Parker geistert durch die Unterwelt Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Josuah Parker ...
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Parker geistert durch die Unterwelt Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Josuah Parker hatte sich zur Ruhe begeben und gab sich dem Genuß einer naturwissenschaftlichen Zeitung hin. Genauer gesagt, er hatte diese erklärte Absicht und wollte gerade mit dem Lesen eines Artikels beginnen, der sich mit der nahen Zukunft der Miniaturisierung befaßte, als er leicht irritiert wurde. Da war plötzlich ein Geräusch, das nicht in dieses altehrwürdige Haus paßte. Es handelte sich um ein schwaches Pochen, kaum vernehmbar und offensichtlich von weit her kommend. Dieses insektenleise Pochen war in unregelmäßigen Abständen zu hören und daher für den Butler besonders störend. Parker warf einen prüfenden Blick auf die Uhr, die auf dem Nachttisch stand. Es war nach Mitternacht, und um diese Zeit wurde mit Sicherheit nicht gearbeitet. Das Pochen kam also auf keinen Fall von irgendeiner Baustelle. Waren es Eigengeräusche des Hauses? Der Fachwerkbau hier im Stadtteil Shepherd's Market stand auf den uralten Gewölben einer ehemaligen Abtei. Mit gewissen Senkungen mußte man durchaus rechnen. Nein, er hatte sich wohl doch getäuscht! Vom Pochen war jetzt nichts mehr zu hören. Parker sah auf die Uhr und verfolgte den Sekundenzeiger. Er wollte genau eine Minute warten, um dann aber nach der Zeitschrift zu greifen und sich zu entspannen. Diese Minute war noch nicht verstrichen, als das Pochen wieder begann, diesmal noch leiser. Butler Parker dachte unwillkürlich an einen betriebsamen Holzwurm im Eichengebälk, verwarf diesen Gedanken jedoch. Diese Balken waren eisenhart und von einem Holzwurm nicht anzubohren. Butler Parker schlug die leichte Decke zurück und stand auf. Er war ein Mann, der den Dingen auf den Grund zu gehen pflegte und dem Zufall nicht gern etwas überließ. Parker zog sich erst mal seinen Morgenmantel über, bevor er den kleinen Schlafraum verließ, der sich zusammen mit den übrigen Privaträumen im Souterrain des Hauses befand. Parker wohnte hier durchaus komfortabel, umgeben von alten Mahagonimöbeln, die aus der Kapitänskajüte eines abgewrackten Passagierdampfers der berühmten Cunard-Linie stammten. Er wußte inzwischen längst, daß keine ungebetenen Besucher versuchten, heimlich ins Haus einzudringen. Ein Blick auf die Anzeigetafel der Alarmanlage bewies ihm, daß sämtliche elektronischen Sicherungen intakt waren. Butler Parker verließ seine Privaträume und betrat den Korridor, um von hier aus noch ein Stockwerk tiefer zu steigen. Es gab eine völlig reguläre Treppe, die in die
eigentlichen Kellerräume des Hauses führte. Sie sagte nichts aus über die Geheimnisse des Hauses, die man nur als recht vielfältig bezeichnen konnte. Parker sah zur anderen Treppe hinüber, die hinauf ins Erdgeschoß führte. Er ließ sich seine Überraschung nicht anmerken, als dort eine geisterähnliche Erscheinung auftauchte, die durchaus geeignet war, das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. * Der Geist war groß, füllig und bewegte sich majestätisch. Er trug ein knöchellanges Nachthemd und darüber einen lose gebundenen, wallenden Morgenmantel. Auf dem Kopf dieser Erscheinung befand sich eine Kopfbedeckung, die eine Kreuzung aus altertümlicher Nachtmütze und abenteuerlichem Südwester darstellte. »Was geistern denn Sie zu so später Zeit im Haus herum?« fragte der Geist mit einer dunklen Stimme, die an einen sonoren Baß erinnerte. Dennoch war nicht zu überhören, daß dieser Geist eindeutig weiblichen Geschlechts war. »Ich erlaube mir, einen sehr frühen guten Morgen zu wünschen«, antwortete Josuah Parker und deutete eine Verbeugung an. »Myladys Nachtruhe wurden gestört?« Der Geist war Lady Agatha Simpson, seit Jahrzehnten verwitwet, immens reich und ungemein scharf auf Kriminalfälle. Der Geist schwebte nicht etwa über die Stufen herunter, sondern verfügte über ein bemerkenswertes Eigengewicht. Der Geist marschierte energiegeladen und nachdrücklich in Richtung Butler. »Was treiben Sie eigentlich um diese Zeit noch?« fragte Lady Simpson grollend. »Was soll die Klopferei, Mr. Parker? Ich wollte gerade mit meinem Roman beginnen, doch bei diesem Krach kann man ja keine Zeile schreiben.« Agatha Simpson befaßte sich seit geraumer Zeit mit der Niederschrift eines Bestsellers und hatte sich oben im Haus ein Studio einrichten lassen. Hier gab es alles, was an technischen Raffinessen zu bekommen war. Doch Mylady rang noch immer mit dem Stoff und hatte ihn bisher nicht in den Griff ihrer festen Hände bekommen. Sie neigte dazu, sich ablenken zu lassen. Lady Agatha, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, hielt sich für eine begabte Amateurdetektivin und hatte das Glück, Kriminalfälle an sich zu ziehen wie der Magnet die Eisenfeilspäne. Ohne Butler Parker aber wäre sie nie so erfolgreich gewesen, wie sie war. Er hielt diskret seine schützende Hand über die ältere Dame und sorgte dafür, daß sie nicht zuviel Konfusion anrichtete. Sie war übrigens eine recht alterslos scheinende Persönlichkeit, die sich um die üblichen Konventionen nicht scherte. Seit Jahren bezeichnete sie ihr Alter als >um die sechzig Jahre herum < und hütete sich vor präzisen Angaben. Sie war noch recht sportlich, denn sie spielte mit Leidenschaft Golf und schoß mit dem Sportbogen. Menschen, die die passionierte Detektivin mochten, bezeichneten sie als eine unentwegt tickende Zeitbombe von erheblicher Sprengkraft, die hin und
wieder auch detonierte. Menschen, die Agatha Simpson ablehnten, hielten sie für einen Räumpanzer, der fahrerlos durch das Land brauste und alles niederwalzte. Lady Agatha schaute ihren Butler leicht gereizt an und beklagte sich noch mal darüber, in ihrem Schaffensdrang erheblich gestört worden zu sein. »Mylady dürfen versichert sein, daß ich diese Geräuschbelästigungen verurteile und bedaure«, antwortete Parker höflich und gemessen. »Ich darf weiter versichern, daß meine bescheidene Wenigkeit damit jedoch nichts zu tun hat.« »Sind Sie etwa auch gestört worden? « »In der Tat, Mylady«, erwiderte Butler Parker. »Dieses Pochen deutet auf Aktivitäten hin, die ich im Moment nicht zu deuten weiß.« Auch Josuah Parker war eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und hatte das Gesicht eines kühlen Pokerspielers. In allen Listen erfahren, stapelte er gern tief und bevorzugte eine Redeweise, die man nur als barock, üppig und verschlungen bezeichnen konnte. Er tat eigentlich immer genau das, was man gerade nicht erwartete oder was nach Leichtsinn oder Dummheit aussah. Sein Alter war nur schwer zu bestimmen. Er konnte fünfzig sein, fünfundfünfzig oder auch schon sechzig. Zu dieser Frage äußerte er sich nie. Er nahm es aber spielend mit jedem noch so durchtrainierten und jüngeren Profi aus der Unterwelt auf. Eingeweihte Ganoven, Gangster und Killer machten einen weiten Bogen um diesen Mann, dessen Trickkiste schier unerschöpflich war. »Wohin wollten Sie, Mr. Parker?« fragte Agathe Simpson. Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, ihren Butler üblicherweise mit dem Vornamen anzureden. Insgeheim respektierte sie ihn ungemein und wußte nur zu gut, daß sie ohne ihn nicht einen einzigen Fall gelöst hätte. »Wenn Mylady erlauben, möchte ich die Kellerräume visitieren«, sagte Josuah Parker. »Das recht störende Pochen scheint eindeutig von dorther zu kommen.« »Dann ist mir alles klar.« Parkers Herrin seufzte zufrieden, denn sie glaubte an einen neuen, aufregenden Fall. »Wahrscheinlich treiben irgendwelche Gangster einen Stollen unter das Haus, um mich in die Luft zu jagen. Sie sind hoffentlich nicht anderer Meinung, Mr. Parker!« »Eine gegenteilige Meinung, Mylady, würde ich mir niemals gestatten«, lautete Parkers Antwort. »Der Hinweis auf einen Sprengstollen ist frappierend, wenn ich es so ausdrücken darf.« * »Das war doch blinder Alarm«, grollte die passionierte Detektivin zehn Minuten später enttäuscht. »Ich möchte nur wissen, warum Sie mich aus dem Bett geholt haben, äh, ich meine, von der Schreibmaschine weg!« Sie schien vergessen zu haben, daß sie aus eigenem Antrieb das Souterrain betreten hatte, doch Parker kannte das bereits. Zu Irrtümern und Fehlern bekannte Agatha Simpson sich nie, sie suchte und fand stets einen Schuldigen. »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit zerknirscht«, gab Parker in einem Ton zurück, der beileibe keine Entschuldigung darstellte.
Er und die Lady befanden sich inzwischen in den regulären Kellerräumen des Hauses, die völlig normal eingerichtet waren. Es gab hier die Heizungsanlage, die Öltanks, einen Weinkeller, Vorratsräume und eine Waschküche, die jedoch nicht benutzt wurde. Selbst ein mißtrauischer und forschender Beobachter hätte hier unten nichts Außergewöhnliches festgestellt. Die Realität sah allerdings erheblich anders aus. Die Kellerräume lagen noch über den uralten Gewölben der ehemaligen Abtei, und es gab durchaus Möglichkeiten, diese Gewölbe zu betreten. Natürlich waren sie geschickt getarnt und nur den Eingeweihten bekannt. »Grabesstille, Mr. Parker«, beschwerte Agatha Simpson sich weiter. »Was, zum Teufel, haben Sie eigentlich gehört?« »Ein feines Pochen, auf das auch Mylady reagierte«, erwiderte Josuah Parken »Es war aber sehr fein«, räumte sie widerwillig ein. Dann trat sie zurück und beobachtete den Butler, der eine Art Stethoskop benutzte, um eine der Kellerwände zu befragen. Nach etwa zwanzig Sekunden wandte er sich zu Lady Simpson um. »Ein feines Geräusch, Mylady, das an das eines in Betrieb befindlichen Bohrers erinnert«, sagte er. »Wenn Mylady vielleicht mal hören möchten?« »Das höre ich auch so«, sagte sie verächtlich. »Im Gegensatz zu Ihnen habe ich gute Ohren, Mr. Parker.« »Sehr wohl, Mylady!« Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Wahrscheinlich hätte ihm sogar etwas gefehlt, wenn seine Herrin nicht solche Behauptungen aufgestellt hätte. »Das Bohrgeräusch kommt ebenfalls von weither.« »Natürlich, weil man sich tief unter das Haus durchgräbt«, gab die Hausbesitzerin zurück. »Für mich ist der Fall sonnenklar. Wir werden diesen Subjekten unverzüglich das Handwerk legen, Mr. Parker.« »Wie Mylady wünschen.« »Lassen Sie sich etwas Hübsches einfallen«, ordnete sie an. »Wie wäre es mit Ersäufen?« »Ein Hinweis, Mylady, dem ich nachgehen werde.« Parker wunderte sich überhaupt nicht. Myladys Vorschläge waren immer sehr dramatisch und klangen blutrünstig dazu, doch in Wirklichkeit war Agatha Simpson eine durchaus friedliche Dame, falls man sie nicht unnötig reizte. »Worauf warten Sie eigentlich noch?« fragte sie. »Stellen Sie fest, wie weit diese Subjekte sich bereits durchgegraben haben!« »Mylady beabsichtigen, hinunter in die Gewölbe zu steigen?« »Was dachten denn Sie?« gab die Detektivin erstaunt zurück. »Warum bin ich wohl aufgestanden? Weil ich gestört wurde! Und so etwas lasse ich mir grundsätzlich nicht bieten.« Butler Parker hätte sich liebend gern mit dem Phänomen des Pochens und Bohrens auseinandergesetzt, doch seine Herrin war nun neugierig geworden und daher auch nicht mehr zu bremsen. Parker schritt voraus in den Heizungskeller und von dort aus in den Raum, in dem die Öltanks standen. Er beschäftigte sich ein paar Sekunden lang mit einem der vielen Ventilhandräder und trat dann zur Seite.
Ein Tank, der völlig regulär gefüllt war, glitt wie auf Schienen nach hinten in einen sich öffnenden Wandausschnitt und gab den Blick auf eine bereits beleuchtete Treppe frei. »Gestatten Mylady, daß meine bescheidene Wenigkeit vorausgeht?« fragte Parker. »Keine unnötigen Höflichkeiten«, erwiderte sie barsch und erwartungsvoll. »Ich möchte nicht, daß diese Subjekte die Flucht ergreifen. Nun gehen Sie doch schon endlich!« * Die Gewölbe auf dieser Seite des Hauses waren recht niedrig und ließen es gerade noch zu, daß man aufrecht gehen konnte. Sie waren leer und aufgeräumt. Die Luft hier unten war erstaunlich gut, doch darauf hatte Parker während gewisser Umbauten vor Jahren besonders geachtet. Diese Umbauten waren zwar im wesentlichen Teil des langgestreckten Hauses durchgeführt worden, doch die dort eingebaute Lüftung erfaßte auch diesen Teil. Es stand übrigens nicht zu befürchten, daß die Bauarbeiter eines Tages gewisse Geheimnisse ausplauderten. Parker hatte sie in Sizilien engagiert und den jeweiligen Bautrupps immer nur Teilarbeiten übertragen. Diese Bauarbeiter lebten längst wieder in ihrer Heimat und dachten wahrscheinlich noch immer freudig an die erstklassigen Löhne, die Parker im Auftrag der Lady gezahlt hatte. Josuah Parker kannte sich hier unten bestens aus. Er schritt deshalb voraus und hielt auf eine Bohlentür zu, die fest im Eichenrahmen saß. Sie entpuppte sich als eine schwere Stahltür, die wahrscheinlich nur mit einem Spezialschneidbrenner oder gar mit einer Sprengladung zu bezwingen war. Den Schlüssel zu dieser Tür hatte er aus dem Heizungskeller mitgenommen. Bevor Parker die Tür öffnete, bemühte er noch mal das Stethoskop. »Ich möchte doch sehr darum bitten, daß Sie etwas hören«, forderte die ältere Dame, als Parker das Instrument wegsteckte. Es stammte aus dem medizinischtechnischen Bereich und diente zum Abhören von Herz und Lunge, wurde von Parker aber dazu verwendet, Schwachgeräusche hörbar zu machen. »Das Pochen und Bohren, Mylady, ist leider im Moment nicht mehr zu vernehmen«, meldete Parker. »Das finde ich aber sehr ungehörig«, gab sie gereizt zurück. »Mylady dürfen versichert sein, daß auch meine bescheidene Wenigkeit das ist, was man gemeinhin enttäuscht nennt«, erwiderte Parker. Er sperrte die Tür mit dem Spezialschlüssel auf und öffnete sie. Sie gab dabei ein saugendes Geräusch ab, als würde die Panzertür eines schweren Tresors aufgezogen. Mit dem öffnen der Tür war das Licht im nächsten Raum automatisch eingeschaltet worden. Parker schritt erneut voraus und näherte sich einer kreisrunden Vertiefung im Boden, die auf einen alten, ehemaligen Brunnenschacht schließen ließ, der jetzt allerdings von einer schweren Betonplatte abgedeckt wurde.
»Und was ist jetzt?« fragte Agatha Simpson ungeduldig, als Parker mit seinem Stethoskop erneut horchte. »Mylady sehen mich geradezu verzweifelt«, lautete Parkers Antwort, als er sich aufrichtete. »Es herrscht eine Geräuschlosigkeit, die schon fast peinlich ist.« »Und wegen Ihrer Halluzinationen haben Sie mich von der Schreibmaschine weggejagt?« Lady Simpson war ärgerlich. »Ich hätte längst das erste Kapitel zu Papier gebracht.« »Dies, Mylady, wird mit Sicherheit nicht wieder vorkommen«, versicherte Josuah Parker. »Und Sie haben wirklich nichts gehört?« fragte sie mißtrauisch. »Nur das bekannte Rauschen im Abwasserkanal, Mylady.« Der tatsächlich mal vorhandene Brunnen existierte längst nicht mehr, da er beim Bau der Kanalisation durchschnitten wurde, was weit vor der Jahrhundertwende passiert war. Ein Teil dieses alten Brunnenschachtes führte in einen sogenannten Hauptsammler. Aus diesem Grund war der Betonverschluß des Schachtes so massiv und geruchsicher ausgefallen. »Ich langweile mich«, sagte die ältere Dame grollend. »Ich werde wieder hinauf in mein Studio gehen, Mr. Parker. Und bitte, keine Störungen mehr!« »Mylady können sich fest auf meine bescheidene Person verlassen«, erwiderte Parker und hätte um ein Haar grüßend seine schwarze Melone gelüftet, wie er es sonst üblicherweise tat. In Anbetracht seiner nicht ganz korrekten Kleidung aber hatte er auf seine obligate Melone verzichtet. Er war erfreut, daß Agatha Simpson wieder ins Haus zurück ging. Im Gegensatz zu seiner Behauptung hatte er nämlich durchaus ein feines Bohren und Pochen wahrgenommen, es seiner Herrin gegenüber aber bewußt verschwiegen. Parker hatte nämlich nicht die Absicht, angetan mit Pyjama, einem Hausmantel und Lederpantoffeln dem Kanalsystem von Groß-London einen Besuch abzustatten. * »Ich war zufällig in der Nähe«, sagte Chief-Superintendent McWarden wie üblich, als er den kleinen Salon des Hauses betrat. Er verbeugte sich in Richtung Lady Simpson, die gerade ihr Frühstück einnahm. McWarden war ein untersetzter, etwa 50jähriger Mann mit leichtem Bauchansatz, der wegen seiner Basedowaugen an einen gereizten Bullterrier erinnerte. Er war der Chef eines Sonderdezernats des Yard und befaßte sich mit Fällen, die ihm das Innenministerium übertrug. Die Wege Lady Simpsons, des Butlers und McWardens kreuzten sich immer wieder. Im Lauf der Zeit hatte der Chief-Superintendent einsehen müssen, daß diese beiden Amateure, wie er die ältere Dame und Parker insgeheim bezeichnete, sehr erfolgreich waren. Sie hatten ihm schon oft geholfen, scheinbar unlösbare Kriminalfälle zu klären. Er schob das auf die Launen des Zufalls, doch er fand nichts dabei, von diesen Zufällen zu profitieren.
»Ich habe bereits gefrühstückt«, erklärte Agatha Simpson. »Ich hätte Sie sonst wahrscheinlich eingeladen.« Was sie da sagte, war eine kühne Behauptung. Sie war noch voll damit beschäftigt, gegrillte Würstchen und überbackene Käsescheiben auf Buttertoast zu verspeisen. »Darf ich mir gestatten, einen Sherry zu servieren?« erkundigte Parker sich bei McWarden, der zustimmend und erfreut nickte. Den alten, sehr trockenen Sherry des Hauses schätzte er ungemein. »Alkohol schon so früh am Morgen?« Agatha Simpson schüttelte besorgt ihr Haupt. »Sie entwickeln sich zum Trinker, junger Mann.« »Ich trage es mit Fassung, Mylady.« McWarden lächelte ein wenig müde. »Sie haben Sorgen, McWarden?« erkundigte Lady Simpson sich. »Ich sage Ihnen gleich, daß ich diesmal nichts für Sie tun kann. Ich arbeite an der Niederschrift meines Bestsellers.« »Ich freue mich auf Ihren Roman, Mylady«, schmeichelte McWarden, was allerdings ein wenig mißlang. »Ich werde mir Ihr Buch kaufen. Wann wird es denn nun endgültig erscheinen?« »Alles braucht seine Zeit«, gab Lady Agatha vage zurück. »Sie haben also Sorgen!« Sie war an einem Themenwechsel interessiert, um keine Auskunft über die Buchveröffentlichung geben zu müssen. »Sagen Sie schon, was kann ich wieder mal für Sie tun, McWarden.« »Ich möchte Sie eigentlich nur informieren«, schickte der Chief-Superintendent voraus. »Es könnte ja sein, daß Sie irgendwann irgendeine Information erhalten.« McWarden sprach eigentlich zu Josuah Parker, sah dabei aber natürlich die ältere Dame an, um den Schein zu wahren. Er wußte nur zu gut, daß Parker es war, der helfen konnte. »Es treiben sich wieder mal Gangster in der Stadt herum?« Agatha Simpson zeigte vorerst nur schwaches Interesse. »Gangster einer ganz bestimmten Sorte«, redete McWarden weiter. »Sie haben sich auf das Ausräumen von Banktresoren und Depositenkammern spezialisiert.« »Nicht gerade originell.« Agatha Simpson winkte ab. »Sie haben in drei Fällen bereits erstaunliche Beute machen können, Mylady.« »Sie meinen die Fälle in Liverpool, Manchester und Birmingham, Sir?« warf Butler Parker gemessen ein. »Richtig, Mr. Parker! Sie haben davon in den Zeitungen gelesen? Oder -wissen Sie bereits mehr?« »Meine oberflächliche Kenntnis entstammt diversen Zeitungen, Sir.« »Was habe ich mit Liverpool, Manchester und Birmingham zu tun?« fragte Agatha Simpson. »Ich glaube, Mylady, daß die Gangster irgendwann hier in London arbeiten werden«, meinte McWarden und machte einen ehrlich besorgten Eindruck. »Die drei bisherigen Fälle waren meiner Ansicht nach Testarbeiten. Den eigentlichen Coup wird man hier in London landen.«
»Das klingt schon besser«, sagte sie freundlich. »Was wurde denn bisher erbeutet?« »Bargeld, Aktien und Schmuck im Wert von hundertfünfzehntausend Pfund.« »Und Sie haben nicht die geringste Ahnung, um welche Gangster es sich handeln könnte?« »Absolut' keine Ahnung«, sagte McWarden, und Parker sah dem ChiefSuperintendent an, daß er schwindelte. »Wie gesagt, sollten Sie vielleicht zufällig an eine Information kommen, Mylady, so verständigen Sie mich bitte.« »Bestimmt nicht«, lautete ihre Antwort. »Sollte ich etwas aufschnappen, junger Mann, dann werde ich diesen Fall ohne Sie lösen! Sie würden mich dabei doch nur unnötig stören!« * Butler Parker vertrat sich ein wenig die Beine, wie er sich ausdrückte, bevor er das Haus verließ. Lady Simpson konnte sich diesem Spaziergang leider nicht anschließen, denn sie mußte sich widerwillig mit dem ihr verhaßten Papierkrieg befassen. Kathy Porter, fünfundzwanzig Jahre alt, langbeinig, groß und schlank, Sekretärin und Gesellschafterin der älteren Dame, brauchte eine Menge Unterschriften für die laufenden Geschäfte der Lady. Mit sanfter Hartnäckigkeit hatte sie Lady Agatha in die kleine Bibliothek bugsiert und jeden >Ausbruchversuch< von ihr unterbunden. Josuah Parker konnte sich also frei bewegen. Er schritt über den kleinen Platz, an dem Myladys Haus lag. Die Fachwerkhäuser links und rechts machten einen durchaus bewohnten Eindruck, doch das täuschte. Sie gehörten, wie alle Häuser hier, Lady Simpson und waren miteinander geschickt verbunden. Es gab raffiniert angelegte Durchgänge, die es ermöglichten, von einem Haus ins andere überzuwechseln. In der Vergangenheit hatte sich dies schon häufig ausgezahlt, wenn der Butler Vertretern der Unterwelt eine Falle hatte stellen wollen. Parker trug an diesem frühen Vormittag über seinem schwarzen Zweireiher einen ebenfalls schwarzen Covercoat altväterlichen Zuschnitts, dazu selbstverständlich die obligate schwarze Melone und seinen Universal-Regenschirm, der korrekt über dem angewinkelten Unken Unterarm hing. Einen Butler solchen Zuschnitts konnte man eigentlich nur noch in Kostümfilmen oder in entsprechenden Fernsehserien bewundern. Er bot den Anblick unbedingter Korrektheit. Parker hatte sich die Andeutungen des Chief-Superintendents gründlich durch den Kopf gehenlassen. Er hatte sie darüber hinaus in Verbindung zu den Klopfund Bohrgeräuschen gebrächt, die er während der Nacht gehört hatte. Seine Vorstellungskraft arbeitete dementsprechend auf Hochtouren. Vor einiger Zeit hatte er in diversen Zeitungen von einer französischen Gangsterbande gelesen, die auf dem Umweg über eine Kanalisationsanlage die Tresore und Wertfächer einiger Banken besucht hatte. Er fragte sich, ob man hier
nach einem ähnlichen Schema arbeitete. Benutzten Gangster die Kanalisation, um an irgendein interessantes Ziel zu gelangen? War er hier einem besonderen Coup auf der Spur? Parker schritt gemessen und stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, über die Straße und inspizierte unauffällig, aber sorgfältig die Kanalisationsdeckel auf der Fahrbahn. Er wollte sie in eine gewisse Verbindung zu Bankgebäuden bringen. Und er brauchte nicht lange zu suchen, um fündig zu werden! Bereits in der Curzon Street entdeckte er einige stattlich aussehende Gebäude, in denen Banken untergebracht waren. Erlesene Namen und erstklassige Adressen waren es, die sich seinem Blick darboten. Nicht anders war es in den benachbarten Seitenstraßen. Auch hier Überseebanken und private Geldinstitute, die als solche fast kaum zu erkennen waren. Hier hielt man auf Diskretion und Untertreibung. Parker mußte sich bald eingestehen, daß im näheren Umkreis von Shepherd's Market gut ein Dutzend Banken waren, die gewaltige Vermögen in ihren unterirdischen Tresoren aufbewahrten. Es lohnte sich also durchaus für zähe und arbeitssame Spezialisten, in geduldiger Kleinarbeit Tunnel zu graben. Über diese Banken hinaus interessierte der Butler sich aber auch für leerstehende Häuser, die zu Miete oder Kauf angeboten wurden. Solche Bauten waren seiner Ansicht nach ideale Ausgangspunkte für nächtliche Grabarbeiten. Er wurde erneut fündig. Josuah Parker entdeckte drei Häuser, die genau in seine Vorstellung paßten. Er prägte sich die Adressen ein und fand dann noch ein viertes Haus, in das gerade Mieter einzogen. Vor dem Haus standen zwei Möbelwagen, die aus Liverpool stammten, doch das konnte reiner Zufall sein und mußte nicht unbedingt etwas bedeuten. Nach einer Stunde - Parker hatte einen Kreisbogen um Shepherd's Market gezogen - lustwandelte er zurück ins Haus der Lady Simpson. Er wußte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß er seinerseits genau beobachtet worden war, und zwar von Spezialisten, die ihre Kenntnisse in Sachen Mord gegen viel Geld vermieteten. * »Nun reg dich doch endlich wieder ab, Mike«, sagte Donald Page, ein etwa vierzigjähriger Mann, von dem man wohl ohne weiteres einen Gebrauchtwagen gekauft hätte. Donald Page war rundlich, hatte sanfte Augen und war Berufsmörder. Mike Carr, das genaue Gegenteil seines Partners, wirkte schmal, nervös und schien genau der Mann, von dem man nie und unter keinen Umständen einen Gebrauchtwagen gekauft hätte. Er war fünfundzwanzig Jahre alt. »Du hast eben keine Ahnung, wer da 'rumgeschlichen ist, Donald«, erwiderte Mike Carr nervös. »Das war Parker, Butler Parker.« »Ein ulkiger Typ«, fand Donald Page und lächelte unwillkürlich. »Ein raffinierter Schnüffler, Donald«, erklärte Carr. »Ich stamme hier aus
London und weiß, wovon ich rede.« »Ein Schnüffler?« Page lächelte noch breiter. »Das mußt du mir erst mal beweisen.« »War er zufällig hier oder absichtlich?« Mike Carr ging auf die Bemerkung seines Partners nicht ein. Er hatte halblaut gesprochen und zündete sich jetzt eine Zigarette an. »Bei diesem verdammten Burschen gibt es eigentlich keinen Zufall.« »Junge, was ist mit dir los?« wollte Donald Page wissen. »Okay, er ist also ein toller Schnüffler. Macht er auf Privatdetektiv, oder ist er'n Zivilbulle?« »Er ist Butler, Donald, 'n richtiger Butler. Er arbeitet bei 'ner Lady und schnüffelt in seiner Freizeit.« »Ich breche gleich zusammen«, meinte Donald Page und lächelte überlegen. »Und so ein Typ macht dich nervös?« »Nicht nur mich«, antwortete Mike Carr. »Hör dich mal in der Branche um, Donald, dann wirst du verdammt anders reden!« »Mach' ich mal bei passender Gelegenheit.« Donald Page ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Erzähl doch mal, was du über ihn weißt, Mike. Wir haben ja Zeit genug.« Die beiden Killer befanden sich in einem nur spärlich eingerichteten Raum eines Hauses, das zum Verkauf angeboten wurde. Sie waren heimlich eingedrungen und hatten es sich so bequem wie möglich gemacht. Sie warteten hier auf die Ankunft ihres Opfers, das im Lauf des Tages vor dem gegenüberliegenden Haus eintreffen sollte. Der Auftrag der beiden Killer war mehr als einfach. Sie sollten dieses Opfer nicht etwa töten, sondern nur so treffen, daß es für ein paar Wochen in ein Hospital mußte. Dieses Opfer sollte veranlaßt werden, in einer bestimmten Sache nachzugeben, die die beiden Killer allerdings nicht kannten. Zu töten hatten sie hingegen die beiden Leibwächter dieses Mannes. Das Opfer sollte wissen, daß es schutzlos war. Und neue Leibwächter sollten von vornherein wissen, daß dieser Job unbedingt tödlich war. Die beiden Killer Page und Carr hatten keine Ahnung, wer genau ihr Auftraggeber war. Sie ahnten es zwar, doch sie gingen dieser Sache vorerst nicht nach. Für sie war die Hauptsache, daß die Hälfte des vereinbarten Honorars bereits gezahlt worden war: fünftausend Pfund für jeden von ihnen. Weitere fünftausend Pfund pro Mann warteten auf sie, sobald sie ihren Auftrag erledigt hatten. Schneller und offensichtlich risikoloser konnten sie ihr Geld nicht verdienen. Skrupel kannten Page und Carr nicht. Sie stellten nie unnötige Fragen und zeigten auch keine Neugier, wer und warum man sich an sie wandte. Sie bezogen irgendwo Stellung, feuerten ihre schallgedämpften Schüsse ab und verschwanden wieder von der Bildfläche. Sie hatten ihren mörderischen Job gut getarnt und abgesichert. In Brighton betrieben sie ein Antiquitätengeschäft, das ihnen gestattete, je nach Auftrag zu verschwinden, ohne Argwohn zu erregen. »Du wolltest mir was über diesen Butler erzählen«, erinnerte Donald Page seinen jüngeren Partner, der am Fenster stand und nach unten auf die Straße schaute.
»Der Kerl ist bestimmt nicht zufällig hier aufgetaucht«, sagte Mike Carr noch mal nachdenklich. »Ich spür's in den Fingerspitzen, Donald. Hoffentlich können wir bald abhauen.« »Wenn er Ärger machen sollte, Mike, ist er eben reif«, meinte Donald Page wegwerfend. »Dann drücken wir eben mal kostenlos ab. So verdammt einfach ist das!« »Mensch, hast du 'ne Ahnung.« Mike Carr seufzte auf. »Wären wir doch bloß schon wieder in Brighton!« * »Sie hatten einen ergiebigen Spaziergang, Mr. Parker?« erkundigte Lady Simpson sich gespielt beiläufig. Sie kam aus der kleinen Bibliothek und fing ihren Butler in der großen Eingangshalle ab. »Die Luft war in der Tat außerordentlich erfrischend«, antwortete Parker höflich. »Der Tag verspricht heiter zu werden.« »Und wo waren Sie?« Die Sechzigjährige verzichtete auf das vorsichtige Anpirschen an das Thema, das sie interessierte. Sie steuerte sofort auf ihr Ziel zu. »Im nahen Green Park, Mylady«, schwindelte Parker. »Ich war so frei, einige zutrauliche Amseln zu füttern.« »Aha.« Sie sah ihn grimmig an. »Und das soll ich Ihnen also abnehmen, Mr. Parker?« »Es mögen auch einige Meisen darunter gewesen sein, Mylady.« »Sie unterschlagen mir etwas, Mr. Parker!« »Die Anwesenheit einiger Möwen möchte ich keineswegs unterschlagen, Mylady. « »Ich werde Ihnen auf den Kopf zusagen, wonach Sie gesucht haben.« »Mylady bringen meine bescheidene Wenigkeit in eine gewisse Irritation.« »Sie suchten nach Gangstern, die das Haus in die Luft jagen wollen, nicht wahr?« »Mylady rechnen nach wie vor mit solch einer schrecklichen Möglichkeit?« »Natürlich«, gab sie fröhlich zurück. Ihr schien es überhaupt nichts auszumachen, daß man sie umbringen wollte. »Wen gibt es da im Augenblick, der sich an mir rächen möchte?« »Der Feinde, Mylady, gibt es viele.« »Und wen sollte ich mir mal besonders ansehen? Ich warte auf Ihre Vorschläge!« »Die jüngste Drohung gegen Mylady wurden von einem gewissen Ray Forster ausgesprochen, Mylady.« »Richtig, dieser Lümmel aus Lambeth, nicht wahr? Warum wollte er mich umbringen?« »Mylady riefen besagten Mr. Forster vor einigen Wochen zur Ordnung, wenn ich es so ausdrücken darf.« »Natürlich, wie konnte ich das vergessen!« Sie nickte wohlwollend und dachte an die Szene in Forsters Billardsälen. Der Ganove hatte den Unwillen der älteren
Dame erregt, als er versuchte, ein paar Wohnhäuser in seiner Nachbarschaft mit rüden Mitteln in Besitz zu bringen. Damals hatte die Lady davon auf Umwegen gehört und sich natürlich sofort eingeschaltet. Nach einer kurzen, aber nachdrücklichen Unterhaltung mit Forster hatte der Ganove umgehend von seinen unschönen Plänen Abstand genommen, Mylady aber noch wütend beschimpft und bedroht. »Mr. Ray Forster müßte meiner bescheidenen Schätzung nach inzwischen wieder aus dem Hospital entlassen sein«, redete Parker weiter. »Schon?« Sie schüttelte in einer Art Selbstvorwurf ihren Kopf. »Demnach habe ich diesen Flegel wohl doch nur mit Glacehandschuhen angefaßt, wie?« »Nicht unbedingt, Mylady«, gab Parker höflich zurück. »Ein ramponiertes Nasenbein und einige Rippenprellungen dürften seinerzeit angemessen gewesen sein.« Mylady war eine sehr streitbare Dame, wenn es sein mußte. Im Nahkampf kannte sie sich bestens aus. Dazu kamen noch ihre Spezialitäten, um Gegner außer Gefecht zu setzen. Ray Forster hatte das im Verlauf der seinerzeitigen klärenden Diskussion deutlich zu spüren bekommen. »Ich werde mit diesem Lümmel wohl noch mal reden müssen«, meinte Agatha Simpson und wandte sich an Kathy Porter, die lächelnd hinter ihr stand. »Noch steht nicht fest, Mylady, ob er das Haus tatsächlich in die Luft sprengen will«, sagte Kathy Porter. »Er wird es mir sagen«, wußte die Detektivin. »Wäre es möglicherweise nicht passender, Mylady, den oder die Täter in flagranti zu stellen?« warf Parker ein. »Papperlapapp, Mr. Parker, Sie üben wieder mal zuviel Rücksicht«, sagte Agatha Simpson grimmig. »Sie können sich ja meinetwegen um die Dynamitladung unter dem Haus kümmern. Ich werde ohnehin nicht in die Kanalisation steigen. Kommen Sie, Kindchen, ich brauche etwas Bewegung.« Nein, sie war nicht zu bremsen. Es dauerte nur knapp zehn Minuten, bis sie sich ans Steuer ihres neu angeschafften Land-Rover setzte und davon brauste. Butler Parker aber ging ans Telefon und rief Ray Forster an. Vielleicht, so hoffte er, fand der Ganove Mittel und Wege, Lady Simpson schleunigst aus dem Weg zu gehen ... * Butler Parker nutzte seine Chance. Er hatte die Geheimtür im Heizungskeller bereits hinter sich gelassen und schritt durch das niedrige Gewölbe zur Bohlentür, die er schnell geöffnet hatte. Vor dem abgedeckten Brunnenschacht blieb er stehen und benutzte noch mal sein Stethoskop, das allerdings an einen elektronischen Verstärker angeschlossen war. Parker hatte jetzt Zeit, um sich ungestört seiner Lauscheraktion hingeben zu können. Störungen durch seine Herrin waren vorerst nicht zu erwarten. Sie hatte mit dem arm zu nennenden Ray Forster zu tun, von dem sie sich mit
Sicherheit nicht so leicht abschütteln ließ. Parker bedauerte diesen Ganoven insgeheim, denn er wußte ja nur zu gut, wie zäh und energisch Agatha Simpson war. Der Verstärker lieferte ihm eine ganze Reihe von Geräuschen, die Parker allerdings durchaus zu identifizieren vermochte. Da war das Gurgeln und Rauschen der Abwässer im sogenannten Hauptsammler, also in einem Kanal, dessen Durchmesser durchaus zwei bis drei Meter betragen konnte. Er hörte das Poltern und Klatschen von größeren Abfällen, die gegen die gemauerten oder betonierten Kanalwände stießen, das Pfeifen von Ratten und dann eine Art Flutwelle, die durch diesen Hauptsammler rauschte, um dann wasserfallartig in ein Sammlerbecken zu stürzen. Von Pochen und Bohren war allerdings zur Zeit nichts zu vernehmen, doch das löste bei ihm keine Enttäuschung aus. Er hatte damit gerechnet, daß gewisse Aktivitäten, die mit diesen Geräuschen zusammenhingen, um diese Tageszeit nicht erfolgten. Nun, es half alles nichts, Parker mußte in diese Unterwelt eigener Art hinabsteigen, um nach den bisherigen Ergebnissen dieser Aktivitäten zu suchen. Er hatte sich entsprechend ausgerüstet. Neben dem immer noch verschlossenen Brunnenschacht standen Fischerstiefel, die bis zu den Hüften reichten. Er hatte sich Ölzeug mit ins Gewölbe gebracht und eine Art Sturzhelm, auf deren Vorderseite eine elektrische Lampe angebracht war. Darüber hinaus verfügte er über einen Fotoapparat und eine Blitzlichtausrüstung höchster Leistungsstärke. Zusätzlich standen ihm noch eine Handlampe und eine Art dreizackiger Fischspeer zu Verfügung. Parker war bekannt, daß sich im Abwassersystem ganze Heerscharen von Ratten herumtrieben, die mitunter recht aggressiv waren. Er wollte, wenn es sein mußte, sich seiner Haut wehren können. Bevor er sich umkleidete, galt es, den schweren Verschluß zu öffnen. Dazu benützte der Butler einen Flaschenzug, der an einem eigens dafür eingegossenen Eisenträger im Gewölbe hing. Es dauerte gut zehn Minuten, bis der schwere Betonpfropfen soweit hochgehievt worden war, daß Parker in den Schacht steigen konnte. Gewiß, die Düfte, die jetzt herauf ins Gewölbe stiegen, waren nicht gerade identisch mit denen einer Frühlingswiese, doch sie erregten auch keinen Ekel. Die natürliche Luftströmung unten im Hauptsammler ließ keine Duftstauungen zu. Parker kleidete sich um, was ohne Hast geschah. Jeder Handgriff bei ihm saß. Nach weiteren fünf Minuten schaltete er das Licht am Schutzhelm ein, leuchtete mit der Handlampe nach unten und stieg dann über die in die Rundungen des Schachts eingelassenen Eisengriffe nach unten. Er erreichte ein schmales Betonband von etwa einem Meter Breite, schritt fest und sicher an einem kleinen Abwässerrinnsal entlang, bis er ein schweres, solides Absperrgitter erreicht hatte, hinter dem der Hauptsammler lag. Dieses Gitter war für den Butler natürlich kein Hindernis, obwohl daumendicke Eisenstäbe in Ziegelwände eingelassen waren. Auch für diese Absperrung besaß er eine Art Schlüssel. Er steckte einen schmalen und flachen Eisenstab in eine der Fugen dieser Ziegelwand und löste damit eine Sperre. Sekunden später schwenkte
dieses Gitter nach innen auf und gab ihm den Weg frei in den wirklich riesigen Hauptkanal. Butler Parker rechnete selbstverständlich nicht mit einer Sprengladung, die irgendwo in der Nähe montiert werden sollte. Er konnte sich kaum Gangster vorstellen, die solch einen Aufwand trieben, um Lady Simpson, Kathy Porter und ihn ins Jenseits zu befördern. Er rechnete mit dem Versuch, die unterirdischen Tresore und Depositenkammern einer Bank anzubohren. Auf diesem Gebiet hatten Gangster es in der jüngsten Vergangenheit schon zu beachtlichen Erfolgen gebracht. Parker bediente sich hier unten im Hauptsammler eines Kompasses, um seinen Weg zu finden. Er mußte ihn immer wieder sorgfältig befragen, denn das Kanalsystem glich einem besonders raffiniert angelegten Labyrinth, in dem man sich mit Sicherheit verlaufen konnte. Er erreichte eine Gabelung und hörte plötzlich Stimmen. Wenig später waren die Lichter von zwei Lampen zu sehen. Parker hatte sofort seine Schutzhelmlampe ausgeschaltet und wartete erst mal ab. Sollte ihn das Glück bereits auf eine heiße Spur geführt haben? * Ray Forster war ein Ganove übelster Art, daran bestand kein Zweifel. Der Mann mochte etwa vierzig Jahre alt sein, war groß und massig, strahlte förmlich Gewalt aus und schien jetzt nervös. Seine Nervosität hing mit einem Anruf zusammen, den er vor einer halben Stunde empfangen hatte. Ein gewisser Butler hatte ihn informiert, daß eine gewisse Lady Simpson auf dem Weg zu ihm sei, um ihm einige Fragen zu stellen. Diesen Besuch schätzte Ray Forster überhaupt nicht. Er krankte noch ein wenig an jener Unterhaltung, die er mit dieser Dame gehabt hatte. Sein Nasenbein und seine Rippen hatten sich gerade einigermaßen erholt und sollten nicht noch mal lädiert werden. Natürlich hatte ein Mann wie Ray Forster sogenannte Leibwächter. Es handelte sich um stämmige, gewalttätige Burschen, die auf einen kleinen Wink hin zuschlugen. Doch diese Leibwächter konnte er unmöglich gegen Agatha Simpson einsetzen. Butler Parker hatte sich am Telefon Ungehörigkeiten solcher Art ausdrücklich verbeten. Und mit Parker wollte Forster sich auf keinen Fall anlegen. Ray Forster wollte sich verleugnen lassen. Er spielte auch mit dem Gedanken, sich irgendwo in seinem Haus zu verstecken. Darüber hinaus ventilierte er die Möglichkeit, London zu verlassen, oder gar über den Kanal nach Frankreich zu fliegen. Zu sehr noch fürchtete er die Konversation mit der älteren Dame. Von seinem Büro aus sah er durch ein kleines Sichtfenster hinunter in den einen der beiden großen Billardsäle. Der Besuch am frühen Morgen war schon recht beachtlich. Neben dem Spiel waren die beiden Säle eine Art Umschlagbörse für Nachrichten aus der Unterwelt. Und selbstverständlich konnte man bereits zu
dieser Stunde Alkoholika in jeder gewünschten Form und Menge zu sich nehmen. Forsters Club war als Trainingscenter für Pool-Billard aufgezogen worden und galt als Privatclub. Er war daher an die gesetzlich festgelegten Zeiten für den Ausschank von Alkoholika nicht gebunden. Lady Simpson war noch nicht erschienen, aber lange konnte es nicht mehr dauern, bis sie wie ein Räumpanzer nahte. Es wurde höchste Zeit für ihn, seine Absatzbewegung einzuleiten. Er wollte sich vom kleinen Sichtfenster schon zurückziehen, als er einen mittelgroßen und schlanken Mann ausmachte, der in ihm eine Art Zündung auslöste. Dieser Mann hieß Nobby Piles und war, wie er selbst erzählt hatte, erst vor wenigen Tagen aus Birmingham nach London gekommen, um sich hier etwas umzusehen. Wer dieser Nobby Piles war, wußte Ray Forster vom Hörensagen: Er galt als brandgefährlich, war eine Art Dynamitladung auf zwei Beinen. Er wartete hier in London auf ein gutes Angebot, um sich dann einem Gangsterring anzuschließen. Bisher wurde er von zwei Organisationen umworben, doch Piles hatte sich offensichtlich hoch nicht entschieden Forster winkte seine beiden Leibwächter zu sich heran. Pete und Chester, zwei unauffällig aussehende, wachsame Männer, etwa dreißig Jahre alt, schlenderten auf ihren Chef zu, der durch das Sichtfenster jetzt nach unten deutete. »Piles«, sagte Forster knapp. »Heizt ihn schleunigst auf, Jungens! Hetzt ihn auf die verrückte Lady! Erzählt ihm irgendwas vom Pferd, aber macht ihn scharf auf die Alte!« »Das wird nicht schwer sein«, meinte Pete und lächelte. »Der wartet doch nur darauf, seinen Preis zu steigern«, fügte Chester abfällig hinzu. Er konnte den arroganten Nobby Piles nicht ausstehen. »Soll er hier loslegen?« fragte Pete. »Bist du verrückt?« Ray Forster hob abwehrend die Hände. »Ich bin nicht scharf auf 'ne zweite Renovierung. Er soll sich mit der Alten irgendwo in der Stadt anlegen, möglichst weit weg von hier.« Pete und Chester hatten verstanden und verließen das Büro ihres Chefs. Wenig später erschienen sie unten in einem der Billardsäle und schlenderten auf die Dynamitladung Piles zu, um sie sprengbereit zu machen. * Die beiden >Unterweltler< kamen näher und unterhielten sich ungeniert und laut miteinander. Wer sie waren, vermochte Josuah Parker noch nicht zu erkennen. Er hatte sich in eine flache Wandnische gedrückt und harrte der Dinge, die da kommen mußten. Ein paar Minuten später aber wußte er Bescheid. Die beiden Männer waren wahrscheinlich harmlos und gehörten zur Kanalbrigade, wie die Männer dieser lichtlosen Welt genannt wurden. Sie hatten
das Kanalsystem zu kontrollieren und kannten sich hier unten mit traumwandlerischer Sicherheit aus. Sie passierten Parker und kamen gar nicht auf den Gedanken, einen Besucher zu treffen. Es dauerte einige Minuten, bis sie hinter einer Abzweigung verschwunden waren. Parker verließ sein Versteck, schaltete wieder das kleine Licht der Helmlampe ein und befragte seinen Kompaß. Noch war der allgemeine Kurs richtig. Er wollte die Fundamente einer ersten Bank kontrollieren und nachsehen, ob hier vielleicht insgeheim gearbeitet wurde. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich jener Stelle näherte, wo sich schräg über ihm das Bankhaus befand. Anhand einer genauen Karte hatte er sich die Lage dieses Gebäudes genau ausgerechnet. Parker stand vor einem kleinen Kanal, der seiner Schätzung nach unter das Gebäude führte. Er schaltete das starke Handlicht ein und suchte die gemauerten Kanalwände sorgfältig ab. Irgendwelche Veränderungen konnte er allerdings nicht ausmachen. Sicherheitshalber aber klopfte er mit dem Dreizack die Wände nach versteckten Hohlräumen ab. Fehlanzeige! Die Ziegelmauern erwiesen sich als kompakt und solide, Hohlräume waren offensichtlich nicht vorhanden. Parker ließ sich in diesem Kanalstollen viel Zeit. Er wollte nichts übersehen. Er schritt tiefer in den engeren und niedrigeren Kanal hinein und setzte hier seine Untersuchungen fort. Nach zwanzig Minuten war er sich sicher, daß dieses Bankgebäude nicht angebohrt werden sollte. Er wandte sich ab und schritt zum Hauptsammler zurück. Von dem Dutzend Banken, an die er dachte, konnte er nun ein Geldinstitut abhaken. Parker schaffte noch drei weitere Banken, dann machte er sich auf den Rückweg. Wenn Lady Simpson zurückkehrte, wollte er bereits wieder im Haus sein. Er durfte in ihr erst gar nicht den Wunsch wecken, sich an dieser Suche zu beteiligen. Entgegen ihrer Behauptung hätte sie sich wahrscheinlich sofort aufgemacht, um ebenfalls in diese übelriechende Unterwelt abzusteigen. Übel roch es inzwischen sehr. Parker glaubte manchmal ersticken zu müssen. Die natürliche Entlüftung schien nur streckenweise zu funktionieren. In der breiten Rinne neben dem schmalen Betonband trieben undefinierbare Dinge, die nicht gerade appetitlich aussahen. Plötzlich hörte Parker ein seltsames Geräusch. Es handelte sich um ein Planschen und Scharren, als wälze sich ein schwerer Körper durch die Abwässer. Natürlich dachte er sofort an die Gerüchte, nach denen in den Abwässerkanälen angeblich sogar Krokodile sein sollten. In der Vergangenheit hatte er sich schon mal mit solch einem Phänomen auseinandersetzen müssen. Bürger der Stadt kauften, weil es gerade Mode war, sogenannte Baby-Krokodile, um sie dann in die Kanäle zu spülen, wenn sie zu groß und zu gefährlich wurden. In den Zeitungen waren solche Dinge immer wieder zu lesen. Nach dem Ungeheuer von Loch Ness waren diese Riesenkrokodile ein bevorzugtes Thema für nachrichtenflaue Zeiten.
Natürlich kamen Krokodile hier unten auf ihre Kosten. Abfälle jeder Art waren ausreichend vorhanden, um ein solches Tier zu ernähren. Hinzu kamen die Armeen von Ratten, die hier unten auch nicht gerade schlecht lebten und Riesengröße erreichten... Parker erinnerte sich, erst vor kurzer Zeit von solch einem Krokodil gelesen zu haben, das Kanalarbeiter im unterirdischen Labyrinth von Los Angeles entdeckt und geborgen hatten. Es hatte - er hatte das Foto gesehen - die stattliche Länge von fast fünf Metern gehabt. Parker war stehen geblieben und lauschte. Das Plantschen kam näher, dieses unheimliche Scharren und Schleifen auf dem Beton. Dann war plötzlich ein entsetztes Quieken zu hören, das wohl von, einer fetten Ratte stammte. Sekunden später klatschte ein schwerer Gegenstand ins Wasser. Parker schaltete die Handlampe ein und leuchtete die Betonrinne ab. Er glaubte plötzlich, eine Art Baumstamm im Wasser zu sehen, doch einen Baumstamm konnte es hier unten unmöglich geben. Er schritt auf dieses dunkle Etwas zu, das allerdings blitzschnell verschwand und mit dem Wasser in einen Seitenkanal trieb, wie der Butler gerade noch ausmachen konnte. Parker gestattete sich den Luxus einer leichten Gänsehaut. Auch er war schließlich nur ein Mensch, der das Recht hatte, sich ein wenig zu grausen. * Die beiden Leibwächter Pete und Chester empfingen Lady Simpson und Kathy Porter schon an der Tür zur Vorhalle. Sie gaben sich höflich und respektvoll. Sie brauchten sich noch nicht mal zu verstellen, denn eine Lady Simpson strahlte Hoheit aus. »Zu diesem Mr. Forster«, sagte sie in einem leicht angewiderten Ton. »Und versuchen Sie nur ja nicht mir vorzulügen, er sei nicht da!« Sie wartete eine Antwort nicht ab, sondern marschierte an den beiden Leibwächtern vorüber in Richtung des linken Billardsaals, von dem aus man in Forsters Büro gelangte. Agatha Simpson kannte den Weg bereits. Aber sie kannte Nobby Piles nicht. Er war von den beiden Leibwächtern Pete und Chester inzwischen kräftig aufgeheizt worden. Nobby Piles fühlte sich tödlich beleidigt. Laut Pete und Chester hatte die ältere Dame ihn einen impotenten und feigen Schwächling genannt, für den selbst Ohrfeigen noch zu gut waren. Darüber hinaus sollte sie behauptet haben, Piles habe sich auf den Raub von Damenhandtaschen spezialisiert. Eine tiefere Schmach hätte man einem Mann wie Piles nicht zufügen können. Sein Ehrgefühl war zutiefst verletzt worden. Nobby Piles wußte übrigens nicht, wer diese füllige Dame war, die sein Ansehen lädiert hatte. Er hielt sie für die Besitzerin eines gewissen Etablissements, wie Pete und Chester es ihm eingeflüstert hatten. Als Piles nun Lady Simpson sah, brannten seine bereits angeschmorten, inneren Sicherungen endgültig durch. Er näherte sich der Frau, die ihr ausgebeultes Tweed-Kostüm trug und dazu einen Hut, der eine
unmögliche Kreuzung zwischen einem Südwester und einem Blumentopf darstellte. »Moment mal, Schwester«, sagte Piles und versperrte Lady Agatha den Weg. »Wer setzt denn da wilde Gerüchte in die Luft?« »Wer sind Sie, junger Mann?« erkundigte die Lady sich fast freundlich. »Das müssen Sie doch wissen, Schwester. Von mir haben Sie doch 'ne Menge Unsinn in die Welt gesetzt.« »Und zwar, junger Mann?« »Ich soll Damenhandtaschen klauen und feige sein!« »Diesen Eindruck vermitteln Sie tatsächlich«, stellte Agatha Simpson anzüglich fest. »Soll das heißen, daß ich... ?« »Gehen Sie mir aus dem Weg, Sie Handtaschendieb!« Lady Simpson fegte Nobby Piles mit einer Armbewegung zur Seite, während ihr perlenbestickter Pompadour am linken Handgelenk in gefährliche Schwingungen geriet. Nobby Piles war durch die Armbewegung in Schwung gekommen. Er absolvierte einen halben Salto und krachte gegen die Kante eines Billardtisches. Im Saal war es urplötzlich ruhig geworden. Die Spieler konzentrierten sich auf diese Szene. Vom Hörensagen wußten auch sie, wer dieser Zugereiste aus Birmingham war. Sie waren gespannt, wie er jetzt reagieren würde. Und Nobby reagierte! Er drückte sich an seinem Queue hoch und hatte die erklärte Absicht, den Billardstock als Hieb- und Stichwaffe zu verwenden. Seine Chancen standen nicht schlecht, denn die ältere Dame kümmerte sich schon nicht mehr um ihn, sondern war weiter gegangen. Nobby Piles' Absichten waren nicht gerade vornehm zu nennen: Zuerst wollte er mit der Spitze des Queues zustoßen, den Billardstock dann umdrehen und mit dem dicken Handgriff keulenartig zuschlagen. An Mord dachte er allerdings nicht, wie man fairerweise sagen muß. Ihm ging es nur darum, seine resolute Gegnerin für eine Woche ins Hospital zu schicken. Sein Image duldete noch nicht mal den Hauch von Rost. Er stach also mit dem Queue zu und ... sah Bruchteile von Sekunden später auf seine leere und schmerzende Hand. Lady Simpson schien diesen heimtückischen Angriff erraten zu haben und hatte ihren Pompadour als Abwehrwaffe eingesetzt. Das Queue wirbelte durch die Luft und landete in einem großen Zierspiegel, der dieser Belastung nicht gewachsen war und sich klirrend in Scherben auflöste. »So ist das!« Nobby Piles schaltete innerlich um. Er hatte sich bereits wieder gefaßt und massierte sich das schmerzende Handgelenk. Er achtete übrigens überhaupt nicht auf Kathy Porter, die wie ein scheues, ängstliches Reh an der Seite stand und sich offensichtlich fürchtete. »Flegel«, grollte Lady Agatha den Gangster an, der langsam auf sie zukam und plötzlich ein Rasiermesser in der linken Hand hielt. »Dafür schneid' ich dir ein paar Streifen aus den Falten«, zischte Nobby Piles, wie eben nur ein Gangster zischen kann.
Diese unzarte Andeutung hätte der Bursche besser nicht gemacht. Er wußte nicht, wie sehr Mylady Wert auf ihren Teint legte, übersah daher das gefährliche Funkeln in den Augen der älteren Dame und schritt weiter auf sie zu, um seine Drohung in die Tat umzusetzen. * Parker hatte sich gerade geduscht und umgezogen, als es an der Haustür läutete. Er schritt gemessen durch die große Wohnhalle in den Vorflur und schaltete die hauseigene Fernsehanlage ein. Er wunderte sich kaum, Chief-Superintendent McWarden zu sehen. Parker öffnete und ließ den hohen Polizeioffizier eintreten. »Ich würde gern Lady Simpson sprechen«, sagte McWarden, der einen leicht gereizten Eindruck machte. »Ich bedaure unendlich, Sir«, gab Parker zurück. »Mylady befindet sich in der Stadt, um einige Einkäufe zu tätigen. « »Sind Sie sicher, daß sie nur einkaufen wollte?« »Darf ich Ihrer Frage eine gewisse Bedeutung unterlegen, Sir?« »Das kann man wohl sagen, Mr. Parker!« McWarden nickte. »Sagt Ihnen der Name Ray Forster etwas?« »In der Tat, Sir! Falls mein bescheidenes Erinnerungsvermögen mich nicht trügt, ist Mr. Forster ein Mann, der Mylady vor einiger Zeit zutiefst beleidigte.« »Das scheint wieder mal der Fall gewesen zu sein.« »Darf man nähere Einzelheiten erfahren, Sir?« Parker war in Unruhe geraten, zeigte sie jedoch nicht. Sein Gesicht war glatt und ausdrucklos wie das eines routinierten Pokerspielers. »Ich bekam eben eine Durchsage von zwei Streifenwagen mit«, erwiderte ChiefSuperintendent McWarden. »Sie waren zu Forsters Billardsälen gerufen worden.« »Gab es dort Streit, Sir?« Parker wußte inzwischen natürlich, daß es ihn mit Sicherheit gegeben hatte. »Streit?« McWarden schnaufte. »Nach dem Bericht, den ich über Funk gehört habe, muß in den Billardsälen ein Tornado gewütet haben.« »Die Gäste dieser Billardsäle sollen sich nicht gerade durch gute Erziehung auszeichnen«, warf Parker ein. »Ein paar Leute sind zur Notbehandlung ins Hospital eingeliefert worden, Mr. Parker.« »Auch Mr. Forster, wenn mir diese Frage gestattet ist?« »Der erstaunlicherweise nicht, Mr. Parker. Er scheint aber die Polizei alarmiert zu haben und stellt eine seltsame Behauptung auf.« »Muß ich annehmen, Sir, daß er Mylady beschuldigt?« »Sie müssen, Mr. Parker! Auch das habe ich per Sprechfunk erfahren. Darum bin ich ja hier. Er behauptet, Lady Simpson habe Tornado gespielt, um es mal so auszudrücken.« »Dies, Sir, erscheint mir unglaubwürdig«, erklärte Josuah Parker. »Wie Ihnen bekannt sein dürfte, zeichnet Mylady sich durch damenhafte Zurückhaltung aus.«
»Wiederholen Sie das besser nicht noch mal!« McWarden grinste unwillkürlich. »Mylady gerät allerdings in eine gewisse Gemütswallung, wenn man Mylady unnötig belästigt«, räumte der Butler ein. »Das scheint Nobby Piles leichtsinnigerweise getan zu haben«, sagte der ChiefSuperintendent. »Dieser Mann -kennen Sie ihn übrigens? - dieser Mann also muß wohl zu einem Schönheitschirurgen. Seine Nase soll sich verformt haben.« »Der Name Nobby Piles sagt mir bedauerlicherweise nichts, Sir.« Parker ging auf die verformte Nase nicht näher ein. Er wußte, wodurch sie zustande gekommen war: Myladys Pompadour war eine gefährliche Nahkampfwaffe. »Er stammt aus Birmingham, Mr. Parker und gilt als brandgefährlicher Schläger. Wahrscheinlich ist er sogar ein Killer. Sein Auftauchen hier in London ist überraschend.« »Sie haben bereits nähere Erkundigungen über Mr. Piles eingezogen?« »Natürlich, Mr. Parker. Man will doch wissen, mit wem Lady Simpson sich so auf ihre Art unterhält, oder?« »Sie sehen einen gewissen Zusammenhang zwischen den Bankeinbrüchen und Mr. Piles' Auftauchen hier in London?« »Offiziell habe ich Ihnen, natürlich nichts gesagt«, schickte McWarden voraus. »Aber wir haben uns verstanden, nicht wahr? Meiner Ansicht nach könnte dieser Nobby Piles zu den Gangstern gehören, die die Banken leergeräumt haben.« »Ein wichtiger und interessanter Hinweis, Sir.« »Und jetzt möchte ich wissen, wie Lady Simpson an diesen Piles geraten ist?« fragte der Chief-Superintendent. »Eine Hand wäscht die andere, finden Sie nicht auch?« »Sir, ich darf und muß Ihnen versichern, daß mir der Name Nobby Piles bis vor wenigen Minuten noch völlig unbekannt war. Mir ist ebenfalls unbekannt, wie Mylady in Kontakt zu diesem Mann trat. Ich möchte fast behaupten, daß es sich nur um einen Zufall gehandelt hat.« »Das ist auf keinen Fall ein Zufall gewesen«, schnarrte McWarden gereizt. »Sie verheimlichen mir wieder mal etwas!« »Sir, Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit geradezu bestürzt und unglücklich«, versicherte Parker dem Chief-Superintendent. »Der Name Nobby Piles wurde in diesem Haus bisher noch nicht genannt.« »Hinter dieser Behauptung steckt doch wieder ein Trick«, sagte McWarden verärgert. »Dann haben Sie Piles eben anders genannt. Ich wiederhole noch mal, es kann kein Zufall gewesen sein, daß Lady Simpson diesen Gangster ins Hospital geschickt hat. Das ist ausgeschlossen, das kann ich mir nicht vorstellen.« »Vielleicht wenden Sie sich an Mylady«, schlug Parker vor und deutete mit einer knappen Handbewegung nach draußen. »Mylady ist gerade vorgefahren.« »Sehr gut, ausgezeichnet!« McWarden warf sich in die Brust. »Und ob ich mich an sie wenden werde! Es sind da einige Fragen zu klären.« Parker ließ McWarden zurück, öffnete die Haustür und ging seiner Herrin entgegen, die einen heiteren und entspannten Eindruck machte. »Mylady hatten eine geruhsame Ausfahrt?« erkundigte Parker sich in seiner höflichen Art und deutete eine knappe Verbeugung an.
»Danke, Mr. Parker!« Sie lächelte, was eigentlich mehr als selten war. »Ihr Tip war recht gut. Diese Billardsäle bieten immer eine gewisse Abwechslung.« »Mr. McWarden informierte bereits meine bescheidene Wenigkeit, Mylady. Demzufolge soll Mr. Forster sich über Mylady beschwert haben.« »Was sagen Sie dazu, Kindchen?« Sie wandte sich zu Kathy Porter um, die hinter ihr stand. »Man hat sich über mich beschwert! Es ist doch nicht zu glauben. Dabei kann dieser Flegel noch froh sein, daß ich dieses Gelichter aus den beiden Billardsälen geworfen habe.« »Mr. Forster hat Sie vielleicht mißverstanden, Mylady«, antwortete Kathy Porter lächelnd. »Wegen dieser Beschwerde muß ich mich aber noch mal mit diesem undankbaren Lümmel unterhalten«, sinnierte Lady Agatha halblaut. »Man beschwert sich nicht über eine Lady Simpson! Das muß man ihm deutlich klarmachen!« * »Für mich ist dieser Fall klar«, sagte Agatha Simpson wieder mal wie so oft. Sie saß im kleinen Speisezimmer neben dem großen Salon und nahm einen kleinen mittäglichen Imbiß zu sich, wie sie es nannte. Sie knabberte an einem kalten Hühnchen, aß einige dicke Scheiben Roastbeef, kostete ausgiebig von einer Fleischpastete mit Minzsauce und trank dazu einen herben Weißwein. Chief-Superintendent McWarden war längst gegangen, und Lady Agatha konnte sich frei und offen mit Kathy Porter und Butler Parker unterhalten. Kathy saß zusammen mit ihr am Tisch, doch sie hielt auf Linie und nahm nur wenig zu sich. Parker bediente mit der Perfektion eines hochherrschaftlichen Butlers. »Warum sagen Sie nichts?« fragte die Lady, sich an Parker wendend. »Darf ich mir erlauben, Mylady noch etwas Roastbeef vorzulegen?« »Natürlich«, gab sie zurück. »Und vergessen Sie nicht die Pastete. Aber das ist es nicht, was ich will, Mr. Parker. Ich sagte gerade, daß der Fall für mich sonnenklar ist.« »Mylady haben eine Theorie?« »Gewißheit«, korrigierte sie ärgerlich. »Wie gut, daß ich sofort an diesen Ray Forster gedacht habe. Ohne ihn wäre ich nie auf dieses Subjekt namens Nobby Piles gestoßen.« »Mylady sind nach wie vor davon überzeugt, daß man beabsichtigt, Myladys Haus in die Luft zu sprengen?« »Schnickschnack, Mr. Parker.« Sie sah ihn überlegen und kopfschüttelnd an. »Wie können Sie nur solch eine Albernheit vermuten! Nein, nein, hier geht es um andere Dinge.« Sie beschäftigte sich mit einer Scheibe Roastbeef und überging souverän, daß sie es gewesen war, die von solch einem Sprengstoffattentat gesprochen hatte. »Sie können eben nicht kombinieren, Mr. Parker«, redete sie weiter. »Haben Sie denn völlig vergessen, was McWarden gesagt hat? Hier in London sind Gangster aufgetaucht, die sich auf das Ausräumen von Tresoren und Depositenkammern
spezialisiert haben. Diese Gangster haben bisher in Liverpool, Manchester und Birmingham erfolgreich gearbeitet. Und woher kommt dieser Piles?« »Aus Birmingham, Mylady«, antwortete Parker höflich. »Na, bitte!« Sie nickte nachdrücklich. »Geht Ihnen denn immer noch kein Licht auf?« »Mylady sind sicher, daß Nobby Piles Mitglied dieser Bande ist?« »Aber das liegt doch auf der Hand, Mr. Parker! Haben Sie denn wirklich keine Phantasie? Piles spielte bei Forster Billard. Glauben Sie, er hat das aus Langeweile getan? Nein, Mr. Parker! - Diese Bande hat sich bei Forster eingenistet oder wird von ihm beraten, was die Ortskenntnisse anbetrifft.« »Eine zwingende Darstellung, wenn ich mich dazu äußern darf.« Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an. »Ich werde Ihnen auch sagen, was wir während 'der vergangenen Nacht wirklich gehört haben«, führte Agatha Simpson weiter aus und entschied sich für ein weiteres Hühnerbein. »Diese Bankknacker arbeiten sich über das Kanalsystem an die Bank ihrer Wahl heran. Nein, sagen Sie noch nichts, Mr. Parker. Ich habe davon schon gelesen, ich habe darüber auch schon einen Film gesehen. Der Trick ist zwar alt, den diese Tresorknacker anwenden, doch er ist offensichtlich immer noch gut.« »Andeutungen dieser Art machte Mr. McWarden nicht, Mylady.« »Dieser Mann ist unfähig«, entschied die ältere Dame mit wegwerfender Handbewegung. »Aber mir soll das nur recht sein, Mr. Parker. Wir werden ihm diesen Fall vor der Nase wegschnappen.« »Wie Mylady wünschen.« »Kümmern Sie sich um die unwichtigen Kleinigkeiten«, meinte die resolute Dame, glühend vor Eifer und Weißwein. »Finden Sie heraus, welche Bank leergeräumt werden soll, Mr. Parker! Das kann ja nicht besonders schwer sein, oder?« »Selbstverständlich nicht, Mylady.« »Ich werde diesen Forster beschatten«, schloß die Detektivin. »Über ihn und diesen Piles werde ich an die Bande herankommen. Diese Lümmel können sich schon jetzt auf einiges gefaßt machen.« Kathy Porter und Butler Parker tauschten wieder mal einen schnellen Blick des Einverständnisses miteinander. Lady Simpson verfügte über die einmalige Gabe, komplizierte Dinge ungeniert zu vereinfachen, ob die Tatsachen nun stimmten oder nicht. Sie sah die Dinge stets so, wie sie sie sehen wollte, mochte die Logik dabei auch zu kurz kommen. Erstaunlicherweise hatte sie auf diese Art und Weise aber schon manchen Fall gelöst, worüber nur sie allein sich nicht wunderte... * Am frühen Nachmittag erschien ein alter, klappriger Lieferwagen in der Half Moon Street, ganz in der Nähe von Shepherd's Market. Dieses angerostete kleine Fahrzeug hielt vor einem jener Häuser, die vermietet werden sollten.
Aus dem Fahrerhaus stieg ein Handwerker, der eindeutig nicht im Akkordlohn stand. Seine Bewegungen waren langsam und träge wie die einer müden Schildkröte. Dieser Mann - er mochte etwa fünfundfünfzig Jahre alt sein -trug einen grauen Kittel und holte umständlich Handwerksgerät aus dem Kastenaufbau. Dann schleppte der Mann sich förmlich zur Tür jenes Hauses, das vermietet werden sollte. Der Handwerker war Josuah Parker, der Maske gemacht hatte. Parker war in dieser Kunst ein wahrer Meister und hätte jeden berufsmäßigen Verwandlungskünstler eines Varietes glatt in den Schatten gestellt. Er brauchte nur wenige Hilfsmittel, um in die Haut eines beliebigen Menschen zu schlüpfen und hatte seine Kenntnisse an Kathy Porter weitergegeben, die so etwas wie seine Meisterschülerin war. Um den Nachmittag nicht auch noch im Kanalsystem verbringen zu müssen, ging Parker später die Suche nach etwaigen Bankräubern anders an. Er wollte erst mal klären, ob von einem dieser leerstehenden Häuser aus operiert wurde. Die Tür zum Haus war für ihn überhaupt kein Problem. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Schloß sich freudig öffnete und Parker die Tür öffnen ließ. Selbst ein aufmerksamer Beobachter hätte annehmen müssen, daß dieser biedere Handwerker selbstverständlich einen regulären Schlüssel benutzt hatte. Im Treppenhaus blieb Parker stehen und schnupperte. Die Gerüche eines Hauses sagten bereits viel über seine Bewohner aus, diese Erfahrung hatte er längst gemacht. Nun, hier roch es nach abgestandener, ein wenig stickiger Luft. Die Fenster waren offensichtlich schon seit Wochen nicht mehr zum Lüften geöffnet worden. Parker prüfte den feinen Staubbelag auf dem Boden und auf der Treppe. Abdrücke von Schuhen waren nicht zu entdecken. Nach Lage der Dinge war dieses Haus als unverdächtig zu betrachten. Aber dennoch ging Parker zur Kellertür und nahm anschließend eine Besichtigung der Kellerräume vor. Nach knapp fünf Minuten konnte er das Haus von seiner Liste streichen. Von hier aus arbeiteten sich Gangster ganz sicher nicht an ein Bankgebäude heran. Parker verließ das Haus, setzte sich wieder ans Steuer seines schäbigen Lieferwagens und fuhr weiter. Diesen Wagen hatte er sich von einem Installateur ausgeliehen, der ihm verpflichtet war und keine Fragen stellte. Auch das zweite Haus wurde nicht als Basis für das Anzapfen einer Bank benutzt, wie Parker schnell herausfand. Er bog in die Hertford Street ein und hielt vor dem dritten Haus, das zu vermieten war. Parker hatte die hintere Ladetür des kleinen Kastenaufbaus geöffnet und legte eine kleine Teepause ein. Er öffnete eine Thermosflasche und wickelte einige Sandwiches aus. Er setzte sich auf den Rand der Ladefläche und tat das, was Handwerker angeblich am liebsten tun: er vesperte. Dem leiblichen Wohl widmete er ausgiebige Zeit. Die Anpassung an seine Rolle war wirklich perfekt. Von korrekten und abgezirkelten Bewegungen war nichts mehr zu sehen. Er wischte sich die Nase mit dem Handrücken, mampfte mit Appetit ein Sandwich, trank seinen Tee und vergaß nicht, einen ordentlichen Schluck Brandy aus einer Taschenflasche zu, sich zu nehmen. Dann entschloß
dieser Handwerker sich äußerst widerwillig, etwas für sein Geld zu tun. Mit offensichtlich letzter Kraft schleppte er den Handwerkskasten zur Haustür ... * »Nun spiel' nicht gleich verrückt«, sagte Donald Page. »Das is' doch nur'n Installateur, Mike.« »Was hat der hier im Haus zu suchen?« fragte Mike Carr, der jüngere Killer. Er hielt bereits seine Schußwaffe in der Hand und vergewisserte sich, daß der lange Schalldämpfer aufgeschraubt war. »Er sucht auf keinen Fall uns«, meinte Donald Page beruhigend. »Ich wette, er geht 'runter in den Keller und bastelt an der Wasserleitung 'rum.« »Deine Nerven möchte ich haben.« Mike Carrs normale Nervosität steigerte sich immer mehr. Bisher hatte sich ihr Opfer noch nicht blicken lassen. Er kam sich hier im leeren Haus wie eingesperrt vor. Dieses geduldige Warten entsprach nicht seinem Stil und seiner Arbeitsmethode. Er erledigte seine Opfer gern schnell und auf die Sekunde pünktlich. »Still«, flüsterte Donald Page jetzt. »Er ist unten im Haus. Schießen kannst du von mir aus ja immer noch, falls er 'raufkommt.« »Worauf du dich verlassen kannst.« Mike Carr stahl sich zur Zimmertür und öffnete sie vorsichtig. Durch den schmalen Spalt schaute er nach unten ins Treppenhaus. Der müde und abgekämpft wirkende Installateur zündete sich gerade ein Gebilde an, das entfernt einer Zigarre glich. Auch dabei ließ der Mann sich viel Zeit. Dann schlurfte er endlich hinüber zur Kellertreppe und verschwand nach unten. »Ob er unsere Fußspuren entdeckt hat?« Mike Carr wandte sich leise an seinen Partner. »Diese müde Flasche?« Donald Page lächelte abfällig. »Warum setzen wir ihn nicht außer Gefecht?« flüsterte Carr. »Wahnsinnig, was?« Page schüttelte den Kopf. »Falls er nach Dienstschluß vermißt wird, könnte man auch hier nach ihm suchen. Und wissen wir, wann unser Mann da drüben vor dem Haus erscheint? Das kann noch dauern.« Nun, die müde Flasche, wie Donald Page sich ausgedrückt hatte, hämmerte unten im Keller an einer Wasserleitung, wie deutlich zu hören war. Parker beschäftigte sich mit der Heizung, deren Rohrsystem die Geräusche bis herauf ins Zimmer leitete. »Den Arm kugelt der Typ sich auch nicht gerade aus«, redete Donald Page amüsiert weiter. »Jetzt legt er schon wieder 'ne Pause ein.« »Die ganze Sache gefällt mir nicht.« Mike Carr nagte an seiner Unterlippe. Am liebsten wäre er nach unten in den Keller gestiegen und hätte die Sache auf seine Art geregelt. Auf einen Mord mehr oder weniger war es ihm noch nie angekommen. »Er kommt schon wieder 'rauf«, stellte Donald Page fest. »Wahrscheinlich behauptet er später, er habe hier über zwei Stunden zu tun gehabt.«
»Aber wenn er 'raufkommt, ist er reif.« »Okay, dann gehört er dir.« Page war einverstanden, ging zum Fenster zurück und warf wieder einen prüfenden Blick auf das gegenüberliegende Haus. Dort hatte sich inzwischen immer noch nichts getan. Er blieb am Fenster und sah wenig später den müden Handwerker, der zurück zu seinem Wagen schlurfte. »Na, also!« Er wandte sich um zu seinem Partner Carr. »Bist du jetzt endlich beruhigt?« »Nee, absolut nicht.« Mike Carr schüttelte den Kopf. »Ich geh' mal 'runter in den Keller und seh' mir an, was er gemacht hat.« »Laß, dich nicht aufhalten, Mike!« Carr verließ den Raum, eilte über die Treppe nach unten und ging in den Keller. Hier erlosch sein Mißtrauen: Er sah deutliche Arbeitsspuren. Unterhalb einer Wasseruhr war eine große Lache Wasser zu sehen. Und an der Verschraubung entdeckte er zusätzlich frische Spuren einer Rohrzange. Der Handwerker hatte also wirklich irgendeinen Schaden repariert. Mike Carr ging wieder nach oben und winkte seinem Partner beruhigend zu. »Alles in Ordnung, er hat tatsächlich gearbeitet«, sagte er dann und zündete sich eine Zigarette an. »Er ist gerade losgefahren«, erwiderte Donald Page. »Ich hab' dir ja gleich gesagt, daß das 'ne müde Flasche war.« * Butler Parker hatte den kleinen Lieferwagen in eine Nebenstraße gesteuert und hielt. Er öffnete eine zweite Handwerkstasche und holte ein kleines Transistorgerät hervor, schaltete es ein und lehnte sich andeutungsweise entspannt zurück. Parker hatte selbstverständlich auf den ersten Blick gesehen und gerochen, daßsich im leeren Haus Menschen aufhielten. Die Abdrücke von Schuhen in der feinen Staubschicht waren ihm nicht entgangen. Darüber hinaus hatte er frischen Tabakrauch wahrgenommen. Vor dem Verlassen des Kellers hatte er für die Wasserlache gesorgt und einige Schraubverschlüsse bewegt. Er hatte aber vor allen Dingen im Treppenhaus einen Miniatursender zurückgelassen, der selbst die feinsten Geräusche übertrug. Das Gerät funktionierte ausgezeichnet. Parker hörte Schritte, dann das öffnen einer Tür, wieder Schritte und dann Stimmen. Nach einigen Minuten wußte er, daß sich im Haus zwei Männer befanden, deren Vornamen Donald und Mike lauteten. Wahrscheinlich befanden sie sich in der ersten Etage des Hauses und warteten auf irgendein Ereignis. Warum, so fragte Parker sich, warteten zwei Männer heimlich in einem leeren Haus? Handelte es sich um Landstreicher, die eine diskrete Hausbesetzung vorgenommen hatten, um hier ein paar geruhsame Tage zu verbringen? Oder lauerten die beiden Männer einem dritten Mann auf? Waren sie Mitglieder jener Bande, die sich auf das Leerräumen von Banktresoren und Depositenkammern spezialisiert hatte?
Im Keller hatte Parker sich schnell, aber auch gründlich umgesehen. Für ihn war es klar, daß man von diesem Haus aus nicht versucht hatte, in die Unterwelt einzusteigen. In allen Kellerräumen gab es keinen entsprechenden Einstieg, Wände und Böden waren glatt und unversehrt gewesen. Also Landstreicher oder Gangster, das war hier die Frage! Parker entschied sich für die zweite Möglichkeit. Landstreicher ließen sich aus guten Gründen in dieser Wohngegend nicht blicken. Wenn sie irgendwo unterschlüpfen wollten, gab es bessere und unauffälligere Möglichkeiten für sie^ Die Gefahr, daß der Wohnungsmakler mit einem Interessenten erschien, war hier zu groß. Wer sich heimlich in solch ein Haus einschlich, der wollte bestimmt nicht lange bleiben. Er wollte mit Sicherheit nur einen speziellen Auftrag ausführen. »... schon wieder nachdenklich?« fragte eine gutmütig klingende Stimme. Der Miniatursender arbeitete einwandfrei. »Mir geht dieser Butler nicht aus dem Kopf«, sagte eine helle, nervös klingende Stimme. »Den hast du vor Stunden gesehen, dann nicht mehr.« »Wenn schon. Der ist bestimmt nicht zufällig hier in der Straße gewesen.« s »Woher soll er denn von unserem Auftrag wissen?« »Keine Ahnung, aber er scheint's eben zu wissen.« »Du redest dir da was ein, Mike.« »Warum geben wir den Auftrag nicht zurück, Donald?« »Du bist verrückt, Mike! Zehntausend für jeden von uns! So was bekommt man nicht alle Tage.« »Und warum läßt sich unser Objekt nicht blicken? Das kann doch kein Zufall mehr sein. Es sollte längst hier aufgetaucht sein.« »Der Mann hat sich eben verspätet.« »Wahrscheinlich ist er von Parker bereits gewarnt worden.« Butler Parker war mehr als überrascht, als sein Name genannt wurde. Inzwischen wußte er, daß seine Vermutung sich als richtig erwiesen hatte. Die beiden Männer mit Vornamen Donald und Mike konnten nur Killer sein, wie schon allein aus den genannten Honoraren zu ersehen war. Sie lauerten einem Opfer auf, das logischerweise auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Hauses erscheinen mußte. Parker stieg aus dem kleinen Lieferwagen und suchte nach einer Möglichkeit, ungesehen zurück ins Haus zu gelangen. Als angeblicher Handwerker konnte er dort nicht noch mal erscheinen, sonst hätte er mit Sicherheit Verdacht erregt. Von einer schmalen Parallelstraße aus betrat er durch eine Toreinfahrt einen Hinterhof und sah vor sich die Rückfront des Hauses. Die schmale Mauerpforte war kein Hindernis für ihn. Mit seinem Spezialbesteck sperrte er das Schloß innerhalb weniger Sekunden auf und wollte gerade durch die Öffnung schlüpfen, als er angerufen wurde. Parker wandte sich um und sah sich einem Hausmeister gegenüber, der ihn mißtrauisch musterte. »Was machen Sie denn da?« fragte der kleine, drahtige Mann, der ebenfalls einen grauen Kittel trug.
»Entseuchungsamt«, gab Parker gespielt hochnäsig zurück. »Nette Zustände hier, das muß man schon sagen.« »Nette Zustände?« Der Hausmeister war prompt irritiert, zumal Parker einen sehr dienstlichen Eindruck machte. »Ratten«, lieferte Parker das nächste Stichwort. »Ich wette, Sie wissen von nichts, wie?« »Ratten? Hier bei uns?« Der Hauswart sah Parker ungläubig an. »Haben Sie einen Moment Zeit?« erkundigte Parker sich. »Hier ist übrigens mein Dienstausweis.« Er war in der Lage, dem Mann einen völlig echten Ausweis zu zeigen, den er in seinem Labor hergestellt hatte. Die Zahl der amtlichen Stempel und Siegelmarken war mehr als beeindruckend. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte der Hauswart prompt. »Hier, eine Trillerpfeife«, sagte Parker und überreichte dem Hauswart einen schwarzen Gegenstand, der am Ende einer dienstlich aussehenden Chromkette hing. »Pfeifen Sie, sobald Sie auf der Mauer eine Ratte sehen sollten.« »Sind diese Biester nicht gefährlich?« Der Mann nahm die Trillerpfeife nur zögernd in die Hand. »Sie können sich ja in ein Flurfenster dort drüben im Haus stellen«, schlug der Butler vor. »Und passen Sie genau auf!« »Worauf Sie sich verlassen können.« Der Mann war beruhigt und beglückt zugleich. Er beeilte sich, in sein Haus zu gelangen, während Parker nun durch die Pforte auf das benachbarte Grundstück schlüpfte, um sich mit zwei zweibeinigen Ratten zu befassen. * »Wer sagt's denn!?« Donald Page, der am Fenster stand, winkte seinen Partner Mike Carr zu sich heran. »Es geht los, Mike. Gerade ist der Wagen gekommen.« Während er noch redete, nahm Donald Page das Gewehr mit dem Zielfernrohr hoch und entsicherte die Waffe. Mike Carr tat es ihm mit seiner Waffe nach und wartete, bis der dunkelgrüne Ford vor dem gegenüberhegenden Haus hielt. Neben dem Fahrer saß das Opfer, auf das sie angesetzt worden waren. Auf den Rücksitzen waren die beiden Leibwächter, die jetzt blitzschnell ausstiegen und die nähere Umgebung für ihren Geldgeber sicherten. »Wir warten, bis er ausgestiegen ist«, sagte Page, der das eigentliche Opfer meinte. »Und nur anschießen, mehr nicht.« »Ich übernehme die beiden Leibwächter«, sagte Mike Carr. »Natürlich.« Donald Page wußte, wie sein Partner reagierte. »Warte noch, Mike. Warte noch!« Selbst jetzt wirkte Donald Page noch entspannt. Er schien sich auf einem Schießstand zu befinden und auf eine Scheibe anzulegen. Sein Partner Mike
Carr hingegen erinnerte nun eindeutig an eine Klapperschlange, die auf den richtigen Moment wartet, um auf ihre Beute vorzuschnellen. Er schnellte jedoch nicht. Plötzlich verlor er jeden Halt in seinen Beinen, die er breit auseinandergestellt hatte. Er japste ein wenig auf, verlor sein Gewehr und rutschte haltlos in sich zusammen. Er landete dicht vor den Beinen seines Freundes Page, der geistesgegenwärtig zur Seite sprang. »Was ist los?« Page starrte überrascht auf den inzwischen ohnmächtigen Carr. Dann wandte er sich blitzartig zur Zimmertür um und sah sich dem Installateur gegenüber, der eine seltsame Waffe in Händen hielt. Es handelte sich um eine Gabelschleuder modernster Bauart, auch Zwille genannt. Bevor Donald Page sein Gewehr auf den Handwerker anlegen konnte, gab der Schein-Installateur die breite Lederschlaufe frei, die an zwei starken Gummisträngen befestigt war. Fast synchron dazu klatschte das Geschoß gegen die Stirn des Killers. Donald Page riß- die Augen auf. Er hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust getroffen zu werden. Dann wurde ihm schwarz vor Augen, er hörte sich stöhnen und rutschte ebenfalls in sich zusammen. Der Installateur namens Josuah Parker schritt gemessen auf die beiden Killer zu und stellte erst mal die Gewehre sicher. Dann suchte und fand er Schulterhalfter, die er leerte. Auf diese Art und Weise gelangten zwei weitere Schußwaffen in seinen Besitz, nämlich zwei großkalibrige Automatiks. Butler Parker verband die beiden Killer mit einer privaten Handschelle und ließ sie erst mal auf dem Boden liegen. Er trat vorsichtig an eines der Fenster und betrachtete die Szene vor dem gegenüberliegenden Haus. Zwei Männer, die nur Leibwächter sein konnten, sicherten den Eingang zu diesem Haus. Ein dritter Mann, mittelgroß, ein wenig füllig, aber sehr elastisch, hatte gerade den Wagen verlassen und ging auf die Haustür zu, die genau im richtigen Moment von innen geöffnet wurde. Das Gesicht dieses Mannes konnte Parker leider nicht erkennen, doch das kümmerte ihn nicht. Er prägte sich die Gesichter der beiden Leibwächter ein und beendete dann sein Installationsunternehmen. Er war mit den Ergebnissen recht zufrieden. Die Dinge waren zwar ein wenig unüberschaubar geworden, doch das ließ sich ändern. Parker hatte in dieser Hinsicht sehr genaue Vorstellungen. * »Ein blindes Huhn findet manchmal auch ein Korn«, kommentierte Lady Simpson mißmutig den Bericht ihres Butlers. »Wo befinden sich die beiden Killer jetzt?« »Ich war so frei, Mylady, ihnen Kost und Logis hier in Myladys Haus anzubieten.«
»Sind Sie auch nicht beobachtet worden, als Sie die Burschen abtransportierten?« Agatha Simpson befand sich im Salon ihres Hauses. Sie ärgerte sich maßlos darüber, daß Parker wieder mal erfolgreich gewesen war und zeigte es deutlich. »Nachdem die beiden Männer wieder zu sich gekommen waren, beeilten sie sich, meinen bescheidenen Wünschen nachzukommen«, antwortete der Butler. »Sie verließen durchaus unauffällig das Haus durch den äußeren Kellerabgang und nahmen dann im Installationswagen Platz.« »Hoffentlich haben Sie diesen Hauswart nicht vergessen.« Lady Agatha hoffte immer noch, Parker bei einem Fehler zu erwischen. »Der Mann könnte sonst mißtrauisch geworden sein.« »Ich versicherte diesem braven Mann die tiefe Dankbarkeit der Krone«, lautete Parkers Antwort. »Bevor ich hierher zurückfuhr, Mylady, befreite ich ihn aus seiner Wartestellung.« »Nun ja, Mr. Parker«, Agatha Simpson suchte nach einem weiteren Ansatzpunkt, »wer sind nun diese beiden Subjekte? Und auf wen wollten sie schießen? Ich hoffe, Sie haben diese Kleinigkeiten inzwischen herausgefunden.« »Mylady sehen meine bescheidene Person unglücklich und zerknirscht«, gab Parker zurück. »Die beiden Herren heißen Donald Page und Mike Carr, wie aus ihren Papieren hervorgeht. Darüber hinaus betreiben sie in Brighton ein Antiquitätengeschäft. Auf wen sie schießen wollten, scheinen sie selbst nicht zu wissen. Sie übernahmen nur einen Auftrag und orientierten sich, was ihr geplantes Opfer angeht, anhand eines Fotos.« »Dieses Foto möchte ich sehen.« Parker hatte mit diesem Wunsch bereits gerechnet und überreichte es seiner Herrin auf einem kleinen ovalen Silbertablett. Das Foto zeigte den mittelgroßen, ein wenig fülligen Mann, der etwa fünfzig Jahre alt war. Das Gesicht wirkte ein wenig aufgeschwemmt. Am linken Mundwinkel war eine erbsengroße Warze zu erkennen. »Sehr unsympathisch«, urteilte die ältere Dame abfällig. »Ein richtiges Galgenvogelgesicht. « »Wie Mylady meinen.« Parker war der Ansicht, daß es sich um ein völlig normales und durchschnittliches Gesicht handelte, doch er sagte es nicht. »Wohnt dieses Subjekt in dem Haus, das er betrat?« »Ermittlungen in dieser Richtung laufen bereits, Mylady.« »Aber sehr langsam«, grollte sie. »Warum fahren wir nicht zu ihm und sagen ihm auf den Kopf zu, daß er Banktresore ausraubt?« »Mylady glauben da an einen engeren Zusammenhang?« Parkers Gesicht blieb ausdruckslos, als Agatha Simpson diese mehr als kühne Ansicht geäußert hatte. »Dieser Bursche ist doch der geborene Bandenchef«, sagte Lady Agatha, ihre üblichen Vorurteile pflegend. »Irgendwo habe ich dieses Gesicht schon mal gesehen, Mylady«, schaltete Kathy Porter sich ein.
»Wahrscheinlich in einem Verbrecheralbum, Kindchen.« Die Detektivin nickte wohlwollend. »Das weiß ich nicht, Mylady.« Kathy war sich ihrer Sache nicht ganz sicher. »Sie werden noch darauf kommen, Kindchen.« Lady Simpson erhob sich. »Ich möchte mir jetzt mal die beiden Killer ansehen, Mr. Parker. Sie wissen bestimmt mehr, als sie sagen wollen. Man kennt das ja. Nun, ich werde diesen Subjekten zeigen, daß man eine Agatha Simpson nicht anlügt!« * Donald Page und Mike Carr befanden sich in einem sauberen und hellen Keller des Hauses, und haderten mit ihrem Schicksal. Sie wußten inzwischen, wer sie überrascht hatte, aber sie hatten keine Ahnung, wie sie in diesen fensterleeren Raum geraten waren. Vor dem Verlassen des kleinen Lieferwagens hatte Josuah Parker sie oberflächlich mit einer Dosis Lachgas betäubt. Sie sollten noch nicht mal ahnen, welche Geheimnisse dieses altehrwürdige Haus barg. Als Agatha Simpson eintrat, starrten Page und Carr die ältere Dame gereizt an. »Stehen Sie gefälligst auf«, herrschte sie die Gefangenen an. »Ich hätte schon jetzt größte Lust, Ihnen Manieren beizubringen.« Da sie nicht gefesselt waren und sich frei bewegen konnten, witterte vor allen Dingen der schlanke und nervöse Mike Carr eine echte Chance. Er sprang unvermittelt vom Hocker hoch und warf sich auf Lady Simpson. Er übersah den Pompadour an ihrem linken Handgelenk. Mike Carr hatte die Detektivin noch nicht ganz erreicht, als der perlenbestickte Handbeutel nach vorn pendelte. Der darin befindliche >Glücksbringer< fegte den Killer glatt von den Beinen. Mike Carr landete an der Wand und rutschte an ihr zu Boden. Dabei schielte er Lady Simpson an. Myladys > Glücksbringer < war ein echtes Pferdehufeisen, das nur oberflächlich mit dünnem Schaumstoff umwickelt war. Daher hatte Mike Carr auch das Gefühl, daß ihn ein auskeilendes Pferd getreten habe. Donald Page, der ebenfalls aktiv werden wollte, bremste seinen Schwung gerade noch im letzten Moment und blieb anderthalb Meter vor der Lady stehen. Er räusperte sich verlegen und sah die ältere Dame dann treuherzig an. »Sie wollten doch wohl nicht eine hilflose alte Frau angreifen, oder?« fragte Lady Agatha grollend. »Be ... Be ... Bestimmt nicht«, stotterte Donald Page und sah bestürzt auf seinen jungen Partner Mike, der sich gerade mit der Schulter an der Wand hochstemmte und dabei noch immer schielte. »Schade«, erwiderte Lady Simpson und machte einen enttäuschten Eindruck. »Aber vielleicht überlegen Sie sich das noch mal.« »Ich... Ich würde nie eine Frau angreifen«, behauptete Donald Page. »Dafür aber auf andere Männer schießen, nicht wahr?« »Ein ... Ein Mißverständnis«, stotterte Page weiter. »Ein Mißverständnis mit zwei Gewehren und Zielfernrohren?« Agatha
Simpson sah Page fast mitleidig an. »Sie wagen es tatsächlich, eine gutgläubige Frau zu beleidigen?« »Aber... Aber nein«, sagte Page schnell und ließ den pendelnden Pompadour nicht aus den Augen. »Wir... Wir wollten den Typ ja nur erschrecken! Von Treffern war nie die Rede, Ehrenwort!« »Und von wem hatten Sie diesen Auftrag übernommen?« »Keine Ahnung, wirklich nicht! Wir sind in Brighton angerufen worden. Die Stimme hatte ich noch nie gehört. Und als wir akzeptiert hatten, bekamen wir das Foto und den genauen Zeitpunkt. Mehr wissen wir wirklich nicht. Ehrenwort!« »Sie wiederholen sich mit Ihrem Ehrenwort, junger Mann.« Agatha Simpson rümpfte die Nase. Dann wandte sie sich an ihren Butler, der hinter ihr aufgetaucht war. »Was machen wir mit diesen Lümmeln, Mr. Parker? Ich erwarte einen brauchbaren Vorschlag.« »Da der Anschlag nicht Mylady galt, sollte man die beiden Herren an jene Männer übergeben, auf die geschossen werden sollte«, antwortete Josuah Parker. »Klingt noch nicht mal so schlecht«, fand Lady Agatha und nickte andeutungsweise wohlwollend. »Bestechend ist der Vorschlag zwar nicht, doch immerhin ... « »Sie ... Sie wollen uns an die Typen ausliefern, die wir... « Donald Page brachte vor Aufregung seinen Satz nicht zu Ende und schluckte erst mal ausgiebig. »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich' Sie hier durchfüttern werde, oder?« Lady Simpson schüttelte energisch den Kopf. »Es ist alles schon teuer genug. Einverstanden, Mr. Parker! Schaffen Sie diese Unschuldslämmer an die richtige Adresse!« »Umgehend, Mylady«, erwiderte Parker. »Wenn es erlaubt ist, werde ich es im Schutz der Dunkelheit erledigen.« »Aber keine unnötige Mildtätigkeit, Mr. Parker«, ordnete die resolute Dame streng an. »Die beiden Männer bekommen selbstverständlich keinen Krümel Brot oder sogar Tee. Sie sollen sich von den Leuten verpflegen lassen, die sie umbringen wollten!« »Ein Mißverständnis, Lady, ein Mißverständnis«, rief Donald Page. »Wir sind bestimmt keine Killer. Sie sehen das völlig falsch.« »Das spielt keine Rolle«, sagte die Detektivin, bevor sie den Kellerraum verließ. »Ich liebe Mißverständnisse, junger Mann. Sie sorgen wenigstens für etwas Spannung und Aufregung im Leben. Aber das werden Sie ja bald am eigenen Leib erleben.« * Vor dem bewußten Haus in der Hertford Street hielt ein Rolls-Royce, der aus den Frühzeiten dieses Werkes stammte. Die Linienführung des Wagens war bestechend und strahlte majestätische Würde aus. Diese Würde vermittelte auch die große, stattliche Dame, die aus dem Wagen stieg, dessen Schlag von einem Butler reinster Schule geöffnet worden war. Parker
in Livree, nahm seine schwarze Melone ab und geleitete Lady Simpson dann zur Haustür. In Anbetracht der Lage hatte Lady Agatha diesmal auf ihr ausgebeultes TweedKostüm verzichtet. Sie trug ein Abendkleid mit Schleppe, darüber eine Pelzjacke, die ein wenig nach Kampfer roch, und auf ihrer Stirn befand sich ein Diadem, das offensichtlich echt war. Mit schnellem Blick hatte Josuah Parker bereits festgestellt, daß am Eingang zu diesem großen Haus kein Firmenschild angebracht war. Hier mußten also Privatleute wohnen, die allerdings, wie er ja wußte, eindeutig über erfahrene Leibwächter verfügten. Dieser Besuch erfolgte auf Anregung des Butlers hin. Agatha Simpson sollte ganz offiziell erscheinen und sich dann später auf einen Irrtum oder auf eine Verwechslung herausreden. Erfahrene Leibwächter rechneten seiner Ansicht nach mit allen Tricks, aber ganz sicher nicht damit, daß Neugierige derart aufwendig und ungeniert erschienen. Parker läutete. Er hörte schnelle Schritte hinter der schweren Tür und nahm zur Kenntnis, daß man sie durch einen winzigen Türspion betrachtete. Es dauerte eine Weile, bis die Tür dann endlich spaltbreit geöffnet wurde. Das Gesicht eines der beiden Leibwächter war zu sehen. »Lady Simpson«, meldete Parker und lüftete erneut die schwarze Melone. »Wer?« Der Leibwächter, ein junger Mann mit hartem Gesicht und harten Augen war verblüfft. »Lady Simpson«. Parker wandte sich zu seiner Herrin um, die bereits einen ungeduldigen Eindruck machte. »Das ... Das muß ein Irrtum sein«, sagte der Leibwächter. »Wollen Sie Lady Simpson vor der Tür warten lassen?« Parkers Frage klang ungläubig, »öffnen Sie wenigstens!« »Einen Moment, bitte!« Die Tür, die von einer Sperrkette gesichert war, schloß sich wieder. Dann vergingen wieder einige Sekunden, bis die Tür endgültig und weit geöffnet wurde. Der junge Leibwächter trat zur Seite und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Er sah den zweiten Leibwächter an, der seinerseits hinüber zu einer Tür blickte, in der ein Mann erschien, der mit dem auf dem Foto der beiden Killer identisch war: Dieser Mann hatte das gedunsene Gesicht und die erbsengroße Warze am linken Mundwinkel. »John Altons«, stellte er sich Mylady vor. Er bemühte sich um ein gewinnendes Lächeln und kam Agatha Simpson entgegen. »Ich fürchte, Mylady, hier muß ein Irrtum vorhegen.« »Ist das die Clarges Street?« fragte Parker. »Clarges Street 247.« »Mitnichten«, erwiderte der Mann, der sich als John Altons vorgestellt hatte. »Das hier ist die Hertford Street.« »Sie werden alt, Mr. Parker«, sagte Lady Simpson und sah ihren Butler tadelnd an. »Mylady sehen mich untröstlich. Eine kleine Verwechslung.«
»Entschuldigen Sie, mein Bester.« Lady Simpson kümmerte sich nicht weiter um die beiden wachsamen Leibwächter, sondern schritt würdevoll und majestätisch auf John Altons zu. »Wer kann sich schon auf sein Personal verlassen, nicht wahr?« »Fehler sind menschlich, Mylady.« John Altons lächelte amüsiert. Dann nahm sein Gesicht einen leicht bestürzten Ausdruck an. Agatha Simpson schien nämlich von einem leichten Unwohlsein erfaßt worden zu sein. Sie griff in Richtung Herzgegend und schwankte. Parker war mit wenigen Schritten neben ihr und half ihr in einen hochlehnigen Sessel. »Das Herz, Sir«, flüsterte er John Altons zu. »Wenn Mylady vielleicht ein Glas gefüllt mit Wasser haben könnten?« John Altons wandte sich zu den beiden Leibwächtern, die in richtiger Entfernung zu Lady Agatha und Parker Position bezogen hatten. Sie standen breitbeinig dort und waren mit Sicherheit bereit, blitzschnell nach ihren Schußwaffen zu greifen, die ihre Jacketts ausbeulten. »Wasser«, verlangte John Altons, doch die beiden Männer schienen sich nicht darauf einigen zu können, wer nun das Wasser holen sollte. »Wasser«, bat Parker, worauf einer der beiden endlich losmarschierte und im Hintergrund der Wohnhalle verschwand. Agatha Simpson rutschte inzwischen vom Sitz und fiel in Ohnmacht. Josuah Parker wandte sich an den zweiten Leibwächter. »Schnell«, bat er verzweifelt, »Mylady geht es nicht sonderlich gut.« »Nun machen Sie schon«, sagte John Altons verärgert zum zweiten Leibwächter, der sich zuerst nicht rührte, sich dann aber widerwillig in Bewegung setzte, um Parker beim Hochziehen der Sechzigjährigen zu helfen. Dabei verletzte er sich oberflächlich an dem großen Ring der älteren Dame, doch darauf achtete er nicht weiter. Auch John Altons zuckte ein wenig zusammen, als ihn die Nadel einer aufgesprungenen Brosche piekte. »Haben Sie Dank«, sagte Lady Simpson hoheitsvoll zu John Altons, nachdem sie getrunken hatte. Höflicherweise übersah sie das verzweifelte Schielen des Mannes. Parker kümmerte sich inzwischen um die beiden Leibwächter, die plötzlich merkten, daß mit ihnen einiges nicht stimmte. Sie sahen doppelt und auch dreifach, sie spürten eine lähmende Müdigkeit in ihren Gliedern und wollten doch noch instinktiv ihre Schußwaffen ziehen. Damit aber war Butler Parker überhaupt nicht einverstanden. Er langte sicherheitshalber mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms zu und lähmte damit die Oberarmmuskeln. Die beiden Leibwächter stierten Parker an, lächelten ein wenig töricht und setzten sich dann zu John Altons, der es sich auf dem Parkett bereits bequem gemacht hatte. »Normales Trinkwasser«, beschwerte Lady Simpson sich und verzog ihr Gesicht. »Ich hoffe, Mr. Parker, Sie haben mir etwas Besseres anzubieten.« »In der Tat, Mylady«, erwiderte Parker und holte die lederbezogene Taschenflasche hervor, die besten französischen Kognak enthielt.
* »Nun, wer sind diese beiden Galgenvögel?« fragte Agathe Simpson, als Parker die Durchsuchung der Leibwächter beendet hatte. »Es sind Agenten des Britischen Geheimdienstes, Mylady«, lautete Parkers lakonische Antwort. »Wiederholen Sie das noch mal!« Die Detektivin schluckte. »Es handelt sich offensichtlich um Agenten des Britischen Geheimdienstes, Mylady«, wiederholte Parker höflich. Er präsentierte seiner Herrin zwei Dienstausweise, die er im Rockfutter der beiden Männer entdeckt hatte. »Ich sagte Ihnen ja gleich, daß sie nicht wie Killer aussehen«, behauptete die ältere Dame prompt. »Aber Sie wußten es natürlich wieder mal besser.« »Mylady werden mir diesen Fehler hoffentlich nicht nachtragen«, erwiderte Parker, der eben noch etwas von Galgenvögeln gehört hatte. »Und wer ist dieser John Altons?« »Sein Paß ist das, Mylady, was man brandneu nennt«, stellte der Butler fest. »Ich möchte fast annehmen, daß man diesem Herrn eine neue Identität verliehen hat.« »Können Sie sich etwas deutlicher ausdrücken, Mr. Parker?« Lady Agatha hatte ihre Überraschung bereits verdaut und sah jetzt eigentlich recht amüsiert aus. »Mylady wird nicht entgangen sein, daß das Englisch dieses Herrn geradezu klassisch rein ist.« »Ich habe keine Lust, irgendwelche Rätsel zu lösen, Mr. Parker.« Sie sah ihn streng an. »Mr. John Altons ist vermutlich kein geborener Brite, Mylady, um es mal so auszudrücken. Gewisse Behörden scheinen dem Mann diesen Namen zugeteilt zu haben.« »Finden Sie heraus, wer er tatsächlich ist, Mr. Parker! Ich bleibe solange hier und werde die drei Männer bewachen.« Parker war mit dieser Arbeitsteilung mehr als einverstanden. Er wußte, daß die drei Männer vor einer Viertelstunde sicher nicht zu sich kamen. Die geringfügigen Verletzungen waren von Mylady und ihm bewußt eingeplant worden. Die Nadeln, die diese kleinen, fast schon winzigen Hautrisse verursacht hatten, waren von ihm in seinem Privatlabor präpariert worden. Das chemische Präparat garantierte einen festen Tiefschlaf ohne schädliche Folgen für die Gesundheit. Während Parker sich daran machte, die Räume des Hauses zu durchsuchen, pflegte die ältere Dame ihren Kreislauf und nahm noch einen weiteren Schluck Kognak zu sich, um ihre Gedanken zu ordnen. Die Tatsachen waren für sie verwirrend genug. Angefangen hatte alles mit dem feinen Pochen und Bohren, das sie während der Nacht gehört hatte. Mylady war davon ausgegangen, daß Gangster versuchten, sie und das Haus in die Luft zu sprengen. Von dieser Hypothese ausgehend, war sie an Ray Forster geraten, dem die beiden Billardsäle gehörten. Forster und dieser widerliche Schläger Nobby Piles wurden
inzwischen ärztlich behandelt und hatten ihrer Ansicht nach mit einer Gangsterbande zu tun, die auf dem Umweg über das Kanalsystem versuchte, eine Bank anzubohren. Bis zu diesem Punkt war für Agatha Simpson alles sehr einfach und einleuchtend gewesen. Auch bis Butler Parker dann auf die beiden Killer im leeren Haus gestoßen war, die den Auftrag übernommen hatten, diesen angeblichen John Altons zu erschießen. Dann aber uferten die Tatsachen immer weiter aus. Nun stellte sich heraus, daß dieser Altons wohl gar nicht Altons hieß. Und warum hatte der Britische Geheimdienst diesem Mann zwei Agenten zugeteilt? Wer war dieser Altons wirklich? Wer waren die Auftraggeber der beiden Killer Page und Carr, die im Keller des Hauses in Shepherd's Market saßen? Agatha Simpson hielt es für angebracht, etwas für ihren Kreislauf zu tun. Sie fand, daß er sichtlich litt. Die Dinge waren mehr als verwirrend und glichen einem sinnlosen Puzzlespiel. Butler Parker kehrte in die Wohnhalle zurück. »Fassen Sie sich kurz und knapp«, verlangte Lady Simpson. »Mir dreht sich alles im Kopf herum. Und das kommt bestimmt nicht vom Kognak.« »Mr. John Altons scheint offensichtlich aus Schweden zu stammen«, erwiderte Parker und ging auf den angesprochenen Kognak taktvollerweise nicht näher ein. »In seinem Arbeits - und Schlafzimmer konnte ich einige Zeitungen aus Schweden entdecken, Mylady .« »Und wie ist sein richtiger Name?« »Ich muß leider bedauern, Mylady«, redete Parker weiter. »Hinweise auf seine wirkliche Identität ließen sich nicht finden. Aus der kleinen Handbücherei aber dürfte weiter hervorgehen, daß Mylady es mit einem hochqualifizierten Physiker zu tun haben.« »Auf welchem Gebiet arbeitet er?« Agatha Simpsons Phantasie entzündete sich schon wieder. »Generell gesagt, Mylady, auf dem Gebiet hochenergetischer Laserstrahlen, wie ich annehmen möchte.« »Dann ist alles klar«, sagte sie entschieden. »Sie brauchen nur die Fakten zusammenzuzählen, Mr. Parker: Dieser Altons, um bei dem Namen zu bleiben, arbeitet an irgendeiner Rüstungsgeschichte. Wahrscheinlich entwickelt er neuartige Todesstrahlen oder so etwas. Und wissen Sie auch, warum er von Agenten bewacht wird?« »Mylady scheinen bereits über letzte Gewißheit zu verfügen.« »Er soll entweder gekidnappt oder umgebracht werden«, erklärte die Detektivin. »Und genau das, Mr. Parker werde ich verhindern. Lassen Sie sich etwas einfallen, um diesen Mann zu beschützen!« *
»Wir bringen liebe Gäste, Kindchen«, sagte Lady Simpson zu ihrer Gesellschafterin und Sekretärin. Sie deutete auf den Mann aus Schweden und die beiden Leibwächter. »Guten Tag, Professor Wenström«, begrüßte Kathy Porter wie selbstverständlich den Hauptgast, dann nickte sie den beiden Agenten des Britischen Geheimdienstes zu. »Sie ... Sie kennen den Professor, Kindchen?« Lady Simpson war überrascht. »Ich habe in den Zeitungen nachgeblättert, Mylady«, gab Kathy Porter lächelnd zurück. »Ich wußte doch, daß ich das Gesicht des Professors schon mal gesehen hatte.« »Die Gruppenaufnahme vom Kongreß, nicht wahr?« fragte Professor Wenström. »Richtig, Sir.« Kathy nickte. »Er wurde vor ein paar Tagen beendet.« »Professor Wenström hat sich hilfesuchend an das Innenministerium gewandt, Kindchen«, erläuterte die ältere Dame. »Irgendwelche Subjekte bedrohen Professor Wenström. Wahrscheinlich soll er sogar entführt werden.« »Vielleicht bin ich zu ängstlich«, meinte Professor Wenström. »Aber in meinen Ohren klangen diese Drohungen doch sehr ernsthaft.« »Sie werden tatsächlich bedroht, Sir«, schaltete sich Butler Parker ein. »Ich darf daran erinnern, daß zwei sogenannte Killer gerade noch in letzter Sekunde daran gehindert werden konnten, auf Sie und Ihre Beschützer zu schießen.« »Wo stecken diese Männer jetzt?« fragte einer der beiden Geheimdienstagenten. Er nannte sich schlicht und einfach Symons. »Wir müssen sie sofort befragen«, schaltete sich der zweite Geheimagent ein, der sich nicht weniger schlicht und einfach Fletcher nannte. »Alles zu seiner Zeit, meine Herren«, gab die ältere Dame zurück. »Mr. Parker wird jetzt erst mal einen kleinen Imbiß reichen, denke ich. Ja, und dann möchte ich wissen, warum man Sie nicht aufs Land gebracht hat, Professor? Wären Sie da nicht sicherer als hier in der Stadt?« »Ich fliege ja schon in den nächsten Tagen zurück nach Schweden«, antwortete Professor Wenström. »Und zudem habe ich hier noch einige wichtige Fachgespräche mit Kollegen. Draußen auf dem Land wäre ich wie isoliert.« »Können wir jetzt die beiden Killer sehen?« fragte Agent Symons ungeduldig. »Wir müssen wissen, wer sie engagiert hat«, fügte Agent Fletcher hinzu. »Das dürften die beiden Herren mit Sicherheit nicht wissen«, schaltete Parker sich ein. »Mylady hat die beiden Gangster bereits befragt. Die Antworten konnten Mylady nicht befriedigen.« »Haben Sie nicht eine vage Vorstellung, wer Ihnen nachstellen könnte?« Lady Simpson wandte sich an den Schweden. »Da möchte ich mich lieber nicht festlegen«, entgegnete Professor Wenström. »Die Ergebnisse meiner Forschungsarbeit dürften für viele Staaten interessant sein.« »Sie denken an den Ostblock, nicht wahr?« Agatha Simpson sprach ungeniert das aus, was Professor Wenström höflicherweise nicht ausgedrückt hatte.
»Selbst wenn es so wäre, Mylady, ich könnte es nicht beweisen«, sagte Wenström vorsichtig. »Aber ich werde jetzt natürlich umgehend zurück nach Schweden fliegen. Man soll sein Schicksal nicht unnötig herausfordern.« »Dem darf, kann und muß man beipflichten«, ließ Parker sich in seiner gemessenen Art vernehmen. »Sie befinden sich in akuter Lebensgefahr, Sir, wenn ich es so drastisch ausdrücken darf. Schon allein der Weg zum Flughafen könnte tödlich sein. In diesem Zusammenhang nun erlaube ich mir, einen bestimmten Vorschlag zu unterbreiten, der wahrscheinlich allen Beteiligten Gewinn bringen wird.« * Es ging auf Mitternacht zu. Josuah Parker befand sich auf dem Dachboden des Hauses und schaltete sein Nachtsichtgerät ein. Er wollte herausfinden, ob Myladys Haus inzwischen auf irgendeine Weise belagert und unter Sichtkontrolle gehalten wurde. Das Sichtgerät modernster Bauart machte die Nacht förmlich zum Tag. Es verstärkte Restlichtmengen und ließ selbst Einzelheiten deutlich erkennen. Butler Parker rechnete mit einer intensiven Überwachung des Hauses hier in Shepherd's Market. Er ging davon aus, daß gewisse Leute sehr genau wußten, wo Professor Wenström sich zur Zeit aufhielt. Er war fest davon überzeugt, daß man die Übersiedlung des Professors sehr wohl verfolgt hatte. Wenström und die beiden Agenten des Britischen Geheimdienstes waren Gäste des Hauses, nachdem man eine Sonderdienststelle des Innenministeriums darüber informiert hatte. Im Haus der Lady Simpson war dieses Trio sicher wie in Abrahams Schoß. Das altehrwürdige Fachwerkhaus war ja im Grund eine raffiniert ausgebaute Festung, die mit normalen Mitteln nicht zu stürmen war. In der Vergangenheit hatten sich entschlossene Killer und Gangster immer wieder die Zähne daran ausgebissen, wenn sie versucht hatten, dieses Haus zu stürmen. Parker beobachtete also durch das Nachtsichtgerät die nähere Umgebung und entdeckte schon bald auf der nahen Durchgangsstraße ein Fahrzeug, das um diese Zeit auf keinen Fall in diese Gegend paßte: Es handelte sich um einen Ford-Kombi, dessen Fenster zugeklebt waren. Parker hatte diesen Wagen bisher noch nie in dieser unmittelbaren Nachbarschaft gesehen. Er war ein geduldiger Mensch, konzentrierte sich auf diesen Wagen und wußte instinktiv, daß er mit Sicherheit besetzt war. Handelte es sich um weitere Verfolger des Professors? Waren die beiden Killer Page und Carr abgeschrieben worden? Hatte man jetzt eine zweite und bessere Garnitur eingesetzt? Parkers Geduld wurde belohnt. Nach etwa zwanzig Minuten tauchte hinter dem Wagen eine Gestalt auf, die das Auto gerade verlassen haben mußte. Im Nachtsichtgerät war diese Gestalt gut zu erkennen. Sie wechselte in einen kleinen Vorgarten und erledigte etwas durchaus Menschliches. Dann eilte die Gestalt zum Wagen zurück und zündete sich vorn auf
dem Beifahrersitz eine Zigarette an. Sie besorgte das mit größter Vorsicht und schirmte die Flamme des Feuerzeugs mit beiden Händen ab. Parker verließ den Dachboden und hielt es für an der Zeit, aktiv zu werden und Wenströms Verfolger herauszufordern. Möglicherweise waren sie in der Lage, mehr über ihre wahren Auftraggeber zu sagen. Nach zehn Minuten erschien Josuah Parker unter dem Vordach des Hauses -und setzte sich ans Steuer seines hochbeinigen Monstrums, wie sein Privatwagen genannt wurde. Es handelte sich um ein ehemaliges, schon sehr betagt aussehendes Londoner Taxi, das allerdings nach seinen eigenwilligen Vorstellungen technisch umgestaltet und modifiziert worden war. Unter dem eckigen und hohen Aufbau gab es eine Fülle raffinierter Delikatessen, die diesem Wagen die Sportlichkeit eines Tourenwagens und die Geländegängigkeit eines Spezial-Rovers verliehen. Das Fahrzeug stand derart dicht vor der Haustür, daß von dem Ford-Kombi aus unmöglich zu sehen war, wer nun in dieses hochbeinige Monstrum einstieg. Nach wenigen Minuten setzte der hochbeinige Wagen sich bereits in Bewegung und verließ das Haus. Als er in die Durchgangsstraße einbog, war allerdings schon mehr zu sehen. Im Licht einer Straßenlaterne war Professor Lunnar Wenström auszumachen, während Butler Parker am Steuer saß. Auf dem Rücksitz befanden sich die beiden Leibwächter des Wissenschaftlers. Der Kombi setzte sich nun ebenfalls in Bewegung und nahm die Verfolgung auf. Das hochbeinige Monstrum fuhr zügig, aber auch nicht zu schnell in Richtung London Airport im Westen der Stadt. Für die Verfolger war diese Fahrtrichtung wohl der Beweis dafür, daß Professor Wenström die Absicht hatte, mit einer Nachtmaschine schleunigst die Stadt zu verlassen. Würden sie während der Fahrt versuchen, den Professor doch noch zu stellen? Ließen sie es auf einen Gewaltakt ankommen? In Brentford bog das hochbeinige Monstrum von der breiten, autobahnähnlichen Ausfallstraße nach Süden ab, um wohl einige Abkürzungen zu benutzen, die nur Eingeweihte kannten. Und der Ford-Kombi holte jetzt auf und näherte sich immer mehr dem Wagen des Butlers. Hier draußen in den Vororten war die Chance recht groß, einen Überfall zu riskieren. Und er erfolgte! * Als das hochbeinige Monstrum noch mal abgebogen war und sich in einer äußerst stillen Seitenstraße befand, beschleunigte der Ford-Kombi, überholte und stellte sich in einem riskanten Manöver quer. Das hochbeinige Monstrum mußte scharf bremsen und hielt. Aus dem Ford-Kombi fielen förmlich vier Männer, deren Gesichter durch abenteuerlich geformte Pappmasken verdeckt wurden. Diese Monstermasken paßten ausgezeichnet zu den Waffen, die die Leute in Händen hielten.
Sie liefen zu dem hochbeinigen Monstrum und durften sich bereits als Sieger auf der ganzen Linie betrachten. Was sollten die Insassen von Parkers Wagen schon gegen solch eine Übermacht ausrichten? Ihre Chancen waren gleich Null. Nun, der erste Eindruck täuschte. Die vier Monster hatten Parkers Wagen noch nicht ganz erreicht, als eine überraschende Wendung eintrat: Das hochbeinige Monstrum dampfte und qualmte plötzlich aus allen Nähten. Wie unter starkem Druck wallten dichte Nebelschleier um den Wagen herum und schufen blitzschnell eine Zone der Atemnot. Die vier Monster, die bereits dicht um Parkers Wagen standen, schienen diese weißen Wolken nicht sonderlich ernst zu nehmen, sie begingen auf jeden Fall den Kardinalfehler, sich nicht blitzschnell in Sicherheit zu bringen. Und als sie auf diesen Gedanken kamen, war es bereits zu spät. Sie rissen sich verzweifelt die Monstermasken von den Gesichtern, ließen dabei ihre Waffen fallen und massierten ihre Hälse, da ihnen die Luft knapp wurde. Wie angetrunken torkelten die Männer ziellos durch die Gegend, um dann im Zeitlupentempo zu Boden zu gehen. Die Fahrertür des hochbeinigen Monstrums öffnete sich, Parker stieg aus. Er hatte eine Atemmaske angelegt und sammelte erst mal .die diversen Schußwaffen ein. Dann kümmerte er sich um die vier Männer, die überhaupt nicht reagierten. Parker zeigte bei dieser Gelegenheit wieder mal, wie stark er auch physisch war. Er schleppte die vier Männer hinüber zum Ford-Kombi und verlud sie. Der leichte Nachtwind wehte die Nebelschwaden bereits fort. Sie trieben über ein Feld in Richtung eines Sportplatzes, wo um diese Zeit ganz sicher nicht der Körperertüchtigung gehuldigt wurde. Als Parker zu seinem Wagen zurückging, sah er sich plötzlich einem Constable gegenüber, der leichtsinnig in die ja immer noch vorhandenen Schwaden trat und die Absicht hatte, eine Frage an den Butler zu stellen. Der Bobby schaffte es nicht mehr. Er hüstelte leicht, faßte nach seinem Hals und fiel dann dem Butler in die Arme. Parker fing den Mann auf und verstaute ihn anschließend ebenfalls im Kombi. Dieser Zwischenfall war ihm natürlich zuerst mal peinlich, denn es war natürlich nicht seine Absicht gewesen, Außenstehende zu belästigen. Nun, auch im vorliegenden Fall war mit gesundheitlichen Schäden nicht zu rechnen. Die Nebelschwaden, mit einer Chemikalie versetzt, sorgten nur für einen harmlosen Rausch, den jeder gesunde Mensch leicht überstand. Parkers Verladearbeiten waren damit jedoch noch nicht beendet. Er öffnete den linken hinteren Schlag seines Wagens und kümmerte sich um zwei Mitfahrer. Es handelte sich um die beiden Killer Donald Page und Mike Carr, deren Handgelenke nach wie vor durch und mit einer Handschelle verbunden waren. Sie reagierten sofort, als Parker höflich nach draußen deutete. Die beiden Killer, die man anonym auf Professor Wenström angesetzt hatte, kletterten eiligst ins Freie und marschierten auf den 'Ford-Kombi zu. Parker nahm inzwischen seine
leichte Atemmaske ab. Die Nebelschwaden hatten sich endgültig aufgelöst und waren abgetrieben. »Ich darf Ihnen versichern, meine Herren, daß Sie es in spätestens einer halben Stunde wesentlich komfortabler haben werden«, sagte Parker und deutete in den Ford-Kombi. »Nur noch diese kleine Unbequemlichkeit.« Page und Carr, die beiden Killer, stiegen in den bereits leicht überfüllten Kombi und lagerten sich dort. Parker schloß die Tür und wandte sich Kathy Porter zu, die mitgekommen war. »Ich werde vorausfahren, Miß Porter«, sagte er höflich. »Mich dünkt, daß dieses kleine Unternehmen recht erfolgreich verlaufen ist.« »Das dünkt mich ebenfalls«, gab sie lächelnd zurück. Sie hatte sich längst an die barocke Ausdruckweise des Butlers gewöhnt. »Chief-Superintendent McWarden wird morgen allerdings einige Fragen stellen.« »Verständlicherweise, Miß Porter«, erwiderte Josuah Parker. »Solch eine Massenanlieferung von Gangstern dürfte er seit einiger Zeit nicht mehr erlebt haben.« * »Ich komme bestimmt nicht zufällig vorbei«, schickte McWarden am anderen Morgen voraus. Er hatte geläutet und war nun von Butler Parker in den Frühstücksraum geführt worden. Agatha Simpson hatte sich gerade erhoben. »Wären Sie ein paar Minuten früher gekommen, junger Mann, hätte es für Sie vielleicht noch eine Tasse Tee gegeben«, sagte sie ohne jedes Bedauern. »Mir steht nicht der Sinn nach Tee«, sagte McWarden gereizt. »Und Sie wissen auch, warum das so ist, Mylady.« »Sind Sie etwa schlecht gelaunt?« wunderte die Hausherrin sich gespielt. »Ihrer Galle wird das nicht bekommen.« »Mylady, in der vergangenen Nacht wurden in der Nähe des Yard sage und schreibe sechs dubiose Typen und ein Constable abgestellt.« »Dubiose Typen?« Sie wandte sich an Parker, der höflich an der Tür stand. »Killer und Gangster, Mylady, wie es in der branchenüblichen Sprache zu heißen pflegt«, erläuterte Josuah Parker, während er den Chief-Superintendent ansah. »Eine intensive Befragung wird ergeben, Sir, daß die sechs dubiosen Typen, wie Sie sich auszudrücken beliebten, die feste Absicht hatten, Professor Lunnar Wenström entweder zu ermorden oder zu entführen.« »Professor Wenström?« McWarden wußte mit diesem Namen nichts anzufangen. Man sah es ihm deutlich an. »Wie, Sie kennen diesen bedeutenden Physiker nicht?« wunderte die ältere Dame sich genußvoll und schüttelte den Kopf. »Sie kennen diesen hervorragenden Mann nicht, der auf dem Gebiet hochenergetischer Laserstrahlen arbeitet?« »Ich ... Ich habe keine Ahnung!« Der Chief-Superintendent wurde noch gereizter. »Was hat das alles zu bedeuten?«
»Fragen Sie den Professor und seine beiden Begleiter, junger Mann! Kommen Sie!« Agatha Simpson ging einfach voraus und kümmerte sich nicht weiter darum, ob McWarden ihr auch folgte. Er tat es natürlich. Die Lady ging in die Bibliothek und nickte den drei Männern zu, die dort um einen Tisch saßen. Professor Wenström las die Morgenzeitung, die beiden Agenten des Geheimdienstes schrieben gemeinsam an einem Bericht für ihre Dienststelle. , »Das ist Chief-Superintendent McWarden«, stellte die Detektivin ihren neuen Gast vor. »Erzählen Sie ihm doch bitte möglichst ausführlich, was sich ereignet hat. Nehmen Sie sich Zeit, Mr. McWarden scheint heute morgen nicht in bester Form zu sein!« McWarden schnaufte empört und wollte sich verteidigen, doch Agatha Simpson hatte bereits die Tür hinter ihm geschlossen und wandte sich an Butler Parker, der gefolgt war. »Von einer gewissen Eifersüchtelei der beiden Dienststellen kann man in der Tat sprechen, Mylady.« »Damit dürfte aber der Fall Wenström erledigt sein«, redete die resolute Dame weiter. »Oder glauben Sie, daß ich die tatsächlichen Hintermänner dieser Subjekte finden werde, die den Professor belästigten?« »Diese Aussicht, Mylady, ist als äußerst gering zu erachten.« »Warum eigentlich?« Sie machte einen -animierten Eindruck. »Wäre es nicht wunderbar, wenn wir herausfinden könnten, wer die beiden Killer und die vier Männer aus dem Ford gesteuert hat.« »Diese Drahtzieher, Mylady, dürften in einer ausländischen Botschaft zu suchen sein.« »Sie wollen nicht deutlicher werden?« »Es gibt der Möglichkeiten viele, Mylady.« »Noch gebe ich nicht auf«, erwiderte sie energisch. »Im Gegensatz zu Ihnen, Mr. Parker, werfe ich die Flinte niemals frühzeitig ins Korn.« »Mylady dürfen versichert sein, daß ich mich bemühen werde, Licht in das sprichwörtliche Dunkel zu bringen.« »Vergessen Sie darüber aber nicht den eigentlichen Fall«, warnte sie ungeduldig. »Was den anbetrifft, so sind wir kaum einen Schritt weitergekommen.« »Mylady denken gewiß an die Tresorknacker?« »Und ob ich an diese Subjekte denke! Das war schließlich der Ausgangspunkt, oder sollten Sie das vergessen haben? Die Affäre Wenström ist doch nur eine Art Abfallprodukt.« »Eine treffende Umschreibung, wenn ich mich erkühnen darf, diese Feststellung zu treffen.« »Sie dürfen, Mr. Parker.« Die Detektivin nickte wohlwollend. »Es begann mit dem nächtlichen Pochen und Bohren, Mr. Parker. Hoffentlich haben Sie das nicht vergessen. Und davon ausgehend, habe ich mich mit diesem Billardsaalbesitzer Forster ein wenig näher befaßt. Und mit diesem Lümmel Nobby Piles. Sie werden nach wie vor versuchen, eine der Banken auszuräumen.« »Falls die betreffenden Herren noch die Neigung haben, Mylady.«
»Solche Subjekte geben nie auf, Mr. Parker! Und ich werde Ihnen das beweisen.« »Mylady planen gewisse Aktivitäten?« fragte Parker besorgt. »Selbstverständlich, Mr. Parker. Ich will diese Gangsterbande hochgehen lassen, die in Liverpool, Manchester und Birmingham Banken ausgeraubt hat. Wissen Sie denn immer noch nicht, welche Bank man gewählt hat?« »Mit einer selbst vagen Angabe vermag ich zu meinem Bedauern nicht zu dienen, Mylady.« »Du lieber Himmel, Mr. Parker, was haben Sie denn die ganze Zeit über gemacht?« wunderte die ältere Dame sich. »Nun, wenn man die Hände in den Schoß legt, kann man natürlich keine, Gangster stellen.« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit untröstlich.« Bevor Agatha Simpson sich mit Parkers Antwort auseinandersetzen konnte, erschien McWarden in der Wohnhalle. Sein Kopf war rot angelaufen bis hinunter in den Nacken. In seiner Begleitung befanden sich die beiden Geheimdienstagenten. »Sie scheinen sich ja sehr gut unterhalten zu haben«, sagte Lady Simpson zu Chief-Superintendent McWarden. Spott war in ihrer Stimme. »Entschuldigen Sie, daß ich erfolgreich war!« McWarden stand dicht vor einer Explosion, aber er riskierte es nicht, sie zu zünden. * Die Billardsäle waren noch nicht geöffnet. Parker war mit seinem hochbeinigen Monstrum vorgefahren und läutete an der privaten Haustür. Es dauerte nicht lange, bis das Gesicht des Leibwächters Pete zu sehen war. Der Mann zuckte automatisch zurück, als er dicht hinter Parker Lady Simpson entdeckte. »Ich will diesen Mr. Forster sprechen«, verlangte Agatha Simpson mit ihrer tiefen, grollenden Stimme. »Nun öffnen Sie schon, bevor ich ärgerlich werde!« »Sie sollten dieser Aufforderung möglichst schnell nachkommen«, schaltete der Butler sich ein. »Ich... Ich muß aber erst nachfragen.« Die Tür schloß sich vor Parker. Sie war von einer Sicherheitskette gehalten worden. »Hoffentlich haben Sie so etwas wie eine geballte Ladung mitgenommen«, fragte Lady Agatha bei ihrem Butler an. »Ich warte nicht gern.« »Mr. Ray Forster wird mit Sicherheit umgehend öffnen lassen, Mylady.« »Was ich diesem Flegel auch geraten haben möchte.« Agatha Simpson ließ ihren Pompadour unternehmungslustig pendeln und ... donnerte den darin befindlichen >Glücksbringer< sehr nachhaltig gegen die Türfüllung, die daraufhin feine Haarrisse zeigte. Sekunden später hörte man das Rasseln der Sicherheitskette, dann öffnete sich die Tür.
Der zweite Leibwächter war erschienen. Neben Pete stand Chester, der Mylady ebenfalls recht scheu und respektvoll anschaute. Sie marschierte an Parker vorüber und betrat den langen Korridor, der vor einer Treppe endete. Sie kümmerte sich überhaupt nicht weiter um die beiden Leibwächter, die sich auch tatsächlich sehr deplaziert vorkamen. »Kein Fahrstuhl?« räsonierte sie und betrachtete mißgelaunt die Treppe. »Wir haben noch nicht... « Leibwächter Pete wollte eine Erklärung liefern, doch sie wandte sich zu ihm um und sah ihn eisig an. »Habe ich Sie gefragt?« herrschte sie den Gangster dann an. Sie holte tief Luft und stieg überraschend leichtfüßig nach oben. Sie hatte die Treppe noch nicht halb geschafft, als oben auf dem Treppenabsatz Ray Forster erschien. Der Besitzer der beiden Billardsäle bemühte sich um Freundlichkeit, was ihm wegen eines nervösen Gesichtszuckens nicht überzeugend gelingen wollte. »Das ist aber eine echte Überraschung, Mylady«, sagte er. »Sie haben sich bei der Polizei über mich beschwert, wie ich gehört habe?« Sie hatte ihn fast erreicht. Der Klang ihrer Stimme ließ Ray Forster sicherheitshalber zurückweichen. »Ein Mißverständnis, Mylady, dieser Nobby Piles ist das gewesen«, behauptete Forster hastig. »Ich würde mich nie über Sie beschweren, Mylady.« »Ich soll Ihr... Etablissement verwüstet haben? Ich, eine schwache und hilflose Frau?« »Niemals, Mylady, niemals!« Ray Forster wich noch weiter zurück. »Das gebe ich der Polizei sogar schriftlich.« »Vergessen Sie es nur nicht!« Agatha Simpson nickte ein wenig versöhnlich. »Wollen Sie mich nicht in Ihre Wohnung führen? Ich lasse mich nie auf der Treppe abfertigen. Wissen Sie denn nicht, was Lebensart ist?« »Ich darf vorausgehen, Mylady?« Ray Forster dienerte und eilte voraus. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Haben Sie besondere Wünsche?« »Und ob ich die habe!« Sie betrat einen Wohnraum und schaute sich naserümpfend um. Der Wohnraum war recht aufwendig, aber auch recht schwülstig eingerichtet. Die Teppiche waren zentimenterdick, die Polstergarnituren breit wie Doppelbetten. Es roch süßlich nach einem schweren Parfüm. Pete und Chester waren nachgekommen und bemühten sich um Haltung, wie es ihrem Job entsprach. Sie taten einsatzbereit und imitierten deutlich Filmgangster aus einem Humphrey-Bogart-Film. Überzeugend wirkten sie allerdings nicht. »Machen wir es kurz«, sagte die ältere Dame mit gewohnter und herzlicher Offenheit. »Ich weiß, daß Sie mit Gangstern in Verbindung stehen, die eine Bank ausrauben wollen.« »Aber Mylady«, protestierte Ray Forster fassungslos. »Schnickschnack, widersprechen Sie nicht!« Sie grollte. »Dieses Subjekt Piles war nicht ohne Grund in einem Ihrer Billardsäle. - Ich rate Ihnen, junger Mann, aus diesem Unternehmen auszusteigen. Mit einem Bein befinden Sie sich bereits im Zuchthaus. Ich gebe Ihnen Zeit bis morgen, ein paar Informationen für mich zusammenzutragen. Ich will wissen, wer diese Subjekte sind, die die Banken in
Liverpool, Manchester und Birmingham ausgeraubt haben. Ich will wissen, wo ich sie finde. Falls Sie mitspielen, junger Mann, sehe ich noch gewisse Chancen für Sie.«, »Mylady, mit Bankraub habe ich nichts zu... « »Das war es, Mr. Forster«, sagte Lady Agatha förmlich und schnitt ihm den Satz mit einer unwirschen Handbewegung ab. »Ich wünsche keine weitere Diskussion mit Ihnen. Sie wissen, was Sie zu tun haben, sonst werden Sie es bereuen, sich mit mir angelegt, zu haben!« Die beiden Leibwächter Pete und Chester, eiskalte Burschen, sahen betreten zu Boden, damit sie nicht durch Zufall einen Wink ihres Geldgebers mitbekamen. Sie fürchteten nämlich, Forster könne sie auf Lady Simpson ansetzen ... * »Wie war ich, Mr. Parker?« wollte Agatha Simpson wissen, als sie wieder im Wagen saß. »Sehr überzeugend, Mylady.« »Hat er mir die Behauptung abgenommen?« »Nach diesem Hinweis wird Mr. Forster sich ehrlich bemühen, Informationen über die Bankknacker einzuholen, Mylady, wenn ich diesen Vulgärausdruck mal verwenden darf.« »Er soll diesen Nobby Piles jagen und aufspüren«, sagte die ältere Dame nachdrücklich. »Es ist doch wieder mal typisch für McWarden, daß er solch einen Gangster entkommen läßt.« »Mr. Nobby Piles verließ das Krankenhaus, nachdem er den das Krankenzimmer bewachenden Detective-Sergeant niedergeschlagen hatte, Mylady. ChiefSuperintendent McWarden dürfte diese Entwicklung zutiefst bedauern.« »Warum hat er diesen Piles auch nicht in ein Gefängnis-Lazarett legen lassen? Das hat er nun von seinem Leichtsinn!« Agatha Simpson war eindeutig erfreut, daß alles so gekommen war. Es lag auf der Hand, daß sie McWarden die Panne von Herzen gönnte. »Die rechtliche Handhabe reichte nicht aus, Mylady, Mr. Nobby Piles festzunehmen«, gab Parker zurück. »Zum Teufel mit diesen Formalitäten«, wurde die resolute Dame unwirsch. »Piles ist ein Gangster. McWarden weiß es, Sie wissen es, ich wußte es vom ersten Moment an.« »Diese Einstellung, Mylady, stimmt durchaus mit den Tatsachen überein«, entgegnete Josuah Parker. »Ich möchte aber darauf verweisen, daß das Wissen allein nicht zum Ausstellen eines Haftbefehls reicht. Und zur Zeit liegen gegen Mr. Piles keine Anschuldigungen oder Anklagen vor.« »Aber bald«, sagte sie grimmig. »Ray Forster wird sich abstrampeln, dieses Subjekt zu finden. Über Piles werde ich an die Tresorräuber herankommen. Oder sind Sie etwa anderer Meinung?« »Mitnichten und keineswegs, Mylady.«
»Sie haben sich schon eindeutiger ausgedrückt!« »Mein momentaner Wissensstand, Mylady, reicht nicht aus, um eine Festlegung vorzunehmen.« »Nobby Piles ist der Mann, über den ich an die Bankräuber herankommen werde«, erklärte die ältere Dame nachdrücklich. »Sie können ja von mir aus wieder in die Abwässerkanäle steigen, Mr. Parker.« »Dies, Mylady, wird leider nicht zu umgehen sein.« »Jeder auf seine eigene Art und Weise.« Agatha Simpson sah in den Rückspiegel und schüttelte fast empört den Kopf. »Was sagen Sie dazu, Mr. Parker: Wir werden nicht verfolgt!« »Das bedaure ich ungemein, Mylady.« »Warum, versucht die Gangsterbande nicht, mich umzubringen? Das wenigstens kann man doch wohl erwarten!« »Man scheint Mylady äußerst zu fürchten.« »Das will ich auch hoffen.« Sie sah wieder in den Rückspiegel. »Nein, nichts! Das ist doch die Höhe! Man scheint mich ignorieren zu wollen ... « »Dies, Mylady, kann sich schnell ändern, sobald Mr. Forster seine Fühler ausstrecken wird. Zudem wird ein Gangster wie Nobby Piles sich an Mylady rächen wollen.« »Das hört sich schon wieder besser an.« Die Detektivin nickte zufrieden. »Ich hasse nämlich nichts mehr als Langeweile.« Sie schaute wieder neugierig in den Rückspiegel und wandte sich ungeniert um. »Sie haben den Morris natürlich übersehen, nicht wahr?« fragte sie dann spöttisch. »Mylady meinen den grünen Morris?« Parker hatte den kleinen Wagen natürlich nicht übersehen. »Genau den, Mr. Parker! Zwei Männer sitzen darin, und ich werde Ihnen sagen, daß es Gangster sind.« »Ich würde mir nie gestatten, Mylady, zu widersprechen.« »Ich möchte mich mit diesen beiden Subjekten unterhalten«, verlangte die ältere Dame. »Locken Sie sie in einen netten Hinterhalt, Mr. Parker. Nun, dieser Tag verspricht ja noch recht anregend zu werden!« * »Nennen Sie das etwa einen Hinterhalt?« entrüstete die Detektivin sich, als Parker in der Nähe von St. James Park einen Parkplatz ansteuerte und dann hielt. »Hier werden die Verfolger sich mit Sicherheit unbeobachtet und ungestört fühlen«, erwiderte Parker höflich. »Sie kommen tatsächlich ebenfalls auf den Parkplatz«, wunderte Agatha Simpson sich. »Nun, sie werden einiges erleben, das verspreche ich diesen Flegeln schon jetzt.« Der kleine Morris hielt knapp neben dem hochbeinigen Monstrum des Butlers. Die beiden Männer stiegen aus und näherten sich zögernd dem Wagen. Sie waren
salopp, aber durchaus ordentlich gekleidet, trugen Manchesterhosen, karierte Hemden ohne Krawatten und darüber Lederjacken. »Dürfen wir Sie mal 'nen Moment sprechen?« fragte der Stämmigere der beiden Männer. »Nur 'ne kleine Frage«, fügte der zweite Mann hinzu. »Es paßt mir gar nicht, daß Sie eine wehrlose Frau verfolgen«, erwiderte Lady Agatha, die das Wagenfenster nur spaltbreit heruntergelassen hatte. »Wie sollten wir sonst an Sie 'rankommen, Madam?« fragte der Stämmige und lächelte. »Und es ist wichtig für uns«, sagte der zweite Mann. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Agatha Simpson fixierte die beiden Verfolger und wartete ungeduldig darauf, daß sie ihre Schußwaffen zogen. Zu befürchten hatte sie natürlich überhaupt nichts, denn die Wagenscheiben bestanden aus schußsicherem Panzerglas. Butler Parker war ebenfalls auf einen jähen, heimtückischen Angriff vorbereitet, doch seine innere Alarmanlage, auf die er sich sonst immer prompt verlassen konnte, rührte sich nicht. Sie blieb stumm und warnte ihn nicht. »Ich bin Tom Lyons«, sagte der Stämmige. »Aufnahmeleiter der Belgrave Pictures. Das hier ist mein Assistent Graves.« »Nicht ungeschickt«, stellte Lady Simpson grimmig fest. »Sie sind mir sofort aufgefallen, Madam«, redete der Aufnahmeleiter weiter. »Sie sind genau der Typ, den wir für vier Drehtage brauchen. Wir drehen einen Kostümfilm.« »Wir brauchen auch den Wagen und den Butler«, fügte Graves hinzu. »Hätten Sie nicht Lust, mal die Welt des Films mitzuerleben?« »Natürlich gegen eine anständige Bezahlung, Madam«, versicherte der Mann, der sich als Tom Lyons vorgestellt hatte. »Wiederholen Sie das noch mal«, grollte die ältere Dame. Sie begriff, daß sie einem Irrtum aufgesessen war. »Die Herren sprechen mit Lady Simpson«, ließ Parker sich vernehmen. Auch er hatte seine Wagenscheibe heruntergedreht. »Ich fürchte, Mylady ist an Ihrem Vorschlag kaum interessiert.« »Die Gage ist wirklich nicht schlecht«, meinte Lyons unbeeindruckt. »Wer braucht heutzutage nicht Geld?« »Hinweg, Sie Lümmel!« Agatha Simpson hatte die Geduld verloren. Sie drückte die Wagentür auf und stieg aus, was bei Parker Alarm auslöste. Hatte man es doch mit Gangstern zu tun? War seine innere Alarmanlage nur defekt? Die beiden Filmleute wichen prompt zurück, als Lady Simpson auf sie zurauschte. Sie hatten das dumpfe Gefühl, daß diese ältere Dame recht kriegerisch war. »War... War ja nur 'ne Frage«, meinte Lyons hastig. »Bestimmt, Lady, Sie liegen voll auf der Rolle«, lockte Graves und setzte sich ebenfalls ab.
Agatha Simpson marschierte weiter auf die Männer zu, die plötzlich begriffen, in welch einer Gefahr sie sich befanden. Sie hechteten in ihren Morris und ergriffen die Flucht. Die Antriebsräder des kleinen Wagens tourten durch und radierten über den Asphalt, als sie in verwegener Slalomfahrt über den Parkplatz kurvten und dann in halsbrecherischer Fahrt in die Hauptstraße einbogen. »Eine ausgemachte Frechheit«, sagte Agatha Simpson und kehrte zum hochbeinigen Wagen des Butlers zurück. »Ich hätte große Lust, diese beiden Lümmel zu verfolgen, Mr. Parker.« »Mylady sollten vielleicht Gnade vor Recht ergehen lassen«, schlug der Butler vor. »Sie wußten wahrscheinlich oder sogar mit Sicherheit nicht, was sie taten.« »Dennoch.« Sie nahm wieder im Wagen Platz. »Ich hatte mich schon so auf zwei Gangster gefreut, und dann entpuppen sich diese beiden Lümmel als Filmleute! Ich glaube, mein Kreislauf ist ein wenig angegriffen.« Parker hatte das vorhergesehen und hielt bereits die lederbespannte Taschenflasche in der Hand. Er schraubte den kleinen Silberbecher ab und reichte seiner empörten Herrin eine kleine Erfrischung. Wie sehr er sich amüsierte, zeigte er natürlich nicht. »Mir kommt da gerade ein Gedanke«, sagte Agatha Simpson plötzlich. »Sie, Mr. Parker, sind natürlich nicht darauf gekommen, möchte ich wetten.« »Mylady erregen meine unbescheidene Neugierde.« »Das mit dem Rollenangebot war natürlich ein Trick«, behauptete die ältere Dame. »Natürlich, das liegt doch auf der Hand. Sie wollen meine Wachsamkeit einschläfern.« »Mylady sind sich sicher?« »Wenn Sie doch nur etwas Phantasie hätten!« Sie seufzte vorwurfsvoll. »Hier draußen auf dem Parkplatz riskierten die beiden Subjekte natürlich keinen Angriff. Sie rechneten mit meiner Wachsamkeit. Aber sie werden erneut erscheinen und dann hoffen, daß ich nicht aufpasse. Und genau in solch einem Moment werden sie zuschlagen.« »Eine Hypothese, Mylady, die ich, Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, gründlich durchdenken werde.« »Diese beiden Individuen sollen sich wundern«, schwor sie grimmig. »Eine Lady Simpson legt man nicht herein!« »Ein Unterfangen, daß mit einem großen Risiko verbunden ist.« »Darauf können Sie sich verlassen, Mr. Parker!« Sie machte einen aufgekratzten Eindruck. »Sehr schlau und gerissen, diese beiden Gangster, meine Hochachtung!« Parker vermied jede Stellungnahme, zumal er Lady Simpsons Meinung nicht teilte. Wunsch und Wirklichkeit mischten sich wieder mal zu einer gefährlichen Mixtur. Parker nahm sich vor, die beiden Männer möglichst umgehend anzurufen und sie davor zu warnen, den Weg seiner Herrin noch mal zu kreuzen. *
Nach dem frugalen Lunch, wie Agatha Simpson es nannte, zog sie sich in ihr Studio zurück, um ein wenig zu meditieren. In Wirklichkeit legte sie sich natürlich zu Bett, um eine Stunde fest zu schlafen. Parker nutzte die Gelegenheit, um noch mal hinunter in die uralten Gewölbe zu steigen. Er hatte sein Stethoskop mitgenommen und horchte die Kanalisation ab. Er rechnete zwar nicht damit, daß das Pochen und Bohren um die Mittagszeit zu vernehmen sei, doch er wollte darüber letzte Gewißheit haben. »Haben Sie etwas gehört?« erkundigte Kathy Porter sich, als Parker nach einer halben Stunde zurück ins Erdgeschoß kehrte. Sie wußte selbstverständlich über alle Dinge Bescheid, um die es ging. »Ich muß leider bedauern«, erwiderte Parker. »Man scheint wirklich nur nachtsüber zu arbeiten, Miß Porter.« »Rechnen Sie wirklich damit, daß man versucht, über die Kanalisation an eine Bank heranzukommen?« »Eine Vorstellung, die sich anbietet, die man nicht ausschließen sollte, Miß Porter. Sie haben sich inzwischen darüber informiert, wie die Tresore in Liverpool, Manchester und Birmingham beraubt wurden?« »Von benachbarten Kellern aus, Mr. Parker. Die Täter müssen wochenlang gearbeitet haben.« »Eine Arbeit, die sich durchaus lohnte. Es wurden horrende Summen in Form von Bargeld und Sachwerten gestohlen.« »Werden Sie noch mal in die Kanalisation steigen, Mr. Parker? Könnte ich dann mitkommen?« »Ein Ausflug dieser Art ist nicht gerade empfehlenswert, Miß Porter.« »Sie haben doch die drei leerstehenden Häuser durchsucht, Mr. Parker. Was ist mit dem vierten Haus?« »Sie meinen jenes Haus, in das gerade neue Mieter einzogen, nicht wahr?« »Könnte ich diese neuen Mieter nicht mal unter die Lupe nehmen, Mr. Parker?« »Ein bemerkenswerter Vorschlag, Miß Porter, dem ich freudig zustimme. Der Möbelwagen kam aus Liverpool, was an sich nichts zu bedeuten hat.« »Ich könnte als Vertreterin der Nachbarschaftshilfe auftreten.« »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Miß Porter, aber bitte unternehmen Sie nichts, was Sie später bereuen müßten.« »Ich werde schon auf mich aufpassen, Mr. Parker. Da wäre aber noch etwas: Glauben Sie wirklich, daß Ray Forster etwas mit diesen Tresorknackern zu tun hat?« »Diese Frage möchte ich entschieden verneinen, Miß Porter. Ray Forster ist nicht der Mann für solche Unternehmungen.« »Und was ist mit Nobby Piles?« »Ein Unbekannter, um offen zu sein. Daher bestärkte ich auch Mylady, zu Mr. Forster zu fahren und ihn um seine Mitarbeit zu bitten. Es kann wirklich nicht schaden, sich mit Mr. Piles mal ausführlich zu unterhalten.« »Mylady ist wirklich zufällig an ihn geraten?«
»Als Mylady die Billardsäle des Mr. Forster besuchte«, bestätigte der Butler. »Ich darf Ihnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit sagen, Miß Porter, daß ich Mylady völlig absichtslos zu Mr. Forster schickte, um sie ein wenig abzulenken und zu beschäftigen.« »Ich weiß.« Kathy Porter nickte lächelnd. »Aber wie der Zufall so spielt, Mr. Parker, geriet sie prompt an einen gefährlichen Killer. Hoffentlich versucht dieser Mann nicht, sich an Mylady zu rächen.« »Er wird es tun müssen, fürchte ich.« »Er muß es tun?« »Er hat sein Image zu wahren, Miß Porter, und würde hier in London nicht Fuß fassen können, wenn er diese Schlappe durch Mylady schweigend hinnimmt.« »Dann haben wir also in jedem Fall noch mit einigen Überraschungen zu rechnen?« »Wie stets und immer, Miß Porter. Was diesen Nobby Piles betrifft, bin ich sogar in größter Sorge. Dieser Mann wird keine Zeit verlieren wollen.« »Hoffentlich spürt Forster ihn noch rechtzeitig auf.« »Damit dürfte wohl kaum zu rechnen sein, Miß Porter. Und was Ihre Person anbetrifft, so sollten Sie große Vorsicht walten lassen. Er könnte sich an Sie halten, um so Mylady zu einem Schachzug zu zwingen, den Mylady dann sicher nicht sonderlich schätzen werden.« »Keine Sorge, Mr. Parker, ich werde schon auf mich aufpassen.« Sie lächelte beruhigend. »Jetzt bin ich aber erst mal auf diese neuen Mieter in der Brick Street gespannt. Vielleicht sind es die Gangster, die sich an einen Tresor heranarbeiten.« * Sie sah adrett und hilfsbereit aus. Kathy Porter hatte sich in eine junge Hausfrau verwandelt, die nach dem Klingeln an der Haustür auf die Hausbewohner wartete. Es dauerte nur knapp eine halbe Minute, bis die Tür geöffnet wurde. Ein junges Mädchen, etwa fünfzehn Jahre alt, sah Kathy Porter abwartend und ein wenig mißtrauisch an. »Guten Tag«, sagte Kathy Porter. »Ich bin Mrs. Storms von der Nachbarschaftshilfe. Ihre Eltern sind zu Hause?« »Nachbarschaftshilfe?« fragte die Fünfzehnjährige. »Eine private Organisation unserer Straße hier«, erklärte Kathy Porter. Sie trug einen leichten Mantel und hatte sich ein Kopftuch umgebunden. »Was ist denn, Helen?« hörte man aus dem Korridor eine Frauenstimme. Wenig später erschien eine schlanke Frau von etwa vierzig Jahren. Sie trug Jeans, eine Bluse und war über und über mit Mörtelstaub bedeckt. »Ich bin Jean Storms«, stellte Kathy Porter sich erneut vor und sagte ihren Spruch von der Nachbarschaftshilfe herunter. »Wir haben gesehen, daß Sie hier neu eingezogen sind.«
»Ruth Morton«, stellte die Mutter Helens sich vor. »Das ist aber nett, daß man sich um uns kümmert. Kommen Sie doch herein! Ich fürchte nur, daß es bei uns im Haus noch chaotisch aussieht.« »Jeder Umzug bringt eine Menge Wirbel mit sich.« Kathy Porter in der Rolle einer gewissen Jean Storms nickte verstehend. »Ich möchte aber auf keinen Fall stören, Mrs. Morton.« »Eine kleine Verschnaufpause tut mir ganz gut«, meinte Ruth Morton.« »Wie wäre es mit einer Tasse Tee?« »Da sage ich nie nein.« Kathy Porter folgte Ruth Morton ins Haus und überzeugte sich schnell davon, daß hier wirklich alles auf den Kopf gestellt wurde. Man hatte die alten Tapeten von den Wänden gerissen, man besserte den Verputz in einem der Erdgeschoßräume aus und hatte die Möbel noch nicht aufgestellt. Sie standen, mit Decken und Planen zugedeckt, in den Räumen herum und warteten auf ihren endgültigen Platz. »Wir kommen aus Liverpool«, berichtete Ruth Morton und zündete sich eine Zigarette an. »Mein Mann will sich hier selbständig machen.« »Demnach ist er also Geschäftsmann?« »Er war bisher im Großhandel für sanitäre Anlagen tätig.« Ruth Morton war eine freundliche, redselige Dame. »Hier in London rechnet er sich größere Chancen aus als drüben in Liverpool. Wissen Sie, er ist auf diese modernen Naßzellen spezialisiert.« »Naßzellen?« Kathy Porter tat ahnungslos. »Duschräume, Badezimmer und Toiletteneinheiten, alles in fertig installierten Einbauzellen vorfabriziert.« Ruth Morton kannte sich aus. »Mein Mann rechnet mit großer Nachfrage. Sie wissen doch wahrscheinlich auch, wie viele Häuser in dieser Beziehung noch einen Nachholbedarf haben.« »Sie werden sich in der Brick Street bestimmt wohl fühlen«, vermutete Kathy Porter. »Hier finden Sie nur nette Nachbarn. Wir organisieren Babysitten, Krankenpflege und überhaupt alles, was man allein kaum schaffen kann.« »Mit Babys kann ich leider nicht dienen.« Ruth Morton lächelte. »Helen haben Sie ja bereits gesehen. Dann sind da noch Paul und Ed, doch die sind sehr selbständig.« »Eine wunderbar große Familie.« »Die Aufzählung ist noch nicht beendet«, meinte Ruth Morton. »Mein Vater wohnt noch bei uns, ja, und dann noch der Bruder meines Mannes. Das Haus ist ja groß genug.« »Eine intakte Großfamilie, wie man sie nur noch selten findet.« »Wir halten wirklich zusammen wie Pech und Schwefel«, erwiderte Ruth Morton. »Aha, da kommt ja auch der Tee. Danke schön, Helen!« Helen, die fünfzehnjährige Tochter des Hauses, servierte den Tee, und Kathy Porter war bereits fest davon überzeugt, daß diese sympathische Familie auf keinen Fall identisch mit jener Gangsterbande sein konnte, die Banken, Tresore und Depositenkammern anbohrte. »Nehmen Sie Zucker?« erkundigte Ruth Morton sich bei Kathy Porter.
»Niemals! Sie wissen ja, die schlanke Linie.« Kathy Porter setzte die Tasse an die Lippen und trank. »Sie bauen um, wie ich sehe?« »Das alles wird noch Tage oder sogar Wochen dauern, aber man möchte es ja passend haben, nicht wahr?« Kathy Porter hätte gern geantwortet, doch sie fühlte sich plötzlich nicht wohl. Sie merkte, daß die Teetasse ihren Fingern entglitt und hörte, daß sie auf dem Boden zerschellte. Sie rutschte nach hinten in den Sessel, verspürte einen widerlichen Brechreiz und war dann ohne Übergang ohnmächtig. »Na, bitte!« Ruth Morton sah böse auf Kathy Porter und wandte sich dann zur Tür um, in der... Nobby Piles zu sehen war. »Schaff sie weg, Nobby! Pack sie in einen Schuttcontainer! Dieser Parker wird bestimmt nicht lange auf sich warten lassen!« * »Nee, hören Sie mir bloß auf mit dieser verrückten Lady«, sagte Nobby Piles. Er hatte im Haus der Agatha Simpson angerufen und sprach mit Parker. »Ich will Sie sprechen, Parker, Sie allein.« »Ich stehe zu Ihrer Verfügung«, erwiderte Parker und schaltete die Verstärkerund Mithöranlage ein, damit Lady Agatha die Unterhaltung verfolgen konnte. Sie hatte die Bezeichnung verrückte Lady zwar noch nicht mitbekommen, aber sie befand sich bereits in einem Zustand des Ärgers. »Ich habe mir Ihre Miß Porter unter den Nagel gerissen«, redete Nobby Piles weiter. »Möglich, daß sie's überleben wird.« »Ich gehe davon aus, Mr. Piles, daß Sie gewisse Vorschläge unterbreiten wollen.« »Sie sind ein schlaues Kerlchen, Parker.« Piles lachte spöttisch. »An die Kleine darf ja nichts drankommen, wie?« »Darauf würde ich allergrößten Wert legen, Mr. Piles. Darf ich nun erfahren, was Sie sich im Austausch gegen Miß Porter wünschen?« »Wünschen? Sie haben wohl nicht alle Tassen im Spind, wie? Wünschen? Ich stelle Forderungen, Mann - Forderungen!« »Ich werde sie zur Kenntnis nehmen und an Lady Simpson weiterreichen, Mr. Piles.« »Ich brauche Betriebskapital, um diese miese Insel zu verlassen«, begann der Gangster. »Hab' ich mich deutlich genug ausgedrückt? Ich brauche Kies, Mann. Und ich brauch' es verdammt schnell.« »An welche Summe haben Sie gedacht, wenn man fragen darf?« »Die alte Schrulle ist stinkreich, habe ich mir sagen lassen. Sagen wir also, runde zwanzigtausend Pfund. Nee, fünfzigtausend, das hört sich besser an! So, und jetzt hören Sie ganz genau zu, Mann! Der Zaster ist in die Schweiz zu schaffen. Die Währung da gefällt mir ganz gut.« »Ich möchte schon jetzt erklären, daß Mylady mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zustimmen wird.«
»Denken Sie erst gar nicht an irgendeine Falle«, redete Nobby Piles weiter. »Ich gebe die Kleine erst dann frei, wenn ich den Zaster in der Schweiz kassiert habe! Mit Tricks dürfen Sie mir nicht kommen!« »Darf ich mir gestatten, einen wahrscheinlich brauchbaren Vorschlag zu machen?« »Nur zu, Mann! Ich laß mich immer gern überraschen. Ich ruf in ein paar Minuten wieder an. Von wegen Fangschaltung und so. Bis gleich, aber bleiben Sie am Apparat!« Es klickte, dann war die Leitung unterbrochen. »Sie werden alles tun, um Miß Porter zu retten«, sagte Agatha Simpson zu Parker. »Selbstverständlich, Mylady.« »Wie konnte sie diesem Piles nur in die Arme laufen? Warum ist sie überhaupt weggegangen?« Parker sagte es ihr, und seine Herrin schüttelte gereizt den Kopf. »Das wäre etwas für mich gewesen«, meinte sie dann. »Diese neu zugezogene Familie hätte ich überprüfen sollen. Das gute Kind ist für solch eine Sache doch viel zu arglos.« »Mylady dürfen versichert sein, daß ich zutiefst betroffen bin.« »Wird er sie umbringen?« »Diese Möglichkeit möchte ich ausschließen, Mylady. Piles würde dann als Mörder auf internationaler Ebene gejagt. Das dürfte dieser erfahrene Gangster wissen. Er wird sich mit dieser Art von Lösegeld durchaus zufrieden geben, zumal nach Miß Porters Freilassung kaum dieses Kidnapping nachzuweisen sein dürfte.« »Sie wissen wieder mal alles sehr genau, nicht wahr?« sagte die Detektivin nervös. »Mylady überschätzen meine bescheidene Wenigkeit«, lautete Parkers gemessene Antwort. »Ich versuche nur, mich in die Gedankenwelt dieses Mr. Piles zu versetzen.« Das Telefon schlug erneut an, und Parker hob ab. »Piles«, meldete sich der Gangster. »Wie war das mit Ihrem Vorschlag, Parker?« »Mylady wird die verlangte Summe auf das Konto einer Schweizer Bank überweisen«, erklärte der Butler, während Agatha Simpson wieder über den Verstärker mithörte. »Sie werden die fünfzigtausend Pfund unter dem Namen Ihrer Wahl und des Ihnen zur Verfügung stehenden Passes anstandslos abheben können.« »Nicht schlecht, Mann, nicht schlecht!« Piles' Lachen war geradezu genußvoll. »Und nun zu Miß Porter! Wann und wo darf ich sie abholen?« »Sagen wir, in drei Tagen, Mann. Ich werd' Sie aus der Schweiz anrufen und Ihnen Bescheid geben, wo Sie sie finden. Zuerst das Geld, dann die Kleine!« »Man wird Sie als Mörder jagen und finden, falls Miß Porter etwas zustoßen sollte.« »Ich bin doch nicht verrückt, so was zu machen, Parker! Ich halt' mich haargenau an die Abmachung, tun Sie's auch, dann läuft alles wie geschmiert.«
* Strammer und pensionierter hätte ein Major nicht aussehen können. Am Nachmittag erschien in der Brick Street ein schnauzbärtiger, älterer Herr, etwa fünfundsechzig Jahre alt. Er hielt sich steif und strahlte eine gewisse Wichtigtuerei aus. Er was überaus korrekt gekleidet, wenngleich die Kleidung auch gewisse Abnutzungserscheinungen aufwiesen. Dieser Mann, das sah man auf den ersten Blick, lebte sicher von einer schmalen Rente. Er trug einen schwarzen Aktenkoffer und ging von Haus zu Haus, um seine Sammelliste zu präsentieren. Sein Benehmen war korrekt und äußerst höflich. Er sammelte für den Ausbau eines Heimes für Veteranen und ließ keine Gelegenheit aus. »Das is' Parker«, sagte Nobby Piles, der diesen Mann seit einiger Zeit genau beobachtete. Er stand neben Ruth Morton und deren Tochter Helen. Seitlich hinter Nobby Piles hatte sich ein gewisser Ben Granby aufgebaut. Ben Granby war etwa fünfundvierzig und hatte nicht die Spur einer Ähnlichkeit mit einem Gangster. Er war ein wenig füllig, muskulös und energiegeladen. »Wie ein Butler sieht der Knabe aber nicht aus«, sagte Ben Granby zu Nobby Piles. »Alles nur Mache und Maske. Der Bursche ist clever und raffiniert, habe ich mir von Forster sagen lassen. Der will 'rausfinden, wo diese Kathy Porter stecken könnte.« »Hier kann er lange suchen«, fand Helen Morton und lächelte spöttisch. »Lassen wir ihn 'rein?« fragte Ruth Morton. Sie wandte sich an Granby. »Klar doch! Der Mann wird höflich behandelt.« »Und landet dann im Schuttcontainer?« erkundigte Piles sich. »Verrückt, wie?« Ben Granby schüttelte den Kopf. »Wissen wir, ob dieser Parker nicht unter Sichtkontrolle steht? Nee, wir bringen das korrekt über die Bühne.« »Dann werde ich mal sicherheitshalber verschwinden«, schlug Nobby Piles vor. »Macht mal schön auf Großfamilie!« Es dauerte nicht lange, bis der offensichtlich ehemalige Major an der Haustür klingelte. Ruth Morton öffnete und ließ sich erklären, um was es ging. »Für Veteranen?« fragte sie und lächelte zustimmend. »Da soll man ja nicht gerade auf eine Pfundnote sehen, wie?« »Ehrenwert, ehrenwert«, schnarrte der Pensionär und strich seinen Schnauzbart. »Madam sind neu zugezogen, vermute ich?« »Und fühlen uns bereits sehr wohl«, erwiderte Ruth Morton. »Sehr nette Nachbarn hier. Vor ein paar Stunden war eine junge Dame hier und bot ihre Nachbarschaftshilfe an. Wirklich, damit hatten wir nicht gerechnet. Ich hatte schon Angst, man würde in der Anonymität dieser Großstadt untergehen.« »Wieviel darf ich notieren, Madam?« Der pensionierte Major zückte seine Sammelliste. »Sie möchten sicher meinen Ausweis sehen, vermute ich?«
»Aber nein, Sir!« Ruth Morton schüttelte den Kopf. »Ihnen sieht man die Ehrlichkeit doch an. Ich werde, sagen wir, zwei Pfund spenden.« »Viel Arbeit im Haus, Madam, wie ich höre.« Der Pensionierte trug die Spende in die Liste ein. »Sehe seit Tagen, daß hier Schutt weggeschafft wird. Große Umbauten, wie ich vermute.« »Neue Trennwände, alter Putz und dann ein neuer Kamin.« Ruth Morton reichte dem ehemaligen Major die Geldspende. »Ich weiß im Moment nicht, wo mir der Kopf steht.« »Wird sich alles geben, Madam, glauben Sie mir.« Nach einer knappen und korrekten Verbeugung verabschiedete der Mann sich von Ruth Morton und ging zum nächsten Haus. Hier wiederholte sich das Ritual. Der Pensionär zeigte Ausweis und Liste, unterhielt sich ein wenig mit der Hausfrau und wanderte weiter. »Ob er Verdacht geschöpft hat?« fragte Ruth Morton, die zu Ben Granby zurückgekehrt war. »Unsinn, wie denn? Und selbst wenn, Ruth, in spätestens drei Tagen verschwinden wir von hier. Dann kann er sich den Bau hier vom Dach bis 'runter zum Keller ansehen. Wir sind dann längst über alle Berge.« * Der ehemalige Major nahm seine Sache sehr ernst. Er ließ kein Haus aus, sammelte geduldig, machte Eintragungen und betrat schließlich eine Telefonzelle. Er wählte eine ganz bestimmte Nummer und beobachtete dann die nähere Umgebung der Telefonzelle. »Major Ernest«, meldete er sich, als auf der Gegenseite abgehoben wurde. »Mr. Parker, ich vermute, daß meine Arbeit nicht ohne Erfolg gewesen ist.« »Ich erlaube mir, Sir, mich bereits schon jetzt im Namen von Mylady zu bedanken.« »Diese Morton arbeiten nach Aussagen der Nachbarn schon seit gut einer Woche am Umbau des Hauses«, berichtete Major Ernest. »Während dieser Zeit wurden immer wieder Müllcontainer gebracht und abgeholt.« »Konnten Sie möglicherweise etwas über die Anzahl dieser Container in Erfahrung bringen?« »Über ein Dutzend, Mr. Parker. Und alle waren gut gefüllt. Ich bin kein Kriminalist, aber ich möchte sagen, daß man so viele Mauerwände nicht herausreißen kann. Und noch etwas: Neues Baumaterial wurde erstaunlicherweise nicht angeliefert. Das sagten die Nachbarn arglos aus.« »Eine sehr wichtige Feststellung, Sir.« »Ich hoffe, ich konnte Mylady einen Gefallen erweisen.« »Mit letzter Sicherheit, Sir! In Myladys Auftrag darf ich Ihnen schon jetzt einen Scheck für das Veteranenheim anbieten.« »Nun, dann werde ich weitermachen, Mr. Parker.«
»Darum möchten Mylady sehr bitten«, gab Parker zurück. »Man wird Ihr Tun mit einiger Sicherheit beobachten.« »Und herausfinden, daß ich echt bin.« Major Ernest lachte dröhnend. »Hätte größte Lust, auch in Zukunft mal für Mylady tätig zu sein, wie ich offen zugeben muß.« »Mylady wird dieses hochherzige Angebot dankbar begrüßen.« Major Ernest legte auf und machte sich wieder daran, weitere Spenden zu sammeln. Ob er dabei nun tatsächlich beobachtet wurde oder nicht, vermochte er nicht zu sagen. Es fehlte ihm an der Erfahrung, etwaige Verfolger zu entdecken. Er klapperte die Brick Street ab, sammelte in der nahen Hertford Street für das Veteranenheim, wechselte hinüber zur Curzon Street und war danach in der Half Moon Street zu sehen. Inzwischen kehrte die etwa fünfzehnjährige Helen Morton in das Haus ihrer Familie zurück. , »Das kann unmöglich dieser Butler sein«, berichtete sie ihrer Mutter und Ben Granby. »Der Bursche ist tatsächlich von Haus zu Haus gegangen. Der ist echt!« »Sieht so aus.« Granby nickte nachdenklich. »Ich habe nämlich inzwischen bei den Veteranen angerufen. Die Adresse und Rufnummer standen ja schließlich auf der Quittung. Diesen Major Ernest gibt es tatsächlich, und dieser Bursche ist unterwegs, um Spenden zu sammeln.« »Dann brauchen wir uns ja keine Sorgen zu machen«, fand Helen Morton. »Denke ich auch, Helen.« Granby nickte. »In drei Tagen sind wir sowieso durch.« »Und während dieser drei Tage hat Parker genug mit Miß Porter zu tun«, erinnerte Helen Morton. »Was glaubst du, Ben, wird Piles die fünfzigtausend mit uns teilen?« »Daran glaub' ich keinen Moment.« »Und das nimmst du so ohne weiteres hin?« »Wer sagt denn das?« Ben Granby lächelte spöttisch. »Er wird gar keine Gelegenheit bekommen, uns übers Ohr zu hauen.« »Ach so, du meinst... ?« Helen Morton brach ihren Satz ab und nickte verstehend. »Ich meine.« Er nickte. »Er wird keine Gelegenheit bekommen, in die Schweiz zu fliegen. So was wie Piles schaltet man aus, bevor es gefährlich wird. Laß mich nur machen!« * Butler Parker befand sich wieder in der Unterwelt. Vom Geheimgewölbe aus war er hinunter in die Kanalisation gestiegen und orientierte sich anhand eines Kompasses. Diesmal wußte er, wo er zu suchen , hatte. Die Lage der Brick Street war ihm bekannt. Und ebenfalls bekannt war ihm auch die Lage einer dort nahen Bank, die sich auf Ost-Westhandel spezialisiert hatte.
Es gab hier unten wieder die üblichen Ratten, diese seltsamen, unheimlichen Geräusche, das Gurgeln des Wassers und das Rauschen der Abwässer im Hauptsammler. Parker hatte diesmal mehr Zeit. Lady Simpson wußte, wohin er sich begeben hatte. Sie hielt im Haus Telefonwache und konnte nichts auf eigene Faust unternehmen. Sie rechnete mit einem weiteren Anruf Nobby Piles, der sich wohl erkundigen würde, ob die Überweisung der fünfzigtausend Pfund bereits erfolgt sei. Parker brauchte gut dreißig Minuten, bis er seiner Schätzung nach die Gegend erreicht hatte, wo die Brick Street sich befand. Hier suchte er intensiv nach einem Ein- oder Ausstieg. Er war inzwischen fest davon überzeugt, daß die Bewohner des bewußten Hauses keineswegs Umbauten vornahmen, sondern daß sie sich an die Bank heranarbeiteten. Der Schutt, der in die vielen Container gewandert war, konnte nur von dieser unterirdischen Wühlarbeit herrühren. Auf seiner Taschenuhr war es inzwischen zweiundzwanzig Uhr geworden. Parker leuchtete mit seiner Handlampe die gemauerten Kanalwände ab, kontrollierte einige Abzweigungen und... wurde plötzlich alarmiert. In einer engen Abzweigung, in die viele kleine Rohre mündeten, entdeckte er eine Kanalwand, deren Ziegel einen noch sehr sauberen Eindruck machten. Parker arbeitete sich mühsam an dieses Wandteilstück heran und klopfte es mit der Hand ab. Hinter dieser Wand mußte sich eine hohle Stelle befinden. Parker nahm ein Fallschirmmesser zur Hand und stocherte in den Ritzen des Teilstücks, das sich plötzlich löste. Parker bog mit der Hand die zentimeterstarke Kunststoffplatte nach vorn und leuchtete in den Hohlraum. Innerlich zollte er den Erbauern dieser Tarnwand seine ehrliche Anerkennung. Die Ziegelsteine bestanden nur aus dünnen Kunststoffriemchen, wie man sie im Fachhandel bekommt, um Mauerwerk für Kamine oder Fassaden vorzutäuschen. Hinter dieser Tarnwand führte der enge Seitenkanal weiter, wie das Licht seiner Handlampe bewies. Butler Parker verzichtete darauf, diesen Kanal zu begehen. Seiner Berechnung nach führte er unter das Haus, in dem die Mortons wohnten. Sie hatten diese Tarnung angebracht, um jedem Verdacht durch Kanalarbeiter vorzubeugen. Parker drückte die Tarnwand geschickt zurück in die Fuge und verließ den engen Seitenkanal. Nun wußte er, wonach er zu suchen hatte. Es galt, eine ähnliche Tarnwand zu finden, die den Weg zum Tresorraum der Bank kaschierte. Er befragte wieder seinen Kompaß und brauchte noch mal zwanzig Minuten, bis er vor einer weiteren Abzweigung stand. Er leuchtete in diesen niedrigen Kanal und nickte, als das gebündelte Licht der Handlampe auf eine Ziegelwand fiel, die das Ende dieses Seitenkanals ankündigte. Nun mußte Parker, ob er wollte oder nicht, hinunter in das Abwasser. Er war froh, daß er die hohen Fischerstiefel trug. Es roch hier unten erbärmlich schlecht.
Parker hatte längst die Atemmaske angelegt, um überhaupt normal atmen zu können. Die Abschlußwand dieses engen Kanals war ebenfalls nur vorgetäuscht. Parker benutzte wieder das Fallschirmmesser, um die angebliche Ziegelwand aus ihrer Halterung zu stemmen. Sie reichte übrigens nicht bis hinunter zum Kanalboden. Es gab unterhalb der Abwässeroberfläche einen Durchlaß von etwa fünfzehn Zentimeter, damit die Abwässer, wenn auch träge, immerhin noch abfließen konnten. Diesmal ging Parker weiter. Er stiefelte durch den Schmutz und fand dann die >Baustelle< der Tresorknacker. Hier war bereits ganze Arbeit geleistet worden, wie sich zeigte. Die Grundmauern eines offensichtlich sehr alten Hauses waren in einem Geviert von etwa anderthalb Metern Durchmesser aufgerissen worden. Von dieser Außenmauer aus führte ein ähnlich großer Gang etwa vier Meter in das Haus und endete vor einer aus Beton gegossenen Mauer. Auch sie war bereits nachhaltig angebohrt worden. Über ein Dutzend daumenstarker Bohrlöcher waren im Beton zu erkennen. Möglicherweise handelte es sich um Sprenglöcher. Die Absicht der Gangster war klar. Zum geeigneten Zeitpunkt sollte wohl der Rest der Betonwand herausgesprengt werden. Und hinter dieser Betonwand konnte sich nur der Tresorraum der Bank befinden, der wahrscheinlich ein Vermögen enthielt. Parker schaute sich alles sehr genau an, um dann den Rückweg anzutreten. Er brachte die Tarnwand wieder in die alte Stellung und marschierte dann zurück zum Ausgangspunkt. Er hatte den Hauptsammler noch nicht ganz erreicht, als er das Licht ausmachte und Stimmen hörte. Parker verbarg sich in einer Nische und beobachtete die Kanalarbeiter. Er machte drei Männer aus, die schweres Gerät mit sich schleppten. Sie hielten auf die Tarnwand zu, die Parker eben erst wieder in Ordnung gebracht hatte. Die drei Männer kamen überhaupt nicht auf den Gedanken, eventuell beobachtet zu werden. Sie verschwanden hinter der Tarnwand und hakten sie hinter sich wieder ein. Nach etwa zehn Minuten hörte Parker das Bohren, mit dem alles angefangen hatte. Die Kanalratten, wie er die Gangster insgeheim nannte, arbeiteten sich noch näher an ihre Millionenbeute heran ... * »Piles hat angerufen«, sagte Lady Simpson, während sie ihren Butler naserümpfend anschaute. »Er wollte wissen, ob das Geld bereits überwiesen sei.« »Er gab sich mit Myladys Versicherung zufrieden?« »Er will morgen in der Schweiz anrufen und nachfragen, ob das Geld tatsächlich für ihn bereit hegt. Du lieber Himmel, Mr. Parker, man riecht sehr deutlich, woher Sie gekommen sind!«
»Ich werde mich beeilen, Mylady von meiner Gegenwart zu befreien«, versprach Parker und blieb in sicherer Entfernung stehen. »Die Suche war erfolgreich, wie ich nur schnell vermelden möchte.« »Sie wissen, um welche Bank es sich handelt?« »Eindeutig, Mylady! Zur Zeit arbeiten drei Männer daran, die trennende Betonwand weiter anzubohren.« »Und was werde ich nun tun?« »Ich werde Mylady in etwa zehn Minuten Rede und Antwort stehen können«, entgegnete der Butler. »Ich muß gestehen, daß der Geruch, den ich mitgebracht habe, penetrant zu nennen ist.« »Ich werde mir inzwischen etwas einfallen lassen«, sagte Agatha Simpson wohlwollend. »Nehmen Sie sich nur Zeit, Mr. Parker!« Butler Parker brauchte doch gut eine Viertelstunde, bis er wieder im Salon erschien. Ihn umgab eine Spraywolke, die nach Fichtennadeln roch. »Da sind Sie ja endlich«, meinte die Lady ungeduldig. »Ich habe nachgedacht und eine nette Lösung gefunden.« »Mylady machen mich, wie ich bekennen muß, ungemein neugierig.« »Wir lassen die Gangster die Betonwand aufsprengen und erwarten sie dann im Tresor«, sagte die Detektivin. »Diese Gesichter möchte ich dann sehen!« »Eine äußerst reizvolle Vorstellung, Mylady.« »Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?« »Nun, Mylady, eine Sprengung könnte großen Schaden anrichten, den man nie vorausberechnen kann.« »Na, und? Das Bankgebäude gehört mir ja schließlich nicht.« »Es könnte zu einer Schießerei kommen, Mylady.« »Dann schießen wir eben zurück.« »Was halten Mylady davon, diese Tresorknacker einzumauern?« »Das wollte ich gerade vorschlagen.« Sie war sofort begeistert und vergaß prompt ihren Plan. »Und wie machen wir das?« »Der Gang von der regulären Kanalwand bis zur Grundmauer der Bank beträgt etwa vier Meter«, sagte Parker. »Die drei Gangster werden voll damit beschäftigt sein, ihre Bohrer in den Beton zu treiben. Man wird sich ihnen also relativ ungestört nähern können.« »Warum umständlich, wenn es auch einfach geht!« Sie schüttelte den Kopf. »Dann könnte man die drei Subjekte ja auch festnehmen.« »Mylady denken gewiß an Miß Porter«, erinnerte der Butler. »Laut Myladys Theorie ist Mr. Piles ein Mitglied dieser Bande. Nähme man die Gangster nur fest, besäßen sie mit Miß Porter eine treffliche Trumpfkarte in Händen, die sie nach Belieben ausspielen könnten. Eingemauert aber werden die Herren mit Sicherheit redselig werden.« »Sie wollen hinter den bohrenden Gangstern eine Mauer hochziehen?« Agatha Simpson schüttelte den Kopf. »Wie stellen Sie sich das vor? Die reißen sie doch mit Leichtigkeit ein.«
»In der Tat, Mylady, deshalb müßte man eine Konstruktion erstellen, die ein Einreißen unmöglich macht.« »Ich hoffe, Sie haben da bereits eine Idee, Mr. Parker!« »Sehr wohl, Mylady. Wenn es erlaubt ist, werde ich die erforderlichen Vorbereitungen sofort treffen. Nach Lage der Dinge werden die Gangster noch für einige Stunden unten im Kanal sein.« * Willie Coswick war der Besitzer einer Schrottverwertung in der Nähe der West India Docks. Er stand schlaftrunken und whiskyumnebelt in der Tür seiner Steinbaracke und starrte den Butler aus rot unterlaufenen Augen an. »Sie?« fragte er, als es bei ihm gezündet hatte. »Ich brauche Ihre Hilfe, Mr. Coswick«, sagte Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Ich war so frei, die Zeichnung gleich mitzubringen.« »Zeichnung? Soll ich etwa um diese Zeit arbeiten?« »Und zwar sehr konzentriert, Mr. Coswick. Lady Simpson setzt auf Ihre Hilfsbereitschaft.« »Das alte Schlachtroß?« Der stämmige, untersetzte Mann grinste anerkennend. Er war Lady Simpson und Butler Parker sehr verpflichtet. Sie hatten ihn vor Jahresfrist mal aus einer bösen Lage befreit, als er unter Mordanklage gestanden hatte. »Sie sollten möglichst sofort beginnen, die Zeit drängt, um es deutlich auszudrücken.« »Ich bin noch völlig betrunken, Mr. Parker.« »Dies wird sich im Lauf der Arbeit geben, Mr. Coswick. Wenn Sie sich nun die Zeichnung ansehen wollten? Ich denke, Sie werden kaum Schwierigkeiten haben, diesen faltbaren Deckel anzufertigen.« »Kommen Sie erst mal 'rein in die gute Stube!« Willie Coswick drehte sich um und ging zurück in seine Baracke, die auf dem großen Schrottplatz stand. Er schaltete ein zusätzliches Licht ein und beugte sich über die Zeichnung, die Parker bereits ausgebreitet hatte. »Sie sollten besten Stahl verwenden«, sagte Parker. »Die Kreislinie dieses Bogens muß nicht exakt ausfallen. Mir kommt es darauf an, daß ich diesen Deckel, um es mal so auszudrücken, zusammenfalten kann. Später möchte ich die beiden Hälften wieder auseinander nehmen können, um sie dann gegen die Scharniere vor einer anderthalb Meter breiten Öffnung anlegen zu können. Ferner benötige ich einige Eisenträger von jener Länge, wie hier angegeben.« »Klar wie dicke Tinte, Mr. Parker. Sie wollen etwas zusperren und verkeilen, wie?« »Sie sagen es, Mr. Coswick. Ich werde Ihnen selbstverständlich zur Hand gehen.« »Ich denke, das läßt sich machen.
Wann soll das Faltding fertig sein?« »In spätestens einer Stunde, Mr. Coswick!« »Ausgeschlossen, Mr. Parker.« »Sind Sie sicher, Mr. Coswick?« Parker sah den Schrotthändler aus seinen grauen Augen ruhig und gelassen an. »Anderthalb Stunden«, korrigierte Coswick sich daraufhin hastig. »Man, wird sehen.« Parker streifte sich den schwarzen Zweireiher ab und holte einen grauen Kittel aus seiner schwarzen Ledertasche. »Ans Werk, Mr. Coswick! Gewisse Dinge dulden keinen Aufschub!« * Nach genau anderthalb Stunden befand sich Lady Agatha in der übelriechenden Unterwelt. Sie war durch den Brunnenschacht des Geheimgewölbes in den Hauptsammler eingestiegen und schleppte zusammen mit Parker die Sonderkonstruktion in Richtung Fundament des Bankhauses. Der Verschlußdeckel war von Willie Coswick in weniger als einer Stunde angefertigt worden. Butler Parker hatte dabei wertvolle Hilfe geleistet und diese Rekordzeit erst ermöglicht. Der Verschlußdeckel war halbwegs kreisrund und hatte einen Durchmesser von etwas über anderthalb Meter. Jetzt aber war dieses Gerät wesentlich kleiner und handlicher. Es bestand nämlich aus zwei Hälften, die in einer Richtung durch, schwere Scharniere zusammenzuklappen waren. Dieses runde >Eisensandwich< war mit einigen genau zugeschnittenen TTrägern >belegt<, die später zum Ankeilen des Deckels gedacht waren. Das Gewicht war beachtlich, doch Lady Simpson klagte nicht. Die Aussicht, den Gangstern solch einen bösen Streich spielen zu können, beflügelte die resolute Dame. Sie besaß Format, diese Lady Agatha. Die Ratten scherten sie überhaupt nicht, ja, man hatte fast den Eindruck, daß die fetten Nager sich beeilten, ihr aus dem Weg zu gehen. Wahrscheinlich spürten sie instinktiv, daß sie hier keinen Widerwillen auslösen konnten. Da der Weg jetzt bekannt war, verlief der Schwertransport glatt und reibungslos. Und als man die bewußte Abzweigung erreicht hatte, war das Bohren, Scharren und Pochen deutlich zu hören. Die Gangster arbeiteten noch immer im Schweiß ihres Angesichtes. Agatha Simpson konnte nicht widerstehen. Vor dem Anbringen des Verschlußdeckels mußte sie unbedingt einen Blick auf die >Baustelle< werfen. Sie schob sich an das Loch in der Kanalwand und sah die drei Männer, die wie Mineure tätig waren und zwei lange Bohrer in den Beton trieben. Sie hatten eine Art Hilfskonstruktion errichtet, über die Bohrer in den Beton geführt wurden. Das, eigentliche Bohren erfolgte durch schwere Kurbel, die
von Hand bewegt wurden. Hier unten mußten die Gangster ja notgedrungen auf einen elektrischen Antrieb verzichten. Die Bohrköpfe waren von beachtenswerter Schärfe. Sie waren wahrscheinlich mit Diamantsplittern besetzt. Sie fraßen sich erstaunlich schnell in den Eisenbeton. Lady Simpson schnaufte, arbeitete sich zurück und tippte den Butler an. Sie war bereit, die Falle zu schließen. Zusammen mit Parker faltete sie das >Eisensandwich< auseinander und drückte es gegen die Maueröffnung der Kanalwand. Sie stemmte sich gegen die schwere Eisenplatte, während Parker die T-Träger in die richtige Stellung brachte. Sie paßten ausgezeichnet und verkeilten das >Sandwich< so fest, als sei der Eisendeckel fest geschweißt. Jetzt erst schaltete Parker die Handlampe ein und vergewisserte sich, daß der Deckel auch korrekt die Öffnung abdeckte. Er holte einen schweren Hammer aus einem der hüfthohen Stiefel und trieb noch kleine Eisenkeile zusätzlich zwischen Träger und Kanalwand. »Ich glaube, auf diese Idee kann ich stolz sein«, meinte die ältere Dame, als Parker die Arbeit beendet hatte. »Dazu möchte ich Mylady besonders beglückwünschen«, antwortete Josuah Parker, ohne eine Miene zu verziehen. »Diesen Eisendeckel schaffen sie nicht mit ihren Bohrern«, redete die Lady weiter. »Aha, man hat endlich begriffen!« Das hatte man tatsächlich. Hinter dem > Eisensandwich« dröhnten plötzlich Klopfzeichen, die den Deckel aufdröhnen ließen. Die drei Gangster waren darauf gekommen, daß man ihnen den Rückweg abgeschnitten hatte. Sie hämmerten mit Wut und Kraft gegen die schwere Eisenplatte, die sich aber nach wie vor nicht rührte. Parkers Konstruktion bewährte sich auf der ganzen Linie. »So, und jetzt werde ich mich mal um den Rest dieser ehrenwerten MortonFamilie kümmern«, sagte Agatha Simpson. »Nun kommen Sie doch endlich, Mr. Parker. Ich habe keine Lust, hier unten ein Picknick zu veranstalten!« * »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, meinte Chief-Superintendent McWarden. »Dann strengen Sie sich auch nicht unnötig an«, erwiderte Agatha Simpson spitzzüngig wie üblich. »Natürlich hätten Sie mich wesentlich früher informieren müssen«, fügte McWarden hinzu. »Sind Sie sicher, daß Sie die Tresorknacker dann auch wirklich gefaßt hätten?« »Nun denn.« McWarden hüstelte. »Auf jeden Fall möchte ich mich bedanken, Mylady. Man kann nicht jeden Tag solch eine raffinierte Bande festnehmen.« »Es war eine kleine und hübsche Abwechslung für mich«, behauptete die ältere Dame wegwerfend. »Das mit dem zusammenklappbaren Eisendeckel war Spitze«, meinte McWarden und lächelte.
»Mr. Parker ging auf meine Anregung sofort ein«, sagte Lady Agatha unverfroren. »Man muß eben Ideen haben.« »Diese Mortons haben bereits umfassende Geständnisse abgelegt.« ChiefSuperintendent McWarden überhörte Myladys Feststellung großzügig. »Sie sind auch für die Einbrüche in Liverpool, Manchester und Birmingham verantwortlich. »Was wären Sie ohne mich, junger Mann!« Agatha Simpson konnte das Sticheln nicht lassen. »Mr. Parker, ich denke, Sie sollten Mr. McWarden einen Sherry servieren.« »Da wäre nur noch eines«, schickte McWarden voraus. »Ich meine, es ist nur eine Frage, die mich vielleicht nichts angeht.« »Wahrscheinlich, aber reden Sie dennoch.« »Von diesem Nobby Piles haben Sie bisher noch nichts gehört, oder? Und Miß Porter ist wohl für ein paar Tage verreist, nicht wahr?« »Richtig«, antwortete Lady Agatha. »Dürfen Sie im Dienst überhaupt trinken, McWarden?« »Ich kann es mir leisten«, beruhigte McWarden die Detektivin und genoß den wundervoll trockenen Sherry. »Ich frage nur, weil die Morton-Gangster sich beklagt haben.« »Das ist doch eine unerhörte Frechheit.« Agatha Simpson lächelte. »Worüber beklagten sich diese Subjekte denn?« »Sie sollen sich bei Mrs. Morton sehr nachdrücklich nach Nobby Piles erkundigt haben, Mylady.« »Nachdrücklich, aber höflich.« Lady Agatha nickte bestätigend. »An solch unwichtige Kleinigkeiten erinnere ich mich nicht.« Lady Simpson machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mrs. Morton will Ihnen unter Druck verraten haben, wo Mr. Piles sich aufhält.« »Hat sie auch Ihnen die Adresse genannt?« »Natürlich, und meine Leute sind sofort dorthin gefahren, aber Piles war schon nicht mehr da.« »Dann kann ich mir diese Fahrt ja ersparen«, erwiderte die Detektivin. »Sie wissen zufällig nicht, wo Piles sich augenblicklich aufhält, Mylady?« »Wissen wir das, Mr. Parker?« Die ältere Dame wandte sich an ihren Butler. »Darf ich Ihnen noch einen Sherry servieren?« erkundigte Parker sich bei McWarden. »Gern«, antwortete der Chief-Superintendent. »Ich glaube, ich sollte keine weiteren Fragen stellen.« »Wie sensibel und taktvoll Sie doch manchmal sein können«, lobte Lady Simpson ihn. »So sollten Sie von mir aus bleiben, junger Mann, aber ich fürchte, ich werde schon bald wieder enttäuscht werden!« * Nobby Piles litt Höllenqualen.
Er befand sich in einem der Abwässerkanäle und hatte keine Chance, die stinkende Finsternis zu verlassen. Eine Handschelle verband sein rechtes Handgelenk mit einem Eisenring, der in der Kanalwand eingelassen war. Er war von Lady Simpson und Butler Parker in seinem Versteck überrascht und überwältigt worden. Bevor er nach seiner Schußwaffe hatte greifen können, war der Pompadour der Sechzigjährigen auf seiner an sich schon ramponierten Nasenwurzel gelandet. Daraufhin hatte der Killer erst mal seinen Geist aufgegeben. Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er sich hier unten am Eisenring wiedergefunden. Und von Parker und Lady Simpson war weit und breit nichts zu sehen oder zu hören gewesen. Wie lange er hier schon stand, wußte er nicht. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wer sein Versteck verraten hatte, war ihm klar. Dieser Verrat ging auf das Konto der Mortons, mit denen er bereits in Birmingham zusammengearbeitet hatte. Aber was nutzte dieses Wissen jetzt. Da sie ihn verpfiffen hatten, mußten sie ihrerseits Arger mit der alten Lady und Parker gehabt haben. Was aus den Mortons geworden war, wußte er ebenfalls nicht. Er wußte nur, daß dies hier der Vorhof der Hölle sein mußte. Immer wieder mußte er nach Ratten treten, die ihn aus nächster Nähe ansehen wollten. Und dann diese Dunkelheit, die seine Nerven in einer Art Dauervibration hielt. Dann das an- und wieder absteigende Schmutzwasser, das um seine Waden spülte, dieses unheimliche Schmatzen und Planschen im Abwasser. Auch Nobby Piles hatte von Krokodilen gehört, die sich im Kanalsystem befinden sollten. Er verfluchte seinen Plan, Lady Simpson anzapfen zu wollen, und verwünschte seine Absicht, Kathy Porter gegen ein Lösegeld einzutauschen. Sie war jetzt frei, er aber saß hier eisern fest und würde wahrscheinlich umkommen und nie gefunden werden... Da war wieder dieses unheimliche Schmatzen und Planschen, das deutlich näher kam. Nobby Piles keuchte vor Angst und Grauen. Und er schrie auf, als plötzlich dicht vor ihm ein Licht aufflammte. Er schloß geblendet die Augen, schluchzte dann aber vor Erleichterung auf. »Hoffentlich haben Sie sich nicht zu sehr gelangweilt, Mr. Piles«, hörte er die Stimme des Butlers. »Ho ... Holen Sie mich hier 'raus«, stöhnte Nobby Piles. »Hören Sie, Miß Porter ist doch überhaupt nichts passiert. Im Grund war das alles so was wie'n Ulk. Holen Sie mich 'raus, bitte!« »Mylady würde mir das nicht verzeihen«, erwiderte Parker. »Mylady ist der Ansicht, daß Sie ein sogenannter Killer sind.« »Nie... Niemals!« »Sie hielten Miß Porter fest und wollten sie wahrscheinlich sogar umbringen.« »Das hätt' ich nie getan, Parker. Ich hätt' sie gegen die fünfzigtausend Pfund freigelassen.« »Wie wollen Sie das beweisen? Sie hielten Miß Porter in einem Keller fest, den sie aus eigener Kraft nicht verlassen konnte.«
»Ich hätt' Ihnen bestimmt durchgegeben, wo sie ist, ehrlich.« »Und damit eine Zeugin freigegeben, die gegen Sie hätte aussagen können, Mr. Piles! Das soll ich Ihnen abnehmen?« »Ich bring' keine Leute um.« »Es soll da aber laut Mr. Forster eine Liste von Personen geben, die Sie auf dem Gewissen haben.« Parker bluffte. »Forster lügt, daß sich die Balken biegen. Der hat doch selbst Dreck am Stecken.« »Darüber würde ich gern mehr von Ihnen hören.« »Dann hören Sie mal genau zu, was er und seine beiden Leibwächter Pete und Chester so alles auf dem Kerbholz haben.« Nobby Piles kam zur Sache und zählte auf. Er sah nicht, daß Parker ein kleines Tonbandgerät mitgebracht und inzwischen längst eingeschaltet hatte. Nobby Piles erwähnte schwere Körperverletzungen, einige Überfälle und einen Bankraub in der Provinz. , »Damit hat er sich doch seinen Laden gekauft und neu aufgezogen«, beendete Piles seine Aufzählung. »In der Branche ist das bekannt.« »Diese Aussage wird Mr. Forster aber gar nicht gern hören«, meinte Parker. »Hoffentlich belastet er Sie nicht, Mr. Piles.« »Wenn schon, jetzt ist mir alles egal. Ich will nur 'raus, raus, raus!« »Ich werde die Polizei verständigen«, versprach Parker und schaltete das Licht aus. »Inzwischen können Sie noch ein wenig in sich gehen, wie ich vorschlagen möchte. Vielleicht fallen Ihnen noch weitere Details ein.« »Sie... Sie wollen mich allein lassen?« »Nur für eine begrenzte Zeitspanne, Mr. Piles, aber legen Sie mich nicht fest, was die Länge dieser Zeitspanne anbetrifft. Zeit ist ja bekanntlich relativ.« * In der Charles Street, in der Nähe von Shepherd's Market, hatte sich ein Bautrupp eingerichtet. Es ging um den Abriß eines alten Hauses, und ein Räumbagger rollte heran, um den Bauschutt in Lastwagen zu laden. Das heißt, diese Arbeiten wurden gerade eingestellt, da die Arbeiter die übliche Teepause einlegten. Mit einem französischen Renault 4 waren Tee und Sandwiches herangekarrt worden. Die Arbeiter strömten herbei, um sich zu laben und neue Kraft zu tanken. Der Bauarbeiter auf dem Bagger senkte die mächtige Schaufel mit den riesigen Eisenzähnen und ... bekam plötzlich einen Schluckauf. Dicht vor den Raupen befand sich ein gußeiserner Kanaldeckel, der sich geheimnisvoll rührte. Der Baggerführer stierte auf den Kanaldeckel, der zentimeterweise hochgedrückt wurde, sich aus der Fassung hob und dann zur Seite geschoben wurde. Als der Baggerführer aufschrie, wurden seine Kollegen aufmerksam und wandten sich zu ihm um. Nun sahen auch sie, was sich tat.
Nachdem der gußeiserne Deckel zur Seite geschoben war, erschien zuerst die Wölbung einer schwarzen Melone, dann ein Gesicht, in dem sich kein Muskel rührte. Es folgte ein Oberkörper, der in einem schwarzen Zweireiher steckte, dann Leib und Beine. Der Mann, der aus der Unterwelt ans Tageslicht stieg, war korrekt gekleidet und kümmerte sich überhaupt nicht um die Bauarbeiter, die an eine Geistererscheinung glaubten. Der korrekt gekleidete Mann - es handelte sich selbstverständlich um Butler Parker - sah über sich die Greifzähne des Baggers und lüftete höflich seine schwarze Melone in Richtung Baggerführer, während er sich den Griff eines altväterlich gebundenen Regenschirms über den angewinkelten Unterarm legte. »Darf ich Sie um die Freundlichkeit bitten, den Gußdeckel zurück in seine ursprüngliche Lage zu bringen?« rief er dem Baggerführer zu. »Meinen tief empfundenen Dank im voraus!« »Wo... Woher kommen denn Sie?« fragte der Vorarbeiter, der sich an Parker herangetraut hatte. »Ist das wirklich so schwer zu bestimmen?« gab der Butler höflich zurück. »Um aber genau zu sein, ich komme von Shepherd's Market.« »Ge... Ge... Gehen Sie immer diesen Weg?« »Nur, wenn ich es besonders eilig habe«, lautete Parkers Antwort. »Mit dem Wagen kommt man um diese Zeit ja kaum voran.« Er lüftete erneut seine schwarze Melone und schritt weiter, als sei der Ausstieg aus einem Kanalschacht die selbstverständlichste Sache der Welt. Er ließ einen Trupp total verwirrter Bauarbeiter zurück, die den heißen Tee ablehnten und nach Schnaps verlangten. Parker aber schritt auf einen Police-Constable zu, der auf die Szene aufmerksam geworden war. »Sie ... äh... Sie sind da gerade aus dem Kanalschacht gekommen?« fragte der Mann. »Sie besitzen gute Augen und einen offensichtlich geschärften Verstand«, stellte Parker fest. »Das ... Das ist nicht gerade üblich, Sir.« »Dem möchte ich auf keinen Fall widersprechen, Officer«, antwortete Parker in seiner korrekten Art. »Eigentlich ist das sogar verboten«, redete der Constable weiter. »Diesen Passus im Gesetz sollten Sie mir bei Gelegenheit mal zeigen«, bat Parker. »Würden Sie Chief-Superintendent McWarden verständigen und ihm mitteilen, daß sich dort unten ein gewisser Nobby Piles befindet?« »Da... Da unten ist noch ein Mann?« Der Bobby schnappte sichtlich nach Luft und zweifelte an seinem und Parkers Verstand. »Mr. Piles dürfte die Orientierung verloren haben«, fügte Parker hinzu. . »Aber das ist ja auch kein Wunder, die Licht- und Sichtverhältnisse bedürfen noch einer Aufbesserung. Ich erlaube mir, noch einen guten Tag zu wünschen. Und meine Empfehlung an den Chief-Superintendent! Mein Name ist Parker, Josuah Parker!«
Der Butler lüftete seine schwarze Melone und schritt gemessen von dannen, um sich im nahen Park ein wenig zu ergehen und auszulüften. ENDE scan: crazy2001 @ 10/2011 corrected: santos22
Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen Nr. 178
Parker zieht dem Boß die Zähne Gangster hatten sich eine völlig neue Methode einfallen lassen, um schnell an Geld zu kommen. Sie kassieren mühelos ab und schafften beiseite, was immer hohen Profit versprach. Bis sie dann ein, zwei Pannen hatten, über die sie allerdings nicht weiter nachdachten. Butler Parker hingegen wurde mißtrauisch und Interessierte sich plötzlich für das weite Feld der Zahnheilkunde, um ein paar Stunden später bereits seinen ersten Ärger zu kriegen. Lady Agatha, die resolute Dame mit dem Charme eines Kampfpanzers, erlitt eine peinliche Niederlage, während Kathy Porter Höllenqualen erdulden mußte. Butler Parker aber sorgte für neue Kronen und Brücken, bohrte diverse Nerven an und zog einem raffinierten Gangsterboß die Zähne. Günter Dönges schrieb einen neuen Parker-Krimi, der die Nerven vibrieren läßt, obgleich man auch am befreienden Lachen und Schmunzeln nicht vorbeikommen wird. Ein neuer Krimi, wie ihn nur Butler-Parker bietet!