die letzten fünf Minuten hin und haben die verlorene Zeit aufgeholt. Hattest du jemals einen Katzenkater?“ „Das einzige Mal, dass ich eine Katze gewesen bin, warst du auch da und ich habe nein gesagt.“ Sabrina lief weiter eilig durchs Zimmer. Schließlich eilte sie nach unten und wollte gerade aus dem Haus, als Tante Zelda rief: „Halt! Sabrina, wir müssen mit dir reden.“ „Keine Zeit!“ „Dafür solltest du aber Zeit haben. Es ist wichtig!“ „Aber ich muss doch zur Schule.“ Sabrina kam widerwillig in die Küche.
Zelda deutete auf den Toaster. „Lies das!“ „Oje!“ Sabrina schluckte. Der Toaster spuckte oft Nachrichten aus dem Anderen Reich aus. Dem Verhalten ihrer Tanten nach zu urteilen, war es diesmal keine gute Nachricht. Sie ging hinüber und nahm einen offiziell aussehenden Brief aus dem Toaster. ACHTUNG, ACHTUNG, ACHTUNG! OFFIZIELLE BEKANNTMACHUNG DES HEXENRATES STRENG GEHEIM!!! Sabrina sah ihre Tanten an. „Warum denn ,Streng geheim’?“ „Weil man das keinem Sterblichen zeigen soll“ er klärte Hilda. „Aha, ich verstehe. Top secret.“ Sabrina las weiter. An alle Hexen, Hexenmeister, Zauberer, Feen, Gartenzwerge und andere magische Wesen. Sabrina blickte wieder auf. „Es gibt tatsächlich Feen? Super!“ „Lass dich nicht ablenken, Liebes“, ermahnte Zelda sie. „Lies weiter!“ Betrifft: Magischer Blackout Dem Hexenrat liegen Informationen vor, dass Dr. Francisco Imperium, ein sterblicher Wissenschaftler, der in enger Verbindung zum Pentagon steht, mit seinem Team ab heute, 6 Uhr morgens, in Ihrem Bezirk erscheinen wird. Er will die Existenz von Magie nachweisen und entsprechende Tests durchführen. Alle Wesen, die Magie verwenden, werden deswegen aufgefordert, dies unter keinen Umständen zu tun, bis Dr. Imperium ihren Bezirk wieder verlassen hat. Sie erhalten
weitere Informationen, sobald das Verbot wieder aufgehoben ist. Fragen und Kommentare werden bis 6 Uhr morgens vom Hexenrat entgegengenommen. Danach wird jeder Kontakt zwischen dem Reich der Sterblichen und den Anderen Reich bis auf Weiteres unterbrochen. Sabrina legte den Brief auf die Anrichte. „Ach du meine Güte! Und was wird jetzt aus meiner Einen Sache? Das sollten wir wohl besser mit dem Hexenrat besprechen.“ „Können wir aber nicht.“ Hilda zeigte auf die Küchenuhr. „Es ist schon sieben.“ „Oh nein! Warum habt ihr mich denn nicht geweckt?“ Die Vorrichtung an ihrem Wecker hatten sie offensichtlich entfernt, weil sie auch Magie war. „Wir haben die Nachricht erst um 6.30 Uhr bekommen“, empörte sich Zelda. „Typisch Bürokratie!“ Sabrina raufte sich die Haare. „Und was soll ich jetzt tun?“ „Setz dich hin und iss ein paar Pfannkuchen!“ Hilda hob ihren Finger, als ein „Nein!“ von Zelda erklang. „Keine Magie!“ „Oh, das wird echt anstrengend“, seufzte Hilda. „Wir müssen richtig kochen und überall selbst hinlaufen. Ob ich das einen ganzen Tag lang aushalte?“ Sabrina schaute sich die Bekanntmachung des Hexenrates noch einmal genauer an. Entweder hatte sie die Zeile, die da ganz unten am Fuß des Briefes stand, vorher nicht gesehen, oder sie war gerade erst erschienen: Die unerlaubte Verwendung von Magie führt zur unwiderruflichen Aufhebung der magischen Fähigkeiten des Verursachers. Der Verursacher wird außerdem für einhundert Jahre in ein Tier nach Wahl des Hexenrates verwandelt.
„Habt ihr das gelesen?“, fragte sie ihre Tanten. „Haben wir!“ „Das ist aber streng.“ Sabrina ging zum Kühlschrank und schaute hinein. Es gab Milch, einige Granatäpfel und einen Laib Brot. Sie nahm die Milch und das Brot. Es war noch gar nicht so lange her, dass sie sich das Frühstück selbst gemacht hatte. Sie würde das schon hinkriegen. „Haben wir Cornflakes?“ „Zaubere dir doch einfach...“ Hilda unterbrach sich. „Ooops, keine Magie, ich vergaß.“ „Ich glaube, wir haben noch Erdnussbutter im Schrank“, schlug Zelda vor. Sabrina räumte das Brot und die Milch wieder in den Kühlschrank. Sie wollte lieber nichts essen, aber Tante Zelda bestand darauf. Ihr zuliebe aß sie ein Brot mit Erdnussbutter und trank ein Glas Milch dazu. Dann wusch sie das Geschirr mit der Hand ab. Normalerweise waren immer jede Menge Sauberkeitssprüche in ihrer Küche aktiv, damit sie sich nicht mit diesen lästigen Haushaltsdingen aufhalten mussten. Alles, was zu einem normalen, sterblichen Leben gehörte, fühlte sich eigenartig an. Sabrina wurde klar, dass sie sich schon sehr daran gewöhnt hatte, eine Hexe zu sein. Sie erinnerte sich noch an ihren sechzehnten Geburtstag, als ihre Tanten erzählt hatten, über welche Kräfte sie verfügte. Das war so verrückt gewesen. Es hatte viel Konzentration gebraucht, das Hexen zu erlernen. Im Moment musste sie sich jedoch ebenso stark konzentrieren, nicht zu hexen. Und es kam ihr mindestens genauso verrückt vor, sich wieder wie eine Sterbliche zu verhalten. „Das wird ein komischer Tag“, stöhnte sie. Zelda putzte gerade den Fußboden und Hilda starrte die Kaffeemaschine an. „Wie funktioniert das Ding nur?“, fragte sie entnervt. „Zaubere dir doch einfach...“ Zelda hielt inne. „Ich weiß, was du meinst, Sabrina. Es wird schwer werden, ohne Magie auszukommen. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Schließlich
wollen wir nicht wie Salem enden, oder?“ „Oh nein! Wer will das schon?“ Salem schlurfte in die Küche. „Wo ist der Kaffee? Mannomann, ich brauche dringend etwas Koffein!“ „Ich arbeite dran!“ „Könntest du etwas schneller arbeiten?“ Salem seufzte tief. „Vielleicht sollte ich mich einfach wieder hinlegen?“ Er rollte sich zusammen und begann sofort zu schnarchen. „Sabrina, vielleicht sollten wir in der Schule nach deiner Einen Sache suchen?“, schlug Zelda vor. „Und wie würde ich erklären, was ihr da tut? Mr. Kraft mag es gar nicht gerne, wenn Erziehungspersonen unautorisiert auf dem Schulgelände herumlaufen.“ „Wir könnten ja sagen, dass du deinen Schirm verloren hast.“ „Ich denke, ich sollte alleine gehen, wie immer. Das Skateboard mitzunehmen ist wahrscheinlich nicht drin, oder?“ „Im Keller steht noch ein Einrad, falls du das vielleicht nehmen willst“, bot Zelda ihr an. Sabrina lachte. Sie galt ohnehin schon als Freak in der Schule. Ein Einrad würde diesen Ruf bestimmt nicht verbessern. „Danke, Tante Zelda. Aber ich glaube, ich fahre lieber mit dem Bus.“ Sie gab beiden einen Kuss auf die Wange. „Ich muss los!“ In der Haustür hörte sie Zelda noch sagen: „Schade, dass sie das Einrad nicht wollte. Wir könnten es vielleicht Montys Frau schenken, was denkst du? Und Sabrina schenken wir ein hübsches neues Fahrrad zu Halloween.“ Sabrina trödelte noch ziemlich lange in der Eingangshalle herum, und so bekam sie die Antwort von Tante Zelda noch mit: „Meine liebe, altmodische Schwester. Sabrina ist kein Kind mehr. Sie will jetzt viel lieber ein Auto!“
„Juhu!“ Sabrina versuchte ihren Freudenschrei zu unterdrücken. Ein Auto zu Halloween! Das wäre toll! Für einen Augenblick war sie von ihren Sorgen abgelenkt. Kaum war sie jedoch aus der Tür, wurde sie wieder nervös. Was, wenn ihre Eine Sache nun in der Schule passiert war? Sie könnte jetzt überhaupt nichts unternehmen, um sie rückgängig zu machen. Auf magischem Wege jedenfalls. Hoffentlich war es nur eine kleine Eine Sache, die sie ganz einfach auf sterblichem Wege rückgängig machen konnte. Sie öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. Ein riesiger schwarzer Lieferwagen parkte auf dem Gehweg. Auf seinem Dach war ein Wald von Antennen angebracht und eine kleine Satellitenschüssel drehte sich aufgeregt hin und her. Zwei finster dreinschauende Männer in schwarzen Anzügen standen auf dem Gehweg. Ihre Sonnenbrillen machten es Sabrina unmöglich herauszufinden, ob sie sie oder etwas anderes auf dem Spellman-Grundstück anstarrten. Einer der beiden sprach in ein Walkie-Talkie, das an seinem Handgelenk befestigt war. Dann drückte er etwas an sein Ohr und nickte. Sabrina lief zurück ins Haus. Ihre Tanten waren noch in der Küche. Zelda stand über die Kaffeemaschine gebeugt: „Es muss irgendwie mit diesen Knöpfen zu tun haben, Hilda. Ich gehe mal und schaue in meinen Physikbüchern nach.“ „Da draußen sind...“ rief Sabrina atemlos. „Die Bedienungsanleitung hilft uns wahrscheinlich eher weiter.“ Hilda erhob den Finger, ließ ihn aber gleich wieder sinken. „Oh, Mist!“ Sie stand auf, ging hinüber zum Küchenschrank und öffnete eine Schublade. „Sie sollte eigentlich hier drin sein. Du schmeißt doch nie etwas weg. Was haben wir denn hier: einen Garantieschein für den Staubsauger. Oh, Zel! Er muss dringend zur Inspektion. Und hier ist das Tombola-Los, das du damals gekauft hast, als die
Modeindustrie uns zum ersten Mal dazu verdonnert hatte, Polyester zu tragen.“ „Es war für einen guten Zweck.“ „Wahrscheinlich ging es um ein immer währendes Mittel gegen Hexitis“, entgegnete Hilda schnippisch. „Oh, und das hier ist sehr praktisch. Bezahlen Sie eine Dose Man-Doh und bekommen Sie zwei dafür. Nur dass das Angebot schon vor fünfundzwanzig Jahren abgelaufen ist!“ Zelda zuckte die Achseln und fummelte weiter an der Kaffeemaschine herum. „Na, dann ist es eben schon ein paar Jahre her.“ „Ein paar Jahre?“ „Hallo!“ Sabrina verschaffte sich endlich Gehör. Sie legte ihren Zeigefinger auf die Lippen und flüsterte sehr leise: „Da draußen sind ganz eigenartige Kerle.“ „Phantome?“, fragte Zelda laut. „Sehr gut. Die bringen mich nämlich zu meiner Vorlesung über eingebildete Zahlen. Ich wollte da eigentlich hinfliegen, da wir aber keine Magie benutzen dürfen...“ Sie verstummte, als sie Sabrinas Gesicht sah. „Was ist los?“ „Pssd“, raunte Sabrina und fing an, in der Schublade herumzuwühlen, in der Hilda die Bedienungsanleitung für die Kaffeemaschine vermutet hatte. Endlich fand sie einen Notizblock. Sie schrieb: „Die Typen sind keine Geister, sondern Regierungsbeamte! Vielleicht ist unser Haus schon verwanzt!“ Hilda und Zelda lasen den Zettel. Stumm vor Entsetzen sahen sie einander an. Dann blickten sie auf Sabrina. Die war inzwischen in die Diele gelaufen und winkte ihren Tanten zu, ihr zu folgen. Durch das Fenster an der Haustür konnten sie beobachten, was draußen vor sich ging. Auf dem Rasen vor dem Haus wimmelte es nur so von Menschen. Es waren
Männer und Frauen mit düsteren Mienen. Sie trugen dunkle Anzüge und hatten eigenartige Geräte in ihren Händen. Ein Mann hielt etwas, das wie ein Geigerzähler aussah. Ein anderer bewegte eine Art Metalldetektor über den Boden, als ob er etwas suchte. Wieder andere sprachen in Funkgeräte. Es war richtig unheimlich. Zelda sah Sabrina und Hilda ernst an. „Seid ehrlich! Hat eine von euch heute Morgen vielleicht doch schon ein bisschen gehext?“ Sabrina und Hilda schüttelten den Kopf. „Dann haben wir ja nichts zu befürchten. Wahrscheinlich schnüffeln sie nur herum.“ Zelda nahm eine aufrechte Haltung ein und sagte entschlossen: „Als Steuerzahlerin muss ich mir diese Behandlung meines Eigentums nicht bieten lassen. Ich geh jetzt da hinaus und fordere diese Leute auf sich zu entfernen!“ „Nein, Zelda!“ Hilda versuchte sie zu beschwichtigen. „Wir sollten uns so unauffällig wie möglich verhalten.“ „Welcher Amerikaner mit nur ein bisschen Selbstachtung würde dieses Chaos in seinem Vorgarten dulden? Als Erstes würde er sie auffordern zu gehen.“ „Du hast Recht“, sagte Hilda nach kurzem Nachdenken. „Sie hat Recht“, stimmte Sabrina ihr zu. Gemeinsam und entschlossen marschierten sie nach draußen. „Lasst aber mich reden“, befahl Zelda. Sie marschierte schnurstracks auf die Gruppe dunkel gekleideter Menschen zu und hob die Hand. „Guten Morgen. Dürfte ich bitte erfahren, was um alles in der Welt Sie hier tun?“ Ein sehr junger Mann mit Ray-Ban-Sonnenbrille und dunkelblauem Anzug schloss sein Notizbuch und kam auf die drei Hexen zu. „Madam, es tut uns sehr Leid, dass wir Sie
stören müssen, aber ein gemeingefährlicher Mörder ist ausgebrochen.“ „In Westbridge?“ Zelda tat so, als wäre sie zu Tode erschrocken. „Aber das hier ist so eine nette, kleine Stadt. So eine nette, ruhige Stadt.“ „So eine nette, ruhige, langweilige Kleinstadt“, fügte Hilda hilfreich hinzu. „Hier passiert nie etwas. Ein Mörder würde doch eher, na ja, vielleicht in Salem sein Unwesen treiben!“ „Oder in Boston“ Sabrina mischte sich prompt ein. Sie empfand es nicht als passenden Augenblick, auf Salem aufmerksam zu machen. Eine Stadt, deren Vergangenheit so eng mit Hexen verbunden war. „Alle wirklich verrückten Killer treibt es nach Boston. Da gibt es mehr Opfer.“ „Und die Leute sind dort besser angezogen“, warf Hilda ein. In diesem Moment kam ein älterer Mann zu ihnen. Sabrina war überzeugt, dass er in seinem ganzen Leben noch niemals gelächelt hatte – und es sah nicht so aus, als würde es an diesem Tag sein erstes Mal sein. „Miss Zelda Spellman?“ „Ja?“ Zelda sah ihn streng an, als würde sie täglich von Männern wie ihm angesprochen werden. Er drehte sich zu Hilda. „Miss Hilda Spellman?“ „Ja?“ Hilda versuchte genauso kühl zu wirken wie Zelda, ihre Antwort klang jedoch eher wie das ängstliche Fiepen einer Maus. Dann drehte er sich zu Sabrina. „Miss Sabrina Spellman?“ „Was!?“, brach es viel zu laut aus Sabrina heraus. „Kommen Sie bitte mit! Wir müssen etwas besprechen.“ Die drei Spellman-Frauen schauten sich gegenseitig an. „Oje!“, murmelte Hilda. Zelda räusperte sich und stieß Hilda in die Rippen. „Sabrina
muss in die Schule!“ „In die Westbridge Highschool, das wissen wir. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir kümmern uns darum.“ Wie drei Gefangene auf dem Weg zum Schafott folgten sie dem mürrischen Mann.
7. Kapitel Sabrina und ihre Tanten wunderten sich nicht schlecht über das Chaos, das sich in ihrer sonst so ruhigen Straße breit gemacht hatte. Neben dem Lieferwagen vor ihrem Haus stand ein zweiter, dessen Antenne sich wie ein Wetterhahn im Wind drehte. Eine finster blickende Frau stand unter einer Eiche und sprach in eine Art Kugelschreiber. Neben dem Hydranten kroch ein Mann mit Gummihandschuhen auf dem Boden und kratzte Erde und Gras ab, die er dann in eine Tüte mit der Aufschrift BEWEISE rieseln ließ. Hilda raunte: „Vielleicht ist das die Eine Sache einer anderen... Person. Ihr wisst schon: Ein Streich einer... bestimmten Person für... bestimmte andere Personen.“ „Hoffentlich!“ Während der Mann sie zu dem Lieferwagen mit der Wetterhahnantenne führte, dachte Sabrina, dass dieser Streich nicht lustig war. Außerdem hatte die Bekanntmachung des Hexenrates wirklich echt geklungen. „Treten Sie ein“, forderte ihr mürrischer Begleiter sie auf und öffnete die Wagentür. In der Tür erschien ein Marinesoldat und blockierte den Eingang Er hielt sein Gewehr vor der Brust und an seinem Gürtel baumelte eine gefährlich aussehende Pistole. „Stehen Sie bequem, Soldat!“ Ihr Begleiter hielt ihm einen Ausweis unter die Nase. „Jawohl, Sir!“ Der Soldat lockerte sich und trat zur Seite. Zelda schaute die anderen beiden an und stieg dann die Stufen in den Lieferwagen hinauf. Hilda und Sabrina folgten ihr. „Hey, cool!“ Sabrina blieb fast die Luft weg. „Ja! Cool, cool!“, summte Hilda ihr zu. In das Innere drang nur wenig Licht, aber es wimmelte von
Leuten und überall stand technisches Gerät herum. Es gab etwa sechs Bildschirme, auf denen eigenartige Zeichen und sich bewegende Schatten zu sehen waren. Menschen starrten sie gebannt an. Einige Maschinen ratterten und klickten und ein Drucker spuckte ein Blatt Papier aus. Jeder hatte einen Kaffeebecher aus Styropor in der Hand und aus dem allgemeinen Gemurmel waren Sprachfetzen wie „’tschuldige, Lisa“, „Hast du das Klicken gehört?“, „Da war gerade was!“ und „Was ist das da? Wieder eine Anomalie?“ auszumachen. Vielleicht konnten diese Leute tatsächlich die Existenz von Magie nachweisen? Vielleicht hatten sie das schon getan? „Sind das die neuen Aushilfen?“, fragte jemand barsch. „Sehr gut. Wie immer sind wir total unterbesetzt. Sie erwarten gute Ergebnisse, geben mir aber einfach nicht genug Material an die Hand!“ Aus dem Dunkeln kam ein Mann auf sie zu. Er hatte schwarzes Haar, das an den Schläfen langsam ergraute, buschige Augenbrauen und einen dünnen Oberlippenbart. Seine Augen waren auf eine Liste gerichtet. „Legen Sie doch ab.“ Er schaute sie das erste Mal an. „Oh... Sie tragen gar keine Jacken. Oh, Sie... sie sind...“ Als er Zelda erblickte, begannen seine Augen zu funkeln. Zelda stemmte die Hände in die Hüften und sagte: „Dr. Imperium, nehme ich an?“ „Äh, ja.“ Der Mund des Wissenschaftlers stand weit offen und er betrachtete Zelda, als wäre sie die schönste Frau des Universums. „Und Sie sind...?“ „Zelda Spellman. Und ich möchte umgehend erfahren, warum wir hier festgehalten werden!“ „Festgehalten?“ Er schüttelte bekümmert den Kopf. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir Sie nicht festhalten.“ Zelda schaute nicht überzeugt aus. „Ich bin sicher, Special Agent Covey hat Ihnen erklärt, dass wir nach einem
gemeingefährlichen Mörder fahnden.“ „Ist der vom Mars?“ Hilda konnte nicht mehr stillhalten. „Erzählen Sie uns doch nichts. Wir haben schon viel zu viele Folgen von Akte X gesehen, als dass wir uns mit einer solch lahmen Geschichte abspeisen lassen.“ „Dann verstehen Sie doch sicherlich, dass wir zur Geheimhaltung verpflichtet sind.“, sagte ein Mann, der in diesem Moment aus dem Dunkeln trat. Er war klein und kräftig und trug eine khakifarbene Uniform, die über und über mit Orden behangen war. „Und wer sind Sie?“ Zelda schaute den Neuankömmling frech an. „Ich bin Colonel Van De Ven“, stellte er sich mit herausgestreckter Brust vor. „Und Ihr Nachname ist Spellman? Ein ungewöhnlicher Name.“ „Wir stammen aus England. Unsere Vorfahren waren Leute, die gut buchstabieren konnten“, konterte Hilda. „Die Männer in unserer Familie sind heute noch tolle Buchstabierer“, versuchte Sabrina ihre Tante zu unterstützen. „Sie gewinnen fast jeden Buchstabierwettbewerb.“ „Sehr ungewöhnlich“, sagte Colonel Van De Ven noch einmal. „Was ist daran so ungewöhnlich?“, wollte Hilda wissen. Er lächelte sie geheimnisvoll an. „Nun, Sie wissen ja, dass Männer normalerweise bessere Theoretiker und Analytiker sind. Sie sind gut in Fächern wie Mathematik und Physik. Frauen dagegen haben eine größere Begabung für Sprache. Buchstabieren zum Beispiel.“ Zelda schaute ihn missbilligend an. „Ist das so? Zufälligerweise bin ich aber Physikerin.“ „Und ich bin zufälligerweise eine sehr schlechte Buchstabiererin“, informierte Hilda ihn ebenso verärgert.
Sabrina nickte eifrig. „Das stimmt. Sie ist sogar noch schlechter als ich.“ „Also, erzählen Sie uns schon, worum es hier wirklich geht!“, forderte Zelda. „Miss Spellman“, begann Dr. Imperium und lächelte sie verzückt an. Er atmete tief ein und wieder aus, dann fragte er: „Wie heißt Ihr Parfüm?“ Zelda runzelte die Stirn. „Entschuldigung?“ „Es riecht so wunderbar. Oh, Miss Spellman... Zelda, wenn ich darf...“ Er lief dunkelrot an. „Wir, äh, wir sind hier auf der Spur von etwas Wunderbarem.“ Sein Blick verklärte sich wieder. „Auf der Spur von etwas wirklich Wunderbarem...“ „Giftabfälle“, unterbrach ihn Colonel Van De Ven schroff. „Und wir brauchen Ihre Hilfe als Gebietssheriffs. Wir möchten, dass Sie die Gegend kontrollieren und alle außergewöhnlichen Aktivitäten melden.“ Zelda schaute ihn ungläubig an. „Außergewöhnliche Aktivitäten? Was für welche? Wenn unsere Nachbarn illegal ihren Müll entsorgen?“ „Alles, was Ihnen außergewöhnlich vorkommt.“ „Und sonst verlangen Sie nichts von uns?“, fragte Hilda mit ironischem Unterton. „Nein, Madam.“ Der Colonel gab dem Soldaten ein Zeichen. „Begleiten Sie diese Zivilisten bitte hinaus.“ „Jawohl, Sir!“ Der Soldat sah Sabrina an. Er war noch sehr jung, und jetzt, wo sie auch sein Gesicht betrachten konnte, musste sie feststellen, dass er sogar richtig süß aussah. „Darf ich bitten, Miss. Achten Sie auf die Stufen.“ Dr. Imperium wollte Zelda jedoch noch nicht gehen lassen. „Dürfte ich, ähem...“, sagte er zögerlich. „Hätten Sie etwas dagegen, sich meine Ergebnisse einmal anzuschauen, wenn ich welche bekomme?“
„Das werde ich gerne tun“, antwortete Zelda freundlich. „Aber für heute: Auf Wiedersehen!“ Als sie den Lieferwagen verlassen hatten, fragte Dr. Imperium: „Colonel, warum haben Sie diese wunderschöne Frau und ihre Familie angelogen? Giftmüll, was für eine Idee. Sobald meine Detektoren magische Strahlung messen, wird die ganze Welt wissen, warum wir hier sind!“ „Aber sie müssen es nicht jetzt schon wissen. Ich traue diesen Dreien nicht. Sie haben irgendetwas an sich, was ich nicht benennen kann. Davon einmal abgesehen: Sie verhalten sich wie ein liebeskranker Dackel, was die Älteste betrifft.“ „Quatsch! Sie sind ganz normale Damen aus Neu England. Und außerdem ist sie nicht alt!“ Zelda schaute besorgt zu Hilda. Hilda schaute besorgt zu Sabrina, die gerade ihren Pony aus dem Gesicht strich: „Hui, ich würde sagen, das war knapp. Aber das sind doch alles pseudowissenschaftliche Scharlatane. Ich gehe jetzt in die Schule und rücke meine Eine Sache mit Magie wieder gerade.“ „Psst, Sabrina, sprich nicht so laut!“, ermahnte Zelda sie. „Immerhin hat der Hexenrat ein Magieverbot ausgesprochen. Und wenn du dagegen verstößt, musst du auch die Konsequenzen tragen.“ Sabrina verschränkte ihre Arme. „Aber es besteht doch gar keine...“ „Vielleicht besteht Gefahr, vielleicht nicht. Das ist auch egal, Sabrina. Wenn du deinen Finger benutzt, ist deine Macht futsch.“ „Okay, okay!“ Sabrina war noch nicht wirklich überzeugt, gab jedoch nach. „Aber sie müssen uns nicht wie Idioten behandeln.“ Sie wurde rot. „Ich meine nicht den Hexenrat, sondern diese Sterblichen.“ „Da hast du Recht.“ Hilda wandte sich zu Zelda. „Wenn du
Dr. Imperium besonders nett fragst, dann verschwinden er und seine Leute vielleicht wieder. Er ist definitiv in dich verknallt.“ Sie tat, als ob sie an ihr roch. „Benutzen Sie Einfach Unwiderstehlich? Dann müsste ich Sie nämlich wegen Verwendung von Magie anzeigen, Zelly.“ Einfach Unwiderstehlich war ein Parfüm, das diejenige, die es benutzte eben einfach unwiderstehlich machte. Man konnte es nur im Anderen Reich kaufen. „Nein, das benutze ich nicht. Ich benutze nur die Seife, die Sabrina mir letztes Halloween geschenkt hat.“ Sie lächelte Sabrina liebevoll an. „Das war ein wunderschönes Geschenk, Liebes.“ „Sobald dieses dumme Verbot aufgehoben ist, holen wir uns den Kessel Nummer 10 aus dem Keller und brauen eine Riesenladung Rache“, sagte Hilda wütend. „Ich habe mich schon in den Sechzigern nicht von dieser korrupten MilitärIndustrie herumstoßen lassen. Dann werde ich es auch jetzt nicht zulassen.“ „Du hast Recht, das tun wir“, stimmte Zelda zu. „Aber bis es so weit ist, müssen wir uns unauffällig verhalten.“ „Gebietssheriffs“, schnaubte Hilda. „Dabei ist das, was sie suchen, direkt vor ihrer Nase!“ „Pst!“ Zelda hob ihren Zeigefinger warnend an die Lippen. „Vielleicht werden wir belauscht.“ „Wahrscheinlich haben sie uns Wanzen in die Kleider gesteckt.“ Hilda war wirklich wütend. „Wie dieser Kerl dich angestarrt hat! Ich hätte am liebsten einen Kessel Mach-nenMann-aus-mir-Bier getrunken und ihn gehörig versohlt.“ „Seine Verliebtheit macht die Situation tatsächlich etwas schwierig“, gab Zelda zu. „Etwas schwierig?“ „Es ist ja nicht meine Schuld!“ Zelda war drauf und dran,
ihren Finger gegen Hilda zu erheben, besann sich aber des Verbots. „Lasst uns mit der Hausarbeit beginnen. Wir müssen jede Menge erledigen. Wahrscheinlich werden sie uns jeden Tag befragen.“ „Ich sag es gleich: Ich werde keine Fenster putzen. Das habe ich nicht getan, als sie erfunden wurden, und daran werde ich auch jetzt nichts ändern!“ Sabrinas Tanten gingen zankend zurück ins Haus. Sabrina selbst machte sich auf den Weg zur Schule. Überall standen diese unfreundlichen Regierungsbeamten und beobachteten die Stadt. Sie sah auch eine ganze Menge fremder Leute in Alltagskleidung, die versuchten nicht aufzufallen: Männer auf Parkbänken, Frauen mit Kinderwagen, ein paar Jogger, die in ihre Schweißbänder murmelten. Sie kam sich vor wie in einem Spionagefilm. Einem sehr schlechten Spionagefilm! Auf dem Parkplatz vor der Schule stand ein weiterer schwarzer Lieferwagen. Ein Mann in Sportkleidung stand daneben und sprach mit Harvey, der nickte und dann seine Hand in Brusthöhe hielt. Ganz so, als würde er zeigen, wie groß jemand ist. Sabrinas Magen verkrampfte sich. Harvey war so gutmütig, er würde sich nichts dabei denken wenn ihn ein Regierungsbeamter ausfragen würde. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass jemand nur so tun kann, als wäre er nett. „Aber es kann ja nichts passieren“, beruhigte sich Sabrina. „Die ganze Sache ist einfach zu blöd.“ Harvey trottete ihr entgegen. „Hallo, Sabrina!“ „Hallo, Harvey! Wer war denn der Typ?“ „Ein Talentscout“, antwortete er aufgeregt. „Er will sich das Footballtraining anschauen. Maaann, bin ich nervös.“ Ein Talentscout, ja klar! Sie schaute sich den Mann noch einmal genauer an und stellte dann fest, dass es derselbe war, der gestern beim Kastanalia-Footballspiel neben ihr gesessen
hatte. Er war also wirklich ein Scout. Sie tadelte sich selbst und beruhigte Harvey. „Aber du brauchst doch überhaupt nicht nervös zu sein. Du spielst doch viel zu gut.“ „Ich bin doch nur Durchschnitt.“ Plötzlich stieg ein Mann aus dem Lieferwagen und sagte etwas zu dem Talentscout, wodurch Sabrinas Aufmerksamkeit abgelenkt wurde. „Jaja. Ich meine, nein, Harvey, du bist ein toller Spieler!“ „Aber du magst mich ja auch. Du würdest mich für toll halten, auch wenn ich es nicht wäre.“ Während sie auf die Schule zugingen, ließ Sabrina die beiden Männer nicht aus den Augen. Harvey redete weiter über Football. „Komm, Harvey. Wir müssen uns beeilen. Ich will nicht zu spät kommen.“ Sie musste dringend herausfinden, was ihre Eine Sache war und sie wieder ohne viel Aufheben gerade rücken, ohne dass Dr. Imperium und Colonel Van De Ven etwas davon mitbekamen. Dass die Schule nur so von Hexenjägern wimmelte, machte die Sache nicht einfacher. Sie machte sich auf zu ihrer ersten Stunde und traf direkt auf Libby. Libby war nicht so gestylt wie üblich, sondern trug ein sackartiges, hässliches Kleid. Ihr Haar war in einem altmodischen Knoten nach hinten gebunden. Seltsamerweise murmelte sie auch noch „Entschuldigung, Eure Majestät“, als ihre Tasche auf den Boden fiel und der Inhalt sich überall im Gang verteilte. „Libby, du bist meine Eine Sache!“ „Wie bitte?“, fragte Libby und schaute Sabrina mit funkelnden Augen an. „Welche Eine Sache meinst du denn, Ihro Gnaden?“ Jetzt war der Sarkasmus in ihrer Stimme nicht mehr zu überhören. „Ich kann nicht glauben, dass du es tatsächlich in Betracht ziehst, dich als Herbstkönigin aufstellen zu lassen. Als Valerie mir erzählte, dass du gegen mich antreten willst, bin ich fast umgefallen vor Lachen.“ Sie griff
nach ihrem Lippenstift, schob ihn dadurch aber nur noch weiter von sich weg. „Sieh nur, was du wieder getan hast, du Freak! Jetzt komme ich auch noch zu spät zur Theaterprobe!“ „Sieht so aus als könnte ich Libby von meiner Liste streichen“, flüsterte Sabrina leise vor sich hin Sie war versucht Libbys Lippenstift mit Magie noch weiter wegrollen zu lassen, hielt ihren Finger jedoch unter Kontrolle. An ihrem Schließfach traf sie auf Valerie, die ganz verheult aussah. „Guten Morgen, Sabrina.“ Sie schnäuzte sich. „Nicht, dass es ein wirklich guter Morgen wäre.“ „Was ist denn los?“ Sabrina war besorgt. „Was ist passiert? Und warum um alles in der Welt hast du Libby erzählt, dass ich Herbstkönigin werden will?“ Valerie schlug die Augen nach oben. „Ich bin einfach zu dumm für diese Welt. Du kennst das doch, manchmal träumt man eben ein bisschen. Das heißt, ich träume ein bisschen. Brian Enders hat gesagt, dass er heute mit mir sprechen will. Also habe ich mich voll aufgestylt. Ich habe mir echt eingebildet, er würde mich um ein Date bitten. Kannst du dir das vorstellen? Wie dumm bin ich denn eigentlich?“ „Quatsch, das war doch nicht dumm von dir“, versuchte Sabrina ihre Freundin zu trösten. Sie wusste ja bereits, was passiert war. „Na klar! Der beliebteste Junge der Schule wird ausgerechnet mich fragen, ob ich mit ihm ausgehen will!“ „Hat er das nicht getan?“ „Nein. Er hat mich gebeten, mit Libbys Hund auszugehen. Und Libby hat mir dafür einen Dollar pro Stunde angeboten!“ „Die ist aber knickrig“, sagte Sabrina leise. Dann lauter: „Oh, Valerie! Das tut mir aber Leid. Du hast doch hoffentlich nicht ja gesagt, oder?“ „Doch, das habe ich“, jammerte Valerie. „Ich kann es selbst
nicht glauben, aber Libby hat so getan, als würde sie dann vielleicht netter zu mir sein. Sie wollte den anderen Mädchen erzählen, wie nett ich bin. Und ich bin voll drauf reingefallen! Ich bin echt erbärmlich!“ „Nein, das bist du nicht. Du willst nur genau das, was jeder auf der Highschool will. Anerkennung und Freundschaft.“ Sabrina verglich unweigerlich das Häufchen Elend, das vor ihr stand, mit der coolen Rockröhre von gestern, die es mit Elvis, der Präsidentin der Vereinigten Staaten und der Herbstkönigin ordentlich hatte krachen lassen. War es wirklich so schlimm, ein bisschen Magie in Valeries Leben zu bringen? Ja, das war es! „Irgendwie dachte ich, es würde sie beeindrucken, dass du dich als Herbstkönigin aufstellen lassen willst. Also habe ich es ihr erzählt, obwohl du es gar nicht tust, das weiß ich ja. Es tut mir so Leid. Jetzt hat sie auch noch dich auf dem Kieker.“ Sabrina seufzte und legte eine Hand auf Valeries Schulter. „Valerie, irgendwann sind wir nicht mehr in der Highschool und dann wird es niemanden mehr interessieren, dass Libby der supertolle Cheerleader war, und dass du... eben kein supertoller Cheerleader warst.“ Sie lächelte aufmunternd. „Dass du die Chefredakteurin der Schülerzeitung warst wird dir bei Bewerbungen um einiges mehr einbringen, als die Tatsache, dass du einen Spagat kannst.“ Und etwas leiser fügte sie noch hinzu: „Oder dass du mal die Herbstkönigin warst.“ Valerie dachte über Sabrinas Worte nach. „Wahrscheinlich hast du Recht.“ Allerdings sah sie nicht überzeugt aus. „Ihr Hund hat schon einige Preise gewonnen. Natürlich! Aber ich nehme mal an, dass er entsprechend gute Manieren hat.“ „Oder Abdul ist total verwöhnt.“ Valerie sah Sabrina verzweifelt an. „Woher wusstest du, wie er heißt? Ich wusste ja noch nicht mal, dass Libby überhaupt einen Hund hat. Ich habe echt überhaupt keine Ahnung, was
abgeht!“ „Oh!“, sagte Sabrina, „sie hat mal in der Cafeteria über ihn gesprochen, als ich hinter ihr stand.“ Valerie sah etwas beruhigter aus. Es läutete. „Ich muss los“, sagte Sabrina und eilte davon. Valerie war eindeutig nicht ihre Eine Sache. Da Elvis bisher nicht aufgetaucht war, konnte sie ihn auch von der Liste streichen. Warum hatte sie auch nur so viel gehext? Eigentlich war es ziemlich verwunderlich, dass Hexen niemals eine Sehnenscheidenentzündung bekamen. Als sie aufblickte, sah sie Mr. Kraft mit einem dunkel gekleideten Regierungsbeamten, der in ein Gerät sprach, das wohl ein Telefon sein musste, aber verdächtig nach Thermoskanne aussah. In der anderen Hand hatte er ein Messgerät, das sich wie eine tickende Bombe anhörte. Mr. Kraft schien erstarrt. Wahrscheinlich war er aufgeregt wegen der Leute von der Regierung, die sich in seiner Schule herumtrieben. Oder er harte Angst vor ihnen. Sein Blick fiel auf Sabrina, er stutzte und schaute sie noch einmal an. Oje, war ihre Eine Sache etwas, das sie für sich selbst gehext hatte? Der Beamte sagte etwas zu Mr. Kraft. Der antwortete und sie gingen weiter. Sabrina rannte in die nächste Mädchentoilette und untersuchte ihr Spiegelbild. Da war nichts Außergewöhnliches. Vielleicht war es aber auch ein Zauber, den nur Sterbliche sehen konnten? „Das artet jetzt aber langsam in Verfolgungswahn aus“, beschimpfte sie ihr Spiegelbild. In diesem Moment trat eine ernste Frau in einem schwarzen Anzug und mit Sonnenbrille aus einer der Kabinen. Auch sie hatte eine Art Messgerät in der Hand. „Nein, junge Frau. Wir sind nur sehr gründlich“, sagte sie
und bewegte das Gerät an den Kabinentüren entlang. Tick-ticktick. Dann ging sie in die Knie und ließ es über den Boden gleiten. „Was tun Sie denn da?“, fragte Sabrina neugierig. „Wir messen Magikon-Rückstände.“ Sabrina sah das Gerät ungläubig an. „Magikon?“ „Ja, das ist die Energie, die bei der Anwendung von Magie freigesetzt wird. Das hier ist ein Magikometer.“ Sie deutete auf ihr Gerät. „Und? Haben Sie schon etwas gefunden?“ Sabrina hoffte, dass ihre Frage höflich und interessiert klang. Allerdings hörte sie sich eher wie ein aufgeregtes Kreischen an. „Tut mir Leid, junge Frau, aber das darf ich Ihnen leider nicht sagen.“ Die Frau setzte ihren Scanvorgang wieder fort. Sabrina sah sie sprachlos und ein bisschen verängstigt an.
8. Kapitel Nachdem die Klasse den Mathe-Test hinter sich gebracht hatte, mussten die Schüler die Blätter untereinander austauschen und sich gegenseitig benoten. Gordie, der Sabrinas Blatt bekommen hatte, schaute zu ihr hinüber. „Du warst echt gut!“ Vielleicht war meine Eine Sache tatsächlich diese Eins in Mathe? Sollte das der Fall sein, müsste Sabrina sich nicht zu viele Gedanken über die Aufhebung dieser Sache machen. In der Mittagspause müsste Harvey zum Training. Und Valerie hatte einen Zahnarzttermin. Also war Sabrina auf sich alleine gestellt. Sie entschied sich, nach Hause zu gehen, um mal danach zu schauen, wie ihre Tanten mit der Invasion der Magikometer zurechtkamen. Auf ihrem Weg durch den kleinen Stadtpark flitzte ein Streifenhörnchen vor ihr her. Es sammelte Eicheln, ließ sie dann aber wieder fallen, als ob es sich nicht entscheiden könnte, welche nun die Beste sei. „Na, du Süßes“, sagte Sabrina. „Wen nennst du hier süß?“, giftete das Streifenhörnchen sie an. „Oh, gehörst du jemandem?“ Die meisten Hexen hatten ein sprechendes Haustier, normalerweise war es eine Katze, so wie Salem, oder ein Hund. Manche Hexen hatten allerdings auch sprechende Staubsauger. Sabrina senkte ihre Stimme: „Wir sollen uns in nächster Zeit unauffällig verhalten, bis dieser verrückte Wissenschaftler wieder verschwindet. Hast du verstanden?“ „Wovon redest du eigentlich?“, fragte das Streifenhörnchen und setzte sich auf die Hinterbeine. „Bist du verrückt oder so?“ Er drehte seinen Kopf etwas zur Seite: „Hey, Lydia! Komm
schnell hierher!“ Ein zweites Streifenhörnchen kam herangeflitzt. „Diese Lady ist irgendwie durchgedreht, oder so was.“ Sabrina schaute sich um. Sie wollte sichergehen, dass sie alleine waren. „Konntet ihr schon immer sprechen?“ Vielleicht war es ja etwas, das die Tiere geheim hielten. Möglicherweise konnte sie die beiden aber einfach nur wegen ihrer sich immer weiter entwickelnden Fähigkeiten als Hexe verstehen. „Wovon redet sie?“, fragte ein Streifenhörnchen das andere. Das zweite antwortete mit einer eher weiblichen Stimme: „Ich weiß auch nicht, Artie. Was meinst du mit ‚sprechen’, Mädchen. Wir sind doch nur Streifenhörnchen.“ Sie schaute zu Artie. „Vielleicht ist sie von der Gewerkschaft? Wir sind Mitglieder“, versicherte sie Sabrina. „Bezahlen immer unsere Beiträge und so weiter, und so weiter.“ „Es gibt wirklich eine Gewerkschaft für Streifenhörnchen?“ Unglaublich, was man nicht alles auf dem Nachhauseweg lernen konnte. „Wir gehören zur Abteilung der Vollpelzigen. Bezirk 77.“ „Vollpelzig? Heißt das: Tiere mit Fell?“ „Genau das.“ Artie rieb sich mit seinen Pfötchen übers Gesicht. „Und alle pelzigen Tiere sind in dieser Gewerkschaft?“ „Wenn sie nicht unter Tariflohn arbeiten. Streikbrecher und solche Kerle, du weißt schon.“ Artie blickte zu Lydia hinüber. „Apropos, ich muss weiter arbeiten. Der Boss mag es nicht, wenn man Überstunden macht, und ich muss noch mindestens eine Tonne Eicheln hier im Gebiet planlos verteilen.“ „Oh, sicher!“, sagte Sabrina, als Artie schon davonflitzte. „Mach dir nichts draus, Kleine. Er ist immer so hektisch“, erklärte ihr Lydia und verschwand auch in den Bäumen.
Sabrina sah ihnen noch einen Augenblick nach dann machte sie sich wieder auf ihren Weg. Auf der anderen Straßenseite erwachte gerade eine fette Siamkatze von ihrem Nachmittagsschläfchen „Du kommst heute früh nach Hause, Sabrina, Liebes. Niemand da, der mit dir in die Slicery geht?“ „Bist du auch in der Gewerkschaft der Vollpelzigen?“, fragte Sabrina neugierig. Die Katze streckte sich. „Natürlich, Liebes. Wie du siehst, habe ich einen prächtigen und vollen Pelz.“ „Wie lange bist du schon Mitglied?“ „Solange ich denken kann.“ Die Katze leckte sich die Pfote. „Hast du zufällig etwas Leckeres bei dir, Kleines? Vielleicht Katzenbiskuits, Tunfisch oder Kaviar?“ „Leider nicht.“ Einen Moment... Das war es doch! Das war doch ihre Eine Sache. Endlich erinnerte sie sich an ihren letzten Hexenspruch: Pelz, der lebt und geht, nun redet und versteht. Anstatt einen Spruch speziell für Salem auszusprechen, damit der mit den Nachbarkatzen flirten konnte, hatte sie aus Versehen allen Pelztieren diese Gabe zukommen lassen. Jetzt wusste sie auch, warum ihr Quizmaster auf einen guten Wortlaut schon immer so viel Wert gelegt hatte. „Oje!“ Wie um alles in der Welt sollte sie das ohne Magie wieder in Ordnung bringen? „Ein oder zwei Stück Zucker, Dr. Imperium?“, fragte Hilda den Wissenschaftler. Sie und Zelda saßen in ihrem Wohnzimmer und taten so, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, Tee mit dem Mann zu trinken, der der Öffentlichkeit die Existenz von Hexerei und Magie beweisen wollte. Dr. Imperium schüttelte den Kopf. „Ich nehme grundsätzlich
keinen raffinierten Zucker. Das ist der weiße Tod.“ Hilda zuckte die Achseln. „Aber er ist süß.“ Mit der Zuckerzange, die ihr Ur-Ur-Urgroßonkel Ziven, der Seekranke, einst dem Piraten Blaubart bei einem Dominospiel abgeluchst hatte, gab sie sich gleich drei Stück Zucker in ihre Tasse. Dr. Imperium drohte ihr lächelnd mit dem Zeigefinger. „Ich werde sie um einige Jahre überleben.“ „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht“, antwortete Hilda mit einem Lächeln. Immerhin war sie schon einige Jahrhunderte alt. Zelda unterbrach sie. „Mir ist immer noch nicht so ganz klar, wie wir Ihnen helfen können. Sie haben uns doch bereits zu Gebietssheriffs ernannt.“ „Ich habe einige Erkundigungen über Sie eingezogen.“ Er schaute Zelda bewundernd an. „Sie, Zelda Spellman, sind eine bekannte und angesehene Physikerin.“ „Ja, das bin ich wohl.“ Zelda strich sich verlegen durchs Haar. „Und ich, Francisco Imperium, suche händeringend nach qualifizierten Leuten. Mir steht einfach zu wenig Geld zur Verfügung. Deswegen kann ich auch nie gute Ergebnisse liefern.“, murmelte er und wandte sich mit freundlicher Stimme wieder an Zelda – „Also, was würden Sie davon halten, wenn ich Ihnen die Gelegenheit biete, ein Abenteuer der Sonderklasse zu erleben? Eine Hexenjagd!“ Hilda und Zelda verschlug es den Atem. „Wie bitte, Dr. Imperium?“, fragte Zelda entgeistert. „Ja“, eröffnete er ihnen feierlich. „Ich habe mich dazu entschlossen, Ihnen die ganze Wahrheit zu erzählen, Miss Spellman. Ich spüre, dass ich Ihnen vertrauen kann, denn Sie können Geheimnisse bewahren. Sie sind genau die Frau, die ich brauche.“ Er räusperte sich. „Es geht hier nicht um einen
gemeingefährlichen Mörder. Und auch nicht um Giftmüll. Es geht um Frauen mit spitzen Hüten und großen, ekligen Warzen an der Nase.“ „Also, Moment mal“, unterbrach ihn Hilda aufgebracht. „Warum glauben eigentlich alle immer...“ „Dr. Imperium, das ist ein ehrenvolles Angebot“, schnitt Zelda ihr das Wort ab. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich das nötige Fachwissen mitbringe. Ich weiß überhaupt nichts über dieses Thema. Außerdem befasse ich mich ausschließlich mit theoretischer Physik.“ Sie stellte ihre Tasse ab. „Ich nehme an, Sie haben Beweise für Ihre Annahme, dass Hexen existieren. Sonst wären Sie sicherlich nicht da, wo sie heute sind!“ „Nun...“ Er setzte sich aufrecht und fuhr sich aufgeregt durchs Haar. „Wir haben vorzügliche Ergebnisse im Labor erzielt.“ „So?“ Zelda und Hilda tauschten unauffällig Blicke aus. Im Labor? „Und was waren das für Ergebnisse?“ In diesem Moment flog die Tür auf. „Tante Hilda! Tante Zelda!“, rief Sabrina aufgeregt. „Stellt euch vor, ich habe meine Eine Sache gefunden! Es ist...“ Als sie Dr. Imperium sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. „Hallo, Sabrina“, begrüßte sie Zelda fröhlich. „Dann hast du also endlich gefunden, was du verloren hattest?“ „Ja, mein... äh, Einrad. Es ist im Keller.“ Sie lachte. „Genau da, wo ihr es vermutet habt. Ich habe es heute Morgen vor der Schule dort gefunden.“ „Wunderbar.“ Hilda nickte und schenkte sich noch etwas Tee nach. „Natürlich war es da. Nimm dir doch eine Tasse Tee. Ich habe ihn selbst gemacht, mit Teebeuteln und all dem Kram.“ „Wie eigenartig. Ich bin während der Uni auch Einrad
gefahren. Dürfte ich mir Ihres einmal anschauen, Miss Spellman?“ Sabrina sah hilflos zu ihren Tanten und die blickten genauso verunsichert zurück. „Klar“, sagte sie. „Ich hole es gleich mal rauf.“ Sie ging aus dem Zimmer und stieg in den dunklen, gruseligen Keller hinunter. Über die Jahrhunderte hatten ihre Tanten jede Menge Kram angesammelt. An den Querbalken hingen alte Hexenkessel und getrocknete Kräuter. Bis unter die Decke türmten sich Holzkisten, die jeweils mit der Zahl des Jahrhunderts beschriftet waren, aus dem ihr Inhalt stammte: 16., 17., 18. und so weiter. Für einen Moment war Sabrina abgelenkt. Es würde sicherlich viel Spaß machen, sich das mal genauer anzusehen! Vor allem für den nächsten Geschichtsaufsatz! Sie sah einen Hula-Hoop-Reifen, die Reste einer mittlerweile unbrauchbaren Kutsche und einen gläsernen Schuh, der leider gesprungen und schlecht zusammengeklebt war. Außerdem fand sie die Überreste der Dekoration für die Halloweenparty, die sie mit ihren Tanten veranstaltet hatte: Girlanden in Kürbisform, ein paar Kartons mit hübschen Tellern drin und Becher mit aufgedruckten Fledermäusen. Aber das Einrad war nirgends zu finden. „Also, weiß jetzt jeder, was er zu tun hat?“, flüsterte eine Stimme. „Könnten Sie es noch einmal mit uns durchgehen, Meister?“, piepste eine Stimme. „Okay, also noch einmal...“ Das ist doch Salems Stimme, dachte Sabrina. „Fußtruppen! Ihr beißt euch durch die Telefonleitungen im Weißen Haus. Die Luftwaffe fließt über das Pentagon und startet den Lauschangriff und ihr...“ ‘ „Hallo?“ Sabrina schaute vorsichtig hinter eine der Kisten mit dem Aufdruck HILDAS SCHALLPLATTENSAMMLUNG, 1970ER. BITTE NICHT WERFEN . „Oh nein! Auch noch eine von denen“, hörte sie Salem
maunzen. Er saß auf einer Kiste, die laut Aufschrift PARTYKRACHER aus dem Jahre 1603 enthielt. Etwa ein Dutzend Feldmäuse, einige Streifenhörnchen und eine schneeweiße Ratte stoben auseinander, als Sabrina sich Salem schnappte und ihm misstrauisch in die Augen schaute. „Salem, du planst doch nicht wieder einmal die Weltherrschaft zu übernehmen, oder?“ Er schaute sie unschuldig an. „Wer? Ich?“ „Außerdem wusstest du bestimmt schon länger, was meine Eine Sache ist. Dass nämlich alle Tiere in Westbridge sprechen können.“ „Miau?“ Salem versuchte sie abzulenken. „Schäm dich! Ich sollte dich eigentlich dem Hexenrat verpetzen.“ „Bis dieser wahnsinnige Scharlatan sich verdünnisiert, sind Verbindungen zwischen den beiden Reichen nicht gestattet, erinnerst du dich?“ Salem räkelte sich selbstgefällig. „Und da er und Zelda zarte Liebesbande knüpfen, scheint eine Heirat gar nicht mehr in so weiter Ferne. Das heißt, er wird vielleicht für immer dableiben. Aber bevor die beiden sich das Jawort geben, werde ich sowieso die Welt beherrschen.“ „Bist du verrückt?“, schrie Sabrina und setzte Salem wieder auf die Kiste. Er leckte seine Pfoten. „Also immerhin habe ich es das letzte Mal fast geschafft.“ „Das meine ich nicht, sondern die Sache mit Tante Zelda und dem Scharlatan. Ich meine Dr. Imperium.“ „Von mir aus kannst du ihn ruhig weiterhin ‚Scharlatan’ nennen.“ „Nein!“ „Hei, die sind gerade oben und trinken Tee!“
„Aber das macht sie doch nur aus Höflichkeit. Außerdem soll er nicht herausfinden, dass wir...“ „Haben Sie das Einrad gefunden?“, hörte man Dr. Imperium von der Kellertür her nach unten rufen. „Ich bin gerade dabei“, tönte Sabrina. „Warten Sie, ich helfe Ihnen ein bisschen.“ Oh nein, bloß nicht! Er darf auf keinen Fall hier runterkommen! Gedankenlos richtete sie ihren Finger auf die nächstgelegene Kiste. Glückerweise sprang Salem noch rechzeitig von seiner Kiste, flitzte die Treppe hinauf und verhinderte somit Schlimmeres. „Oh nein, eine Katze! Ha-ha-hatschi! Ich bin allergisch auf Katzen!“, jammerte Dr. Imperium. Salem zwinkerte Sabrina unauffällig zu. Dann schnurrte er um die Beine des Wissenschaftlers und miaute herzzerreißend. Offensichtlich machte es Salem eine Menge Spaß, ihn zu ärgern. „Kusch, kusch!“ Dr. Imperium versuchte sich seiner Annäherungsversuche zu erwehren und flüchtete schließlich aus dem Keller. „Klasse. Jetzt hat mich der wahnsinnige Diktator vor dem verrückten Wissenschaftler gerettet!“, murmelte Sabrina. Dann drehte sie sich um. „Hei, ihr pelzigen Kerle, kommt mal her. Wir müssen reden!“ „Quiek, quiek, quiek!“ Eine Maus, die selbst unter Mausgesichtspunkten ziemlich klein war, kam zu ihr geflitzt und stellte sich auf die Hinterbeine. Sabrina bückte sich und hielt ihr die Handfläche hin. Die Maus sprang sofort hinauf. Es kitzelte und Sabrina musste kichern. Dann hob sie die Maus vor ihr Gesicht. Die Maus piepste: „Wo, wo, wo, wo ist denn unser furchtloser Anführer?“
„Wer? Oh, du meinst Salem?“ Furchtloser Anführer! Sabrina fragte sich, ob dieses kleine Tierchen wusste, dass Salem des öfteren Mäuse nur so aus Spaß durch die Gegend jagte. „Er musste dringend weg. Aber hört mir mal zu: Ihr müsst unbedingt aufhören zu sprechen. Zumindest für ein paar Tage.“ Sie fühlte sich ein bisschen schäbig. Denn sobald Dr. Imperium weg war, würden sie nie mehr sprechen können... dafür würde sie dann schon sorgen. „Aufhören? Aufhören?“ Das Mäuschen rieb seine Pfoten. „Auf keinen Fall!“ Es lief über Sabrinas Ärmel hinauf zur Schulter. „Wir finden es klasse, endlich mit Menschen sprechen zu können!“ Ach du meine Güte... „Sabrina, ist da unten alles in Ordnung?“, rief Zelda von oben. „Ja, Tante Zelda“, antwortete Sabrina. Und zu der Maus sagte sie: „Ich werde euren furchtlosen Anführer holen, und dann wird eine Vollversammlung der Gewerkschaft der Vollpelzigen stattfinden. Wirst du dich darum kümmern und allen anderen Bescheid geben?“ „Ja, ja, ja!“, piepste die Maus und flitzte wieder zurück in Sabrinas Handfläche. „Weißt du, mit etwas Wasser wäre das hier ein prima Schwimmbecken.“ „Hmm!“ Sabrina wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Als sie die Maus wieder auf den Boden setzte, entdeckte sie ein Rad hinter den Kisten. „Hier bist du also!“ Sie schob die Kisten beiseite und schnappte sich das Einrad. Auf dem Weg nach oben hörte sie eine piepsige Stimme fragen: „Wer war denn das süße Püppchen?“ „Sie arbeitet für den furchtlosen Anführer“, sagte eine andere Stimme. Salem, Salem. Wenn Dr. Imperium endlich weg ist bekommst
du richtig Ärger!, dachte Sabrina. Aus dem Wohnzimmer drang ein lautes „Hatschi!“ „Echt gut, dass er keine Hexe ist“, flüsterte Sabrina, als sie Tante Hilda am Treppenabsatz traf. „Mit diesem Niesen könnte er glatt einen Hurrikan entfesseln!“ „Pst, Sabrina, nicht so laut!“, warnte Hilda sie, kicherte dann aber auch. „Es tut mir wirklich Leid, dass unsere Katze Ihnen so zusetzt“, rief Zelda beschwichtigend aus dem Wohnzimmer. „Einen Moment, Dr. Imperium, ich bringe Sie selbstverständlich zur Tür.“ „Nennen Sie mich doch einfach Francisco“, antwortete er. Dann gingen die beiden nach draußen und Zelda zog die Tür hinter ihnen zu. „Ich würde ihn gerne mit hässlichen Warzen übersäen“, raunte Hilda wütend. In diesem Augenblick lief Salem an ihnen vorbei. Sabrina fragte ihn schnippisch: „Na, was geht ab, furchtloser Anführer?“ Salem hüstelte. „Äh, wie bitte?“ „Spiel nicht den Ahnungslosen, Salem! Übrigens, Tante Hilda, meine Eine Sache ist, dass alle Tiere, die ein Fell haben, sprechen können. Und Salem versucht mal wieder, alle zu überreden, ihm bei seinem neuen Plan, die Weltherrschaft an sich zu reißen, behilflich zu sein!“ „Salem!“ Hilda war schockiert. „Lernst du denn nie aus deinen Fehlern?“ „Sabrina muss sich da verhört haben.“ „Nein, das habe ich ganz sicher nicht!“ Sabrina stemmte empört die Hände in die Hüften. „Einer deiner kleinen Freunde hat dich verpetzt.“ Salem ließ den Kopf hängen. „Was kann ich zu meiner
Verteidigung sagen? Ich weiß genau, dass das Leben in diesem Reich viel besser wäre, wenn ich hier das Sagen hätte.“ „Schlag es dir aus dem Kopf, oder wir sagen es dem Hexenrat, sobald das wieder geht.“ Hilda verzog das Gesicht. „Hoffentlich dauert das nicht mehr so lange!“ „Salem, vielleicht könntest du dich ja in Dr. Imperiums Lieferwagen verstecken bis seine Allergie so schlimm wird, dass er wegfahren muss“, schlug Sabrina vor. „Wenn du das tust, werden wir dem Hexenrat auch nichts von deinem Plan erzählen!“ „Das wäre nur eine kurzfristige Lösung“, erklärte Hilda. „Wir sollten ihn ein für alle Mal davon überzeugen, dass so etwas wie Hexerei nicht existiert. Und dass es in Westbridge erst recht keine Hexen gibt.“ „Und bis wir das geschafft haben, werde ich dafür sorgen, dass die Tiere kein Sterbenswörtchen mehr reden“, fügte Sabrina hinzu. „Ich werde Zelda helfen, ihn loszuwerden.“ Hilda nahm das Einrad. „Vielleicht fährt er damit ja zufällig in ein vorbeifahrendes Auto?“ „Salem, wenn du es deinen Truppen befiehlst, vielleicht hören sie dann auf zu reden“, schlug Sabrina vor. Er schüttelte den Kopf. „Du glaubst wohl noch an den Weihnachtsmann! Ist es euch jemals gelungen, mich zum Schweigen zu bringen?“ „Das ist wirklich wichtig, Salem“, flehte Sabrina ihn an. „Sollte Dr. Imperium einen von ihnen – oder auch dich – sprechen hören, dann haben wir ein riesengroßes Problem. Vor allem ich“, fügte sie leise hinzu. Sie konnte die Schlagzeilen im Kurier des Anderen Reichs schon sehen: JUNGE HEXE BEGEHT RIESENDUMMHEIT. HEXENKRÄFTE ENTZOGEN . „Möglicherweise bringe ich sie doch zum Schweigen“,
grübelte Salem. „Meinst du?“, fragte Sabrina aufgeregt. „Das Problem ist nur, dass nicht alle pelzigen Tiere der Stadt zu meinen Truppen gehören.“ Er sah Sabrina nachdenklich an. „Wenn es dir gelingen würde, sie davon zu überzeugen, meinem Kommando zur Beherrschung der Welt... ich meine natürlich, den Worten und der Weisheit des furchtlosen Anführers zu folgen...“ „Guter Versuch, Salem. Aber ich bin ja nicht blöd. Kannst du denn an nichts anderes mehr denken als an die Weltherrschaft?“ „Daran und an Fussel.“ Sabrina verzweifelte langsam. „Aber du musst mir helfen, Salem!“ Salem wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. „Was würdest du es dir denn kosten lassen?“
9. Kapitel „Das ist schon fast unverschämt“, schimpfte Sabrina und gab dem Verkäufer in der Tierhandlung noch einen ZwanzigDollar-Schein. Neben ihr stand ein riesiger Sack, der bis zum Anschlag mit all den Leckereien beladen war, die sich pelzige, gierige, kleine Tierchen nur erträumen konnten. „Hei, wir sind die Günstigsten in der Stadt“, schnarrte der Verkäufer zurück. „Das weiß ich, glauben Sie mir!“ Sich mit den Preisen von Tiernahrung zu beschäftigen, war mittlerweile zu ihrer Hauptbeschäftigung geworden. Neben ihrer zweiten Lieblingsbeschäftigung: Regierungsbeamten so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Auch hier standen wieder sechs oder sieben von ihnen hinter ihr in der Schlange. Sie hatten ihre unübersehbaren dunklen Anzüge und Sonnenbrillen an und taten so, als würden sie Hundefutter, Tierpflegemittel oder Flohpuder einkaufen. „Sie bekommen noch Geld zurück“, sagte der Verkäufer und drückte ihr 12 Cent in die Hand. Na klasse! So viel blieb ihr also von ihren Ersparnissen übrig. Seit Dr. Imperiums Ankunft, zwei Tage zuvor, waren die unterschiedlichsten Vertreter der Gewerkschaft der Vollpelzigen auf Sabrina zugekommen. Sie hatten ihr versichert, dass sie für eine „kleine Gegenleistung“ aufhören würden zu sprechen. Diese kleine Gegenleistung bestand darin, dass Sabrina ihnen „einige, wenige Leckereien“ besorgen sollte. Eine Liste hatten sie zufälligerweise gerade dabei. „Aber das ist Erpressung!“, hatte Sabrina sich aufgeregt. „Nennen wir es doch einfach eine kleine Unterstützung!“, war die Antwort. Seither war Sabrina damit beschäftigt, die „wenigen Leckereien“ überall in der Stadt an vereinbarten Punkten zu
verteilen. Immer wieder wurde sie von Dr. Imperiums Gehilfen mit Fragen aufgehalten. Aber langsam entwickelte sie auch die nötige Routine beim Anflunkern. „Ich sammle Nahrungsmittel und Spielsachen für diejenigen unter uns, die vom Leben nicht so begünstigt sind.“ Beim Öffnen ihrer Ladung fügte sie dann noch hinzu: „Für die armen Tiere!“ Die Beamten gaben sich jedes Mal damit zufrieden, machten sich Notizen und ließen sie weitergehen. Sabrina schleppte den Sack mit den Dingen, die sie von ihrem letzten Geld gekauft hatte, zu einer Lichtung im Wald. Sie war erschöpft und schwitzte. Dieses Ding muss fast eine Tonne wiegen! Als sie die Tiere aus dem Wald auf sich zulaufen sah, kam sie sich wie der Weihnachtsmann vor. Ob sie sprachen oder nicht, sie waren einfach süß! „Hey, Kleine. Du bist zu spät!“, rief ihr ein kleines weißes Häschen zu und wackelte mit seiner Nase. „Wenn ich noch mal warten muss, hoppele ich zum nächsten Menschen, der auftaucht, und erzähle ihm den Witz über die Ente, die ins Restaurant geht, und...“ Von wegen süß! „Tut mir Leid, aber ich musste die Sachen vom Laden hierher schleppen und...“ „Deine Entschuldigungen interessieren uns nicht die Bohne“, teilte ihr ein Waschbär eisig mit. „Lass die Sachen rüberwachsen, dann passiert niemandem etwas.“ Sabrina schluckte. „Ich, ich, ich werde nie wieder zu spät kommen.“ „Was soll das? Das ist ja ein Billigprodukt“, beschwerte sich das weiße Häschen lautstark. „Beim nächsten Mal will ich das Richtige, das Gute!“ „Aber das ist doppelt so teuer!“, protestierte Sabrina. „Entweder das, oder wir legen mal richtig los“, warnte das Häschen sie.
Sabrina seufzte. „Ich habe immer gedacht, ihr seid süß“, sagte sie zu einem Waschbär. „Und wir haben immer gedacht, dass du mächtig bist.“ Sabrina konnte ihren Finger gerade noch unter Kontrolle bringen. Zu gerne hätte sie es diesen kleinen Rackern mal gezeigt. Wenn sie nur gekonnt hätte! „Wartet nur, bis ich meine Macht wieder habe. Dann werdet ihr was erleben!“ „Das glaube ich erst, wenn es so weit ist“, nuschelte der Waschbär mit vollem Mund. „Es wird schon bald so weit sein, glaubt mir. Dann werde ich...“ Der Waschbär räusperte sich und Sabrina drehte sich schnell um. Drei Männer mit Sonnenbrille standen vor ihr. Einer von ihnen sagte: „Entschuldigen Sie, Miss. Wir machen hier eine Untersuchung und möchten Sie darum bitten, etwas leiser zu sprechen.“ Sie schluckte heftig. „Natürlich.“ Ein anderer öffnete sein Notizbuch und fragte: „Würden Sie mir bitte erklären, warum Sie die Stimmen von verschiedenen Säugetieren imitieren?“ „Ich übe für ein Theaterstück. Es geht darin um ein Mädchen mit multipler Persönlichkeit. Sie tritt mal als Mensch auf, aber auch als Fuchs, Katze, Feldmaus, Streifenhörnchen und manchmal auch als verfressener und wählerischer Hase.“ Sabrina fuhr sich mit der Zunge nervös über die Lippen. Was hatten die Männer wohl alles gehört? „Ach, und der Waschbär ist der Bösewicht.“ „Hey“, protestierte der Waschbär. „Haben Sie gehört? Das war ich!“ Sabrinas Stimme überschlug sich vor Nervosität. Die Regierungsbeamten blickten sich gegenseitig an und
zuckten die Achseln. Der mit dem Notizbuch schrieb etwas auf. „Machen Sie weiter“, sagte er zu ihr. „Kommt, lasst uns gehen. Hier gibt’s nichts Ungewöhnliches!“ Kaum waren sie außer Sichtweite, sagte der Waschbär mit drohender Stimmer: „Hier gibt’s nichts Ungewöhnliches! Noch nicht!“ Oje. Sabrina eilte nach Hause, um ihr Zimmer nach Kleingeld für weitere Bestechungsleckereien abzusuchen. Aber welchen Zweck hatte das eigentlich? Früher oder später – nach derzeitiger Lage wahrscheinlich früher – würde der allerletzte Groschen aufgebraucht sein. In diesem Moment klingelte das Telefon. Es war Valerie. „Sabrina, könntest du mir bitte einen Gefallen tun und heute Nachmittag mit Abdul Gassi gehen? Meine Mutter will unbedingt zu meinen Großeltern fahren und ich muss mit. Du bekommst natürlich den Dollar.“ Ein Dollar... das wäre fast ein halber Kauknochen. „Klar mach ich das, Valerie.“ „Du kannst ihn bei Chesslers im Hof abholen.“ Valerie seufzte. „Libby wird froh sein, keinen Smalltalk mit mir halten zu müssen.“ Punkt 3.30 Uhr war Sabrina bei den Chesslers. Das Erste, was der große Irische Setter zu ihr sagte war: „Ich weiß nicht, was diese Valerie hat. Die Hosen stehen dir doch richtig gut.“ „Wie bitte?“ Sabrina schaute entgeistert auf ihre schokobraunen Lieblingshosen. „Sie hat Ida Koljonen erzählt, dass du in ihnen ein bisschen, wie sie es nannte, füllig um die Hüften wirkst. Das finde ich aber überhaupt nicht.“ Jetzt wollte Sabrina es natürlich genauer wissen. „Was hat
sie denn noch so alles über mich erzählt?“ Viel mehr interessierte es sie natürlich, ob Valerie vielleicht mit Abdul selbst gesprochen hatte. „Hast du in ihrer Gegenwart geredet?“ Abdul kratzte sich mit seinem Hinterlauf am Ohr. „Nein, hab ich nicht. So toll finde ich das mit dem Sprechen gar nicht.“ Sabrina lächelte ihn an. „Hätte nicht gedacht, dass Libbys Hund so nett ist.“ „In meiner Heimat gibt es einen Spruch: ‚Beurteile einen Hund nie nach seinem Besitzer.’ So, und wenn du nichts dagegen hast, würde ich mich jetzt gerne etwas bewegen.“ „Okay, dann lass uns gehen.“ Auf dem Weg die Straße hinunter lauerten überall die Men in Black und sprachen in eigenartige Gegenstände. Sabrina beobachtete ihren eigenen Schatten. Sie wollte gerne wissen, ob die Hosen wirklich auf ihre Hüften auftrugen. „Guten Tag, Madam Schneeball“, grüßte Abdul eine hübsche goldbraun-getigerte Katze, die auf einem Zaun saß. „Oh, Sabrina, du bist sicherlich schon ganz gespannt auf deine Halloweengeschenke, oder?“, erkundigte sich die Katze in leicht schläfrigem aber freundlichem Ton. „Was?“ Sabrina war plötzlich ganz Ohr. „Na, die in dem unsichtbaren Schrank in deinem Zimmer. Deine Tante Zelda hat sie dort versteckt.“ „Schneeball, sei still!“, unterbrach Abdul sie. „Lass ihr doch die Überraschung!“ „Oh! Tut mir Leid, Sabrina! Tu am besten so, als hättest du mich gar nicht gehört.“ Schon hatte Schneeball ihre Augen wieder geschlossen. Bitte, bitte, dachte Sabrina. Hört endlich auf zu sprechen! Sie gingen weiter. Ein Dalmatiner kam zu ihnen gelaufen und Sabrina erkannte ihn als den Hund von Harveys Nachbarn. Er hieß Crystal.
„Hei, Sabby! Ich wette, es nervt dich ganz schön an, dass Libby mit Harvey zusammen für die Schule lernt, während du hier Abdul für einen Dollar die Stunde ausführen musst.“ „Was sagst du? Ich denke, sie singt in einer Band?“ Sabrinas Stimme überschlug sich fast. Crystal lachte. „Klar! Libby gehörte der Band etwa eine Stunde lang an. Dann hat sie sich mit Brian Enders gestritten und ist wieder ausgestiegen.“ „Abdul, stimmt das?“ Der große Hund nahm seinen Schwanz zwischen die Hinterbeine und schaute sie betreten an. „Sabrina, bitte verlang jetzt nicht von mir, dass ich schlecht über meine Herrin spreche.“ Harvey lernt mit Libby... Valerie lästert über meine Kleider... Sabrina konnte es kaum erwarten, dass die Tiere endlich aufhörten zu sprechen. Andererseits wusste sie auch nur durch sie von den versteckten Halloweengeschenken in ihrem Zimmer... Ein Mann trat plötzlich hinter einem Busch hervor und sprach in sein Handgelenk: „Das verdächtige Subjekt ist nur ein Mädchen, das seinen Hund Gassi führt.“ Unsanft landete sie wieder auf dem harten Boden der Realität. Es wurde Zeit, dass sie drastischere Maßnahmen ergriff, um die natürliche Ordnung wiederherzustellen.
10. Kapitel Sabrina brachte Abdul nach Hause. Er bedankte sich für den schönen Spaziergang und beruhigte sie, dass Harvey nur deswegen mit Libby lernte, weil er unbedingt die Biologiearbeit bestehen musste, wenn er im nächsten Spiel dabei sein wollte. „Wenn ich nicht so beschäftigt wäre, hätte ich mit ihm lernen können“, nörgelte Sabrina. „Dafür ist es jetzt ohnehin zu spät“, sagte Abdul freundlich. „Du musst dir aber wirklich keine Sorgen machen.“ Als sie in ihre Straße einbog, sah sie einen von Dr. Imperiums Lieferwagen langsam die Straße herunterfahren. Drei Regierungsbeamte zertrampelten Tante Hildas Blumen vor dem Haus. Zu allem Überfluss lag Salem schlafend auf Sabrinas Lieblingspullover. Das hatte ihr an diesem grauenhaften Tag gerade noch gefehlt. Sie seufzte und wollte den Kater gerade vertreiben, als er ein schauerliches Geräusch von sich gab. „’tschuldigung“, sagte er schlaftrunken. „Mir hängt ein Haarball im Hals!“ „Genau das ist es!“, rief Sabrina. „Ich veranstalte einen Haarball, oder besser gesagt, einen Pelzball. Alle pelzigen Tiere sind eingeladen und ich werde ihnen erklären, was los ist, damit sie nicht mehr in der Öffentlichkeit reden. Sie werden alle ihren Spaß haben und...“ Salem rollte sich auf den Rücken und gähnte. „Tut mir Leid, Sabrina, aber ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Du hast auch einen Haarball?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein! Ich werde einen veranstalten.“ „Also, ich will jedenfalls keinen.“ „Oh, Salem!“ Sabrina lief lachend aus dem Zimmer.
„Oh, Salem?“, rief er ihr entrüstet hinterher. „Du bist es doch, die hier Unsinn redet!“ „Ach, und geh bitte von meinem Pullover runter!“, rief sie ihm von unten zu. „Wie weiß sie das nur immer?“, murmelte Salem leise. Sabrina rannte in den Keller und suchte nach der Partydekoration vom letzten Jahr. Als sie die Kisten gefunden hatte, öffnete sie die mit dem Aufdruck HILDAS PLATTENSAMMLUNG. Darin fand sie neben all den verstaubten Platten auch einen altmodischen Plattenspieler aus der Zeit bevor es CDs gab. Er funktionierte tatsächlich so, dass eine Nadel an der Oberfläche der Platte entlang lief und das Ganze so irgendwie zum Klingen brachte. „Verrückt. Was werden sie sich wohl noch alles ausdenken?“ Sabrina öffnete noch ein paar Kisten und entdeckte dabei eine Menge Sachen, die sie gebrauchen konnte. Es wird eine tolle Party! Wie sollte sie es aber an einem einzigen Tag schaffen, all dieses Zeug in den Wald zu bringen und gleichzeitig noch die Nachricht vom bevorstehenden Pelzball zu verbreiten? Am folgenden Nachmittag übernahm sie wieder Valeries Aufgabe, mit Abdul Gassi zu gehen. Sie erzählte ihm, was sie bedrückte, und bat ihn um Rat. Zuerst schlug er ihr vor, die Party einfach um ein paar Tage zu verschieben. So bliebe ihr mehr Zeit zum Organisieren und Einladen. „Das Problem ist nur, dass ich nicht mehr so viel Zeit habe“, erklärte Sabrina. Sie veranstaltete das ganze Theater ja nur dafür, die Tiere endlich wieder zum Schweigen zu bringen. „Ach ja, wegen Vollmond und so, nicht wahr?“ Sabrina war überrascht. „Du weißt Bescheid?“ „Über Kastanalia, den Quizmaster und den ganzen Rest? Klar, weiß ich darüber Bescheid. Ein Leprechaun hat mir alles
erzählt.“ „Salem, wenn ich dich in die Finger kriege!“ „Nein, nein, nein! Es war ein echter Leprechaun, so wahr ich ein sprechender Hund bin.“ „Es gibt Leprechauns in Westbridge? Ist ja irre!“ Abdul zog an seiner Leine. „Geh bitte mit mir rüber zu diesem Leitungsmast. Ich muss dringend was loswerden.“ Er kicherte. „Jetzt kennt jeder von uns beiden ein Geheimnis. Du weißt, dass es hier Leprechauns gibt und ich weiß, dass du mich wieder stumm machen willst.“ „Es tut mir wirklich Leid“, sagte Sabrina zerknirscht. Sie ging mit ihm zum Leitungsmast, drehte aber, während er sein Geschäft verrichtete, diskret ihren Kopf zur Seite. „Ach, Kleine, mach dir deswegen keine Sorgen. Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es besser so ist. Wenn einer von diesen Regierungskerlen mitbekommt, dass wir sprechen können, dann bringen sie uns doch sofort in diese grauenhaften Labors. Wir hätten dann nichts mehr vom Leben. Und die Stadt wäre auch nicht mehr wieder zu erkennen, denn sie wäre voll von Schaulustigen.“ „Weißt du denn, ob die anderen auch so denken?“ „Na klar. Viele denken ganz genauso. Trotzdem solltest du es ihnen auf der Party erklären.“ „Okay, dann sollten wir uns langsam mal sputen.“ Sie hatte eine Idee. „Ich werde einfach jedes Tier, das ich sehe, darum bitten, etwas in den Wald mitzunehmen. Und du erzählst jedem, der dir über den Weg läuft, dass...“ Abdul bellte kurz. Sie verstand das als Warnung und schaute auf den Weg, wo ihr Schuldirektor Mr. Kraft stand und sie unverhohlen anstarrte. Er führte gerade seinen Dackel spazieren. „Guten Tag, Mr. Kraft!“ „Was um alles in der Welt tun Sie da, Miss Spellman?
Sprechen Sie etwa mit einem Hund?“ Oje. Sie verzog das Gesicht und versuchte krampfhaft eine Ausrede zu finden. „Das ist Libbys Hund“, plapperte sie drauflos. „Ich übe für ein Theaterstück. Es heißt Einhundertundeins Irische Setter.“ In diesem Augenblick tauchte ein Man in Black auf. Er sprach in einen Schuh und gestikulierte mit einem Mann auf der anderen Straßenseite. Der Dackel grinste und zwinkerte Sabrina zu. Das machte sie allerdings nicht weniger nervös. „Es ist ein, äh, sehr lustiges Stück“, fügte sie aufgeregt hinzu. Mr. Kraft sah sie misstrauisch an. „Etwas stimmt nicht mit Ihnen, Miss Spellman. Und irgendwann werde ich auch herausfinden, was es ist!“ Abdul und der Dackel rieben ihre Nasen aneinander. „Ja, Sir! Äh, ich meine: Nein, Sir! Alles okay!“ „Sicher. Einen schönen Tag noch.“ Mr. Kraft riss an der Leine. „Bei Fuß, Lisa Marie!“ Sabrina konnte sich trotz der schrecklichen Situation ein Grinsen kaum verkneifen. Sie erinnerte sich an Elvis’ Auftritt an der Westbridge Highschool. Und daran, wie begeistert Mr. Kraft gewesen war, ihm leibhaftig begegnet zu sein. Er war ein solch großer Fan von Elvis, dass er sogar seinen Hund nach dessen Tochter benannte. Abdul raunte ihr zu: „Sie wird uns helfen.“ Mr. Kraft drehte sich noch einmal um. „Haben Sie etwas gesagt, Miss Spellman?“ Sabrina war überrascht, dass er noch in der Nähe war. „Ja, ja, das habe ich. Ich habe Sie gefragt, wie spät es ist.“ „Es ist vier Uhr“, antwortet er, ohne auch nur einen Blick auf seine Uhr zu werfen. „Ich gehe jeden Nachmittag um exakt
dieselbe Zeit mit Lisa Marie Gassi. Lisa Marie muss nämlich in zwanzig Minuten beim Tierarzt sein.“ „Oh nein, nicht zum Tierarzt!“, jaulte das kleine Hündchen. Sabrina spitzte ihren Mund: „Ich hasse Tierärzte!“ Mr. Kraft schaute sie entsetzt an. „Das ist nicht besonders lustig.“ „Entschuldigen Sie! Wir sollten jetzt besser weitergehen.“ Sie zog an Abduls Leine und lief mit ihm weiter. „Das war aber knapp!“, sagte Sabrina, sobald sie außer Hörweite waren. Die Tiere hatten sich mit der Zeit so sehr an das Sprechen gewöhnt, dass sie immer unvorsichtiger wurden. Und so entstanden auch immer mehr dieser gefährlichen Situationen. „Ich habe ihr vom Pelzball erzählt“, sagte Abdul. „Sie wird es all ihren Freunden weitererzählen.“ „Das ist sehr gut!“ Sabrina erinnerte sich daran, dass es auch Zeiten gab, in denen sie ihre magischen Fähigkeiten verflucht hatte. Jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher, als endlich wieder zaubern zu können. Den Rest des Tages verbrachte Sabrina mit der Organisation des Pelzballes. Mithilfe des weltgrößten Strategen, und das war natürlich niemand anderes als Salem, gelang es ihr, die Tiere in Gruppen von zwei oder drei in ihrem Keller zu treffen. Sie packten die Kisten mit den Partysachen aus, luden sie auf kleine Wagen und spannten Streifenhörnchen, Ratten, Waschbären oder ein paar Katzen davor. Da in Westbridge Leinenzwang herrschte, mussten sie auf Hunde leider verzichten. Die Tiere tricksten die Regierungsbeamten und Wissenschaftler ziemlich geschickt aus und brachten ihre Fracht wohlbehalten zum Treffpunkt im Wald. Als alle Sachen dort angekommen waren, begann Sabrina auch schon gleich,
die Halloweengirlanden zwischen den Ästen aufzuhängen. Sie mischte einen Punsch, breitete Picknickdecken aus und verteilte überall Teller mit Leckereien. In der Kiste mit der Aufschrift PARTYKRACHER 1603 hatte sie auch einige getrocknete Tierknochen gefunden. Salem erklärte, dass man solche Knochen früher zum Würfeln benutzte. Sabrina entschied sich dafür, dass sie als Leckerlis für Hunde besser geeignet waren. Im Keller hatte sie außerdem einen alten Benzinmotor gefunden, der nun als Stromquelle für den Schallplattenspieler herhalten musste. Das Leben vor der Erfindung des GhettoBlasters war ziemlich kompliziert gewesen. Der fast volle Mond ging auf und Sabrina wartete auf ihre Gäste. Sie hörte Wolfsgeheule und das Bellen eines Hundes. „It’s Partytime!“, kreischte plötzlich eine Katze und all die anderen Tiere erschienen eines nach dem anderen auf der Lichtung. Auch Lisa Marie war da. Sie erzählte Sabrina, dass bei ihrem Herrchen im Wohnzimmer tatsächlich ein Gemälde von Elvis hing. „Lasst uns so richtig Spaß haben!“, rief Salem, der sich bereit erklärt hatte, das Amt des DJs zu übernehmen. „Aufgepasst, Leute! Hier kommt eine heiße Nummer des swingenden Katers Haary Belafonte.“ Die Tiere schwärmten hinüber zur Tanzfläche, während Sabrina nervös nach Hexenjägern Ausschau hielt. „Oh, Sabrina!“, rief eine Maus völlig begeistert. „Wir haben riesig, riesig, riesig großen Spaß!“ „Ja, wirklich!“, stimmte ihr Crystal zu. „Das ist das Schönste, was ein Mensch jemals für uns getan hat.“ Das war genau der passende Moment. Sabrina signalisierte Salem, eine Pause zu machen und stellte sich auf einen Baumstumpf. „Nun, ich hoffe, ihr werdet im Gegenzug auch etwas für
mich tun!“ Abdul warf ihr einen aufmunternden Blick zu. „Ich habe euch hier zusammengetrommelt, um euch zu bitten, so lange nicht mehr zu sprechen, bis Dr. Imperium die Stadt verlassen hat. Wenn er auch nur ein einziges Wort hört, wird euer schönes Leben vorbei sein. Man wird euch dann zu Versuchszwecken nach Washington bringen und uns anschließend durch sämtliche Talkshows schleifen.“ „Typisch!“, murrte Salem. „Wir werden gequält und ihr erntet den Ruhm.“ „Das ist alles andere als Ruhm“, antwortete Sabrina. „Es wird ganz schlimm sein. Keiner von uns wird je wieder ein normales Leben führen können.“ Eine Maus fragte: „Was passiert denn mit uns, wenn er weg ist? Dann wirst du uns wieder verwandeln, oder? Und wir sind wieder stumm und dumm wie früher.“ „Zum Glück“, murmelte Salem, als die Tiere anfingen sich zu beschweren. „Wie es aussieht, komme ich mit euch sowieso nicht weiter. Alles, worum ihr euch schert, sind euer Gassi gehen und gutes Futter.“ Sabrina klatschte in die Hände. „Hört zu! Wenn ihr mir dabei helft, Dr. Imperium loszuwerden, dann verspreche ich euch, an jedem Kastanalia dafür zu sorgen, dass ihr den ganzen Tag bis Mitternacht sprechen könnt. Auf diese Art müsst ihr es noch nicht einmal heimlich tun. Und außerdem könnt ihr euch erlauben, alles zu sagen, was ihr schon immer mal sagen wolltet, egal zu wem.“ „Das ist eine gute Idee“, stimmte Crystal ihr zu. „Ich würde Mr. Kraft gerne einmal sagen, was ich von ihm halte“, fügte Lisa Marie hinzu. „Für meinen Geschmack ist alles bei ihm viel zu eintönig. Wir gehen jeden Tag denselben Weg, ich bekomme jeden Abend dasselbe Futter... man kann
seine Uhr nach mir stellen. Außer wenn’s zum Tierarzt geht, das kommt immer ganz unvermutet. Spritzen!“ Sie schüttelte sich entsetzt. „Ich denke, das ist ein guter Kompromiss!“ Abdul brachte die Diskussion wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Es war sehr nett von Sabrina, dass sie uns Stimmen gegeben hat. Jetzt können wir uns dafür bei ihr bedanken und bekommen auch noch etwas dafür!“ „Okay! Also, alle, die mit meinem Vorschlag einverstanden sind, heben ihre Hand, äh, ihre Pfote“, forderte Sabrina die Tiere auf. Auf der ganzen Lichtung waren nur gestreckte Pfoten, Klauen und Tatzen zu sehen. „Sehr gut. Dann hätten wir das Problem ja gelöst!“ Sabrina war erleichtert. „Freu dich nicht zu früh“, sagte Salem in ernstem Ton. „Du magst eine Schlacht gewonnen haben, aber der Krieg ist noch in vollem Gange.“ „Ich wette mit dir um meinen Lieblingspulli, dass Dr. Imperium bis morgen Nachmittag die Stadt verlassen haben wird“, antwortete Sabrina selbstbewusst. „Wenn du meinst.“ Salem leckte seine linke Pfote. „Ich hoffe, du hast Recht, denn morgen Nacht ist Vollmond. Und wenn diese Typen hier dann immer noch sprechen können, dann packe ich meine Sachen!“ Die Tiere hatten ein ziemliches Chaos angerichtet und Sabrina brauchte ein ganze Weile zum Aufräumen. Als sie endlich zu Hause ankam, hörte sie lautes Lachen aus dem Wohnzimmer. Drinnen saßen ihre beiden Tanten hysterisch kichernd auf der Couch. „Tante Hilda, Tante Zelda! Was ist denn hier los?“ „Dr. Imperium hat um Zeldas Hand angehalten.“ Hilda
wischte sich die Tränen aus den Augen, kicherte aber gleich wieder los. „Zum Glück bist du reingekommen. Wir hätten uns sonst vielleicht zu Tode gelacht. Ich habe gelesen, dass das einer Hexe mal passiert ist.“ Zelda nickte. Auch ihr gelang es nur mühsam, ihre Heiterkeit unter Kontrolle zu bringen. „Eine schöne Art zu sterben.“ Als sie ihre Schwester anschaute, begannen beide prompt wieder zu lachen. Sabrinas ernster Blick ließ sie jedoch sofort verstummen. „Nun ja, eigentlich ist es ja eine schlechte Nachricht“, erklärte Zelda. „Er hat nämlich gesagt, dass er so lange in Westbridge bleibt, bis ich ihn heirate.“ „Aber dann wird das Verbot des Hexenrates aufrechterhalten, und ich muss doch meinen Spruch bis morgen Nacht zurücknehmen!“ Sabrina war verzweifelt. „Ich weiß, Liebes. Wir müssen ihn unbedingt dazu bringen, fortzugehen.“ Zelda schien nicht sonderlich überzeugt, dass sie das schaffen würden. In diesem Moment stürmte Salem ins Zimmer. Er hatte ein Halloweenhütchen auf dem Kopf und eine Trillerpfeife im Maul. Sabrina schaute ihn enttäuscht an. „Schnapp dir meinen Pulli und fang schon mal an zu packen!“
11.Kapitel Am nächsten Morgen kam Harvey bei Sabrina vorbei. „Hi! Ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen zur Schule gehen. In den letzten Tagen haben wir uns ja nicht allzu oft gesehen.“ „Ja“, sagte sie und war glücklich. Sie schnappte ihre Tasche und verabschiedete sich von ihren Tanten. Die ganze Nacht lang hatten sie sich die Köpfe darüber zerbrochen, was sie für Sabrina tun konnten. Dennoch hatten sie darauf bestanden, dass sie in die Schule ging. Alles sollte so normal wie möglich wirken. „Du hast bestimmt ziemlich viel gebüffelt nach der Schule, oder?“, fragte sie Harvey. „Ja. Hab ich. Mit Libby.“ „Wie nett, dass sie dir hilft!“ „Ja, stimmt.“ Harvey winkte einem der Männer im Vorgarten der Spellmans zu. Zu Sabrinas Überraschung lächelte der Man in Black und winkte zurück. So war Harvey. Jeder mochte ihn und er sah nur das Gute im Menschen. Sogar in Libby. „Bist du bereit für das Spiel heute Abend?“, fragte er Sabrina. Und was ist mit dem Herbstball?, wollte Sabrina fragen. Er hatte sie bisher nicht darum gebeten, mit ihm hinzugehen. So weit sie allerdings wusste, hatte er aber auch Libby nicht gefragt. Eigentlich war es komisch. Der Herbstball war wegen der anderen Dinge, die sie momentan im Kopf hatte, ziemlich in den Hintergrund getreten. Vielleicht aber auch nicht ganz so weit. „Klar bin ich bereit. Was ist, wirst du von Anfang an spielen?“ „Der Trainer denkt immer noch über die Aufstellung nach. Ich bin total am Ende. Ich kann an nichts anderes mehr denken,
als an heute Abend.“ „Ich weiß, wie das ist.“ Sie überquerten die Straße vor der Highschool. „Hey, Kinkle! Fang!“, rief jemand. Dann kam ein Football angeflogen und Harvey fing ihn geschickt auf. In diesem Augenblick steckte Schneeball ihren Kopf aus dem Gebüsch. „Hallo, Sabrina! War eine coole Party!“ „Ja, war echt klasse!“, pflichtete ihr Artie, das Streifenhörnchen, bei. „Pst! Ihr habt doch versprochen, nicht zu sprechen!“, zischte Sabrina. Am Haupteingang des Gebäudes stand Mr. Kraft mit vor der Brust verschränkten Armen und beobachtete seine Schüler. Sabrina wollte nicht, dass er sie noch einmal dabei beobachtete, wie sie mit Tieren sprach. Da kam ihr plötzlich eine Idee. „Wir treffen uns hier in der Mittagspause, okay? Ich habe einen Plan“, sagte sie zu dem Streifenhörnchen und der Katze. „Ich bin da!“ Schneeball verschwand wieder. „Wir haben ein Date, Schätzchen!“ Auch Artie war im Nu verschwunden. Harvey kam zurück mit einem Football unterm Arm. „Hei, du siehst so glücklich aus.“ „Tja, so bin ich nun mal“, grinste Sabrina. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen. „Äh, Harvey? Gehst du heute Abend eigentlich auch auf den Herbstball?“ Er schaute sie verwirrt an. „Natürlich gehe ich hin. Ich dachte, wir gehen zusammen! Libby hat gesagt, sie hätte es dir ausgerichtet. Ich war so mit Trainieren und Lernen beschäftigt. Und dein Telefon war ständig besetzt.“ Salem, dachte Sabrina. Und Libby. Super! „Wahrscheinlich hat sie’s nur vergessen. Egal... Ich werde schon was zum Anziehen finden.“
Wenn alles nach Plan liefe, würde sie sich in ein Outfit zaubern können, das ihn aus den Schuhen haut. Wenn nicht, dann würde es wahrscheinlich überhaupt keinen Ball geben. „Hallo!“ Valerie tauchte plötzlich auf. „Was geht ab?“ „Eigentlich nichts“, antwortete Sabrina. Die Glocke läutete und sie ging voraus ins Klassenzimmer. „Lass uns einfach einen ganz normalen Tag haben.“ Die ganze Zeit über hatte Sabrina die Uhr im Blick. Mittags besprach sie ihren Plan mit Schneeball und Artie. Sie versprachen, ihre Nachricht zu verbreiten. Dann rief sie ihre Tanten an und weihte sie ein. „Ich weiß nicht, Sabrina. Das ist ziemlich riskant“, warnte Zelda. „Fällt dir denn etwas Besseres ein?“, fragte Sabrina hilflos. Zelda überlegte einen Moment. „Nein, Liebes. Mir fällt nichts ein. Aber wir helfen dir, wo wir können!“ Sabrina ging in die Cafeteria, wo sie Valerie und Harvey traf. „Val, ich werde heute wieder mit Abdul Gassi gehen.“ „Nein, das geht doch nicht. Das hast du schon die ganze Woche über getan!“ „Ach, lass mich doch“, meinte Sabrina. „Es macht mir richtig Spaß. Ich habe mir sogar überlegt, einen Gassi-GehService anzubieten.“ „Nun ja...“ Valerie seufzte. „Ich wollte Libby eigentlich sagen, dass ich das nicht mehr mache. Es hat mir, was mein Ansehen angeht, gar nichts gebracht.“ „Okay, ich gehe heute noch einmal mir ihm, dann kannst du den Job hinschmeißen.“ Abdul tat Sabrina richtig Leid. Es schien ihm zu gefallen, mal nicht ständig in Libbys Nähe sein zu müssen. Vielleicht ließ sich ja eine andere Vereinbarung treffen?
Der Tag zog sich in die Länge. Endlich war es Zeit, Abdul abzuholen. „Fast hätte ich schlechte Neuigkeiten für dich gehabt“, empfing sie der Irische Setter. „Mr. Kraft wollte offenbar seine Zeitplanung wegen des Footballspiels über den Haufen werfen. Lisa Marie hat ihn aber so herzerweichend angeblickt, dass er es sich wieder anders überlegt hat.“ „Unser Glück!“ „So ist es!“ Zur gleichen Zeit saß Dr. Imperium, den Zelda zum Tee eingeladen hatte, bei den Spellmans auf dem Sofa. „Francisco, wollen wir nicht einen Spaziergang machen?“, meinte Zelda. „Was immer Sie möchten, meine Teuerste“, hauchte er und bot ihr mit verklärtem Blick seinen Arm an. Vor dem Haus sah Zelda auf die Uhr. Es war 15.50 Uhr. Die Straße wimmelte wie gewohnt von Regierungsbeamten. „Francisco? Haben Sie schon irgendwelche Beweise für die Existenz von Hexen in Westbridge gefunden?“, fragte Zelda unschuldig. Er seufzte. „Nein, aber ich bin guter Dinge.“ Er lächelte sie viel sagend an. „Und zwar nicht nur in dieser Hinsicht.“ Zelda seufzte. Sie wollte ihn nur ungern reinlegen. Aber sie sah einfach keinen anderen Weg, ihn endlich aus der Stadt zu treiben. „Ich habe einen Vorbericht eingereicht, der meine bisherigen Ergebnisse bewertet, ja sogar überbewertet.“ „Sie meinen, sie haben gelogen?“, fragte Zelda entrüstet. „Nun, ich würde es nicht gerade lügen nennen. Übertreiben
ist vielleicht das treffendere Wort.“ „Aber es bedeutet dasselbe.“ Zelda bemerkte einen Beamten, der sie beobachtete. Er presste sich etwas ans Ohr und sprach dann in seine Armbanduhr. Am anderen Ende der Straße öffnete sich Dr. Imperiums Lieferwagen und Colonel Van De Ven trat heraus. Sie sah auf die Uhr. Es war 15.55 Uhr. „Wir sollten uns ein bisschen beeilen. An... Ich muss rechtzeitig zu Hause sein, weil ich Sabrina bei den Vorbereitungen für den Herbstball helfen soll.“ „Sie sind auf dem Weg“, teilte Abdul Sabrina mit. „Ich kann sie schon riechen.“ Salem führte die mobile Eingreiftruppe an. Sie bestand aus etwa einem Dutzend Katzen, Hunden, Mäusen, Ratten und Waschbären, die sich langsam zu dem vereinbarten Treffpunkt an Abduls Lieblingsmast in Bewegung setzten. „Hoffentlich funktioniert es“, murmelte Sabrina. „Sabrina, nur nicht nervös werden“, beruhigte Abdul sie. „Nein, werde ich nicht!“ Er sah sie an. „Ich kann deine Angst riechen.“ Dann verlangsamte er seinen Schritt. „Zielobjekt ist in Reichweite. Mr. Kraft kommt gerade die Straße runter.“ „Kannst du ihn schon riechen?“ „Oh ja. Und seinen kleinen Hund auch. Und deine liebe Tante und diesen grauenhaften Kerl.“ Sabrina schaute die Straße hinauf. Da waren sie: Ihre Tante und Dr. Imperium. Sie winkte ihnen zu und Zelda winkte zurück. „Lustig, euch hier zu treffen“, sagte Sabrina. „Ich habe eben zu... mir gesagt“, und sie konnte sich gerade noch beherrschen,
„dass heute doch ein wunderschöner Tag für einen Spaziergang ist.“ „Ja, das ist es“, pflichtete Dr. Imperium ihr bei. Sabrina bemerkte erst jetzt, dass es ziemlich bewölkt war. In diesem Moment kam Mr. Kraft in einem Regenmantel mit Lisa Marie um die Ecke gebogen. Urplötzlich stürzten sich Salems Truppen auf ihn und riefen seinen Namen. „Willard!“ „Hei, Direx!“ „Furchtloser Anführer!“ „Meister!“ Sabrina tat, als wäre sie zu Tode erschrocken. Abdul stürzte sich ebenfalls auf Mr. Kraft, sprang an ihm hoch, leckte sein Gesicht ab und rief: „Er gab uns unsere Stimmen! Er ist unser Hexenmeister!“ „Große Güte!“ Dr. Imperium war vollkommen außer sich. Zelda klammerte sich an den Wissenschaftler. „Francisco, ich habe Angst! Was passiert hier?“ „Hexerei!“, rief er. „Endlich!“ „Was bedeutet das?“, meldete sich Mr. Kraft inmitten all der Tiere zu Wort. Aus allen Ecken tauchten plötzlich Regierungsbeamte auf. Mindestens sechs von ihnen hatten Magikometer und richteten sie auf Mr. Kraft. Andere Beamte schossen Fotos oder sammelten die Tiere ein – einschließlich Abdul, der Sabrina das Hundeäquivalent zum Daumen hoch gab. Dann tauchte ein Lieferwagen auf und zwei Beamte zerrten Mr. Kraft hinein. „Halt! Was machen Sie mit mir? Ich bin amerikanischer Staatsbürger. Ich habe meine Rechte! Sie können das nicht einfach so machen!“, rief er verzweifelt.
„Schweig stille, Hexer!“ Dr. Imperium drohte ihm mit der Faust. Dann nahm er Zeldas Hand. „Entschuldigung, aber die Pflicht ruft!“ „Oh, Francisco, seien Sie vorsichtig! Immerhin geht es hier um Magie und Hexenkunst!“ „Das werde ich. Ich trage natürlich meine spezielle Schutzweste“, erklärte er ihr. „Die habe ich schon die ganze Woche über an.“ Er beugte sich zu ihr und wagte einen Kuss auf ihre Wange. „Endlich werde ich berühmt werden“, freute er sich und verschwand triumphierend im Wagen. „Oje! Man möchte ihn fast warnen“, gestand Sabrina ihrer Tante. „Nein, ich nicht!“, sagte Salem. „Deine Mannschaft weiß, was sie zu tun hat, Salem?“, fragte Sabrina. „Ja, alle wissen Bescheid“, antwortete Salem stolz. Die drei sahen zu, wie der Lieferwagen davonfuhr. Dann stieß Zelda einen Seufzer aus. „Lasst uns nach Hause gehen. Hilda wird schon ganz verrückt vor Neugier sein.“
12. Kapitel Hilda begrüßte sie mit einem Schokoladenkeks in jeder Hand. „Sieht aus, als würde alles bestens funktionieren“, erklärte Sabrina ihr und nahm sich einen der Kekse. „Die sind klasse. Hast du die echt selbst gebacken?“ „Ich bin mir ganz sicher, dass es funktionieren wird“, sagte Hilda. „Übrigens, die Kekse habe ich natürlich nicht selbst gebacken, aber ich habe sie selbst gekauft!“ Hilda nahm alle mit ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Es kamen gerade Nachrichten mit ihrer Lieblingssprecherin, Toni Ballo: „Und das hier bekomme ich gerade auf den Tisch: In Westbridge, Massachusetts, hat Dr. Imperium für 18 Uhr eine Pressekonferenz anberaumt, bei der er Beweise für die Existenz von Hexen präsentieren will.“ „In einer Stunde? Worauf wartet er denn noch?“, fragte Sabrina entgeistert. „Auf den Senator“, klärte Salem sie auf. „Lecker, ich rieche Schokoladenplätzchen. Gibt es welche für mich?“ „Senator? Welcher Senator?“ Salem schaute sich um. „Wo sind die Kekse? Ich bin am verhungern!“ Er sprang aufs Sofa und von dort auf den Tisch. Da stand der Teller mit den Keksen, über die er sich sofort hermachte. „Senator Richard David Wilkinson, unser Mann in Washington.“ „Echt? Wie hat er den denn so schnell erreicht?“ „Offensichtlich ist es Wilkinson, der ihm das Okay für seine tollen Hexen-Forschungen gegeben hat. Jetzt kommt er natürlich hierher, um die Lorbeeren zu ernten.“ Salem rülpste. „Du wüsstest das auch, wenn du ein paar Mäuse dafür bezahlt hättest, die ein- und ausgehenden Telefongespräche zu belauschen.“
Sabrina schaute kurz zu ihren Tanten und wandte sich dann wieder Salem zu. „Und die Tiere wissen genau, was sie machen sollen? Keiner wird patzen?“ „Sabrina, meine Getreuen sind von mir selbst ausgebildet worden!“ Er nahm sich noch einen Keks. „Die sind echt lecker. Viel besser als die, die ihr sonst so zusammenhext!“ „Vielen Dank!“, sagte Sabrina eingeschnappt. „Nun, sieht so aus, als müssten wir die Pressekonferenz abwarten.“ Hilda ging in die Küche. „Ich habe jeder von uns einen Liter Eis gekauft. Nur Salem nicht, der kriegt Diäteis.“ Sie schmunzelte. „Das ist unfair“, jammerte er. „Du kannst was von meinem Eis abhaben. Ich schulde dir noch was“, flüsterte Sabrina ihm zu. „Du bist toll. Ich bemühe mich auch, keine Fäden mehr an deinem Pullover zu ziehen.“ Sie aßen das ganze Eis und machten sich dann noch über Mikrowellenpopcorn her. Sabrina war schon langsam etwas übel, als Toni Ballo die zigste Wiederholung der Brady Familie mit den Worten unterbrach: „Wir schalten nun live hinüber in die verschlafene Kleinstadt Westbridge. Dort hält Dr. Imperium außerordentliche Neuigkeiten für uns bereit. Unsere Korrespondentin April Khabazian ist vor Ort. April?“ Auf dem Bildschirm erschienen Kopf und Schultern einer Frau mit wallendem, blondem Haar. Der Bildausschnitt vergrößerte sich und gab den Blick auf Dr. Imperiums Lieferwagen frei. „Toni, Spannung in der Luft hier in Westbridge“, näselte sie. „Es scheint, dass Dr. Imperium, der berühmte PentagonWissenschaftler, hier eine verblüffende Entdeckung gemacht hat. Er wird sie uns in Kürze eröffnen...“ Die Tür des Lieferwagens öffnete sich und Dr. Imperium
erschien. An seiner Seite stand Mr. Kraft. Er sah verwirrt und ziemlich benommen aus. Salems Getreue sprangen aus dem Wagen, wurden jedoch sofort von Regierungsbeamten mit dunklen Sonnenbrillen eingekreist. Sabrina sah Abdul, Lisa Marie und alle ihre neuen Freunde. Sie hoffte, dass sie sich an ihre Abmachung hielten. Die Kamera zoomte auf Dr. Imperium. „Ich grüße Sie!“ Er hob eine Hand. „Ich bin Dr. Francisco Imperium und ich werde der Welt hier und heute meine Entdeckung präsentieren. Ich habe den definitiven Beweis für die Existenz von Hexen!“ In diesem Moment erschien der Senator mit breitem Grinsen in der Wagentür. „Ich wette mit euch um fünf Dollar, dass der seine Zähne auch echt selbst gekauft hat“, warf Hilda scherzhaft ein. Aber niemand reagierte. „Dies hier ist Senator Wilkinson, dem ich die Mittel für meine Forschungen verdanke“, fuhr Dr. Imperium fort. „Er hat bereits gesehen, was ich nun auch Ihnen da draußen an den Geräten zeigen werde!“ „Wer schreibt denn seine Texte?“, fragte Hilda genervt. Zelda seufzte. „Nicht so schroff, Hilda, er ist ein gutmütiger Kerl.“ „Dasselbe haben sie wahrscheinlich auch von Attila, dem Hunnenkönig, gesagt“, meinte Salem. „Nein, das haben sie nicht“, belehrte Zelda ihn. „Und er war auch kein gutmütiger Kerl.“ Dr. Imperium deutete auf Mr. Kraft: „Los!“ Mr. Kraft schaute zuerst nach links, dann nach rechts und wieder zurück in die Kamera. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, was hier vor sich geht“, sagte er und zeigte mit dem Finger auf die Tiere. Es passierte nichts. Rein gar nichts.
Er deutete noch einmal auf sie. „Sprecht! Sprecht!“, brüllte Dr. Imperium den Tieren völlig ungeduldig zu. Doch sie starrten ihn nur regungslos an. Dann begannen sie, wie wild durcheinander zu laufen. Der Waschbär beschäftigte sich mit den Taschen eines Beamten und die Mäuse verschwanden unter dem Auto. „Mr. Kraft“, drängte Dr. Imperium. „Benutzen Sie bitte ihre Magie!“ Er blickte in die Kamera. „Willard Kraft ist ein Hexenmeister. Mit Hilfe unserer ausgefeilten Technik haben wir seine Kräfte zu Tage befördert.“ Mr. Kraft deutete erneut auf die wenigen noch verbliebenen Tiere. Die beachteten ihn aber überhaupt nicht. „Francisco!“, flüsterte der Senator, und seine Stimme klang nicht wenig bedrohlich. „Einen Moment, vielleicht gibt es irgendwelche Interferenzen, die Mr. Krafts Energiefluss stören. Wahrscheinlich senden unsere Geräte oder das Ozonloch eine zu hohe magnetische Strahlung aus.“ Er zog sein Notizbuch aus der Tasche. „Oder...“ „Oder alles ist ein einziger großer Bluff!“, unterbrach ihn Colonel Van De Ven unwirsch. Er kam die Stufen herunter und lief auf April Khabazian zu. In der Hand trug er einen kleinen Kasten. „Hören Sie sich das an“, sagte er und drückte einen Knopf. Jeder, der in diesem Moment die Nachrichten schaute, konnte folgende Konversation vernehmen: „Haben Sie schon Beweise für die Existenz von Hexen in Westbridge gefunden?“ Das war Tante Zeldas Stimme! Auf dem Tonband antwortete ihr Dr. Imperium: „Nein, aber ich bin guter Dinge. Und zwar nicht nur in dieser Hinsicht. Ich habe einen Vorbericht eingereicht, der meine bisherigen Ergebnisse bewertet, ja sogar überbewertet.“
„Sie meinen, sie haben gelogen?“ „Nun, ich würde es nicht gerade lügen nennen. Übertreiben ist vielleicht das treffendere Wort.“ „Aber es bedeutet dasselbe“ Colonel Van De Ven stellte den Rekorder aus. „Das bedeutet dasselbe.“ Er drehte sich zu Senator Wilkinson. „Sir, ich möchte mich an dieser Stelle zutiefst entschuldigen und Ihnen versichern, dass das Militär mit diesem Betrug nichts zu tun hat.“ „Dr. Imperium!“ Das Gesicht des Senators war dunkelrot angelaufen. „Können Sie mir das erklären?“ „Aber... aber...“ Der Wissenschaftler schaute verzweifelt zu Mr. Kraft. „Tun Sie doch etwas!“ „Oh ja, das werde ich“, sagte Mr. Kraft, der mittlerweile offenbar wieder zu Sinnen gekommen war. „Ich werde Sie wegen Belästigung verklagen!“ „Stellen Sie die Kameras ab“, verlangte der Senator. „Ich weigere mich, weiterhin mit dieser fixen Idee in Verbindung gebracht zu werden.“ Irgendjemandem gelang es offensichtlich, den Kameramann zu überwältigen, denn plötzlich wurde das Bild schwarz. Toni Ballo erschien wieder. Sie schien verwirrt. „Bleiben Sie dran! Wir informieren Sie nach der Werbung weiter!“ Bei den Spellmans klingelte das Telefon. Zelda stellte den Lautsprecher an und nahm dann den Hörer ab. „Zelda, meine Liebe. Ich bin’s, Francisco.“ Seine Stimme zitterte. „Der Senator veranlasst gerade, dass ich meine Arbeit einstellen muss. Mein Team und ich haben fünfzehn Minuten Zeit, dann müssen wir aus Westbridge verschwunden sein.“ „Jawohl!“, grölte Sabrina und tanzte um Tante Hilda. „Du Armer!“, säuselte Zelda mitfühlend. „Es tut mir so Leid.“
„Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich einen Fehler gemacht haben könnte. Diese Tiere haben doch wirklich gesprochen! Es scheint aber auch mehrere Berichte darüber zu geben, dass Ihre Nichte als Übung für ein Theaterstück Tierstimmen unter freiem Himmel imitiert hat.“ „Ach ja, das Stück. Es soll übrigens sehr gut sein.“ „Wie konnte ich nur derart schief liegen?“ Er seufzte tief. „Zelda, ich muss nach Washington zurück und die Fakten noch einmal genau durchgehen, gesetzt den Fall, man stellt mir weiterhin ausreichend Geldmittel zur Verfügung. Irgendwo muss ein Fehler liegen. Ich werde Sie nicht darum bitten, mit mir zu kommen, jetzt da ich so in Ungnade gefallen bin.“ „Oh, Francisco!“, heuchelte Zelda. „Versuchen Sie nicht mich umzustimmen. Eines Tages, wenn ich meinen Namen rein gewaschen haben werde, komme ich zurück. Doch, Zelda...“, er atmete schwer, „warten Sie nicht ewig auf mich!“ „Francisco...“ „Ich muss auflegen. Wir fahren nun los. Leben Sie wohl!“ „Leben Sie wohl!“ Zelda legte den Hörer auf. Sie hielt ihren Kopf für einen Augenblick gesenkt, dann sah sie auf und brach in schallendes Gelächter aus. „Der arme Kerl!“, murmelte sie mit breitem Grinsen. In der Küche hörte man den Toaster klappern. „Eine Bekanntmachung aus dem Anderen Reich“, teilte ihnen Salem mit. Aha. Sabrina rannte in die Küche und nahm das Papier aus dem Toaster. Sie las den Text laut vor: An alle magischen Wesen, inklusive Leprechauns Betreff: Magieverbot
Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass, als Folge der absoluten Beschränktheit des sterblichen Wissenschaftlers Dr. Imperium, ab sofort die Verwendung von Magie wieder gestattet ist. Wir wurden über Miss Sabrina Spellmans Eine Sache in Kenntnis gesetzt, und sind auch über das dadurch entstandene Chaos unterrichtet. Daher verurteilen wir sie zu eintausend Stunden gemeinnütziger Arbeit im Anderen Reich. „Eintausend Stunden?“, jammerte Sabrina. „Eintausend Stunden?“, empörte sich Salem. „Und ich wurde für weniger in eine Katze verwandelt!“ „Salem, halte lieber den Mund, solange du es noch kannst“, warnte Hilda ihn. „Wusstet ihr eigentlich, dass es in Westbridge Leprechauns gibt?“ Zelda lächelte Sabrina an. „Nun, es ist endlich vorbei. Genauso wie Kastanalia. Sag mal, Sabrina, wenn du einen Spruch frei hättest, was würdest du dir wünschen?“ „Ich würde mich aus dem gemeinnützigen Dienst hexen“, schlug Salem vor. Mit einem Blitz erschien der Quizmaster. „Dieser Wunsch wird dir erfüllt.“ „Was? Echt?“ Sabrina wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. „Ja, wirklich. Ich habe dem Hexenrat mitgeteilt, wie unfair ich es finde, dass du bestraft werden sollst. Immerhin hast du das Kunststück fertig gebracht, Dr. Imperium und seine Forschungen in Misskredit zu bringen. Und vor allem, du hast es ganz ohne Magie zu Stande gebracht.“ „Applaus!“ Er lächelte ihre Tanten an. „So viel also zu den Bürohengsten im Hexenrat, nicht wahr, meine Damen?“ „Du hast uns belauscht!“, empörte sich Hilda.
„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.“ Er zuckte die Achseln und verschwand. Es klingelte an der Tür. Als Sabrina nachschaute, wer da war, verwandelten sich ihre Kleider wie durch Geisterhand in das wunderschöne, weiße Abendkleid, das sie während des verhexten Footballspiels getragen hatte. An ihrem Handgelenk erschien ein Bukett aus winzigen weißen Rosen. „Danke schön, meine Lieben“, sagte sie glücklich und öffnete die Tür. Draußen stand Harvey. Als er sie erblickte, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf. „Wow, Sabrina! Wirst du dieses Kleid heute Abend auf dem Ball tragen?“ „Ja“, sagte sie lächelnd. „Ich habe gerade mal probiert, ob es passt.“ „Also, ich finde, es sieht fantastisch aus“, sagte er atemlos. Plötzlich sprang ein Hund auf die Veranda. Es war Abdul. „Nächstes Jahr“, warf Sabrina ihm lautlos zu. Abdul nickte mit dem Kopf und Sabrina deutete mit ihrem Finger. Er drehte sich um und trottete schweigend zurück in die Nacht. Sabrina spürte einen leisen Stich in der Herzgegend. Sie würde es vermissen, mit ihm zu plauschen. Harvey, der von der ganzen Geschichte überhaupt nichts mitbekommen hatte, fragte aufgeregt: „Habt ihr auch von diesem verrückten Wissenschaftler gehört? Der war doch tatsächlich der Meinung, dass Mr. Kraft ein Hexenmeister ist!“ „Abgedreht.“ Sabrina hakte sich bei ihm ein. „Aber so richtig kann man es ihm auch wieder nicht verübeln. Manchmal scheint einfach eine gewisse Magie in der Luft zu liegen, oder?“ „Ja, du hast Recht.“ Harvey lächelte sie breit an. „Stell dir vor, ich werde heute tatsächlich von Anfang an spielen.“
„Das ist toll.“ Sabrina führte Harvey hinaus auf die Veranda. Die Straße war voll gestopft mit dunklen Lieferwagen und Autos, die sich aus der Stadt quälten. „Ich glaube, das hier war eindeutig das Verrückteste, was in dieser Stadt jemals passiert ist.“ Harvey deutete auf das Verkehrschaos. „Ja!“, sagte Sabrina laut und insgeheim dachte sie: Mit Ausnahme der Tatsache, dass Elvis hier aufgetaucht ist, Valerie ein berühmter Rockstar und Tante Hilda die Präsidentin der Vereinigten Staaten war. Dann natürlich noch die Essenschlacht, die Revue mit Tiefkühl-Chicky, die Schönheitskur auf der Venus... Sie hätte die Liste endlos fortführen können. „Ja, das war eindeutig das Verrückteste“, fügte sie laut hinzu. Sie war schon richtig gespannt auf das nächste Kastanalia. Und bis dahin hatte sie ja genügend Zeit, sich noch viel „verrücktere“ Dinge einfallen zu lassen.