Kölner Schriften zum Medizinrecht Band 7
Reihenherausgeber Christian Katzenmeier
Kathrin Kubella
Patientenrechtegesetz
1C
Kathrin Kubella Merowingerstr. 31 50677 Köln Deutschland
[email protected]
ISSN 1866-9662 e-ISSN 1866-9670 ISBN 978-3-642-22740-0 e-ISBN 978-3-642-22741-7 DOI 10.1007/978-3-642-22741-7 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2011 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Die Länderberichte wurden 2008/2009 erstellt. Die Literatur ist für die Veröffentlichung auf den Stand von Juni 2011 gebracht worden. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Katzenmeier, der die Arbeit betreut hat und diese in die Reihe der Kölner Schriften zum Medizinrecht aufgenommen hat. Herrn Prof. Dr. Preis danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner möchte ich mich bei der Friedrich-Ebert-Stiftung für die großzügige immaterielle und materielle Unterstützung bedanken; ebenso bei Frau Anne Heift und Frau Hannelore Rüttgers für das Lektorat. Mein Dank gilt auch meiner Familie und meinen Freunden, die mir während der Arbeit stets Rückhalt gegeben haben. Insbesondere meinem Vater und erstem Leser sowie meiner Mutter danke ich von Herzen für die weitreichende Förderung und die stete Zuversicht. Ihnen widme ich daher diese Arbeit. Köln, im Juni 2011
Kathrin Kubella
Inhaltsverzeichnis Einleitung............................................................................................................... 1 Erstes Kapitel: 1otwendigkeit einer gestärkten Patientenstellung .................. 5 I. Umsetzungsdefizite im Behandlungsalltag .................................................. 5 II. Patientenrechte als besondere Verbraucherrechte ....................................... 6 III. Zwischenergebnis ...................................................................................... 12 Zweites Kapitel: Entwicklung der 1ormierungsbestrebungen....................... 15 Drittes Kapitel: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz ......... 27 I. Festhalten an der derzeitigen Rechtslage und stetige Aktualisierung der Patientenrechtecharta als Handlungsalternative des Gesetzgebers ...... 27 II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte ................................................. 31 1. Erlass eines Änderungsgesetzes: Kodifikation im BGB ...................... 36 a) Ausblick auf die Niederlande: Burgerlijk Wetboek ....................... 38 aa) Regelungsinhalt des Burgerlijk Wetboek .............................. 40 bb) Errungenschaften des WGBO ............................................... 44 b) Erkenntnisgewinn für den deutschen Gesetzgeber ........................ 48 2. Erlass eines Stammgesetzes ................................................................. 52 a) Ausblick auf Finnland.................................................................... 53 aa) Regelungsinhalt des Lag om patientens ställning och rättigheter/ Laki potilaan asemasta ja oikeuksista ................. 55 bb) Errungenschaften des Lag om patientens ställning och rättigheter/ Laki potilaan asemasta ja oikeuksista ................. 64 b) Erkenntnisgewinn für den deutschen Gesetzgeber ........................ 67 3. Erlass eines speziellen, rechtsgebietsübergreifenden Einheitsgesetzes ................................................................................... 74 a) Ausblick auf Frankreich: Code de la Santé Publique .................... 75 aa) Regelungsinhalt des Code de la Santé Publique.................... 76 bb) Errungenschaften des loi Kouchner ...................................... 85 b) Erkenntnisgewinn für den deutschen Gesetzgeber ........................ 88 4. Ergebnis ............................................................................................... 91 Viertes Kapitel: Exkurs: Wie wirkt Recht? Ist eine Steuerung durch Recht möglich? ......................................................................................... 93 I. Systemtheoretischer Erklärungsansatz ..................................................... 95 II. Ökonomischer Erklärungsansatz .............................................................. 99 III. Ergebnis .................................................................................................. 100 Fünftes Kapitel: Gesetzgebungsvorschlag ...................................................... 107 I. Entwurf eines Patientenrechtegesetzes ................................................... 107 II. Begründung ............................................................................................ 111 1. Allgemeines ....................................................................................... 111
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Inhaltsverzeichnis
a) Behandlungsvertrag als Dienstleistungsvertrag ........................... 111 b) Einbeziehung des gesetzlich versicherten Patienten in den Anwendungsbereich der §§ 630a – m .............................. 112 aa) Öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis .............................. 112 bb) Zivilrechtliches Rechtsverhältnis ........................................ 113 cc) Ergebnis .............................................................................. 118 c) Behandlung eines Bewusstlosen .................................................. 122 d) Behandlung von Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen ......................................................................... 122 e) Beendigung des Behandlungsvertrags ......................................... 124 f) § 280 Abs. 1 BGB als Haftungsnorm für Vertragsverletzungen.................................................................... 125 2. Einzelne Regelungsvorschläge........................................................... 138 a) Wahl des Titels „Dienstvertrag; Behandlungsvertrag“ ................ 138 b) Zu § 630a >Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag<................................................................... 138 c) Zu § 630b >Krankenhausaufnahmevertrag< ............................... 140 d) Zu § 630c >Sachgemäße Behandlung < ...................................... 144 e) Zu § 630d >Einwilligung <.......................................................... 145 f) Zu § 630e >Aufklärung <............................................................. 148 g) Zu § 630f >Information < ............................................................ 160 h) Zu § 630g >Mitwirkung und Offenbarung< ................................ 162 i) Zu § 630h >Dokumentation und Befundsicherung< .................... 166 j) Zu § 630i >Einsichtnahme< ......................................................... 173 k) Zu § 630j >Schweigepflicht< ...................................................... 177 l) Zu § 630k >Abweichende Vereinbarungen<................................ 182 m) Zu § 630l >Beweislast<.............................................................. 185 n) Zu § 630m >Anwendung des Werkrechts< ................................. 193 o) Zu § 1631b >Medizinische Dienste<........................................... 195 p) Zu § 1631e >Verbot von medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen< .......................................................... 202 q) Zur Streichung des § 76 Abs. 4 SGB V ....................................... 202 3. Mögliche negative Folge- und Nebenwirkungen ............................... 202 a) Einschränkung der Therapiefreiheit............................................. 203 b) Förderung der Defensivmedizin .................................................. 204 c) Beschädigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Behandler und Patient ................................................................. 207 d) Resistenz gegenüber künftigen Entwicklungen ........................... 210 Sechstes Kapitel: 1otwendigkeit der Kodifikation der Patientenrechte? .... 211 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 227
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.D. a.F. Abb. Abs. AcP AG AGB Alt. AMG AnwBl AOK AÖR ArbStoffV Art. ArztR Aufl. AZR BADK BASIS Bd. Beschl. BetrVG BGB BGH BGHSt BGHZ BMG BMJ BOPZ BSDG BSG BSGE BT-Drcks Bundesgesundheitsbl BVerfG BVerfGE BVerwG
andere(r) Ansicht am angeführten/angegebenen Ort außer Dienst alte Fassung Abbildung(en) Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternative Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln/ Arzneimittelgesetz Anwaltsblatt (Zeitschrift) Allgemeine Ortskrankenkasse Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Arbeitsstoffverordnung Artikel ArztRecht (Zeitschrift) Auflage Arzt, Zahnarzt, Recht (Zeitschrift) Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Kommunalversicherer (Zeitschrift) Tjjdschirft voor beleidsonderzoek (Zeitschrift) Band Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium für Gesundheit Bundesministeriums der Justiz Wet Bijzondere Opnemingen Psychiatrische Ziekenhuizen (Niederland) Bundesdatenschutzgesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundestagsdrucksache Bundesgesundheitsblatt (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht
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Abkürzungsverzeichnis
BVerwGE BW BzgA bzw. CDU CRCI CSP CSS CSU DÄBl ders. dies. DJT DMW Einl et al. ETENE
f. FamRZ FAZ FDP Fern-USG ff. FG FMWV Fn. FS FÜR FuR G+G GG GGW GGZ GKV GKV-NOG GKV-SolG GKV-WSG GRG GVG Hdb HeimG
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Burgerlijk Wetboek Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bzw. Christlich Demokratischen Union Commission régionale de conciliation et d’indemnisation Code de la Santé Publique Code de la sécurité sociale Christlich Soziale Union Deutsches Ärzteblatt (Zeitschrift) derselbe dieselbe(n) Deutscher Juristentag Deutsche Medizinische Wochenschrift (Zeitschrift) Einleitung et altera Riksfattande etiska delegationen inom hälso- och sjukvården/ Valtakunnallinen terveydenhuollon eettinen neuvottelukunta folgend(e/r) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Zeitschrift) Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht fortfolgend(e) Festgabe Federatie van Medisch Wetenschappelijke Verenigingen Fußnote Festschrift Familie Partnerschaft Recht (Zeitschrift) Familie und Recht (Zeitschrift) Gesundheit und Gesellschaft (Zeitschrift) Grundgesetz Gesundheit und Gesellschaft Wissenschaft (Beilage der Zeitschrift G+G) Geestelijke Gezondheidszorg Nederland Gesetzliche Krankenversicherung Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der GKV GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen Gerichtsverfassungsgesetz Handbuch Heimgesetz
Abkürzungsverzeichnis
Hs. HTA i.S.d. i.V.m. IfSG InEK JA JR Jura JuS JZ Kap. KELA KG KNMG LEVV LG LMK m.w.N. MBO MDR Med Law MedR Müko Ned Tijdschr Geneeskd NIVEL NJOZ NJW NJW-RR NPCF Nr. NVwZ NVZ NZS o.V. OECD OLG ONIAM
PKV RdA Rdn.
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Halbsatz Health Technology Assessment im Sinn der/ des in Verbindung mit Infektionsschutzgesetz Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) JuristenZeitung (Zeitschrift) Kapitel Kansaneläkelaitos Kammergericht Vereinigngen Koninklijke Nederlandsche Maatschappij tot bevordering der Geneeskunst Landelijk Expertisecentrum Verpleging & Verzogring Landgericht Lindmaier-Möhring mit weiteren Nachweisen Muster-Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Medicine and Law (Zeitschrift) Medizinrecht (Zeitschrift) Münchener Kommentar Nederlands Tijdschirft voor Geneeskunde (Zeitschrift) Nederlands instituut voor onderzoek van de gezondheidszorg Neuen Juristischen Online-Zeitschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) Nederlandse Patiënten Consumenten Federatie Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) ohne Verfasser(in) Organisation for Economic Co-operation and Development Oberlandesgericht Office National d'Indemnisation des Accidents Médicaux, des Affections Iatrogènes et des Infections Nosocomiales Private Krankenversicherung Recht der Arbeit (Zeitschrift) Randnummer(n)
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Abkürzungsverzeichnis
RelKErzG REMM RG RGSt RGZ RÖV RPG RVO RVO S. SchuldR SGb SGB Soz.-Präventivmed SozV SPD StGB StPO StrlSchVO StrRG. SVRKAiG TFG TPG u.a. Urt. VersR vgl. VGN Vorbem VSSR vzbv WGBO WHO WKCZ WMCZ WMK WOD WTL WVO Z. f. Gesundheitswiss z.B. ZEF ZEV
Gesetz über die religiöse Kindererziehung resource-full, evaluating, maximizing man Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Röntgenverordnung Recht und Politik im Gesundheitswesen (Zeitschrift) Reichsversicherungsordnung Reichsversicherungsordnung Seite(n) oder Satz Schuldrecht Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Sozialgesetzbuch Sozial- und Präventivmedizin (Zeitschrift) Die Sozialversicherung (Zeitschrift) Sozialdemokratische Partei Deutschland Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strahlenschutzverordnung Strafrechtsreformgesetz Sachverständigenrat für Konzertiete Aktion im Gesundheitswesen Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens Transplantationsgesetz unter anderem Urteil Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Vereiniging Gehandicaptenzorg Nederland Vorbemerkung Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Wet op de Geneeskundige Behandlingsovereenkomst World Health Organization Wet klachtrecht cliënten zorgsector Wet medezeggenschap cliëenten zorginstellingen Wet op de medische keuring Wet op de Orgaandonatie Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding Werkstättenverordnung Zeitschrift für Gesundheitswissenschaft (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (Zeitschrift) Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
ZfS ZHG zit ZON ZPO ZRP ZStW
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Zeitschrift für Schadensrecht (Zeitschrift) oder Zeitschrift für Soziologie (Zeitschrift) Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde zitiert ZorgOnderzoek Nederland Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Zeitschrift)
Einleitung Die Behandlung von Patienten durch einen Arzt oder in einem Krankenhaus tangiert die wesentlichen Rechtsgüter des Menschen, das Leben und die körperliche Unversehrtheit, und ist dabei ein alltägliches Geschehen. Dennoch gibt es kein spezielles Patientenrechtegesetz in Deutschland. Auch das BGB enthält keinerlei Regelungen über die Rechte und Pflichten des Patienten, die ihre Grundlage im Behandlungsvertrag haben. Vielmehr finden die allgemeinen Vorschriften des BGB auf den Behandlungsvertrag, der nach ganz einhelliger Auffassung als Dienstvertrag qualifiziert wird,1 Anwendung. Allerdings existieren in anderen Rechtsgebieten zum Teil Regelungen, die auf das Behandlungsverhältnis zwischen Patient und Arzt bzw. Krankenhaus einwirken. So beeinflusst das Sozialrecht, insbesondere das SGB V, das Verhältnis zwischen Patienten und Leistungserbringern erheblich.2 Im Strafrecht findet sich eine spezielle Regelung für den Arzt in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht mit Strafe bedroht. Auch im Standesrecht existieren Regelungen, die die Pflichten der behandelnden Ärzte und damit spiegelbildlich die Rechte der Patienten betreffen. Daneben wirken auch das Wettbewerbs- und das Verwaltungsrecht auf das Behandlungsverhältnis ein. Ebenso ist das Verfassungsrecht von grundlegender Bedeutung für die Patienten.3 Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sind die Basis der Patientenrechte.4 Der Großteil der individuellen Rechte der Patienten in dem Behandlungsverhältnis zum Arzt oder Krankenhausträger sind von der Zivilrechtsprechung durch verfassungskonforme Auslegung allgemeiner Normen entwickelt und ausgeprägt worden.5 Sie hat sich dabei auf einer „schmalen normativen Grundlage“ bewegt.6 Dieses Ausmaß des Richterrechts, die lediglich fragmentarische Regelung der Patientenrechte und -pflichten in Gesetzen des Bundes, der Länder und der Selbstverwaltungsträger und der damit verbundene Vorwurf der Intransparenz BGH, Urt. v. 9.12.1974 – VII ZR 182/73, BGHZ 63, 306 (309); Urt. v. 25.3.1986 – VI ZR 90/85, BGHZ 97, 273 (277); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 f.; Baltzer, JuS 1982, 651 (652). 2 Vgl.: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen S. 23 (46). 3 Vgl.: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen S. 23 (46 f.); Welge/Lindemann, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 104 (104). 4 Ausführlich zu der grundrechtlichen Verankerung der Patientenrechte: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 105-126; Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 25-40, der zudem auf S. 46 darauf hinweist, dass das Parlamentsgesetz „der vorzüglichste Ort für die Ausgestaltung und Beschränkung der Grundrechte ist.“ 5 Welge/Lindemann, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 104 (104); Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 1; Laufs, NJW 1996, 2413 (2413); Stegers, AnwBl 2001, 545 (545). 6 Steffen, MedR 2002, 190 (190). 1
K. Kubella, Patientenrechtegesetz, DOI 10.1007/978-3-642-22741-7_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Einleitung
der Patientenrechte haben in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dass über eine Kodifikation der Patientenrechte diskutiert wurde. Auch derzeit wird eine Kodifikation von Patientenrechten zur Reduzierung der häufig beklagten Intransparenz und zur Beseitigung von Informations- und Vollzugsdefiziten erwogen.7 Zum Teil sehen die Befürworter einer Kodifikation die Gefahr, dass im Rahmen des Wandels der Gesundheitssysteme der Patient als schwächstes Glied in der Kette zunehmend schutzlos gestellt ist.8 Mit einer Normierung der Patientenrechte verbinden sie demnach einen verbesserten Patientenschutz. Zugegebenermaßen unterliegen die Gesundheitssysteme insgesamt und mit ihnen die Verhältnisse der Beteiligten untereinander einem erheblichen Wandel. Insbesondere ein rasanter und kostspieliger medizinisch-technischer und biomedizinischer Fortschritt, die demographische Entwicklung, die damit verbundene Ressourcenknappheit und die Finanzierungsprobleme führen weltweit zu einem Bruch mit althergebrachten Strukturen. So ist die Diskussion über die Stärkung von Patientenrechten kein deutsches Phänomen. Seit geraumer Zeit diskutieren auf internationaler Ebene Praxis und Wissenschaft, ob eine Normierung von Patientenrechten angezeigt ist.9 Teilweise wurde eine solche bereits vollzogen. Finnland hat im Jahr 1992 ein spezielles Patientenschutzgesetz erlassen,10 das heute als das umfassendste anerkannt ist. Die Niederlande, deren Patientenschutzmaßnahmen ebenso wie die finnischen auf internationaler Ebene als sehr fortschrittlich gewürdigt werden,11 haben den Behandlungsvertrag im Jahr 1995 in ihrem Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und weitere bereichsspezifische Gesetze erlassen, um den Patientenschutz auszubauen. Auch dem niederländischen Regelungsmodell wird international häufig Vorbildfunktion zugeschrieben.12 Des Weiteren hat Frankreich im Jahr 2002 die Patien7
Gerst, DÄBl 2009, A1086 (A1087); so etwa die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Patientenrechte in Deutschland“, siehe dazu: Luxenburger, MedR 2001, 594 (595); vgl. auch den Entwurf des Regierungsprogramms der SPD 2009, S. 32, abrufbar unter: http://library.fes. de/prodok/ip-02016/regierungsprogramm2009_lf_navi.pdf (zuletzt besucht am 11.6.2011); CDU/CSU/FDP, Koalitionsvertrag „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“, S. 90, abrufbar unter http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf (zuletzt besucht am 11.6.2011); BT-Drcks. 17/907, S. 1 f. 8 Hörmann, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa S. 7 (7); Stegers, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa S. 89 (78 f.); vgl.: Pichler, Internationale Entwicklung in den Patientenrechten, S. 45 f., 164. 9 Vgl. nur das Ausmaß existierender Literatur, z.B.: Carmi/Wax, Patients‘ Rights, passim; Iliev/Vienonen, Patients' rights development in Europe, passim; Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, passim; Leenen/Pinet/Prims, Trends in health legislation in Europe, passim; Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, passim; Westerhäll/Phillips, Patient’s rights, passim; WHO, Consultation on the Development of Patients' Rights in Europe, passim. 10 Hanika, MedR 1999, 149 (153); vgl. auch: Schienkiewitz/Dierks, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 179 (200). 11 Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (95); Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 30. 12 Vgl. im Hinblick auf die niederländische Regelung: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/ Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (95, 97), siehe auch die Äußerungen
Einleitung
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tenrechte gesetzlich geregelt. Die internationalen Entwicklungen in Finnland, den Niederlanden und Frankreich beim Patientenschutz sollen in dieser Arbeit zum Anlass genommen werden, um einen „Blick über den Tellerrand“ zu den europäischen Nachbarn zu wagen. Eine ausführliche Gegenüberstellung der finnischen, niederländischen und französischen Rechtslage mit der deutschen soll und kann hier indes aus Gründen der Übersichtlichkeit und des Umfangs nicht erfolgen. Zudem gilt es zu beachten, dass die Ausgestaltung des jeweiligen Gesetzes und der damit gewählte Lösungsansatz zur Stärkung der Patientenrechte in erheblichem Maße von der Struktur des Gesundheitswesens und Staatssystems des jeweiligen Landes abhängt. Jedoch ist der Blick auf den Umgang mit der Problematik in anderen europäischen Ländern nicht nur unter dem Aspekt einer Orientierung des deutschen Gesetzgebers an den Aushängeschildern der europäischen Patientenrechtegesetzgebung lehrreich und inspirierend, sondern auch im Hinblick auf die Harmonisierungsbemühungen im zusammenwachsenden Europa wertschaffend.13 Generell ist zu bedenken, dass sich im Rahmen der Diskussionen um die Normierung von Patientenrechten das Augenmerk nicht nur auf individuelle Patientenrechte zivilrechtlicher Natur, sondern auch auf individuelle Rechte anderer Rechtsnatur und insbesondere auf kollektive Patientenrechte14 richtet. Demgemäß wird neben der Stärkung der Autonomie des Patienten durch eine gesetzliche Regelung und einer damit einhergehenden verbesserten Beteiligung am konkreten Behandlungsgeschehen eine allgemeine Beteiligung an systembezogenen Entscheidungen und eine möglichst einfache Schadensregulierung diskutiert. Diese Arbeit soll sich jedoch auf eine etwaige Kodifikation derjenigen individuellen Patientenrechte konzentrieren, die ihre Wurzeln in dem Behandlungsverhältnis zwischen Patient und Arzt bzw. Krankenhaus haben. Es soll ein Gesetzgebungsvordazu von Paul Francissen, dem Koordinator des Projekts „Patientenrechte“ im niederländischen Gesundheitsministerium, in: Scholten/Hoogerwerf, BASIS 2005 (1), 12 ff. 13 So hat sich die EU-Kommission im November 2008, nachdem die EU-Gesundheitskommissarin a.D. Andrea Vassiliou bekanntgab, dass jede zehnte Behandlung europaweit fehlerhaft sei, dafür ausgesprochen, die Rechte von Patienten zu verbessern und europaweite Mindeststandards zu schaffen. Das europäische Parlament hat am 23.4.2009 im Rahmen der erste Lesung des Richtlinienentwurfs über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/health/p h_overview/co_operation/healthcare/docs/COM_de.pdf, zuletzt besucht am 10.6.2011) die Stärkung eben dieser befürwortet und die Richtlinie angenommen. Siehe auch: Müller, MedR 2009, 309 (309), die die Sinnhaftigkeit einer nationalen Regelung aufgrund der europäischen Harmonisierungsbestrebungen in Frage stellt, zugleich aber darauf verweist, dass sich eine europäische Regelung insbesondere aufgrund des unterschiedlichen medizinischen Standards besondere Schwierigkeiten gegenübersehe. 14 Kollektive Patientenrechte zielen auf eine Stärkung der Mitwirkung an systemrelevanten Entscheidung und politischer Partizipation von Patienten ab und werden häufig unter dem Schlagwort „Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen“ erörtert. Winfried Kluth spricht insoweit von der „Förderung oder dem institutionellen Schutz von Patientenrechten“, siehe: Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 2 (7). Ausführlich zu kollektiven Patientenrechten: BZgA, Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, passim; Francke/Hart, Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, passim; Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 87-95; Rega, Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 41-82.
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schlag erarbeitet und daraufhin kritisch untersucht werden, ob er die Rechtkenntnis seiner Adressaten und Benefiziare fördern und das bemängelte Umsetzungsdefizit beseitigen kann. Entsprechend der Beschränkung der Arbeit auf die Arzt-Patienten-Beziehung wird im Rahmen dieser Untersuchung vorrangig auf das Zivilrecht eingegangen. Indes sind Ausführungen zum Sozialrecht in einer Arbeit, die sich mit dem deutschen Gesundheitssystem befasst, in Anbetracht des Umstandes, dass nahezu 90 Prozent der Bevölkerung gesetzlich versichert ist,15 unumgänglich. Ebenso ist das Eingehen auf verfassungsrechtliche Aspekte notwendig, sofern es darum geht, den Handlungsbedarf für eine gesetzliche Regelung zu untersuchen und etwaige Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers aufzuzeigen. Auf strafrechtliche Aspekte soll nur insoweit eingegangen werden, wie es für den Gang der Untersuchung erforderlich ist. Datenschutzrechtliche Aspekte werden nur im Zusammenhang mit der Schweigepflicht der Behandlungsseite erörtert.16 Fragen zur Arzneimittel- und Medizinprodukthaftung bleiben außer Betracht.
15 Armbruster, Versorgungsnetzwerke im französischen und deutschen Gesundheitswesen, S. 24; Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (35). 16 Ausführlich zu dem Schutz von patientenbezogenen Gesundheitsdaten nach den Bundes- und Landesdatenschutzgesetzen: Meier, Der rechtliche Schutz patientenbezogener Gesundheitsdaten, passim.
Erstes Kapitel: Notwendigkeit einer gestärkten Patientenstellung I. Umsetzungsdefizite im Behandlungsalltag Die Patientenrechte werden im Behandlungsalltag häufig nur unzureichend umgesetzt. Der Paternalismus, der die Arzt-Patienten-Beziehung im letzten Jahrhundert noch geprägt hat,1 ist heute weitestgehend überwunden. Die Patientenautonomie und die sich aus ihr resultierenden Rechte2 sind rechtlich anerkannt. Die gesellschaftlichen Bestrebungen, die Selbstbestimmung des Patienten zu stärken, setzten in den siebziger Jahren ein.3 Die Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation des einzelnen Patienten, die Einbeziehung seiner emotionalen Bedürfnisse in die Therapie und die Möglichkeit, selbstbestimmt zu entscheiden, sind Bestandteil des modernen Ideals einer partnerschaftlichen Arzt-Patienten-Beziehung.4 Dennoch werden die Patientenrechte während der Behandlung zu wenig beachtet oder eingefordert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Teilweise wird der Grund für dieses Umsetzungsdefizit (hauptsächlich) in der Intransparenz des geltenden Rechts und in der fehlenden Kenntnis der eigenen Rechte und Pflichten gesehen.5 Indes sind auch systeminterne Faktoren, wie wirtschaftliche Zwänge bei der Behandlung, Arbeitsüberlastung von Ärzten oder eine mangelhafte Ausbildung der angehenden Mediziner in der Kommunikation mit dem Patienten und in ethischen Fragen, nicht außer Acht zu lassen. Ebenso ist das natürliche Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen Behandler und Patient zu berücksichtigen. Letzterer befindet 1
Huerkamp, Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert, S. 153: „So fanden sich Ende des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Ratgebern für die Ärzte der Hinweis, dass der Patient dem Arzt gegenüber unbedingt gehorsam sein müsse und sich den ärztlichen Anordnungen bedingungslos zu unterwerfen habe.“ Vgl. die Ausführungen des LG Essen, auf die der BGH in seinem Urt. v. 28.11.1957 - 4 StR 525/57, BGHSt 11, 111 (112 ff.), Bezug nimmt. Siehe auch: Ringier, Leiden und Freuden eines Landarztes, S. 60 ff.; Härle, FPR 2007, 47 (47); vgl. zur Begriffsbestimmung: Geisler, in: Deutscher Bundestag, Recht und Ethik der modernen Medizin, S. 473 (475 f.) m.w.N. 2 Siehe: Pichler, Internationale Entwicklungen der Patientenrechte, S. 163; Leenen/Pinet/ Prims, Trends in health legislation in Europe, S. 9. 3 Vgl.: Deppe, Soziale Verantwortung und Transformation von Gesundheitssystemen, S. 14 f.; Müller-Mundt/Ose, Beratung im Gesundheits- und Sozialwesen, S. 4, 53; Härle, FPR 2007, 47 (47). 4 Siehe zur Partnerschaft zwischen Arzt und Patient als Ideal: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 1. 5 BT-Drcks, 17/907, S. 1 f.; SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 9 Nr. 5, S. 346 Nr. 412; WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f.; Harmann, NJOZ 2010, 819 (825); vgl.: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1090), die das Regelungsbedürfnis eines Patientenrechtgesetzes vor allem in dem gesteigerten Informationsbedürfnis der beteiligten Parteien sehen.
K. Kubella, Patientenrechtegesetz, DOI 10.1007/978-3-642-22741-7_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Erstes Kap.: Notwendigkeit einer gestärkten Patientenstellung
sich durch seine Krankheit in einer Position der Schwäche. Im schlimmsten Fall ist er in seinen existentiellen Rechtsgütern bedroht. Der Behandler ist hingegen aufgrund seiner erworbenen Fähigkeiten dem Patienten wissenstechnisch überlegen6 und zur Wahrung seiner Professionalität emotional distanziert. In der asymmetrischen Beziehung zwischen dem Arzt als Experten und dem Patienten als Laien sind folglich Spannungen angelegt, die ein Einfordern der Rechte während der Behandlung erschweren.
II. Patientenrechte als besondere Verbraucherrechte Aufgrund der in diesem Kapitel bereits angesprochenen Asymmetrien wird der Patient häufig als Verbraucher und die Behandlungsseite als Unternehmer qualifiziert.7 Dies entspricht einem allgemeinen Trend. Der Umfang des Verbraucherschutzrechts hat in Anerkennung des Umstandes, dass infolge von strukturellen Machtunterschieden zwischen Vertragspartnern eine inhaltliche Ausgewogenheit der durch Vertrag begründeten wechselseitigen Rechte und Pflichten häufig nicht gegeben ist, in dem letzten Jahrzehnt erheblich zugenommen. Verbraucherschutzregeln haben seit der Schuldrechtsreform im Jahr 2002 zunehmend Eingang in das BGB gefunden und das Prinzip der Vertragsfreiheit signifikant beschränkt.8 Nach § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Ausgehend von dem Wortlaut des § 13 BGB könnte der Patient als Verbraucher qualifiziert werden. Dass die Heilbehandlung kein Produkt, sondern eine Dienstleistung ist, steht der Bejahung des Verbraucherbegriffs nicht entgegen. Vielmehr wird Verbraucherschutz gerade im Dienstleistungssektor als besonders notwendig eingestuft, da das Preis-Leistungsverhältnis hier regelmäßig intransparent und die Konditionen vielfältig sind, so dass der „Laie“ besonders schutzbedürftig ist.9 Es existieren vielfach öffentlich- und privatrechtliche Verbraucherschutzregelungen, die vor Risiken fehlerhafter Dienstleistungen schützen sollen. Als Beispiel sei insoweit auf Regelungen des Pauschalreiserechts im BGB (§§ 651a – 651m BGB) und auf das Ge-
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Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 23; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 87; Stevenson, in: Wendt/Wolf, Soziologie der Gesundheit, S. 224 (224): „When doctors meet patients two very different worlds come together, namely, a professional world and a lay world.” 7 Vgl.: Badura/Hart/Schellschmidt, in: dies., Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 13 (25 f.); Francke/Hart, Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, S. 29 ff; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 21; Hart, Jura 2000, 14; Struck, JA 2004, 68 (70). 8 Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 273; vgl. auch: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patientenformation, S. 5 ff. 9 Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 7 f.; Struck, JA 2004, 68 (70).
II. Patientenrechte als besondere Verbraucherrechte
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setz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fern-USG10) verwiesen.11 In diesem Zusammenhang erscheint es jedoch befremdlich, Gesundheitsdienstleistungen, die der Heilung dienen und im Bereich des Existenziellen angesiedelt sind, mit Dienstleistungen zu vergleichen, die ausschließlich konsumorientiert sind.12 Schließlich sind hier nicht Vermögensinteressen, sondern die körperliche Unversehrtheit und das Leben betroffen. Allenfalls könnte an eine Vergleichbarkeit im Rahmen der Gewährleistung der Gesundheitsvorsorge und insbesondere im Rahmen der sogenannten Lifestyle-Medizin gedacht werden, da hier eine bestimmte Dienstleistung nachgefragt wird, ohne dass diese lebensnotwendig ist oder der Patient sie zwingend zur Heilung benötigt.13 Darüber hinaus wird zum Teil gegen eine Subsumtion des Patienten unter dem Verbraucherbegriff angeführt, dass die Leistungsbeziehung zwischen Behandlungsseite und Patient einen prozesshaften Charakter hätte.14 Dies gelte insbesondere dann, wenn der Patient in einem Krankenhaus stationär behandelt werde und eine Vielzahl von Ärzten und Pflegern mehrere Leistungen über einen längeren Zeitraum erbrächten.15 Tatsächlich ist dies vor allem auf die Verschärfung der „Wettbewerbsbedingungen“ und den medizinischen Fortschritt zurückzuführen. Letzterer geht seit etwa 50 Jahren mit einer zunehmenden Technologisierung und einer damit verbundenen Anonymisierung der Medizin Hand in Hand.16 Qualität wird von den Leistungserbringern heute insbesondere im medizinisch-technischen Sinn verstanden. Die persönliche Beziehung zum Patienten leidet oftmals infolge des Kostendrucks und des Zeitmangels. Gerade eine solche zunehmende Anonymisierung in diesen Leistungsbeziehungen führt jedoch zu einer Annäherung des Behandlungsverhältnisses an eine schlichte Verbraucher-Unternehmer-Beziehung. Allerdings sind die Rahmenbedingungen der medizinischen Versorgung nicht vergleichbar mit denen einer typischen Verbraucher-Unternehmer-Beziehung. Die medizinischen Dienstleistungen werden innerhalb eines zunehmend komplexer werdenden Gesundheitssystems erbracht,17 das sich durch eine Mischform von selbstregulierendem Markt und erheblicher staatlicher Regulierung auszeichnet. Durch die Beeinflussung des Gesundheitsmarktes, insbesondere durch das Sozialversicherungsrecht, ist dieser 10
Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19). 11 Borchert, Verbraucherschutzrecht, S. 37. 12 Ähnlich: Deppe, Soziale Verantwortung und Transformation von Gesundheitssystemen, S. 10; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 21. 13 Für den Bereich der Lifestyle-Medizin wohl ähnlich denkend: Nitschmann, Das ArztPatienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 192. 14 Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 2 (9 f.). 15 Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 2 (9 f.); Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 67. 16 WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 3; Wolff, Arzt und Patient, S. 2. 17 Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 2 (9 f.).
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Erstes Kap.: Notwendigkeit einer gestärkten Patientenstellung
ungleich komplexer und intransparenter als der übrige Waren- und Dienstleistungsmarkt.18 Diese zunehmende Marktintransparenz spricht gleichwohl für eine Subsumtion des Patienten unter den Verbraucherbegriff. Jedoch nähmen die Patienten, sofern man sie unter den Verbraucherbegriff subsumierte, eine Sonderstellung unter den Verbrauchern ein. Sie sind grundsätzlich weniger souverän und mündig als Verbraucher sonstiger Leistungen oder Produkte. Zwar hat der Patient das Recht auf freie Arztwahl und kann theoretisch und aus rein medizinischen Aspekten regelmäßig zwischen unterschiedlichen Behandlungsmethoden wählen. Tatsächlich wird die Entscheidung insbesondere des gesetzlich versicherten Patienten größtenteils durch die Festlegung der Leistungskataloge determiniert. In der Entscheidungsfindung des Patienten werden Kostenerwägungen häufig eine bestimmende Rolle spielen. Der Durchschnittspatient wird die erstattungsfähige Behandlungsmethode in Anspruch nehmen, selbst wenn die Alternativen ihm qualitativ hochwertiger erscheinen. Dass der Patienten als Versicherter seine Krankenkasse frei wählen und somit in begrenztem Maße mittelbar über das Leistungsspektrum bestimmen kann, führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Darüber hinaus gilt es im Hinblick auf Wahlmöglichkeiten des Patienten unter verschiedenen Behandlungsmethoden zu bedenken, dass die Aufklärung des Patienten über die unterschiedlichen Methoden durch den Arzt maßgeblich von dessen eigenem Wissensstand abhängen. Ferner wird diese regelmäßig durch die Meinung des aufklärenden Arztes zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Methoden subjektiv eingefärbt, so dass der Patient seine Entscheidung letztlich nicht auf rein objektive Fakten stützen kann.19 Außerdem ist die Wissensaufnahme und Verarbeitung in der Situation des Aufklärungsgespräches meist äußerst gering. Hier spielen psychische Faktoren, wie Stress und Angst, eine große Rolle.20 In Studien stellte sich heraus, dass sich die Hälfte der Patienten bereits kurz nach dem Aufklärungsgespräch an bestimmte Inhalte nicht mehr erinnerte und nur circa 80 Prozent der befragten Patienten die wesentlichen Inhalte des Gesprächs noch wiedergeben konnte.21 Zudem büßt ein Mensch mit dem Fortschreiten seiner Krankheit regelmäßig 18
Vahrenkamp, Verbraucherschutz, S. 15. Dierks/Martin/Schienkiewitz, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 89 (90); Feuerstein/Kuhlmann, in: dies., Neopaternalismus, S. 9 (11), sprechen insofern von einer manipulativen Verzerrung bei der Information des Patienten; vgl. auch: Nitschmann, MedR 2008, 133 (136): „Der Arzt besitzt die fachliche Kompetenz und damit grundsätzlich eine fundierte Entscheidungsmacht und hat häufig auch unter soziokulturellen Aspekten einen intellektuellen Vorsprung gegenüber dem Kranken, was ihm in dem angestrebten Interaktionsprozess eine gewisse Steuerungsmacht verleiht.“ 20 Dierks/Martin/Schienkiewitz, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 89 (93 f.); Giebel et al., NJW 2001, 863 (864 ff., insbesondere 866), die die Faktoren Vorkenntnisse des Patienten, Lernfähigkeit und Willen des Patienten sowie die Fähigkeit des Arztes, Wissen patientenadäquat zu vermitteln, als wesentlich für das nach dem Aufklärungsgespräch tatsächlich vorhandene Patientenwissen ansehen. 21 Vgl.: Dierks/Martin/Schienkiewitz, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 89 (93) m.w.N.; siehe auch: Radner et al., RPG 2007, 10 (12 ff.); Deutsch, NJW 1979, 1905 (1907) m.w.N. 19
II. Patientenrechte als besondere Verbraucherrechte
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die Fähigkeit ein, seine Lage objektiv wahrzunehmen und auf Grundlage dessen eine selbstbestimmte und rationale Entscheidung zu treffen.22 Ein souveräner Gebrauch der Wahlmöglichkeiten ist dann nicht mehr denkbar. Des Weiteren ist es dem Patienten, je nachdem unter welcher Krankheit er leidet, nicht möglich, die Mittel zur Zielerreichung im Vorhinein festzulegen. Dies gilt etwa beim intensivmedizinisch Behandelten, beim schwerkranken Notfallpatienten, beim geistig Behinderten, der die eigene Krankheit intellektuell oder psychisch gar nicht erfassen kann, oder auch nur bei älteren, nicht mehr vollkommen orientierten Menschen. Selbst derjenige Patient, der sich seiner Krankheit bewusst ist und gegen diese angehen möchte, wird mangels Fachwissen nach einer umfassenden Information über unterschiedlichen Behandlungsmethoden regelmäßig Schwierigkeiten haben, die ärztlichen Maßnahmen für seine Heilung zu bestimmen.23 Der medizinisch ungebildete Patient ist häufig noch nicht einmal dazu imstande, die Qualität der Behandlung genau zu beurteilen und somit tatsächlich eine Wahlmöglichkeit auszuüben.24 Die Dienstleistung „Behandlung“ wird regelmäßig zeitgleich zu ihrem „Konsum“ erbracht, so dass eine vorherige Inaugenscheinnahme oder eine probeweise Inanspruchnahme, wie beim Autokauf die Testfahrt, nicht in Betracht kommt. Dies allein stellt aber noch keine Besonderheit dar, die nur im Gesundheitssektor zu finden ist. Auch im Restaurant oder beim Friseur fällt das Erbringen der Dienstleistung mit der tatsächlichen Inanspruchnahme eben dieser zusammen.25 Aufgrund der Besonderheit des Rechtsgutes Gesundheit erweist es sich jedoch schwieriger, an zuverlässige Informationen über die Qualität der Behandlung vor ihrer Inanspruchnahme zu gelangen als an Informationen über die Qualität eines Restaurants oder eines Friseurs. Der Patient kann sich selten auf seine eigenen Erfahrungen verlassen und auf Altbewährtes zurückgreifen; es sei denn, er ist chronisch krank oder leidet an einer Alltagskrankheit. Auch die Orientierung an den Erfahrungen anderer Patienten ist meist wenig hilfreich.26 Die Behandlung eines Patienten mit einer Blinddarmentzündung unterscheidet sich beispielsweise wesentlich von der eines Krebskranken. Zudem sind Krankheitsbilder der gleichen Erkrankung selten komplett identisch. Dafür ist der menschliche Organismus zu komplex und von unterschiedlichen Eigenarten bestimmt. So kann der Behandlungserfolg nicht immer auf die Qualität der Therapie zurückgeführt werden. Der 22
Dierks/Martin/Schienkiewitz, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 89 (96); Musil, Stärkere Eigenverantwortung in der GKV, S. 146 f.; Schubert-Lehnhardt/Gibas/Möbest, Gesundheit - ein Produkt, S. 9; SVRKAiG, Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 344 Rdn. 404; ähnlich: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 87; a.A.: Breyer/Zweifel/Kifmann, Gesundheitsökonomik, S. 179 f. 23 Deppe, Soziale Verantwortung und Transformation von Gesundheitssystemen, S. 10; Schubert-Lehnhardt/Gibas/Möbest, Gesundheit - ein Produkt, S. 14. 24 Ähnlich: Deppe, Soziale Verantwortung und Transformation von Gesundheitssystemen, S. 10; Schubert-Lehnhardt/Gibas/Möbest, Gesundheit - ein Produkt, S. 14. 25 Dierks/Siebeneick/Röseler, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 4 (18); Breyer/ Zweifel/Kifmann, Gesundheitsökonomik, S. 182; Tscheulin/Helmig, Patientenzufriedenheitsmessungen im Krankenhaus, S. 1. 26 So aber: Schmutte, Total Quality Management im Krankenhaus, S. 230, 232.
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Erstes Kap.: Notwendigkeit einer gestärkten Patientenstellung
menschliche Organismus ist nicht vollständig beherrschbar, so dass auch andere Faktoren für den Heilungsprozess wesentlich gewesen sein können. Häufig ist eine Qualitätsbeurteilung der medizinischen Dienstleistung aufgrund dessen selbst nach ihrer Inanspruchnahme nicht möglich.27 Ferner stützt sich die Bewertung der Qualität des medizinisch nicht gebildeten Patienten regelmäßig nicht auf fachliche Aspekte. Mangels medizinischen Fachwissens wird der Patient seine Bewertung vielfach auf fachfremde Faktoren, wie zum Beispiel die Freundlichkeit und das Verständnis des Arztes oder der Pfleger, die Wartezeiten beim Arzt, die Praxisausstattung oder die Qualität des Essens im Krankenhaus stützen.28 Des Weiteren kann der Patient nicht den Umfang der Befriedigung seines Bedürfnisses, der Wiedererlangung seiner Gesundheit, bestimmen. Dies ist selbst dem Arzt nicht möglich. Dieser wird sich zwar stets um die völlige Heilung bemühen, kann aber das komplexe Wechselspiel zwischen Krankheit, körperlichen und psychischen Dispositionen des Patienten nicht vollständig steuern.29 Aufgrund dessen ist der Behandlungsvertrag schließlich ein Dienst- und kein Werkvertrag. Der Patient sieht sich folglich vollkommen anderen Bedingungen ausgesetzt als im „normalen“ Wirtschaftsleben: Er verfügt über weniger Informationen und ist dadurch sowie angesichts der Besonderheiten des Rechtsgutes Gesundheit weniger souverän als der „normale“ Verbraucher.30 Damit erscheint der Patient jedoch in Anbetracht der Wichtigkeit der betroffenen Rechtsgüter und seiner besonderen Situation erst recht als besonders schutzbedürftig und -würdig.31 Sinn und Zweck des stark von sozialund verteilungspolitischen Erwägungen geprägten32 Verbraucherschutzrechtes ist gerade der Schutz und die Stärkung der schwächeren Vertragspartei.33 Es soll generell die als unangemessen empfundene Benachteiligung des Verbrauchers, die durch den Marktprozess entstehen kann und die in der intellektuellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Unterlegenheit des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer besteht, korrigieren bzw. verhindern, indem die Verbraucherschutzregelungen zu mehr Markttransparenz anhalten.34 Verbraucherschutz bedeutet somit immer höherer Rechtsschutz für die schwächere Vertragspartei. Eine Subsumtion des Patientenbegriffs erscheint nach den bisherigen Ausführungen rechtspolitisch und angesichts des Wortlauts des § 13 BGB auch rechtssystematisch angezeigt. 27
Breyer/Zweifel/Kifmann, Gesundheitsökonomik, S. 182. Für die Beurteilung von Krankenhäusern: Schmutte, Total Quality Management im Krankenhaus, S. 232; Tscheulin/Helmig, Patientenzufriedenheitsmessungen im Krankenhaus, S. 1; vgl. etwa die Studien zur Wartezeit als Faktor der Patientenzufriedenheit: Mowen/Licata/McPhail, Journal of Health Care Marketing 1993, 26-33. 29 Dierks/Siebeneick/Röseler, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 4 (18 f.). 30 Zu einseitig: Giebel et al., NJW 2001, 863 (866 f.), die in dem mündigen Patienten nur eine „Kunstfigur“ oder ein „Wunschbild“ sehen. 31 So wohl: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 9. 32 Borchert, Verbraucherschutzrecht, S. 2; Vahrenkamp, Verbraucherschutz, S. 16. 33 Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 2 (9 f.); Vahrenkamp, Verbraucherschutz, S. 15. 34 Borchert, Verbraucherschutzrecht, S. 2; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, S. 306 f.; Vahrenkamp, Verbraucherschutz, S. 16. 28
II. Patientenrechte als besondere Verbraucherrechte
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Tatsächlich hat die Verbraucherbewegung, die ihre Ursprünge als Reaktion auf Unzulänglichkeiten der Marktwirtschaft in den Vereinigten Staaten hat,35 die Diskussion um kollektive Patientenrechte gefördert.36 Kennzeichen der Verbraucherrechtspolitik ist indes auch immer ein Ausgleich von gegenteiligen Interessen der am Markt Beteiligten. In der „gewöhnlichen“ Verbraucher-Unternehmer-Beziehung besteht diese Interessendivergenz darin, dass der Anbieter sein Produkt oder seine Dienstleistung auf dem Markt mit höchstmöglichem Gewinn veräußern und der Verbraucher zugleich das Produkt oder die Dienstleitsung möglichst günstig erwerben möchte.37 Diese Interessenasymmetrie ist jedoch auf den Gesundheitsbereich nicht übertragbar. Zwar sind auch Ärzte und Krankenhäuser regelmäßig aus einem natürlichen Gewinnstreben heraus bemüht, Profit zu erzielen. Dem Patienten wird der Preis hingegen gleichgültig sein, soweit die GKV zahlt bzw. die PKV die Kosten erstattet. Das Hauptanliegen des Arztes und des Patienten ist dagegen das gleiche: die Heilung des Kranken oder zumindest seine Beschwerdefreiheit.38 Auch die Persönlichkeit und Vertraulichkeit der Arzt-Patienten-Beziehung unterscheidet diese von dem klassischen Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis.39 Das Vertrauen in den Arzt zeichnet die Arzt-Patienten-Beziehung aus; ist diese doch regelmäßig eine sehr individuelle, teilweise gar intime Beziehung und nicht vergleichbar mit einem normalen Vertragsverhältnis. So erlaubt der Patient dem Arzt, seinen Körper zu untersuchen und abzutasten. Je nach Krankheitsbild oder Untersuchung ist es überdies notwendig, dass der Arzt die körperliche Integrität verletzt oder durch Körperöffnungen in den Organismus eindringt. Der Patient bringt dem Arzt bereits dadurch in besonderem Maße Vertrauen entgegen, dass er sich in seine Behandlung begibt und ihm seine wertvollsten Rechtsgüter anvertraut.40 Kein Unternehmer benötigt bei der erfolgreichen Ausführung seiner Tätigkeit ein derart rückhaltloses Vertrauen seitens des Verbrauchers wie der Arzt vom Patienten.41 35
Borchert, Verbraucherschutzrecht, S. 4; Dekkers, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 99 (103). 36 Dietz, Patientenmündigkeit, S. 38 f.; Rega, Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 9 f. 37 Borchert, Verbraucherschutzrecht, S. 5. 38 Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 1 Rdn. 5. 39 Anders wohl: Geisler, in: Deutscher Bundestag, Recht und Ethik der modernen Medizin, S. 473: „In Extremfällen ist ein Patient im enger Sinne nicht mehr auszumachen und ergo auch kein Heilauftrag mehr gegeben. Das alte Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird teilweise abgelöst von einem Vertragsverhältnis mit genau definiertem Leistungsumfang. Der Patient wird zum Kunden, der Arzt zum Dienstleiter, Praxis und Krankenhaus zum „profit-center“. Der Umgang miteinander entspricht dann häufig dem vom misstrauischen Geschäftspartner.“; ähnlich auch: Hohloch, NJW 1982, 2577 (2579); dagegen: Härle, FPR 2007, 47 f. 40 Klemperer, in: Pundt, Professionalisierung im Gesundheitswesen, S. 61. 41 Ähnlich: Lilie/Orben, in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 324 (332): „Das Wesen des Verhältnisses zwischen dem Arzt und dem Patienten ist jedenfalls heute noch (…) mehr als nur eine juristische Vertragsbeziehung, indem sich der Patient seinem Arzt anvertraut und der Arzt seine Fähigkeiten in den umfassenden Dienst des Patienten
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Erstes Kap.: Notwendigkeit einer gestärkten Patientenstellung
Kein Verbraucher verlangt von einem Unternehmer ein derartiges Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme und Respekt wie ein Patient von seinem behandelnden Arzt. Ferner erwartet der Patient regelmäßig Aufklärung, so dass er mit Hilfe des Arztes eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann, ebenso wie Beistand in der Krankheit. Zwar wird grundsätzlich auch vom Unternehmer gefordert, dass er sich redlich verhält. Es ist aber durchaus legitim und wird auch als solches anerkannt, dass ein Unternehmer sich vorrangig gewinnorientiert verhält. Die Erwartungshaltung, dass der Geschäftsmann sein Verhalten in erster Linie an den Interessen seiner Vertragspartner ausrichtet und er ihnen Beistand leistet sowie sie umfassend aufklärt, existiert nicht. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur Arzt-Patienten-Beziehung. Der Arztberuf wird durch die ethische Verpflichtung geprägt, die eigenen Interessen denen des Patienten unterzuordnen.42 Es besteht demnach keine die Verbraucher-Unternehmer-Beziehung auszeichnende Interessendivergenz.43
III. Zwischenergebnis Der Patient ist nicht Verbraucher im Sinn des § 13 BGB. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er weniger schutzbedürftig und -würdig ist. Seine natürliche Unterlegenheit innerhalb des Behandlungsverhältnisses und sein Mangel an Souveränität muss durch Recht bestmöglich ausgeglichen werden.44 Dies wird durch das Rich-
stellt: Die ärztliche Behandlung lebt von der vertrauensvollen und uneingeschränkten Zuwendung beider Partner.“ 42 Ähnlich: Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 43. 43 Anders wohl: Geisler, in: Deutscher Bundestag, Recht und Ethik der modernen Medizin, S. 473. Die Ablehnung der Anwendbarkeit des Verbraucherbegriffs auf den Patienten ist dabei nicht gleichbedeutend mit einer Negierung oder Ablehnung der Patientenautonomie. Die Erkenntnis, dass der Patient infolge seiner subjektiven Betroffenheit nicht immer dazu in der Lage ist, seine Entscheidungen rational und anhand objektiver Kriterien zu treffen, darf nicht dazu verleiten, wieder in den Paternalismus zurückzufallen. Die Anerkennung aber, dass die Arzt-Patienten-Beziehung als Vertrauensbeziehung besonderes ist und der Patient auch Beistand und Fürsorge von der ärztlichen Seite bedarf, negiert die Forderung nach Souveränität und Autonomie nicht. Es gilt einen Ausgleich zu finden. Die Autonomie des Patienten muss gefördert werden, ohne dass dieser allein gelassen wird. 44 Vgl. zur Bedeutung des Rechts als Aufrechterhaltung, Begrenzung und Regelung von Macht: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 285 ff.; zur Begrenzung von Macht in Vertragsverhältnissen durch Recht siehe: Raiser, a,a.O., S. 272 ff., 289: „Am dramatischsten zeigt sich die aktuelle Bedeutung der rechtlichen Kontrolle von Macht und Herrschaft heute im Zivilrecht, weil dieses ursprünglich von der herrschaftsfreien, auf der Gleichordnung aller Bürger beruhenden Privatrechtsgesellschaft ausging, die in der Figur des frei abgeschlossenen Vertrags ihre rechtliche Symbolik fand. Diese Vorstellung wurde durch die ökonomische und soziale Entwicklung des 20. Jahrhunderts überholt; sie gibt heute Struktur und Aufgaben des Arbeits-, Wirtschafts- und Unternehmensrecht nicht mehr, des allgemeinen Zivilrechts nur noch mit großen Einschränkungen wider. Überall geht es stattdessen
III. Zwischenergebnis
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terrecht anerkanntermaßen zufriedenstellend gelöst, allerdings erst im Schadensfall. Eine Implementierung des Richterrechts im Behandlungsalltag findet nicht hinreichend statt. Es gilt diese Umsetzungsdefizite zu beseitigen.
darum, wirtschaftliche und soziale Machtpositionen rechtlich ‚einzufangen‘, die unabhängig von der formalen Rechtsgleichheit entstanden sind und diese aushöhlen.“
Zweites Kapitel: Entwicklung der Normierungsbestrebungen Die Diskussion um die Notwendigkeit einer Normierung von individuellen Patientenrechten setzte in Deutschland auf juristischer Ebene erstmals im Jahr 1962 ein. Der 44. Deutsche Juristentag beschäftigte sich mit der Frage, ob es sich empfehle, die Fragen der ärztlichen Aufklärungspflicht gesetzlich zu regeln.1 Allerdings fanden die Beratungen ausschließlich unter Gesichtspunkten des Strafrechts statt. In Anbetracht der Bedeutung der Aufklärung auch für das Zivilrecht als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag und als Rechtfertigungsgrund im Rahmen des § 823 BGB hätte eine gesetzliche Regelung der ärztlichen Aufklärungspflicht im StGB indes auch Auswirkungen auf das zivilrechtliche Behandlungsverhältnis gehabt.2 Eberhard Schmidt begrüßte in seinem Gutachten die damaligen Reformpläne, einen gesonderten Straftatbestand der eigenmächtigen Heilbehandlung zu schaffen. Er wollte jedoch die Pflicht zur Aufklärung insbesondere aus Gründen der ärztlichen Fürsorge einschränken.3 Bei der Beschlussfassung schlossen sich die Teilnehmer des 44. Deutschen Juristentages Eberhard Schmidt an und sprachen sich mit nur sieben Gegenstimmen für eine gesetzliche Regelung der ärztlichen Aufklärungspflicht im StGB aus.4 Der Gesetzgeber folgte bei dem Erlass des Ersten und Zweiten Strafrechtsrechtsreformgesetzes (Erstes und Zweites StrRG) den Empfehlungen des 44. Deutschen Juristentages hingegen nicht.5 Im Jahr 1978 beschäftigte sich der Deutsche Juristentag erneut mit Fragen des Arztrechts. Die Abteilung Arztrecht des 52. Deutschen Juristentages beriet sich im Hinblick auf das Arzt-Patienten-Verhältnis über gesetzgeberische Maßnahmen im Bereich des Vertrags- bzw. Standes- und Haftungsrechts.6 Hans-Leo Weyers erstellte diesbezüglich das Gutachten und kam letztlich zu dem Ergebnis, dass die Notwendigkeit einer Reform nicht sicher beurteilt werden könne, da die wirtschaftlichen Folgen von Behandlungsfehlern und ihre Bewältigung bisher nicht hinreichend untersucht worden seien.7 Dabei betonte er jedoch die Bedeutung der Dokumentation des Behandlungsgeschehens als vertragliche Nebenpflicht der Behandlungsseite. Im Übrigen neigte Hans-Leo Weyers dazu, einen Regelungsbedarf
Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 44. DJT, Bd. II, S. F1 ff. Geiger, Gesetzliche Regelung des medizinischen Behandlungsvertrages, S. 131. 3 Schmidt, in: Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 44. DJT, Bd. I/4, S. 1 (144 ff.). 4 Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 44. DJT, Bd. II, S. F187, F199. 5 Tatsächlich spielt das Strafrecht heutzutage im Arzt-Patienten-Verhältnis in der Praxis nur eine geringere Rolle, so dass letztlich eine Regelung der Aufklärungspflicht des Arztes im StGB deplatziert wäre. 6 Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. II, S. I 1 ff. 7 Weyers, in: Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. I, S. A98, A124. 1 2
K. Kubella, Patientenrechtegesetz, DOI 10.1007/978-3-642-22741-7_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Zweites Kap.: Entwicklung der Normierungsbestrebungen
für das Gebiet der Arzthaftung abzulehnen.8 Als Alternative zu dem geltenden Arzthaftungsrecht sah er allein die Versicherungslösung.9 Die Mehrheit des Deutschen Juristentags entschied sich mit 43:85:5 Stimmen ebenfalls gegen eine gesetzliche Regelung der Rechte und Pflichten des Arztes und des Patienten im Behandlungsverhältnis.10 Die Teilnehmer sprachen sich lediglich dafür aus, die Dokumentationspflicht der behandelnden Ärzte gesetzlich zu regeln sowie Gutachterund Schiedsstellen einzurichten.11 Der Gesetzgeber folgte diesen Vorschlägen erneut nicht.12 Im Jahr 1981 befürworteten Erwin Deutsch und Michael Geiger in dem vom BMJ herausgegebenen „Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts“ eine Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB.13 Nach ihrer Auffassung sei eine Kodifikation notwendig, da es ein gesteigertes Informationsbedürfnis in der Gesellschaft gebe und die Beziehung zwischen Arzt und Patient angesichts des betroffenen Rechtsgutes Gesundheit von immenser Wichtigkeit sei.14 Erwin Deutsch und Michael Geiger schlugen in ihrem Gutachten die Regelung von zwölf Paragraphen vor, die sie im Vertragsrecht ansiedeln wollten und die hauptsächlich auf eine Regelung des Pflichtenkatalogs der Behandlungsseite abzielten.15 Dabei sollte insbesondere klargestellt werden, dass der Arzt bei der Leistungserbringung den Standard der Wissenschaft zur Behandlungszeit zu beachten hat, dass er gegenüber dem Patienten generell zur Information, Aufklärung und Dokumentation verpflichtet und grundsätzlich an die Schweigepflicht gebunden ist. Ferner sollte die Haftung für verschuldete Behandlungsfehler geregelt werden.16 Letztlich stellt der Regelungsvorschlag von Erwin Deutsch und Michael Geiger damit eine knappe Zusammenfassung der damaligen Rechtslage dar.17 Die Europäische Kommission legte am 9.11.1990 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen vor,18 die sich zunächst auch auf medizinische Dienstleistungen erstrecken sollte. Der Entwurf sah u.a. eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens des Dienstleistenden vor.19 Eine solche war äußerst umstritten.20 Aufgrund vielfältiger Kritik im Hinblick auf 8
Weyers, in: Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. I, S. A124.
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Weyers, in: Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. I, S.A 98A110, A124. 10 Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. II, S. I 204. 11 Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. II, S. I 204 f. 12 Hänlein, ArztR 2001, 315 (320). 13 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 ff. 14 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1090); vgl. auch: Geiger, Gesetzliche Regelungen des medizinischen Behandlungsvertrages, S. 141 f.; beipflichtend: Bunte, JZ 1982, 279 (283). 15 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1090 ff., insbesondere 1092). 16 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1111 ff.). 17 Hänlein, ArztR 2001, 315 (320). 18 ABl. EG Nr. C 12 v 18.1.1991, S. 8. 19 Weber, NJW 1997, 761. 20 Siehe dazu: Hirte, Berufshaftung, S. 233 m.w.N.
Zweites Kap.: Entwicklung der Normierungsbestrebungen
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die Einbeziehung medizinischer Dienstleistungen21 entschied sich die Kommission jedoch bereits im Jahr 1992 dazu, dass der Gesundheitssektor von dem Geltungsbereich eines neuen Richtlinienvorschlags nicht erfasst werden sollte.22 Ebenfalls im Jahr 1992 griff der Sachverständigenrat für Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen die internationalen Entwicklungen und Diskussionen über Patientenrechte auf.23 Er nahm diese zum Anlass, sich intensiv mit folgenden Patientenrechten auseinander zu setzen: Dem Recht auf gleichen Zugang aller Patienten zu den Einrichtungen des Gesundheitswesens, dem Recht auf Beachtung der Würde des Einzelnen, dem Recht auf Vertraulichkeit (Datenschutz, Schweigepflicht) und auf Wahrung der Privatsphäre, dem Recht auf Selbstbestimmung, Information und Unterstützung bei der Inanspruchnahme der Patientenrechte.24 Das Arzthaftungsrecht und Fragen der Schadensregulierung wurden in dem Jahresgutachten nicht thematisiert.25 Der Sachverständigenrat schlug vor, eine Patientenrechtecharta zu erstellen, um die Patientenrechte in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.26 Nur auf diesem Wege könne man ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen dem Arzt und Patienten, der sich regelmäßig in einer Position der Schwäche und Abhängigkeit befinde, gewährleisten.27 Das Regionalbüro der WHO für Europa veranstaltete im Jahr 1994 eine Beratungstagung in Amsterdam unter der Schirmherrschaft der niederländischen Regierung zum Thema Patientenrechte. Zweck dieser Tagung war es, die sich in den meisten Mitgliedsländern vollziehenden Gesundheitsreformen aufzugreifen und mit Prinzipien und Strategien zur Förderung und Umsetzung von Patientenrechten zu beeinflussen.28 Die WHO forderte die Mitgliedsstaaten im Rahmen dieser Tagung u.a. dazu auf, Gesetze oder Bestimmungen zu den Rechten und Pflichten der Patienten und der Behandlungsseite oder alternativ Patientenrechtechartas und Verhaltensvorschriften für Ärzte zu erlassen.29 Letztendlich verabschiedeten 36 Mitgliedsstaaten der WHO die „Principles of the Rights of Patients in Europe“30 als Arbeitsergebnis der Tagung.31 Diese Deklaration untergliedert sich in sieben 21
Siehe: Laufs, Arztrecht, Rdn. 553; Pitschas, in: Tomandl, Sozialrechtliche Probleme bei der Ausübung von Heilberufen, S. 1 (24); Baumgärtel, JZ 1992, 321 (322 f.); Fahrenhorst, ZRP 1992, 60 (62 f.); befürwortend: Giesen, JR 1991, 485 (490 ff.). 22 Köhler, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 207 (219 f.); ausführlich zur EG-Richtlinie über die Haftung bei Dienstleistungen und zur generellen Kritik an dieser: Hirte, Berufshaftung, S. 220-243. 23 SVRKAiG, Jahresgutachten 1992, S. 106 Rdn. 356. 24 SVRKAiG, Jahresgutachten 1992, S. 107 ff. Rdn. 365 ff. 25 SVRKAiG, Jahresgutachten 1992, S. 106 Rdn. 357. 26 SVRKAiG, Jahresgutachten 1992, S. 105 f. Rdn. 353, S. 112 Rdn. 395. 27 SVRKAiG, Jahresgutachten 1992, S. 107 Rdn. 362 f. 28 WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f.; WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S.17 f., 29 f. 29 WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 1; WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 17, 30. 30 Abgedruckt und bereits übersetzt in: WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 8-13; abgedruckt (im Original): WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 32-44. 31 WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 13 f.
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Abschnitte: Menschenrechte und Werte in der Gesundheitsversorgung (human rights and values in health care), das Recht auf (Nicht-) Information des Patienten (information), die Einwilligung des Patienten in den Behandlungsablauf (consent), das Recht auf Vertraulichkeit und Privatsphäre (confidentiality and privacy), Rechte im Rahmen der Pflege und Behandlung (care and treatment) und die Durchsetzung bzw. Anwendung dieser Rechte (application). Ferner werden im siebten Abschnitt die wichtigsten Begriffe, der des Patienten, der Diskriminierung, der Gesundheitsversorgung, der Leistungserbringer, des Heileingriffs, der Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und der Sterbebegleitung, definiert. Zwar geht die „Declaration on the Promotion of Patients' Rights in Europe” nicht auf die Umsetzung der in ihr festgeschriebenen Prinzipien in den einzelnen Ländern ein. Ihr lag jedoch, wie bereits angesprochen, durchaus die Intention zugrunde, als Leitlinie bei der Förderung der Patientenrechte in den einzelnen Ländern zu dienen.32 Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Niederschreiben von Rechten und Pflichten der Parteien des Behandlungsverhältnisses die Bekanntheit eben dieser fördere und auf diese Weise eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Patienten und Leistungserbringern einträte.33 Im Juni 1996 richtete das Regionalbüro der WHO für Europa eine Konferenz über europäische Gesundheitsreformen in Slowenien aus. Auf dieser Konferenz wurde die „Ljubljana Charter on Reforming Health Care in Europe” verabschiedet, in der betont wurde, dass Patientenrechte eine grundlegende Bedeutung für jede Gesundheitsreform haben.34 Im November 1996 fand die fünfte Konferenz der Gesundheitsminister der im Europarat vertretenen Staaten in Warschau statt.35 Das Thema dieser Konferenz war „Social Challenge to Health: Equity and Patients’ Rights in the Context of Health Reforms”.36 Die Konferenz zielte darauf ab, auf hoher politischer Ebene über die sozialen und politischen Entwicklungen im Gesundheitswesen zu diskutieren. Dabei war ein zentraler Diskussionspunkt die schwache Beteiligung der Patienten im Gesundheitswesen.37 Als Arbeitsergebnis der Konferenz wurde das Dokument „A Changing Europe”38 verabschiedet, in dem die Minister einen „new so-
32
WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 4, 6; WHO, Consultation in the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 4. 33 WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f. 34 WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 4. 35 Badura/Schellschmidt, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung im Gesundheitswesen, S. 39 (50). 36 Bericht zur fünften Konferenz der Gesundheitsminister der im Europarat vertretenen Staaten abrufbar unter: http://www.coe.int/t/dg3/health/Conferences/1996SGreport_en.asp (besucht am 10.6.2011); unautorisierte deutsche Übersetzung abgedruckt in: Kranich/ Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 197-207: „Soziale Herausforderungen an die Gesundheit: Gerechtigkeit und Patientenrechte im Kontext von Gesundheitsreformen“. 37 Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 197 (198 f.). 38 Dokument abrufbar unter: http://www.coe.int/t/dg3/health/Conferences/1996SGreport_e n.asp (zuletzt besucht am 10.6.2010).
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cial deal”39 zwischen Patienten, Leistungserbringern und Kostenträgern forderten. Nur unter der Einbindung aller Beteiligten könne eine ausgewogene und gerechte Verteilung der Gesundheitsgüter stattfinden. So müssten die Bürger und Patienten die Möglichkeit haben, bei wichtigen Fragen des Gesundheitswesens kollektiv mitzuwirken. Der gleiche Zugang zu Gesundheitseinrichtungen müsse trotz Finanzierungsproblemen stets aufrecht erhalten bleiben. Ferner müsse die Wichtigkeit des Rechtsgutes Gesundheit für das soziale Zusammenleben einer Gesellschaft in höherem Maße wahrgenommen und anerkannt werden.40 Die Gesundheitsminister der Mitgliedsstaaten des Europarats forderten u.a. sowohl eine rechtliche Definition von Patientenrechten und -pflichten als auch die Festlegung der Rolle und der Verantwortung der Staaten, um die Situation im Gesundheitswesen zu verbessern.41 Ebenfalls im November 1996 mahnten die Gesundheitsminister der Bundesländer bei der 69. Gesundheitsministerkonferenz in Cottbus in ihrem Entschluss „Gewährleistungen und systematische Weiterentwicklung der Qualität im Gesundheitswesen“42 Verbesserungen im gesundheitlichen „Verbraucherschutz“ an. Patienten hätten gegenüber den Leistungserbringern und den Herstellern von medizinischen Produkten nur eine schwache Rechtsstellung inne. In der Praxis sei es für diese oft schwer, ihre Rechte durchzusetzen.43 Auf der Grundlage dieser Erwägungen forderten die Teilnehmer der 69. Gesundheitsministerkonferenz unter Bezugnahme auf die Vorschläge des Sachverständigenrats für Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen aus dem Jahr 1992 Verbesserungen im Bereich der Patientenrechte.44 Schließlich wurde auf der 70. Gesundheitsministerkonferenz in Saarbrücken im Jahr 1997 der Entschluss gefasst, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die eine bundesweit geltende Patientenrechtecharta aufstellen sollte. Daraufhin vergab man im Jahr 1998 einen Gutachtenauftrag an die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Bremen.45 Dieter Hart und Robert Francke erstellten das Rechtsgutachten „Charta der Patientenrechte“46. Dieses untergliedert sich in drei Abschnitte. Zunächst wird das geltende Recht dargestellt und an zweiter Stelle der Fortentwicklungsbedarf diskutiert. Im dritten Abschnitt wird der Entwurf einer Patientenrechtecharta präsentiert,47 wobei diese die damalige Rechtslage wiedergibt.48 Sie 39
Vgl.: WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 5: „A new social deal should therefore ensure that equity and patients‘ rights issues become an integral part of health care systems and address a number of important issues at the patients‘ level, at the level of health care delivery as well as at the governmental level: a tripartite social deal between patients, providers and payers.“ 40 Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 197 (204). 41 Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 197 (200). 42 Text abrufbar unter: http://tmrhealth.de/Dokumente/69_GMK_QS-Beschluss.pdf (besucht am 6.10.2010). 43 Vgl.: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. I. 44 Siehe dazu: Badura/Schellschmidt, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung im Gesundheitswesen, S. 39 (50 f.); Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. I. 45 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. III. 46 Siehe: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, passim. 47 Siehe: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 239-262.
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unterscheidet allgemeine Grundsätze, Patientenrechte auf gute und sichere Behandlung, auf Information und Beratung, auf angemessene Beteiligung an Entscheidungen des Versorgungssystems, auf Hilfe im Sterben und Rechtsbehelfe im Schadensfall. Von der vorgeschlagenen Charta erhofften sich die beiden Gutachter, dass diese die Beteiligten des Gesundheitswesens über die Patientenrechte informiere, Rechtssicherheit schaffe und somit die Durchsetzung der einzelnen Rechte der Patienten im Behandlungsalltag erleichtere und die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient fördere.49 Auf der Grundlage dieses Gutachtens wurde im Jahr 1999 auf der 72. Gesundheitsministerkonferenz in Trier das Dokument „Patientenrechte in Deutschland heute"50 einstimmig verabschiedet, das nur geringfügig in der Gliederung, im Wortlaut und im Inhalt von der von Dieter Hart und Robert Francke vorgeschlagenen Charta abweicht.51 So wurde etwa das Patientenrecht auf angemessene Beteiligung an Entscheidungen des Versorgungssystems52 nicht in das Dokument übernommen. Mithin spiegelt auch dieses die damalige Rechtslage grob wieder. Es war das alleinige Ziel dieser Patientenrechtecharta, Patienten über ihre wichtigsten bestehenden Rechte und Pflichten zu informieren und der Behandlungsseite als Orientierungshilfe zu dienen.53 Um eine große Akzeptanz zu erreichen und das Konzept eines partnerschaftlichen Arzt-PatientenVerhältnisses zu fördern, wurde versucht, die an der Gesundheitsversorgung maßgeblich Beteiligten sowie die Vertreter von Patientenorganisationen in den Entstehungsprozess und die Verabschiedung der Charta mit einzubinden.54 Indes distanzierte sich die Bundesärztekammer nach der Veröffentlichung des Dokumentes „Patientenrechte in Deutschland heute“ trotz der Mitwirkung am Beratungsprozess von eben dieser. Sie erstellte im Jahr 1999 „im Kampf um die Meinungsführungsherrschaft“55 ihre eigene Charta. Hintergrund dieses Alleingangs war vor allem die damals bevorstehende Gesundheitsreform und die Überlegungen der Bundesregierung, ein Patientenschutzgesetz zu erlassen.56 Nach den Ausführungen des damaligen Präsidenten der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe gefährdete die damals bevorstehende GKV-Gesundheitsreform die Patientenrechte. Eine Budgetierung beeinflusse das Recht der Patienten auf eine angemessene medizinische Versorgung. Die geplanten Datensammelstellen bei den Krankenkassen bedrohten das Recht der Patienten auf Vertraulichkeit.57 Für die Patientenrechte gehe eine größere Gefahr vom Staat und der GKV aus als von der Ärzteschaft. Zumal die 48
Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 12. Allein die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung (S. 229) gehen über die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien hinaus; vgl. insoweit: Schneider, MedR 2000, 497 (498). 49 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 11 f., 17. 50 Text abrufbar unter: http://www.igmr.uni-bremen.de/deutsch/projekte/patientenrechte-n eu.pdf (besucht am 10.6.2011). 51 Katzenmeier, JR 2002, 444 (445). 52 Vgl.: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 260. 53 Katzenmeier, JR 2002, 444 (445). 54 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. IV. 55 Jörg-Dietrich Hoppe zitiert nach: Rieser, DÄBl 1999, A-2785. 56 Dierks et al., in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 58 (67). 57 Jörg-Dietrich Hoppe wiedergegeben nach: Rieser, DÄBl 1999, A-2785; zustimmend insoweit: Katzenmeier, JR 2002, 444 (446).
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Rechtsprechung die Patientenrechte gut ausgestaltet habe.58 Die Charta der Bundesärztekammer stellt in der Präambel den Bezug zwischen den Patientenrechten und den allgemein anerkannten Menschenrechten her. Demnach seien Würde und Selbstbestimmung des Patienten die Grundlage für die Patientenrechte und für das ärztliche Wirken. Die für die Bundesärztekammer grundlegenden Patientenrechte werden in der Charta in mehreren Unterkapiteln angesprochen. Jeder Mensch habe das Recht auf eine hinreichende medizinische Versorgung und darauf, dass die medizinischen Maßnahmen dem Standard entsprechend und gewissenhaft durchgeführt würden. Auch das Recht auf Selbstbestimmung wird in der Charta der Bundesärztekammer festgeschrieben. Danach seien Patienten aufzuklären und zu beraten. Die Patienten seien frei, ihre medizinische Versorgung selbst zu bestimmen. Das Recht auf freie Arztwahl ist ebenfalls aufgenommen worden, ebenso wie das Recht auf Vertraulichkeit, auf Dokumentation und auf Einsichtnahme in die eigene Krankenakte. Schlussendlich wird auch auf das „Recht auf Schadensersatz“ in der Charta eingegangen. Die Reaktionen auf die Charta der Bundesärztekammer waren vielfältig. Viele, insbesondere die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, kritisierten die vorgelegte Charta als unvollständig und als Ausdruck eines paternalistischen Verständnisses der Arzt-Patienten-Beziehung.59 Die Bundesärztekammer selbst betrachtete die Charta hingegen als Erfolg und wurde zum Teil auch im Schrifttum durchaus positiv bewertet.60 Im Jahr 1999 wurde die Arbeitsgruppe „Patientenrechte in Deutschland. Fortentwicklungsbedarf und Fortentwicklungsmöglichkeiten“ auf der Grundlage eines Beschlusses der 72. Gesundheitsministerkonferenz unter der Gesamtfederführung des BMG eingesetzt.61 Diese Arbeitsgruppe wurde wiederum in drei Unterarbeitsgruppen eingeteilt, wobei sich die beim BMJ angesiedelte Arbeitsgruppe „Arztvertragsrecht und Behandlungsfehlerhaftung“ in den Jahren 2000/ 2001 mit Fragen der Arzthaftung und einem Novellierungsbedarf auseinandersetzte.62 Die Arbeitsgruppe fasste zunächst die geltende Rechtslage zusammen und untersuchte ihre Umsetzung in der Praxis. Bestehende Defizite wurden herausgearbeitet und erörtert. Insbesondere eine gesetzliche Regelung wurde als Lösungsmöglichkeit erwogen.63 Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe, Interessenvertreter der Ärzteschaft, der Patienten, der Richter- und Anwaltschaft, der Versicherungswirtschaft sowie der Landesjustizverwaltungen,64 waren jedoch gerade in der Frage der Kodifizierung der bestehenden Rechtslage unterschiedlicher Meinung. Während die Befürworter einer Normierung sich von einer solchen größere Transparenz und Rechtssicherheit versprachen, hielten die Kritiker dem entgegen, dass eine Regelung der Grundsätze zum einen nicht ein „Mehr“ an Rechtssicherheit bedeute und zum anderen den Rechtzustand im negativen Sinne festlege. Bei einem Patientenrechte58
Jörg-Dietrich Hoppe wiedergegeben nach: Rieser, DÄBl 1999, A-2785. Schell, DÄBl 2000, A-5; vgl. zur Kritik: Katzenmeier, JR 2002, 444 (446); Rieser, DÄBl 1999, A-2785. 60 Katzenmeier, JR 2002, 444 (446); Schneider, MedR 2000, 497 (502). 61 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1506). 62 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1506). 63 Luxenburger, MedR 2001, 594. 64 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1506). 59
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gesetz bestünde die Gefahr, dass das Arzthaftungsrecht für den schnelllebigen Medizinbereich zu statisch und unflexibel sei.65 Letztendlich wurde im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ein Handlungsbedarf des Gesetzgebers verneint.66 Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat sich in seinem Jahresgutachten 2000/ 2001 nach einem kurzen, internationalen Vergleich der Gesetzgebungslage dafür ausgesprochen, „die bislang in unterschiedlichen Gesetzestexten verstreuten Patientenrechte in einem Patientenrechtegesetz zusammenzufassen.“67 Davon erhoffte sich der Sachverständigenrat mehr Transparenz und eine Verbesserung der Informiertheit der Patienten. Eine Erhöhung der Kompetenzen von Patienten optimiere auch die Ressourcenallokation.68 Im Jahr 2002 wurde beim BMJ und beim BMG die Arbeitsgruppe „Patientencharta“ eingerichtet, die noch im gleichen Jahr die Charta „Patientenrechte in Deutschland“69 als Arbeitsergebnis präsentierte.70 Die Charta unterteilt sich in zwei Unterkapitel. Zum einen werden die Patientenrechte im Rahmen des Behandlungsverhältnisses beschrieben und zum anderen die Rechte des Patienten im Schadensfall. Dabei sollte das Dokument „Patientenrechte in Deutschland“ ebenfalls nur eine Zusammenfassung des geltenden Rechts darstellen.71 Von der Charta erhoffte sich die Arbeitsgruppe eine größere Transparenz im Hinblick auf die Patientenrechte und damit eine Stärkung der Vertrauensbeziehung zwischen Leistungserbringern und Patienten.72 Das Besondere an dieser Charta ist, dass sie im Gegensatz zu ihren Vorgängern „Patientenrechte in Deutschland heute“ und der „Charta der Patientenrechte“ der Bundesärztekammer von allen Interessengruppen mitgetragen worden ist.73 So wirkten unter der Leitung des ehemaligen Präsidenten des BGH Karlmann Geiß Vertreter der Ärzteschaft, der Kassen, von Verbraucherorganisationen, von Patienten-Selbsthilfegruppen und andere Experten an ihrem Entstehen mit. Auffallend an dieser Entwicklung ist, dass die Forderungen nach einem Patientenrechtegesetz immer wieder aufflammen und nicht an Aktualität verlieren. Dementsprechend hat sich der Deutsche Bundestag bereits mehrfach mit der Regelung von Patientenrechten befasst.74 Auch scheint das Thema einer gesetzlichen Regelung der Patientenrechte in den letzten zehn Jahren zunehmend eine gesellschaftliche Brisanz zu erlangen. So haben sich zahlreiche Institutionen und Organisatio65
Vgl. zur Kritik innerhalb der Arbeitsgruppe: Luxenburger, MedR 2001, 594 (595 f.). Vgl.: Zypries, DÄBl 2003, 153. 67 SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 347 Nr. 413; ablehnend: Katzenmeier, JR 2002, 444 (446). 68 SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 9 Nr. 5, S. 346 Nr. 412. 69 Dokument abgedruckt bei: Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1507-1510). 70 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1506 f.). 71 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1507). 72 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1507); Zypries, DÄBl 2003, 153. 73 Zypries, DÄBl 2003, 153. 74 Vgl. das Rechtsgutachten „Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte im deutschen Recht – Bestandsaufnahme und Handlungsperspektiven“, das von Gerfried Fischer, Winfried Kluth und Hans Lilie im Auftrag der Enquete – Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages erstellt wurde; siehe ferner: BT-Drcks. 13/10701, 13/11452, 14/5660, 16/777. 66
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nen mit der Kodifizierung von Patientenrechten beschäftigt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Notgemeinschaften Medizingeschädigter in Deutschland e.V. hat im Jahr 2002 eine Petition im Bundestag mit dem Antrag eingereicht, ein Patientenschutzgesetz zu erlassen.75 Der Bundesverband der Verbraucherzentrale e.V. (vzbv) hat 2005 einen Textvorschlag für eine Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB veröffentlicht.76 Insbesondere die Anforderungen an die Aufklärung sollen danach sehr detailliert (in sieben Paragraphen) geregelt werden. Darüber hinaus will der vzbv Regelungen zur Dokumentation, zu Ersatzansprüchen des zu Schaden gekommenen Patienten und zur Beweislastverteilung im BGB integrieren. Der Sachverständige soll durch die ZPO dazu verpflichtet werden, vor seiner Bestellung den Prozessparteien seine Sachkunde darzulegen. Der AOK-Bundesverband hat sich ebenfalls dem Thema der Patientenrechte angenommen und im September 2007 eine Tagung in Berlin organisiert, die in der Öffentlichkeit große Beachtung fand. Im Rahmen dieser Veranstaltung sprach sich die große Mehrheit der Teilnehmer, darunter die damalige Patientenbeauftrage der Bundesregierung Helga Kühn-Mengel und der AOK-Bundesverband, für eine Normierung von Patientenrechten aus.77 Auch Dieter Hart, der in Zusammenarbeit mit Robert Francke das Gutachten „Charta der Patientenrechte“ erstellt hat, und früher noch dazu neigte, ein Patientenrechtegesetz als Lösung für Deutschland abzulehnen,78 befürwortete nunmehr den Erlass eines solchen, um gesetzliche Defizite zu beheben und die Rechtssicherheit zu erhöhen. Dabei hält er eine gesetzliche Regelung des Behandlungsvertrags im BGB für nicht ausreichend.79 Der einzige Referent, der sich gegen eine gesetzliche Regelung des Behandlungsvertrags oder eines Patientenrechtsgesetzes aussprach, war der damalige Vizepräsident der Bundesärzte-
75
Text der Petition abrufbar unter: http://notgemeinschaften-medizingeschaedigter.de/ petition/Petition.pdf (besucht am 10.6.2011). 76 Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 1 ff. 77 Etgeton, in: AOK, Patientenrechte, S. 45 (46 ff.); Kühn-Mengel, in: AOK, Patientenrechte, S. 17 (22 ff.); Metschurat, in: AOK, Patientenrechte, S. 65 (67). 78 Hart/Francke, Bundesgesundheitsbl 2002, 13 (16); vgl. auch: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 2 mit dem Hinweis, dass die Arzt-PatientenBeziehung als Vertrauensbeziehung einer rechtlichen Regulierung nur bedingt zugänglich sei; dies., Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, S. 19, 21 mit dem Hinweis, dass die individuellen Patientenrechte in Deutschland durch die Patientenrechtecharta „gesichert“ seien; dies., in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 135 (162): „Sicherlich könnte man generalklauselartige Regelungen zum Beispiel über ärztliche Verpflichtungen zur Aufklärung im Rahmen des Arzt/Krankenhaus-Vertrags- oder Deliktsrechts gesetzlich vorsehen und damit der Rechtsprechung gewisse Leitlinien der Patienteninformation und -beratung in der Arzt-Patienten-Beziehung vorgeben. Diese würden aber kaum über die gegenwärtigen Grundsätze des richterlich entwickelten Arzthaftungsrechts hinausgehen und insofern keinen wirklichen Gewinn an Patientenschutz gewährleisten. (…) Insofern besteht materiellrechtlich gegenwärtig kein sachlicher Grund, das Patienteninformationsrecht zu kodifizieren.“ 79 Hart, in: AOK, Patientenrechte, S. 27 (32 f.).
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kammer Frank Ulrich Montgomery.80 Ebenso hat sich die Ärzteschaft auf dem 112. Deutschen Ärztetag gegen ein solches Gesetz ausgesprochen.81 Auch in der Politik wird die Kodifikation der Patientenrechte derzeit erwogen.82 Die damalige Patientenbeauftragte der Bundesregierung Helga Kühn-Mengel hat in der sechzehnten Legislaturperiode eine parlamentarische Arbeitsgruppe einberufen, die sich mit einem Patientenschutzgesetz beschäftigte und sich für ein solches aussprach.83 CDU/CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“ für die siebzehnte Legislaturperiode den Erlass eines Patientenrechtegesetzes festgeschrieben, das mit den Akteuren des Gesundheitswesens erarbeitet werden soll.84 Die SPD-Bundestagsfraktion hat am 3.3.2010 einen Antrag auf die Erstellung und den Erlass eines solchen eingereicht. Darin wird gefordert, die bisher geregelten Patientenrechte in einem transparenten und klaren Gesetz zusammenzuführen und die Patientenrechte zu erweitern. Dabei soll mit der Regelung ein „fairer Ausgleich der Interessen der Patientinnen und Patienten auf der einen und der Leistungserbringer und Kostenträger auf der anderen Seite“85 angestrebt werden. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller hat im März 2011 ein Eckpunktepapier zu einem geplanten Patientenrechtegesetz vorgestellt.86 Letztlich lässt sich festhalten, dass im Rahmen der deutschen Diskussion um den Erlass eines eigenständigen Patientenrechtegesetzes oder der Regelung des 80
Montgomery, in: AOK, Patientenrechte, 53 ff. Gerst, DÄBl 2009, A 1086 f. 82 Kühn-Mengel, in: AOK, Patientenrechte, S. 17 (24 f.), 75 (86 f.); vgl. auch den Entwurf des Regierungsprogramms der SPD 2009, S. 32: „Patientenrechte. Eine leistungsfähige und an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtete Gesundheitspolitik bedarf besserer und transparenter Patientenrechte. Dazu gehört es auch, die bislang zersplitterten und undurchsichtigen Rechte der Patienten und Patientinnen in einem Gesetz zusammenzuführen, und insbesondere hinsichtlich Fehlervermeidung und Risikomanagement sowie der Regulierung bei eingetretenen Schäden zu stärken.“ Auch Bündnis 90/ Die Grünen fordern in ihrem Bundestagswahlprogramm 2009 ein Patientenrechtegesetz, „das die bestehenden Regelungen systematisch und übersichtlich zusammenfasst und weiterentwickelt.“ Die FDP fordert in dem Beschluss des 60. Ordentlichen Bundesparteitags von 2009 auf S. 30 zwar kein Patientenrechtegesetz, aber eine gesetzliche Regelung der Bindungswirkung von Patientenverfügungen. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Patienten müsse gestärkt werden. Siehe auch die Äußerungen von Bundesjustizministerin a.D. Brigitte Zypries, FAZ vom 24.8.2009, Nr. 195, S. 4: „Ein Gesetz, in dem jeder seine Rechte und Pflichten nachlesen kann, bringt Klarheit und Sicherheit.“ 83 Vgl. die Äußerungen von Christian Katzenmeier auf dem 112. Deutschen Ärztetag, wiedergegeben in: Gerst, DÄBl 2009, S. A1086 (A1087). Siehe den Ergebnisbericht der Patientengruppe von Mai 2009, abrufbar unter: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/ Pressemitteilungen/2009/090630_anlage_eckpunkte_eines_patientenrechtegesetzes.pdf (zuletzt besucht am 10.6.2011). 84 CDU/CSU/FDP, Koalitionsvertrag „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“, S. 90, abrufbar unter: http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf (zuletzt besucht am 10.6.2011). 85 BT-Drucks. 17/907, S. 2. 86 Abrufbar unter: http://www.patientenbeauftragter.de/upload/bilder/der_beauftragte/Eckp unkte _Patientenrechtegesetz_endg___2_.pdf (zuletzt besucht am 10.6.2011). 81
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Behandlungsvertrags allgemein anerkannt ist, dass gerade die deutschen durch Richterrecht konkretisierten individuellen Patientenrechte im europäischen Vergleich hoch entwickelt sind.87 Insofern wird teilweise betont, dass es nicht auf eine Erweiterung bestehender oder auf eine Begründung neuer Patientenrechte ankomme, sondern lediglich darauf, die existenten Rechte und Pflichten „bekannt“ zu machen.88 Bisher hat sich insbesondere in den Arbeitsgruppen stets die überwiegende Mehrheit gegen eine gesetzliche Regelung ausgesprochen. Mittlerweile scheint die Anzahl der Befürworter einer Normierung jedoch stetig zuzunehmen.89 Diese versprechen sich durch eine gesetzliche Regelung eine größere Präsenz der Patientenrechte und damit bessere Chancen zur Durchsetzung eben dieser Rechte im Behandlungsalltag.90 Auch wird erwartet, dass durch eine gesetzliche Regelung die Rechtssicherheit gestärkt werde, da durch diese Transparenz im Schadenfall gesichert sei.91 Ob eine gesetzliche Regelung erforderlich oder gar geboten ist und ob durch sie im Hinblick auf die Bekanntheit und Stärkung der Patientenrechte bessere Ergebnisse als durch die Charta „Patientenrechte in Deutschland heute“ zu erzielen sind, wird in dieser Arbeit zu untersuchen sein.
87
Francke/Hart, Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, S. 23; Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 146; Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 2 Rdn. 10; Fröhlich/Stange, BADK 2001, 54; Hanika, MedR 1999, 149 (159); Katzenmeier, JR 2002, 444; Laufs, NJW 2000,1757 (1759); Schneider, MedR 2000, 497 (499); Steffen, MedR 2002, 190; siehe auch: BT-Drcks. 17/907 S. 1. 88 Schneider, MedR 2000, 497 (502 f.). 89 Exemplarisch: Robert Franke und Dieter Hart, die sich mittlerweile in einem im Auftrag der Länder Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein 2005 erstellten, nicht-veröffentlichten Gutachten für ein eigenständiges Patientenrechtegesetz aussprechen. Vgl. insoweit auch: Hart, in: AOK, Patientenrechte, S. 27 (32 f.). 90 BT-Drcks, 17/907, S. 1 f.; SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 9 Nr. 5, S. 346 Nr. 412; WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f.; siehe dazu: Harmann, NJOZ 2010, 819 (825): „Allerdings ist hervorzuheben, dass der Wert eines Rechts maßgeblich von der Kenntnis der Beteiligten abhängt. Diese Erkenntnis hat in den letzten Jahren international einen Trend zur Kodifikation von Patientenrechten ausgelöst.“ 91 Vgl.: Steffen, MedR 2002, 190.
Drittes Kapitel: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz Die deutsche Entwicklung und Ausprägung der Patientenrechte durch Richterrecht ist eine typisch europäische. In den meisten europäischen Ländern haben die Gerichte wesentlich dazu beigetragen, die Patientenrechte zu gestalten und zu etablieren.1 Die Gesetzgeber selbst begannen sich nur äußerst langsam mit Gesetzesinitiativen zur Stärkung von Patientenrechten zu beschäftigen. Meistens waren die Gesetzgebungsaktivitäten auf spezielle Bereiche wie medizinische Experimente und Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken beschränkt.2 In Deutschland existiert, wie bereits im ersten Kapitel ausgeführt, kein einheitliches Gesetz, sondern lediglich eine deklaratorische Zusammenfassung von Patientenrechten in Form der Patientenrechtecharta. Fraglich ist im Hinblick auf die internationale Entwicklung und die Stimmungslage in der deutschen Gesellschaft und Politik, ob der deutsche Gesetzgeber dem europäischen Trend folgend die individuellen Patientenrechte normieren sollte oder ob er am hoch entwickelten und ausdifferenzierten Richterrecht festhält und lediglich die schon bestehende Patientenrechtecharta regelmäßig aktualisiert werden sollte.
I. Festhalten an der derzeitigen Rechtslage und stetige Aktualisierung der Patientenrechtecharta als Handlungsalternative des Gesetzgebers Die Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage und die stetige Aktualisierung der Patientenrechtecharta als Alternative zu einer Kodifikation ist eine ernst zu nehmende Option. Tatsächlich wurde in der Vergangenheit, wie bereits im ersten Kapitel erörtert, mehrfach und nicht grundlos eine Normierung von Patientenrechten und -pflichten abgelehnt. Diese seien hinreichend durch die Rechtsprechung ausgeprägt und die derzeitige Rechtslage gegenüber einem Gesetz vorzugswürdig.3 Tatsächlich ist der Großteil des modernen Arzthaftungsrechts, wie bereits angeklungen, „Rechtsprechungsrecht: [und damit] typisierte Kasuistik der Zivilgerichte“4. Dabei sind unter Richterrecht „alle in gerichtlichen Entscheidungen ausVgl.: Leenen/Gevers/Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 3. Leenen/Gevers/Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 3. 3 Laufs, Arztrecht, Rdn. 551; Katzenmeier, JR 2002, 444 (447 ff.); Steffen, MedR 2002, 190 (191); vgl. nur BT-Drcks. 13/11452 v. 30.9.1998, S. 10: „Es ist im Hinblick auf die sich fortentwickelnden Verbesserungen der Rechtsstellung des Patienten und die genauer werdende Beschreibung ärztlicher Pflichten durch Rechtsprechung und Berufsrecht nicht daran gedacht, in naher Zukunft durch gesetzgeberische Maßnahmen auf zivilrechtlichem Gebiet besondere Regelungen für die Durchsetzung von Schadensansprüchen von Patienten zu schaffen.“ 4 Isele, in: Mergen, Die Verantwortung des Arztes, S. 11 (12); mit dem Hinweis, dass das Haftungsrecht zu den Rechtsgebieten zählt, in denen die Rechtsfortbildung durch den Rich1 2
K. Kubella, Patientenrechtegesetz, DOI 10.1007/978-3-642-22741-7_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
drücklich oder implizierten Regeln bzw. Rechtssätze zu verstehen, die nicht bloß in der Wiederholung von generell-abstrakten Vorschriften bestehen, die der Rechtsanwendung vorgegeben sind“5. Die Rechtsfortbildung ist vorrangig die Aufgabe des Gesetzgebers. Dennoch weist der Einzelfall oft neue, vom Gesetz nicht vorhergesehene und daher nicht berücksichtigte Problemlagen auf.6 Hier ist die Rechtsfindung der Gerichte durch Interpretation und Konkretisierung der vorhandenen Rechtsgrundsätze7 nicht allein Gesetzesvollzug, sondern immer auch Rechtsschöpfung im Einzelfall.8 Wenn sich solche Einzelfallentscheidungen akkumulieren und die sich in ihnen niedergelegten Rechtssätze verfestigen, entstehen richterrechtliche Regeln. Dadurch bildet sich das Recht letztlich fort.9 Dies muss ebenso für solche Rechtsätze gelten, die durch die Judikatur aufgestellt werden, um zweifelhafte oder offen gelassene Fragen des Gesetzes zu beantworten.10 Insoweit ist die Rechtsfortbildung eine zuläs-
ter sehr ausgeprägt ist, da dort für diesen gerade die Möglichkeit zur Verwirklichung überoder außergesetzlicher Gerechtigkeit besteht; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 78; siehe auch: Müller, MedR 2009, 309 (309), die das Arzthaftungsrecht als „Richterrecht reinsten Wassers“ bezeichnet. 5 Coing/Honsell, in: Staudinger, Einleitung zum BGB und Allgemeiner Teil 1, Rdn. 218; vgl. zu der Frage, was Richterrecht ist, die ausführliche Bearbeitung von Fritz Ossenbühl, Richterrecht im demokratischen Rechtsstaat, S. 6–16, der zwischen lückenfüllendem, gesetzesvertretendem, gesetzeskonkretisierendem und gesetzeskorrigierendem Richterrecht unterscheidet. Sehr kritisch gegenüber dem vorherrschenden Begriffsverständnisses des Richterrechts: Müller, in: Reinhart, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 65 (68 ff., 78, 80, 82, 84). 6 Vgl.: BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287): „Der Richter ist nach dem Grundgesetz nicht darauf verwiesen, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Eine solche Auffassung würde die grundsätzliche Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung voraussetzen, ein Zustand, der als prinzipielles Postulat der Rechtssicherheit vertretbar, aber praktisch unerreichbar ist.“; Ossenbühl, Richterrecht im demokratischen Rechtsstaat, S. 1 f.: „Man braucht nicht auf die provozierende Feststellung zu verweisen, dass jedes Gesetz mindestens so viele Lücken lässt und Unklarheiten schafft, wie es klare Regelungen trifft. Es genügt sich zu vergegenwärtigen, dass jede menschliche Aussage, also auch der im Bundesgesetzblatt erscheinende Normentext, stets interpretationsbedürftig ist. Die menschlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten, sich klar und unzweideutig auszudrücken, sind begrenzt. Auch ein weiser und kluger Gesetzgeber kann den Richter nicht zum Subsumtionsautomaten degenerieren (…).“ 7 Coing/Honsell, in: Staudinger, Einleitung zum BGB und Allgemeiner Teil 1, Rdn. 219. 8 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 77. 9 Langenbucher, Die Entwicklung und Auslegung von Richterrecht, S. 1; vgl.: BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287 f.); Beschl. v. 19.10.1982 – 2 BvR 485, 486/80, BVerfGE 65, 182 (190 f., 194). 10 Vgl.: Coing/Honsell, in: Staudinger, Einleitung zum BGB und Allgemeiner Teil 1, Rdn. 201: „(…) ständig konfrontiert mit neuen Fallgestaltungen, bildet sie [die Rechtsprechung] neue Rechtssätze, wo Lücken im Gesetz sie erfordern, und legt sie ihren Entscheidungen zugrunde. So wächst das neue Recht als Fallrecht um das kodifizierte Recht herum: Es entsteht als Richterrecht.“
I. Festhalten an der derzeitigen Rechtslage
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sige richterliche Aufgabe.11 Auf diese Weise hat auch der sechste Zivilrechtssenat des BGH einen Großteil der Rechte und Pflichten des Patienten und der Behandlungsseite durch Rechtsfortbildung vornehmlich im Rahmen des Arzthaftungsrechts entwickelt.12 Hinsichtlich der grundrechtlichen Verankerung der Patientenrechte13 ist jedoch fraglich, ob die Rechtsfortbildung durch Richter auch in wesentlichen Rechtsbereichen zulässig ist. Nach der sogenannten Wesentlichkeitstheorie des BVerfG14 ist der Gesetzgeber verpflichtet, wesentliche Entscheidungen durch ein Gesetz im formellen Sinn selbst zu treffen.15 Dies gilt insbesondere in Fragen der Grundrechtsausübung, soweit diese der staatlichen Regelung zugänglich sind.16 Diesbezüglich ist fraglich, ob in der Entwicklung und Ausprägung der Patientenrechte durch Richter nicht eine Delegation originärer gesetzgeberischer Pflichten gesehen werden muss und dies zur Unzulässigkeit von Richterrecht in diesem Bereich führte.17 Die typische Fallkonstellation, in der die Wesentlichkeitstheorie relevant wird, betrifft indes grundrechtsrelevante Handlungen oder
11 BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287): „Richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren.“; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 78; Langenbucher, Die Entwicklung und Auslegung von Richterrecht, S. 23 f.; Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 306 f., 310 ff., 320 ff.; vgl. auch: Ossenbühl, Richterrecht im demokratischen Rechtsstaat, S. 17–21 (mit durchaus bedenklichen Ausführungen zur Legitimität von gesetzeskorrigierendem Richterrecht auf S. 18 f.); § 132 Abs. 4 GVG. 12 Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung im europäischen Rechtsvergleich, S. 1; vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 77 ff., 89; Laufs, in: ders./Katzenmeier, Lipp, Arztrecht, Rdn. I 20. 13 Ausführlich zu der grundrechtlichen Verankerung der Patientenrechte: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 105–126; Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 25–40, der zudem auf S. 46 darauf hinweist, dass das Parlamentsgesetz, der vorzüglichste Ort für die Ausgestaltung und Beschränkung der Grundrechte ist“. 14 BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975 – 2 BvR 883/73 und 279, 497, 526/74, BVerfGE 40, 237 (249); Beschl. v. 17.1.1976 – 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, 251 (260); Urt. v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (307 f.). 15 Kritisch zur Unbestimmtheit der Wesentlichkeitstheorie: Kisker, NJW 1977, 1313 (1317 ff.); Kloepfer, JZ 1984, 685 (692); Wielkke, JZ 1982, 758 (759); vgl. zur Auslegung des recht unbestimmten Begriffs der „Wesentlichkeit“ im Bezug auf das Privatrecht: Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 64 ff. 16 Siehe: BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (127). 17 Zu der Frage nach den Grenzen der Rechtsfortbildung durch Richter führt der erste Senat in BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (288) aus: „Fraglich können nur die Grenzen sein, die einer solchen schöpferischen Rechtsfindung mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung gezogen werden müssen. Sie lassen sich nicht in einer Formel erfassen, die für alle Rechtsgebiete und für alle von ihnen geschaffenen oder beherrschten Rechtsverhältnisse gleichermaßen gälte.“
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
Regelungen durch die Exekutive.18 Ausgangspunkt der Wesentlichkeitstheorie ist der Vorbehalt des Gesetzes („kein Handeln ohne Gesetz“),19 so dass eine Übertragbarkeit der Wesentlichkeitstheorie auf den Bereich der Rechtsfortbildung durch den Richter zu verneinen sein könnte. Allerdings beschränkt sich die Wesentlichkeitstheorie nicht allein darauf, dass die Verwaltung in wesentlichen Fragen nicht ohne gesetzliche Grundlage handeln darf. Sie wendet sich zugleich an den Gesetzgeber, indem sie ihn verpflichtet, die wesentlichen Fragen selbst zu regeln.20 Jedoch muss eine Übertragung der Wesentlichkeitstheorie auf den Bereich der Rechtsfortbildung durch den Richter letztlich am Rechtsverweigerungsverbot scheitern. „Die Gerichte müssen bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblich sind. Das gilt auch dort, wo eine gesetzliche Regelung, etwa wegen einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht, notwendig wäre (…) Nur so können die Gerichte die ihnen vom Grundgesetz auferlegte Pflicht erfüllen, jeden vor sie gebrachten Rechtsstreit sachgerecht zu entscheiden.“21 Die Grundrechtsrelevanz der Patientenrechte führt folglich nicht dazu, dass die Rechtsfortbildung durch die Richter als unzulässig zu bewerten ist. Das richterrechtlich ausgeprägte Arzthaftungsrecht wird, wie bereits im ersten Kapitel erörtert, von einer auf Information der Parteien des Behandlungsverhältnisses ausgerichteten Patientenrechtecharta flankiert, die auf Schaffung von Rechtsbewusstsein aller Beteiligten abzielt. Durch diese Charta wird kein Recht gesetzt. Vielmehr setzt sie auf Selbstverantwortung und Selbstverpflichtung der Behandler und Patienten.22 Regelungstyp der Patientenrechtecharta ist mithin ein Konsensmodell, welches auf Richterrecht zurückgreift. Wirksamkeit und Verbindlichkeit der Charta resultieren allein aus der Bereitschaft der Beteiligten, diese als Handlungsleitlinie zu verstehen und in Übereinstimmung mit dem eigenen Selbstbild zu befolgen.23 Ein Verstoß gegen diese Selbstverpflichtung hat aus sich selbst heraus keine rechtlichen Konsequenzen. Das Norm-Durchsetzungs- und das Konflikt-Schlichtungs-Potential einer Charta sind demnach äußerst gering.24 Ihr Vorteil gegenüber einer gesetzlichen Regelung ist, dass sie gerade aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit flexibler auf Veränderungen reagieren kann. So darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesundheitsrecht und auch das enger gefasste Medizinrecht weit mehr als jedes andere Rechtsgebiet einem permanenten Wandel ausgesetzt sind. Bei einer Normierung droht die Gefahr, dass das erlassene Gesetz zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits veraltet und damit reform-
18 BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 (142, 152) m.w.N.; Kloepfer, NJW 1985, 2497 (2499). 19 Siehe: BVerfG, Urt. v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (307). 20 Kloepfer, NJW 1985, 2497 (2499). 21 BVerfG, Beschl. v. 26.06.1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 (226 f.). 22 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 12 f. 23 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. IV; Katzenmeier, JR 2002, 444 (448). 24 Vgl.: BT-Drcks. 17/907, S. 2; Leenen/Gevers/Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 6.
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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bedürftig ist.25 Die Kritik, dass eine Charta „angesichts einer unübersichtlichen und komplexen Rechtslage keine Transparenz herstellen kann“26 und nicht „grundsatzorientiert ist“27, vermag nicht zu überzeugen. Schließlich muss sich eine Charta gerade nicht an der Rechtsnatur der erörterten Rechte und Pflichten orientieren. Aufgrund ihres rein informativen Charakters muss sie somit keine rechtssystematischen Hürden überwinden.28 Zudem ist eine solche Darstellung für den juristischen Laien in sprachlicher Hinsicht besser verständlich und nachvollziehbar. Sie kann sich anderen sprachlichen Formulierungen bedienen als ein Gesetz.29 Allerdings muss festgestellt werden, dass die im Jahr 2002 erlassene Charta „Patientenrechte in Deutschland“ die an sie gestellten Erwartungen bis heute nicht erfüllt hat.30 Nur wenige Patienten und Ärzte wissen überhaupt um die Existenz dieser Charta.31 Insofern kann eine mögliche Entscheidung gegen ein Patientenrechtegesetz nicht ein einfaches „Weiter so“ bedeuten.
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte Die zweite Handlungsoption des deutschen Gesetzgebers ist es, den Klagen über die Intransparenz und über die Defizite bei der praktischen Umsetzung und Anerkennung von Patientenrechten32 in der Form nachzukommen, dass er die Patientenrechte und -pflichten in einem Gesetz normiert. Diesbezüglich ist zunächst, unabhängig von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Richterrecht, fraglich, ob der Staat nicht ohnehin verfassungsrechtlich verpflichtet ist, die bestehende Rechtslage gesetzlich zu erfassen.33 Im Hinblick auf die grundrechtliche Verankerung der Patientenrechte könnte dem Staat eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht obliegen. Er ist aufgrund des hohen Stellenwertes des menschlichen Lebens sowie der körperlichen Unversehrtheit und der Autonomie dazu angehalten, bei der Bedrohung dieser Rechtsgüter durch Dritte schützend einzugreifen.34 Da25 Vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 88 f; allgemein zur Geschichtlichkeit des Rechts: Llompart-Verd, Geschichtlichkeit in der Begründung des Rechts, S. 1 ff. 26 BT-Drcks. 17/907, S. 2. 27 BT-Drcks. 17/907, S. 2. 28 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1507). 29 Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1507). 30 BT-Drcks. 17/907, S. 2. 31 Vgl.: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 18. 32 BT-Drcks. 17/906, S. 1 f.; Dierks et al., in: Dierks. et al., Patientensouveränität, S. 58 (65, 88); Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 147; vgl. auch: Brunner, et al., Z. f. Gesundheitswiss. 2000, 273 (282 ff.), die für zwei deutsche Großstädte eine bevölkerungsbezogene empirische Studie zum subjektiv wahrgenommenen Erfüllungsgrad von Patientenrechten durchgeführt haben; Fröhlich/Stange, BADK 2001, 54 (54); Wildner et al., SozPräventivmed 2001, 248 ff. 33 Diese Frage aufwerfend: Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 20 (45 ff.). 34 BVerfG, Urt. v. 25.2.1975 – 1 BvF 1, 2, 3, 4 , 5, 6/74, BVerfGE 39, 1 (42); unter Verweis darauf, dass das BVerfG seine Rechtsprechung zur Schutzpflicht zwar anhand von Fällen zum Schutz von Leben und Gesundheit entwickelt hat, diese sich aber auf alle Frei-
32
Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
bei liegt es, basierend auf der Wesentlichkeitstheorie, insbesondere an dem Gesetzgeber, dieser allgemeinen Schutzpflicht nachzukommen.35 Ob, wie und wann er dieser Schutzpflicht nachkommen muss, hängt „von der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgutes sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab.“36 Bei der Beurteilung der Gefahren steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Freiraum zu, ebenso bei der Entscheidung, wie er den Schutzpflichten konkret nachkommt.37 Maßgeblich dafür sind insbesondere die Eigenarten des jeweiligen Sachgebietes. Bei der Kodifikation der Patientenrechte und -pflichten ist vor allem fraglich, ob und inwieweit sie einer gesetzlichen Regelung überhaupt offen stehen, bzw. wie sie in sinn- und wirkungsvoller Weise normiert werden können. Die Arzt-Patienten-Beziehung ist derart facettenreich und komplex, dass eine umfassende Regelung durchaus schwierig ist. Der Gesetzgeber muss nicht zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht tätig werden, wenn er die für das jeweilige Sachgebiet erforderlichen Differenzierungen nicht abschließend gesetzlich erfassen kann. Eine konkrete, justitiable Norm ist nicht immer und zwangsweise das gebotene Mittel zur Erfüllung der Schutzpflichten.38 Zudem gilt es zu bedenken, dass auch die nicht parlamentarische Staatsgewalt Schutzpflichten nachkommen kann.39 Es kann durchaus gerechtfertigt sein, dass dieser in solchen Fällen ein wesentlicher Gestaltungsspielraum belassen wird.40 Demnach bedeutet die Tatsache, dass die Patientenrechte und -pflichten vornehmlich auf Richterrecht beruhen, noch nicht eine Verletzung der Schutzpflicht durch den Staat. Da sich die grundrechtlichen heitsrechte übertragen lässt: Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rdn. 24 f.; ebenso: Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rdn. 35; ausführlich zu staatlichen Schutzaufträgen und grundrechtlichen Schutzpflichten: Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche, S. 60 ff.; Stern, Staatsrecht III/1, S. 728 ff., 931 ff.; Jarass, AÖR 110 (1985), 363 (378 ff.); Sodan, NVwZ 2000, 601 (603 ff.). 35 BVerfG, Urt. v. 28.3.1993 – 2 BvF 2/90 und 4, 5/92, BVerfGE 88, 203 (254); vgl. das Sondervotum der Richter Helmut Simon und Wiltraut Rupp-von Brünneck, BVerfG, Urt. v. 25.2.1975 – 1 BvF 1, 2, 3, 4 , 5, 6/74, BVerfGE 39, 1 (71 f.); siehe auch: Preu, JZ 1991, 265 (268), der zutreffend darauf hinweist, dass Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG noch nicht dazu zwingt, „alle Befugnisse des A, die Leben oder Gesundheit des B im weitesten Sinne gefährden könnten, durch Parlamentsgesetz zu regeln“, und dass man bei der Anwendung der Wesentlichkeitstheorie in Verbindung der Schutzpflichtlehre Vorsicht walten lassen muss. 36 BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (142); Beschl. v. 14.1.1981 – 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54 (78). 37 Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rdn. 35; Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 101; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 4 Rdn. 113; Preu, JZ 1991, 265 (267 ff.); Sodan, NVwZ 2000, 601 (604 f.). 38 Preu, JZ 1991, 265 (269); insoweit widersprüchlich: Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rdn. 26 f.: „Die Pflicht zum Schutz gegen Eingriffe Dritter ist eine rein materielle Pflicht. Einen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe Dritter gibt es nicht. (…) Materiell ist der Staat nicht nur verpflichtet, Eingriffe Dritter in grundrechtliche Schutzgüter, die sich nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen, gesetzlich zu verbieten (primäre Schutzpflicht), sondern auch dazu, die gesetzlichen Eingriffsverbote effektiv durchzusetzen (sekundäre Schutzpflicht).“ 39 Vgl.: Epping, Grundrechte, Rdn. 337. 40 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 104.
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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Schutzgebote prinzipiell an alle Staatsorgane richten, sind die Gerichte nicht nur dazu verpflichtet, die Wahrung der Schutzpflichten durch andere Staatsorgane zu kontrollieren, sondern auch dazu, diese zu konkretisieren und wahrzunehmen. Eine staatliche Schutzpflicht ist im Hinblick auf den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers und unter Berücksichtigung der Eigenarten des jeweiligen Sachgebietes erst dann verletzt, wenn die staatliche Gewalt keinerlei Schutzvorkehrungen getroffen hat, oder wenn die bestehenden Regelungen und Maßnahmen vollkommen ungeeignet sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen.41 Ersteres kommt im Hinblick auf die Existenz allgemeiner gesetzlicher Regelungen, die auch für das ArztPatienten-Verhältnis Geltung beanspruchen, und das ausdifferenzierte, hochentwickelte Richterrecht zu den Patientenrechten nicht in Betracht. Auch kann nicht unterstellt werden, dass die derzeitige Rechtslage aufgrund von Intransparenz gänzlich ungeeignet ist, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Autonomie des Patienten zu schützen. Folglich ist ein Gesetz allein aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich. Bei dem Streben nach einer Kodifikation der Patientenrechte spielen vielmehr politische oder gesellschaftliche Forderungen nach stärkerer Anerkennung und Achtung dieser Rechte als verfassungsrechtliche Aspekte eine Rolle. Im Hinblick auf den hohen Entwicklungsstand der deutschen Patientenrechte könnte es indes durchaus fraglich sein, inwieweit eine gesetzliche Regelung tatsächlich nötig ist. Die Maxime von Charles-Louis de Secondat Montesquieu, „wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu erlassen, so ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen“42, beansprucht heute mehr denn je Zustimmung. Zugegebenermaßen äußert sich gerade in dem Erlass eines Parlamentsgesetzes unmittelbar der Wille des Volkes, so dass dem Parlamentsgesetz eine hohe Legitimationskraft innewohnt.43 Die Judikative und die Exekutive sind in ihrem Handeln nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Insbesondere der Vorrang des Gesetzes ist ein zentraler rechtsstaatlicher Grundsatz. Gesetze sind das „dominante Steuermittel des demokratischen Rechts- und Sozialstaats“44. Sie sollen die normative Struktur der Gesellschaft und auf diese Weise Rechtssicherheit und Rechtsfrieden schaffen.45 Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass in dem zunehmend an Bedeutung gewinnenden Bereich des Arztrechts die Befürworter und Gegner einer gesetzlichen Regelung so erbittert um eine solche diskutieren und sich die Frage nach dem Schließen der Lücke zwischen Gesetzesrecht und Richterrecht, Gesetzestext und Rechtspraxis in regelmäßigen Abständen immer wieder stellt. Richterrecht wurde schon immer kritisch betrachtet.46 So wurde schon im Rahmen der 41 Sachs, in: ders, GG, Vor Art. 1 Rdn. 36 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 4 Rdn. 113; zum Untermaßverbot: Sodan, NVwZ 2000, 601 (605 f.). 42 Zit. nach: Wassermann, NJW 1999, 1376; Karpen, ZRP 2007, 234. 43 Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 20 (46). 44 Ismayr, in: ders., Gesetzgebung in Westeuropa, S. 385 (387). 45 Vgl.: Lepsius, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 289 (291). 46 Vgl.: dazu die kurze Zusammenfassung der recht polemischen Einwände gegen die heutige Ausprägung des Richterrechts bei: Ossenbühl, Richterrecht im demokratischen Rechtsstaat, S. 2: „ Es ist (…) die Rede davon, daß der ‚Gesetzesstaat‘ durch den ‚Richterstaat‘ wenn nicht abgelöst, so doch überhöht wird. Der Richter mutiert zum ‚Ersatz- und Neben-
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
Schuldrechtsreform, in der auch die Kodifikation des Behandlungsvertrags angedacht wurde,47 vom Gesetzgeber gefordert, die Verantwortung für die Gestaltung des Kernbereichs des Privatrechts wieder zu übernehmen und „auf diese Weise das auch (verfassungsmäßig vorgegebene) Primat gegenüber der Rechtsprechung zurückzugewinnen.“48 Allerdings ist ein einseitiger Glaube an die Allmacht des Gesetzes unbedarft und realitätsfern.49 Zum einen wirkt ein Gesetz nicht schon aus sich selbst heraus.50 Zum anderen kann eine zu hohe Regelungsdichte und -tiefe auch dazu führen, dass der Bürger die einzelnen Regelungen nicht mehr wahrnimmt oder ihnen keine hinreichende Beachtung mehr schenkt und damit verbunden auch die Bereitschaft zur Befolgung der Regelungen sinkt.51 Die zunehmende Verrechtlichung,52 die sich mittlerweile auch im Bereich der Medizin abzeichnet,53 kann den Patienten mehr schaden als nützen, sofern sie zu einer Defensivmedizin führt. Allerdings darf die Angst vor der Verrechtlichung nicht bloß vorgeschoben werden und insofern als Rechtfertigung für Inaktivität dienen. Wenn eine gesetzliche Regelung wirklich notwendig ist, kann die zunehmende Verrechtlichung kein taugliches Argument gegen eine solche begründen. Freilich gilt zu bedenken, dass der Gesetzgeber bei der Verabschiedung eines Gesetzes nicht alle zukünftige, sich gesetzgeber‘. Es findet eine ‚Entfesselung der dritten Gewalt‘ statt, die ihrerseits in bindungsloser Freiheit über Maß und Umfang der eigenen Beurteilungskompetenzen und Maßstäbe befindet.“ 47 Vgl.: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 ff. 48 Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 305 (306). 49 Voigt, in: ders., Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 17 (29 f.). 50 So aber: BT-Drcks 17/907, S. 2: „Sie [die gesetzliche Regelung der Patientenrechte] garantiert, dass Patientinnen und Patienten um ihre Rechte wissen, die sie im Streitfall auch durchsetzen können. Eine gesetzliche Regelung garantiert auch die Verpflichtung der Behandler, Patientenrechte nicht nur zu kennen, sondern sie auch zu beachten.“; siehe dazu das vierte Kapitel „Exkurs: Wie wirkt Recht? Ist eine Steuerung durch Recht möglich?“. 51 Voigt, in: ders., Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 17 (29 f.). 52 Die seit den siebziger Jahren geführte Diskussion über „Normenflut“ und „Verrechtlichung“ und „Überregelung“ hat nicht dazu geführt, dass die Anzahl von Rechtsnormen gesunken ist. Das geltende Bundesrecht umfasst mit gelegentlichen Schwankungen circa 2.000 Stammgesetzen und 3.000 Stammverordnungen. Alle Stammgesetze zusammen bestehen aus etwa 47.000 einzelnen Vorschriften, alle Verordnungen zusammen aus etwa 40.000 einzelnen Vorschriften. Dabei besteht die Rechtsetzung heute hauptsächlich in der Änderung bereits bestehender Rechtsregeln. So ist das Einkommensteuergesetz zum Beispiel in der 15. Wahlperiode insgesamt 24mal geändert worden, siehe: BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 4. Insgesamt hat der Bundestag in fünfzehn Wahlperioden von 1949 bis 2005 insgesamt 9915 Gesetzesentwürfe behandelt und 6421 Gesetze verabschiedet, durchschnittlich also 115 pro Jahr, siehe: Ismayr, in: ders., Gesetzgebung in Westeuropa, S. 385 (387 f.). Vgl. die kritischen und differenzierten Ausführungen zur Verrechtlichung von: Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (293 ff.). 53 Müller-Dietz, in: Jung/Schreiber, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 7 (18); Schreiber, in: Kamp, Die Georgia Augusta, S. 29 (38 f.); Ulsenheimer, Ausgreifende Arzthaftpflichtjudikatur, S. 6; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 38 Rdn. 7; Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 75.
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im Anwendungsbereich des Gesetzes vollziehende Änderungen voraussehen kann. Ist das Gesetz angesichts der Entwicklungen „veraltet“, muss der Gesetzgeber mit einem Änderungsgesetz und in der Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes die Richter durch Auslegung des Gesetzes im Einzelfall auf die Änderungen reagieren. Der Gesetzgebungsprozess dauert regelmäßig sehr lang. Ein Gesetz erscheint dementsprechend im Verhältnis zu einer Charta als schwerfällig und starr.54 Diesbezüglich bleibt aber zu konstatieren, dass gerade das durch die Charta flankierte Richterrecht die beklagte Intransparenz der Rechtslage mit zu verantworten hat.55 Die Patientenrechtecharta hat die Erwartungen bisher nicht erfüllt. Es existiert immer noch eine Diskrepanz zwischen den Rechten und ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme, die zum Teil auf der Unkenntnis aller Beteiligten beruht.56 Der Wert von Rechten hängt maßgeblich davon ab, dass sie bekannt sind und umgesetzt werden. Ein Gesetz würde die darin erfassten Patientenrechte und -pflichten sicherlich optisch aufwerten.57 Ob dies aber auch mit einer Verbesserung der Kenntnis der Rechten und Pflichten unter Patienten und Ärzten einhergeht, ist fraglich. Festzuhalten bleibt hier des Weiteren, dass mit der Chance, die Rechtskenntnis der Beteiligten zu fördern, zugleich das Risiko verbunden ist, dass nicht normierte Rechte und Pflichten abgewertet werden.58 Zumal zu beachten ist, dass sich das Arzthaftungsrecht, das durch die Rechtsprechung in hohem Maße austariert worden ist, als eine komplexe und vielschichtige Materie darstellt. Das gilt auch für das Gesundheits- oder Medizinrecht. Ein Gesetz kann allein aufgrund dessen nicht sämtliche problematische Fallkonstellationen gesetzlich festschreiben. Ein solches detailliertes und feingliedriges Gesetz wäre weder lesbar noch umsetzbar.59 Zudem ist eine gedankliche Vorwegnahme aller möglichen Fallkonstellationen tatsächlich nicht möglich. Eine zu detaillierte gesetzliche Regelung ist 54
Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505 (1506 f.); Steffen, MedR 2002,190 (191); vgl. auch die Äußerung von Christian Katzenmeier auf der Tagung „Patientenrechte und Bürgerbeteilung“ 2001 in Bremen, wiedergegeben bei: Pfeffer, MedR 2002, 250. 55 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 151; Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 20 (45 f.). 56 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 147, 148; Harmann, NJOZ 2010, 819 (825); Steffen, MedR 2002, 190 (190), mit dem Hinweis, dass die Unkenntnis von Ärzten und Patienten nur zweitrangig ist für die Diskrepanz. 57 Steffen, MedR 2002, 190 (191). 58 Steffen, MedR 2002, 190 (191): „Der Gewichtszuwachs für die normierten Rechte führt zum Gewichtsverlust für die nicht normierten; die detailliert ausformulierten Rechte erhalten schon durch die nur pauschal angesprochenen einen höheren Stellenwert; auch die Auslegung und Ausfüllung der Einzelnorm hängt ab von der Systematik usw.“ 59 Kirchhof, in: Reinhart, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 11 (27), der auf S. 28 noch deutlichere Worte findet: „Detailgesetzgebung würde nicht eine Legalisierung und Verrechtlichung unseres Lebens erreichen, sondern die Gesetzgebung ad absurdum führen. Die voluminösen Kodicies verdienten nicht Respekt, sondern müssten mit Achselzucken übergangen und würden mit Spott bedacht werden. Der Parlamentarier wäre inhaltlich und zeitlich überfordert, der dem Gesetz dienende Jurist verlöre seine berufliche Orientierung, die Autorität des Rechts wäre untergraben, der Gesetzesadressat müsste sich an eine stete potentielle Rechtsverletzung gewöhnen.“; Schmidt, Die Zukunft der Kodifikationsidee, S. 18 f.
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
demnach nicht erstrebenswert.60 Jedoch birgt eine Normierung die Chance zur Verbesserung der Kenntnis. Ebenso ist das Konflikt-Schlichtungs-Potential eines Gesetzes per se höher einzustufen als das einer Selbstverpflichtung in Form einer Charta.61 Das Bestreben, die Patientenrechte und -pflichten gesetzlich festzuschreiben, ist trotz zum Teil gewichtiger Gegenargumente ernst zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Im Fall einer Normierung stünden dem deutschen Gesetzgeber drei unterschiedliche Regelungsmodelle zur Verfügung. Er könnte zum einen ein Änderungsgesetz erlassen und die jeweiligen Patientenrechte in bereits bestehende Gesetze integrieren und damit in ihrem Sachzusammenhang normieren. Bei diesem Regelungsmodell könnten die individuellen Patientenrechte zivilrechtlicher Natur, auf die sich diese Arbeit konzentriert, im BGB geregelt werden. Eine andere Möglichkeit des Gesetzgebers, die Patientenrechte und -pflichten sachnah festzuschreiben, bestünde darin, diese in (einem) eigenständigen Gesetz(en) zu normieren.62 Die dritte Alternative des Gesetzgebers bestünde in dem Erlass eines umfassenden, Rechtsgebiet übergreifenden Gesetzes. Andere europäische Länder haben diese Wege schon beschritten. Für den deutschen Gesetzgeber muss bei der Entscheidung für eines der Regelungsmodelle ausschlaggebend sein, mit welchem Modell er das Ziel der transparenten Ausgestaltung, der Stärkung der Kenntnisse des Patienten sowie der Behandlungsseite und der Verbesserung der Rechtssicherheit am besten erreichen kann. Zudem ist zu klären, welche gesetzlichen Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt rechtlich umsetzbar sind.
1. Erlass eines Änderungsgesetzes: Kodifikation im BGB In Deutschland wird Recht heutzutage überwiegend durch eine (partielle) Abänderung bereits bestehender Gesetze gesetzt.63 Dies erfolgt durch den Erlass von sogenannten Änderungsgesetzen. Bei Änderungsgesetzen werden im Bundesgesetzblatt lediglich die Änderungsbefehle zum bisher geltenden Recht verkündet.64 Sie 60
Schmidt, Die Zukunft der Kodifikationsidee, S. 20 f. Vgl.: Leenen/Gevers/Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 6. 62 Verkomplizierend kommt hier hinzu, dass es dem Gesetzgeber letztendlich freisteht, die möglichen Regelungsmodelle miteinander zu kombinieren: So kann er etwa die individuellen zivilrechtlichen Patientenrechte und -pflichten im BGB, andere Patientenrechte hingegen in einem eigenständigen Gesetz regeln. In den Niederlanden sind zum Beispiel die individuellen zivilrechtlichen Patientenrechte im niederländischen bürgerlichen Gesetzbuch geregelt worden; kollektive Mitbestimmungsrechte der Patienten oder Patienten-Organisationen im Gesundheitswesen hingegen in einem eigenständigen Gesetz: dem WMCZ (Wet medezeggenschap cliëenten zorginstellingen/ Gesetz über die Mitbestimmung der Patienten in Pflegeeinrichtung). Auf die einzelnen Kombinationsmöglichkeiten soll an dieser Stelle jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht eingegangen werden. 63 Vgl.: BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 4; Ismayr, in: ders., Gesetzgebung in Westeuropa, S. 385 (387 f.), der dies als Ausdruck einer zunehmenden Vernetzung ansieht. 64 Teilweise erfolgt eine Bekanntmachung der Neufassung im Anschluss an die Änderungsvorschriften im Bundesgesetzblatt. 61
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selbst haben keine Geltungsdauer. Mit ihrem Inkrafttreten werden die Änderungen wirksam. Der Wortlaut der geänderten Stammgesetze wird an den im Änderungsgesetz bezeichneten Stellen ersetzt, ergänzt oder aufgehoben.65 Umfangreiche Änderungsgesetze werden, insbesondere wenn sie gleichzeitig mehrere Gesetze modifizieren, in unterschiedliche Artikel gegliedert, weswegen sie häufig auch als Artikelgesetz bezeichnet werden.66 Eine Regelungsmöglichkeit des Gesetzgebers wäre die Kodifikation des Behandlungsverhältnisses im BGB durch Erlass eines Änderungsgesetzes. Sozialversicherungsrechtliche Rechte und Pflichten des Patienten könnte er in dem jeweiligen SGB normieren. Daneben bestünde die Möglichkeit für andere Regelungsgegenstände, wie etwa die Mitbestimmung der Bürger und Interessenvertretungen der Patienten bei Fragen des Gesundheitssystems, eigenständige Stammgesetze zu erlassen. Ferner es ist bei der Wahl dieses Regelungsmodells möglich, dieses mit einer Selbstregulierung zu kombinieren. Zunächst spricht für eine Ansiedlung der Regelung im Zivilrecht, dass die Patientenrechte und -pflichten in Deutschland traditionell überwiegend zivilrechtlicher Rechtsnatur sind.67 Darüber hinaus hat eine schwerpunktmäßig zivilrechtliche Regelung den Vorteil, dass der Patient dem Arzt direkt sein Recht abverlangen muss. Die Rechte und Pflichten sind auf diese Weise im Behandlungsverhältnis selbst geltend zu machen.68 Sofern die Regelung im Zivilrecht angesiedelt würde, drängte sich eine Kodifikation der Patientenrechte im BGB auf. Dem Behandlungsverhältnis zwischen Patient und Arzt/ Krankenhaus liegt regelmäßig ein Behandlungsvertrag zu Grunde. Darüber hinaus wäre eine Kodifikation im BGB eine sehr öffentlichkeitswirksame Maßnahme. Dies muss insbesondere im Hinblick darauf gelten, dass das BGB die zentrale Kodifikation des deutschen Zivilrechts ist. Ihr wird wohl eine größere Beachtung zukommen, als der Erlass eines eigenständigen Patientenrechtegesetzes. Insofern könnte dem Anspruch, dass die Regelung von der Gesellschaft wahrgenommen wird, Rechnung getragen werden. Eine Orientierung an den Niederlanden, dessen Gesundheitsrecht generell als sehr fortschrittlich angesehen wird69 und von dessen Bürgern rund drei Viertel mit ihrem Gesundheitssystem zufrieden sind70, könnte insoweit hilfreich sein. Dort sind diejenigen Rechte und Pflichten des Patienten, die ihre Grundlage in dem Be65
BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 21. Vgl.: BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 22; Ismayr, in: ders., Gesetzgebung in Westeuropa, S. 385 (388). 67 Teilweise wird das Verhältnis zwischen gesetzlich versicherten Patienten und behandelndem Arzt als ein sozialversicherungsrechtliches qualifiziert; vgl. dazu die Ausführungen im fünften Kapitel unter II.1.b). 68 Vgl.: Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 471. 69 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 30; Birmontiene, European Journal of Health Law 2002, 381 (381 f.); Hanika, MedR 1999, 149 (155). 70 Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (85); für das Jahr 1997: Mossialos, Health Economis 1997 (6), 109 (110 f.); vgl. für das Jahr 2008: Health Consumer Powerhouse, Euro Health Consumer Index 2008, S. 5, 12, siehe dazu: o.V., Deutsches Gesundheitsystem fällt zurück“, in: FAZ , 18.11.2008 (270), S. 21. 66
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
handlungsvertrag mit dem Arzt haben, im Burgerlijk Wetboek (BW), dem niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuch, geregelt. a) Ausblick auf die Niederlande: Burgerlijk Wetboek Der niederländische Gesetzgeber hat sich mit dem Erlass des Wet op de Geneeskundige BehandelingsOvereenkomst (WGBO71) für einen zivilrechtlichen Ansatz zur Stärkung und Förderung der Patientenrechte entschieden.72 Der Regelungsabschnitt Behandlungsvertrag wurde in das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes WGBO am 1.4.1995 eingefügt.73 Damit führte das WGBO die wichtigsten, bereits in der Praxis allgemein anerkannten Patientenrechte zivilrechtlicher Natur einer Regelung zu.74 Andere Patientenrechte, die ihre Grundlage nicht im Behandlungsvertrag haben, wurden hingegen vom WGBO nicht erfasst.75 Das WGBO hat lediglich einen zivilrechtlichen Mindeststandard im Hinblick auf die Gewährleistung der Patientenrechte festgeschrieben.76 71 Ein ins Deutsche übersetzter Entwurf des WGBO findet sich bei: Pichler, in: Pichler, Einführung in die Patientenrechtepolitik, S. 66–72; vgl. auch die deutsche Übersetzung der Regelungen über den Behandlungsvertrag im BW bei: Caspari/Hein/Westerdijk, in: Nieper/Weseterdijk, Niederländisches Gesetzbuch, Bücher 6, 7 und 7A, S. 177–190. 72 Vgl.: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 2, 32; Hondius/van Hooft, in: Kranich/ Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 55 f.; Leenen/Gevers/ Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 5; Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149. 73 Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 174 f.; Dute, Quality in Health Care 1995, 204. 74 Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509; Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (513); für die Entwicklung des Rechts auf Aufklärung und Einwilligung: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 59. 75 Es gibt jedoch zahlreiche andere Gesetze, die ebenfalls Patientenrechte in ihrem Sachzusammenhang regeln, vgl. nur: Wet Bijzondere Opnemingen Psychiatrische Ziekenhuizen (BOPZ/ Gesetz über die unfreiwillige Aufnahme in Psychiatrische Krankenhäuser, in Kraft seit 1994), Wet klachtrecht cliënten zorgsector (WKCZ/ Gesetz über das Beschwerderecht, in Kraft seit 1995), Wet medezeggenschap cliëenten zorginstellingen (WMCZ/ Gesetz über die Mitbestimmung der Patienten in Pflegeeinrichtung, in Kraft seit 1996), Wet op de Orgaandonatie (WOD/ Gesetz über die Organspende, in Kraft seit 1998), Wet op de medische keuring (WMK/ Gesetz über medizinische Untersuchungen im Versicherungs- und Arbeitsbereich, in Kraft seit 1998), Wet medisch-wetenschappelijk onderzoek met mensen (Gesetz der medizinischen Wissenschaft und Forschung am Menschen, in Kraft seit 1998), Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding (WTL/ Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und die Hilfe bei der Selbsttötung, in Kraft seit 2002). 76 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 31; Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 183; Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509. Demnach bleibt im niederländischen Gesundheitsystem durchaus noch Raum für eine über den Mindeststandard des WGBO hinausgehende, freiwillige Selbstkontrolle der Behandlungsseite in Form von Richtlinien und Verhaltenskodexen, siehe: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 2; Lanphen, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 107 (110). Ein Beispiel für eine solche freiwillige Selbstkontrolle, die in Teilen über den Mindeststandard
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In den Niederlanden setzten die Bestrebungen, die Patientenrechte zu stärken, vornehmlich im Bereich der Psychiatrie in den siebziger Jahren ein.77 Die Forderung nach der Gewährleistung der Selbstbestimmung der Patienten war in den Niederlanden, ebenso wie in Deutschland, Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung in Form von Demokratisierungs- und Emanzipationsbewegungen.78 Obwohl die niederländische Regierung bereits 1978 eine Arbeitsgruppe zum Thema Patientenrechte einrichtete, die unter dem Vorsitz von Henricus Jacobus Josephus Leenen bis zum Jahr 1982 fünf Gutachten zu verschiedenen Aspekten der Patientenrechte erarbeitete,79 setzte der Trend, die entwickelten und anerkannten Patientenrechte zu regeln, in den Niederlanden erst Mitte der achtziger Jahren ein. Nachdem die niederländische Regierung im Jahr 1987 den ersten Entwurf einer gesetzlichen Regelung der Patientenrechte, der auf den Gutachten der Leenen-Arbeitsgruppe basierte, veröffentlichte,80 wurde erst im Jahr 1990 eine leicht abgeänderte Fassung in das niederländische Parlament eingebracht.81 Von der im Jahr 1994 schließlich erfolgten Verabschiedung des WGBO82 versprach man sich insbesondere, dass das Bewusstsein für die Rechte und Pflichten seitens der Patienten und der Behandler durch die Regelung des Behandlungsvertrags im BW gefördert werden würde.83 Ähnlich wie die Befürworter einer gesetzlichen Regelung in Deutschland ging man in den Niederlanden davon aus, dass mit der Verbesserung der Kenntnis von Rechten und Pflichten auch eine bessere Umsetzung eben dieser in der Praxis gewährleistet sei. Der niederländische Gesetzgeber beabsichtigte mit dem Erlass des WGBO, aber nicht nur die Patientenrechte zu stärken und zu betonen,84 sondern auch auf die Arzt-Patienten-Beziehung ausgleichend einzuwirken.85 der WGBO hinausgeht, ist der „Gedragscode Gezondheidsonderzoek“ der Stiftung „Federatie van Medisch Wetenschappelijke Verenigingen“ (FMWV), deren Schwerpunkt bei der Förderung der (bio-) medizinischen Forschung und der Vertretung der Interessen ihrer 37 Mitgliedsverbände liegt. Der „Gedragscode Gezondheidsonderzoek“ regelt in Form der Selbstverpflichtungen für die Mitglieder der FMWV den Umgang mit personenbezogenen Daten im Bereich der medizinischen Forschung. 77 Vgl.: Scholten/Hoogerwerf, BASIS 2005 (1), 12 ff.; siehe auch: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 314; Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 174 f; Trappenburg, Health Care Analysis 2005, 223 (232). 78 So Paul Francissen für die Niederlande in: Scholten/Hoogerwerf, BASIS 2005 (1), 12 ff.; vgl. auch: Berger, in: Kranich/Vitt/Berger, Leistung und Qualität der Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in Europa/ Länderberichte, S. 9 (13). 79 Lanphen, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 107 (109); Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 175. 80 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 1 f.; Lanphen, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 107 (109). 81 Lanphen, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 107 (109); Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 175. 82 Vgl. generell zu der Dauer des Gesetzgebungsprozesses in den Niederlanden: Timmermans/Scholten/Oostlander, in: Ismayr, Gesetzgebung in Westeuropa, S. 270 (290 f.). 83 Vgl. die Aussage von Fons Dekkers, dem ehemaligen Direktor des NP/CF, zit. nach: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 314. 84 Vgl.: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 1, 30; NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 110; Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 174; Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509.
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Dementsprechend sollte durch die Regelung des Behandlungsvertrags in dem niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuch klargestellt werden, dass dieses maßgeblich durch das Zivilrecht geprägt wird, und dadurch die Gleichrangigkeit der Vertragsparteien hervorgehoben werden.86 Durch die Betonung des Vertrauensverhältnisses zwischen Behandler und Patient sollte sichergestellt werden, dass es sich beim Behandlungsvertrag um ein besonderes partnerschaftliches Vertragsverhältnis handelt.87 Insofern wurden auch nur vereinzelt Haftungsfragen im Rahmen der Regelungen aufgegriffen. aa) Regelungsinhalt des Burgerlijk Wetboek Das BW hat eine ähnliche Struktur wie das BGB. Die allgemeinen sind den speziellen Regelungen vorangestellt.88 Insgesamt gliedert sich das BW in neun Bücher: (1) Personen- und Familienrecht, (2) Rechtspersonen, (3) Allgemeines Vermögensrecht, (4) Erbrecht, (5) Sachenrecht, (6) Allgemeines Schuldrecht, (7) Besondere Verträge, (8) See-, Binnenschifffahrts- und Luftfahrtsrecht.89 Das WGBO hat die Regelungen zum Behandlungsvertrag als besonderen Typus des Auftrages (opdracht)90 im siebten Buch des BW in den Art. 7:446–468 BW festgeschrieben.91 Der Behandlungsvertrag wird in Art. 7:446 Abs. 1 BW legaldefiniert als ein Vertrag, durch den sich eine natürliche oder juristische Person als Hilfeleistender in Ausübung eines medizinischen Berufes oder Gewerbes gegenüber seinem Auftraggeber zur Verrichtung von Tätigkeiten auf dem Gebiet der Medizin bezogen auf den Patienten verpflichtet. Auftraggeber kann dabei der Patient selbst oder ein 85
Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 30. Vgl.: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 32; Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 174: „Zoals nog aan de orde zal kommn, is voor de overeenkomst als regelingsvorm gekozen, omdat die het horizontale karakter van de relatie tussen arts en patiënt benadrukt.” Siehe auch: Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 167, nach dem gegen einen verwaltungsrechtlichen Lösungansatz sprach, dass der Patient die Rechte verwaltungsrechtlicher Natur nicht direkt dem Krankenhaus oder dem Behandlenden abverlangen könne. 87 Roscam Abbing, European Journal of Health Law 2006, 133 (134); vgl. auch: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 32. 88 Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149. 89 Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 37. 90 Vgl.: Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 136; Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149. Insoweit gilt anzumerken, dass dieser Vertragstyp nicht mit dem Auftrag im Sinn des § 662 BGB gleichzusetzen ist, vgl.: Nieper, in: Nieper/Weseterdijk, Niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch, Bücher 6, 7 und 7A, S. xix (xxviii). 91 Regelungen, die für den Behandlungsvertrag und damit für die Rechte und Pflichten des Patienten relevant sind, fanden sich bis zum Inkrafttreten des WGBO im dritten Buch „allgemeines Vermögensrecht“, im sechsten Buch des niederländischen BGB „allgemeines Schuldrecht“ und im ersten Abschnitt des siebten Kapitels des siebten Buchs „allgemeine Bestimmungen zum Auftrag“. Diese sind nach wie vor für das Behandlungsverhältnis einschlägig, sofern nicht die Art. 7:446–468 BW spezieller sind, vgl.: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 2; Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 182 f.; Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149. 86
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Dritter sein.92 In den Abs. 2 und 3 wird aufgelistet, was unter „Tätigkeiten auf dem Gebiet der Medizin“ verstanden wird. Danach umfasst der medizinische Behandlungsvertrag alle Leistungen, sowohl Untersuchungen als auch Ratschläge, die den Patienten direkt betreffen und darauf abzielen, Krankheiten zu heilen, zu verhüten, den Gesundheitszustand des Patienten zu beurteilen oder die Geburtshilfe zu unterstützen. Ferner werden auch alle übrigen Leistungen, die ein Mediziner in seiner Eigenschaft erbringt und die den Patienten unmittelbar betreffen, als Tätigkeiten auf dem Gebiet der Medizin qualifiziert. Auch Handlungen, wie die Pflege und Versorgung des Patienten und die sonstigen unmittelbar zugunsten des Patienten vorgenommenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Pflege und Behandlung, werden vom medizinischen Behandlungsvertrag im niederländischen Recht erfasst. In den Art. 7:447–468 BW sind insbesondere Rechte und Pflichten des Patienten als Auftraggeber bzw. im Umkehrschluss die Pflichten und Rechte des Behandelnden als Auftragnehmer geregelt. Dabei ist die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten im BW recht allgemein gehalten, so dass eine durch Redlichkeit und Billigkeit geprägte Auslegung der Normen im Einzelfall möglich ist.93 Auffällig ist bei der Kodifikation des Behandlungsvertrags im BW vor allem, dass diese speziellen gesetzlichen Regelungen in wesentlichen Punkten von den allgemeinen Normen des BW abweichen,94 so etwa im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen. Gemäß Art. 7:447 Abs. 1 BW sind Minderjährige im Hinblick auf den Abschluss eines Behandlungsvertrags, der sie selbst betrifft, bereits ab sechzehn Jahren geschäftsfähig. Dies gilt ebenfalls für die Rechtsgeschäfte, die im Zusammenhang mit diesem Behandlungsvertrag stehen. Nach Abs. 2 haftet der minderjährige Patient für alle sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Verbindlichkeiten, unbeschadet der Unterhaltspflicht der Eltern. In diesem Fall besteht die Aufklärungspflicht des Behandlers nur gegenüber dem Minderjährigen. Nur er muss in den Eingriff einwilligen. Daneben müssen Minderjährige im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren gemäß Art. 7:450 Abs. 2 S. 1 BW ebenfalls selbst den Behandlungsmaßnahmen zustimmen, bedürfen dabei aber zugleich der
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Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 2. Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (514); ders., Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1088 (1089), der diesbezüglich kritisiert, dass durch die gewählten weiten Formulierungen für die Behandlungsseite Rechtsunsicherheit drohe. Auch befürchtet er, dass durch offen formulierte Normen das Recht zunehmend strengere und letztendlich überzogene Anforderungen an die Behandlungsseite stelle, so dass das Recht in letzter Konsequent seine Macht verliere. „Het gevaar van dergelijke open normen is bovendien dat het recht succesieverlijk steeds strengere eisen gaat stellen aan dokoters op het gevaar af dat die aanspraken ireëel worden met het gevolg dat het recht zijn gezag verliest.”; anders: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 30, nach denen die allgemeine Ausgestaltung der Rechte und Pflichten grundsätzlich einen Vorteil sei. Das Gesetz bilde auf diese Weise einen stabilen, aber flexiblen Rahmen für die Arzt-Patienten-Beziehung, die durch den stetigen und zum Teil recht schnelllebigen Fortschritt der Medizin geprägt sei. 94 Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 138; vgl. auch: Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (514). 93
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Zustimmung ihrer Eltern oder ihres Vormunds.95 Die Behandlung kann gemäß Art. 7:450 Abs. 2 S. 2 BW nur dann ohne Zustimmung der Eltern oder des Vormunds erfolgen, wenn sie notwendig ist, um einen ernsthaften Nachteil für den Patienten abzuwenden, oder wenn der Patient trotz der Verweigerung der Zustimmung die Behandlungsmaßnahme wohlüberlegt wünscht.96 Einen Patienten unter zwölf Jahren muss der Arzt gemäß Art. 7:448 Abs. 1 S. 2 BW in der Form aufklären, wie es dem Auffassungsvermögen des Minderjährigen entspricht. Bemerkenswert ist ferner, dass die Vorschriften nach Art. 7:468 BW zwingend sind, soweit sie sich als vorteilhaft für den Patienten darstellen. Insofern gilt zu beachten, dass in den Art. 7:446–468 BW die Anzahl der für den Patienten vorteilhaften Regelungen überwiegt. So finden sich lediglich zwei Normen im fünften Abschnitt des siebten Kapitels des siebten Buchs des BW, die Patientenpflichten statuieren. Nach Art. 7:452 BW ist der Patient zum einen verpflichtet, dem Behandler alle für die Behandlung notwendigen Informationen mitzuteilen und an der Behandlung mitzuwirken. Zum anderen muss er dem Behandler gemäß Art. 7: 461 BW ein Entgelt zahlen, sofern er selbst der Auftraggeber des Behandlers ist und sich nicht etwas anderes aus dem Gesetz oder aus dem Vertrag ergibt. Der Pflichtenkatalog des Arztes ist hingegen viel umfassender. So normiert Art. 7:453 BW beispielsweise die Pflicht des Mediziners zur Sorgfalt eines „guten Heilbehandlers“ (goed hulpverlener). Er ist verpflichtet, in Übereinstimmung mit den Standesnormen zu arbeiten. Dieser Sorgfaltspflicht entspricht das Recht des Patienten auf eine sorgfältige, den Standards entsprechende Behandlung (professionele standaard). Ferner ist in Art. 7:448 BW das Recht auf Information und Aufklärung (inlichtingen) und in Art. 7:449 BW das Recht auf einen Aufklärungsverzicht geregelt. Der Behandelnde muss den Patienten über den Gesundheitszustand, über Art und Ziel der Untersuchung und Behandlung, die zu erwartenden Folgen, über die Risiken und über alternative Behandlungsmöglichkeiten aufklären. Die Pflicht des Behandlers, vor der Behandlung die Einwilligung des Patienten (toestemming) und/ oder seines gesetzlichen Vertreters einzuholen, ist in Art. 7:450 BW normiert. Des Weiteren ist der Behandler nach Art. 7: 454 Abs. 1 BW dazu verpflichtet, die Behandlung zu dokumentieren. Die Aufbewahrungszeit der Patientendaten ist mittlerweile von mindestens zehn auf ein Minimum von fünfzehn Jahren angehoben worden.97 Der Patient hat gemäß Art. 7: 456 S. 1 BW das Recht, Einsicht (inzage) in die Patientenakte zu nehmen und Abschriften von dieser zu bekommen. Darüber hinaus ist der Patient nach Art. 7: 454 95 Zum Teil wird kritisiert, dass die Rechte minderjähriger Patienten nicht weitgehend genug sind. Kritikpunkt ist vor allem, dass für die Behandlung von Minderjährigen unter sechzehn Jahren generell nach Art. 7:450 Abs. 2 S. 1 BW noch die Zustimmung der Eltern erforderlich ist, vgl. Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 537. 96 Diese Regelung ist umstritten, vgl.: Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (510). 97 Roode, Medisch Contact 2006 (7), 298; vgl. zur Diskussion um die Verlängerung der Aufbewahrungszeit der Patientendaten: Health Council of the Netherlands, Reports 2004, S. 21 ff. Der niederländische Gesundheitsrat selbst hielt eine Aufbewahrungszeit von 30 Jahren für angebracht, siehe: Health Council of the Netherlands, Reports 2004, S. 26 f.; Witmer/Roode, Implementatie van de WGBO, S. 24; Dondorp/Legemaate/van de Klippe, European Journal of Health Law 2004, 273 (277 ff.).
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Abs. 2 BW berechtigt, eine eigene Erklärung seiner Patientenakte beifügen zu lassen. Auch die Schweige- und Datenschutzpflicht des Arztes ist durch das WGBO geregelt worden.98 Der Behandelnde ist gemäß Art. 7:457 Abs. 1 BW zur Geheimhaltung verpflichtet. Ausnahmen von der Schweigepflicht sind gesetzlich festgelegt: Art. 7:448 Abs. 3 S. 2, Art. 7:457 Abs. 2, Abs. 3 BW und Art. 7:458 BW. Zudem kann der Patient gemäß Art. 7:455 Abs. 1 BW die Vernichtung (von Teilen) der Patientenakte verlangen. Spezielle arzthaftungsrechtliche Normen wurden nur in geringem Maße vom niederländischen Gesetzgeber durch das WGBO im BW integriert. Art. 7:463 BW schreibt die Unwirksamkeit eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbeschränkung zulasten des Patienten vor. Art. 7:462 BW regelt eine allumfängliche, quasi-vertragliche Haftung des Krankenhauses. Der Krankenhausträger haftet gemäß Art. 7:462 Abs. 1 BW wie eine Vertragspartei, wenn der Fehler innerhalb des Krankenhauses geschieht. Diese zentralisierte Haftung ist angesichts dessen von großer Bedeutung, dass in dem niederländischen Gesundheitssystem die ambulante Versorgung im Krankenhaus durch Fachärzte ausgeprägt ist,99 die niederländischen Fachärzte nahezu ausschließlich als Belegärzte im Krankenhaus arbeiten100 und der gespaltene Krankenhausaufnahmevertrag damit der Regelfall ist.101 Der Krankenhausträger haftet im Verhältnis zum Patienten gemäß Art. 7:462 Abs. 1 BW für Behandlungsfehler des Arztes auch dann, wenn er im Hinblick auf die medizinische Leistung selbst nicht Vertragspartei ist, weil etwa ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag gegeben ist.102 Indem Art. 7:462 Abs. 1 BW generell eine quasi-vertragliche Haftung des Krankenhausträgers für die Schäden von Patienten einführt,103 schafft der niederländische Gesetzgeber insbesondere Abhilfe für die komplizierte Frage, wer bei einem gespaltenen Krankhausaufnahmevertrag für Fehler von anderen Ärzten, Krankenschwestern, Röntgenassistenten und Pathologen vertraglich haftet.104 Die in Art. 7:462 BW angeordnete zentralisierte Haftung des Krankenhausträgers erleichtert dem Patienten die Beweisführung bezüglich der Person der Schädigers.105 Nunmehr muss im Rahmen des Prozesses nicht mehr geklärt werden, ob der Schädiger Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses im Sinn des Art. 6:76 BW ist. Die Einführung des Art. 7:462 BW hat die Haftung
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Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 138. Berger, in: Kranich/Vitt/Berger, Leistung und Qualität der Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in Europa/ Länderberichte, S. 9 (10). 100 Von dem im Krankenhaus arbeitenden Fachärzten sind nur circa fünfzehn Prozent als Angestellte im Krankenhaus tätig, siehe: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (87). 101 Eine „doppelte Facharztschiene“ existiert in den Niederlanden nicht. siehe: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (137). 102 Vgl.: Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149 (156). 103 Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149 (156). 104 Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 543. 105 Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (95); Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149 (158 f.). 99
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
des Krankenhausträgers jedoch im Endergebnis nicht ausgeweitet.106 Schließlich kann dieser oder seine Versicherung bei dem Belegarzt, der den Schaden zu vertreten hat, Regress nehmen. Dabei richtet sich die Regressmöglichkeit entweder nach dem Vertrag zwischen Krankenhausträger und Belegarzt oder nach den allgemeinen Regeln (Art. 6:101 BW oder Art. 6:102 BW). Der niederländische Gesetzgeber beabsichtigte mithin nicht, das Haftungskonzept zu erweitern, sondern lediglich dem Patienten das Vorgehen im Schadensfall derart zu erleichtern, dass er stets einen zentralen Anspruchsgegner hat, an den er sich bei einer Schadensersatzforderung halten kann.107 Im Übrigen hat das WGBO die Beweislastverteilung nicht verändert.108 bb) Errungenschaften des WGBO Das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch wurde Ende des letzten Jahrhunderts reformiert. Anlass der Reform war der Versuch, zivilrechtliche Sachbereiche, die bis dato in einer Vielzahl von Einzelfallgesetzen geregelt waren, in einem einzigen systematischen Gesetzbuch zu kodifizieren.109 Patientenrechte sind in den Niederlanden ebenso wie in Deutschland hauptsächlich zivilrechtlicher Natur. Die Regelung des Behandlungsvertrags und damit eines Großteils der Patientenrechte im niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuch durch das WGBO erscheint somit konsequent. Bei dem Streben nach einem einheitlichen, systematischen Gesetz wäre es widersprüchlich gewesen, ein eigenständiges Patientenrechtegesetz zu erlassen. Daraus folgt aber auch, dass andere Angelegenheiten, wie das Beschwerderecht im Gesundheitswesen und die Zwangseinweisung in psychiatrische Kliniken, und Patientenrechte anderer Rechtsnatur in Spezialgesetzen, wie dem Wet klachtrecht cliënten zorgsector (WKCZ) und dem Wet Bijzondere Opnemingen Psychiatrische Ziekenhuizen (BOPZ), geregelt werden mussten.110 Dennoch wird das WGBO als die grundlegende Regelung der Patientenrechte in den Niederlanden angesehen.111 Dabei ist im Rahmen der Kodifikation der Patientenrechte im BW durch das WGBO vor allem der Umfang der Bestimmungen zum Selbstbestimmungsrecht
106 Fischer, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 49 (167). 107 Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149 (156). 108 Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149 (158 f.). 109 Vgl.: Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 6. 110 Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung im europäischen Rechtsvergleich, S. 1; siehe auch: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 2 f.; vgl. zum WKCZ: Leenen/Gevers/ Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 274 ff.; vgl. zum BOPZ: Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 293 ff. 111 Nel Koster, zit. nach Berger, in: Kranich/Vitt/Berger, Leistung und Qualität der Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in Europa/ Länderberichte, S. 9 (14), spricht insoweit vom „Herz der Patientenrechte“; Paul Francissen, zit. nach Scholten/Hoogerwerf, BASIS 2005 (1), 12 ff. von der „‚moeder‘ van alle patiëentenwetten“ (übersetzt: der „Mutter“ aller Patientenrechtsregelungen).
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des Patienten auffällig.112 Der Großteil der Normen des WGBO soll die Autonomie des Patienten gewährleisten und absichern. Die Gewichtung liegt insbesondere auf dem Recht auf Aufklärung und auf der Pflicht, die Einwilligung zur Behandlung einzuholen.113 Auch der zivilrechtliche Regelungsansatz verdeutlicht die immense Bedeutung, die der Patientenautonomie in dem niederländischen Konzept zukommt. Durch den zivilrechtlichen Ansatz wurde die wechselseitige Vereinbarung zwischen Behandlungsseite und Patient und damit die Partnerschaft von Patient und Arzt betont.114 Dies hat die Akzeptanz der Kodifikation im BW, die sowohl auf Seiten der niederländischen Ärzte als auch auf Seiten der Patienten, wie Studien belegen, recht hoch ist,115 in der Praxis mit großer Wahrscheinlichkeit erhöht.116 Ferner ist die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Normierung spezieller Haftungsnormen auffallend. Dass im Rahmen der Regelung des Behandlungsvertrags arzthaftungsrechtliche Aspekte nicht betont werden, sondern auf die Systematik des BW und damit auf das allgemeine Haftungsrecht zurückgegriffen wird, deckt sich mit dem Anliegen des niederländischen Gesetzgebers, das Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patient durch eine Regelung nicht zu schwächen. Insgesamt werden die Auswirkungen von den am Gesundheitswesen Beteiligten als positiv beschrieben.117 Ferner existieren Studien zu der Wirkung des WGBO, die die Umsetzung des Gesetzes in die Praxis als gut bewerten. Eine dieser Studien wurde im Auftrag des ZorgOnderzoek Nederland (ZON)118 von den Organisationen Werkverband Universitair Onderzoek Gezondheidsrecht (WUOG) und Nederlands instituut voor onderzoek van de gezondheidszorg (NIVEL) durchgeführt.119 Gegenstand der von ZON in Auftrag gegebenen Evaluation, die im Jahr 2000 veröffentlicht wurde, war neben der Analyse von juristischer Literatur zum WGBO vor allem eine empirische Studie, die sich auf die Wahrnehmungen, Er112
Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass das Selbstbestimmungsrecht den Ausgangspunkt für alle Patientenrechte darstellt; vgl.: Dekkers, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 99 (101): „The right of self-determination is, of course, the corner-stone of patients‘ rights, whatever the legal system that one deals with.“ 113 Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509. 114 Vgl.: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 2, 32. Allerdings gilt zu beachten, dass der zivilrechtliche Regelungsansatz letztendlich die Konsequenz aus der Entwicklung und Ausprägung der niederländischen Patientenrechte darstellt. Insofern war die Regelung der Patientenrechte zivilrechtlicher Natur im BW sachnäher, als in einem umfassenden verwaltungsrechtlichen Patientenrechtegesetz. 115 Vgl.: Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (510 f.); siehe ferner: Witmer/Roode, Implementatie van de WGBO, S. 5, 15; siehe auch: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 29, 38, die betonen, dass sich die Haltung der Ärzte hinsichtlich des WGBO und der darin enthaltenen Patientenrechte verbessert habe. 116 Vgl.: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 32. 117 Vgl.: Witmer/Roode, Implementatie van de WGBO, S. 15; Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (511). 118 ZON ist eine der wichtigsten Organisationen für die Finanzierung von HTA-Studien in den Niederlanden. 119 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, passim; siehe: Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 f.; Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (513).
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fahrungen und auf die Kenntnis sowohl von Ärzten aus verschiedenen Fachbereichen als auch von Patienten konzentrierte.120 Sie beschränkte sich hauptsächlich auf die Themenkreise Information und Einwilligung des Patienten sowie auf den Umgang mit seinen persönlichen Daten.121 Nach der Einschätzung der an der Evaluation beteiligten Wissenschaftler habe das WGBO zur Stärkung der rechtlichen Stellung und der Sicherheit des Patienten beigetragen und die Wahrnehmung der Arzt-Patienten-Beziehung als Vertrauensverhältnis gefördert.122 Das Wissen der Ärzte um die Rechte der Patienten sei im Allgemeinen recht hoch und ihre Haltung zum WGBO sei ebenso wie die der Patienten sehr positiv.123 So seien die Behandler etwa für den sorgfältigen Umgang mit Patientendaten mittlerweile sensibilisiert.124 Es gebe jedoch auch zum Zeitpunkt der Durchführung der von ZON beauftragten Evaluation Wissenslücken bei den Ärzten,125 so etwa bei den Rechten minderjähriger Patienten.126 Hinsichtlich der Rechtskenntnis der Patienten differieren hingegen die Ergebnisse. 1995 hätten circa 40 Prozent der befragten Bevölkerung um die Existenz des WGBO gewusst.127 1999 gaben bereits 49 Prozent an, zu wissen, dass es eine gesetzliche Regelung von Patientenrechten in Form des WGBO gebe.128 Dahingegen ergaben sich hinsichtlich des Rechts auf Verlaufsaufklärung keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Rechtskenntnis der Patienten zwischen den Jahren 1995 und 1999.129 Über das Erfordernis einer Einwilligung in die Behandlung wüssten die Patienten im Jahr 1999 besser Bescheid,130 ebenso über ihr Recht auf Einsicht in die Patientenakte.131 Interessant ist vor allem, dass nach der von ZON beauftragten Untersuchung ein enger Zusammenhang zwischen Kenntnis und Durchsetzung der Rechte im medizinischen Behandlungsalltag existiere,132 der als gewichtig bezeichnet werden kann. Es sei den Patienten leichter gefallen, den Arzt auf die eigenen Rechte anzusprechen, sofern sie gewusst hätten, dass es einen gewissen gesetzlichen Standard gebe.133 So seien etwa diejenigen, die ihr Recht auf Information über Behandlungsalternativen gekannt hätten, häufiger von ihrem jeweiligen Arzt über solche informiert.134 Ähnlich verhalte es sich nach dieser Evaluation mit der Einwilligung. Diejenigen Patienten, die um die Pflicht des Arztes, ihre Einwilligung zur Behandlung einzuho120
Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (510). Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 316; Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (510), Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (513). 122 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 30, 38. 123 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 29 f., 38; vgl. auch die Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie bei: Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (510). 124 Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (511). 125 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 29. 126 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 10, 29 f. 127 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 332. 128 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 332. 129 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 333, 368. 130 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 336. 131 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 345. 132 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 336 f. 133 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 316 f. 134 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 336. 121
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len, wüssten, seien häufiger nach eben dieser gefragt worden.135 Ferner kommt die von ZON durchgeführte Evaluation zu dem Ergebnis, dass die Rechte, die dem Patienten wichtig seien (insbesondere das Recht auf Information über die Behandlung und die Risiken eben dieser), besser in der Praxis gewährleistet würden, als diejenige, die die Patienten als unwichtig empfänden.136 Dennoch existierten zum Teil noch gravierende Wissensmängel,137 so etwa bei den Rechten von minderjährigen Patienten oder bei der Weitergabe von persönlichen, medizinischen Daten an dritte Behandler.138 Auch sei das Wissen um das Recht, die Vernichtung von (Teilen) der Patientenakte zu verlangen, relativ schlecht ausgeprägt.139 Probleme im Hinblick auf die Umsetzung in der Praxis seien darüber hinaus durchaus existent, wobei diese nicht ihre Ursache im Gesetz hätten, sondern vielmehr aus der Übertragung der abstrakten und weiten Normen auf die komplexen und vielgestaltigen Prozesse im Behandlungsalltag resultierten.140 Zur Optimierung der Wirkungen des WGBO raten die Untersucher, zum einen die Kenntnis der Rechte und Pflichten sowohl auf Seiten der Behandler (etwa durch eine Thematisierung im Rahmen der Ausbildung der Mediziner) als auch auf der der Patienten weiterhin zu fördern. Zum anderen sollten die Normen, bei denen es wegen ihrer offenen Formulierung Umsetzungsprobleme in der Praxis gebe, präzisiert werden, beispielsweise durch Richtlinien.141 Eine weitere, von NIVEL durchgeführte Studie namens „tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, Oog voor communicatie: Huisarts-patiënt communicatie in Nederland“ wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Sie untersuchte mit Hilfe von Videoaufzeichnungen der Sprechstunden und Befragungen der Patienten die Arzt-Patienten-Kommunikation und damit auch die Umsetzung des Rechts auf Aufklärung und Information.142 Ausgewertet wurde insbesondere, ob der Patient über die Behandlung, Risiken und Alternativen zu eben dieser aufgeklärt wurde, ob er seine Einwilligung gegeben hat und in die Entscheidungsfindung mit einbezogen worden ist. Die neueren Daten stammen aus dem Zeitraum zwischen 2000 und 2002.143 Als Vergleichsdaten wurde die 1987 erhobenen Daten der ersten von NIVEL durchgeführten Studie zur Kommunikati-
135
Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 336. Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 337 f., 341. 137 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 16 f.; vgl.: Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (510 f.). 138 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 373, 374; vgl. auch: Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (511). 139 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 345, 374. 140 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 39. 141 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 39. 142 Vgl.: NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 11, 50 ff, 110 ff.: Untersucht wurde insbesondere, ob der Patient über die Behandlung, Risiken und Alternativen zu dieser aufgeklärt wurde, ob er in die Entscheidungsfindung miteinbezogen worden ist und ob er nach seiner Einwilligung gefragt wurde. 143 NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 49. 136
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on (eerste nationale studie) herangezogen.144 Insgesamt kommt die 2004 veröffentlichte Studie ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich die Aufklärung der Patienten verbessert habe145 und dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Kenntnis sowie der Bedeutung eines Rechts für den Patienten und der gefühlten Verwirklichung bestehe. Die befragten Patienten, denen ein bestimmtes Recht wichtig gewesen sei, hätten häufiger das Gefühl gehabt, dass die Umsetzung dieses Rechtes auch in der Praxis gewährleistet sei.146 Ein bemerkenswertes Ergebnis dieser Studie ist jedoch, dass die Patienten nach der Umfrage von NIVEL den Grad an Information durch ihren Hausarzt subjektiv viel höher einschätzten als die objektiven Beobachter bei der Auswertung der aufgezeichneten Konsultationen.147 Indes habe sich die Aufklärung bei einem Vergleich mit den 1987 erhobenen Daten auch nach objektiver Beurteilung verbessert. Die Patienten bekämen gegenüber den achtziger Jahren mehr medizinische Informationen.148 Auch seien die Patienten nach der Auswertung der auf Video aufgezeichneten Konsultationen häufiger über die Behandlung sowie über die Risiken und Medikamente informiert worden.149 Zwar würden sie auf diese Weise besser in die Entscheidungsfindung mit einbezogen als noch in den achtziger Jahren.150 Jedoch sei die affektive Kommunikation des Arztes mit seinem Patienten zurückgegangen.151 Auf der Grundlage ihrer Untersuchungen qualifizierten die an der Studie teilnehmenden Wissenschaftler den Erlass des WGBO insgesamt als logischen Schritt auf dem Weg, die Autonomie des Patienten zu stärken und zu gewährleisten.152 b) Erkenntnisgewinn für den deutschen Gesetzgeber Der Rechte- und Pflichtenkatalog der niederländischen Patienten ist dem deutschen sehr ähnlich.153 Insofern kann sogar hinsichtlich der konkreten Ausgestal144
NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 22 f. 145 NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 119. 146 Vgl.: NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 113 Abb. 6.2. 147 NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 117, vgl.: NIVEL, Patiënten willen, S. 2 Abb. 2. 148 Vgl.: NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 115 Abb. 6.4. 149 NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 115 Abb. 6.5. 150 Vgl.: NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 12, 115 Abb. 6.4. 151 Vgl.: NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 12, 115 Abb. 6.4. 152 NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, S. 17. 153 Der Umstand, dass der Behandlungsvertrag in den Niederlanden ein Spezialfall des Auftrags (opdracht) und nicht als Dienstvertrag qualifiziert wird, ändert nichts an dem Bestehen bzw. an der Ausprägung der einzelnen Pflichten; siehe zu der Qualifikation des Be-
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tung der Rechte und Pflichten des Patienten durch das WGBO ein Blick in die Niederlande interessant sein. Zumal die dortige Regelung der Patientenrechte im internationalen Vergleich als äußerst vorbildlich qualifiziert wird.154 Das Interesse gilt an dieser Stelle jedoch vorrangig dem Regelungsmodell. Insoweit ist von Bedeutung, ob der deutsche Gesetzgeber von den Erfahrungen mit der Kodifikation der Patientenrechte und -pflichten im BW profitieren kann. Die Niederlande sind ein dezentraler Einheitsstaat155 und das nationale Parlament, die sogenannten Generalstaaten, ist zusammen mit der Regierung der einzige Gesetzgeber.156 Die Bundesrepublik Deutschland ist hingegen ein föderaler Bundesstaat. Die Gesetzgebungskompetenz liegt gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 GG grundsätzlich bei den Ländern, soweit diese nicht dem Bund durch das GG zugewiesen wird. Regelungen, die Patienteninteressen schützen, sind in Deutschland nicht einheitlich dem Bund oder den Ländern zugeordnet, sondern sind sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene zu finden.157 Insofern ist zu klären, ob die Regelung der Patientenrechte und -pflichten überhaupt in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt und eine Orientierung am niederländischen Regelungsmodell verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist. Bei dem niederländischen Regelungsmodell geht es allein um die Kodifikation des zivilrechtlichen Behandlungsvertrags. Dem Bund steht für das bürgerliche Recht die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu. Unter bürgerlichem Recht im Sinn des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ist die Zusammenfassung aller Normen zu verstehen, die üblicherweise dem Zivilrecht zuzurechnen sind.158 Das Auslegungskriterium der Rechtstradition ist dabei maßgeblich,159 Schon die Weimarer Reichsverfassung übertrug dem Gesetzgeber in Art. 7 Nr. 1 WRV die Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht.160 Insbesondere die Systematik und der Inhalt des BGB und seiner Nebengesetze, die Einzelbereiche des BGB aufgreifen und für diese spezielle Regelun-
handlungsvertrags als Auftrag: Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 136; Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149. 154 Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (95, 97), die ferner darauf hinweisen, dass die niederländische Regelung zum Teil als Modell einer europäischen Patientenrechtegesetzgebung gehandelt würden; vgl. auch die Äußerung von Paul Francissen, den Koordinator des Projekts „Patientenrechte“ im niederländischen Gesundheitsministerium in: Scholten/Hoogerwerf, BASIS 2005 (1), 12 ff. 155 Timmermans/Scholten/Oostlander, in: Ismayr, Gesetzgebung in Westeuropa, S. 271 (273). 156 Aus Art. 81 der niederländischen Verfassung ergibt sich, dass die Regierung und die Generalstaaten zur Gesetzgebung befugt sind: „Gesetze werden von der Regierung und den Generalstaaten gemeinsam erlassen.“ 157 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 152. 158 BVerfG, Beschl. v. 8.6.1960 – 1 BvR 580/53, BVerfGE 11, 192 (199); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rdn. 4; Maunz, in: ders./Dürig, Art. 74 Rdn. 54; Stettner, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 74 Rdn. 16. 159 BVerfG, Beschl. v. 10.3.1976 – 1 BvR 355/67, BVerfGE 42, 20 (29); Urt. v. 19.10.1982 – 2 BvF 1/81, BVerfGE 61, 149 (174 ff.); Scholz, in: Starck, FG BVerfG und GG, S. 252 (265 f.). 160 Stettner, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 74 Rdn. 15.
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gen normieren, beeinflussen die Tradition des bürgerlichen Rechts.161 Freilich ist der Bundesgesetzgeber nicht ausnahmslos auf das traditionelle Verständnis festgelegt, sondern kann die Sachmaterie des bürgerlichen Rechts fortentwickeln.162 Tatsächlich handelt es sich in der Regel bei der Weiterentwicklung des bürgerlichen Rechts im Sinn des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG durch Gesetz um die Anpassungen dieses traditionellen Rechtsgebiets an aktuelle sozialstaatliche Erfordernisse.163 Voraussetzung ist allein, dass sich die intendierten Regelungen in das Bild des bürgerlichen Rechts als der Ordnung der Individualrechtsverhältnisse einfügen.164 Materiell bestimmend ist demnach die rechtliche Stellung und Beziehung von Privatpersonen in ihrem Verhältnis zueinander.165 Die Kodifikation des Arzt-Patienten-Verhältnisses im BGB ist folglich möglich, soweit diese sich auf die Regelung der Rechtsstellung und der Verhältnisse zwischen dem Arzt bzw. Krankenhaus und dem Patient beschränkt.166 Eine Orientierung an den Niederlanden scheitert mithin nicht an den föderalistischen Strukturen und der kompetenzrechtlichen Lage in Deutschland. Des Weiteren ist das niederländische Gesundheitssystem ebenso wie das deutsche als Sozialversicherungsmodell zu qualifizieren,167 das die medizinische Grundversorgung absichert.168 Bis zur Gesundheitsreform im Jahr 2006 ähnelten sich das deutsche und das niederländische Krankenversicherungssystem. Die Risiken wurden durch Privatversicherungen und GKV abgedeckt, wobei in der letzteren rund zwei Drittel der niederländischen Bevölkerung versichert waren.169 Mit dem Inkrafttreten des niederländischen Krankenversicherungsgesetzes am 1.1.2006 wurde jedoch die Dualität von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen zu Gunsten eines einheitlichen Systems mit allein privatrechtlicher Struktur inklusive möglicher Gewinnerzielung aufgehoben. Für alle, die in 161
BVerfG, Beschl. v. 10.3.1976 – 1 BvR 355/67, BVerfGE 42, 20 (30 ff.); Urt. v. 19.10.1982 – 2 BvF 1/81, BVerfGE 61, 149 (175); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rdn. 4; Stettner, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 74 Rdn 16. 162 Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 74 Rdn. 54. 163 Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rdn. 6, der als Beispiele den Mieterschutz und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nennt. 164 Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 74 Rdn. 54, Stettner, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 70 Rdn. 26. 165 Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rdn. 4; Stettner, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 74 Rdn. 16. 166 A.A: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 157 f., der darauf verweist, dass im Hinblick auf das zivilrechtliche Arzt-Patienten-Verhältnis ein überwiegender Sachzusammenhang mit der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das ärztliche Berufsrecht besteht. Da eine Doppelzuständigkeit im System der Kompetenznormen fremd sei, könne der Bundesgesetzgeber, das Arzt-Patienten-Verhältnis im BGB nicht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise regeln. Dafür sei vielmehr eine Verfassungsänderung erforderlich. 167 Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (81); Berger, in: Kranich/Vitt/Berger, Leistung und Qualität der Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in Europa/ Länderberichte, S.9; Steinhaus/Hohmann, G+G 1999 (4), 30. 168 Vgl.: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (81). 169 Vgl.: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (82); Steinhaus/Hohmann, G+G 1999 (4), 30.
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den Niederlanden wohnen oder beschäftigt sind, besteht nunmehr eine Pflicht zum Abschluss einer sogenannten Krankenbasisversicherung, die von den privatrechtlich organisierten niederländischen Krankenversicherern angeboten werden muss.170 Damit haben die Niederlande, die durchaus noch dem Sozialversicherungsmodell zuzuordnen sind,171 Elemente der Systeme mit Privatversicherung integriert und sind somit im stärkerem Maße wettbewerblich ausgerichtet, als es die Bundesrepublik Deutschland ist. Dies allein spricht jedoch noch nicht gegen eine Übertragbarkeit des niederländischen Regelungsmodells. Bedeutsam ist vielmehr, dass die Ausprägung des Rechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patient in den Niederlanden und Deutschland ähnlich ist. Ebenso wie in den Niederlanden schließen Arzt und Patient in Deutschland einen zivilrechtlichen Behandlungsvertrag ab. Auch entspricht das niederländische Vertragsrecht in seinen Grundlagen dem deutschen.172 Des Weiteren weist das jeweilige Haftungsrecht173 durchaus Parallelen zueinander auf. 174 Selbstverständlich existieren innerhalb einer Gruppe mit einem gleichartigen System, wie etwa dem der Krankenversicherung, dem des Bürgerlichen Gesetzbuches oder dem des Behandlungsverhältnisses, grundsätzlich keine vollkommen deckungsgleichen Strukturen. In unterschiedlichen Ländern gibt es, mal in geringerem und mal im höherem Maße, unterschiedlich ausgeprägte organisatorische und strukturelle Lösungsansätze, die teilweise historisch oder gesellschaftspolitisch bedingt sind und sich nicht ohne Weiteres übertragen lassen. Die Niederlande und Deutschland liegen im Hinblick auf die rechtliche Bewertung des Behandlungsverhältnisses und im Hinblick auf das Gesundheitswesen in den wesentlichen Punkten jedoch nicht so weit voneinander entfernt, als dass sich eine Orientierung an dem niederländischen Regelungsmodell von vorneherein ausschlösse. Vielmehr kann der deutsche Gesetzgeber von den niederländischen Erfahrungen profitieren. Somit ist eine Kodifikation des Behandlungsverhältnisses 170
Insofern wurde die Gesundheitsreform grundlegend vom Dekker-Plan beeinflusst: ausführliche Erläuterung zu dem Bericht der Dekker-Kommission bei: Helderman et al., Journal of Health Politics, Policy and Law 2005 30 (1–2), 189 (197–200); Jacobs, Journal of Health Politics, Policy and Law 1998 23 (1), S. 1 (25 ff.). 171 Vgl. dazu: Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa S. 328 f., die die Niederlande schon in das System der Privatversicherungen einordnet: „Die Niederlande haben sich mit ihrer neusten Reform mit privaten Versicherern, Beiträgen und gleichwohl steuersubventionierten nominalen Prämien, Wettbewerb von Leistungen und Prämien unter voraussichtlich niedriger staatlicher Steuerung in der Reihe der privaten Systeme, platziert.“ So scheinbar auch: Sinkkonen/Kinnunen, in: Sinkkonen/Hornetz, Kranken- und Gesundheitspflege in Finnland und Deutschland, S. 17 (19). 172 Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 112. 173 Vgl. im Hinblick auf das niederländische Haftungsrecht: Mincke, Einführung in das niederländische Recht, S. 121 ff.; Nieper, in: Nieper/Weseterdijk, Niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch, Bücher 6, 7 und 7A, S. xix (xxii f.); Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149 (151 f.); vgl. zur Beweislastverteilung im niederländischen Arzthaftungsrecht: Slabbers, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 149 (157 f.). 174 Anders wohl: de Groot, Terminologie & Traduction 1991, 279 (295), der betont, dass sich das deutsche und das niederländische Rechtssystem in Inhalt und Systematik voneinander unterscheiden.
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im BGB ein für Deutschland mögliches Regelungsmodell. Für eine solche spricht zudem, dass die zivilrechtlichen Regelungen im Hinblick auf die Patientenverfügung und damit das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung am Lebensende bereits am 1.9.2009 Eingang in das BGB (§§ 1901 a–c, § 1904) gefunden haben.175
2. Erlass eines Stammgesetzes Als weitere Möglichkeit für den deutschen Gesetzgeber kommt der Erlass eines Stammgesetzes in Betracht. Ein solches fasst neue Sachverhalte in Form von Rechtsregeln eigenständig unter einer Überschrift zusammen. Das „neue" Stammgesetz tritt grundsätzlich mit unbefristeter Geltungsdauer in Kraft.176 Es ist gegenüber dem Änderungsgesetz das seltenere Regelungsmodell. Es bietet sich nach den Anleitungen des BMJ zur Gesetzgebung dann an, „wenn die geplanten Vorschriften miteinander zusammenhängen, wenn sie sich sinnvoll von bereits geregelten Materien abgrenzen lassen oder wenn sie von besonderem öffentlichem Interesse sind.“177 Der deutsche Gesetzgeber könnte die individuellen Patientenrechte in einem Stammgesetz über die medizinische Behandlung regeln. Vorteil dieses Regelungsmodells ist, dass auch Rechte und Pflichten anderer Rechtsnatur von dem Gesetz erfasst werden können, sofern sie im Sachzusammenhang mit diesem Patientenrechtegesetz stehen. Generell ist der Gesetzgeber hier sehr flexibel. Angelegenheiten wie die Beteiligung von Bürgern, Patienten und Versicherten an Entscheidungsprozessen über Gesundheitsfragen oder die Organspende kann er gesondert in eigenständigen Stammgesetzen regeln. Kombinationsmöglichkeiten gibt es mit Änderungsgesetzen und verbandlicher Selbstregulierung. Als Beispiel für ein solches Stammgesetz könnte das finnische Lag om patientens ställning och rättigheter (785/1992)178 dienen, welches die Rechte und Pflichten der finnischen Patienten im Behandlungsverhältnis normiert. Das finnische Gesetz über die Stellung des Patienten und seine Rechte war das erste Patien-
175
Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts v. 29.7.2009, BGBl 2009 Nr. 48, S. 2286 f. 176 BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 20. 177 BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 320. 178 Übersetzt: Gesetz über die Stellung des Patienten und seine Rechte. Das Gesetz ist aktualisiert (letzte Änderung (Gesetz: 30.12.2010/1335) in Kraft getreten am 1.5.2010) abrufbar in schwedischer Sprache unter: http://www.finlex.fi/sv/laki/ajantasa/1992/19920785 (zuletzt besucht am: 11.6.2011); in finnischer Sprache abrufbar unter: http://www.finlex.fi/fi/ laki/ajantasa/1992/19920785 (zuletzt besucht am: 11.6.2011). Die englische Übersetzung ist abrufbar unter: http://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/1992/en19920785.pdf (zuletzt besucht am: 11.6.2011). Eine deutsche Übersetzung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs findet sich bei: Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 600–608.
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tenrechtegesetz in Europa.179 Finnland gilt heutzutage als führend auf dem Gebiet des Patientenschutzes.180 a) Ausblick auf Finnland Der finnische Gesetzgeber hat das Lag om patientens ställning och rättigheter im Jahr 1992 verabschiedet. Es trat am 1.3.1993 in Kraft.181 Mehrere Änderungsgesetze haben das ursprüngliche Gesetz modifiziert. Mit dem Lag om patientens ställning och rättigheter beabsichtigte der Gesetzgeber nicht, ein allumfassendes Patientenrechtegesetz zu schaffen. Spezielle Bereiche, die die Position des Patienten betreffen, wurden in anderen Gesetzen geregelt:182 wie etwa in dem 1986 erlassenen Patientskadelag (585/1986)183 oder in dem 1994 in Kraft getretenen Lag om yrkesutbildade personer inom hälso- och sjukvården (559/1994)184. Mit dem 179
Pichler, Rechtsentwicklungen zu einer verschuldensunabhängigen Entschädigung im Medizinbereich, S. 166; Rega, Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 7; Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (592). 180 Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (58); Schienkiewitz/Dierks, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 179 (200); Hanika, MedR 1999, 149 (153). 181 Lathi, in: Westerhäll/Phillips, Patient’s Rights, S. 207; Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127; Pahlmann et al., Med Law 1996, 591. 182 Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (128); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591. 183 Übersetzt: Patientenschadensgesetz. Das Gesetz ist aktualisiert (letzte Änderung (Gesetz: 22.12.2009/1544) in Kraft getreten am 1.1.2010) abrufbar unter: http://www.finlex.fi/ sv/laki/ajantasa/1986/19860585 (zuletzt besucht am 11.6.2011). Das Gesetz, Potilasvahinkolaki, ist in finnischer Sprache abrufbar unter: http://www.finlex.fi/fi/laki/ajantasa/1986/ 19860585 (zuletzt besucht am 11.6.2010). Eine deutsche Übersetzung des Patientenskadelag (585/1986) findet sich bei: Pichler, Rechtsentwicklungen zu einer verschuldensunabhängigen Entschädigung im Medizinbereich, S. 103–106. Das Patientenschadengesetz führte nach schwedischem Vorbild ein Patientenversicherungssystem in das finnische Gesundheitssystem ein. Alle im Gesundheitswesen Tätigen sind nach § 4 Patientenskadelag verpflichtet, sich bei einer vom Sozial- und Gesundheitsministerium konzessionierten privaten Versicherungsgesellschaft gegen Patientenschäden, die im Zusammenhang mit ihrer Gesundheitsversorgung in Finnland entstanden sind, zu versichern. Das Hauptanliegen des finnischen Gesetzgebers bei der Einführung der Versicherungslösung bestand darin, die Lage der Patienten zu verbessern, indem er definiert, welche mit der Behandlung und Pflege verbundenen Ereignisse zu einer finanziellen Entschädigung führen sollen und indem er die geschädigten Patienten von der Verpflichtung entbindet, im Haftungsfall das Verschulden der Behandlungsseite zu beweisen. Hintergrund der Gewährung der Entschädigung unabhängig von dem Verschulden der Behandlungsseite ist das Bestreben, die Schadenersatzansprüche von Patienten möglichst vom Schadensersatzprozess loszulösen; ausführlich dazu: Köhler, in: ders./von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 207 (221 ff.); Lathi, in: Kranich/ Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung, S. 21 ff.; Pichler, Rechtsentwicklungen zu einer verschuldensunabhängigen Entschädigung im Medizinbereich; ausführlich zur Ersetzung der Arzthaftung durch die Versicherungslösung: Radau, Ersetzung der Arzthaftung, passim. 184 Übersetzt: Gesetz über das Fachpersonal im Gesundheitswesen, abrufbar unter: http://www.finlex.fi/sv/laki/ajantasa/1994/19940559 (zuletzt besucht am 11.6.2011). Das
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Erlass des finnischen Patientenrechtegesetzes bezweckte der Gesetzgeber lediglich die Zusammenfassung und Stärkung der zentralen Rechtsgrundsätze für Pflege und Behandlung.185 Dabei liegt die Gewichtung insbesondere auf dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Sein Recht auf aktive Teilnahme an dem Behandlungsgeschehen, auf Information und Aufklärung sowie auf Zugang zur Pflege und Behandlung werden besonders hervorgehoben.186 Durch das Festschreiben des Status und der Rechte des Patienten bezweckte der Gesetzgeber, Defizite bei der Gewährleistung von Patientenrechten zu beseitigen.187 Dem finnischen Patientenrechtegesetz liegt ein langer Entstehungsprozess zugrunde.188 Es ist ebenso wie das Patientenschadensgesetz von 1986 ein Produkt des in Finnland Ende der sechziger Jahre einsetzenden Trends, die bürgerlichen und sozialen Rechte der Verbraucher und Patienten zu normieren.189 Insbesondere in dieser Zeit liefen wohlfahrtsstaatliche Entwicklungsprozesse in Finnland ab.190 Gerade in dem Fürsorgesektor der sozialen Sicherheit wurde ein weitgespanntes gesetzgeberisches Programm verwirklicht.191 Darüber hinaus hat die Wandlung der Struktur des finnischen Gesundheits- und Krankenpflegewesens durch die zunehmende Anzahl von Behandlungseinrichtungen, die fortschreitende Technisierung und Spezialisierung und die damit verbundene Anonymisierung der medizinischen Versorgung den Erlass eines Patientenrechtegesetzes gefördert.192 Eine Gesetz ist in finnischer Sprache (Laki terveydenhuollon ammattihenkilöistä) abrufbar unter: http://www.finlex.fi/fi/laki/ajantasa/1994/19940559 (zuletzt besucht am 11.6.2011). Die englische Übersetzung ist abrufbar unter: http://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/1994/en 19940559.pdf (zuletzt besucht am: 11.16.2011). In den §§ 15–21 Lag om yrkesutbildade personer inom hälso- och sjukvården sind hauptsächlich Pflichten der im Gesundheitswesen Tätigen normiert, wobei zum Teil lediglich auf das Gesetz über die Rechte und Stellung des Patienten und das Patientenschadensgesetz verwiesen wird. 185 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25; Lathi, in Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (28); Hanika, MedR 1999, 149 (153 f.); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591; vgl. auch den Motivbericht des finnisches Patientenrechtegesetzes, dessen deutsche Übersetzung in Teilen abgedruckt ist bei: Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 34. 186 Vgl.: WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 7. 187 Vgl.: Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (128, 135); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591. 188 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25; WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 116. 189 Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (23). 190 Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (22, 24). 191 Köhler, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 207 (231 f.). 192 Vgl. den Motivbericht des finnisches Patientenrechtegesetzes, dessen deutsche Übersetzung in Teilen abgedruckt ist bei: Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 34: „Das Gesetz will den Rechtsschutz des Patienten präzisieren und stärken und den Aufbau vertrauensvoller Pflegebeziehungen innerhalb eines vielschichtigen Gesundheitswesens, das allzu technisiert worden ist, fördern. (…) Für eine Verbindlichmachung der Pflege- und Behandlungsgrundsätze spricht die Tatsache, dass das Gesundheits-
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1980 eingesetzte Expertenkommission unter dem Vorsitz des Strafrechtlers Raimo Lathi sprach sich bereits im Jahr 1982 für ein Patientenrechtegesetz aus.193 Schließlich betonte Ende der achtziger Jahre auch das Sozial- und Gesundheitsministerium, dass ein Patientenrechtegesetz zur Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung erlassen werden solle.194 Der finnische Ärzteverband gab 1989 seinen anfänglichen Widerstand gegen ein solches Gesetz auf.195 Der Konsens zwischen Ärzten, Staat und Patientenorganisationen bedingte letztendlich das Inkrafttreten des Lag om patientens ställning och rättigheter am 1.3.1993. In diesem langen Entstehungsprozess des Gesetzes von dreizehn Jahren spiegeln sich vor allem die Bemühungen des finnischen Gesetzgebers wider, Konflikte zwischen Behandlungsseite und Patienten zu vermeiden, die Rechtssicherheit für beide Parteien zu stärken und ihr Vertrauensverhältnis zu verbessern.196 So hat der finnische Gesetzgeber auf Sanktionsnormen in seinem Patientenrechtegesetz gänzlich verzichtet.197 Ferner hat er das Arzt-Patienten-Verhältnis durch die Wahl eines verwaltungsrechtlichen Ansatzes198 vertikal und nicht wie in den Niederlanden horizontal ausgestaltet. Dies hat den Vorteil, dass die Rechte des Patienten generell nicht abbedungen werden können. Von dem Lag om patientens ställning och rättigheter soll demnach kein übermäßiger Druck auf die Arzt-Patienten-Beziehung ausgehen, sondern das Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patient gefördert werden.199 aa) Regelungsinhalt des Lag om patientens ställning och rättigheter/ Laki potilaan asemasta ja oikeuksista Das Gesetz über die Stellung und die Rechte der Patienten ist in fünf Kapitel unterteilt: (1) Allgemeine Vorschriften (Allmänna stadganden), (2) Rechte der Patienten (Patientens rättigheter), (3) Beschwerde und Patientenombudsmann (Anwesen in steigendem Maße technisiert und differenziert wurde und dass die Betreuungseinheiten allzu groß geworden sind.“ 193 Lathi, in: Westerhäll/Phillips, Patient’s rights, S. 207 (209); Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127. 194 Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (29). 195 Lathi, in: Pichler, Einführung in die Patientenrechtspolitik, S. 73 (84). 196 Vgl.: Dekkers, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 115 (116); Lathi, in: Pichler, Einführung in die Patientenrechtspolitik, S. 73 (79 f.); Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127, der von einem Entstehungsprozess von zwanzig Jahren spricht. 197 Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (29). 198 Vgl.: Giese, in: Pichler, Einführung in die Patientenrechtspolitik, S. 99 (100); Leenen/Gevers/Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 5; Pichler, Internationale Entwicklung in den Patientenrechten, S. 167. Die verwaltungsrechtliche Natur des Gesetzes bedeutet nicht, dass es auf ein privatrechtliches Verhältnis zwischen Patient und Behandler nicht anwendbar ist; siehe: Lehtonen, in: Beyleveld et al., Implementation of the Data Protection Directive in Relation to Medical Research in Europe, S. 87 (88). 199 Lathi, in Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (25, 26); ders., in: Pichler, Einführung in die Patientenrechtspolitik, S. 73 (80).
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märkning och patientombudsman) (4) Patientenakte (Journalhandlingar) (5) Besondere Bestimmungen (Särskilda stadganden). (1) Allgemeine Vorschriften (Allmänna stadganden/ Yleisiä säännöksiä) Im ersten Kapitel definiert der finnische Gesetzgeber in § 2 Lag om patientens ställning och rättigheter zunächst die grundlegenden Begrifflichkeiten des Gesetzes. Nach § 2 Nr. 1 des Patientenrechtegesetzes ist der Patient (patient) eine Person, die medizinische Dienstleistungen in Anspruch nimmt oder Empfänger solcher ist. Nach Nr. 2 sind unter den Begriffen Gesundheits- und medizinische Versorgung (hälso- och sjukvård) solche Maßnahmen zu verstehen, die zum Zweck der Diagnose oder zur Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Gesundheit des Patienten von im Gesundheitswesen Tätigen oder in einem Gesundheitszentrum erbracht werden. Hinsichtlich der Begrifflichkeit des Fachpersonals im Gesundheits- und Pflegewesens (yrkesutbildad person inom hälso- och sjukvården) verweist der finnische Gesetzgeber in § 2 Nr. 3 Lag om patientens ställning och rättigheter auf § 2 des Gesetzes über das Fachpersonal im Gesundheitswesen.200 Danach versteht der Gesetzgeber die Begrifflichkeit des im Gesundheitswesen Tätigen im Rahmen des Lag om patientens ställning och rättigheter weit. So werden etwa nach §§ 2 Abs. 1, 5 des Gesetzes über das Fachpersonal im Gesundheitswesen nicht nur privat praktizierende und im öffentlichen Gesundheitswesen tätige (Zahn-) Ärzte, sondern auch Krankenschwestern, Hebammen, Röntgenassistenten, Labor- und Zahntechniker, Zahnhygieniker, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen, Apotheker, Optiker oder sogar Diätassistenten von dieser Begrifflichkeit umfasst. Eine Definition des Begriffs des Gesundheitszentrums (verksamhetsenhet för hälso- och sjukvår) findet sich in Nr. 4. Ferner sind Patientenakten (journalhandlingar) nach § 2 Nr. 5 Lag om patientens ställning och rättigheter solche Unterlagen oder technische Aufzeichnungen, die im Zusammenhang mit der Planung und Durchführung der Pflege oder der Behandlung eines Patienten erstellt oder verwendet werden und die Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten oder über andere persönliche Daten enthalten. Darüber hinaus hat der finnische Gesetzgeber mit Erlass des Patientenrechtegesetzes die Grundlage für die Einrichtung eines nationalen Ethikrates für Fragen des Gesundheitswesens (Riksfattande etiska delegationen inom hälso- och sjukvården/ Valtakunnallinen terveydenhuollon eettinen neuvottelukunta; kurz: ETENE) geschaffen.201 Der 1998 gegründete beratende staatliche Ausschuss für Ethik im Gesundheitswesen behandelt grundsätzliche Fragen, die mit dem Gesundheitswesen und den Rechten der Patienten in Verbindung stehen. Er kann zu wichtigen Themen selbst die Initiative ergreifen sowie Gutachten und Empfehlungen zu ethischen Fragen im Gesundheitswesen abgeben.
200 201
Siehe zum Gesetz über das Fachpersonal im Gesundheitswesen Fn. 134. Vgl.: § 2a Lag om patientens ställing och rättigheter.
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(2) Rechte der Patienten (Patientens rättigheter/ Potilaan oikeudet) Das zweite Kapitel regelt in den §§ 3 bis 9 Lag om patientens ställning och rättigheter die Patientenrechte. § 3 Abs. 2 des finnischen Patientenrechtegesetzes enthält das Recht des Patienten auf eine gute qualitative Behandlung und Pflege sowie auf angemessenen Umgang; das heißt, die Behandlung und Pflege des Patienten soll mit Rücksicht auf seine Menschenwürde, seine Privatsphäre und seiner Weltanschauung organisiert werden.202 Ferner müssen nach Abs. 3 die Muttersprache, die individuellen Bedürfnisse und die Kultur des Patienten, so weit wie möglich, bei der medizinischen Versorgung beachtet werden. Darüber hinaus umfasst § 3 des Lag om patientens ställning och rättigheter eine Regelung zum Zugang zur medizinischen Versorgung. Nach Abs. 1 S. 1 hat jede Person, die ihren ständigen Wohnsitz in Finnland hat, ohne Diskriminierung innerhalb der verfügbaren Ressourcen einen Anspruch auf medizinische Versorgung entsprechend ihres Gesundheitszustandes.203 Wenn eine sofortige Behandlung nicht möglich ist, muss dem Patienten nach § 4 S. 1 des finnischen Patientenrechtgesetzes das Datum der Behandlung rechtzeitig bekannt gegeben werden.204 Nach S. 2 muss der Patient, sofern sich der Termin ändert, unverzüglich über die Änderung und den Grund für die Änderung unterrichtet werden.205 Für genauere Regelungen zum Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen wird auf das Gesetz über das öffentliche Gesundheitswesen (66/1972) und auf das Gesetz über die spezialisierte medizinische Versorgung (1062/1989) verwiesen, ebenso wie für die Notfallbehandlung. Die Bestimmungen zu den Informations- und Selbstbestimmungsrechten206 des Patienten sind ein wesentlicher Bestandteil des finnischen Patientenrechtegesetzes. Gemäß § 4a Lag om patientens ställning och rättigheter soll zusammen mit dem Patienten, seinen Angehörigen oder mit seinem gesetzlichen Vertreter ein Plan über die durchzuführenden Untersuchungen, die Behandlung und die Rehabilitation erstellt werden. § 5 des Patientenrechtegesetzes regelt das Recht auf Information und Aufklärung. Der Patient soll nach § 5 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über seinen Gesundheitszustand informiert und über die Bedeutung der Behandlung, die alter202
Dazu: Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (129); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (594): „The provisions in respect to the patient’s dignity and his/her convictions and privacy are perhaps mere declarations, but they are still important.“ 203 Kritisch zur Gewährleistung des Rechts auf Behandlung und Pflege innerhalb der Ressourcen: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (602): „This provision is necessary since needs are always going to be greater than resources. On the other hand, the quality of care does not always go hand in hand with resources. The local authorities‘ contribution to health care varies much, but the volume does not alone reveal of the services are adequate and of good quality.“ 204 Ausgenommen von dieser Regelung sind Notfallbehandlungen; siehe: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (594). 205 Hintergrund dieser Regelung ist, dass es in Finnland für einige Untersuchungen und Behandlung Wartelisten gibt; vgl. zu den Phänomen der Wartelisten in den nordeuropäischen Ländern: Preusker, GGW 2004, 16 (20 f.). 206 Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (129): „The right to information is closely connected with the right to self-determination, because the latter cannot be exercised without the former.”
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nativen Behandlungsmöglichkeiten, deren Auswirkungen und über die weiteren Aspekte, die für die Entscheidung für oder gegen die Behandlung wesentlich sind, aufgeklärt werden. Aufklärung und Information sollen nach Abs. 2 in einer Weise erfolgen, die der Patient verstehen kann. Besondere Bedürfnisse und Eigenarten des Patienten, wie etwa die Nicht-Beherrschung der Landessprache oder eine sensorische Behinderung, sollen berücksichtigt werden. Von der Information darf gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 Lag om patientens ställning och rättigheter nur abgesehen werden, wenn diese das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernsthaft gefährdet. Zudem umfasst § 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 des finnischen Patientenrechtegesetzes das Recht auf Nicht-Wissen. § 6 des Gesetzes gewährleistet das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung. Dabei verlangt der Gesetzestext keine ausdrückliche Einwilligung des Patienten in Behandlung und Pflege. Der Gesetzgeber formuliert hier vielmehr im Zusammenhang mit der Überschrift des § 6, Recht des Patienten auf Selbstbestimmung (Patientens självbestämmanderätt), dass der Patient in Zusammenarbeit (Schwedisch: samförstånd med patienten) bzw. im Einvernehmen (Finnisch: yhteisymmärryksessä)207 gepflegt und behandelt werden soll. Eine konkludent gegebene oder hypothetische Einwilligung reicht aus.208 In Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut wird im finnischen Behandlungsalltag nach den Angaben von Lars Fallberg und Mervi Kattelus für Behandlungen und Untersuchungen, die keine schwerwiegenden Eingriffe darstellen, selten die ausdrückliche Einwilligung des Patienten eingeholt.209 Sofern dieser jedoch einen bestimmten Eingriff untersagt hat, ist er gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 Lag om patientens ställning och rättigheter nach Möglichkeit in beiderseitigem Einverständnis in einer anderen medizinisch anerkannten Weise zu behandeln. Für den Fall, dass ein erwachsener Patient aufgrund einer schweren psychischen Störung oder einer geistigen Behinderung oder aus anderen Gründen nicht über die Behandlung entscheiden kann, soll vor wichtigen Entscheidungen nach § 6 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes sein gesetzlicher Vertreter, ein naher Angehöriger oder eine andere ihm nahestehende Person über die Behandlung zum Willen des Patienten angehört werden, um zu ermitteln, welche Behandlungsmaßnahme mit dem Willen des Patienten übereinstimmt. Falls ein solcher Wille nicht ermittelt werden kann, soll die Behandlung gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 Lag 207 In der englischen Übersetzung des Gesetzes: „mutual understanding“; vgl. zu den Schwierigkeiten und Besonderheiten bei der Übersetzung juristischer Texte: de Groot, Terminologie & Traduction 1991, 279 (283 ff.). 208 Vgl.: Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (130): „Regulations regarding patients’ consent to care and treatment are lacking. Legislative material implicitly assumes silent consent or presumed consent to be sufficient, but this varies how invasive the treatment is. A proposal for a legal requirement for consent was rejected, for lack of proper investigation. (...) The Finnish provision dealing with patient autonomy is general and designed to guarantee the autonomy of the patient in situations of, for example, blood transfusions.”; so auch: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (595): „However, the requirement of informed consent has not been explicitly defined and the form of it is left open.“, (596): „The standpoint regarding the patient’s right of self determination as it is recorded in the law is rather weak. The patient does not choose the treatment but participated in the decision-making.“ 209 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25 (26).
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om patientens ställning och rättigheter in einer Weise erfolgen, die den persönlichen Interessen des Patienten dient. Nach Abs. 3 S. 1 ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Patienten, eines nahen Angehörigen oder der dem Patienten nahestehenden Person in den Fällen des Abs. 2 notwendig. Dabei müssen sie gemäß Abs. 3 S. 2 einen zuvor geäußerten Willen des Patienten respektieren. Für den Fall, dass der Patient einen solchen nicht geäußert hat, müssen sie sich bei der Einwilligung an seinem Wohlergehen orientierten. Sofern die Behandlung verweigert wird, muss die Behandlung nach § 6 Abs. 3 S. 3 des Patientenrechtegesetzes auf andere medizinisch akzeptable Weise in Einvernehmen mit dem gesetzlichen Vertreter, dem nahen Angehörigen oder der dem Patienten nahestehenden Person durchgeführt werden. Allerdings haben diese nach § 9 Abs. 4 Lag om patientens ställning och rättigheter nicht das Recht, jegliche Pflegemaßnahmen zu verbieten, die notwendig sind, um eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten abzuwenden. Sofern der gesetzliche Vertreter, die Verwandten oder die nahestehenden Personen sich über die Behandlung uneinig sind, soll der Patient nach § 6 Abs. 3 S. 4 des Patientenrechtegesetzes die Behandlung bekommen, die am besten seinen Interessen entspricht. Für den Fall der Durchführung einer Behandlung ungeachtet des Patientenwillens verweist § 6 Abs. 4 des finnischen Patientenrechtegesetzes auf das Gesetz über geistige Gesundheit (1116/1990), das Gesetz über Sozialarbeit mit Drogenabhängigen (41/1986),210 das Gesetz über übertragbare Krankheiten (583/1986) und das Gesetz über die besondere Fürsorge von Geistigbehinderten (519/1977)211. Nach § 9 Abs. 1 Lag om patientens ställning och rättigheter soll(en) der gesetzliche Vertreter, die Verwandten oder die dem Patienten nahestehende Person im Fall des § 6 Abs. 2, 3212 die Informationen über dessen Gesundheitszustand erhalten, derer es bedarf, um ihre Meinung zu der vorgeschlagenen Behandlung zu äußern und ihre Zustimmung geben zu können. § 7 Lag om patientens ställning och rättigheter regelt die Besonderheiten für die Aufklärung und Einwilligung eines minderjährigen Patienten. Ein Vorschlag für das Patientenrechtgesetz sah vor, dass Minderjährige ab zwölf Jahren generell selbstbestimmt entscheiden können.213 Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht umgesetzt. Eine starre Altersgrenze gibt es im Lag om patientens ställning och rättigheter nicht. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 soll die Meinung des Minderjährigen zur Durchführung der Behandlung unter Berücksichtigung seines Alters und dem Grad seiner Entwicklung erfragt werden. Sofern der minderjährige Patient seinem Alter und seiner Reife entsprechend über die Behandlung und Untersuchung selbst entscheiden kann, muss die Behandlung nach § 7 Abs. 1 S. 2 Lag om patientens ställning och rättigheter im Einvernehmen mit ihm (samförstånd med patienten, yhtei-
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Lag om missbrukarvård/ Päihdehuoltolaki, abrufbar in schwedischer Sprache unter: http: //www.finlex.fi/sv/laki/ajantasa/1986/19860041 (zuletzt besucht am 11.6.2011). 211 Lag angående specialomsorger om utvecklingsstörda/ Laki kehitysvammaisten erityishuollosta, abrufbar in schwedischer Sprache unter: http://www.finlex.fi/sv/laki/ajantasa/19 77/19770519 (zuletzt besucht am: 11.6.2011). 212 Also in den Fällen, in denen der Patient seinen Willen selbst nicht äußern kann. 213 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25 (26); Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (130).
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symmärryksessä) durchgeführt werden.214 Dabei hat ein einwilligungsfähiger minderjähriger Patient nach § 9 Abs. 2 das Recht, die Information seines Sorgeberechtigten oder eines anderen gesetzlichen Vertreters über seinen Gesundheitszustand zu untersagen. Sofern der Minderjährige hingegen noch nicht in der Lage ist, die Tragweite der Behandlung zu erfassen, ist er gemäß § 7 Abs. 2 des finnischen Patientenrechtegesetzes im Einvernehmen mit seinem Erziehungsberechtigten oder seinem gesetzlichen Vertreter zu behandeln. In diesem Fall sollen nach § 9 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes die in § 5 Abs. 1, 2 genannten Informationen an den Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter weitergegeben werden. Allerdings haben diese nach Abs. 3 S. 2 nicht das Recht eine notwendige Behandlung, die eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des minderjährigen Patienten abwenden würde, zu verbieten.215 Dies gilt gemäß Abs. 4 auch für Pflegemaßnahmen. Das Selbstbestimmungsrecht soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch in Notfällen gewährleistet werden. Im Notfall und einer damit verbundenen Lebensoder Gesundheitsgefährdung muss dem Patienten gemäß § 8 S. 1 Lag om patientens ställning och rättigheter die notwendige Behandlung erhalten, wenn sein Wille aufgrund von Bewusstlosigkeit oder aus anderen Gründen nicht ermittelt werden kann. Sofern der Patient jedoch früher ernsthaft und vollständig seinen Willen gegen eine spezielle Behandlungsmethode kundgetan hat, darf er nach S. 2 nicht gegen seinen zuvor geäußerten Willen behandelt werden.216 Ferner hat der finnische Gesetzgeber ein Recht auf Akteneinsicht im Lag om patientens ställning och rättigheter normiert. § 5 Abs. 3 des finnischen Patientenrechtegesetzes verweist diesbezüglich auf die §§ 26–28 des finnischen Datenschutzgesetzes (532/1999)217 und auf die §§ 11 und 12 des finnischen Gesetzes über die Öffentlichkeit der Tätigkeit der Behörden (621/1999)218. (3) Beschwerde und Patientenombudsmann (Anmärkning och patientombudsman/ Muistutus ja potilasasiamies) Im dritten Kapitel des Lag om patientens ställning och rättigheter hat der finnische Gesetzgeber Reaktions- und Unterstützungsmöglichkeiten für den Patienten 214
Vgl.: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (596). Siehe: Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (131); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (598). 216 Vgl. auch Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (23); dazu: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (597 f.). 217 Personuppgiftslag/ Henkilötietolaki; in schwedischer Sprache abrufbar unter: http://ww w.finlex.fi/sv/laki/ajantasa/1999/19990523 (zuletzt besucht am 11.6.2011); in finnischer Spracheunter: http://www.finlex.fi/fi/laki/ajantasa/1999/19990523 (zuletzt besucht am 11.6.2011). Eine inoffizielle englische Übersetzung ist abrufbar unter: http://www.finlex. fi/ en/laki/kaannokset/1999/en19990523.pdf (zuletzt besucht am 11.6.2011). 218 Lag om offentlighet i myndigheternas verksamhet/ Laki viranomaisten toiminnan julkisuudesta; in schwedischer Sprache abrufbar unter: http://www.finlex.fi/sv/laki/ajantasa/1999 /19990621 (zuletzt besucht am 11.6.2011); in finnischer unter: http://www.finlex.fi/fi/laki/ ajantasa/1999/19990621 (zuletzt besucht am 11.6.2011). Ein inoffizielle deutsche Überset zung des Gesetzes ist abrufbar unter: http://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/1999/de19990 621.pdf (zuletzt besucht am 11.6.2011). 215
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bei der Wahrnehmung seiner Rechte geregelt. So hat der Gesetzgeber in § 10 des Patientenrechtegesetzes die Beschwerde (anmärking) als neue Reaktionsmöglichkeit für den Patienten normiert.219 Der Patient, der mit seiner medizinischen Versorgung nicht zufrieden ist, hat gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Lag om patientens ställning och rättigheter das Recht, bei dem verantwortlichen Leiter des Gesundheitszentrums in dieser Angelegenheit eine Beschwerde vorzubringen.220 Über diese muss nach Abs. 1 S. 2 in einer angemessenen Zeit entschieden werden. Dabei schließt das Einlegen der Beschwerde gemäß Abs. 2 nicht das Recht des Patienten aus, ein Verfahren bei der Aufsichtsbehörde einzubringen. Sofern bei der Bearbeitung der Beschwerde deutlich wird, dass die Pflege oder Behandlung des Patienten eine Haftung für Patientenschäden im Sinn des Patientenschadensgesetz (585/ 1986) oder im Sinn des Gesetzes über Deliktshaftung (412/1974)221 begründen und zur Beschreitung des Rechtswegs, zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem Standesrecht oder zum Entzug der Berufszulassung führen kann, ist der Patient nach § 10 Abs. 3 Lag om patientens ställning och rättigheter zu beraten, wie ein derartiges Verfahren bei der zuständigen Behörde oder bei dem zuständigen Organ anhängig gemacht werden kann. Der Einführung des Patientenombudsmann-Systems (patientombudsman) kam bei der Patientenrechtegesetzgebung ein großer Stellenwert zu. Die Grundlage für die Errichtung eines solchen Systems hat der finnische Gesetzgeber mit § 11 des finnischen Patientenrechtegesetzes geschaffen. Nach § 11 S. 1, 2 des Gesetzes soll jeweils ein Patientenombudsmann für ein oder mehrere Gesundheitszentren benannt werden. Dabei ist das Amt generell als Ehrenamt ausgestaltet.222 Der Patien219
Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (28); vgl. zu dem Wesen und den Wurzeln der Beschwerde: Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (132 f.); kritisch zum Instrument der Beschwerde in der Praxis: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (599). 220 Paula Kokkonen bewertet diesen lokalen Ansatz zur Lösung der Probleme sehr positiv: „We (National Board of Medicolegal Affairs; seit dem 1.1.2009 National Supervisory Authority for Welfare and Health) have for a very long time tried to emphasize the importance of solving the patient’s complaints, whenever possible, locally. It has not been very popular as there has not been any ‚established system’ or tradition in this field. By establishing this new complaint procedure we hope to be able to reduce the amount of complaints to the central government. This new complaint method would also benefit the patients because profound local knowledge as well as a call on the spot may be needed when taking the decision.“ 221 Skadeståndslag abrufbar unter: http://www.finlex.fi/sv/laki/ajantasa/1974/19740412 (zuletzt besucht am 12.6.2011). Das Gesetz, Vahingonkorvauslaki, ist in Finnisch abrufbar unter: http://www.finlex.fi/fi/laki/ajantasa/1974/19740412 (zuletzt besucht am 12.6.2011). Eine inoffizielle englische Übersetzung, Tort Liability Act, ist abrufbar unter: http://www.finl ex.fi/en/laki/kaannokset/1974/en19740412.pdf (zuletzt besucht am 12.6.2011). 222 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25 (27); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (600); vgl. dazu auch: Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (130 f.), der kritisiert, dass dieses Ehrenamt häufig von im Gesundheitswesen Berufstätigen ausgeübt wird und so Interessenkonflikte entstehen könnten. Vgl. zur Bedeutung von Objektivität und Unabhängigkeit im Patientenombudsmann-System: Fallberg/Mackenney, European Journal of Health Law 2003, 343 (345 f.).
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tenombudsmann hat keine eigenen Rechte.223 Er kann weder Sanktionen noch öffentliche Empfehlungen aussprechen,224 noch kann er als Beistand des Patienten in einem Prozess auftreten oder Personal- und Strukturentscheidungen in dem jeweiligen Gesundheitszentrum treffen.225 Seine Aufgaben sind nach § 11 S. 3 Lag om patientens ställning och rättigheter vielmehr die Beratung des Patienten in Fragen, die sich im Zusammenhang mit diesem Gesetz ergeben. Ferner soll er den Patienten bei der Einlegung der Beschwerde nach § 10 Abs. 1 oder bei dem weiteren Vorgehen im Sinn des § 10 Abs. 3 des Patientenrechtegesetzes wie beispielsweise dem Beantragen einer Entschädigung unterstützen.226 Des Weiteren soll er den Patienten über seine Rechte informieren und sich generell für die Förderung und Umsetzung der Patientenrechte einsetzen.227 (4) Patientenakte (Journalhandlingar/ Potilasasiakirjat) Das vierte Kapitel umfasst die §§ 12 und 13 Lag om patientens ställning och rättigheter. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes soll das Fachpersonal des Gesundheitswesens die notwendigen Informationen zur Vorbereitung, Planung, Durchführung und Überwachung der Pflege und der Behandlung eines Patienten in seiner Patientenakte festhalten. Die Gesundheitszentren und die im Gesundheitswesen selbständig Tätigen sind nach § 12 Abs. 1 S. 2 des finnischen Patientenrechtegesetzes gehalten, die Patientenakten, die im Laufe der Untersuchungen und der Pflege entnommenen Proben des biologischen Materials sowie die entnommenen Organe für den Zeitraum aufzubewahren, der für die Vorbereitung und Durchführung der Pflege, für die Behandlung des Patienten und die Untersuchung im Hinblick auf mögliche Klagen sowie für die wissenschaftliche Forschung notwendig ist. Nach S. 3 sollen die Akten und die Proben sofort vernichtet werden, wenn der Grund für ihre Aufbewahrung weggefällt. Genauere Vorschriften hinsichtlich der Aufzeichnungen in der Patientenakte, der Archivierung von Proben und hinsichtlich des Aufbewahrungszeitraums werden nach § 12 Abs. 2 S. 1 Lag om patientens ställning och rättigheter durch Dekret des finnischen Ministeriums für Sozia223
Vgl. dazu: Fallberg, European Journal of Health Law 2003, 339 (341): „One important feature missing in the Finnish law is the right of the Patient Ombudsman to issue a public statement of his/her findings, based on relevant documentation that will have been made available upon his/her request. (...) If all these requirements are met it is likely that a public statement by a Patient Ombudsman will have much more weight in effecting systemic change compared to a punitive exercise which singles out an individual health care professional for violating a specific patients’ right provision.“ 224 Positiv bewertend: Fallberg, European Journal of Health Law 2003, 339 (340). 225 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25 (28). 226 Vgl.: Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (130 f.). 227 Zur Bedeutung der Ombudsmänner für die Prävention von Konflikten und kritisch zur Umsetzung in die Praxis: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (600): „The patient ombudsmen have not, however, succeeded in their preventive task well enough, and they have not been linked to any target extent in developing the quality of health care organizations. (...) The preventive role of the Patient Ombudsman in solving problems should be underlined and the quality viewpoint should be internalized. (...) an efficient ombudsman system prevents costs resulting from bad quality in the form of actions for damages.”
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le Angelegenheiten und Gesundheit erlassen. Dabei dürfen nach § 12 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes die Patientenakte, die Proben und Organe über die vom Gesundheitsund Sozialministerium festgelegte Frist hinaus aufbewahrt werden, sofern dies für die Organisation und die Unterstützung der Pflege des Patienten erforderlich ist. Die Notwendigkeit der längeren Aufbewahrung soll gemäß § 12 Abs. 2 S. 3 Lag om patientens ställning och rättigheter in Fünf-Jahres-Intervallen überprüft werden, sofern das Recht oder eine Erlaubnis der Datenschutzbehörde im Sinn des § 43 Abs. 2 des finnischen Datenschutzgesetzes nicht etwas anderes vorschreibt. § 13 Abs. 1 Lag om patientens ställning och rättigheter normiert die Vertraulichkeit der in der Patientenakte festgehaltenen Daten. Die genauen Umstände der Geheimhaltungspflicht des Gesundheitspersonals werden in § 13 des Gesetzes sehr ausführlich geregelt. So ist etwa nach Abs. 2 S. 1–3 die Weitergabe der Informationen an Dritte, die nicht an der Pflege des Patienten beteiligt sind oder die nicht in dem jeweiligen Gesundheitszentrum beschäftigt sind, nur mit schriftlicher Einwilligung des Patienten oder in dem Fall, dass der Patient die Bedeutung der Zustimmung nicht erfassen kann, mit der schriftlichen Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters möglich. Ferner bleibt die Geheimhaltungspflicht für das Gesundheitspersonal nach § 13 Abs. 2 S. 4 Lag om patientens ställning och rättigheter auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses bestehen. In Abs. 3 finden sich die Ausnahmeregelungen zur Geheimhaltungspflicht. So dürfen die Informationen aus der Patientenakte weitergegeben werden, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich erlaubt oder ein Recht auf Zugang zur Patientenakte vorsieht. Für die Organisation der Untersuchung und Behandlung benötigte Informationen dürfen einem anderen Gesundheitszentrum oder einem im Gesundheitswesen Tätigen weitergegeben werden. Eine Weiterleitung der Daten an einen Arzt, der für die Pflege des Patienten als Verantwortlicher benannt wurde, ist nur in Übereinstimmung mit der ausdrücklichen oder konkludenten228 Zustimmung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters zulässig. Informationen, die für die Organisation und Durchführung der Untersuchung und Versorgung notwendig sind, können ferner an ein finnisches oder ausländisches Gesundheitszentrum oder an einen im Gesundheitswesen Tätigen weitergegeben werden, wenn der Patient geistesgestört, geistig behindert oder nicht fähig ist, die Bedeutung der Zustimmung zu erkennen, und zugleich keinen gesetzlichen Vertreter hat, oder wenn der Patient aufgrund von Bewusstlosigkeit oder aus einem vergleichbaren Grund seine Zustimmung nicht erteilen kann. Ein Familienmitglied des Patienten oder eine ihm nahestehende Person darf über die Identität und den Gesundheitszustand des Patienten informiert werden, sofern dieser aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einem vergleichbaren Grund behandelt wird, und sich keine Gründe zur Annahme finden, dass der Patient eine solche Information untersagt hätte. Informationen über die 228
Vgl. dazu: § 13 Abs. 5 Lag om patientens ställning och rättigheter: „The consent obvious from the context referred to in point 2 of paragraph 3 refers to a consent given in some other way than in writing or orally, which the patient has given voluntarily, conscious of the giving of information, of the acquiring party and the use of the information given, as well of the significance of giving it.“; vgl dazu auch: Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (134): „Consent could be presumed inter alia in a case when the patient openly tells when, where and why he/ she has been examined and treated earlier.“
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Gesundheit und die medizinische Versorgung eines verstorbenen Patienten dürfen an jede Person weitergegeben werden, die diesbezüglich einen begründeten Antrag stellt und die die Informationen dazu benötigt, lebenswichtige Interessen und Rechte zu ermitteln und soweit die Weitergabe für diesen Zweck erforderlich ist. Der Antragsteller darf die erlangten Informationen nicht für einen anderen Zweck nutzen und verbreiten. Gemäß § 13 Abs. 6 Lag om patientens ställing och rättigheter sind die Weitergabe der Informationen und der Grund dafür in der Patientenakte festzuhalten. Verstöße gegen die Geheimhaltungspflicht sollen gemäß § 14 des Patientenrechtgesetzes nach dem finnischen Strafgesetzbuch geahndet werden, sofern keine spezielleren Vorschriften existieren. bb) Errungenschaften des Lag om patientens ställning och rättigheter/ Laki potilaan asemasta ja oikeuksista Dem finnischen Lag om patientens ställning och rättigheter kommt im Rahmen der europäischen Patientenrechtebewegung allein deshalb schon ein hoher Stellenwert zu, weil es sich um die erste gesetzliche Fixierung von Patientenrechten in Europa handelt.229 Der Erlass dieses Patientenrechtegesetzes war ein Versuch der Finnen, die Rechte des Patienten im Behandlungsalltag zu klären und zu stärken und auf diese Weise Rechtsunsicherheit zu beseitigen.230 Dabei hat der finnische Gesetzgeber größtenteils die zuvor bereits bestehenden Grundsätze normiert und nur wenige Neuerungen, wie die Beschwerde und das Patientenombudsmann-System, eingeführt.231 Auffällig ist dennoch der Umfang des finnischen Patientenrechtegesetzes vor allem im Vergleich mit anderen europäischen Patientenrechte-Kodifikationen. Es umfasst nur fünfzehn, wenn auch zum Teil recht ausführliche materiell-rechtliche Regelungen. Dabei sind die Bestimmungen zum Recht auf Selbstbestimmung sowie auf Information und zum Datenschutz die zentralen Aspekte des finnischen Patientenrechtegesetzes.232 Allein sechs Normen regeln die Voraussetzungen und Besonderheiten der Information und Selbstbestimmung. Bemängelt wird in diesem Zusammenhang vornehmlich die schwache Ausgestaltung des Rechts auf Selbstbestimmung.233 So wird in Finnland das Ausreichen einer konkludenten oder hypothetischen Einwilligung (samförstånd med patienten/ yhteisymmärryksessä) in die Behandlung als zu vage kritisiert.234 Auch wird in einem von dem finnischen Sozial- und Gesundheitsministerium in Auftrag gegebenes und 1996 veröffentlichtes Gutachten „Three Years in Force: Has the Finnish 229
Vgl.: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (592); Pichler, Rechtsentwicklungen zu einer verschuldensunabhängigen Entschädigung im Medizinbereich, S. 166; Rega, Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 7. 230 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25 (26); Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 (128, 135); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (601). 231 Vgl.: Lathi, in: Westerhäll/Phillips, Patient’s rights, S. 207 (214). 232 Vgl.: Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21 (29); Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (602). 233 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (596). 234 Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (130); vgl. auch: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (595, 602).
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Act on the Status and Rights of Patients materialized?“ gerügt,235 dass die Aufklärung durch die Behandler für einen Laien häufig nicht verständlich erfolge und negative Risiken oder Folgen nicht erfasse.236 Auf der anderen Seite befragten die Patienten den Behandler kaum zu ihrer Krankheit und der jeweiligen Behandlung.237 Auch habe die Einführung der Beschwerde durch das finnische Patientenrechtegesetz entgegen den Erwartungen die Anzahl der Aufsichtsbeschwerden nicht reduziert.238 Die von den Gutachter Befragten239 bewerteten sie unterschiedlich.240 Ferner wird die präventive Arbeit der Patientenombudsmänner in dem Gutachten als unzureichend kritisiert. 241 Insgesamt kommt es jedoch zu dem Ergebnis, dass das finnische Patientenrechtegesetz das Gesundheitswesen positiv beeinflusst habe.242 Demnach bewerteten alle von den Gutachtern Befragten das Patientenrechtegesetz als notwendig und erfolgreich.243 Der Zugang der Patienten zu Behandlung und der vertrauliche Umgang mit Patientendaten sei nach Auffassung der Befragten durch das Patientenrechtegesetz verbessert worden.244 Auch seien die Rahmenbedingungen der Behandlung von Minderjährigen durch das Gesetz geklärt worden.245 Ferner habe das Lag om patientens ställning och rättigheter die Kenntnis der Patienten hinsichtlich ihrer Rechte grundsätzlich gefördert und gestärkt. Das zunehmende Bewusstsein, die eigenen Rechte zu kennen, sei bei der
235 Das Gutachten wurde von Irma Pahlmann, Terhi Hermanson, Anha Hannuniemi, Jari Koivisto, Peter Hannikainen und Paula Ilveski erstellt und wurde u.a. in der Zeitschrift Med Law (vol. 15) 1996 (S. 591–603) und in der Monographie von Amnon Carmi und H. Wax mit dem Titel „Patients‘ Rights” 2002 veröffentlicht. Herausgegeben wurde es ursprünglich vom Sozial- und Gesundheitsministerium (Sosiaali- ja terveysministeriön/ Social- och hälsovårdsministeriet) 1996 als „Bericht (Rapporter/Selvityksiä) 1996:4: Three years in force: has the Finnish act on the status and rights of patients materialized?“. Zur Methodik des Gutachtens und zur für die Erstellung des Gutachtens genutzten Quellen siehe: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (592) sowie die Ausführungen dazu im sechsten Kapitel. Auf diese Evaluation verweist auch: Lilie, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (181); SVRKAiG, Gutachten 2000/2001, Bd. I, S. 338 Nr. 392. 236 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (595). 237 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (595). 238 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (599). 239 Konkret: Ausbilder der Patientenombudsmänner, Patientenombudsmänner selbst, Ärzte in leitender Position bei Krankenhäusern und Gesundheitszentren, Vertreter von Patientenverbänden und von Berufsorganisationen des Fachpersonals im Gesundheitswesen, Vertreter der Organisation für Alternativmedizin und des Hospital Contracts Committee of Jehovah’s Witness. 240 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (599): „The opinions of the interviewees on the complaints procedure are clearly divided. Some think that the complaints procedure functions well, although patients making complaints fear being stigmatized as difficult persons. Others think that a complaint is toothless and will have a negative impact on the care of the patient at a later stage.” 241 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (600). 242 Vgl.: Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (131). 243 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (593, 603). 244 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (593). 245 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (593).
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Inanspruchnahme medizinischer Leistungen deutlich zu Tage getreten.246 Die Kenntnis der Behandlungsseite hinsichtlich der Patientenrechte habe sich ebenfalls verbessert.247 Ihre Haltung gegenüber den Patienten habe sich bereits spürbar geändert. Dies zeige sich insbesondere im Verhalten der jüngeren Generationen von Behandlern gegenüber ihren Patienten. Die jüngeren Ärzte und Krankenschwestern seien eher willens, neue Verhaltensmuster gegenüber dem Patienten zu übernehmen.248 Dennoch konstatieren die Gutachter einen noch vorhandenen Verbesserungsbedarf sowohl hinsichtlich der Information als auch im Hinblick auf die Behandlung der Patienten249 sowie hinsichtlich der Beschwerde und des Patientenombudsmann-Systems.250 Demgegenüber bewerten kritische Stimmen die Wirkungen des finnischen Patientenrechtegesetzes insgesamt als schwach.251 Auch 246 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (599): „With the rising level of education, patients have become able to make independent decisions. According to the interviews, patients have also become more ready to hold on to their rights and also to express their dissatisfaction. This is partly owing to the patient law.“; ähnlich: WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 8: „The Finnish experience in implementing the patients’ rights legislation reveals that health care professionals and patients need education about the basic provisions of the Act which has had a positive effect over the health care field.“ 247 Im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Patientenrechte: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (601); siehe auch: dies., a.a.O. (602): „Professional organizations are well acquainted with the aim and goals of the patient law and with related problems at the general level.“ 248 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (593); kritisch zu den Ärzten in leitenden Positionen: dies., a.a.O. (602): „Chief physicians view the materialization of patients’ rights less problematic than the other interviewees, and they do not report major deficiencies. In the interview situation, physicians have probably felt that they must take up a defensive position, since the law is inter alia, largely aimed at improving physicians‘ ways of working.” 249 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (591): „However there is still much to improve in patients’ access to information and in the treatment of patients; the attitudes and the care traditions change slowly.“, dies., a.a.O., (602): „there is room for improvement in the patient’s access to information and right of self-determination.“ 250 Vgl.: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (603), die des Weiteren kritisieren, dass keine Patientenpflichten, kein Recht auf einen würdigen und schmerzfreien Tod und keine Sanktionsnormen in das Gesetz Eingang gefunden haben. 251 Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25 (29): „However, analysing the law and how it has been implemented, it would not be an exaggeration to say that the law on patients‘ rights is rather weak.“, (30): „(...) the law lacks teeth and does not necessarily give individual sufficient legal protection in the case of a conflict.”; vgl. zur Bedeutung der Rechtskenntnis sowie zum Kenntnisstand und zum Rechtsbewusstsein der Ärzte in Skandinavien: Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (140): „The next step in the development of patient’s rights in the Nordic countries is perhaps not so much a matter of creating new regulations as of implementing the present formal ones in practice. There is ignorance in the public’s knowledge about the existence and content of the present patient right laws. But maybe more importantly there is ignorance among those who have a duty to apply the legislation. It is therefore imperative that health care providers and professionals, in partnership with users and their representatives, inform themselves about and apply existing regulations in practice. In order to improve the situation, further education is needed. Ignorance creates scope for conflicts and disagree-
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Raimo Lathi, der Vorsitzende der Expertenkommission zu Fragen der Rechtssicherheit innerhalb des Gesundheits- und Krankenpflegewesens, benennt die Organisation der Informationen und Bekanntmachung des Gesetzes als Schwachstelle der Umsetzung des finnischen Patientenrechtegesetzes. Ebenso müsse die Nutzung von Rückmeldungen unzufriedener Patienten im Allgemeinen und solcher aus den Beschwerde- und Haftungsverfahren im Besonderen noch verbessert werden.252 Der größte Kritikpunkt am finnischen Patientenrechtgesetz ist indes die Ausgestaltung des Patientenombudsmann-Systems, die auch die Befürworter des Gesetzes bemängeln.253 Insbesondere die Tatsache, dass das Amt des Ombudsmannes häufig ehrenamtlich durch eine Krankenschwester oder einen beim Gesundheitszentrum angestellten Sozialarbeiter ausgeübt wird, bietet Anlass für Kritik.254 Des Weiteren wird kritisiert, dass das Lag om patientens ställning och rättigheter kein Recht auf einen würdigen und schmerzfreien Tod enthält und ansonsten nur einseitig die Rechte des Patienten und nicht auch seine Pflichten regelt.255 Überwiegend wird das Ergebnis des finnischen Versuches, die Patientenrechte zu stärken, jedoch positiv bewertet.256 b) Erkenntnisgewinn für den deutschen Gesetzgeber Durch die Wahl eines verwaltungsrechtlichen Ansatzes257 in Finnland wird der Patient hauptsächlich als Nutzer des Gesundheitssystems dargestellt. Die individuelle Arzt-Patienten-Beziehung tritt dadurch in den Hintergrund. Ferner findet das Recht auf Selbstbestimmung des Patienten gerade im Behandlungsvertrag seine wesentliche Grundlage.258 Dies begründet sich bereits darin, dass die Vertragsaument. It ought to be the obligation of every related organisation, of patients’ as well as of professionals’, to develop strategies for applying this legislation.“ 252 Lathi, in: BZgA, Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, S. 180 (183). 253 Vgl.: Lathi, in: BZgA, Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, S. 180 (183); WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 8; Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (591, 603). 254 WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 8; so auch: Fallberg/Kattelus, in: Mackenney/Fallberg, Protecting Patients‘ Rights, S. 25 (30), die noch weitere Kritikpunkte benennen: „In a recent analysis of the Patient Ombudsmen system it is pointed out that the system does not work as it was meant to in the act. The most pertinent problems at this time are: lack of or insufficient knowledge an education among the Ombudsmen, dependent position as one of the employees of the healthcare unit, insufficient resources and underestimation of the importance of their tasks.“ 255 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (603). Paula Kokkonen führt bezüglich der Normierung von Patientenpflichten unter Verweis auf das öffentliche Gesundheitssystem in Finnland aus, dass eine Normierung der Pflichten in einem Patientenrechtegesetz als nicht geeignet abgelehnt worden ist. Regelungen hinsichtlich Pflichten des Patienten seien teilweise in anderen Gesetzen enthalten, vgl.: Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127 f. 256 Vgl.: WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 7: „Bringing the patients’ rights into one single law has proved to be a good solution.” 257 Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 467. 258 Vgl.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn.74: „Die (…) Rechte des Patienten auf freie Arztwahl, Aufklärung und Selbstbestimmung gedeihen am besten in einer zivilrechtlichen
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tonomie der Parteien ein grundlegendes Prinzip des Zivilrechts ist.259 Tatsächlich wurde festgestellt, dass das finnische, verwaltungsrechtliche Patientenrechtegesetz gerade den Bereich der Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten nicht nennenswert beeinflusst hat.260 Eine verwaltungsrechtliche und damit vertikale Ausgestaltung des Arzt-Patienten-Verhältnisses hat dagegen den Vorteil, dass die verwaltungsrechtlichen Normen, wenn man von Dispensverträgen absieht, von den Beteiligten regelmäßig nicht wie im Zivilrecht abbedungen werden können. Jedoch gilt es zu bedenken, dass es auch zwingendes Recht zivilrechtlicher Natur gibt.261 Zudem hat der Gesetzgeber, der sich für den zivilrechtlichen Lösungsansatz entscheidet, die Möglichkeit, die zivilrechtlichen durch verwaltungsrechtliche Bestimmungen zu ergänzen.262 So sind etwa in den Niederlanden Patientenrechte auch in den Regelungen zur Zulassung medizinischer Einrichtungen enthalten.263 Umgekehrt bleibt es dem Patienten auch in einem verwaltungsrechtlich geprägten System möglich, gegebenenfalls zivilrechtlich gegen die Behandlungsseite vorzugehen.264 Allerdings hat ein Gesetz größere Chancen umgesetzt zu werden, wenn es funktional ist. Es sollte sich in die vorhandenen Strukturen und Funktionszusammenhänge einfügen.265 Dementsprechend ist die Wahl des verwaltungsrechtlichen Regelungsansatzes in Finnland im Hinblick auf die Struktur des finnischen Gesundheitssystems stimmig.266 Das deutsche Gesundheitswesen unterscheidet sich jedoch erheblich von dem finnischen. Der Hintergrund der strukturellen Unterschiede der Gesundheitssysteme ist in der wohlfahrtsstaatlichen Tradition der beiden Länder zu sehen. So lehnt sich das finnische Gesundheitssystem an das Beveridge-Modell267 an, während sich in Deutschland das
Vertragsbeziehung.“; anders scheinbar: Francke/Hart, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 135 (162): „Die allgemeine Regelung von Zugangsrechten zu Information, Informationsrechten und Informationspflichten für Patienten und Anbieter und von transparenzschaffenden Maßnahmen erfolgt aber im wesentlichen durch das öffentliche Recht. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Autonomiesicherung eher beim öffentlichen denn beim Privatrecht. Das öffentliche Recht hat insoweit eine regelsetzende Funktion, die das Privatrecht jedenfalls mittelbar beeinflusst.“ 259 Schneider, MedR 2000, 497 (499). 260 Lilie, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (181). 261 Vgl. die zivilrechtlichen Regelungen in den Niederlanden. Nach Art. 7:468 BW sind die Regelungen des BW zum Behandlungsvertrag zwingend, soweit sie für den Patienten vorteilhaft sind. 262 So: Leenen/Gevers/Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 5. 263 Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 467. 264 Vgl.: Leenen/Gevers/Pinet, The Rights of Patients in Europe, S. 5. 265 Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 257. 266 Vgl.: Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (127 f.): „A possible reason for the use of administrative legislation in Nordic health services might be that a dominating part of health services is financed by public means.“ 267 Gekennzeichnet durch Steuerfinanzierung, das Prinzip der staatlichen Verwaltung, das Versorgungsprinzip, öffentliche Leistungserbringung und durch das Sachleistungsprinzip.
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Sozialversicherungsmodell268 etabliert hat. Das finnische System basiert überwiegend auf kommunalen und nationalen Steuern, das deutsche System hingegen hauptsächlich auf der Sozialversicherung.269 Ferner ist der Einfluss des finnischen Staates im Gesundheitswesen Finnlands sehr stark ausgeprägt. So ist der Staat selbst verpflichtet, sicherzustellen, dass alle Einwohner über die gleichen und allgemeinen Zugangsmöglichkeiten zur gesundheitlichen Versorgung verfügen.270 Dabei ist das finnische Gesundheitssystem dezentral organisiert, so dass für die gesundheitliche Versorgung die Gemeinden zuständig sind.271 Zu dieser medizinischen Grundversorgung durch die Gemeinden gehören alle allgemein- und fachärztlichen Behandlungen, ferner Rehabilitations- und Präventionsmaßnahmen.272 Diese werden in den finnischen Gesundheitszentren erbracht.273 Die sekundäre und tertiäre Versorgung wird hingegen ambulant oder stationär in Krankenhäusern von Fachärzten geleistet, wobei auch die Krankenhäuser von Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden getragen werden.274 Der Staat agiert mithin als Garant für die 268
Gekennzeichnet durch Beitragsfinanzierung, das Prinzip der Selbstverwaltung, das Versicherungs- und Solidaritätsprinzip, private/öffentliche Leistungserbringung und durch das Sachleistungs- oder Kostenerstattungsprinzip. 269 Sinkkonen/Kinnunen, in: Sinkkonen/Hornetz, Kranken- und Gesundheitspflege in Finnland und Deutschland, S. 17 (19); vgl. zur Finanzierung des finnischen Gesundheitswesens: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (50 ff., 59). Genaue Zahlen von 2003 finden sich in: OECD; Reviews of health systems – Finland, S. 24 ff. (abrufbar über die OECD health database): 42 % kommunale Steuern, 18 % Bundessteuern, die den Kommunen zugewiesen werden, 17 % durch die Ausgaben der Nationalen Krankenversicherung, circa 2 % durch Ausgaben privater Versicherungen und der Rest durch Selbstbehalte. 270 Siehe: § 3 Abs. 1 Lag om patientens ställning och rättigheter; vgl. auch § 19 Abs. 3 S. 1 der finnischen Verfassung (731/1999), wonach der finnische Staat ausreichende Sozial- und Gesundheitsdienste sicherzustellen und die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern hat. Eine inoffizielle deutsche Übersetzung der finnischen Verfassung (Finlands grundlag/ Suomen perustuslaki) ist abrufbar unter: http://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/1999/de19 990731.pdf (zuletzt besucht am 12.6.2011). Siehe auch: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/ Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (50); Rega, Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 82. 271 Siehe zur gesundheitlichen Versorgung durch die finnischen Gemeinden: Baur/Heimer/ Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (51); Rega, Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 83; vgl. dazu: Sinkkonen/Kinnunen, in: Sinkkonen/Hornetz, Kranken- und Gesundheitspflege in Finnland und Deutschland, S. 17 (20 f.). 272 Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (50 f.). 273 Vgl. zu den Gesundheitszentren: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (54 f); Köhler, in: ders./von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 207 (214) m.w.N.; Sinkkonen/Kinnunen, in: Sinkkonen/Hornetz, Kranken- und Gesundheitspflege in Finnland und Deutschland, S. 17 (27 f.). 274 Vgl. zum sekundären und tertiären Bereich des öffentlichen Gesundheitssektors: Sinkkonen/Kinnunen, in: Sinkkonen/Hornetz, Kranken- und Gesundheitspflege in Finnland und Deutschland, S. 17 (28); vgl. zur Organisationsform der Krankenhäuser: Baur/Heimer/ Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (56); Rega, Pa-
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Absicherung gegen Krankheitsrisiken.275 Demgegenüber hat der Staat in Sozialversicherungssystemen, wie dem deutschen, eine schwächere Rolle. Er nimmt die Absicherung gegen Krankheitsrisiken selbst nicht als öffentliche Aufgabe wahr, sondern überträgt diese auf andere Organisationseinheiten.276 Allerdings existieren in Finnland neben dem staatlichen auch private und betriebliche Systeme zur medizinischen Versorgung,277 so dass hier durchaus die vertragsrechtlichen Vorschriften des Privatrechts bei der Behandlung im privaten Leistungssektor zur Anwendung gelangen. Bei einer Gesamtbetrachtung ist in Finnland der öffentliche Gesundheits- und Pflegebereich jedoch traditionell viel stärker ausgeprägt als in Deutschland.278 Die verwaltungsrechtlichen Normen stehen aufgrund dieser überwiegend öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des finnischen Gesundheitswesens deutlich im Vordergrund.279 Dies wirkt sich auch auf die Entwicklung der Rechtstienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 83. 275 Vgl. § 19 Abs. 3 S. 1 der finnischen Verfassung (731/1999), wonach der finnische Staat ausreichende Sozial- und Gesundheitsdienste sicherzustellen und die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern hat; siehe zur finnischen Verfassung Fn. 270. 276 Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa, S. 292; vgl. zu den soziologischen Besonderheiten und Unterschieden zwischen Sozialversicherungssystemen und nationalen Gesundheitssystemen: Wendt, in: Wendt/Wolf, Soziologie der Gesundheit, S. 270 (288 f.). 277 Die privaten Gesundheitsleistungen werden dabei im Wesentlichen im ambulanten Bereich und dabei überwiegend in großen Städten erbracht. Die Kosten für diese werden teilweise durch die finnische Krankenversicherung (KELA) erstattet, die für alle Einwohner Finnlands obligatorisch und deren Hauptfunktion ist, Einkommensausfälle (Krankheit, Mutterschutz) auszugleichen, vgl.: Rega, Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen Deutschlands, Finnlands und Polens, S. 82; Bathelt, Rheinisches Ärzteblatt 2003 (12), 15. Sie wird u.a. finanziert durch Beiträge der Arbeitnehmer, Arbeitgeber, der Selbstständigen und durch staatliche Zuschüsse, siehe: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (51). Vgl. die Selbstauskunft von KELA auf ihrer Homepage: http://www.kela.fi/in/internet/english.nsf/NET/080808143901HS?Op enDocument (zuletzt besucht am 12.6.2011). Ausführlich zum privaten Sektor der medizinischen Versorgung in Finnland: Baur/Heimer/Wiesler, in: Böcken/Butzlaff/Esche, Reformen im Gesundheitswesen, S. 23 (55); Sinkkonen/Kinnunen, in: Sinkkonen/Hornetz, Kranken- und Gesundheitspflege in Finnland und Deutschland, S. 17 (43); vgl. zur betrieblichen Fürsorge: Sinkkonen/Kinnunen, in: Sinkkonen/Hornetz, Kranken- und Gesundheitspflege in Finnland und Deutschland, S. 17 (33); siehe zur Rolle der Krankenversicherung in steuerfinanzierten Gesundheitssystemen: Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa, S. 295. 278 Vgl.: Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung im europäischen Rechtsvergleich, S. 2 f.; vgl. für Finnland: Lathi, in: Kranich/Böcken, Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, S. 21; Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 467 f.; Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (127). 279 Vgl. Lehtonen, in: Beyleveld et al., Implementation of the Data Protection Directive in Relation to Medical Research in Europe, S. 87 f.: „Unlike in many other countries, the contractual model for the doctor-patient relationship has never been fully accepted in Finland. This is due to the fact that, in the Scandinavian welfare states, health care is part of the public services. (…) Therefore, many of the rights of the patient are similar to the rights of any citizen against public administration, and most disputes arising from the relationship are solved either by internal remedies of the administrative system, or by special administrative Courts.“; Lathi, in: Westerhäll/Phillips, Patient’s rights, S. 207 (208); vgl. auch die
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stellung des Patienten aus.280 Es ist insofern nicht außer Acht zu lassen, dass die Frage nach der Art und Weise der Kodifikation von Patientenrechten maßgeblich von den politischen und sozialen Faktoren und von dem Rechtssystem eines Landes abhängt.281 Im Gegensatz zu den finnischen Patientenrechten haben die deutschen korrespondierend mit der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Behandlungsverhältnisses282 eine zivilrechtliche Tradition. Sie werden vornehmlich über das zivilrechtliche Haftungsrecht durchgesetzt. Insofern ist das deutsche System eher mit dem der Niederlande als mit dem finnischen Gesundheitssystem vergleichbar. Ferner träte im Rahmen eines speziellen Patientenrechtegesetzes verwaltungsrechtlicher Natur das Verhältnis zwischen Patient und Arzt in den Hintergrund, wohingegen das Verhältnis des Patienten zum Behandlungssystem betont würde. Angesichts dessen erscheint eine Orientierung an dem verwaltungsrechtlichen Patientenrechtegesetz Finnlands wenig hilfreich. Zudem sollte bei der Beantwortung der Frage nach der Übertragbarkeit der finnischen Erfahrungen neben der öffentlich-rechtlichen Ausgangsbasis des finnischen Behandlungsverhältnisses zur Kenntnis genommen werden, dass in Finnland eine andere Gesetzgebungskultur vorherrscht. Im Vergleich zu den übrigen westeuropäischen Ländern werden in Finnland außerordentlich viele Gesetze verabschiedet.283 Dies mag u.a. kulturell und historisch darin begründet liegen, dass das „Vertrauen in Rechtmäßigkeit und Gesetz [ist] ein beherrschendes Charakteristikum finnischen Denkens“284 ist. Deutschland und Finnland unterscheiden sich im Hinblick auf die strukturellen und rechtlichen Aspekte des Behandlungsverhältnisses wesentlich. Derartige Unterschiede schränken eine ad-hoc Übertragung erheblich ein. Es ist wenig erfolgversprechend, ein fremdes System auf einen Staat zu übertragen, der historisch, kulturell, gesellschaftlich und rechtlich in einer anderen Weise geprägt wurde. Das Ablehnen eines Patientenrechtegesetzes verwaltungsrechtlicher Natur ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem generellen Vorbehalt gegen den Erlass eines Stammgesetzes. Schließlich ist auch ein zivilrechtliches Stammgesetz denkbar, soweit die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben ist.285 Das im Jahr 1990 in Kraft getretene Produkthaftungsgesetz ist als Beispiel für ein solches angenerellen Ausführungen zu Skandinavien: Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 468. 280 Lathi, in: Pichler, Einführung in die Patientenrechtspolitik, S. 73 (74); Leenen/Pinet/ Prims, Trends in health legislation in Europe, S. 19: siehe auch: Kokkonen, European Journal of Health Law 1994, 127. 281 Brimontiene, European Journal of Health Law 2002, 381 (382); Leenen/Gevers/Pinet, The rights of patients in Europe, S. 4 f.; WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 116. 282 Ob auch das Behandlungsverhältnis zwischen Arzt und gesetzlich versicherten Patienten zivilrechtlicher Natur ist, ist umstritten. Davon wird in dieser Arbeit ausgegangen, vgl. dazu die Ausführungen im fünften Kapitel unter II.1.b). 283 Auffermann/Lasko, in: Ismayr, Gesetzgebung in Westeuropa, S. 65 (86). 284 Burkhard Auffermann und Seppo Lasko sprechen in: Ismayr, Gesetzgebung in Westeuropa, S. 65 (95), sogar von einem „Glaube(n) in die Allmacht des Gesetzes“. 285 Vgl. zur Frage der Verteilung der Gesetzgebungskompetenz bezüglich einer Normierung des zivilrechtlichen Behandlungsverhältnisses die Ausführungen unter II.1.b) in diesem Kapitel.
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zuführen.286 Indes empfiehlt sich ausschließlich eine schwerpunktmäßige Ansiedlung der Patientenrechte und -pflichten im Vertragsrecht und damit konsequenterweise die Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB. Zwar wurde der Bereich der Arzthaftung und mit ihm die Patientenrechte und -pflichten von Literatur und Rechtsprechung hauptsächlich im Rahmen des Deliktsrechts entwickelt und ausgeprägt. Jedoch ist der Rechtsgrund für die Behandlung regelmäßig der Behandlungsvertrag,287 so dass eine Regelung im Vertragsrecht nicht allein aufgrund der deliktsrechtlichen Tradition des Arzthaftungsrechtes288 ausscheidet. Zumal diese vornehmlich darin begründet ist, dass der Schmerzensgeldanspruch nach altem Recht gemäß § 847 BGB a.F. auf unerlaubte Handlungen begrenzt war.289 Schmerzensgeld kann heute auch bei der Verletzung von Vertragspflichten verlangt werden. Darüber hinaus sind die unterschiedlichen Verjährungsfristen mit der Schuldrechtsreform vereinheitlicht worden.290 Es gilt für Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB und nach § 823 BGB die Regelverjährung im Sinn der 286
Mit diesem Beispiel soll nicht der Einführung einer Gefährdungshaftung das Wort geredet werden. Eine solche ist für das Behandlungsverhältnis abzulehnen; anders: Ent, in: Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. II, S. I 88; Jung, Das Recht auf Gesundheit, S. 152 ff. Der Behandler setzt keine besondere Gefahr für den Patienten, sondern greift in eine bereits angelegte und sich gegebenenfalls verschlimmernde Gefahrenlage ein, um diese möglichst zu kontrollieren und aufzugeben. Das Krankheitsrisiko geht ebenso wie das Risiko der Unwägbarkeit des menschlichen Organismus vom Patienten aus; überzeugend bereits: Weyers, in: Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. I, S. A 91 f. Eine ausführliche kritische Auseinandersetzung mit einer Gefährdungshaftung des Arztes findet sich bei: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 181 ff. m.w.N. 287 Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 699; vgl.: Laufs, Arztrecht, Rdn. 86, der darauf verweist, dass das „Arzt-Patienten-Verhältnis seinen eigentlichen Sitz im Vertragsrecht“ hat. 288 Zur deliktsrechtlichen Tradition des Arzthaftungsrechts: Bolsinger, Dogmatik der Arzthaftung, S. 92; Hirte, Berufshaftung, S. 95; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt und Anwaltshaftungsrecht, S. 140; vgl.: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 3; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 82: „Das Deliktsrecht entwickelte sich im Laufe der Zeit sogar zum primären Instrument der Verhaltenssteuerung und Schadenszuweisung in bestimmten Sozialbereichen wie der Arzthaftung.“, S. 83: „Der rechtstatsächliche Schwerpunkt der Arzthaftung lag bislang im Deliktsrecht (…)“; Laufs, in: ders./Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. 20; Müller, MedR 2009, 309 (309): „Für den nüchternen Juristen sind es [Gesundheit und Leben] Rechtsgüter i.S. des § 823 Abs. 1 BGB, so dass der deliktische Schutz im Vordergrund steht. An der sog. Körperverletzungsdoktrin, hat die Modernisierung des Schuldrechts nichts geändert und auch nicht der Umstand, dass nunmehr Schmerzensgeld auch bei vertraglicher Haftung verlangt werden kann. Die derzeitige Diskussion im Schrifttum, ob die Deliktshaftung für Behandlungsfehler aufgegeben werden soll, hat die Rechtsprechung bisher nicht beeinflusst.“; Schiemann, JuS 1982, 649 (652), führt aus, dass die deliktische Anspruchsgrundlage stärker im Vordergrund steht als die vertragliche; anders: Giesen, JZ 1990, 1053 (1054). 289 Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 699; Hirte, Berufshaftung, S. 95; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 248, Bäune/Dahm, MedR 2004, 645 (652); vgl. dazu auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1084). 290 Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 699.
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§§ 195, 199 BGB.291 Auch sind nach § 309 Nr. 7a BGB Haftungsfreizeichnungen für schuldhaft herbeigeführte Personenschäden in AGB unwirksam. Dementsprechend ergeben sich heutzutage weder für die Behandlungsseite noch für die Patienten wesentliche Vorteile durch eine deliktsrechtliche Regelung ihrer Rechte und Pflichten.292 Ferner führte eine Regelung der Rechte und Pflichten im Vertragsrecht nicht zur Unabwendbarkeit des Deliktsrechts. Das deutsche Haftungssystem ist schließlich dualistisch und eine Kumulation der Haftungen möglich.293 Des Weiteren spräche für einen vertragsrechtlichen Schwerpunkt eines etwaigen Patientenrechtegesetzes, dass gerade die „Rechte des Patienten auf freie Arztwahl, Aufklärung und Selbstbestimmung (…) am besten in einer zivilrechtlichen Vertragsbeziehung“294 gedeihen. Dass durch eine gesetzliche Regelung des Behandlungsvertrags und der ihm angelegten Rechte und Pflichten gerade die Privatautonomie eingeschränkt wird, steht dem nicht entgegen. Dies ist vielmehr Ausdruck der faktischen Schwächesituation des Patienten. Die Zahl der Vorschriften, die dazu dienen, faktische Machtunterschiede auszugleichen und die Autonomie der schwächeren Vertragspartei zu fördern, hat stetig zugenommen. Die Vertragspartner sollen sich mit größtmöglicher formaler Gleichheit und Freiheit gegenübertreten, um ihre Beziehung vertraglich zu gestalten.295 Ein deliktrechtliches Schuldverhältnis äußert sich demgegenüber lediglich als Fremdbindung der Parteien durch den Verstoß gegen rechtlich relevante Sorgfaltsgebote, die prinzipiell gegenüber jedermann bestehen und die auf der Teilnahme am allgemeinen Verkehr beruhen.296 Zudem betonte eine deliktsrechtliche Ausrichtung eines etwaigen Patientenrechtegesetzes insbesondere die Haftungsaspekte des Behandlungsverhältnisses. Dies ist für die Arzt-Patienten-Beziehung, die immer auch eine Vertrauensbeziehung297 ist und insofern einen besonderen Rang im Rahmen der Rechtsver291
Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 699. Verbleibende Unterschiede zwischen Vertrags- und Deliktshaftung sind die Haftung für Gehilfen, die sich im Vertragsrecht nach § 278 BGB und im Deliktsrecht nach § 831 Abs. 1 BGB richtet, und die Möglichkeit einer Übernahme einer Garantie für den Leistungserfolg im Vertragsrecht; siehe dazu: Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 699. 293 Wenzel, in: ders.: Handbuch des Fachanwaltes Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 2; Taupitz, NJW 1986 2851 (2852). Für eine einheitliche Berufshaftung, die die Unterschiede zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung überwinden soll: Dunz, Aktuelle Fragen zum Arzthaftungsrecht, S. 67; dagegen: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 92 ff.; Ströfer, VersR 1981, 796 (797 f.). 294 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 74; ähnlich: Feuerstein/Kuhlmann, in: dies., Neopaternalismus, S. 9 (11), die zugestehen, dass die Einordnung des Arzt-Patienten-Verhältnisses in vertragsrechtliche Muster auch den Abbau von Asymmetrien beinhaltet. 295 Vgl.: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 272 ff. 296 Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 20. 297 Vgl. zur Bedeutung des Vertrauens in der Arzt-Patienten-Beziehung: Stevenson, in: Wendt/Wolf, Soziologie der Gesundheit, S. 224 (231): „Trust may have a direct therapeutic effect and is typically associated with high quality communication and interaction, which facilitates disclosure by the patient, enables the practitioner to encourage necessary behaviour changes and may permit the patient greater autonomy in decision making about treatment.” 292
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hältnisse zwischen Gläubigern und Schuldnern einnimmt, gefährlich. Dementsprechend ist eine Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB als Regelungsmodell zu bevorzugen.298 Sofern der Gesetzgeber dennoch ein Stammgesetz erlassen möchte, sollte er von den Erfahrungen der Finnen lernen. Die ständigen Verweise auf andere Gesetze im Lag om patientens ställning och rättigheter erschweren insgesamt den Überblick über die Rechtslage zu den Patientenrechten.299 Der deutsche Gesetzgeber sollte folglich darauf achten, häufiges Verweisen zu vermeiden, da er andernfalls die viel gerügte Intransparenz der derzeitigen Rechtslage nicht beseitigte, sondern verstärkte.300 Daneben bestünde für den Gesetzgeber bei dem Erlass eines solchen Stammgesetzes die Schwierigkeit, dass er, insbesondere wenn er weitgehend auf Verweise verzichtete, Doppelregelungen träfe. In diesem Fall entstünde ein äußerst umfangreiches Stammgesetz, welches im Hinblick auf die Wahrung der Kohärenz bei künftigen Änderungen einzelner Bestimmungen in den jeweiligen Regelungsblöcken problemanfällig wäre. Ein solches Nebeneinander widerspricht der Konzentration des Rechts.301
3. Erlass eines speziellen, rechtsgebietsübergreifenden Einheitsgesetzes Eine einheitliche rechtsgebietsübergreifende, alle Patientenrechte und -pflichten umfassende Kodifikation des Gesundheitsrechts, die gegebenenfalls durch eine verbandliche Selbstregulierung ergänzt werden könnte, stellt die aufwendigste und schwierigste Regelungsmöglichkeit dar. Es müsste alle individuellen und kollektiven Rechte und Pflichten von Patienten, Versicherten und Bürgern in einem Regelungswerk zusammenfassen. Der Vorteil eines solchen Einheitsgesetzes wäre, dass eine sachlich zusammengehörende Materie wie das Gesundheitsrecht umfassend und zusammenhängend geregelt würde. Zumal zu beachten gilt, dass die Patientenrechte im Gesundheitsrecht verteilt und nicht nur in einem Teilbereich wie etwa dem bürgerlichen oder dem Sozialversicherungsrecht enthalten sind. Darüber hinaus bilden die unterschiedlichen Regelungsbereiche des recht komplexen Gesundheitsrechts Schnittmengen, die teilweise so ausgeprägt sind, dass diese nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Des Weiteren sind die Patientenrechte vielfältiger Rechtsnatur. Es existieren zivil-, straf- und verwaltungsrechtli298 Ebenfalls für eine schwerpunktmäßige Ansiedlung im Vertragsrecht: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1091 ff.); vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, passim; siehe ferner: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 131: „Wenn der rechtspolitische Wunsch besteht, dass Patient und Arzt eine gewisse Freiheit in der Gestaltung ihres Rechtsverhältnisses haben, die Betonung auf der ärztlichen Tätigkeit und nicht auf dem Erfolg liegt und die Schuldschwelle für die Haftung deutlich erkennbar sein soll, dann ist zweckmäßig, die Arzt-Patienten-Beziehung nicht im Deliktsrecht, sondern im Vertragsrecht schwerpunktmäßig anzusiedeln.“ 299 Davor warnt bereits: Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 20 (47). 300 Zwischen Vor- und Nachteilen der Verweisungstechnik differenzierend: BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 225, 227. 301 Vgl.: BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 493.
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che Patientenrechte.302 Eine umfassende Kodifikation des Gesundheitsrechts könnte insoweit den Besonderheiten dieses Rechtsgebietes und der in ihm angelegten Patientenrechte und -pflichten besser und mit dem Anspruch auf Vollständigkeit gerecht werden. Allgemeine Leitprinzipien könnten Rechtsgebiet übergreifend in einem Allgemeinen Teil normiert werden. Sachbereichsspezifische Materien könnten schwerpunktmäßig in den folgenden Abschnitten oder, angelehnt an das BGB, in Büchern behandelt werden. Im Rahmen einer umfassenden Regelung könnte ein derartiges systematisches Untergliedern den Überblick über das Gesundheitsrecht erheblich erleichtern. Auf diese Art könnten auch lästige Verweise auf andere Gesetze vermieden und somit die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Gesetzes gefördert werden. Ein umfassendes und einheitliches Regelungswerk des Gesundheitsrechts, das als Beispiel dienen könnte, ist der französische Code de la Santé Publique (CSP)303, der das gesamte öffentliche Gesundheitsrecht regelt und in den durch das loi n° 2002-303 du 4 mars 2002 relative aux droits des malades et à la qualité du système de santé304 die Patientenrechte rechtsgebietübergreifend integriert wurden. a) Ausblick auf Frankreich: Code de la Santé Publique Der CSP ist eine einheitliche und mit über 10.000 Artikeln eine sehr ausführliche, Rechtsgebiet übergreifende und doch nicht abschließende Kodifikation des Gesundheitsrechts.305 Der CSP wurde selbst in seiner ursprünglichen Form bereits 1953 erlassen und in den Jahren 2000 bis 2005 erheblich modifiziert bzw. durch weitere Regelungen ergänzt. Das im Hinblick auf die Patientenrechte interessante Änderungsgesetz loi n° 2002-303 du 4 mars 2002 relative aux droits des malades et à la qualité du système de santé, das auch loi Kouchner306 genannt wird und 2002 in Kraft trat, fügt sich in die Reihe dieser Reformgesetze zur Verbesserung des Gesundheitswesens ein.307 Es hat die Patientenrechte, die ähnlich wie die deut302
Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, S. 470. Text abrufbar unter: http://www.legifrance.gouv.fr/affichCode.do;jsessionid=683CFEF2 4447E0DE1334A81436BA6DAC.tpdjo06v_2?cidTexte=LEGITEXT000006072665&datT exte =20081129 (zuletzt besucht am 12.6.2011). 304 Text abrufbar: unter http://www.droit.org/jo/20020305/MESX0100092L.html (besucht am 12.6.2012). Die Entstehung dieses Gesetzes ist bemerkenswert: es wurde versucht, die französischen Bürger an der Entstehung u.a. durch Teilnahme an Bürgerversammlungen, sogenannten États généraux de la santé, einzubinden. Dabei ist das Vorgehen im Rahmen der États généraux gekennzeichnet durch Elemente der direkten Demokratie. Eine solche Beteiligung der Bürger am Zustandekommen eines Gesetzes ist untypisch für eine repräsentative Demokratie. Näher zu den États généraux: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 90–94. 305 Gesundheitsrechtliche Normen finden sich auch im Code civil, im Code pénal, im Code du travail, im Code des assurances und im Code de la sécurité sociale. 306 Benannt nach dem damaligen Gesundheitsminister Bernard Kouchner. 307 Vgl.: Jospin/Guigo, Exposé des motifs, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 5.9.2001, Document N° 3258, S. 4, abrufbar unter: http://www.assemblee-nationale.fr/11/pdf/projets/pl3258.pdf (besucht am 12. 6.2011); Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 93 f. 303
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
schen maßgeblich durch die Rechtsprechung entwickelt und ausgeprägt worden sind und vor dem loi Kouchner lediglich bruchstückhaft in unterschiedlichen Rechtsgebieten geregelt waren,308 zusammen mit Fragen der Schadensregulierung vornehmlich im CSP gesetzlich festgeschrieben. Dies korreliert mit dem zentralen Anliegen des französischen Gesetzgebers bei Erlass des loi Kouchner, die Anerkennung und Umsetzung der Patientenrechte in der Praxis zu verbessern.309 Ferner sollte das loi Kouchner durch die Förderung der Patientenautonomie die Voraussetzungen für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den an der gesundheitlichen Versorgung Beteiligten und den Patienten schaffen.310 Ein weiteres Ziel des französischen Gesetzgebers war es, durch die Regelung der Grundprinzipien der Arzthaftung diesen Bereich zu vereinheitlichen und zu stabilisieren.311 aa) Regelungsinhalt des Code de la Santé Publique Der legislative Teil des CSP besteht aus sechs Abschnitten (parties), die sich wiederum in Bücher (livres), Titel (titres), Kapitel (chapitres), gegebenenfalls in Abschnitte (sections) und letztlich in Artikel (articles) unterteilen. Im ersten Abschnitt finden sich Regelungen zum allgemeinen Schutz der Gesundheit (protection générale de la santé), im zweiten zur Gesundheit der Familie, der Mutter und des Kindes (Santé de la famille, de la mère et de l'enfant), im dritten zur Bekämpfung von Krankheiten und Sucht (Lutte contre les maladies et dépendances), im vierten zur Berufsausübung im Gesundheitswesen (Professions de santé), im fünften zum Produktrecht im Gesundheitswesen (Produits de santé) und im sechsten Abschnitt Regelungen zu Einrichtungen und Diensten im Gesundheitswesen (Etablissements et services de santé). Im Hinblick auf die Regelung der Patientenrechte und -pflichten im Behandlungsverhältnis ist allein der erste Abschnitt des CSP, die Bestimmungen zum all308
Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 21, 81 ff.; vgl.: Evin/Charles/Denis, Rapport, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 26.9.2001, Document N° 3263, S. 8, abrufbar unter: http://www.assemblee-nationale.fr/11/pdf/rapports/r3263-11.pdf (besucht am 12.6.2011); Jospin/Guigo, Exposé des motifs, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 5.9.2001, Document N° 3258, S. 5, siehe Fn. 307. Neben der fragmentarischen gesetzlichen Regelung der Patientenrechte existierte eine unverbindliche Patientenrechtecharta, siehe dazu: Lemoyne, de Forges, in: Guillaume-Hofnung, Droits des malades, S. 22 f. 309 Evin/Charles/Denis, Rapport, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 26.9.2001, Document N° 3263, S. 16, siehe Fn. 308; Jospin/Guigo, Exposé des motifs, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 5.9.2001, Document N° 3258, S. 5, siehe Fn. 307: „reconnaître et préciser les droit des personnes malades“. 310 Jospin/Guigo, Exposé des motifs, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 5.9.2001, Document N° 3258, S. 5, siehe Fn. 307: „rééquilibrer les relations entre le professionnel de santé et le malade, en faisant ce dernier un véritable acteur de santé“; vgl. auch Nitschmann, MedR 2008, 133. 311 Jospin/Guigo, Exposé des motifs, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 5.9.2001, Document N° 3258, S. 11, siehe Fn. 307.
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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gemeinen Schutz der Gesundheit, interessant. Dieser beinhaltet in Bücher unterteilt Normen zum Schutz von Patienten im Gesundheitswesen, zur Spende und Verwendung von Elementen und Produkten des menschlichen Körpers zum Schutz der Gesundheit und zur allgemeinen Verwaltung im Bereich des Gesundheitswesens. Hier soll aufgrund der thematischen Begrenzung der Arbeit allein auf den ersten Titel, Rechte der Kranken und der Nutzer des Gesundheitssystems (Droits des personnes malades et des usagers du système de santé), und den vierten Titel, Entschädigung der Folgen von gesundheitlichen Risiken (Réparation des conséquences des risques sanitaires), des ersten Buches eingegangen werden. (1) Rechte der Kranken und der Nutzer des Gesundheitssystems (Droits des personnes malades et des usagers du système de santé) Dieser Gesetzesabschnitt ist in seiner Funktion als Zusammenfassung der subjektiven Rechte der Patienten vor allem von der Ärzteschaft als Ausdruck eines übertriebenen Individualismus kritisiert worden.312 Er selbst ist in fünf Kapitel eingeteilt: Menschenrechte (Droits de la personne), Information der Nutzer des Gesundheitssystems und Ausdruck ihres Willens (Information des usagers du système de santé et expression de leur volonté), in die Einrichtungen des Gesundheitswesens aufgenommene Personen (Personnes accueillies dans les établissements de santé), Verantwortung der Einrichtungen gegenüber der Rechtsgüter der aufgenommenen Personen (Responsabilité des établissements à l'égard des biens des personnes accueillies), Beteiligung der Nutzer an dem Betrieb des Gesundheitssystems (Participation des usagers au fonctionnement du système de santé) und Strafvorschriften (Dispositions pénales). (a) Menschenrechte (Droits de la personne) Das Kapitel Menschenrechte wurde durch das loi Kouchner in den CSP erstmalig im März 2002 eingefügt und zum Teil im Jahr 2005 durch das loi N°2005-370 du 22 avril 2005 relative aux droits des malades et à la fin de vie (1) reformiert. Dabei ist an erster Stelle das fundamentale Recht auf Schutz der Gesundheit, das in Frankreich bereits in der Verfassung von 1946 geregelt worden war,313 in Art. L1110-1 CSP festgeschrieben. Danach muss das Grundrecht auf Gesundheitsschutz mit allen Mitteln zugunsten einer Person gewährleistet werden. Alle im Gesundheitswesen tätigen Personen und Institutionen müssen sicherstellen, dass jeder Mensch gleichberechtigt Zugang zu der Behandlung hat, die sein Gesundheitszustand erfordert.314 Ferner muss die Kontinuität der Behandlung und die bestmögliche gesundheitliche Sicherheit garantiert werden. Der Würde des Patienten wird in der Regelung Art. L1110-2 CSP Rechnung getragen. Hervorgehoben wird 312
Vgl. dazu: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 118. 313 Jonas/Senon/Thoret, Responsabilité médicale, S. 62. 314 Siehe: Jonas/Senon/Thoret, Responsabilité médicale, S. 62. Ein Diskriminierungsverbot im Hinblick auf den Zugang zu Gesundheitsleistungen ist explizit in Art. L1110-3 CSP festgeschrieben.
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
dabei insbesondere das Recht auf ein Leben in Würde bis zum Tod und in diesem Zusammenhang die palliative Versorgung und Sterbebegleitung.315 Auch der Schutz der Privatsphäre des Patienten wird in diesem Kapitel bekräftigt. In Art. L1110-4 Abs. 1 CSP ist sowohl das Recht auf Privatsphäre als auch die Vertraulichkeit der Daten des Patienten normiert. Die Schweigepflicht316 des behandelnden Arztes ist zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung des Patienten durch das loi Kouchner umfangreich geregelt worden. Die Geheimhaltungspflicht erstreckt sich nach Art. L1110-4 Abs. 2 CSP auf die Gesamtheit der Informationen über die Person. Dabei wird die Schweigepflicht nach Abs. 2 allen im Gesundheitswesen Tätigen auferlegt. Ein Informationsaustausch unter den an der Behandlung des Patienten Beteiligten ist gemäß Abs. 3 ohne vorherige Einwilligung des Patienten nur dann zulässig, wenn die Weitergabe der Daten für den Fortgang der Behandlung notwendig ist oder der bestmöglichen Behandlung dient. Der Patient hat allerdings, nachdem er von der geplanten Weitergabe informiert wurde, die Möglichkeit, der Weitergabe seiner Daten zu widersprechen.317 Das Informieren der Familie, einer nahe stehenden Person oder einer Vertrauensperson ist nach Abs. 6 bei einer schwerwiegenden Diagnose oder Prognose erlaubt, sofern dies der Unterstützung des Kranken dient und dieser keinen entgegenstehenden Willen geäußert hat. Wenn die Weitergabe und der Empfang von Informationen gegen die Regelungen des Art. L1110-4 CSP verstoßen, droht nach Abs. 5 eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Neben der Schweigepflicht sind ferner die Qualitätsanforderungen für die Behandlungsmaßnahmen in dem einführenden Kapitel des CSP in Art. L1110-5 Abs. 1 CSP festgeschrieben worden. Danach hat jede Person unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes und der Dringlichkeit des Eingriffs das Recht, die am besten geeigneten Versorgungsmaßnahmen zu erhalten und von den Therapien zu profitieren, die die bestmögliche Sicherheit im Hinblick auf die erwiesenen medizinischen Kenntnisse bieten. In Art. L1110-8 Abs. 1 CSP ist des Weiteren das Recht auf freie Arztwahl als grundlegendes Prinzip des Gesundheitsrechts ausdrücklich normiert worden.318 (b) Information der Nutzer des Gesundheitssystems und Ausdruck ihres Willens (Information des usagers du système de santé et expression de leur volonté) Dieses Kapitel unterteilt sich in zwei Regelungsabschnitte. In dem ersten werden die allgemeinen Prinzipien (Principes généraux), insbesondere die Aufklärung 315
Vgl.: Art. L1110-5 Abs. 2, 5, L1110-9 f. CSP. Die Schweigepflicht ist ferner in Art. 226-13, 226-14 Code pénal, in Art. L162-2 CSS und in Art. 4, 73 Code de déontologie médical geregelt. Der Code de déontologie médical ist in den Art. R4127-1–R4217-112 CSP integriert worden. 317 Vgl. zur Bedeutung dieser Vorschrift für die Telemedizin: Link, Telemedizinische Anwendungen in Deutschland und in Frankreich, S. 31, 70 f. 318 Vgl. insoweit auch Art. R4127-6 CSP. Einschränkungen des Rechts auf freie Arztwahl sind nur unter der Berücksichtigung der Voraussetzungen des Art. L1110-8 Abs. 2 CSP möglich. 316
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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und Einwilligung des Patienten, gesetzlich festgehalten. In dem zweiten Regelungsabschnitt wird der Spezialfall der Patientenautonomie am Lebensende (Expression de la volonté des malades en fin de vie319), auf den hier allerdings nicht näher eingegangen werden soll, geregelt. Ebenso wie in Deutschland wurde in Frankreich das Erfordernis der Aufklärung und der Einwilligung durch Richterrecht herausgebildet und ausgeprägt.320 Ferner war die Pflicht zur Aufklärung in Art. 35 Code de déontologie médicale, der ärztlichen Berufsordnung, bereits festgeschrieben.321 Die Information und insbesondere die Aufklärung des Patienten wurden durch das loi Kouchner in den CSP integriert. Dabei wurden sie in Art. 1111-2 Abs. 1 S. 1 CSP als subjektives Recht322 des Patienten ausgestaltet. Gemäß Art. L1111-2 Abs. 1 S. 2 CSP muss sich die Aufklärung auf die vorgeschlagenen bzw. durchzuführenden Untersuchungen, Behandlungen oder präventiven Maßnahmen, auf ihren Nutzen und die möglichen Folgen, auf die Dringlichkeit der Maßnahmen, auf die Behandlungsalternativen, auf die zu erwartenden Konsequenzen im Falle der Ablehnung sowie auf die häufig auftretenden oder vorhersehbaren schwerwiegenden Risiken erstrecken. Damit hat sich der Gesetzgeber gegen Teile der Rechtsprechung entschieden, die den Umfang der Aufklärung auch auf außergewöhnliche Risiken erstreckte.323 Allerdings muss der Patient nach Art. L1111-2 Abs. 1 S. 3 CSP über sich erst bei der Behandlung ergebende neue Risiken aufgeklärt werden. Damit erfasst Art. L1111-2 Abs. 1 CSP sowohl die Diagnose-, Eingriffs- als auch die Verlaufsaufklärung, die nach Art. L1111-2 Abs. 3 CSP immer in einem persönlichen Gespräch erfolgen sollen. Nach Abs. 2 obliegt die Aufklärung allen medizinischen Fachkräften im Rahmen ihrer Zuständigkeiten, wobei die Norm bei Dringlichkeit oder Unmöglichkeit von der Aufklärungspflicht befreit.324 Abs. 5 regelt die Besonderheiten im Hinblick auf Minderjährige und unter Betreuung stehende Volljähri319
Während bei der Reform 2002 der Bereich der Sterbehilfe ausgespart blieb, wurde die Debatte um Sterbehilfe durch Aufsehen erregende Fälle in Frankreich, insbesondere durch den Fall von Vincent Humbert, in den Jahren 2003 und 2004 wieder entfacht. Auf der Grundlage der damals geführten Debatte entstand das Gesetz, loi relative aux droits des malades et à la fin de vie du 12 avril 2005 n° 2005-370, nach dem die passive Sterbehilfe in Frankreich erlaubt ist. Die aktive Sterbehilfe blieb strafbar, vgl.: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 200. Ärzte dürfen gemäß Art. L1111-10 CSP die Behandlung unheilbar Kranker stoppen oder begrenzen, wenn der Patient dies wünscht. In Art. L1111-11 CSP findet sich eine Regelung zur Patientenverfügung. 320 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S.175. 321 Jonas/Senon/Thoret, Responsabilité médicale, S. 63 f; Bensaid, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2005 (2), 89 (91); Boyer et al., Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (5), 163 (165). 322 Dem entspricht selbstverständlich spiegelbildlich die Pflicht des Arztes zur Aufklärung. Vgl. auch: Boyer et al., Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (5), 163 (165); Rebecq, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (4), S. 83 f. 323 Nitschmann, MedR 2008, 133 (137); vgl. auch: Boyer et al., Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (5), 163 (165, 166). 324 Siehe zu den Ausnahmen von der Aufklärungspflicht auch: Rebecq, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (4), S. 83 (87 f.).
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ge. Danach sind entweder die Eltern, der Vormund oder der Betreuer aufzuklären, wobei die Betroffenen, soweit ihre Urteilsfähigkeit oder ihre Reife dies zulassen, selbst aufgeklärt und in die Entscheidung mit eingebunden werden sollen.325 Nach Art. L1111-3 CSP ist auch über die Kosten der medizinischen Maßnahmen aufzuklären. Die Aufklärung im Hinblick auf ästhetische Eingriffe ist in Art. 63222 CSP gesondert geregelt. Darüber hinaus wird der Autonomie des Patienten in Art. L1111-2 Abs. Abs. 4 CSP in Form der Verankerung des Rechts auf NichtAufklärung Rechnung getragen.326 Dieses muss nach dem Gesetzeswortlaut so lange gewährleistet werden, wie keine Ansteckungsgefahr für Dritte vom Patienten ausgeht. Für die Rechtmäßigkeit der Aufklärung obliegt der medizinischen Fachkraft oder der Einrichtung des Gesundheitswesens gemäß Art. L1111-2 Abs. 7 CSP die Beweislast.327 Das Prinzip der Einwilligung in die ärztliche Heilbehandlung, das in Frankreich, ähnlich wie in Deutschland, die ärztliche Heilbehandlung grundsätzlich legitimiert,328 wurde durch das loi Kouchner im CSP noch einmal spezialgesetzlich geregelt. Die der Aufklärung zeitlich nachfolgende Einwilligung des Patienten ist gemäß Art. L. 1111-4 Abs. 3 CSP Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für jede medizinische Maßnahme und Behandlung. Demnach darf keine ärztliche Behandlung ohne die sogenannte consentement libre et éclaire329 der zu behandelnden Person erfolgen, wobei der Patient seine Zustimmung widerrufen kann. Sofern sich der Patient in einem die Einwilligungsfähigkeit ausschließenden Zustand befindet, ist nach Art. L1111-4 Abs. 4 CSP für die Behandlung die Einwilligung einer zuvor bestimmten Vertrauensperson, der Familie oder einer nahe stehenden Person maßgeblich; es sei denn, dass Eile geboten oder Unmöglichkeit gegeben ist. Die Konstellation eines unter Vormundschaft330 (tutelle) stehenden Erwachsenen oder eines 325
Vgl. dazu: Rebecq, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (4), 83 (85). Siehe dazu: Rebecq, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (4), 83 (87). 327 Siehe zur Beweislast und zu den Folgen einer fehlerhaften oder nicht erfolgten Aufklärung: Rebecq, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (4), 83 (87, 88). 328 Allerdings wird die Einwilligung in die ärztliche Heilbehandlung in Frankreich aufgrund der ordre public-Anbindung des Strafrechts nicht als autonomer Rechtfertigungsgrund bewertet. Vielmehr muss im französischen Recht hinsichtlich der Wahrung der kollektiven Interessen eine ausdrücklich gesetzliche Regelung der Einwilligung im Sinn der sogenannten autorisation de la loi existieren, damit diese rechtfertigende Wirkung entfalten kann. Die Notwendigkeit der Einwilligung hat der Gesetzgeber bereits 1994 in Art. 16-3 Code civile geregelt. Jung, Die Zulässigkeit biomedizinischer Versuche am Menschen, S. 97, verweist darauf, dass bereits der Umstand, dass der Gesetzgeber den Beruf des Arztes durch gesetzliche Regelungen organisiert, eine autorisation de la loi gegeben sei. Vgl. zu den Besonderheiten der Einwilligung im französischen Recht die ausführlichen Erörterungen von: Jung, Die Zulässigkeit biomedizinischer Versuche am Menschen, S. 94–98; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 162–170, insbesondere 168 ff. 329 Übersetzt: freie und aufgeklärte Einwilligung. 330 In Deutschland seit 1992 Betreuung (§§ 1896 ff. BGB). Die rechtliche Betreuung ist mit In-Kraft-Treten des Betreuungsgesetzes an die Stelle der früheren Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft getreten. Vgl. zu den Schwierigkeiten und Besonderheiten bei der Übersetzung juristischer Texte: de Groot, Terminologie & Traduction 1991, 279 (283 ff.). 326
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minderjährigen Patienten hat der Gesetzgeber gesondert in Art. L1111-4 Abs. 6 CSP geregelt. Der Patient soll nach S. 1 so weit wie möglich angepasst an seinen Reifegrad und seine Zurechnungsfähigkeit an Entscheidungen beteiligt werden. Der Wille des Erziehungsberechtigten oder des Betreuers tritt nach S. 2 zurück, wenn diese die Einwilligung verweigern, obwohl durch ein Unterlassen der Behandlung schwere Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Minderjährigen oder der unter Betreuung stehenden Person zu erwarten sind. In diesem Fall soll der Behandler die gebotene medizinische Versorgung durchführen. Diese gesetzliche Regelung hat zur Folge, dass in solchen Konstellationen das Vormundschaftsgericht nicht mehr gemäß Art. 375 Code civil angerufen werden muss. Insofern ist den Medizinern ein schnelleres Eingreifen möglich. Darüber hinaus ist die Einwilligung der Erziehungsberechtigten gemäß Art. L1111-5 Abs. 1 CSP entbehrlich, wenn sich der minderjährige Patient gegen eine solche wendet, um das Arztgeheimnis hinsichtlich seines Gesundheitszustands zu wahren, der Eingriff der Erhaltung seiner Gesundheit dient und er von einer erwachsenden Person seiner Wahl begleitet wird. Die Regelungen zum Schutz der Patientenautonomie werden darüber hinaus durch Art. L1111-7 CSP ergänzt, nach dem der Patient ein Recht auf Einsichtnahme in seine Krankenakte hat.331 (c) Beteiligung der Nutzer an dem Betrieb des Gesundheitssystems (Participation des usagers au fonctionnement du système de santé) Der Gesetzgeber hat durch das loi Kouchner in Art. L1114-1 bis L1114-4 CSP auch kollektive Rechte der Patienten-Interessenverbände geregelt und damit letztlich die Interessenvertretungen der Patienten und Nutzer des Gesundheitssystems gesetzlich anerkannt.332 So regelt Art. L1114-1 CSP beispielsweise die Voraussetzungen der Rechtsfähigkeit der Nutzervereinigungen, namentlich: die Verteidigung der Rechte von Patienten und Nutzern des Gesundheitssystems, die Durchführung von Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen, Transparenz der eigenen Verwaltung sowie Repräsentativität und Unabhängigkeit der jeweiligen Vereinigung. Bei den im CSP normierten kollektiven Rechten der Nutzervereinigungen lassen sich grob untergliedert zwei unterschiedliche Arten feststellen. So steht ihnen zum einen unter den Voraussetzungen des Art. L1114-2 CSP ein Teilnahmerecht im Strafprozess zu. Zum anderen haben die Nutzervereinigungen die Möglichkeit auf nationaler und regionaler Ebene, etwa bei den commission régionales und der commission nationale de conciliation et d’indemnisation des accidents médicaux, innerhalb des Gesundheitssystems mitzuwirken.333 331 Rebecq, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (4), 83 (89), bewertet das Recht auf Einsichtnahme als die wichtigste Neuerung des loi Kouchner; ablehnend hingegen: Boyer et al., Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (5), 163 (169). 332 Vgl. dazu: Laude, in: Guillaume-Hofnung, Droits des malades, S. 72–75. Damit korrespondiert auch die Überschrift des zweiten Titels des loi Kouchner, démocratie sanitaire, die sich allerdings in keinem der durch das loi Kouchner geänderten Gesetze wieder finde. 333 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 153; Laude, in: Guillaume-Hofnung, Droits des malades, S. 72 (73 f.).
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(2) Entschädigung der Folgen gesundheitlicher Risiken (Réparation des conséquences des risques sanitaires) In diesem Regelungsabschnitt334 ist insbesondere das zweite Kapitel, aus dem Betrieb des Gesundheitssystems resultierende gesundheitliche Risiken (Risques sanitaires résultant du fonctionnement du système de santé), für diese Arbeit von Interesse. Es untergliedert sich wiederum in sieben Abschnitte: (1) Allgemeine Prinzipien (Principes généraux), (2) Gütliche Einigung bei sogenannten accidents médicaux335, iatrogenen Erkrankungen336 oder nosokomialen Infektionen337 (Procédure de règlement amiable en cas d'accidents médicaux, d'affections iatrogènes ou d' infections nosocomiales), (3) Begutachtungsverfahren im Bereich der medizinischen Unfälle (Procédure d'expertise en matière d'accidents médicaux)338, (4) Entschädigung der Opfer (Indemnisation des victimes), (5) Strafvorschriften (Dispositions pénales), (6) Verjährung im Bereich der Arzthaftung (Prescription en matière de responsabilité médicale) und (7) Beobachtung medizinischer Risiken (Observatoire des risques médicaux). Für die vorliegende Arbeit ist insbesondere die Regelung der allgemeinen Prinzipien der Arzthaftung im ersten Abschnitt interessant. Das loi Kouchner hat mit Art. L1142-1 CSP eine zentrale Norm sowohl für die zivilrechtliche als auch für die öffentlich-rechtliche Haftung geschaffen. Nach Art. L1142-1-I Abs. 1 CSP haften alle im Gesundheitswesen Tätigen, Einrichtungen, Dienste oder Organisationen, in denen individuelle Präventions-, Diagnose- oder Versorgungsleistungen
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Sehr ausführlich zu dem französischen Arzthaftungssystem vor dem loi Kouchner: Kaufmann, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 41 (59–81); unter Einbeziehung der durch das loi Kouchner erfolgten Neuregelungen: Viviana/ Winckler, Les droits du patient, S. 173–238. 335 Wörtlich übersetzt: medizinischer Unfall; in den Gesetzesmaterialien als „ein unvorhergesehenes Ereignis, das einen zufälligen Schaden verursacht, der eine bestimmte kausale Verbindung mit einer ärztlichen Maßnahme hat, dessen Realisierung jedoch unabhängig von jedwedem Verschulden ist“ verstanden, zit. nach Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 289 Fn. 1085. 336 Iatrogene Erkrankungen sind durch den Arzt verursachte Erkrankungen. In diesem Sinne auch: Evin/Charles/Denis, Rapport, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 28.9.2001, Document N° 3263, S. 26, siehe Fn. 308. 337 Generell versteht man unter einer nosokomialen Infektion (Krankenhausinfektion) jede durch Mikroorganismen hervorgerufene Infektion, die im zeitlichen Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt oder einem Aufenthalt in einer anderen medizinischen Einrichtung steht, unabhängig davon, ob Krankheitssymptome bestehen oder nicht, vgl. zur Nosokomialinfektion auch: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, S. 1466. In diesem Sinne auch: Evin/Charles/Denis, Rapport, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 28.9.2001, Document N° 3263, S. 26, siehe Fn. 308; Bartoli/Piercecchi-Marti/Malicier, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2005 (1), 3 (4). 338 Vgl. dazu: Manaouil/Graser/Jardé, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2003 (3), 181 ff.
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vorgenommen werden, für den erlittenen Schaden, sofern diesem eine faute339 zugrunde liegt. Damit hat der Gesetzgeber die zentrale Voraussetzung für die französische Arzthaftung, die faute, als eine solche übernommen und auf diese Weise die Rechtsprechung bestätigt.340 Konsequenterweise ist mit der Vereinheitlichung der zivil- und öffentlich-rechtlichen Arzthaftung auch die Verjährung für Ansprüche aus den zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen durch den Erlass des Art. L1142-28 CSP angeglichen worden. Die Verjährung eines Anspruchs gegen den Arzt oder die Gesundheitseinrichtung tritt nunmehr nach zehn Jahren ab Feststellung des Schadens ein.341 Art. L 1142-1 I Abs. 2 CSP normiert für den Fall einer nosokomialen Infektion eine Gefährdungshaftung des Krankenhausträgers.342 Der geschädigte Patient muss lediglich den nosokomialen Charakter der Infektion beweisen.343 Gelingt ihm dies, kann sich der Krankenhausträger von der Haftung nur befreien, wenn ihm der Beweis des Gegenteils in Form des Nachweises einer sogenannten fremden Ursache (cause étrangère) gelingt.344 In diesem Fall verliert die Infektion ihren Charakter als Krankenhausinfektion. Der Behandelnde selbst haftet bei einer nosokomialen Infektion hingegen nur nach Art. L 1142-1 I Abs. 1 CSP bei nachgewiesener faute. Folglich korrigiert der Gesetzgeber das bis dato existierende Richterrecht bezüglich der Haftung des Behandelnden.345
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Die Begrifflichkeit des faute ist nicht einfach ins Deutsche zu übersetzen. Die französische faute ist nicht gleichbedeutend mit dem deutschen Behandlungsfehler. Die faute ist nicht allein im Arzthaftungsrecht relevant. Es handelt sich vielmehr um ein generelles persönlich vorwerfbares Fehlverhalten des Schädigers, das traditionell im französischen Zivilrecht zur Haftungsbegründung erforderlich ist. Die faute ist demnach von ihrem traditionellen Verständnis aus eine Fehler-Verschuldens-Kombination. Jedoch hat sich im Laufe der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts das Verständnis für die Begrifflichkeit der faute geändert. Die Komponente der Schuld (culpabilité) und der Zurechnungsfähigkeit (imputabilité) treten zunehmend hinter einem verobjektivierten faute-Verständnis zurück. Vgl. zum Begriff des faute und zu seiner Entwicklung die ausführlichen Erörterungen von: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 255– 263, 240–244); vgl. zur faute im Arzthaftungsrecht: Kaufmann, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 41 (65–70). 340 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 279 f; Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (254). 341 Zuvor betrug die Verjährungsfrist für Ansprüche aus zivilrechtlichem Vertrag 30 Jahre und für deliktsrechtliche Ansprüche 10 Jahre ab Schadenseintritt, während öffentlich-rechtliche Ansprüche generell einer vierjährigen Verjährungsfrist unterlagen, siehe: Kaufmann, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 41 (80); Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253. 342 Vgl.: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 292. 343 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 287. 344 Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (254); siehe auch:. Matagrin, Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (2), 95 (100), der darauf hinweist, dass dieser Beweis in der Praxis kaum zu führen ist. 345 Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (254).
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
Darüber hinaus wurde mit Hilfe des loi Kouchner ein auf dem Solidaritätsprinzip basierendes Entschädigungssystem geschaffen.346 So bildete das loi Kouchner die gesetzliche Grundlage für die Schaffung des Office national d'indemnisation des accidents médicaux, des affections iatrogènes et des infections nosocomiales347 (ONIAM). ONIAM ist gemäß Art. L1142-22 Abs. 1 S.1 CSP eine Anstalt der öffentlichen Verwaltung, die unter der Aufsicht des Ministeriums für Gesundheit steht.348 Sie hat generell die Aufgabe, sich um Entschädigungen von Patienten oder dessen Angehörigen zu kümmern.349 ONIAM funktioniert dabei wie ein nationaler Garantiefonds.350 Gemäß Art. L1142-15 CSP tritt ONIAM beispielsweise bei Haftungsausfällen oder bei -begrenzungen finanziell ein.351 Im Hinblick auf die von der Solidargemeinschaft getragenen Entschädigungen sind jedoch insbesondere die Regelungen des Art. L1142-1-II CSP und des Art. L1142-1-1 CSP nennenswert. Art. L1142-1-II Abs. 1 CSP352 begründet bei besonderes schweren Schäden353 im Rahmen der Präventions-, Diagnose- und Versorgungsleistung bei nicht nachweisbarer Schadensverursachung354, den sogenannten aléas thérapeutiques355, einen Entschädigungsanspruch auf der Grundlage der solidarité natio-
346 Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (255); Nitschmann, MedR 2008, 133 (138); vgl. zum Ablauf des Entschädigungsverfahrens der solidarité nationale: Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4– 5), 253 (256). Eine Aufzählung der Vorteile dieses Entschädigungsverfahrens findet sich bei: Matagrin, Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (2), 95 (103). 347 Übersetzt: Nationales Amt für die Entschädigung medizinischer Unfäller, iatrogener Erkrankungen und nosokomialer Infektionen. 348 Vgl.: Viviana/Winckler, Les droits du patient. S. 206; Matagrin, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2005 (2), 95 (97 f.), 349 Vgl. die Selbstdarstellung von ONIAM auf der eigenen Homepage: http://www.oniam. f r/oniam/les-missions-de-l-oniam/ (besucht am 12.6.2011). 350 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 298. 351 Ein Beispielsfall ist das Erreichen der Deckungshöchstgrenze. 352 Art. L1142-1-II Abs. 1 CSP: Falls ein im Gesundheitswesen Tätiger, eine Einrichtung, ein Dienst oder eine Organisation nicht nach Art. L1142-1-I haftet oder die Haftung eines Produzenten nicht gegeben ist, berechtigt ein medizinischer Unfall, ein iatrogenes Leiden oder eine Krankenhausinfektion den Patienten zum Schadensersatz basierend auf der Solidargemeinschaft, soweit die Schäden direkt mit der Präventions-, Diagnose- oder Versorgungsleistung in Verbindung stehen und wenn sie für den Patienten anormale Folgen im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand und die vorhersehbare Entwicklung desselben gehabt haben und einen per Erlass bestimmten Schweregrad erreichen, der unter Berücksichtigung des Verlustes der funktionellen Fähigkeiten und der Folgen für das private und berufliche Leben bestimmt wird, namentlich unter Einbeziehung des Grades der permanenten Behinderung oder der Dauer der zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit. 353 Vgl. dazu: Matagrin, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2005 (2), 95 (99). 354 Genauer dazu: Matagrin, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2005 (2), 95 (99). 355 Vgl. zur Definition des aléa thérapeutique: Evin/Charles/Denis, Rapport, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 28.9.2001, Document N° 3263, S. 25 f., siehe Fn. 308; ausführlich zum aléa thérapeutique (bzw. aléa médical): Mémeteau, in: Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2002 (6), 211 (214–216).
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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nale.356 Eine Voraussetzung für den nach Art. L1142-1-II Abs. 1 CSP zu gewährenden Schadenersatz ist demnach, dass es entweder im Rahmen der ärztlichen Behandlung ohne nachweisbaren faute zu einer Schädigung des Patienten kommt, die nicht auf den Gesundheitszustand bzw. die Krankheit des betroffenen Patienten zurückgeführt werden kann,357 oder dass in den Fällen der Verwendung eines fehlerhaften Produktes oder der Krankenhausinfektion der Beweis des Gegenteils erfolgreich geführt worden ist. Voraussetzung ist mithin, dass der Schaden den Ärzten oder Krankenhausträgern rechtlich nicht vorwerfbar ist.358 Nach Art. L 1142-1-1 CSP, der durch das loi N° 2002-1577 du 30 décembre 2002 relative à la responsabilité civile médicale in den CSP integriert worden ist, wird der Anwendungsbereich der solidarité nationale ausgedehnt. Erfasst werden nach N° 2 auch Schäden, die bei Eingriffen im Fall von außergewöhnlichen Umständen durch einen im Gesundheitswesen Tätigen, eine Einrichtung, einen Dienst oder eine Organisation außerhalb ihres Tätigkeitsbereichs von Prävention, Diagnose oder Versorgung entstanden sind359 und nach N° 1 Schäden, die aus Krankenhausinfektionen resultieren und die entweder zu einer permanenten Behinderung über 25 Prozent oder zum Tode geführt haben.360 In den Fällen des Art. 1142-11 N° 1 CSP können der Geschädigte oder seine Angehörigen folglich zwischen der Inanspruchnahme des schädigenden Behandlers nach Art. 1142-1-I Abs. 1 CSP, des Krankenhausträgers nach Art. 1142-1-I Abs. 2 CSP oder einer Entschädigung im Rahmen der solidarité nationale wählen, wobei ONIAM in diesem Fall einen Regressanspruch gegen den Verantwortlichen hat.361 bb) Errungenschaften des loi Kouchner Der französische Gesetzgeber hat durch das loi Kouchner letztlich den status quo gesetzlich aufgegriffen. Er hat hauptsächlich verfassungsrechtliche bzw. ethische Grundwerte und anerkannte Grundsätze der Rechtsprechung sowie des Berufs-
356
Die Commission régionale de conciliation et d’indemnisation (CRCI) überprüft, ob die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruches gegeben sind, und entscheidet auf der Grundlage dieser Prüfung über die Bewilligung der Entschädigung, die letztlich durch ONIAM gewährt wird, vgl. Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (255). Ausführlich zur CRCI: Matagrin, Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (2), 95 (96 f.). 357 Der Schaden muss für den Patienten unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes und der vorhersehbaren Entwicklung eben dessen eine anormale Folge darstellen, siehe: Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (255). 358 Näher dazu: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 288 ff.; vgl. für die Fälle der Krankenhausinfektionen: Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (255). 359 Sehr kritisch dazu: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 294. 360 Kritisch dazu: Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (255). 361 Manaouil et al., Journal de Médecine Légale Droit Médicale 2005 (4–5), 253 (255 f.).
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
standes im CSP integriert.362 Dabei hat sich der Gesetzgeber mit dem Erlass des loi Kouchner insbesondere darum bemüht, die Autonomie des einzelnen Patienten zu stärken und die Arzt-Patienten-Beziehung transparenter auszugestalten.363 In der Regelung des Art. L1111-4 Abs. 1, 2 S. 1, 2 CSP364 tritt das Verständnis der Arzt-Patienten-Beziehung seitens des Gesetzgebers deutlich zu Tage. Arzt und Patient verbindet eine Partnerschaft, in der der Arzt dem Patienten beratend und wohlgesonnen zur Seite steht, wobei der Patient letztendlich auf der Grundlage der Informationen frei entscheiden kann. Das loi Kouchner betont und weitet die Patientenautonomie gerade in Anbetracht des traditionellen Verständnisses der ArztPatienten-Beziehung in Frankreich beachtlich aus.365 Auch an der Ausprägung der Einwilligung unter dem loi Kouchner wird die nunmehr vollständige Verwerfung eines veralteten paternalistischen Verständnisses deutlich:366 Der informed consent findet in Frankreich „als Leitprinzip und Prüfstein des Arzt-Patienten-Verhältnisses“367 Anwendung. Im Hinblick auf die Regelung von Rechten und Pflichten innerhalb des Behandlungsverhältnisses bleibt allerdings kritisch anzumerken, dass die Pflichten des Patienten kaum Erwähnung finden. Lediglich in Art. L11111 CSP ist normiert, dass die Rechte der Nutzer des Gesundheitssystems von Pflichten derart begleitet werden, dass der Fortbestand des Systems und die Prinzipien, auf denen es beruht, garantiert werden können. Ein ausgeglichenes Verhältnis ist nicht durch die einseitige Regelung von Rechten einer Partei zu erreichen. Eine Errungenschaft des loi Kouchner ist sicherlich die Vereinheitlichung des in Frankreich traditionell sehr komplexen und durch die dualité du système ge362 Nitschmann, MedR 2008, 133 (138), die die deklaratorische Festschreibung des status quo positiv bewertet. 363 Jospin/Guigo, Exposé des motifs, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 5.9.2001, Document N° 3258, S. 5, siehe Fn. 307; Nitschmann, MedR 2008, 133 (135); vgl. auch die positive Bewertung des loi Kouchner bei: Rebecq, Journal de Médecine Légal Droit Médical 2004 (4), 83 (90). 364 Art. L1111-4 Abs. 1 CSP: Jede Person trifft mit dem im Gesundheitswesen Tätigen und auf der Grundlage der Informationen und Empfehlungen, die dieser gibt, die Entscheidungen hinsichtlich seiner Gesundheit. Art. L1111-4 Abs. 2 S. 1, 2 CSP: Der Arzt muss den Willen der Person respektieren, nachdem er diese über die Folgen ihrer Entscheidungen aufgeklärt hat. Wenn der Wille der Person, die Behandlung zu verweigern oder sie vollständig abzubrechen, eine Gefahr für sein Leben darstellt, muss der Arzt alles daran setzen, um [den Patienten] davon zu überzeugen, dass die Behandlung notwendig ist. 365 So bezeichnen Salomé Viviana und Martin Winckler, Les droits du patient, S. 140, die Regelung des Erfordernis der Aufklärung und Einwilligung im CSP trotz des Umstandes, dass die Grundsätze im französischen Recht bereits anerkannt waren und das Erfordernis auch bereits im Code de la déontologie médicale und der Charte du patient hospitalisée festgeschrieben waren, als eine „révolution“, wobei sie darauf verweisen, dass es in der Praxis zum Teil noch erhebliche Mängel bei den Aufklärungsgesprächen gebe. Kritisch: Boyer et al., Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (5), 163 (165, 166). 366 Nitschmann, MedR 2008, 133 (135 f.); vgl. zum Paternalismus in Frankreich die ausführliche Darstellung von: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 60–74; siehe auch: Jonas/Senon/Thoret, Responsabilité médicale, S. 57 ff. 367 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 310.
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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prägten Gesundheitsrechts.368 Die Dualität des französischen Gesundheitsystems äußert sich darin, dass privat- und öffentlich-rechtliche Versorgungsstrukturen parallel zu einander bestehen und aufgrund dessen teilweise gleichgelagerte Lebenssachverhalte allein aufgrund ihrer unterschiedlichen rechtlichen Einbettung nicht einheitlich bewertet wurden.369 Die von der Rechtsprechung lange Zeit an die faute gestellten Anforderungen sind ein Beispiel für eine derartige unterschiedliche Bewertung. So ließ die Zivilrechtsprechung für eine Haftung eine einfache faute ausreichen, wohingegen die Verwaltungsrechtsprechung bis zu einem Grundsatzurteil des Conseil d’État im Jahr 1992 für die medizinische Behandlung eine faute lourde verlangte.370 Durch die Schaffung eines einheitlichen Haftungsrechts für den Bereich der medizinischen Versorgung und einer einheitlichen Normierung von Patientenrechten hat der Gesetzgeber zwar den Versorgungsdualismus nicht beseitigt, aber die Grundlage für eine einheitliche Rechtsprechung der Zivil- und Verwaltungsgerichte geschaffen und so eine Rechtsvereinheitlichung vorangetrieben.371 368
Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 95; Matagrin, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2005 (2), 95 (98): „La première innovation à cet égard, c'est l'unification des régimes d'indemnisation, la dualité de juridictions s'accompagnait de contrariétés de jurisprudence, mal comprises des usagers et fréquemment dénoncées comme génératrices d'injustices.“ Allerdings ist D.-H. Matagrin dahingehend kritisch, ob zivilrechtliche und verwaltungsrechtliche Rechtsprechung die Normen auch gleich auslegen und anwenden (ebenfalls auf S. 98). 369 Der öffentlich-rechtliche Sektor der medizinischen Versorgung wird durch öffentliche Krankenhäuser (hôpitaux publics) getragen. Diese sind gemäß Art. L6141-1 Abs. 1 S. 1 juristische Personen des öffentlichen Rechts, die über finanzielle und verwaltungsrechtliche Autonomie verfügen. Es handelt sich um öffentliche Einrichtungen (établissement publique), zu denen der Patient als usager du service public in ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis (situation statutaire) tritt. Ein Vertragsverhältnis zwischen Patienten und Krankenhaus oder dem behandelnden Arzt existiert mithin im Bereich des öffentlichenrechtlichen Sektors nicht. Der private Sektor setzt sich aus den Leistungen von privaten Kliniken (clinique privée) und freiberuflich tätigen Ärzten (exercice à titre libéral) zusammen. In diesem Bereich schließen Patient und der freiberufliche Arzt einen Behandlungsvertrag. Sofern der Patient in einer Privatklinik behandelt wird, schließt er entweder mit dem dort freiberuflich tätigen Arzt den Behandlungsvertrag und mit der Klinik einen privatrechtlichen Aufnahmevertrag (contrat d’hospitalisation), der alle nicht-ärztlichen Leistungen, wie Pflege, Versorgung und Beherbergung, umfasst, oder er schließt mit der Klinik den Behandlungsvertrag, sofern die Behandlung durch dort angestellte Ärzte erfolgt (Ausnahmefall). Ausführlicher dazu: Kaufmann, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 41 (60 f., 64 f.); Link, Telemedizinische Anwendungen in Deutschland und in Frankreich, S. 93 ff., 106; vgl. für die stationäre Versorgung: Armbruster, Versorgungsnetzwerke im französischen und deutschen Gesundheitswesen, S. 52–54. Einen Überblick zur Ausprägung der Arzthaftung in den beiden Versorgungsbereichen gibt: Link, Telemedizinische Anwendungen in Deutschland und in Frankreich, S. 157–165. 370 Vgl.: Kaufmann, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patentenversicherung“, S. 41 (60, 74) m.w.N. 371 Vgl. im Hinblick auf die Regelung der Haftungsnormen: Jospin/Guigo, Exposé des motifs, projet de loi relatif aux droits des malades et à la qualité du système de santé, Assemblée nationale, 5.9.2001, Document N° 3258, S. 11, siehe Fn. 307; vgl. auch: Link, Te-
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
Beachtenswert erscheint auch der mit der Erschaffung des ONIAM verfolgte Ansatz des französischen Gesetzgebers, medizinische Unfälle möglichst weitgehend auf Kosten der Solidargemeinschaft zu entschädigen.372 b) Erkenntnisgewinn für den deutschen Gesetzgeber Eine Orientierung an Frankreich ist nur dann wirklich hilfreich, wenn sich die Ausgestaltung der Gesundheitssysteme ähnelt.373 Andernfalls ist eine Übertragung der Regelungsansätze und Erfahrungen äußerst schwierig. Im Mittelpunkt des Gesundheitswesens sollte stets die Beziehung zwischen Patient und Arzt bzw. Krankenhausträger stehen. Die Versorgungsstrukturen in Deutschland und Frankreich sind jedoch aufgrund des französischen Dualismus zwischen dem privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Sektor unterschiedlich. Allerdings weichen die konkreten Pflichtenkataloge der Ärzte nicht wesentlich voneinander ab. So schulden sowohl französische als auch deutsche Ärzte eine sorgfältige, dem Stand der Wissenschaft entsprechende Behandlung und keinen Behandlungserfolg.374 Auch haben französische sowie deutsche Patienten ein Recht auf Aufklärung, auf Beachtung ihrer Autonomie in Form der Einwilligung, auf Einsichtnahme in ihre Patientenakten, auf Datenschutz, auf Achtung der Privatsphäre, und auf ein Leben in Würde bis zum Tod. Insofern kann die genaue Ausgestaltung der Regelungen der materiellen Patientenrechte im CSP für den deutschen Gesetzgeber durchaus interessant sein. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass das französische Gesundheitssystem, das zwar ebenso wie das deutsche dem Bismarckbzw. Sozialversicherungsmodell zuzuordnen ist,375 in erheblichem Maße anders strukturiert ist als das deutsche.376 lemedizinische Anwendungen in Deutschland und in Frankreich, S. 95; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 303 f. 372 Die Einzigartigkeit dieses französischen Instrumentes im internationalen Vergleich hervorhebend: Bartoli/ Piercecchi-Marti/Malicier, Journal de Médecine Légale Droit Médical 2005 (1), 3 (6): „Si cette loi française de réparation de l'intégralité des préjudices liées à l'exercice médical est en ses termes uniques dans le monde, d'autres pays disposent de procédures d'indemnisation mais avec un plafonnement du montant compensatoire“; kritisch zur der Verlagerung des Schadensrisikos auf die Allgemeinheit: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 301. 373 Vgl. zu der Durchführung von Gesundheitssystemvergleichen: Wendt, in: Wendt/Wolf, Soziologie der Gesundheit, S. 270 ff. 374 Vgl. für Frankreich: Art. L1110-5 CSP; ferner: Link, Telemedizinische Anwendungen in Deutschland un in Frankreich, S. 134; Rachet-Darfeuille, in: Dute/Faure/Koziol, No-Fault Compensation in the Health Care Sector, S. 210; Schneider, Abkehr vom Verschuldensprinzip, S. 192; Viviana/Winckler, Les droits du patient, S. 173. 375 Hohmann, Gesundheits-, Sozial- und Rehabilitationssysteme in Europa, S. 99, 103, 113– 119; Lepperhoff, Wohlfahrtskulturen in Frankreich und Deutschland, S. 29; Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa, S. 82. 376 So ist das französische Krankenversicherungssystem anders strukturiert als das deutsche. So gelten etwa das Kostenerstattungs- und nicht das Sachleistungsprinzip, siehe: Knieps, G+G 1998 (10), 40 (42). Ferner wird es in höherem Maße durch Steuergelder finanziert. Während der französische Staat das Gesundheitswesen erheblich reguliert, ist das deutsche im Vergleich eher marktwirtschaftlich ausgestaltet. Ausführlich zu der Finanzie-
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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Hinsichtlich des Regelungsmodells gilt allerdings zu beachten, dass dem französischen Staat ein anderes Organisationsprinzip zugrunde liegt. Zwar wird das früher stark zentralistisch regierte Frankreich seit 1982 zunehmend dezentralisiert, jedoch nicht föderalisiert. Frankreich ist ein Einheitsstaat. Der einzige Gesetzgeber ist das nationale Parlament, das sich aus der Nationalversammlung (Assemblée nationale) und dem Senat (Sénat) zusammensetzt.377 Die Bundesrepublik Deutschland ist hingegen ein föderalistischer Bundesstaat. Ein Rechtsgebiet übergreifendes Gesetz, wie das französische CSP, ist zwar dem deutschen Recht nicht fremd. So enthält etwa das Arzneimittelgesetz (AMG) als Bundesgesetz sowohl verwaltungs-378, straf-379 als auch zivilrechtliche380 Regelungen. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern stellt aber ein derartiges Großprojekt vor erhebliche Schwierigkeiten.381 Sofern allein die Länder die Gesetzgebungskompetenz für das Patientenrechtegesetz hätten, könnte jedes Land eigenständig darüber entscheiden, ob und in welcher Form und mit welchem Inhalt es ein Patientenrechtegesetz erlässt. Ein einheitliches Gesetz wäre in diesem Fall nur auf Landesebene und für jedes Land gesondert denkbar. Sofern Regelungsgegenstände des Gesetzes hingegen teils in die Kompetenz des Bundes und teils in die der Länder fielen, wäre ein umfassendes Einheitsgesetz nicht realisierbar. Eine dem CSP nachempfundene, umfassende Kodifizierung des Gesundheitsrechts hätte bedingt aus dem Facettenreichtum dieses Rechtsgebietes mehrere unterschiedliche Regelungsgegenstände. Das Gesundheitsrecht umfasst alle Normen, die der Gesundheit dienen.382 Dabei ist nach der Definition der WHO unter Gesundheit der „Zustand des vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“383 zu verstehen. Das enger gefasste und vom Gesundheitsrecht erfasste Medizinrecht beinhaltet alle Regelungen zur Entwicklung, Herstellung und Anwendung medizinischer Produkte und Dienstleistungen sowie zur Forschung in diesem Bereich.384 Eine generelle Gesetzgebungskompetenz für das Gesundheitsrung in Frankreich: Fahlbusch, Ambulante ärztliche Behandlung in Europa, S. 105–112; Hohmann, Gesundheits-, Sozial- und Rehabilitationssysteme in Europa, S. 108–110; Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa, S. 55–57; vgl. im Hinblick auf die staatliche Regulierung in Frankreich: Armbruster, Versorgungsnetzwerke im französischen und deutschen Gesundheitswesen, S. 47, 76; Lepperhoff, Wohlfahrtskulturen in Frankreich und Deutschland, S. 80 f.; Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa, S. 82, 85, 328; siehe im Hinblick auf die Rolle des Staates im deutschen Gesundheitswesen: Allin et al., Making decisions on public health, S. 74, 76, 78, 80, 82. 377 Kimmel, in: Ismayr, Gesetzgebung in Westeuropa, S. 229 (230). 378 §§ 5 ff. AMG. 379 §§ 95 ff. AMG. 380 §§ 84 ff. AMG. 381 Vgl.: Riedel/Depra, Kompetenzen des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen, S. 27 f. 382 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn.1; zu den Schwierigkeiten bei der Begriffsbestimmung des Gesundheitsrechts vgl. Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 1 Rdn. 2. 383 Zitiert nach: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 1; vgl. dazu: Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 1 Rdn. 18 f. m.w.N. 384 Sodan, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 1 Rdn. 1; vgl. auch die genaue Aufführung dort: Recht der gesetzlichen und privaten Krankversicherung, vor
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Drittes Kap.: Möglichkeiten des Gesetzgebers: Charta oder Gesetz
recht existiert nicht,385 ebenso wenig für das Medizinrecht. Die für diese Arbeit maßgebliche individuelle Arzt-Patienten-Beziehung ist vorrangig dem bürgerlichen Recht im Sinn des Art. 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG386 zuzuordnen. Auch das Strafrecht, das ebenfalls unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG fällt, ist relevant für diese Beziehung.387 Insofern ergeben sich, wie bereits in diesem Kapitel unter II.1.b) ausgeführt, keine Schwierigkeiten im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Ferner hat der Bund gemäß Art. 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Sozialversicherungsrecht inne. Allerdings ist unbestritten, dass der Bund nicht über die generelle Gesetzgebungskompetenz für das Arztrecht verfügt.388 So werden von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG lediglich Einzelbereiche des Arztrechtes wie etwa die Zulassung zu den Heilberufen erfasst. Das ärztliche Berufsausübungsrecht liegt hingegen in der ausschließlichen Kompetenz der Länder.389 Normen über die Weiterbildung, die öffentliche Berufsvertretung, die Berufsgerichtsbarkeit und -pflichten, zu denen alle anderen Regelungen der ärztlichen Berufsausübung wie die Qualitätssicherung und der Datenschutz gehören, sind demnach Ländersache.390 Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine umfassende Kodifikation des Gesundheitsrechts bzw. aller Patientenrechte sind in Deutschland nicht gegeben.391 Abgesehen davon existierte in Frankreich angesichts des Versorgungsdualimus eine völlig andere Notwendigkeit für eine allumfassende Regelung der Patientenrechte und -pflichten und der Schadensregulierung als in Deutschland. Zudem spricht gegen ein spezielles, rechtsgebietsübergreifendes Einheitsgesetz, dass das Gesundheitsrecht als Konglomerat unterschiedlichster Regelungen aus sämtlichen Rechtsbereichen Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten aufweist. Integrierte der Gesetzgeber etwa das Recht der GKV, das auch in den Bereich des Sozialversicherungsrechts fällt, in ein gesundheitsrechtliches Gesetz, würde das SGB V aus Effizienzgründen überflüssig. Die einheitliche und umfassende Kodifikation des allem das Vertragsarzt- und das Vertragszahnarztrecht, Recht der sozialen und privaten Pflegeversicherung, Recht der medizinischen Behandlung (insbesondere die zivil- und strafrechtliche Haftung), Berufsrecht der Ärzte, Zahnärzte und anderer Heilberufe einschließlich des Vergütungsrechts, Vertrags- und Gesellschaftsrecht der Heilberufe, Krankenhausrecht einschließlich der Regelungen der Bedarfsplanungen und Finanzierung sowie des Chefarztvertragsrechts, Arzneimittel- und Medizinprodukterecht, Apothekenrecht, Besonderheiten des Verfahrens- und Prozessrechts; ausführlich zu der Begriffsbestimmung und den damit verbundenen Schwierigkeiten: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 1 Rdn. 1 ff. 385 Riedel/Depra, Kompetenzen des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen, S. 27. 386 Teilweise wird das Verhältnis zwischen gesetzlich versicherten Patienten und behandelndem Arzt als ein sozialversicherungsrechtliches qualifiziert; siehe dazu die Ausführungen im fünften Kap. unter II.1.b). 387 Riedel/Depra, Kompetenzen des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen, S. 11. 388 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 154 f.; Hoppe/Schirmer, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 9 Rdn. 1 ff.; Riedel/Depra, Kompetenzen des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen, S. 27; Ebsen, VSSR 1996, 351 (354). 389 Riedel/Depra, Kompetenzen des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen, S. 28. 390 Riedel/Depra, Kompetenzen des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen, S. 28. 391 So auch Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 155; Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 20 (47).
II. Gesetzliche Regelung der Patientenrechte
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Gesundheitsrechts erfolgte schließlich zu Lasten anderer Rechtsgebiete, deren Rechtszersplitterung wiederum in Kauf genommen würde. Der Blick nach Frankreich lohnt sich für den deutschen Gesetzgeber folglich nur hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung einzelner Rechte und Pflichten. Das Regelungsmodell eines speziellen, rechtsgebietsübergreifenden Einheitsgesetzes ist für Deutschland keine Alternative.
4. Ergebnis Eine abschließende und erschöpfende Regelung des Gesundheitsrechts oder des Medizinrechts in einem Einheitsgesetz ist, wie aufgezeigt, bereits aus verfassungsrechtlichen Aspekten nicht denkbar.392 Eine gesetzliche Regelung der Patientenrechte und -pflichten ist jedoch möglich. Im Hinblick auf die zivilrechtliche Tradition der Patientenrechte in Deutschland und den Vorteilen einer vertragsrechtlichen Ausgestaltung eines etwaigen Gesetzes ist die Kodifikation des Behandlungsvertrags durch ein Änderungsgesetz die beste Regelungsmöglichkeit.393 Patientenrechte, die ihre Grundlage nicht im Behandlungsvertrag haben, oder etwaige Verfahrensregelungen können, wie in den Niederlanden, in den jeweilig sachnäheren Gesetzen oder bei Ermangelung eines solchen in einem eigenständigen Stammgesetz geregelt werden.
392 Vgl.: Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 305 (306 f.). 393 So auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1092 f.); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 131; Pichler, in: Pichler, Einführung in die Patientenrechtspolitik, S. 21; Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 4; kritisch: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 87 f.
Viertes Kapitel: Exkurs: Wie wirkt Recht? Ist eine Steuerung durch Recht möglich? Das Hauptanliegen der Befürworter eines Patientenrechtegesetzes besteht darin, durch eine Regelung der Patientenrechte größere Transparenz und damit auch bessere Rechtskenntnisse zu schaffen sowie das Rechtsbewusstsein insgesamt zu stärken und dadurch ihre Umsetzung im Behandlungsalltag zu fördern.1 Dass Patientenrechte und -pflichten im medizinischen Behandlungsalltag bis dato nicht hinreichend gewährleistet sind, ist anerkannt.2 Indes hat sich die Auffassung, dass allein eine gesetzliche Regelung ausreicht, um ein bestimmtes (Reform-) Ziel zu erreichen, in der Vergangenheit als unzutreffend herausgestellt.3 Richtig ist, dass ein Gesetz aus rein rechtswissenschaftlicher Perspektive bereits dann gilt, wenn es formell und materiell rechtmäßig ist.4 Allerdings bedeutet dies nicht, dass sich die Normadressaten faktisch nach diesem richten und das Gesetz somit tatsächlich Wirkung entfaltet.5 Eine (Rechts-) Norm wirkt im rechtssoziologischen Sinn lediglich in dem Maße, wie sie befolgt wird.6 Dabei wird häufig zwischen Sanktions- und Verhaltensgeltung einer Norm unterschieden. Erstere setzt voraus, dass die Sanktionsinstanzen die jeweilige Norm anwenden und Normbrecher folglich wegen der Übertretung dieser bestraft oder zu normgetreuem Verhalten gezwun-
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So etwa: BT-Drcks, 17/907, S. 1 f.; SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 9 Nr. 5, S. 346 Nr. 412; WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f.; Harmann, NJOZ 2010, 819 (825). 2 Vgl.: Steffen, MedR 2002, 190. 3 Voigt, in: ders. Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 17 (29 f.). 4 Maric, in: Merkl et al., FS für Kelsen, S. 85 (88); vgl. zu den verschiedenen Vorschlägen einer Begründung der rechtlichen Geltung von Normen durch die Machttheorie, die Anerkennungstheorie, die Theorie des geistigen Seins oder die Lehre Kelsens von der Grundnorm: Neumann, in: Hassemer/Gessner, Gegenkultur und Recht, S. 21 ff.; siehe auch: Röhl, Rechtssoziologie, S. 212 ff. 5 Fallberg, European Journal of Health Law 2003, 339; vgl.: Kirchgässner, in: Engel/ Morlok, Öffentliches Recht als Gegenstand ökonomischer Forschung, S. 49 (58): „Die häufig gemachte Unterstellung, die Bürgerinnen und Bürger würden sich generell am Buchstaben und insbesondere am Geiste des Gesetzes orientieren, ist naiv und vielfach widerlegt.“; Noll, in: Rehbinder/Schelsky, Zur Effektivität des Rechts, S. 259 f.; Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 214, 218; ders., Rechtssoziologie, S. 243: „Aber es ist eine Binsenwahrheit, daß ein geltendes Gesetz nicht immer befolgt wird. In der Realität entspricht der juristischen Geltung in der Regel weder hundertprozentige Befolgung noch absolute Nichtbeachtung. Vielmehr lässt sich die faktische Geltung zwischen diesen beiden Polen als ein Kontinuum darstellen. Davon bleibt die juristische Geltung jedenfalls grundsätzlich unberührt. Nur in dem extremen Fall, daß eine Rechtsnorm so gut wie gar nicht befolgt wird, steht auch ihre juristische Geltung in Frage.“ 6 Raiser, Einführung in die Rechtssoziologie, S. 3, 104; ders., Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 239; siehe auch: Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 8; anders: Garn, Rechtswirksamkeit und faktische Rechtsgeltung, S. 12 f., der zwischen faktischer Normgeltung und Normwirksamkeit differenziert.
K. Kubella, Patientenrechtegesetz, DOI 10.1007/978-3-642-22741-7_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Viertes Kap.: Exkurs: Wie wirkt Recht?
gen werden.7 Verhaltensgeltung entfaltet eine Norm hingegen dann, wenn die primären Normadressaten ihr Verhalten nach ihr ausrichten.8 Dabei ist es unerheblich, aus welchen Gründen sie die Norm befolgen. So können die Adressaten ihr lediglich aus Gewohnheit oder in Nachahmung von Vorbildern Folge leisten, gegebenenfalls gar ohne Kenntnis der Norm selbst.9 Auch die bloße Angst vor einer etwaigen Sanktion oder das eigene Interesse kann dazu führen, dass sich die Adressaten nach der Norm richten.10 Im Hinblick auf seine etwaige Sanktionsgeltung ist der Erlass eines Patientenrechtegesetzes nicht notwendig. Es liegt bereits in der Natur des Richterrechts, dass es Sanktionsgeltung entfaltet. Eine verbesserte Sanktionsgeltung ist durch ein zivilrechtliches Gesetz nicht zu erwarten.11 Ziel der Befürworter eines Patientenrechtegesetzes ist zudem gerade die bessere Umsetzung der Patientenrechte im Behandlungsalltag und nicht erst die Durchsetzung dieser vor Gericht. Sie streben folglich nach einer hohen Verhaltensgeltung, die sicher die zentrale Voraussetzung für die Wirkung des Rechts darstellt.12 Die wesentliche Frage ist hier demnach, ob und inwieweit Gesetze im Generellen und ein etwaiges Patientenrechtegesetz im Speziellen zur Steuerung seiner Adressaten fähig ist. Dass es sich dabei um eine Regelung der zivilrechtlichen Patientenrechte und -pflichten handeln soll, steht dem Anspruch, das Verhalten der Behandler und der Patienten zu steuern, nicht entgegen. Das heutige „reine Privatrecht“ ist nicht vollkommen frei von „öffentlichen Zwecken“.13 Es stellt nicht lediglich ein Regelungsangebot für die Par-
7 Schuppert, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 206 (245); kritisch: Garn, Rechtswirksamkeit und faktische Rechtsgeltung, S. 6, 9 f. Ob das Leisten von Schadensersatz als „Sanktion“ zu qualifizieren ist, ist umstritten; dagegen: Noll, in: Rehbinder/Schelsky, Zur Effektivität des Rechts, S. 259; dafür: Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 34 f., 165 ff.; Popitz, Die normative Konstruktion von Gesellschaft, S. 64 ff. 8 Popitz, Die normative Konstruktion von Gesellschaft, S. 64 ff.; Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 239; Schuppert, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 206 (245); siehe: Röhl, Rechtssoziologie, S. 244. 9 Röhl, Rechtssoziologie, S. 252. 10 Schuppert, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 206 (245); ähnlich auch: Garn, Rechtswirksamkeit und faktische Rechtsgeltung, S. 8. 11 Vgl. zur Stellung der Gerichte hinsichtlich der Wirkung von Recht: Nöth, Rechtssoziologie, S. 24: „Die Gerichte nehmen im gesamten Mechanismus der Rechtsverwirklichung eine Schlüsselstellung ein. In ihren Urteilen zeigt sich, ob und wie die vom Gesetzgeber, von der Wissenschaft oder von den gesellschaftlichen Kräften proklamierten Normen zur Geltung gelangen. Indem sie staatliche Gesetze anwenden, proklamieren sie erst deren Geltungssubstanz. wenn sie auf die habituellen Standards wie Verkehrssitte und Gewohnheitsrecht optieren oder wenn sie den Vorschlägen der Wissenschaft oder den Normzumutungen gesellschaftlicher Kräfte folgen, bestätigen sie als Rechtsnorm, was bisher vorrechtlich war.“; siehe auch: Röhl, Rechtssoziologie, S. 222. 12 Zur Bedeutung der Verhaltensgeltung: Röhl, in Hof/Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht, S. 413 (432); ähnlich wohl auch: Blankenburg, in: Plett/Ziegert, Empirische Rechtsforschung zwischen Wissenschaft und Politik, S. 45 (62). 13 Calliess, in: ders. et al., FS für Teubner, S. 465 (478).
I. Systemtheoretischer Erklärungsansatz
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teien dar und dient nicht allein dem Ausgleich privater Interessen.14 Prävention und Verhaltenssteuerung sind nicht erst seit dem Erstarken des zivilrechtlichen Verbraucherschutzrechtes berechtigte Aufgaben des Privatrechts,15 so dass die vornehmlich auf das öffentliche Recht bezogene Literatur zur Steuerung bzw. Steuerungskrise des Rechts auch für ein zivilrechtliches Gesetzesvorhaben relevant ist.16 Die wissenschaftlichen Theorien und Erklärungsmodelle zur Steuerung durch Recht reichen dabei von einem grundsätzlichen Steuerungspessimismus bis hin zu einem ausgeprägten Steuerungsoptimismus.17 Zurückgegriffen werden soll in dieser Arbeit auf die Systemtheorie nach Niklas Luhmann, im Rahmen derer die Steuerung von und durch Recht auf Makroebene erörtert wird,18 und auf einen ökonomischen Erklärungsansatz, der auf Mikroebene anzusiedeln ist. Eine ausführliche und bis ins Detail gehende Darstellung der vielzähligen und unterschiedlichen Steuerungstheorien kann hier nicht erfolgen, ebenso wenig wie eine empirische Fallstudie.19
I. Systemtheoretischer Erklärungsansatz Die moderne Systemtheorie ist in der Soziologie zu verorten und wird im deutschen Sprachraum vornehmlich mit dem Werk von Niklas Luhmann identifiziert. Während in den sechziger und siebziger Jahren Steuerung im Anschluss an Talcott Parsons noch als realistisch und möglich beschrieben wurde, leitete Niklas Luhmann in den achtziger Jahren mit dem Werk „Soziale Systeme“ die autopoietische Wende in der Systemtheorie ein. Die neue Systemtheorie ist als steuerungskritisch, wenn nicht gar steuerungspessimistisch zu qualifizieren.20 Dabei kann und will sie als Makro- bzw. Universaltheorie nicht die Frage beantworten, ob menschliches Verhalten, sondern nur ob Teilsysteme der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft, wie Recht, Politik, Wirtschaft und Gesundheit, gesteuert wer-
14 Siehe: Blankenburg, in: Plett/Ziegert, Empirische Rechtsforschung zwischen Wissenschaft und Politik, S. 45 (58 ff.). 15 Vgl.: Wagner, AcP 206 (2006), 352 (364 ff.); siehe zu europarechtrechtlichen Einflüssen auf das deutsche Recht: ders., a.a.O., 352 (389 ff.). 16 Vgl. zur Diskussion der Steuerungskrise im öffentlichen Recht: Kaufmann, in: Grimm, Staatsaufgaben, S. 15 (28 ff.); Rittner, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 69 ff.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 18 ff.; Schuppert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 65 (67 ff.). 17 Damm, in: Bora, Rechtliches Risikomanagement, S. 93 (97). 18 Vgl. für eine umfassende Darstellung der Theorieanlage Niklas Luhmanns: Luhmann, Soziale Systeme, passim. 19 Zur Bedeutung der empirischen Rechtssoziologie für die Gesetzgebung: Raiser, Einführung in die Rechtssoziologie, S. 109. 20 Bender, in: Simon, Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, S. 100 (140), der der Luhmann’schen Systemtheorie nach der autopoietischen Wende einen „radikalen Steuerungspessimismus“ attestiert; Frankenberg, in: Honneth et al., FS für Habermas, S. 690 (694).
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den können.21 Diese Frage verneint sie auf hoher Abstraktionsebene. Die direkte Steuerungsmöglichkeit von gesellschaftlichen autopoietischen Teilsystemen wird generell abgelehnt.22 Dementsprechend muss auch eine unmittelbare Steuerungswirkung eines Gesetzes außerhalb des Rechtssystems an der operationalen Geschlossenheit und der Autopoiesis der jeweiligen (Teil-) Systeme, für die Recht lediglich Umwelt darstellt, scheitern.23 Umweltänderungen werden von den (Teil-) Systemen als Impulse wahr- und aufgenommen, jedoch nicht als „input“ im Sinn der kybernetischen Systemtheorie vor der autopoietischen Wende, sondern als „Lärm“ bzw. „kontinuierliche Irritation und Störung“.24 Die autonomen (Teil-) Systeme beeinflussen sich demnach gegenseitig, indem das jeweilige System bei Beobachtung seiner Umwelt Kommunikationen, die an es gerichtet werden, daraufhin überprüft, ob sie der systemeigenen Logik entsprechen und demgemäß verarbeitbar bzw. anschlussfähig sind.25 Eine systemübergreifende Kommunikation ist demnach zunächst unmöglich. Dennoch stehen die einzelnen (Teil-) Systeme, obwohl sie von ihrer jeweiligen Umwelt abzugrenzen sind und unabhängig voneinander existieren und arbeiten, auch nach der Theorie der autopoietischen Systeme nicht beziehungslos zueinander, sondern sind strukturell gekoppelt.26 Eine strukturelle Koppelung zwischen zwei Teilsystemen kommt dann zustande, wenn sich beispielsweise Organisationen einschalten, welche die binären Codes27 beider Systeme „lesen“ und bedienen können. Recht und Politik koppeln sich
21 Vgl.: Teubner, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 115 (129): „Aber die ‚Personen‘, zu denen die Kommunikation des Rechts direkten Zugang hat, sind keine wirklichen Menschen aus Fleisch und Blut, sind nicht Menschen mit Gehirn und Geist, sind nicht die (…) autopoietischen psychischen Systeme, sondern bloße Konstrukte, semantische Artefakte, die der Rechtsdiskurs selbst produziert hat.“; zur Bedeutung des individuellen Menschen innerhalb der Systemtheorie siehe auch: Luhmann, Soziale Systeme, S. 51, 67 f., 428; ders., Soziologische Aufklärung 5, S. 49 f.; Willke, Systemtheorie I, S. 57; vgl.: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 141; Röhl, Rechtssoziologie, S. 392; kritisch dazu: Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 27. 22 Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (316); ders., in: Grimm/Maihofer, Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 45 (47 f., 50); vgl. dazu: Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 14 ff.; Damm, in: Bora, Rechtliches Risikomanagement, S. 93 (97). 23 Teubner, in: Grimm/Maihofer, Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 45 (50). 24 Luhmann, Die soziologische Beobachtung des Rechts, S. 14; ders., Das Recht der Gesellschaft, S. 442 f 25 Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (316). 26 Siehe zum Begriff der Koppelung: Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 440 ff.; siehe ferner: Diekmann, Schlüsselbegriffe der Systemtheorie, S. 163 ff.; kritisch zur strukturellen Kopplung: Münch, Risikopolitik, S. 40, der in dieser den „Zusammenbruch der Theorie des autopoietischen Systems selbst“ sieht. 27 Der binäre Code ist etwa in der Politik Machtüberlegenheit/ Machtunterlegenheit; im Rechtssystem Recht/ Unrecht, im Gesundheitswesen krank/gesund und in der Wirtschaft Zahlung/ nicht-Zahlung.
I. Systemtheoretischer Erklärungsansatz
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strukturell beispielsweise vorrangig über die Verfassung(en).28 Dabei erzeugt das politische System im Verfahren der Gesetzgebung kollektiv bindende Entscheidungen und kein Recht, da dies seine gesellschaftliche Funktion darstellt. Die in der Politik beschlossenen Gesetze werden erst dann zu Recht, wenn das Rechtssystem diese in Anwendung seines binären Codes als solche anerkennt und anwendet. Das Rechtssystem kann wiederum auf soziale, wirtschaftliche, wissenschaftliche oder kulturelle Sachverhalte nur in der Form einwirken, als es sie einer neuen rechtlichen Umwelt aussetzt und dadurch im jeweiligen (Teil-) System autopoietische Prozesse und Entwicklungen anregt und die Perturbation begünstigt.29 Ein Steuerungsversuch durch Gesetz kann dementsprechend mit der Folge des sogenannten „regulatorischen Trilemmas“30 auf zwei Ebenen scheitern: Zum einen dann, wenn das Gesetz nicht die notwendigen Voraussetzungen für die Anerkennung und Anwendung als Recht erfüllt, zum anderen, wenn sich das regulierte (Teil-) System gegenüber der Implementation der Rechtsnorm als resistent erweist.31 Steuerungsbemühungen können jedoch, wie aufgezeigt, aufgrund der strukturellen Koppelung durch die Veränderung der Umwelt des Systems durchaus Effekte haben. Allerdings ist der Einfluss der „Irritation“ auf die Entwicklung des jeweiligen (Teil-) Systems gerade zukunftsoffen, kontigent.32 Den Steuerungsbemühungen ist höchstens Auslöse-, nicht aber Durchgriffskausalität zuzusprechen. Sie können lediglich Selbständerungen anregen.33 Eine Steuerung von (Teil-) Systemen durch das politische und rechtliche System wird mithin stets Vollzugsdefizite und unerwünschte Nebenwirkungen haben, die sich aus der Struktur und Eigengesetzlichkeit des regulierten Systems erklären. Eine zielgenaue Steuerung durch Gesetz ist folglich nach der autopoietischen Systemtheorie ebenso wenig möglich wie eine gesicherte Prognose über die Effekte der strukturellen Kopplung.34 28 Luhmann, Soziologie des Risikos, S. 178 ff.; ders., Das Recht der Gesellschaft, S. 470 ff. 29 Diese Beispiele finden sich bei: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 145; siehe auch: Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (315 f.); ders., Recht als autopoietisches System, S. 98 f. 30 Siehe dazu: Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (313 ff.): „Jeder regulatorische Eingriff, der diese Grenzen überschreitet [die der Selbststeuerung und der Selbsterhaltung], ist entweder irrelevant oder hat desintegrierende Wirkungen für den gesellschaftlichen Lebensbereich oder aber desintegrierende Wirkungen auf das regulatorische Recht selbst zur Folge.“; vgl. auch: Calliess, in: ders. et al., FS für Teubner, S. 465 (476). 31 Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (319 f.); vgl.: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 250. 32 Vgl.: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 250; siehe dazu: Becker, Kooperative und Konsensuale Normsetzung, S. 18 f. 33 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 28 ff. (insbesondere 31), 89 f., 93. 34 Ähnlich speziell im Hinblick auf privatrechtliche Gesetze: Calliess, in: ders., FS für Teubner, S. 465 (478 f.); siehe auch: Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (316 f), der eine gelungene strukturelle Koppelung von politischen Entscheidungen, rechtlicher Normierung und gesellschaftlicher Verhaltenssteuerung für äußerst unwahrscheinlich hält.
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Viertes Kap.: Exkurs: Wie wirkt Recht?
Während Niklas Luhmann externe Steuerungsversuche für wenig vielversprechend hält, sehen andere Systemtheoretiker den Verzicht auf direkte staatliche Steuerungsversuche und stattdessen die Förderung von Selbstregulierung der einzelnen (Teil-) Systeme teilweise als Lösungsmöglichkeit und Ausweg aus dem „regulatorischen Trilemma“ an.35 Eine Selbstregulierung der Ärzteschaft existiert in Form der Berufsordnung bereits und ist im Hinblick auf die Umsetzungsdefizite der Patientenrechte im Behandlungsalltag dementsprechend nicht hinreichend effektiv. Die Patienten selbst sind keine homogene Gruppe, so dass es kaum gelingen dürfte, sie in die Organisation, Verfahren und die Verteilung von Steuerungsrechten einzubinden. Tatsächlich attestieren auch Systemtheoretiker, wie Gunther Teubner, dass „gerade das Verbraucherrecht und andere Bereiche des Vertragsrechts zeigen, dass die Technik der ‚externen Dezentralisierung‘ dann versagt, wenn soziale Macht und Informationsasymmetrien die rechtliche Fernsteuerung von autonomen selbstregulatorischen Prozessen zur Farce machen.“36 Da Gunther Teubner der gezielten rechtlichen Stärkung von Verhandlungsmacht zur Neutralisierung von Asymmetrien entsprechend seines systemtheoretischen Verständnisses keine oder nur kaum Erfolgschancen zuspricht,37 sieht er die einzige Steuerungsmöglichkeit darin, mit staatlicher und rechtlicher Hilfe autonome öffentliche Organisationen zu schaffen, die den schwächeren Vertragspartner informieren, seine Interessen organisieren und repräsentieren.38 Die erfolgversprechendste Möglichkeit zur Stärkung der Patienten bzw. ihrer Rechte in Deutschland wäre bei der Zugrundelegung eines solchen Verständnisses wohl neben der Etablierung eines Patientenombudsmann-Systems wie in Finnland oder einer der österreichischen ähnelnden Patientenanwaltschaft die Schaffung einer zentralen unabhängigen Patientenorganisation bzw. die Stärkung einer bereits existierenden Organisation. Abschließend muss festgehalten werden, dass die Konzeption des Rechts als ein autopoietisches Teilsystem der Gesellschaft erhebliche Konsequenzen für die Gesetzgebung in der Form hat, dass sie dem Staat eine nur noch sehr begrenzte 35 Teubner, in: Grimm/Maihofer, Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 45 (52): „Die Hürden [für die direkte Steuerung durch Recht] erweisen sich [für den Gesetzgeber] als unüberwindbar. Es sind, wie üblich nur Umgehungen, Schleichwege, Ausweichstrategien möglich und auch Reflexion kann nicht mehr tun als die Hürden deutlich sichtbar zu machen und – vielleicht – die Umwege ein wenig auszubauen.“; sehr ausführlich: Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (334 ff. m.w.N.); vgl. dazu: Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 20 f.; Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 123 f., 250; Schuppert, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfunktion des Rechts, S. 217 (223 -228, 242); siehe zur Anwendung und Gewinnung von Verwaltungsrecht im kooperativen Staat: Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 69 (73 ff.). 36 Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (338). 37 Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (338). 38 Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (338).
II. Ökonomischer Erklärungsansatz
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Steuerungsfähigkeit attestiert und damit den steuerungspessimistischen Kräften Argumente für die Reduktion der politischen und rechtlichen Steuerungsversuche gibt.39
II. Ökonomischer Erklärungsansatz Einen anderen Ansatz wählt demgegenüber die steuerungsoptimistische ökonomische Analyse des Rechts. Diese aus den USA stammende40 und seit den achtziger Jahren in Deutschland rezipierte Forschungsrichtung setzt im Gegensatz zur Systemtheorie bei dem Individuum an. Neben der Annahme, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen knapp, die Bedürfnisse der Individuen hingegen unbegrenzt sind,41 liegt ihr als Kerntheorie das Verhaltensmodell des homo oeconomicus bzw. die REMM-Hypothese (resource-full, evaluating, maximizing man) zugrunde.42 Das Menschenbild der ökonomischen Analyse des Rechts zeichnet sich folglich dadurch aus, dass sich jedes Individuum stets autonom, eigennützig, nutzenmaximierend sowie rational entscheidet und handelt.43 Da die homo oeconomici bzw. die resource-full, evaluating, maximizing men in jeder Entscheidungssituation nach ihren individuellen, konstanten Präferenzen Vor- und Nachteile unterschiedlicher Verhaltensoptionen und deren Nutzen rational gegeneinander abwägen, reagieren sie auf Änderungen ihrer Umwelt, etwa in Form von Handlungsrestriktionen oder Anreizen, systematisch.44 Steigt infolge der Änderung von Rahmenbedingungen der erwartete Nutzen einer Verhaltensoption, nimmt nach dem Axiom des homo oeconomicus die Wahrscheinlichkeit zu, dass diese Verhaltensoption gewählt wird. Dies gilt in umgekehrter Richtung auch für eine Minimierung des Nutzens einer Handlungsalternative durch Restriktionen. Zu diesen verhaltenssteuernden Umweltfaktoren gehören nach der ökonomischen Analyse des Rechts auch die Rahmenbedingungen, die das Recht durch Restriktionen und durch Anreize setzt.45 So erhöht etwa die Heraufsetzung der Strafandrohung den Preis für kriminelles Verhalten. Die Verschärfung der Produkthaftung erhöht die Kosten für fehlerhafte Produkte. Die Einführung und Erhöhung von Subventionen können als 39
Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 146. Vgl. dazu: Posner, Economic Analysis of Law, passim; Coase, Journal of Law and Economics 3 (1960), 1 ff. 41 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 4, 57 f. 42 Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (12); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 58 ff., 64; Schmidtchen, in: ders./Weth, Der Effizienz auf der Spur, S. 9 (10); ders., in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 449 (451); siehe zur REMM-Hypothese: Sailer, Prävention im Haftungsrecht, S. 134 ff. 43 Siehe: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 59 ff.; Schmidtchen, in: ders./Weth, Der Effizienz auf der Spur, S. 9 (14 ff.); vgl. zu Ausnahmen von diesem Kriterienkatalog: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 65 ff. m.w.N. 44 Vgl.: Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 130, 302; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 15 f.; Schmidtchen, in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 449 (451). 45 Vgl.: Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 7 f. 40
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Viertes Kap.: Exkurs: Wie wirkt Recht?
Anreiz zur Vornahme eines erwünschten Verhaltens dienen. Insbesondere die Einführung und Verschärfung von Sanktionsnormen, die die Kosten bestimmter Handlungen erhöhen respektive verringern, gelten als geeignetes Instrument zur Verhaltenssteuerung.46 Allerdings verhält sich der homo oeconomicus entsprechend seiner Eigenart auch im Hinblick auf ein in einer Rechtsnorm angeordnetes Verhalten rational und nutzenmaximierend. Sofern der Vorteil des Normbruchs den Nachteil der angedrohten Sanktion entsprechend seiner Präferenzen aufwiegt und keine vorteilhaftere Handlungsalternative existiert, wird der homo oeconomicus die Norm übertreten.47 Dementsprechend erscheint die Steuerung des Individuums durch Gesetz relativ einfach.48 Die gesetzlich angeordneten Restriktionen müssen in Verbindung mit dem Risiko, bei einer Gesetzesübertretung überführt zu werden, derart hoch sein, dass die Nichtbefolgung des Gesetzes unattraktiv für den homo oeconomicus ist.
III. Ergebnis Beide hier herangezogenen Ansätze sind per se nicht miteinander vereinbar.49 Die ökonomische Analyse des Rechts und der ihr zu Grunde liegende methodologische Individualismus kennt kein Verhalten von Systemen oder Organisationen, sondern nur ein Verhalten von Individuen, das kollektiv wirken kann.50 Für das systemtheoretische Gesellschaftsverständnis ist hingegen der einzelne Mensch ebenso wie Zusammenschlüsse von Menschen als handelnde Subjekte keine be46
Vgl.: Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 35; Schmidtchen, in: ders./Weth, Der Effizienz auf der Spur, S. 9 (10): „Rechtsnormen und gesetzliche Entscheidungen steuern Verhalten, aber nicht qua Normcharakter, sondern weil an ihre Nicht-Beachtung Sanktionen geknüpft sind.“; ders., in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 449 (451 f.): „Vielmehr ist Rechtsgehorsam das Ergebnis eines Nutzen/Kostenkalküls. (…) Sanktionen, z.B. in Form von Schadensersatz oder Geld- oder Haftstrafe, wirken wie Preise auf Rechtsverstöße, deshalb sollte man von ihren Änderungen ähnliche Wirkungen erwarten wie von Preisänderungen.“ 47 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 35 f.; Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S.129 f. 48 Vgl. dazu die Kritik von: Teubner, in: Lübbe, Kausalität und Zurechnung, S. 91 (123). 49 Kirchgässner, in: Engel/Morlok, Öffentliches Recht als Gegenstand ökonomischer Forschung, S. 49 (51); Miebach, Soziologische Handlungstheorie, S. 447; vgl. aber aus systemtheoretischer Perspektive: Teubner, in: Grimm/Maihofer, Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 45 (57): „Und an dieser Stelle [Verträge und subjektive Rechte als Optionen] kann das Recht aus den Selbstbeobachtungen im Wirtschaftssystem lernen. Hier sollten Juristen etwa die Analyseangebote der economic analysis of law annehmen und für ihre Regulierungszwecke ausbeuten. (…) Aber aus ihren Analysen kann man etwas darüber erfahren, was passiert, wenn die Logik von Rechtsstrukturen und die von ökonomischen Strukturen aufeinandertreffen. Insbesondere kann man sich davon versprechen, etwas mehr über Möglichkeiten und Grenzen der politisch-rechtlichen Konditionierung von Vertragsformen und subjektiven Rechten zu erfahren.“ 50 Kirchgässner, in: Engel/Morlok, Öffentliches Recht als Gegenstand ökonomischer Forschung, S. 49 (51); Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S 18 f; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Rechts, S. 3.
III. Ergebnis
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deutende Größe. Die Systemtheorie interessiert sich alleine für Kommunikationen und ihre Anschlussfähigkeit. Menschen gehören zur Umwelt sozialer Systeme.51 Beide Theorieanlagen stoßen auf Kritik. Die Systemtheorie ist insbesondere aufgrund ihrer enormen Abstraktion und dem Mangel an empirischen Grundlagen erheblicher Kritik ausgesetzt.52 So sei empirisch nicht belegt, dass zutreffend festgestellte Steuerungsdefizite des Rechts tatsächlich auf die Autopoiesis zurückzuführen seien. Andere Ursachen seien denkbar,53 wie etwa der politische Widerstand kollektiv handlungsfähiger Akteure. Ferner gäbe es durchaus Steuerungserfolge innerhalb der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft.54 Recht werde auf diese Weise unterfordert.55 Indes stellt die autopoietischen Systemtheorie gerade die Existenzberechtigung der derzeitigen empirischen Soziologie in Frage.56 Für die Soziologie existiere keine gesellschaftliche Realität. Basiselement der sozialen Systeme seien lediglich Kommunikationen.57 Dies wird wiederum bestritten. Die Kritiker der modernen Systemtheorie werfen dieser eine „Überforderung der Theorie“ und Realitätsferne vor.58 In der Wirklichkeit handelten verschiedene Akteure und Individuen.59 Steuerung funktioniere nicht ohne Steuerungssubjekte und -objekte.60 Ferner beraube die System51 Siehe: Luhmann, Soziale Systeme, S. 286 ff., 428; Willke, Systemtheorie I, S. 57; vgl.: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 141; Röhl, Rechtssoziologie, S. 392; kritisch dazu: Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 27. 52 Vgl.: Bender, in: Simon, Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, S. 100 (141); Frankenberg, Die Verfassung der Republik, S. 28 ff.; Lüderssen, Genesis und Geltung in der Jurisprudenz, S. 35 ff.; Rottleuthner, in: Koller/Varga/Weinberger, Theoretische Grundlagen der Rechtspolitik, S. 123 (124, 132 ff.), nach dem empirische Argumente (bisher) keine Aussagekraft haben, da die Systemtheorie zu abstrakt und nicht hinreichend wissenschaftlich sei. 53 Damm, in: Bora, Rechtliches Risikomanagement, S. 93 (97 f.); vgl. dazu: Lüderssen, Genesis und Geltung in der Jurisprudenz, S. 40 Fn. 54. 54 Vgl. die Kritik zum autopoietischen Steuerungspessimismus von: Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 27; Beyerle, Staatstheorie und Autopoiesis, S. 188 f.; Scharpf, Politische Vierteljahresschrift 1989, 10 (12). 55 Damm, in: Bora, Rechtliches Risikomanagement, S. 93 (99). 56 Vgl.: Teubner, in: Koller/Varga/Weinberger, Theoretische Grundlagen der Rechtspolitik, S. 140 (145 f.) 57 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 87; vgl.: Roellecke, JZ 1999, 213 (216). 58 Siehe: Damm, in: Bora, Rechtliches Risikomanagement, S. 93 (99): „Jedenfalls präsentieren sich zentrale Aussagen des systemtheoretischen Steuerungspessimismus als verallgemeinernde Unterforderung des Rechts und Überforderung der Theorie.“; vgl. auch die kritische Würdigung der Systemtheorie bei: Bender, in: Simon, Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, S. 100 (140 f.); Rottleuthner, in: Koller/Varga/Weinberger, Theoretische Grundlagen der Rechtspolitik, S. 122 (132 ff.). 59 Rottleuthner, in: Koller/Varga/Weinberger, Theoretische Grundlagen der Rechtspolitik, S. 123 (136 f.). 60 Beyerle, Staatstheorie und Autopoiesis, S. 188 f.; vgl.: Schelsky, Die Soziologen und das Recht, S. 94: „Aber auch der Gesetzgeber darf nicht luhmannisch denken und handeln. Gewiss geht es ihm um das Funktionieren des Staates und des sozialen Lebens und ihre Optimierung, aber ein Gesetzgeber, der nicht auf den Willen, die Motivierung, letzthin auf die selbstbestimmte Lebenssinngebung der einzelnen zielt, würde sich sehr bald in die Rolle ei-
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theorie, indem sie handelnde Individuen lediglich zur Umwelt sozialer Systeme zähle, Menschen ihrer Identität, ihrer Würde und lasse eine freiheitliche Selbstbestimmung des Individuums unmöglich erscheinen.61 Zudem wird gegen das Axiom der operationalen Geschlossenheit geltend gemacht, dass Individuen und Akteure regelmäßig mehreren Teilsystemen angehörten und somit die Funktionssprache der jeweiligen Systeme verstünden und beherrschten. Ebenso verfügten die einzelnen Teilsysteme über eine multilinguale Kommunikationskompetenz oder zumindest über professionelle Übersetzer, wie zum Beispiel Rechtsabteilungen in Wirtschaftsunternehmen.62 Demgegenüber überfordere die ökonomische Analyse des Rechts nach ihren Kritikern das Recht, indem sie sich auf generalisierte, modelltheoretische Axiome zu den verhaltenssteuernden Effekten rechtlicher Sanktionen und Anreize im Recht berufe.63 Es sei wirklichkeitsfern zu erwarten, dass ökonomische Sanktionen innerhalb des Rechts stets präventiv auf das Verhalten der Normadressaten einwirkten und sie zu Vermeidungs- und Reduktionstrategien veranlassten. Sofern man den Normadressaten stetig rationales Entscheiden und Verhalten unterstelle, könne man nicht davon ausgehen, dass sie allein aufgrund von rechtlich angedrohten Sanktionen Verhinderungsmaßnahmen ergreifen: „denn als Mitglieder der realen Welt wissen sie anders als die Theoretiker ökonomisch-rationalen Verhaltens, dass der Weg zum Gericht steinig ist, dass anspruchsmindernde Vergleiche die Regel, voll stattgebende Urteile dagegen die Ausnahme sind, und dass da, wo kein Kläger auch kein Richter ist.“64 Unabhängig von dieser Kritik können (zu) scharfe Sanktionen unerwünschte Nebenwirkungen haben. Im Extremfall können sie als Ausdruck der Unmut der Normadressaten zu verdecktem oder gar offenem Widerstand gegen sie führen. Ferner gefährden sehr starke Sanktionen die Internalisierung der Norm.65 Darüber hinaus gilt die ökonomische Analyse des Rechts bei ihren Kritiker als zu einfältig. Ihr wird eine „Unterforderung der Theorie“ vorgeworfen.66 Indem sie für ihr Modell des homo oeconomicus vom stetig rational entscheidenden und handelnden Individuum, das seinen Nutzen unter Zugrundelegung eines widerspruchsfreien Satzes von konstanten Präferenzen optimiere, ausgehe vereinfache sie die Realität in einem unzulässigen Maße.67 Tatsächlich dürften Menschen jenseits des theoretischen Modells auch nach nicht-ökonomischen,
nes politisch totalitären Funktionstechnikers begeben.“ Freilich weist Helmuth Schelsky zugleich daraufhin (S. 94), dass Niklas Luhmann gar nicht den Anspruch gehabt habe, seine Theorie derart auf die Praxis zu beziehen. 61 Schelsky, Die Soziologen und das Recht, S. 92; ebenso: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 141. 62 Schuppert, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 217 (225 f., 228 f.); Scharpf, Politische Vierteljahresschrift 1989, 10 (15 f.). 63 Damm, in: Bora, Rechtliches Risikomanagement, S. 93 (100). 64 Wolf, Kritische Justiz 1989, 55 (59). 65 Raiser, Einführung in die Rechtssoziologie, S. 18, 226 ff.; Spittler, Norm und Sanktion, S. 123. 66 Damm, in: Bora, Rechtliches Risikomanagement, S. 93 (100); siehe auch: Teubner, in: Lübbe, Kausalität und Zurechnung, S. 91 (122). 67 Fezer, JZ 1988, 223 (227 f.).
III. Ergebnis
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irrationalen Kalkülen entscheiden und handeln.68 So ist nicht nur eine zweckrationale, auf den Einzelfall bezogene Kalkulation, sondern auch eine wertrationalprinzipielle denkbar.69 Einem stark religiös geprägten Menschen kommt es beispielsweise nicht auf die Maximierung seines ökonomischen Nutzens, sondern eher auf die Gottgefälligkeit seines Handelns an. Ferner verkennt die ökonomische Analyse durch ihre Konzentration auf das Individuum die strukturelle Bedeutung sozialer Phänomene, die sie lediglich als Randbedingungen und als Restriktionen kategorisiert.70 Sie legt ihrem Modell damit einen realitätsfernen Status von Unabhängigkeit des einzelnen Individuums zugrunde.71 Der Einfluss der Gesellschaft, in dessen Sozialstruktur das Individuum eingebunden ist, auf das Verhalten des Einzelnen darf nicht ausgeblendet werden.72 Des Weiteren setzen rationale Entscheidungen und Verhalten Informiertheit voraus. Nach dem Axiom des homo oeconomicus handelten Menschen unter vollständigen Informationen. Dies entspricht jedoch nicht der Realität.73 Unabhängig von dem Informationsüberfluss in der modernen Gesellschaft nehmen Individuen die Wirklichkeit meist nur selektiv wahr. So wird auch von Kritikern der ökonomischen Analyse des Rechts angeführt, dass der reale Mensch bei Umweltveränderungen seine bereits getroffenen Entscheidungen, Pläne und Gewohnheiten entgegen dem ökonomischen Modellmenschen nur äußerst ungern ändere. Er blende Informationen aus, die mit seinen eigenen Ansichten kollidieren könnten. Anreize und Sanktionen müssten dementsprechend zunächst eine gewisse Reizschwelle überwinden, um überhaupt verhaltenswirksam zu werden. Individuen hätten regelmäßig Probleme, Verhaltensalternativen mit ihren Nutzen und Risiken objektiv gegeneinander abzuwägen. Sie überschätzen eigene Fähigkeiten und ihre Möglichkeit, die Gefahr zu steuern. Nachteile bewerteten sie in der Regel nicht objektiv, sondern im Verhältnis zum status quo.74 Dessen ungeachtet ist für eine rationale Entscheidung stets Voraussetzung, dass der homo oeconomicus auch die intellektuelle und zeitliche Möglichkeit hat, die langfristigen Folgen seiner Entscheidung vorausschauend zu über68
Röhl, in: Hof/Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht, S. 413 (420); Weyers, Unfallschäden, S. 462; vgl.: Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 14 m.w.N.: „Einwände gegen das Arbeiten mit der Rationalitätsannahme kommen heute insbesondere von Psychologen, die in Experimenten nachweisen können, dass Menschen in bestimmten Situationen keineswegs ‚rationale Nutzenmaximierer‘ im Sinne der klassischen Rationalitätsannahme der Wirtschaftswissen sind. Diese Einwände sind ernst zu nehmen, berühren aber den heuristischen Wert der Annahme des Rationalverhaltens nur am Rande (…).“ 69 Nöth, Rechtssoziologie, S. 59. 70 Vgl.: Kirchgässner, Kyklos 33 (1980), 420 (422). 71 Trapp, ZfS 1986, 324 (324, 326 f.). 72 Nöth, Rechtssoziologie, S. 58. 73 Vgl.: Wolf, Kritische Justiz 1989, S. 55 (59): „Der empathisch postulierte Rationalitätsanspruch der Wohlfahrtsökonomie erweist sich so unter den Zwängen der Risikogesellschaft als ein kurioses Projekt der Realitätsverleugnung. Blind für soziale Wissensbarrieren, die politischem Handeln nach dem Maximen ökonomischer Rationalität entgegenstehen, taub gegenüber Warnsignalen, dass man Funktionsbedingungen von Staat und Recht nicht beliebig umstellen kann und trunken vom Fusel des ‚richtigen‘ Wissens torkeln die Vertreter des Allokationsideals durch den ökologischen Porzellanladen.“ 74 Vgl.: Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (22) m.w.N.
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Viertes Kap.: Exkurs: Wie wirkt Recht?
denken.75 Die ökonomische Analyse des Rechts stößt mithin zumindest dann an ihre Grenze, wenn die Menschen über das Recht nicht Bescheid wissen oder sich über Verhaltensalternativen und ihren Nutzen nicht hinreichend informieren können. Unabhängig davon, dass für die sozial-wissenschaftliche Modellbildung die Vereinfachung der Realität notwendig ist, wie von den Befürwortern der ökonomischen Analyse des Rechts gegen die Kritik der Realitätsferne häufig vorgetragen wird,76 ist das Informationsdefizit der am Behandlungsverhältnis Beteiligten jedoch ein Grund für die mangelhafte Implementation des derzeit geltenden Richterrechts im Behandlungsalltag,77 so dass die ökonomische Analyse für die Frage nach einer Verbesserung der Transparenz der Rechtslage keine Antwort bereit hält. Trotz dieser Kritikpunkte soll und kann in dieser Arbeit keiner der beiden hier nur verkürzt wiedergegebenen Erklärungsansätze zur Steuerung durch Recht für richtig oder falsch, für mehr oder weniger nützlich befunden werden.78 Eine solche Bewertung wäre auch nicht gewinnbringend, sondern führte nur in die „interdisziplinäre Irre“79. Jede sozialwissenschaftliche Theorie und jeder Erklärungsansatz über die Systemtheorie und die ökonomische Analyse des Recht hinaus beinhaltet Vor- und Nachteile, betont bestimmte Elemente wie die Autopoiesis der gesellschaftlichen Teilsysteme oder das Streben des Individuums nach Nutzenmaximierung, und blendet damit andere Aspekte zwangsweise aus.80 Im Übrigen darf nicht vergessen werden, dass es sich hier um eine juristische Arbeit handelt. Das Individuum als Normadressat kann aufgrund dessen nicht außer Acht gelassen werden. Systemtheoretisch gesprochen wird und muss diese Arbeit in der rechtlichen Semantik und der systemeigenen Logik verhaftet bleiben. Mit den Worten von Gunther Teubner ist das Individuum als „Sozialkonstrukt (…) unverzichtbar für die Rechtskommunikation, denn Recht als sozialer Prozess muss Kommunikationen auf Akteure zurechnen (Individuen oder Kollektive), um seine Selbstproduktion
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Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (139); so auch: Koch, JZ 1999, 922 (924); kritisch: Teubner, in: Lübbe, Kausalität und Zurechnung, S. 91 (120 f.). 76 Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (18 f.); Schmidtchen, in: ders/Weth, Der Effizienz auf der Spur, S, 9 (15); ders., in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S. 449 (451); zustimmend: Trapp, ZfS 1986, 324 (325). 77 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 147, 148; siehe auch: Steffen, MedR 2002, 190, allerdings mit dem Hinweis, dass die Unkenntnis von Ärzten und Patienten nur zweitrangig ist für die Diskrepanz. 78 Vgl.: Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (28): „(...) die Rechtswissenschaft sollte die verschiedenen Rationalitäten der einzelnen Sozialwissenschaften ernst nehmen, statt sich von vorneherein auf eine Perspektive festzulegen.“ 79 Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (33). 80 Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (33 f.): „Es ist Ausdruck einer der epistemischen Herausforderungen nicht gewachsenen intellektuellen Mentalität zu meinen, man könne alle Aspekte der Realität mit einer einzigen theoretischen Elle messen. Weil eine einheitliche, ganzheitliche Sozialwissenschaft angesichts der Komplexität der Lebenswirklichkeit und der begrenzten Verarbeitungskapazitäten von Theorien weder möglich noch sinnvoll ist, wird nicht Theorienkonkurrenz, sondern nur ein wohlverstandener Theorienpluralismus den wissenschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart gerecht.“
III. Ergebnis
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fortsetzen zu können.“81 Ebenso wenig können Rechtsnormen in einem Rechtsstaat als bloße Kostensteigerungs- oder -senkungsinstrumente qualifiziert werden. Andernfalls stellte man die Geltung von Rechtsnormen generell in das Ermessen der Normadressaten und untergrübe auf diese Weise die Erwartungssicherheit des Rechts. Recht wäre in diesem Fall stets kontigent und von den Präferenzen eines jeden Individuums abhängig und zur Konfliktregulierung nicht mehr fähig.82 Rechtsnormen dienen zudem nicht nur der Verhaltenssteuerung, sondern sind immer auch Ausdruck einer staatlichen Verhaltenserwartung und haben eine Bildungsfunktion.83 Sie können und sollen, zum Teil unterstützt durch staatliche Marketingkampagnen, eine Veränderung der Präferenzen der Normadressaten bewirken, die nach dem Axiom des homo oeconomicus hingegen konstant bzw. stabil sind.84 Die Multifunktionalität des Rechtswesens, die von der ökonomischen Analyse verkürzt wird,85 kann in einer rechtswissenschaftlichen Arbeit nicht ausgeblendet werden. Auch sollte das vorrangige Ziel des Gesetzgebers immer die Internalisierung der Norm sein.86 Gleichwohl können beide Theorien für den Gesetzgeber fruchtbar sein.87 Die Systemtheorie bewahrt vor einem unbegrenzten Regelungsoptimismus in dem Sinn, dass jegliche Sachverhalte und Prozesse beliebig regelbar und beeinflussbar sind.88 Zudem sensibilisiert sie für die unterschiedlichen Funktionsmechanismen und Semantiken der einzelnen Systeme.89 So ist für ein faktisch wirksames Gesetz zunächst von grundlegender Bedeutung, dass es ein rechtlich Gelungenes ist; es also nicht nur die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt, sondern sich auch systematisch einfügt, juristisch durchdacht, sprachlich gelungen und letztlich justiziabel ist. Dies muss auch aus systemtheoretischer Perspektive, selbst wenn die Systemtheorie die Kommunikation zwischen zwei Systemen in einer Sprache ablehnt, die Geltungschance des Gesetzes erhöhen, da die Politik auf diese Weise die Relevanzkriterien des Rechts trifft und es die Anerkennung und Anwendung des
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Teubner, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 115 (129). 82 So die berechtigte Kritik von: Teubner, in: Grimm/Maihofer, Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 45 (58). 83 Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (24, 40). 84 Lüdemann, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 7 (25); vgl.: Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 8. 85 Fezer, JZ 1988, S. 223 (224); Steinmetzler, JA 1998, S. 335 (340). 86 Kißler, Rechtssoziologie für die Rechtspraxis, S. 53. 87 Vgl. zur ökonomischen Analyse des Rechts: Schmidtchen, in: ders./Weth, Der Effizienz auf der Spur, S. 9 (29): „Auf das Recht durch ein anderes Fenster zu schauen, als es der Jurist typischerweise gewohnt ist (das ‚juristische Fenster‘), führt zu einer intellektuellen Bereicherung.“ 88 Siehe auch: Schuppert, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 217 (240 f.). 89 Ähnlich: Beyerle, Staatstheorie und Autopoiesis, S. 189: „Die autopoietische Steuerungstheorie schärft den Blick des Politikwissenschaftlers für den Eigensinn gesellschaftlicher Teilsysteme, und sie regt ihn dadurch an, die Steuerungsmöglichkeiten des politischen Systems zu beurteilen.“; Frankenberg, Die Verfassung der Republik, S. 29.
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Viertes Kap.: Exkurs: Wie wirkt Recht?
Gesetzes als Recht innerhalb des Rechtssystems fördert.90 Die ökonomische Analyse des Rechts bietet dem Gesetzgeber hingegen Erklärungsansätze, die in der Komplexität und Multifunktionalität des Rechts traditionell keine Berücksichtigung finden.91 Sanktionen haben soziologisch betrachtet abschreckende Wirkung und sind für die Rechtsgeltung hilfreich,92 sofern sie nicht zum ausschließlichen Maßstab für die Rechtsetzung gemacht und die Grenzen des homo oeconomicus nicht verkannt werden.93 Mit der Kritik an den beiden Erklärungsansätzen ist dementsprechend keine Ablehnung verbunden, jedoch eine Distanzierung von jenen. Keiner der übergeneralisierten Erklärungsansätze kann eine zufriedenstellende Antwort zur verhaltenssteuernden Wirkung des Rechts geben, die sowohl das Individuum als Normadressat als auch die sozialen Strukturen der einzelnen Systeme berücksichtigt. Ein allgemeingültiges und sicheres Modell zur Wirksamkeitssteigerung von Recht existiert nicht und kann nicht aufgestellt werden.94 Es bedarf vielmehr eines differenzierten, pragmatischen und bereichsspezifischen Ansatzes, der Theorien weder sorglos rezipiert noch kategorisch ablehnt. Dieser Arbeit soll dementsprechend eine situationsorientierte Strategie zugrunde gelegt werden, wobei Systemtheoretiker hierin den Beweis sehen werden, dass Einflüsse von außen aufgenommen und entsprechend der Logik des Rechtssystems be- und verarbeitet bzw. „transformiert“, „pervertiert“ oder „neu konstituiert“ werden.95
90 Vgl.: Teubner, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, S. 289 (317 f.). 91 Siehe: Schmidtchen, in: ders./Weth, Der Effizienz auf der Spur, S. 9 (11, 15 f.). 92 Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 215 f.; Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 257; Röhl, Rechtssoziologie, S. 252, 254 f. 93 Ähnlich: Weyers, Unfallschäden, S. 458: „Allein die Tatsache, dass die Haftpflichtbelastung Aufwand verursacht, einen Kostenfaktor darstellt, wirkt zufolge des Wirtschaftlichkeitsprinzips an und für sich ökonomisch in Richtung auf Vermeidung von Unfällen und Haftpflichtfolgen. Dies ist der Ausgangspunkt aller folgenden Überlegungen, und wenn man Kritik zur Behandlung des Themas durch Juristen anmelden kann, dann nur die, sie seien über diesen Ausgangspunkt nicht hinweggekommen. denn die Probleme liegen darin, dass dieser Faktor nicht allein wirkt, sondern im Verein mit etlichen anderen, so dass die Resultate nicht notwendig ‚Prävention‘ heißen müssen.“ 94 Morand, in: Grimm/Maihofer, Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 11 (24); Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 255; anders wohl: Opp, Soziologie im Recht, S. 190 ff.; Rottleuthner, Einführung in die Rechtssoziologie, S. 62 ff. 95 Vgl. dazu: Teubner, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 115 (137 ff., insbesondere: 140).
Fünftes Kapitel: Gesetzgebungsvorschlag Dass Recht dazu fähig ist, das Verhalten zu beeinflussen und in eine bestimmte Richtung zu lenken, wird durch den Umfang der von den Medizinern heutzutage praktizierten Behandlungsdokumentation und der Patientenaufklärung bestätigt. Die Umsetzung dieser Pflichten ist Ergebnis der durch die Richter in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.1 Diese Erfahrung kann als Ansporn dienen die Normativitäts- und Umsetzungsdefizite durch Gesetz zu beseitigen. Schließlich scheint eine Verhaltenslenkung durch Richterrecht ungleich komplizierter zu sein, als eine Steuerung durch Gesetz. Die Gerichte können nur im Einzelfall tätig werden. Dabei müssen die Richter etwaige strittige Rechte und Pflichten der Prozessparteien konturieren und auf den konkreten Fall beziehen. Ihre Aufgabe ist es nicht, das Behandlungsverhältnis abstrakt-generell zu gestalten und das zukünftige Verhalten von Patienten und Behandlern zu steuern.2 Sofern man sich zur Beseitigung des Umsetzungsdefizites und zum Schutz des Patienten für den Erlass eines Patientenrechtegesetzes entscheidet, empfiehlt sich, die Ausführungen im dritten Kapitel zu Grunde legend, eine Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB. Nachfolgend soll ein Regelungsvorschlag für die Normierung im BGB präsentiert werden.
I. Entwurf eines Patientenrechtegesetzes Artikel 1: Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs 1. Nach § 610 wird die Überschrift „Titel 8. Dienstvertrag“ wie folgt ersetzt: „Titel 8. Dienstvertrag, Behandlungsvertrag Untertitel 1. Dienstvertrag“ 2. Nach § 630 wird eingefügt: „Untertitel 2: Behandlungsvertrag § 630a >Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag< (1) 1 Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher medizinische Dienste zusagt (Behandler), verpflichtet, diese dem Patienten gegenüber zu er-
Vgl. dazu: Fuchs, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 23 (59), der es als unbestritten ansieht, dass „der weite Pflichtenkanon, den die Rechtsprechung für Ärzte und Krankenhäuser geschaffen hat, die tägliche Arbeit von Ärzten und Krankenhausverwaltungen ganz entscheidend mitgeprägt hat.“; siehe auch: Laufs, Unglück und Unrecht, S. 14. 2 Stegers, AnwBl 2001, 545. 1
K. Kubella, Patientenrechtegesetz, DOI 10.1007/978-3-642-22741-7_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
bringen. 2 Der Patient ist zur vereinbarten oder üblichen Vergütung verpflichtet. (2) Medizinische Dienste sind alle Dienstleistungen, die der Verhütung, Feststellung oder Heilung von Krankheiten dienen, sowie Rehabilitationsmaßnahmen, palliative, geschlechtsangleichende Maßnahmen sowie solche der Kontrazeption, der artifiziellen Reproduktion und alle übrigen medizinischen Dienstleistungen, die von Behandlern im Rahmen ihrer Berufsausübung erbracht werden. § 630b >Krankenhausaufnahmevertrag< (1) 1 Im Rahmen der stationären Versorgung verpflichtet sich der Krankenhausträger gegenüber dem Patienten zur Vornahme aller für die stationäre Versorgung erforderlichen Leistungen, einschließlich der medizinischen Dienste im Sinn des § 630 Abs. 2 (totaler Krankenhausaufnahmevertrag). 2 Daneben kann sich ein zur Liquidation berechtigter Arzt nach § 630a Abs. 1 verpflichten, dieselben medizinischen Dienste in Person zu erbringen (totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag). (2) Durch den gespaltenen Krankenhausaufnahmevetrag wird der Krankenhausträger verpflichtet, alldiejenigen für die stationäre Versorgung erforderlichen Leistungen zu erbringen, zu denen sich der Arzt nicht nach § 630a Abs. 1 verpflichtet hat. § 630c >Sachgemäße Behandlung< 1 Der Behandler hat seine medizinischen Dienste sachgemäß zu erbringen. 2 Dabei hat er insbesondere die im Zeitpunkt der Behandlung allgemein anerkannten Berufsstandards anzuwenden. § 630d >Einwilligung< (1) Der Behandler ist verpflichtet, vor der Vornahme des medizinischen Dienstes die Einwilligung des Patienten in diesen einzuholen. (2) 1 Die Einwilligung ist rechtswirksam, wenn der Patient einwilligungsfähig und nach Maßgabe des § 630f aufgeklärt worden ist oder auf eine Aufklärung verzichtet hat. 2 Die Einwilligung ist frei und ohne Angabe von Gründen widerruflich. § 630e >Aufklärung< (1) 1 Der Behandler hat den Patienten und im Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit seinen gesetzlichen Vertreter verständlich und schonend über a) die gesicherte Diagnose, b) die Art, den Umfang, die Notwendigkeit und Eignung der medizinischen Dienstleistung zur Diagnose oder Behandlung, deren Erfolgsaussichten und deren Verlauf, c) eingriffsspezifische, nicht gänzlich unwahrscheinliche Risiken sowie d) Alternativen zu der vorgeschlagenen medizinischen Dienstleistung aufzuklären, sofern diese gleichwertige Erfolgsaussichten und andere Risiken beinhalten. 2 Der Patient kann auf die Aufklärung verzichten.
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(2) Die Aufklärung hat mündlich und in einem angemessenen Zeitabstand vor Beginn des medizinischen Dienstes zu erfolgen. (3) Der Behandler ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, a) soweit der Aufklärungsverzicht reicht oder b) sofern die Aufklärung die gesundheitliche Verfassung des Patienten derart beeinflusst, dass eine erhebliche Selbstgefährdung ernsthaft zu befürchten ist. § 630 f >Information< Der Behandler hat den Patienten verständlich darüber zu informieren, wie dieser sich zur Sicherung des Behandlungserfolgs und zur Abwendung von Gefahren verhalten soll. § 630g >Mitwirkung und Offenbarung< (1) 1 Der Patient soll dem Behandler die für die Behandlung notwendigen Informationen offenbaren. 2 Bei einem berechtigten Interesse des Behandlers ist der Patient zur Information verpflichtet. (2) 1 Der Patient soll den vom Behandler aufgestellten Verhaltensregeln Folge leisten und an der Behandlung mitwirken. 2 Er soll nur in Rücksprache mit dem Behandler von den Verhaltensregeln abweichen. § 630h >Dokumentation und Befundsicherung< (1) 1 Der Behandler hat die Aufklärung, die Behandlung selbst, die Verlaufsdaten und die für die derzeitige und künftige Behandlung medizinisch gebotenen Ereignisse, Befunde und Umstände in der Patientenakte im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behandlung zu dokumentieren. 2 Die elektronische Form ist ausreichend, sofern nicht die Eigenart der erhobenen Daten und Befunde entgegensteht oder eine andere Form gesetzlich bestimmt ist. (2) Die in Abs. 1 S. 1 bezeichneten dokumentierten Maßnahmen, Umstände und gesicherten Befunde sind zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, sofern eine längere Aufbewahrung medizinisch nicht geboten oder nicht gesetzlich bestimmt ist. (3) 1 Sind die medizinisch gebotenen Daten der Behandlung im Sinn des Abs. 1 S. 1 nicht oder nicht hinreichend dokumentiert oder die Befunde nicht gesichert worden, wird zugunsten des Patienten vermutet, dass der nicht dokumentierte medizinische Dienst unterblieben ist. 2 Hat der Behandler die medizinisch gebotenen Befunde nicht erhoben oder nicht gesichert, wird zugunsten des Patienten ein reaktionspflichtiger Befund vermutet, wenn ein solcher hinreichend wahrscheinlich ist. § 630i >Einsichtnahme< Der Patient kann jederzeit Einsicht in die Patientenakte und eine Abschrift dieser verlangen, soweit die Einsichtnahme nicht die gesundheitliche Verfassung des Patienten derart beeinflusst, dass eine erhebliche Selbstgefährdung ernsthaft zu befürchten ist, oder soweit berechtigte Interessen Dritter nicht entgegenstehen. 2 Der Behandler kann für die Erteilung der Abschrift eine angemessene Vergütung verlangen. 1
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
§ 630j >Schweigepflicht< (1) Der Behandler ist dazu verpflichtet, gegenüber Dritten Schweigen über die im Rahmen der Behandlung erlangten Kenntnisse über den Patienten, seine Erkrankung und die Behandlung selbst zu bewahren; es sei denn, dass eine Mitteilung gesetzlich angeordnet ist, der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter in die Offenbarung eingewilligt hat oder eine solche seinem mutmaßlichen Willen entspricht. (2) Dritter im Sinn des Abs. 1 ist nicht, wer unmittelbar am Behandlungsverhältnis beteiligt ist. Der gesetzliche Vertreter des Patienten ist nur dann nicht Dritter, wenn seine Einwilligung zur Behandlung erforderlich ist. (3) Die Schweigepflicht besteht nach Beendigung der Behandlung weiter. § 630k >Abweichende Vereinbarungen< (1) 1 Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Patienten von den §§ 630d, 630h, 630i abweicht, kann sich der Behandler nicht berufen. 2 Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. (2) Die Haftung des Behandlers für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit kann vor und während der Behandlung nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. § 630l >Beweislast< (1) 1 Stammt der Schaden aus dem Bereich der für den Behandler voll beherrschbaren Risiken, hat der Behandler zu beweisen, dass er seine Pflicht zur sachgemäßen Behandlung nicht verletzt hat. 2 Besteht das voll beherrschbare Risiko in der Durchführung einer medizinischen Maßnahme durch einen Anfänger, hat der Behandler zu beweisen, dass diese nicht ursächlich für den Tod oder den Gesundheitsschaden ist. (2) Hat der Behandler seine Pflicht zur sachgemäßen Behandlung derart verletzt, dass die Pflichtverletzung aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint und dem Behandler schlechterdings nicht unterlaufen durfte (grober Behandlungsfehler), hat er zu beweisen, dass sie für den Eintritt des Todes oder Gesundheitsschadens nicht ursächlich ist; es sei denn, dass sie dazu nicht geeignet ist. § 630m >Anwendung des Werkrechts< Auf einen Vertrag, der neben der Behandlung die technische Anfertigung eines Werkes zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Werkvertrag Anwendung, soweit das Werk mangelhaft im Sinn des § 633 Abs. 2 ist und der Schaden auf der Mangelhaftigkeit des Werkes beruht.“ 3. Nach § 1631a wird folgender neuer § 1631b eingefügt: „§ 1631b >Medizinische Dienste< (1) 1 Sofern das Kind einwilligungsfähig ist, entscheidet es allein über die Durchführung der medizinischen Dienste, soweit nicht etwas anderes bestimmt
II. Begründung
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ist. 2 Bei feststehender Einwillgungsfähigkeit des Kindes ist der Behandler gegenüber den Eltern zur Verschwiegenheit verpflichtet. (2) 1 Einwilligungsfähig ist, wer über die erforderliche Reife und Fähigkeit verfügt, um die vorgeschlagene medizinische Dienstleistung, ihre Folgen, ihre Risiken und ihre Tragweite für die persönliche Lebensplanung zu verstehen, zu verarbeiten, zu bewerten und seinen Willen hiernach auszurichten. 2 Bei einem Kind, das das 14. Lebensjahr nicht vollendet hat, ist von Einwilligungsunfähigkeit auszugehen.“ 4. § 1631 b wird zu § 1631c. 5. § 1631c wird zu § 1631d. 6. Folgender § 1631e wird eingefügt: „§ 1631e >Verbot von medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen< Das Kind kann in eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation nicht einwilligen. Die Eltern können nur in geringfügige Eingriffe einwilligen.“ Artikel 2: Änderung des Sozialgesetzbuches V § 76 SGB V wird wie folgt geändert: Abs. 4 wird aufgehoben
II. Begründung 1. Allgemeines a) Behandlungsvertrag als Dienstleistungsvertrag Der Behandlungsvertrag ist weder ein Werkvertrag noch ein Vertrag sui generis, sondern ein Dienstvertrag.3 Zwar ist das Arzt-Patienten-Verhältnis ein besonderes 3 BGH, Urt. v. 9.12.1974 – VII ZR 182/73, BGHZ 63, 306 (309); Urt. v. 2.12.1980 – VI ZR 175/78, NJW 1981, 630; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.1974 – 8 U 123/73, NJW 1975, 595; OLG Koblenz, Urt. v. 7.1.1993 – 5 U 1289/92, NJW-RR 1994, 52 (53); OLG München, Urt. v. 27.2.1981 – 5 U 2993/80, NJW 1981, 2012 (2013); OLG Zweibrücken, Urt. vom 10.3.1983 – 4 U 76/82, NJW 1983, 2094; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, Einf v § 611 Rdn. 18 f.; Müller-Glöge, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 4, § 611 Rdn. 79; Bappert, Arzt und Patient als Rechtssuchende, S. 28; Ebermayer, Der Arzt im Recht, S 72 f.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 7; Griebau, in: Raztel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 9 Rdn. 1; Laufs, Arztrecht, Rdn. 100; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 26 f.; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 38 Rdn. 9; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 9; Demberg, Jura 1987, 337; Rohde, NJW 1985, 1379; Taupitz, NJW 1986, 2851 (2857); mit sehr ausführlicher Begründung: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 ff.; a.A.: Barnikel, NJW 1975, 592; Jakobs, NJW 1975, 1437 (1440), die von einem Werkvertrag ausgehen; andere Ansicht: Richardi, in: Staudinger, BGB, Vorbem. § 611 ff. Rdn. 54; Deutsch/Spickhoff, Medi-
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
Rechtsverhältnis, das sich durch die Bedeutung der tangierten Rechtsgüter und einer außergewöhnlichen Vertrauensbeziehung der beiden Vertragspartner auszeichnet. Jedoch negiert die Qualifikation des Behandlungsvertrags als Dienstvertrag nicht die Besonderheiten dieser Beziehung. Arzt und Krankenhausträger schulden dem Patienten generell eine Dienstleistung in Form einer sorgfältigen bzw. dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung und nicht den Heilungserfolg. Auf diese Weise wird hinreichend berücksichtigt, dass der menschliche Organismus komplex und verschiedenartig ist und seine biologischen und physiologischen Reaktionen auf Behandlungsmaßnahmen nie vollständig berechenbar, vorhersehbar und damit weder steuer- noch vollkommen kontrollierbar sind. Ferner werden die allgemeinen Regelungen des Dienstvertragsrechts, wie die §§ 626, 627 BGB, den Besonderheiten der Arzt-Patienten-Beziehung gerecht. Es besteht kein Anlass dafür, den Behandlungsvertrag als einen Vertrag eigener Art auszugestalten. b) Einbeziehung des gesetzlich versicherten Patienten in den Anwendungsbereich der §§ 630a – m Zwischen Privatpatient und Behandler wird stets ein Behandlungsvertrag geschlossen.4 Im Hinblick auf das Behandlungsverhältnis zwischen Kassenpatient und Arzt ist dies ungleich komplizierter. Sofern die in Anspruch genommene Leistung nicht in den Leistungskatalog der GKV fällt, ist auch zwischen Kassenpatient und Arzt bzw. Krankenhausträger ein zivilrechtlicher Behandlungsvertrag zu bejahen. Nimmt der gesetzlich versicherte Patient hingegen eine Leistung aus dem Leistungskatalog der GKV in Anspruch, ist die Rechtslage aufgrund des Beziehungsgeflechts zwischen der GKV, der Kassenärztlichen Vereinigung, dem Vertragsarzt und dem gesetzlich versicherten Patienten schwierig. Zwischen BGH, BSG und innerhalb der Lehre ist umstritten, wie das Verhältnis zwischen gesetzlich versichertem Patienten und Vertragsarzt in diesem System einzuordnen und welcher Rechtsnatur es ist.5 Mit der Beantwortung dieser Frage wird auch darüber entschieden, ob die gesetzlich versicherten Patienten, die 90 Prozent der Bevölkerung darstellen, in den Anwendungsbereich dieses Gesetzesvorschlags fallen und eine Regelung des Behandlungsvertrags sinnvoll ist. aa) Öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis Das BSG ist der Ansicht, dass die medizinische Behandlung des Patienten allein auf dem im SGB V geregelten Anspruch des Versicherten auf vertragsärztliche zinrecht, Rdn. 113; ders./Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1095); Luig, Der Arztvertrag, S. 223 (226 f.), die von einem Vertrag sui generis ausgehen; in diese Richtung auch tendierend: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 27. 4 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 94; Laufs, Arztrecht, Rdn. 87; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 1; für den Privatpatient bei der ambulanten Behandlung: Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, S. 15 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 105; Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 1 ff. 5 Vgl.: Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 17 ff.; Eberhard, AcP 171 (1971), 289 (296 ff.).
II. Begründung
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Versorgung beruhe. Das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient sei kein zivilrechtliches, sondern ein gesetzliches öffentlich-rechtlicher Natur (sog. Versorgungskonzeption).6 Ein Teil der Lehre hat sich der Versorgungskonzeption des BSG angeschlossen.7 Dass zwischen Kassenpatienten und Arzt kein privatrechtlicher Vertrag bestehe, zeige sich bereits daran, dass der Arzt gegen den Kassenpatienten selbst keinen Vergütungsanspruch habe und die Krankenkasse die notwendige ärztliche Behandlung dem gesetzlich Versicherten als Sachleistung schulde. Damit fehle es an den für den Behandlungsvertrag typischen privatrechtlichen Hauptpflichten. Des Weiteren wisse der Vertragsarzt, dass er mit der Behandlung des Kassenpatienten seiner Verpflichtung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nachkomme. Nur wenn dem behandelnden Arzt ein Fehler unterlaufe, entstehe ein gesetzliches Haftpflichtverhältnis, das in das öffentlich-rechtliche Verhältnis durch eine Fiktion zivilrechtlicher Sorgfaltspflichten integriert werde.8 § 76 Abs. 4 SGB V sei insofern eine Rechtsfolgenverweisung auf das bürgerliche Recht. Wäre ein privatrechtlicher Vertrag zwischen Arzt und Patient zustande gekommen, sei ein expliziter gesetzlicher Verweis auf das bürgerliche Recht in § 76 SGB V nicht notwendig gewesen.9 Dementsprechend fänden die vorgeschlagenen Regelungen auf 90 Prozent der Patienten nur mittelbar über den Verweis des § 76 Abs. 4 SGB V Anwendung. bb) Zivilrechtliches Rechtsverhältnis Der BGH und ein überwiegender Anteil der Lehre gehen hingegen davon aus, dass zwischen Vertragsarzt und gesetzlich versichertem Patienten ein zivilrechtliches Schuldverhältnis bestehe.10 Dabei ist innerhalb dieser Auffassung der Entstehungsgrund umstritten.
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Siehe: BSG, Urt. v. 19.10.1971 – 6 RKa 10/70, BSGE 33, 158 (160 f.); Urt. v. 19.11. 1985 – 6 RKa 14/83, BSGE 59, 172 (177); Urt. v. 7.12.1988 – 6 RKa 35/87, 64, 209 (211). 7 Sodan, Freie Berufe, S. 127; Haueisen, NJW 1956, 1745 (1746); Krause, SGb 1982, 425 (428 ff.); Narr, SGb 1986, 32 (33); Schnapp/Düring, NJW 1989, 2913 (2916 f.); Schnapp, NZS 2001, 337 (340); Tiemann, MedR 1983, 176 (180); so wohl auch: Schnorr von Carolsfeld, SGb 1977, 214 (215). 8 Haueisen, NJW 1956, 1745 (1746); Tiemann, MedR 1983, 176 (180). 9 Narr, SGb 1986, 32 (33); Schnapp/Düring, NJW 1989, 2913 (2916); so wohl auch: Haueisen, NJW 1956, 1745 (1746). 10 BGH, Urt. v. 3.2.1967 – VI ZR 114/65, BGHZ 47, 75 (78 f.); Urt. v. 28.4.1987 – VI ZR 171/86, BGHZ 100, 363 (367 f.); Urt. v. 8.12.1992 – VI ZR 349/91, BGHZ 120, 376 (382 ff.); Urt. v. 9.5.2000 – VI ZR 173/99, NJW 2000, 3429 (3430); Urt. v. 20.12.2005 – VI ZR 180/04, NJW 2006, 767; Urt. v. 31.1.2006 – VI ZR 66/05 NJW-RR 2006, 811 (812); Gott-wald, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 2, § 328 Rdn. 45; MüllerGlöge, in: MüKo, BGB, Bd. 4, § 611 Rdn. 84; Janoschek, in Bamberger/Roth, BGB, § 328 Rdn. 26; Lippert, in: Ratzel/Lippert, MBO, § 7 Rdn. 14; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 79; Fuchs, Zivilrecht und Sozialrecht, S. 250 ff.; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 39 Rdn. 7 ff.; Muckel, Sozialrecht, § 8 Rdn. 150; Laufs, Arztrecht, Rdn. 87; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 1; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 4; Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 30 Rdn. 41; Schneider, Hdb des Kassenarztrechts, Rdn. 1158 ff.; Wenzel, in: ders, Handbuch des Fach-
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(a) Eine früher herrschende Meinung vertrat, dass nur ein Vertrag zwischen der jeweiligen Krankenkasse und dem Vertragsarzt bestehe, der gemäß § 328 BGB zugunsten des gesetzlich versicherten Patienten wirke.11 Auch das Reichsgericht hat diesen Ansatz vertreten.12 Durch den Vertrag zwischen Krankenkasse und Arzt, der zugunsten Dritter wirke, erhalte der Kassenpatient einen unmittelbaren Anspruch auf sachgemäße Behandlung. Dies entspreche am besten der Interessenlage aller Beteiligten. Bei Arzt und Patient trete kein Vertragsbindungswille zu Tage, dennoch erhielte aber der Kassenpatient eine Stellung, die der eines Vertragspartners entspreche. Diese Auffassung lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Während früher die jeweilige Krankenkasse mit dem damaligen Kassenarzt (seit dem Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992: Vertragsarzt)13 noch Einzelverträge schloss,14 werden heute die Verträge zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen geschlossen.15 Der einzelne Vertragsarzt steht in keinerlei direktem vertraglichen Verhältnis mit der Krankenkasse.16 Ein Vertrag zwischen ihm und der GKV zugunsten Dritter im Sinn des § 328 BGB kommt damit nicht in Betracht.17 (b) Eine andere Ansicht geht auf der Grundlage dessen davon aus, dass durch die Übernahme der Behandlung durch den Arzt ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer zustande komme.18 Die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses und damit sein Rechtsgrund orientiere sich dabei allein nach öffentlichem Recht. Das Schuldverhältnis selbst sei zivil-
anwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 7; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (308); Heinze, SGb 1990, 173; Schmitt, SGb 1987, 265 (267); Schulin, VSSR 1994, 357 (362). 11 Hegener, Das Vertragsrecht des Arztes, S. 85 ff.; vgl. dazu: Schindera, Recht des Kassenarztes, S. 73 f. 12 RG, Urt. v. 27.9.1940 – III 3/40, RGZ 165, 91 (105 f.). 13 Vgl. dazu: Schulin, VSSR 1994, 357 ff. 14 Jung, Das Recht auf Gesundheit, S. 127; Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 6 ff.; Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 28 Rdn. 23, 49; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (291, 294 ff.); Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (211); Schulin/Düe, JuS 1984, 920 (921). 15 Vgl. zur Entwicklung vom Einzelvertrag zwischen Krankenkasse und „Kassenarzt“ hin zu dem Bundesmantelvertrag und den Gesamtverträgen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen: Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 6 ff.; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (305 ff.). 16 BVerfG, Urt. v. 23.3.1960 – 1 BvR 216/51, BVerfGE 11, 30 (39); BSG, Urt. v. 14.7.1965 – 6 RKa 50/64, BSGE 23, 176 (180); Urt. v. 30.5.1969 – 6 RKa 13/67, 29, 254 (256); BGH, Urt. v. 1.7.1976 – III ZR 187/73, BGHZ 67, 92 (94); Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 10; Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 30 Rdn. 44; Bongen/Kremer, NJW 1992, 723 (724); Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (291 f.); Krause, SGb 1982, 425 (429); Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (213); Schulin/Düe, JuS 1984, 920 (921). 17 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1059); Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 18; Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (212); anders beim Vertrag mit dem Krankenhausträger: Janoschek, in Bamberger/Roth, BGB, § 328 Rdn. 26. 18 Muckel, Sozialrecht, § 8 Rdn. 150; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (308 f.).
II. Begründung
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rechtlich ausgestaltet.19 Ihm lägen die gleichen Beziehungen zugrunde, wie sie früher zwischen Kassenarzt als Versprechendem und dem gesetzlich versicherten Patienten als Drittberechtigtem bestanden hätten. Mithin ergäben sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis auch Verschwiegenheits-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten. Dass durch die Übernahme der Behandlung ein zivilrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis entstehe, belege § 76 Abs. 4 SGB V.20 Die vorgeschlagenen Regeln über den Behandlungsvertrag fänden folglich auch bei Zugrundelegung dieser Ansicht keine unmittelbare Anwendung. (c) Der BGH und ein Teil der Lehre sind hingegen der Auffassung, dass zwischen dem Arzt und dem Patienten selbst ein privatrechtlicher Vertrag zustande komme (sog. Vertragskonzeption).21 Sie sehen in der einverständlichen Inanspruchnahme und Gewährung der vertragsärztlichen Leistung den Vertragsschluss. Der hier vorgestellte Gesetzesvorschlag wäre mithin uneingeschränkt sowohl auf privat als auch gesetzlich versicherte Patienten anwendbar. (d) Gegen die Vertragskonzeption wird sowohl von den Anhängern der Versorgungskonzeption als auch von den Befürwortern eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zivilrechtlicher Natur angeführt, dass sich ein Vertragsschluss zwischen Arzt und gesetzlich versichertem Patienten nicht widerspruchsfrei in das öffentlich-rechtlich geregelte Vierecksystem zwischen Patient, Vertragsarzt, Kassenärztliche Vereinigung und GKV einfügen lasse. Im Hinblick auf die Kritik an der Vertragskonzeption ist klarzustellen, dass zwischen Krankenkasse und gesetzlich Versichertem unstrittig ein synallagmatisches öffentlich-rechtliches Verhältnis besteht, in dem der Versicherte zur Beitragszahlung und die GKV zur Leistung im Versicherungsfall und damit zur Risikoübernahme verpflichtet ist.22 Auch ist zutreffend, dass der gesetzlich Versicherte einen Leistungsanspruch öffentlich-rechtlicher Natur23 gegen die GKV hat und dieser regelmäßig nicht auf Kostenerstattung, sondern gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V auf Sachleistung gerichtet ist. Ebenso ist richtig, dass der Vertragsarzt die von der jeweiligen Krankenkasse geschuldete Sachleistung in Form der notwendigen und wirtschaftlichen Behandlung des Patienten erbringt und nicht die GKV. Dazu ist der Vertragsarzt nach § 95 Abs. 4 SGB V auf der Grundlage seiner Mitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereini-
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Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (308 f.). Muckel, Sozialrecht, § 8 Rdn. 150. 21 BGH, Urt. v. 3.2.1967 – VI ZR 114/65, BGHZ 47, 75 (78 f.); Urt. v. 8.12.1992 – VI ZR 349/91, BGHZ 120, 376 (382 ff.); Urt. v. 9.5.2000 – VI ZR 173/99, NJW 2000, 3429 (3430); Urt. v. 20.12.2005 – VI ZR 180/04, NJW 2006, 767; Urt. v. 31.1.2006 – VI ZR 66/05, NJW-RR 2006, 811 (812); Gottwald, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 2, § 328 Rdn. 45; Janoschek, in Bamberger/Roth, BGB, § 328 Rdn. 26; Jung, Das Recht auf Gesundheit, S. 130 ff.; Schindera, Recht des Kassenarztes, S. 70; Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 30 Rdn. 41; Heinze, SGb 1990, 173 (173); von Maydell, NZS 1996, 243 (246); Schmitt, SGb 265 (267); Schulin, VSSR 1994, 357 (362); so scheinbar auch: Göbel, NZS 2007, 286 (290). 22 Ebsen, in: Gitter/Schulin/Zacher, FS für Krasney, S. 81 (86); Bongen/Kremer, NJW 1992, 723 (724). 23 Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 29 Rdn. 8, § 30 Rdn. 2; Baltzer, JuS 1982, 651; Narr, SGb 1998, 32; Schmitt, SGb 1987, 265 (267). 20
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gung, die nach öffentlichem Recht ausgestaltet ist,24 verpflichtet. Aus diesem Leistungsgeflecht schlussfolgern die Kritiker der Vertragskonzeption zum einen, dass der Patient bei der Hingabe seiner Krankenkassenkarte und der Inanspruchnahme der Behandlung durch den Vertragsarzt keine auf einen Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung abgeben wolle. Er stelle sich lediglich vor, dass er mit Inanspruchnahme der Behandlung die Gegenleistung für seine Beitragszahlung an die GKV wahrnehme.25 Zum anderen schließen sie aus § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V, dass der Arzt mit seiner Behandlungsleistung allein seiner Verpflichtung zur vertragsärztlichen Versorgung nachkommen und insofern keine (konkludente) Willenserklärung auf Abschluss eines Behandlungsvertrags abgeben wolle.26 Belegt werden diese Tatsachenbehauptungen von den Kritikern der Vertragskonzeption freilich nicht. Schließlich kann ebenso vertreten werden, dass der Patient seinen Arzt regelmäßig nicht als verlängerten Arm seiner Krankenkasse wahrnimmt,27 sondern dass es ihm wichtig ist, mit dem Arzt selbst die Behandlung genau zu besprechen. Zudem müsste sich der Vertragsarzt, träfen diese Ausführungen zu, konsequenterweise vor Beginn der Behandlung stets dahingehend absichern, dass sein Patient auch tatsächlich einen Anspruch auf die Kassenleistung hat. Sofern dieser im Einzelfall ausgeschlossen wäre, müsste er einen Behandlungsvertrag mit dem Patienten schließen.28 Eine solche Vorgehensweise entspricht nicht den praktischen Abläufen in einer Arztpraxis. Indes merken die Kritiker der Vertragskonzeption zutreffend an, dass sich der Honoraranspruch des Vertragsarztes für die geleistete Behandlung nicht gegen seine Patienten richte, sondern gegen die Kassenärztliche Vereinigung.29 Dies ist unbestritten. Allerdings bedeutet die Ausgestaltung des komplizierten Vergütungssystems durch das SGB V entgegen der Meinung der Kritiker30 noch nicht zwingend den Ausschluss eines zivilrechtlichen Vertrags zwischen Leistungserbringer und gesetzlich versichertem Patienten. Es ist rechtlich durchaus möglich, dass zwischen Vertragsarzt und Patient ein Behandlungsvertrag mit Drittleistungsverpflichtung hinsichtlich der Vergütung der ärztlichen Dienstleistung geschlossen wird.31 Schließlich existieren auch im allgemeinen 24
Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 29 Rdn. 11 f.; Schmitt, SGb 1987, 265 (267); Schulin/Düe, JuS 1984, 920 (921). Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach § 77 Abs. 5 SGB V Körperschaften des öffentlichen Rechts. 25 Muckel, Sozialrecht, § 8 Rdn. 150; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (297 f.). 26 Muckel, Sozialrecht, § 8 Rdn. 150; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (297). 27 Insoweit einräumend: Muckel, Sozialrecht, § 8 Rdn. 150: „Der Vertrags(zahn)arzt tritt dem Kassenpatienten (…) nicht als Funktionsträger der Krankenkasse bzw. als mit hoheitlichen Aufgaben beliehenes Privatrechtssubjekt gegenüber (…), sondern als selbständiger Freiberufler.“, der zugleich aber ausführt, dass der Patient „vor dem Hintergrund der sozialversicherungsrechtlichen Rechtslage“ keine auf einen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgebe. 28 Haus, Einführung der Kostenerstattung im GRG, S. 106. 29 Schnapp, NZS 2001, 337 (340); Schulin/Düe, JuS 1984, 920 (926) noch im Hinblick auf die Regelungen der RVO. 30 Haueisen, NJW 1956, 1745 (1746); Schnapp, NZS 2001, 337 (340). 31 Heinze, SGb 1990, 173; vgl. auch: Tiemann, NJW 1985, 2169 (2171), der vertritt, dass der Doppelcharakter des Anspruchs des sozialversicherten Patienten gerade der Finalstruktur des Sachleistungssystems entspricht.
II. Begründung
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Schuldrecht Regelungen, die die Leistung zur Erfüllung durch oder an einen Dritten betreffen: § 267 BGB und § 362 Abs. 2 BGB. Dass ein anderer als der Schuldner der Leistungsverpflichtung nachkommt, ist dem BGB nicht fremd. Fraglich ist jedoch, ob nicht die Regelung des § 76 Abs. 4 SGB V gegen die Vertragskonzeption spricht. Nach § 76 Abs. 4 SGB V verpflichtet die Übernahme der Behandlung den Vertragsarzt und die sonstigen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts. In dieser Regelung sehen die Befürworter eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zivilrechtlicher Natur den Entstehungstatbestand eben dieses Schuldverhältnisses.32 § 76 Abs. 4 SGB V ist indes nicht ausdrücklich als Entstehungstatbestand eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ausgestaltet. Er enthält keine Aussage darüber, wie die Beziehung zwischen Vertragsarzt und gesetzlich versichertem Patienten zustande gekommen ist. Eindeutig ist bei der Regelung des § 76 Abs. 4 SGB V nur die Intention, dass hinsichtlich der ärztlichen Sorgfaltspflichten nicht zwischen Kassen- und Privatpatienten differenziert werden soll.33 § 76 Abs. 4 SGB V kann ebenso im Sinn der Vertragskonzeption lediglich als Klarstellung zu verstehen sein, dass das Gesetz von einem zivilrechtlichen Behandlungsvertrag ausgeht.34 Die Regelung des § 76 Abs. 4 SGB V taugt mithin nicht als Argument.35 Unabhängig davon ist nicht einsehbar, warum sich die Beziehung zwischen einem gesetzlich Versicherten zu seinem Arzt grundlegend zu dem Vertragsverhältnis zwischen Privatpatient und seinem Arzt unterscheiden sollte.36 Der einzige Unterschied ist die Frage der Kostentragung, wobei diese, wie bereits aufgezeigt wurde, nicht dazu geeignet ist, die Möglichkeit eines Vertragsschlusses zwischen Arzt und Patient auszuschließen. Darüber hinaus wird ein Vertrag den Besonderheiten der Arzt-Patienten-Beziehung besser gerecht als ein gesetzliches Schuldverhältnis zivilrechtlicher Natur.37 Die Autonomie der Parteien, insbesondere des Patienten, findet gerade im Vertragsschluss ihren Ausdruck. Nur durch die Gewährleistung selbstbestimmten Handelns innerhalb des Verhältnisses Arzt-Patient wahrt man das Vertrauensverhältnis zwischen diesen und entspricht den Interessen der Beteiligten an einer umfassenden rechtlichen Absicherung, gerade im Hinblick auf die Pflichten der Parteien im Behandlungsverhältnis.38 So hat auch der Gesetzgeber schon wiederholt 32 Muckel, Sozialrecht, § 8 Rdn. 150; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (299 f.); Narr, SGb 1986, 32 (33); Schnapp/Düring, NJW 1989, 2913 (2916). 33 Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (212); noch für § 368d Abs. 4 RVO: Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 120. 34 So etwa: Müller-Glöge, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 4, § 611 Rdn. 84; Lippert, in: Ratzel/Lippert, MBO, § 7 Rdn. 14; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 4; Schindera, Recht des Kassenarztes, S. 68; Schulin, VSSR 1994, 357 (362). 35 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 117. Auf der Grundlage dieser Überzeugung wird dieser Streitstand häufig als nicht entscheidungsrelevant angesehen; so etwa: Ebsen, in: Gitter/Schulin/Zacher, FS für Krasney, S. 81 (83); Baltzer, JuS 1982, 651 (652). Vgl. jedoch: Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (215 f.) im Hinblick auf die praktische Relevanz der Rechtsnatur des Behandlungsverhältnisses. 36 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 97. 37 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 98. 38 Schmitt, SGb 1987, 265 (267).
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gezeigt, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Sozialleistungsberechtigten und dem jeweiligen Leistungserbringer am besten den Interessen des Sozialleistungsberechtigten gerecht wird.39 In diesem Zusammenhang sind § 13 Abs. 1 WVO40 sowie § 5 Abs. 5 HeimG41 zu sehen. Die Auffassung, die von einem gesetzlichen Schuldverhältnis zivilrechtlicher Natur ausgeht, kann nicht überzeugen. cc) Ergebnis Mit der Ablehnung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses als vermittelnde Position zwischen Vertrags- und Versorgungslösung ist letztendlich auch eine Entscheidung gegen die Versorgungskonzeption getroffen worden, deren Anhänger als Hauptargument, wie bereits angedeutet, auf die Existenz des Sachleistungsprinzips (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V) in der GKV verweisen.42 Sofern die in Anspruch genommene Leistung von der jeweiligen Krankenkasse als Sachleistung geschuldet werde, fehle es in dieser Konstellation bereits an einer typischen privatrechtlichen Hauptpflicht des Arztes.43 Nicht dieser, sondern die GKV schulde die Behandlung. Werde hingegen die in Anspruch genommene Leistung von der jeweiligen Krankenkasse nicht als Sachleistung, sondern im Wege der Kostenerstattung gewährt, schlössen Arzt und Patient einen Behandlungsvertrag.44 Dies wäre gemäß § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V etwa der Fall, wenn das Beschaffungssystem versagt. Eine solche Differenzierung anhand des Sachleistungsprinzips vermag indes nicht zu überzeugen. Dieses die GKV beherrschende Strukturprinzip45 wird seit Anfang/ Mitte der neunziger Jahre zunehmend aufgeweicht. Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der GKV (2. GKV-NOG) am 23.6.1997 wurde § 13 Abs. 2 SGB V eingeführt. Durch diesen ermöglichte der Gesetzgeber die Kostenerstattung46, ein wesentliches 39
Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 30 Rdn. 48. Nach § 13 Abs. 1 WVO müssen die Werkstätten mit den im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen, soweit auf sie die für einen Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätze nicht anwendbar sind, Werkstattverträge in schriftlicher Form abzuschließen, wobei der zuständigen Rehabilitationsträger über die Vereinbarung zu unterrichten ist. 41 Aus § 5 Abs. 5, 6 HeimG lässt sich schussfolgern, dass ein Heimvertrag zwischen einem Heimbewohner und einem Alten- oder Pflegeheim auch dann abgeschlossen wird, wenn der Träger der Pflegeversicherung und der Sozialhilfe die Kosten des Heimaufenthaltes übernehmen. 42 Vgl.: Narr, SGb 1986, 32 (33). 43 Schnapp, NZS 2001, 337 (340); so wohl auch: Haueisen, NJW 1956, 1745 (1746). 44 Höfler, in: Leitherer, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 15 Rdn. 22; Krause, SGb 1982, 425 (431 f); Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (217). Ein Beispiel ist hier etwa die Inanspruchnahme von Zahnersatz, vgl. insoweit: Bongen/Kremer, NJW 1992, 723 (726). 45 Schmitt, in: Schulin, Hdb des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, § 28 Rdn. 1; Schneider, Hdb des Kassenarztrechts, Rdn. 1171; Eberhardt, AcP 171 (1971), 289 (291); Krause, SGb 1982, 425; Narr; SGb 1986, 32; wobei 1986 noch die Möglichkeit der Kostenerstattung vollkommen ausgeschlossen war. Vgl. auch: Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (210). 46 Bei der Kostenerstattung muss der gesetzlich Versicherte die Rechnung des Leistungserbringers selbst begleichen und dann zum Zwecke der Kostenerstattung bei der Krankenkas40
II. Begründung
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Merkmal der PKV, auch für die GKV. Nachdem die Kostenerstattung vom Gesetzgeber im Rahmen des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes (GKV-SolG) als Fremdkörper innerhalb der GKV eingestuft wurde,47 wurde diese Auffassung 2007 mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-WSG) wieder aufgegeben. Das GKV-WSG hat im SGB V die Möglichkeit zur Ausgestaltung eines Wahltarifs der Kostenerstattung für alle gesetzlich Versicherten verankert.48 Sofern ein gesetzlich versicherter Patient diesen Tarif wählt und seine Rechnungen zunächst wie ein Privatpatient selber zahlt, ist wohl nach allen Ansichten davon auszugehen, dass dieser gesetzlich Versicherte einen Behandlungsvertrag mit dem Leistungserbringer schließt. Diese Aufweichung des Sachleistungsprinzips zeigt deutlich, dass gerade nicht von seiner Existenz auf ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen Arzt und gesetzlich versichertem Patienten geschlossen werden kann. Darüber hinaus wird im Krankenversicherungsrecht zunehmend die Eigenverantwortung der Versicherten und damit auch deren Autonomie insbesondere in Form von Kostenbeteiligungen gefördert und ausgebaut. Die Gewährleistung von Autonomie ist ein Kennzeichen des Privat- und nicht des öffentlichen Rechts. Sofern man dem Gesetzgeber nicht unterstellen möchte, dass die Aufweichung des Sachleistungsprinzips ein Indiz für die zivilrechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Arzt und Patient ist,49 bleibt dennoch festzuhalten, dass die Versicherten unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung der Kostenerstattung als Ausnahme zum Sachleistungsprinzip frei zwischen beiden Formen der Leistungserbringung wählen können. Damit entschied der Patient in konsequenter Fortführung der Versorgungskonzeption auch über die Rechtsnatur seines Verhältnisses zu seinem Arzt. Dies kann nicht gewollt sein. Ferner muss die Versorgungskonzeption auch den Vorwurf dogmatischer Schwäche hinnehmen.50 Ihre Anhänger qualifizieren das Behandlungsverhältnis als öffentlich-rechtlich. Die Rechte und Pflichten zwischen Arzt und Patient werden im Haftungsfall jedoch durch eine Fiktion privatrechtlich ausgestaltet.51 Auf diese Weise vernachlässigt die Versorgungskonzeption im Haftungsfall ihr tragendes Argument, das Sachleistungsprinzip. Bei einer konsequenten dogmatischen Fortführung der Versorgungskonzeption müsste die GKV und nicht der behandelnde Arzt gegenüber dem Pati-
se einreichen. Die Einführung dieses zum Sachleistungsprinzip konträreren Grundsatzes geschah vor allem im Hinblick auf die seit Ende der siebziger Jahre anhaltende Finanzierungskrise der GKV. Die Möglichkeit der Kostenerstattung wird häufig als geeignetes Instrument zur Steigerung der Eigenverantwortung und damit der Ausgabenreduzierung angesehen; vgl. Müller, in: Sodan, Krankenkassenreform und Wettbewerb, S.61 (65); Schneider, MedR 1997, 527 (531, 533). Näher zur Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Vertragsarzt und gesetzlich versicherten Patienten bei der Kostenerstattung: Haus, Einführung der Kostenerstattung im GRG, S. 117 -119. 47 Vgl. die Begründung zum GKV-SolG (zu § 13): BT-Drcks. 14/24, S. 16. 48 Orlowski/Wasem, Gesundheitsreform 2007, S.18. 49 So aber: Schneider, MedR 1997, 527 (529 Fn. 23). 50 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 91 ff.; Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (224). 51 Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (223); kritisch insofern auch: Krause, SGb 1982, 425 (429); vgl.: Baltzer, JuS 1982, 651 (652).
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enten haften.52 Es wäre insoweit auf die Grundsätze der Amtshaftung zurückzugreifen und § 278 BGB entsprechend auf das Sozialrechtsverhältnis anzuwenden.53 Da dies der Regelung des § 76 Abs. 4 SGB V widerspricht und den Patienteninteressen nicht gerecht wird,54 greift die Versorgungskonzeption dogmatisch inkonsequent auf eine Fiktion eines privatrechtlichen Haftpflichtverhältnisses zurück. Zudem vernachlässigt die Versorgungskonzeption die besonderen Eigenarten der Arzt-Patienten-Beziehung, indem sie das Verhältnis zwischen Vertragsarzt und gesetzlich versichertem Patienten als ein öffentlich-rechtliches einstuft. So muss bei der Annahme eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zwischen Vertragsarzt und gesetzlich versicherten Patienten ein Gespräch zwischen Arzt und Patient über den Inhalt und den Fortgang der Behandlung streng genommen nicht geführt werden. Schließlich haben sowohl der Arzt als auch der Patient nach der Versorgungskonzeption innerhalb ihres Verhältnisses keine Dispositionsfreiheit.55 Vielmehr muss über den Behandlungsinhalt nach diesem Verständnis auf anderen Ebenen entschieden werden. Ein derartiger Ansatz würde das Arzt-Patienten-Verhältnis anonymisieren. Einer Anonymisierung ist aber angesichts der betroffenen Rechtsgüter entgegenzuwirken. Gerade für eine erfolgreiche Behandlung ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient elementar.56 Aus diesem Grund ist der Vertragsarzt freiberuflich tätig und arbeitet gerade nicht als Angestellter der GKV oder der Kassenärztlichen Vereinigung.57 Das Verhältnis zwischen Vertragsarzt und gesetzlich Versichertem lässt sich nicht nur auf bloße Kostenfragen und auf die einfache Abfrage von Dienstleistungen beschränken. Hier sind insbesondere im Hinblick auf die Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Arzt die Selbstbestimmungsmöglichkeiten und die Mitwirkungspflichten des Patienten wesentlich, die als elementare Nebenpflichten im Verhältnis zwischen Arzt und Patient angesiedelt sind. Im öffentlichen Recht fehlt eine Rechtsgrundlage für solche Nebenpflichten.58 Dass diese Pflichten des Arztes und des Patienten erst bei Vorliegen eines Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers im Wege der Fiktion relevant werden,59 ist sinnwidrig und stellt eine Benachteiligung des gesetzlich versicherten gegenüber dem privat versicherten Patienten dar. Das Behandlungsverhältnis ist
52 Vgl.: Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 91 ff.; Krause, SGb 1982, 425 (426). Insofern käme nur noch eine deliktische Haftung des behandelnden Arztes in Betracht. 53 Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialverssicherten Patienten, S. 106 f. 54 Vgl. zum Interesse des Patienten die Ausführungen von: Krause, SGb 1982, 425 (426); vgl. im Hinblick auf § 76 Abs. 4 SGB V bzw. § 368d Abs. 4 SGB V: Tiemann, NJW 1985, 2169 (2170). 55 Tiemann, MedR 1983, 176 (181). 56 Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 29; Jung, Das Recht auf Gesundheit, S. 131; Schindera, Recht des Kassenarztes, S. 61-64, 69 f.; Schneider, Hdb des Kassenarztrechts, Rdn. 1156; Quaas, MedR 2001, 34 (36). 57 Tiemann, MedR 1983, 176 (181). 58 Vgl.: Haus, Einführung der Kostenerstattung im GRG, S. 111; Natter, Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten, S. 124 f.; Schneider, Hdb des Kassenarztrechtes, Rdn. 1160. 59 Vgl.: Tiemann, MedR 1983, 176 (180).
II. Begründung
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bereits der Natur der Sache nach zivilrechtlicher Rechtsnatur.60 Der gesetzlich versicherte Patient kann ebenso wie der privat versicherte selbst Behandlungsverträge mit dem jeweiligen Arzt schließen.61 Damit gelten die vorgeschlagenen Regelungen auch für den gesetzlich versicherten Patienten, so dass eine Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB nicht nur für zehn Prozent der Patienten unmittelbare Wirkung entfaltete. Für die ambulante Behandlung des gesetzlich versicherten Patienten im Krankenhaus kann nicht etwas anderes gelten, sofern die Ambulanz kraft vertragsrechtlicher Ermächtigung gemäß §§ 95, 116 SGB V und §§ 31, 31a Ärzte-ZV vom (Chef-) Arzt betrieben wird.62 Es handelt sich um die gleiche vertragsrechtliche Situation wie bei der Behandlung des Patienten durch einen niedergelassenen Arzt. Auch für den Bereich der stationären oder ambulanten Versorgung durch den Krankenhausträger63 gilt das Gleiche.64 Es erscheint nicht verständlich, warum der Vertrag mit dem Krankenhausträger anders behandelt werden soll, als der Vertrag mit einem niedergelassenen oder im Krankenhaus ambulant tätig werdenden Arzt.
60 Tiemann, NJW 1985, 2169 (2169); kritisch: Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207 (221), der auf die persönliche und intensive Betreuung im der Sozialhilfe- und Jugendhilferecht verweist. 61 Ausnahmsweise kommt kein Behandlungsvertrag zwischen Patient und Arzt zustande, wenn eine ärztliche Zwangsbehandlung gegeben ist (vgl. dazu: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 128 f.) oder der Arzt unmittelbar ein ihm übertragenes öffentliches Amt ausübt. Beispiele für letzeres sind die medizinische Versorgung von Soldaten im Rahmen der gesetzlichen Heilfürsorge (vgl. dazu: Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 34 f.), die anstaltsärztliche Untersuchung von Straf- und Untersuchungsgefangenen und staatliche Schutzimpfungen nach dem IfSG. 62 Siehe zur ambulanten Behandlung durch den zur Liquidation berechtigten (Chef-) Arzt: Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, S. 13 ff.; Giesen, Arzthaftung, Rdn. 11; Laufs, Arztrecht Rdn. 88, 565; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 15 Rdn. 61 ff.; Schrenk, Medizinproduktegesetz und Arzthaftung, S. 19; vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 105; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwaltes Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 699 f., 702; ausführlich dazu: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 14 m.w.N.; weitergehend zur ambulanten Krankenhausbehandlung: Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwaltes Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 703 ff. 63 Vgl. zur ambulanten Versorgung im Krankenhaus: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 105; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn.15 m.w.N.; Wenzel: in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 699 ff. 64 So wohl auch: Müller-Glöge, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 4, § 611 Rdn. 106; Lippert, in: Ratzel/Lippert, MBO, § 7 Rdn. 15; Radau, Ersetzung der Arzthaftung durch Versicherungsschutz, S. 23 f.; Quaas/Zuck; Medizinrecht, § 13 Rdn. 6; anders: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1063); Laufs, Arztrecht, Rdn. 87, die davon ausgehen, dass der Kassenpatient eigene vertragliche Ansprüche gegen den Krankenhausträger lediglich aus einem zwischen diesem und der GKV geschlossenen Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB erhält.
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
c) Behandlung eines Bewusstlosen Die vorgeschlagenen Regelungen können keine Anwendung auf die Notfallbehandlung eines Bewusstlosen finden.65 Ein Vertragsschluss vor Behandlungsbeginn ist in diesem Fall nicht möglich. Indes gibt das BGB die Lösung für diesen Fall bereits vor: das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB).66 Sofern eine rechtswirksame Willenserklärung des Patienten aufgrund der Notwendigkeit der Behandlung nicht einholbar ist, ist die Übernahme der ärztlichen Heilbehandlung als Geschäftsführung ohne Auftrag zulässig, sofern sie sich auf vital oder absolut indizierte Eingriffe67 beschränkt.68 Bei bloßer relativer Indikation69 ist die Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig nicht berechtigt.70 d) Behandlung von Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Bei der Behandlung von geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Patienten sind im Hinblick auf den Vertragsschluss keine gesonderten Regelungen erforderlich. Insoweit sei auf die §§ 104 ff. BGB verwiesen.71 Sofern sich ein geschäftsunfähiger Patient eigenständig in Behandlung begibt, kommt zwischen ihm und dem Arzt oder dem Krankenhausträger überhaupt kein Behandlungsvertrag zustande.72 Der Arzt muss den Behandlungsvertrag vielmehr mit den gesetzlichen Vertretern schließen. Dieser Vertrag kann Schutzwirkung zugunsten des ge65
Siehe zur Notfallbehandlung: Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwaltes Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 43 ff. 66 A.A.: Luig, Der Arztvertrag, S. 223 (228), der für diese Fälle ein faktisches Vertragsverhältnis bemüht; siehe auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1098 f.): „§ 1 Abs. 3 [Anm.: Der Vertrag kommt auch zustande bei Inanspruchnahme und Übernahme der Behandlung sowie wenn die Einleitung der medizinischen Behandlung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des willensunfähigen Patienten entspricht.] enthält also keine Einordnungsnorm mehr, sondern erstreckt als echte Regelung die Vertragswirkungen auf den faktischen Vertrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag.“; kritisch dazu: Schünemann, NJW 1982, 2027 (2032 f.); ausführlich zur Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Arzt: Brennecke, Ärztliche Geschäftsführung ohne Auftrag, passim; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 109 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 52 ff. 67 Vitale Indikation: Die ärztliche Behandlung dient der Abwehr einer unmittelbaren Lebensgefahr. Absolute Indikation: Die ärztliche Maßnahme dient der Abwehr einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung. 68 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 109; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 20; siehe zur mutmaßlichen Einwilligung in den Eingriff: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 262 ff., 319; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 154 ff. 69 Relative Indikation: Die ärztliche Behandlung ist medizinisch angezeigt, aber nicht notwendig. 70 Bolsinger, Dogmatik der Arzthaftung, S. 31; Schramm, Schutzbereich der Norm im Arzthaftungsrecht, S. 67; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 76. 71 Anders: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1098 f., 1111); diesen Regelungsvorschlag ablehnend: Schünemann, NJW 1982, 2027 (2032). 72 Ausführlich zur krankheitsbedingten Geschäftsunfähigkeit des Patienten: Kern in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 43 Rdn. 4 f.
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schäftsunfähigen Patienten entfalten.73 Sofern es sich um einen Notfall handelt, greift das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag.74 Bei den beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen stellt sich die Rechtslage ungleich komplizierter dar. Sofern der beschränkt Geschäftsfähige eine eigene auf den Abschluss eines Behandlungsvertrags gerichtete Willenserklärung abgibt, kommt der Behandlungsvertrag zwischen ihm und dem Arzt oder Krankenhausträger gemäß §§ 107, 108 BGB nur bei wirksamer Zustimmung seitens der gesetzlichen Vertreter zustande.75 Rechtliche Vorteilhaftigkeit im Sinn des § 107 BGB ist in Anbetracht der mit dem Behandlungsvertrag generell verbundenen Zahlungsverpflichtung abzulehnen.76 Im Regelfall wird allerdings von einem Vertragsschluss zwischen gesetzlichen Vertretern und Arzt oder Krankenhausträger zugunsten des minderjährigen Patienten im Sinn des § 328 BGB auszugehen sein und nicht von einem Vertragsschluss zwischen minderjährigem Patienten und der Behandlungsseite.77 Dies gilt selbst dann, wenn der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige den Arzt oder die Ambulanz alleine aufsucht. In diesen Fällen kann er als Bote des gesetzlichen Vertreters dessen Willenserklärung auf Abschluss eines Behandlungsvertrags zu seinen Gunsten übermitteln.78 Sofern eine beschränkt geschäftsfähige Person als Notfall behandelt wird, ohne dass zwischen ihr oder ihren gesetzlichen Vertretern und dem Arzt ein Behandlungsvertrag geschlossen worden ist, greift nach Maßgabe der §§ 677 ff. BGB das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag.79 In dem Fall, dass die Sorgeberechtigten des Minderjährigen 73
Von einem Vertrag zugunsten Dritter ausgehend: Luig, Der Arztvertrag, S. 223 (229 f.). Laufs, Arztrecht, Rdn. 125; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 52; Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 8. 75 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 97; Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 17; zu den Ausnahmen der §§ 112, 113 BGB und § 110 BGB siehe Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 17, § 45 Rdn. 4 ff. 76 Anders: Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 39 Rdn. 24; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 21, die insbesondere für privat versicherte Minderjährige darauf hinweisen, dass die private Versicherung die Behandlungskosten trage, und die für die gesetzlich versicherten Minderjährigen auf die Sozialrechtsmündigkeit nach § 36 Abs. 1 SGB I verweisen, vgl. dazu auch: Uhlenbruck/Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 17. 77 Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 21; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 40; ausführlich: Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 40 Rdn. 19 ff. Nur in Ausnahmefällen kann angenommen werden, dass die gesetzlichen Vertreter den Behandlungsvertrag im Namen des Minderjährigen abschließen wollten. Eine andere Ansicht nimmt hingegen einen Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten des minderjährigen Patienten an, so etwa: Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328 Rdn. 22 m.w.N.; offenlassend: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 97. 78 Siehe: Laufs, Arztrecht, Rdn. 106 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 19; anders wohl: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1064). 79 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 100; Laufs, Arztrecht, Rdn. 125; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 52; siehe zur mutmaßlichen Einwilligung in den Eingriff, wenn der gesetzliche Vertreter nicht erreichbar ist: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 154 ff. 74
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den Abschluss eines Behandlungsvertrags oder die Genehmigung eines solchen verweigern, kann die erforderliche Willenserklärung der Eltern gemäß § 1666 Abs. 1, 3 Nr. 5 BGB durch das Familiengericht ersetzt werden, sofern sich die Weigerung als Missbrauch des Sorgerechts darstellt.80 Spezielle Regelungen für den Vertragsschluss zwischen dem geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Patienten und der Behandlungsseite sind demnach nicht erforderlich, sofern man nicht dem Beispiel der Niederlande folgen und die Altersgrenze für die Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen im Hinblick auf den Abschluss von Behandlungsverträgen absenken möchte. Nach Art. 7:447 Abs. 1 BW ist ein Minderjähriger, der das Alter von sechzehn Jahren erreicht hat, fähig, einen Behandlungsvertrag zugunsten seiner selbst abzuschließen sowie Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die mit dem Vertrag unmittelbar verbunden sind. Konsequenterweise stellt Art. 7:447 Abs. 2 BW in diesem Zusammenhang klar, dass der Minderjährige in diesem Fall auch für die sich aus dem Behandlungsvertrag oder aus dem mit diesem verbundenen Rechtsgeschäfte ergebenden Verbindlichkeiten unbeschadet der Unterhaltspflicht seiner Eltern haftet. Neben den Vorteilen einer solchen Regelung, gerade im Hinblick auf Maßnahmen der Schwangerschaftsverhütung, ist die Tatsache, dass für den Minderjährigen durch einen Vertragsschluss ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter81 Verbindlichkeiten entstehen, ein großer Nachteil. Darüber kann nicht hinwegtäuschen, dass regelmäßig die GKV die Vergütung der medizinischen Dienstleistung entrichtet. Abgesehen von der Relativität der Schuldverhältnisse sind auch Leistungsausschlüsse oder -beschränkungen im Rahmen der GKV möglich. Zudem gilt es zu bedenken, dass privat versicherte Minderjährige in Vorkasse treten müssten und die Kostenerstattung regelmäßig an den Versicherungsnehmer und nicht an den mitversicherten Minderjährigen erfolgt. Ferner wäre es bei einer solchen Regelung notwendig, einen Katalog der medizinischen Dienstleistungen zu erstellen, bezüglich derer der Minderjährige „geschäftsfähig“ sein soll. Es kann wohl nicht gewünscht sein, dass ein Minderjähriger ohne Zustimmung seiner Eltern Verträge über ästhetische Veränderungen abschließen kann. Letztlich ist die Frage nach der Absenkung der Altersgrenze für die Geschäftsfähigkeit im Hinblick auf den Abschluss eines Behandlungsvertrags eine rechtspolitische Entscheidung, wobei die Nachteile einer solchen Regelung zu überwiegen scheinen. e) Beendigung des Behandlungsvertrags Die Beendigung des Behandlungsverhältnisses wird in allen Konstellationen von den jeweiligen Regelungen des BGB zur Beendigung von Vertragsverhältnissen, 80
Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 41. Für das Deliktsrecht ist die Behandlung des beschränkt geschäftsfähige Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern immer dann unproblematisch, wenn der Minderjährige nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu erfassen vermag; vgl. dazu: Nebendahl, MedR 2009, 197 ff. Für das Vertragsrecht ist dies indes ein Problem, da der Arzt ohne Zustimmung der Eltern, sofern nicht eine Notfallbehandlung gegeben ist, rechtsgrundlos handelt. Zwar gibt es den Weg über das Vormundschaftsgericht. Der Minderjährige kann aber ein Interesse daran haben, dass die Behandlung gegenüber den Eltern geheim bleibt. 81
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insbesondere von den Regelungen zum Dienstvertrag,82 hinreichend erfasst. Eine gesonderte Regelung im BGB ist somit nicht erforderlich.83 f) § 280 Abs. 1 BGB als Haftungsnorm für Vertragsverletzungen Nach derzeitigem Recht haftet die Behandlungsseite für Vertragsverletzungen nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff. BGB),84 so dass sich bei einer Beibehaltung der Rechtslage entgegen einiger Stimmen und Vorschläge, die bei einer Regelung der Patientenrechte spezielle Haftungsnormen für das Arzthaftungsrecht schaffen wollen,85 keine gesonderte Normierung des vertraglichen Arzthaftungsrechts empföhle. Problematisch könnte im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB indes die große Ähnlichkeit zwischen der Verletzung der Sorgfaltspflicht seitens der Behandler und dem Fahrlässigkeitsvorwurf sein.86 Häufig wird zwischen der Pflichtverletzung und dem Fahrlässigkeitsvorwurf nicht klar differenziert.87 Teilweise wird gar von Deckungsgleichheit ausgegangen.88 Im letzteren Fall wäre das Verschuldenserfordernis des § 280 Abs. 1 BGB reiner Formalismus und der Gesetzgeber sollte sich in Form einer gesonderten Regelung dazu bekennen, dass die Arzthaftung eine verschuldensunabhängige objektive Haftung ist.89 Hintergrund der Problematik ist, dass der Begriff der Sorgfalt sowohl im Rahmen der Pflicht (-verletzung) als auch typischerweise bei der Fahrlässigkeit als 82
Siehe: §§ 620 Abs. 1, 626, 627 BGB. A.A.: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1110, 1114). Ihr Regelungsvorschlag lautet: „§ 12: Das Vertragsverhältnis endigt, wenn die Parteien den Vertrag aufheben, eine Vertragspartei stirbt, die Behandlung abgeschlossen ist oder ein anderer Arzt die Behandlung übernommen hat. Arzt und Patient können den Vertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen. Soweit erforderlich, hat der Arzt jedoch die Behandlung fortzusetzen, bis der Patient andere ärztliche Hilfe erhält.“ 84 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 161. 85 Vgl.: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1108 f.); Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 43 f. 86 Dies rügt insbesondere: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 132, 166 ff. 87 Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 101; Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2531); beispielhaft sind die Ausführungen von: BGH, Urt. v. 29.6.1999 – VI ZR 24/98, VersR 1999, 1241 (1243); Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 68 ff.; Laufs, Arztrecht, Rdn. 473; Terbille, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 1 Rdn. 555 ff.; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 21 ff. 88 Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 109; vgl. auch: Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2535 f.). 89 Für eine verschuldensunabhängige Haftung für die Verletzung von Verhaltenspflichten: Brüggemeier, Deliktsrecht, Rdn. 106 ff., 114; Hirte, Berufshaftung, S. 108 f., 116, 141 f., 381, 491; Velten, Der medizinische Standard, S. 126; Hart, MedR 2003, 603 (608); ähnlich auch: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 169: „(…) wenn festgestellt ist, dass eine solche [vertragliche oder quasi-vertragliche] Pflicht bestand und dass gegen sie verstoßen worden ist, so steht damit auch die Fahrlässigkeit des Schädigers fest.“; kritisch dazu: Deutsch, NJW 1993, 1506 (1509). 83
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Verschuldensform maßgeblich ist.90 Die Frage nach der Abgrenzung der Sorgfaltspflicht zum Fahrlässigkeitsbegriff wird vor allem durch die Objektivierung des Fahrlässigkeitsbegriffs im Zivilrecht erschwert.91 Ferner hat die Schulrechtsmodernisierung die Unterscheidung zwischen Pflichtverletzung und Verschulden bei Dienstleistungen nicht vereinfacht, da der Gesetzgeber das allgemeine Leistungsstörungsrecht vornehmlich auf den Kauf- und Werkvertrag zugeschnitten und den freien Dienstvertrag außer Acht gelassen hat.92 Die Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich vor allem daraus, dass nach richtiger Ansicht die Pflichtverletzung grundsätzlich erfolgsbezogen zu verstehen ist.93 In der Nichterfüllung leistungsbezogener Haupt- oder Nebenpflichten ist regelmäßig bereits eine Pflichtverletzung im Sinn des § 280 Abs. 1 BGB zu sehen.94 So ist die Abgrenzung zwischen Pflichtverletzung und Verschulden im Hinblick auf die Leistungsstörung der Nichterfüllung beim Behandlungsvertrag noch einfach. Die Pflichtverletzung ist in dem (vorläufigen) Unterlassen der sorgfältigen Behandlung zu sehen, das Verschulden in dem Verhalten, das zum Ausbleiben der Leistung geführt hat. Hinsichtlich der Leistungsstörung der Schlechtleistung ist die Abgrenzung beim Dienstvertrag und im Speziellen beim Behandlungsvertrag ungleich schwieriger. Grundsätzlich gilt auch bei der Schlechtleistung, dass zur Feststellung der Pflichtverletzung die Darlegung bzw. der Beweis ausreicht, dass der geschuldete Erfolg nicht eingetreten ist.95 Die Fahrlässigkeit setzt demgegenüber voraus, dass das Ausbleiben des Erfolges objektiv voraussehbar und vermeidbar war.96 Im Kauf90 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 166; Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 115 m.w.N. 91 BGH, Urt. v. 13.2.2001 – VI ZR 34/00, NJW 2001, 1786 (1787); Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (274); vgl. auch: Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2535): „Dafür scheint auf den ersten Blick der im deutschen Zivilrecht herrschende, auch im Rahmen der Arzthaftung anerkannte objektive Fahrlässigkeitsmaßstab zu sprechen. (...) Wird aber schon die jeweilige Pflicht (notwendig) objektiviert und obendrein verhaltens- (und nicht erfolgs-) bezogen formuliert, ist zumindest auf den ersten Blick für den Bereich des Verschuldens kaum noch ein positiver Gegenstand denkbar, der nicht deckungsgleich mit demjenigen der Pflicht wäre.“; siehe zum objektiven und subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff: Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 14; siehe auch: Meder, Schuld, Zufall, Risiko, S. 177 ff. 92 Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 94 f.; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 2 Fn. 4; S. 110 Fn. 668; Hart, MedR 2003, 603 (607 f.). Das Problem ergibt sich nicht nur für den Bereich der Arzthaftung. Im Rahmen der Anwaltshaftung ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Pflichtverletzung und Verschulden; vgl. generell zur Zurückhaltung der Schuldrechtskommission im Hinblick auf Fragen der Leistungsstörung im Dienstvertragsrecht: Hirte, Berufshaftung, S. 176 ff. 93 Vgl. zur Erfolgsbezogenheit der Leistungspflichten: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 167; Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 97 f. 94 Vgl.: Lorenz, JuS 2007, 213 (214); Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (269 f.); Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2533). 95 Siehe zum Fehlerbegriff im Kauf-, Werk- und Mietrechts: Lieb, Dienstvertrag, S. 183 (212). 96 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 276 Rdn. 12, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Fahrlässigkeit „kein Element der Pflichtwidrigkeit“ ist, sondern „eine Schuldform“.
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recht ist dementsprechend für die Schlechtleistung als Pflichtverletzung ausreichend, dass die Kaufsache mangelhaft war.97 Das zur Pflichtwidrigkeit führende Verhalten als Grund für die Mangelhaftigkeit wird erst im Rahmen des Verschuldens relevant. Demgegenüber ist im Hinblick auf die Vertragshaftung der Behandlungsseite problematisch, dass im Arzthaftungsrecht nicht der schlechte Ausgang einer Behandlung Haftungsgrund sondern die fehlerhafte Behandlung selbst ist.98 Die Pflicht zur Behandlung ist nicht erfolgsbezogen. Die Behandlungsseite ist grundsätzlich zu einem Verhalten verpflichtet.99 Es ist anerkannt, dass derjenige, der (nur) zur Leistung von Diensten, also (nur) zu einem Verhalten verpflichtet ist, diese Leistung sorgfältig zu erbringen hat. er folglich diejenigen (Berufs-) Standards befolgen muss, deren Beachtung er zugesagt hat.100 Die Verletzung der Pflicht kann dementsprechend ebenfalls nur verhaltensbezogen bestimmt werden.101 Bei der Behandlung als Dienstleistung sind die Pflichtverletzungen in den Verletzungen von medizinischen Verhaltensstandards und Sorgfaltsgeboten zu sehen.102 Damit wird auf eine Begrifflichkeit zurückgegriffen, die auch auf der Ebene des Verschuldens relevant wird.103 Dennoch ist eine Deckungsgleichheit
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Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 104 f. 98 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 168, 184; Bäune/Dahm, MedR 2004, 645 (652). 99 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 168; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 105 (auf den Dienstvertrag bezogen), S. 106 ff. (auf den Behandlungsvertrag im speziellen bezogen); siehe auch: Schmidt, Wirtschaftliche Erwägungen im Arzthaftungsrecht, S. 61 f.; Deutsch, JZ 2002, 588 (590 f.). 100 Lieb, Dienstvertrag, S. 183 (209). 101 Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 128; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 109, 127; Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2533); Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (274); siehe auch: Lieb, Dienstvertrag, S. 183 (212): „Während im Werkvertragsrecht der Nachweis der Fehlerhaftigkeit wegen der dortigen Erfolgsgarantie bereits ausreicht, um wenigstens Nachbesserungsansprüche bzw. die Möglichkeit von Wandlung und Minderung auszulösen, ist dies im Dienstvertragsrecht selbst dann nicht möglich, wenn die Dienstleistung auf bestimmte verkörperte Ergebnisse ausgerichtet sein sollte. Dies deshalb, weil der zur Dienstleistung Verpflichtete für ein Misslingen nicht stets, sondern nur dann einzustehen hat, wenn es auf einer (zumindest objektiven) Sorgfaltspflichtverletzung beruht.“ 102 Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2533), führt beispielhaft „Fehlmaßnahmen in Form ungenügender Behandlung (Operationsfehler), Operationen zur Unzeit (etwa während einer Infektion des Patienten, ohne dass gleichwohl die Operation angezeigt war), Übermaßbehandlungen, Zurücklassen von Fremdkörpern im Operationsgebiet, die nachlässige Herbeiführung einer Infektion, die unterlassene Verlaufsbeobachtung und schließlich Informationsmängel“ an. 103 Lieb, Dienstvertrag, S. 183 (213): „(…) dennoch bestehen an der Möglichkeit einer solchen Differenzierung [zwischen Pflichtverletzung und Verschulden] bei genügend präziser Fragestellung (rechtstheoretisch ist hier ein erhebliches Defizit festzustellen) deswegen erhebliche Zweifel, weil die herrschende Definition der Fahrlässigkeit als Verschuldensmaßstab ausschließlich auf diejenigen Umstände und Kriterien abstellt, die bereits für die Feststellung des objektiven Tatbestandes der Pflichtverletzung gebraucht wurden und daher schon ‚verbraucht’ sind.“
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von der Verletzung einer Verhaltenspflicht und des Verschuldens abzulehnen.104 Dies zeigt sich bereits deutlich daran, dass bei vorsätzlichem Handeln oder Unterlassen die Sorgfaltspflichtverletzung nicht identisch mit der Schuld des Handelnden ist.105 Dies gilt ebenso für fahrlässiges Verhalten;106 wenn auch Pflichtverletzung und objektive Fahrlässigkeit in der Praxis regelmäßig zusammenfallen.107 Die Verobjektivierung des Fahrlässigkeitsbegriffs schwächt das Verschuldensprinzip, eliminiert es aber nicht.108 Es existieren durchaus Fälle, wenn auch wenige,109 in denen ein Arzt seine Pflicht zur sorgfältigen Behandlung verletzt, in der konkreten Situation aber nach objektiven Maßstäben nicht fahrlässig handelt.110 Mit dem Behandlungsfehler als Pflichtverletzung ist regelmäßig „nur ein Faktum festgestellt und noch keine Wertung ausgesprochen.“111 Allein aus dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers kann nicht auf eine Haftung des behandelnden Arztes geschlossen werden.112 Der entscheidende Unterschied zwischen der Verletzung der Sorgfaltspflicht und Fahrlässigkeit liegt in der Außerachtlassung der äußeren und inneren Sorgfalt.113 Wenn man die Einhaltung der äußeren Sorgfalt zur Verhaltensanforderung erhebt, bleibt im Rahmen der Zurechnung für die Prüfung der Fahrlässigkeit nur noch das innerlich sorgfältige Verhalten als spezifisches Fahr-
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Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 163. Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 115. 106 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 187 f.; Larenz, Schuldrecht I; S. 289 ff.; Medicus, in: Haas et al., Das neue Schuldrecht, § 3 Rdn. 4; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 14, 101 ff. 107 Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 72. 108 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 7; Katzenmeier, Arzthaftung S. 186; Larenz, Schuldrecht I, S. 289 ff.; Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 115. 109 Vgl.: Stolz, VersR 1978, 797 (798): „Ist strittig, ob ein ärztliches Fehlverhalten vorliegt, beschränkt sich der Streit (…) drauf, ob ein objektiver Fehler gegeben ist. Die Fälle, in denen nur strittig ist, ob ein objektiver Fehler vom Arzt auch subjektiv zu vertreten ist (Verschulden), liegen unter 1%.“; siehe auch: Spickhoff, NJW 2003, 1701 (1705). 110 Deutsch, NJW 1993, 1506 (1509). 111 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 277 Fn. 34. 112 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188; anders wohl: Fabarius, Äußere und innere Sorgfalt, S. 139; Hart, Jura 2000, 14 (18 f.); siehe auch: Hirte, Berufshaftung, S. 108 f., 380 ff. (insbesondere: S. 385 f.). 113 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 213 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188 f.; Weidinger, VersR 2002, 35 (37); ablehnend: Schmidt, Wirtschaftliche Erwägungen im Arzthaftungsrecht, S. 62; Velten, Der medizinische Standard, S. 19 f.; kritisch: Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 177; allgemein: BGH, Urt. v. 11.3.1986 – VI ZR 22/85, NJW 1986, 2757 f.; Wolf, in: Soergel, BGB, § 276 Rdn. 73; Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 94 ff., 465 ff.; vgl. auch: Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 367. Nach einer anderen Ansicht ist der Sorgfaltsmaßstab entscheidend. Danach ist für die Sorgfaltspflicht ein objektiv mögliches Höchstmaß des betreffenden Verkehrskreises maßgeblich und für das Verschulden ein situationsbezogener, berufsspezifischer Sorgfaltsmaßstab; so etwa: Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 120 f. Diese Ansicht wird insbesondere im Bereich der Anwaltshaftung vertreten: Henssler, JZ 1994, 178 (182 f.); Raiser, NJW 1991, 2049 (2053); siehe auch: Scheffler, NJW 1961, 577 (579 f.). 105
II. Begründung
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lässigkeitselement übrig.114 Ein pflichtgemäßes Verhalten wäre dementsprechend immer dann gegeben, wenn das Verhalten des Schuldners sachgemäß ist, also den Anforderungen einer bestehenden Verhaltensnorm entspricht oder er mit einer existierenden Gefahr für ein Rechtsgut in einer Art und Weise umgeht, die zur Bewahrung eben dieses Rechtsgutes erforderlich und angemessen ist.115 Im Hinblick auf die Arzthaftung ist folglich ein unsachgemäßes Verhalten eines Arztes regelmäßig dann zu bejahen, wenn dieser bei der Behandlung den Standard der Wissenschaft als Verhaltensnorm äußerlich wahrnehmbar missachtet;116 er beispielsweise dem über Bauchschmerzen klagenden Patienten gegen den ärztlichen Standard vor der Klärung der Ursache Schmerzmittel und Psychopharmaka gibt und der zum Absterben des Dünndarms führende Verschluss der Eingeweidearterie aufgrund der durch das Schmerzmittel und der Psychopharmaka unterdrückten Symptomatik unerkannt bleibt.117 Die Einhaltung der inneren Sorgfalt äußert sich demgegenüber in einem zweigeteilten intellektuell-emotionalen Vorgang:118 zum einen in der Erkenntnis der Norm, ihrer Tatbestandsmerkmale und der Tatumstände und zum anderen in dem Bemühen um das norm- bzw. sachgemäße Verhalten.119 Obwohl es sich hierbei nicht um einen äußerlich wahrnehmbaren Vorgang handelt, sind auch die Anforderungen an die innere Sorgfalt nach einem objektivtypisierenden Maßstab zu bestimmen.120 Die Kritik, dass für eine Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sorgfalt faktisch kein Raum bestehe,121 ist in ihrer Allgemeinheit nicht berechtigt. Die innere Sorgfalt umfasst im Gegensatz zur äußeren, die auf das äußerlich wahrnehmbare Verhalten abstellt, die Anforderungen, die generell und objektiv an das innere Verhalten eines Angehörigen des betroffenen Verkehrskreises gestellt werden. So handelt eine Krankenschwester, die dem Patienten, auf eine fehlerhafte Dosierungsanleitung oder Etikettierung des Herstellers vertrauend, eine tödliche Dosis eines Medikamentes injiziert, zwar äußerlich sorgfaltswidrig, jedoch nicht innerlich sorgfaltswidrig, wenn die Fehldosierung für eine sich um sachgerechtes Verhalten bemühende Krankenschwester nicht erkennbar gewesen war. Die Verobjektivierung dahingehend, dass aus der Haftung nicht entlassen wird, wer aufgrund seiner individuellen körperlichen oder 114
Deutsch, JZ 2002, 588 (591). Zur Begrifflichkeit der äußeren Sorgfalt: Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 385; Huber, in: Forsthoff/Weber/Wieacker, FS für Huber, S. 253 (265); Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandards im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 95; Deutsch, NJW 1993, 1506 (1508); vgl.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 168 f., 177. 116 Walter, und Sorgfaltsstandards im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 95 f.; siehe auch: Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 169. 117 OLG Nürnberg, Urt. v. 8.7.1987 – 4 U 3360/86, VersR 1988, 1050 (1051). 118 Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 95 f.; ders., Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 388; Deutsch, NJW 1993, 1506 (1508). 119 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 388; Walter, und Sorgfaltsstandards im Arztund Anwaltshaftungsrecht, S. 96. 120 Anders: Huber, in: Forsthoff/Weber/Wieacker, FS für Huber, S. 253 (269 ff.). 121 Brüggemeier, Deliktsrecht, Rdn. 113; Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 120; Lieb, Dienstvertrag, S. 183 (213); Wendt, Die ärztliche Dokumentation, S. 156 ff. (insbesondere S. 162); Velten, Der medizinischer Standard, S. 18 ff.; gegen die Begrifflichkeit der äußeren und inneren Sorgfalt: Larenz, Schuldrecht I, S. 290 f. 115
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geistigen Struktur die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens verkennt,122 erschwert zugegebenermaßen die Trennung zwischen äußerer und innerer Sorgfalt erheblich.123 Auch kann nicht außer Acht gelassen werden, dass innere Sorgfaltspflichten recht einfach in äußere umgewandelt werden können, indem man sie formalisiert.124 So achtet ein sorgfältiger Arzt im Rahmen einer Operation darauf, dass er weder Tupfer noch medizinische Instrumente in der Operationswunde zurücklässt. Dieses Gebot, sich um ein sachgemäßes Verhalten zu bemühen, wird durch den Richter in ein Gebot der äußeren Sorgfalt modifiziert, wenn er leitsatzartig feststellt, dass ein verantwortungsbewusster Arzt das Vergessen von Tupfern oder medizinischen Instrumenten verhindert, indem er eine Armierung eben dieser durchführt.125 Dementsprechend müsste bereits in der Nicht-Armierung eine Pflichtverletzung des Arztes gesehen werden. Der Unterschied zwischen inneren und äußeren Sorgfaltspflichten kann mithin sehr gering sein. Dennoch lässt sich daraus noch kein tragfähiges Argument für die Aufgabe der Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sorgfalt ableiten.126 Dass die Außerachtlassung der äußeren Sorgfalt in Form des Verstoßes gegen Verhaltensnormen der Pflichtwidrigkeit zugeordnet wird und die Außerachtlassung der inneren Sorgfalt in Form der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des pflichtwidrigen Verhalten dem Verschulden, wird gerade durch die unterschiedlichen Funktionen und Inhalte von Rechtswidrigkeit und Schuld gestützt. Mit Hilfe der Rechtswidrigkeit wird ein Unrechtsurteil ausgesprochen und auch im Zivilrecht die Grenzen des Notwehrrechts festgelegt.127 Es wird generell erwartet, dass sich der Schädiger nicht gegen die Rechtsordnung stellt, sondern sich pflichtgemäß an die vertraglichen Vereinbarungen hält. Eine unsachgemäße Behandlung ist als Unrecht zu bewerten.128 Dass die Pflichtwidrigkeit im konkreten Fall für niemanden objektiv vorhersehbar oder vermeidbar war, kann nicht zur Rechtmäßigkeit des Verhaltens führen, sondern kann dem Schädiger lediglich nachgesehen werden.129 Schließlich hat er das 122
Von Bar, Verkehrspflichten, S. 177 ff. Huber, in: Forsthoff/Weber/Wieacker, FS für Huber, S. 253 (266 f.). 124 Huber, in: Forsthoff/Weber/Wieacker, FS für Huber, S. 253 (266); Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 113; weitergehend: Wendt, Die ärztliche Dokumentation, S. 158, die ausführt, dass sich die Anforderungen an das äußerlich sorgfältige Verhalten nur bestimmen ließen, indem man ermittele, welche innere Sorgfalt vom besonnen und gewissenhaften Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreis erwartet werde. 125 Huber, in: Forsthoff/Weber/Wieacker, FS für Huber, S. 253 (266); vgl.: BGH, Urt. v. 16.10.1956 – VI ZR 308/55 NJW 1956, 1834 (1834). 126 So aber: Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdn. 120; in der Sache zutreffend: Huber, in: Forsthoff/Weber/Wieacker, FS für Huber, S. 253 (267): „Dies Argument, das den klarsten Unterschied, wie zwischen Tag und Nacht, durch den Hinweis auf die Dämmerung leugnen könnte, beruht in seiner allgemeinen Form auf einem Trugschluss und ist, wie für alle praktischen, so auch für alle theoretischen Zwecke ganz unbrauchbar.“ 127 Vgl.: Wolf, in: Soergel, BGB, § 276 Rdn. 36. 128 Schramm, Der Schutzbereich der Norm im Arzthaftungsrecht, S. 96 ff. 129 Dagegen wohl: Wendt, Die ärztliche Dokumentation, S. 162 f., nach der die verhaltensbezogene Rechtswidrigkeit/ Pflichtwirdrigkeit in der verobjektivierten Fahrlässigkeit aufgeht. 123
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pflichtgemäße Verhalten versprochen und nicht der Geschädigte. Wenn ein durchschnittlicher, besonnener und gewissenhafter Angehöriger seines Verkehrskreises die Folgen des Verhaltens ebenso wenig hätte erkennen und diese auch nicht durch die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen hätte vermeiden können, kann ihm die Pflichtwidrigkeit lediglich nicht vorgeworfen werden. Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass menschliches Verhalten bewertet wird und nicht das technisch einwandfreie Funktionieren einer Maschine.130 Auch ist es unerheblich, dass im Strafrecht die objektive Zurechnung zum Tatbestand gehört und eben nicht zur Schuld. Das Strafrecht verfolgt andere Zwecke als das Zivilrecht, nämlich: Sühne und Spezialprävention, so dass im Bereich der Schuld die individuelle Vorwerfbarkeit wesentlich ist.131 Im Zivilrecht geht es demgegenüber vorrangig um eine angemessene Schadenverteilung.132 Wer die innere Sorgfalt selbst oder ihre eigenständige Bedeutung gegenüber der äußeren Sorgfalt verneint, negiert auch das Verantwortungsmoment der zivilrechtlichen Zurechnung.133 Richtig ist vielmehr, dass die Nichteinhaltung der äußeren Sorgfalt die Verletzung der inneren regelmäßig indiziert.134 Dies spricht wiederum für eine Zuordnung der äußeren Sorgfalt zur Pflicht und der inneren Sorgfalt zum Verschulden, die dementsprechend mit der Beweislastverteilung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vereinbar und damit zweckmäßig wäre.135 Dementsprechend kann zwischen der Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Behandlungsseite und dem Fahrlässigkeitsvorwurf unterschieden werden. An dem Verschuldensprinzip ist ferner festzuhalten. Es wirkt sowohl haftungsbegründend als auch -begrenzend und ist unerlässlich für die Berufsausübung der Ärzte.136 Es hält diese dazu an, sich sorgfältig und verantwortungsbewusst zu verhalten, schränkt sie aber zugleich nicht insoweit ein, als dass sie ihre Wagnisbereitschaft verlieren.137 § 280 Abs. 1 S. 1 BGB ist als Haftungsnorm für die Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Behandlung passend. Ein Bedürfnis für eine spezielle Regelung besteht insoweit nicht. Dem steht auch nicht entgegen, dass vor der Schuldrechtsreform die Verschuldensvermutung des § 282 BGB a.F. nach der Rechtsprechung grundsätzlich keine entsprechende Anwendung fand.138 Danach war die Behandlungsseite außerhalb 130
Ähnlich: Pelz, in: Laufs et al., Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 41 (48). Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rdn. 190 ff. m.w.N. 132 Conradi, Verknappung medizinischer Ressourcen und Arzthaftung, S. 35. 133 Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (903). 134 BGH, Urt. v. 17.3.1981 – VI ZR 191/79, BGHZ 80, 186 (199); Urt. vom 11.3.1986 – VI ZR 22/85, NJW 1986, 2757 (2758); OLG Celle, Urt. v. 11.9.1996 – 9 U 43/96, NJW-RR 1997, 533; OLG Hamm, Urt. v. 30.10.1995 – 6 U 199/94, NVZ 1996, 147 (148); LG Karlsruhe, Urt. v. 16.3.2007 – 3 O 250/06, BeckRS 2007 16779; Weidinger, VersR 2004, 35 (37); siehe: Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2536), der anmerkt, dass dieser Rückschluss von der Rechtsprechung gerade im Arzthaftungsrecht vorgenommen wird. 135 So: Deutsch, JZ 2002, 588 (591). 136 Ähnlich: Deutsch, NJW 1993, 1506 (1510); ders., JZ 2002, 588 f. 137 Vgl. die allgemeinen Ausführungen zu Funktion des Verschuldensprinzip als Haftungsgrund und Haftungsbegrenzung von: Deutsch, AcP 202 (2002), 889 (892 f.). 138 Siehe: BGH, Urt. v. 17.12.1968 – VI ZR 212/67; NJW 1969, 553 (554); Urt. v. 15.3.1977 – VI ZR 201/75, Urt. v. 24.6.1975 – VI ZR 72/74, NJW 1977, 1102 (1103); Urt. v. 10.3.1981 – VI ZR 202/79, NJW 1981, 2002 (2004); Urt. v. 18.12.1990 – VI ZR 169/90, 131
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des Bereichs der voll beherrschbaren Risiken für das Fehlen des Verschuldens nicht beweisbelastet.139 Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Besonderheiten des Vertragsgegenstandes nicht außer Acht gelassen werden könnten. Der lebende Organismus sei unberechenbar. Krankheitsverläufe könnten sich auch schicksalhaft entwickeln. Auch für die Behandlungsseite existierten angesichts der Komplexität des menschlichen Organismus Beweisnöte.140 Die für den Patienten ungünstige Beweislage rechtfertige sich aus dem Gedanken, dass der Arzt keinen Erfolg schulde und dass das mit der medizinischen Behandlung stets verbundene Eingriffsrisiko in erster Linie krankheitsbedingt sei und damit aus der Sphäre des Patienten käme.141 Von einem ausbleibenden (Heilungs-) Erfolg könne nicht auf ein Verschulden des Arztes geschlossen werden.142 Auch der Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts spricht sich gegen eine Beweislastumkehr aus: „Nach geltendem Recht liegen Behauptungs- und Beweislast für das Nichtvertretenmüssen auch in den meisten Fällen der positiven Forderungsverletzung beim Schuldner, freilich mit einigen Ausnahmen, etwa bei der Arzthaftung (…). Doch sind diese Ausnahmen nach Auffassung der Kommission einer gesetzlichen Regelung zumindest derzeit nicht zugänglich. Daher muss die Verteilung der Behauptungs- und Beweislast einstweilen ohne Ausnahme formuliert werden. Doch soll dies keine Absage an die bisher geübte Praxis bedeuten (…).“143 Die Kommission beabsichtigte folglich nicht, die Beweislastverteilung im Rahmen des vertraglichen Arzthaftungsrechts zu ändern. Jedoch ist die Meinung einer bloß gesetzesvorbereitenden Kommission nach der Methodenlehre nicht bindend. Auch bleibt fraglich, warum diese keinen gesetzlichen Ausnahmetatbestand zu § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vorgeschlagen hat. Die Begründung der Kommission, die Ausnahme sei einer gesetzlichen Regelung nicht zugänglich gewesen,144 ist nicht aussagekräftig. In den Gesetzesmaterialien selbst finden sich keine ähnlichen Ausführungen zur Arzthaftung.145 Ferner vermag die (schon zu § 282 BGB a.F. vertretene) Ansicht, dass die Beweislast für das Verschulden grundsätzlich
NJW 1991, 1540 (1541); Urt. v. 6.10.1998 – VI ZR 239/97, NJW 1999, 860 (861); zustimmend: Schmid, NJW 1994, 767 (771); Weber, NJW 1997, 761 (762 f.); Müller, NJW 1997, 3049. 139 Vgl. zur damaligen Rechtslage: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 482 f.; ders., VersR 2002, 1066 m.w.N. 140 BGH, Urt. v. 14.3.1978 – VI ZR 213/76, NJW 1978, 1681; Urt. v. 22.1.1980 – VI ZR 263/78, NJW 1980, 1333. 141 BGH, Urt. v. 22.1.1980 – VI ZR 263/78, NJW 1980, 1333; Weber, NJW 1997, 761 (767). 142 BGH, Urt. v. 15.3.1977 – VI ZR 201/75, NJW 1977, 1102 (1103); Urt. v. 14.3.1978 – VI ZR 213/76, NJW 1978, 1681; Urt. v. 8.1.1991 – VI ZR 102/90, NJW 1991, 1540 (1541); Weber, NJW 1997, 761 (767); Müller, NJW 1997, 3049. 143 BMJ, Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 130; kritisch dazu: Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2532). 144 BMJ, Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 130; kritisch dazu: Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2532). 145 Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (274).
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beim Patienten liege,146 nicht zu überzeugen.147 Indem man argumentiert, dass die Behandlungsseite keinen Erfolg schuldet, vermengt man (abermals) Aspekte der Pflichtverletzung und der Kausalität mit solchen des Verschuldens. Die Tatsache, dass die Behandlungsseite nur ein Verhalten schuldet und ein Gesundheitsschaden aufgrund der Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus schicksalhaft eintreten kann, spricht gegen eine generelle Fehler- und Kausalitätsvermutung,148 jedoch nicht gegen eine Verschuldensvermutung.149 Anknüpfungspunkt letzterer ist schließlich nicht der ausbleibende Heilungserfolg, sondern ein feststehender Behandlungsfehler, der grundsätzlich vom anspruchstellenden Patienten dargelegt und bewiesen werden muss. Dann aber erscheint es nicht unsachgemäß, der Behandlungsseite der allgemeinen Gesetzeslage entsprechend die Darlegungs und Beweislast für das Nicht-Vertretenmüssen aufzuerlegen.150 Zumal es der Behandlungsseite eher als dem Patienten möglich sein sollte, Ausführungen zum vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhalten, insbesondere zur Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des eingetretenen Schadens, zu machen.151 Zudem ist nicht ersichtlich, warum die Behandlungsseite im Gegensatz zu anderen Vertragsschuldnern, denen bei einer festgestellten Pflichtverletzung die Beweislast für ihr fehlendes Verschulden obliegt, haftungsrechtlich derart zu privilegieren ist.152 Die Unberechenbarkeiten des menschlichen Organismus können diesbezüglich, wie bereits aufgezeigt, nicht als Rechtfertigung dienen.153 Steht eine Pflichtverletzung des Arztes in Form eines Behandlungsfehlers fest, muss der Behandler wie jeder andere Schuldner beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.154 Damit spricht auch die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht gegen eine Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB auf Pflichtverletzungen im Behandlungsverhältnis. Auch ist eine Normierung einer mit § 619a BGB vergleichbaren Ausnahmeregelung nicht notwendig. Allerdings könnte der Gesetzgeber unter Zuhilfenahme einer speziellen haftungs-rechtlichen Regelung versuchen, die Verhaltensgeltung auf Seiten der Behandler durch die gesetzestypische Möglichkeit der „Sanktion“ als motivierenden Faktor zu erhöhen. Insbesondere dem Haftungsrecht wird innerhalb des Privatrechts die Funktion zur Verhaltenssteuerung und Prävention zugesprochen.155 Der 146
BGH, Urt. v. 14.3.1978 – VI ZR 213/76, NJW 1978, 1681; Urt. v. 22.1.1980 – VI ZR 263/78, NJW 1980, 1333; Urt. v. 8.1.1991 – VI ZR 102/90, NJW 1991, 1540 (1541); Müller, NJW 1997, 3049 (3049); Schmid, NJW 1994, 767 (771). 147 Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 461 ff. 148 Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1068 f.). 149 Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1069). 150 Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1069). 151 Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1069); Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (274). 152 Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1068 f.). 153 Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1068 f.). 154 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 161; Bäune/Dahm, MedR 2004, 645 (652); Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1069); a. A.: Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 803; Keilmann, Dem Gefälligen zur Last, S. 198 f. 155 Schäfer/Ott, in: dies., Die Präventivwirkung zivil- und strafrechtlicher Sanktionen, S. 131; dies., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Rechts, S. 126 ff.; Scheel, Versicherbarkeit und Prävention, S. 120; Steindorff, Freie Berufe, S. 19: „Zivilrecht wird mehr und
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
homo oeconomicus bezieht als Adressat effektiver Haftungsnormen potentielle Schadensersatzverpflichtungen in seine Kosten-Nutzen-Rechnung ein. Sind die Schadensersatzverpflichtungen wahrscheinlich und fallen ihre „Kosten“ höher als die der Schadensvermeidung aus, wird der Normadressat nach der ökonomischen Analyse des Rechts mit der „Ressource“ Leben und Gesundheit verantwortungsbewusster umgehen und versuchen, Schäden zu vermeiden. Eine effiziente Verschärfung der Haftung veranlasste den potentiellen Schädiger dementsprechend zu höheren Anstrengungen und zur Ausgabe höherer Kosten zur Schadensvermeidung.156 Bereits die bloße Betonung der bisherigen Haftungsregeln könnte zu einer verbesserten Informationslage über die Kosten einer schuldhaften Pflichtverletzung und damit zu einem stärkeren Bemühen um Schadensminimierung führen. Indes ist die Präventionsfunktion des Haftungsrechts innerhalb der Rechtswissenschaft nicht allgemein anerkannt.157 Eine pauschale Unterstellung von haftungsrechtlicher Präventionswirkung soll hier jedoch ebenso unterbleiben wie das Abstreiten jeglichen Einflusses des Haftungsrechts auf das Verhalten der Normadressaten. Das Axiom des homo oeconomicus ist eine Modellannahme, aus der Rückschlüsse auf die Realität gezogen werden können. Auch kann an dieser Stelle dahinstehen, ob Prävention eine Hauptaufgabe158 oder eine Nebenwirkung des Haftungsrechts159 ist. Potentielle Schadensersatzverpflichtungen setzen in diesem Bereich jedenfalls Anreize für Verhaltensänderungen dahingehend,160 dass als Schutz vor einer Haftung Verhaltensgrundsätze festgelegt und Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von Fehlern getroffen werden.161 So verfügen Krankenhäuser heute zur Minimierung des Haftungsrisikos über spezifische RisikomanagementProgramme, die auch zu einer strukturellen Verbesserung des Behandlungsalltags führen.162 Ferner sei auf die Implementation der Aufklärung und Dokumentation im Behandlungsalltag hingewiesen,163 wobei die durch die Rechtsprechung ausgebildeten Grundsätze hier nicht gänzlich unkritisch zu sehen sind. Die wesentlimehr als Steuerungsmittel für freie Berufe empfohlen, namentlich im Bereiche der Schadensersatzhaftung bei positiver Vertragsverletzung durch Schlechtleistung oder Delikt.“; dagegen: Marburger, AcP 192 (1992), 1 (30 f.). 156 Vgl.: Scheel, Versicherbarkeit und Prävention, S. 114 f. m.w.N.; ausführlich zu den drei möglichen Verhaltensfolgen von Haftungsnormen: Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 152 f. m.w.N. 157 Für eine präventive Wirkung des Haftungsrechts: Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, S. 3 ff., 193; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 126 f.; Koch, JZ 1999, 922 (927 f.); Wagner, JZ 1991, 175 (176 ff.); dagegen: Wolf, Kritische Justiz 1991, 351 (358 f.). 158 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 127 m.w.N.; Wagner, AcP 206 (2006), 352 (451 ff.); zum Bedeutungsgewinn des Präventionsgedankens im Haftungsrecht siehe auch: Körner, NJW 2000, 241 ff. 159 Laufs, Unglück und Unrecht, S. 15. 160 Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 172. 161 Dunz, Aktuelle Fragen zum Arzthaftungsrecht, S. 66 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 252 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 125 ff.; Koch, JZ 1999, 922 (924, 928). 162 Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 172. 163 Laufs, Unglück und Unrecht, S. 14.
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che Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Steuerung der Normadressaten durch Haftungsrecht ist dabei nicht allein die Angst vor „Sanktionen“, sondern gerade, dass die Normadressaten die Folgen ihres Verhaltens abwägen und in Folge dessen darüber entscheiden können, ob und wie sie sich verhalten wollen.164 Dies ist vor allem im klinischen Bereich bei der Organisation, der Einführung neuer Behandlungsmethoden und bei der apparativen Ausstattung möglich.165 In Situationen akuter Gefahr wird das Haftpflichtrecht hingegen eine präventive Wirkung nicht entfalten können.166 Darüber hinaus werden fahrlässige Behandlungsfehler unabhängig von tiefenpsychologischen Erkenntnissen über fahrlässiges Handeln167 nur in einem geringen Umfang durch eine etwaige Haftung reduziert werden.168 Ferner kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Arzt-Patienten-Beziehung eine Vertrauensbeziehung ist. Eine besondere Betonung von Schadensersatzverpflichtungen als „Sanktionen“ ist gerade mit der partnerschaftlichen Arzt-Patienten-Beziehung nicht vereinbar.169 Schon heute fühlen sich manche Ärzte durch die Führung von Haftpflichtprozessen stigmatisiert und empfinden sie als Demütigung.170 Wenn es gelänge den Ärzten zu verdeutlichen, dass bei ihrem Berufsrisiko Fehler aus Fahrlässigkeit passieren können, dass nach der gesetzlichen Risikoverteilung bereits leichte Fahrlässigkeit grundsätzlich zur Haftung führt und dass ein Haftpflichtprozess nicht ein Angriff auf ihre Reputation und auf sie persönlich ist, könnte sich die Fehlerkultur und das Fehlermanagement auf Seiten der Ärzte 164
Hirte, Berufshaftung, S. 322; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 251; Koch, JZ 1999, 922 (924 f.); Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (139). 165 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 251; insoweit anerkennend: Laufs, Unglück und Unrecht, S. 14, mit dem Hinweis, dass die höchstrichterlichen Maßgaben aus Arzthaftpflichtprozessen zur Patientenaufklärung und zur Dokumentation den klinischen Alltag durchaus einschneidend verändert haben; ders., NJW 1996, 2413. 166 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 252; Laufs, Unglück und Unrecht, S. 15; Weyers, Unfallschäden, S. 467 f.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (139) m.w.N. 167 Siehe dazu: Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 760 m.w.N.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 252. 168 Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 172; siehe auch: Weyers, in: Ständige Deputation des DJT, Verhandlungen des 52. DJT, Bd. I, S. A 86; vgl.: Ott/Schäfer, in: dies. Die Präventivwirkung zivil- und strafrechtlicher Sanktionen, S. 131 (134), die der zivilrechtlichen Haftung bei „medizinischen Unfällen“ nur eine geringe Abschreckwirkung attestieren. 169 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 150; anders wohl: Steindorff, Freie Berufe, S. 19. 170 Ries et al., Arztrecht, S. 185: „Das Risiko, letztlich wirtschaftlich für Schmerzensgeldund Schadensersatzforderungen aufkommen zu müssen, ist wegen des regelmäßig bestehenden Schutzes durch eine Berufshaftpflichtversicherung vergleichsweise gering. Und doch zeigt die Praxis, dass Ärzte stark unter Vorwürfen von Patienten leiden. Der Angriff auf die Berufsehre schmerzt.“ Erschwerend kam hinzu, dass es dem Arzt bis zur VVG-Reform, die am 1.1.2008 in Kraft trat, nach Nr. 25.3. AHB 2004 untersagt war, ohne vorherige Zustimmung seines Versicherers einen Haftpflichtanspruch anzuerkennen. Bereits bei grob fahrlässiger Verletzung dieser Obliegenheit musste der Arzt nach Nr. 26.2 AHB 2004 mit dem Verlust seines Versicherungsschutzes rechnen. Nunmehr ist nach § 105 VVG n.F. ene Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, unwirksam.
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
verbessern.171 Die gesonderte Normierung von „Sanktionen“ für Pflichtverletzungen im Behandlungsverhältnis setzte hingegen ausdrücklich ein gegenteiliges Signal und vermittelte den Ärzten in einem noch höheren Maße ein Gefühl der Stigmatisierung. Im Hinblick auf die eigenen Fehler werden die Ärzte insofern eher zu einer defensiven Strategie im Vorfeld und während eines Prozesses verleitet. Ein Beispiel für solche defensive Reaktionen sind etwa die amerikanischen Liability Prevention Programs.172 Insbesondere eine Haftungsverschärfung förderte eher die Defensivmedizin und bedingte eine Zunahme der Behandlungsdokumentation, als dass dadurch zugleich die Anzahl von Behandlungsfehlern maßgeblich zurückginge.173 Die durch das Haftungsrecht erzielbaren Verhaltensänderungen werden dem Ziel effizienteren Verhaltens, wie dieses Beispiel zeigt, nicht grundsätzlich gerecht.174 Jedoch stellt sich Defensivmedizin nicht nur als volkswirtschaftlich nachteilig dar, sondern hat auch negative Auswirkungen auf die medizinische Versorgung des einzelnen Patienten. Darüber hinaus widerspricht es nicht nur dem partnerschaftlichen Verständnis des Behandlungsverhältnisses, sondern auch der Logik, auf der einen Seite stärkere „Sanktionen“ oder deren Betonung zu verlangen und auf der anderen Seite zugleich auf eine gute Zusammenarbeit mit den Behandlern bei der Fehleraufklärung zu hoffen. Aus diesem Grund haben Finnland und die Niederlande bewusst auf die spezielle Normierung von „Sanktionsnormen“ verzichtet.175 Diesem Beispiel sollte der Gesetzgeber bei einer Entscheidung für eine gesetzliche Regelung folgen. Vor allem darf im Hinblick auf die im Behandlungsverhältnis regelmäßig tangierten Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit nicht außer Acht gelassen werden, dass das Präventionsziel für die ökonomische Analyse des Rechts nur in der Verhinderung ineffizienter Kosten besteht.176 Eine Inkaufnahme von kosteneffizienten Pflichtverstößen kann aus ethi171
Franzki/Franzki, in: Jung/Schreiber, Arzt und Patient zw. Therapie und Recht, S. 177 (183). 172 Vgl. zur Entwicklung der Defensivmedizin in Amerika: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 44 ff. m.w.N.; vgl. die Fehlentwicklungen im Bereich der Geburtshilfe: In Deutschland gilt die Geburtshilfe bei den Versicherungen inzwischen als Großschadensrisiko. Ecclesia hat errechnet, dass die Versicherungen über 440 Millionen Euro aufbringen müssen, um Geburtshilfeschäden zu begleichen. In der Inneren Medizin, bei der es circa 20 Prozent mehr Anspruchsanmeldungen gibt, liegt der Aufwand „nur“ bei 100 Millionen Euro. Im Durchschnitt liegt die Versicherungsprämie pro Bett bei 800 Euro im Jahr. Krankenhäuser mit einer relativ großen Geburtsabteilung liegen bei 1200 Euro; siehe: Ludwig, Der Spiegel 31/2009, S. 122. Auch die Haftpflichtprämie für freiberufliche Hebammen steigt stetig und beläuft sich seit dem 1.7.2010 auf 3.689 Euro. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 64 Prozent. Rund zehn Prozent der freiberuflichen Hebammen haben sich nach Aussagen des Hebammenverbandes seit dem 1.7.2010 aus der Geburtenhilfe zurückgezogen, ebenso wie zehn Prozent der Geburtenhäuser; vgl.: Lauer, FAZ Nr. 261 vom 9.11.2010, S. 4. 173 Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 172; ähnlich: Hirte, Berufshaftung, S. 325. 174 Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 172. 175 Vgl. die Ausführungen unter II.1.a) und II.2.a) im dritten Kapitel. 176 Vgl.: Hirte, Berufshaftung, S. 517: „Der fahrlässig Handelnde wird deshalb [zur Verhütung von Schäden] mit einer Ersatzpflicht bedroht, weil er der cheapest cost avoider ist, weil er am ehesten volkswirtschaftliche Schäden vermeiden kann. Der entscheidende Unterschied der ökonomischen Definition zum geltenden deutschen Recht liegt dabei darin,
II. Begründung
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scher und juristischer Sicht in diesem Bereich jedoch nicht toleriert werden.177 Die Heilung von Krankheiten, das Leiden und das Sterben lassen sich nicht in ökonomische Algorithmen übertragen. Die Rechtsgüter Gesundheit und Leben sollten sich dem ökonomischen Kalkül entziehen. Im Übrigen führte eine besondere Betonung durch einen speziellen Schadensersatzanspruch zu inneffizienten Doppelregelungen. Die Behandlungsseite haftet kumulativ nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht in Verbindung mit dem Behandlungsvertrag und nach dem Recht der unerlaubten Handlung. Insbesondere ein spezielles Leistungsstörungsrecht ist nach der Methodik und Systematik des BGB nicht erforderlich. Gemäß dem auf der Pandektistik beruhenden System des deutschen BGB werden die allgemeinen Regelungen den besonderen gliederungstechnisch vorangestellt.178 Auf diese Weise wird auch die Haftung für fehlerhafte Dienstleistungen über die allgemeinen §§ 280 ff. BGB begründet. Aus dem Umstand, dass im Rahmen des Kaufrechts und des Werkvertragsrecht ein spezielles Gewährleistungsrecht existiert, können keine Rückschlüsse auf das Behandlungsverhältnis gezogen werden. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Schuldrechtsreform versucht, das Gewährleistungsrecht des Kaufrechts und des Werkvertragsrechts in das allgemeine Leistungsstörungsrecht zu integrieren.179 Es wäre bei diesen Bemühungen des Reformgesetzgebers widersinnig, nunmehr neues und spezielles Leistungsstörungsrecht für den Behandlungsvertrag zu schaffen.
dass die Fahrlässigkeitsdefinition nach Learned Hand die Schadensersatzhaftung auf die Kosten der Prävention begrenzt.“; Sailer, Prävention im Haftungsrecht, S. 157 ff.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (139 f.); vgl. ferner: Schmid, Zur sozialen Wirklichkeit des Vertrages, S. 168 f., der ausführt, dass die vertragsrechtlichen Sanktionen für einen Vertragsbruch nicht so stark sind, um den Schädiger von seinem Verhalten abzuhalten, sofern dieser es für effizient erachtet. 177 Anders: Sailer, Prävention im Haftungsrecht, S. 242; siehe auch: Thüsing, ZRP 2001, 126 (128): „Letzterer [der Vertragsbruch] kann vielmehr ein effizienter Vertragsbruch sein, der nicht bestraft werden sollte, und von dem auch nicht abzuschrecken ist, sondern der vielmehr von der Rechtsordnung erwünscht und gefördert ist: Wenn die Kosten der Vertragserfüllung größer sind als das Interesse, das der Gläubiger an ihr hat, dann ist es sinnvoll, statt der Vertragsdurchführung Schadensersatz zu leisten.“; differenziert: Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Rdn. X 37. 178 Olzen, in: Staudinger, BGB, Einl zum SchuldR, Rdn. 115, 118. 179 Dauner-Lieb, in: dies. et al., Das neue Schuldrecht, § 2 Rn. 20; dies./Thiessen, DStR 2002, 809 (811); für das Gewährleistungsrecht des Kaufvertrages: RegE, BT-Drucks 14/6040 S. 94; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 12 Rdn. 3; Westermann, NJW 2002, 241 (242); für das Gewährleistungsrecht des Werkvertrages: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 18 Rdn. 7; Raab, in: Dauner-Lieb et al., Das neue Schuldrecht, § 9 Rdn. 17.
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2. Einzelne Regelungsvorschläge a) Wahl des Titels „Dienstvertrag; Behandlungsvertrag“ Durch den Titel „Dienstvertrag; Behandlungsvertrag“ soll in Abkehr zum Titel 9 „Werkvertrag und ähnliche Verträge“ deutlich werden, dass eine stetige Erweiterung des BGB durch neue Vertragstypen abgelehnt wird. b) Zu § 630a >Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag< Mit § 630a Abs. 1 S. 1 soll klargestellt werden, dass sich die Regelungen über den Behandlungsvertrag nicht nur auf den (Zahn-) Arztberuf beziehen. Es soll kein Sonderrecht für Ärzte geschaffen werden.180 So erbringen zum Beispiel auch Hebammen und Diplom-Psychologen medizinische Dienste.181 Die Angehörigen dieser Gesundheitsfachberufe können ebenfalls freiberuflich tätig werden und mit ihren Patienten Verträge schließen.182 Sie handeln gegenüber dem Patienten ebenfalls im Sinne des medizinischen Behandlungsziels und unterstützen die Heilkunde durch ihre Tätigkeit (un-) mittelbar. So schuldet etwa die Hebamme die Betreuung der werdenden Mütter während der Schwangerschaft und bei der Entbindung sowie die Versorgung von Mutter und Kind nach der Geburt. Der Tätigkeitsbereich des (Diplom-) Psychotherapeuten ist die Diagnose und Behandlung von psychischen und psychosomatischen Störungen mit Krankheitswert bei Menschen mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren. Die Gemeinsamkeit dieser Berufe liegt darin, dass die Berufsangehörigen ihre Tätigkeit im Rahmen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ausüben und insofern auf den menschlichen Organismus einwirken. Das Argument, dass der Vertragsgegenstand des Behandlungsvertrags hauptsächlich in der Anwendung der professionellen Medizin und der wissenschaftlichen Erprobung medizinischer Maßnahmen zu sehen sei,183 vermag nicht zu überzeugen. Sowohl der Diplom-Psychologe als auch die Hebamme haben eine berufliche Ausbildung durchlaufen und wenden professionell medizinische Maßnahmen an; mögen diese gleichwohl regelmäßig weniger invasiv sein als ärztliche Maßnahmen. Ferner sind die Angehörigen der medizinischen Hilfsberufe in Anbetracht der tangierten Rechtsgüter ebenfalls in dem sensiblen und bedeutenden Bereich der Gesundheitsversorgung tätig. Sie stehen ebenso wie behandelnde Ärzte den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus gegenüber. Dass die meisten der für den Arzt geltenden Regeln nur teilweise auf nicht-ärztliches Personal anwendbar sein sollen,184 ist in dieser Allge180
So auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1094), die letztlich doch nur den Arzt und den Patienten berechtigen und verpflichten (S. 1055); Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 27. 181 Ebenfalls für die Einbeziehung des Diplom-Psychotherapeuten in den Behandlungsvertrag: Schünemann, NJW 1982, 2027 (2030 f.); weitergehend zum Psychotherapeuten als Leistungserbringer: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 31 Rdn. 1 ff., § 32 Rdn. 2 ff. 182 Vgl.: Müller-Glöge, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 4, § 611 Rdn. 116 f.; Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 3 Rdn. 8. 183 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1095). 184 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1095).
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meinheit nicht zuzustimmen. Ebenso wie ein Arzt muss auch der Diplom-Psychotherapeut auf wissenschaftlicher Grundlage diagnostizieren und behandeln. Hebammen müssen bei der Behandlung ebenfalls wissenschaftliche Grundsätze einhalten. Ferner müssen diese Professionen das Selbstbestimmungsrecht ihrer Patienten gleichermaßen beachten wie ein Arzt. Ihnen obliegt ebenfalls die Schweigepflicht.185 Es erscheint demnach nicht sach- und interessengerecht, derartige Berufe aus dem Anwendungsbereich des Behandlungsvertrags auszuschließen. Auch nicht-ärztliche, medizinische Dienstleister sollen in den Anwendungsbereich dieses Gesetzesvorschlags fallen.186 § 630a Abs. 2 soll den Vertragsgegenstand konkretisieren. Klassischerweise wird die Behandlung über ihren Heilzweck definiert.187 Die Heilbehandlung umfasst regelmäßig die Diagnostik, die Diagnose, die medizinisch indizierte Therapie und die Nachsorge.188 Dazu gehört bei Zugrundelegung eines weiten Behandlungsbegriffs auch die Organisation dieser medizinischen Dienste.189 Heutzutage ist die Beschränkung auf Heilbehandlungen im Angesicht des rasanten medizinischen Fortschritts jedoch nicht mehr angebracht. Beispiele für alltägliche, nicht indizierte medizinische Dienste sind ästhetische Behandlungen oder Operationen, geschlechtsangleichende Maßnahmen, solche der Kontrazeption, der artifizielle Reproduktion als auch die (in den Grenzen des rechtlich Erlaubten) künstliche Steigerung des Leistungspotentials.190 Zudem werden heute, gesellschaftspolitisch durchaus erwünscht, vermehrt Präventionsmaßnahmen wie das MammographieScreening durchgeführt. Diese mögen zwar indiziert sein, verfolgen aber auf den Einzelnen bezogen keinen Heilzweck. Maßnahmen, die nicht die Heilung oder Linderung von Krankheiten unmittelbar bezwecken, können jedoch ebenso in den menschlichen Organismus eingreifen wie diejenigen, die zur Heilung durchgeführt werden. Auch ergeben sich im Hinblick auf die Beherrschbarkeit und Vorhersehbarkeit des Wirkungsgefüges des menschlichen Organismus keine Unterschiede. Der Begriff der ärztlichen Behandlung und damit der Inhalt des Behandlungsvertrags kann, wenn er der gegenwärtigen Medizin gerecht werden will, nicht (mehr)
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Für den Diplom-Psychotherapeuten: Schünemann, NJW 1982, 2027 (2031). Ähnlich auch: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 27. 187 Vgl.: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 4, 27 f., wobei in diesem Entwurf das Erfordernis des Heilzwecks letztlich relativiert und auch die Schmerzlinderung als alternativer Zweck der Heilbehandlung angesehen wird. 188 Dieser Behandlungsablauf lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. So können hinsichtlich der einzelnen Behandlungsschritte mit unterschiedlichen Behandlern eigenständige Behandlungsverträge abgeschlossen werden. Beispielsweise kann auch nur ein Diagnosevertrag geschlossen werden. Auch hängt der Ablauf der Behandlung des Patienten wesentlich von dem Sinn und Zweck der Behandlung ab. 189 Anders: Schmidt, Wirtschaftliche Erwägungen im Arzthaftungsrecht, S. 73 ff. m.w.N.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. A 5 f., sehen in der sachgerechten Organisation des Behandlungsgeschehens zumindest eine vertragliche Hauptpflicht, die unmittelbar dem Integritätsschutz des Patienten dient. 190 Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 27; vgl. die Ausführungen zu Eingriffen ohne medizinische Indikation: Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 49 Rdn. 8 ff.; Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 51 Rdn. 4 ff. 186
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über den Heilzweck bestimmt werden.191 Zu der Behandlung gehören auch nicht indizierte Maßnahmen, soweit diese medizinische Fachkenntnisse voraussetzen sowie in ihrer Methodik indizierten Behandlungsmaßnahmen gleichkommen. Der Behandlungsbegriff und mit ihm der Vertragsgegenstand des Behandlungsvertrags ist weit zu verstehen.192 Dies soll sich in dem Regelungsvorschlag des § 630a Abs. 2 widerspiegeln. Als vertragswesentliche (Haupt-) Pflicht des Patienten wird in Abs. 1 S. 1 die Vergütung der vom Behandler erbrachten Dienstleistung festgeschrieben.193 Wenn der Patient nicht Selbstzahler ist, ist er verpflichtet, das Notwendige zum Eintritt der Sozialversicherung zu veranlassen.194 Dabei ist die Abrechnungsgrundlage für Privatpatienten bei der (zahn-) ärztlichen Behandlung die jeweilige Gebührenordnung für (Zahn-) Ärzte.195 Innerhalb der GKV bildet der Einheitliche Bewertungsmaßstab (zahn-) ärztlicher Leistungen (EBM bzw. BEMA) die Grundlage für die Abrechnung (zahn-) ärztlichen Leistungen. c) Zu § 630b >Krankenhausaufnahmevertrag< Eine gesonderte Regelung des Krankenhausaufnahmevertrages ist bei einer Kodifikation des Behandlungsvertrags zwingend erforderlich. Schließlich enthält der Behandlungsvertrag ein viel enger gefasstes Pflichtenprogramm als der Krankenhausaufnahmevertrag.196 So schuldet der Krankenhausträger im Rahmen der stationären Versorgung neben der Behandlung die Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung. Es handelt sich um ein vielfältiges Beziehungs- und Leistungsgeflecht. Zudem ist der Behandlungsvertrag, wie er in § 630a Abs. 1 festgelegt worden ist, inhaltlich eng auf die Person des Behandlers zugeschnitten. Der Krankenhausträger schuldet zwar ebenfalls die in § 630a Abs. 2 definierten medizinische Dienste, jedoch wird diese Leistungsverpflichtung im Rahmen der stationären Versorgung durch Organisations- und 191
Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 17; Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 44 Rdn. 1. 192 Vgl.: Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 44 Rdn. 1, die den Vertragsgegenstand in „jede[r] ärztliche[n] Maßnahme [sehen], die der Verhütung oder Feststellung von Krankheiten, der Fertilisation oder Empfängnisverhütung, der Sterilisation oder des Schwangerschaftsabbruchs, der Früherkennung von Krankheiten sowie der Behandlung von Krankheiten einschließlich der Rehabilitation dient“. 193 Siehe zur Vergütungspflicht: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 117; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 74 Rdn. 1, 3, § 75 passim; vgl. auch den Regelungsvorschlag bei: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1111): „Sofern nicht der Sozialversicherungsträger zur Leistung verpflichtet ist, richtet sich der Anspruch auf Vergütung gegen den Patienten oder seinen Sorgeberechtigten. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach der Gebührenordnung oder der Vereinbarung. Darf der Arzt die Vergütung genauer festsetzen, so hat dies nach billigem Ermessen zu erfolgen. § 315 findet Anwendung.“ 194 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 117. 195 Siehe dazu: Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rdn. 2 ff. 196 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung des Krankenhausaufnahmevertrages: Bergmann/ Kienzle, Krankenhaushaftung, S. 5 f.
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Überwachungspflichten flankiert. Aufgrund dessen erscheint es nicht möglich die Beziehung zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt oder sonstigen Therapeuten zusammen mit der Beziehung zwischen Patienten und Krankenhausträger in einem homogenen Vertragstypus zu normieren.197 Der Krankenhausaufnamevertrag bedarf wegen der größeren Reichweite des Vertragsinhalts einer gesonderten Regelung. Bei einer Normierung ist den unterschiedlichen Vertragstypen Rechnung zu tragen. In § 630b Abs. 1 S. 1 wird der Regelfall des Krankenhausaufnahmevertrages, der sogenannte totale Krankenhausaufnahmevertrag, legaldefiniert.198 Dieser kann sowohl vom gesetzlichen als auch vom privat versicherten Patienten als Selbstzahler abgeschlossen werden.199 Durch den Abschluss dieses Vertrages wird auf der Behandlungsseite allein der Krankenhausträger verpflichtet, der sämtliche ärztliche und nicht-ärztliche Leistungen schuldet.200 Der Krankenhausträger muss für Chefärzte, die ihn gesetzlich vertreten, haftungsrechtlich gemäß den §§ 31, 89 BGB einstehen. Die übrigen behandelnden Ärzte sind ebenso wie alle anderen im Krankenhaus Tätigen lediglich seine Erfüllungsgehilfen im Sinn des § 278 S. 1 BGB.201 In Abs. 1 S. 2 wird eine Modifikation des totalen Krankenhausaufnahmevertrages normiert. Es ist möglich, dass sich neben dem Krankenhausträger, der sowohl die ärztlichen als auch die übrigen Leistungen schuldet, ein zur Liquidation berechtigter (Chef-) Arzt202 zur Vornahme derselben medizinischen Dienste (§ 630a Abs. 2) in einem sogenannten Arztzusatzvertrag verpflichtet. Krankenhausträger und Arzt sind dann nebeneinander zur Leistung verpflichtet.203 Sie haften bei einer diesbezüglichen Leistungsstörung als Gesamtschuldner.204 Der Abschluss eines in 197
Schünemann, NJW 1982, 2027 (2031). Vgl. zum totalen Krankenhausaufnahmevertrag: Büsken, Haftungssystem, Freistellung und Regreß bei Krankenhausträger und angestelltem Arzt, S. 26; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 85; Laufs, Arztrecht, Rdn. 89; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 106; Quaas/ Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 10; Radau, Ersetzung der Arzthaftung durch Versicherungsschutz, S. 24; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 714; Bunte, JZ 1982, 279 (280); Reiling, JZ 1993, 1063 (1064); ders., MedR 1995, 443 (447); Uhlenbruck, NJW 1973, 1399. 199 Reiling, MedR 1995 443 (447). 200 Büsken, Haftungssystem, Freistellung und Regreß bei Krankenhausträger und angestelltem Arzt, S. 3 f.; Neuefeind, Arzthaftungsrecht, S. 75; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 10; Büsken/Klüglich, VersR 1994, 1141; Bunte, JZ 1982, 279 (280); Uhlenbruck, NJW 1964, 431 (432). 201 BGH, Urt. v. 27.2.1952 – II ZR 78/51, BGHZ 5, 321 (324 f.); Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, S. 7. 202 Siehe zur rechtlichen Stellung des Chefarztes: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 15 Rdn. 28 ff. 203 Siehe: BGH, Urt. v. 18.6.1985 – VI ZR 234/83, BGHZ 95, 63 (67 ff.); Urt. v.19.2.1998 – III ZR 169/97, BGHZ 138, 91 (96 f.); Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, S. 11; Büsken, Haftungssystem, Freistellung und Regreß bei Krankenhausträger und angestelltem Arzt, S. 15; Büsken/Klüglich, VersR 1994, 1141 (1142); Bunte, JZ 1982, 279 (280); Reiling, JZ 1993, 1063 (1064); Biermann/Ulsenheimer/Weißauer, MedR 2000, 107 (108). 204 Schrenk, Medizinproduktegesetz und Arzthaftung, S. 16 f.; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 728. 198
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§ 630b Abs. 1 S. 2 legaldefinierten totalen Krankenhausaufnahmevertrages mit Arztzusatzvertrag kommt immer dann in Betracht, wenn der Patient zusätzlich Wahlleistungen eines unmittelbar liquidationsberechtigten Arztes in Anspruch nimmt.205 Der gespaltene Krankenhausaufnahmevertrag wird in Abs. 2 geregelt.206 Der Arzt schließt in diesem Fall einen Behandlungsvertrag gemäß § 630a Abs. 1 mit dem Patienten ab. Der Krankenhausträger verpflichtet sich lediglich zur Erbringung der nicht-ärztlichen Leistungen, mit anderen Worten: zur Pflege, Unterkunft, Verpflegung und ausgenommen der ärztlichen Leistung zur medizinische Versorgung, die durch personelle und sachliche Mittel des Krankenhauses erbracht werden.207 Standardfall eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrages ist die Behandlung des Patienten durch den Belegarzt,208 der auf der Grundlage eines mit dem Krankenhausträger geschlossenen privatärztlichen Vertrages als niedergelassener Arzt seine Patienten unter Inanspruchnahme der vom Krankenhausträger bereitgestellten Dienste stationär behandeln kann und insofern alleiniger Schuldner der medizinischen Behandlung ist.209 Doch auch bei der Inanspruchnahme von wahlärztlichen Leistungen, die durch einen im Krankenhaus angestellten, zur Liquidation berechtigten Arzt erbracht werden, können die Parteien statt einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag ausdrücklich einen gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag vereinbaren.210 Dass bei letzterem zwei 205
Vgl.: BGH, Urt. v. 18.6.1985 – VI ZR 234/83, BGHZ 95, 63 (68 ff.); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 11; Reiling, JZ 1993, 1063 (1064); vgl. zu Wahlleistungen: Reiling, MedR 1995, 443 (448 f.); vgl. auch: § 17 KHEntgG; siehe zur Frage nach dem Erfordernis der persönlichen Erbringung der vereinbarten Wahlleistung durch den liquidationsberechtigten (Chef-) Arzt: Biermann/Ulsenheimer/Weißauer, MedR 2000, 107 (109 ff.); Miebach/ Patt, NJW 2000, 3377 (3378 ff.). 206 Gegen eine Normierung des gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrages: Deutsch/ Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1099 f.): „Es sollte (…) mit der Künstlichkeit des gespaltenen Arzt/Krankenhausvertrages aufgeräumt und Arzt und Krankenhaus als eine Vertragseinheit dem Patienten gegenüber gestellt werden.“ 207 Vgl.: BGH, Urt. v. 27.2.1952 – II ZR 78/51, BGHZ 5, 321 (323 f.); Laufs, Arztrecht, Rdn. 90; Schrenk, Medizinproduktegesetz und Arzthaftung, S. 16; Bunte, JZ 1982, 279 (280), der als Beispiel die Verabreichung von Medikamenten, die Gabe von Bluttransfusionen und Injektionen nennt. 208 Büsken, Haftungssystem, Freistellung und Regreß bei Krankenhausträger und angestelltem Arzt, S. 7; Giesen, Arzthaftung, Rdn. 14; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 106; Quaas/ Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 13; Radau, Ersetzung der Arzthaftung durch Versicherungsschutz, S. 26; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 726; Biermann/Ulsenheimer/Weißauer, MedR 2000, 107 (108); Bunte, JZ 1982, 279 (280); siehe zum Begriff des Belegarztes: Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, S. 7 f.; Franzki, NJW 1990, 737 f. 209 Vgl. § 18 KHEntgG; siehe zur Rechtsstellung des Belegarztes die Ausführungen von: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 15 Rdn. 91 ff; vgl. zum Belegarztsystem: Reiling, MedR 1995, 443 (453 f.); ausführlich zum Belegarztsystem in Deutschland und Österreich: Krejci, in: Tomandl, Sozialrechtliche Probleme bei der Ausübung von Heilberufen, S. 99 ff. 210 OLG Koblenz, Urt. v. 26.6.1997 – 5 U 1825/96, NJW 1998, 3425 (3426); Kistner, MedR 1990, 51 (52); Kramer, NJW 1996, 2398 (2399); Schloßer, MedR 2009, 313 f.; siehe zur Auslegung der Vereinbarung anhand der Aufnahmebedingungen und der Krankenhaus-
II. Begründung
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Vertragsbeziehungen unabhängig nebeneinander stehen,211 birgt besondere haftungsrechtliche Probleme in sich.212 Da der Krankenhausträger nur die medizinische Versorgung außerhalb der ärztlichen Behandlung und ferner die Pflege, Unterkunft und Verpflegung schuldet, muss er auch nur für diese haftungsrechtlich einstehen. Der behandelnde (Beleg-) Arzt ist nicht sein Erfüllungsgehilfe. Dieser haftet allein für die von ihm geschuldete ärztliche Leistung.213 Ferner muss dieser für das Personal, dem er sich zur Erfüllung seiner Vertragspflichten bedient, haftungsrechtlich über § 278 BGB einstehen. Handlungen oder Unterlassungen der zur Behandlung hinzugezogenen Ärzte und des Pflegepersonal lassen sich jedoch nicht immer eindeutig zu dem Pflichtenbereich des Krankenhausträgers oder des (Beleg-) Arztes zuordnen.214 Teilweise sind Überschneidungen der Verantwortungsbereiche denkbar.215 Die Abgrenzung ist insbesondere dann problematisch, wenn einem der übrigen, an der Behandlung beteiligten Ärzte oder dem Krankenhauspersonal ein Fehler unterläuft, der zur Haftung führt, und fraglich ist, wessen Erfüllungsgehilfe die jeweilige Person war.216 Dennoch soll hier nicht dem Beispiel der Niederlande gefolgt und eine zentralisierte Haftung des Krankenhausträgers (Art. 7:462 BW) eingeführt werden,217 so dass der Krankenhausträger im Verhältnis zum Patienten auch für Fehler des Arztes und seiner Erfüllungsgehilfen haftungsrechtlich einstehen müsste. Schließlich steht es dem Patienten grundsätzlich frei, einen gespaltenen oder einen totalen Krankenhausaufnahmevertrag (mit Arztzusatzvertrag) abzuschließen. Zumal der Patient für Pflichtverletzungen im Rahmen der Behandlung seinen Vertragspartner, den behandelnden Arzt, in Anspruch nehmen kann.218 Ferner steht es ihm frei in einem Prozess, Arzt und Krankenhausträger zusammen zu verklagen. satzung: BGH, Urt. v. 19.2.1998 – III ZR 169/97, BGHZ 138, 91 (97 f.); Laufs, Arztrecht, Rdn. 91; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 30 f; vgl. zur formularmäßigen Spaltung des Krankenhausaufnahmevertrages: Kramer NJW 1996, 2398 (2399 ff.); Schloßer, MedR 2009, 313 (314). 211 BGH, Urt. v. 27.2.1952 – II ZR 78/51, BGHZ 5, 321 (323 f.); Büsken, Haftungssystem, Freistellung und Regreß bei Krankenhausträger und angestelltem Arzt, S. 6 f.; vgl. zu dem wirksamen Zustandekommen der Wahlleistungsvereinbarung des Patienten mit dem Krankenhausträger und des Behandlungsvertrags mit dem zur Liquidation berechtigten (Chef-) Arzt: Schloßer, MedR 2009, 313 (315 ff.). 212 Vgl.: Büsken, Haftungssystem, Freistellung und Regreß bei Krankenhausträger und angestelltem Arzt, S. 8 ff.; Franzki, NJW 1990, 737 (739 ff.). 213 Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 729, zu den Ausnahmen siehe: Kap. 4 Rdn. 730. 214 Ausführlich dazu: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 107 f.; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 731 ff. 215 Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, S. 8. 216 Laufs, Arztrecht, Rdn. 93; Bunte, JZ 1982, 279 (280), bezeichnet den gespaltenen Krankenhausaufnahmevetrag aufgrund dessen als „rechtspolitisch bedenklich“. 217 So aber: Fischer, in: ders./Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 49 (167, 172). 218 Eine zentralisierte Haftung ablehnend und mit weitergehender Begründung: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 142: „Eine derartige Regelung [einer zentralisierten Haftung des Krankenhausträgers] führte jedoch zu einem haftungsrechtlichen Rückzug vor allem leitender Ärzte hinter die Anonymität des Klinikträgers, der nicht begrüßt werden kann. Auch
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
d) Zu § 630c >Sachgemäße Behandlung < In § 630c S. 1 wird die Pflicht des Behandlers zur sachgemäßen Behandlung festgeschrieben.219 Dabei handelt es sich um eine Hauptpflicht im Vertragsverhältnis zwischen Patienten und Behandler. Recht kann jedoch nicht für jeden Einzelfall konkret festlegen, was medizinisch möglich, geboten oder sinnvoll ist. Insoweit muss Recht die Kenntnisse und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft zu der Überprüfung des Verhaltens auf etwaige Behandlungsfehler heranziehen.220 Aufgrund dessen wird zur Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen auf den medizinischen Standard zurückgegriffen,221 der in dem jeweiligen Fachgebiet des Arztes vorherrscht. Dieser bezeichnet im Hinblick auf die konkrete Behandlungsmaßnahme den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung innerhalb der Profession bewährt hat.222 Er umfasst mithin sowohl normative als auch situationsbezogene Elemente.223 Indes bewenn die Behandlung durch einen im Krankenhaus angestellten Arzt erfolgt, zieht der Arzt das Vertrauen in die berufliche Leistung auf sich persönlich. Ärztliches Ethos, Berufs- und Standesrecht und nicht zuletzt die berufliche Verkehrserwartung weisen auf eine strenge persönliche Haftung gegenüber dem Patienten.“ 219 Teilweise wird hinsichtlich des Dienstvertrags oder des Behandlungsvertrags im Speziellen vertreten, dass der Diensverpflichtete keinen Leistungsstandard bei der Erbringung der Dienstleistung schuldet und die Verletzung von Sorgfaltspflichten lediglich im Rahmen der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB relevant wird; vgl. insofern: Ulrich, NJW 1984, 585 (587 f.); so wohl auch: Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (270); Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (274). Nach der überwiegenden Ansicht gehört hingegen die Einhaltung des Qualitätsstandards zum Inhalt der Leistungspflicht; so etwa: Edenfeld, in: Erman, BGB, § 611 Rdn. 283. 220 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 281 f. m.w.N. 221 Vgl.: BGH, Urt. v. 29.11.1994 – VI ZR 189/93, NJW 1995, 776 (777); Urt. v. 16. 3. 1999 - VI ZR 34/98, NJW 1999, 1778 (1779); Conradi, Verknappung medizinischer Ressourcen und Arzthaftung, S. 63; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 4 f.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 157; Velten, Der medizinische Standard, S. 16; Kullmann, VersR 1997, 529 (530); Müller, MedR 2009, 309; Steffen, MedR 1995, 190; Uhlenbruck, MedR 1995, 427 (435); siehe auch: Deutsch, NJW 1987, 1480 (1481), der ausführt, dass die Begrifflichkeit des Standards „nach dem heutigen Sprachgebrauch (…) dem [entspricht], was der Gesetzgeber mit der erforderlichen Sorgfalt ausdrücken wollte.“; ähnlich auch: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 21; zur Herkunft des Standardbegriffs siehe: Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt und Anwaltshaftungsrecht, S. 7 ff. 222 Hart, MedR 1998, 8 (9); Kullmann, VersR 1997, 529; siehe auch: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 279; Velten, Der medizinische Standard, S. 16; vgl zu den drei Kriterien der wissenschaftlichen Erkenntnis, der praktischen Erfahrung und der Akzeptanz in der Profession: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 25 ff.; Schmidt, Wirtschaftliche Erwägungen im Arzthaftungsrecht, S. 41 ff.; ausführlich zum Standardbegriff und zur Entstehung von medizinischen Standards: Conradi, Verknappung medizinischer Ressourcen und Arzthaftung, S. 60 f., 65 ff.; Röfer, Berücksichtigung wirtschaftlicher Überlegungen bei der Festlegung arzthaftungsrechtlicher Sorgfaltsanforderung, S. 15 ff., 30 ff. 223 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 279; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 7.
II. Begründung
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sitzt der durch die Medizin bestimmte Standard nicht die Verbindlichkeit von Rechtsnormen.224 Er wird haftungsrechtlich erst durch seine Anerkennung und Anwendung durch den Richter relevant.225 Das Recht ist „in einer Art Grenzkontrolle dafür zuständig, zu überprüfen, ob die gebräuchlichen Verfahren etwa vermeidbare Risiken enthalten oder mögliche Sorgfalt außer Acht lassen.“226 Der medizinische Standard- und der rechtliche Sorgfaltsbegriff sind nicht stets deckungsgleich.227 Beispielsweise ist es durchaus möglich, dass für die konkrete Behandlung (noch) kein Standard existiert. Gleichwohl muss diese in der konkreten Situation sachgemäß unter möglichster Schonung der körperlichen Integrität des Patienten durchgeführt werden.228 Abweichungen von einem existierenden Standard sind zulässig, wenn die konkrete Situation des Patienten eine solche erfordert.229 In diesem Fall ist die nicht standardgemäße Behandlung selbstverständlich sorgfältig durchzuführen. Der medizinische Standardbegriff kann den juristischen Sorgfaltsbegriff dementsprechend nicht ersetzen, ist jedoch generell zur Konkretisierung des Sorgfaltsbegriffs im Einzelfall heranzuziehen. Aufgrund dessen wird in § 630c S. 1 lediglich die Pflicht zur sachgemäßen Behandlung festgeschrieben und in S. 2. bestimmt, dass der Behandler dabei vor allem die im Zeitpunkt der Behandlung allgemein anerkannten Berufsstandards zu beachten und anzuwenden hat. e) Zu § 630d >Einwilligung < Die vorgeschlagene Regelung des § 630e Abs. 1 S. 1 ist Ausdruck der Bedeutung der Patientenautonomie im heutigen Behandlungsverhältnis. Der Patient ist infolge der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes230 als Entscheidungssubjekt in die Behandlung einzubeziehen.231 Sein Selbstbestimmungsrecht wird nicht nur über den delikts- und strafrechtlichen Umweg der Rechtfertigung der Körperver224
Conradi, Verknappung medizinischer Ressourcen und Arzthaftung, S. 73 m.w.N. Müller, MedR 2009, 309, die darauf verweist, dass die Rechtsprechung nur in Einzelfällen, insbesondere im organisatorischen Bereich, Sorgfaltsmaßstäbe gesetzt hat: MüllerGraff, JuS 1985, 352 (355); anders: Schmidt, Wirtschaftliche Erwägungen im Arzthaftungsrecht, S. 51 ff., der davon ausgeht, dass allein der medizinische Standard die rechtlichen Sorgfaltsanforderungen bestimmt; vgl. auch: Hart, MedR 2003, 603 (608) m.w.N. 226 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 282. 227 Anders wohl: Kullmann, VersR 1997, 529 f. 228 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 279 f.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 8; Röfer, Zur Berücksichtigung wirtschaftlicher Überlegungen bei der Festlegung arzthaftungsrechtlicher Sorgfaltsanforderungen, S. 68. 229 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 280 m.w.N. 230 Die heutige Auffassung, dass der Mensch ein autonomes Wesen ist und ein Recht auf Selbstbestimmung hat, hat ihre Grundlage in der Epoche der Aufklärung. Nach Immanuel Kant macht die Autonomie des Menschen als Willensfreiheit diesen erst zur Person. Der autonome Wille steht dabei für die von jeder äußeren und inneren Fremdbestimmung befreiten Vernunft. In der Autonomie des einzelnen Menschen liegt nach Immanuel Kant, in: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 66, der „Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur.“ 231 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 24; siehe auch: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 248; Wolff, Arzt und Patient, S. 16. 225
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letzung gewährleistet, sondern auch vertragsrechtlich. Das Selbstbestimmungrecht des Patienten wird durch die vertragliche Pflicht des Behandlers zur Einholung der Einwilligung geschützt.232 Der Patient hat dementsprechend das Recht, die ihm von seinen behandelnden Ärzten vorgeschlagenen medizinischen Dienstleistungen zu überdenken, gegebenenfalls gegeneinander abzuwägen, sie abzulehnen oder sich für eine zu entscheiden. Dabei kann und darf er objektiv „unvernünftige“ Entscheidungen treffen.233 So darf ihm nicht verwehrt werden, eine bestimmte medizinische Maßnahme abzulehnen, obwohl er dadurch den eigenen Tod bewusst in Kauf nimmt.234 In der bisherigen zivilrechtlichen Rechtsprechung ist die Einwilligung vornehmlich als Rechtfertigungsgrund für den medizinischen Eingriff in die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit des Patienten thematisiert worden. Die Qualifikation der medizinischen Heilbehandlung als Körper- und Gesundheitsverletzung ist vielfach auf Kritik gestoßen.235 Insbesondere Mediziner fühlen sich stigmatisiert. Dieser Konflikt wird durch die vertragsrechtliche Regelung des § 630e Abs. 1 zwar nicht gelöst, da das Deliktsrecht neben dem Vertragsrecht kumulativ anwendbar ist. Jedoch wirkt die Einwilligung des Patienten im vertraglichen Schuldverhältnis nicht rechtfertigend, sondern ist für den Behandler bereits zur 232 Siehe: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 172; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. III 2: „Der Arztvertrag bildet regelmäßig die rechtliche Grundlage für die ärztliche Tätigkeit, reicht aber als Legitimation für die Vielzahl der im Einzelnen durchzuführenden ärztlichen Maßnahmen nicht aus. Jede ärztliche Maßnahme bedarf darüber hinaus einer sachlichen Rechtfertigung (z.B. der medizinischen Indikation) sowie der zusätzlichen Einwilligung des Patienten, weil sie einen Eingriff in seine körperliche und seelische Integrität darstellt und seine Autonomie als Person betrifft.“ 233 Grundlegend: RG, Urt. v. 31.5.1894 - 1406/94, RGSt 25, 375 (378 ff.); Urt. v. 19.6. 1936 – III 298/35, RGZ 151, 349 (352 ff.); vgl. weiter: RG, Urt. v. 8.3.1940 - III 117/39, RGZ 163, 129 (137 f.); BGH, Urt. v. 7.2.1984 – VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103 (105 f.); Urt. v. 11.10.2000 – XII ZB 69/00, BGHZ 145, 297 (305 f.); siehe auch: BGH, Urt. v. 28.11.1957 – 4 StR 525/57, BGHSt 11, 111 (114): „Zwar ist es sein [des Arztes] vornehmstes Recht und seine wesentlichste Pflicht, den kranken Menschen nach Möglichkeit von seinem Leiden zu heilen. Dieses Recht und diese Pflicht finden aber in dem grundsätzlichen freien Selbstbestimmungsrecht des Menschen über seinen Körper ihre Grenze. Es wäre ein rechtswidriger Eingriff in die Freiheit und Würde der menschlichen Persönlichkeit, wenn ein Arzt, und sei es auch aus medizinisch berechtigten Gründen, eigenmächtig und selbstherrlich eine folgenschwere Operation bei einem Kranken, dessen Meinung rechtzeitig eingeholt werden kann, ohne dessen vorherige Billigung vornähme. Denn ein selbst lebensgefährlich Kranker kann triftige und sowohl menschlich wie sittlich achtenswerte Gründe haben, eine Operation abzulehnen, auch wenn er durch sie und nur durch sie von seinem Leiden befreit werden könnte.“ 234 BGH, Beschl. v. 17.3.2003 – XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205 (210 f., 216); Beschl. v. 8.6.2005 – XII ZR 177/03, BGHZ 163, 195 (197 f.); OLG München, Urt. v. 31.1.2002 - 1 U 4705/98, NJW-RR 2002, 811 f.; Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo; BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 729. 235 Siehe: Hart, in: Heldrich/Schlechtriem/Schmidt, FS für Heinrichs, S. 291 (292 ff., 310 f., 318); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 118 ff.; Laufs/Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 103 Rdn. 2 ff.; Giebel et al., NJW 2001, 863 (868); Laufs, NJW 1969, 529 (529, 531 f.); ders., NJW 1974, 2025 (2028 ff.); Weyers/Mirtsching, JuS 1980, 317 (320 f).
II. Begründung
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Vertragserfüllung notwendig.236 § 630e Abs. 1 kann folglich durch die Betonung der Vertragsbeziehung dem Empfinden der Mediziner, als „Messerstecher“ diskreditiert zu werden, entgegenwirken. Für die Patienten hingegen ist wichtig, dass der Eingriff in ihre körperliche oder gesundheitliche Befindlichkeit ohne ihre wirksame Zustimmung nicht seine haftungsrechtliche Relevanz verliert, da ein solcher unabhängig vom Vorliegen eines Behandlungsfehlers als Verletzung des Behandlungsvertrags zu qualifizieren ist237 und damit einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB begründen kann. In § 630 Abs. 1 S. 2 werden die Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit der Einwilligung des Patienten festgeschrieben. Sie ist keine Willenserklärung im rechtsgeschäftlichen Sinn, so dass die §§ 104 ff., 182 ff. BGB keine Anwendung finden.238 Für die Wirksamkeit der Einwilligung ist demnach die Fähigkeit, Verträge selbstständig abschließen zu können, irrelevant. Vielmehr muss der in die Behandlung einwilligende Patient einwilligungsfähig sein. Er muss über die erforderliche Reife sowie über die natürliche Einsichts-, Urteils- und Steuerungsfähigkeit verfügen, um die geplante medizinische Maßnahme, ihre Folgen, Risiken und Tragweite für die persönliche Lebensplanung zu ermessen und seinen Willen hiernach auszurichten.239 Es wird davon ausgegangen, dass jeder geistig gesunde Volljährige mit Eintritt der vollen Rechtsfähigkeit grundsätzlich einwilligungsfähig ist.240 Aber auch Minderjährige können über die erforderliche Reife und über das notwendige Einsichts- und Urteilsvermögen verfügen. Aufgrund dessen können sie, obwohl sie ohne Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters keinen wirksamen Behandlungsvertrag abschließen können, in Anerkennung ihres Selbstbestimmungsrechtes in die Behandlung wirksam einwilligen.241 Eine Regelung dieser Teilmündigkeit von Minderjährigen wäre jedoch im Vertragsrecht deplatziert. Daneben ist Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung, dass der Einwilligende 236
Siehe: Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S. 22; auch für eine Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB ist Rechtswidrigkeit erforderlich. Jedoch wird die Rechtswidrigkeit durch die Pflichtwirdrigkeit indiziert; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 171 f. 237 Vgl.: BGH, Urt. v. 22.4.1980 – VI ZR 37/79, NJW 1980, 1905 (1906); OLG Brandenburg, Urt. v. 1.9.1999 – 1 U 3/99, NJW-RR 2000, 398 (399); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 82; siehe zu den Rechtsfolgen der fehlenden oder nicht rechtswirksamen Einwilligung: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 340. 238 BGH, Urt. v. 5.12.1958 – VI ZR 266/57, BGHZ 29, 33 (36); Urt. v. 2.12.1963 – III ZR 222/62, NJW 1964, 1177 (1177 f.); Urt. v. 28.6.1988 – VI ZR 288/87, BGHZ 105, 45 (47 f.); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdn. 282; Coester-Waltjen et al., Neues elterliches Sorgerecht, S. 122; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. V 41; Kern, NJW 1994, 753 (755); Roßner, NJW 1990, 2291 (2292). 239 Ähnlich: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 84; vgl. auch: BGH, Urt. v. 5.12.1958 – VI ZR 266/57, BGHZ 29, 33 (36); Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rdn. 43; Taupitz, in: Ständige Deputation des DJT, Gutachten zum 63. DJT, Bd. I, S. A 58; Kern, NJW 1994, 753 (755). 240 Reipschläger, Die Einwilligung Minderjähriger in ärztliche Heileingriffe, S. 202; vgl. zur Rechtslage bei einem volljährigen Einwilligungsunfähigen: Ulsenheimer, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rdn. 44. 241 Taupitz, NJW 1986, 2851 (2857); siehe zu der Einwilligungsfähigkeit von Minderjährigen Regelungsvorschlag § 1631b.
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ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist.242 Ihm muss, damit er sich in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts frei entscheiden kann, zuvor ein zutreffendes allgemeines Bild von Anlass, Dringlichkeit, Umfang, Art, Schwere, Risiken, möglichen Komplikationen und Nebenwirkungen des vorgeschlagenen Eingriffs, von Erfolgschancen der Behandlung, Folgen der Nichtbehandlung sowie von etwaigen Behandlungsalternativen vermittelt werden.243 Aufklärungsdefizite führen zur Rechtsunwirksamkeit der Einwilligung.244 Die Aufklärungspflicht, die der Behandlungsseite obliegt, wird aufgrund ihrer Bedeutung für die Selbstbestimmung in dem Normvorschlag § 630e gesondert geregelt. Eine einmal erteilte Einwilligung kann anerkanntermaßen und hier in § 630d Abs. 2 S. 2 festgehalten vom Patienten bis zur Vornahme des Eingriffs ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.245 Dem Behandler können bei einem Widerruf jedoch vertragliche Schadensersatzansprüche etwa wegen kostspieliger Vorbereitungsmaßnahmen oder wegen der Blockade des Operationstermins zustehen.246 f) Zu § 630e >Aufklärung < Der Regelungsvorschlag § 630e erfasst die Selbstbestimmungsaufklärung (auch: Eingriffsaufklärung), die, wie ihr Name bereits vorgibt, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten sichern und gewährleisten soll.247 Schließlich kann nur derjenige, der über die notwendigen Informationen verfügt, Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen und darauf basierend eine Entscheidung treffen. In Abs. 1 S. 1 wird die Aufklärungspflicht der Behandlungsseite als vertragliche Pflicht festgeschrieben.248 Sie leitet sich anders als im Deliktsrecht nicht aus der Notwendigkeit der Rechtfertigung der Behandlungsmaßnahme ab. Im Vetragsrecht geht es regelmäßig um die Erfüllung und Enttäuschung von Leistungserwartungen und -versprechen. Zwar ist beim vertraglichen Schadensersatzanspruch wie 242
Die ordnungsgemäße Aufklärung zur Sicherstellung der Selbstbestimmung ist nur dann nicht Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung, wenn der Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes auf eine solche verzichtet. 243 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 243; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rdn. 54; Taupitz, in: Ständige Deputation des DJT, Gutachten zum 63. DJT, Bd. I, S. A 28; Terbille, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch, Medizinrecht, § 1 Rdn. 382; vgl. auch: BGH, Urt. v. 14.2.1989 – VI ZR 65/88, BGHZ 106, 391 (398 f.). 244 St. Rspr, vgl.: BGH, Urt. v. 07.2.1984 – VI ZR 188/82, BGHZ 90, 96 (102); Terbille, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch, Medizinrecht, § 1 Rdn. 382. 245 Vgl. zur Widerrufsmöglichkeit der Einwilligung: Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 730; allgemein zum Widerruf der Einwilligung: Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S. 346 ff. 246 Vgl.: Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 730; siehe auch: Kothe, AcP 185 (1985), 105 (140). 247 Siehe zur Selbstbestimmungsaufklärung: BGH, Urt. v. 9.12.1958 – VI ZR 203/57, BGHZ 29, 46 (49 ff.); Urt. v. 16.1.1959 – VI ZR 179/57, BGHZ 29, 176 (181); Francke/ Hart, Charta der Patientenrechte, S. 115; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 209. 248 Vgl. zur Aufklärung als Vertragspflicht: BGH, Urt. v. 28.2.1984 – VI ZR 70/82, NJW 1984, 1807 (1808 f.); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 249; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. A 5, C 4 ff.
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im Deliktsrecht Rechtswidrigkeit zur Haftungsbegründung erforderlich. Die Verletzung der vertraglichen Pflicht ist jedoch bereits objektiv rechtswidrig, so dass es im vertraglichen Haftungsrecht eines Rückgriffs auf eine etwaige Rechtswidrigkeit des behandlungsfehlerfreien medizinischen Eingriffs und auf die durchaus kritisch zu sehende Körperverletzungsdoktrin249 nicht bedarf. Vielmehr ist die vertragliche Aufklärungspflicht aus dem Selbstbestimmungsrecht und dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Behandler herzuleiten.250 Im Vertragsrecht wird sie ihrem Zweck, der Befähigung des Patienten zur selbstbestimmten Entscheidungsfindung und der partnerschaftlichen Unterstützung dabei, am besten gerecht. Verpflichtet ist grundsätzlich der Behandler als Vertragspartner. Es handelt sich jedoch nicht um eine höchstpersönliche Pflicht. Dennoch ist es nicht notwendig zu regeln, an wen der Behandler die Aufklärung delegieren darf.251 Es ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht, dass diese nicht von dem Hilfspersonal übernommen werden kann, sondern Fachwissen und medizinische Erfahrung voraussetzt. Der Aufklärende muss aufgrund seines Ausbildungsstandes die beim Patienten vorliegende Erkrankung, die erforderliche Behandlung, deren wieteren Verlauf, ihre Risiken und etwaigen Folgen einschätzen und beurteilen können.252 Bei der ärztlichen Behandlung steht die Aufklärung dementsprechend unter Arztvorbehalt.253 Der Behandler muss als Schuldner im Falle einer Delegation seiner Aufklärungspflicht alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen ergreifen, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren.254 Diesem Anspruch wird er dann nicht gerecht, wenn er die Aufklärung Pflege- oder sonstigem Hilfspersonal überlässt. Aufklärungsadressat nach diesem Regelungsvorschlag ist regelmäßig der Patient.255 Dies soll auch für diejenigen Fälle gelten, in denen der Patient einwilli-
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Siehe dazu: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 356 ff., 114 ff. Störfer, VersR 1981, 796 (797 ff.); siehe auch zur Herleitung der Aufklärungspflicht: LG Gießen, Beschl. v. Beschl. v. 14.11.1955 – 5 OH 21/55, NJW 1956, 1112: „Der Begriff des Arztes und das Interesse des Patienten an sich selbst, das Selbstbestimmungsrecht des Kranken über und seine Mitverantwortung für sich selbst, der Wunsch nach Gewissheit, die Menschenwürde und Menschenmöglichkeit: Jeder einzelne dieser Gedanken erscheint so unabweisbar schlicht, daß er sich unbewusst von selbst versteht. Daher gestattet ihr Zusammenwirken, die Aufklärungspflicht des Arztes als offensichtlich unbestreitbar anzunehmen.“ 251 So ist etwa eine Delegation der Aufklärung auf nicht-ärztliches Personal wie dem Krankenpfleger und der Krankenhausverwaltung nicht zulässig; siehe dazu: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 337 f. m.w.N.; ähnlich wohl: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1103). 252 OLG Dresden, Urt. v. 11.7.2002 – 4 U 574/02, JURIS Rdn. 28. 253 Vgl.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 306; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 287; siehe auch: OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.3.1997 – 13 U 42/96, NJW-RR 1998, 459 (461). 254 Siehe dazu: BGH, Urt. v. 7.11.2006 – VI ZR 206/05, NJW-RR 2007, 310 (311); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.5.2006 – 7 U 242/05, NJOZ 2006, 3042 (3045). 255 Vgl. zum geltenden Recht: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 317. 250
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gungsunfähig ist.256 Zwar ist notwendigerweise auch der einwilligungsbefugte gesetzliche Vertreter umfassend aufzuklären. Jedoch soll derjenige, der Für und Wider nicht hinreichend abwägen und auf dieser Grundlage über das weitere Vorgehen nicht entscheiden kann, erfahren, was mit ihm geschieht.257 Auf seine Ängste und Bedürfnisse muss eingegangen werden.258 Damit soll dieser Regelungsvorschlag der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenwirken, die davon ausgeht, dass „der Arzt im Allgemeinen darauf vertrauen kann, dass die Aufklärung und Einwilligung der Eltern genügt.“259 Hinter dieser Rechtsauffassung steht offenbar die Annahme, dass die (aufgeklärten) Eltern ihre Kinder über das Aufklärungsgespräch hinreichend und verständnisvoll informieren. Diese höchstrichterliche Meinung wird den Grundrechten des Minderjährigen oder des aus anderen Gründen Einwilligungsunfähigen nicht gerecht.260 Auch der Einwilligungsunfähige ist Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und als solcher zur Selbstbestimmung berechtigt.261 Darüber hinaus stellt die Aufklärung des Patienten nicht nur eine juristisch erforderliche Wirksamkeitsvoraussetzung der Einwilligung dar. Sinn und Zweck der Aufklärung ist es daneben, den Patienten auf kommunikativer Ebene zum selbstbestimmten Handeln als Partner des Behandlers zu befähigen.262 An das Behandlungsverhältnis besteht schließlich der Anspruch, ein therapeutisches Arbeitsbündnis zu sein. Im Hinblick auf ein möglichst erfolgreiches und vertrauensvolles Behandlungsverhältnis besteht auch ein großes Interesse an der Einbindung der einwilligungsunfähigen Patienten.263 So existiert ein deutlich empirisch nachgewiesenes Informationsbedürfnis minderjähriger Patienten,264 das nicht außer Acht gelassen werden sollte. Die Aufklärung hat nach Abs. 1 S. 1 verständlich und schonend zu erfolgen.265 Mit dem Verständlichkeitserfordernis soll verdeutlicht werden, dass sich der Behandler am individuellen Auffassungsvermögen sowie am Wissenstand des Pati-
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Ähnlich: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1104, 1112); siehe auch: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 317, wobei diese sich nicht für eine Aufklärung des einwilligungsunfähigen Patienten aussprechen, sondern für eine Einbeziehung in das Gespräch. 257 Ähnlich auch: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 34; dies./Wolfslast/Fegert, MedR 1999, 293 (298); gegen eine gesetzliche Regelung: Wölk, MedR 2001, 80 (88 f.): „Hier mag die Normierung von spezifischen einwilligungsunabhängigen Patientenrechten durchaus ein Vorteil sein, aufgrund rechtlicher Schutzlücken geboten ist sie aber m. E. nicht.“ 258 So auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1104). 259 BGH, Urt. v. 10.10.2006 -VI ZR 74/05, NJW 2007, 217 (218). 260 Kern, LMK 2007, 220412. 261 Kölch/Fegert, FPR 2006, 76 (78); Rothärmel/Wolfslast/Fegert, MedR 1999, 293 (294); Wölk, MedR 2001, 80 (88). 262 Wölk, MedR 2001, 80 (88). 263 Rothärmel/Wolfslast/Fegert, MedR 1999, 293 (297); Wölk, MedR 2001, 80 (89). 264 Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 33 f., 91 ff., 129 ff., 247 ff. (insbesondere 252 ff.). 265 Ähnlich: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, S. 29.
II. Begründung
151
enten oder des gesetzlichen Vertreters zu orientieren hat.266 Dies beinhaltet auch die Herbeiziehung eines Dolmetschers, sofern der Patient der deutschen Sprache nicht mächtig ist.267 Wann eine Aufklärung konkret als verständlich anzusehen ist, muss der Entscheidung des Gerichts im Einzelfall überlassen bleiben, da der Gesetzgeber die realen Fälle in ihrer Vielfalt und Verschiedenartigkeit gedanklich nicht vorwegnehmen kann. Die Pflicht zur schonenden Aufklärung soll eine rücksichtslose Aufklärung zur weitgehenden Absicherung gegen eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme unterbinden.268 Der Behandler soll dementsprechend bei der Aufklärung auf die Bedeutung der Risiken im Vergleich zu den Folgen einer Nicht-Behandlung sowie auf etwaige unumkehrbare oder reversible Folgen Rücksicht nehmen. Dabei darf er freilich die Diagnose, den Verlauf und die Risiken der Behandlung nicht über Gebühr verharmlosen oder gar verschweigen.269 Er soll auf die Ängste und Informationsbedürfnisse des Patienten eingehen und ihm bei der Entscheidungsfindung zur Seite stehen. 270 Ferner soll in diesem Regelungsvorschlag der erforderliche Aufklärungsinhalt aufgelistet werden. Der Patient muss stets über Diagnose, Verlauf, Risiko und echte Behandlungsalternativen informiert werden.271 Die Diagnoseaufklärung wird in § 630e Abs. 1 S. 1 lit. a festgeschrieben. Danach ist der Behandler verpflichtet, den Patienten (und dessen gesetzlichen Vertreter) über die gesicherte Diagnose und somit über den Befund aufzuklären. Dies entspricht geltendem Recht.272 Der Patient muss erfahren, dass er krank ist und an welcher Krankheit er leidet.273 Dabei beschränkt sich die Aufklärungspflicht in diesem Regelungsvorschlag auf feststehende Diagnosen.274 Der Behandler soll den Patienten nicht durch unsichere Befunde unnötig verunsichern und verängstigen. § 630e Abs. 1 S. 1 lit. b erfasst die Verlaufserklärung.275 Sie soll den Patienten über Art, Umfang, Dringlichkeit, Durchführung und Besonderheiten der medizinischen Maßnahme sowie deren prognostizierten Verlauf und Erfolgschancen aufklären.276 Ist etwa vorhersehbar, dass bei einem geplanten Eingriff, abhängig vom 266
Vgl. auch den niederländischen Art 7:448 Abs. 1 S. 2 speziell für minderjährige, einwilligungsunfähige Patienten. 267 Siehe zu Aufklärung ausländischer Personen: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn 318; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 144 f.; Muschner, Die haftungsrechtliche Stellung ausländischer Patienten und Medizinalpersonen in Fällen sprachbedingter Mißverständnisse, passim. 268 Siehe: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 327. 269 Siehe: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 337. 270 Vgl.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 302. 271 Vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 325. 272 Vgl.: Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 54; Roßner, NJW 1990, 2291 (2293); siehe zum Umfang der Diagnoseaufklärung: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 120 m.w.N. 273 BGH, Urt. v. 7.4.1992 – VI ZR 216/91, NJW 1992, 2354 (2355); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 54. 274 So auch: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, S. 30. 275 Vgl.: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, S. 8 f., 32 f. 276 Siehe zur Verlaufsaufklärung: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 121; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärung, S. 58.
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intraoperativen Befund, eine Operationserweiterung notwendig werden kann, ist hierüber aufzuklären. In der Praxis ist insbesondere die in § 630e Abs. 1 S. 1 lit. c festgeschriebene Risikoaufklärung bedeutend. Sie soll den Patienten über die Risiken des medizinischen Eingriffs, also über mögliche, nicht sicher zu vermeidende, dauernde oder vorübergehende Nebenfolgen der Behandlung,277 informieren.278 Von der Aufklärungspflicht werden solche Risiken nicht erfasst, die lediglich von einer fehlerhaften Behandlung ausgehen.279 Insbesondere hier richtet sich der Umfang der Risikoaufklärung nach dem Einzelfall und dem Patienten. So ist nach der Rechtsprechung selbst über (extrem) seltene Risiken im Promillebereich aufzuklären, sofern sie eingriffsspezifisch sowie für den Laien überraschend sind und durch ihre Verwirklichung die Lebensführung des Patienten schwer belastet wird.280 Diese Rechtsprechung soll jedoch durch diesen Regelungsvorschlag korrigiert werden, in dem nur eingriffsspezifische, nicht gänzlich unwahrscheinliche Risiken für aufklärungsbedürftig erklärt werden.281 Die Rechtsprechung geht zu weit, wenn sie den Behandler als verpflichtet ansieht, über Risiken aufzuklären, bei denen die Verwirklichungswahrscheinlichkeit im Promillebereich anzusiedeln ist.282 Zugegebenermaßen haben solche Risiken für unterschiedliche Patienten nicht stets die gleiche Bedeutung. Jedoch kann insoweit nicht außer Acht gelassen werden, dass es weder im Interesse des Behandlers noch des Patienten liegt, sämtliche Ri-
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Beppel, Ärztliche Aufklärung in der Rechtsprechung, S. 24 m.w.N.; Harmann, NJOZ 2010, 819 (820). 278 Vgl.: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. C 41; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 121; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 67 f. 279 Siehe: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 67; Harmann, NJOZ 2010, 819 (820); Roßner, NJW 1990, 2291 (2293). 280 BGH, Urt. v. 15.2.2000 – VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1 (5 f.); Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 74/05, NJW 2007, 217 (218) m.w.N.; siehe auch: Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 381 ff. m.w.N.; kritisch: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 359 f. 281 Anders: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 360: „Deshalb sollte die Aufklärung über eingriffsspezifische seltene Risiken auf Beispiele beschränkt werden, wobei erkennbar gemacht werden muss, dass es sich nur um Beispiele handelt. Im Anschluss an diese Aufklärung ist der Patient darauf hinzuweisen, dass er Gelegenheit hat, nach weiteren Risiken zu fragen, worauf dann der Arzt selbstverständlich wahrheitsgemäß und erschöpfend Antworten zu geben hat. Diese Art und Weise der Aufklärung ermöglicht dem Patienten viel eher eine sinnvoll abwägende, eigenverantwortlich getroffene Entscheidung, sie hält Informationspflichten im Rahmen des in einem persönlichen Gespräch zu Vermittelnden und wirkt damit dem bürokratischen Hantieren mit Aufklärungsformularen entgegen, das der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient nicht gerade förderlich ist.“ Vgl. auch die Rechtslage in Frankreich, wo sich die Aufklärung nach Art. L1111-2 Abs. 1 S. 2 CSP nur auf die häufig auftretenden oder vorhersehbaren, schwerwiegende Risiken erstrecken muss und die Rechtsprechung vom Gesetzgeber insofern zum Teil korrigiert worden ist; siehe dazu: Boyer et al., Journal de Médecine Légale Droit Médical 2004 (5), 163 (165, 166); Nitschmann, MedR 2008, 133 (137). 282 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 359; Kern, in: Laufs et al., Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 313 (317 f).
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siken, selbst diejenigen im Promillebereich, aufzuzählen.283 Eine derartige Informationsflut überforderte den Patienten. Aufgrund dessen wird die Aufklärung in diesem Gesetzgebungsvorschlag auf eingriffsspezifische, nicht gänzlich unwahrscheinliche Risiken beschränkt. Zumal der Behandler, sofern sich der Patient im Rahmen des Gespräches selbst nach gänzlich unwahrscheinlichen Risiken erkundigt, die für ihn Relevanz haben könnten, diesem selbstverständlich wahrheitsgemäß und umfassend Auskunft geben muss. Gemäß § 630e Abs. 1 S. 1 lit. d ist der Behandler verpflichtet, den Patienten über Alternativen zu der vorgeschlagenen medizinischen Dienstleistung aufzuklären, sofern diese unterschiedliche Belastungs- oder Risikospektren und Erfolgschancen beinhalten.284 Zwar ist die Auswahl der Behandlungsmaßnahme nach dem Grundsatz der Therapiefreiheit zunächst dem Behandler vorbehalten.285 Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten überwiegt jedoch die Therapiefreiheit des Behandlers, wenn eine gleichermaßen medizinisch indizierte Behandlungsmethode, mit der andere Risiken und Erfolgschancen verbunden sind, existiert.286 Dies entspricht geltendem Recht.287 Eine Aufklärung über alle Behandlungsalternativen wäre nicht praxistauglich und setzte sich zur obigen Entscheidung, die Aufklärungspflicht auf nicht gänzlich unwahrscheinliche, eingriffsspezifische Risiken zu beschränken in Widerspruch.288 Eine ausführlichere und „verbindlichere“ Regelung des Aufklärungsumfangs und -inhalts kann und darf in einem etwaigen Patientenrechtegesetz nicht erfolgen. Zur Bestimmung des Umfangs kommt es regelmäßig auf den Einzelfall an.289 Dieser hängt nach der Rechtsprechung u.a. von der Schwere, der Gefährlichkeit und der Dringlichkeit des Eingriffs ab. So ist eine ins Detail gehende Aufklärung umso weniger geboten, je notwendiger oder dringender der Eingriff aus medizinischer Sicht ist.290 Dahingegen muss die Aufklärung umso gründlicher erfolgen, 283
Ähnlich: Prat, in: Mayer-Maly/Prat, Ärztliche Aufklärung und Haftung, S. 9 ff. Vgl. zur Aufklärung über Behandlungsalternativen: OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.6.2002 – 7 U 4/00, MedR 2003, 229 (230); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 269 ff.; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 122 ff. 285 Siehe: BGH, Urt. v. 22.9.1987 – VI ZR 238/86, NJW 1988, 763 (764); Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 443 m.w.N. 286 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 331; Roßner, NJW 1990, 2291 (2293). 287 BGH, Urt. v. 22.9.1987 – VI ZR 238/86, NJW 1988, 763 (764); Urt. v. 14.1.1997 – VI ZR 30/96 NJW 1997, 1637 (1638); Urt. v. 17.2.1998 – VI ZR 42/97, NJW 1998, 1784 (1785); Urt. v. 22.2.2000 – VI ZR 100/99, NJW 2000, 1788 (1789). 288 A.A.: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 228 f., die eine Aufklärung über alle Behandlungsalternativen unabhängig von unterschiedlichen Erfolgschancen und Risiken verlangen; differenziert: Fischer, in: ders./Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 49 (156). 289 Vgl.: BGH, Urt. v. 4.11.1975 – VI ZR 226/73, NJW 1976, 363 (364); Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 257; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327; ausführlich zum Aufklärungsumfang und den maßgebenden Kriterien: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 284 ff.; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 128 ff. 290 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 328 f. m.w.N., der darauf hinweist, dass eine vitale oder absolute Indikation aber deshalb nicht zwangsweise von der Aufklärung entbindet, sondern nur den „Genauigkeitsgrad und die Intensität der Aufklärung im Einzelfall verringert.“ 284
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desto riskanter der Eingriff ist.291 Generell gilt dabei das Prinzip der patientenbezogenen Information.292 Der Patient muss wissen, in was er einwilligt.293 Es soll ihm aufgezeigt werden, was der Eingriff mit seinen spezifischen Vorteilen und Risiken für seine persönliche Situation bedeuten kann. Ihm soll durch die Aufklärung eine gute Abwägung und die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes ermöglicht werden.294 Im Hinblick auf den Aufklärungsumfang können Erwartungen an das Recht dahingehend, dass es für seine Adressaten und Benefiziare strikte Regeln vorgibt, nur enttäuscht werden. Derartige Verhaltensregeln würden der Diversität des Lebens ebenso wenig gerecht wie der notwendigen Freiheit des Arztes und des einzelnen Patienten. Feste Regeln verletzten gerade das individuelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten, das die patientenbezogene Aufklärung gewährleisten und sichern soll. Jochen Taupitz führt diesbezüglich treffend aus: „Die im Einzelfall richtige Grenze zwischen Selbstbestimmungsrecht und ärztlicher Fürsorgepflicht kann vom Recht nicht pauschal und dennoch en detail, etwa durch Festlegung bestimmter Prozentsätze der Zwischenfallhäufigkeit, fixiert werden; aufgrund der Individualität von Arzt und Patient kann es keine allgemeingültige Lösung dieses Konflikts geben. Das Recht muss dem Arzt einen Spielraum und damit auch die Verantwortung belassen, wie er seiner Pflicht zur („eigen-“) verantwortungsvollen Führung des Aufklärungsgesprächs nachkommen will. Das Recht kann nur Leitlinien geben und den generellen Rahmen abstecken, innerhalb dessen der Arzt sich zu halten hat. Auch hier gilt der Satz, dass Freiheit ohne Verantwortung nicht möglich ist.“295 In § 630e Abs. 1 S. 2 wird das Recht des Patienten, auf die Aufklärung zu verzichten, festgeschrieben.296 Demnach kann der Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes entscheiden, die Behandlung auch ohne genaue Faktenkenntnis durchführen zu lassen.297 An den Verzicht sind angesichts der Bedeutung der Aufklärung hohe Anforderungen zu stellen.298 Der Patient muss seinen Willen
291
Katzenmeier, Arzthaftung, S. 329; vgl.: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. C 42. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. C 7; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327; dazu: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 282; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 204 f. 293 BGH, Urt. v. 7.0.1984 – VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103 (106); Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 204; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327. 294 BGH, Urt. v. 19.11.1985 – VI ZR 134/84, NJW 1986, 780; Urt. v. 8.5.1990 – VI ZR 227/89, NJW 1990, 2929 (2931); Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 258; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327. 295 Taupitz, NJW 1986, 2851 (2860 f.). 296 Ähnlich: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1103); anders: Vzbv; Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, S. 30 f., der ein Aufklärungsverzicht nur für die Diagnoseaufklärung regeln möchte. 297 Siehe zum Recht auf Aufklärungsverzicht: BGH, Urt. v. 9.12.1958 – VI ZR 203/57, BGHZ 29, 46 (54); Urt. v. 28.11.1972 – VI ZR 133/71, NJW 1973, 556 (558); Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rdn. I 100; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 143; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 334; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 118; Harmann, NJOZ 2010, 819 (819, 822 f.). 298 Vgl.: BGH, Urt. v. 28.11.1972 – VI ZR 133/71, NJW 1973, 556 (558); Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rdn. I 100; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 334. 292
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zum Verzicht deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck bringen.299 Dabei bezieht sich die Verzichtserklärung nur auf den bevorstehenden medizinischen Eingriff, also nur auf den absehbaren Rahmen der Behandlung. Soll dieser überschritten oder eine neue Behandlungsmaßnahme durchgeführt werden, ist dem Patienten die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes durch Aufklärung erneut zu ermöglichen.300 Freilich kann er auf eine solche abermals verzichten. Dies bedarf jedoch keiner Regelung, da es sich aus Sinn und Zweck des Aufklärungsverzichts als Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes ergibt.301 § 630e Abs. 2 bestimmt, dass die Aufklärung durch ein mündliches Gespräch zwischen dem Behandler und Patienten (sowie dem gesetzlichen Vertreter) erfolgt.302 Nur auf diese Weise hat der Einwilligungsberechtigte die Möglichkeit, ihn interessierende Fragen zu stellen. Entgegen der Auffassung von Erwin Deutsch und Michael Geiger303 soll in diesem Gesetzgebungsvorschlag das Formerfordernis einer Regelung zugeführt werden, da in der Praxis zunehmend mit Hilfe von Aufklärungsbögen aufgeklärt wird.304 Eine Verwendung derartiger Formulare ist zur besseren Veranschaulichung nach diesem Regelungsvorschlag zwar zulässig,305 jedoch nur in Verbindung mit einem Aufklärungsgespräch.306 Ferner soll Abs. 2 festschreiben, dass der Patient in einem angemessenen Zeitabstand vor Beginn der Behandlung aufzuklären ist. Diese vorgeschlagene Regelung entspricht der gegenwärtigen Rechtslage.307 Danach ist der Patient, von Notfällen und Sonderlagen abgesehen, so rechtzeitig aufzuklären, dass er ohne Druck 299
Siehe: BGH, Urt. v. 9.12.1958 – VI ZR 203/57, BGHZ 29, 46 (54); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 334; Harmann, NJOZ 2010, 819 (824); ausführlich zur Frage, ob der Verzicht auch konkludent erklärbar ist: Roßner, NJW 1990, 2291 (2294). 300 Vgl.: Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rdn. I 100: „Ein Blankoverzicht ist unwirksam.“; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 334; siehe zum Umfang des Ausklärungsverzichts: Harmann, NJOZ 2010, 819 (824); Roßner, NJW 2291 (2294 f.). 301 Anders wohl: Harmann, NJOZ 2010, 819 (825): „Allerdings bestehen hier [beim Aufklärungsverzicht] erhebliche Rechtsunsicherheiten, so dass es wünschenswert wäre, dass sich der Gesetzgeber dieser Thematik annimmt und Inhalt, Reichweite und Grenzen des Aufklärungsverzichts eindeutig festlegt. Eine Ausformulierung und Kodifikation dieses Rechtsinstituts (sowie der weiteren Patientenrechte) würde dem Patienten helfen, seine Rechte zu kennen und aktiv wahrzunehmen und das Rollenverständnis der im Gesundheitswesen Tätigen entscheidend ändern.“ 302 Gegen eine Normierung: Fischer, in: ders./Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 49 (155), der darauf hinweist, dass das deutsche Recht patientenfreundlicher und besser ausdifferenziert sei als die meisten ausländischen Rechte; Giebel et al., NJW 2001, 863 (867): „Ein Gespräch ist nicht normierbar.“ 303 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1103). 304 Vgl. zu dem Beweiswert eines solchen Aufklärungsformulars: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 342. 305 So auch: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, S. 29. 306 Vgl.: BGH, Urt. v. 8.1.1985 – VI ZR 15/83, VersR 1985, 361 (362); Urt. v. 15.2.2000 – VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1 (13); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 308; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. C 87; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 342; Laufs, NJW 2000, 1757 (1760). 307 Siehe zur Rechtslage: BGH, Urt. v. 17.3.1998 – VI ZR 74/97, VersR 1998, 766 (767); Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 484 ff. m.w.N.
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das Für und Wider der Behandlungsmaßnahme abwägen und auf der Grundlage dessen eine echte, nicht schon durch die Situation vorgegebene Entscheidung treffen kann.308 Nur auf diese Weise wird sein Selbstbestimmungsrecht hinreichend gewahrt. Einen exakten Zeitpunkt, an dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden hat, gibt das geltende Recht nicht vor. Vielmehr kommt es nach der Rechtsprechung auf den Einzelfall an. So reicht bei einem Leistenbruch eine Aufklärung am Tag vor dem Eingriff aus,309 während eine Aufklärung am Abend vor einer Tumoroperation beispielsweise als verspätet anzusehen ist.310 Zudem sollte (auch im Hinblick auf die zunehmend ausufernde Rechtsprechung)311 nicht außer Acht gelassen werden, dass eine das Selbstbestimmungsrecht sichernde Patientenaufklärung nicht zwangsläufig mit einer sehr frühzeitigen Information des Patienten gleichzusetzen ist.312 Eine recht frühe Aufklärung kann zur Folge haben, dass der Patient im Zeitpunkt des eigentlichen Eingriffs nicht mehr hinreichend informiert ist.313 In psychologischen Studien wurde erwiesen, dass es Patienten sehr schwer fällt, die im Aufklärungsgespräch vermittelten Inhalte später nochmals zu reproduzieren.314 Unter Berücksichtigung der Situationsabhängigkeit des richtigen Aufklärungszeitpunkts normiert dieser Vorschlag als Zeiterfordernis lediglich einen „angemessenen“ Zeitraum vor Behandlungsbeginn und bedient sich somit eines auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffs. Entgegen der Auffassung des vzbv315 sind starre Regeln, die eine allgemeingültige, exakte Aufklärungsfrist vorsehen, nicht förderlich und schaden sowohl dem Patienten als auch dem Behandler. Es gibt zu viele unterschiedliche Konstellationen, die durch eine strikte Regelung nicht erfasst werden können. Mit einem weiten Begriff wie dem hier gewählten sind zwar Rechtsunsicherheiten verbunden. Jedoch kann insoweit auf ein recht ausgeprägtes Richterrecht zur Aufklärung verwiesen werden. Zudem sind etwaige Rechtsunsicherheiten im Hinblick darauf, dass von einer gesetzlichen Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts die Gefahr ausginge, dass das bisher flexible Recht unbeweglich und damit nicht angemessen im neuen Gesetz wiedergegeben 308
Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 311; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 235; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 343 m.w.N. 309 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.5.1997 – 14 U21/96, VersR 1998, 1111 (1113). 310 BGH, Urt. v. 17.3.1998 – VI ZR 74/97, NJW 1998, 2734. 311 Dies beklagen u.a.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 311; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 363 ff., insbesondere unter Verweis auf: BGH, Urt. v. 7.4.1992 – VI ZR 192/91, NJW 1992, 2351 (2352). 312 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 311: „Was den Zeitpunkt der Aufklärung angeht, so sollte sie rechtzeitig, aber auch nicht zu früh erfolgen. Gerade an dieser Stelle laufen Juristen Gefahr, das selbstgezimmerte Instrumente ‚Aufklärung‘ ins Absurde zu verlängern.“ 313 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 364. 314 Vgl.: Dierks/Martin/Schienkiewitz, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 89 (93) m.w.N.; siehe auch: Radner et al., RPG 2007, 10 (12 ff.); Deutsch, NJW 1979, 1905 (1907) m.w.N. 315 Vgl. § 630g Abs. 2 des Gesetzgebungsvorschlags des Vzbv: „Ist Gegenstand der Heilbehandlung ein chirurgischer Eingriff, so muss der Heilbehandler den Patienten spätestens bis 18.00 Uhr des dem chirurgischen Eingriff vorangehenden Tages aufklären. Mit Einwilligung des Patienten kann die Aufklärung auch später erfolgen.“
II. Begründung
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würde,316 hinzunehmen. Zumal es ein Irrglaube ist, dass mit detaillierten, jeden erdenklichen Sachverhalt umfassenden Regelungen ein „Mehr“ an Gerechtigkeit erzielt wird.317 Es ist dem Gesetzgeber nicht möglich, sämtliche Sachverhalte mit einer Regelung zu erfassen; vor allem dann nicht, wenn sich diese durch eine erhebliche Vielfältigkeit auszeichnen und eine gerechte Entscheidung von individuellen und konkreten Tatsachen abhängt. Wenn er in solchen Fällen keine auslegungsbedürftigen Regelungen erlässt, provozierte er Entscheidungen, die im Einzelfall unbillig sind.318 Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Aufklärung ist von Bedeutung, dass der Gesetzgeber bei einem Erlass eines Patientenrechtegesetzes klarstellt, dass der Einwilligungsberechtigte unter Berücksichtigung der Dringlichkeit und der Schwere des Eingriffs derart früh über die Diagnose, den Verlauf, die Risiken sowie über die Alternativen zu dem vorgeschlagenen Eingriff informiert wird, dass dieser eine selbstbestimmte Entscheidung ohne Zeitdruck treffen kann. Es ist nachteilig, exakte zeitliche Vorgaben für die Aufklärung zu normieren.319 Auf diese Weise gewinnt man nicht ein „Mehr“ an Gerechtigkeit, sondern begünstigte bloß den Missbrauch der Aufklärungsrüge als Auffangtatbestand bei nicht nachgewiesenen Behandlungsfehlern.320 § 630e Abs. 3 regelt eine Ausnahme von der Aufklärungspflicht. Die Aufklärungspflicht wird nach Abs. 3 neben den Fällen eines Verzichtes beschränkt oder ausgeschlossen, wenn andernfalls eine erhebliche Selbstgefährdung des Patienten ernsthaft zu befürchten ist. Dabei reicht die bloße theoretische Möglichkeit der Selbstschädigung des Patienten zur Bejahung des Ausnahmetatbestandes § 630e Abs. 3 lit. b nicht aus. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Gefahr gegeben sein.321 Die Behandlungsseite hat über die Nicht-Aufklärung wegen einer andernfalls drohenden Selbstgefährdung unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts des Selbstbestimmungsrechtes zu entscheiden. Der Ausschluss muss gerichtlich auf Plausibilität überprüfbar sein.322 Die Behandlungsseite soll dabei ihre bei der Abwägung zugrundegelegten und die bei der Zurückweisung der Einsichtnahme leitenden Erwägungen so detailliert wie möglich, ohne den Sinn und Zweck des Ausschlusses zu konterkarieren, vor Gericht darlegen. Damit beschränkt der Regelungsvorschlag § 630e Abs. 3 lit. b die vorherrschende Auffassung, dass eine Aufklärung des Patienten bereits dann nicht erfolgen müsse, wenn sie aus therapeutischen Gründen kontraindiziert sei.323 Die herrschende Auf316
Fischer, in: ders./Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 49 (155), der durch eine gesetzliche Festlegung noch nicht mal ein Mehr an Rechtsicherheit erwartet. 317 Fricke/Hugger, Test von Gesetzentwürfen, S. 108 f. 318 Ähnlich: Meier-Hayoz, in: Noll/Stratenwerth, FS für Germann, S. 149 (156 ff.). 319 So aber: Vzbv, Elemente eines Informations- und Patientenrechtegesetzes, S. 35 f. 320 Siehe zu dem Missbrauch der Aufklärungsrüge: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 245; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 308. 321 Ähnlich: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 95 f. 322 Siehe auch: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 100; Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 177 f. 323 Vgl.: Brüggemeier, Deliktsrecht, Rdn. 732 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 333 ff.; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 123 ff.; siehe auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1112), wonach § 5 Abs. 3 lautet: „Ausnahmsweise hat der Arzt dem Patienten die Diagnose, den Verlauf oder die Risiken zu verschweigen,
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fassung in der Literatur geht hier gar über die Rechtsprechung hinaus,324 die eine Kontraindiktion nur dann bejaht, wenn die Aufklärung die physische Gesundheit des Patienten ernsthaft und unwiederbringlich zu schädigen droht.325 Dahingegen wollen die Befürworter eines weiten „therapeutischen Privilegs“ den Behandler von seiner Aufklärungspflicht bereits dann entbinden, wenn die Aufklärung des Patienten bei diesem voraussehbar zu psychischen und/ oder physischen Reaktionen führe, die eine unmittelbare und ernsthafte Gefährdung für den Patienten darstelle. Irreversibilität sei nicht erforderlich.326 Ethische Grundlage dieses weit verstandenen „therapeutischen Privilegs“ ist, dass der Behandler den Patienten in Grenzsituationen besser helfen und schützen solle, als ihm durch Offenheit Schaden zuzufügen.327 Demnach lösen die Befürworter eines solch weiten Verständnisses die Spannung zwischen der Sorge um das Wohl des Kranken und der Beachtung seines Willens zu Gunsten ersterer auf.328 Verfassungsrechtlich kollidieren hier vor allem der Gesundheitsschutz und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten.329 Dabei überwiegt das Selbstbestimmungsrecht.330 Indem der Behandler die Aufklärung unterlässt, ersetzt er die Entscheidung des Patienten über die weitere Behandlung durch seine eigene. Grundsätzlich hat aber jede Person das Recht, selbst über sich zu entscheiden und sich dabei von eigenen, möglicherweise auch unvernünftigen Motiven leiten zu lassen. Eine einwilligungsfähige Person kann in Anbetracht der Menschenwürde nicht dazu gezwungen werden, „nach den Maßstäben Dritter ‚vernünftig' zu sein“331. Sie darf nicht zum Objekt der Entscheidun-
wenn die begründete Gefahr besteht, dass eine erhebliche Gesundheitsschädigung durch die Offenlegung eintritt. Wenn tunlich, sind dann die Angehörigen zu unterrichten. Für die Behandlung bleibt der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entscheidend.“ 324 So etwa: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1104); Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 322. 325 Vgl.: BGH, Urt. v. 16.1.1959 – VI ZR 179/57, BGHZ 29, 176 (182 ff.); Urt. v. 7.2.1984 – VI ZR 188/82, BGHZ 90, 96 (99); siehe auch: Kleinewefers, VersR 1981, 99 (101). 326 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 321 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 361. 327 Als Beispiel wird teilweise der Fall von Theodor Storm genannt, siehe dazu: Mann, Leiden und Größe der Meister, S. 151, 171 f.; so etwa: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 321 f. siehe auch: Roßner, Begrenzung der Aufklärungspflicht des Arztes, S. 97 ff., 113 ff., 196 ff. 328 Dabei stehen das Patientenwohl und die Beachtung des Patientenwillens nicht notwendig in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander. 329 Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 175; ders./Hart, Charta der Patientenrechte, S. 141. 330 Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 105, 175 f., ders./Hart, Charta der Patientenrechte, S. 141; vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung des Einsichtsrechts aus therapeutischen Gründen: BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1118): „Ob diese Rechtsprechung [zum therapeutischen Vorbehalt beim Einsichtsrecht], nicht zuletzt angesichts neuerer Entwicklungen und zwischenzeitlich veränderter Anschauungen, aus verfassungsrechtlicher Sicht der Weiterentwicklung in dem Sinne bedarf, dass die Persönlichkeitsrechte des Patienten höher gewichtet werden (…), kann offen bleiben (…).“ 331 Siehe das Sondervotum der Richter Hirsch, Niebler und Steinberger, in: BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 171 (184).
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gen Dritter werden.332 Damit korrespondiert die höchstrichterliche Rechtsprechung, wenn sie aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten das Recht ableitet, eine medizinisch gebotene, vital indizierte Behandlung abzulehnen.333 Angesichts des hohen Rangs des Selbstbestimmungsrechts kann dem Ziel der Heilung nicht grundsätzlich eine derartige Bedeutung beigemessen werden, dass bei ihrer Gefährdung bereits das Aufklärungsrecht des Patienten beschränkt wird. Der Behandler kann und darf dieses Patientenrecht nicht umgehen, indem er den Patienten über seine Krankheit und Behandlung nicht informiert.334 Ihm kommt vielmehr durch seine Verpflichtung zur schonenden Aufklärung (vgl. § 630e Abs. 1 S. 1) die Aufgabe zu, Gesundheits- und Selbstbestimmungsrecht in Einklang zu bringen und dem Patienten beizustehen.335 Diesbezüglich sind die medizin-soziologischen Erkenntnisse, nach denen die überwiegende Zahl von Patienten selbst in lebensbedrohlichen Situationen aufgeklärt werden will,336 zu berücksichtigen. Eine schonende und differenzierte Aufklärung, die Rückfragen des Patienten zulässt, wirkt Ängsten des Patienten entgegen.337 Ferner wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient durch das (Aufklärungs-) Gespräch aufgebaut und gefestigt, indem der Patient das Gefühl hat, er wird mit seiner Person und seiner Meinung in das therapeutische Geschehen einbezogen.338 Umgekehrt zerstört ärztliches Verschweigen der Wahrheit und das Zurückhalten von Informationen, sofern es nicht auf eigenen Wunsch geschieht, das Patientenvertrauen.339 Dass mit der Aufklärung des Patienten nicht nur Vorteile, sondern häufig (zunächst) eine Verschlechterung des Allgemeinbefindens und der psychischen Verfassung verbunden sind, ist „die Kehrseite freier Selbstbestimmung“340, die hingenommen werden muss. Zumal sich der Patient, wenn er sich einer solchen Informiertheit über seine Erkrankung und Behandlung nicht gewachsen fühlt, auf die Aufklärung verzichten kann.341 Auch das Recht auf Berufsfreiheit vermag eine paternalistische 332
Taupitz, NJW 1986, 2851 (2857). BGH, Urt. v. 07.02.1984 – VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103 (107, 111); siehe auch: Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 175 f., 205 f.; ders./Hart, Charta der Patientenrechte, S. 118 f.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 230. 334 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 141. 335 Vgl.: BGH, Urt. v. 7.2.1984 – VI ZR 188/82, BGHZ 90, 96 (99). 336 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 141 f.; siehe etwa: Aulbert, in: Niederle/ Aulbert, Der Krebskranke und sein Umfeld, S. 69 f. 337 Pöltner, in: Mayer-Maly/Prat, Ärztliche Aufklärung und Haftung, S. 1 (2 f.). 338 Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 327 f. 339 Ähnlich: Aulbert, in: Niederle/Aulbert, Der Krebskranke und sein Umfeld, S. 69: „Aus dem Gefühl heraus, man müsse den Patienten schonen, werden bisweilen wesentliche Informationen zurückgehalten. Dieses kommt dem Patienten jedoch nur scheinbar entgegen und bringt die Gefahr mit sich, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Glaubwürdigkeit des Arztes verlorengeht.“ 340 Siehe das Sondervotum der Richter Hirsch, Niebler und Steinberger, in: BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 171 (179 f.); ähnlich: BGH, Urt. v. 9.12. 1958 – VI ZR 203/57, BGHZ 29, 46 (56); Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 (333). 341 Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 182 f., 206; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 328. 333
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Bevormundung des Patienten durch den Behandler in Form eines weit verstandenen „therapeutischen Privilegs“ nicht zu rechtfertigen.342 Der Behandler kann weder aus seiner Aufgabe zum Schutz des Lebens und der Gesundheit noch aus der medizinischen Indikation im Einzelfall und auch nicht aus dem Behandlungsvertrag die Befugnis zur Behandlung eines im Unwissen gelassenen Patienten herleiten.343 Erst wenn der Patient sich in einem den freien Willen ausschließenden Zustand befindet oder wenn er in der Absicht handelt, sein Leben zu vernichten, tritt das Selbstbestimmungsrecht zurück.344 Der hiesige restriktive Regelungsvorschlag zum „therapeutischen Privileg“ ist nicht nur verfassungsrechtlich geboten,345 sondern beugt zudem Missbrauch vor, stärkt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und bedeutet für den Behandler ein Zugewinn an Rechtssicherheit. Damit ist kein Anreiz verbunden, dass der Behandler sich auf eine überzogen interpretierte Patientenautonomie als Legitimationsbasis für eine uneingeschränkte und bloße Sachinformation umfassende Aufklärung zurückzieht. Ein solche darf und soll es nicht geben. Der Behandler bleibt zur ehrlichen, aber schonenden Aufklärung verpflichtet. g) Zu § 630f >Information < § 630f soll die sogenannte therapeutische Aufklärung (auch: Sicherungsaufklärung) als vertragliche Pflicht regeln.346 Dabei wird allerdings von der Begrifflichkeit der Aufklärung Abstand genommen und die der Information der Regelung zu Grunde gelegt. Damit soll Verwechselungen und begrifflichen Ungenauigkeiten vorbeugt werden. Schließlich unterscheidet sich die therapeutische Aufklärung von der klassischen (Eingriffs-) Aufklärung erheblich.347 Sie dient nicht der Gewährleistung und Sicherung der Selbstbestimmung, sondern vorrangig dem Schutz der Gesundheit des Patienten und ist Bestandteil der Pflicht zur sachgemäßen Behandlung.348 Der Behandlungserfolg soll durch die Information des Patienten in 342
Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 177; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 118. 343 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 119. 344 Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 105, 176; ders./Hart, Charta der Patientenrechte, S. 142; strenger: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 328, der das „therapeutische Privileg“ ganz ablehnt. Zu den Grenzen der Selbstgefährdung nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG siehe: BVerwG, Urt. v. 27.4.1989 – 3 C 4/86, NJW 1989, 2960 f. 345 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des „therapeutischen Privilegs“: Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 175 f. 346 Ausführlich zu therapeutischen Aufklärung: Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 passim. 347 Siehe: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 277; einschränkend: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 80 m.w.N., die zutreffend darauf hinweisen, dass es in Einzelfällen auch zu Überschneidungen kommen kann. 348 Siehe: Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 764; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 277; Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 111; Giesen, Arzthaftungsrecht Rdn. 140; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326 f.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. V 16; Laufs, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 1; Roßner, NJW 1990, 2291 (2292).
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Form von Schutz- und Warnhinweisen sowie durch die Anleitung zu einem therapiegerechten Verhalten gesichert und Gefahren abgewendet werden.349 Essentiell ist dabei, insoweit der Aufklärung ähnelnd, dass der Behandler den Patienten verständlich informiert.350 Dieses Erfordernis wird in § 630f festgeschrieben. Den genauen Umfang und Inhalt der Informationspflicht der Behandlungsseite kann der Gesetzgeber indes nicht festlegen, da es hier auf den Einzelfall ankommt. So ist bei vielen therapeutischen Maßnahmen die Mitwirkung des Patienten, zu der der Behandler ihn anhalten und anweisen muss, in unterschiedlicher Form und Intensität erforderlich. So muss der Patient etwa bei dem Erstellen der Röntgenbilder im Rahmen einer Koronarangiographie erheblich mitwirken, worüber der Arzt ihn verständlich zu informieren hat.351 Beim Chaoul-Nahstrahlverfahren zur Beseitigung von Warzen hat der Behandler hingegen den Patienten lediglich darauf hinzuweisen, dass er die bestrahlten Hautflächen nach der Behandlung insbesondere vor chemischen und thermischen Reizen schützen soll.352 Darüber hinaus existieren vielfach Behandlungsmaßnahmen, bei denen eine mangelhafte bzw. eine unterlassene Mitwirkung des Patienten nicht nur den Behandlungserfolg vereiteln, sondern Leib und Leben des Patienten oder Dritter gefährden kann. Hier soll die Information dem Patienten helfen, die Gefahr zu minimieren oder gar zu vermeiden.353 Nach einer Notfalluntersuchung muss der Arzt den Patienten zum Beispiel darüber informieren, dass er beim Fortschreiten oder Auftreten bestimmter Symptome sofort einen Facharzt aufsuchen soll.354 Auch kann es zu der Informationspflicht des Behandlers gehören, dem Patienten seine Anfälligkeit für eine Erkrankung zu erklären und ihm eine schonende Lebensweise wie etwa eine spezielle Diät, das Vermeiden von Alkoholkonsum, Rauchen oder Enthaltsamkeit zu empfehlen.355 Ferner muss der Behandler den Patienten nicht nur über Dosierung und Einnahme des verschriebenen Medikamentes belehren, sondern auch über die mit der Einnahme verbundenen Gefahren. So ist der Patient darauf hinzuweisen, dass er nach einer Sedierung oder der Einnahme eines bestimmten das Reaktionsvermögen verändernden Arzneimittels nicht unmittelbar mit dem Auto am Straßenverkehr teilnehmen darf.356 Je gefährlicher das Medikament ist, desto weiter reicht
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Vgl.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 276; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 115, 117; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 95 ff.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 140; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 79; Harmann, NJOZ 2010, 819 f. 350 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 201. 351 Vgl.: Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 13. 352 BGH, Urt. v. 16.11.1971 – VI ZR 76/70, NJW 1972, 335 (337); Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 12. 353 Siehe: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 115; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 370 m.w.N. 354 BGH, Urt. v. 16.11.2004 – VI ZR 328/03, NJW 2005, 427 (428); Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 12. 355 Vgl.: Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 112; Laufs, in: ders./ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 1. 356 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 201; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 115; Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 14.
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die Instruktionspflicht des Behandlers.357 Generell gilt, dass an die Pflicht des Behandlers umso strengere Anforderungen zu stellen sind, desto leichter sie sich erfüllen lassen und desto schwerwiegender die Gefahren für den Patienten bei einer Verwirklichung des Risikos sind.358 Aufgrund der Abhängigkeit der Art und des Umfangs der Information von den jeweiligen Einzelfällen schreibt der Regelungsvorschlag § 630f nur Sinn und Zweck der Informationspflicht, Förderung der Mitwirkung des Patienten zur Sicherung des Heilerfolgs und Abwehr von Gesundheitsgefahren vor. Die genaue Ausgestaltung der Informationspflicht muss jedoch weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben. Ein konkretes Eingehen auf Einzelfälle sprengte den Rahmen des Gesetzes und bedeutete damit nicht ein Zugewinn an Rechtssicherheit. h) Zu § 630g >Mitwirkung und Offenbarung< Der Regelungsvorschlag § 630g soll verdeutlichen, dass nicht nur der Behandler, sondern auch der Patient innerhalb des Behandlungsverhältnisses tätig werden soll.359 Obwohl heutzutage ein partnerschaftliches Beziehungsmodell zwischen Behandler und Patient als Ideal gilt, wird der Patient in den Diskussionen über die Normierung von Patientenrechten weitestgehend nur als Rechtsinhaber wahrgenommen.360 Jedoch kann eine ausgeglichene partnerschaftliche Beziehung nicht durch die einseitige Betonung von Pflichten eines der beiden Partner erreicht werden.361 Zudem beinhaltet die Anerkennung von Subjektivität regelmäßig auch die Zuweisung von Pflichten. Der Patient hat neben der Vergütung der medizinischen Dienste und der Duldung der durch seine Einwilligung legitimierten Eingriffe dem Behandler die für die Behandlung notwendigen Informationen zu offenbaren.362 Ferner ist seine Mitwirkung am Behandlungsgeschehen bei vielen medizinischen 357
BGH, Urt. v. 13.1.1970 – VI ZR 121/68, NJW 1970, 511 (512); Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 8. 358 Vgl.: OLG Köln, Urt. v. 22.5.1995 – 5 U 298/94, VersR 1996, 1278; Laufs, in: ders./ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 1. 359 Ähnlich wohl: Art. 7:452 BW. 360 Dickhaut/Luban-Plozza, in: Eser/Lutterotti/Sporken, Lexikon Medizin, Ethik, Recht, Spalte 123 (124): „In den letzten Jahrzehnten wuchs in unserer Kultur das Bedürfnis des Menschen nach Selbstverwirklichung, nach Mündigkeit und nach persönlicher Verantwortung. Vor diesem Hintergrund ist es begreiflich, dass von mehreren Seiten versucht wurde, das gestörte Gleichgewicht in der Arzt-Patienten-Beziehung wiederherzustellen. Diese Versuche fanden und finden manchmal ihre konkrete Gestalt im Kampf um die Rechte des Patienten. Dieser Kampf wird nicht selten auf einseitige Art geführt, indem aufgrund des Unbehagens an der heutigen Situation vor allem die Rechte der Patienten und die Pflichte der Ärzte betont werden.“; vgl. etwa: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, passim; vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, passim. 361 Vgl.: Dickhaut/Luban-Plozza, in: Eser/Lutterotti/Sporken, Lexikon Medizin, Ethik, Recht, Spalte 123 (124). 362 Siehe zur Vergütungspflicht des Patienten die hiesigen Ausführungen in diesem Kapitel unter II.2.b) zu § 630a Abs. 1 S. 2. Die Obliegenheit des Patienten zur Duldung des Eingriffs ergibt sich bereits aus der unwiderrufenen Einwilligung des Patienten in den Eingriff; vgl. ausführlich zu dieser Obliegenheit des Patienten und den Folgen ihrer Verletzung: Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 76 passim.
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Diensten zur Optimierung des Erfolgs erforderlich. Schließlich wird der Gesundheitszustand des Patienten nicht allein durch die Behandlung beeinflusst. Vielmehr sind wesentliche Faktoren für den Behandlungserfolg die individuelle Lebensweise und die Einstellung des Patienten zur eigenen Gesundheit.363 Nimmt der Patient nicht aktiv an der Behandlung und der Therapie teil, wird der Behandler nicht heilen können. Dem wird auf Patientenseite häufig nicht entsprochen. So haben etwa im Rahmen der stationären Versorgung durchgeführte Studien zur Regelmäßigkeit der Einnahme verordneter Medikamente gezeigt, dass einige Patienten nicht bereit sind, den ärztlichen Maßnahmen und Ratschlägen Folge zu leisten.364 Die Mitwirkung der Patienten ist auch bei ambulanten Behandlungen häufig problematisch.365 Im Rahmen der Stärkung der Stellung der Patienten ist an diese zu appellieren, auch Selbstverantwortung zu übernehmen.366 Im Falle einer Kodifikation müssen dementsprechend auch die Pflichten bzw. Obliegenheiten des Patienten einer Regelung zugeführt werden.367 In § 630g Abs. 1 soll die Obliegenheit des Patienten, dem Behandler die behandlungsrelevanten Informationen mitzuteilen, festgeschrieben werden. Diese Obliegenheit bildet eine wesentliche Grundlage für das Gelingen der Behandlung. Unter dem Begriff der für die Behandlung notwendigen Informationen sind beispielsweise Vorerkrankungen, bekannte Unverträglichkeiten, frühere Behandlungen, eine bestehende Schwangerschaft oder bestimmte aktuelle Symptome und Beschwerden zu verstehen.368 Dass der Patient aufgrund seines Selbstbestimmungsrechtes zur Offenbarung grundsätzlich nicht verpflichtet werden kann, son-
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Badura/Schellschmidt, in Feuerstein/Kuhlmann, Neopaternalistische Medizin, S.153 (154 f.); Wolf/Wendt, in: Wendt/Wolf, Soziologie der Gesundheit, 9 (18). 364 Vgl. die Nachweise bei: Laufs, NJW 1981, 1289 (1292). 365 Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Rdn. 9. 366 Mit der Begrifflichkeit „Eigenverantwortung“ ist hier nicht die stärkere finanzielle Beteiligung der gesetzlich versicherten Patienten an ihrer medizinischen Versorgung gemeint. Kritisch zur „Eigenverantwortung“: Badura/Schellschmidt, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 39 (48 f.): „Eigenverantwortung ist allerdings bislang eher als system- und politikentlastende Individualisierungsstrategie missverstanden worden und nicht, wie es erforderlich scheint, als Gestaltungsaufgabe der Systemorganisation, als Aufgabe der sozialen Ressourcenentwicklung und der autonomieschaffenden Befähigung. (…) Mehr und mehr wird offensichtlich, wie fragwürdig es ist, den Begriff der Eigenverantwortung von Patienten und Versicherten lediglich dafür zu verwenden, finanzielle Verschiebungen zu Lasten der Bürger zu legitimieren.“; vgl. auch: Kuhlmann, in: Feuerstein/Kuhlmann, Neopaternalistische Medizin, S. 37 (38): „Die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitssektors schöpft die Legitimationsmuster dieser mit hoher Akzeptanz ausgestatten Forderungen [nach Autonomie] ab, ohne sie tatsächlich konzeptionell zu integrieren.“; ähnlich: Dierks/Siebeneick/Röseler, in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 4 (14); Garms-Homolová, in: Gold/Geene/Stötzner, Patienten Versicherte Verbraucher, S. 15 (16); kritisch zu der Forderung und Förderung von Eigenverantwortung (in der GKV): Höfling, ZEFQ 103 (2009), 286 (286 ff.). 367 Ähnlich: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 24, der allerdings letztlich ein Patientenrechtegesetz mangels Kompetenz des Bundesgesetzgebers ablehnt. 368 Vgl.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 124; Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139).
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dern es sich lediglich um eine Obliegenheit zur Information handelt,369 wird durch die Verwendung des Verbs „sollen“ verdeutlicht. Das Selbstbestimmungsrecht muss jedoch dann zurücktreten, wenn Rechte Dritter gefährdet werden und zum Schutze dieser eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.370 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Patient an einer ansteckenden Krankheit leidet, mit der sich der Behandler, sein Personal und andere Patienten infizieren könnten.371 Dies folgt auch aus dem Behandlungsvertrag und gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Vertrauensverhältnisses.372 Die Obliegenheit erstarkt in diesem Fall zu einer Nebenpflicht des Patienten.373 Der Regelungsvorschlag des § 630g Abs. 1 S. 2, nach dem der Patient bei einem berechtigten Interesse des Behandlers zur Information verpflichtet ist, greift diesen Ausnahmefall auf. Einer Regelung der Rechtsfolgen der Verletzung der Obliegenheit bzw. der Nebenpflicht bedarf es demgegenüber nicht. In beiden Fällen ist der Behandler nach den allgemeinen Vorschriften zum Dienstvertrag zur Kündigung berechtigt.374 Bei einer Verletzung der Nebenpflicht (Abs. 1 S. 2) stünde dem Behandler ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 630g Abs. 1 S. 2 zu.375 Eine Obliegenheitsverletzung (Abs. 1 S. 1) kann im Rahmen des § 254 BGB Berücksichtigung finden.376 Der hier vorgeschlagene § 630g Abs. 2 soll die Obliegenheit des Patienten zur Mitwirkung an der Behandlung einer Regelung zuführen. Dies entspricht geltendem Recht.377 Die Mitarbeit des Patienten (auch: compliance)378 dient stets dem 369
Siehe: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 124; Jung, Das Recht auf Gesundheit, S. 161 f.; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 77 Rdn. 4. 370 Vgl.: Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139). 371 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 124; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 74 Rdn. 2; Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139). 372 Vgl.: Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139): „Dies macht auch Sinn, denn gerade der Behandlungsvertrag beruht zu einem Großteil auf dem Vertrauen zwischen Patient und Arzt. Wenn der Patient schon das Vertrauen zur Offenbarung dieser Krankheit nicht hat, so ist fraglich, ob eine sinnvolle Zusammenarbeit überhaupt möglich ist. Auch der Arzt muss darauf vertrauen können, dass er darauf hingewiesen wird, wenn er sich gegen Ansteckung schützen muss, um seinen Beruf ausüben zu können.“; siehe auch: Engst, Patientenpflichten und -lasten, S. 114 f.; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 77 Rdn. 5. 373 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 124. 374 Siehe zur Obliegenheitsverletzung: Engst, Patientenpflichten und -lasten, S. 116; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 77 Rdn. 4; siehe zur Nebenpflichtverletzung: Engst, Patientenpflichten und -lasten, S. 114 f.; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 77 Rdn. 5. 375 Vgl. zur Rechtslage: Engst, Patientenpflichten und -lasten, S. 114 f.; Kern, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 77 Rdn. 5. 376 Vgl.: Engst, Patientenpflichten und -lasten, S. 116; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 77 Rdn. 4; ausführlich dazu: Göben, Das Mitverschulden des Patienten im Arzthaftungsrecht, passim. 377 Vgl.: BGH, Urt. v. 8.10.1985 – VI ZR 114/84, BGHZ 96, 98 (100); Urt. v. 30.6.1992 – VI ZR 337/91, NJW 1992, 2961; Engst, Patientenpflichten und -lasten, S. 137 ff.; Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 451; Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 112; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 48; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 78 Rdn. 9; Schellenberg, VersR 2005, 1620 (1621).
II. Begründung
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Behandlungserfolg und soll eine effektive Behandlung gewährleisten.379 Sie ist häufig essentieller Bestandteil des Behandlungsplans.380 Beispiele für eine solche Mitwirkung des Patienten sind die richtige Einnahme der verordneten Medikamente, die Umstellung der Ernährung, die Einstellung des Alkoholkonsums oder des Rauchens.381 Dennoch kann die Mitwirkung des Patienten ebenfalls im Hinblick auf sein Selbstbestimmungsrecht nicht als Pflicht ausgestaltet werden.382 Die geringere Anreizwirkung auf den Patienten zum therapiegerechten Verhalten muss insoweit hingenommen werden. Allerdings soll der Patient durch die Regelung des Abs. 2 S. 2 dazu angehalten werden, vor einer Abweichung das Gespräch mit seinem Behandler zu suchen, der ihm Gefahren und Kosten eines nicht-therapiegerechten Verhaltens auf diese Weise noch einmal erläutern und gegebenenfalls mit dem Patienten zusammen Alternativen finden kann.383 Eine mangelhafte Mitwirkung des Patienten ist häufig Symptom seiner Unzufriedenheit mit den ärztlichen Anweisungen oder der Behandlung.384 Ein Gespräch kann hier abhelfen. Die Rechtsfolgen einer Verletzung der Obliegenheit zur Mitwirkung bedürfen dahingegen keiner Regelung. Insoweit gilt das bereits zu Abs. 1 Ausgeführte.385
378
Vgl. zu „Non-Compliance und Arzthaftung“: Schellenberg VersR 2005, 1620 ff.; siehe zum Begriff der „compliance“ auch: Engst, Patientenpflichten und -lasten, S. 21 f. m.w.N.; Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 36. 379 Francke, Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte, S. 37; vgl. etwa: Kern, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 78 Rdn. 12 m.w.N.: „Wenn 30 bis 50 % der Patienten die Anordnung des Arztes nicht befolgen und der Prozentsatz der Nichtbefolgung bei Hypertonikern 80 % erreicht, so lässt dies darauf schließen, dass fast jeder Arzt zu einem Drittel bis zur Hälfte seiner Zeit erfolglos arbeitet.“ 380 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 180 f.; Göben, Das Mitverschulden des Patienten im Arzthaftungsrecht, S. 54; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 78 Rdn. 8. 381 Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 74 Rdn. 4, 15. 382 Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 78 Rdn. 9. 383 Anders wohl: Riha, in: dies., Arztrecht für Patientenrecht, S. 22 (27): „Auch Unvernunft erfordert Respekt vor der Entscheidung und keine Überredung. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Non-Compliance vieler Patienten, die ebenfalls dem ärztlichen Einfluss entzogen sind. Vielleicht ist es ein kleiner Trost, dass schon in den hippokratischen Schriften auf diese Grenzen des ärztlichen Zuständigkeitsbereichs hingewiesen wurde. Möglicherweise eröffnen sich unter Kostendruck und dem Zwang zur Qualitätssicherung in diesem Punkt bald andere Perspektiven, die ein durch Monitoring nachgewiesenes Nicht-Befolgen der vereinbarten Therapie zum finanziellen Nachteil des Patienten auslegen.“ 384 Vgl.: Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 78 Rdn. 11. 385 Vgl. zu den Rechtsfolgen der Verletzung der Obliegenheit zur Mitwirkung: BGH, Urt. v. 8.10.1985 – VI ZR 114/84, BGHZ 96, 98 (100 ff.); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 451; Engst, Patientenpflichten und –lasten, S. 138ௗff. m.w.N.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 48; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 74 Rdn. 6, § 78 Rdn. 10 m.w.N.; ausführlich zur Berücksichtigung der mangelhaften oder unterbliebenen Mitwirkung des Patienten im Rahmen des Mitverschuldens: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 451 ff.; Göben, Das Mitverschulden des Patienten im Arzthaftungsrecht, passim.
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i) Zu § 630h >Dokumentation und Befundsicherung< Bei der in § 630h Abs. 1 S. 1 verankerten Dokumentationspflicht handelt es sich um eine typische vertragliche Nebenpflicht im Behandlungsverhältnis.386 Ein Regelungsbedürfnis besteht bei einer Kodifikation des Behandlungsvertrags trotz der zahlreichen spezialgesetzlichen387 und standesrechtlichen Normierungen. Schließlich statuieren die spezialgesetzlichen Vorschriften lediglich öffentlich-rechtliche Pflichten des Arztes zur Anfertigung von Aufzeichnungen über verschiedene Einzelheiten bzw. Abschnitte der Behandlung. Sie begründen keine privatrechtliche Dokumentationspflicht der Behandlungsseite gegenüber dem Patienten. Auch die standesrechtlichen Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern verpflichten den Arzt allein gegenüber Trägern hoheitlicher Aufgaben. Ein Recht des Patienten auf eine ordnungsgemäße Dokumentation lässt sich daraus nicht ableiten.388 Daran ändert die Formulierung, dass die Dokumentation auch dem Interesse des Patienten dient, nichts. Die standesrechtliche Regelung ist keine „originäre Rechtsquelle der Pflicht“389. Bei einer Regelung der Patientenrechte und -pflichten sollte die Dokumentationspflicht der Behandlungsseite als eine elementare Nebenpflicht und im Hinblick auf die beweisrechtlichen Konsequenzen ihrer Verletzung390 einer Regelung zugeführt werden.391 Der Regelungsvorschlag § 630h Abs. 1 S. 1 geht auf den erforderlichen Umfang und Inhalt einer ordnungsgemäßen Dokumentation ein. Demnach müssen die medizinisch gebotenen Informationen dokumentiert werden. Dies entspricht geltendem Recht.392 Um den Anspruch der medizinischen Gebotenheit zu genügen, muss die Dokumentation all diejenigen Daten, die Ärzte und Pflegepersonal für eine weitere Behandlung benötigen, und alle wesentlichen präventiven, diagnostischen, therapeutischen und nachsorgenden Maßnahmen und Verlaufsdaten umfassen.393 Dazu gehören u.a. die Anamnese, Diagnostik, wesentliche Hinweise im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung und der therapeutischen Aufklärung, Verweigerungen und Beschwerden des Patienten, therapeutische Maßnahmen so386
Vgl. zu dieser Nebenpflicht: BGH, Urt. v. 27.6.1978 – VI ZR 183/76, BGHZ 72, 132 (137); Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 (329); Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 80; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 43; Lilie, in: Fischer/Kluth/ Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (256); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 2 Rdn. 47, § 12 Rdn. 70; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 55 Rdn. 1; Hohloch, NJW 1982, 2577 (2580). 387 Siehe etwa die §§ 8 f. IfSG, § 14 TFG, §§ 42, 40, 41 StrlSchVO, § 28 RÖV und § 17 Abs. 4 Nr. 1 ArbStoffV und die landesrechtlichen Regelungen in den jeweiligen Heilberufs- bzw. Kammergesetzen. 388 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 44. 389 Hohloch, NJW 1982, 2577 (2580). 390 Siehe dazu die Ausführungen zu § 630h Abs. 2. 391 Ähnlich: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1112); vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 40. 392 Vgl.: BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 26/92, NJW 1993, 2375 (2376); Urt. v. 6.7.1999 – VI ZR 290/98, NJW 1999, 3408 (3409) ; OLG Oldenburg, Urt. v. 30.1.2008 – 5 U 92/06 NJW-RR 2009, 32 (33); Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 32. 393 Siehe: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 81 ff.; dies, Charta der Patientenrechte, S. 33, 73.
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wie deren Ergebnisse, Sektionsergebnisse, Operations- und Narkoseprotokolle, Apparateeinsatz, Anfängerkontrolle und Intensivmedizin, Medikation, ärztliche Anordnungen zur Pflege, Hinweise auf Gefahrenlagen und Vorbeugungen sowie die Nachbehandlung.394 Ferner sind alle objektiven Feststellungen über den Gesundheitszustand des Patienten wie etwa naturwissenschaftlich objektivierbare, gesicherte Befunde, Ergebnisse von Laboruntersuchungen und Röntgenbilder innerhalb der Patientenakte zu dokumentieren bzw. zu archivieren.395 Damit erfasst § 630h Abs. 1 S. 1 auch die Befundsicherungspflicht,396 die in der Lehre regelmäßig aufgrund der beweisrechtlichen Folgen ihrer Verletzung unabhängig von der Dokumentationspflicht erörtert wird. Demgegenüber müssen bloße Vermutungen, ungesicherte Befunde und vorbereitende Erkenntnisse als medizinisch nicht gebotene Informationen ebenso wenig dokumentiert werden,397 wie bloße Routinehandreichungen und -kontrollen.398 Durch die Niederlegung der medizinischen Gebotenheit als Kriterium für den Umfang der Dokumentation wird in § 630h Abs. 1 mittelbar der Schutzzweck der Dokumentationspflicht dargelegt. Sie obliegt dem Behandler nicht zu Zwecken der Beweissicherung,399 sondern um dem Patienten gegenüber Auskunft und Rechenschaft abzulegen400, zur Wahrung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes401 394
Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 73; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 474 f., ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 51; ausführlich zur Dokumentation: Wendt, Die ärztliche Dokumentation, S. 56 ff., 60 f, 61 f., 68 ff., 91 ff. 395 Vgl.: BGH, Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 (331ௗff.); Laufs, in: ders./Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 3. 396 Vgl.: Wendt, Die ärztliche Dokumentation, S. 236: „Der Sache nach umschreiben die Begriffe Befundsicherungspflichtverletzung und Dokumentationspflichtverletzung das gleiche. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass jede Befundsicherung zugleich Dokumentation und jede Dokumentation zugleich Befundsicherung sein kann und man deshalb sowohl von einer Dokumentation durch Befundsicherung als auch von einer Befundsicherung durch Dokumentation sprechen kann.“ 397 Vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 475; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 55 Rdn. 10. 398 BGH, Urt. v. 24.1.1984 – VI ZR 203/82, NJW 1984, 1403; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 73; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 475; Nüßgens, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (837); Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 543 m. w.N.; anders bei Berufsanfängern: BGH, Urt. v. 7.5.1985 – VI ZR 224/83, NJW 1985, 2193 (2194); Laufs, Arztrecht, Rdn. 455, 524. 399 BGH, Urt. v. 24.1.1989 – VI ZR 170/88, NJW 1989, 2330 (2331); Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 26/92, NJW 1993, 2375 (2376); Urt. v. 6.7.1999 – VI ZR 290/98, NJW 1999, 3408 (3409); OLG Oldenburg, Urt. v. 30.1.2008 – 5 U 92/06 NJW-RR 2009, 32 (33); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 473; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 49; Nüßgens, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (833); Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 540; Müller, NJW 1997, 3049 (3054); a.A.: Schlund, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 55 Rdn. 8; ausführlich zu den beweisrechtlichen Konsequenzen der Verletzung der Dokumentationspflicht: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 470 ff. 400 Siehe: BGH, Urt. v. 27.6.1978 – VI ZR 183/76, BGHZ 72, 132 (138); Urt. v. 27.6.1978 – VI ZR 183/76, NJW 1978, 2337 (2339); Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 83; dies., Charta der Patientenrechte, S. 32, 72; Lilie, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (256); vzbv, Ele-
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und vor allem zur Gewährleistung einer sachgemäßen Behandlung402. Als Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Dokumentation soll in § 630h Abs. 1 ferner geregelt werden, dass die Dokumentation ereignisnah zu erfolgen hat, also in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung zu leisten ist.403 Eine konkretere Festlegung einer Frist zur Dokumentation ist nicht angezeigt.404 Eine starre Frist wäre zu unflexibel und ließe nicht hinreichend Raum zur Reaktion auf den jeweiligen Einzelfall.405 Zumal es Behandlern und Pflegepersonal nicht immer möglich sein dürfte, innerhalb einer Schicht alle Ereignisse, die sich im Laufe der Behandlung ihrer Patienten ergeben, dokumentarisch festzuhalten. Schon heute nimmt die Dokumentation einen großen Teil der Arbeitszeit der Ärzten und des Pflegepersonals ein.406 Eine Gesetzgebung, die den Anspruch hat, effektiv zu sein, kann vom Schuldner nur Mögliches und Erfüllbares verlangen. Auch bedeutet eine starre Frist nicht notwendigerweise ein „Mehr“ an Rechtssicherheit.407 Sehr detaillierte Regelungen sind konfliktanfällig. Zudem können sie von den Gesetzesanwendern als zu starke Regulierung empfunden werden und auf diese Weise zu Akzeptanzproblemen auf der Behandlungsseite führen. Die Voraussetzung, dass die Dokumentation für einen Fachmann klar und verständlich sein muss,408 bedarf keiner Normierung,409 da sich dies bereits aus ihrem Sinn und Zweck ergibt. mente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 13; Katzenmeier, in: Laufs/ Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 48; Nüßgens, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (833 f.); Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 55 Rdn. 6; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 12 Rdn. 70; kritisch: Bockelmann, in: Vogler et al., FS für Jescheck, S. 693 (703 f.). 401 Vgl.: BGH, Urt. v. 3.2.1987 – VI ZR 56/86, BGHZ 99, 391 (397); Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 80; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 1; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 539 m.w.N.; kritisch: Nüßgens, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (835 f.) 402 BGH, Urt. v. 27.6.1978 – VI ZR 183/76, BGHZ 72, 132 (137 f.); Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 (329); Richardi, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdn. 1275; Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 79 f.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 47; Laufs/Kern, in: dies. Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 1; Nüßgens, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (832); Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 55 Rdn. 1 Fn. 4; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 540; Hohloch, NJW 1982, 2577 (2580); kritisch: Bockelmann, in: Vogler et al., FS für Jescheck, S. 693 (702 f.). 403 Siehe zu dem Kriterium der Unmittelbarkeit der Dokumentation: Schlund, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 55 Rdn. 12. 404 A.A: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 41, der sich für eine „eindeutige“ Frist von 24 Stunden ausspricht. 405 So wohl auch: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 73; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 475; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 52. 406 Siehe: Uhlenbruck, in: Kern et al., FS für Laufs, S. 1123 (1139): „Der heutige Krankenhausarzt verbringt etwa 30-40 % seiner Arbeitszeit mit Dokumentation und Beantwortung von Anfragen der Versicherungen.“ (Stand 2006). 407 So aber: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 41. 408 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 33; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 203; Laufs, Arztrecht, Rdn. 455. 409 A.A.: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 41.
II. Begründung
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Die erforderliche Form der Dokumentation wird in Abs. 1 S. 2 festgeschrieben. Danach müssen die im Rahmen der Behandlung gewonnenen Daten und Befunde elektronisch (§ 126a Abs. 1 BGB) oder schriftlich (§ 126 Abs. 1 BGB) dokumentiert bzw. gesichert werden.410 Ausnahmsweise kann von dem Formerfordernis abgewichen werden, wenn die Befunde ihrer Eigenart nach und die erhobenen Daten nicht in elektronischer oder schriftlicher Form sicherbar sind (§ 630h Abs. 1 S. 2. Hs. 2 Alt. 1). Die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt die Behandlungsseite („sofern nicht“). Ferner geht eine spezialgesetzliche Formvorschrift als lex specialis vor (§ 630h Abs. 1 S. 2. Hs. 2 Alt. 2). Ein Beispiel für eine solche spezialgesetzliche Regelung ist § 28 Abs. 4 RÖV. § 630h Abs. 2 erfasst die Aufbewahrungsfrist für die Dokumentation und die Befunde. Die Aufbewahrung sollte wegen des Sachzusammenhangs mit der Erstellung der Dokumentation und Befundsicherung ebenfalls in § 630h geregelt werden.411 Abs. 2 Hs. 1 normiert, indem er eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung vorschreibt,412 geltendes Recht und entspricht zugleich standesrechtlichen Regelungen.413 Dass es sinnvoll ist, die Patientenakte wegen der Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche 30 Jahre lang aufzubewahren,414 steht dem nicht entgegen, da mit Abs. 2 Hs. 1 nur eine Mindestaufbewahrungszeit geregelt wird. Sofern sich in der Praxis erweisen sollte, dass diese mit zehn Jahren zu knapp bemessen ist, ist die Frist wie in den Niederlanden zu korrigieren. Dort wurde die Aufbewahrungszeit von zehn auf fünfzehn Jahre verlängert.415 Die in Abs. 2 Hs. 2 Alt. 1 geregelte Ausnahme von der Zehn-JahresFrist trägt dem Umstand Rechnung, dass nach medizinischer Kenntnis und Erfahrung eine längere Aufbewahrungsfrist medizinisch geboten sein kann, etwa bei Geburtsschäden. Eine solche ist allgemein anerkannt.416 Die zweite Ausnahme dahingehend, dass eine längere Aufbewahrung geboten ist, wenn dies anderweitig gesetzlich bestimmt ist (Abs. 2 Hs. 2 Alt. 2), verweist auf die zahlreichen Sondervorschriften zur Aufbewahrung medizinischer Aufzeichnungen und Befunde.417 Eine solche Sondervorschrift ist etwa in § 28 Abs. 3 RöVO zu sehen. Danach sind 410
Anders: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1107), die kein Formerfordernis normieren wollen und nach denen auch Tonbandaufnahmen als Dokumentation des Behandlungsgeschehens ausreichen. 411 Ähnlich: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 41 f. 412 Anders: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 41 f., der eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren regeln möchte. 413 Vgl.: Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 53; Schlund, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 56 Rdn. 17; siehe ferner: § 10 Abs. 3 MBO-Ä. 414 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 53. 415 Siehe dazu: Roode, Medisch Contact 2006 (7), 298; vgl. zur Diskussion um die Verlängerung der Aufbewahrungszeit der Patientendaten: Health Council of the Netherlands, Reports 2004, S. 21 ff. Der niederländische Gesundheitsrat selbst hielt eine Aufbewahrungszeit von 30 Jahren für angebracht, siehe: Health Council of the Netherlands, Reports 2004, S. 26 f.; Witmer/Roode, Implementatie van de WGBO, S. 24; Dondorp/Legemaate/van de Klippe, European Journal of Health Law 2004, 273 (277 ff.). 416 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 611. 417 Siehe zu den Sondervorschriften: Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 1 (Fn. 3).
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
Aufzeichnungen über Röntgenbehandlungen 30 Jahre lang nach der letzten Behandlung aufzubewahren. Röntgenbilder sind u.a. zehn Jahre lang nach der letzten Untersuchung zu verwahren. Die Aufzeichnungen von Röntgenuntersuchungen einer Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres dieser Person zu sichern. Für das Vorliegen der beiden Ausnahmen trägt der Patient die Darlegungs- und Beweislast. Im Falle einer Verletzung der Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht steht dem Patienten zwar ein Schadensersatzanspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.418 Indes sind die beweisrechtlichen Folgen einer solchen Pflichtverletzung, denen sich der Regelungsvorschlag § 630h Abs. 3 annimmt, viel bedeutender.419 Die Verletzung der Dokumentationspflicht führt regelmäßig zu erheblichen Beweisschwierigkeiten des Patienten.420 Für den Patienten, der zum Teil narkotisiert oder bewusstlos und der im Übrigen als medizinischer Laie in der Behandlungssituation kaum in der Lage ist, die Abläufe objektiv wahrzunehmen und detailliert wiederzugeben, ist die Dokumentation ebenso wie für das Gericht und den Sachverständigen faktisch die wichtigste Grundlage zur Darlegung bzw. Feststellung eines Behandlungsfehlers.421 Auf der Grundlage dessen dient die Nicht-Dokumentation einer Behandlungsmaßnahme als Indiz dafür, dass die ärztliche Maßnahme unterblieben ist.422 Voraussetzung für eine derartige Vermutung eines Behandlungsfehlers423 ist lediglich, dass die unterlassene oder fehlerhafte Dokumentation medizinisch geboten war.424 Die Behandlungsseite kann diese Vermutung entkräften, indem sie darlegt und insbesondere durch Zeugenaussagen beweist, dass die nicht dokumentierte Maßnahme in Wirklichkeit durchgeführt worden ist.425 Diese von der Rechtsprechung etablierte Beweiserleichterung ist keine allgemeine Beweisfigur. Ihre dogmatischen Grundlagen sind nicht geklärt.426 In Ermangelung einer überzeugenden Herleitung aus allgemeinen Grundsätzen sollte im Rahmen eines Patientenrechtegesetzes eine Regelung dieser 418
Vgl.: Hohloch, NJW 1982, 2577 (2581 f.); allgemein zu Nebenpflichten: Kramer, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 2, § 241 Rdn. 18 f. 419 Dies ist vor allem darin begründet, dass in der Praxis die Verletzung der Dokumentationspflicht nur selten zu einem selbständigen Schadensersatzanspruch führt, da der Patient meist keine Vermögenseinbuße durch die Verletzung der Dokumentationspflicht erleidet; vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 476.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 612 ff.; Sundmacher, Die unterlassene Befunderhebung des Arztes, S. 123; siehe aber: KG, Urt. v. 21.9.1999 – 6 U 261/98, VersR 2000, 89. 420 Siehe: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 523; Schmid, NJW 1994, 767 (772). 421 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 470 f. 422 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 202; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 10, Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 114; Wend, Die ärztliche Dokumentation, S. 228 f.; Schmid, NJW 1994, 767 (772). 423 Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 10. 424 Die Pflicht zur Dokumentation dient vorrangig medizinischen Gründen und besteht nicht aus Beweiszwecken; vgl.: BGH, Urt. v. 3.2.1987 – VI ZR 56/86, BGHZ 99, 391 (397). 425 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 209 m.w.N.; Wend, Die ärztliche Dokumentation, S. 229. 426 Siehe dazu: Laufs, Arztrecht, Rdn. 615 m.w.N.
II. Begründung
171
Beweiserleichterung erfolgen. Darüber hinaus kann auf diese Weise einer etwaigen Entwicklung dahingehend, dass die Verletzung der Dokumentationspflicht zum Auffangtatbestand für unbewiesene Behandlungsfehler wird, vorgebeugt werden.427 Aufgrund dessen wird in § 630h Abs. 3 das Richterrecht dahingehend fixiert, dass bei einer unterlassenen, nicht hinreichenden oder nicht mehr auffindbaren Dokumentation die Nichtvornahme der jeweiligen Behandlungsmaßnahme vermutet wird. Mit dem Regelungsvorschlag § 630h Abs. 3 S. 2 wird die spezielle arzthaftungsrechtliche Rechtsprechung zu den beweisrechtlichen Folgen einer Verletzung der Befunderhebungs- und -sicherungspflicht einer Regelung zugeführt.428 Nach dieser wird, wenn ein Befund nicht mehr vorhanden ist,429 gleich ob er gar nicht erst erhoben worden ist oder ob er nicht gesichert wurde und deshalb auf der Grundlage der in § 630h Abs. 3 S. 1 normierten Vermutung als nicht erhoben gilt, vermutet, dass sich bei der Befunderhebung ein reaktionspflichtiger Befund ergeben hätte.430 Grundlegende Voraussetzung für diese Fiktion ist neben dem nicht (mehr) vorlegbaren Befund, dass die Befunderhebung angesichts der Symptome des Patienten zweifelsfrei geboten war.431 Schließlich bestimmt sich die Pflicht zur Befunderhebung und -sicherung allein nach medizinischen Erfordernissen und generell nicht nach dem Beweisführungsinteresse des Patienten.432 Zudem muss
427
Vgl.: Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 16: „In der Tat darf die Last der Aufzeichnungen den diagnostischen und therapeutischen Dienst des Arztes nicht deformieren, die Verletzung der Dokumentationspflicht nicht zu einem Auffangtatbestand für unbewiesene Behandlungsfehler werden. Forensische Rücksichten dürfen die Medizin nicht von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken. Wie beim groben Fehler hat die richterliche Spruchpraxis auch beim Dokumentationsmangel beweisrechtlich teilweise schwankenden Boden betreten. Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt eindeutige Grenzen. So bleibt festzuhalten, dass das Dokumentationsversäumnis als solches noch keine Verschiebung der Beweislast gleichsam als prozessuale Sanktion materiellrechtlicher Pflichtversäumnisse auslöst.“ 428 Siehe zur Befunderhebungs- und Befundsicherungspflicht: BGH, Urt. v. 3.2.1987 – VI ZR 56/86, BGHZ 99, 391 (397 f.); Urt. v. 23.3.2004 – VI ZR 428/02, NJW 2004, 1871 (1872); Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 74; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 477 ff. 429 Das Unterlassen einer gebotenen Befunderhebung kann bereits als Behandlungsfehler zu qualifizieren und bei zweifelsfrei und dringender gebotener Befundung durchaus an der Grenze eines groben Behandlungsfehlers einzustufen sein, siehe: BGH, Urt. v. 3.2.1987 – VI ZR 56/86, BGHZ 99, 391 (394, 398 f.); Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 (5); Sundmacher, Die unterlassene Befunderhebung des Arztes, S. 74; Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 90. 430 Vgl. zur Vermutung eines reaktionspflichtigen Befunds bei unterlassener Befunderhebung oder -sicherung: BGH, Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 (4); OLG Saarbrücken, Urt. v. 8.11.2006 – 1 U 582/05-203, MedR 2007, 486 (488); Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 295 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 480. 431 BGH, Urt. v. 3.2.1987 – VI ZR 56/86, BGHZ 99, 391 (398); Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 (6); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 478. 432 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 478.
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
der positive, reaktionspflichtige Befund hinreichend wahrscheinlich sein.433 Sinn und Zweck der Vermutung ist der Ausgleich von Beweisschwierigkeiten des Patienten, die sich aus einer unterlassenen Befunderhebung oder einer fehlenden oder mangelhaften Sicherung des Befundes ergeben. Der Patient kann regelmäßig nicht darlegen und beweisen, welches Ergebnis sich bei Vornahme einer medizinisch gebotenen, aber unterlassenen Befunderhebung ergeben hätte,434 so dass er kaum nachweisen kann, dass der Behandler auf den Befund hätte reagieren müssen und der eingetretene Schaden auf diese Weise hätte vermieden werden können.435 Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine notwendige Untersuchung des Augenhintergrunds bei einer Augenerkrankung oder die Ermittlung des Kreatinwertes bei Nierenblutungen unterbleibt.436 Ähnliche Beweisschwierigkeiten ergeben sich, wenn der erhobene Befund aus Gründen, die die Behandlungsseite zu vertreten hat, nicht mehr vorgelegt werden kann,437 etwa dann, wenn die Röntgenaufnahmen nicht mehr auffindbar sind oder ein Original-EKG verloren geht.438 Für den Patienten kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen er nicht auf den Befund zurückgreifen kann. Seine Beweisschwierigkeiten resultieren zudem nicht direkt aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus, sondern sind in der Risikosphäre des Behandlers angesiedelt, so dass eine Fiktion des reaktionspflichtigen Befundes angesichts der Beweisschwierigkeiten des Patienten gerechtfertigt ist. Zumal das Kriterium der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Pflichtverletzung das für die Fiktion hinreichende Gewicht gibt.439 Darüber hinaus reicht die Vermutung nur so weit, dass ein reaktionspflichtiger Befund angenommen wird. Mit einer derartigen Fiktion ist noch nicht bewiesen, dass sich der Schaden bei angemessener Reaktion auf dieses Ergebnis auch hätte verhindern lassen, die unterlassene Befunderhebung oder -sicherung also kausal war. Den Kausalzusammenhang zwischen der vermuteten Nichtreaktion auf den positiven Befund oder dessen Verkennung und dem eingetretenen Schaden muss der Patient grundsätzlich noch darlegen und beweisen.440 Ihm wird der Beweis des Kausalzusammenhangs (lediglich) insoweit erleichtert, als dass er nicht beweisen muss, dass das Ergebnis der (unterlassenen) Befunderhebung ein reaktionspflichtiger Befund gewesen ist. 433
Siehe: OLG Hamm, Urt. v. 31.8.2005 – 3 U 277/04, MedR 2006, 111 (113); Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 104; kritisch zum Begriff der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“: Sundmacher, Die unterlassene Befunderhebung S. 138 ff. m.w.N. 434 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 477. 435 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 75 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 477. 436 Vgl.: BGH, Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, NJW 1998, 1780 (1781); Urt. v. 6.10.1998 – VI ZR 239/97, NJW 1999, 860 (861 f.). 437 BGH, Urt. v. 21.11.1995 – VI ZR 341/94, NJW 1996, 779 (780 f.). 438 BGH, Urt. v. 21.11.1995 – VI ZR 341/94, NJW 1996, 779 (780 f.); Urt. v. 13.2.1996 – VI ZR 402/94, BGHZ 132, 47 (49 ff.). 439 Siehe: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 479. 440 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 479; Sundmacher, Die unterlassene Befunderhebung des Arztes, S. 101; vgl.: BGH, Urt. v. 13.2.1996 – VI ZR 402/94, BGHZ 132, 47 (50 f.); anders nur, wenn die Verkennung oder Nichtreaktion auf den unterstellt reaktionspflichtigen Befund grob fehlerhaft wäre; zur Beweislastumkehr beim groben Behandlungsfehler siehe die Ausführungen in diesem Kapitel unter II.2.m).
II. Begründung
173
j) Zu § 630i >Einsichtnahme< § 630i S. 1 Hs. 1 Alt. 1 normiert das allgemein anerkannte Recht des Patienten zur Einsichtnahme in die über seine Behandlung und Erkrankung angefertigte Akte.441 Es handelt sich dabei um ein vertragliches Nebenrecht.442 Das Einsichtsrecht ist Ausdruck der (informationellen) Selbstbestimmung und der personalen Würde des einzelnen Patienten.443 Die Patientenakten mit ihren Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen enthalten Daten aus der unmittelbaren Privatsphäre des Patienten.444 Der Patient hat ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wie seine Behandlung verlaufen ist, welche Daten sich dabei ergeben haben und wie die weitere Entwicklung prognostiziert wird.445 Diese höchstpersönlichen Daten des Patienten haben zudem eine erhebliche Bedeutung für zukünftige selbstbestimmte Entscheidungen über seine Weiterbehandlung.446 Aus diesem Grund bestünde bei einer Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB trotz der bereits existierenden Einsichtsrechte, die in § 810 BGB,447 §§ 19 und 34 BSDG und in den jeweiligen landesrechtlichen Datenschutzgesetzen normiert sind,448 ein Regelungsbedürfnis für § 630i S. 1. Eine solch spezielle Regelung für den Behandlungsvertrag rechtfertigt sich jedoch nicht nur aus der Bedeutung des Einsichtnahmerechts für das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und für das Behandlungsverhältnis, sondern auch daraus, dass es im Gegensatz zu § 810 BGB voraussetzungslos zu gewähren ist. Der Patient kann jederzeit ohne Darlegung ei-
441
Siehe zum Einsichtsrecht: Lang, Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten, S. 139 ff.; Peter, Das Recht auf Einsicht in Krankenunterlagen, passim; Gehrlein, NJW 2001, 2773. 442 Siehe: BGH, Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 (332); Urt. v. 31.5,1983 – VI ZR 259/81, NJW 1983, 2627 (2629); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 115; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 54; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 56 Rdn. 1; dagegen: Hohloch, NJW 1982, 2577 (2484), der ein allgemeines Einsichtsrecht aus dem Behandlungsverhältnis ablehnt. 443 BVerfG, Beschl. v. 16.9.1998 – 1 BvR 1130/98, NJW 1999, 1777; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 539, 557; Rieger, DMW 114 (1989), 1935; vgl. zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 ff. 444 BVerfG, Beschl. v. 8.3.1972 – 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373 (379); Beschl. v. 16.9.1998 – 1 BvR 1130/98, NJW 1999, 1777; Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1118); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2007 – 2 Ws 322/06, NStZ-RR 2008, 186. 445 BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116. 446 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2007 – 2 Ws 322/06, NStZ-RR 2008, 186; Francke/ Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 87; Nüßgens, in: Ebenroth/ Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (840). 447 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 54.; Schlund, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 56 Rn 1 f.; so auch: Hohloch, NJW 1982, 2577 (2582); kritisch zum Anspruch auf Einsichtnahme gemäß § 810 BGB: Lilie, Ärztliche Dokumentation und Informationsrechte des Patienten, S. 147 ff. 448 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 55.
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nes besonderen Interesses Einsicht in die Originalunterlagen verlangen.449 Dabei erfasst das Recht auf Einsichtnahme grundsätzlich auch das Auskunftsverlangen des Patienten über die Person der behandelnden Ärzte und das übrige in die Behandlung eingebundene Personal.450 Freilich ist der Behandler nicht verpflichtet, die Einsichtnahme grenzenlos zu gewähren. Die bereits anerkannten Ausnahmen sind in Hs. 2 geregelt. Eine Einsichtnahme ist dann ausgeschlossen, wenn dies die gesundheitliche Verfassung derart beeinflusst, dass eine erhebliche Selbstgefährdung des Patienten ernsthaft zu befürchten ist (Alt. 1).451 Dem Behandler wird mit diesem Regelungsvorschlag ein therapeutischer Vorbehalt eingeräumt. Die bloße theoretische Möglichkeit der Selbstschädigung des Patienten reicht dafür nicht aus. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Lebensgefahr gegeben sein.452 Die Behandlungsseite hat über die Verweigerung der Einsichtnahme wegen einer andernfalls drohenden Selbstgefährdung in Eigenverantwortung und nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts des Selbstbestimmungsrechts zu entscheiden. Der Ausschluss muss zur Vermeidung von Missbrauch gerichtlich begrenzt auf Plausibilität überprüfbar sein. Die Behandlungsseite soll dementsprechend ihre bei der Abwägung zugrundegelegten und die bei der Zurückweisung der Einsichtnahme leitenden Erwägungen so detailliert wie möglich und ohne den Sinn und Zweck des Ausschlusses zu konterkarieren vor Gericht darlegen. Damit ist der hier vorgeschlagene therapeutische Vorbehalt im Gegensatz zu dem durch die Rechtsprechung gewährten tatbestandlich eng gefasst. Die Rechtsprechung bejaht therapeutische Gründe für den Ausschluss des Einsichtsrechts bereits dann, wenn der Arzt nach einer verantwortungsbewussten Abwägung davon ausgehen muss, dass eine Einsichtnahme den Heilerfolg gefährden oder die Gesamtsituation des Patienten in erheblichem Maße beeinträchtigen kann. Der Behandler muss bei einer Verweigerung des Einsichtsrechts die ihn dabei leitenden Erwägungen zwar besonders begründen,453 im Bereich der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung reicht es indes nach BGHRechtsprechung aus, dass die Behandlungsseite ihre Erwägungen lediglich durch einen allgemeinen Hinweis darlegt.454 Begründet wird dies damit, dass in diesem Bereich typischerweise die Persönlichkeit des Arztes als auch die dritter Personen 449
Vgl.: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 88; Nüßgens, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (841, 844); Hess, ZEV 2006, 479 (480); dagegen: Hohloch, NJW 1982, 2577 (2582, 2584), der dem Patienten nur ein (vor-) prozessuales Einsichtsrecht zugestehen möchte; anders auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1107 f.). 450 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 630. 451 Ähnlich für den Bereich der Zwangsunterbringung wegen einer psychischen Erkrankung: BVerwG, Urt. v. 27.4.1989 – 3 C 4/86, NJW 1989, 2960 f., das nur eine Suizidgefahr ausreichen lassen möchte. Die Entscheidung ist aber auf das privatrechtliche Behandlungsverhältnis übertragbar, so auch: Rieger, DMW 114 (1989), 1935 (1937). 452 Ähnlich: Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 95 f. 453 Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 559. 454 BGH, Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 177/81, BGHZ 85, 339 (345); Urt. v. 2.10.1984 – VI ZR 311/82, NJW 1985, 674 (675); Urt. v. 6.12.1988 – VI ZR 76/88, BGHZ 106, 146 (150); siehe auch: BVerfG, Beschl. v. 16.9.1998 – 1 BvR 1130/98, MedR 1999, 180 f.; Marburger, in: Staudinger, BGB, § 810 Rdn. 20; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 560.
II. Begründung
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in erheblichem Maße in die Aufzeichnungen einfließe und sich schneller und leichter spezifisch therapeutische Risiken für den Patienten aus einer Rekonstruktion seiner dokumentierten (un-) verarbeiteten Problemfelder ergäbe.455 Angesichts des hohen Rangs des Selbstbestimmungsrechts kann dem Ziel der Heilung jedoch nicht grundsätzlich eine derartige Bedeutung beigemessen werden, dass bei ihrer Gefährdung bereits das Einsichtnahmerecht des Patienten beschränkt wird.456 Das Selbstbestimmungsrecht schließt vielmehr die Befugnis des Einzelnen ein, darüber zu entscheiden, welchen Gefahren er sich durch eine Einsichtnahme aussetzen möchte.457 Dies gilt auch für die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung. Der Patient hat hier ein ebenso ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die Aufzeichnungen über seine psychische Erkrankung. Diese sind nicht nur entgegen der Auffassung des BGH mittlerweile objektivierbar,458 sondern haben für eine selbstbestimmte Entscheidung des Patienten zumindest eine ebenso große Bedeutung wie die Aufzeichnungen über eine physische Erkrankung.459 Dies gilt im gesteigerten Maße für die Behandlung in geschlossenen psychiatrischen Anstalten. Dort wiegt die vom BGH in Kauf genommene Missbrauchsgefahr460 angesichts dessen, dass in diesen Anstalten über die Freiheit des Untergebrachten entschieden wird, noch viel schwerer.461 Darüber hinaus darf im Hinblick auf das Anliegen der Rechtsprechung, die Heilung durch eine Einsichtnahme nicht zu behindern, nicht außer Acht gelassen werden, dass durch das Verweigern von Informationen Misstrauen entsteht. Eine funktionierende Vertrauensbeziehung und damit letztlich auch der Erfolg der Behandlung sind im höchsten Maße abhängig von der Offenheit der Parteien. Die Vorenthaltung von Informationen kann mithin aus therapeutischen Gründen nachteilig sein.462 Der Regelungsvorschlag § 630i Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 korrigiert die Rechtsprechung zum therapeutischen Vorbehalt. Er beschränkt diesen auf Fälle, in denen ein Suizid des Patienten infolge der Einsichtnahme hinreichend wahrscheinlich ist und stärkt insoweit das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Die zweite Ausnahme vom Einsichts-
455
Vgl.: BGH, Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 177/81, BGHZ 85, 339 (342 ff.); Urt. v. 6.12.1988 – VI ZR 76/88, BGHZ 106, 146 (148 ff.). 456 Wohl in die gleiche Richtung tendierend: BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1118), das die Frage der Verfassungsmäßigkeit jedoch letztlich offen lässt. 457 Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 93; für den Bereich der Zwangsunterbringung wegen einer psychischen Erkrankung: BVerwG, Urt. v. 27.4. 1989 – 3 C 4/86, NJW 1989, 2960 f.; siehe dazu: Rieger, DMW 114 (1989), 1935 (1937); so bereits schon: OLG Bremen, Urt. v. 31.7.1979 – 1 U 47/79 (b), NJW 1980, 644; kritisch: Lilie, Ärztliche Dokumentation und Informationsrechte des Patienten, S. 135, 136. 458 Hinne, NJW 2005, 2270 (2271). 459 BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1118); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2007 – 2 Ws 322/06, NStZ-RR 2008, 186 (186); siehe auch: BVerfG, Beschl. v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92, BVerfGE 89, 69 (82 ff.). 460 BGH, Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 (338). 461 BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1118 f.). 462 Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 93.
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recht betrifft die Fälle, in denen berechtigte Interessen Dritter dem Einsichtsrecht entgegenstehen (Alt. 2).463 In Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten soll die Aufzählung in Hs. 2 als abschließend gelten. Die richterrechtliche Einschränkung des Einsichtsrechts dahingehend, dass das Informationsinteresse und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zurücktreten muss, wenn das persönliche Interesse des Arztes, Aufzeichnungen von eigenen subjektiven Einschätzungen und Eindrücken geheim zu halten, überwiegt,464 wird dementsprechend nicht rezipiert.465 Andernfalls entzöge man die Dokumentation der Kontrolle und leistete dem Wissensvorsprung der Behandlungsseite Vorschub. Ein derartiger Ausschluss ist schon im Hinblick auf eine dadurch bedingte Missbrauchsgefahr bedenklich. Gegen diese Begrenzung des Einsichtnahmerechts spricht vor allem, dass der bloße Schutz des Behandlers vor einer Rechtfertigung seiner subjektiven Wertungen nicht höher zu gewichten ist als das elementare Informationsbedürfnis des Patienten.466 Schließlich ist die Dokumentation nicht dem absolut geschützten Privatbereich des Behandlers zuzuordnen. Vielmehr richtet sie sich nach ihrem Sinn und Zweck von vornherein auch an Dritte, so etwa an nachbehandelnde Ärzte oder an das Pflegepersonal.467 Aus diesem Grund lehnt der Zweite Senat des BVerfG die Beschränkung des Einsichtnahmerechts auf objektive Daten für den Bereich der Zwangsbehandlung ab und stellt sie auch im Übrigen in Frage.468 Im Hinblick auf die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts kann sich eine andere Bewertung ferner nicht aus der Befürchtung ergeben, dass der Arzt andernfalls die Dokumentation solcher subjektiven Eindrücke unterlässt. Er ist dazu verpflichtet, wesentliche Umstände der Behandlung und Erkrankung zu dokumentieren. Dies gilt auch für den Bereich der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung
463
Siehe dazu:: Ahrens, NJW 1983, 2609 (2613); Gehrlein, NJW 2001, 2773. BGH, Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327, (334 ff., insbesondere 336 f.); Dierks et al., in: Dierks et al., Patientensouveränität, S. 58 (63); Nüßgens, in: Ebenroth/ Hesselberger/ Rinne, FS für Boujong, S. 831 (841); Gehrlein, NJW 2001, 2773 (2773); Beispiele hierfür sind im Rahmen der Anamnese entstandene persönliche Eindrücke vom Patienten und dessen Angehörigen, sofort wieder aufgegebenen Verdachtsdiagnosen und Bemerkungen zu einem querulatorischen Verhalten des Patienten in der Behandlung. 465 Kritisch zur BGH-Rechtsprechung auch: BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1119); Hess, ZEV 2006, 479 (480). Die von der BGH-Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sind in ihrem zeitlichen Kontext zu sehen. Die richtungweisenden Entscheidungen des BGH sind mittlerweile über zwei Jahrzehnte alt. Neuere BGH-Rechtsprechung existiert zum Einsichtsrecht nicht. Dies liegt wohl darin begründet, dass die Praxis heute überwiegend eine andere ist und dem Patienten die Einsichtnahme in der Regel ohne Streit gewährt wird; vgl.: Hinne, NJW 2005, 2270 (2271). 466 Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 93; so wohl auch im Rahmen eines (vor-) prozessualen Einsichtrechts: Ahrens, NJW 1983, 2609 (2613). 467 Vgl.: BGH, Urt. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 (329); speziell für den Bereich der Psychotherapie: BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1119). 468 BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 – 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 (1119). 464
II. Begründung
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Für das Vorliegen der in § 630i S. 1 Hs. 2 festgeschriebenen Ausnahmefälle trägt die Behandlungsseite die Darlegungs- und Beweislast. Dies wird bereits durch die Einleitung des Konditionalsatzes mit „soweit nicht“ deutlich. In § 630i S. 1 Hs. 1 Alt. 2, S. 2 wird ferner festgeschrieben, dass der Patient gegen Erstattung der Kosten eine Kopie der Patientenakte verlangen kann.469 Ein Recht auf Herausgabe des Originals steht ihm nicht zu. Dies ist allgemein anerkannt.470 k) Zu § 630j >Schweigepflicht< In § 630j Abs. 1 Hs. 1 wird die Schweigepflicht des Behandlers festgeschrieben. Bei dieser zentralen Berufspflicht der Ärzte, die das Behandlungsverhältnis seit alters her prägt,471 handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht.472 Für diese besteht bei einer Kodifikation des Behandlungsvertrags ein Regelungsbedürfnis.473 Zwar ist die Schweigepflicht bereits in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB und standesrechtlich (vgl. § 9 Abs. 1 MBO-Ä) geregelt.474 Indes begründet § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht die Schweigepflicht, sondern stellt lediglich den Geheimnisbruch unter 469
Ähnlich: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, S. 43. Vgl.: Habersack, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 810 Rdn. 16; Laufs, in: ders./Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 111 Rdn. 2; Nüßgens, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong, S. 831 (844); Peter, Das Recht auf Einsicht in Krankenunterlagen, S. 244 f.; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 56 Rdn. 11; Gehrlein, NJW 2001, 2773. 471 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 634; Kierski, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 126; Müller, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 63 (63, 66); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 12 Rdn. 62; Kern, MedR 2006, 205; siehe dazu: Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rdn. 1 ff.; Schmidt, Ärztliche Schweigepflicht und Sozialdatenschutz, S. 10 f. Schon im Eid des Hippokrates mussten Ärzte bei ihrem Berufsantritt schwören: „Was immer ich sehe und höre bei der Behandlung oder außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, so werde ich von dem, was niemals nach außen ausgeplaudert werden soll, schweigen, indem ich alles derartige als solches betrachte, das nicht ausgesprochen werden darf.“, zit. nach: Laufs, Arztrecht, Rdn. 421; siehe auch: Lilie, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (222). 472 Boenigk, Auswirkungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes auf die Schweigepflicht der Ärzte, S. 40; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 37 ff. 473 So auch: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1106); anders scheinbar: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetzes, passim, der auf die Schweigeflicht des Behandlers nicht eingeht. 474 Siehe: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 634; Müller, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 63 (64 f.); Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139); ausführlich zum strafrechtlichen Schutz der Einhaltung der Schweigepflicht: Lilie, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (221 ff.); Meier, Der rechtliche Schutz patientenbezogener Gesundheitsdaten, S. 130 ff.; Schlund, in: Laufs/ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rdn. 9 ff.; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 66 Rdn. 1 ff.; § 68 Rdn. 1 ff.; vgl. zur standesrechtlichen Regelung der Schweigepflicht: Boenigk, Auswirkungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes auf die Schweigepflicht der Ärzte, S. 34 f.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 4; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 2 Rdn. 48; § 12 Rdn. 64. 470
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Strafe. Die Schweigepflicht wird vielmehr vorausgesetzt.475 Die standesrechtlichen Regelungen der Schweigepflicht verpflichten den Arzt lediglich gegenüber Trägern hoheitlicher Aufgaben. Ein Recht des Patienten auf die Einhaltung der Schweigepflicht und ein Anspruch auf Schadensersatz bei Verletzung dieser lassen sich daraus gerade nicht ableiten. Gleichwohl hat der Patient grundsätzlich die für den Behandler erkennbare Erwartungshaltung, dass dieser seinen Berufspflichten nachkommt und die Vertraulichkeit wahrt.476 Der Behandler ist darauf angewiesen, dass der Patient ihm größtmögliche Einsicht in seine Privat- oder gar Intimsphäre gewährt, um erfolgreich behandeln zu können.477 Der Patient wird ihm mit einer solchen Offenheit regelmäßig nur dann begegnen, wenn er sicher ist, dass dieses Wissen nur Behandlungszwecken dient und der Behandler im Übrigen schweigt.478 Sinn und Zweck der Schweigepflicht ist mithin die Gewährleistung und Sicherstellung des Vertrauensverhältnisses zwischen Behandler und Patienten.479 Dieser Funktion wird eine vertragsrechtliche Regelung am besten gerecht.480 Daneben dient die Schweigepflicht dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Patienten und damit des Rechts auf Respektierung und Achtung seiner Privatund Intimsphäre sowie seiner informationellen Selbstbestimmung.481 Die Schweigepflicht des Behandlers erstreckt sich, wie in Abs. 1 festgeschrieben, auf alle im Rahmen der Behandlung erlangten Kenntnisse über den Patienten, 475
Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 10; ähnlich: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 12 Rdn. 64. Dessen ungeachtet wird die ärztliche Schweigepflicht häufig allein im Rahmen des § 203 StGB erörtert. 476 Boenigk, Auswirkungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes auf die Schweigepflicht der Ärzte, S. 40; Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht, S. 113; ähnlich: Müller, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 63 (65); Husmann, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 183 (186). 477 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 12; Müller, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 63 (66 ff.). 478 BVerfG, Beschl. v. 6.6.2006 – 2 BvR 1349/05, MedR 2006, 586 (587); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 606, 634; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 12 Rdn. 62; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 3; Lilie, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (221 f.); Schmidt, Ärztliche Schweigeplicht und Sozialdatenschutz, S. 5. 479 Husmann, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S.183 (185 f.); Kern, MedR 2006, 205 (205); siehe zum Vertrauen zwischen Arzt und Patient als Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens: BVerfG, Beschl. v. 6.6.2006 – 2 BvR 1349/05, MedR 2006, 586 (587 m.w.N.); Katzenmeier Arzthaftung S. 9 f. 480 Siehe: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1106): „Erst wenn sich der Patient auf das Schweigen des Arztes verlassen kann, ist die Grundlage für das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt gegeben. Verletzungen der ärztlichen Schweigepflicht sollten nicht nur mit einer Strafe und anschließenden deliktsrechtlichen Sanktionen bedroht sein, sondern sollten das darstellen, was sie sind, nämlich eine Vertragsverletzung.“ 481 Husmann, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 183 (186); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 2 Rdn. 48; vgl. auch: Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/ Lipp, Arztrecht, Rdn. X 13; Laufs, Arztrecht, Rdn. 424; Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138.
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seine Erkrankung und Behandlung. Davon werden etwa die Anamnese und die dabei erhobenen Befunde, die Diagnose, die Therapie, Zwischenprognosen, Therapiekorrekturen und -ergebnisse ebenso wie Zufallsbefunde erfasst. Ferner erstreckt sich die Schweigepflicht sowohl auf die Identität des Patienten als auch auf all seine Angaben über seine persönliche, familiäre, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Situation sowie auf seine preisgegebenen Ansichten und Gedanken.482 Auf rein privater Ebene in Erfahrung gebrachte Daten fallen nicht unter die ärztliche Schweigepflicht.483 In bestimmten Ausnahmefällen ist der Behandler nicht an seine Schweigepflicht gebunden. Diese sollen in § 630j Abs. 1 Hs. 2 festgeschrieben werden. Dabei soll die Behandlungsseite, wie bereits an der sprachlichen Ausgestaltung erkennbar ist, für das Vorliegen dieser Ausnahmen die Darlegungs- und Beweislast tragen. Ein solcher Ausnahmefall ist eine gesetzlich angeordnete Durchbrechung der Schweigepflicht (Alt. 1). Mit bundes- oder landesrechtlich angeordneten Offenbarungspflichten sollen nach dem Willen der Gesetzgeber öffentliche Belange, wie die Aufdeckung von Tötungen, der Schutz von Infektionskrankheiten (§§ 612 IfSG) oder das Allgemeininteresse an einem Kosten schonenden und effizienten Gesundheitssystem (zum Beispiel: § 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X i.V.m. § 276 Abs. 2 SGB V; §§ 294 ff. SGB V)484, zu Lasten der (postmortalen) Schweigepflicht gewahrt und geschützt werden. Derartige Anzeige- und Mitteilungspflichten verpflichten den Behandler lediglich gegenüber der jeweilig zuständigen Stelle zur Offenlegung der jeweiligen Daten des Patienten.485 Sie berechtigen ihn nicht zur Weitergabe der Informationen an Dritte.486 Bei der Befolgung einer gesetzlich angeordneten Offenbarung verhält der Behandler sich nicht vertragswidrig. Der Patient kann von ihm nicht erwarten und verlangen, dass er sich gesetzeswidrig verhält. Die zweite festgeschriebene Ausnahme ist die Einwilligung des Patienten in die Offenbarung seiner Daten (Alt. 2). Für die Einwilligung in die Offenbarung von Patienteninformationen gelten die allgemeinen Grundsätze. Maßgebend ist insbesondere die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des in die Offenbarung einwilligenden Patienten.487 Sofern der Patient etwa aufgrund seiner Minderjährigkeit und dem Stadium seiner geistigen Reife nicht einsichts- und urteilsfähig ist, liegt 482
Vgl. zum Umfang der Schweigepflicht: Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 12; siehe zur Schweigepflicht hinsichtlich der Identität: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 636. 483 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 12. 484 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 21; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 12 Rdn. 67; vgl. zu § 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X: Hess, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB X, § 100 Rdn. 5; kritisch zum Anwendungsbereich des jetzigen § 294 a Abs. 1 SGB V: Smentkowski, VersR 2008, 465 ff.; Beck/Hausch, VersR 2008, 1321 ff.; zur Verfassungswidrigkeit angeordneter Mitteilungspflichten aus dem Bereich selbstverschuldeter Krankheiten nach § 294a Abs. 2 SGB V: Bernzen, MedR 2008, 549 ff. 485 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 641; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 26; Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139). 486 Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139). 487 Vgl.: Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht, S. 97.
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die Entscheidungszuständigkeit bei seinen zur Personensorge berechtigten Eltern oder bei seinem gesetzlichen Vertreter.488 Der Entscheidungsbefugte kann den Arzt ausdrücklich oder auch konkludent von seiner Schweigepflicht entbinden.489 Aus der Möglichkeit, konkludent in die Offenbarung der Daten einzuwilligen, lässt sich schließen, dass ein Formerfordernis nicht existiert.490 Allerdings kann von einem derartigen konkludenten Rechtsverzicht nur ausgegangen werden, wenn der zustimmende Wille des Erklärungsberechtigten in seinem Verhalten hinreichend deutlich wird.491 Sowohl die ausdrückliche als auch die konkludente Einwilligung sind jederzeit frei widerruflich.492 Ferner wird auch die mutmaßliche Einwilligung als Ausnahme in § 630j Abs. 1 Hs. 2 Alt. 3 anerkannt. Sie ist indes gegenüber der ausdrücklichen oder konkludenten Einwilligung subsidiär.493 Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten darf durch die mutmaßliche Einwilligung nicht unterlaufen werden. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn die Einwilligung des Patienten aus tatsächlichen Gründen nicht eingeholt werden kann, etwa dann, wenn der Patient bewusstlos oder verstorben ist.494 In diesem Fall muss der Behandler gewissenhaft eruieren, wie der mutmaßliche Wille des Patienten aussieht bzw. ausgesehen hat. Er hat bei seiner Entscheidung ausschließlich Erwägungen zugrunde zu legen, die dem vermeintlichen Interesse und Bedürfnis des betroffenen Patienten mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit gleichkommen.495 So darf er zum Beispiel mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgehen, dass es im Interesse des bewusstlosen Patienten liegt, dass seine Angehörigen erfahren, wo er sich in Behandlung befindet.496 Sachfremde Umstände und Erwägungen, wie etwa die Aufklärung von fremden oder gar eigenen Behandlungsfehlern durch eine Offenbarung,497 sind demgegenüber bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens außer Acht zu lassen. Die Entscheidung des Behandlers über die Offenbarung ist ihrer Natur entsprechend gerichtlich nicht voll überprüfbar. Jedoch muss der Behandler darlegen, ob und unter welchem allgemeinen Gesichtspunkt ihm angesichts seiner Schweigepflicht die 488
Siehe: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 642; Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht, S. 97; anders: Müller, in: Mergen, Ärztliche Aufklärungs- und Schweigepflicht, S. 63 (75), die auch bei einsichts- und urteilsfähigen Minderjährigen die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters für erforderlich hält. 489 Vgl. dazu die Ausführung der beiden Gutachter: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1106). 490 A.A.: Kern, MedR 2006, 205. 491 Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht, S. 98; Kern, MedR 2006, 205 (206). 492 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. IX 18. 493 Vgl.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 643; Boenigk, Auswirkungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes auf die Schweigepflicht der Ärzte, S. 73; Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht, S. 98. 494 Siehe dazu: BGH, Urt. v. 31.5.1983 – VI ZR 259/81, NJW 1983, 2627 (2629); OLG Naumburg, Beschl. v. 9.12.2004 – 4 W 43/04, NJW 2005, 2017 (2018 f.). 495 Vgl.: BGH, Beschl. v. 4.7.1984 – IV a ZB 18/83, NJW 1984, 2893 (2895). 496 Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht, S. 98 f. 497 So auch: OLG Naumburg, Beschl. v. 9.12.2004 – 4 W 43/04, NJW 2005, 2017 (2019).
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Offenbarung untersagt ist. Indes darf die Geheimhaltungspflicht dabei im Ergebnis nicht unterlaufen werden.498 Die Aufzählung in § 630j Abs. 1 Hs. 2 soll nicht abschließend sein. So enthält sie etwa nicht den rechtfertigenden Notstand, nach dem der Behandler zum Schutz von Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder eines anderen Rechtsgutes vor einer gegenwärtigen Gefahr die Schweigepflicht unter den Voraussetzungen des § 34 StGB durchbrechen darf. Für diese Ausnahme von der Schweigepflicht besteht angesichts dessen, dass der Notstand als allgemeiner Rechtfertigungsgrund aufgrund der Rechtseinheit auch im Zivilrecht umfassend gilt, kein Regelungsbedarf.499 § 630j Abs. 2 regelt demgegenüber die Weite der Schweigepflicht. Der Behandler ist gegenüber jedermann außerhalb des Behandlungsverhältnisses zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 630j Abs. 2 S. 1). Dies entspricht geltendem Recht.500 So ist der Behandler sowohl gegenüber ärztlichen Kollegen, die nicht in das Behandlungsverhältnis eingebunden sind,501 als auch gegenüber seinem Dienstherr oder Vorgesetzen,502 gegenüber seinem Praxisnachfolger503 oder gegenüber einer privaten oder gewerblichen Abrechnungsstelle zur Geheimhaltung verpflichtet.504 Der Regelungsvorschlag § 630j Abs. 2 S. 2 nimmt Bezug auf die Fälle, in denen der gesetzliche Vertreter für den einwilligungsunfähigen Patienten über die Behandlung entscheidet. Konsequenterweise kann der Behandler diesem gegenüber nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet sein. In Abs. 3 wird klargestellt, dass die Schweigepflicht im Vergleich zu den meisten vertraglichen Pflichten über die Vertragsdauer hinaus besteht.505 Dies ist in ihrem Sinn und Zweck begründet. Der Patient wird sich gegenüber dem Arzt nur vertraulich äußern wollen, wenn er sicher sein kann, dass auch nach Abschluss der Behandlung die Vertraulichkeit gewahrt und sein Persönlichkeitsrecht geachtet wird. Auch der Tod des Patienten vermag die Schweigepflicht der Behandlungs498
Siehe: Kern, MedR 2006, 205 (207). Anders: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1106 f.). 500 Siehe: Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht, S. 101; vgl. die Aufführungen zu § 9 MBO-Ä von: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 12 Rdn. 65; siehe zu den Besonderheiten bei minderjährigen Patienten die Ausführungen zu dem Regelungsvorschlag § 1631b Abs. 1 S. 2. 501 Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 71 Rdn. 1 ff.; Heberer/Mößbauer, MedR 2004, 138 (139). 502 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 636; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 71 Rdn. 11. 503 BGH, Urt. v. 11.12.1991 – VIII ZR 4/91, VersR 1992, 448 (449 f.); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 2 Rdn. 48. 504 Vgl. zur Schweigepflicht gegenüber einer Verrechnungsstelle: BGH, Urt. v. 10.7.1991 – VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123 (124 ff.); Urt. v. 5.12.1995 – X ZR 121/93, NJW 1996, 775; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 121, 637; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 71 Rdn. 57 ff. 505 Vgl.: Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. X 8, der darauf hinweist, dass „die schuldhafte Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zudem ein Musterbeispiel der sonst eher randständigen culpa post contractum finitum, der Pflichtverletzung nach Vertragsabwicklung“ ist. 499
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seite unter Berücksichtigung seines postmortalen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nicht aufzuheben.506 Schließlich hat der Patient ein schutzwürdiges und für die Behandlungsseite erkennbares Interesse daran, dass Dritte auch nach seinem Tod nicht unbefugt Kenntnis von seinen Krankheits- und Behandlungsdaten erlangen. Dem trägt der Regelungsvorschlag in § 630j Abs. 3 Rechnung. l) Zu § 630k >Abweichende Vereinbarungen< Der Regelungsvorschlag § 630k BGB soll die zwingenden Behandlerpflichten festlegen. Nach Abs. 1 S. 1 sind das Erfordernis der Einwilligung (§ 630d), die Pflicht des Behandlers zur Dokumentation und Befundsicherung (§ 630h) und das Einsichtsrecht (§ 630i) zwingender Natur. Eine abweichende Vereinbarung zum Nachteil des Patienten liegt vor, wenn die benannten Rechte bzw. Pflichten ausgeschlossen oder faktisch beschränkt werden. Im Falle einer solchen Vereinbarung können sich Behandler und Krankenhausträger auf eine solche nicht berufen. Die Unwirksamkeit wirkt ipso iure. Im Übrigen bleibt der Behandlungsvertrag voll wirksam. § 139 BGB ist nicht anwendbar. In Abs. 1 S. 2 ist ein Umgehungsverbot festgeschrieben. Durch diesen Regelungsvorschlag wird die Privatautonomie zum Schutz des Patienten beschränkt. Die Privatautonomie der Rechtssubjekte ist Ausdruck ihrer Selbstbestimmung.507 Ihr liegt das Axiom zugrunde, dass alle Rechtssubjekte grundsätzlich ihre Angelegenheiten im gleichen Ausmaß frei und selbstverantwortlich regeln wollen und können. Die Privatautonomie wird als Grundprinzip einer liberalen Privatrechtsordnung durch Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantiert.508 Im Vertragsrecht wird sie durch den Grundsatz der Vertragsfreiheit, dem „Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen”509, konkretisiert. Ihre Wirkung fällt weitgehend mit jener der freien Marktwirtschaft zusammen.510 Die Notwendigkeit von dispositivem Recht 506
Siehe: OLG Naumburg, Beschl. v. 9.12.2004 – 4 W 43/04, NJW 2005, 2017 (2018); Kern, MedR 2006, 205; vgl. auch: § 9 Abs. 1 S. 1 MBO-Ä, § 203 Abs. 4 StGB; siehe allgemein zum postmortalen Persönlichkeitsrecht: BGH, 05.10.2006 – I ZR 277/03, NJW 2007, 684 (685) m.w.N. 507 BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 (254). 508 BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57, BVerfGE 8, 274 (328); Beschl. v. 16.5.1961 – 2 BvF 1/60, BVerfGE 12, 341 (347); Beschl. v. 14.1.1987 – 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, 129 (151 f.). 509 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 1.1, S. 1. 510 Schmid, Zur sozialen Wirklichkeit des Vertrages, S. 166; vgl.: Bauschke/Korte, NVwZ 2003, 60, die den Vortag von Claus Ott auf dem 5. Hamburger Wirtschaftstag 2002 wie folgt wiedergeben: „Es bestehe weithin Einigkeit darüber, dass sich das Ziel des Verbraucherschutzes aus der Privatautonomie, d.h. Selbstbestimmung des Einzelnen in Hinblick auf seine Konsumentscheidungen, ableite. Demnach ergebe sich der beste Verbraucherschutz aus einem funktionierenden Markt. Regulierende Eingriffe seien aus ökonomischer Sicht nur gerechtfertigt, wenn sie der Sicherung der Funktionsvoraussetzungen des Marktes oder der Kompensation von Marktversagen dienten. Gingen Regulierungen über diese Funktionen hinaus und orientierten sich an anderen Zielen, so komme es zu adversen Effekten, die sich zu Lasten der Verbraucher auswirkten, da sie die höheren Kosten ihres Schutzes zu tragen hätten.“
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zur Entlastung der Parteien und als „Reserve“ und „Leitbild“ wird grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Zwingende Privatrechtsnormen, wie die hier vorgeschlagene Regelung, werden hingegen teilweise als „Sündenfall“ des Gesetzgebers behandelt.511 Indes funktioniert ein Vertrag nur dann systemgerecht und dient dem Ausgleich entgegengesetzter Interessen, wenn sich die Vertragspartner „mit der Macht zur Selbstbestimmung gegenüberstehen und nicht durch die Macht des einen statt der beiderseitigen Selbstbestimmung eine einseitige Fremdbestimmung eintritt.“512 Dies soll den Wert und die Bedeutung der Vertragsfreiheit nicht schmälern. Sie ist zweifellos ein wesentlicher Bestandteil des Privatrechts.513 Jeder Eingriff in die Vertragsfreiheit bedarf auch als Grundrechtrechtseingriff514 der Rechtfertigung. Diese ist dann gegeben, wenn sich die Vertragsparteien nicht gleichrangig gegenüberstehen und Marktungleichgewichte die Äquivalenz der Leistung gefährden. Das Behandlungsverhältnis wird, wie im ersten Kapitel aufgezeigt, von einem natürlichen Ungleichgewicht geprägt. Der Behandler ist aufgrund seiner erworbenen Fähigkeiten dem Patienten wissenstechnisch überlegen.515 Es besteht eine Informationsasymmetrie im Behandlungsverhältnis. Auch ist der Patient dem Krankenhausträger gegenüber organisatorisch unterlegen. Seine Schwäche und Angewiesensein auf den Behandler wird durch die Ausnahmesituation einer Erkrankung in emotionaler und psychologischer Hinsicht noch verstärkt. Der Patient ist weniger souverän als der „normale“ Verbraucher.516 Damit erscheint der Patient in Anbetracht der Wichtigkeit der betroffenen Rechtsgüter und seiner besonderen Situation als besonders schutzbedürftig und -würdig.517 Eine Beschränkung der Privatautonomie ist bei einer Kodifikation der Patientenrechte angezeigt. Dies gilt auch dann, wenn dem Behandlungsverhältnis keine der Verbraucher-Unternehmer-Beziehung vergleichbare Interessendivergenz attestiert wird und das Vertrauen als Basiselement der Beziehung betont werden soll. Sofern man sich für eine Kodifikation des Behandlungsvertrags zum Schutze des Patienten und zur besseren Umsetzung seiner Rechte im Behandlungsalltag ausspricht, können Rechte, die den Patienten zur Selbstbestimmung befähigen, nicht zur Disposition der Parteien gestellt werden. Der zwingende Charakter ist dem Anliegen, die Patientenrechte zu 511
Vgl.: Schmid, Zur sozialen Wirklichkeit des Vertrages, S. 204 f.: „Oft weigerte sich der Staat auch einzelnen Interessen [an einer Regulierung des freien Marktes zum Schutz der Schwächeren] nachzugeben. In weiten Bereichen der Wirtschaft blieb so der freie Markt erhalten, und der ungezügelte Wettbewerb ließ den Stärkeren gewinnen. Die Vertragsfreiheit wurde in diesen Konflikten zum Slogan, den jene als Waffe einsetzten, die am Status quo interessiert waren. (…) Die Vertragsfreiheit als politische Waffe ist heute abgewetzt. Dann und wann wird sie noch erhoben, doch die Interessen, für die sie ficht, sind meistens zu durchsichtig.“ 512 Siehe: Säcker, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 1, Einleitung Rdn. 35. 513 Siehe zur historischen Entwicklung des Vertragsrechts im Spannungsfeld von Freiheit und Zwang: Schmid, Zur sozialen Wirklichkeit des Vertrages, S. 200 ff. 514 Siehe dazu: Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rdn. 61. 515 Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 23; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 87. 516 Zu einseitig: Giebel et al., NJW 2001, 863 (866 f.), der in dem mündigen Patienten nur eine „Kunstfigur“ oder ein „Wunschbild“ sieht. 517 So wohl: Francke/ Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 9.
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normieren, immanent. So sind auch in den Niederlanden gemäß Art. 7:468 BW die Normen über den Behandlungsvertrag zwingend. Die Parteien können von ihnen nicht zum Nachteil des Patienten abweichen.518 In § 630k Abs. 2 soll, ähnlich dem niederländischen Art. 7:463 BW, die Unwirksamkeit eines Haftungsausschlusses und einer Haftungsbeschränkung festgeschrieben werden. Hinsichtlich eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbeschränkung durch AGB ist § 309 Nr. 7a BGB lex specialis. Bei einer individualvertraglichen Haftungsfreizeichnung ist diese nach geltendem Recht als Ausnutzung einer Monopolstellung gemäß § 138 BGB sittenwidrig, wenn es sich um einen medizinischen Notfall handelt und der Patient auf die Hilfe des Behandlers angewiesen ist.519 In den übrigen Fällen ist ein Haftungsausschluss „wegen der besonderen Vertrauensgewährung und der daraus resultierenden Haftungserwartung bei gleichzeitiger zumutbarer Versicherbarkeit des Risikos auch leicht fahrlässiger Sorgfaltspflichtverletzungen durch die Berufshaftpflichtversicherung“520 als Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB unwirksam.521 Dies gilt auch für eine Beschränkung der Haftung bei medizinisch indizierten Behandlungen. Der Patient kann in solchen Fällen üblicherweise auf die Behandlung nicht verzichten. Eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz widerspräche dem Leitbild des Behandlungsvertrags.522 Eine andere Bewertung ergibt sich anerkanntermaßen bei medizinisch nicht indizierten Eingriffen.523 Bei einer Kodifikation des Behandlungsvertrags empfiehlt sich zur Stärkung der Rechtssicherheit eine Normierung der Unwirksamkeit eines solchen Haftungsausschlusses und einer solchen Haftungsbeschränkung. Schließlich handelt es sich bei § 242 BGB um eine Generalklausel, die durch Gerichte und die Rechtswissenschaft ausgelegt und konkretisiert werden muss. Demgegenüber muss der nachträgliche Verzicht auf etwaige Schadensersatzansprüche möglich bleiben, da dieser „regelmäßig nicht durch einen geschwächten Willen beeinflusst“524 wird. Eine Beschränkung der Privatautonomie ist diesbezüglich nicht angezeigt.
518
In Finnland stellt sich angesichts der verwaltungsrechtlichen Natur des Patientenrechtegesetzes die Frage nach einer zwingenden oder dispositiven Ausgestaltung nicht. 519 Geiß/Greiner, Arzthaftpflicht, Rdn. A 96a; Kern/Laufs, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 93 Rdn. 26. 520 Kern/Laufs, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 93 Rdn. 26. 521 Vgl.: OLG Stuttgart, Urt. v. 7.12.1977 – 1 U 46/77, NJW 1979, 2355 (2356); Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 126; Geiß/Greiner, Arzthaftpflicht, Rdn. A 96a; Deutsch, NJW 1983, 1351 (1352 f.). 522 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 126; Deutsch, NJW 1983, 1351 (1352 f.); ähnlich: Kern/Laufs, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 93 Rdn. 26, die hier insbesondere auf die Deckung der Schäden durch die die nach Standesrecht abzuschließende Berufshaftpflichtversicherung verweisen. 523 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 126; Dunz, Aktuelle Fragen zum Arzthaftungsrecht, S. 17; Kern/Laufs, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 93 Rdn. 27. 524 Deutsch, NJW 1983, 1351 (1352).
II. Begründung
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m) Zu § 630l >Beweislast< Der Regelungsvorschlag § 630l soll die speziellen arzthaftungsrechtlichen Beweisregeln festschreiben.525 Diese Beweislastsonderregeln wurden richterrechtlich zugunsten des Patienten entwickelt und etabliert.526 Sie dienen dazu, die besonderen Beweisschwierigkeiten des Patienten auszugleichen,527 und haben dabei die Grundsätze der Beweislastverteilung erheblich modifiziert.528 Sie lassen sich nicht aus allgemeinen Grundsätzen herleiten. Die (zunehmende) Umformung der gesetzlichen Beweislastverteilung durch Richterrecht529 ist nicht gänzlich unproblematisch.530 Eine gesetzliche Regelung verlieh den spezifisch arzthaftungsrechtlichen Beweislastregeln in formeller Hinsicht eine höhere Legitimationskraft.531 Ausdrückliche Beweislastregelungen sind als Bestandteil des materiellen Rechts532 dem BGB zudem nicht fremd.533 § 630l Abs. 1 soll sich den speziellen arzthaftungsrechtlichen Beweisregeln für den Bereich der voll beherrschbaren Risiken annehmen. Die Begrifflichkeit der voll beherrschbaren Risiken beschreibt die Gefahren, die sich im Rahmen der Organisation und Koordination des medizinischen Geschehens sowie im technischapparativen Bereich ergeben und durch geeignete Maßnahmen der Behandlungsseite kontrolliert und beherrscht werden können.534 Es bedarf jedoch keiner gesetz525
Anders wohl: Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1109), die dem Beweisrecht in ihrem Gesetzgebungsvorschlag verhältnismäßig wenig Bedeutung zu messen. Nach § 9 Abs. 3 S. 2 ihres Gesetzgebungsvorschlages trägt grundsätzlich der Patient die Beweislast, wenn die Aufzeichnungen ordnungsgemäß geführt worden sind. 526 Vgl.: Prütting, in: Rauscher/Wax/Wenzel, MüKo, ZPO, Bd. 1, § 286 Rdn. 108, 119, 128. 527 BGH, Urt. v. 17.4.1984 – VI ZR 220/82, NJW 1984, 1823; Franzki, Beweisregeln im Arzthaftungsprozeß, 31 ff.; Giesen, JZ 1990, 1053 (1061 f.); ausführlich zu den Beweisschwierigkeiten des Patienten: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 368. 528 Prütting, in: Rauscher/Wax/Wenzel, MüKo, ZPO; Bd. 1, § 286 Rdn. 144; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 417 m.w.N.; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 274; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 107. 529 Siehe dazu bereits: Stoll AcP 176 (1976), 145ௗff. 530 Siehe dazu: Foerste, in: Musielak, ZPO, § 286 Rdn. 37 m.w.N. 531 Vgl.: Reinhardt, NJW 1994, 93 (94): „Dabei sind die Grenzen zwischen judikativer und legislativer Variante der Beweislastumkehr freilich insofern fließend, als gesetzlich geregelte Fälle der Beweislastumkehr nicht selten auf der Kodifizierung von Richterrecht beruhen. Gemein ist beiden ferner, da sie praktisch denselben prozessualen Effekt erzielen, die Bindung an dieselben verfassungsrechtlichen Vorgaben. Ein qualitativer Unterschied liegt dagegen lediglich darin, daß die Gesetzgebung bei der wertenden Verteilung des Prozessrisikos insoweit freier ist, als die Rechtsprechung vor den verfassungsrechtlichen Prämissen noch an die in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen enthaltenen legislativen Entscheidungen gebunden ist.“ 532 BGH, Urt. v. 9.11.1982 – VI ZR 293/79, BGHZ 85, 252 (256); Prütting, in: Rauscher/ Wax/Wenzel, MüKo, ZPO; Bd. 1, § 286 Rdn. 139; Knerr, in: Geigel, Haftpflichtprozess, Kap. 37 Rdn. 65. 533 Vgl.: §§ 179 Abs. 1, 280 Abs. 1 S. 2, 345, 363, 476, 619a, 2336 Abs. 3 BGB; siehe auch: Prütting, in: Rauscher/Wax/Wenzel, MüKo, ZPO; Bd. 1, § 286 Rdn. 108. 534 Müller, NJW 1997, 3049 (3050).
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lichen Definition der voll beherrschbaren Risiken ebenso wenig wie einer Auflistung der einzelnen Fallgruppen. Dies überlastete die Regelung, die dadurch zu unflexibel auf den Einzelfall reagierte. Die Verwendung des Oberbegriffs der voll beherrschbaren Risiken wirkt einer solchen Schwerfälligkeit und Starre entgegen. In S. 1 ist eine Fehlervermutung zugunsten des Patienten für den Fall festgeschrieben, dass die Verletzung bzw. Schädigung aus dem Bereich der voll beherrschbaren Risiken stammt. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung, die von der Literatur uneingeschränkt Zustimmung erfahren hat. Im Bereich der voll beherrschbaren Risiken wird die Beweislast hinsichtlich des Behandlungsfehlers (und des Verschuldens) umgekehrt.535 Eine solche Fehlervermutung zugunsten des Patienten greift beispielsweise im Bereich der Gewährleistung von Hygiene ein. Die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln und Infusionslösungen muss derart organisiert sein, dass Verunreinigungen solcher Mittel vermieden werden.536 Im Falle von Infektionen kommt eine Fehlervermutung indes nur dann in Betracht, wenn diese typischerweise auf Hygienemängel zurückzuführen und damit generell vermeidbar sind.537 Schließlich ist die absolute Keimfreiheit bei einer Operation naturgemäß nicht erreichbar. Ein weiterer für die Behandlungsseite voll beherrschbarer Bereich ist nach der Rechtsprechung die Verwendung medizinisch-technischer Geräte oder sonstiger Hilfsmittel. Anknüpfungspunkt der Beweislastumkehr ist dabei nicht ein etwaiger Mangel des Gerätes oder des Hilfsmittels,538 sondern das sorgfaltswidrige Unterlassen zumutbarer Wartungen und Sicherheitsmaßnahmen oder die Anwendung eines nicht mehr den aktuellen medizinischen Erkenntnissen entsprechenden Gerätes.539 Ein Fehler oder das Verschulden der Behandlungsseite wird ferner bei Risiken vermutet, die aus der Koordination, Kooperation und Kommunikation bei der horizontalen medizinischen Arbeitsteilung, also dem Zusammenwirken von Ärzten verschiedener Fächer, resultieren.540 Der Grund für die Gewährung einer Beweislastumkehr bei Vorliegen von voll beherrschbaren Risiken ist zum einen, dass der Patient die internen organisatorischen Abläufe, die Koordination des Behandlungsgeschehens und den Einsatz von Apparatetechnik regelmäßig nicht überschauen kann, die Behandlungsseite hingegen schon. Sie ist (auch vertraglich) verpflichtet, ihr zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um vermeidbare Fehler zu verhindern.541 Zum anderen wirken sich die Unsicherheiten, die sich aus der Komplexität des menschlichen Organismus ergeben und in der Risikosphäre des Patienten angesiedelt sind, im Bereich der voll beherrschbaren Risiken gerade nicht aus.542 Im Hinblick auf die in der Recht535
Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 390; Schmid, NJW 1994, 767 (773). 536 BGH, Urt. v. 3.11.1981 – VI ZR 119/80, NJW 1982, 699 f. 537 BGH, Urt. v. 8.1.1991 – VI ZR 102/90; NJW 1991, 1541 (1542 f.); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 485. 538 Vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 484. 539 Giesen, JZ 1982, 345 (349). 540 BGH, Urt. v. 26.1.1999 – VI ZR 376/97, BGHZ 140, 309 (315 ff.). 541 BGH, Urt. v. 3.11.1981 – VI ZR 119/80, NJW 1982, 699; Urt. v. 8.1.1991 – VI ZR 102/90; NJW 1991, 1541 (1542 f.). 542 BGH, Urt. v. 8.1.1991 – VI ZR 102/90; NJW 1991, 1541 (1542).
II. Begründung
187
sprechung bestehenden Tendenzen mit Hilfe dieser Beweislastregelung „in die sensiblen Randbereiche der eigentlichen, von den spezifischen Unberechenbarkeiten des menschlichen Organismus geprägten ärztlichen Behandlung einzudringen,543 sollte in den Gesetzgebungsmaterialien klargestellt werden, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Ausgangspunkt für diese Beweislastumkehr das Zusammenwirken von Risikoerhöhung und Beherrschbarkeit des Risikos ist. § 630l Abs. 1 S. 2 normiert gegenüber S. 1 einen Spezialfall der voll beherrschbaren Risiken aus dem Bereich der Koordination: die Anfängeroperation. Eine gesonderte Regelung rechtfertigt sich daraus, dass Rechtsprechung und Lehre in diesem Fall die Beweislast hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität umkehren.544 Grundsätzlich ist der Patient als Anspruchsteller insoweit beweisbelastet. Er muss bei Feststehen des Behandlungsfehlers beweisen, dass die nach dem medizinischen Standard gebotene, richtige Behandlung die Primärschädigung verhindert hätte.545 Wenn aber ein nicht ausreichend qualifizierter Assistenzarzt das Leben oder die Gesundheit des Patienten geschädigt hat, muss der Vertragspartner des Patienten darlegen und beweisen, dass dessen Primärschäden nicht auf fehlende Kenntnisse und mangelnde Erfahrung des auszubildenden Arztes zurückzuführen sind.546 Dieser Beweis ist erfolgreich geführt, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn ein Facharzt den Eingriff durchgeführt bzw. ihn überwacht hätte, sich also ein unvermeidbares Behandlungsrisiko realisiert hat. Begründet wird die Beweislastumkehr vor allem mit der schlechten Prozesssituation des Patienten.547 Der Nachweis, dass sich beim Patienten das spezifisch erhöhte Risiko einer Anfängeroperation verwirklicht habe, könne diesem kaum gelingen.548 Die Beweislastumkehr solle einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Bereich der Schädigungsursachen durch den Einsatz eines unerfahrenen Arztes verbreitert worden sei.549 Allerdings sind die Aufklärungsschwierigkeiten des Patienten hier in der Eigenart des menschlichen Organismus begründet. Reine Billigkeitserwägungen taugen nicht zur Rechtfertigung der Durchbrechung des Grundsatzes der Beweislastverteilung.550 Allerdings erhöht 543
Nixdorf, VersR 1996, 160 (163); Beispielhaft: BGH, Urt. v. 10.1.1984 – VI ZR 158/82, BGHZ 89, 263 (269). 544 Siehe dazu: BGH, Urt. v. 27.9.1983 – VI ZR 230/81, NJW 1984, 655 (656 f.); Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 398; Schmid, NJW 1994, 767 (773). 545 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 218 m.w.N. 546 Siehe: BGH, Urt. v. 27.9.1983 – VI ZR 230/81, BGHZ 88, 248 (257); Urt. v. 10.3.1992 – VI ZR 64/91, NJW 1992, 1560 (1561); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 487; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 116; Mehringer, Die Anfängeroperation, S. 209; Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 398. 547 Vgl.: BGH, Urt. v. 27.9.1983 – VI ZR 230/81, BGHZ 88, 248 (256 f.). 548 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 117. 549 BGH, Urt. v. 27.9.1983 – VI ZR 230/81, BGHZ 88, 248 (257); Urt. v. 10.3.1992 – VI ZR 64/91, NJW 1992, 1560 (1561); Urt. v. 15.6.1993 – VI ZR 175/92, NJW 1993, 2989 (2991); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 487 f.; Mehringer, Die Anfängeroperation, S. 211. 550 Foerste, in: Musielak, ZPO, § 286 Rdn. 37; Prütting, in: Rauscher/Wax/Wenzel, MüKo, ZPO, Bd. 1, § 286 Rdn. 121.
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
sich für den Patienten, der einen Anspruch auf die Einhaltung des Facharztstandards bei seiner medizinischen Versorgung hat, das Schadensrisiko durch den Einsatz von Ärzten in Aus- und Weiterbildung. Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich bei der durchgeführten Behandlungsmaßnahme um einen Routineeingriff für den dafür qualifizierten Anfänger handelt.551 Es ist zur Garantie des Facharztstandards auf lange Sicht gleichwohl notwendig, dass Ärzte im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildung praktische Erfahrungen im Hinblick auf schwierige Eingriffe sammeln. Das erhöhte Risiko ist im Hinblick auf die Sicherung der medizinischen Versorgung in Kauf zu nehmen. Es ist allerdings im Bereich der Behandlungsseite anzusiedeln und nicht vom Patienten zu tragen.552 Zudem ist das höhere Risiko, das von dem Einsatz eines Arztes in Aus- oder Weiterbildung ausgeht, für die Behandlungsseite durch Organisations- und Koordinationsmaßnahmen voll beherrschbar.553 Beispiele für solche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Maßnahmen sind eine dem ärztlichen Einsatz vorausgehende (Sicherstellung der) Kontrolle des theoretischen Wissens hinsichtlich der Erkrankung, der vorzunehmenden Behandlung, der dabei zu erwartenden Reaktionsmöglichkeiten sowie die Überwachung des sogenannten Anfängers durch einen erfahrenen Facharzt.554 Die Risikoerhöhung durch den Einsatz von Ärzten in Aus- und Weiterbildung vermag zusammen mit der Beherrschbarkeit dieses Risikos die Beweislastumkehr zu rechtfertigen. Bei Erlass eines Patientenrechtegesetzes bestünde ein Regelungsbedürfnis für diese Beweisregel. § 630l Abs. 2 erfasst die bekannteste und bedeutendste, tatbestandsmäßig umschriebene arzthaftungsrechtliche Beweislastsonderregel.555 Die ständige Rechtsprechung kehrt bei einem feststehenden groben Behandlungsfehler die Beweislast hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität um.556 Der grobe Behandlungs551
Mehringer, Die Anfängeroperation, S. 213. Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 398; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht Rdn. 284. 553 BGH, Urt. v. 27.9.1983 – VI ZR 230/81, BGHZ 88, 248 (257); Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 445 ff.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 117; Giesen, JZ 1990, 1053 (1063). Im Gegensatz zu den übrigen Fallgruppen der voll beherrschbaren Risiken bezieht sich die Beweislastumkehr bei der Anfängeroperation auf die haftungsbegründende Kausalität und nicht auf den Beweis des schuldhaften Behandlungsfehlers; siehe: Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 398. 554 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 115; siehe zur Notwendigkeit der Anwesenheit und Überwachung durch einen erfahrenen Facharzt: BGH, Urt. v. 10.3.1992 – VI ZR 64/91, NJW 1992, 1560 (1561); Urt. v. 15.06.1993 – VI ZR 175/92, NJW 1993, 2989 (2991 f.); Urt. v. 3.2.1998 – VI ZR 356-96 NJW 1998, 2736 (2737). 555 Vgl. zur Bedeutung der Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 441; Laufs, in: ders/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 1. 556 BGH, Urt. v. 16.6.1981 – VI ZR 38/80, NJW 1981, 2513 f.; Urt. v. 1.10.1996 – VI ZR 10/96, NJW 1997, 796 (797); Urt. v. 27.4.2004 – VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48 (54 f.); Urt. v. 16.11.2004 – VI ZR 328/03, NJW 2005, 427 (428); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 218; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 257 m.w.N.; Kaiser, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 12 Rdn. 105; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 2. 552
II. Begründung
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fehler wird von Rechtsprechung und Lehre bejaht, wenn ein unsachgemäßes Verhalten des Behandlers aus objektiver ärztlicher Sicht bei Anlegung des für einen Arzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint und dem behandelnden Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.557 Generell ist zur Beurteilung das gesamte Behandlungsgeschehen entscheidend.558 Die Annahme oder die Verneinung eines groben Behandlungsfehlers ist eine juristische Bewertung,559 für die jedoch stets medizinisches Fachwissen erforderlich ist. Der grobe Behandlungsfehler soll als wesentliche Voraussetzung der Beweislastumkehr in § 630 Abs. 2 legaldefiniert werden. Daneben ist für das Eingreifen der Beweislastumkehr nach der Rechtsprechung erforderlich, dass die Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Behandlung generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden herbeizuführen.560 Dementsprechend muss der Ursachenzusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden zwar weder naheliegend noch typisch, jedoch als möglich erscheinen.561 Ausgeschlossen ist die Beweislastumkehr demnach nur, wenn der Kausalzusammenhang gänzlich unwahrscheinlich ist.562 Auch diese Voraussetzung wird im Regelungsvorschlag festgehalten. Der Patient trägt für die Geeignetheit des groben
557
BGH, Urt. v. 27.1.1998 – VI ZR 229/96, NJW 1998, 1782 (1783) m.w.N.; Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 (6) m.w.N.; Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 809; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 252; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 60; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 11; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 112; zur Typisierung vgl.: Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 532 ff.; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 265 ff.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/ Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 72 ff. 558 BGH, Urt. v. 16.5.2000 – VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296 (303); Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 253; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 442 f.; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 12; Müller, NJW 1997, 3049 (3052). 559 BGH, Urt. v. 27.6.1978 – VI ZR 183/76, BGHZ 72, 132 (135); Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 (6); Urt. v. 16.5.2000 – VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296 (304); Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 408; Kaiser, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 12 Rdn. 102; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 443; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 9. 560 BGH, Urt. v. 21.9.1982 – VI ZR 302/80, NJW 1983, 333 (334); Urt. v. 27.4. 2004 – VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48 (54 f.); Urt. v. 16.11.2004 – VI ZR 328/03, NJW 2005, 427 (428); Urt. v. 8.1.2008 – VI ZR 118/06, NJW 2008, 1304; siehe auch: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 258; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 441; ders. in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 63; Müller, NJW 1997, 3049 (3052). 561 Katzenmeier, Arzthaftung, S 444; Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 415; Schmid, NJW 1994, 767 (772); siehe auch: Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, Rdn. 636 f. m.w.N. 562 BGH, Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1 (8); Urt. v. 27.4.2004 – VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48 (55); Urt. v. 16.11.2004 – VI ZR 328/03, NJW 2005, 427 (428); Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 259; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 65; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 32; Oetker, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 2, § 249 Rdn. 444 ff.; Quaas/ Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 112; kritisch: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 409.
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
Fehlers die Darlegungs- und Beweislast,563 ebenso wie für die Tatsachen, die der Bewertung des Behandlungsfehlers als grob zugrunde liegen.564 Fraglich ist jedoch die sachliche Rechtfertigung und damit das Regelungsbedürfnis dieser Beweislastumkehr. Überwiegend wird sie damit begründet, dass sich im Falle eines groben Behandlungsfehlers das Spektrum der denkbaren Schadensursache wegen der besonderen Schadensneigung des Fehlers erheblich verbreitere. Aufgrund dessen könne dem Patienten der ohnehin schon schwierige Kausalitätsbeweis565 nach Treu und Glauben nicht auferlegt werden.566 Dabei handele es sich nicht um eine Sanktion der Behandlungsseite für ein besonders schuldhaftes Verhalten. Vielmehr solle allein ein Ausgleich für die Verschlechterung der Beweislage durch den groben Behandlungsfehler geschaffen werden.567 Der BGH und die Befürworter dieser Rechtsprechung ziehen demnach vorrangig Aspekte der Gefahrerhöhung und der Beweisvereitlung zur materiellen Begründung dieser Beweislastsonderregel heran. Allerdings ist die Eigenart des menschlichen Organismus, der individuell unterschiedlich auf medizinische Maßnahmen und Fehler reagieren kann und nicht vollständig beherrschbar ist, die Ausgangsursache für die Beweisnöte des Patienten. Die Abläufe in seinem Körper sind aufgrund der Unwägbarkeiten nicht genau rekonstruierbar. Zwar hat ein grober Behandlungsfehler ein höheres Schadenspotential als ein einfacher. Damit steht jedoch noch nicht fest, dass er bei der Sachverhaltsaufklärung zwangsläufig mehr Beweisschwierigkeiten hervorruft.568 Ein solcher Zusammenhang zwischen Schadenspotential und Beweisnot ist statistisch nicht erwiesen. Vielmehr könnte man umgekehrt gar schlussfolgern, dass die Beweisnot mit der Schwere des Fehlers geringer wird. Bei einfachen Fehlern, die wegen der geringen Abweichung vom Standard ohnehin schon schwierig festzustellen sind, könnte es dem Patienten schwerer fallen, die geringe Abweichung zum hypothetischen Kausalverlauf zu beweisen.569 Darüber hinaus ist der Schutz des Patienten vor einer etwaigen Beweisnot nicht Sinn und Zweck der Pflicht zur sachgemäßen Behandlung.570 Ferner ist es im Hinblick auf die Gefahrerhöhung als Rechtfertigung für die Beweislast563
Vgl.: Prütting, in: Rauscher/Wax/Wenzel, MüKo, ZPO; Bd. 1, § 286 Rdn. 114; Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 415 f. 564 Siehe: Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 812; Kaiser, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 12 Rdn. 103; Rosenberger, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 7 Rdn. 408. 565 Siehe zu den Schwierigkeiten des Patienten beim Kausalitätsnachweis: Bolsinger, Dogmatik der Arzthaftung, S. 39 f.; Wagner, in: Müller/Osterloh/Stein, FS für Hirsch, S. 453 (454). 566 BGH, Urt. v. 21.9.1982 – VI ZR 302/80, BGHZ 85, 212 (216); Urt. v. 26.11.1991 – VI ZR 389/90, NJW 1992, 754 (755); Urt. v. 1.10.1996 – VI ZR 10/96, NJW 1997, 796 (797); siehe dazu: Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 6. 567 BGH, Urt. v. 21.9.1982 – VI ZR 302/80, BGHZ 85, 212 (216); Urt. v. 21.9.1982 – VI ZR 302/80, NJW 1983, 333 (334); Urt. v. 26.11.1991 – VI ZR 389/90, NJW 1992, 754 (755); Kaiser, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 12 Rdn. 100; Müller, NJW 1997, 3049 (3052). 568 Kritisch auch: Heinemann NJW 1990, 2345 (2352). 569 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 462; Fleischer, JZ 1999, 769 (773). 570 Franzki, Die Beweisregeln im Arzthaftungsprozeß, S. 79 ff.
II. Begründung
191
umkehr inkonsequent, dass diese bereits dann greift, wenn der Schadenseintritt nicht gänzlich unwahrscheinlich ist.571 Eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der eingetretenen Gesundheitsschädigung ist schließlich gerade nicht Voraussetzung der Beweislastumkehr.572 Sofern der einfache Behandlungsfehler eine gänzlich unwahrscheinliche Schadensursache darstellt, wird der vom Patient zu führende Beweis der haftungsbegründenden Kausalität ebenfalls nicht gelingen. Die bloße Geeignetheit des groben Behandlungsfehlers als Schadensursache ist mithin kein taugliches Kriterium, um diese Beweislastsonderregel zu begründen. Die richterrechtliche Beweislastumkehr bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers lässt sich in ihrer derzeitigen Form mithin nicht allein anhand der Grundsätze der Gefahrerhöhung oder der Beweisvereitelung rechtfertigen.573 Auch das Zurückgreifen auf das Gebot der Waffengleichheit vermag sie inhaltlich nicht zu legitimieren.574 Mit der Unkenntnis und Unerfahrenheit von dem Patienten als Laien ist nicht zwangsweise die Allwissenheit des Behandlers als Spezialisten verbunden.575 Die Beweislastsonderregel bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers ist lediglich reines Billigkeitsrecht.576 Die dogmatische Schwäche dieser Beweislastsonderregel bietet Anlass, ihre Berechtigung und damit auch ein Regelungsbedürfnis zu hinterfragen. Sie ist im Schrifttum teilweise erheblicher Kritik ausgesetzt.577 Zwar lehnen wenige Kritiker sie gänzlich ab,578 jedoch fordern einige eine Beweislastumkehr schon bei einfachen Fehlern.579 Angesichts der Beweisschwierigkeiten, die der Patient (erst recht) bei einfachen Behandlungsfehlern habe, sei eine Differenzierung in einfache und grobe Behandlungsfehler nicht gerechtfertigt.580 Darüber hinaus seien mit der Beschränkung der Beweislastumkehr nur auf grobe 571 So auch: Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 813, der es aber letztlich befürwortet, dass die Beweislastumkehr nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Kausalzusammenhang gänzlich unwahrscheinlich ist. 572 BGH, Urt. v. 3.12.1985 – VI ZR 106/84, NJW 1986, 1540 (1541); siehe: Giesen, JZ 1982, 448 (453). 573 Deutsch, NJW 1993, 1506 (1510). 574 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 463 m.w.N.; Foerste, in: Ahrens et al., FS für Deutsch, S. 165 (173); so aber wohl: BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131 (147).; Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 800; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. B 252; Franzki, Die Beweisregeln im Arzthaftungsprozess, S. 84. 575 Vgl.: Foerste, in: Ahrens et al., FS für Deutsch, S. 165 (173). 576 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 530; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 5; Deutsch, NJW 1993, 1506 (1510). 577 Brüggemeier, Deliktsrecht, Rdn. 684; Laufs/Kern, in: dies., Handbuch des Arztrechts, § 110 Rdn. 5 m.w.N.; Wahrendorf, Die Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht, S. 90 ff.; Matthies, NJW 1983, 335; Schmidt MedR 2007, 693 (699 ff.); Spindler AcP 208 (2008), 283 (328 f.). 578 Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 148 ff., 155; Wagner, in: Müller/Osterloh/Stein, FS für Hirsch, S. 452 (454 ff.). 579 Heidelk, Gesundheitsverletzung und Gesundheitsschaden, S. 159 ff.; Hofmann, Die Umkehr der Beweislast in der Kausalfrage, S. 28; Wahrendorf, Die Prinzipien der Beweislast im Haftungsrecht, S. 94. 580 Siehe zu dieser Argumentation: Hofmann, Die Umkehr der Beweislast in der Kausalfrage, S. 24 f.
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
Fehler sowohl für die Behandlungsseite als auch für den Patienten erhebliche Rechtsunsicherheiten verbunden. Vorprozessual sei es für die Parteien schwierig einzuschätzen, ob das Gericht einen Behandlungsfehler als grob qualifizieren wird. Tatsächlich kommt der Beweislastumkehr in vielen Prozessen eine verfahrensentscheidende Bedeutung zu.581 Dass eine Ausdehnung der Beweislast der Behandlungsseite ein Zugewinn an Rechtssicherheit bedeutete, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit die Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes der Beweislastverteilung nach der Günstigkeit der Norm verbunden wäre. Eine Abweichung von diesem Grundsatz bedarf jedoch einer sachlichen Rechtfertigung. Ein „Mehr“ an Rechtssicherheit könnte schließlich auch durch eine Abkehr von dieser Beweislastsonderregel gewonnen werden. Die Behandlung erfolgt aufgrund der Erkrankung des Patienten. Er bringt die Unwägbarkeiten seines Organismus und die daraus resultierenden Beweisschwierigkeiten, die sowohl ihn als auch die Behandlungsseite betreffen, mit in das Behandlungsverhältnis ein. Angesichts dessen, dass die Beweislastumkehr ein „schweres Geschütz“ darstellt,582 reichen Billigkeitserwägungen als sachliche Rechtfertigung grundsätzlich nicht aus. Zudem führte eine Beweislastumkehr bei einfachen Fehlern aufgrund der Beweisschwierigkeiten zu einer erheblichen Haftungsausweitung. Die Haftung der Behandlungsseite würde nur noch durch den vom Patienten zu erbringenden Nachweis des Behandlungsfehlers beschränkt. Zwar lässt sich dieser nicht von dem Ausbleiben des Erfolges ableiten, der Schritt hin zu einer Beweislast des Arztes für die Fehlerfreiheit der Behandlung ist aber bei einer derartigen Haftungserweiterung nicht mehr groß. Defensivmedizin und damit verbunden eine Verschlechterung der Patientenversorgung gehörten in diesem Fall zum Behandlungsalltag. Auch droht die Gefahr, dass Versicherungen bestimmte Facharztgruppen, die in einem schadensträchtigen Bereich arbeiten, nicht mehr oder nur zu stark erhöhten Prämien versichern. Eine umfassende medizinische Versorgung des Patienten wäre in diesem Fall nicht mehr gewährleistet.583 Das Eingreifen der Beweislastumkehr schon bei einfachen Fehlern als sachlich gerechtfertigte Alternative ist mithin abzulehnen.584 Dennoch kann die Frage nach dem Regelungsbedürfnis der Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler nicht einfach verneint werden. Diese richterrechtliche Beweisfigur hat sich in der Rechtspraxis etabliert und wird im Ergebnis auch überwiegend von der Literatur jenseits der dogmatischen Kritik anerkannt,585 so dass eine generelle Abkehr von dieser Beweislastsonderregel trotz der dogmatischen und systematischen Bedenken nicht angezeigt und der Praxis nicht zu vermitteln ist. Die erforderliche Legitimation dieser Beweislastsonderregel erreichte man durch ihre gesetzliche Regelung.586 Eine Aufrechterhaltung der prominenten Beweislastsonderregel im Arzthaftungsrecht wäre bei einer NichtNormierung in dem Patientenrechtgesetz hingegen nicht mehr zu rechtfertigen.
581
Laufs, Arztrecht, Rdn. 600. Dunz, Zur Praxis der zivilrechtlichen Arzthaftung, S. 30. 583 BT-Drcks. 17/907, S. 2. 584 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. XI 82. 585 Siehe: Spickhoff, NJW 2004, 2345 (2347) 586 Ähnlich: BT-Drcks. 17/907, S. 2. 582
II. Begründung
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n) Zu § 630m >Anwendung des Werkrechts< Dem Regelungsvorschlag § 630m liegt die Auffassung zugrunde, dass bei typengemischten Verträgen auf jeden Vertragsteil die jeweils „passenden“ Regelungen anzuwenden sind.587 Er trägt dem Umstand Rechnung, dass der Behandlungsvertrag in Ausnahmefällen werkvertragliche Elemente enthalten kann.588 Die äußerst umstrittene589 Konstellation einer zahnprothetischen Behandlung590 ist ein gutes Beispiel für einen solchen typengemischten Vertrag, bei dem die unterschiedlichen Vertragstypen derart eng miteinander verbunden sind, dass sie nur in ihrer Gesamtheit ein sinnvolles Ganzes ergeben.591 Schließlich muss bei der zahnprothetischen Behandlung die Prothese technisch angefertigt, der Kiefer und die Mundhöhle für den eigentlichen Eingriff vorbereitet und die Prothese letztlich eingesetzt werden. Dabei stehen die technische Anfertigung und die ärztlichen Maß587
Siehe zu den unterschiedlichen Theorien für die rechtliche Behandlung gemischter Verträge: Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 720 ff. 588 Für die Möglichkeit von werkvertraglichen Elementen des Behandlungsvertrags wohl auch: BGH, Urt. v. 9.12.1974 – VII ZR 182/73, BGHZ 63, 306 (309); OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.1984 – 8 U 71/83, VersR 1985, 456 f.; OLG Köln, Urt. v. 15.11.1984 – 7 U 47/84, VersR 1986, 300; OLG Oldenburg, Urt. v. 5.9.1995 – 5 U 75/95, NJW-RR 1996, 1267 (1268); OLG Koblenz, Beschl. v. 19.6.2007 – 5 U 467/07, NJW-RR 2008, 269 (269); OLG Naumburg, Urt. v. 13.12.2007 – 1 U 10/07, NJW-RR 2008, 1056; Müller-Glöge, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 4, § 611 Rdn. 81; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 109; Griebau, in: Raztel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, § 9 Rdn. 3; Laufs, Arztrecht, Rdn. 101; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 3; Wenzel, in: ders, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 11; Bongen/Kremer, NJW 1992, 723 (724); Könning, VersR 1989, 223 (228 ff.); Mohr, MedR 2001, 38; Rohde, NJW 1985, 1379; Wüster, NJW 1957, 698 (699); Ziegner, MDR 2001, 1088 (1089, 1093); differenziert: Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 38 Rdn. 19, die ausführen, dass soweit sich die technische von der ärztlichen Leistung rechtlich trennen lasse, eine Anwendung werkvertraglicher Regelungen auf die technische Leistung möglich seien. Dies komme aber praktisch kaum vor; offenlassend: OLG Köln, Urt. v. 24.11.1993 – 27 U 44/93, MedR 1994, 198 (199); ausführlich zu den Rechtsfolgen einer fehlerhaften zahnprothetischen Behandlung: Schellenberg, VersR 2007, 1343 (1344 ff.). 589 Von einem reinen Dienstvertrag gehen aus: OLG Zweibrücken, Urt. v. 10.3.1983 – 4 U 76/82, NJW 1983, 2094; LG Offenburg, Urt. v. 26.8.1958 – I S 51/58, NJW 1959, 817 (818); LG Bremen, Urt. v. 7.1.1965 – 4 S 496/64, NJW 1965, 2015; Oexmann/Georg, Die zivilrechtliche Haftung des Zahnarztes, Rdn. 28 ff.; Döring, NJW 1956, 1640; ders., NJW 1959, 817; in diese Richtung tendierend: Schinnenburg, MedR 2000, 185 f.; von einem Werkvertrag gehen aus: OLG Karlsruhe, Urt . v. 03.05.1967 – 1 U 144/66, NJW 1967, 1512 f.; LG Hannover, Urt. v. 10.1.1956 – 11 S 287/55, NJW 1956, 1640 (1641); Barnikel, NJW 1975, 592; Jakobs, NJW 1975, 1437 (1440); anders: Fallschüssel, MedR 1985, 147 (148), der hinsichtlich der Rechtsnatur des Vertrages zwischen festsitzendem und herausnehmbaren Zahnersatz differenziert; so scheinbar auch: OLG Koblenz, Urt. v. 7.1.1993 – 5 U 1289/92, NJW-RR 1994, 52 (53). 590 Die zahnprothetische Behandlung dient hier als pars pro toto für alle technischen Leistungen des Arztes. Weitere Beispiele für solche sind die Herstellung von Korsetts oder Schuheinlagen oder auch anderer Prothesen oder gar die Verordnung einer Brille, vgl. AG Krefeld, Urt. v. 25.4.1967 – 1 d C 1057/66 NJW 1967, 1512. 591 Vgl.: Rohde, NJW 1985, 1379.
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nahmen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Allein die technische Herstellung des Zahnersatzes ist ohne ihren Einsatz nutzlos und umgekehrt ist die Vorbereitung des Kiefers und der Mundhöhle ohne Anfertigung der Prothese nicht zielführend. Daraus folgt, dass sämtliche Leistungen, sofern sie vom Zahnarzt geschuldet werden, nicht separat beurteilt werden können. Sie sind Teil eines einheitlichen Geschehens. So würde eine Aufspaltung in zwei Verträge einen einheitlichen Vorgang auseinanderreißen und der Wirklichkeit nicht gerecht werden. Im Vordergrund steht der dienstvertragliche Charakter des Vertrags über die zahnprothetische Behandlung. Schließlich können die Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus eine erfolgreiche zahnprothetische Behandlung verhindern. Allein die technisch einwandfreie Herstellung der Prothese garantiert noch nicht den Erfolg der Behandlung.592 Es ist beispielsweise durchaus möglich, dass sich der Kiefer nach der Erstellung des Abdrucks für die Prothese unvorhersehbar verändert hat oder das Zahnfleisch zurückgegangen ist. Zudem sind sowohl die Vorbereitung des Kiefers und der Mundhöhle als auch die technische Herstellung der Prothese letztlich Vorbereitungsmaßnahmen für den Einsatz der Prothese.593 Schwerpunkt des Vertrages ist der Einsatz der Zahnkronen oder -implantate. Dieser ist für sich genommen ein Dienst höher Art im Sinn der §§ 611, 627 BGB. Dies wird durch § 1 Abs. 3 S. 2 ZHG bestätigt, wonach das Fehlen von Zähnen als Krankheit zu bewerten und damit die zahnprothetische Behandlung der Zahnheilkunde zugewiesen ist.594 Auch § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB V zählt die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen zur Krankenbehandlung. Zudem bleibt zu bedenken, dass man in fast jedes Behandlungsverhältnis einen vereinbarten Erfolg hineinlesen kann, so etwa bei einer Appendektomie die Entfernung des Blinddarms. Insofern ist bei der Annahme einer Erfolgsgarantie im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses Zurückhaltung geboten. Sonst bestünde die Gefahr, dass letztlich auch bei anderen Eingriffen, insoweit konsequent, die Heilung als geschuldet angesehen werden müsste. Allein die technische Herstellung der Prothese richtet sich nach Werkvertragsrecht. Dahingegen werden Fälle, in denen ein konkretes Ergebnis als Ziel medizinischen Handelns angestrebt wird, wie etwa eine kosmetische Operation, eine Sterilisation oder eine artifizielle Reproduktion, nicht von § 630m erfasst. Vereinbarter Vertragsgegenstand ist auch hier kein Erfolg.595 Diesen kann der Behandler nicht garantieren. Während dies für die artifizielle Reproduktion angesichts der nicht beherrschbaren Erfolgsquoten noch recht offensichtlich sein dürfte, mag dies für Eingriffe wie der Sterilisation oder der kosmetischen Operation einen Laien zunächst verwundern. Auch hier gilt indes, dass der menschliche Organismus nicht vollständig beherrschbar ist und bei solchen Eingriffen die Prozesse im menschlichen Körper atypisch verlaufen können. Eine Erfolgsgarantie kann und wird die
592
Döring, NJW 1959, 817; ähnlich: Oexmann/Georg, Die zivilrechtliche Haftung des Zahnarztes, Rdn.33, die in der Anfertigung der Prothese ein „nullum“ sehen. 593 Ähnlich: BGH, Urt. v. 9.12.1974 – VII ZR 182/73, NJW 1975, 305 (306); a.A: RG, Urt. v. 11.4.1919 – VII 68/19, RGZ 95, 322 (325). 594 A.A.: BGH, Urt. v. 9.12.1974 – VII ZR 182/73, NJW 1975, 305 (306). 595 Anders wohl: Jakobs, NJW 1975, 1437 (1438).
II. Begründung
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Behandlungsseite nicht geben.596 In solchen Fällen ist Vertragsgegenstand ebenfalls eine Dienstleistung höher Art.597 Dementsprechend verweist § 630m, der dem § 651 BGB nachgebildet ist, speziell und ausdrücklich für rein technische Leistungen, auf das Werkvertragsrecht. o) Zu § 1631b >Medizinische Dienste< Der Regelungsvorschlag § 1631b soll dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen Rechnung tragen. § 1631b Abs. 1 setzt dem Recht der Eltern zur Personensorge eine Grenze zur Entscheidung über die Durchführung von medizinischen Maßnahmen bei ihrem Kind. Verfügt der Minderjährige über die in §1631b Abs. 2 S. 1 definierte Einwilligungsfähigkeit, muss das elterliche Sorgerecht nach Abs. 1 S. 1 für die Entscheidung über das Durchführen einer medizinischen Maßnahme zurücktreten.598 In diesem Fall hat allein der minderjährige Patient das Recht, über seine Behandlung zu entscheiden. Mit dieser Regelung soll klargestellt werden, dass das Konzept einer kumulativen Entscheidungszuständigkeit von Minderjährigen und ihren Sorgeberechtigten599 und eine damit verbundene Schwächung des
596
Laufs, Arztrecht, Rdn. 101 und Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 9, weisen zutreffend darauf hin, dass es jedoch rechtlich möglich, dass die Parteien auf der Grundlage der Vertragsautonomie letztlich eine Erfolgsgarantie vereinbaren können. 597 Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 38 Rdn. 9, Wenzel, in: ders., Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rdn. 9; ausdrücklich für kosmetische Behandlungen oder Operationen: OLG Köln, Urt. v. 17.9.1987 – 7 U 58/87, VersR 1988, 1049; OLG Hamburg, Urt. v. 22.12.2000 – 1 U 41/00, MDR 2001, 799; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 32; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 38 Rdn. 27 m.w.N.; ausdrücklich für die Sterilisation: BGH, Urt. v. 18.3.1980 – VI ZR 105/78, NJW 1980, 1452 (1453); OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.1974 – 8 U 123/73, NJW 1975, 595; OLG Zweibrücken, Urt. v. 18.2.1997 – 5 U 46/95, NJW-RR 1997, 666; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rdn. 34; Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 39 Rdn. 36 f. m.w.N.; für Qualifikation der Verordnung einer Brille als Dienstvertrag: Narr, MedR 1986, 170 (171 f.). 598 Vgl. zum Vorrang des Selbstbestimmungsrechts des einwilligungsfähigen Minderjährigen gegenüber dem elterlichen Sorgerecht: Belling/Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen, S. 126 ff., 135 f.; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 147 f.; Rouka, Das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen bei ärztlichen Eingriffen, S. 126 f; anders wohl: BGH, Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 74/05, NJW 2007, 217 (218); siehe zur höchstrichterlichen Rechtsprechung: Spickhoff, NJW 2008, 1636 (1641). 599 Siehe: BGH, Urt. v. 16.11.1971 – VI ZR 76/70, NJW 1972, 335 (337); so wohl: Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdn. C 113; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, S. 29, 35; Reipschläger, Die Einwilligung Minderjähriger in ärztliche Heileingriffe, S. 204 f.; eine kumulative Entscheidungszuständigkeit bei bestimmten Eingriffe wie dem Schwangerschaftsabbruch oder dem Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen befürworten: Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB, § 1626 Rdn. 93; Fischer, in: ders./Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 49 (154); vgl.: BT-Drcks. 7/2060, S. 17 ff.; indifferent: Coester-Waltjen et al., Neues elterliches Sorgerecht, S. 123 f.
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Selbstbestimmungsrechts für das deutsche Recht abzulehnen ist.600 Derartige Konzepte einer Mitentscheidungsbefugnis verweisen häufig auf schwerwiegende Eingriffe, bei denen die Eltern ein Mitbestimmungsrecht haben sollen.601 Schwerwiegende Eingriffe, wie der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen, dürften in der Praxis regelmäßig über die Einsichts- und Urteilsfähigkeit eines Minderjährigen hinausgehen.602 Sofern der Minderjährige die Tragweite des Eingriffs voll erfassen und sein Handeln danach ausrichten kann, besteht kein Grund dafür, seine Einwilligung durch das Erfordernis der Zustimmung der Sorgeberechtigten zu relativieren,603 und ihm damit die unbeschränkte Ausübung seines Rechtes auf Selbstbestimmung zu verwehren. Wenn für die Einwilligungsfähigkeit allein die Reife und natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit maßgeblich sein soll, kann die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit nicht zur Voraussetzung einer Alleinentscheidungsbefugnis erhoben werden.604 Die Eltern haben kein Recht derart über den Willen des Kindes hinwegzugehen.605 Die Auffassung, die elterliche Sorge sei ein Eigenrecht der Eltern, knüpft vielmehr an die tiefen historischen, gesellschaftlichen Wurzeln der elterlichen Gewalt als ihr eigenes Recht606 an. Sie ist in Anbetracht des Bekenntnisses des Gesetzgebers zur Pflichtengebundenheit der elterli600
So wohl auch: Huber, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 8, § 1626 Rdn. 42; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 147 m.w.N.; Rouka, Das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen bei ärztlichen Eingriffen, S. 126 f., Kern, NJW 1994, 753 (755), der zugleich einschränkt, dass nur selten Eingriffe anfielen, für die allein die Einwilligung des Minderjährigen ausreiche; ders., LMK 2007, 220412; vgl. auch den Referentenentwurf zu § 1626a BGB im Rahmen der Sorgerechtsreform (abgedruckt bei: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 296): „Die Einwilligung in eine Heilbehandlung ist von dem Kind selbst zu erteilen, wenn es fähig ist, Grund und Bedeutung der Heilbehandlung einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen; die Einwilligung der Eltern ist daneben nicht erforderlich, soweit gesetzlich nicht ein anderes bestimmt ist.“; offenlassend: BGH, Urt. v. 5.12.1958 – VI ZR 266/57, BGHZ 29, 33 (36 f.). 601 Vgl.: Fischer, in: ders./Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 49 (154). 602 Ähnlich wohl: Huber, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 8, § 1626 Rdn. 41; Kern NJW 1994, 753 (755); Spickhoff, NJW 2000, 2297 (2300), der betont, dass in solchen Fällen die konkrete Einwilligungsfähigkeit ganz besonders sorgfältig geprüft werden muss. 603 Vgl.: Huber, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 8, § 1626 Rdn. 42; Wagner, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 5, § 823 Rdn. 736; Baltz, Lebenserhaltung als Haftungsgrund, S. 44; Ulsenheimer, in: Kern/Laufs, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rdn. 48; Taupitz, in: Ständige Deputation des DJT, Gutachten zum 63. DJT, Bd. I, S. A 64 ff.; Kern, NJW 1994, 753 (755); Spickhoff, NJW 2000, 2297 (2300); Wölk, MedR 2001, 80 (84); a.A.: Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 34. 604 Baltz, Lebenserhaltung als Haftungsgrund, S. 44; Wölk, MedR 2001, 80 (84). 605 So aber wohl: Lipp, MedR 2008, 292 (293): „(…) eine (…) generelle Einschränkung des Elternrechts [durch eine Teilmündigkeit des Minderjährigen] aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG [ist] wegen des Gesetzesvorbehalts dem Gesetzgeber vorbehalten (…), der entsprechende Vorschläge jedoch bislang nicht aufgenommen hat. Solange der Patient minderjährig ist, müssen daher die sorgeberechtigten Eltern zustimmen und aufgeklärt werden.“ 606 Weiterführend dazu: Schuhmacher, Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern in der Privatrechtsgeschichte, passim.
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chen Sorge nicht mehr aufrecht erhaltbar. Die elterliche Sorge ist nach dem heutigen Rechtsverständnis treuhänderischer Natur.607 Sie dient dem Wohl des Kindes und seiner Erziehung zu einer selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Person.608 Nach diesem Verständnis kann sie mit dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen nicht kollidieren. Sie reicht nur so weit, wie der Minderjährige seine Fähigkeiten zur Selbstbestimmung und Selbstverantwortung noch nicht hinreichend ausgebildet hat.609 Eine alleinige Teilmündigkeit des einwilligungsfähigen Minderjährigen im Hinblick auf die (Nicht-) Vornahme einer medizinischen Behandlung steht demnach grundsätzlich nicht im Widerspruch zur elterlichen Sorge.610 Ausnahmeregelungen sind möglich611 und gehen nach Hs. 2 dem Grundsatz der Alleinentscheidungsbefugnis vor. Sofern der Minderjährige noch nicht einwilligungsfähig ist, gelten die Grundsätze des Sorgerechts.612 Entscheidungen, die das Kindeswohl gefährden oder einen Missbrauch der elterlichen Personensorge darstellen, können über § 1666 Abs. 1 BGB abgewehrt werden.613 Insoweit bedarf es keiner gesetzlichen Klarstellung.614 Wenn der Minderjährige allein zur Einwilligung befugt ist, ist der Behandler nach dem hiesigen Regelungsvorschlag § 1631b Abs. 1 S. 2 weder verpflichtet noch berechtigt, die Eltern in das Behandlungsgeschehen einzubinden.615 Ihnen gegenüber gilt die Schweigepflicht. Eine Pflicht des Arztes dahingehend, die Eltern des minderjährigen, zweifelsfrei einwilligungsfähigen Patienten zu informie-
607
Belling/Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen, S. 119 ff.; Kothe, AcP 185 (1985), 105 (146 f.). 608 Lenckner, ZStW 1960, S. 446 (462 f.); Lesch, NJW 1989, 2309 (2310). 609 Huber, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 8, § 1626 Rdn. 42; Belling/ Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen, S. 119 ff.; Wölk, MedR 2001, 80 (84); siehe insbesondere: BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360 (387 f.). 610 Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 76; Lenckner, ZStW 1960, 446 (462 f.); ähnlich: Kern, NJW 1994, 753 (755); zutreffend auch: Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 30 m.w.N., der aber selbst letztlich von einer Befugnis der Eltern zur Einwilligung bis zur Volljährigkeit ausgeht. 611 Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, bestimmte medizinische Maßnahmen bei Minderjährigen gänzlich auszuschließen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 TPG). In besonderen Fällen kann speziell gesetzlich eine kumulierte Einwilligung vom einwilligungsfähigen Minderjährigen und seinem Sorgeberechtigten verlangt werden (§§ 40 Abs. 4 Nr. 3, 41 Abs. 2 AMG); siehe dazu: Taupitz, in: Ständige Deputation des DJT, Gutachten zum 63. DJT, Bd. I, S. A 64 f., der betont, dass ein gesondertes Begründungserfordernis für jede Einräumung einer kumulativen Einwilligung besteht. 612 Siehe dazu: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 89 f.; Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 62 Rdn. 10 ff.; Kern, NJW 1994, 753 (756). 613 Vgl. etwa: OLG Celle, Beschl. v. 21.2.1994 – 17 W 8/94, NJW 1995, 792 (793). 614 So wohl auch: Spickhoff, NJW 2000, 2297 (2300). 615 Vgl. auch: Lesch, NJW 1989, 2309 (2310); für eine regelmäßige Beteiligung des gesetzlichen Vertreters bis zur Mündigkeit des Betroffenen: Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 33 f.; anders wohl auch: Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. V 43.
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ren, konterkarierte dessen selbstbestimmte Entscheidung.616 Das Argument, dass sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des einwilligungsfähigen Minderjährigen in medizinischen Angelegenheiten kein Anspruch darauf ergebe, frei vom Einfluss der Eltern entscheiden zu können,617 vermag nicht zu überzeugen und ist in sich widersprüchlich. Unbestritten stellt das Zusammenwirken von Kind und Sorgeberechtigten bei der medizinischen Behandlung ein Ideal dar,618 das in der Realität wohl überwiegend realisiert wird. So werden die Eltern bei der Behandlung ihrer Kinder zumindest dann, wenn diesen schwere gesundheitliche Gefahren drohen, regelmäßig bei der medizinischen Aufklärung hinzugezogen. Auch steht am Ende typischerweise eine im gemeinsamen Einvernehmen getroffene Entscheidung.619 Konzepte, in denen einwilligungsfähigen Minderjährigen die Alleinentscheidungskompetenz zur Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts zugesprochen und zugleich der Behandler verpflichtet wird, stets die Sorgeberechtigten zu informieren, sind indes inkonsequente Kompromisse zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes und dem Einbeziehungsinteresse der Eltern. Das Ideal des Zusammenwirkens von Eltern und Kind bei der Behandlung ist nur mit Zustimmung des minderjährigen Patienten oder durch eine Ausnahmeregelung für besonders schwere Eingriffe erreichbar. Im Übrigen kann nur an die Vernunft der Beteiligten appelliert werden. Dies gilt freilich nur für den Fall, dass der Minderjährige zweifelsfrei einwilligungsfähig ist. Bestehen begründete Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit, kann und muss der Arzt die Eltern kontaktieren, ohne sich dabei der Gefahr einer schuldhaften Verletzung der Schweigepflicht auszusetzen. § 1631b Abs. 2 soll die notwendigen Kriterien der Einwilligungsfähigkeit festlegen. Die Frage, wann ein Minderjähriger einwilligungsfähig ist, hat insbesondere für die Praxis Bedeutung. Bisher wird im Behandlungsalltag überwiegend Einwillligungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit gleichgesetzt,620 um einer etwaigen Haftung infolge einer falschen und schuldhaften Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit des minderjährigen Patienten zu entgehen.621 Vielfach besteht Rechtsun616
Coester-Waltjen et al., Neues elterliches Sorgerecht, S. 126 f.; anders: Wölk, MedR 2001, 80 (84); differenzierend: Belling/Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen, S. 136 f. 617 Vgl.: Wölk, MedR 2001, 80 (84): „Hat der einwilligungsfähige Minderjährige die Möglichkeit, allein über den ärztlichen Eingriff zu entscheiden, so ist mit Blick auf das den gesetzlichen Vertretern verbleibende Erziehungsrecht die Information der gesetzlichen Vertreter über den ärztlichen Eingriff eine dem Minderjährigen zumutbare Beeinträchtigung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Auch der einwilligungsfähige Minderjährige bleibt im Einflußbereich seiner gesetzlichen Vertreter und hat aus dem Selbstbestimmungsrecht in medizinischen Angelegenheiten keinen Anspruch darauf, gänzlich frei vom elterlichen Einfluß zu bleiben.“; Spickhoff, NJW 2000, 2997 (2300). 618 Vgl.: Belling/Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen, S. 136; Wölk, MedR 2001, 80 (84). 619 So auch: Spickhoff, NJW 2000, 2997 (2300). 620 Vgl. beispielsweise: Stephan/Bosch/Tscherne, Der Orthopäde 2000, S. 281 (282). 621 Vgl.: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 48; Kölch/Fegert, FPR 2006, 76: „Tatsächlich wird in der allgemeinen Behandlung von Minderjährigen deren Autonomie eher wenig geachtet zu Gunsten einer starken Elternorientierung der behandelnden Ärzte.“, siehe die Ausführungen von: Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Rdn. V 43:
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sicherheit hinsichtlich der Kriterien der Einwilligungsfähigkeit seitens der Behandler. Diese Rechtsunsicherheit wirkt sich auch zu Lasten der minderjährigen Patienten aus, die auf diese Weise praktisch an der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechtes gehindert werden.622 Es wurde bereits mehrfach versucht, der Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die rechtliche Stellung Minderjähriger bei der Behandlung zu begegnen.623 Es existieren Lösungsansätze, die (zum Teil) starre Altersgrenzen zur Bestimmung der Einwillgungsfähigkeit empfehlen.624 Im Zivilrecht spricht sich insbesondere Volker Lipp für eine den §§ 104 ff. BGB nachgebildete feste Altersgrenze aus.625 Teilweise wird auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse zurückgegriffen und eine Altersgrenze von 16 Jahren befürwortet.626 Eine solche ist auch in den Niederlanden in das BW aufgenommen worden. Gemäß Art. 7: 450 Abs. 2 S. 3 BW gilt ein Jugendlicher ab sechszehn Jahren als einwilligungsfähig. Die Einführung einer solch starren Altersgrenze bedeutete einen erheblichen Gewinn an Rechtssicherheit,627 wird jedoch der Realität nicht gerecht. Der Reifeprozess bei jungen Menschen verläuft zu unterschiedlich, als dass zur Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit alleine auf das Alter abgestellt werden „Verkennt der Arzt trotz redlichen Bemühens, dass der Minderjährige einwilligungsfähig ist und holt er deswegen nur das Einverständnis der Eltern ein, wird ihm dies kaum zu rechtlichem Nachteil gereichen. Der Zustimmung seiner Eltern kann ein urteilsfähiger Minderjähriger jedenfalls dann widersprechen, wenn ein nur relativ indizierter Eingriff mit möglicherweise erheblichen Folgen für die weitere Lebensführung in Frage steht.“; ähnlich auch: Terbille, in: ders., Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 1 Rdn. 482. 622 Reipschläger, Die Einwilligung Minderjähriger in ärztliche Heileingriffe, S. 74 f., 81; Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 48. 623 Vgl.: BT-Drcks. 7/2060, S. 17 ff.; siehe dazu: Belling/Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen, S. 103 f. m.w.N., 128 ff. m.w.N.; Reipschläger, Die Einwilligung Minderjähriger in ärztliche Heileingriffe, S. 75 ff.; Rouka, Das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen bei ärztlichen Eingriffen, S. 121 ff.; Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 296 f. 624 BT-Drcks. 7/2060, S. 19; Rouka, Das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen bei ärztlichen Eingriffen, S. 124 ff, 132; Seizinger, Der Konflikt zwischen dem Minderjährigen und seinem gesetzlichen Vertreter bei der Einwilligung, S. 31, 97 ff.; vgl auch den Vorschlag des Juristinnenbundes in Form des § 1628 (abgedruckt bei: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 296): „In eine ärztliche Behandlung kann das minderjährige Kund, welches das 16. Lebensjahr vollendet hat, nur selbst einwilligen.“; eine feste Altersgrenze ablehnend: OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.8.2007 – 4 W 12/07, NJW 2007, 3580 (3581); Huber, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 8, § 1626 Rdn. 41; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 147; Reipschläger, Die Einwilligung Minderjähriger in ärztliche Heileingriffe, S. 78 f.; Taupitz, in: Ständige Deputation des Juristentages, 63 DJT, Bd. I; S. A 61; Kern, NJW 1994, 773 (775). 625 Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 35 ff.; ähnlich auch: OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.1998 – 15 W 274/98, NJW 1998, 3424 (3425). 626 Rouka, Das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen bei ärztlichen Eingriffen, S. 132, 139 ff.; Seizinger, Der Konflikt zwischen dem Minderjährigen und seinem gesetzlichen Vertreter bei der Einwilligung, 97 ff.; kritisch dazu: Reipschläger, Die Einwilligung Minderjähriger in ärztliche Heileingriffe, S. 77 f. 627 So etwa: Coester-Waltjen et al., Neues elterliches Sorgerecht, S. 123; Rouka, Das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen bei ärztlichen Eingriffen, S. 124, 132.
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kann. Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit hängt maßgeblich von der Selbständigkeit und der individuellen kognitiven, emotionalen und sittlichen Reife der Minderjährigen ab, deren Entwicklung von mehreren unterschiedlichen psychosozialen Faktoren bestimmt und beeinflusst wird. Die Minderjährigen sind diesbezüglich eine sehr heterogene Gruppe.628 Zudem sind für die Beurteilung der Einsichtsfähigkeit insbesondere die Schwere, Dringlichkeit und Risikoträchtigkeit sowie etwaige Dauerfolgen des konkreten Eingriffs zu berücksichtigen.629 Je schwerwiegender, riskanter und komplexer der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an die Einsichtsfähigkeit.630 Die Entscheidung über eine Impfung unter Berücksichtigung des Nutzen und der Risiken eben dieser stellt sich etwa als weniger komplex dar als die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch und die damit verbundenen „Vorteile“ und Risiken. Bei der Beurteilung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist die Berücksichtigung des Einzelfalls und der konkreten Behandlungsmaßnahmen zwingend. Starre Altersgrenzen vernachlässigen die Besonderheiten des jeweiligen Falls, überfordern diejenigen Minderjährigen, die nur nach dem Buchstaben des Gesetzes einwilligungsfähig sind und diskriminieren mit einer unwiderlegbaren Vermutung zugleich diejenigen Kinder, die faktisch einwilligungsfähig wären.631 Dass im Interesse der Rechtssicherheit starre Altersgrenzen zur Beurteilung der Geschäftsfähigkeit ausgebildet wurden, kann nicht als Argument für die Einführung solcher Grenzen für die Einwilligungsfähigkeit dienen. Die starre Einstufung als (un-) beschränkt geschäftsfähig dient dem Schutz der Verkehrsinteressen bei alltäglichen Massengeschäften, bei denen eine Individualisierung der Vertragspartner nicht möglich ist.632 Etwas anders gilt für die Vertrauensbeziehung zwischen Behandler und Patient. Hier ist eine Individualisierung eine notwendige Voraussetzung.633 Zudem kann der Behandler im Rahmen des (Aufklärungs-) Gespräches die Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen im Hinblick auf den konkreten Eingriff am besten einschätzen.634 Allgemein anerkannt ist hingegen, dass Minderjährigen unter vierzehn Jahren regelmäßig die erforderliche Einsichtsfähigkeit fehlt.635 Dies lässt sich vor allem entwick628
Belling/Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen, S. 128; Kölch/Fegert, FPR 2006, 76 (76). 629 Baltz, Lebenserhaltung als Haftungsgrund, S. 45; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rdn. 45. 630 Huber, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo, BGB, Bd. 8, § 1626 Rdn. 41; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rdn. 45. 631 Ähnlich: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 59; Wölk, MedR 2001, 80 (86). 632 Kothe, AcP 185 (1985), 104 (146) m.w.N. 633 Wölk, MedR 2001, 80 (82). 634 Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 149; Wölk, MedR 2001, 80 (82); so wohl auch: Lesch, NJW 1989, 2309 (2310). 635 Laufs, in: ders./Kern, Handbuch des Arztrechts, § 62 Rdn. 9; Kern, NJW 1994, 773 (775); vgl. LG Frankenthal, Urt. v. 14.9.2004 – 4 O 11/02, MedR 2005, 243 (244); strenger: Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rdn 45, nach dem Kinder unter 14 Jahren „ausnahmslos“ nicht über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügen. Ältere Entscheidungen und Literaturauffassung, die Alter und Reifegrad noch dicht unter der Volljährigkeitsgrenze ansetzten, haben im Hinblick auf die Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze 1975, der fortschreitenden Vorverlagerung der körperlichen und sexuellen
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lungspsychologisch erklären und findet im Recht zum Teil Ausdruck. So kann ein Minderjähriger erst nach Vollendung des vierzehnten Lebensjahres sein religiöses Bekenntnis selbst bestimmen, seine Einwilligung zur Adoption widerrufen, sein Recht auf Gehör im Sorgerechtsverfahren selbstständig ausüben und entsprechende Rechtsmittel geltend machen. Insoweit empfehlen sich die Festschreibung der Kriterien der Einwilligungsfähigkeit in Abs. 2 S. 1 und die Regelung einer Untergrenze in Abs. 2 S. 2. Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres muss weiterhin positiv für den Einzelfall festgestellt werden, dass der Minderjährige über die erforderliche Reife sowie über die entsprechende Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt.636 Normen, die sowohl Rechtssicherheit schaffen als auch rechtspolitisch überzeugen, sind in diesem Bereich nicht formulierbar, da die erforderliche Berücksichtigung der Fähigkeiten des Individuums nur einzelfallbezogen möglich ist und damit auch nur zu Lasten der Rechtssicherheit erfolgen kann.637 Indes werden dem Behandler mit der Definition der Einwilligungsfähigkeit in Abs. 2 S. 1 die maßgeblichen Kriterien für seine Entscheidung benannt.638 Demnach muss ein einwilligungsfähiger Patient über die Fähigkeit verfügen, den Sachverhalt seiner Erkrankung und der vorgeschlagenen Behandlung zu verstehen. Er muss über die kognitive und emotionale Fähigkeit verfügen, bestimmte Informationen, auch bezüglich der Folgen und Risiken, in angemessener Weise zu verarbeiten. Ferner muss er dazu im Stande sein, die Informationen auch im Hinblick auf Behandlungsalternativen angemessen zu bewerten. Des Weiteren muss er auf der Grundlage von Verständnis, Verarbeitung und Bewertung der Situation seinen eigenen Willlen bestimmen können.639 Durch eine derartige Regelung wird zugleich dem Irrglauben entgegengewirkt, dass die Geschäftsfähigkeit mit der Einwilligungsfähigkeit faktisch gleichzusetzen ist. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass dem Behandler bei der Entscheidung ein Ermessen zusteht640 und ihm bei einer plausiblen Darlegung seiner Entscheidungsgründe kein Schuldvorwurf bei einer Fehlentscheidung zu machen ist. In den Fällen, in denen die Dokumentation zeigt, dass der Arzt sich sorgfältig um Klärung der Einwilligungsfähigkeit bemüht hat und bei deren Beurteilung von den zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, drohen ihm auch dann keine negative Konsequenzen, wenn sich seine Einschätzung nachträglich als unzutreffend erweist.641 Reife bei Jugendlichen und der Rechtsprechung des BVerfG zum Hineinwachsen des Jugendlichen in die Grundrechtsmündigkeit nur noch bedingte Gültigkeit. 636 Siehe zur 14-Jahres-Grenze: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 256; Laufs, in: ders./ Kern, Handbuch des Arztrechts, § 62 Rdn. 9; Kern, NJW 1994, 753 (755); vgl. ferner: Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 84 ff. 637 Spickhoff, NJW 2000, 2997 (2300). 638 Kritisch zur bisherigen Rechtsprechung, die bisher keine normativen Kriterien für die Einwillgungsfähigkeit entwickelt hat: Amelung, ZStW 1992, 525 (537 ff.); Wölk, MedR 2001, 80 (82). 639 Vgl.: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 49, 83; Vollmann, Aufklärung und Einwilligung, S. 50 ff. (insbesondere S. 55 f.); Wölk, MedR 2001, 80 (88). 640 Vgl. zur Zuständigkeit für die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit: Rothärmel et al., Patientenaufklärung, S. 84 f. 641 Wölk, MedR 2001, 80 (82) m.w.N.
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p) Zu § 1631e >Verbot von medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen< Das Verbot von medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen in § 1631e soll dem zunehmenden Trend von schönheitschirurgischen Eingriffen an Minderjährigen entgegenwirken.642 Hier besteht die Gefahr, dass sich der Minderjährige vom medial propagierten Schönheitsideal leiten lässt und die Folgen letztlich nur schwer oder überhaupt nicht verarbeiten kann. Das Kind befindet sich noch im Wachstum. Ebenfalls verändern sich in der Reflexionsphase das Welt- und Selbstbild sowie die eigenen Werte. Schönheitsoperationen an Minderjährigen sollten nur bei medizinischer Indikation etwa zur Behandlung von Brandnarben durchgeführt werden. Die einzige Ausnahme sollen geringfügige Eingriffe wie die Korrektur von abstehenden Ohrmuscheln bei Kindern zur Vermeidung psychischer Störungen bilden, in die indes nur der gesetzliche Vertreter einwilligen kann. q) Zur Streichung des § 76 Abs. 4 SGB V Mit der Streichung des § 76 Abs. 4 SGB V setzte der Gesetzgeber dahingehend ein Signal, dass er die Vertragskonzeption zur Grundlage seiner Rechtsauffassung erhebt.643
3. Mögliche negative Folge- und Nebenwirkungen Die vom Gesetzgeber intendierten Zwecke werden in der Realität selten ohne unbeabsichtigte Folgen oder Nebenwirkungen erreicht. Diese können der gewünschten Gesetzeswirkung durchaus zuwiderlaufen.644 Aus systemtheoretischer Perspektive verwundern Nebenwirkungen nicht. Schließlich kann das regulierte System das Gesetz zwar als Umwelteinfluss wahrnehmen. Die Verarbeitung des „Gesetzeslärms“ hängt jedoch, wie im vierten Kapitel ausgeführt, von der systemeigenen Logik und Semantik ab. Demnach sind unbeabsichtigte Nebenfolgen keine Seltenheit. Auch auf individueller Ebene sind negative Nebenwirkungen durch Wahrnehmungsprobleme, einem zu geringen Anreiz zur Verhaltensanpassung seitens des homo oeconomicus oder durch die psychische Reaktanz des Normadressaten erklärbar.645 Die Stärke der Reaktanz richtet sich dabei nach dem Umfang des subjektiven Freiheitsverlustes, der Intensität der Freiheitseinengung und der Bedeutung des untersagten Verhaltens. Bei einem Patientenrechtgesetz sind negative Nebenwirkungen aufgrund der skeptischen Einstellung der Ärzteschaft gegenüber dem Recht, welche teilweise wohl in der juristischen Bewertung des Heileingriffs als Körperverletzung und der Existenz eines eigenen, sehr ausgeprägten Standesrechts begründet ist, nicht un642
Siehe auch: BT-Drcks. 16/6779. Siehe dazu die Ausführungen in diesem Kapitel unter II.1.b). 644 Vgl.: Calliess, in: ders. et al., FS für Teubner, S. 465 (472); Fricke/Hugger, Test von Gesetzentwürfen, S. 28; Nöth, Rechtssoziologie, S. 60; Röhl, Rechtssoziologie, S. 249. 645 Vgl. zur Reaktanztheorie: Brehm/Brehm, Psychological reactance, passim; West/Wicklund, Einführung in sozialpsychologisches Denken, S. 251 ff. 643
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wahrscheinlich. Erschwerend kommt im Hinblick auf die Gewährung subjektiver Rechte der Patienten die Vorstellung eines Freiheitsverlustes, einer haftungsrechtlichen Bedrohung und einer damit verbundenen vermeintlichen Stigmatisierung hinzu.646 Mögliche schädliche Nebenwirkungen einer Kodifikation seiner Rechte und Pflichten im BGB wären eine tatsächliche Einschränkung der Therapiefreiheit, das künftige Praktizieren einer Defensivmedizin, die Beschädigung des Vertrauensverhältnisses oder das Festschreiben des status quo. a) Einschränkung der Therapiefreiheit Durch die zunehmende Reglementierung der ärztlichen Tätigkeit und der Bürokratisierung im Gesundheitswesen wird die Therapiefreiheit, die die Freiberuflichkeit der Ärzte auszeichnet, zunehmend eingeschränkt.647 Eine weitergehende Einschränkung dieses auch den Interessen der Patienten dienenden Rechts der Ärzte648 durch eine Kodifikation des Behandlungsvertrags könnte negative Folgen haben, die es nicht nur im Hinblick auf Sinn, Zweck und Bedeutung der Therapiefreiheit für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient649 zu vermeiden gilt. Eine gesetzliche Einschränkung der ohnehin schon durch das Sozialrecht bedrohten650 Therapiefreiheit empfände die Ärzteschaft als erneuten Angriff auf die Grundfeste ihrer Freiberuflichkeit und Berufsethik. Dies reduzierte die Geltungschancen eines solchen Gesetzes erheblich. Schließlich fördert oder hemmt die Beachtung der eigenen Interessen durch den Gesetzgeber und Widerspieglung dieser im Gesetz erheblich die Akzeptanz und Motivation der Normadressaten, dem Gesetz Folge zu leisten.651 Dies gilt im besonderen Maße dann, wenn das Gesetz gestaltend in eine ausgeprägte Berufskultur mit einem eigenen Ethos hineinwirken soll.652 Dort werden externe Normen entsprechend der dort herrschenden Traditionen und Standesregeln bewertet und anschließend akzeptiert, modifiziert oder abgelehnt.653 Arztrechtliche Gesetzesinitiativen wurden dementsprechend von der
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Vgl.: Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im modernen Gesundheitssystem, S. 20. 647 Encke, in: Wienke/Dierks, Zwischen Hippokrates und Staatsmedizin, S. 17 (18); ausführlich zur Therapiefreiheit: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 304 ff. 648 Siehe zur „Fremdnützigkeit“ der Therapiefreiheit: Katzenmeier, Arzthaftung, S 308 m.w.N. 649 Vgl.: Preis, MedR 2010, 139 (140): „Externe Eingriffe in die Therapiefreiheit, wie etwa schematische Standardisierungen, können sich nur destruktiv auf die Vertrauensbeziehung von Patient und Arzt auswirken. Der Arzt fühlt sich in seiner Freiheit beraubt, der Patient zweifelt an der Unabhängigkeit seines Arztes.“ 650 Vgl.: Preis, MedR 2010, 139 (139, 140); siehe auch: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 313 ff. 651 Gusy, in: Hof/Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht, S. 289 (290 f.). 652 Sass, in: Hof/Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht, S. 523 (524 f.): „Generell lässt sich festhalten, dass die Wirksamkeit von Gesetzen, die für Berufsgruppen mit intaktem Berufsethos und wirksamer Berufspolitik relevant werden, sich daran entscheidet, inwieweit sie Berufskultur und -interesse fördern oder mit ihnen kollidieren.“ 653 Sass, in: Hof/Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht, S. 523 (523, 530).
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Ärzteschaft seit jeher unter berufsständischen Gesichtspunkten diskutiert.654 Eine Internalisierung der jeweiligen Normen fände bei einer als illegitim empfundenen Einschränkung der Therapiefreiheit nicht statt.655 Eine Normbefolgung wäre nur durch Zwang erreichbar, der wiederum die Defensivmedizin förderte oder in der Ärzteschaft Reaktanz auslöste. Nach dem hier erarbeiteten Gesetzesvorschlag muss der Behandler bei der Diagnostik, der Auswahl und Durchführung der Therapie und der Nachbehandlung die erforderliche Sorgfalt beachten. Dies entspricht bereits geltendem Recht. Die Standardbildung liegt weiterhin in medizinischer Hand. Die Therapiefreiheit wird lediglich durch das Selbstbestimmungsrecht des Patienten beschränkt. Im Übrigen bleibt sie unangetastet. Dies entspricht nicht nur dem geltenden Richterrecht, sondern auch dem ärztlichen Standesrecht. Der Gesetzesvorschlag hat folglich im Hinblick auf die ärztliche Therapiefreiheit keine negativen Auswirkungen. b) Förderung der Defensivmedizin Das Praktizieren von Defensivmedizin ist eine Folge aus einer seitens des Behandlers als erheblich empfundenen straf- oder haftungsrechtlichen Bedrohung. Die Behandlungsseite ist in diesem Fall darauf bedacht, sich und ihr Verhalten möglichst keinem rechtlichen Vorwurf auszusetzen. Zunächst mag eine derartige Einstellung der Behandlungsseite positive Auswirkungen haben. Führt sie doch dazu, dass einzelne Handlungen bewusster durchgeführt werden. Jedoch wird beim Praktizieren von Defensivmedizin der Schutz vor Strafverfolgung und Haftung innerhalb der Behandlung maßgebend. Das Wohl des Patienten tritt in den Hintergrund. Seine Behandlung wird im Extremfall nur noch als Risiko wahrgenommen, welches es zu minimieren gilt.656 Riskante Behandlungen werden vermieden. Patienten, die klagebereit erscheinen oder ein komplexes medizinisches Problem haben, werden möglichst gar nicht erst zur Behandlung aufgenommen.657 Ferner wird eine kostenintensive Überdiagnostik betrieben. In den USA ist eine solche Defensivmedizin bereits Alltag.658 Infolge von hohen Versicherungsprämien haben Ärzte ihre Praxis in Bundesstaaten mit günstigen Versicherungsbedingungen verlagert oder führen risikoreiche Behandlungen nicht mehr durch, so dass teilweise erhebliche Versorgungsengpässe existieren.659 Die jährlichen Kosten der amerikanischen Defensivmedizin wurden im Jahr 2003 auf 70 bis 126 Milliarden Dollar geschätzt.660 Neben der Bedeutung einer ähnlichen Entwicklung für die hiesige Solidargemeinschaft sind die Folgen auch für den einzelnen Patienten gravierend. Schließlich verursacht Überdiagnostik nicht nur Kosten, sondern kann eben-
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Jung, in: dies./Schreiber, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 189 (197). Vgl. die rechtssoziologischen Ausführungen zu den Legitimitätsvorstellungen der Normadressaten von: Röhl, Rechtssoziologie, S. 252 f. 656 Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 87. 657 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 38 m.w.N. 658 Vgl. dazu: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 44 ff. m.w.N. 659 Bey, DÄBl 2003, A2530 (A2531 f.). 660 Diese Zahlen finden sich bei: Gelinsky, FAZ Nr. 229, v. 2.10.2009, S. 10. 655
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falls Komplikationen hervorrufen.661 Darüber hinaus wird die Behandlung im schlimmsten Fall nicht mehr individuell auf den Patienten abgestimmt, sondern erfolgt strikt nach dem jeweiligen Standard. Insbesondere die fehlende Bereitschaft, riskante Behandlungsmethoden zu wagen, bedingt nicht nur ein „Einschlafen“ des medizinischen Fortschritts, sondern schadet gerade denjenigen Patienten, deren Heilung als aussichtlos gilt. Zwar ist eine Defensivmedizin in Deutschland derzeit nicht in amerikanischen Ausmaßen denkbar.662 Dennoch wird sie in geringem Maße bereits praktiziert.663 Diese hiesige Entwicklung geht vor allem auf die zunehmende Verrechtlichung des Arztberufes,664 eine Zunahme der Haftungsprozesse und Schlichtungsverfahren665 und damit verbunden auf ein erhebliches Ansteigen der Berufshaftpflichtprämien zurück.666 Von dieser Entwicklung ist nicht allein die Ärzteschaft betroffen. So stiegen etwa am 1.7.2010 die durchschnittlichen Haftpflichtprämien für Hebammen von bisher 2.370 auf 3.689 Euro.667 Die wachsende Zahl der Haftungsprozesse und Schlichtungsverfahren ist auf ein Ursachenbündel zurückzuführen. So wird der Eintritt von Behandlungsfehlern durch ein mit dem medizinischen Fortschritt häufig verbundenes höheres Behandlungsrisiko, durch ein größeres Haftungspotential einer zunehmenden (Sub-) Spezialisierung in der Medizin und durch den im Zuge der fortschreitenden Ökonomisierung im Gesundheitswesen entstehenden Zeitdruck sowie durch personelle Unterbesetzung begünstigt.668 Weitere Ursachen sind ein gewachsenes Selbstbewusstsein der Patienten,669 eine starke mediale Berichterstattung über einzelne Behandlungsfehlerprozesse,670 ein einseitig öffentlich propagiertes negatives Arztbild671 sowie das wirtschaftliche Interesse der Krankenkassen an einer zivilrechtlichen Verfolgung von Behandlungsfehlern.
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Der Arzt befindet sich diesbezüglich in einem Teufelskreis. Eine sorgfaltswidrige Übermaßbehandlung stellt immer einen Behandlungsfehler dar; siehe: Neuefeind, Arzthaftungsrecht, S. 43. 662 Vgl. mit ausführlicher Begründung: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 46 ff. m.w.N. 663 Vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 364 f. 664 Siehe dazu: Laufs, in: Faller/Kirchhof/Träger, FS für Geiger, S. 228 (232 ff.); Ulsenheimer, MedR 1992, 127 ff. (insbesondere 133). 665 Im Jahr 2004 sind 7.659 Zivilprozesse gegen Ärzte und Krankenhäuser vor den Amtsund Landgerichten, im Jahr 2007 11.521 Zivilprozesse erledigt worden. Haftpflichtversicherer zählen jährlich circa 30.000 bis 40.000 neue Arzthaftpflichtfälle mit steigender Tendenz. Die Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen berichten übereinstimmend von einer erheblichen Steigerung der Anträge. So wurden im Jahr 2008 10.967 Anträge gestellt; siehe: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rdn. 1 ff. m.w.N.; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 112 Rdn. 2. 666 Siehe auch: Laufs, in: Faller/Kirchhof/Träger, FS für Geiger, S. 228 (233); Schreiber, in: Kamp, Die Georgia Augusta, S. 29 (39). 667 Vgl.: Lauer, FAZ Nr. 261 vom 09.11.2010, S. 4. 668 Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 112 Rdn. 5. 669 Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 112 Rdn. 6. 670 Lilie/Orben, in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 324 f.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rdn. 1a; ders. in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 112 Rdn. 6. 671 Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 112 Rdn. 6.
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
Sofern dieser Gesetzesvorschlag den Eindruck einer haftungsrechtlichen Bedrohung erweckt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Verstärkung der Defensivmedizin hoch. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn er übertriebene Verhaltensgebote oder eine Verschärfung der Haftung beinhaltete. Hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen und der Dokumentationspflicht wird lediglich der status quo normiert, so dass der Vorschlag einer bereits praktizierten Defensivmedizin zwar nicht entgegenwirkt, diese jedoch auch nicht verstärkt. Ferner beinhaltet der Gesetzesvorschlag keine Verschärfung der Haftung. Im Hinblick auf die Behandlungsfehlerhaftung wird den Ärzten vielmehr verdeutlicht, dass sie genau wie jeder andere Schuldner mit ihren menschlichen Schwächen, persönlichen Unzulänglichkeiten und fachlichen Mängeln für fahrlässige Vertragspflichtverletzungen nach den §§ 280 ff. BGB einzustehen haben und mit einem Behandlungsfehlervorwurf keine Stigmatisierung verbunden ist. Darüber hinaus wird durch den Regelungsvorschlag des § 630a betont, dass die Behandlungsseite grundsätzlich keinen Heilerfolg schuldet, sondern lediglich das Bemühen um einen solchen. Dies ist eine Klarstellung, die sich insbesondere an solche Patienten richtet, die u.a. bedingt durch die Medienberichterstattung den Eindruck haben, Gesundheit sei käuflich.672 Zudem regelt § 630h Abs. 2 die Obliegenheit des Patienten an der Behandlung mitzuwirken, wobei eine Verletzung zur Kündigung berechtigen oder zu einer Berücksichtigung im Rahmen des § 254 BGB führen kann. Ferner besteht mit der Normierung der Aufklärungspflicht in § 630e für die Rechtswissenschaft die Chance, sich von der Körperverletzungsdoktrin abzuwenden.673 Die damit verbundene Änderung der Beweislast674 bedarf, obwohl auf diese Weise die Beweisschwierigkeiten entsprechend der allgemeinen Beweislastverteilung auf den anspruchstellenden Patienten verlagert werden, keiner Korrektur durch eine gesetz672
Siehe die treffenden Ausführungen zu einer derartigen Erwartungshaltung von: Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 112 Rdn. 4 m.w.N. 673 Vgl. als Beispiel die Erläuterungen zur Selbstbestimmungsaufklärung von: Harmann, NJOZ 2010, 819 (820): „Im Gegensatz zur therapeutischen Aufklärung entspringt die Selbstbestimmungs- oder Eingriffsaufklärung dem Deliktsrecht. Da jegliche Heilbehandlung, die mit einer Einwirkung auf die körperliche Integrität des Patienten verbunden ist (wozu auch diagnostische Maßnahmen gehören), ohne eine wirksame Einwilligung eine tatbestandliche Körperverletzung darstellt, darf der Arzt den Patienten nicht ohne dessen Einwilligung behandeln. Verletzt der Arzt schuldhaft seine ärztliche Aufklärungspflicht, begeht er durch die Heilbehandlung eine rechtswidrige Körperverletzung i.S. des § 823 BGB.“; gegen eine Aufgabe der Körperverletzungsdoktrin wohl: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 342. 674 Siehe dazu: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 502; anders: BGH, Urt. v. 5.7.1973 – VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118 (122); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 249: „Soweit das Unterbleiben der Aufklärung als Vertragsverletzung anzusehen ist, würde auf den ersten Blick der Patient für diese Anspruchsvoraussetzung die Beweislast zu tragen haben. Das ergäbe zumindest der Umkehrschluss aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Indes wird man auch vertragsrechtlich die herkömmliche Verteilung der Beweislast unter dem Aspekt der Zuordnung der entsprechenden Gefahrenbereiche beibehalten können. In beweisrechtlicher Hinsicht verbleibt es dann zugleich bei der gebotenen Wertungskonformität zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung. Diese Verteilung der Beweislast trägt in der Sache übrigens auch dann ohne Brüche, wenn man die Verletzung der Persönlichkeit ganz in den Vordergrund stellt.“, Rdn. 329.
II. Begründung
207
lich angeordnete Beweislastumkehr.675 Schließlich kann den zugegebenermaßen erheblichen Beweisnöten des Anspruchstellers durch den Einsatz bereits vorhandener beweisrechtlicher Instrumentarien entgegengewirkt werden.676 So wird etwa bei einer mangelhaften oder unterlassenen Dokumentation der Aufklärung vermutet, dass diese unterblieben ist.677 Auf diese Weise schmälert dieser Gesetzgebungsvorschlag nicht nur die Bedeutung der Aufklärungsrüge als Auffangtatbestand und beugt ihrem „Missbrauch“ zum Ausgleich eines nicht nachweisbaren Behandlungsfehlers vor.678 Der Gesetzgebungsvorschlag nimmt auch die gefühlte Stigmatisierung der Mediziner als „Messerstecher“ ernst und löst diese methodisch und dogmatisch korrekt auf. Darüber hinaus werden die überzogenen richterrechtlichen Anforderungen an die Aufklärung des Patienten in diesem Regelungsvorschlag auf ein vernünftiges Maß reduziert, so dass auch insoweit ein Signal für die Behandlungsseite gesetzt wird. Dementsprechend besteht die Möglichkeit, dass die hier vorgeschlagene Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB zu einer Entschärfung des Konflikts zwischen einer ungerechtfertigten Haftungsangst der Behandler679 und einer realitätsfernen Erwartungshaltung der Patienten beiträgt. Tatsächlich ist in den Niederlanden nach der Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB seit 1995 keine Verschärfung der Defensivmedizin eingetreten.680 Die Gefahr, die Entwicklung der Defensivmedizin weiter zu fördern, geht mithin von diesem Gesetzesvorschlag nicht aus. c) Beschädigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Behandler und Patient Für das Behandlungsverhältnis ist das gegenseitige Vertrauen von Patient und Arzt als ethischer Kern ihrer Beziehung stets von grundlegender Bedeutung gewesen.681 Jedoch riskiert man durch eine Verrechtlichung dieser Beziehung unabhän675
A.A.: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 172 f.; auf die Beweisschwierigkeiten des Patienten weisen hin: Schramm, Der Schutzbereich der Norm im Arzthaftungsrecht, S. 283; Deutsch, NJW 1984, 1802 (1803). 676 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 502 f., mit dem Hinweis, dass auch in den USA und England dem Patienten die Beweislast hinsichtlich eines erhobenen Aufklärungsfehlervorwurfs obliegt. 677 Siehe: Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 192: „Eine Abkehr von der Körperverletzungsdoktrin hätte dann nämlich zur Folge, dass die Dokumentationspflicht sich auch auf die Durchführung der Aufklärung erstreckt und dem Patienten dadurch den Nachweis der Pflichtwirdrigkeit erleichtert.“ 678 Vgl. zum Missbrauch der Aufklärungsrüge: BGH, Urt. v. 27.9.1977 – VI ZR 162/76, NJW 1978, 587 (588); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdn. 245; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdn. 308. 679 Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Zahl der Arzthaftungsprozesse und Schlichtungsverfahren im Verhältnis zu den täglich geschlossenen Behandlungsverträgen gering ist; siehe dazu: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 40 ff. 680 Vgl.: Scholten/Hoogerwerf, BASIS 2005 (1), 12 ff. 681 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 19 f.; siehe auch: Stevenson, in: Wendt/Wolf, Soziologie der Gesundheit, S. 224 (231): „Trust may have a direct therapeutic effect and is typically associated with high quality communication and interaction, which facilitates disclosure by the patient, enables the practitioner to
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
gig davon, dass das Behandlungsverhältnis anerkanntermaßen kein rechtsfreier Raum ist,682 das für das Arzt-Patient-Verhältnis notwendige Vertrauen.683 Schließlich endet die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient regelmäßig durch die Berufung auf Rechtsstandpunkte. „Recht dient der Abwicklung enttäuschter Erwartungen, nur dabei freundet Recht nicht, es scheidet.“684 Jedoch kann und muss zwischen dem Bestehen der Vertrauensbeziehung und dem Konfliktfall differenziert werden. Unbestritten ist das Vertrauen beider Parteien in einem Konfliktfall regelmäßig nicht (mehr) vorhanden. Der Vertrauensverlust ist jedoch nicht in der bloßen Existenz von Rechtsregeln begründet. Auf diese berufen sich die Parteien schließlich erst, wenn der Konflikt schon besteht. Innerhalb der Behandlung selbst können klare rechtliche Verhaltensregeln das Vertrauen der Vertragsparteien, insbesondere des Patienten, auch stärken, indem diese ihren Adressaten und Benefiziaren das Bewusstsein vermitteln, dass sie sich in Streitfällen an klaren Handlungsanweisungen orientieren können und zum Teil durch diese Regelungen geschützt werden.685 Die Möglichkeit einer gegenteiligen Wirkung von Recht kann jedoch nicht gänzlich verneint werden. Normierte Verhaltensregeln vermögen die Parteien dahingehend zu beeinflussen, dass sie sich allein an dem festgeschriebenen Verhalten orientieren und sich die gegenseitige Wahrnehmung infolgedessen ändert.686 Im Extremfall sähe der Behandler im Patienten bereits während der Behandlung den möglichen Gegner in einer Rechtsstreitigkeit, vor der er sich bereits im Voraus juristisch mit der Folge der Defensivmedizin bestmöglich absichern muss. Bei einer weitgehenden Verrechtlichung des Behandlungsverhältnisses drohte diesem eine grundlegende Wesensveränderung.687 Eine Ersetzung der berufsständischen Freiräume und berufsethischen Abwägungen durch eine strikte Normbeachtung seitens der Behandler gefährdete das Vertrauen als Kernelement der Beziehung zwischen Behandler und Patienten.688 Dies gilt vor encourage necessary behaviour changes and may permit the patient greater autonomy in decision making about treatment.“ 682 Jung, in: dies./Schreiber, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 189; Katzenmeier, JR 2002, 444 (447); Ulsenheimer, Ausgreifende Arzthaftpflichtjudikatur, S. 3-5. 683 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 78. 684 Katzenmeier, JR 2002, 444 (447). 685 Vgl. dazu ein Zitat von Klaus Ulsenheimer, das sich unproblematisch auch auf eine gesetzliche Regelung übertragen lässt: Ulsenheimer, Ausgreifende Arzthaftpflichtjudikatur, S. 3-5: „Der Arzt nimmt seine Aufgabe selbstverständlich nicht im rechtsfreien Raum wahr, sondern sein Handeln muss – wie bei jedem anderen Staatsbürger auch – mit allen menschlichen Schwächen, persönlichen Unzulänglichkeiten oder fachlichen Mängeln gerichtlich nachprüfbar sein. (…) Ebenso wie die echte Arzt-Patienten-Beziehung ohne >eine emotionale Komponente<, ohne Vertrauen und Zuwendung nicht möglich ist, ebenso sicher ist das >Recht zwar nicht die einzige<, aber doch eine der wesentlichen Bedingungen des Vertrauens. Die rechtliche Gebundenheit von Arzt und Patient ist eine Notwendigkeit, die dem >Vertrauensverhältnis< zwischen ihnen nicht entgegensteht, sondern es fundiert.“; siehe auch zu dem Verhältnis von Vertrauen und Recht: Schmidtchen, in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 75 ff., der Auffassung ist, dass Recht Vertrauen schafft. 686 Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 79. 687 Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 89 f. 688 Ähnlich: Sass, in: Hof/Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht, S. 523 (530).
II. Begründung
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allem vor dem Hintergrund, dass Recht immer nur ein Minimum garantieren kann. wie etwa ein großmöglichstes Maß an Informationsübermittlung im Rahmen der Aufklärung, nicht aber das Optimum, wie beispielsweise die Aufklärung des Patienten mit viel Zeit und Einfühlungsvermögen.689 Eine derartig extreme Entwicklung, die der faktischen Aushöhlung des Berufsethos gleichkäme, ist durch diesen Gesetzesvorschlag nicht zu erwarten.690 Darüber hinaus ist die Befürchtung, dass Ärzte, die sich ihrem Berufsethos und Gewissen verpflichtet fühlen, zukünftig allein aufgrund einer gesetzlichen Regulierung ihrer Rechte und Pflichten den Patienten nur noch das Minimale und nicht mehr, wie zuvor, das Optimale leisteten, in dieser Absolutheit wohl kaum aufrechtzuerhalten.691 Unbestritten sind ein praktiziertes Berufsethos und das ärztliche Gewissen die besseren Garanten für Sorgfalt und Menschlichkeit als Recht.692 Eine Förderung des Ethos, eine größere Gewichtung der ethischen Anforderungen des Arztberufes in der Ausbildung und Fortbildung können wirksamer sein als rechtliche Verhaltensregeln,693 müssen dies aber nicht. Tatsächlich existieren auch in der Ärzteschaft, ebenso wie in anderen Berufsfeldern, Nachlässigkeiten und „schwarze Schafe“.694 So wurden früher Aufklärungsgespräche beispielsweise gar nicht oder wenn erst kurz vor dem Eingriff geführt. Dies änderte sich erst durch die strenge Aufklärungsrechtsprechung.695 Auch heute noch wird die Bedeutung des Aufklärungsgesprächs zum Teil verkannt. Die Aufklärung wird teils von Behandlern als lästige und lediglich rechtlich vorgeschriebene Pflicht angesehen, die es zur gerichtsfernen Absicherung zu erfüllen gilt.696 Existierten die Mindestanforderungen des Rechts nicht, klärten solche Mediziner ihre Patienten nicht auf. Insofern ist das Anliegen, dem medizini-
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Siehe auch: Katzenmeier, JR 2002, 444 (447 f., 449). Siehe dazu die Ausführungen in diesem Kapitel unter II.3.a) und b). 691 Ähnlich: Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 75; siehe zum Verhältnis von Berufsethos und Rechts: Taupitz, NJW 1986, 2851. 692 So vor allem: Katzenmeier, JR 2002, 444 (447 f.). 693 So: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 370 f. 694 Ähnlich: Steindorff, Freie Berufe, S: 10: „Man wird (jedenfalls heute) guten Gewissens nicht behaupten können, dass Angehörige freier Berufe mehr als andere Personen, etwa Arbeitnehmer, durch ethische Motivationen in ihrem Handeln bestimmt werden. Es wäre misslich, wenn ein Berufsstand für sich ‚quasi aristokratisch‘ in Anspruch nähme, auf höherer moralischer eben zu arbeiten als normale Menschen. Dies gilt umso mehr, als die Ausbildung zum und die Erziehung im freien Beruf im allgemeinen keinerlei Einsicht in Berufspflichten oder gar -ethos vermitteln und als die Auswahl und Qualifikation für den Beruf von solcher Einsicht nicht abhängen. wenn es wegen der Bedeutung der von freien Berufen zu erbringenden Leistungen einer besonderen Kontrolle bedarf, dann darf diese infolgedessen nicht einem außerrechtlichen Ethos überantwortet werden.“ 695 Vgl.: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 363. 696 So: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 370 f., wobei dieser zugleich betont: „ Dieses Ziel [mehr Respekt vor dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten] ist (…) nicht durch noch strengere rechtliche Maßgaben zu erreichen. Solche könnten das Anliegen konterkarieren. (…) Überdies droht mit einer immer stärkeren Hervorhebung des Rechtsstandpunktes das Bewusstsein in den Hintergrund zu treten, dass es sich bei der Aufklärungspflicht des Arztes keineswegs nur um eine juristische Pflicht handelt, sondern auch und vor allem um ein medizinisch-ethisch begründetes Gebot.“ 690
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Fünftes Kap.: Gesetzgebungsvorschlag
schen Handeln wie in den Niederlanden697 einen rechtlichen Mindeststandard zugrunde zu legen und nicht auf ein Idealverhalten in jedem Einzelfall zu hoffen, begründet.698 Darüber hinaus gibt es gerade nicht nur ein „entweder oder“ zwischen Recht und Ethos.699 Praktisch kann und soll dieser Regelungsvorschlag das Berufsethos und das ärztliche Gewissen nicht ersetzen. Diese sind in der modernen, naturwissenschaftlich-technisierten Medizin unverzichtbar. „Rechtsnormen ohne ethische Fundierung und Internalisierung [können] allenfalls taktische Anpassungen des Adressaten an den Normbefehl (…) erzwingen (…), nicht aber zu einer positiven Respektierung der schutzbedürftigen Belange des Patienten führen.“700 Die Normen können, sollen und werden tatsächlich erst dort als „Subsiduum“ zur Hilfe kommen, wo das berufliche Ethos nicht ausgereicht hat oder eine Vertragspartei schlicht nachlässig gehandelt hat.701 Das Berufsethos und das Vertrauen werden von diesem Gesetzgebungsvorschlag nicht gefährdet.702 Dennoch muss attestiert werden, dass eine Regelung des Behandlungsvertrags im BGB neben den besonderen Schuldverhältnissen des Kauf-, Miet-, Werk- und Dienstvertrages den Geschäftscharakter der Arzt-Patienten-Beziehung betont. d) Resistenz gegenüber künftigen Entwicklungen Mit einer gesetzlichen Regelung des status quo werden die Patientenrechte und -pflichten festgeschrieben. Gerade der Bereich der Medizin ist jedoch ein sehr schnelllebiger Bereich, so dass zum Teil befürchtet wird, dass ein Patientenrechtegesetz zu schnell veraltet und reformbedürftig ist.703 Unbestritten kann Richterrecht flexibler auf Änderungen reagieren als Gesetze, die aufgrund des Durchlaufens des Gesetzgebungsverfahrens sehr viel schwerfälliger sind. Indes regelt dieser Gesetzesvorschlag lediglich Grundsätze, da ein detailliertes, auf Einzelfälle bezogenes Gesetz weder lesbar noch praxistauglich wäre. Grundlegende Veränderungen im Medizinalbereich, durch die etwa die Pflichten, die Einwilligung des Patienten einzuholen oder die Behandlung sachgemäß durchzuführen, obsolet würden, sind nicht zu erwarten. Die Befürchtung, dass ein Patientenrechtegesetz künftige Entwicklungen behindert, ist zumindest für diesen Gesetzgebungsvorschlag unbegründet.
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Vgl.: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 31; Leenen/Gevers/Legemaate, Handboek gezondheidsrecht, S. 183; Gevers Ned Tijdschrift Genesskd 2001, 509 (509). 698 Anders wohl: Katzenmeier, JR 2002, 444 (449). 699 Vgl. die Äußerung vom Hauptgeschäftsführer der BÄK Christoph Fuchs auf der Tagung „MEDIZIN, RECHT, ETHIK ZWISCHEN KONFLIKT UND KOOPERATION“ am 17. und 18.3.2010: „Medizin ist nicht ohne Recht und Ethik denkbar.“ (abrufbar unter: http:// www.ev-akademie-tutzing.de/doku/programm/download.php?lfdnr=1523; zuletzt besucht am 12.6.2011); vgl. ferner: Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 2; Lanphen, in: WHO, Promotion of the Rights of Patients in Europe, S. 107 (110). 700 Katzenmeier, JR 2002, 444 (447 f.). 701 Ein Behandlungsfehler lässt schließlich nicht unmittelbar auf ein unethisches Verhalten des Behandlers rückschließen. 702 Anderes wohl: Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 112 Rdn. 3. 703 Luxenburger, MedR 2001, 594 (596); Steffen, MedR 2002, 190 (191).
Sechstes Kapitel: Notwendigkeit der Kodifikation der Patientenrechte? Es sollte im Hinblick auf die zunehmende Verrechtlichung der Lebenssachverhalte1 an jedes verabschiedete Gesetz der Anspruch bestehen, dass es sich um ein effektives Gesetz handelt.2 Der Erlass eines ineffektiven Regelungswerkes ist in Anspielung auf den bereits zitierten Charles-Louis de Secondat Montesquieu nicht „nötig“ und führt lediglich zum Anwachsen des Rechtsstoffes. Bei der Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB handelte es sich überwiegend um deklaratorische Gesetzgebung,3 da der Gesetzgeber lediglich subsistente, richterrechtlich ausgebildete Normen nachträglich in Worte fasste. Dies ist darin begründet, dass die individuellen Patientenrechte in Deutschland auch im Vergleich zu den Patientenrechten anderer europäischer Staaten auf einem hohen Niveau bereits ausgeprägt sind.4 Eine grundsätzliche Neukonstituierung der individuellen Patientenrechte wird auch von den Befürwortern eines Patientenrechtgesetzes nicht gefordert.5 Indes soll der obige Regelungsvorschlag das bestehende Richterrecht nicht unkritisch übernehmen, so dass sich kleinere Korrekturen der Rechtsprechung in diesem Entwurf wiederfinden. Dies sind beispielsweise die Beschränkung der Risikoaufklärung auf eingriffsspezifische, nicht gänzlich unwahrscheinliche Risiken, die Einschränkung des therapeutischen Privilegs sowie die Alleinentscheidungsbefugnis des einwilligungsfähigen Minderjährigen. Dennoch wäre ein an diesen Regelungsvorschlag angelehntes Änderungsgesetz in einer Gesamtbetrachtung als deklarativ zu klassifizieren. Bereits aufgrund dessen werden Kritiker eines solchen dem Gesetzgeber bei Erlass mit großer Wahrscheinlichkeit Symbolik und mangelnde Effektivität vorwerfen.6 Deklarative Gesetze sind jedoch nicht per se ineffektiv. Lediglich reiner Aktionismus in Form einer „AlibigesetzDas geltende Bundesrecht umfasst mit gelegentlichen Schwankungen circa 2.000 Stammgesetzen und 3.000 Stammverordnungen. Alle Stammgesetze zusammen bestehen aus etwa 47.000 einzelnen Vorschriften, alle Verordnungen zusammen aus etwa 40.000 einzelnen Vorschriften; siehe: BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 4. 2 Vgl.: Hugger, Gesetze, S. 45 ff.; ähnlich: Jung, in: dies./Schreiber, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 189 (196), allerdings mit dem Hinweis, dass das Erfordernis der Notwendigkeit eines Gesetzes eher „Leerformelcharakter“ hat. 3 Vgl. zu den Begrifflichkeiten der deklarativen und proklamativen Normsätze: Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 28 f. 4 Vgl.: Schneider, MedR 2000, 497 (499). 5 Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1090); vgl.: Hanika, MedR 1999, 149: „Tatsächlich zielt die Einforderung der Kodifikation von Patientenrechten regelmäßig nur auf die Sicherung vorhandener, aber verborgener Grundansprüche auf bessere Rechtskenntnisse, auf Rechtsbewusstseinsschaffung sowie auf die Beseitigung unklarer Positionen, welche Anlass von Streitigkeiten sind.“ 6 Gesetze oder einzelne Regelung werden zum Teil als symbolisch qualifiziert, wenn sie mangels Orientierung an realistischen Zielen kaum effektiv sind und ihren alleinigen Sinn und Zweck daraus beziehen, dass der Gesetzgeber in aktionistischer Manier meint, „etwas tun“ zu müssen; vgl.: Rottleuthner, Einführung in die Rechtssoziologie, S. 40. 1
K. Kubella, Patientenrechtegesetz, DOI 10.1007/978-3-642-22741-7_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Sechstes Kap.: Notwendigkeit der Kodifikation der Patientenrechte?
gebung“7 ist abzulehnen. Effektiv wäre die Kodifikation des Behandlungsvertrags dann, wenn durch sie die Rechtssicherheit gestärkt8 oder das Umsetzungsdefizit der Patientenrechte und -pflichten tatsächlich gemindert bzw. beseitigt9 würde. Rechtssicherheit ist nur gewährleistet, wenn die Bürger als Normadressaten in die Beständigkeit des Rechts vertrauen können.10 Änderungsanfällige Rechtsvorschriften erschweren den Normadressaten die Orientierung, die Einschätzung rechtlicher Verhaltensanforderungen sowie die Berechenbarkeit der Durchsetzungschancen eines Rechtsanspruchs. Sie gefährden mithin die Verlässlichkeit und die Vertrauenswürdigkeit des Rechts.11 Insbesondere der Bereich der Medizin entwickelt sich in wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht rasant. Zudem werden das Behandlungsverhältnis und die in ihm angelegten Konflikte überwiegend von höchst individuellen Umständen bestimmt: der Erkrankung, den Befindlichkeiten des einzelnen Patienten und des Behandlers, der Behandlungsmethode, dem Behandlungsort sowie der Behandlungszeit.12 Bei der Ausgestaltung des konkreten Pflichtenprogramms kommt es regelmäßig auf den Einzelfall an. Der Behandler muss sich seine genaue Verhaltenspflicht häufig unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falls aus der Dynamik des Geschehens herausarbeiten. Im kasuistischen Arzthaftungsrecht hilft gerade der Einzelfallbezug Richtern, den Fall unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien und der Eigengesetzlichkeit der Behandlung gerecht zu entscheiden.13 Auf der Grundlage dessen wird von den Kritikern eines Gesetzes befürchtet, eine Normierung der Patientenrechte und -pflichten schreibe den status quo fest und könne „als abschließende Regelung gedacht, der künftigen Entwicklung im Wege stehen, beispielsweise die Anerkennung nicht normierter Patientenrechte oder weiterer Beweislastsonderregeln erschweren.“14 Zutreffend ist, dass sich die Kodifikation des Behandlungsvertrags 7
Siehe zu dieser Begrifflichkeit: Newig, Symbolische Umweltgesetzgebung, S. 51 f. Davon ausgehend: Vzbv, Elemente eines Patientenrechte- und Informationsgesetz, S. 4; so auch im Hinblick auf ein Patientenrechtegesetz: Hart, in: AOK, Patientenrechte, S. 27 (32 f.); siehe ferner die Äußerungen von Bundesjustizministerin a.D. Brigitte Zypries, FAZ vom 24.8.2009, Nr. 195, S. 4: „Ein Gesetz, in dem jeder seine Rechte und Pflichten nachlesen kann, bringt Klarheit und Sicherheit.“ Vgl.: Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 305 (306), die darauf hinweist, dass die Optimierung der Rechtssicherheit stets ein wesentliches Ziel bei der Normierung von Richterrecht ist. 9 So: BT-Drcks, 17/907, S. 1 f.; vgl.: Steffen, MedR 2002, 190. 10 BVerfG, Urt. v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261ௗ(271); Beschl. v. 2.12.1969 – 2 BvR 560/65, BVerfGE 27, 231ௗ(238); Beschl. v. 23.3.1971 – 2 BvL 2/66, 2BvR 168,196,197,210,472/66, BVerfGE 30, 367ௗ(386); Beschl. v. 25.5.1993 – 1 BvR 1509, 1648/91; BVerfGE 88, 384 (403); Beschl. v. 20.2.2002 – 1 BvL 19, 20, 21/97, 11/98, BVerfGE 105, 48ௗ(57); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 69; vgl. auch: Rehbinder, Rechtssoziologie, Rdn. 101. 11 Fricke/Hugger, Test von Gesetzentwürfen, S. 106 f.; Hugger, Gesetze, S. 102. 12 Steffen, MedR 2002, 190 (191). 13 Steffen, MedR 2002, 190 (191). 14 Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1071 f.); ähnlich: Steffen, MedR 2002, 190 (191); dagegen: Pichler, Internationale Entwicklung der Patientenrechte, S. 165, der diese Befürchtung unter Verweis der Erfahrungen anderer Länder für unbegründet hält. 8
Sechstes Kap.: Notwendigkeit der Kodifikation der Patientenrechte?
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auf abstrakte Grundsätze beschränken und auf auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe zurückgreifen muss, um nicht zu unbeweglich für künftige Entwicklungen in dem schnelllebigen Medizinbereich zu sein.15 Andernfalls drohte ein Auseinanderfallen von Gesetzesrecht und Lebenswirklichkeit. Die Befürchtung, dass ein Patientenrechtegesetz künftige Entwicklungen behindert, ist zumindest für den hier unterbreiteten Gesetzgebungsvorschlag jedoch unbegründet. Grundlegende Veränderungen im medizinischen Bereich, die die Substanz des hier unterbreitetem Regelungsvorschlags beeinträchtigen könnten, sind nicht zu erwarten. Dieser ist bewusst so gehalten, dass er für künftige Entwicklungen offen ist. Der Gesetzgeber soll gerade nicht ein Patientenrechtegesetz in Form eines abgeschlossenen Katalogs von exakt definierten Rechten und Pflichten erlassen. Der Behandler muss nach wie vor die Möglichkeit haben, seinen Pflichten unter Berücksichtigung der Besonderheiten und der Dynamik der konkreten Situation nachzukommen; ebenso wie es dem Gericht möglich sein muss, den Einzelfall gerecht zu entscheiden. Bei einer Normierung des Behandlungsvertrags muss die Rechtsprechung nach wie vor gefordert sein, Rechtsbegriffe auszulegen und mögliche Regelungslücken auszufüllen. Der Gesetzgeber soll und kann nicht den Anspruch haben, jeden Einzelfall regelungstechnisch zu erfassen und die Auslegung der Normen durch den Rechtsanwender zu unterbinden. Dies verlangt auch nicht der für die Gewährleistung der Rechtssicherheit wesentliche Grundsatz der Rechtsbestimmtheit.16 Zwar müssen die Normen danach so bestimmt formuliert sein, dass der Normadressat die Folgen der Regelung vorhersehen und sein Verhalten danach ausrichten kann.17 Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot beinhaltet jedoch „kein von vorneherein für alle Konstellationen feststehendes Maß an inhaltlicher Bestimmtheit von Normen“18. Vielmehr müssen Gesetzesnormen, die ihrer Natur nach abstraktgenerell sind, gerade ein gewisses Maß an Unbestimmtheit aufweisen, damit, wie bereits angeklungen, bei ihrer Anwendung im Einzelfall dem Sinn und Zweck der Norm entsprechende, angemessene Entscheidungen getroffen werden können.19 Insbesondere bei komplexen unübersichtlichen sowie änderungsanfälligen Regelungsgegenständen darf der Gesetzgeber im höheren Maß von der gebotenen Be-
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So auch: Steffen, MedR 2002, 190 (191), der letztlich ein Patientenrechtegesetz ablehnt; ebenso wie: Hanika, MedR 1999, 149 (160); vgl.: Kirchhof, in: Reinhart, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 11 (18): „Der deutsche Gesetzgeber verzichtet meist auf eine beispielhafte Skizzierung seiner Tatbestände und Rechtsfolgen und wählt die abstrakte, gleichbleibende Tatbestandsdefinition. Dadurch gewinnt das Gesetz eine Situations- und Entwicklungsoffenheit.“ 16 Siehe zum Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Normen: BVerfG, Beschl. v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77, BVerfGE 49, 168 (181 f.); Beschl. v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80, BVerfGE 59, 104ௗ(114); Beschl. v. 9.5.1989 – 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103ௗ (108). 17 BVerfG, Beschl. v. 7.7.1971 – 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255ௗ(264); Beschl. v. 23.4.1974 – 1 BvR 6/74 und 2270/73, BVerfGE 37, 132ௗ(142); Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01, BVerfGE 108, 52 (75); Beschl. v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92,110, 33 (53); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 58. 18 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 59. 19 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 59.
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stimmtheit abweichen,20 ohne dass die Rechtssicherheit als gefährdet angesehen wird. Ferner ist die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen anerkanntermaßen dann zulässig, wenn diese auslegungsfähig sind.21 Eine langjährige Konkretisierung durch die Rechtsprechung darf dabei berücksichtigt werden.22 Der obige Gesetzesvorschlag ist hinreichend bestimmt. Die verwendeten unbestimmten Begriffe, wie beispielsweise der der sachgemäßen Behandlung, sind auslegungsfähig. Des Weiteren baut er überwiegend auf Richterrecht auf. Rechtssicherheit setzt jedoch nicht nur Rechtsbestimmtheit voraus, sondern auch Rechtsklarheit. Letztere verlangt nicht nur, dass Rechtsnormen verkündet werden,23 sondern auch, dass sie inhaltlich hinreichend klar und verständlich gefasst sind.24 Der Bürger bzw. der Normadressat soll anhand des Gesetzes seine Rechtslage erfassen und Rechtsfolgen seines Verhaltens übersehen können.25 Unter Berücksichtigung dessen ist zweifellhaft, ob die hier vorgeschlagenen, abstrakt-generellen Regelungen26 für den Patienten und die Behandlungsseite hinreichend transparent und im Behandlungsalltag tatsächlich von Nutzen sind. Die im Gesetzgebungsverfahren notwendige Abstraktion der Rechtsnorm von den regelungsbedürftigen Fällen trennt die gesetzliche Regel von der für den Laien erfahrbaren Wirklichkeit.27 Sofern der juristisch Ungebildete die für ihn relevante Norm im Gesetz überhaupt findet, kann er diese häufig nicht auf seinen Fall übertragen. Weder Patient noch Arzt werden in der konkreten Behandlungssituation auf das Gesetz zurückgreifen können und darin eine klare Verhaltensanweisung finden. Dies zeigt sich auch in den Niederlanden. Dort stellt bei der Umsetzung der WGBO-Normen gerade die Übersetzung der allgemein gehaltenen Rechtssätze in
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Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 60; Gusy, in: Hof/Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht, S. 289. 21 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 62; vgl. für die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe: BVerfG, Beschl. v. 9.5.1989 – 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103 (108); Urt. v. 22.11.2000 – 1 BvR 2307/94, 1120, 1408, 2460, 2471/95, 102, 254ௗ (337); vgl. für die Verwendung von Generalklauseln: BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57, BVerfGE 8, 274ௗ (326). 22 BVerfG, Beschl. v. 12.05.1098 – 2 BvR 1226/83 und 101, 212/84, BVerfGE 76, 1ௗ (74); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 62. 23 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 51. 24 BVerfG, Beschl. v. 14.2.1978 – 2 BvR 406/77, BVerfGE 47, 239ௗ (247). 25 BVerfG, Urt. v. 30.5.1956 – 1 BvF 3/53, BVerfGE 5, 25ௗ (31) Beschl. v. 7.7.1971 – 1 BvR 775/66, 31, 255ௗ(264); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 53. Die Grundsätze der Rechtsbestimmtheit und -klarheit sind begrifflich nicht immer gut voneinander abgrenzbar; siehe: Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 58 unter Verweis auf die Begriffsverwendung in: BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995 – 1 BvR 2263/94 und 229, 534/95. BVerfGE 93, 213 (238ௗf.). 26 Wie beispielweise: „Der Behandler hat seine medizinischen Dienste sachgemäß zu erbringen. Dabei hat er insbesondere die im Zeitpunkt der Behandlung allgemein anerkannten Berufsstandards anzuwenden.“ (§ 630c); „Der Behandler ist verpflichtet, vor der Vornahme des medizinischen Dienstes die Einwilligung des Patienten in diesen einzuholen.“ (§ 630d). 27 Kirchhof, in: Reinhart, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 11 (18).
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die Praxis eine Schwierigkeit dar.28 Indes wäre das Gesetz bei einer beispielhaften und ausführlichen Skizzierung der Tatbestände und Rechtsfolgen nicht nur zu unbeweglich für künftige Entwicklungen und die Besonderheiten des Einzelfalls, sondern Fülle und Umfang der Normen erschwerten auch die Lesbarkeit des Gesetzes.29 Das Normgefüge wäre ebenfalls unübersichtlich.30 Auch auf diese Weise schwächte man die Rechtsklarheit. Eine detaillierte, auf Einzelfälle eingehende Regelung ist weder leistbar noch erstrebenswert. Darüber hinaus ist heutzutage anerkannt, dass eine Kodifikation nie eine lückenlose und abschließende sowie erschöpfende Aufzeichnung des Rechtsstoffes eines Sachgebiets in einem Gesetzbuch sein kann.31 Die Transparenz des Rechts hängt vielmehr von einer bestmöglichen Aufteilung der Regelungsaufgaben zwischen Rechtsetzung und -anwendung ab.32 Beim derzeitigen Arzthaftungsrecht und den in ihm entwickelten individuellen Patientenrechte und -pflichten handelt es sich jedoch um „typisierte Kasuistik der Zivilgerichte“33. Eine solche ist regelmäßig nur für den Experten
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Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 39, die aber zugleich auf S. 30 betonen, dass die allgemeine Ausgestaltung der Rechte und Pflichten grundsätzlich einen Vorteil sei. Das Gesetz bilde auf diese Weise einen stabilen, aber flexiblen Rahmen für die Arzt-PatientenBeziehung, die durch den stetigen und zum Teil recht schnelllebigen Fortschritt der Medizin geprägt sei. Siehe auch: Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (514); ders., Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1088 (1089), der diesbezüglich allerdings kritisiert, dass durch die gewählten weiten Formulierungen für die Behandlungsseite Rechtsunsicherheit drohe. Auch befürchtet er, dass durch offen formulierte Normen das Recht zunehmend strengere und letztendlich überzogene Anforderungen an die Behandlungsseite stelle, so dass das Recht in letzter Konsequent seine Macht verliere. 29 Kirchhof, in: Reinhart, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 11 (27): „Richterrechtliche Normenkonkretisierung führt nicht notwendig zu einem Verlust an Rechtssicherheit (…) Das Postulat, der Gesetzgeber möge über die Grundsatzsteuerung hinausgehen und für jeden Einzelfall eine allein durch Logik, nicht auch durch ergänzende Wertung abrufbare Regelung bereithalten, ist (…) schlechthin irreal. Würde ein Gesetz jeden regelungsbedürftigen Fall sachlich vorwegnehmen und verbindlich vorzeichnen, so wäre es wegen der Fülle seiner Bestimmungen nicht lesbar, geschweige denn vollziehbar, wäre im Übrigen bereits im Zeitpunkt seiner Verkündung schon wieder überholt.“; Schmidt, Die Zukunft der Kodifikationsidee, S. 18 f. 30 Fricke/Hugger, Test von Gesetzentwürfen, S. 162; Röhl, Rechtssoziologie, S. 263. 31 Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 305 (306 f.); Schmidt, Die Zukunft der Kodifikationsidee, S. 17 ff.; deutlich auch: Kirchhof, in: Reinhart, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 11 (28): „Detailgesetzgebung würde nicht eine Legalisierung und Verrechtlichung unseres Lebens erreichen, sondern die Gesetzgebung ad absurdum führen. Die voluminösen Kodicies verdienten nicht Respekt, sondern müssten mit Achselzucken übergangen und würden mit Spott bedacht werden. Der Parlamentarier wäre inhaltlich und zeitlich überfordert, der dem Gesetz dienende Jurist verlöre seine berufliche Orientierung, die Autorität des Rechts wäre untergraben, der Gesetzesadressat müsste sich an eine stete potentielle Rechtsverletzung gewöhnen.“ 32 Vgl. auch: Mollnau, in: Grimm/Maihofer, Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, S. 30 (40). 33 Isele, in: Mergen, Die Verantwortung des Arztes, S. 11 (12); mit dem Hinweis, dass das Haftungsrecht zu den Rechtsgebieten zählt, in denen die Rechtsfortbildung durch den Richter sehr ausgeprägt ist, da dort für den Richter gerade die Möglichkeit zur Verwirklichung
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Sechstes Kap.: Notwendigkeit der Kodifikation der Patientenrechte?
verständlich und transparent. Für den juristisch ungebildeten Patienten und Behandler ist bereits die Frage der Auffindbarkeit schwierig und erst recht das Verständnis der einzelnen Urteile und der daraus gewonnenen Rechtssätze. Insofern mag ein Gesetz transparenter als Richterrecht sein.34 Für den rechtswissenschaftlichen Laien sind allerdings, wie bereits angedeutet, auch Gesetze selten verständlich und klar.35 Insbesondere die sprachliche Darstellung von Gesetzesnormen erschwert dem Laien das Verständnis. Dass die gesetzlichen Regelungen die Normadressaten und -benefiziare grundsätzlich dazu befähigen sollen, „den rechtlichen Rahmen ohne juristische Beratung zu erkennen und ihr Verhalten entsprechend auszurichten“36, darf schließlich nicht zu Lasten der rechtstechnischen Präzision und Differenziertheit gehen.37 Dahingegen muss eine Charta, die zwar lediglich informatorischen Charakter hat und grundsätzlich auch mit einem Gesetz kombiniert werden kann, keine Rücksicht auf rechtstechnische Präzision und Systematik nehmen. Ferner kann sie sich zudem einer verständlichen Sprache bedienen und Abstraktes anschaulicher erklären.38 In einer solchen ist die Rechtslage umfassender, anschaulicher und transparenter darstellbar als in einem Gesetz. Eine Kodifikation wäre mithin nur dann zu favorisieren, wenn das Verhalten der Normadressaten und -benefiziare durch eine solche in einem höheren Maße gesteuert werden kann als durch das derzeit geltende Richterrecht. Ansätze zur effektiven und effizienten Verhaltenssteuerung liefert das im vierten Kapitel angesprochene Axiom des homo oeconomicus. Indes soll auf die Erkenntnisse der ökonomischen Analyse des Rechts im Hinblick auf die Besonderheiten des Behandlungsverhältnisses gerade nicht zurückgegriffen werden.39 Dieser Gesetzesvorschlag soll weder das Gefühl vermitteln, dass Pflichtverletzungen der Behandler besonders „sanktioniert“ werden, noch einen der Vertragspartner stigmatisieren.40 Vielmehr soll es bei der Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (sowie des Deliktsrechts) bleiben. Dabei ist zu beachten, dass der über- oder außergesetzlicher Gerechtigkeit besteht: Katzenmeier, Arzthaftung, S. 78; Müller, MedR 2009, 309. 34 So wohl auch: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 151; vgl. ferner: Kluth, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 20 (45 ff.), der sich aber für eine Charta ausspricht. 35 Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 305 (306 f.); Lieb, AcP 183 (1983), 327 (330). 36 BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 54. 37 Vgl.: Karpen, Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungslehre, S. 48: „Die sprachliche Darstellung der Gesetze erweist sich immer mehr als eine Gratwanderung zwischen rechtsstaatlichem Präzisionsgebot und allgemeiner Verständlichkeit.“; Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 256. 38 Vgl.: BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rdn. 65: „Der Mangel an Allgemeinverständlichkeit des Vorschriftentextes kann zum Teil durch „Begleittexte“ ausgeglichen werden. Das sind neben der Gesetzesbegründung z.B. erklärende Hinweise auf den Internetseiten der Bundesministerien oder Broschüren mit Erläuterungen und Anwendungsbeispielen. Bei diesen Texten sollte die Allgemeinverständlichkeit Vorrang vor der Präzision haben. 39 Siehe dazu die Ausführungen im fünften Kapitel unter II.1.f). 40 Vgl. zur Bedeutung von gesetzlichen „Sanktionen“: Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 260.
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Umfang der von den Behandlern heutzutage praktizierten Dokumentation und der Aufklärung bereits ein Ergebnis des Richterrechts ist.41 Der obige Gesetzgebungsvorschlag, der sogar die Aufklärungsrechtsprechung beschränkt, soll gegenüber dem Richterrecht gerade keine höhere Sanktionserwartung und -furcht auf Seiten der Behandler auslösen, so dass nach dem Modell des homo oeconomicus eine höhere Verhaltensgeltung nicht zu erwarten ist. Indes erhoffen sich die Befürworter eines Patientenrechtegesetzes überwiegend von einem solchen eine Erhöhung der Transparenz und damit verbunden eine Verbesserung der Rechtskenntnis (und somit eine Steigerung der Verhaltensgeltung).42 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine Charta für einen juristischen Laien grundsätzlich verständlicher und transparenter ist als ein Gesetz. Unabhängig davon ist die These, dass ein transparentes Gesetz die Rechtskenntnis und das Rechtsbewusstsein der am Behandlungsverhältnis Beteiligten stärkt,43 angesichts der bereits existierenden, transparenten und von Interessenvertretern der am Behandlungsverhältnis Beteiligten mitgestalteten Charta „Patientenrechte in Deutschland“ kritisch zu hinterfragen.44 Die Erfahrung zeigt, dass diese Charta bei der Bevölkerung und bei den am Behandlungsverhältnis unmittelbar Beteiligten weitgehend unbekannt ist.45 Jedoch ist der Bürger im Allgemeinen über das Bestehen eines Gesetzes oder gar seines Inhaltes nicht hinreichend informiert.46 Letzteres gilt auch für das BGB. Systemtheoretisch ist die mangelnde Gesetzeskenntnis der Normadressaten mit der operationalen Geschlossenheit und der Autopoiese 41 Vgl.: Fuchs, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 23 (59); Laufs, Unglück und Unrecht, S. 14. 42 Vgl.: BT-Drcks, 17/907, S. 1 f.; Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 (1090), die das Regelungsbedürfnis eines Patientenrechtgesetzes vor allem in dem gesteigerten Informationsbedürfnis der beteiligten Parteien sehen; SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 9 Nr. 5, S. 346 Nr. 412; WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f.; Harmann, NJOZ 2010, 819 (825); siehe auch: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 151: „Die Schaffung oder Förderung von Rechtsbewusstsein wäre somit bereits durch die transparente Gestaltung allgemeiner Regelungen zu erreichen.“, S. 231 f.: „Das grundlegende Problem, das sich in Deutschland für die Inanspruchnahme von Patientenrechten stellt, ergibt sich (…) aus einem unbestrittenen hohen Maß an Intransparenz. Der gesamte Bereich der Patientenrechte leidet erwiesenermaßen an der gegenwärtigen Rechtszersplitterung und der sich daraus ergebenden Ungleichheit zwischen zugestandenen Rechten und ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme.“; Steffen, MedR 2002, 190; kritisch zur Informiertheit des Normadressaten als Geltungsfaktor von Recht: Teubner, in: Koller/Varga/Weinberger, Theoretische Grundlagen der Rechtspolitik, S. 140 (141). 43 BT-Drcks, 17/907, S. 1 f.; Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 151; SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 9 Nr. 5, S. 346 Nr. 412; WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f.; Harmann, NJOZ 2010, 819 (825). 44 A.A.: BT-Drcks. 17/907, S. 2; kritisch zur Informiertheit des Normadressaten als Geltungsfaktor von Recht: Teubner, in: Koller/Varga/Weinberger, Theoretische Grundlagen der Rechtspolitik, S. 140 (141). 45 BT-Drcks. 17/907, S. 2; vgl.: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 218 f, 232 f. 46 Rehbinder, Rechtssoziologie, Rdn. 117; vgl.: Hirsch, JZ 1982, 41 (45 ff.); siehe zur KOL-Research (Knowledge and Opinion about law): Röhl, Rechtssoziologie, S. 269 ff. m.w.N., 259 ff.
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des regulierten Systems erklärbar. Tatsächlich liegt der Grund für die Unkenntnis der Norm seitens ihrer Adressaten häufig im Wahrnehmungsbereich. Die Rechtsnorm erreicht ihren Adressaten regelmäßig nicht. Dies hat mehrere Ursachen. Zum einen wächst der Rechtsstoff bedingt durch den Ausbau des Sozialstaates und seiner Gesetzgebung sowie durch die Erosion außerrechtlicher Normen stetig an.47 Der Kenntnisstand der Bevölkerung kann mit dem Wachstum der zum Teil diffizilen Normen regelmäßig nicht mithalten.48 Als Lösung dieses Problems verlangt das Prinzip der Gesetzesökonomie Rechtsbereinigung und eine Generalisierung von Gesetzesnormen, da das Normgefüge durch Kasuistik, wie bereits angesprochen, unübersichtlich werden kann.49 Durch eine zu weitgehende Generalisierung wird hingegen der Norminhalt wiederum unklar. In diesem Fall müssen Richter die zu abstrakte Regelung auslegen und konkretisieren.50 Auch kann die Intransparenz von Gesetzen in Form von sprachlichen Barrieren, wie bereits angedeutet, den gewünschten Steuerungserfolg behindern.51 Dies gilt indes auch für Richterrecht. Eine weitere wesentliche Ursache für die mangelhafte Rechtskenntnis der Bevölkerung ist zudem die ungeeignete Bekanntmachung der Rechtsnormen.52 Eine Wirksamkeit der gesetzlichen Regelung im rechtssoziologischen Sinn, also in Form der Akzeptanz und Befolgung der Regelung durch die Adressaten, hängt maßgeblich davon ab, dass das Gesetz überhaupt in die Wahrnehmungssphäre seiner Adressaten und Benefiziare gelangt.53 Der Bürger liest in der Regel weder das Bundesgesetzblatt, die Pressemitteilungen des Bundestags noch die Fachpresse, so dass für eine nach rechtssoziologischen Maßstäben adäquate Bekanntgabe des Gesetzes zusätzliche Publikationsmöglichkeiten genutzt werden müssen.54 Hier kann vor allem auf die Massenmedien Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet als geeignetes Publikationsmittel zurückgegriffen werden.55 Ebenso werden heutzutage 47
Rehbinder, Rechtssoziologie, Rdn. 89. Rehbinder, Rechtssoziologie, Rdn. 117. 49 Fricke/Hugger, Test von Gesetzentwürfen, S. 162; Röhl, Rechtssoziologie, S. 263. 50 Röhl, Rechtssoziologie, S. 263. 51 Vgl.: Baehr, Verhaltenssteuerung durch Ordnungsrecht, S. 59. 52 Ähnlich: Montada, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 252 (259); Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 255. 53 Fricke/Hugger, Test von Gesetzentwürfen, S. 61 f.; Montada, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 252 (259); vgl.: Badura/Hart/Schellenschmidt, in: dies., Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 13 (35): „(…) kein noch so überzeugendes Konzept wird Wirksamkeit entfalten können, wenn nicht die Bürger informiert sind und aktiv teilnehmen können. Information ist der Schlüsselbegriff für alle Maßnahmen die eine Beteiligung von Bürgern voraussetzen.“ 54 Montada, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 252 (259); Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 255 f.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 264 f. 55 Montada, in: Dreier, Rechtssoziologie am Ende des 20. Jahrhunderts, S. 252 (259); Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 255 f.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 264 f.; siehe zur Rolle der Medien bei der Information der Bevölkerung über gesundheitspolitische Themen: Badura/Hart/Schellschmidt, in: dies., Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 13 (33 ff.); Göpfert, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 349 (355 ff.). 48
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Sonderveröffentlichungen zur Förderung der Gesetzeskenntnis publiziert.56 Eine solche stellt gerade die derzeitige Patientenrechtecharta dar, die allerdings kein besonderes Gesetz unterstützt, sondern lediglich über die bestehende Rechtslage informieren soll. Jedoch wurde die Informationsinanspruchnahme hier weitgehend der zufälligen Aufmerksamkeit der Betroffen überlassen, so dass ihre Unbekanntheit zumindest teilweise auf eine schlechte PR-Strategie zurückzuführen ist.57 Indes käme einer Regelung des Behandlungsvertrags im BGB bei einer PR-Kampagne zur Förderung der Patientenrechte jetzt als „Neuerung“ wohl mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu, als ein Festhalten an der Charta „Patientenrechte in Deutschland“ oder einer Aktualisierung eben dieser. Zumal die Charta bereits die dritte ihrer Art ist, ohne dadurch größeren Bekanntheitsgrad erreicht zu haben. Dem Behandlungsvertrag wird darüber hinaus ein (zumindest gefühlter) höherer Stellenwert zukommen, wenn er im grundlegenden, deutschen zivilrechtlichen Gesetz dem BGB geregelt wird, als wenn die Patientenrechte und -pflichten lediglich in einer unverbindlichen Charta zusammengefasst und wiedergegeben werden.58 Der Grund dafür wird in der Legitimitätsvorstellung der Bevölkerung zu sehen sein. Die Chancen, die Aufmerksamkeit der Massenmedien und der Normadressaten und -benefiziare zu gewinnen, sind bei einer Kodifikation des Behandlungsvertrages am höchsten. Insoweit könnten auch die Erfahrungen der Finnen und der Niederländer mit ihrer Patientenrechtegesetzgebung in die Beurteilung der Notwendigkeit eines Patientenrechtegesetzes miteinbezogen werden. So kommt das bereits im dritten Kapitel unter Ziffer II.2.a)bb) angesprochene, von dem finnischen Sozial- und Gesundheitsministerium 1996 veröffentlichte Gutachten „Three Years in Force: Has the Finnish Act on the Status and Rights of Patients Materialized?” zu dem Ergebnis, dass das Lag om patientens ställning och rättigheter die Kenntnis der Patienten hinsichtlich ihrer Rechte gefördert und gestärkt habe.59 Die Rechtskenntnis der Behandlungsseite, insbesondere der jüngeren Generation, sei ebenfalls besser ausgeprägt.60 Indes kommt der Studie nur eine geringe Aussagekraft zu. Es wurde keine Nullmessung durchgeführt. Ferner führen die Gutachter selbst an, dass es ihnen unmöglich gewesen sei, die Verbesserungen sicher auf das Gesetz und nicht auf andere in der Gesellschaft sowie im Gesundheitswesen zugleich stattfindende Prozesse zurückzuführen.61 Zudem verweisen sie darauf, dass sichere Erkenntnisse über die Implementation des Lag om patientens ställning och rättigheter nur durch 56
Siehe: Röhl, Rechtssoziologie, S. 264 f. Ähnlich: Gstöttner, Schutz von Patientenrechten, S. 232 f.; vgl. allgemein zur Stärkung der Rechtskenntnis durch die Bekanntmachung von Gesetzen: Hugger, Gesetze, S. 47 f., der die Frage stellt, „warum für wichtige Gesetze mit großem Betroffenenkreis nicht ebenso nachdrücklich ‚geworben‘ werden kann wie für gewerbliche Produkte.“ 58 Vgl.: Steffen, MedR 2002, 190 (191). 59 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (599); vgl. auch: Lilie, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte, S. 173 (181); SVRKAiG, Gutachten 2000/ 2001, Bd. I, S. 338 Nr. 392; Fallberg, European Journal of Health Law 2000, 123 (131). 60 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (601). „Professional organizations are well acquainted with the aim and goals of the patient law and with related problems at the general level.“ 61 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (601 f.). 57
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umfangreichere Studien erzielt werden könnten.62 Tatsächlich ist die für Interviews und Befragung gewählte Stichprobe63 zu klein, um aus ihr verallgemeinernde Rückschlüsse ziehen zu können. Darüber hinaus ist die Befragung, die Aufarbeitung der Telefoninterviews sowie die Auswertung der Fragebögen nicht transparent und kaum nachvollziehbar. Aufgrund dessen kommt diesen Methoden und der mit ihnen gewonnenen Ergebnisse kein signifikanter Wert zu. Auch sind die gewonnenen Erkenntnisse eines vom Ministerium für Soziales und Gesundheit im Jahr 1995 organisierten „Expertenseminars“64 wenig aussagekräftig, obwohl an ihm Vertreter aller am Gesundheitswesen Beteiligten mitgewirkt haben. Schließlich wurde es vom Staat und damit von einer Institution veranstaltet, die ein Interesse an einem bestimmten Ausgang des Seminars hatte. Darüber hinaus fehlt bei der Auswertung der Ergebnisse erneut die Transparenz. Aus diesem Grund lassen sich ebenfalls aus der Auswertung von Beschwerden der Patienten bei den zuständigen Institutionen65 keine bedeutsamen Rückschlüsse ziehen. Die Studien zur Kodifikation des Behandlungsvertrages im niederländischen bürgerlichen Gesetzbuch durch das WGBO attestieren eine Verbesserung der Rechtskenntnis und der Umsetzung der Patientenrechte im Behandlungsalltag.66 Die recht positiven Ergebnisse der beiden im dritten Kapitel unter Ziffer II.1.a)bb) angesprochenen Studien sind wiederum nicht unkritisch zu übernehmen. Insbesondere die Qualität der von ZON in Auftrag gegebenen und im Jahr 2000 veröffentlichten Evaluation wird zum Teil in Frage gestellt.67 Sie sei zwar sehr umfangreich, aber es fehle ihr an der notwendigen Distanz. Es seien nur Juristen beteiligt gewesen, die auch schon beim Zustandekommen des Gesetzes mitgewirkt haben.68 Die mit der Untersuchung Beauftragten seien nicht unabhängig.69 Dem wird entgegengehalten, dass die Evaluation von Juristen und Sozialwissenschaftlern durchgeführt worden sei,70 und dass eine Beteiligung einer Person, die in einem 62 Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (602): „(...) the patient law includes such extensive sets of issues that reliable information about the implementation of them would require studies carried out in each of them separately.” 63 Vgl. zu Methodik: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (592): Es wurden etwa 28 Agenturen, die Patientenombudsmänner ausbilden, sowie 2 Mitglieder des Hauptverband der Alternativmedizin und 23 Mitglieder des Hospital Contracts Committee of Jehovah’s Witnesses mittels Fragebogen und andere im Gesundheitswesen Tätige mittels Telefoninterview befragt. Telefonisch wurden 48 Ärzte in leitenden Positionen bei Gesundheitszentren und Krankenhäusern, wobei nur 91 Prozent an dem Interview teilnahmen, und Patienten-Ombudsmännern von neun unterschiedlichen Organisationen sowie acht Vertreter von Berufsorganisationen, Gewerkschaften und Patienten-Organisationen angefragt. 64 Vgl.: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (592). 65 Vgl.: Pahlmann et al., Med Law 1996, 591 (592). 66 So etwa. Dute et al., De evaluatie van de WGBO, passim; NIVEL, Tweede nationale studie naar ziekten en verrichtingen in de huisartspraktijk, passim; Witmer/Roode, Implementatie van de WGBO, passim. Auch J.K.M. Gevers kommt zu einer positiven Bewertung dieser Evaluation in: Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (510). 67 Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (512 ff.). 68 Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1088. 69 Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (512, 514). 70 Leenen/Hendriks, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1086.
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beratenden Ausschuss bei der Gesetzesentstehung eine Stellungnahme abgegeben habe, nicht dazu führe, dass sie bei der Evaluation dieses Gesetzes auszuschließen sei.71 Schwerwiegender ist die Kritik der nicht hinreichenden methodischen und wissenschaftlichen Überprüfung der Wirkungen des WGBO.72 Tatsächlich umfasst die im Jahr 2000 veröffentlichte Evaluation zwar weitreichende statistische Erhebungen. Indes wurde auch hier keine Nullmessung im Hinblick auf den Kenntnisstand von Patienten und Behandlerseite über ihre Rechte und Pflichten vor Inkrafttreten des Gesetzes durchgeführt.73 Die Vergleichsdaten von 1995 sind nach der Änderung des BW durch das WGBO erhoben worden. Die an der Evaluation beteiligten Wissenschaftler weisen zwar drauf hin, dass eine Nullmessung in Anbetracht der Tatsache, dass nahezu ausschließlich durch die Rechtsprechung bereits entwickelte und allgemein anerkannte Rechte und Pflichten kodifiziert worden seien, nicht als „Nullmessung“ angesehen werden könnten.74 Eine Untersuchung des Kenntnisstandes vor Inkrafttreten des WGBO wäre jedoch im Hinblick darauf interessant und aussagekräftig gewesen, ob durch die gesetzliche Regelung der Kenntnistand unter Patienten und Behandlern gefördert und die Umsetzung der bereits bestehenden Regeln verbessert worden ist.75 Allerdings ist die zweite, im Jahr 2004 veröffentlichte Studie diesbezüglich aussagekräftiger. Auch Patienten- und Ärzteorganisationen bewerten das WGBO durchaus positiv. So stellte etwa im Jahr 2004 die Arbeitsgruppe Implementierungsprogramm des WGBO (Samenwerkingsverband Implementatieprogramma WGBO), die sich aus diversen Interessengruppen und Organisationen zusammensetzt76 und damit sowohl die Behandlungs- als auch die Patientenseite repräsentiert, klar, dass bei einer genauen Anwendung des WGBO in der Praxis eine gute Zusammenarbeit gewährleistet sei. Eine gute Beziehung zwischen Behandler und Patient bilde stets die Basis für die bestmögliche Behandlung und Therapie des Patienten.77 Das Wissen der Behandlungsseite um die Rechte und Pflichten sei durchaus angemessen.78 Sofern man folglich fünfzehn Jahre nach dem Inkrafttreten des WGBO eine gene71
Leenen/Hendriks, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1086 (1087). Giard, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 512 (514), der betont, dass man die Evaluation kaum als wirkliche Folgenabschätzung bezeichnen kann. 73 Leenen/Hendriks, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1086. 74 Dute/Gevers/Fiele, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1087. 75 Vgl. insofern auch Leenen/Hendriks, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 1086, die diesbezüglich auf die Möglichkeit der Rekonstruktion einer solchen „Nullmessung“ verweisen. 76 An ihr waren beteiligt: Vereinigngen Koninklijke Nederlandsche Maatschappij tot bevordering der Geneeskunst (KNMG) als größte Berufsorganisation für Ärzte in den Niederlanden, Arcares als die Nationale Vereinigung von Alten- und Pflegeheimen, Geestelijke Gezondheidszorg Nederland (GGZ) als Verband von Institutionen für psychische Gesundheitspflege und Suchtfürsorge, Landelijk Expertisecentrum Verpleging & Verzogring (LEVV) als Nationales Kompetenzzentrum für Krankenpflege und Betreuung, Nederlandse Patiënten Consumenten Federatie (NPCF) als Niederländische Patienten Verbraucher Föderation, Vereining van ziekenhuisen (NVZ) als Verband der Krankenhäuser und Vereiniging Gehandicaptenzorg Nederland (VGN) als die Vereinigung der Behindertenpflege Niederland. 77 Witmer/Roode, Implementatie van de WGBO, S. 5. 78 Witmer/Roode, Implementatie van de WGBO, S. 15. 72
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relle Schlussfolgerung ziehen möchte, muss man anerkennen, dass die im WGBO geregelten Rechte den Umfragen und Studien nach im Allgemeinen bekannt sind.79 Nicht außer Acht zu lassen ist hier jedoch die den Erlass des WGBO begleitende PR-Kampagne.80 Das niederländische Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport hat zahlreiche Aktivitäten organisiert, um das Bewusstsein der Patienten und Behandler für die Existenz des WGBO zu fördern. Auch wurde von Gesundheitsbehörden und den Leistungserbringern selbst zahlreiches Informationsmaterial über das WGBO und die Patientenrechte an die Patienten verteilt.81 Zur Steigerung der Rechtskenntnis ist eine Kodifikation des Behandlungsvertrags im BGB in Anbetracht der dargelegten Umstände gegenüber einer bloßen Erneuerung der Patientenrechtecharta vorzuziehen, allerdings nur in Verbindung mit einer guten PR-Strategie, so dass auch der juristische Laie erreicht wird.82 Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die bloße Rechtskenntnis der Normadressaten und -benefiziare nicht per se mit einer hohen Verhaltensgeltung der Normen gleichgesetzt werden kann. Zwar ist davon auszugehen, dass zwischen Rechtskenntnis und Verhalten eine Verbindung existiert und die Wirkungschancen eines Gesetzes durch das Fördern von Rechtskenntnis erhöht werden.83 Ein Gesetz wird desto eher befolgt, umso bekannter ist. 84 Jedoch ist Rechtskenntnis keine hinreichende Bedingung für die Einhaltung eines Gesetzes.85 Es darf nicht verkannt werden, dass die Rechtskenntnis der Behandlungsseite nicht so schlecht ist, wie zum Teil vermutet wird. Das Richterrecht hat mit den Pflichten zur Aufklärung und Dokumentation bereits erheblichen Einfluss auf den klinischen und ärztlichen Behandlungsalltag.86 Arzt- und Krankenhaushaftung sind 79
Vgl.: Gevers, Ned Tijdschr Geneeskd 2001, 509 (511), der die breite Akzeptanz darauf zurückführt, dass die Rechte durch Richterrecht bereits ausgebildet waren und das WGBO nur die bestehende Rechtslage aufgegriffen hat. 80 WHO, Consultation on the Development of Patients‘ rights in Europe, S. 10: „The WGBO was preceded by a series of articles in local journals and newspapers that have informed the public about the forthcoming law, its main tasks and features. In the Netherlands there are more than 300 patients‘ organizations. Their activities are mainly focused on patients‘ education, information, sharing experience, and lobbying.” 81 Dute et al., De evaluatie van de WGBO, S. 332. 82 Siehe zur Öffentlichkeitsarbeit zur Steigerung der Rechtskenntnis: Rehbinder, Rechtssoziologie, Rdn. 129. 83 Vgl.: BT-Drcks, 17/907, S. 1 f.; SVRKAiG; Jahresgutachten 2000/2001, Bd. I, S. 9 Nr. 5, S. 346 Nr. 412; WHO, Eine Erklärung über die Förderung der Patientenrechte in Europa, S. 5 f.; Harmann, NJOZ 2010, 819 (825). 84 Röhl, Rechtssoziologie, S. 262 f.; kritisch zur Informiertheit des Normadressaten als Geltungsfaktor von Recht: Teubner, in: Koller/Varga/Weinberger, Theoretische Grundlagen der Rechtspolitik, S. 140 (141). 85 Siehe: Rehbinder, Rechtssoziologie, Rdn. 130; Opp, Soziologie im Recht, S. 195: „Die Variable der Informiertheit ist keine hinreichende Bedingung für die Einhaltung eines Gesetzes; d.h. wenn jemand auch völlig exakt über ein Gesetz informiert ist, ist es möglich, dass er das Gesetz befolgt oder auch nicht.“; vgl. die Erfahrungen zum Züchtigungsverbot: Göbel, Vom elterlichen Züchtigungsrecht zum Gewaltverbot, S. 69 f. m.w.N. 86 Vgl.: Fuchs, in: Köhler/von Maydell, Arzthaftung – „Patientenversicherung“, S. 23 (59); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 363; Laufs, Unglück und Unrecht, S. 14.
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häufig Gegenstand ärztlicher Fortbildung und der Berichterstattung in medizinischen Fachzeitschriften.87 Dementsprechend kann ein Mangel an Rechtskenntnis auf der Behandlerseite nicht der ausschlaggebende, zumindest nicht der alleinige Grund für das bestehende und viel gerügte Umsetzungsdefizit der Patientenrechte und -pflichten in Deutschland sein. Es gilt daneben tieferliegende, systeminterne Probleme zu lösen. Zu diesen gehören u.a. wirtschaftliche Zwänge bei der Behandlung, der zunehmende Zeitdruck sowie die Arbeitsüberlastung von Ärzten. Zum einen steigt das Risiko für Sorgfaltsverstöße, wenn unter hohem Kosten- und Zeitdruck sowie unter ökonomischen Zwängen gearbeitet wird. Zum anderen fehlt dem Behandler zur Beratung und Betreuung des Patienten zunehmend diejenige Zeit, die er im Rahmen der fortschreitenden Ökonomisierung des Gesundheitswesens zur Ermittlung der kostengünstigsten und zugleich effektivsten Behandlung investieren muss.88 Die Tatsache, dass in einer ökonomisierten Medizin, in der u.a. Fallpauschalen,89 Benchmarking90 sowie Kosten-Nutzen-Analysen die Wegmarken bilden, Zeit eben auch ein Kostenfaktor ist, wird überwiegend nicht wahrgenommen. Auch die Überlastung der Behandler mit Bürokratie wird vornehmlich ausgeblendet, obwohl die hierfür aufgebrachte Zeit schlussendlich bei der Behandlung fehlt.91 Ein partnerschaftlicher Austausch über die Behandlung und die Krankheit zwischen Patient und Behandler, der dem Ideal entspricht und den sich der Patient erwiesenermaßen gerade wünscht,92 stellt an den Behandler hohe Anforderungen und verlangt vor allem von ihm, sich Zeit für den Patienten zu nehmen - Zeit, die zunehmend knapp bemessen ist und nicht immer für alle Patienten
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Lilie/Ott, in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 324 (325). Siehe auch: Preis, MedR 2010, 139 (140). 89 Huber/Hungeling, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 103 (126): „Der heutige Fallwert macht zugespitzt seelenlosen Medizinkonsum zum profitablen Geschäft; die Fallpauschale den operierten Gesunden zum lukrativen Objekt.“ Als Beispiel sei hier die medizinische Versorgung von Frühchen genannt. Obwohl anerkannt ist, dass diese die besten Überlebenschancen haben, wenn sie in neonatologischen Spezialeinrichtungen versorgt würden, wehren sich kleinere Krankenhäuser gegen eine strenge Mindestmengenvorschrift. Dies liegt hauptsächlich an den hohen Fallpauschalen. Die Tarife für Neugeborene sind in der Hauptdiagnosegruppe 15 des Fallpauschalenkatalogs des InEK festgelegt. Der Fallpauschalenkatalog von 2011 ist abrufbar unter: http://www.g-drg.de/cms/index.php/G-DRG-System_2011/Fallpauschalen-Katalog/Fallpau schalen-Katalog_2011 (zuletzt besucht am 12.6.2011). 90 Benchmarking ist eine Methode des organisationellen Lernens, die dazu führen soll, dass die Behandlung optimiert und Arbeitsabläufe effizienter gestaltet werden. 91 Vgl. zur Qualitätsmanagement-Richtlinie des G-BA: Preis, MedR 2010, 139 (141): „Ein irgendwie vorhandenes Bewusstsein, wie viel Bürokratie einem Arzt noch abverlangt werden kann, die zulasten der Behandlungsintensität geht, scheint den Akteuren abhanden gekommen zu sein. (…) Bitter ist, dass all diese Maßnahmen zulasten der Inhalte gehen.“ 92 Huber/Hungeling, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 103 (109). 88
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ausreicht.93 Hinzu kommt, dass die angehenden Mediziner und die Angehörigen der übrigen Gesundheitsfachberufe in der Kommunikation mit dem Patienten in ihrer Ausbildung nicht (hinreichend) geschult werden.94 Krankheitsprobleme werden heutzutage, auch von Patienten, häufig auf rein körperliche Ereignisse reduziert, deren Behandlung durch den medizin-wissenschaftlichen Fortschritt stetig perfektioniert werden kann.95 Gesundheit wird als kaufbares Produkt verstanden. Die subjektiven Momente der Arzt-Patienten-Beziehung werden von allen Beteiligten weitgehend ausgeklammert. So haben Patienten teilweise überzogene Heilerwartungen,96 die mit einem sich immer stärker ausprägenden Konsumverhalten einhergehen. Die Verbesserung der Rechtskenntnis der Behandlungsseite und der Patienten ist dementsprechend nicht automatisch mit einer besseren Umsetzung der Patientenrechte und -pflichten gleichzusetzen. Ein solches Ziel kann nicht unter Ausblendung der Lebenswirklichkeit erreicht werden. Eine partnerschaftliche Arzt-Patienten-Beziehung zu fordern, ohne zugleich die ökonomische Krise in der Gesundheitsversorgung zu beheben, ist naiv und populistisch. Die der Arzt-Patienten-Beziehung inhärente Asymmetrie kann nicht allein durch die schriftliche Niederlegung von Rechten und Pflichten zugunsten eines partnerschaftlichen Verhältnisses gelöst werden, wenn nicht auch die Voraussetzungen für eine solche Partnerschaft geschaffen werden. So ist es bei der derzeitigen Ressourcenknappheit wenig erfolgversprechend, dass der Arzt den Patienten ausführlicher aufklären und sich mehr Zeit für dessen Fragen und Ängste nehmen will, sofern man ihm nicht die Zeit dafür einräumt. Durch die fortschreitende Ökonomisierung und Bürokratisierung werden jedoch entgegengesetzte Signale gesetzt. Rechte auf dem Papier, die aus rein praktischen Gründen nicht oder nur schlecht einhaltbar sind, sind nicht zielführend. Weder eine Kodifikation noch eine Charta werden unter diesen Vorzeichen das Umsetzungsdefizit beseitigen können. Davon unabhängig ist das Anliegen, die Rechtskenntnis der Bevölkerung zu stärken, per se gut zu heißen und zu fördern. Eine dauerhafte und bessere Umsetzung der Patientenrech93 Siehe auch: Pickl, in: BZgA, Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, S. 89 (90); vgl. auch: Katzenmeier, JR 2002, 444 (448 f.): „Daß ein Gesetz zur Bearbeitung der Diskrepanz zwischen Normativität und Normalität wenig beitragen kann, zeigt sich hier [beim Aufklärungsgespräch] besonders deutlich. Es könnte in einem Gesetz bestenfalls grob die generelle Informationsmenge gesteuert werden, hätte aber keinerlei Einfluss auf die Ausgestaltung des Kommunikationsprozesses [in der Form, dass sich der Arzt mehr Zeit nimmt und dem Patienten mehr Raum für Fragen gibt].“ 94 Ähnlich: Geisler, in: Deutscher Bundestag, Recht und Ethik der modernen Medizin, S. 473 (479 f., 482); Huber/Hungeling, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 103 (109); vgl. auch: Raven, Professionelle Sozialisation und Moralentwicklung, S. 53: „Die ärztlich-professionelle Kompetenz ist und bleibt defizitär ohne eine hinreichende ethisch-moralische Kompetenz. (…) [Das heißt,] eine Medizinerausbildung, die sich nicht um die Bedingungen der Möglichkeit des Erwerbs einer ethischmoralischen Kompetenz kümmert, produziert bestenfalls Medizinalexperten und überlässt die Entwicklung einer wirklichen Arzt-Person kontingenten Umständen.“ 95 Huber/Hungeling, in: Badura/Hart/Schellschmidt, Bürgerorientierung des Gesundheitswesens, S. 103 (105). 96 Lilie/Orben, in: Haft/Hof/Wesche, Verhaltenstheorie des Rechts, S. 324; Nitschmann, Das Arzt-Patienten-Verhältnis im „modernen“ Gesundheitssystem, S. 86.
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te und -pflichten wird jedoch nicht allein durch den Erlass eines Gesetzes erreicht. Bei gleich bleibenden Rahmenbedingungen und mangelnder Bereitschaft, die Kernprobleme des heutigen Gesundheitssystems zu lösen, wird es keine hinreichende Verhaltensgeltung entfalten.
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