PARKER setzt die „Viper“ matt Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
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PARKER setzt die „Viper“ matt Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
„Ei, wo ist denn meine liebe kleine Cindy ...?“ Bert Upcorns Stimme klang zärtlich und einschmeichelnd. Er schaute geradezu verzückt auf seinen etwas groß geratenen Liebling, der sich zu seinen Füßen befand und sich jetzt, wohl animiert von der Stimme, in Bewegung setzte. Bert Upcorn, ein Mann von fünfzig Jahren, klein, korpulent und stets ein wenig außer Atem wirkend, strahlte vor Freude und Stolz und strich seinem Wundertier über den Kopf. Dann richtete er sich wieder auf, schnaufte ein wenig und nickte seinen beiden Besuchern freundlich zu. „Bemerkenswert, Sir“, erlaubte sich Josuah Parker zu sagen, einer der beiden Gäste. Der Butler, korrekt gekleidet wie stets, saß auf der Kante seines Sessels und ließ das als Liebling bezeichnete Wesen nicht aus den Augen. „Scheußlich“, murmelte der zweite Besucher, bei dem es sich um eine majestätisch wirkende Frau handelte, die die Würde einer Herzogin ausstrahlte, wenngleich sie ein ziemlich verknittert und faltig aussehendes Chanel-Kostüm trug. Lady Agatha Simpson schob sich ruckartig weit nach hinten in ihren Sessel und ließ die Überraschung ihres Gastgebers ebenfalls nicht aus den Augen. Der etwas groß geratene sogenannte Liebling des Gastgebers interessierte sich
zuerst für die Waden der Lady Simpson, änderte dann aber sehr spontan seine Absichten. Er wurde von den gestreiften Hosen des Butlers magisch angezogen und glitt auf sie zu. Dann richtete er sich auf und ließ die Absicht erkennen, auf den Schoß des Butlers zu klettern. Josuah Parker registrierte diesen Versuch nicht gerade mit Entzücken, was wohl mit der Länge des nicht gerade ungefährlichen Reptils zu tun hatte. Es handelte sich immerhin um sechs volle Meter, die den Umfang eines kräftig ausgebildeten Männeroberschenkels hatten. „Sie brauchen keine Angst zu haben“, sagte Bert Upcorn, sich an den Butler wendend. „Wie Sie meinen, Sir“, gab der Butler mühevoll höflich zurück. „Cindy ist ja so anschmiegsam“, stellte Bert Upcorn zusätzlich fest. „Ich würde mir nie erlauben, Sir, an Ihren Worten zu zweifeln“, antwortete Butler Parker, dessen Stimme plötzlich ein wenig heiser klang. „Cindy scheint Sie wirklich zu mögen“, fügte Bert Upcorn hinzu.
„Hoffentlich meinen Sie das nicht zu wörtlich, Sir“, protestierte Josuah Parker und blieb stocksteif sitzen. Sein Blick wurde noch mißtrauischer und zurückhaltender, die Stimme klang inzwischen sehr erkältet. Parkers Reaktion war verständlich. Cindy war schließlich eine völlig ausgewachsene Boa constrictor, deren Appetit und Reaktionen nicht vorauszuberechnen waren. Parker fühlte sich von den kalten Augen der Schlange sorgfältig gemustert, von Augen, in denen er nicht die Spur von Sympathie erkannte. Bert Upcorn sah das völlig anders. Er saß gemütlich in seinem Sessel und verfolgte die Kletterkünste seiner geliebten Cindy. Sie hatte ihren großen, mächtigen, dreieckigen Kopf bereits auf Parkers Schoß gelegt und schickte sich an, den Rest ihres riesigen Körpers nachfolgen zu lassen. Der Butler fühlte die Muskelringe des mächtigen Schlangenkörpers auf seinen Schenkeln und brauchte alle Willenskraft, um nicht einen mehr oder weniger spitzen Schrei auszustoßen. Cindy öffnete inzwischen das Maul und ließ die gespaltene Zunge hervorkommen. „Cindy nimmt jetzt Ihre Witterung auf“, hörte Parker die wohlwollende Stimme des Gastgebers. „Falls Sie sich nicht hastig bewegen, Mr. Parker, wird Cindy Sie sicher nicht beißen!“ „Außerordentlich beruhigend“, meinte Parker. Er blieb wie angewurzelt sitzen und schielte nach unten auf den Schlangenleib, von dem noch ein sehr ansehnlicher Rest auf dem Teppich war. Zu diesem Rest gehörte natürlich auch die Schwanzspitze der Boa, die sich dicht vor seinem linken Schuh befand. Parker nutzte die Gunst der Sekunde.
Um den Liebling loszuwerden, trat er nachdrücklich auf Cindys Schwanzspitze und spannte die Muskeln seines rechten Armes. Wenn es jetzt notwendig wurde, wollte er der Schlange eines auf den Kopf versetzen. Er befand sich am Rande eines mittelschweren Nervenzusammenbruchs. Cindy zuckte unter dem derben Fußtritt zusammen, aber dann reagierte sie ausgesprochen beleidigt. Sie verzichtete darauf, Parkers Witterung zu nehmen, ließ sich seitlich von seinem Schoß zurück auf den Teppich fallen und glitt davon. Und zwar in Richtung von’ Lady Simpson... „Wenn Sie es noch mal bei mir versucht, bringe ich sie um“, kam es da aus Lady Agatha grollend und warnend, wobei sie offen ließ, wen sie meinte, Upcorn oder Cindy. „Was haben Sie denn, meine Liebe?“ erkundigte sich Bert Upcorn, der nicht weniger beleidigt zu sein schien wie sein Schlangen-Liebling. „Cindy ist doch wirklich harmlos. Sehen Sie, was Sie angerichtet haben! Sie ist doch so sensibel ...“ Das sensible Wesen hatte allerdings die Nase voll von den beiden unfreundlichen Besuchern. Cindy schlängelte sich von dannen und suchte Schutz bei Ihrem Herrn und Meister. Sie ließ sich unter seinem Sessel nieder und versteckte ihren Kopf. * Die beiden Männer am Straßenrand stellten sich mehr als ungeschickt an. Sie waren damit beschäftigt, eine Unregelmäßigkeit am Motor ihres Austin zu beheben und hatten sich bereits ausgiebig mit Ölflecken versorgt. Tief über den
Motor gebeugt, schienen sie für ihre Umgebung kein Auge zu haben. Der Austin stand nicht weit von der Einfahrt zu einem großen Gelände, das von einer hohen Mauer umgeben war. Über die Mauerkrone hinweg waren die mächtigen Wipfel großer Bäume zu erkennen. Durch die Toreinfahrt fiel der Blick frei auf ein altehrwürdiges Haus, das aus dem Mittelalter stammen mußte. Rechts von diesem zweistöckigen Gebäude erhob sich die Glaskuppel eines erstaunlich großen Gewächshauses, dessen Fenster beschlagen waren. Vor dem Eingang zum Steinhaus stand ein hochbeiniger und eckiger Wagen, der einem alten Londoner Taxi aufs Haar glich, wenngleich auch das Taxischild auf dem Dach fehlte. „Verdammt, hat der Kerl ein Sitzfleisch“, beschwerte sich Melvin Docker, einer der beiden Austinfahrer. Er war etwas über mittelgroß, leicht korpulent und etwa vierzig Jahre alt. Er hob den Kopf und schielte über den Motor hinüber zur Toreinfahrt. „Wenn schon“, meine Artie Selwyn gelassen. „Ob’s ein paar Minuten früher oder später passiert, ist doch egal.“ „Vielleicht hat er Lunte gerochen“, argwöhnte Docker. „Dieser Butler soll ein ganz raffinierter Hund sein.“ „Gerüchte“, schwächte Selwyn geringschätzig ab. „Wie raffiniert kann man gegen ‘nen Schuß sein, willst du mir das mal sagen?“ ‘Sie widmeten sich wieder ihrem Motor, als hätten sie nie den Auftrag zu einem Mord übernommen. Sie wurden allerdings etwas nervös, als ein Streifenwagen der Polizei weit hinten auf der Landstraße zu sehen war.
„Laß bloß das Ding stecken“, warnte Selwyn seinen Partner. Er kannte die Impulsivität Dockers. „Ob das ‘n Zufall ist?“ fragte Docker zweifelnd. „Natürlich ist das ein Zufall“, antwortete Selwyn und gab sich überlegen und gelassen. „Warum soll hier nicht mal ‘n Streifenwagen, vorbeikommen? „ Der Wagen rollte langsam näher und stoppte dicht vor dem Austin. Einer der beiden Beamten stieg aus und kam auf die beiden Männer zu. Selwyn prüfte das Gesicht des Polizeibeamten. Es blieb glatt, höflich und ausdruckslos. „Schwierigkeiten, Gentlemen?“ fragte der Beamte und grüßte. „Schon geschafft... Vergaser!“ erwiderte Selwyn und wischte sich die ölverschmutzten Hände an einem Lappen ab. „Ich könnte sonst die Garage drüben im Ort verständigen“, sagte der Polizist. „Vielen Dank, nicht mehr nötig.“ Selwyn lächelte höflich, während Docker ein etwas zu finsteres Gesicht zog. Er schien nach seiner Brieftasche zu fingern, doch Selwyn wußte es besser. Docker beschäftigte sich bereits- mit seiner Automatik. Der Polizist hatte keine Ahnung, in welcher Lebensgefahr er schwebte. Er wußte nicht, daß er es mit zwei ausgesuchten Killern zu tun hatte, die in ihrer Branche für ihre Kälte und Brutalität geradezu berüchtigt waren. Docker und Selwyn gehörten keiner Organisation an. Männer wie sie konnte man mieten. Gegen entsprechendes Honorar — Vorauszahlung war selbstverständlich — schossen sie nieder, was immer man von ihnen verlangte.
Der Auftrag, den sie jetzt angenommen hatten, war für sie im Grund nur ein kleiner Fisch. Ein ganz normaler Mord stand dicht vor dem Abschluß. Warum sie diesen Butler abschießen sollten, wußten sie allerdings nicht, interessierte sie auch nicht. Ihr Auftraggeber hatte sich darüber nicht ausgelassen. Docker und Selwyn hatten ihr übliches Honorar verlangt und bekommen. Für solch eine Routinesache brauchten sie schließlich keine Erschwernis- oder Gefahrenzulage, wie es hin und wieder erforderlich war. Was wollte ein normaler Butler schon gegen sie machen? „Wir kommen schon klar“, sagte Selwyn, sich zur Ruhe zwingend, als der Polizeibeamte unschlüssig stehen blieb. Selwyn sorgte sich wegen Docker den er als stets unberechenbaren Partner fast ein wenig fürchtete. Hoffentlich machte Docker keine Dummheiten. Der Polizist rettete sein Leben. Er grüßte kurz und ging dann zurück zum Streifenwagen. Selwyn entspannte sich. Docker nahm die Hand von der Waffe und sah dem davonfahrenden Streifenwagen aus kalten Augen nach. „Der Bursche hat bestimmt nichts gemerkt“, meinte Selwyn beruhigend. „Abwarten“, erwiderte Docker, „der kommt noch mal zurück. Und dann gehe ich kein Risiko mehr ein!“ * Cindy litt noch sichtlich unter dem derben Fußtritt des Butlers und suchte sich einen besseren Ruheplatz. Die riesige Boa ringelte sich unter dem Sessel von Bert Upcorn hervor, schlug einen weiten Bogen um Parker und
verdrückte sich hinter den Falten einer Portiere, die den Nebenraum vom Besuchszimmer trennte, worauf Lady Agatha sichtlich aufatmete. „Das arme Ding“, bedauerte Upcorn seine Riesenschlange. „Sie wird jetzt sicher wieder unter Appetitlosigkeit leiden.“ „Das arme Ding“, echote Agatha Simpson in einem Ton, der keine Spur von Bedauern erkennen ließ. „Haben Sie jetzt endlich Zeit für unsere Fragen, Mr. Upcorn?“ „Natürlich, Mylady“, antwortete Upcorn der Lady. „Sie wissen, wie sehr ich Ihnen verpflichtet bin.“ Was durchaus stimmte. Bert Upcorns Institut wurde aus der Stiftung der Agatha Simpson finanziert. In diese Stiftung floß der Großteil jener Erlöse, die Lady Agathas Industrieanteile erwirtschafteten, Anteile, die sich sehen lassen konnten. Nach dem Tod ihres Mannes vor Jahren war Lady Agatha eine immens vermögende Frau geworden, die sich aber kaum persönlich um die Verwaltung ihres Erbes kümmerte. Sie hatte eine Stiftung ins Leben gerufen, die Forschungsvorhaben und die Ausbildung begabter, junger Menschen unterstützte. Bert Upcorn gehörte zu den Geförderten und wußte das zu schätzen. „Was halten Sie von diesem widerlichen Vieh?“ wollte Lady Agatha wissen. Sie griff in ihren perlbestickten Pompadour und warf dem Mann eine Schlange zu, die wesentlich kleiner und schlanker war als Cindy. Bert Upcorn griff automatisch nach der Schlange, ließ sie verwirrt in seinen Händen herumzappeln, stieß dann einen grellen, spitzen Schrei aus und fegte aus
seinem Sessel hoch, als sei er von einer Tarantel gestochen worden. Die Schlange warf er mit Kraft und Schwung gegen die Portiere, fuchtelte mit seinen Händen in der Luft herum und griff dann energisch nach einem schweren Aschenbecher. „Was haben Sie denn?“ erkundigte sich Lady Agatha gespielt harmlos. Sie hatte endlich eine Gelegenheit, sich zu rächen. Die Boa steckte ihr nämlich noch in den Knochen. „Eine Buschnatter,“ hauchte Upcorn kurzatmig, „ungemein giftig... Sehr giftig!“ Er pirschte sich an das Reptil heran und hob den schweren Aschenbecher zum Wurf, wovon die Buschnatter nichts ahnte, denn sie lag ziemlich ruhig auf dem Teppich. Ja, eigentlich rührte sie sich überhaupt nicht. „Haben Sie sich nicht so“, meine Lady Agatha verächtlich, „das Biest ist nicht gefährlich!“ „Sie haben mit Ihrem Leben gespielt, Mylady“, entsetzte sich Upcorn und donnerte den schweren Aschenbecher auf die Schlange. Die verstand das nicht richtig, schnellte hoch, riskierte einen verunglückten Salto und landete wieder auf dem Teppich. Erst jetzt merkte Upcorn, daß er sich hatte täuschen lassen. Aufatmend richtete er sich auf und wischte einige Schweißperlen von der Stirn. Dann sah er zu Lady Agatha hinüber und lächelte verlegen. „Eine Gummischlange ...!“ sagte er dann. „Natürlich“, gab die Sechzigjährige streng zurück. „Ich halte mir keine lebenden Schlangen als Haustiere!“ „Ein... Ein Scherz von Ihnen, Mylady?“
„Bitterer Ernst“, entgegnete Agatha Simpson. „Lassen Sie sich von meinem Butler sagen, weshalb ich dieses Gummibiest mitgebracht habe.“ Parker wollte mit seinem Bericht beginnen, doch er wurde abgelenkt. Cindys großer, dreieckiger Kopf kam unter den Falten der Portiere hervor und näherte sich der Buschnatter aus Gummi. Wahrscheinlich witterte Cindy eine leichte Vorspeise, doch als sie den Geruch der Gumminatter wahrnahm, hüstelte sie angewidert und verschwand hinter dem dicken Vorhang. Ob sie wirklich gehüstelt hatte, war nur eine Vermutung, Parker wenigstens hatte diesen Eindruck „Lassen Sie sich nicht immer ablenken, Mr. Parker“, sagte Agatha Simpson streng. „Kommen Sie endlich zur Sache!“ „Sehr wohl, Mylady.“ Parker deutete eine knappe Verbeugung in Richtung seiner Herrin an und widmete sich dann Bert Upcorn. „Was Sie jetzt hören, Sir, unterliegt strengster Geheimhaltung, wenn ich es so ausdrücken darf.“ „Sie können sich auf meine Verschwiegenheit fest verlassen“, versicherte der Mann. „Wozu ich Ihnen auch raten möchte“, grollte Lady Agatha in Richtung Upcorn. „Sonst wird Sie nämlich der Teufel holen.“ „Im Regierungsviertel von London, Mr. Upcorn, treibt eine gewisse ‘Viper’ ihr Unwesen“, ließ Parker hören, kühl, zurückhaltend und leidenschaftslos. „Es handelt sich dabei um einen Spitznamen, wie Sie unschwer erraten haben werden. Diese ‘Viper’, um bei der Bezeichnung zu bleiben, verbreitet seit einigen Wochen Angst und Schrecken.“ „Sie ... Sie mordet!?“ Bert Upcorns Augen wurden untertellergroß.
„Bisher hatte die Regierung Ihrer Majestät bereits sechs Opfer zu beklagen“, vervollständigte Parker die Angaben von Agatha Simpson. „In allen sechs Fällen verstarben die unglücklichen Opfer an einem giftigen Schlangenbiß.“ „Schrecklich“, hechelte Upcorn kurzatmig. „Vor allen Dingen für die Opfer“, stellte Parker fest. „An den jeweiligen Tatorten fanden die zuständigen Behörden stets eine Buschnatter jener Art, die Mylady Ihnen zuwarf.“ „Aus Weichplastik ...“ Upcorn schielte zu der falschen Natter hinüber. „In der Tat, aus Weichplastik“, bestätigte der Butler. „Womit es sich wohl um eine Art Markenzeichen handelt, wenn ich es so volkstümlich ausdrücken darf.“ „Aber woher weiß man, daß es sich um Schlangengift als Mordmittel handelt?“ Upcorn war hellhörig geworden. „Das ergaben die eingehenden chemischen Analysen“, fuhr Parker fort. „Ein Zweifel ist ausgeschlossen.“ „Und warum wurden diese Menschen ermordet?“ wollte Upcorn jetzt wissen. „Bei den Opfern handelt es sich um Angehörige von Regierungsämtern, die in der Öffentlichkeit wohl kaum bekannt sein dürften“, erklärte Parker zurückhaltend. „Um Mitglieder des Geheimdienstes“, präzisierte Agatha Simpson ungeniert. „Ich werde natürlich schweigen wie das Grab“, versprach Upcorn hastig. „Das reicht nicht“, murrte die 60jährige Detektivin. „Gräber können Plaudertaschen sein.“ „Ich werde schweigen wie kein Grab“, versprach Upcorn zusätzlich. „Um aber auf die Opfer zurückzukommen ... Warum hat man sie ermordet?“
„Um verschiedene Geheimdienste lahmzulegen“, knurrte Lady Agatha. „Du lieber Himmel, Upcorn, sind Sie wirklich so begriffsstutzig? Wenn man führende Mitarbeiter in diesen Ämtern umbringt, kommt der ganze Betrieb in Unordnung. Die bisherigen Opfer waren fast so etwas wie menschliche Computer. Nur sie allein wußten von gewissen internen Zusammenhängen, die sie aus Sicherheitsgründen niemals niederschrieben. Begreifen Sie jetzt?“ „Schrecklich!“ hauchte Upcorn. „Ich glaube, das sagten Sie bereits schon“, grollte Agatha Simpson. „Die bisherigen Opfer gehörten dennoch zu den unteren Chargen. Nicht auszudenken, wenn jetzt die führenden Männer ermordet werden.“ „Und das steht zu befürchten, Mylady?“ „Natürlich, Upcorn. Aber Mr. Parker und ich werden das verhindern!“ Lady Agatha sagte das in einem Ton, der keinen Widerspruch oder Zweifel aufkommen ließ. * Melvin Docker und Artie Selwyn waren etwas nervös geworden. Ihre beiden Opfer ließen sich sehr viel Zeit im Haus dieses Bert Upcorn. Es war vor allen Dingen Docker, der unter Dampf stand. „Wenn die nicht bald aufkreuzen“, sagte er zu Selwyn, „rauschen wir in den Bau dort drüben und machen sie im Haus fertig.“ „Zu gefährlich“, entschied Selwyn. „Wir wissen ja nicht, wie viele Leute sich da rumtreiben und müssen warten. Was ist denn, Melvin?“
Während er noch redete, drehte Artie Selwyn sich schnell um. Er hatte sofort an die Rückkehr des Polizeistreifenwagens gedacht. Doch zu seiner Erleichterung sah er nur eine junge attraktive Frau, die aus dem nahen Wäldchen kam. Auf sie war sein Partner Docker aufmerksam geworden. Das Mädchen — es handelte sich um eine junge Frau von vielleicht 25 Jahren — sah verängstigt aus. Sie schien am Ende ihrer Kräfte zu sein. Sie taumelte, fiel auf die Knie, raffte sich wieder auf und rannte weiter auf sie zu. Dabei sah sie in kurzen Abständen immer wieder zurück in das dichte Unterholz, aus dem sie gekommen war. Sie schien ganz eindeutig eine Verfolgung zu fürchten. Die junge Frau sah trotz ihrer panischen Furcht sehr reizvoll aus, was wohl mit ihrer reichlich mitgenommenen Kleidung zusammenhing. Die weiße Bluse war an den Schultern tief eingerissen und zeigte sehr viel nackte Haut. Der dunkle Rock bestand eigentlich nur noch aus Fetzen und gab den Blick frei auf schlanke Oberschenkel. Das kupferrote, lange Haar der Frau war gelöst und wehte hinter ihr her. „Mein lieber Mann“, sagte Docker andächtig. „Moment mal“, entschied Selwyn und ging der Frau entgegen, die aufgeregt winkte. Sie war völlig außer Atem, als sie Selwyn erreicht hatte, „Der Kerl“, keuchte sie, „der Kerl dort hinten.“ „Beruhigen Sie sich erst mal“, sagte Selwyn. „Was ist passiert?“ „Helfen Sie mir“, schluchzte sie auf und rutschte von den Beinen. Selwyn faßte nur zu gern zu und hielt sie fest. Die junge
Frau drängte sich schutzsuchend an ihn und zitterte wie Espenlaub. „Was ist denn passiert?“ fragte Selwyn erneut und nickte seinem Partner zu, der neben ihm erschien. „Ich bin überfallen worden“, schluchzte die Frau mit dem kupferroten Haar. „Ein Kerl...“ „Sieh’ mal nach“, rief Selwyn Docker zu und hatte nichts dagegen, die junge Frau weiterhin festzuhalten. „Das ist mehr was für dich“, gab Docker zurück und drängte sich an das zitternde Mädchen. Selwyn, der seinen Partner schließlich kannte, drückte sie ihm in die Arme und ging vorsichtig auf das dichte Unterholz zu. „Okay, Süße, alles klar“, sagte Docker inzwischen und zog sie an sich. „Ich paß’ schon auf dich auf.“ Sie schien zu spüren, daß sie wirklich keine Angst mehr zu haben brauchte und preßte sich noch enger an ihn. Dabei zuckte Melvin Docker ein wenig zusammen und sagte „Autsch ...!“ Er hatte das Gefühl, von einer Nadel gestochen worden zu sein. Doch dieser kleine Schmerz im Genick war belanglos. Die Wärme des schlanken Frauenkörpers war wesentlich interessanter. „Er wollte mich ... vergewaltigen“, schluchzte die junge Frau. „Es war schrecklich.“ Melvin Docker, der kalte und brutale Killer von Geblüt, erlebte ein Gefühl, das er bisher nicht kannte. Die animalische Wärme des Körpers, den er in Armen hielt, ließ ihn ehrlich schwach werden. Er spürte das deutlich im wahrsten Sinn des Wortes. Seine Beine verwandelten sich in Gummiwürste, die das Körpergewicht nicht mehr zu halten vermochten. Melvin Docker sah die nackten Schultern der
jungen Frau wie durch einen dichten Nebel. Und plötzlich schrillten seine inneren Alarmklingeln...! Sie signalisierten Gefahr. Der Killer wollte die Frau von sich stoßen und sich befreien. Er suchte nach seiner Schußwaffe, um instinktiv zu schießen. Während er sich das alles vornahm, rutschte er am Körper der Frau zu Boden und fiel auf die Knie. In seinem Kopf schien eine Bombe zu explodieren, er stöhnte und wurde augenblicklich bewußtlos. Die junge Frau kümmerte sich nicht weiter um den am Boden liegenden Mann. Sie beobachtete kurz und sehr aufmerksam die Straße, um dann zurück ins Unterholz zu laufen. Sie brauchte nicht lange zu suchen. Der zweite Mann, Artie Selwyn, hatte die Suche nach dem Sittenstrolch überraschend aufgegeben. Er lag im Gras und pflegte der Ruhe. Er schlief tief und fest. Auch er hatte einen leichten Kratzer oder Stich davongetragen, als die junge Frau sich ängstlich an ihm festgeklammert hatte. Doch Selwyn hatte sich nicht weiter darum gekümmert. Die junge Frau mit dem langen, kupferroten Haar, die überraschenderweise überhaupt nicht ängstlich wirkte, sondern einen gelassenen und beherrschten Eindruck machte, lächelte ein wenig spöttisch auf Selwyn hinunter... * Nachdem Bert Upcorn mit den Tatsachen vertraut gemacht worden war, verwandelte er sich in einen äußerst kühl wirkenden Fachmann, der er ja auch war.
„Die chemischen Analysen ergaben also eindeutig Schlangengift“, vergewisserte er sich. „Ein Irrtum ist ausgeschlossen“, sagte Parker. „Und man ist sicher, daß die Opfer tatsächlich von Schlangen gebissen wurden?“ „Die Bißstellen waren typisch“, fügte Parker hinzu, „zwei symmetrische Einstiche in einem Abstand von etwa anderthalb Zentimetern.“ „Trat der Tod infolge eines Nervengiftes oder Blutgiftes ein?“ ‘ „Durch Nervengift“, antwortete Parker. „Die Atemzentren wurden gelähmt ...“ „Gibt es noch eine andere Giftart?“ schaltete sich Agatha Simpson ein. „Natürlich, Mylady“, lautete Bert Upcorns Antwort. „Neben den Neurotoxinen gibt es noch die Blutgifte, die die roten Blutkörperchen auflösen und die Gefäßwände derart verletzen, daß sie blutdurchlässig werden.“ „Verschonen Sie mich um Himmels willen mit weiteren Details“, grollte die Detektivin den Fachmann an. „Diese“ Einzelheiten reichen mir bereits.“ „Schlangen sind faszinierend, wenn man sich mit ihnen beschäftigt“, behauptete Upcorn, wobei seine Augen plötzlich freudig glitzerten. „Wußten Sie, Mylady, daß man etwa zweitausendfünfhundert Schlangenarten kennt, von denen wiederum rund dreihundertsechzig giftig sind?“ „Gräßlich.“ Agatha Simpson sah sicherheitshalber zur Portiere hinüber, hinter der Cindy verschwunden war. ‘ „Wir kennen Röhren- und Furchenzähner“, fügte Upcorn hinzu. „Mich interessiert nur diese ‘Viper’, Upcorn.“
„Ein Täter, der mit Schlangen tötet“,.. sagte Upcorn versonnen. „Eine nicht gerade leichte Methode.“ „Wieso?“ Die Detektivin widmete sich wieder dem Fachmann. „Sie brauchen sehr viel Wärme, eine gewisse Luftfeuchtigkeit und sichere Transportbehälter. — Ganz zu schweigen davon, daß man sie nicht gerade dressieren kann.“ „Dressieren?“ Agatha Simpson sah Upcorn ein wenig verwirrt an. „Sie beißen schließlich nicht auf Kommando“, redete Upcorn eifrig weiter. „Ihr Biß hängt von vielen Umständen ab. — Sie müssen sich angegriffen fühlen Und gereizt sein.“ „Und werden schließlich auch gesehen“, fügte Parker nachdenklich hinzu. „Das kommt hinzu“, bestätigte Upcorn. „Eine Buschnatter wie dort die Gumminachbildung, ist immerhin im Schnitt anderthalb Meter lang. So etwas übersieht man nicht so leicht.“ „An den jeweiligen Tatorten wurden nur die Nachbildungen gefunden“, sagte Parker und deutete auf die Weichplastik vor der Portiere. „Ich habe schon begriffen.“ Bert Upcorn nickte animiert. „Nach dem jeweiligen Biß wurde die ‘Schlange wieder eingefangen. Auch das ist für den Mörder nicht ohne Risiko, wenngleich die Schlange nach dem Biß auch nicht mehr über ihr Giftmaximum verfügt.“ „Wir haben es also mit einem erstklassigen Fachmann zu tun, nicht wahr?“ erkundigte sich Agatha Simpson. „Das kann man wohl sagen, Mylady.“ Bert Upcorn nickte bestätigend. „Mit einem Fachmann, der in der Lage sein muß, sich eine Giftschlange zu halten“, ließ Parker sich gemessen
vernehmen, „oder vielleicht mehrere dieser Exemplare.“ „Und solch einen Mann suchen wir“, stellte die resolute Sechzigerin fest. „Sie sind doch auf diesem Gebiet bewandert, Upcorn. Welche Gruppe oder Person käme dafür in Betracht?“ „Fangen Sie doch bei mir an, Mylady“, erwiderte Bert Upcorn und lachte dünn und wie meckernd. „Ich wäre genau der Mann, den Sie suchen!“ * Der Polizeistreifenwagen näherte sich erneut dem am Straßenrand stehenden Austin und hielt an. Diesmal stiegen beide Beamte aus und gingen langsam auf den Wagen zu, dessen rechte Tür geöffnet war. Die beiden Männer waren erfahrene Streifenfahrer, die einen wachen Sinn für Ärger hatten. Dieses Gefühl steigerte sich noch, als der Austin leer war. Sie machten sich sofort daran, nach den beiden Insassen zu suchen. Die geöffnete Wagentür deutete darauf hin, daß sie sich in nächster Nähe befanden. Die beiden Polizisten brauchten nicht lange zu suchen, zumal frische Fußspuren im Gras ihnen den Weg zeigten. Knapp vorn im Unterholz entdeckten sie die beiden Männer, die einen mehr als ungewöhnlichen Eindruck machten. Bis auf ihr Unterzeug waren sie nämlich nackt. Sie trugen Slips, sonst nichts, und wirkten total alkoholisiert. Der Whiskygeruch, der von ihnen ausging, machte schon fast betrunken. Die leere Flasche neben einem der beiden Männer redete eine deutliche Sprache.
Die zwei Killer, um die es sich handelte, schliefen fest. Sie reagierten überhaupt nicht, als einer der Polizisten sie an der Schulter rüttelte. „Komm’ mal her...“, rief der erste Streifenbeamte und zeigte dann seinem Begleiter zwei schallgedämpfte Waffen, die zu Füßen der beiden Betrunkenen im Gras lagen. „Mein Gott, das sind ja die reinsten Mörser“, meinte der zweite Beamte und tippte mit dar Fußspitze gegen die Waffen. „Was haben wir denn hier für Vögel aufgestöbert?“ „Gangster!“ Der erste Streifenbeamte wußte es bereits mit letzter Sicherheit. „Die beiden Burschen kamen mir ja gleich verdammt schräg vor ...“ In Anbetracht der Schußwaffen mit ihren langen Schalldämpfern bemühten die Streifenbeamten sicherheitshalber ihre Handschellen und setzten die Gangster außer Gefecht. Erst danach suchten sie per Sprechfunk von ihrem Wagen aus Verbindung mit ihrer Station. Melvin Docker aber und Artie Selwyn schliefen immer noch. Sie hatten nicht die leiseste Ahnung, welchen Wirbel sie verursacht hatten. Möglicherweise aber träumten sie von einer attraktiven Frau, die sie um Rettung und Hilfe angefleht hatte. * Agatha Simpson und Butler Parker befanden sich in dem großen Gewächshaus ihres Gastgebers, das nichts anderes war als eine Schlangenfarm. Der Eindruck war überwältigend. Unter der hohen Glaskuppel gab es ein Riesen-Terrarium, in dem sich Schlangen aller Art tummelten.
„Eine wahre Angstgrube“, entsetzte sich Lady Simpson und trat vorsichtig an den Rand des betonierten Terrariums, um einen Blick auf die zahlreichen Lieblinge von Bert Upcorn zu werfen. Upcorn wollte einzelne Schlangen beim Namen nennen und sie vorstellen, doch Agatha Simpson winkte energisch ab. „Ersparen Sie sich das, Upcorn“, sagte sie fast streng. „Ich würde die Namen doch gleich wieder vergessen. Widerlich schön!“ Sie hatte nicht übertrieben. Schlangen aller Größen waren zu sehen, schwarze, stumpfbraune, grüne und farbig gefleckte. Es mochten fast an die hundert Reptilien sein, die sogar über so etwas wie Unterkünfte verfügten. Inmitten des nur spärlich bewachsenen Terrariums gab es einige kegelförmige Betonunterschlüpfe. „Fressen die sich nicht gegenseitig auf?“ erkundigte sich Lady Agatha hoffnungsfroh. „Nur recht selten“, erwiderte Upcorn. „Sie dürfen nicht vergessen, Mylady, daß sie regelmäßig gefüttert werden.“ „Und für so etwas gebe ich mein Geld aus“, stellte Lady Agatha ein wenig ungläubig und unwirsch zugleich fest. „Wir brauchen sie zur Herstellung von Schlangenserum“, erläuterte Upcorn. „Pferde werden mit genau dosierten ‘Giftmengen präpariert, die dann später das begehrte Schlangenserum liefern... Ganz zu schweigen von Schlangengiften für die Heilkunde ...“ „Nur keine Einzelheiten“, warnte die Detektivin ihren Gastgeber. „Ich glaube, ich werde in den kommenden Nächten davon träumen.“ „Es lohnt sich“, versprach Upcorn ahnungslos, „wenn ich Ihnen jetzt viel-
leicht mal das Abmelken von Giftschlangen zeigen darf.“ „Sie übertreiben, Upcorn!“ Der Mann hörte überhaupt nicht zu. Er griff nach einer langen Bambusstange, an deren Ende sich eine Schlinge befand, die man vom Griff aus zuziehen konnte. Wie ein Angler beugte er sich über den Rand des Terrariums und . .. fischte sich eine relativ kurze, plump aussehende Schlange heraus. „Eine ordinäre Klapperschlange“, sagte er dann. „Natürlich sehr giftig, aber auch sehr ergiebig ...“ Was danach geschah, ließ selbst den Butler ein wenig zittern, wenn auch sehr diskret. Fasziniert schaute er zu, wie schnell und sicher Upcorn mit der Klapperschlange umzugehen verstand. Eben noch baumelte sie hilflos in der Schlinge, doch eine Sekunde später befand sie sich bereits in der rechten Hand von Bert Upcorn. Der Schlangenexperte hatte sie äußerst geschickt hinter dem Kopf gefaßt und machte sich überhaupt nichts daraus, daß sich der plumpe Leib um seinen Unterarm ringelte. Das Reptil war mit dieser Prozedur überhaupt nicht einverstanden und sperrte seinen Rachen auf. Die beiden Giftzähne waren deutlich zu sehen, erstaunlich lang und kräftig ausgebildet. Upcorn war in seinem Element. Er trug die Schlange hinüber zu einem kleinen Tisch, der auf Rollen stand. Auf diesem Tisch befanden sich Glasbecher, über deren Öffnung sich Mull straff spannte. Die Klapperschlange war ungemein dankbar dafür, endlich etwas tun zu können. Als Bert Upcorn ihr den Glasbecher mundgerecht servierte, schlug sie ihre
beiden Giftzähne blitzschnell in das Mulltuch, vollkommen sicher, es mit einem Feind oder mit einer Beute zu tun zu haben. „Sehen Sie, Mylady, das Gift! Farblos ...“ Stolz und ungeniert zeigte Upcorn, wie die Schlange sich ihres Gifts entledigte. Ein Tropfen nach dem anderen sickerte aus den beiden Zähnen, durch den Mull und dann hinunter in den Glasbecher. „Sehr schön“, lobte Upcorn, als die Schlange ihre Pflicht getan hatte. „Sehr schön. Braves Tier!“ Er trug sie zurück an den Rand des Terrariums und ließ die Schlange zurück in ihr Revier gleiten. Sie wirkte noch sehr aufgeregt, klapperte ein wenig herum und glitt dann beleidigt in einen der Betonkegel. „Mr. Parker, denken Sie daran, daß ich gleich einen Kognak oder Whisky brauche“, sagte Agatha Simpson, sich an ihren Butler wendend. „Das zieht mir fast die Schuhe aus.“ Bert Upcorn war ein wenig beleidigt. Fast wie die Klapperschlange, die er vorgeführt hatte. Er verstand überhaupt nicht, wie man sich vor Reptilien ekeln oder fürchten konnte. „Darf ich Ihnen denn noch vorher die Experimentier-Terrarien zeigen?“ fragte er, sich zusammenreißend. „Was wollen Sie mir zeigen?“ erkundigte sich die Detektivin. „Die Fangmethoden gewisser Schlangen“, antwortete Upcorn. „Wir wollen herausfinden, auf welche Art und Weise die Tiere ihre gebissenen Opfer aufspüren. Sie dürfen nicht vergessen, daß die kleinen Beutetiere nach dem Biß ja losgelassen werden und wegrennen. Die Schlange behält ihre Beute ja nicht
zwischen den Zähnen. Wenigstens nicht die Giftschlangen! Und nun haben wir...“ „Ich bin sicher, daß das alles ungemein wichtig ist“, stellte Lady Simpson abwehrend fest. „Aber jetzt überfordern Sie mich, Upcorn. Ich werde bei Gelegenheit noch mal vorbeikommen. Wahrscheinlich nach den nächsten zehn Jahren...“ „Drüben unter den botanischen Pflanzen stehen die Einzelbehälter für Schlangen“, redete Upcorn hoffnungsvoll weiter. „Die müssen Sie sich unbedingt ansehen, Mylady ... Schlangen, die spucken können und Blindheit verursachen! Ungemein interessant und reizvoll.“ „Wo ist der Kognak?“ erkundigte sich Agatha Simpson bei ihrem sehr zurückhaltend wirkenden Butler. Josuah Parker wußte zu dienen. Aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers holte er eine flach Taschenflasche hervor, die mit Leder bespannt war. Er schraubte den silbernen Verschluß ab und benutze ihn als Becher. Dann servierte er Mylady einen Erfrischungstrunk. „Noch einen!“ Agatha Simpson hatte die erste Ration gekippt wie ein Fuhrknecht und schüttelte sich wohlig. Nach dem dritten Drink belebte sie sich wieder etwas. „Wir arbeiten auch mit giftigen Tausendfüßlern und Erdkröten“, offerierte Bert Upcorn weiter Besichtigungsmöglichkeiten. „Sie werden begeistert sein, Mylady!“ „Wollen Sie, daß ich total betrunken werde?“ grollte Lady Simpson den Gastgeber an. „Mr. Parker! Worauf warten Sie denn noch?“ Butler Parker reichte seiner Herrin einen vierten Drink, der sie derart in Schwung
versetzte, daß sie auf ihren stämmigen Beinen aus der Schlangenfarm eilen konnte. So schnell übrigens, daß Parker seine liebe Mühe und Not hatte, ihr würdevoll zu folgen. „Mylady scheint etwas gegen Schlangen zu haben“, mutmaßte Bert Upcorn ahnungsvoll. „Aber keineswegs, Mr. Upcorn“, erwiderte Parker, „wie ich Mylady kenne, spielt Mylady wahrscheinlich mit dem Gedanken, sich einen Python als Haustier zu halten.“ * Butler Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr zurück in die Innenstadt von London. Im Fond des Wagens saßen Lady Simpson und eine junge, attraktive Frau mit schulterlangem, kupferrotem Haar. Sie hatte auf die beiden Killer einen hilflosen Eindruck gemacht und trug einen gut geschnittenen Hosenanzug. „Was sagen Sie zu diesen Flegeln, die von Miß Kathy außer Gefecht gesetzt wurden?“ erkundigte sich Lady Agatha bei ihrem Butler. Sie hatte sich gerade den ausführlichen Bericht ihrer Gesellschafterin angehört und dazu immer wieder zufrieden genickt. Kathy Porter wirkte rein äußerlich wie ein scheues Reh, aber sie hatte es faustdick hinter den Ohren. Sie war in vielen Künsten bewandert und lernte immer noch dazu. Was wohl mit Butler Parker zusammenhing, der ein ungemein guter Lehrmeister war. „Man sollte davon ausgehen, Mylady, daß die beiden Männer den Auftrag hatten, Miß Porter und meine bescheidene
Wenigkeit umzubringen“, beantwortete Parker die Frage seiner Herrin. „Sehr tiefsinnig bemerkt“, raunzte Lady Simpson. Sie konnte sich wie ein mürrischer Feldwebel benehmen. „Falls dem so ist“, redete Parker würdevoll weiter, „müßte man davon ausgehen, daß die ‘Viper’ bereits informiert worden ist, daß Mylady es übernommen hat, die Mordfälle aufzuklären.“ „Eine undichte Stelle bei Sir Alfred also?“ „Davon könnte man in der Tat ausgehen, Mylady.“ Sir Alfred, den Agatha Simpson gerade erwähnt hatte, war der Leiter einer äußerst geheimen Dienststelle Ihrer Majestät. Sir Alfred war der Mann, der bisher sechs wertvolle Mitarbeiter durch Schlangengift verloren hatte. Er koordinierte den Einsatz seiner Mitarbeiter, die sich auf Agentenfang spezialisiert hatten, und war es gewesen, der sich in seiner Verzweiflung an Lady Simpson und Butler Parker gewendet hatte. Ihm war jedes Mittel recht, wie er sich taktvoll geäußert hatte, um den Mörder seiner Leute zu finden. „Also ein Verräter im Büro Sir Alfreds!“ Agatha Simpsons Stimme nahm einen zufriedenen Unterton an. „Dies liegt durchaus im Bereich der Möglichkeiten“, ließ der Butler sich vernehmen. „Begeistert klingt Ihre Stimme gerade nicht, Mr. Parker.“ Die resolute Stimme grollte jetzt ein wenig. „Es ist sehr schwer, Mylady, sich einen Verräter in Sir Alfreds Umgebung vorzustellen.“
„Das stimmt allerdings! Also kein Verräter ... Bleibt aber die Tatsache, daß die ‘Viper’ Bescheid wußte. Woher?“ „Sie wird es auf dem Weg erfahren haben, Mylady, wie sie an die Namen und Adressen der sechs Opfer gekommen ist.“ „Sie sind heute mal wieder umwerfend logisch“, brummte Agatha Simpson kriegerisch. „Natürlich gehören beide Fragen zusammen.“ „Könnte Sir Alfreds Büro nicht von außen abgehört worden sein?“ ließ Kathy Porter sich jetzt vernehmen. „Es gibt doch Richtmikrofone, mit denen man durch Mauern hindurchhören kann.“ „Eine bemerkenswerte Feststellung“, sagte Parker. „Im Fall Sir Alfreds wäre das leicht zu bewerkstelligen. Theoretisch!“ „Warum hat Sir Alfred denn nie an solch eine Möglichkeit gedacht?“ regte sich Lady Simpson auf. „Ein bodenloser Leichtsinn!“ „Sir Alfred dachte an solche Möglichkeiten“, erklärte Parker gemessen. „Ich sollte Mylady darauf aufmerksam machen, daß Sir Alfreds Büro selbstverständlich abhörsicher ist, wie mir bestätigt wurde. Über die technischen Details wurde ich bedauerlicherweise nicht informiert, aber man versicherte mir, daß man mit Richtmikrofonen nichts aushorchen kann.“ „Sie nehmen einem auch jede Hoffnung, Mr. Parker“, beschwerte sich Agatha Simpson. „Keineswegs, Mylady“, rechtfertigte sich Josuah Parker. „Darf ich Myladys Aufmerksamkeit aber auf die Opfer hinlenken? Es handelt sich nicht um ermordete Agenten, die von Sir Alfred eingesetzt werden, sondern um Innendienstbeamte seiner Büros, also um Mit-
arbeiter, die man relativ einfach ausmachen kann.“ „Wenn schon, Mr. Parker.“ Lady Simpson lehnte sich triumphierend vor. „Wir haben uns aber in Sir Alfreds Büro befunden, als er uns um Hilfe bat! Und das ist schließlich der ‘Viper’ bekannt geworden ... Haben Sie dafür eine Erklärung?“ „Ich fürchte, Mylady, diese Frage verneinen zu müssen“, antwortete Butler Parker würdevoll. „Wenn Mylady erlauben, werde ich über dieses Problem nachdenken.“ „Genieren Sie sich bloß nicht“, grollte die Sechzigjährige ihren Butler an. „Ich möchte mich vor Sir Alfred nämlich nicht blamieren. Ich möchte es ihm und seinen Fachleuten mal gründlich zeigen ...“ Parker kannte sehr wohl den kriminalistischen Ehrgeiz der kriegerischen älteren Dame. Er fragte sich allerdings insgeheim, ob dieser mörderische Fall für sie alle nicht eine Nummer zu groß war. * „Ausgezeichnete Aufnahmen“, stellte Josuah Parker fest. Zusammen mit Kathy Porter befand er sich in der Dunkelkammer von Agatha Simpsons Stadtwohnung in Shepherd’s Market, einem noch fast idyllisch und dörflich wirkenden Stadtteil von London, östlich des Hydepark. Kathy Porter hatte die Gesichter der beiden Wegelagerer fotografiert, die sie vor der Schlangenfarm Bert Upcorns geschickt überwältigt hatte. Natürlich hatte sie in den Taschen der beiden Männer nicht den geringsten Hinweis auf deren Identität finden können. Ja, sie war zusammen mit Butler Parker von dieser
Voraussetzung ausgegangen. Darum hatte der Butler ihr auch eine Minox in die Hand gedrückt, als sie in das kleine Wäldchen gehuscht war. Während der Fahrt von London zu Mister Upcorn war Parker nicht entgangen, daß sie verfolgt worden waren. Er hatte daraus seine Schlüsse gezogen und Kathy Porter gebeten, etwas für die allgemeine Sicherheit zu tun. Das scheue Reh Kathy hatte sich dabei wieder mal selbst übertroffen. Die Gesichter von Melvin Docker und Artie Selwyn waren auf den Fotos gestochen scharf zu sehen. Der einzige Nachteil war, daß die Augen der beiden Männer geschlossen waren, doch dafür besaß Parker einwandfreie Fingerabdrücke, die Kathy Porter ihm von den beiden Killern mitgebracht hatte. „Kennen Sie sie, Mister Parker?“ fragte Kathy Porter, auf die beiden Aufnahmen deutend. „Leider nicht“, gab der Butler zurück, „völlig neue, Gesichter ... Ich möchte annehmen, daß die Viper absichtlich mit fremden Leuten arbeitet.“ „Was wollen Sie mit den beiden Aufnahmen jetzt machen?“ „Ich werde sie zirkulieren lassen“, meinte Parker. „Es gibt da eine Vereinigung, in der sich Angestellte von Nachtbetrieben zusammengeschlossen haben.“ „Oh, ich verstehe!“ Kathy Porter lächelte. „Sie nehmen an, daß diese beiden Profis in irgendeinem Nachtlokal gesehen worden sein müssen.“ „Die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, Miß Porter.“ „Werden diese beiden Männer aber die ‘Viper’ kennen?“
„Wahrscheinlich nicht. Man wird sie per Telefon engagiert haben, doch darauf kommt es nicht an. Ich möchte Unruhe schaffen und erreichen, daß die ‘Viper’ sich mit meiner bescheidenen Wenigkeit beschäftigt und sich dabei eine erste Blöße gibt.“ „Sie bieten sich wieder mal als Köder an, Mister Parker?“ „Eine Rolle, die mir angemessen ist.“ „Die aber lebensgefährlich ist, Mister Parker!“ Kathy Porter, die den Butler sehr mochte, war ernst geworden. „Das Überqueren einer belebten Hauptverkehrsstraße ist nicht ungefährlicher“, behauptete Parker gemessen. „Ich möchte erreichen, daß diese unheimliche ‘Viper’ sich erst mal ausschließlich für mich interessiert. Was bedeutet, daß Lady Simpson und Sie, Miß Porter, tunlichst die Stadt verlassen sollten. Wenigstens für ein paar Wochen.“ „Das werden Sie bei Mylady niemals schaffen, Mister Parker!“ „Es wird nicht leicht sein“, räumte der Butler ein, „aber da sie eine deutliche Aversion gegen Schlangen hat, müßte es dennoch einen Weg geben.“ Josuah Parker kam nicht mehr dazu, seine Absichten näher zu erläutern, denn ein plötzlicher, gellender Schrei des Entsetzens drang in die Dunkelkammer. Nachdem Parker und Kathy Porter sich für den Bruchteil einer Sekunde entgeistert angesehen hatten, verließen sie die Dunkelkammer. Kathy Porter raste förmlich hinauf ins Erdgeschoß, während Parker sich bei aller Eile immerhin noch um Würde und Gemessenheit bemühte. *
„Sehen Sie sich das an!“ Agatha Simpson stand auf der Sitzfläche eines Sessels und deutete hinunter auf den Teppich. Myladys Stimme zitterte. Es war deutlich zu erkennen, daß ihre ansonsten starke Nerven vibrierten. Was auch zu verstehen war, denn auf dem Teppich befand sich eine schwarze, etwa anderthalb Meter lange Schlange. „Passen Sie auf, Mister Parker“, rief die Detektivin ihrem Butler entgegen, „ich weiß nicht, ob es sich um Plastik handelt.“ Was wirklich nicht genau zu erkennen war. Parker schob Kathy Porter, die sich neugierig vorgewagt hatte, sicherheitshalber zurück. Dann näherte er sich der Schlange, die einen sehr ruhigen Eindruck machte. Der Butler nahm ein Kissen vom Sessel und warf nach dem Reptil. Es schnellte hoch, wurde dann aber von dem Kissen begraben. Parker bemühte sich hinaus in den Korridor und holte seinen UniversalRegenschirm. Mit der Spitze stocherte er nach der Schlange und zerrte sie unter dem Kissen hervor. „Mylady haben sich nicht geirrt“, sagte er dann erleichtert. „Eine Nachbildung aus Plastik.“ „Aber sie hat sich doch bewegt!“ Lady Simpson dachte nicht daran, den schützenden Sessel zu verlassen. „Wahrscheinlich befindet sich in der Nachbildung eine Feder“, erläuterte Parker und schob die Schlange auf die Spitze seines Schirms. Was sich jetzt zeigte, war durchaus geeignet, Ekel, Entsetzen oder Faszination auszulösen. Die Schlangennachbildung schien zu leben. Sie bewegte und ringelte sich und
plumpste wieder zurück auf den Teppich. Die Bewegungen waren ungemein echt. Auf dem Teppich gelandet, schnellte die Schlange wieder hoch und bäumte sich auf. „Eine verdrehte Spiralfeder innerhalb der Plastikform“, kommentierte der Butler angeregt. „Eine überraschend gute Imitation.“ „Ich verlasse erst dann den Sessel, wenn Sie diese Imitation in Stücke geschnitten haben“, erklärte Lady Simpson von ihrem erhöhten Standort. Ihre Stimme war sehr fraulich-ängstlich geworden. Vor Schlangen schien sie einen echten Horror zu haben. Parker kam den Wunsch seiner Herrin nach. Mit dem Absatz seines schwarzen Schuhs trat er auf den dreieckigen Kopf der Nachbildung und zuckte ein wenig zusammen, als der Schlangenleib sich aufbäumte und um sein rechtes Hosenbein ringelte. Parker bewegte den Absatz, an dem sich ein eisernes Hufeisen befand, hin und her und zermalmte den Kopf der Imitation. Als er den Fuß zögernd hob, war der Kopf der Schlange völlig unverletzt. Die Weichplastik hatte die nachdrückliche Behandlung unbeschadet überstanden. Die Schlange bewegte sich erneut und ringelte sich. “Schaffen Sie endlich dieses Biest weg!“ Agatha Simpsons Stimme klang schrill. Obwohl der Butler inzwischen wußte, daß er es wirklich mit einer äußerst geschickten Nachbildung zu tun hatte, mußte er sich ehrlich überwinden, den glatten, schwarzen Körper der Schlange zu greifen. Auch seine wohl angeborene Abneigung gegen Kriechtiere dieser Art
ließ sich nur schwer vom Stand her umdirigieren. Dann hielt er die Nachbildung am Schwanz fest. Sie stand unter einer inneren Federspannung, wie jetzt deutlich zu erkennen war. Die Bewegungen des Schlangenkörpers verliefen nach einem ganz bestimmten Rhythmus. „Mylady können den Sessel wieder verlassen“, sagte Parker. „Darf ich mir die Freiheit nehmen, mich nach der Herkunft der Nachbildung zu erkundigen?“ „Sie wurde durch das Fenster hier in den Salon geworfen.“ Agatha Simpson blieb beharrlich auf dem Sessel, deutete jetzt aber hinüber auf das weit geöffnete Fenster, das zur Straße führte. Dann sah sie wieder mißtrauisch auf die Plastikform in Parkers Hand. „Sind Sie sicher, daß dieses scheußliche Ding tatsächlich nur eine Imitation ist, Mister Parker?“ „Mit letzter Sicherheit, Mylady.“ „Dann helfen Sie mir hinunter!“ Als Parker auf sie zukam und hilfreich seine Hand ausstreckte, stieß sie einen schrillen Schrei aus. „Sind Sie verrückt?“ fauchte sie dann ihren Butler an. „Tun Sie das Biest weg, Mister Parker! Wollen Sie, daß ich einen Herzschlag bekomme?“ Parker entschied sich für die Schlange und trug sie in die Küche. Hier steckte er sie in einen Abfalleimer und schob diesen Eimer so unter ein Regal, daß der Deckel festgeklemmt wurde. Als er sich aufrichtete, schüttelte er über sich selbst den Kopf. Er wußte, daß die Schlange eine Nachbildung aus Plastik war, dennoch sicherte er sie derart, als könnte sie jeden Moment lebendig werden. Wie tief steckte doch die Abneigung gegen Kriechtiere dieser Art im Menschen!
Als er in den Salon zurückgekehrt war, befand Lady Simpson sich wieder auf ihren stämmigen Beinen. Das Fenster war inzwischen geschlossen worden, was wohl auf das Konto von Kathy Porter ging. „Darf ich Mylady einen Erfrischungstrunk servieren?“ erkundigte sich Parker sicherheitshalber. „Wenn ich auf Sie warten würde, hätte ich bereits meinen Herzanfall“, erwiderte Agatha Simpson und hob das gefüllte Glas. Sie hatte sich bereits versorgt. „Was sagen Sie zu dieser Frechheit, Mister Parker? Das ist doch eine einzige Provokation! Eine alte Frau derart zu erschrecken. Das ist ja schon kriminell!“ „Ich erlaube mir, Mylady beizupflichten“, erwiderte Parker. „Darf ich in diesem Zusammenhang den Vorschlag unterbreiten, Mylady, die Stadt tunlichst umgehend zu verlassen. Aus Gründen der Sicherheit!“ „Was denken Sie denn von mir?“ Agatha Simpsons Stimme klang total entrüstet. Sie richtete sich auf, nahm einen mehr als herzhaften Schluck aus dem Glas und sah ihren Butler aus kriegerisch funkelnden Augen an. ;,Fühlen Sie denn nicht, daß man mich beleidigt hat? Ich denke nicht daran, dieser ‘Viper’ das Feld zu überlassen, Mister Parker! Jetzt gerade nicht! Dieses Individuum scheint nicht zu wissen, mit wem es zu tun hat. Eine Lady Simpson erschreckt man nur einmal, Mister Parker! Ich bitte mir aus, daß Sie sich etwas einfallen lassen!“ * Sir Alfred war ein hagerer, großer Typ von etwa sechzig Jahren mit dem Kopf eines Rennpferdes. Seine Oberlippe
verschwand unter einem Schnauzbart. Er trug einen unauffällig aussehenden, grauen Anzug und erinnerte in seiner ganzen Aufmachung an einen Mann aus dem Banken viertel von London. Er hatte Lady Simpson und Butler Parker gerade empfangen und erkundigte sich bei seiner Besucherin, ob sie einen Sherry oder Portwein bevorzuge. „Kognak oder Whisky“, erwiderte Agatha Simpson resolut. „In meinem Alter braucht man echte Herzanregungsmittel.“ „Es hat sich bereits etwas getan?“ erkundigte sich Sir Alfred, der hellhörig war. Parker berichtete von den gemeinsamen Erlebnissen und versorgte seine Herrin mit Erfrischungsgetränken. Anschließend überreichte er Sir Alfred Kopien jener Aufnahmen, die Kathy Porter von den beiden Männern geschossen hatte. „Wir werden uns sofort darum kümmern“, versprach Sir Alfred und legte die Fotos auf den Tisch. „Und hier wären noch die dazugehörigen Fingerabdrücke“, fügte der Butler hinzu und lieferte die Prints nach. „Gute Arbeit“, konstatierte Sir Alfred, seinen Schnauzbart streichend, „aber bringt uns das an die ‘Viper’ heran?“ „Nicht direkt.“ Parker, der seitlich hinter Lady Simpson stand, redete gemessen und korrekt wie immer. „Aber vielleicht hilft der Zufall ein wenig nach. Man kann nie wissen ...“ „Hat sich bei Ihnen etwas Neues ereignet?“ erkundigte sich Lady Agatha. „Sagen Sie, Alfred, sind Sie sicher, daß unsere Unterhaltung nicht abgehört wird?“ „Vollkommen sicher.“ Sir Alfred lächelte beruhigend. „Ich habe mein Büro
noch mal auf den Kopf stellen lassen. Alles wurde überprüft. Resultat: Absolut abhörsicher. Keine Wanzen, nichts!“ „Und doch weiß die ‘Viper’ inzwischen, daß wir für Sie arbeiten.“ „Richtig“, bestätigte Sir Alfred, „und genau das ist mir ein Rätsel. Wie hätte er die beiden Burschen sonst auf Sie hetzen können?“ „Und warum?“ warf der Butler höflich ein. Lady Simpson und Sir Alfred sahen den Butler erstaunt und auch ein wenig irritiert an. „Richtig“, sagte Sir Alfred dann. „Warum bemüht sich die ‘Viper’ um Sie?“ „Weil sie Lady Simpson und meine bescheidene Wenigkeit kennen muß“, schlußfolgerte der Butler. „Das ist es!“ Sir Alfred nickte langsam. „Dieser Täter weiß, wie erfolgreich und gefährlich Sie als Amateurkriminalisten sind. Das scheint ihn zu beunruhigen!“ „War das gerade ein Kompliment, Alfred?“ erkundigte sich die Detektivin. „Die Wahrheit“, erwiderte Sir Alfred und vergaß für einen Moment seinen Schnauzbart. „Jeder Eingeweihte weiß genau, wie erfolgreich Sie sind. Die ,Viper’ scheint nicht daran interessiert zu sein, daß Sie sich engagieren. Sie fürchtet Sie!“ „Das verdient noch einen weiteren Herzstärker“, freute sich Lady Simpson und hielt ihrem Butler das inzwischen leere Glas hin. „Schränkt das nicht den Kreis der möglichen Täter ein?“ „Durchaus drin“, sagte Sir Alfred. „Ihre Tätigkeit als Amateurkriminalisten ist doch nur Insidern bekannt...“ „Und‘ einem gewissen Kreis der Unterwelt“, warf Parker ein.
„Die ‘Viper’ muß Sie meiner Meinung nach sehr genau kennen“, wiederholte Sir Alfred nachdenklich. „Sehr genau ...“ „Bitte, Mister Parker!“ Agatha Simpson wirkte nach den Herzstärkern sehr angeregt. „Suchen wir also nach einem Individuum, das uns sehr genau kennt und mit Schlangen umzugehen versteht. Und schon haben wir die ‘Viper’ oder?“ „Sehr wohl, Mylady“, gab Parker höflich zurück. „Suchen wir nach einem Täter, der vor allen Dingen das erste Gespräch zwischen Ihnen, Mylady und Sir Alfred, abhören konnte ...“ „Das war und ist unmöglich“, behauptete Sir Alfred. „Mein Büro ist abhörsicher, ich sagte es bereits.“ „Mit wem, Sir, sprachen Sie darüber, Mylady um Hilfe und Mitarbeit zu bitten?“ erkundigte sich Butler Parker. „Mit keinem Menschen“, lautete Sir Alfreds Antwort, die ohne jedes Zögern erfolgte. „Dafür verbürge ich mich.“ „Dann haben wir es mit einem nicht gerade leichten Rätsel zu tun“, stellte Lady Agatha fest. „Schließlich wußte die ‘Viper’ dennoch Bescheid, Alfred. Können Sie sich das erklären?“ „Überhaupt nicht“, ärgerte sich der Chef und verzog sein pferdeähnliches Gesicht. „Aber sicherheitshalber werde ich das Büro noch mal von Spezialisten abklopfen lassen. Vielleicht haben diese Wunderknaben etwas übersehen und es treibt sich doch eine Wanze hier herum, auf die man noch nicht gestoßen ist.“ Es war wie auf einer Bühne. Beim Stichwort läutete das Telefon. Sir Alfred nahm den Hörer ab und meldete sich. Er hörte schweigend zu und legte dann wieder auf. Sein Gesicht sah alt, grau und
verfallen aus, als er sich seinen beiden Besuchern zuwendete. „Das siebte Opfer“, sagte er mit leiser Stimme. „Es befindet sich unten in der Tiefgarage... Tod durch Schlangenbiß!“ * Unter dem alten, verwinkelten Backsteingebäude, in dem Sir Alfreds Dienststelle untergebracht war, befand sich eine Tiefgarage, die vor einigen Jahren gebaut worden war. Sir Alfred, Lady Simpson und Butler Parker fuhren mit einem antiquiert aussehenden Lift nach unten und brauchten nicht lange nach dem Tatort zu suchen. Um einen VW herum standen einige Mitarbeiter Sir Alfreds und sicherten die Spuren. Der Tote saß noch am Steuer, und zwar in einer seltsam verkrampften Haltung. Als Sir Alfred erschien, machten die Männer Platz. Parker folgte Sir Alfred und suchte zuerst mal nach der obligaten Plastikschlange, die er dann auch auf der Bodenmatte rechts von den Beinen des Toten entdeckte. Diese Plastikschlange war etwa einen Meter lang, grauschwarz gefärbt und ringelte sich hoch, als Parker sie mit der Spitze seines Universal-Regenschirms berührte. „Welchen Rang bekleidete der Mann in Ihrer Dienststelle, Sir?“ wollte Parker wissen, nachdem er sich aufgerichtet hatte. „Ein Computerspezialist“, sagte Sir Alfred, „ein Mitarbeiter, der nur schwer zu ersetzen sein wird ...“ „Halten wir uns an Tatsachen“, schaltete sich Agatha Simpson grimmig ein. „Wo
wurde der Mann gebissen? An welcher Stelle? Hätte er nach dem Biß nicht noch den Wagen verlassen können? Wollte er weg oder kam er erst jetzt hierher in die Garage?“ Lady Simpson war eine Frau mit sehr viel Energie und Tatsachensinn. Ihre rauhe, feldwebelhafte Stimme sorgte dafür, daß die allgemeine Bestürzung über diesen Mord einer Betriebsamkeit wich, die auch wirklich angebracht war. „Biß in die linke Wade“, berichtete Sir Alfred nach wenigen Minuten bereits. „Meine Fachleute sprechen von einer typischen Schlangenbißstelle.“ „Dann hat der Mörder die Schlange also wieder mitgenommen, falls sie nicht noch hier herumkriecht...“ Während Lady Simpson diese Vermutung aussprach, sah sie sich mißtrauisch in der jetzt taghell erleuchteten Garage um. Die Männer Sir Alfreds hatten Scheinwerfer aufgebaut, die den Tatort ausleuchteten. Die Mordkommission der Kripo war erschienen und übernahm die Routinearbeit. Das Opfer wurde ausgiebig fotografiert und dann weggeschafft. Fingerabdruckspezialisten bestäubten den Wagen mit Graphitpulver und suchten nach Abdrücken. „Völlig sinnlos“, mokierte sich Lady Simpson. „Diese ‘Viper’ ist doch zu gerissen, um Fingerabdrücke zu hinterlassen. Sagen Sie, Alfred, wie schätzen Sie den Mann ein, der ermordet wurde? War er ahnungslos?“ „Kaum, denn er ist durch und durch in der Geheimdienstarbeit geschult“, gab Sir Alfred zurück. Er, Lady Simpson und Butler Parker befanden sich wieder im Lift und fuhren zurück ins Büro. „Worauf wollen Sie hinaus, Lady Agatha?“
„Haben Sie wenigstens meine Frage verstanden, Mister Parker?“ Agatha Simpson grollte, verdrehte die Augen und musterte dann ihren Butler. Parker hatte verstanden! „Mylady fragt sich, wie das Opfer getötet worden sein könnte“, erläuterte er Sir Alfred. „Befand die Giftschlange sich bereits im Wagen, als er einstieg? Oder wurde ihm die Schlange vom Täter an die Wade gedrückt. Habe ich Sie so richtig interpretiert, Mylady?“ „Natürlich!“ Lady Simpson nickte zufrieden. „War es ein aktiver oder passiver Mord?“ „Der Mann hatte Dienstschluß und wollte nach Hause fahren“, präzisierte Sir Alfred. „Er stieg also in den Wagen und wurde von dem Biß überrascht.“ Lady Simpson sah sehr animiert aus. Sie befand sich wieder mal in ihrem Element. „Warum reagierte der Mann nicht nach dem Biß? Warum stürzte er nicht aus dem Wagen und telefonierte hinauf zur Dienststelle?“ „Panik!“ Sir Alfred zuckte die Achseln. „Bei einem geschulten Mann, der bereits von sechs anderen Opfern wußte?“ Die Sechzigjährige lachte tief, dröhnend und spöttisch. „Wem wollen Sie das erzählen, Alfred? Das nehme ich Ihnen nicht ab!“ ,,Sie haben eine bestimmte Vermutung, Lady Agatha?“ „Sagen Sie’s ihm schon“, forderte sie Parker auf, der sich höflich zurückhielt. „Mylady ist der Ansicht, daß das Opfer nicht in der Lage war, den VW zu verlassen.“ „Wieso nicht?“ Sir Alfred stutzte sichtlich. „Weil das Opfer vorher betäubt worden sein muß“, redete der Butler weiter.
„Genau das ist es.“ Lady Simpson nickte dem Butler nachdrücklich zu. „Alle Opfer wurden betäubt, bevor man sie mit der Schlange vergiftete.“ „Moment mal, das ist doch völlig unlogisch.“ Sie hatten das Büro Sir Alfreds erreicht und nahmen Platz. Parker allerdings blieb korrekt und höflich seitlich hinter Lady Simpsons Sessel stehen. „Was halten Sie für unlogisch?“ erkundigte sich die Detektivin grimmig. „Wenn man alle sieben Opfer vorher betäuben konnte, dann hätte man sie auch weniger kompliziert umbringen können. Mit einem Messer oder durch einen Schuß. Der Transport einer Giftschlange, Lady Agatha, das haben Sie eben selbst gesagt, ist ziemlich schwierig.“ „Die ‘Viper’, wie sie sich nennt, liebt das Theatralische“, erwiderte Agatha Simpson, „und sie ist gleichzeitig ein guter Psychologe. Die ‘Viper’ kennt sehr gut den Ekel und die Furcht, die Schlangen nun mal beim normalen Menschen auslösen .. . Begreifen Sie das nicht? Jeder Ihrer Mitarbeiter, Alfred, dürfte sich doch in Panik befinden und inzwischen unentwegt, wo er sich auch befindet, nach den Schlangen suchen. Mir geht’s inzwischen so. Ich sehe bereits Schlangen. Psychologische Kriegführung nennt man so etwas. An bekannte Mordmethoden hat man sich gewöhnt, aber an Schlangen wird man sich nie gewöhnen. Die ‘Viper’ setzt auf unsere atavistische Angst. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“ Agatha Simpson hatte sich in Rage geredet und glich einer etwas angejahrten Amazone. Sie hatte genau das ausgedrückt, was Parker dachte. Er pflichtete ihr innerlich voll und ganz bei.
„Will dieser Mörder meine ganze Dienststelle ausrotten?“ Sir Alfred sah verständlicherweise bedrückt und ratlos aus. „Kaum, Sir“, ließ Parker sich jetzt vernehmen, gemessen und würdevoll, als sei überhaupt nichts passiert. „Dazu wäre das Risiko für den Mörder nun doch zu groß! Die Gefahr einer Entdeckung steigert sich von Mord zu Mord . . . Die ‘Viper’ dürfte inzwischen ihr Ziel erreicht haben.“ „Das kann man wohl sagen.“ Sir Alfred nickte schwer. „Meine Leute drehen durch. Von einer geregelten Arbeit kann überhaupt keine Rede mehr sein. Jeder belauert jeden! Wenn das so weitergeht kann ich mein Büro schließen. Und was das bedeutet, dürfte ja wohl auf der Hand liegen ...“ „Ich würde es gern von Ihnen hören, Alfred“, sagte Lady Agatha grimmig. „Gegnerische Agenten hätten dann freie Hand und könnten tun und lassen, was sie wollen ... Schreckliche Aussichten!“ * Die beiden Berufskiller Melvin Docker und Artie Selwyn befanden sich wieder auf freiem Fuß. Es war dunkel geworden, und sie hatten die Polizeistation gerade verlassen. Sie gingen auf den sichergestellten Austin zu, der auf dem Hof der Station stand. Die beiden Killer waren äußerst schlechter Laune. Sie konnten es nicht verwinden, daß sie von der jungen, attraktiven Frau hereingelegt worden waren. Sie kamen nicht darüber hinweg, daß ihr Auftrag unerledigt blieb. Das zehrte an ihrem Berufsstolz.
Sie waren in der Ausnüchterungszelle der Station wieder zu sich gekommen und hatten Krach geschlagen. Nach langem Palaver mit dem diensttuenden Chef war ein Polizeiarzt herbeigerufen worden, der attestierte, daß die beiden betrunkenen Männer vollkommen nüchtern waren. Docker und Selwyn hatten daraufhin eine wüste Geschichte von einem Überfall erzählt und wußten angeblich nicht, woher die beiden schallgedämpften Waffen stammten, die ihre Fingerabdrücke zeigten. Nach der Anfertigung eines Protokolls und nach ihrer Anzeige gegen Unbekannt waren sie nun wieder frei. Ihnen war zugute gekommen, daß; sie eine feste Adresse in Liverpool angeben konnten. Dort firmierten sie als Eigentümer eines kleinen Buchverlages, der sich auf Kochbücher und Ratgeber für die moderne Hausfrau spezialisiert hatte. Killer ihrer Prägung waren sehr daran interessiert, einen bürgerlichen Beruf vorweisen zu können. Sie zahlten pünktlich ihre Steuern, besaßen tatsächlich ein Büro und beschäftigten sogar einige ahnungslose Vertreter, die die Produkte des Verlages an die Frau zu bringen versuchten. Das alles hatte die Polizei nach diversen Telefonaten erfahren. „Was machen wir jetzt?“ erkundigte sich Docker, als er am Steuer des Austin Platz nahm und losfuhr. „Was hat sich geändert?“ fragte Selwyn zurück. „Wir sind reingelegt worden, aber das läßt sich wieder hintrimmen... Auftrag bleibt Auftrag! Wir haben schließlich Vorkasse gemacht.“ „Dann nichts wie hin zur Stadtwohnung dieser Lady.“
„Meine Ich auch. Dort werden wir sie und ihren Butler schon erwischen.“ „Und die Rothaarige!“ „Die heben wir uns auf“, schlug Selwyn vor. „Die wird in Raten zahlen, Melvin, was hältst du davon?“ „Gute Idee.“ Docker grinste. „Und ich weiß auch schon, wie die Raten ausfallen werden ...“ Die anfangs trübe Laune der beiden Killer besserte sich zusehends, als sie zurück in den Innenbezirk der Millionenstadt fuhren. Sie dachten kaum an ihre Opfer, die es zu erledigen galt. Sie beschäftigten sich vielmehr mit der jungen rothaarigen Frau, für die sie einige Überraschungen planten ... * „Sir Alfred ist ein Trottel“, stellte Lady Agatha sachlich fest, als sie im Fond von Parkers hochbeinigem Wagen saß. „Er sollte sich mehr mit Schlangen befassen.“ „Die sieben Opfer müssen ihren Mörder gekannt haben“, stellte Parker zusätzlich fest, „anders läßt sich ihre Überrumpelung nicht erklären.“ „Eben, Mr. Parker.“ Lady Simpson nickte nachdrücklich. „Bis auf den Mann im VW sind sie alle in ihren Wohnungen ermordet worden. Und in keinem Fall hatten die Opfer Zeit, per Telefon Alarm zu schlagen. Diese Zeit hätten sie übrigens auch nach einem Schlangenbiß noch hinreichend gehabt. Was sagte Upcorn dazu?“ „Nach dem Biß einer Giftschlange bleibt dem Opfer bis zu zwanzig Minuten Zeit, etwas dagegen zu unternehmen“, zitierte der Butler den Schlangenexperten. „Erst danach setzt normalerweise eine Verwirrung der Sinne ein, Mylady.“
„Es wird sich herausstellen, daß alle Opfer entweder niedergeschlagen oder betäubt wurden“, sagte Lady Simpson. „Erst danach wurden sie von der ‘Viper’ gebissen. Sind Sie etwa anderer Meinung?“ „Ich würde mir nie erlauben, Mylady zu widersprechen“, erwiderte der Butler würdevoll. „Was ich Ihnen auch geraten haben möchte“, grollte sie. „Bleiben wir aber beim Thema, Mr. Parker. Die Opfer waren gut ausgebildete Spezialisten, die man nicht so leicht überrumpeln kann. Also müssen Sie ihren Mörder gekannt haben.“ „Diese Hypothese bietet sich an, Mylady.“ „Oder? Ich fühle doch, daß Sie noch eine andere Möglichkeit sehen ...“ Lady Simpsons Ton klang grimmig. „Die betreffenden Opfer könnten verwirrt worden sein, Mylady.“ „Ich verstehe kein Wort, Mr. Parker. Drücken Sie sich gefälligst etwas deutlicher aus!“ „Die Opfer waren Männer.“ „Sie denken also an eine Frau?“ „In der Tat, Mylady! Einer Frau gegenüber, die vor der Wohnungstür erscheint, gibt sich ein Mann stets höflich und aufgeschlossen.“ „Donnerwetter!“ Agatha Simpson war ein wenig beeindruckt. „Klingt nicht schlecht, Mr. Parker. Ihr Männer verliert ja grundsätzlich jede Wachsamkeit, wenn euch eine hübsche Larve mustert ...“ „Mylady sollten diese Anfälligkeit entschuldigen“, ließ Parker sich vernehmen. „Schwäche, dein Name ist Mann“, behauptete Lady Simpson. „Aber kommen wir nicht vom Kern der Sache, Mr.
Parker. Lenken Sie nicht immer ab! Wir haben es bei der ‘Viper’ also entweder mit einer Person zu tun, die den Opfern bekannt und vertraut gewesen ist, oder mit einer vielleicht nett aussehenden Frau. Stimmen Sie mir zu?“ „Mylady sollten auch eine Kombination beider Möglichkeiten nicht ganz ausschließen.“ „Natürlich nicht“, raunzte sie ihn an. „Das wollte ich ja gerade sagen. Bleibt als letzte Frage, woher die ‘Viper’ weiß, daß Sir Alfred uns um Hilfe gebeten hat. Sein Büro ist abhörsicher, aber dennoch weiß die ‘Viper’ Bescheid.“ „In der Tat, Mylady!“ „Sie sollen mir nicht nur zustimmen, sondern endlich auch mal eigene Ideen entwickeln“, grollte Lady Simpson ihren Butler an. „Wie war dieses Abhören möglich?“ „Mylady überfordern einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann“, behauptet Josuah Parker. „Papperlapapp“, herrschte sie ihn an. „Sie wollen sich nur nicht festlegen und wieder mal ein Hintertürchen offen lassen ... Jetzt werde ich Ihnen mal meine Theorie unterbreiten, Mr. Parker. Wir haben es mit einem hübschen, glatten Lärvchen zu tun, das in Sir Alfreds Dienststelle arbeitet und den sieben Opfern sehr gut bekannt war.“ „Mylady werden gestatten, daß ich meiner ehrlichen Verblüffung Ausdruck verleihe“, sagte Parker daraufhin. „Solch eine Lösung könnte sich in der Tat anbieten...“ * „Da drüben wohnt die alte Schreckschraube“, sagte Artie Selwyn und deutete
auf das altehrwürdige Haus am Ende eines kleinen quadratischen Platzes in Shepherd’s Market. Lady Simpsons Stadthaus konnte sich sehen lassen. Es entstammte einem früheren Jahrhundert und wies ein Ebenmaß im, Schnitt auf, wie man es bei modernen Häusern selten zu sehen bekommt. In einer Mischung aus Bruchsteinen und Fachwerk strahlte es einen, geradezu ländlichen Frieden aus. In dieses Haus konnte man sich sofort verlieben. Den kleinen quadratischen Platz säumten ähnliche Häuser. Die Straße führte um ein Viereck herum, das mit Strauchwerk und Blumen bepflanzt war. Inmitten der Millionenstadt war hier eine Oase der Ruhe und Abgeschiedenheit. Das altehrwürdige Haus wies im Innern selbstverständlich alle technischen Feinheiten unserer Zeit auf. In diesen Räumen befand sich das Opfer, auf das die beiden Killer es jetzt abgesehen hatten. „Wie gehen wir vor?“ erkundigte sich Melvin Docker bei seinem Partner. „Sehr einfach, Junge. Wir schnappen uns die Rothaarige, falls sie im Bau ist. Und dann warten wir auf die Schreckschraube und den komischen Butler.“ „Und wenn die auch schon drüben im Bau stecken?“ „Putzen wir sie gleich an Ort und Stelle von der Bildfläche. Nun fahr schon weiter! Ich will’s endlich hinter uns haben.“ Der Austin schob sich in langsamer Fahrt um das Viereck und hielt dann vor dem Haus. Das alles sah vollkommen harmlos und normal aus. Hinzu kam, daß die beiden Killer wirklich nicht wie potentielle Mörder wirkten.’
Docker und Selwyn stiegen aus und trabten unter das schiefergedeckte Portal des Eingangs. Docker läutete. Als sich auch nach dem zweiten und dritten Läuten nichts im Haus rührte, holte Selwyn seinen Nachschlüssel und beschäftigte sich mit dem Yale-Schloß. Er brauchte nur wenige Sekunden, bis er es aufgesperrt hatte. In technischen Dingen war der Killer recht geschickt. Die Tür schwang auf, sie traten ein. Die beiden Eindringlinge befanden sich in einem kleinen Vorflur, dessen geschlossene Glastür weiter in den eigentlichen Korridor führte. Diese Glastür war geschlossen. „Verdammt vornehme Kiste“, stellte Selwyn fest und deutete durch die Glastür hinüber in den weiträumigen Korridor. Der Boden war mit dicken Teppichen bedeckt, die Standuhr rechts an der Wand eine Kostbarkeit. An den Wänden im Korridor und am Treppenaufgang hingen Ölgemälde, die ihren Wert hatten. „Kein Aas zu Hause“, sagte Docker. „Schade, die Rothaarige hätte ich schon gern mal durch die Mangel gedreht...“ Beide Killer hatten keine Ahnung, daß in diesem Haus erst vor kurzer Zeit einige Umbauten vorgenommen worden waren. Daher blieben sie relativ gelassen und sicher. Diese Umbauten waren von Parker befürwortet worden. Er hatte seine Herrin davon überzeugen können, daß das Haus gesichert werden mußte. Seitdem Lady Simpson sich verstärkt ihren kriminalistischen Neigungen hingab, war das Haus bereits mehrere Male von Gangstern heimgesucht worden. Und dem war jetzt begegnet worden!
Docker und Selwyn marschierten inzwischen ahnungslos über den breiten Teppichläufer auf die geschlossene Glastür zu und verloren plötzlich jeden Halt unter ihren Schuhsohlen. Was zu verstehen war, denn unter ihnen hatte sich eine Falltür geöffnet, die normalerweise fest gesichert war. Die beiden Killer hatten es versäumt, den Sicherungshebel nach dem Betreten des Vorflurs herumzulegen ... Was ebenfalls verständlich war, denn sie wußten schließlich nichts von dessen Existenz! Sie verloren also den Halt unter ihren Füßen, stießen überraschte, äußerst spitze Schreie aus und rollten mitsamt dem Teppich über die schräg nach unten fallende Tür in einen relativ schmalen Keller. Sie landeten äußerst weich, denn Parker war ein humaner Mensch, der die Aufschlagstelle mit Schaumgummimatten gepolstert hatte. Docker und Selwyn purzelten übereinander, schlugen einige Salto mortale und klatschten dann wie reife Backpflaumen in die Polster. Nachdem sie sich entwirrt hatten, sahen sie sich nicht gerade intelligent an. „Verdammt“, sagte Docker spontan und rieb sich den Nacken. Selwyn bemühte ein ordinäres Kraftwort und rieb sich den Steißknochen. Trotz der weichen Polsterung hatten sie einige leichte Prellungen davongetragen. Dann schauten sie gemeinsam hoch. Die Fall- oder Klapptür schloß sich gerade wieder über ihnen. Sie war etwa fünf bis sechs Meter entfernt. Sie schloß sich weich und geräuschlos, fast diskret, wie Parker es umschrieben hätte. „Das sind doch faule Tricks“, ärgerte sich Docker und stand auf.
„Verdammt unfair“, behauptete Selwyn. „So was kann man doch mit uns nicht machen!“ Die beiden Killer stampften auf den Schaumstoffmatten herum und schauten sehnsüchtig zur Klapptür, die bündig schloß. „Wir müssen hier weg, bevor die Alte kommt“, drängte dann Selwyn. „Die hat sonst vielleicht noch ganz andere Überraschungen auf Lager.“ „Komm schon, ich klettere an dir hoch und stell’ mich auf deine Schultern“, sagte Docker, der leichter war als sein Partner. „Wir müßten es schaffen.“ Die beiden Berufsmörder machten sich daran, Parterreakrobatik zu üben, ein Fach, in dem sie allerdings nicht besonders begabt waren, wie sich bald zeigte... * „Ich werde Sie sofort anmelden“, sagte die grauhaarige Sekretärin, die wie eine schüchterne Maus aussah. „Sir Alfred führt gerade ein Telefongespräch.“ Agatha Simpson und Butler Parker waren in die Dienststelle Sir Alfreds zurückgekehrt. Sehr spontan ... Sie befanden sich auf der Suche nach einer hübschen Larve, wie Lady Agatha es ausgedrückt hatte. Sie wollten die Probe aufs Exempel machen und hofften, aufschlußreiche Feststellungen treffen zu können. Es war übrigens nicht leicht, in das Büro zu gelangen. Nach außen hin firmierte die Dienststelle als „Amt für industrielle Entwicklung“, doch um die Räume zu betreten, mußte man raffinierte Kontrollen
passieren. Es gab da ein erstes Sekretariat, in dem bereits alle ahnungslosen Besucher abgewimmelt wurden. Nach diesem Sekretariat, in dem zwei männliche Angestellte waren, gelangte man in ein zweites Büro, in dem zwei männliche Buchhalter beschäftigt waren. Hatte man diese Kontrolle passiert, gelangte man in einen langen Korridor, der an eine Kegelbahn erinnerte. Glatte Wände zu beiden Seiten enthielten elektronische Abtastgeräte, die auf Waffen geeicht waren. Am Ende dieser Kegelbahn befanden sich über einer grau gestrichenen Stahltür Fernsehkameras, die den Besucher aufs Korn nahmen. War diese letzte Hürde genommen, öffnete sich die solide Panzertür und ließ den Besucher endlich in die eigentliche Dienststelle eintreten. In den vielen, aber recht engen und unbequemen Büros arbeiteten Sir Alfreds Angestellte, alles ausgesuchte Spezialisten, die sich auf die Aufspürung und den Fang von Agenten konzentrierten. Miß Sherman, so hieß die Sekretärin von Sir Alfred, bemühte sich sichtlich um die beiden Besucher. Sie bot Agatha Simpson einen hart aussehenden Stuhl an und wußte nicht recht, was sie mit dem Butler anfangen sollte, zudem wurde sie abgelenkt. Wie Parker und Lady Simpson, denn in diesem Moment betrat eine junge Frau den Vorraum, sehr hübsch aussehend, etwa 25 Jahre alt, schlank und ein wenig kokett wirkend. Sie legte eine Unterschriftenmappe auf den Schreibtisch der Sekretärin, warf Lady Agatha und Parker einen knappen, aber durchaus freundlichen Blick zu und. ging wieder.
Parker und seine Herrin tauschten einen schnellen Blick. „War das nicht Miß Heidon?“ erkundigte sich Parker, einfach einen Namen nennend. „Hildas Witness“, korrigierte die Sekretärin prompt und ahnungslos, „eine unserer Schreibkräfte.“ „Es gibt mehrere?“ fragte Parker weiter. „Wir haben vier Damen hier in der Dienststelle, außer mir.“ „Ein nettes Ding“, stellte Agatha Simpson fest. „Natürlich“, erwiderte Miß Sherman in einem Ton, der das genaue Gegenteil besagte. „Die Schreibkräfte arbeiten schon lange hier in der Dienststelle?“ stellte der Butler seine nächste Frage. „Entschuldigen Sie, das sollten Sie Sir Alfred fragen“, erklärte Miß Sherman ein wenig abweisend. Bevor sich Agatha Simpson grollend einschalten konnte, erschien Sir Alfred in der Tür seines Büros und bat die beiden Besucher herein. Er wirkte nervös. „Gut, daß Sie noch mal vorbeischauen“, sagte er, vor seinem Schreibtisch auf und ab wandernd. „Ihre Vermutung hat sich als richtig erwiesen, Lady Agatha. Der Mann im VW muß vor seiner Ermordung durch die Giftschlange betäubt worden sein. Ich habe daraufhin sofort die Autopsie der übrigen Opfer veranlaßt.“ „Dachte ich es mir doch!“ Lady Simpson sah ihren Butler triumphierend an. „Was sagen Sie jetzt, Mister Parker?“ „Bemerkenswert, Mylady.“ „Ich bitte mir etwas mehr Begeisterung aus, Mister Parker“, raunzte sie ihn daraufhin prompt an, um sich dann aber wieder Sir Alfred zuzuwenden. „Betäubt also; und womit...?“
„Im Fall des Mannes im VW eindeutig mit einem Lähmungsgift. Die genaue chemische Analyse bekomme ich noch. Jetzt wissen wir also, warum die Opfer in keinem Fall Alarm schlagen konnten.“ „Und das haben Ihre sogenannten Spezialisten bisher übersehen?“ wunderte sich Lady Simpson freudig. „Sie haben sich an den Schlangenbiß gehalten“, räumte Sir Alfred ein. Er machte einen etwas unglücklichen Eindruck. Es war ihm wohl peinlich genug, daß Amateure erfolgreicher waren als seine hochqualifizierten Mitarbeiter. „Man sollte das vielleicht entschuldigen“, schaltete sich Josuah Parker ein, „das verabreichte Lähmungsgift gehört schließlich mit zum Symptomenkomplex der eigentlichen tödlichen Vergiftung.“ „Das ist für mich keine Entschuldigung“, sagte Agatha Simpson grimmig, „so etwas muß man einfach mit in Betracht ziehen. Finden Sie nicht, Sir Alfred?“ Sie war etwas förmlich geworden, aber ihre dunklen Augen glitzerten angeregt. Sie wußte, daß sie sich auf einer guten Fährte befand, und sie hütete sich, weitere Tips zu liefern. Sie wollte ihren Vorsprung voll auskosten. „Reiten wir nicht länger auf diesem Thema herum“, sagte Agatha Simpson jetzt versöhnlicher. „Was haben Sie über diese beiden Kerle in Erfahrung bringen können, die von meiner Gesellschafterin außer Gefecht gesetzt wurden?“ „Melvin Docker und Artie Selwyn“, kam die prompte Antwort Sir Alfreds, wobei seine Stimme wieder sicherer wurde, „einwandfrei anhand der Fingerabdrücke identifiziert... Sie stammen aus Liverpool, waren früher straffällig
geworden und wandeln nun nach außen hin auf den Pfaden der Tugend.“ „Das ist doch schon etwas. Und was treiben sie offiziell?“ „Sie verkaufen Kochbücher und Ratgeber für die moderne Hausfrau. Sie besitzen ein reguläres Büro, ein Buchlager und Vertreter.“ „Hoffentlich stehen sie seit ihrer Entlassung aus der Polizeistation unter Kontrolle, Alfred?“ „Natürlich“, sagte Sir Alfred, vielleicht etwas zu schnell. Agatha Simpson wurde auf jeden Fall erneut mißtrauisch und räusperte sich drohend. „Ich warte auf die nächste Panne“, sagte sie dann spöttisch. „Bei Ihrer Dienststelle wundert mich überhaupt nichts mehr, Alfred, was natürlich keine Beleidigung sein soll. Sie wissen, daß diese beiden Strolche möglicherweise von der ‘Viper’ auf mich und Mister Parker angesetzt wurden.“ Sir Alfred sah seine liebe alte Freundin mit Blicken an, die darauf schließen ließen, daß er den beiden Killern am liebsten einen vollen Erfolg gegönnt hätte. „Nun, wir wollen Ihre wertvolle Zeit nicht länger stehlen“, verabschiedete sich die Detektivin von ihrem langjährigen Freund und lächelte ihn maliziös an. Als Parker die Tür öffnete, stieß er mit einer älteren, dicklichen Frau zusammen, die Putzeimer und Besen trug. Sie hatte ein Kopftuch umgebunden und dachte nicht im Traum daran, sich bei Parker zu entschuldigen. „Passen Sie doch auf“, knurrte sie in einem Ton, der dem Butler durchaus vertraut vorkam, denn Agatha Simpson bevorzugte ebenfalls diese Tonart.
Parker lüftete höflich die schwarze Melone und geleitete seine Herrin aus dem Büro. „Wenn Sie erlauben, lieber Alfred, würde ich mir gern noch die Büros ansehen“, bat Lady Simpson in einem jetzt erstaunlich freundlichen Ton. „Sie wissen doch, daß ich Ihnen keinen Wunsch abschlagen kann“, versicherte Sir Alfred gequält und führte seine beiden Gäste durch die engen, kleinen Büros. Josuah Parker registrierte noch drei weitere Damen, auf die der Ausdruck hübsch zutraf. Es handelte sich ebenfalls um Stenotypistinnen, die für Abteilungsleiter auf ihren Schreibmaschinen herumhämmerten. „Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?“ frotzelte Sir Alfred anzüglich, als man wieder im langen Korridor war. „Fragen Sie Mister Parker“, erwiderte sie. „Mylady dürften voll und ganz auf Ihre Kosten gekommen sein“, lautete die gemessene Antwort des Butlers. * „Nun, Kindchen, alles in Ordnung?“ erkundigte sich Agatha Simpson bei ihrer Gesellschafterin, nachdem sie „in ihr Stadthaus zurückgekehrt war. Parker hatte nach dem Öffnen der Tür den versteckt angebrachten Sicherungshebel für die Klapptür im Vorflur gesperrt. Er war nicht daran interessiert, daß Mylady im Kellerverlies landete. Sie hätte ihm das mit großer Wahrscheinlichkeit übel genommen. „Wir hatten Besuch, Mylady“, berichtete Kathy Porter lächelnd.
„Wie schön“, freute sich die alte, unternehmungslustige Dame. „Und wer war das?“ „Die beiden Männer von der Landstraße.“ Lady Simpson marschierte auf ihren stämmigen Beinen in den eigentlichen Korridor und baute sich vor einem kleinen Wandschrank auf, den Josuah Parker aufsperrte. Er schaltete den darin befindlichen Fernseh-Monitor der hauseigenen Anlage ein und brauchte nicht lange zu warten, bis das Bild auf dem Schirm erschien. Die beiden Killer wurden in dem Moment überrascht, als sie gerade eine neue Parterreakrobatiknummer versuchten. Docker stand auf der Schulter von Selwyn und griff verzweifelt nach der Klapptür in der Decke. Da Selwyn auf schwankendem Boden stand und die Schaumstoffmatten keinen sicheren Halt gewährten, stürzte die menschliche Pyramide ein. Die beiden Killer landeten wieder auf dem Boden und begannen eine Schimpfkanonade, die sich hören lassen konnte. Es war vor allen Dingen Docker, der sich als Wortschöpfer hervortat. Da Parker auch das versteckt angebrachte Mikrofon eingeschaltet hatte, war jede Nuance genau zu verstehen. „Was machen wir jetzt mit diesen beiden Strolchen?“ erkundigte sich Lady Simpson bei Parker. „Nach Lage der Dinge dürften sie kaum noch von Nutzen sein, Mylady. Die ‘Viper’ wird sich ihnen wohl nicht vorgestellt haben.“ „Unnötige Kostgänger also?“ „Die allerdings gnadenlos schießen werden, sobald man sie laufen läßt, Mylady.“
„Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, Mister Parker!“ Sie sah ihn streng an. „Was soll mit Docker und Selwyn geschehen? Ich hoffe, Sie können mit einem akzeptablen Vorschlag dienen.“ „Darf ich Mylady darauf aufmerksam machen, daß man noch über eine _ Plastikschlange verfügt?“ „Langsam steigern Sie sich wieder.“ Die Detektivin nickte anerkennend. „Diese beiden Lümmel arbeiten für die ‘Viper’... Warum sollen sie nicht am eigenen Leib erfahren, wie unheimlich selbst solch eine Plastikschlange ist?“ „Ein vielleicht etwas rohes Verfahren, Mylady“, warnte Parker. „Wenn schon ... Papperlapapp! Diese beiden Monster wollten uns ja auch erschießen. Ein kleiner harmloser Schock kann ihnen da gar nicht schaden.“ Parker verzichtete auf weiteren Widerspruch, holte die Schlange aus Weichplastik und trug sie mit Respekt und Vorsicht, die dem toten Objekt eigentlich gar nicht angepaßt war, in den Vorflur. Er schob den Sichtteppich etwas zur Seite, öffnete eine kleine Klappe in der Falltür und entließ das harmlose Kriechtier nach unten in die Schaumgummigrube. * Melvin Docker und Artie Selwyn hatten den Vorgang oben in der Klapptür überhaupt nicht mitbekommen. Völlig erschöpft und entnervt lagen sie auf den Schaumgummimatten und schnappten nach Luft. Sie waren zu der Erkenntnis gelangt, daß sie sich aus eigener Kraft auf keinen Fall befreien
konnten. Sie steckten erst mal hoffnungslos fest. Bis Docker ein wenig munter wurde. Etwa einen Meter von ihm entfernt, landete ein langer, sich windender Gegenstand auf dem Schaumstoff. „Eine ...“ hechelte er atemlos. „Was ist denn los?“ knurrte Selwyn desinteressiert. „Seit wann stotterst du denn?“ „Eine — eine ...“ Docker streckte sehr vorsichtig den Zeigefinger aus und deutete auf die Schlange. „Wiederhol dich doch nicht“, fauchte Selwyn. „Eine Schlange!“ Jetzt hatte Docker es endlich geschafft, das entscheidende Wort zu sagen. Was jetzt folgte, war ein Paradebeispiel dafür, wie Schlangen auf Menschen wirken.. Selwyn wurde in Sekundenbruchteilen erstaunlich munter und behend. Er sprang auf und, stieß dazu spitze Schreie aus. Er zog sich gegen die Wand zurück und langte nach seiner schallgedämpften Schußwaffe, über die er noch verfügte. Sein Gesicht war vor Grauen und Entsetzen verzerrt. Docker hingegen saß wie angewurzelt fest und wagte sich nicht zu rühren. Die Schlange mit ihrem Innenleben ringelte sich. Die Spiralfeder arbeitete ausgezeichnet im Plastikkörper des Kriechtiers. Sie befand sich jetzt nur noch einen halben Meter von Docker entfernt auf den Schaumstoffmatten und hatte die eindeutige Tendenz, noch näher an den Killer heranzukriechen. „Schieß!“ flüsterte Docker mit fast erstickter Stimme. „Schieß doch schon!“ Selwyn hatte inzwischen eingesehen, daß mit spitzen Schreien allein nichts zu
machen war. Er hielt endlich die schallgedämpfte Waffe in der Hand und feuerte einen Schuß nach dem anderen auf den harmlosen Schlangenkörper. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, daß er nicht unbegabt war. Seine Treffsicherheit konnte sich sehen lassen. Von den Einschlägen der Geschosse gepeitscht, tanzte die Plastikschlange herum und hüpfte unkontrolliert in Richtung Docker. Der Killer hechtete mit einem gewagten Sprung aus der Gefahrenzone und donnerte mit seinem Kopf gegen die ungepolsterte Wand. Was der Wand zwar nichts ausmachte, ihm dafür aber einen kleinen Tiefschlaf verschaffte. Mit einem erleichterten, gelösten und wohligen Lächeln auf den Lippen räkelte Docker sich auf den weichen Matten zurecht, vergaß die Schlange und gab sich nur zu willig seinen äußerst bunten Träumen hin. Selwyn war inzwischen ein Licht aufgegangen, zumal die Plastikschlange sich gerade enthäutet hatte. Sie bestand jetzt nur noch aus einer Spiralfeder, die ihrerseits zerfetzt war. Das weiche Plastikmaterial hing streifenförmig von der Spirale herunter. Selwyn lehnte sich gegen die Wand und schnappte nach Luft. Noch zu sehr tobte das Entsetzen in ihm. Er kam sich wie ausgelaugt vor, erschöpft und entnervt. Er sah fast gleichgültig zu Docker hinunter. . Dann, nach langen Sekunden, stampfte Selwyn über die weichen Matten hinüber zu der Schlangenimitation und hob die Spiralfeder mit dem Schalldämpfer auf. Er betrachtete das expressive Kunstwerk einen Moment, ließ die ehemalige Schlange dann fallen und setzte sich. „Hoffentlich haben Sie sich nicht zu sehr echauffiert?“ hörte er wenig später
die Stimme eines Mannes, die sehr butlerhaft und vornehm klang. Selwyn suchte nach ihrer Herkunft und entdeckte erst jetzt das kleine Lautsprecherkästchen hoch oben an der Decke, das hinter schußsicherem Glas verborgen war. Die Stimme klang daher nicht nur vornehm, sondern auch ein wenig hohl und unwirklich. „Der Mann, für den Sie arbeiten, nennt sich die ‘Viper’ und pflegt mittels diverser Giftschlangen zu töten“, war die Stimme jetzt wieder zu vernehmen. „Ich konnte nicht umhin, Ihnen diese Methode mal vorzuführen.“ „Wer sind Sie?“ fragte Selwyn heiser und blickte nach oben. Er ging von der richtigen Annahme aus, daß sich dort hinter der Glasscheibe auch ein Mikrofon befand. Er sprang auf, schaute fast sehnsüchtig zur Decke und schluchzte vor Freude darüber, endlich eine Stimme zu hören. „Wer sind Sie?“ rief er erneut. „Antworten Sie doch!“ „Sie haben es mit einem Mann zu tun, der sich erlaubt hat, sein Mißfallen auszudrücken“, war die’ vornehme, wenn auch ein wenig hohle Stimme wieder zu vernehmen. „Mylady und meine bescheidene Wenigkeit schätzen es nun mal überhaupt nicht, auf der Liste zweier Mörder zu stehen!“ * Als Josuah Parker den Nachtisch servierte, klingelte das Telefon. Der Butler entschuldigte sich durch eine knappe Verbeugung in Richtung Lady Simpson, ging an den Apparat und meldete sich. Er nickte bedeutungsvoll, als die energische Dame ihn fragend an-
schaute. Für Agatha Simpson war das ein Zeichen, das Gespräch mitzuhören. Eine zweite Hörmuschel bot dazu ihre Dienste an. Die Detektivin verließ den Tisch und marschierte auf ihren stämmigen Beinen zu Parker, um nach der Hörmuschel zu greifen. Kathy Porter blieb scheu und höflich wie immer am Tisch. Wenn man sie so sah, war man sicher, daß sie kein Wässerchen zu trüben vermochte. „Hier spricht die ‘Viper’, Mister Parker“, meldete sich natürlich eine undeutliche und verzerrte Stimme. Wäre es anders gewesen, hätte Parker sich tatsächlich gewundert. „Ich erlaube mir, einen schönen Abend zu wünschen“, lautete Parkers höfliche Antwort. „Hoffentlich sind Sie nicht zu sehr enttäuscht, daß die Herren Docker und Selwyn nicht in der Lage waren, ihren Auftrag auszuführen.“ „Geistlose Killer! Was soll man von solchen Leuten schon erwarten?“ „Sie halten demgegenüber den Mord mittels einer Giftschlange für geistvoll?“ „Zumindest ungewöhnlich, oder?“ Die Stimme kicherte undeutlich. „Sie möchten wahrscheinlich die obligate Drohung ausstoßen, die in solchen Fällen fast unvermeidlich ist?!“ Parkers Stimme blieb höflich und gemessen. „Sie sind ein verdammt arroganter Bursche“, ärgerte sich jetzt die undeutliche Stimme, „aber diese Arroganz werde ich Ihnen schon austreiben! Wetten?“ „Sie scheinen meine bescheidene Wenigkeit nicht sonderlich zu mögen“, stellte Parker ein wenig erstaunt fest. „Sie werden noch vor Angst und Grauen schreien Parker, dafür garantiere ich!“ „Jetzt sehe ich mich allerdings gezwungen davon auszugehen, daß Sie
meine Person überhaupt nicht richtig einschätzen oder kennen.“ „Und ob ich Sie kenne, Parker!“ Die Stimme klang nachdrücklich und sagte genau das, was der Butler erwartet hatte. Der Besitzer der Stimme entlarvte sich bereits ein wenig. Die „Viper“ schien derart gereizt zu sein, daß sie nicht mehr genau auf das achtete, was sie sagte. „Mordandrohungen haben meine Wenigkeit noch nie sonderlich beunruhigen können“, erwiderte der Butler noch arroganter als sonst. „Und Sie wissen wohl noch nicht, wie es ist, von einer Giftschlange gebissen zu werden, Parker.“ „Darf ich Ihrer Bemerkung entnehmen, daß Sie Mylady ab sofort aus dem Spiel lassen wollen?“ „Dieses alte Scheusal wird ebenfalls dran glauben.“ „Lady Simpson wird darüber nicht sonderlich erfreut sein. Sie mögen auch Mylady nicht?“ „Sie wollen mir wohl die Würmer aus der Nase ziehen, wie?“ Auf der Gegenseite war wieder das undeutliche Kichern zu hören. „Aber das ist doch bereits geschehen“, versicherte der Butler würdevoll. „Haben Sie etwa nicht- auf das geachtet, was Sie sagten? Das wäre aber sehr ungewöhnlich.“ „Was habe ich gesagt?“ Die Stimme, undeutlich nach wie vor, nahm irgendwie einen wachsamen Unterton an. „Sie haben zu verstehen gegeben, daß Sie Lady Simpson und meine Wenigkeit sehr gut kennen und fürchten“, faßte Parker kühn zusammen, „sonst hätten Sie ja auch nicht die beiden Killer engagiert, wenn ich es so umschreiben darf. Ihre bisherigen sieben Opfer erledigten Sie
ohne fremde Mithilfe. Mylady und meine Wenigkeit aber scheinen Sie zu scheuen. Daher die beiden Herren Docker und Selwyn. Sie sind eine recht vorsichtige Viper, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.“ Auf der Gegenseite wurde es für einen Moment recht still. Die „Viper“ überdachte wahrscheinlich Parkers Worte. „Darf ich nun nach dem Grund Ihres Anrufs fragen?“ fragte Parker in die Stille hinein, „oder wollten Sie auf diese Art und Weise nur herausfinden, ob Ihre beiden Mitarbeiter erfolgreich waren?“ „In Ordnung!“ Die Stimme bemühte sich wieder um Munterkeit und Selbstsicherheit. „Was ist aus diesen beiden Stümpern geworden?“ „Sie dürfen sich als Gäste des Hauses betrachten.“ „Werfen Sie die beiden Typen auf den Müll“, schlug die undeutliche Stimme des Gesprächspartners vor. „Und noch etwas, Parker, lassen Sie nicht weiter nach ihnen suchen!“ „Ich fürchte, Sie im Moment nicht ganz zu verstehen.“ „Sie Spaßvogel!“ Die „Viper“, scheinbar wohl wieder besser gelaunt, kicherte in ihrer typischen Art und Weise. „Ich weiß doch, daß Sie Fotos verteilt haben. Die beiden Killer werden Sie nicht weiterbringen. Vergessen Sie die!“ „Ich möchte nicht versäumen, mich herzlichst zu bedanken“, gab der Butler zurück. „Bedanken?“ „Für weitere wertvolle Hinweise“, erklärte Josuah Parker. „Ihr Einverständnis vorausgesetzt, möchte ich dieses Gespräch jetzt beenden. Ich habe noch das Dessert zu servieren.“ „Sie wollen auflegen?“ Die Stimme der „Viper“ klang gereizt.
Parker verzichtete auf eine Antwort. Er legte den Hörer zurück in die Gabel und sah Lady Simpson dann höflich abwartend an. „Dieser aufgeblasene Lümmel“, sagte die Sechzig jährige verächtlich. „Ich möchte hoffen, Mylady, daß es sich um echte Aufgeblasenheit und nicht um. einen Trick gehandelt hat“, erwiderte der Butler. „Im ersteren Fall dürfte man der Lösung sonst ein gutes Stück näher gerückt sein.“ * Josuah. Parker warf einen kurzen Blick in Myladys Salon. Die ältere Dame hatte es sich bequem gemacht. Mit einem trockenen Sherry versorgt, saß sie vor dem Fernsehgerät und genoß einen alten Westernfilm, in dem schrecklich viel geschossen wurde. Sie ergötzte sich sichtlich an dem gerade stattfindenden Überfall durch die Indianer und stachelte sie — wenn auch ohne Erfolg — durch entsprechende Zurufe zu weiteren Taten auf. Agatha Simpson befand sich ganz eindeutig auf Seiten der Rothäute. Parker kontrollierte noch mal die Fenster und die Jalousien. Er sah sich die elektronischen Einbruchssicherungen sehr genau an und widmete sich dann den beiden männlichen Gästen, die er durch die hauseigene Fernsehanlage beobachtete. „Wie lange wollen Sie sie festhalten?“ fragte Kathy Porter, die aus dem Obergeschoß kam. Sie stellte sich neben den Butler und lächelte unwillkürlich. Die beiden Männer aus Liverpool lagen auf den weichen Schaumstoffmatten und schliefen.
„Laut der ‘Viper’ werden sie nicht mehr gebraucht“, sagte Parker, „man könnte sie also in Freiheit setzen.“ „Sie glauben der ,Viper’, Mister Parker?“ „Nur bedingt, Miß Porter, doch in diesem Fall dürfte der Täter die Wahrheit gesagt haben. Die ‘Viper’ hat nie von Gesicht zu Gesicht mit ihnen verhandelt. Dazu ist sie nun doch zu vorsichtig.“ „Sollte man die beiden Killer nicht . der Polizei in die Hände spielen? Sobald sie frei sind, werden sie sich neue Waffen verschaffen und wieder bezahlte Morde begehen.“ „Polizeilicherseits dürfte nichts zu erreichen sein“, erklärte der Butler höflich, „es fehlen Beweise für ihr Tun. Aber man müßte ihnen eine nachhaltige Lektion erteilen.“ „Wie ich Sie kenne, haben Sie sich schon etwas einfallen lassen, nicht wahr?“ „Es bieten sich in der Tat einige hübsche Möglichkeiten an“, gestand Parker. „Darf man Einzelheiten erfahren?“ „Können Sie sich an die Rückfahrt von , Mister Upcorns Haus hierher in die Stadt erinnern?“ „Natürlich. Das ist doch erst einige Stunden her.“ „Ist Ihnen, Miß Porter, während dieser Fahrt etwas aufgefallen?“ „Lassen Sie mich nachdenken“, bat sie eifrig, „was ist mir aufgefallen? Was war das noch? Richtig, die Straßenbaustelle.“ „Ausgezeichnet“, lobte Parker in seiner wenn auch ein wenig zurückhaltenden Art. „Genau diese Straßenbaustelle käme meinen speziellen Absichten ungemein entgegen.“ „Nun bin ich allerdings überfordert“, antwortete Kathy Porter, die Achseln zuckend.
„Ich darf noch mal auf die erwähnte Baustelle verweisen“, erinnerte Josuah Parker in seiner stets etwas barocken Ausdrucksweise. „Die Straße erhält auf einer Länge von mehreren Kilometer eine neue Decke. Dazu ist Teersplitt vonnöten, der in speziellen Anlagen aufbereitet wird.“ „Fehlanzeige, Mister Parker“, bedauerte Kathy Porter erneut. „Ich begreife nicht, was Sie meinen!“ „Da ich Sie ohnehin zu der geplanten Ausfahrt einladen werde, kann ich Sie an Ort und Stelle informieren“, wich der Butler aus. „Ich müßte nur noch die Erlaubnis von Mylady einholen.“ Sie hörte etwas abwesend zu, als Parker ihr mitteilte, die beiden Zwangsgäste exmittieren zu wollen. Agatha Simpsons Aufmerksamkeit galt zwei Rothäuten auf dem Bildschirm, die sich gerade anschickten, ein Pulvermagazin der Armee in die Luft zu jagen. Sie freute sich schon im vorhinein auf die Explosion. „Natürlich komme ich allein zurecht“, sagte sie, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. „Ich bin doch kein kleines Mädchen.“ „Mylady sollten vielleicht daran denken, daß es eine ‘Viper’ gibt.“ „Wollen Sie mir den ganzen Spaß verderben?“ raunzte sie daraufhin ihren Butler an. „Gehen Sie endlich! Die Lunte brennt schon. Gleich wird’s passieren!“ * Die „Viper“ ließ das Haus nicht aus den Augen. Nach dem Anruf von einer nahen Telefonzelle aus war sie wütend auf die Straße gestürzt und hatte Mühe gehabt’,
sich wieder zu beruhigen. Parkers abruptes Auflegen hatte sie ungemein gereizt und gedemütigt. Die „Viper“ fühlte sich immerhin als überlegen, hatte sie doch bereits sieben Opfer hinter sich, gelassen. Und jetzt der unerträglich arrogante Ton des Butlers, der sich überhaupt nicht hatte beeindrucken lassen. Butler Parker hatte sie, die „Viper“, von oben herab behandelt. Und dafür sollte der Butler büßen! Er war für die „Viper“ immer wichtiger gewesen als diese Lady Simpson. Nach dem Telefongespräch aber schwor die „Viper“ dem Butler alles Gift in die Blutbahn. ‘ Agatha Simpsons Haus lag dunkel und wie ausgestorben am jenseitigen Ende des Vierecks. Die Jalousien waren heruntergelassen worden, aber die „Viper“ wußte wohl sehr gut, daß Parker, Lady Simpson und deren Gesellschafterin sich im Haus befanden. Die „Viper“ hätte am liebsten sofort zugeschlagen und ihr Gift verspritzt, doch sie traute sich nicht. Sie wußte nur zu gut um die Gefährlichkeit des Butlers, der sicher mit einem nächtlichen Besuch rechnete. Vielleicht lag er schon auf der Lauer, um ihr, der „Viper“ eine Falle zu stellen? Die „Viper“ zuckte mit keiner Wimper, als ein patrouillierender Streifenpolizist die Hauptstraße kontrollierte. Sie war sich ihrer Sache vollkommen sicher, Waffen hatte sie nämlich nicht dabei. Und für den Fall einer Kontrolle besaß die „Viper“ zudem noch falsche Papiere, die allerdings hieb- und stichfest waren. Nein, zu fürchten brauchte sie keine Polizei, sondern nur diesen Butler, dem gegenüber sie sich fast verraten
hatte. Geschickt hatte der Butler es verstanden, sie aufs Glatteis zu führen. Wußte er bereits Bescheid? Konnte er sich bereits einen Vers auf gewisse Andeutungen machen? Zuzutrauen war ihm das schon. Der Streifenpolizist hatte die „Viper“ inzwischen erreicht, warf einen prüfenden Blick auf sie und schlenderte dann langsam weiter. Dann blieb der Beamte allerdings stehen und kam noch mal zurück. „Alles in Ordnung, Madam?“ erkundigte er sich. Die Frau, der er gegenüberstand, befand sich schließlich auf einer stillen und nicht’ sonderlich gut beleuchteten Straße. „Alles in Ordnung“, sagte die „Viper“ lächelnd. „Ich warte auf meinen Mann. Er muß jeden Moment mit dem Wagen kommen. Er hat ein paar Freunde drüben vor dem Haus abgesetzt.“ Die „Viper“ deutete die Straße hinunter, wo zufällig ein Fahrzeug aus einer Grundstückseinfahrt bog und Richtung auf sie nahm. Der Streifenbeamte war beruhigt und ging nun endgültig, ohne sich weiter um die fast elegant gekleidete Frau zu kümmern. * Docker und Selwyn kamen sich im Fond von Parkers Wagen wie ausgeliefert vor. Sie waren von Parker aufgeweckt und aus dem Verlies geholt worden. Und zwar auf eine Art und Weise, die die beiden völlig verblüfft hatte. Parker hatte dazu nur eine von Schaumstoffmatten verborgene Tür unten in der
Falle geöffnet und Docker und Selwyn dann unter Vorzeigen einer Schußwaffe gebeten, ihm in den Wagen zu folgen. Die beiden überraschten, aber auch entnervten Killer waren seinem Wunsch nachgekommen, saßen nun also im fahrenden Wagen und hatten bereits ausfindig gemacht, daß die Seitentüren sich nicht öffnen ließen. „Elektrisch verriegelt“, erklärte Parker ihnen über die Bordsprechanlage seines Wagens. Aus guten Gründen hatte er die schußsichere Trennscheibe zwischen Fahrersitz und Fond geschlossen. Er rechnete mit der Gewalttätigkeit der beiden Liverpooler. Neben Parker saß Kathy Porter. Viel Platz hatte sie hier gerade nicht, denn Parkers Spezialwagen verfügte auch über ein zusätzliches Armaturenbrett links vom Fahrersitz. Es gab zu viele technische Besonderheiten, die vom Schaltpult aus bedient wurden. Kathy Porter hatte sich auf die Konsole gedrückt, was ihr aber weiter nichts ausmachte. Voller Spannung wartete sie darauf, was der Butler mit den beiden Strolchen vorhatte. Docker und Selwyn waren nicht weniger gespannt. Als gelernte Killer konnten sie sich nur vorstellen, daß man sie umbringen wollte. „Sagen Sie schon, was Sie planen“, schrie Docker nervös nach vorn. Seine Frage wurde über die Sprechanlage zum Fahrersitz befördert. „Ich hab’ Ihnen ‘nen Vorschlag zu machen“, fügte Selwyn hinzu und kam sich sehr ausgekocht vor. „Sie lassen uns laufen, und wir sagen Ihnen, wer uns bezahlt hat.“ „Ein Interesse meinerseits liegt nicht vor“, bedauerte der Butler.
„Wollen Sie uns etwa killen?“ Docker wurde die Vorstellung nicht los, daß er nicht mehr lange lebte. „Sagen wir es folgendermaßen“, erwiderte Parker gemessen vom Steuer her. „Mir ist daran gelegen, Ihre bösen Triebe ein wenig zu beschneiden. Ich darf Ihnen schon jetzt versichern, daß Sie ein sehr nachhaltiges Erlebnis haben werden.“ * „Sie haben die beiden Killer erneut erwischt?“ Sir Alfred war sichtlich beeindruckt und erleichtert zugleich. Er wischte sich feine Schweißtröpfchen von der Stirn. Das wissen Sie nicht, Alfred?“ Agatha Simpson wunderte sich grollend. „Sollten sie nicht dauernd beobachtet werden?“ „Sie entwischten“, klagte Sir Alfred. „Raffinierte Jungens, muß man schon sagen. Regelrechte Profis. Sie schüttelten ihre Verfolger in einem Warenhaus ab. Da war nichts mehr zu machen. Aber Gott sei Dank können sie jetzt kein Unheil mehr anrichten, oder?“ „Fragen Sie meinen Butler“, erwiderte Lady Simpson lächelnd. „Ja, Mister Parker!“ Sir Alfred schüttelte seine Befangenheit ab und widmete sich dem Butler. „Wo stecken die beiden bezahlten Mörder jetzt? Hoffentlich können sie nicht wieder entwischen.“ „Damit dürfte kaum zu rechnen sein, Sir.“ „Spannen Sie mich nicht unnötig auf die Folter Reden Sie doch endlich!“ Es war noch recht früh. Agatha Simpson, Josuah Parker und Kathy Porter befanden sich im Büro Sir Alfreds, um gewisse Dinge noch mal durchzusprechen. Darüber hinaus wollte
Lady Simpson ihrem alten Freund klarmachen, wie gut seine Leute waren. Schließlich hatte Sir Alfred am Vortag behauptet, die beiden Liverpooler würden ununterbrochen beschattet. Es tat ihr gut, Sir Alfred eins auszuwischen. „Warum kommen Sie nicht mit und sehen sich die beiden Strolche an?“ Die Detektivin wirkte sehr angeregt und spöttisch, was Sir Alfred ein wenig zusätzlich verunsicherte. Er kannte Agatha Simpson nur zu gut. „Während der Fahrt könnten wir weiter über die ‘Viper’ reden“, schlug sie vor. „Ich habe zwar überhaupt keine Zeit“, antwortete Sir Alfred, „aber ich komme mit. Sie scheinen sich da ja etwas Nettes ausgedacht zu haben.“ Sie verließen Sir Alfreds Büro, stolperten fast wieder über die obligate Putzfrau und sahen sich dann der grauen Maus gegenüber, die das Vorzimmer bewachte. „Sie wollen wegfahren, Sir Alfred?“ wunderte sich Miß Sherman. „In einer halben Stunde haben Sie einen wichtigen Termin.“ „Verschieben Sie ihn, Miß Sherman!“ Sir Alfred sah den Butler fragend an. „Wie lange werden wir wegbleiben?“ „Eine knappe Stunde, Sir.“ „Verschieben Sie also um diese Zeit“, sagte Sir Alfred zu seiner Sekretärin und musterte dann ausgesprochen wohlgefällig die junge hübsche Stenotypistin Hilda Witness, die mit einer Akte ins Vorzimmer kam. Sie war’ sich ihres Wertes wohl bewußt und lächelte kokett, womit Miß Sherman überhaupt nicht einverstanden war. Die graue Maus riß der Stenotypistin fast die Akte aus der Hand.
„Na endlich!“ sagte sie dazu. „Das hat ja eine Ewigkeit gedauert, Miß Witness.“ „Ich bin eben nicht so gut wie Sie, Miß Sherman“, gab sie schnippisch zurück, ohne sich von der grauen Maus auch nur eine Spur beeindrucken zu lassen. Mit leicht wiegenden Hüften verließ sie Sir Alfreds Vorzimmer, vollkommen sicher. daß ihr Abgang allgemein beachtet wurde. „Diese jungen Dinger“, meinte Miß Sherman halblaut und abwertend. „Wo kann ich Sie erreichen, Sir, falls Sie dringend verlangt werden?“ ‘ , „Nirgendwo“, gab Sir Alfred zurück. „In einer Stunde werde ich wieder zurück sein. Halten Sie die Stellung, Miß Sherman, ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann!“ Sir Alfred wirkte aufgekratzt und optimistisch. Er verließ das Büro und steuerte schwungvoll auf einen Putzeimer zu, der auf dem Korridor stand. Es kam, wie es kommen mußte. Er stolperte und traf alle Vorbereitungen für eine unfreiwillige Luftreise. Sir Alfred landete aber in den Armen der stämmigen Putzfrau, die sich als erstaunlich standfest erwies. „Hoppla, Alma!“ sagte Sir Alfred. „Wollen Sie mich umbringen?“ . „Manchmal möchte ich das, Sir“, sagte sie ohne jeden Respekt und ärgerlich. „Jeder trampelt rücksichtslos auf dem frisch gebohnerten Boden herum. Man wird nie fertig.“ „Dann geht’s Ihnen wie mir, Alma“, sagte Sir Alfred. „Ich werde Ihnen bei Gelegenheit mal wieder eine Schachtel Pralinen mitbringen.“ „Das versprechen Sie mir schon seit Wochen“, gab sie burschikos zurück.
„Vergessen Sie aber nicht, daß ich nur die von Lindies mag!“ „Eine anspruchsvolle Mitarbeiterin“, stellte Josuah Parker fest, als sie mit dem Lift hinunter in die Tiefgarage fuhren, wo Parker sein hochbeiniges Monstrum abgestellt hatte. „Alma?“ Sir Alfred lächelte, „eine treue Haut! Sie tut nur so. In Wirklichkeit ist sie eine Seele von Mensch. Und der Tee, den sie macht, läßt sich trinken . .“ „Sie arbeitet schon lange in ihrer Dienststelle?“ Agatha Simpson glaubte, ihren Butler verstanden zu haben, daher auch ihre Frage. „Seit Jahren schon ...“ Sir Alfred begriff nun ebenfalls und lachte leise. „Sie glauben, Alma könnte ...? Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Lady Agatha! für Mrs. Hanter legte ich meine Hand ins Feuer!“ * Docker und Selwyn befanden sich seit Stunden schon auf der Wanderschaft und machten einen erschöpften Eindruck. Sie hatten einen langen Weg vor sich, der nie endete. Sie befanden sich in einer Riesenröhre, die etwa zwei Meter hoch war. Die Länge dieser Stahlröhre betrug etwa zwanzig Meter aber diese Distanz spielte eigentlich keine Rolle. Schweißüberströmt, mit Blasen an den Zehen, marschierten die beiden Killer gegen die langsame Rotation dieser Trommel an. Sie durften sich keine Sekunde Ruhe gönnen, denn die Trommel drehte sich beharrlich und stur. Zu Beginn ihres Gewaltmarsches hatten Docker und Selwyn kleine Ruhepausen einlegen wollen, doch das war ihnen nicht
gut bekommen. Dann wurden sie von der Rotation der Trommel mitgenommen, hochgedrückt und durchgeschüttelt. Ob es noch Nacht war oder der Tag bereits begonnen hatte, das alles wußten sie nicht. Dunkelheit umgab sie und ein nie endender Weg. Parker hatte die beiden Killer in die Splitaufbereitungsanlage gesteckt, von der er Kathy Porter berichtet hatte. Diese erfreulicherweise jetzt unbeheizte Stahltrommel wurde normalerweise unter Feuer gehalten und mischte Basaltsplitt mit Teer zu einer zähen, schwarzen Masse, mit der Straßendecken hergestellt wurden. Die Rotationsgeschwindigkeit konnte von einem zentralen Schaltpult aus reguliert werden. Parker, wie bekannt ein reiner Menschenfreund, hatte die Umdrehungszahl so herabgesetzt, daß die beiden Insassen in der großen Trommel nicht zu rennen brauchten. Doch ohne strammen Geschwindigkeitsschritt schafften sie es allerdings auch nicht. Sie mußten eine gewisse Dauerleistung vollbringen, wenn sie nicht durchgerührt werden wollten. Den Zeitpunkt für die Bestrafung der beiden Killer hatte der Butler gut gewählt. Seit Stunden auf den Beinen, würden die beiden Männer in sechzig Minuten befreit werden, dann nämlich, wenn die Straßenbauarbeiten wieder aufgenommen wurden. Bis dahin war noch Zeit. „Ich kann nicht mehr“, keuchte Docker, der ein wenig schwach auf den Füßen war. Er torkelte leicht, zeigte sichtliche Konditionsschwächen und konnte sich für einen Moment nicht mehr auf den Rhythmus seiner Schritte konzentrieren. Und da passierte es bereits schon! Es riß ihm die Beine unter dem Körper weg. Er landete auf der zähen Schmiere,
mit der die Innenwand der Stahltrommel bedeckt war, wurde von der Rotation hochgeführt und genoß für Sekunden das Gefühl von Ruhe und Entspannung, um dann allerdings jäh zurückzuklatschen. „Halt durch!“ rief Selwyn ihm zu. „Irgendwann muß das Ding ja mal gestoppt werden.“ Auf wankenden Beinen schritt er gegen die Rotation der Trommel an, erstaunlich zäh, wenn auch mit schmerzenden Füßen und Waden. Er bewegte sich schon fast automatisch und konzentrierte sich wieder auf seine Füße. Auch er war bereits einige Male durchgewirbelt worden. Er wollte auf Zwischenspiele dieser Art gern verzichten. Docker versuchte zurück auf die Beine zu kommen. Nachdem er einige Salto mortale geschlagen hatte, schaffte er es und nahm seinen endlosen Marsch gegen die Rotation wieder auf. Dabei kam er ein wenig aus der Richtung und — torkelte gegen Selwyn, der umgestoßen wurde. Docker griff nach seinem Partner, hielt ihn fest und landete mit ihm auf dem sich drehenden Boden der Trommel. Sie wurden prompt und ohne jeden Aufschub angehoben, nach oben befördert und rutschten dann, nachdem die Schwerekraft sich bemerkbar machte, zurück nach unten. Dieses neckische Spiel wiederholte sich in sturer Konsequenz. Nur mühsam kamen sie zurück auf die brennenden Füße und marschierten wieder los. Unfreundlichkeiten gegeneinander äußerten sie schon seit einiger Zeit nicht mehr, dazu fehlte ihnen einfach die Kraft. Von Flüchen und Verwünschungen auf Parker mal ganz zu schweigen. Sie waren restlos fertig und
glichen zwei weißen Mäusen, die in einem Tretrad herumliefen. Die beiden Killer büßten somit für einen an sich kleinen Teil ihrer bisherigen Taten. Docker dachte an nichts. Selwyn aber überlegte durchaus ernsthaft, ob man das Geschäft mit den Kochbüchern nicht zu einem Hauptberuf machen sollte. Das Risiko schien ihm wesentlich geringer zu sein als die bisherige Tätigkeit. * Sie hatten Parkers hochbeinigen Wagen verlassen und beobachteten die Splitaufbereitungsanlage. Sir Alfred, eine Pfeife rauchend, hatte noch nicht ganz verstanden und sah den Butler ratlos an. Lady Simpson strahlte. Sie wußte aus Erzählungen von Kathy Porter und Butler Parker, worin die beiden Killer sich befanden. Sie hatte sich darunter nicht viel vorstellen können. Das, was sie nun sah, übertraf allerdings ihre besten Erwartungen. „Ist das nicht wundervoll?“ fragte Agatha Simpson ihren Freund Sir Alfred und deutete hinunter auf die riesige Trommel. Sie alle standen auf einer kleinen Hügelkuppe und hatten einen erstklassigen Ausblick auf die Mischanlage. „Seit wann interessieren Sie sich für Splitt?“ wollte Sir Alfred wissen. „Man müßte diesen beiden Lümmeln noch ein wenig Feuer unter die Sohlen legen“, schlug Agatha Simpson vor. „Wie denken Sie darüber, Mister Parker? Läßt sich das noch machen?“
„Theoretisch durchaus, Lady Simpson“, erwiderte Parker. „Rein menschlich gesehen sollte man davon Abstand nehmen, wenn ich mir diesen Rat erlauben darf.“ „Sie sind zu feinfühlig!“ grollte Lady Agatha ihren Butler an. „Das wird sich eines Tages noch mal rächen.“ „Moment mal. Ich begreife!“ Sir Alfred hatte seine private Erleuchtung. „Die beiden Liverpooler marschieren da unten in der Trommel herum?“ „Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen!?“ Lady Agatha sah ihren Freund mißtrauisch und bereits ein wenig aggressiv an. „Offiziell nehme ich das nicht zur Kenntnis“, entgegnete Sir Alfred, „aber privat bin ich vollkommen einverstanden. Seit wann sind die’ Burschen schon auf den Beinen?“ Parker zog seine große, zwiebelförmig aussehende Uhr aus der Westentasche und befragte die Zeiger. „In drei Minuten etwa sieben Stunden“, gab er dann zurück. „Donnerwetter“, wunderte sich Sir Alfred, „eine olympiareife Leistung!“ Die Zuschauer wurden abgelenkt, denn die ersten Bauarbeiter trafen an der Mischanlage ein. „Gleich werden sie Feuer machen“, freute sich Lady Agatha, der man eine gewisse Grausamkeit nicht absprechen konnte, solange es sich um verbale Forderungen handelte. „Das wird die beiden Killer etwas aufheizen.“ „Lady Agatha!“ entrüstete sich Sir Alfred ohne jeden Nachdruck. „Aber Mylady!“ entsetzte sich Kathy Porter. „Papperlapapp“, gab die resolute Sechzigerin unwirsch zurück. „Diese
Monstren haben es doch nicht anders verdient. Sie sollen ja nicht gerade verbrennen, nur ein wenig anrösten sollte man sie.“ Parker paßte auf. Natürlich war er gegen eine Aufheizung der beiden Killer. Er beobachtete die Bauarbeiter und war bereit, sofort einzugreifen, falls die Stahltrommel unter Feuer gesetzt wurde. Doch inzwischen schienen die beiden Killer sich bemerkbar gemacht zu haben. Die Bauarbeiter hatten wahrscheinlich Fremdgeräusche in der Trommel gehört, die normalerweise um diese Zeit nicht in Betrieb war. Sie strömten zusammen und stellten erst mal die Rotation ab. Dann öffneten sie den Kontrolleinstieg, durch den Parker die beiden Killer in die Mischanlage befördert hatte. Nacheinander kamen die Killer zum Vorschein. Docker taumelte wie betrunken und marschierte automatisch auf der Stelle, als er auf dem Boden stand. Seine Beine waren augenscheinlich nicht mehr zu bremsen. Er war übel mit Teer beschmiert. Wie übrigens auch Selwyn, der jetzt neben ihm zu sehen war. Selwyn vermochte ebenfalls nicht den Rhythmus seiner Füße abzubremsen. Er marschierte durch die Gasse, die die neugierigen und überraschten Bauarbeiter gebildet hatten, und schien sich wie in Trance zu befinden. Docker schloß sich diesem Marsch an und stampfte hinter seinem Partner her. Die beiden Killer hatten jede Orientierung verloren, innerlich wie äußerlich. Sie hielten auf den riesigen Splittberg zu, der rechts von der Mischanlage zu sehen war. Ohne Zögern begannen sie mit
dem an sich recht mühevollen Aufstieg und arbeiteten sich zäh nach oben. Vielleicht hatten sie noch gar nicht richtig kapiert, daß sie sich nicht mehr in der Mischtrommel befanden. Andächtig, belustigt und ratlos sahen die Bauarbeiter dieser Erstbesteigung zu. Sie wußten verständlicherweise nicht, was sie von den beiden Bergtouristen halten sollten, die unbeirrt durch den nachgiebigen Splitt wateten. Den Gipfel erreicht, legten Docker und Selwyn keine Pause ein. Auf der anderen Seite marschierten sie wieder hinunter taumelnd, torkelnd und wie von Sinnen, stampften durch Sandmassen und erreichten die Landstraße. Ohne sich um eine Bau-Verkehrsampel zu kümmern, die Rot zeigte, wanderten sie weiter in das Land hinein, allerdings auf ein munteres Lied verzichtend, was den Gesamteindruck vielleicht ein wenig störte. * Cindy lag behaglich auf dem weichen Teppich und schielte hinauf zu den Eintretenden. Als Bert Upcorns Liebling den Butler entdeckte, wurde Cindy von einer verständlichen Unruhe erfaßt und beeilte sich, hinter die rettende Portiere zu kriechen. Die Boa hatte den Fußtritt, den der Butler ihr versetzt hatte,; offensichtlich nicht vergessen. „Sie ist ja so sensibel und nachtragend“, beklagte sich der Schlangenspezialist. „Aber machen Sie sich nichts daraus, Mister Parker.“ „Ganz sicher nicht, Sir“, antwortete der Butler.
„Sie haben einen perversen Geschmack, Upcorn“, grollte Agatha Simpson und sah Bert Upcorn strafend ah. „Wie kann man sich nur eine Schlange als Haustier halten?“ „Wie kann man sich einen Hund halten?“ fragte Upcorn zurück. „Für mich gibt es da keinen Unterschied.“ Die Detektivin nahm in einem Sessel Platz, der ihrer Ansicht nach weit genug von der Portiere entfernt war. Kathy Porter setzte sich auf eine Klavierbank, Josuah Parker blieb seitlich hinter Lady Simpson stehen. „Also“; begann die ältere Dame, „was haben Sie inzwischen herausbekommen, Upcorn?“ Sie durfte sich diesen vertraulichen Ton leisten, da sie den Mann schon seit vielen Jahren kannte. „Ich habe mich um alle jene Firmen gekümmert, die Exoten einführen“, begann Upcorn. „Zwei Firmen kommen eigentlich nur in Betracht, wenn ich mich ausschließlich auf London beziehe. Und das war doch richtig, oder?“ „Man sollte tatsächlich davon ausgehen, daß nur Londoner Firmen in Betracht kommen“, ließ Parker sich vernehmen. „Diese beiden Firmen handeln also mit Schlangen?“ „Richtig“, bestätigte Upcorn. „Firmen, die über jeden Zweifel erhaben sind. Ich kenne die Inhaber beider Unternehmen. Ich darf mich auf die erhaltenen Auskünfte verlassen.“ „Hoffentlich bekomme ich die jetzt zu hören“, grollte Lady Simpson erwartungsvoll und ungeduldig. „Es sind die Firmen Batels und Raffy“, redete Upcorn weiter. „Sie sind die eigentlichen Verteiler von Exoten, also auch von Giftschlangen, um die es ja
geht. Diese beiden Firmen beliefern die Tierparks und zoologischen Handlungen.“ „Sind Giftschlangen in dieser Saison besonders gefragt?“ erkundigte sich Lady Agatha ironisch. „Erstaunlicherweise ja“, erwiderte Upcorn, „und mich stimmt das sehr traurig, wenn ich an die Haltung der Tiere denke. Sie wird in den meisten Fällen sehr unfachmännisch sein.“ „Nun weinen Sie nicht gleich.“ Lady Simpson verzog ironisch ihr Gesicht. „Es scheint jetzt chic zu sein, sich Schlangen zu halten“, führte Bert Upcorn weiter aus. „Dazu kommen Echsen bis hinauf zu kleinen Krokodilen. Terrarien scheinen die üblichen Aquarien abgelöst zu haben.“ „Gibt es Zahlen über den Import von Giftschlangen?“ wollte Josuah Parker wissen. „Natürlich“, lautete Upcorns Antwort, „aber sie besagen nichts. Der Weg, den die Schlangen nehmen, läßt sich nur mühsam nachvollziehen, verstehen Sie? Sie werden ja von den Firmen Batels und Raffy nicht direkt an die Kunden verkauft.“ „Bleiben wir bei den Giftschlangen.“ Lady Simpson schüttelte sich ungeniert, als sie dieses Wort in den Mund nahm. „Welche Haustiere dieser Art wurden innerhalb der letzten Wochen verkauft?“ „Eine einzige Sendung, und zwar von der Firma Batels. Es handelt sich um zwei Dutzend Schlangen, die alle in den Londoner Zoo gingen.“ „Zwischenhändler wurden nicht beliefert, Sir?“ warf Parker ein. „Nein, Mister Parker. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang einen Einwand.“ „Genehmigt“, knurrte Agatha Simpson.
„Ein Täter, der mit einer Giftschlange seine Opfer umbringt, wird diese Schlange bestimmt nicht regulär beziehen. Er wird sie sich illegal besorgen.“ „Und wo?“ Lady Agatha nahm ruckartig den Kopf herum und belauerte die Portiere, unter der Cindys Kopf zu sehen war. Die Boa fühlte sich ihrerseits beobachtet und zog sich hastig wieder in Sicherheit zurück. „Der Täter wird die Schlange gestohlen haben“, behauptete Bert Upcorn. „Könnte der Täter das bei Ihnen getan haben, Upcorn?“ „Theoretisch ja“, räumte der Mann ein. „Dieses Institut ist nicht gerade wie eine Bank gesichert. Und zudem- läßt sich die Menge der vorhandenen Schlangen nur schwer feststellen. Hin und wieder geht immer wieder mal ein Tier verloren.“ „Ich weiß, wie sehr Sie das bedrückt“. * spöttelte die Detektivin. „Aber wie passiert so etwas.“ „Kannibalismus“, erklärte Upcorn. „Sie verspeisen sich in den Groß-Terrarien schon mal gegenseitig.“ „Wie mich das aber freut“, sagte .Agatha Simpson ungeniert. „Sie glauben also, daß wir über die Großhändler nicht an den Mörder herankommen werden?“ „Bestimmt nicht“ versicherte Bert Upcorn, „falls es sich ...“ „Nun reden Sie doch weiter!“ „Falls der Mörder überhaupt mit einer Schlange arbeitet“, gab Bert Upcorn zu bedenken. Parker und seine Herrin tauschten daraufhin einen schnellen Blick aus. „Er braucht keine Schlange!?“ Die Stimme der Lady klang verblüfft. „Natürlich nicht“,, ereiferte sich Bert Upcorn. „Er braucht doch nur das Schlangengift als Mordmittel.“
„Alle bisherigen Opfer wiesen die typische Bißstellen auf“, ließ Parker sich vernehmen. „Was überhaupt nichts besagt“, gab Bert Upcorn zurück. „Diese typischen Bißpunkte lassen sich natürlich auch mechanisch herstellen. Dazu braucht man nur zwei Metalldorne. Sie verstehen, was ich meine?“ „Ein äußerst wertvoller Hinweis“, gab Parker zu, „ein Hinweis, der manches erklären würde.“ „Vergessen Sie aber nicht das Gift an sich“, erinnerte Lady Agatha. „Wie könnte man solche künstlichen Schlangenzähne vergiften?“ „Nichts leichter als das, Mylady.“ Bert Upcorn war in seinem Element. „Sie haben doch gesehen, wie eine Schlange gemolken wird, nicht wahr? Nun, das Gift trocknet recht schnell ein und verliert dadurch noch längst nicht seine Gefährlichkeit. Es kristallisiert aus und kann mittels einer einfachen Kochsalzlösung wieder flüssig gemacht werden. Bestreicht man mit solch einer Lösung zwei Metalldorne, dann haben Sie den typischen Schlangenbiß.“ „Eine reizvolle Vorstellung.“ Agatha Simpson schüttelte sich wieder mal ungeniert. „Wo könnte der Mörder sich dieses Gift besorgt haben?“ „In Ihrem Institut, Sir!?“ Parkers Frage klang sanft und höflich, dennoch war Bert Upcorn betroffen. Er sah den Butler lange und intensiv an, um dann bedächtig zu nicken. „Durchaus“, sagte er schließlich, „aber daran darf ich überhaupt nicht denken! Das wäre ja schrecklich.“ „Kennen Sie alle Ihre Mitarbeiter?“ „Natürlich.“ „Und Sie bürgen für sie?“
„Aber selbstverständlich! Sie arbeiten schon seit Jahren hier. Nein, nein, unvorstellbar!“ „Existieren in London noch andere Institute, die sich mit Giftschlangen oder Sera befassen?“ „Das Staatliche Seruminstitut in Battersea.“ Bert Upcorn räusperte sich und war sichtlich verlegen. „Ich fürchte, ich habe Sie da auf eine Spur gesetzt, die...“ „ ... genau richtig war“, unterbrach Lady Simpson ihn. „Langsam werden wir der ‘Viper’ auf die Schliche kommen.“ * Agatha Simpson fühlte sich seit einiger Zeit beobachtet. Zusammen mit ihrer Gesellschafterin Kathy Porter befand sie sich in einem großen, vornehmen Londoner Warenhaus, in dem auch die königliche Familie zu kaufen pflegte. Der Boden dieses Hauses war mit Teppichen ausgelegt, auf den Vitrinen standen kleine Lämpchen, die diskretes und verkaufsförderndes Licht verbreiteten. Der Ton in diesem Haus war höflich und unaufdringlich. „Passen Sie auf, Kindchen“, sagte Agatha Simpson zu ihrer Gesellschafterin. „Ich glaube, die ‘Viper’ pirscht sich an uns heran.“ „Haben Sie einen bestimmten Verdacht, Mylady?“ erkundigte sich Kathy Porter bestürzt. „Natürlich nicht, Kindchen, sonst hätte ich bereits mit meinem Glücksbringer zugelangt“, antwortete die Lady grimmig. Sie schwang ihren berüchtigten Pompadour, der über und über mit Perlen bestickt war, Zierperlen natürlich, denn
Mylady pflegte mit ihrer Wohlhabenheit nicht zu protzen. In diesem Handbeutel befand sich besagter Glücksbringer, nämlich ein reguläres Hufeisen. Wo dieser Glücksbringer hinlangte, blieb verständlicherweise kein Auge trocken. Lady Simpson wußte die Geheimwaffe energisch und kraftvoll zu handhaben. Kathy Porter war alarmiert und hielt vorsichtig Ausschau nach einem etwaigen Verfolger. Es boten sich recht viele Möglichkeiten an. War die „Viper“ jener seriös aussehende Herr dort, der hinter ihnen herschlenderte? War es die Frau, die an der Kasse gerade eine Rechnung bezahlte? War es der Angestellte, der einige Päckchen zur Warenausgabe trug? Oder kam als „Viper“ der rundliche, untersetzte Herr in Betracht, dessen jovial aussehendes Gesicht schon wieder zu jovial wirkte? Kathy Porter beschloß, sich auf diesen Mann zu konzentrieren. War es Zufall oder Absicht, daß dieser Herr ihnen folgte? Die Detektivin hatte einige Kleinigkeiten erstanden und interessierte sich dann für einen Hut. Sie schüttelte grimmig den Kopf, als man ihr kunstvolle Gebilde anbot und sie in den höchsten Tönen pries. „Sie verwechseln mich mit einer Modepuppe“, grollte sie die Verkäuferin an. „Ich brauche etwas Derbes, verstehen Sie? Eine Kreuzung zwischen Südwester und einem Tropenhut.“ Die junge Verkäuferin mißverstand. „Tropenausrüstungen im dritten Stock“, verkündete sie prompt.
„Ich hoffe doch sehr, daß Sie mich nicht reizen wollen“, konterte Agatha Simpson. „Modisch muß der Hut trotzdem sein. Tummeln Sie sich! Ich habe nicht die Absicht, hier zu übernachten.“ Das verschreckte Mädchen beschloß, erst mal die Abteilungsleiterin zu alarmieren. Sie hatte das dumpfe Gefühl, es mit einer leicht gefährlichen Irren zu tun zu haben. Sie huschte davon, während Lady Simpson ungeniert um die Verkaufstheke herumschritt und sich selbst bediente. Zielsicher griff sie nach einem wahren Monstrum von Hut, der sich als Wetterschutz für den Lachsfang in Schottland anbot. Kathy Porter schaute inzwischen ausgiebig in den Spiegel und beobachtete den jovialen Herrn, der sich von der Abteilung für Damenhüte nicht trennen konnte. Der Mann, der gut gekleidet war, trug einige Päckchen und ließ sich Modeschmuck für Damen vorlegen. „Ich glaube, Mylady, ich habe ihn“,, flüsterte Kathy Porter. „Ich auch!“ stellte Lady Simpson zufrieden fest und angelte nach dem stabilen Hut, den sie sich über ihr Haar zerrte. „Ich meine natürlich die ,Viper’, Mylady!“ „Wer?“ „Die ‘Viper’, Mylady!“ „Ich bin doch nicht schwerhörig“, grollte die Sechzigjährige. „Wer ist sie? Wen müssen wir uns aufs Korn nehmen?“ Kathy Porter ging ins Detail und beschrieb den jovial aussehenden Mann, der seinen Kauf gerade getätigt hatte. Er zahlte an einer Kasse im Hintergrund der Etage und ging dann hinüber zur Treppe. Hier baute er sich taktisch sehr geschickt auf, wie Kathy Porter befand. Der Mann
konnte sowohl die Treppe als auch den Lift kontrollieren. „Wir werden die Treppe nehmen“, entschied Agatha Simpson unternehmungslustig. „Dort sollten wir ungestört sein, finde ich. Mister Parker wird Augen machen, wenn wir ihm die ,Viper’ präsentieren!“ * Josuah Parker hatte sich neben seinem hochbeinigen Monstrum aufgebaut und wartete auf die Rückkehr seiner Herrin mit Kathy Porter. Der Butler hatte vor diesem Einkauf eindringlich gewarnt und auf die „Viper“ hingewiesen. Er rechnete trotz des Ausfalls der beiden Liverpooler Killer mit weiteren unangenehmen und mörderischen Überraschungen. Agatha Simpson war auf seine Warnungen natürlich wieder mal nicht eingegangen. Die Lady nahm die Gefahr einfach nicht zur Kenntnis und hielt es für unenglisch und feige, sich im Stadthaus zu verstecken, bis die Gefahr vorüber war. Unternehmungslustig wie immer hatte sie sich in die City bringen lassen. Parker hatte auf, dem hauseigenen Parkplatz des Warenhauses Zeit, sich mit der „Viper“ zu befassen. Erfreulicherweise konnte man schon beachtliche Details zusammenfügen. Erste Umrisse ließen sich erkennen. Die „Viper“, das hatte das Telefongespräch ergeben, kannte Lady Simpson und ihn als Amateurkriminalisten. Die „Viper“ wußte um die Gefährlichkeit dieser beiden Gegner. Daraus ging hervor, daß sie einen engen Kontakt zur Unterwelt besaß. Die „Viper“ mußte sich ferner in den Nachtbetrieben der Stadt auskennen, sonst
hätte sie unmöglich erfahren können, daß Parker Fotos der beiden Killer verteilt hatte. Die „Viper“ mußte darüber hinaus ihren Opfern wohlbekannt gewesen sein, sonst hätten die an sich mißtrauischen und wachsamen Spezialisten Sir Alfreds sich kaum überraschen lassen. Wahrscheinlich besaß die „Viper“ eine hübsche Larve, wie Mylady es ausdrücken würde. Hinzu kam noch ein besonders wichtiger Umstand: Die hübsche Larve mit ihren Kontakten zur Unterwelt und zu Nachtbetrieben hatte die Unterhaltung zwischen Sir Alfred und Lady Simpson Wort für Wort registriert und sofort geschaltet. Sie fürchtete wahrscheinlich die Erfolgsquote der drei Amateure. Die hübsche Larve mit den Beziehungen zur nächtlichen Unterwelt mußte Mittel und Wege gefunden haben, um das abhörsichere Büro Sir Alfreds elektronisch aufzuknacken. Und genau das war der springende Punkt. Sir Alfred hatte versichert, daß ein Abhören unmöglich wäre. Selbst noch so empfindliche Richtmikrofone oder Laserstrahlen, die die Vibration der Fensterscheiben zum Beispiel abtasteten und auf diese Art und Weise Gespräche lieferten, selbst solche Möglichkeiten waren ausgeschlossen. „Daraus ergab sich der zwingende Schluß, daß die hübsche Larve mit ihren guten Kontakten zur nächtlichen Unterwelt sich in Sir Alfreds Büro befand. Eine andere Möglichkeit bot sich nicht an. , Weiter ergab sich, daß die vermutete hübsche Larve Zugang zu Schlangengift oder gar Schlangen selbst haben mußte. Dieser Spur galt es nachzugehen. Eine
besonders große Anzahl an hübschen Larven wies Sir Alfreds Dienststelle erfreulicherweise nicht auf, der Kreis der verdächtigen Personen war also gering, und die Frage nach dem Motiv klammerte der Butler aus. Er sah sich außerstande, auch nur eine vage Vermutung zu hegen. Gewiß, irgendeine ausländische Macht bot sich als Anitiator dieser Morde an. Sir Alfred und seine Spezialisten suchten schließlich nach Feindagenten und waren bisher immer recht erfolgreich gewesen. Sehr gut möglich, daß man diesem Treiben endlich ein Ende bereiten wollte. Aber welche Macht kam dafür in Betracht? Die Auswahl war selbst bei grober Schätzung recht groß. Mit reiner Spekulation war dem Butler nicht gedient., Er beschloß, Sir Alfred so schnell wie möglich zu fragen, welche Agenten welcher Fremdmacht in letzter Zeit kräftig hatten Federn lassen müssen. Daraus ergaben sich vielleicht gewisse Aufschlüsse. Auf der anderen Seite waren persönliche Motive nicht auszuschließen. Haß, Mißgunst, Neid und psychopathische Veranlagung mußten zusätzlich einkalkuliert werden. Aber abgesehen von den Motiven blieb es bei wahrscheinlich weiblichen Mitarbeitern in Sir Alfreds Dienststelle, die über eine hübsche Larve verfügten. Parker war sicher, daß er der Lösung des Rätsels nicht mehr fern sein konnte. Der Kreis schloß sich, der Ring um die „Viper“ wurde immer enger. Als Butler Parker diesen Punkt seiner Überlegungen erreicht hatte, wurde er bedauerlicherweise abgelenkt.
Diese abrupte Unterbrechung hing mit einem Mann zusammen, der klein, rundlich und jovial wirkte. Er rannte auf seinen kurzen Beinen aus dem Hintereingang des Warenhauses und befand sich ganz eindeutig auf der Flucht. Panisches Entsetzen beflügelte seinen Lauf. Parker straffte sich und ging dem Mann entgegen. Es war für ihn selbstverständlich, seine Hilfe anzubieten. Parker hatte stets ein offenes Herz für die verfolgte Kreatur. „Hilfe!“ keuchte der Mann. „Retten Sie mich!“ „Mit Vergnügen, wie ich versichern darf“, entgegnete der Butler freudig, wenngleich er sich dieses Gefühl äußerlich nicht anmerken ließ. Er hoffte auf eine angenehme Abwechslung. Dann sah er das Geschoß. Es zischte mit erheblichem Geräusch aus dem Hinterausgang, schwirrte durch die Luft und hielt genau auf den Kopf des Mannes zu. Bevor Josuah Parker in der Lage ‘war, das deutlich sichtbare Geschoß richtig zu identifizieren, -wurde der joviale Mann bereits getroffen. Er stieß einen Schrei aus, warf die Arme hoch in die Luft und landete dann mit nachgebenden Knien in Parkers Armen. Als das Geschoß zu Boden fiel, erkannte Parker zu seiner ehrlichen Überraschung den Pompadour seiner Herrin und wunderte sich nun gar nicht mehr, daß der dickliche Mann in seinen Armen bereits bewußtlos war. * „Diesmal bin ich schneller gewesen“, freute sich Agatha Simpson diebisch, als sie vor ihrem Butler aufkreuzte. Die
kriegerische Dame sah Unternehmungslustig und triumphierend aus. „Haben Sie gesehen, wie ich ihn mit meinem Pompadour erwischt habe?“ „Ein meisterlicher Wurf, Mylady“, gratulierte Parker höflich. „Darf ich bei dieser Gelegenheit ergebenst fragen, um wen es sich handelt?“ „Um wen? Um wen? Um die ‘Viper’ natürlich!“ Ihre Stimme grollte schon wieder. ! „Mylady glaubten, es mit einer hübschen Larve zu tun zu haben,“ „Papperlapapp“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Dieser Strolch hat Kathy und mich die ganze Zeit über im Warenhaus verfolgt. Ich wette, er wollte uns ermorden.“ „Mylady werden dafür sicher eindeutige Anhaltspunkte gefunden haben“, vermutete und hoffte Parker, der mit äußerst geschickten Fingern die Taschen des Ohnmächtigen durchsuchte. „Dieser Mann sieht derart unauffällig aus, daß das schon wieder auffällt“, behauptete Agatha Simpson, nun doch ein wenig unsicher werdend. „War’s nicht so, Kindchen?“ Kathy Porter, die knapp hinter Mylady stand, nickte stumm. Parker beförderte eine kleine 6.35 aus der Tasche des Mannes und schaute sie überrascht an. Mit dieser Ausbeute hatte er wirklich nicht gerechnet. ‘ „Ich wußte es doch!“ Lady Simpson bekam wieder Oberwasser. „Die Mordwaffe ...“ „...die allerdings kaum einen Schlangenbiß imitieren kann“, korrigierte der Butler, dem jetzt ein schrecklicher Verdacht kam, zumal seine suchenden Finger eine Art Blechmarke entdeckten.
„Papperlapapp“, raunzte die ältere Dame ihren Butler an. „Die ‘Viper’ ist eben vielseitig.“ „In der Tat, Mylady“, antwortete Parker gemessen, „aber nicht dieser bedauernswerte Herr..,“ „Was soll das heißen?“ „Der Hausdetektiv des Warenhauses, Mylady!“ Parker zeigte seiner Herrin die Blechmarke, die sich als eine Art hauseigener Dienstausweis entpuppte. „Ich glaube, mir wird schlecht“, verkündete die Sechzig jährige. „Darf ich mir erlauben, Mylady einen Herzstärker zu servieren?“ Der Butler war versiert und ein As in seinem Fach. Er holte die flache lederumhüllte Flasche aus einer Innentasche seines Zweireihers, schraubte den Verschluß ab und servierte seiner Herrin eine Erfrischung. „Noch einen!“ verlangte Agatha Simpson. „Ich bin doch mitgenommener, als ich dachte.“ Sie genehmigte sich auch den zweiten, nicht gerade kleinen Schuß und schaute dann auf den Mann in Parkers Armen. Er kam wieder zu sich und produzierte die ersten Stöhner. Parker nickte wohlgefällig, als Kathy Porter den Pompadour aufhob und ihn Agatha Simpson überreichte. Dann mußte er sich dem jovial aussehenden Mann widmen, der gerade die Augen aufschlug und sich mit schwacher Stimme erkundigte, wo er sich befinde. „Sie wurden augenscheinlich von einem kleinen Unwohlsein befallen“, erläuterte der Butler dem Warenhausdetektiv. „Ich war so frei, Sie vor dem Niedersturz zu bewahren.“ Parker sah seitlich an dem Mann vorbei und registrierte, daß Mylady und Kathy Porter bereits im Fond des hochbeinigen
Wagens Platz genommen hatten. Kathy Porter ließ geistesgegenwärtig die Jalousetten vor den Scheiben herunter. „Haben Sie eine große, stämmige Frau gesehen?“ fragte der Detektiv, der sich inzwischen wieder erinnerte. Er fuhr herum und suchte den Parkplatz ab. „Eine Dame?“ „Eine Art Waschweib“, präzisierte der Detektiv. „Ich bin Menschenkenner, verstehen Sie? Das war ein Waschweib in einem Chanel-Kostüm.“ „Ich sah in der Tat eine solche Dame.“ „Hören Sie mir auf mit Dame“, sagte der Detektiv und rieb sich andächtig den schmerzenden Hinterkopf. „Eine Furie: Sie überfiel mich auf der Treppe und schlug mich mit einem Pompadour. Ich konnte nur noch flüchten.“ „Warum haben Sie nicht geschossen?“ Parker reichte dem konsternierten Mann die Waffe zurück. „Wer schießt schon auf eine Frau!?“ Der Mann seufzte und strich sich den Anzug glatt. „Zudem ließ sie mir überhaupt keine Chance. Sie wurde von einer jungen, rothaarigen Komplicin begleitet. Ich bin sicher, daß sie gestohlen haben.“ „Warenhausdiebe, Sir!?“ „Natürlich — Ausgekochte Exemplare sogar. Wissen Sie, warum ich von den Beinen gekommen bin? Irgend etwas hat mich am Hinterkopf getroffen. Wie ein auskeilendes Pferd.“ „Ich muß leider bedauern, Sir“, entschuldigte sich Parker und lüftete seine schwarze Melone. „Wenn Sie sich beeilen, werden Sie die Dame vielleicht noch erreichen. Sie lief dort die Straße hinunter und hinkte ein wenig.“ Der Warenhausdetektiv konnte oder wollte sich nicht entschließen, die sofortige Verfolgung aufzunehmen. Schließlich
raffte er sich aber doch auf und ging zurück in Richtung Warenhaus. „Ich denke, ich werde erst mal einen schriftlichen Bericht anfertigen“, sagte er zu Parker, „und eine Personalbeschreibung anlegen. Ich sehe diese Furie noch genau vor mir. Einfach schrecklich. Nicht zu glauben, wie ordinär gewisse Frauen werden können.“ Parker wartete, bis der geschockte Mann wieder im Hintereingang verschwunden war. Dann schritt er erleichtert und gemessen zugleich hinüber zu seinem hochbeinigen Wagen und nahm am Steuer Platz. „Pfui, Mister Parker!“ schimpfte Lady Simpson grollend. „Ich habe jedes Wort mitbekommen.“ „Darf ich mir die Freiheit nehmen, Mylady darauf aufmerksam zu machen, daß ich mich jeder abwertenden Äußerung enthielt?“ „Worum ich allerdings auch gebeten haben möchte“, meinte Lady Simpson grimmig. „Aber ich begreife einfach nicht, warum Sie diesem Sittenstrolch nicht ein paar saftige Ohrfeigen verabreichten. Dazu wären Sie moralisch verpflichtet gewesen!“ „Wie Mylady meinen“, antwortete Parker ergeben und höflich. „Bei der nächsten Verwechslung werde ich mich mit Sicherheit daran erinnern.“ * Kathy Porter legte die Päckchen, Pakete und die Hutschachtel auf dem Tisch in Myladys Schlafzimmer ab und erkundigte sich nach den Wünschen ihrer Herrin. „Bis zum Mittagessen werde ich ein wenig nachdenken“, sagte Agatha Simpson, „aber Sie könnten mir noch
einen Sherry bringen, Kindchen. Mein Magen will nicht so, wie ich will.“ Kathy Porter verließ das Schlafzimmer und ging hinunter zu Butler Parker, der den gewünschten Sherry bereits parat hielt. Er kannte die kleinen Gewohnheiten von Mylady durch und durch. Als Kathy Porter nach dem Tablett griff, auf dem das Sherryglas stand, war von oben her ein fast erstickter Aufschrei zu hören. Parker war ungemein schnell auf der Treppe und begab sich hinauf in Lady Simpsons Schlafzimmer. Die nicht gerade ängstlich angejahrte Dame stand auf einem Sessel und deutete aufgeregt hinüber zum kleinen Tisch, auf dem auch die Hutschachtel stand. „Die Schlange! Passen Sie auf!“ Myladys Stimme vibrierte. „Eine Schlange, Mylady!?“ Parker ging vorsichtig an den Tisch heran und entdeckte ein solches Reptil, das halb ‘über dem Rand der geöffneten Hutschachtel hing. „Eine Imitation“, sagte Parker. „Sind Sie verrückt!? Die ist echt!“ Agatha Simpsons Stimme wurde nun ein wenig schrill. „Sie kletterte aus der Hutschachtel, als ich den Deckel öffnete.“, Parker hatte inzwischen den kleinen Tisch erreicht und war sich- seiner Sache vollkommen sicher. Die Schlange hing zudem regungslos über den Rand der Hutschachtel. Sie sah harmlos aus, war braun-grün und daumendick. Als Parker mit seinen weiß behandschuhten Händen Zugriff, reagierte die Imitation gereizt, richtete sich auf und zischte.
Worauf der Butler sich die Freiheit nahm, einen schnellen Sprung zurück zu tun. „Was ich Ihnen gesagt habe, Sie Dummkopf!“ Lady Simpson fauchte vom Sessel her. „Dieses Biest lebt.“ „In der Tat“, antwortete Parker überrascht und sah fasziniert zu, wie die Schlange nun vollends aus der Hutschachtel kroch, sich über den Tisch und die Päckchen ringelte und dann hinunter auf den’ Teppich kletterte. „Wenn Sie sie jetzt auch noch Liebling nennen, werfe ich Ihnen etwas an den Kopf“, war vom Sessel zu hören. „Tun Sie endlich etwas, Mister Parker!“ Der Butler nahm das Glas Sherry, das sich noch auf dem Tablett befand und goß den Inhalt über den Kopf der Schlange. Das Reptil zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen und fuhr blitzartig zurück. Dann schien sie aber den Geschmack des alten, sehr trockenen Sherry auf der gespaltenen Zunge verspürt zu haben. Sie schob ihren Kopf wieder vor und labte sich an Myladys Lieblingsgetränk. Die Zunge tauchte wiederholt in den Sherry und schleckte. „Wollen Sie dieses Biest betrunken machen?“ erkundigte sich Agatha Simpson, die nach wie vor auf der Sitzfläche des Sessels stand, aber nun doch mit dem Interesse eines Wissenschaftlers zuschaute. „Vielleicht ist dies die humanste Art“, gab der Butler zurück, „und die gefahrloseste dazu!’ Er hatte sich in Sicherheit gebracht und sah deutlich, daß der Sherry aufgezüngelt wurde. Gewiß, ein Teil davon versickerte bestimmt im Teppich, doch die Schlange
beeilte sich offensichtlich, noch eine gute Portion zu bekommen. An Alkoholika sichtlich nicht gewöhnt, zeigte das Reptil bald die entsprechende Wirkung. Die Schlange richtete sich auf, schielte den Butler leicht an und bewegte ihren Kopf hin und her. Sie ringelte sich zusammen, rollte sich wieder auf, ließ die Schwanzspitze tanzen und kroch anschließend im Kreis herum. Sie verwechselte ihre Schwanzspitze mit einem Gegner und machte Jagd auf sie. „Upcorn wird uns kein Wort glauben“, bedauerte Agatha Simpson bereits im voraus. „Ein Verhalten, das für Schlangen relativ ungewöhnlich erscheint“, stellte der Butler sachlich fest und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Die Jagd nach der eigenen Schwanzspitze war nämlich in ein entscheidendes Stadium getreten. Die Kreise des Schlangenkörpers waren immer enger geworden. Plötzlich schnappten die beiden Fangzähne der Schlange zu und verbissen sich in der eigenen Schwanzspitze. Gewiß, die Schlange schrie nicht gerade auf, aber sie zuckte doch unangenehm berührt zusammen. Dann ringelte sie sich und gab sich ihrem Rausch hin. „Hoffentlich stirbt das Biest an ihrem eigenen Gift“, sagte Lady Simpson mit einem Unterton in der Stimme, der ein wenig gehässig klang, aber auch stille Hoffnung ausdrückte. „Man müßte Mister Upcorn dazu befragen“, sagte Josuah Parker. „Kann sich eine Schlange mit ihrem eigenen Gift töten? Ein interessantes Problem, Mylady, auf das ich im Augenblick keine Antwort zu geben vermag.
* „Sie werden bereits erwartet“, sagte Miß Sherman, die Vorzimmerdame Sir Alfreds, die an eine graue Maus erinnerte. Sie nickte Parker, Kathy Porter und Lady Simpson etwas verkniffen zu und öffnete dann das Büro. Sir Alfred kam seinen Gästen entgegen und lächelte, als habe er gute Nachrichten. „Möchten Sie wissen, was aus den beiden Liverpoolern geworden ist?“ fragte er, nachdem er die Tür geschlossen hatte. „Sie sind doch nicht wieder aktiv geworden, oder?“ Lady Simpson war neugierig. „Sie blieben noch eine gute halbe Stunde auf den Beinen“, berichtete Sir Alfred, „in dieser Zeit brachten sie die beachtliche Strecke von vier Kilometern hinter sich. Meine Leute kamen kaum mit. Dann gab’s den fälligen Zusammenbruch. Sie liegen jetzt in einem Krankenhaus und lassen sich die Zehen behandeln.“ „Ich bedaure diesen Aufenthalt überhaupt nicht“, erwiderte Agatha Simpson. „Wir haben aber auch Nachrichten für Sie!“ „Sie deuteten das am Telefon an.“ Parker öffnete ein Päckchen und ließ die erbeutete Giftschlange sehen. Sir Alfred wich sofort zurück und sah mißtrauisch auf das Reptil. „Ich möchte doch sehr hoffen, daß das Ding nicht mehr lebt“, sagte er dazu. „Sie verstarb an ihrem eigenen Gift, nachdem sie sich in einem Vollrausch befand“, erklärte die Detektivin zufrieden. „Aber hören Sie sich die Einzelheiten an.“ Sir Alfred sperrte Mund und Nase auf, als Josuah Parker auf diese Einzelheiten zu sprechen kam. Er begnügte sich mit den nackten Tatsachen.
„Die Hutschachteln wurden ausgetauscht“, fügte Lady Simpson schließlich hinzu. „Das haben wir bereits festgestellt, Alfred. In der Schachtel mit der Giftschlange befand sich nicht der Hut, den ich gekauft hatte.“ „Dann muß die ‘Viper’ doch in Ihrer unmittelbaren Nähe gewesen sein.“ „Anders können wir uns das auch nicht vorstellen“, antwortete die energische Dame. „Eine schreckliche Vorstellung. Dieser Mörder unmittelbar neben mir. Er muß die beiden Schachteln an der Warenausgabe vertauscht haben.“ „Die erste wirkliche Giftschlange“, sagte Sir Alfred nachdenklich, „Könnte uns das näher an den Täter heranbringen?“ „Falls man noch zusätzliche Details in Erfahrung bringt“ ließ Josuah Parker sich vernehmen. „Darf ich mir die Freiheit nehmen, noch einige Fragen zu stellen?“ „Das wissen Sie doch.“ Sir Alfred nickte ermunternd. „Es handelt sich um die Opfer“, schickte Parker gemessen voraus. „Wie lauten die einzelnen Todeszeiten?“ „Warten Sie, das werden wir gleich haben.“ Er drückte auf einen Klingelknopf, worauf wenig später die graue Maus erschien. Sie nahm Sir Alfreds Auftrag entgegen und verschwand wieder unauffällig. „Die nächste Frage“, ließ Parker sich vernehmen. „Welche Feindmächte, Sir, um bei diesem Ausdruck mal zu bleiben, welche Feindmächte wurden in den vergangenen Wochen und Monaten besonders dezimiert, was deren Agenten anbetrifft?“ „Ich weiß schon, worauf Sie hinaus wollen, Parker. Fehlanzeige, um es gleich zu sagen. Meine Dienststelle hat natürlich
eine ganze Reihe von Fremdagenten ausgehoben und unschädlich gemacht, aber diese Agenten verteilen sich auf alle Mächte, die hier bei uns spionieren.“ „Eine spezielle Fremdmacht ließ also nicht besonders viel Federn?“ „Nein, Mister Parker. Ich habe schon verstanden, worauf Sie anspielen: Rache irgendeiner Feindmacht. Das können wir ausschließen. Ich möchte fast sagen, daß ein aktueller Anlaß überhaupt nicht besteht, gerade jetzt besonders aktiv zu werden. Ich meine, was die ‘Viper’ anbetrifft. In letzter Zeit war es hier bei uns fast ruhig. Nur die üblichen Routinefälle.“ Sir Alfreds Sekretärin betrat still und unauffällig das Büro. „Die gewünschten Todeszeiten, Sir“, sagte sie und reichte .Sir Alfred eine Akte. „Ich habe die einzelnen Zeiten bereits herausgeschrieben. Sie ‘befinden sich dort auf dem Zettel.“ Während sie redete, warf sie dem Butler einen schnellen, prüfenden Blick zu, was Parker registrierte. Dann huschte sie wieder aus dem Büro. Sir Alfred studierte die Liste und reichte sie dann an den Butler weiter. Eine kurze Überprüfung gab Gewißheit. Parker stellte fest, daß bis auf den Mord im VW alle anderen Opfer in den Abendstunden umgebracht worden waren. Und zwar in der Zeit zwischen 20 Uhr und Mitternacht. „Sagt Ihnen das etwas?“ forschte Sir Alfred. „Wie Ihnen, Sir“, gab der Butler zurück, „die Morde wurden alle nach Dienstschluß begangen, und die Opfer befanden sich in ihren Wohnungen. Daraus lassen sich wertvolle Schlüsse ziehen.“
„Nämlich?“ „Ich möchte Sie nicht unnötig belasten, Sir.“ Parker legte seinen Zeigefinger vor die Lippen und deutete damit an, daß er absichtlich nicht sprechen wollte, weil er Mithörer vermutete. Dann griff er nach einem Notizblock, schrieb einige Zeilen nieder, riß den Zettel ab und reichte ihn Sir Alfred. Der Leiter der Dienststelle überlas das Geschriebene, nickte und verbrannte anschließend den Zettel im Aschenbecher. Parker trieb die Sicherheit auf die Spitze. Er wußte, wie leicht sich Notizen auf einem Block durchdrücken und die nachfolgenden Blätter zusätzlich mitbeschreiben. Er riß einige leer Seiten vom Block ab und verwahrte sie in einer seiner vielen Westentaschen. Dann ging er leise hinüber zur Tür und wollte sie gerade blitzschnell aufreißen, als er draußen im Sekretariat einen leisen Schrei vernahm, der sich mit einem blechernen Scheppern mischte. Parker öffnete die Tür. Miß Sherman, Sir Alfreds Sekretärin, saß ein wenig unglücklich auf dem Boden. Ihr an sich langer Rock war hochgerutscht. Er enthüllte stämmige Beine, runde Knie und kräftige Oberschenkel. „Darf ich mir erlauben, Ihnen meine Hand zu reichen?“ erkundigte sich der Butler und trat näher. „Was ist denn passiert, Miß Sherman?“ fragte Sir Alfred. „Dieser verflixte Eimer“, beschwerte sich die Sekretärin und ergriff Parkers Hand. Sie kam zurück auf ihre Beine, strich sich den verschobenen Rock glatt und massierte ihre linke Hüfte.
„Eimer...!?“ fragte Agatha Simpson, die noch nicht ganz begriffen hatte. „Immer läßt sie ihr Putzzeug herumstehen“, ärgerte sich Miß Sherman und deutete auf den Eimer und den Besen. „Sir, Sie müssen ihr endlich klarmachen, daß das so nicht weitergeht...“ „Ich werde mich hüten“, erwiderte Sir Alfred und lächelte ein wenig unglücklich. „Ich kenne doch Alma. Deren Mund bin ich nicht gewachsen. Tun Sie das, Miß Sherman! Anschließend können Sie sich ja in mein Büro flüchten. Ich werde Sie dann wahrscheinlich beschützen ...“ * Ralph Miller war ein Catcher, wie man ihn sich nicht ausgeprägter vorstellen konnte. Groß und hünenhaft, wirkte er auf den Betrachter wie ein Neandertaler, der sich hinter den Tresen einer kleinen Nachtbar verirrt hatte. Ein Netzhemd spannte sich über seinen mächtigen Oberkörper und ließ den Blick frei auf ungemein reizvolle Tätowierungen, die teilweise allerdings etwas gewagt wirkten. Ralph war eine Seele von Mensch. Als er Parker entdeckte, schnaufte er um den Tresen herum und streckte grüßend seine mächtige Hand aus, die an eine mittelgroße Kohlenschaufel erinnerte. „Fein, daß Sie auch mal vorbeischauen“, sagte er. „Alles in Ordnung, Mr. Parker?“ „Aus naheliegenden Gründen möchte ich darauf verzichten, Ihnen meine Hand zu geben“, sagte Parker. „Ich brauche sie hin und wieder.“ „Sie Spaßvogel!“ Ralph Miller freute sich zusätzlich. „Was möchten Sie trinken?“
„Auf keinen Fall einen Hauscocktail“, wehrte der Butler ab. „Nach der letzten Kostprobe spielte ich mit dem Gedanken, mir den Magen auspumpen zu lassen. Sie haben die Fotos bekommen?“ „Und die beiden Typen sofort wiedererkannt“, antwortete Ralph Miller. Er deutete auf eine Nische, in der man ungestört sprechen konnte. Der Geräuschpegel in seiner Nachtbar war beachtlich und konnte sich durchaus mit dem einer Großbaustelle messen. Ralph Millers Lokal war beliebt und stets überfüllt. Bei ihm traf sich die Ober- und Unterwelt. Dabei achtete Ralph Miller streng darauf, daß es in seinem Lokal friedlich zuging. Als ehemaliger Catcher hatte er in der Hinsicht auch nie Schwierigkeiten. Parker hatte ihm die Fotos von Docker und Selwyn zukommen lassen, und Ralph Miller hatte sie dank seiner erstklassigen Verbindung zu fast allen Nachtbetrieben blitzschnell verteilt Zusätzlich und sicherheitshalber, obwohl er Docker und Selwyn sofort wiedererkannt hatte. „Kann ich mit Einzelheiten rechnen?“ erkundigte sich der Butler, nachdem er in der Nische Platz genommen hatte. Er begnügte sich sicherheitshalber mit einem Glas Export, von dem er annehmen konnte, daß es ihn nicht unnötig erschütterte wie die Drinks, die Ralph Miller sonst zu mixen pflegte. „Die beiden Typen waren vor drei Tagen hier bei mir“, erzählte der Catcher, ohne sich weiter bitten zu lassen. „Sie waren nicht allein ... Sie waren mit einer Frau zusammen, die ich hier noch nie vorher gesehen hatte.“ „Könnten Sie mir freundlicherweise die Frau beschreiben?“ „Irgend ein mieses Etwas ...“ präzisierte Miller schwach.
„Ginge es vielleicht ein wenig deutlicher?“ „Sie. sah eigentlich nach nichts aus“, erinnerte sich Miller, „ziemlich alt, würde ich sagen ... Schlecht angezogen. Irgendeine Schlampe, wenn Sie mich fragen...“ „Würde der Ausdruck ,graue Maus’ vielleicht zutreffen?“ Parker war verständlicherweise hellhörig geworden. Er dachte an eine ganz bestimmte Frau, deren Erscheinung sich bei Millers Beschreibung förmlich aufgedrängt hatte. ,,’ne graue Maus, das ist sie gewesen“, stimmte Ralph Miller sofort zu. „Verdammt grau, Mr. Parker, wenn Sie mich fragen. Sagt Ihnen das was?“ „Sie sind mir bereits schon jetzt eine wertvolle Hilfe“, bedankte sich der Butler. „Vor drei Tagen ist das also gewesen ...“ Parker dachte nach, während Ralph Miller sich mit seinem Drink befaßte und ihn dann herunterkippte. Der Butler erinnerte sich sehr gut. Vor drei Tagen hatte das Gespräch zwischen Sir Alfred und Lady Simpson stattgefunden. Dieses Gespräch war ganz eindeutig abgehört worden. Daraufhin hatte die ‘Viper’ sich sofort zwei Killer verschafft, um die drohende Gefahr durch Lady Simpson, Kathy Porter und ihn, Parker, abzuwenden. Die Zeit stimmte durchaus. „Wer sind denn die beiden Typen gewesen?“ wollte Miller jetzt wissen. „Zwei Herren, die man ohne Bedenken als Killer bezeichnen muß“, antwortete der Butler. „Sie stammen aus Liverpool.“ „Daß sie nicht aus London waren, habe ich sofort gesehen“, stellte Miller sachkundig fest, „die sind also aus Liverpool geholt worden, oder?“
„Es hat den Anschein“, entgegnete der Butler und nippte an seinem Export. „Ich frage mich nur, wie man innerhalb kürzester Zeit besagte Killer zu engagieren vermochte.“ „Sie meinen, die aus Liverpool?“ „Das ist meine Frage.“ . „Wenn man die richtigen Telefonnummern kennt, ist das ‘ne Kleinigkeit“, erläuterte Ralph Miller leichthin. „Killer sind immer zu haben, falls man - bar bezahlt.“ „Muß der Auftraggeber sich in solch einem Fall zu erkennen geben?“ fragte Parker sicherheitshalber, obwohl er es bereits zu wissen glaubte. „Nee, darauf sind Killer überhaupt nicht scharf“, erklärte Ralph Miller; „Man engagiert per Telefon, hinterlegt das Geld und den Namen des Opfers in ‘nem Schließfach irgendwo bei der Post oder auf ‘nem Bahnhof und steckt den Schlüssel davon in ‘nen Umschlag, den man postlagernd hinterlegt und gegen ein vereinbartes Stichwort hin abholen kann ...“ „Mörderisch einfach“, kommentierte der Butler. „Sie sagen es, Mr. Parker! Was ist nun mit den beiden Liverpooler Typen? Soll ich nach ihnen suchen lassen?“ „Das hat sich inzwischen erübrigt“, gab der Butler zurück. „Die Herrn werden sich hier in London mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr sehen lassen ...“ „Und diese graue Maus, Mr Parker?“ „Vergessen Sie die!“ Parker stand auf . und griff nach seiner schwarzen Melone. „Sie ist fast noch gefährlicher als eine Viper!“ *
Josuah Parker hatte Ralph Millers Lokal verlassen und ging zurück zu seinem Wagen. Auf dem Parkplatz angekommen, glaubte er eine Stimme zu hören, die ihm nicht unbekannt war, eine Stimme, die in Sir Alfreds Büro gehörte.. Der Butler gab seiner Neugierde nach und ging um den hochbeinigen Wagen herum. Er entdeckte einen kleinen, niedrigen Sportwagen, aus dem gerade zwei junge Leute ausstiegen, die miteinander scherzten und bester Laune waren. Parker erkannte die junge Frau sofort wieder. Es handelte sich um Hilda Witness, jene kesse Stenotypistin, die gern mit Sir Alfred kokettierte. Sie befand sich in Begleitung eines jungen Mannes, der seinen Arm um ihre Schulter legte und sie burschikos an sich zog. Parker schaltete innerlich sofort auf größte Vorsicht. Das konnte unmöglich Zufall sein. War diese Begegnung per Distanz geschickt arrangiert worden, um seine Aufmerksamkeit zu erregen? Sollte ihm hier eine Falle gestellt werden? Selbstverständlich verfolgte er das junge Paar, das nun die Straße überquerte und auf eine Nachtbar zuhielt. Die Fassade dieses Etablissements war ungewöhnlich und erinnerte an ein japanisches Teehaus. Nun, vom Stil her mochte es sich auch um Vietnam oder China handeln, Parker wollte sich da nicht festlegen. Hilda Witness, die kesse Stenotypistin, und ihr Begleiter waren inzwischen in der Nachtbar verschwunden.
Handelte es sich bei Hilda Witness um jene hübsche Larve, nach der Agatha Simpson und er suchten? War Hilda jene graue Maus gewesen, die Ralph Miller in Begleitung der beiden Killer gesehen hatte? Parker hatte inzwischen ebenfalls die Straße überquert und betrat das asiatische Nachtlokal. Die Inneneinrichtung war recht eigenwillig. Vor einer langen Glasfront, die zu einem in der Tiefe schmalen, aber durchgehenden Terrarium gehörte, befanden sich viele kleine Nischen, die außer Sitzmatten aus Bast oder Stroh nur kleine, kaum wenige Zentimeter hohe Lacktischchen enthielten. Die Beleuchtung in dem Nachtlokal war mehr als bescheiden und wurde fast ausschließlich von den Neonröhren in dem langen Terrarium geliefert. Das, was sich hinter der Glasfront befand, elektrisierte den Butler auf Anhieb. Schlangen! Parker zuckte zusammen, als eine sanfte Hand sich auf seine Schulter legte. Erstaunlich schnell wirbelte der Butler herum und hob dabei den bleigefüllten Bambusgriff seines UniversalRegenschirms an. Er merkte voller Überraschung, daß er nervös War. Nun, hinter ihm stand eine junge Asiatin, die sehr reizvoll aussah und um Melone und Schirm bat. Parker schüttelte höflich den Kopf, denn von diesen beiden Utensilien trennte er sich nur ungern. Er nahm in einer der vorderen Nischen Platz und widmete sich erst mal dem Inhalt des Terrariums. Er sah sich Aug’ in Auge einer großen Boa gegenüber, die ihn ein wenig schläfrig ansah.
Die Boa war allerdings nicht allein. Schlangen, die Parker nicht kannte, hingen wie exotischer Schmuck im Geäst einiger Tropenhölzer und fühlten sich sichtlich wohl. Auf dem kiesbedeckten Boden schlängelte und ringelte sich weiteres Gewürm. Parkers Innenleben verlangte umgehend und energisch nach einem herzhaften Drink, den er bei der Bedienung bestellte. Er verzichtete darauf, sich auf der Sitzmatte niederzulassen, weil er das Gefühl hatte, aktionsbereit bleiben zu müssen. Die Boa jenseits der Glasscheibe hatte sich an dem Butler satt gesehen und bewegte sich träge von dannen. Eine außerordentliche Verdickung in ihrer Leibesmitte sagte dem Butler, daß sie vor nicht allzu langer Zeit diniert haben mußte. „Hallo, Mr. Parker!“ Der Butler zwang sich zur Ruhe und drehte sich langsam um. Dann langte er höflich nach seiner schwarzen Melone und lüftete sie. „Miß Witness, wie ich vermute?“ „Wie kommen denn Sie hierher?“ fragte sie lächelnd und betrat die Nische. Die Stenotypistin aus Sir Alfreds Dienststelle war allein. Sie wirkte völlig unbefangen und schon wieder ein wenig kokett. „Jeden hätte ich hier erwartet, nur nicht Sie!“ „Ich gestatte mir, Miß Witness, diese Bemerkung als Kompliment aufzufassen“, antwortete der Butler. „Sie scheinen sich hier auszukennen, wie ich unterstellen darf?“ „Das kann man wohl sagen“., gab sie zurück und trat noch näher an den Butler heran. Josuah Parker spannte sicherheitshalber seine Muskeln. Er wollte nicht
leichtsinnig einem nachgemachten Schlangenbiß zum Opfer fallen. „Ein ungewöhnliches Lokal“, tippte Parker an. „Rasend interessant, wie?“ Sie nickte. „Herb und ich kommen gern hierher.“ „Herb?“ „Mein Verlobter. Er sitzt drüben an der Bar... Als sie hereinkamen, habe ich Sie gleich erkannt und wollte Sie begrüßen.“ Sie deutete auf die Glasscheibe des Terrariums und verzog ihr Gesicht, „Schreckliches Getier nicht wahr?“ „Hoffentlich werden hier keine Giftschlangen gehalten“, sagte der Butler. „Keine Ahnung, Mr. Parker“, lautete ihre Antwort, zu der sie die Achseln zuckte. „Hauptsache, das Schlangenzeugs kann nicht heraus.“ „Halte ich Sie nicht auf, Miß Witness?“ erkundigte sich der Butler. „I wo!“ Sie schüttelte unbefangen den Kopf. „Wollen Sie nicht zu uns an die Bar kommen... Herb würde sich bestimmt freuen.“ „Sie kennen den Inhaber dieses anregenden Lokals, Miß Witness?“ „Nur vom Ansehen, Mr. Parker. Irgendein Asiate. Ich glaube, ein Vietnamese ...“ Parker war ehrlich froh, aber auch überrascht zugleich, als sie sich wieder von ihm verabschiedete und zurück in die hinteren Räume ging. Irgendwie hatte er das Gefühl, einem sicheren Schlangenbiß entkommen zu sein. Oder stand ihm der noch bevor? Josuah Parker beeilte sich, die Nachbarschaft der Schlangen zu verlassen. Er sehnte sich nach der Geborgenheit seines hochbeinigen Wagens, die er allerdings noch nicht erreicht hatte, wie er sich eingestehen mußte.
Nachdem er das seltsame Lokal verlassen hatte, schaute er sich wiederholt um, ob er vielleicht verfolgt würde. Sein Mißtrauen steigerte sich noch, als er nichts feststellen konnte. Er hielt das für einen raffinierten Trick. Vielleicht lauerte der angebliche Verlobte der Stenotypistin irgendwo in der Dunkelheit des Parkplatzes auf ihn. * Kein Mensch lauerte auf den Butler! Josuah Parker war ehrlich frustriert, als nichts geschah. Sollten seine Vermutungen etwa falsch sein? War er bisher stets von falschen Vorstellungen ausgegangen? Als er im Wagen saß und die Türen elektrisch verriegelt hatte, fühlte Parker sich sicher. Er fuhr nicht sofort los, sondern überlegte den nächsten Schritt. Da seine Herrin sich im Stadthaus befand, konnte sie ihn im Augenblick nicht stören oder verunsichern. Lady Simpson neigte dazu, sehr spontan zu handeln, was Parkers Ermittlungen oft störte. Er sah zu dem asiatischen Nachtlokal hinüber. Weder Miß Witness noch ihr Verlobter ließen sich sehen. Sollte es wirklich nur ein dummer Zufall sein, daß er sie hier in Soho getroffen hatte? Nein, Parker hielt sieh lieber an Tatsachen. Und eine dieser Tatsachen war die Aussage von Ralph Miller. Er hatte von einer grauen Maus gesprochen, die sich mit den beiden Killern unterhalten hatte. Diese graue Maus galt es jetzt aufzuspüren. Der Butler, der alle wichtigen Adressen im Kopf hatte, setzte sein hochbeiniges Monstrum in Bewegung, um einer
gewissen Miß Sherman eine abendliche Visite abzustatten. Sie war eine graue Maus, wie man sie sich grauer einfach nicht vorstellen konnte. Miß Sherman wohnte in Paddington, nicht weit vom Hydepark entfernt. Das Haus war vierstöckig und sah noch grauer aus als Miß Sherman. Er fand ihren Namen auf der Klingeltafel und läutete. Falls Miß Sherman zu Hause war, mußte sie sich über die Sprechanlage melden. Was nicht der Fall war! Parker zögerte keinen Moment, dennoch das Haus zu betreten. Er verfügte über ein Spezialbesteck, mit dem sich Türschlösser jeder noch so komplizierten Bauart spielend leicht öffnen ließen. Falls man das dazu notwendige handwerkliche Geschick besaß. Der Butler benutzte den Lift, fuhr hinauf in die dritte Etage und stand dann vor der Wohnungstür der Sekretärin. Er legte sein Ohr gegen die Türfüllung und lauschte. Kein Laut! Der Butler bemühte erneut sein kleines Besteck, sperrte das Schloß auf und betrat die Wohnung, die nichtssagend, fast ein wenig spartanisch eingerichtet war. Zuerst machte er einen ausgiebigen Rundgang durch die zweieinhalb Zimmer, dann widmete er sich Schränken und Schubladen. Gewiß, was er hier tat, war gegen das Gesetz. Doch die „Viper“, die er fangen wollte, war schließlich eine Massenmörderin ... * Die „Viper“ stand an der Einmündung zum Viereck, an dem Lady Simpsons Haus lag.
‘Fast sehnsüchtig sah sie zu diesem Haus hinüber, in dem zumindest eine verhaßte Gegnerin wohnte. Die „Viper“ wußte sehr gut um die Gefährlichkeit von Agatha Simpson. Diese energische Dame arbeitete mit unkonventionellen Mitteln und war einfach nicht zu berechnen. Sie servierte immer wieder neue Überraschungen. Da Parkers Wagen nicht vor dem Haus stand, war anzunehmen, daß der Butler abwesend war. Die „Viper“ fragte sich, ob sie es riskieren sollte, Lady Simpson zu töten, und zwar nach dem bisher bewährten Muster, auf das jedes Opfer hereingefallen war. Doch da war noch diese junge, rothaarige Gesellschafterin im. Haus, eine Frau, die es faustdick hinter den Ohren hatte. Die „Viper“ wußte das aus erster Hand, schließlich arbeitete sie in Sir Alfreds Dienststelle. War es möglich, beide Frauen zu überlisten? Nun, das Risiko war recht beträchtlich. Die „Viper“ entschied sich für das Risiko. Sie wollte ihre Verfolger endlich abschütteln, um wieder in aller Ruhe arbeiten zu können. Sie griff in die Tasche ihres Mantels und vergewisserte sich, daß der kleine Parfümzerstäuber sich an Ort und Stelle befand. Dieser Zerstäuber enthielt selbstverständlich kein Duftwasser, sondern einen Giftspray, der sofort betäubte. Damit hatte die „Viper“ ihre Opfer immer außer Gefecht gesetzt, um sie dann in aller Ruhe zu vergiften. Auch dieses Requisit befand sich in der Manteltasche, sicher gegen jeden Zufallsbiß.
Diese Giftzähne bestanden aus zwei dünnen, gebogenen Stahldornen die mit Schlangengift präpariert waren. Sie bildeten die Spitze eines Handschuhs und die natürliche „Verlängerung von Zeigeund Mittelfinger. Eine fürchterlichere Waffe konnte man sich gar nicht vorstellen! Das Zuschlagen mit den Giftzähnen bereitete überhaupt keine Schwierigkeiten und war leicht zu inszenieren. Jetzt im Ruhezustand befand sich der Gifthandschuh zusammengerollt in einer kleinen Schachtel. Nachdem die „Viper“ sich vergewissert hatte, daß die Straße und das Viereck leer waren, ging sie auf Lady Simpsons Stadthaus zu, um ihre nächsten Morde auszuführen. * „Mr. Parker immer noch nicht zurück?“ Agatha Simpsons Stimme klang ungeduldig und verärgert. Sie befand sich im Salon ihres Hauses und war nicht in der Lage, sich auf den Western zu konzentrieren, der wieder mal über den Bildschirm lief. „Fürchten Sie, ihm könnte etwas passiert sein?“ fragte Kathy Porter besorgt. „Nicht die Spur, Kindchen“, gab Lady Simpson grimmig zurück. „Ich fürchte nur, daß er wieder mal seine eigene Suppe kocht und uns absichtlich ausgeschaltet hat.“ Kathy Porter kam nicht mehr dazu, den Butler zu verteidigen, denn es läutete an der Haustür. „Besuch? Um diese Zeit?“ Agatha Simpson richtete sich hoffnungsfroh auf und nickte ihrer Gesellschafterin ungeduldig zu. „Öffnen Sie, Kindchen, vielleicht eine nette Abwechslung.“
Kathy Porter verließ den Salon, ging hinaus in den Korridor und sah dann vom Vorflur aus durch den Türspion nach draußen. Zu ihrer Überraschung konnte sie keinen Menschen sehen. Sie schaltete die Sprechanlage ein und meldete sich. Die erwartete Antwort blieb aus. Kathy Porter schaltete sofort auf größte Vorsicht. Butler Parker hatte ihr eindringlich eingeschärft, wie groß die Gefahr war, in der sie alle sich befanden. „Melden Sie sich doch bitte“, rief sie über die Sprechanlage nach draußen. Keine Antwort! Statt dessen sah sie jetzt durch den Türspion die Scheinwerfer eines schnell näher kommenden Wagens. Gegen die Beleuchtung der Hauptstraße war Parkers hochbeiniger Wagen zu erkennen. Parker schien es eilig zu haben. In ungewohnter Fahrt preschte er um das Viereck herum, bremste hart und stieg aus. Dann eilte er auf die Haustür zu. „Nicht öffnen!“ rief er ins Mikrofon der Sprechanlage. „Warten Sie, bis ich alles kontrolliert habe!“ Kathy Porter hielt sich an diese Anweisung, blieb ‘aber am Türspion. Sie sah, daß der Butler, den UniversalRegenschirm stoßbereit in der rechten Hand, das Strauchwerk und die Vorgärten der benachbarten Häuser absuchte. Er schien eine Entdeckung gemacht zu haben. Nach wenigen Minuten erschien er wieder vor der Tür und nickte in die Optik des Türspions hinein. „Jetzt können Sie aufschließen“, rief er Kathy Porter zu. „Was war denn los?“ erkundigte sich Myladys Gesellschafterin, als Parker den Vorflur betrat.
„Irgendeine verdächtige Gestalt“, antwortete Parker. „Ich glaube wenigstens, so etwas hier vor der Tür gesehen zu haben.“ „Es wurde geläutet.“ „Sehen Sie, Miß Porter! Dachte ich es mir doch ... Dann habe ich mich also nicht getäuscht... Irgendeine verdächtige Gestalt huschte weg, als ich hier einbog.“ „Die ‘Viper’, Mr. Parker?“ „Davon sollte man ausgehen, Miß Porter. Sie haben nichts gesehen?“ _ „Nichts gesehen und nichts gehört“, bedauerte Kathy Porter. „Schade, Mr. Parker. Ein paar Minuten später, und wir hätten die ‘Viper’ gehabt...“ „Nur kein falscher Optimismus“, warnte der Butler und schloß hinter sich sorgfältig die Tür. „Wir haben es mit einem äußerst schlauen Mörder zu tun.“ „Ein Mann?“ Kathy Porter hatte mißverstanden. „Natürlich nicht“, korrigierte sich der Butler sofort. „Es bleibt bei den zwei Möglichkeiten. Entweder handelt es sich um eine hübsche Larve, oder aber wir werden auf eine graue Maus stoßen. Ich denke, ich werde mich für die Maus entscheiden!“ * „Ich habe die Damen meiner Dienststelle überprüfen lassen“, sagte Sir Alfred am anderen Morgen, „auf Herz und Nieren.“ Agatha Simpson, Kathy Porter und Josuah Parker befanden sich wieder in seinem Büro und hatten eine Art Zwischenbericht erstattet, der verständlicherweise recht mager ausgefallen war.
„Und was haben Ihre Könner herausgefunden?“ fragte Lady Simpson spöttisch. „Immerhin einige Dinge, die uns unbekannt waren“, erwiderte Sir Alfred und dämpfte unwillkürlich seine Stimme. „Was mich kaum wundert“, stichelte die Detektivin. „Gehen wir der Reihe nach“, begann Sir Alfred. „Mister Parkers Wunsch auf eine Überprüfung der Damen hat gezeigt, daß wir ein wenig leichtsinnig geworden sind. Das Sicherheitsrisiko ist doch größer als angenommen.“ „Warum kommen Sie nicht endlich zur Sache, Alfred?“ Agatha Simpson grollte ihrem alten Freund. „Also, zuerst mal Miß Sherman, meine Sekretärin“, zählte Sir Alfred auf. „Sie ist stellvertretende Vorsitzende eines Freundschaftszirkels, der Ausländer betreut.“ „Wie schändlich“, spottete die resolute Dame sofort. „Sie hat also engen Kontakt zu vielen Einwanderern“, faßte Sir Alfred zusammen. „Ich will das nicht werten oder verurteilen, nur die Tatsache an sich herausstellen.“ „Die nächste Dame, wenn ich bitten darf!“ „Miß Witness, eine unserer Stenotypistinnen“, berichtete Sir Alfred weiter, „ist mit einem jungen Mann verlobt, der aus Polen stammt.“ „Aha! Jetzt kommt die Anspielung auf den Osten“, meinte die Sechzigjährige und verzog abfällig ihr Gesicht. „Spötteln Sie nur, Lady Agatha!“ Sir Alfred ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Sie scheinen das Spionagegeschäft nicht richtig zu kennen!“
„Besagte Miß Witness verkehrt dazu in einem asiatischen Lokal, das über ein ungemein attraktives Terrarium verfügt“, steuerte der Butler bei. „In diesem Terrarium sah ich unter anderem eine Boa und wahrscheinlich einige Giftschlangen.“ „Zum Henker! Warum weiß ich das nicht?“ Sir Alfreds Gelassenheit schlug in Ärger um. „Ich schlage Ihnen vor, Ihre Spezialisten zu entlassen“, stichelte die alte Dame weiter. „Warum engagieren Sie keine Laien? Die sind wahrscheinlich effektiver!“ „Miß Herberts nimmt an einem Sprachkurs für Arabisch teil“, wechselte Sir Alfred schnell das Thema. „Die nächste Dame!“ Lady Simpson wirkte sehr aufgekratzt. „Miß Sulby ist tief verschuldet, nachdem sie eine Liaison mit einem verheirateten Mann hatte“, lautete die Auskunft. „Sie hat für diesen Mann Bürgschaften geleistet.“ „Wirtschaftliche Notlage! Auch ein Motiv, um Schlangen als Mordwaffe einzusetzen.“ Agatha Simpson konnte es nicht lassen, sie mußte einfach kommentieren. „Miß Lombard“, berichtete Sir Alfred weiter, „ist mit einem Asiaten befreundet.“ „Papperlapapp“, herrschte die Lady ihren alten Freund an. „Glauben Sie wirklich, daß uns das weiterbringen wird? Das sind doch lächerliche Details, Alfred. Haben Sie wirklich nicht mehr zu bieten?“ „Das sind die Ergebnisse unserer ersten Ermittlungen“, verteidigte sich Sir Alfred, „warten wir’s ab. Ich bin sicher, daß wir
noch viel wichtigere Dinge erfahren werden.“ „Sie haben eine Dame vergessen“, schaltete sich Josuah Parker ein. „Wie bitte?“ Sir Alfred staunte den Butler an. „Eine gewisse Alma, Sir“, antwortete Parker würdevoll. „Jene Putzfrau, die Sie alle so schätzen.“ „Sie wollen doch nicht etwa Alma Hanter verdächtigen?“ Sir Alfred lachte amüsiert. „Dieses alte Schandmaul...“ „Warum denn nicht?“ ließ Lady Agatha sich vernehmen. „Sie ist nicht weniger verdächtig als die übrigen Frauen.“ „Na, schön. Dann werde ich auch sie beobachten lassen.“ Sir Alfred gluckste vergnügt. „Auf eine Observation mehr oder weniger kommt es mir nicht an.“ „Wenn Sie erlauben, Sir, möchte ich mich noch mal dem möglichen Motiv der ‘Viper’ zuwenden“, sagte der Butler. „In welcher Situation befindet sich jetzt Ihre Dienststelle, nachdem wichtige Mitarbeiter ausgefallen sind?“ „Können Sie überhaupt noch richtig ermitteln?“ fügte Lady Agatha sehr wachsam hinzu. „Oder haben Sie jetzt ein Chaos?“ „Durch die Ausfälle haben wir echte Schwierigkeiten“, sagte Sir Alfred und sah sehr ernst aus. „Wir können uns nur auf Routineermittlungen beschränken.“ „Eine Fremdmacht hätte jetzt also keine Schwierigkeiten, Agenten ins Land zu schleusen, Sir?“ „Genau das ist der springende Punkt“, sagte Sir Alfred. „Hoffentlich wird das nicht ausgenutzt, sonst brauchen wir sehr viel Zeit, um diese Leute wieder aufzuspüren. Wertvolle Zeit, in der diese Agenten Unheil anrichten können ...“
„Dann dürfte das Motiv geklärt sein“, stellte Parker fest. „Die Mordserie der ‘Viper’ dient dazu, Masseneinschleusungen vorzunehmen.“ „Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand“, wehrte Sir Alfred ab. „Gibt es Anzeichen dafür, daß Sie die ‘Viper’ bald fangen?“ „Mit letzter Sicherheit“, erwiderte der Butler, ohne seine Stimme zu dämpfen. Er hoffte, daß die Abhöranlage noch intakt war und die „Viper“ so erfuhr, wie dicht man ihr auf den Fersen war. „Sie dürfte bald mattgesetzt sein. Das ist nur noch eine Frage von wenigen Stunden.“ „Lassen Sie hören, Mister Parker?“ Sir Alfred wirkte plötzlich wieder zuversichtlich. „Wenn Sie erlauben, Sir Alfred, möchte ich dieses kleine Geheimnis vorerst nicht lüften“, schloß Parker. „Die , Viper’ darf nicht gewarnt werden, sonst könnte sie sich im letzten Moment noch davonschlängeln!“ * Die „Viper“ wußte Bescheid. Sie befand sich in ihrer kleinen Wohnung und spielte das Tonband ab, das die Aufzeichnung der jüngsten Unterhaltung zwischen Sir Alfred und seinen Gästen enthielt. Nach dem ersten Abspielen spulte die „Viper“ zurück und befaßte sich mit jenem Teil des Gesprächs, in dem Butler Parker darauf hinwies, er wisse im Grund bereits, wer die „Viper“ sei. Die „Viper“ hatte dieses Tonband ohne jede Schwierigkeit aus der Dienststelle Sir Alfreds hinausgeschmuggelt und dabei die elektronischen Sicherungen im langen
Kontrollkorridor passiert. Das Tonband hatte diesen Weg schon oft genommen. Es ging also um diesen Butler! Die „Viper“ zweifelte nicht einen Moment daran, daß dieser Parker auf der richtigen Fährte war. Es galt also, ihn so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen, bevor er seine Informationen weitergeben konnte. Parker war eitel und wollte wahrscheinlich seinen Coup effektvoll landen. Doch sein Tod war bereits eine beschlossene Sache ... Die „Viper“ überlegte, wie sie vorgehen mußte. Sie verfügte über den Lähmungsspray und über die beiden Giftdorne. Damit mußte auch ein Mann wie Butler Parker zu schaffen sein. Es kam nur darauf an, das Überraschungsmoment zu nutzen. Die „Viper“ kontrollierte sicherheitshalber noch mal den Taschenzerstäuber und den Gifthandschuh. Um ganz sicher zu gehen, präparierte sie die beiden Stahldorne zusätzlich mit Schlangengift, das sie einem Fläschchen entnahm. Dann sah sie auf die Uhr. In wenigen Stunden würde es dunkel werden. Überraschend vor der Haustür erscheinend, mußte der Butler ihr erstes Opfer werden. * „Sie wissen hoffentlich, daß Sie das nächste Opfer sein werden“, sagte Lady Simpson zu Butler Parker. „Ich erlaube mir darauf zu setzen, Mylady“, gab der Butler zurück. Er war mit Kathy Porter und seiner Herrin ins Stadthaus zurückgekehrt und guter Dinge. „Glauben Sie, daß unsere Unterhaltung mit Sir Alfred abgehört worden ist?“ erkundigte sich Kathy Porter.
„Mit größter Wahrscheinlichkeit“, gab der Butler zurück. „Sobald es dunkel wird, rechne ich mit dem Besuch der ‘Viper’, Miß Porter.“ „Und wie wollen Sie sich dagegen schützen?“ „Die Opfer wurden zuerst gelähmt, dann vergiftet“, erinnerte Kathy Porter. Sie hatte ehrliche Angst um den Butler. „Gegen einen Spray, mit dem ich fest rechne, lassen sich Vorbereitungen treffen.“ „Und gegen das Schlangengift?“ schaltete sich Agatha Simpson ein. „Auch dagegen, Mylady“, versicherte der Butler. „Wenn Sie erlauben, werde ich mich für eine knappe Stunde außer Haus begeben. Gewisse Vorbereitungen bedürfen planvoller Überlegung. „Sie wollen mir also nicht sagen, wer die ‘Viper’ nun tatsächlich ist?“ Agatha Simpsons Stimme grollte bereits wieder. Sie haßte die Geheimnistuerei ihres Butlers. „Ich darf Mylady versichern, daß mir die letzte Gewißheit fehlt“, wich Parker aus. „Ich rechne allerdings nicht mehr mit einer hübschen Larve ...“ Parker machte sich auf den Weg, nachdem die beiden zurückbleibenden Frauen ihm fest versprochen hatten, auf keinen Fall die Haustür zu öffnen. Parker fuhr auf dem schnellsten Weg zum Kustos des Armeemuseums und hatte dort eine kurze, aber intensive Aussprache mit dem Fachmann für Waffen aller Art. Anschließend ließ er sich in einem Spezialgeschäft für Grubenartikel sehen. Dank seiner Verbindungen fand er die Leute, die ihn kannten und die ihm helfen konnten. Schon nach fünfzig Minuten befand der Butler sich wieder in Lady Simpsons
Stadtwohnung, bereit, gegenüberzutreten .. .
der
„Viper“
* Es läutete an der Haustür. Kathy Porter und Agatha Simpson tauschten einen nervösen Blick aus und sahen dann zu Josuah Parker hinüber, der beherrscht und selbstsicher wie stets kurz in der Tür des Salons erschien. „Ich werde öffnen, Mylady“, sagte er, verschwand im Vorflur und spähte durch den Türspion nach draußen. Miß Sherman! Parker öffnete die Haustür und sah die graue Maus aus Sir Alfreds Dienststelle höflich und erwartungsvoll an. „Hier bin ich!“ sagte Miß Sherman. die überrascht zu sein schien, daß Parker sie nicht freundlicher begrüßte. „In der Tat“, stellte der Butler fest, „und was kann ich für Sie tun, Miß Sherman?“ „Ich sollte doch herkommen“, erklärte die Frau. „Lady Simpson wünscht mich zu sprechen.“ „Sind Sie sicher, Miß Sherman?“ „Natürlich. Ich wurde vor einer halben Stunde angerufen. Von Miß Porter...“ Parker wartete auf den Angriff, der erstaunlicherweise aber nicht erfolgte. Miß Sherman verhielt sich ratlos und zurückhaltend. Sie suchte die Distanz zwischen sich und dem Butler nicht zu verringern. „Es muß sich um einen Irrtum gehandelt haben, um eine Mystifikation, Miß Sherman. Ich bin sicher, daß Sie von hier aus nicht angerufen wurden.“ „Komisch! Was hat denn das wohl zu bedeuten?“
„Möchten Sie hereinkommen, Miß Sherman? Ich könnte Ihnen eine kleine Erfrischung anbieten.“ „Nein, nein“, wehrte sie ab. „Vielen Dank, Mister Parker, aber ich habe ohnehin keine Zeit.“ Ein wenig verwirrt drehte sie sich um und ging dann zurück vor das Haus. Parker schaute ihr nach, bis sie drüben in der Hauptstraße verschwunden war. „Ein Trick“, schlußfolgerte Agatha Simpson, als Parker seinen Bericht erstattet hatte. „Sie wird wiederkommen und dann zuschlagen. Halten Sie sie für die ‘Viper’, Mister Parker?“ Bevor der Butler antworten konnte, läutete er erneut. „Was ich gesagt habe!“ Die Hausbesitzerin nickte kriegerisch und prüfte den Pompadour an ihrem Handgelenk. „Da ist sie. Passen Sie auf sich auf, Mister Parker!“ Der Butler erschien erneut vor dem Türspion und schaute nach draußen. Er war einigermaßen überrascht, jetzt in das reizvoll-kokette Gesicht der Stenotypistin zu sehen. „Miß Witness?“ Er hatte die Tür geöffnet und wartete auf den Angriff wie wenige Minuten vorher. „Sind auch Sie hierher bestellt worden?“ „Genau“, sagte sie. „Wer denn noch?“ „Wer, wenn ich fragen darf, beorderte Sie hierher?“ „Lady Simpson ... Per Telefon ... Wissen Sie, was sie von mir will?“ „Ein Irrtum, den Sie hoffentlich vergeben werden“, entschuldigte sich der Butler. „Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?“ „Das wäre sehr nett“, antwortete die Stenotypistin aus Sir Alfreds Büro.
„Wissen Sie, weshalb man mich auf den Arm genommen hat?“ Parker ließ die hübsche Larve nicht aus den Augen, als sie an ihm vorbei in den Hauptkorridor ging. Gewiß, er rechnete mit einer grauen Maus, aber der Mensch konnte sich ja schließlich auch irren. Nun, sie betätigte sich nicht als Mörderin ... In den Salon hineingeführt, war sie sehr befangen, als die Lady ihre Lorgnette auf sie richtete und prüfend musterte. Kathy Porter stand seitlich neben der Tür und war sprungbereit. Falls Miß Witness die „Viper“ war, konnte sie sofort eingreifen. „Nehmen Sie Platz, Kleines“, raunzte Lady Simpson die schüchterne Besucherin an. „Zieren Sie sich nicht!“ „Ich möchte eigentlich sofort wieder gehen“, bat Miß Witness und spielte verlegen mit dem Bügel ihrer an sich recht ansehnlichen Handtasche. Diese Tasche war selbstverständlich groß genug, eine Giftschlange zu transportieren. Und auch sicher genug für den Besitzer der Schlange. Lady Simpson ließ diese Tasche nicht aus den Augen. Bevor der Butler sich nach den Wünschen der jungen Besucherin erkundigen konnte, läutete es erneut. Parker bemühte wieder den Türspion und ... öffnete. Er wußte jetzt, daß die „Viper“ kam, um ihr nächstes Opfer zu holen... * Die „Viper“ handelte kalt, schnell und präzise. Sie kannte Situationen dieser Art und sprühte den Butler sofort an. Parker schnappte nach Luft, bekam einen roten Kopf und rutschte augen-
blicklich in sich zusammen. Er blieb regungslos , auf dem Teppich liegen, eine wehrlose Beute für die Mörderin. Die „Viper“, deren rechte Hand bereits im Gifthandschuh steckte, schlug mit den beiden Eisendornen zu, tödlich genau... Die beiden vergifteten Dorne fuhren durch den Anzug des Butlers und wollte dessen rechte Wade lädieren, doch die „Viper“ spürte augenblicklich, daß da irgend etwas nicht ganz stimmte. Die beiden „Giftzähne“ ihres Handschuhs stießen auf harten Widerstand und senkten sich nicht erwartungsgemäß ins Fleisch. Bevor die „Viper“ sich auf diese überraschende Situation einstellen konnte, fuhr der Butler erstaunlich schnell hoch und bewies damit, daß er keineswegs gelähmt war. Er machte sich die Sache recht einfach und verzichtete in Anbetracht des Gifthandschuhs auf besondere Eleganz der Methode. Mit seiner weißbehandschuhten Hand — er befand sich schließlich in einem geschlossenen Raum, der weiße Handschuhe obligatorisch machte — mit dieser Hand also langte er kurz und nachdrücklich zu. Die „Viper“ stieß einen gurgelnden Seufzer aus, schnappte ihrerseits nach Luft und machte es sich auf dem Teppich bequem. Parker erhob sich, wobei ein leichtes, blechernes Scheppern zu hören war, rückte sich die gestreifte Butlerweste zurecht und sicherte den Gifthandschuh. Anschließend sicherte er die „Viper“. Er ging hinter die Glastür und bewegte einen dort versteckt angebrachten Hebel. Die Klapptür samt Teppich öffnete sich, die „Viper“ rutschte über die schräge Ebene hinunter in den Keller und landete weich auf den Schaumstoffmatten.
„Sofort, Mylady!“ antwortete der Butler, der die Stimme seiner Herrin vernahm. „Mylady brauchen sich keine Sorgen zu machen. Die .Viper’ befindet sich in ihrer Schlangegrube!“ Agatha Simpson war schneller als Kathy Porter oder Miß Witness. Die resolute Dame kurvte mit Vehemenz aus dem Salon und rammte den Butler, der sich daraufhin nur recht mühsam auf den Beinen zu halten vermochte. „Wir haben die ‘Viper’, Parker?“ fragte sie dann atemlos. Der Butler schaltete die hauseigene Fernsehanlage ein und deutete auf das Bild. „Die Putzfrau ...!“ stöhnte Mylady überrascht auf. „Alma Hanter!“ stellte Miß Witness sachlich fest. „Die ,Viper’, meine Damen“, schloß der Butler. „Wenn es recht ist, serviere ich jetzt den bereits kalt gestellten Champagner!“ * „Sie hat ein Geständnis abgelegt“, berichtete Sir Alfred am nächsten Morgen seinen Gästen. „Die Motive sind uns jetzt klar.“ „Einzelheiten, Alfred“, knurrte Lady Simpson. „Sie ist eine Agentin, die schon vor vielen Jahren nach England eingeschleust wurde“, erzählte Sir Alfred. „Sie hatte nur den einen Auftrag, sich Zugang zu meiner Dienststelle zu verschaffen. Ihre plötzliche Aktivität hing damit zusammen, daß die Macht, für die sie arbeitet, einen Schub von Agenten hier in England unterbringen wollte. Dazu sollte meine Dienststelle gelähmt werden.“
„Wie schaffte es diese angebliche Putzfrau, bei Ihnen angestellt zu werden?“ „Im Grund durch ihr Schandmaul“, räumte Sir Alfred ein. „Sie arbeitete zuerst im Innenministerium und bewarb sich später um die Stelle hier. Als angebliche Kriegerwitwe hatte sie leichtes Spiel. Ihre Treuherzigkeit kam noch hinzu, kurz, obwohl ihr Vorleben genau untersucht wurde, fand sich nichts, was gegen sie sprach.“ „Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, Sir Alfred! Für welche Fremdmacht hat sie gearbeitet?“ „Klammern wir das doch lieber aus“, bat Sir Alfred. „Lady Agatha, das ist strengstes Amtsgeheimnis.“ „Sie trauen mir also nicht?“ „Nur in Grenzen, liebe Freundin.“ Sir Alfred zwinkerte ihr zu. „Bitte, ersparen Sie mir die Antwort darauf!“ „Ich werde es doch noch erfahren“, schwor Agatha Simpson grimmig. „Aber gut, bleiben wir erst mal bei der .Viper’ Warum Mord mittels Schlangengift?“ „Um die Spuren eventuell in eine fernöstliche Richtung zu lenken“, antwortete Sir Alfred, „aber auch, um die Ermittlungen zu erschweren. Das alles sollte einen geheimnisvollen, unheimlichen Eindruck machen. Der Gedanke an Schlangen sollte meine Mitarbeiter restlos verunsichern.“ „Und wie schaffte sie ihre Opfer?“ „Nun, die Technik ist ja bereits geklärt. Zuerst Betäubung der Opfer, dann der Mord an sich. Unsere Putzfrau erschien, wie sie aussagte, abends vor der Haustür ihrer jeweiligen Opfer und tat so, als habe sie eine wichtige Entdeckung während ihrer Putzerei in der Dienststelle gemacht. Die Männer die Alma ja recht gut kannten, schöpften nicht eine Sekunde
lang Verdacht. Was dann passierte, weiß Mister Parker aus eigener Erfahrung.“ „Ohne das Kettenhemd und die Beinschienen aus dem Militärmuseum könnte ich davon wohl nicht berichten“, schaltete sich der Butler gemessen ein. „Die Giftdorne waren gegen die Beinschiene machtlos.“ „Und der Betäubungsspray, Mister Parker?“ ,,Von einem Grubentechniker ließ ich mir Naseneinlagen anfertigen, die diesen Atemweg verstopften. Und zwar luftdicht. Kleine Wachskapseln, um genau zu sein. Während die ‘Viper’ ihren Zerstäuber benutzte, hielt ich verständlicherweise den Atem an.“ „Schweifen wir nicht ab“, ließ Agatha Simpson sich wieder grimmig vernehmen. „War es die Putzfrau, die mir die Giftschlange in die Hutschachtel praktizierte?“ „Die Schachteln austauschte“, korrigierte Sir Alfred, während er nickte. „Sie hatte Maske gemacht und muß einer seriösen Kundin geglichen haben.“ „Und wir haben nichts davon gemerkt!“ Lady Simpson sah ihre Gesellschafterin ein wenig strafend an, als trüge Sie allein die Schuld daran. „Woher hatte sie diese Schlange?“ „Sich im Zoo besorgt, mit anderen Worten, sie gestohlen“, konnte Sir Alfred berichten. „Eine ungewöhnliche Mörderin, die kein Risiko scheute!“ „Hoffentlich verleihen Sie ihr nicht gleich einen Orden“, ergrimmte sich die Detektivin. „Ein Thema haben Sie bisher ausgespart, Alfred.“ „Tatsächlich?“ „,Hatte sie unsere erste Unterhaltung abgehört und daraufhin die beiden Killer engagiert?“
„Genauso und nicht anders war es.“ Sir Alfred nickte bestätigend. „Dank ihrer Schulung als Agentin wußte sie natürlich, wo und wie man Killer bekam. Sie setzte sie auf Sie an, um diese Gefahr auszuschalten. Alma Hanter wußte sehr gut, daß Sie hin und wieder erfolgreich sind, Lady Agatha!“ Er grinste vergnügt, als die Angesprochene ihr Gesicht verzog. Auch er konnte es nicht lassen, ein wenig zu sticheln. „Wie hörte sie diese Unterhaltung ab? Ihr Büro ist doch angeblich völlig sicher!“ Nun grinste Sir Alfred nicht mehr, sondern räusperte sich etwas verlegen. „Das müssen meine Spezialisten erst noch herausfinden“, räumte er schließlich ein. „Diese Methode hat Alma Hanter natürlich nicht preisgegeben!“ „Ihre Spezialisten sollten sich erst gar nicht die Mühe machen“, ließ Josuah Parker sich jetzt vernehmen. „Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich den Sender holen.“ „Wie, bitte?“ Sir Alfred staunte nur noch. Parker verließ das Büro, um schon nach knapp einer Minute wieder zu erscheinen. Er trug den Putzbesen in der Hand. „Die Abhöranlage“, stellte er dann vor. „Die Abhöranlage? Ausgeschlossen!“ „Im Besenteil hier unten werden Sie wahrscheinlich ein Präzisionsmikrofon samt Tonbandgerät finden“, erläuterte der Butler wie selbstverständlich. „Im Besenstiel befindet sich wahrscheinlich ein hochempfindliches Richtmikrofon ... Sie haben Ihr Büro nach außen hin vorzüglich absichern lassen, Sir, jedoch übersehen, daß der Verräter im Büro selbst war!“ „Was ich ja gleich vermutet habe“, behauptete Agatha Simpson wie selbst-
verständlich und sah Sir Alfred triumphierend an. „Aber auf so etwas muß man eben kommen, lieber Alfred. Nicht wahr?“ * „Wie geht es Ihrem Liebling?“ erkundigte sich Agatha Simpson bei Bert Upcorn, nachdem sie Platz genommen hatte. Josuah Parker blieb seitlich hinter Mylady stehen, während Kathy Porter schüchtern auf einem Stuhl Platz nahm. „Sie leidet“, sorgte sich der Schlangenliebhaber. „Sie fühlt sich äußerst unwohl. Wenn ich nur wüßte, warum das so ist. ..“ „Sie ist eben sehr sensibel. Wo steckt sie denn?“ Lady Simpson hatte Bert Upcorn in groben Umrissen von dem Abschluß des Falles berichtet und von der Giftschlange in ihrer Hutschachtel. Bert Upcorn schob die Portiere etwas zur Seite und gab den Blick frei auf den Liebling. Die riesige Boa lag in einem Hundekörbchen und wurde von einer Wärmelampe angestrahlt. Als sie den Butler entdeckte, wurde sie sehr unruhig und nervös. „Sie verweigert jede Nahrung“, bedauerte Upcorn seinen Liebling, „sie verschmäht selbst die fetteste Ratte.“ „Hören Sie auf, Upcorn!“ Agatha Simpson schüttelte sich. „Es wird mir sonst noch das Herz brechen.“
„Vielleicht sollte man es mal mit gutem, altem Sherry versuchen“, gab der Butler zu überlegen. „Das ist es!“ Lady Simpson nickte ihrem Butler dankbar zu. „Sherry... Möglicherweise frißt sie sich dann selbst auf!“. Als der Schatten Parkers auf Cindy fiel, wurde die Boa von gelinder Panik erfaßt und ringelte sich aus dem Hundekörbchen. Weich, geschmeidig und irgendwie faszinierend glitt sie in das Dunkel des Zimmers und verkroch sich unter einem Sofa. „Es muß mit ihnen zusammenhängen“, stellte Bert Upcorn in Richtung Parker fest. „Sie Scheinen auf Schlangen allergisch zu wirken ...“ „Dies, Sir, möchte ich auf keinen Fall abstreiten“, gab Josuah Parker würdevoll zurück. „Wenn Sie eine gewisse ‘Viper’ meinen, triff das auf jeden Fall zu!“ „Nur kein Eigenlob“, meinte Lady Simpson und stand auf. „Wer rastet, der rostet, Sorgen Sie lieber dafür, Mister Parker, daß wir es endlich mit einem richtigen Kriminalfall zu tun bekommen! Nach diesem Schlangengezücht sehne ich mich wieder nach echten Killern und Gangstern ...“ „Mylady werden zufrieden sein“, versprach der Butler, eine leichte, höfliche Verbeugung andeutend. „Ich werde mir erlauben, mich in dieser Hinsicht zu bemühen.“
ENDE scan: crazy2001 @07/2011 corrected: santos22
Günter Dönges schrieb für Sie den nächsten
Nr. 135
PARKER läßt die Fetzen fliegen Es war wie ein böser Alptraum. Lady Agatha Simpson besuchte eine Verwandte und landete in einem Hexenkessel. Das friedliche, altertümliche Städtchen in Mittelengland schien sich in der Hand einer Horde von arroganten Burschen zu befinden, die auf ihre Mitbürger keine Rücksicht nahmen. Sie provozierten am laufenden Band und probten den Aufstand. Lady Agatha geriet überraschend in eine peinliche Situation. Ihre Gesellschafterin, Kathy Porter, und Butler Parker merkten aber schnell, daß man es mit einer gut trainierten Truppe zu tun hatte. Parker ging in gewohnter Weise und Pfiffigkeit den Dingen auf Grund und konzentrierte sein Interesse auf einen uralten Landsitz, der in eine Art Festung verwandelt worden war. Wie richtig Parker lag, ging aus den Mordversuchen hervor, die ihm, Lady Agatha und Kathy Porter galten, als man eine gewisse Tarnung durchschaut hatte. Der Butler mußte hinlangen, daß die Fetzen flogen. Erfreulicherweise war seine Trickkiste wie immer gut gefüllt. Er bereitete einer Reihe von Leuten Kopfschmerzen — und zwar im doppelten Sinn des Wortes Günter Dönges schrieb einen Original-Parker-Krimi, in dem wieder das Trio Parker, Lady Agatha und Kathy Porter Triumphe feiert. Ungewöhnlich wie seine Methode ist auch dieser Krimi, in dem Hochspannung, Witz und Aktualität wieder mal bis zur letzten Seite fesseln!
In unserer Neuauflage erscheint als Butler-Parker Nr. 103
PARKER, Giftgas und Ganoven ebenfalls von Günter Dönges.