Dieter Pesendorfer Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik
Dieter Pesendorfer
Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik ...
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Dieter Pesendorfer Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik
Dieter Pesendorfer
Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik Von den Anfängen der Umweltzu einer Nachhaltigkeitspolitik: Modellfall Österreich?
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien.
1. Auflage September 2007 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Monika Mülhausen / Marianne Schultheis Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15649-1
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................... 8 1
Vorwort ................................................................................................................ 11
2
Einleitung ............................................................................................................. 13 2.1 Was ist Umweltpolitik?........................................................................................16 2.1.1 Ökologische Modernisierung ........................................................................17 2.1.2 Paradigmen in der Umweltpolitik – Forschungsstand ..................................19 2.1.3 Ziele einer umweltpolitischen Paradigmenanalyse.......................................22 2.1.4 Policy-Analysen ............................................................................................25 2.1.5 Politikwandel und Politikstile .......................................................................25 2.1.6 Der Paradigmenbegriff und seine Bedeutung in der Politikwissenschaft.....26 2.1.7 Theorien und Ansätze zur Erklärung von Policy-Wandel und Policy learning...............................................................................................28 2.1.8 Der Advocacy-Coalition-Ansatz...................................................................30 2.1.9 Diskursanalytische Kritik und Ergänzung ....................................................34 2.1.10 Die Grenzen der Steuerbarkeit ......................................................................38
3
Die Entstehung der Umweltpolitik in Österreich................................................. 45 3.1 Vorläufer und Wurzeln des modernen Umweltschutzes .....................................48 3.2 Wo setzt die erste Phase an? ................................................................................54 3.3 Sozialdemokratische Aufbruchsphase .................................................................56 3.3.1 Die Entstehung der sozialdemokratischen Umweltpolitik............................59 3.3.2 Die Umweltpolitik der Parteien am Beginn der 1970er Jahre ......................63 3.3.3 Die Entstehung des Umweltrechts ................................................................66 3.3.4 Die Gründung des Bundesministeriums für Gesundheit und Umwelt .........67 3.3.5 Der Kampf des BMGU um Kompetenzen...................................................73 3.3.6 Umweltforschung in der ersten Periode........................................................81 3.3.7 Wachsender politischer Druck von unten .....................................................85 3.4 Umweltthemen im SPÖ-Parteiprogramm 1978 ...................................................90 3.5 Regierungserklärung 1979 ...................................................................................92 3.6 Policy-Making in der Umweltpolitik der 1970er Jahre .......................................92
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Umweltpolitik in den 1980er Jahren.................................................................. 103 Österreich auf der Nachholspur .........................................................................106 Umweltpolitische Positionen der Parteien am Beginn der 1980er Jahre...........113 Umweltpolitische Zielsetzungen der sozialliberalen Koalition .........................117 Das neue Grundsatzprogramm der FPÖ ............................................................118 Umweltpolitische Aussagen der Opposition......................................................118
4.6 Zuspitzung des Paradigmenkonflikts .................................................................120 4.7 Die Durchbruchsphase .......................................................................................125 4.7.1 Der Einzug der Grünen in den Nationalrat und neue Regierungskonstellation ..............................................................................127 4.7.2 Reaktionen der Regierungsparteien ............................................................129 4.7.3 Staatliche Umweltpolitik.............................................................................134 4.7.4 Wandel der Industrie ...................................................................................135 5
Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik in den 1990er Jahren ............................... 139 5.1 Umwelt im Arbeitsübereinkommen der Großen Koalition 1990 ......................141 5.2 Umweltthemen in den Arbeitsübereinkommen 1994 und 1995 ........................142 5.3 Parteien...............................................................................................................144 5.3.1 SPÖ .............................................................................................................144 5.3.2 ÖVP.............................................................................................................147 5.3.3 FPÖ .............................................................................................................148 5.3.4 Die Grünen ..................................................................................................149 5.3.5 Das Liberale Forum.....................................................................................151 5.4 Der Diskurs um „neue“ umweltpolitische Instrumente .....................................152 5.5 Sinnkrise der Umweltverbände..........................................................................160 5.6 Der Nationale Umweltplan ................................................................................164 5.7 Nachhaltigkeitsforschung in Österreich.............................................................171 5.7.1 Kulturlandschaftsforschung ........................................................................171 5.7.2 Ökoprofit .....................................................................................................172 5.7.3 Impulsprogramm Nachhaltig Wirtschaften.................................................173 5.8 Neue Akteursnetzwerke für Nachhaltigkeit.......................................................173 5.8.1 Österreichischer Klimabeirat – Austrian Council on Climate Change (ACCC) ..........................................................................................174 5.8.2 Klimabündnis – ein Beitrag zur internationalen Solidarität .......................174 5.8.3 Alpenschutzkommission – CIPRA Österreich............................................175 5.8.4 SUSTAIN ....................................................................................................175 5.8.5 Akteursnetzwerk Nachhaltiges Österreich..................................................176 5.8.6 Österreichischer Rat für Nachhaltige Entwicklung ....................................176 5.8.7 Der Austrian Business Council for Sustainable Development ...................176 5.8.8 Was haben die neuen Netzwerke bewirkt? .................................................177 5.9 Die Auswirkungen des EU-Beitritts ..................................................................177 5.9.1 Umweltpolitik im Vorfeld des Beitritts ......................................................182 5.9.2 Umweltpolitik nach dem Beitritt.................................................................184 5.10 Wandel in Industrie und Gewerbe .....................................................................188 5.11 Neoliberaler Minimalismus als neues Paradigma der 1990er Jahre? ................189
6
Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik im neuen Jahrtausend .............................. 195 6.1 Umweltpolitik im Regierungsübereinkommen 2000.........................................197 6.2 Umweltpolitik im politischen Diskurs ...............................................................198 6.3 Neuer Schwung durch die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie? ...............200 6.3.1 Das Grünbuch „Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“........................200 6.3.2 Vom Grünbuch zur Nachhaltigkeitsstrategie..............................................204 6.3.3 Die endgültige Strategie und der „versteckte“ Beschluss...........................207
6
6.3.4 Die Nachhaltigkeitsstrategie im Parlament.................................................208 6.3.5 Gesellschaftlicher Diskurs über die Nachhaltigkeit unter Schwarz-Blau...209 6.3.6 Die Umsetzung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie...................212 6.4 Wandel der Industrie ..........................................................................................213 6.5 Fortsetzung des neoliberalen Minimalismus......................................................215 6.6 Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen im Wahlkampf 2002 ..............................217 6.6.1 Umwelt- und Nachhaltigkeit in den Wahlprogrammen und programmatische Weiterentwicklungen .....................................................217 6.6.2 Bilanzen und politische Interventionen.......................................................219 6.6.3 Intervention der Umweltverbände ..............................................................220 6.6.4 Interventionen der Interessenvereinigungen ...............................................222 6.7 Umweltthemen bei der Regierungsbildung 2002/2003 .....................................222 6.7.1 Umwelt und Nachhaltigkeit im Regierungsprogramm Schüssel II ............228 6.7.2 Neue und alte umweltpolitische Akteure ....................................................230 6.7.3 Reaktionen umweltpolitischer Akteure.......................................................231 6.8 Rückkehr zur Vorreiterpolitik? ..........................................................................233 7
Lernen aus dem paradigmatischen Wandel?...................................................... 237
Literatur ............................................................................................................................ 239
7
Abkürzungsverzeichnis
Abg. ABl. ACF AK AL ALÖ ARA ARGE AWG AZ BAK BAT BAWP BGBl. BIP BKA BL BM BMBWK BMGU BMLF BMLFUW
Abgeordneter Amtsblatt Advocacy Coalition Framework Arbeiterkammer(n) Alternative Liste Alternative Liste Österreich Abwasserreinigungsanlage Arbeitsgemeinschaft Abfallwirtschaftsgesetz Arbeiterzeitung Bundesarbeitskammer (vor 1992: ÖAKT) Best available technology Bundesabfallwirtschaftsplan Bundesgesetzblatt Bruttoinlandsprodukt Bundeskanzleramt Bürgerliste Bundesministerium BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur BM für Gesundheit und Umwelt BM für Land- und Forstwirtschaft BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
BMU BMUJF BMVIT BMwA BRD B-VG BWK ChemG CKW CO2 COREPER CSD DoKW E.V.A. EC ECC ECE EEA EEB EG EIA
BM für Umwelt BM für Umwelt, Jugend und Familie BM für Verkehr, Innovation und Technologie BM für wirtschaftliche Angelegenheiten Bundesrepublik Deutschland Bundesverfassung Bundeswirtschaftskammer (seit 1992: WKÖ) Chemikaliengesetz chlorierte Kohlenwasserstoffe Kohlendioxid Komitee der Ständigen Vertreter in Brüssel Commission on Sustainable Development Donaukraftwerke AG Energieverwertungsagentur European Commission European Communities Council Economic Commission for Europe Europäische Umweltagentur European Environmental Bureau Europäische Gemeinschaft Environmental Impact Assessment
(Lebensministerium)
8
ELWOG EP EU Eurostat EVU EW(W)E EWG EWR F&E FAO FCKW FKW FOE FPÖ GABL GAL GATT GP IAEA IÖAG IPP ISO IUCN IV IWAS JVP KB, KBÖ KPÖ KWK LGBl. LiF LRTAP ME NGO NSB NUP o.J. ÖAAB ÖAKT ÖBIG OECD ÖFZS ÖGB ÖGNU ÖGR ÖGUT ÖH ÖIAG ÖIN ÖMV ÖNB OÖN ÖPUL
Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetz Europäisches Parlament Europäische Union Europäisches Statistisches Amt Energieversorgungsunternehmen Environmental Watch (Western) Europe Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Forschung und Entwicklung Food and Agriculture Organization Fluorchlorkohlenwasserstoff Fluorkohlenwasserstoff Friends of the Earth Freiheitliche Partei Österreichs Grün-Alternative Bürgerliste Grün-Alternative Liste bzw. Die Grünalternativen General Agreement on Tariffs and Trade Gesetzgebungsperiode International Atomic Energy Agency Initiative Österr. Atomkraftwerksgegner Integrierte Produktpolitik International Organization for Standardization International Union for Conservation of Nature and Natural Resources österr. Industriellenvereinigung (VÖI) Institut für Wassergüte und Abfallwirtschaft, TU-Wien Junge Volkspartei (ÖVP) Kommunistischer Bund Österreich Kommunistische Partei Österreichs Kraft-Wärme-Kupplung Landesgesetzblatt Liberales Forum Long-Range Transboundary Air Pollution Ministeialentwurf Non-governmental Organization Neue Soziale Bewegungen Nationaler Umweltplan ohne Jahr Österr. Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖVP) Österr. Arbeiterkammertag (seit 1992: BAK) Österr. Bundesinstitut für Gesundheitswesen Organization for Economic Cooperation and Development Österr. Forschungszentrum Seibersdorf Österr. Gewerkschaftsbund Österr. Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz /Umweltdachverband (UWD) Ökologische Gesamtrechnung Österr. Gesellschaft für Umwelt und Technik Österr. Hochschülerschaft Österr. Industrieverwaltungs AG (Verstaatlichte) Österr. Institut für Nachhaltigkeit Österr. Mineralölverwaltung Österr. Naturschutzbund Oberösterreichische Nachrichten Österr. Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und
9
ORF ÖRNE ÖSGAE ÖSR ÖSTAT ÖVGW ÖVP ÖVAF ÖWAV ÖWB ÖZPW PRÄKO SN SPÖ SRU TU UBA UIG UN UNCED UNCHE UNCSD UNDP UNEP UNESCO UNIDO UNO UVP UWD VCÖ UWF VfGH VG VGÖ VGR VO VOEST VÖI VSStÖ WBCS WBGU WBU WCED WHO WIFO WKÖ WMO WRG WTO WWF
10
den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft Österr. Rundfunk Österr. Rat für Nachhaltige Entwicklung Österr. Studiengesellschaft für Atomenergie Ökologische Steuerreform Österr. Statistisches Zentralamt, seit Jan. 2000: Statistik Österreich Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach Österreichische Volkspartei Österr. Vereinigung für Agrarwissenschaftliche Forschung, seit 2002: Österr. Vereinigung für Agrar-, Lebens- und Umweltwissenschaftliche Forschung Österr. Wasser- und Abfallwirtschaftsverband Österr. Wirtschaftsbund Österr. Zeitschrift für Politikwissenschaft Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs Salzburger Nachrichten Sozialdemokratische Partei Österreichs bundesdeutscher Rat von Sachverständigen für Umweltfragen Technische Universität Umweltbundesamt Umweltinformationsgesetz United Nations United Nations Conference on Environment and Development United Nations Conference on Human Environment United Nations Commission on Sustainable Development United Nations Development Programme United Nations Environment Programme United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations Industrial Development Organization United Nations Organization Umweltverträglichkeitsprüfung Umweltdachverband (ÖGNU) Verkehrsclub Österreich Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds Verfassungsgerichtshof Vereinigte Grüne Vereinigte Grüne Österreichs Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Verordnung Vereinigte Österr. Edelstahl-Werke Vereinigung der österr. Industrie Verband Sozialistischer Studenten Österreichs (SPÖ) World Business Council of Sustainability Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (BRD) Wahlgemeinschaft für Bürgerinitiativen und Umweltschutz World Commission on Environment and Development World Health Organization Österr. Institut für Wirtschaftsforschung Wirtschaftskammer (vor 1992: BWK) World Meteorological Organization Wasserrechtsgesetz World Trade Organization World Wide Fund for Nature (früher World Wildlife Fund)
1 Vorwort
Seit den späten 1960er Jahren ist die ökologische Krise zu einem politischen Thema geworden. Damals begannen die Industriestaaten, ihre Bemühungen zum Schutz der Umwelt international zu koordinieren, und auf nationaler Ebene wurde das neue Politikfeld Umweltschutz etabliert. Gleichzeitig entstanden in allen westlichen Industriegesellschaften neue Bürgerbewegungen, Bürgerinitiativen und Ökologiebewegungen, die sich für ökologische Anliegen engagierten und damit den vorherrschenden „Traum immerwährender Prosperität“ (B. Lutz) moderner Markt- und Geldwirtschaften und die damit stark verbundene Fortschritts- und Technikgläubigkeit herausforderten. Seither hat sich Vieles verändert und ist Vieles erreicht worden, um Industriegesellschaften ökologisch zu modernisieren. Grüne Parteien sind als Protestparteien entstanden und im Zuge eines Transformationsprozesses zu ‚normalen’ Parteien und regierungsfähig geworden bzw. haben in manchen Staaten sogar den Sprung in nationale Regierungen geschafft; Wertemuster in der Gesellschaft haben sich verändert und inkludieren nunmehr auch postmaterialistische Werte wie z.B. die Forderung nach einer sauberen und intakten Umwelt, die sich nicht länger als fortschrittsfeindlich und ein „Zurück zur Natur“ abtun lassen, weil deren Umsetzung längst als höchst anspruchsvolle technologische Modernisierung verstanden wird; lang etablierte Parteien haben die grüne Agenda programmatisch aufgesogen und reklamieren für sich, nicht nur als Regierungsparteien, einen überwiegenden Anteil an den Erfolgen bisheriger Umweltpolitik; die Massenmedien berichten regelmäßig von ökologischen Problemen und deren Bearbeitung, v.a. jedoch von immer wieder auftretenden oder drohenden Umweltkatastrophen; international konkurrieren „Vorreiterstaaten“ um relativ strenge Umweltstandards, um verbesserte Handlungskapazitäten und den Aufbau einer „Öko-Industrie“, die ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen und Wohlstand und Lebensqualität „nachhaltig“ sichern sollten. Doch nach wie vor gilt die Bewältigung ökologischer Krisen als die zentrale Herausforderung der kommenden Jahrzehnte, wenn nicht überhaupt des 21. Jahrhunderts, an der westliche Demokratien ihre Fähigkeiten zu tief greifenden Innovationen und Transformationsprozessen beweisen müssen. Der bundesdeutsche Rat von Sachverständigen für Umweltfragen stellte fest, dass „die allgemeine Qualität der Umwelt seit Beginn der modernen Umweltpolitik [sich] nicht insgesamt verbessert hat“ (SRU 2002: 21). Persistente Umweltprobleme, also „Probleme, bei denen staatliche Maßnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg keine signifikanten Trendverbesserungen herbeizuführen vermochten“ (ib.), bedrohen nach wie vor das Überleben der Menschheit. Diese Sichtweise gilt generell auch für die ‚Vorreiterregion’ Westeuropa, wie durch zahlreiche Studien der Europäischen Umweltagentur bestätigt wird. Aktuelle Probleme wie die BSE-Krise, die möglichen Gefahren der Gentechnik und von Chemikalien, der Artenverlust, die Erschöpfung natürlicher Ressourcen oder der vom Menschen verursachte Klimawandel stehen für die globale Herausforderung eines umfassenden Systemwandels. Eine wachsende Strömung im internationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurs geht davon aus, dass der Menschheit noch gut eine Generation Zeit bleibt, um die ökologische Krise zu bewältigen und dass sich ansonsten eine Kluft zwischen der ökonomischen und demokratischen Entwicklung öffnen wird, die sich bereits in gegenwärtigen Ressourcenkonflikten ankündigt und bedrohliche Szenarien
verspricht. Kriegerische Auseinandersetzungen um knappe Ressourcen und Schadstoffsenken könnten also das Zukunftsszenario ausmachen und wenig Raum für konsensorientiertes, demokratisches Handeln lassen. Der Wandel zu einer Politik der Nachhaltigkeit – also zu einer Entwicklung die langfristig ökonomisch, ökologisch, sozial und politischinstitutionell tragfähig ist – soll dieses Negativszenario abwenden helfen, indem neue Handlungskapazitäten gezielt aufgebaut werden (capacity-building). Als Ansatzpunkte einer solchen strategischen Neuausrichtung gelten u.a. neue institutionelle Arrangements, umweltbezogene strategische Allianzen, Politikintegration oder auch die Einbeziehung der internationalen Handlungsebene. Dieses Buch umfasst die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Analyse der Paradigmen der österreichischen Umweltpolitik seit ihrem Bestehen und den Ansätzen zu einer Politik der Nachhaltigkeit. Dieses Projekt wurde vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (ÖNB 8261) und dem Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung (FWF P14832-G04) gefördert. Beiden Fonds ist an dieser Stelle für die finanzielle Unterstützung und kooperative Zusammenarbeit zu danken. Schließlich hat das Wissenschaftsministerium Wien mit einem Druckkostenzuschuss zur Entstehung dieses Werkes beigetragen. Besonderen Dank schulde ich den Interviewpartnern, die einen wesentlichen Beitrag zur vorliegenden Studie geleistet haben, Mag. Agnes Rücker, die in der ersten Projektphase zu den Vorläufern moderner Umweltpolitik sowie zur Landwirtschafts- und Gewässerschutzpolitik eine wertvolle Vorarbeit geleistet und einige der Interviews durchgeführt und transkribiert hat, sowie insbesondere Professor Volkmar Lauber für eine langjährige exzellente Zusammenarbeit und viele anregende Diskussionen an der Universität Salzburg. Dieses Buch versteht sich als kritischer Beitrag zu einem breiten gesellschaftlichen Diskurs über die Zukunft der ökologischen Modernisierung von Industriegesellschaften und zur Politikberatung und richtet sich an alle jene, die an Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen im weitesten Sinn und den Chancen zur Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung interessiert sind: an Wissenschafter, Vertreter der Umwelt- und anderer Behörden, Politiker und Parteien, Verbände, Wirtschaftstreibende, Gewerkschafter, Umweltaktivisten, NGOs, Studierende, Lehrer, Medienvertreter sowie an alle interessierten Laien. Es soll einen Beitrag liefern zum besseren Verständnis der Entwicklungen der bisherigen Umweltpolitik und der Chancen und Probleme auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in einem Land, das sich selbst als Vorreiter sieht und auch international ein Pionierimage gewonnen hat.
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2 Einleitung
In einer Welt der wechselseitigen Abhängigkeiten und globaler Vernetzung ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Staaten versuchen, erfolgreiche Problemlösungsansätze und -strategien von anderen Ländern nachzuahmen. In der modernen Politikwissenschaft werden solche Lernprozesse unter vielfältigen Aspekten thematisiert und theoretisch wie empirisch erklärt. In der praktischen Umweltpolitik sind es seit jeher die Vorreiterländer, die besonderes Interesse gewonnen haben, insbesondere weil sie demonstrierten, dass eine ambitioniertere Politik nicht zu Lasten der wirtschaftlichen Entwicklung geht. Österreich als ein sehr kleines, reiches Land ist im Bereich des Umweltschutzes gemessen an den Erfolgen der letzten Jahrzehnte und den im internationalen Vergleich relativ hohen Umweltstandards heute führend. Nach einem zögerlichen und mühsamen Start in den 1970er Jahren entwickelte sich die Umweltpolitik in den 1980er Jahren rasant und machte das Land zu einem international anerkannten Vorreiter. Im Environmental Sustainability Index 2002 der Yale und Columbia University lag Österreich beispielsweise an hervorragender siebenter Stelle, hinter Finnland, Norwegen, Schweden, Kanada, der Schweiz und Uruguay; 2005 immer noch auf Platz 10 und 2006 sogar auf Platz 6 – diesmal hinter Neuseeland, Schweden, Finnland, Tschechien und UK.1 In einem von der österreichischen Wirtschaftskammer 2005 erstellten Nachhaltigkeitsranking geht Österreich als Sieger in der Europäischen Union hervor; in einem ebenfalls von der Wirtschaftskammer zusammengestellten „Super-Ranking“, das sieben aktuelle Rankings vergleicht, landet Österreich nur knapp hinter Schweden an sensationeller zweiter Stelle.2 Mitte der 1990er Jahre bescheinigte bereits die OECD Österreich eine Spitzenposition hinsichtlich umweltpolitischer Fortschritte und führte dies auf den konsensorientierten Politikstil durch die Einbindung der Sozialpartner, die weit verbreitete Gesetzestreue und die effektive Verwaltungsstruktur im österreichischen Föderalismus zurück (OECD 1995a). In Österreich wurde vom „grünen Flügel“ der konservativen Volkspartei (ÖVP) das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft erfunden und relativ erfolgreich nach Europa bzw. in den letzten Jahren über den Global Marshallplan weltweit exportiert – ein Konzept, das von seinen Vertretern als Vorwegnahme bzw. als österreichische Version des Nachhaltigkeitsgedanken interpretiert und positioniert wird. In mehreren Bereichen ist Österreich nicht nur unter den Vorreitern, sondern sogar auf dem ersten Platz in der EU: Stärken bestehen insbesondere beim Anteil erneuerbarer Energieträger (dank des hohen Anteils der Wasserkraft), beim Recycling, in der Biolandwirtschaft, beim Umweltmanagement und im überdurchschnittlich hohen Umweltbewusstsein der Bevölkerung. Auch bei den Umweltinvestitionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt hat Österreich einen der höchsten Werte. Anfang der 1990er Jahre begannen die Arbeiten an einem Nationalen Umweltplan (NUP), durch dessen Beschluss durch die Bundesregierung 1995 Österreich in die Reihe jener vorbildlichen Staaten aufrückte, die entsprechend der Agenda 21, dem Abschlussdokument des Weltentwicklungs- und Umweltgipfels 1
Siehe http://sedac.ciesin.org/es/epi/downloads.html. http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?DocID=565834&AngID=1&DstId=31&StID=272576&intTMSearch-C ount=1. 2
in Rio de Janeiro 1992, ein viel beachtetes Programm zu einer umfassenden Umweltplanung schufen. Der NUP ist weltweit bis heute das einzige Dokument dieser Art, in dem eine Dematerialisierung – also eine Verringerung des vom Menschen verursachten Ressourcenflusses – um einen Faktor 10 als langfristiges Ziel formuliert ist. Als Österreich 1995 der Europäischen Union beitrat, hatte es im Umweltbereich zum Teil strengere Standards als das Gemeinschaftsrecht und galt als ein Land, das Umweltanliegen in die EUPolitiken aktiv einbringen und die „grüne“ Koalition innerhalb der EU stärken würde. Und das hat Österreich tatsächlich auch in etlichen Bereichen gemacht. Im Vorfeld des Europäischen Rates von Göteborg legte Österreich im Juni 2001 ein Grünbuch „Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“ vor, und rechtzeitig vor der Rio+10 Konferenz in Johannesburg, dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel 2002, verabschiedete der österreichische Ministerrat als eines der ersten Länder eine Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung, mit der sich Österreich auch in Zukunft im Spitzenfeld positionieren sollte. Diese Erfolgsstory ist auf den ersten Blick beeindruckend. Gerade aber an den Zielen einer Nachhaltigen Entwicklung gemessen bleibt für die österreichische Politik dennoch viel zu tun, und viele der Erfolge der Vergangenheit relativieren sich an den enormen ökologischen Herausforderungen. Denn Österreich ist – so wie alle modernen Industriestaaten – weder ökonomisch, noch sozial, noch ökologisch, noch politisch-institutionell nachhaltig. Weder besagt der Erfolg bei der Bekämpfung klassischer Umweltprobleme oder bei der Implementierung klassischer so genannter End-of-pipe-Maßnahmen etwas über den künftigen Erfolg hinsichtlich der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen, noch scheint es wahrscheinlich, dass das typische Instrument der bisherigen Umweltpolitik – Ge- und Verbote (Ordnungsrecht) – fürderhin eine ebenso große Rolle spielen wird. Denn das Ordnungsrecht war zwar bei heutzutage so genannten ‚klassischen’ Umweltproblemen ein überaus effektives, wenngleich nicht immer das effizienteste Instrument; viele der ‚neuen’ und vor allem globale Umweltprobleme weisen aber wesentlich komplexere Strukturen auf und sind daher nur zum Teil über das Ordnungsrecht regulierbar. Zudem ist der konsensorientierte Politikstil im Wandel begriffen, und das nicht nur, weil sich die Sozialpartnerschaft zunehmend als eine Konfliktpartnerschaft zeigt, sondern weil insgesamt die Voraussetzungen für das konsensorientierte Muster und das policymaking in traditionellen, geschlossenen Netzwerken weggefallen sind. Auch die angeführten internationalen Vergleiche sind kritisch gesehen problematisch, wie z.B. die Einstufung Deutschlands in unterschiedlichen Rankings deutlich zeigt: Während Deutschland im Environmental Sustainability Index 2002 katastrophal und noch einige Plätze hinter den in Umweltbelangen nur zu oft gescholtenen USA lediglich Platz 50 einnimmt, schneidet das Land, das sich selbst ebenfalls als Vorreiter versteht, im Wirtschaftskammer-Ranking mit einem Spitzenplatz ab und im Environmental Performance Index 2006 ist Deutschland auf Platz 22 und die USA auf Platz 28. Noch problematischer wird es, wenn ein Land wie Malaysia unter den Top 10 abschneidet, wo im Eiltempo der Regenwald gerohdet wird. Die Ursache für solche Unstimmigkeiten liegt in einer Vielzahl interpretationsabhängiger Einzeldaten, die in diesen Rankings aggregiert werden. Wie auch immer, Österreichs Umweltpolitik hat unbestritten Beachtliches erreicht und die Lebensqualität ist vergleichsweise hoch. Nur gibt es seit den 1990er Jahren eine spannende Entwicklung: Während sich die staatliche Umweltpolitik in ihren Erfolgen sonnt und Österreichs Vorreiterrolle sowohl auf globaler als auch europäischer Ebene hervorstreicht, argumentiert eine kritische Koalition aus Wissenschaftern, NGOs, Oppositionsparteien und Interessenvertretern, dass Österreich diese Vorreiterrolle längst verspielt habe und damit die 14
Glaubwürdigkeit und Koalitionsbildung auf EU-Ebene gefährde und ein Kurswechsel zur Erlangung einer neuen Vorreiterrolle dringend geboten wäre. Ist es nun so, dass im Zeitalter der verschärften ökonomischen Globalisierung, wo zunehmend diskutiert wird, ob denn die EU ein Akteur ist, der stark genug zum Gegensteuern ist, kleine Staaten keine Vorreiterrolle mehr einnehmen können? Über die Bewertung einzelner Erfolge, Misserfolge, Versäumnisse und Notwendigkeiten gingen die Meinungen unterschiedlicher Akteure freilich schon immer und zum Teil erheblich auseinander. Für die Einen hat die Umweltpolitik die Probleme richtig erkannt und auf die mit dem Wirtschaftswachstum und der Wohlstandsentwicklung zwangsläufig verbundene Umweltzerstörung adäquat und vernünftig reagiert und wird auch weiterhin alle Möglichkeiten nutzen, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Andere wiederum betonen, dass in manchen Bereichen sogar zuviel gemacht worden ist, Österreich mehr auf internationalen und insbesondere europäischen Gleichklang achten muss und in Zukunft weniger gemacht werden kann, ohne dass die Umwelt- und Lebensqualität darunter leiden müssen. Die entgegengesetzte Meinung ist, dass die Umwelt immer mehr zerstört wird, der „ökologische Fußabdruck“ Österreichs viel zu groß und das Überleben der Menschheit gefährdet ist, so dass wesentlich weiter reichende, wenn nicht sogar radikale Maßnahmen und Schritte erforderlich sind. Durchaus unterschiedlich werden auch die Kosten der Erfolge und die Effektivität einzelner Maßnahmen bewertet. Das es so widersprüchliche Bewertungen gibt, ist bei komplexen Problemen freilich nichts Außergewöhnliches, denn jede dieser Behauptungen lässt sich ausreichend und überzeugend begründen, so dass sich darauf eine konsistente Welt- und Problemsicht bauen lässt. Problemwahrnehmungen und -definitionen bestimmen aber wesentlich die Politikformulierung. Die Vielzahl von Akteuren, die in solche Prozesse eingebunden sind, haben dabei sehr unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Macht und Ressourcen und unterscheiden sich zudem hinsichtlich ihrer Vorstellungen über Machbares und Wünschenswertes. Sie schmieden – mit unterschiedlichem Erfolg – Koalitionen und nutzen mehr oder weniger geschickt Netzwerke, um Diskurse zu initiieren, zu beeinflussen oder zu dominieren und dadurch politische Maßnahmen durchsetzungsfähig zu machen. In diesem Prozess finden auch Lernprozesse statt: Akteure ändern ihre Sichtweisen von Problemen und Wirkungszusammenhängen und verändern in der Folge ihre politischen Lösungsvorschläge. Gleichzeitig müssen sie dabei auf bereits etablierte Institutionen und Akteurskonstellationen zurückgreifen und Rücksicht nehmen. Im Folgenden wollen wir uns mit dem paradigmatischen Wandel und damit zusammenhängenden Pfadabhängigkeiten im Bereich der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik befassen mit dem Ziel, einen Beitrag zur Weiterentwicklung der österreichischen Umweltpolitik zu einer integrierten Nachhaltigkeitspolitik und zur Erklärung von Erfolgs- und Restriktionsbedingungen von Vorreiterstaaten zu leisten. Es geht also auch darum, internationale Veränderungsprozesse und deren -dynamik über die letzten 30 Jahre mit zu berücksichtigen. Zunächst sind aber noch grundlegende Begriffe und das theoretische Herangehen zu klären. Wir werden uns daher in einem ersten Schritt den Begriffen Umweltpolitik, Nachhaltigkeit und Paradigma zuwenden und im Weiteren den theoretischen Rahmen dieser Arbeit darlegen, bevor wir uns im Hauptteil mit der Analyse der österreichischen Umweltpolitik und Ansätzen einer Nachhaltigkeitspolitik auseinandersetzen können.
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2.1 Was ist Umweltpolitik? Der Mensch hat immer schon durch seine Aktivitäten die Umwelt belastet und sah sich dadurch zu verschiedensten Maßnahmen gezwungen, um die Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Dazu wurden die geografischen, ökonomischen und technologischen Möglichkeiten der jeweiligen Zeit ausgenutzt, sei es durch Abwanderung und Flucht, durch Maßnahmen zur besseren Verteilung von Schadstoffen oder Entsorgung von Geruchsbelästigung oder durch vorsorgende Maßnahmen gewesen. Mit der Industrialisierung und der damit einhergehenden Bevölkerungsentwicklung verschärften sich jedenfalls die Probleme im Vergleich zu früheren Perioden in der Menschheitsgeschichte quantitativ und qualitativ enorm und erlangten eine globale Dimension. Die Reaktion der Politik auf diese Entwicklungen war die Herausbildung einer neuen Staatsaufgabe: Umweltpolitik wurde in allen Industriestaaten seit den späten 1960er, frühen 1970er Jahren als eigenes Politikfeld begriffen und als solches von anderen Politiken abgegrenzt und in Verbindung gesetzt. In diesem Zeitraum wurden Umweltfragen und Lebensqualität nicht nur in einzelnen Staaten zu einem konfliktreichen Thema, sondern auch international auf die politische Agenda gesetzt. Internationale Organisationen wie die UNO, der Europarat oder die OECD begannen sich mit Umweltproblemen auseinanderzusetzen und schufen dann auch rasch international zusammengesetzte Arbeitsgremien, die den Nationalstaaten bei der Bewältigung der ökologischen Herausforderung beistehen sollten. Im deutschsprachigen Raum etablierte sich „Umweltschutz“ als eigenständiger Politikbereich, der über die Jahre und getragen durch eine regelrechte Umweltschutzwelle infolge einer gestiegenen Sensibilität der Bevölkerung für Umweltprobleme und Fragen der Lebensqualität in den nachfolgenden Jahrzehnten ständig expandiert ist. Unter dem Begriff Umweltpolitik können je nach Fragestellung mehr oder weniger und fast beliebig viele Politikfelder eingeschlossen werden, da es kaum eine menschliche Aktivität gibt, die keine Auswirkung auf die Umwelt hat. In einem weiten Sinne umfasst Umweltpolitik nicht nur Bereiche wie Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Bodenschutz, Gewässerschutz, Natur- und Umweltschutz sowie Chemikalienpolitik sondern generell auch Fragen und Probleme der Wirtschaftspolitik, der Finanzpolitik, der Fiskalpolitik, der Energiepolitik, der Standortpolitik, der Innovationspolitik, der Produktpolitik, der Technologiepolitik, der Landwirtschaftspolitik, der Tourismuspolitik, der Verkehrspolitik, der Außenpolitik, der Nord-Süd-Beziehungen, der Ressourcenpolitik, der Verteilungspolitik, der Beschäftigungspolitik, der Sozialpolitik, der Bildungspolitik, der Bevölkerungspolitik, der Siedlungs- und Raumordnungspolitik etc. In jedem dieser Bereiche tangiert Umweltpolitik je nach Art und Ausmaß umweltpolitischer Maßnahmen zu einem unterschiedlichen Grad wesentliche Grundlagen, und umgekehrt gibt es in jedem dieser Politikbereiche Festlegungen, Pfadabhängigkeiten und Prämissen, die den Gestaltungsraum von Umweltpolitik mitbestimmen, wenn nicht sogar wesentlich einengen. Diese Universalität macht Umweltpolitik zu einer so genannten „Querschnittsaufgabe“, und ihre Inhalte und Ziele machen sie zu einem hochbrisanten und spannungsgeladenen Konfliktfeld. Seit der Verabschiedung der „Agenda 21“ auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 ist „Nachhaltigkeit“ zu einem zentralen Begriff der internationalen und nationalen Umweltpolitik geworden. Die bekannteste und verbreitetste Definition dieses Begriffs stammt aus dem so genannten Brundtland-Bericht3 aus dem Jahre 3 Benannt nach der Vorsitzenden der „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ (WCED) der UNO, der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundland.
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1987 und bezeichnet eine „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Mit der Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung (dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, Sustainability, Sustainable Development, Zukunftsfähigkeit) muss sich die bisherige traditionelle Umweltpolitik in eine „moderne“ Umweltpolitik wandeln, die „als aktiv vorsorgende Politik der Investition in Naturkapital betrieben werden“ muss (SRU 2002: 21). Mit dem Wandel zu einer Politik der Nachhaltigkeit, die ökonomische, ökologische, soziale und politisch-institutionelle Aspekte integrieren soll, kommen zwangsläufig sehr viele Problemfelder und deren komplexe Wechselwirkungen in das Blickfeld. Diese Komplexität hat zu zahlreichen Definitions- und Operationalisierungsversuchen geführt, die freilich allesamt nichts daran ändern konnten, dass dieses neue „Leitbild“ oder „Paradigma“ der Umweltpolitik ganz ähnlich wie Begriffe wie Demokratie oder Sozialstaat in bestimmte Diskurse eingebunden ist und unterschiedlichste Interpretationen zulässt (ausführlicher dazu Winkler-Rieder/Pesendorfer 1998: 15f.).
2.1.1 Ökologische Modernisierung Diese Studie konzentriert sich einerseits auf die großen Entwicklungslinien der staatlichen Umweltpolitik (insbesondere auf Bundesebene) seit den 1970er Jahren und dem damit verbundenen Prozess der ökologischen Modernisierung sowie dem Entstehungsprozess einer Politik der Nachhaltigkeit, andererseits wird das policymaking in ausgewählten Politikfelder näher betrachtet. Aufgrund dieses Forschungsinteresses geht es weniger um eine möglichst umfassende, detaillierte Darstellung der Entwicklungen seit 1970 oder um die Geschichte der Politik in einzelnen Bereichen, auch nicht so sehr um technisch-naturwissenschaftliche Informationen über quantitative und qualitative Veränderungen von Umweltzuständen, sondern um den Prozess der ökologischen Modernisierung, um Politikmuster in diesem Prozess, damit zusammenhängende Paradigmen und um unterschiedliche Formen von Politikwandel und policy learning. Insofern ist es freilich von Interesse, wie sich die Inhalte und Ziele der Umweltpolitik über die vergangenen Jahrzehnte verändert haben. Hier soll versucht werden, die wichtigsten Entwicklungsphasen der österreichischen Umweltpolitik in den Dimensionen Diskurse, Institutionen, Akteurkoalitionen, Netzwerke, Paradigmen, Ziele, Instrumente und Strategien zu erfassen und die dafür relevanten Faktoren, die Hauptcharakteristika und Effekte herauszuarbeiten, um nach Lerneffekten, Pfadabhängigkeiten und Entwicklungspotenzialen zu fragen. Dazu dienen das Paradigmenkonzept sowie Theorien und Ansätze zur Erklärung von Policy-Wandel und policy learning als theoretischer Rahmen sowie Diskurs- und Inhaltsanalysen und semistrukturierte Experteninterviews auf methodischer Ebene. Die angesprochene ökologische Modernisierung stellt ein weiteres sozialwissenschaftliches Konzept von großer Relevanz für dieses Buch dar. Erstmals formuliert wurde es von dem bundesdeutschen Politologen Martin Jänicke, der seit den 1970er Jahren für die politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit „Politik und Ökologie“ mehrfach richtungsweisend war. Jänicke führte die Unterscheidung von vier umweltpolitischen Strategien ein, wovon zwei nachsorgende und zwei vorsorgende Strategien sind. Die nachsorgenden Strategien sind die Reparatur bzw. Kompensation von Umweltschäden sowie die Entsorgung. Vorsorgende Strategien sind einerseits die Ökologische Modernisierung (die Jänicke auf „umweltfreundliche Technik“ reduziert) sowie die Strukturveränderung (Jänicke 1988: 15). 17
Jänicke hat seither die analytische Trennung von ökologischer Modernisierung und ökologischem Strukturwandel aufrechterhalten. Ökologische Modernisierung bedeutet für ihn die Entwicklung und Anwendung ökologisch angepasster und zukunftsfähiger Technologien, wobei insbesondere die Möglichkeit des Ausgleichs zwischen Ökonomie und Ökologie und der Nutzung von Win-win-Lösungen hervorgehoben wird. Was nun den grundlegenden Wandel zur Strategie der ökologischen Modernisierung ausmacht, ist die Erkenntnis, „dass nur die Instrumentalisierung ökonomischer Interessenlagen vorhandene Implementationsprobleme der Umweltpolitik hinreichend zu durchbrechen vermag“ (ib.: 23). Damit rücken ökologische und ökonomische Effizienz als Evaluationskriterien in den Vordergrund. Ziel ist es, ökologisch unangepasste Wirtschaftsformen durch technische Innovationen zu verändern. Ökologische Modernisierung ist eine Transformationsstrategie nichtnachhaltiger Industriegesellschaften, die inkrementale wie radikale Innovationen und sowohl Verfahrens- als auch Produktinnovationen umfasst. Dabei geht es um einen Übergang von der Gefahrenabwehr entsprechend eines Risikoparadigmas über die Vorsorge und über die „ökologische Modernisierung“ hin zu einer „strukturellen Ökologisierung“ (Prittwitz 1988) entsprechend dem „Paradigma tragfähiger Entwicklung“ (Jänicke). Nicht mehr Symptome der Umweltbedrohung sollen im Vordergrund stehen, weil dadurch nur eine Verlagerung der Probleme in andere Bereiche erfolgt. Vielmehr soll das System von vornherein einer Therapie unterzogen werden, so dass Probleme erst gar nicht auftreten oder zumindest deren wahrscheinliches Auftreten verhindert werden kann. Dabei sollen zudem die Dimensionen der Nachhaltigkeit Berücksichtigung finden; d.h. politische Maßnahmen sollen gleichzeitig ökonomischen, ökologischen, sozialen und politisch-institutionellen Zielsetzungen gerecht werden. In der Tagespolitik war der Begriff der ökologischen Modernisierung bis vor kurzem noch wenig gebräuchlich, wohingegen die grundlegende Orientierung auf ein Abwägen ökologischer und ökonomischer Aspekte und auf Umwelttechnologien durchaus Fuß gefasst hat. 1998 hat jedoch die Regierungskoalition aus SPD und Grüne/Bündnis `90 in der Bundesrepublik Deutschland den Begriff ins Regierungsprogramm aufgenommen, letztere verstehen sich in ihrem Parteiprogramm auch als „Partei der ökologischen Modernisierung“, und Martin Jänicke hat als neues Mitglied des bundesdeutschen Rates von Sachverständigen für Umweltfragen das Konzept in das letzte Umweltgutachten (SRU 2002) hineingeschrieben. In Österreich hat die Sozialdemokratie den Begriff schon in den 1980er Jahren „besetzt“, um dem konservativen Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft ein Konzept entgegenzusetzen, das mit sozialdemokratischen Fortschritts- und Technikvorstellungen kompatibel ist, freilich ohne ihm jemals so große Aufmerksamkeit zu schenken als die ÖVP dem ihrigen. In den Sozialwissenschaften hat der Begriff längst international einen zentralen Rang erobert, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen vergleichenden Länderstudien, in denen das Konzept eine Grundlage bildet. Einerseits wird mit ökologischer Modernisierung die aktuelle Situation beschrieben, andererseits verbirgt sich dahinter ein politisches Programm. Das Konzept steht insbesondere für die nachträglich konstruierten Fortschritte, die im Bereich der Umweltpolitik gemacht wurden, also auch für die Art und Weise, wie Umweltpolitik institutionalisiert und internationalisiert worden ist. Es steht aber auch für die positive Bewertung der Beziehung zwischen der Verbesserung von Umweltzuständen und ökonomischem Wachstum in liberalen Marktwirtschaften (Weale 1992), quasi als eine ökosoziale und profitable Versöhnungsstrategie zur Auflösung des Widerspruchs zwischen Wirtschaft und Umwelt. Als politisches Programm beinhaltet ökologische Modernisierung zudem ein Postulat einer politischen Modernisierung und zwar derart, dass 18
neue Formen der politischen Intervention, insbesondere was die Beziehung zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft betrifft, versprochen werden (Jänicke 1993). Der auf technologische Innovationen reduzierte Begriff hat in der Politikwissenschaft einerseits zu einer Ablehnung, andererseits zu einer breiteren Interpretation ökologischer Modernisierung geführt. Jänickes Unterscheidung ist nämlich insofern problematisch, als es nicht nur analytisch sondern auch praktisch schwierig, wenn nicht unmöglich ist, zwischen ökologischer und struktureller Modernisierung zu trennen. Nichtsdestotrotz war es Jänickes Verdienst auf der Grundlage seines Konzepts systematisch Erfolgsbedingungen und Restriktionen ökologischer Innovationen herauszuarbeiten. Dies war sozusagen die Umkehrung seiner Forschungsfrage aus den 1970er Jahren, warum es in der durch Marktversagen erforderlichen Umweltpolitik so gravierende Umsetzungsdefizite gibt und wie das Industriesystem von diesen Missständen profitiert, hin zu der Frage nach Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik und -strategien auf nationaler Ebene und im internationalen Vergleich. Wir wollen diese theoretische Debatte hier nicht weiter ausführen, sondern einen anderen Diskursstrang aufnehmen, der uns für unsere Zwecke interessanter erscheint. Maarten Hajer (1995: 35f) hat in Anschluss an die Analyse der „Risikogesellschaft“ des deutschen Soziologen Ulrich Beck den Begriff der ökologischen Modernisierung im Sinne einer „reflexiven Modernisierung“ besetzt. Daraus ergibt sich eine kulturelle Kritik an Modernisierung und verschiedener Praktiken einer ökologischen Modernisierung, die mir ebenfalls als ein wesentliches Charakteristikum ökologischer Politik erscheint. Umweltthemen werden so in einem größeren Kontext politischen Wandels gesehen. Was Jänicke mit ökologischer Modernisierung bezeichnet, ist nach Hajer „technologische Modernisierung“. Hajer geht es um die Analyse des Entstehens und der Entwicklungsdynamik ökologischer Modernisierung im Kontext einer sozialen Theorie, welche eine spezifische Interpretation der Umweltkrise präsentiert. Es stehen also die Entstehung und die Effekte ökologischer Modernisierung im Zentrum, die Art und Weise, in der etablierte Institutionen der Industriegesellschaft an der Umweltpolitik quasi einem Test unterzogen werden. Hajer geht es um die spezifische Art, in der ein Thema wesentliche soziale und institutionelle Übereinkommen potenziell bedroht, wie damit politisch umgegangen wird und wie verschiedene Konzepte und Ideen politische Effekte hinsichtlich der Regulierung der Umweltkrise erzeugen.
2.1.2 Paradigmen in der Umweltpolitik – Forschungsstand In Anbetracht dessen, dass Umweltpolitik als relativ junge Staatsaufgabe von Anfang an hochbrisant war und damit innenpolitische, regionale, nationale und globale Problemfelder in ihrem Kern massiv tangiert waren, war ein hohes Interesse an diesem Forschungsgegenstand seitens der Politikwissenschaft kaum verwunderlich. Über die Jahre wurden Theorien und Ansätze über Implementationsdefizite, Steuerungsprobleme, Markt- und Staatsversagen und neue Formen des Regierens an der Umweltproblematik (mit)entwickelt und getestet. Die vergleichende Politikwissenschaft war zudem an der Erklärung von Länderunterschieden und Diffusionsprozessen sowie den daraus resultierenden Schlussfolgerungen interessiert. Dieses Wissen über Problemdefinitionen und verschiedenste Problemlösungsmöglichkeiten sollte sowohl dem wissenschaftlichen Verständnis als auch zur Politikberatung dienen, also Lernprozesse ermöglichen. Trotz dieses hohen Forschungsinteresses gibt es bislang für Österreich noch keine Studie über langfristige Lernprozesse und über para19
digmatischen Politikwandel im Politikfeld Umwelt/Nachhaltige Entwicklung. So gibt es zwar umfassende OECD-Berichte über die österreichische Umweltpolitik (zuletzt 2003) und natürlich die (zumindest in Teilen) immer „besser“ (im Sinne von naturwissenschaftlich exakter) werdende offizielle Umweltberichterstattung. Auch an kritischen Bewertungen von Fortschritten und Defiziten aus wissenschaftlicher Sicht mangelt es nicht (z.B. FischerKowalski 1988; Katzmann/Schrom 1986, teils auch im Nationaler Umweltplan). Analysen zu einzelnen Aspekten, zu verschiedensten Problemen gibt es zur Genüge; hier wäre höchstens ein Mangel an interdisziplinären Studien und an Evaluationen zu beklagen. Rückblicke auf verschiedene Phasen der Umweltpolitik, wie z.B. von Harald Glatz (1986) auf die Umweltpolitik der ersten 15 Jahre, fehlen ebenso wenig. Darüber hinaus gibt es Ansätze, die dem Ziel dieser Studie sehr nahe kommen: Volkmar Lauber (1992; 1996; 1997, 2001; zuletzt Pesendorfer/Lauber 2006) hat die österreichische Umweltpolitik über drei Jahrzehnte mehrfach anhand der Unterteilung Strukturen, Weltsichten, Politikstile, Instrumente dargestellt. Eine besondere Erwähnung müssen in diesem Zusammenhang auch die Darstellungen von Marina Fischer-Kowalski und Harald Payer (1996) über „Fünfzig Jahre Umgang mit Natur“ sowie von Fischer-Kowalski und Heinz Schandl (1998) von „Sustainable Development als gegenwärtig letzte ‚große Erzählung’“ sowie von Amann und Fischer-Kowalski (2002) „Austria: An ‚Eco-land’?“ finden. In diesen überblicksartigen, aber durchaus zutreffenden und prägnanten Darstellungen wird nicht nur den veränderten Rahmenbedingungen, Akteuren, Institutionen und Koalitionen, sondern auch Paradigmen und Paradigmenwandel, der Veränderung der Denkmuster in der Umweltpolitik, eine überaus zentrale Bedeutung beigemessen. Fischer-Kowalski (1991 u. Fischer-Kowalski/Schandl 1998, 87f) unterscheidet beispielsweise ein „Gift- und Schadstoffparadigma“, das „Denkmuster des natürlichen Gleichgewichts“ und das „Denkmuster Ressourcenökonomie/Entropie“ und leitet davon unterschiedliche Problemsichten und Lösungsansätze ab. Auch aus den Reihen der politischen Parteien kommen wissenschaftliche Publikationen, die bestimmte Sichtweisen transportieren und zur Diskussion stellen. In einem Sammelband, der in der „Sozialistischen Bibliothek“ erschienen ist, wurde versucht, aus „sozialdemokratisch-aufgeklärter Sicht [...] die ‚Tiefenstruktur’ der Umweltpolitik darzustellen und zu bewerten“ (Glatz (Hg.) 1991: 7). Dazu wurden einzelne Bereiche (Chemiepolitik, Risikopolitik und Energiepolitik) gewählt, die quer zu den traditionellen Feldern der Umweltpolitik (Luft, Wasser, Lärm, Abfall etc.) liegen. Die ÖVP hat zur Interpretation der Umweltkrise das bereits angesprochene Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft „erfunden“ und als paradigmatische Herausforderung dargestellt (z.B. Riegler (Hg.) 1990; Riegler/Moser 1996). Die Grünen boten seit ihrem Entstehen Wissenschaftern immer wieder Raum zur Formulierung von Kritik an der offiziellen Umweltpolitik und weit reichenderer Ansätze und legten auch eigene Bilanzen und Konzepte vor. Generell gibt es bei allen Parteien einen wechselseitigen Einfluss zwischen den Parteien und deren Programmen, einzelnen Politikern sowie Wissenschaftern und deren Konzepten, wobei spezifische Sichtweisen mittels verschiedenster Filter entscheiden, wie weit dieser Einfluss gehen kann. Wissenschaftliche Beiträge müssen also auch vor dem Hintergrund etablierter Akteurkonstellationen und Institutionen als politisch machbar und umsetzbar angesehen werden, damit sie Einfluss auf die Tagespolitik nehmen können und nicht als programmatische Absichtserklärungen ohne Realisierungsaussicht herumgeistern oder – wie nicht selten insbesondere in Zeiten heftiger Auseinandersetzungen der Fall war – als unwissenschaftlich und unsachlich abgetan werden. 20
Weltsichten, Denkmuster, Tiefenstrukturen und Paradigmen in der österreichischen Umweltpolitik zu analysieren, ist also grundsätzlich keine neue Idee. Eine Forschungslücke ergibt sich aus politikwissenschaftlicher Sicht allerdings hinsichtlich der Frage, wie verschiedene und konkurrierende Paradigmen (in diesem Politikfeld) entstehen, was ihr methodisch-theoretischer Kern ist und sie somit unterscheidet bzw. verbindet, welche Akteure, Koalitionen und Netzwerke als Träger dominanter und neuer Paradigmen in Erscheinung treten und wie Politik- und Paradigmenwandel über einen längeren Zeitraum erklärt werden können. Für einzelne Politikbereiche wie z.B. für die Technologiepolitik (Martinsen/Simonis (Hg.) 1995), die Klimapolitik (Kok/Steurer 1998), die Energiepolitik (Kok 1991), den Naturschutz (Payer/Zangerl-Weisz 1997) oder die Stoff- und Ressourcenpolitik (Pesendorfer 2002) gibt es bereits Ansätze zu einer solchen Herangehensweise und Fragestellung, auf die im Folgenden ebenso aufgebaut wird wie auf die oben genannte Literatur. Für andere Länder gibt es ebenfalls bereits Studien, die einen vergleichbaren Ansatz verfolgen, aber auch hier überwiegen kurze Gesamtdarstellungen. Eine der ausführlicheren Arbeiten hat Maarten A. Hajer (1995) vorgelegt, der mittels Diskursanalyse die Politik der „ökologischen Modernisierung“ seit den 1970er Jahren anhand eines Ländervergleichs zwischen Großbritannien und den Niederlanden untersuchte. Weidner (1995) fasste 25 Jahre Umweltpolitik der Bundesrepublik Deutschland zusammen. Kraft und Vig (2000) thematisierten überblicksartig die US-Umweltpolitik im Zeitraum von 1970 bis 2000. Diese Aufzählung ließe sich noch erheblich um weitere Autoren und Länder erweitern (siehe z.B. Weidner/Jänicke (Hg.) 2002). Relativ verbreitet ist jedenfalls die von Jänicke vorgeschlagene Phaseneinteilung der Umweltpolitik in eine Phase erster Feuerwehrübungen, die sich stark an Immissionen orientiert (auch als „Politik der hohen Schornsteine“ bezeichnet), eine Phase der End-of-pipe-Maßnahmen, bei der es darum geht, Reinigungstechniken, Filter, Kläranlagen, Abschneider und Nachbrenner nachzuschalten, um Grenzwerte erfolgreich einhalten zu können, und eine Phase der ökologischen Modernisierung (im Sinne Jänickes also der wirtschaftsimmanenten Tendenz hin zu ökologisch angepassten Technologien, die über nachgeschalteten Umweltschutz hinausgeht), in der Vorsorge orientierte Politikansätze einen strukturellen Wandel mit herbeiführen sollen. Diese letzte Phase wird auch als ein Übergang zu integrierten Umweltschutzkonzepten betrachtet, sei es im Rahmen von Modernisierungskonzepten der Industrie oder in Form der Integration umweltpolitischer Zielsetzungen in andere/alle Politikbereiche bis hin zu Nachhaltigkeitsstrategien, die eine integrative Betrachtung und das Zusammenfügen ökonomischer, ökologischer und sozialer sowie institutionell-politischer Aspekte verlangen. Aus der Umweltgeschichte und von der Umweltsoziologie gibt es Arbeiten, die Umweltprobleme und den gesellschaftlichen Umgang damit vor dem Hintergrund noch längeren Zeiträume analysieren, wie z.B. der Wiener Soziologin Marina Fischer-Kowalski, die die Aneignung von Natur als Prozess der Kolonisierung beschreibt, oder des deutschen Historikers Franz-Josef Brüggemeier, der 1798 mit dem Erscheinen des Buches „An Essay on the Principles of Population“ von Thomas Robert Malthus ansetzt und dann von der Umbruchsituation seit dem 19. Jahrhundert bis zur aktuellen Umweltpolitik und zum Nachhaltigkeitsdiskurs in Deutschland imposant den Bogen spannt. Insgesamt gibt es also Ansätze, auf die in der vorliegenden Arbeit aufgebaut werden kann, wobei insbesondere Ansätze Interesse verdienen, die der politischen Kultur und dem kulturellen Diskurs als Faktor, der sich in Form von Werten und Bedeutungssystemen auf die Wahrnehmung und Definition der Umweltprobleme, auf die Formulierung von Prioritäten und sinnvollen Maßnahmen sowie auf die Legitimierung politischen Handelns nieder21
schlägt, Beachtung schenken. Hier soll der Schwerpunkt auf Paradigmen, Paradigmenwandel und dem damit zusammenhängenden Policy-Wandel und Policy learning gelegt werden.
2.1.3 Ziele einer umweltpolitischen Paradigmenanalyse Meine Analyse der umweltpolitischen Paradigmen zielt darauf ab, die großen Entwicklungslinien in diesem Politikfeld anhand von Paradigmenpluralismus und -konkurrenz darzustellen, um zu einem besseren Verständnis des Policy-Prozesses und von Lernprozessen insgesamt zu gelangen. Mit Hilfe eines transdisziplinären Ansatzes sollen Erkenntnisse über den politischen Kontext in der österreichischen Umweltpolitik von 1970 bis heute und über pfadabhängige Anpassungsstrategien; über materielle und substanzielle Aspekte dieses Politikfeldes sowie generelles Wissen auch für andere Politikfelder (d.h. Strukturen und Prozesse des politisch-administrativen Systems, z.B. Gesetzgebung, Planung, Implementation, Evaluation, Reformulierung) gewonnen werden. Dabei gehe ich von aktuellen Veränderungsprozessen im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs aus, die generell weit über den traditionellen Rahmen von Umweltpolitik hinausweisen (wobei freilich zu beachten ist, dass einzelne Akteure sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was Nachhaltigkeit bedeutet und wie sie erreicht werden kann). Denn trotz zahlreicher Erfolge gilt die Umweltpolitik moderner Industriegesellschaften hinsichtlich der Ziele einer am Leitbild der Nachhaltigkeit orientierten Gesellschaft als zu wenig effektiv. Gefordert wird eine qualitativ neue Umweltpolitik, die von der nur unzureichend an vorsorge- und nachhaltigkeitsbezogenen Umweltqualitätszielen ausgerichteten traditionellen Umweltpolitik abgegrenzt wird. Es geht um integrierte Strategien, die ökonomische, ökologische, soziale und institutionelle Faktoren gleichermaßen berücksichtigen. Im Rahmen der Diskussion um Nachhaltigkeit zeichnet sich also eine Veränderung der Rolle der Umweltpolitik im politischen System von Industriegesellschaften hin zu integrierenden Handlungskonzepten ab, die Richtungssicherheit gewährleisten sollen. Gleichzeitig wird der Staat – und das nicht nur im Umweltbereich – im Wandel zu einem „argumentierenden Staat“ aufgefasst und beschrieben, der zunehmend zu alternativen Methoden der Konfliktregelung (Mediation, Konsensuskonferenzen, Politikdialoge, Branchendialoge, Schlichtungs- und Moderationsverfahren, Planungszellen, partizipatorische Rechtsnormentwicklung, freiwillige Vereinbarungen) greift, oder als Staat zwischen Staatsversagen und Capacity building, der mit Nicht-Wissen und Unsicherheit gerade auch im Bereich globaler und schleichender Umweltprobleme umgehen (lernen) muss. Diskutiert werden Eigendynamiken, Pfadabhängigkeiten, Politik-Diffusion, Top-down- und Bottom-up-Ansätze, neue Partnerschaften, „prozedurale Regelungen“4 sowie Win-win-Strategien, usw. Neoinstitutionalisten betonen, es gehe für die Politik nicht mehr um Output, sondern zunehmend um den Outcome, der in Form von tatsächlicher Wirkung gemessen werden kann (Minsch et al. 1998: 29) und auch nicht beabsichtigte Folgen beinhaltet. Dieser Prozess des capacity-building, der Kapazitätsentwicklung zur Reduktion der Kosten eines Umstiegs auf einen alternativen Entwicklungspfad, wurde in den letzten Jahren intensiv in die Umweltpolitik eingebracht. Infolge der veränderten Problemwahrnehmung und aufgrund eines neuen Problemlösungsbedarfs ändern sich Anforderungen und Ansprüche der politischen Steuerung nicht nur auf nationa4 Offe (1987) versteht unter prozeduralen Regelungen die Berücksichtigung der Interessen nicht etablierter Akteure zur Erhöhung der Transparenz von Policy-Netzwerken und Verhandlungssystemen und Öffnung von Normfindungsprozessen.
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ler Ebene sondern gerade auch im europäischen Mehrebenensystem. Im österreichischen Nationalen Umweltplan (S 11) werden die Auswirkungen dieses gesellschaftlichen Wandels als Paradigmenwechsel bezeichnet. Ähnlich argumentierte bereits die EG 1992 in ihrem 5. Umweltaktionsprogramm, und Josef Riegler (1996), der „Erfinder“ des Konzepts der Ökosozialen Marktwirtschaft, sieht in der Aufgabenstellung den „wichtigsten Paradigmenwandel in der Menschheitsgeschichte“. Da Änderungen auch bescheideneren Ausmaßes im Subsystem Politik in der Regel ein Jahrzehnt und länger dauern können, scheint hinsichtlich der Fragestellung nach Lerneffekten der hier gewählte Zeitraum von drei Jahrzehnten geeignet, um Pfadabhängigkeiten und Politikmuster herauszuarbeiten, die auf die Weiterentwicklung zu einer Politik der Nachhaltigkeit Einfluss haben. Wenn Politiken formuliert und Programme beschlossen werden, dauert es einige Zeit, bis die Politikadressaten darauf reagieren und bis Wirkungen messbar sind. Die traditionelle Umweltpolitik ist dabei noch ein Politikfeld, bei dem sich zumindest teilweise Wirkungen tatsächlich auch messen lassen; bei Nachhaltigkeitspolitik wird dies – wie mit den oben angeführten Rankings angedeutet – schon schwieriger. Der hier gewählte Zeitraum umfasst den eigentlichen Beginn der „modernen“ Umweltpolitik in Österreich, ihre Institutionalisierung auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene, ihre Einbettung in das europäische Mehrebenensystem sowie die Phasen, die jeweils durch gravierende Veränderungen in anderen Subsystemen und Politikfeldern gekennzeichnet sind. Die österreichische Entwicklung folgte hier zwei internationalen Innovationswellen: Die erste Welle fand Anfang der 1970er Jahre im Umfeld der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen 1972 in Stockholm und stark beeinflusst vom Diskurs um den ersten Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums statt. Sie führte in zahlreichen Industriestaaten – auch in Österreich – zur Entstehung von Umweltministerien bzw. -behörden sowie zur Herausbildung internationaler Expertenarbeitsgruppen, die sich der Problemdefinition und Politikformulierung widmeten, und beschleunigte die Entstehung der „modernen“ Umweltschutzorganisationen. Die zweite Welle folgte auf eine Veröffentlichung der World Commission on Environment and Development 1987 (Brundtland-Report: „Our Common Future“, dt. „Unsere gemeinsame Zukunft“) und auf die Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 (Agenda 21), die dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung enorme Popularität verschafften. Galt Österreich im Verlauf der ersten Welle noch als ein Nachzügler, so wandelte es sich insbesondere in den 1980er Jahren und galt im Verlauf der zweiten als ein Vorreiter. Doch seit den 1990er Jahren stockt diese Entwicklung, und Österreich ist unter dem Motto „keinen Alleingang“ und mit dem so genannten „golden plating“, das ein Überschreiten europäischer Standards unterbinden soll, auf dem Weg, im Bereich der Umweltpolitik nicht über europäische Standards hinauszugehen. Nichtsdestotrotz und gerade aufgrund der Leistungen des vorangegangenen Jahrzehnts galt Österreich, als es mit 1. Januar 1995 der Europäischen Union beitrat, als ein Land, welches in Vielem selbst die „grüne Troika“ in der EU – Deutschland, Dänemark und die Niederlande – übertraf. Von Österreich, wie auch von Finnland und Schweden, wurde daher erwartet, dass sie sich den „pushers“ der europäischen Umweltpolitik anschließen würden (Lieffering/Andersen 2002). Mit diesen Prozessen einher ging ein deutlicher Wandel im Bereich der Weltsichten und Paradigmen, der in dieser Arbeit dargestellt wird. Die großen Entwicklungslinien der Umweltpolitik anhand von Paradigmenkonkurrenz darzustellen wird auch dadurch nahe gelegt, dass in diesem Zeitraum von mindestens zwei größeren Einschnitten ausgegangen werden kann, die nicht nur die Umweltpolitik beeinflusst haben: Der erste Bruch erfolgte in den späten 1960er Jahren und führte zur Institutio23
nalisierung einer bestimmten Art der Problemsicht und -bearbeitung im Bereich des Umweltschutzes. Dieser Bruch betraf nicht nur die gesellschaftliche Regulierung der Naturverhältnisse. Die weitreichenden Veränderungen der damaligen Zeit riefen massive Forderungen nach Mitbestimmung und Veränderungsprozessen hervor, die gemeinhin als Wertewandel und z.T. als Übergang zum Postmaterialismus (Ingleharts berühmte „stille Revolution“) beschrieben werden, wobei beobachtet wurde, dass sich die diesem Wandel zugrunde liegenden gesellschaftlichen Entwicklungen auf der Ebene der Individuen und Gruppen rascher durchsetzten als auf der Ebene des staatlichen Steuerungszentrums (Raschke 1980: 285). Dementsprechend war die Umweltkrise von Anbeginn mit einer Legitimationskrise der etablierten Akteure verbunden, wobei nicht vernachlässigt werden darf, dass die Legitimation staatlicher Akteure durch die Studenten- und Friedensbewegung und den Forderungen der Neuen Sozialen Bewegungen nach mehr Demokratie und Mitbestimmung bereits heftig angekratzt worden war. Für die französische Regulationsschule fällt die Entstehungsphase der Umweltpolitik mit einer „großen Krise“ des „Fordismus“ und der Entstehung eines „Postfordismus“ zusammen. Fordismen bezeichnen hierbei spezielle Formen von Akkumulationsregimen basierend auf sozialen Kompromissen, die in Westeuropa zu verschiedenen nationalen Wirtschaftswundern geführt haben. Jedenfalls versetzte der Bruch in den 1970er Jahren die bestehenden politischen Systeme gehörig unter Druck. Umwelt war nur ein Thema, wenn auch ein durchaus zentrales, neben anderen (z.B. Demokratisierung, Mitbestimmung, Bildung), in dem die etablierten Eliten durch die alten und die so genannten Neuen Sozialen Bewegungen (Arbeiterbewegung (neue Linke), (neue) Frauenbewegung, (neue) Friedensbewegung, Jugendbewegung, Studentenbewegung, AntifaBewegung (gegen die Neue Rechte), Antiimperialismus-/Dritte Weltbewegung, div. Solidaritätsbewegungen, Lesben- und Schwulenbewegung, Bürgerinitiativ- und Ökologiebewegung) herausgefordert waren, systembedrohende Konflikte zu kanalisieren und ihre Legitimation hinsichtlich der Herrschaftsausübung zu behalten. Der zweite Bruch Mitte der 1980er Jahre, Anfang der 1990er Jahre führte zum Aufschwung des Nachhaltigkeitsdiskurses, der den entwicklungspolitischen und den ökologischen Diskurs zusammenbrachte. Nachhaltigkeit wurde als neues Leitbild entdeckt, und die damit verbundenen Herausforderungen wurden mit einem Paradigmenwechsel verglichen. Im Englischen wird in diesem Kontext oft von paradigm gesprochen, für das sich in der deutschen Übersetzung der Begriff (Meta-)Leitbild findet. Dieser Bruch fiel neuerlich mit einer anderen Bewegung zusammen: mit Forderungen nach einem weitest möglichen Rückzug des Staates auf seine Kernaufgaben, nach Liberalisierungen, Privatisierungen und Deregulierungen sowie nach strukturellen Veränderungen in allen möglichen Bereichen. Wird der erste Bruch mit der Regulationsschule als Krise des Fordismus beschrieben, so stellt der zweite die Übergangsphase zu einem Postfordismus dar. Zentrale Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Krise des keynesianistischen Paradigmas und der Bedeutungsgewinn des Neoliberalismus als umfassende Interpretation des ökonomischen Systems, dessen Logik auf zunehmend alle Lebensbereiche und Systeme ausgebreitet wird. Der fundamentale Wandel in der Wirtschaftspolitik hatte somit auf sämtliche Politikfelder seinen Einfluss. Er hängt mit Veränderungen der Akkumulationsregime und mit spezifischen, komplexen ökonomischen, sozialen und politischen Krisenmomenten (z.B. der Erosion der ‚historischen Kompromisse’, dem Scheitern keynesianistischer Politikansätze, der Krise der Sozialdemokratie, der Finanzkrise des Staates, der permanenten Reformulierung des Staates, dem Zusammenbruch der osteuropäischen Planwirtschaften, Globalisierung, etc.) zusammen. Neben Paradigmen der Wirtschaftspolitik durchliefen gleichzeitig Technik-, Fortschritts- und Entwick24
lungsparadigmen einen Wandel und büßten zum Teil nicht nur deshalb an propagandistischer Kraft und Attraktivität ein, weil sie mit Nachhaltigkeit nicht vereinbar sind. Auch an geringeren Zielen gemessen konnte je nach Theorie und Definitionen etliches an Marktund Politikversagen festgestellt werden.
2.1.4 Policy-Analysen In der Politikwissenschaft und insbesondere im Bereich der Policy-Forschung wurde Ende der 1980er Jahre, Anfang der 1990er Jahre die Betonung der Bedeutung von Paradigmen, Sichtweisen, Weltsichten, Einstellungen und Argumentationsstilen der Akteure nachgerade modern und führte zu einem „argumentative turn“ (Fischer/Forester 1996). Zwar hatten verschiedene Autoren bereits wesentlich früher in diese Richtung argumentiert, so dass Vieles in diesem „neuen“ Diskurs einschließlich der Hervorhebung von Policy-Netzwerken so neu gar nicht war und ist. Umgekehrt traf die mit dieser Schwerpunktverlagerung in der Argumentation verbundene Kritik an früheren Ansätzen durchaus auf Vieles und Viele zu. Dies trifft insbesondere auf den weitverbreiteten Planungseuphorismus der 1950er, 1960er und teils sogar noch 1970er Jahre sowie auf den Planungs- und Steuerungspessimismus der darauf folgenden Jahrzehnte zu. Die heutige Popularität von argumentativen Ansätzen und Theorien hat darüber hinaus mit dem Aufschwung von Handlungs-, Lern-, Akteurs- und Diskurstheorien sowie Cultural Studies zu tun und mit dem Erklärungsbedarf, den Länderunterschiede und die daran anknüpfende Frage nach Handlungsspielräumen aufgrund vorherrschender politischer Kulturen, Politikstilen und Pfadabhängigkeiten zunehmend auslösten. Wir wollen uns nun aber den modernen Theorien zur Erklärung von Policy-Wandel zuwenden, die mir als theoretische Grundlage für meine Studie über die österreichische Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik dienen.
2.1.5 Politikwandel und Politikstile Wie hängt Politikwandel mit Paradigmenwandel zusammen? Politiken verändern sich bekanntlich permanent und müssen dies auch. Dieser Veränderungsprozess ist die Folge einer sich wandelnden Wahrnehmung der Problemstruktur. Wandel resultiert schon daraus, dass Politiken nur dort formuliert werden und zustande kommen, wo es ein definiertes Problem und einen entsprechenden Problemdruck gibt, für dessen Lösung der Politik auch die Verantwortung übertragen und zumindest in nuce zugetraut wird. In der Politikwissenschaft wird ein Vorgang, in dem politische Akteure durch politische Entscheidungen neue Politiken schaffen oder bestehende Politiken (mehr oder weniger) grundlegend ändern, als policy change bzw. Policy-Wandel bezeichnet. Politik muss auf veränderte Rahmenbedingungen, auf neue Probleme reagieren oder deren Entstehen sogar antizipieren und Gegenmaßnahmen einleiten, um deren Anwachsen zu verhindern oder sie zumindest zeitlich und räumlich zu verschieben. Die Politikformulierung und -implementation ist so gesehen immer auch Krisenvermeidungsstrategie, die entweder im Vornherein (agierend) oder im Nachhinein (reagierend) erfolgen kann. „Normaler“ Policy-Wandel verläuft entsprechend eines vorhandenen Politikstils, d.h. unter normalen Rahmenbedingungen wird mit Policy-Problemen entsprechend eines dominanten Ansatzes der Problemdefinition und -bearbeitung vorgegangen. Lernprozesse, die hierbei stattfinden, haben als Ziel die Anpassung von Strategien 25
zur besseren Erreichung bestehender Ziele. Daher werden solche Lernprozesse als „einfaches Lernen“ bzw. als Verbesserungslernen bezeichnet, wobei das Ziel in einer Steigerung der Effektivität, Effizienz oder Legitimation bestehen kann. Mit Politikstil lässt sich das in zahlreichen politikwissenschaftlichen Studien attestierte hohe Maß an Kontinuität im Policy-Prozess und die Dominanz inkrementeller Reformen beschreiben. Ein Politikstil ist somit durch ein Muster des Policy-making geprägt. Dieses Muster setzt sich aus Institutionen, Akteuren, Netzwerken, Instrumenten, Verhandlungsstrategien etc. zusammen. Es bestimmt, wer innerhalb der administrativ-bürokratischen Arbeitsteilung für das Problem zuständig ist, wer aller über formelle oder informelle Beziehungen in die Politikformulierung, in Entscheidungsprozesse und in die Implementierung einbezogen wird, welche Lösungen innerhalb bestehender Akteurkonstellationen und institutioneller Rahmenbedingungen möglich sind, welche Instrumente und tools zum Einsatz kommen, welches Ergebnis als Erfolg anzusehen ist und wo die Grenzen der Problemlösungsfähigkeit liegen. Damit lässt sich hinter Policy-Zielen von Akteurkoalitionen, Politikstilen und Politikmustern ein „methodischer Kern“ finden, der Handlungen strukturiert und determiniert und der als Paradigma definiert werden kann. Neben dem beschriebenen Typus von Wandel gibt es noch einen zweiten Typ von Policy-Wandel, der zwar weniger oft vorkommt, dafür jedoch dramatische Veränderungen im Politikstil bewirkt. Es geht hierbei um eine bestimmte Form des sozialen Lernens, bei der eben dieser methodische Kern verändert wird, und das deshalb auch als „komplexes Lernen“ von einem „einfachen“ Lernprozess“ unterschieden werden kann. Dieser paradigmatische Wandel, der in der Regel vor allem rückblickend untersucht wird, lässt sich auch in für das jeweilige Policy-Subsystem relevanten wissenschaftlichen Gemeinschaften beobachten. Unter einem Paradigma wird dabei eine gemeinsame epistemologische Version verstanden, welche die Mitglieder einer solchen wissensbasierten Gemeinschaft teilen. Policy-Wandel dieses Typs steht im Vordergrund dieser Studie. Dazu sind zunächst Begriffsklärungen notwendig, danach wollen wir uns den gängigen politikwissenschaftlichen Theorien und Ansätzen zur Erklärung solcher Prozesse widmen.
2.1.6 Der Paradigmenbegriff und seine Bedeutung in der Politikwissenschaft Thomas S. Kuhn hat in seinem inzwischen legendären Werk „The Structure of Scientific Revolutions“ (1976, Orig. 1962) mit dem Begriff des Paradigmas grundsätzliche Sichtweisen der Welt bezeichnet, die einzelnen Theorien und Modellen vorgelagert sind. Unter Paradigmen versteht er eine „ganze Konstellation von Meinungen, Werten, Methoden usw., die von den Mitgliedern einer gegebenen Gemeinschaft geteilt werden“ (Kuhn 1976: 186). Paradigmen schließen demnach ein bestimmtes Verständnis über die Art und Weise des wissenschaftlichen Arbeitens sowie über den Weg zur Lösung eines wissenschaftlichen Problems ein. Sie implizieren so ein spezifisches Muster des Lernens. Das Paradigma gilt seinen Vertretern als selbstverständliche Auffassung eines Gegenstandes und seiner Behandlungsweise. Gemeinschaften haben nach Kuhn entweder „ein Paradigma“ oder „eine Reihe von Paradigmen“, für die er auch die Bezeichnung einer „disziplinären Matrix“ verwendet. Disziplinär bezeichnet dabei den gemeinsamen Besitz der Vertreter einer Fachdisziplin und Matrix die verschiedenen Elemente, aus denen das Paradigma besteht. Besonders wichtig sind Kuhn zufolge symbolische Verallgemeinerungen, Modelle und Musterbeispiele. 26
In Anschluss an Kuhn wurde der Paradigmabegriff, den Kuhn selbst mannigfach definierte und ausschließlich auf die Naturwissenschaften angewendet hat, weithin (und gerade auch in der Politikwissenschaft) zu einem Modewort, das nicht selten synonym zu Weltsicht, Weltbild oder Weltanschauung verwendet wird. Während in den Naturwissenschaften unterschiedlichste Modelle mit beträchtlichen Unterschieden gleichzeitig möglich sind, herrscht in der Regel doch ein Paradigma vor. Im Gegensatz dazu existieren in den Geistesund Sozialwissenschaften zur gleichen Zeit unterschiedliche Paradigmen, so dass von einem Paradigmenpluralismus gesprochen werden kann. In der Politikwissenschaft wird der Paradigmabegriff in einem relativ weiten Sinn als eine vorherrschende Sichtweise verstanden, die Erkenntnis-, Interaktions- und Entscheidungsprozesse strukturiert. Dabei wurden die großen politikphilosophischen Theorien (Aristoteles, Hobbes, Locke, Marx,...) als „master-paradigms“ interpretiert. Mithilfe des Paradigmabegriffs wurden auch die unterschiedlichen Sichtweisen im politischen Denken von Prämoderne, Moderne und Postmoderne bestimmt. In der Analyse einzelner Politikfelder, der Policy-Analyse, wird von policy paradigms gesprochen. Damit wird sowohl das theoretische als auch das praktisch-politische Grundverständnis gemeint, an dem sich konkrete Einzelmaßnahmen in einem Politikfeld über einen längeren Zeitraum ausrichten (vgl. Schultze 1998: 449). Ein Paradigma beschreibt „vorherrschende Grundmuster gesellschaftlicher Fragestellungen, wie sie sich in typischen Beantwortungsmustern niederschlagen“ (Jänicke 1989: 91). Darüber hinaus geht es in der politikwissenschaftlichen Paradigmenanalyse anders als bei Kuhn nicht so sehr um die Abfolge, sondern um die Konkurrenz der Paradigmen (Paradigmenpluralismus). Paradigmenwandel in der Politik ist zudem in der Regel bei weitem nicht so radikal wie Kuhns „Scientific Revolutions“. Nicht erst fundamentale Veränderungen, wie sie typischerweise im Verlauf von Revolutionen stattfinden und die über das bis dahin gültige regelgebundene, institutionalisierte Konflikthandeln hinausreichen und damit die Politics-Dimension verändern, werden damit beschrieben. Paradigmenwandel wird bereits attestiert, wenn „Lernprozesse“ stattfinden, die in einem bestimmten Politikfeld zu Veränderungen führen, die über eine „normale“ Anpassung an eine veränderte Problemsituation hinausweisen. Ein Paradigmenwandel wird zum Beispiel dann attestiert, wenn sich die politische Programmatik zu umweltorientierten Zielsetzungen hinorientiert (Kok/Steurer 1998: 9). Zur Analyse solcher Phänomene dienen Lerntheorien und Theorien bzw. Ansätze zur Erklärung von Policy-Wandel. Dieser, wenn man so will, bescheidenere Paradigmenbegriff hat zur Folge, dass in gewisser Weise eine beliebige Anzahl von konkurrierenden Paradigmen definiert werden können und dass es nur schwer möglich ist, Paradigmen scharf voneinander abzugrenzen und einzelnen Koalitionen zuzuschreiben. Nimmt man z.B. die in der Umweltpolitik vorgestellten Paradigmen, so findet sich darin nicht nur eine gewisse Logik, sondern v.a. auch eine besondere Erklärungskraft hinsichtlich grundlegender Veränderungen in der Wahrnehmung von Problemen und der Art und Weise ihrer Bearbeitung durch das politisch-administrative System. Gleichzeitig fällt eine enorme Kontinuität trotz Policy-Wandel auf, die beispielsweise in der Feststellung Ausdruck findet, dass, seitdem es Umweltpolitik gibt, keine Problemlösung erfolgte, dafür aber neben zahlreichen alten, viele neue Umweltprobleme entstanden sind, die in ihrer Summe als „persistente“ Umweltprobleme bezeichnet werden. Denn dass die bisherige Umweltpolitik ausschließlich auf systemkonforme Maßnahmen beschränkt geblieben und der im umweltpolitischen Diskurs immer wieder geforderte Systemwechsel nicht eingetreten ist, könnte radikal interpretiert in der Feststellung münden, dass es seit der Entstehung der Umweltpolitik zu keinem Paradigmenwandel gekommen ist. 27
Wir wollen in dieser Studie versuchen, mit dem Paradigmenbegriffen pragmatisch zu arbeiten, also sowohl Politikwandel in einzelnen Politikbereichen als auch große Krisen und Brüche als Paradigmenwandel zu thematisieren, um Kontinuitäten und Diskontinuitäten sowie die methodischen Kerne herauszuschälen und die Formen des Policy Lernen näher zu bestimmen, ohne aus den Augen zu verlieren, dass ein radikaler Politikwandel bislang nicht umsetzbar gewesen ist.
2.1.7 Theorien und Ansätze zur Erklärung von Policy-Wandel und Policy learning Politikwandel als Ergebnis von Lernprozessen zu begreifen, ist bereits seit den 1960er Jahren ein Thema der Politikwissenschaft. Zunächst entwickelte die Wahl- und Einstellungsforschung ein Interesse zu klären, welche Einstellungen und Überzeugungen eher stabil und in welchen Bereichen Veränderungen von Zielen wahrscheinlicher sind. Wesentliche Beiträge kamen dann auch von der Organisationsforschung und vom (Neo-)Institutionalismus. Vor allem seit den späten 1980er Jahren gibt es ein verstärktes Interesse an der Rolle von Paradigmen, Ideen, Überzeugungen, Argumenten und von Lernprozessen zur Erklärung von Policy-Wandel. „Diesen lerntheoretischen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie von lernenden politischen Akteuren ausgehen und vermuten, dass Policy-Lernen politische Veränderungen begründet“ (Bandelow 2003: 289). Die internationale Policy-Forschung geht davon aus, dass die wichtigsten Akteure Netzwerke, und innerhalb eines Netzwerks Koalitionen bilden, um so bestimmte paradigmatische Lösungen voranzutreiben. Die Netzwerke gehen in ihrer Mitgliedschaft über das politisch-administrative System der staatlichen Organe hinaus und erfassen auch außenstehende Akteure, insbesondere solche der Wirtschaft, der Medien, der Wissenschaft, der Gewerkschaften, soziale Bewegungen, NGOs, Kirchen usw. und unterliegen in ihrer Zusammensetzung und ihrer Bedeutung freilich ebenso einem Wandel (vgl. Kingdon 1984; Rhodes 1990 u. 1997; Marsh/Rhodes 1992; Kickert/Klijn/ Koppenjan 1997; Amin/Hausner 1997). Die Bedeutung und Funktionsweise von Paradigmen wurde besonders von Peter Hall (1993) aus der Sicht des „historischen Institutionalismus“ in einem viel zitierten Aufsatz über „Social learning“ ausgearbeitet. Darin unterschied er zwischen Änderungen der Zielhierarchien in einem Politikfeld, die er als Paradigmenwandel bzw. als Lernen 3. Ordnung bezeichnet, und zwischen Lernen 1. bzw. 2. Ordnung, mit der er die veränderte Anordnung von Steuerungsinstrumenten bzw. die Wahl neuer Steuerungsinstrumente bezeichnet. Hall geht dabei von einem relativ kohärenten Komplex von Zielvorstellungen, Axiomen, Vorstellungen über Kausalzusammenhänge, Werthaltungen u.a.m. aus, der die Position einer Gruppe politischer Akteure reflektiert, die von anderen Autoren zielführend als Netzwerkkoalition definiert wird. Normalerweise stehen sich in größeren Fragen zwei bis vier Netzwerke mit jeweils verschiedenen ‚Paradigmen‘ gegenüber. Paul A. Sabatier, dessen Forschungsinteresse sich v.a. auf Policy-Wandel konzentriert, spricht in diesem Zusammenhang von advocacy coalitions. Darunter versteht er „Personen in verschiedenen Organisationen und in unterschiedlichen Positionen (gewählten Beamten, Politikern und Verwaltungsbeamten, Vorsitzenden von Interessengruppen, Wissenschaftlern), die ein spezifisches „belief system“ teilen – d.h. ein Set von grundlegenden Wertvorstellungen, Kausalannahmen und Problemperzeptionen – und die über längere Zeit einen durchschnittlichen Grad koordinierter Handlungen aufweisen“ (Sabatier 1993: 127). 28
Sabatier (1993: 120) unterscheidet Entscheidungen danach, ob sie das „belief system“ einer Koalition tangieren oder nicht. Während in letzterem Fall ein Wandel unproblematisch sei, führe ersterer zu massiven Abwehrhaltungen. Erst der kumulative Effekt von Befunden aus mehreren Studien und Alltagswissen könne über die Zeit einen Lernprozess bewirken. Dazu wurde ein Zeitrahmen von einem Jahrzehnt oder länger gesetzt, in dem dieses Policy-Lernen stattfände. Mehrere jüngere Studien kamen zu der Ansicht, dass eine Periode von 20 bis 40 Jahren notwendig sei, „to obtain a reasonable understanding of the impact of a variety of socioeconomic conditions and the accumulation of scientific knowledge about a problem“ (Sabatier 1999a: 3). Über drei Jahrzehnte Umweltpolitik sind so gesehen kein schlechter Ausgangspunkt für eine politikwissenschaftliche Untersuchung über Policy-Wandel in diesem Politikfeld. Aufbauend auf Sabatier (auf dessen Ansatz noch gesondert eingegangen wird) hat Peter J. May (1992) eine ähnliche Unterscheidung wie Peter Hall getroffen, um unterschiedliche Formen von Policy learning zu unterscheiden. May hat zudem versucht, Indikatoren für Lernprozesse zu identifizieren. Er unterscheidet policy learning und political learning und innerhalb der ersten Form „instrumental“ und „social“ policy learning. Indikatoren für instrumentelles Policy-Lernen wären demzufolge z.B., wenn neue Instrumente wie Strafen, Unterstützung oder Förderungen für bestimmte Zielgruppen, zeitliche Rahmenbedingungen hinsichtlich der Implementierung oder organisatorische Strukturen geschaffen werden. Soziales Policy-Lernen könne durch das Vorhandensein eines verbesserten Wissens bzw. über einen Wandel kausaler Vorstellungen über ein bestimmtes Policy-Problem identifiziert werden; und politisches Lernen wäre bei einem Wechsel der politischen Strategie und Taktiken gegeben (May 1992: 336). Eine spezifische Form des Politiklernens ist lesson-drawing (Rose 1993). Dabei werden mögliche Lösungsansätze für Policy-Probleme in der Vergangenheit oder in anderen Regionen bzw. Ländern gesucht und dann auf die aktuelle Praxis übertragen. Dieser Prozess des Policy-Transfers wird auch durch internationale Organisationen unterstützt und beschleunigt und spiegelt sich in spezifischen Mustern der Politikkonvergenz bzw. -differgenz (wie z.B. in der Umweltpolitik in Vorreiter- und Nachzüglerstaaten). Unter Lernen ist freilich nicht zu verstehen, dass etwas „besser“ als zuvor gemacht wird; Lernen bedeutet zunächst lediglich, dass etwas anders als bisher gemacht wird. Diese Definition von Lernen hat den Vorteil, dass damit Lernprozesse unabhängig von subjektiven Interpretationen nachvollziehbar dargestellt werden können, ohne dass damit eine normative Bewertung erfolgt. Wenn die Umweltpolitik z.B. anstatt eines Verbotes einer bestimmten umweltschädigenden Handlung im Rahmen eines Gesetzes ein marktwirtschaftliches Instrument in Form eines Anreizes einsetzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, dann stellt dies einen Lernprozess dar, unabhängig davon, ob bestimmte Akteure darin ein Lernen im Sinne eines „besser als vorher machen“ erkennen oder nicht. Sollten dann allerdings Studien klar zeigen, dass dieses neue Instrument schlechter funktioniert als jenes, das vorher angewendet wurde, und sollte darauf keine entsprechende Reaktion erfolgen, dann kann dies als ein Nicht-Lernen identifiziert werden. Wenn wiederum ein bestimmtes Instrument – wie z.B. das Umweltrecht – seinen festen Platz eingenommen hat, in weiten Teilen unverändert bleibt und teilweise regelmäßig modernisiert wird, dann handelt es sich dabei eindeutig um kein paradigmatisches, sondern bestenfalls um ein instrumentelles Lernen und in weiten Teilen um ein Nicht-Lernen. Damit ist aber auch deutlich erkennbar, dass NichtLernen – anders als im Alltagsverständnis – nicht automatisch etwas Schlechtes sein muss. 29
Damit es zu großen Veränderungen – vor allem zu neuen Rahmenbedingungen (veränderte Sichtweisen und neue Paradigmen, Institutionenwandel, Maßnahmen, Instrumente) – kommt, sind außerdem policy windows bzw. windows of opportunity notwendig, also Gelegenheiten, die sich aus ganz besonderen, eher seltenen politischen Konstellationen in größeren Abständen ergeben und die dann – so politische Akteure darauf vorbereitet waren – genutzt werden können oder eben nicht (Kingdon 1984; Zahariadis 1999). Dieser Ansatz von Kingdon zur Erklärung, wie überhaupt ein Thema auf die politische Agenda gelangt, hat sich als ausgesprochen erhellend bewiesen. Zu einem Politikwandel käme es demnach dann, wenn sich Probleme und deren Wahrnehmung wesentlich verändern, neue Lösungen möglich erscheinen und durchsetzungsfähige Akteure ein policy window erfolgreich nutzen können. Daraus lässt sich die Frage ableiten, ob in Politikbereichen, wie der Umweltpolitik, das Zusammenkommen von verschiedenen Problemen, Lösungen und Politiken in dieser Form beobachtbar ist und ob dadurch Chancen auf einen Politikwandel im Bereich einzelner Politiken wahrscheinlich sind. Kingdons Ansatz ist allerdings eher ein analytisches Raster mit wenig Augenmerk auf institutionelle Arrangements, die Entscheidungsprozesse beeinflussen. Die Ergebnisse der Staats- und Steuerungsdebatte legen nahe, dass für den Umfang eines fundamentalen Politikwandels zusätzliche Faktoren in Betracht zu ziehen sind. Berücksichtigt werden müssen Pfadabhängigkeiten, insbesondere institutionelle Arrangements, Politikmuster und -stile; Akteure in verschiedenen Subsystemen und deren Weltsichten (insbesondere auch Veto-Akteure); Implementationsdefizite und Möglichkeiten zur Schaffung zusätzlicher Handlungskapazitäten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass zur Beschreibung eines solchen Politikwandels eine Periode von 20 bis 40 Jahren notwendig ist. Im Folgenden werden mit Netzwerktheorien und -ansätzen sowie dem Advocacy-Coalition-Ansatz und der Diskurstheorie Ansätze dargestellt, die im Weiteren als theoretisches Kerngerüst dieser Arbeit dienen sollen.
2.1.8 Der Advocacy-Coalition-Ansatz Zur Erklärung bestimmter Policy-Entscheidungen aus einem interaktiven Zusammenhang von Akteuren und Institutionen wurde das Konzept des Policy-Netzwerkes entwickelt. Der Netzwerkbegriff ist bislang allerdings vage geblieben; je nach Autor wird ein Netzwerk unterschiedlich weit aufgefasst und es gibt anhaltende Diskussionen, ob es sich jetzt um eine reine Metapher oder um einen eigenständigen Theorieansatz handelt (ausführlich in Pesendorfer 2002). Ein Forschungsansatz, der versucht, konkrete Politik in der Wechselwirkung zwischen politics-, polity- und policy-Variablen zu begreifen, ist der Advocacy Coalition Framework (ACF). Dabei stehen Lernprozesse im Vordergrund, die zu einem Politikwechsel in einem bestimmten Subsystem führen. Nach Paul A. Sabatier und Hank Jenkins-Smith besteht eine Advocacy-Koalition (im Deutschen z.T. mit Fürsprecher- oder Meinungsführer-Koalition, großteils aber gar nicht übersetzt) aus Akteuren aus unterschiedlichen privaten und öffentlichen Institutionen, die ein Set von gemeinsamen Wertvorstellungen, Vorstellungen über politische Ziele, kausale Zusammenhänge und andere Perzeptionen teilen und die versuchen, die Regeln, Budgets und Ressourcen von staatlichen Institutionen für diese Ziele über einen längeren Zeitabschnitt hinweg zu manipulieren. Es geht demnach nicht um ein rational-egoistisches Handeln, sondern um die Realisierung von Zielen im Einklang mit Wertvorstellungen, wobei diese Ziele nicht von materiellen Interessen losgelöst sind. Je nachdem, welches Subsystem betrachtet wird, variiert die Anzahl der 30
Advocacy-Koalitionen. Im Regelfall stehen sich nach Sabatier zwei bis vier Koalitionen gegenüber. Mehr Koalitionen sind ebenso wenig unmöglich, wie dass es nur eine einzige Koalition über einen längeren Zeitraum hinweg gibt. Unter den prinzipiell lernfähigen Koalitionen dominiert in der Regel eine in einem bestimmten Subsystem. Eine vermittelnde Funktion zwischen den Koalitionen übernehmen so genannte Policy Brokers (Policy-Vermittler), die selbst durchaus auch einer Koalition angehören können und für einen tragfähigen Kompromiss sorgen. Eine solche Vermittlerrolle nehmen in der Regel Behörden bzw. einzelne Behördenvertreter ein. Advocacy-Koalitionen sind damit Netzwerke, die sich weder auf die Akteursgruppe beschränken, die typischerweise für die Problembearbeitung und Politikformulierung in einem bestimmten Subsystem zuständig sind (Policy Community), noch ein extrem breit gefasstes Themennetzwerk (Issue Network) darstellen (nach der klassischen Typologie von Netzwerken von Rhodes). Der ACF berücksichtigt sozioökonomische Rahmenbedingungen, Veränderungen des politischen Prozesses und institutionelle Variablen und stellt dabei den Kampf zwischen Koalitionen in den Vordergrund. Dazu wurden eine Reihe von Hypothesen bezüglich der Koalitionen, des Politikwechsels und des Politiklernens aufgestellt, die in empirischen Untersuchungen im Rahmen von qualitativen und quantitativen Studien getestet und an den Ergebnissen korrigiert wurden (vgl. dazu Sabatier/Jenkins-Smith 1993 u. 1999; Schlager 1999). Einigen davon werden wir im Verlauf dieser Arbeit noch begegenen. Der ACF eignet sich insbesondere zur Beschreibung des Policy learning in einem bestimmten Subsystem über einen längeren Zeitraum. Im Mittelpunkt des Interesses stehen daher langfristige Entwicklungen, Entwicklungssprünge und fundamentale Politikwechsel, die mit der Änderung paradigmatischer Weltsichten zusammenhängen. Unbedeutendere Fragen innerhalb eines Politikzyklus müssen keinesfalls die gleichen Koalitionen hervorbringen, da die Akteure auch noch andere Interessen und Zielsetzungen verfolgen. Die Rahmenbedingungen, die externen Einflüsse und die relativ stabilen Parameter, die konkrete Resultate in einem Subsystem mitbestimmen, ähneln stark jenen Faktoren und Determinanten, die in der Umweltforschung als Voraussetzungen für den Erfolg oder Misserfolg von Umweltpolitik gelten (vgl. Pesendorfer 2002: 127ff). Der ACF geht von einigen wesentlichen Voraussetzungen für das Studium von Lernprozessen und Politikwechsel aus. Erstens misst er der Frage, wie ein Problem technisch definiert wird, wo die Ursachen desselben gesehen werden und der Frage, welche Folgen mit einer Lösung des Problems einhergehen könnten, eine wichtige Bedeutung bei. Zweitens benötige das Verstehen eines Politikwechsels einen Zeitraum von einem oder mehreren Jahrzehnten, damit zumindest ein Policy-Zyklus beendet worden ist, der es erlaubt, einen Erfolg oder Misserfolg zu messen und die Vielfalt der Strategien der Akteure in einem Subsystem über einen längeren Zeitraum zu verfolgen. Drittens wird ein Policy-Subsystem als geeignetste Einheit für die Analyse und das Verstehen eines Politikwechsels betrachtet. Innerhalb dieses Subsystems sollte viertens der traditionell zu enge Akteurskreis insbesondere um Journalisten, Forscher und Wissenschafter, etc. sowie um Akteure, die auf allen Ebenen die Politikformulierung und Implementation beeinflussen, erweitert werden. Fünftens sind belief systems von zentraler Bedeutung, weil Public Policies oder politische Programme immer auch Theorien darüber beinhalten, wie die Ziele zu erreichen sind (Pressman/Wildavsky 1973/1984; Majone 1989). Zu einem wesentlichen Politikwechsel kommt es laut Sabatier und Jenkins-Smith dann, wenn sich die Policy-Kernaspekte in einem politischen Programm verändern. Kleine31
re Änderungen erklärt der ACF hingegen aus einem Wandel der sekundären Aspekte. Im ersten Fall sind bedeutende Störungen bzw. Einflüsse notwendig, die von außerhalb des Subsystems kommen (sozioökonomische Veränderungen, öffentliche Meinung, neue Regierungskoalitionen, Policy-Output eines anderen Subsystems). Solche Einflüsse sind eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen Wandel in den Policy-Kernaspekten eines Politikfeldes. Sie bilden lediglich die Chance für einen wesentlichen Politikwandel, der aber erst dann eintritt, wenn die Proponenten dieses Wandels die Möglichkeiten entsprechend nutzen (Sabatier/Jenkins-Smith 1999: 148). Ob es dann tatsächlich zu einem Policy learning und einem Politikwandel kommt, hängt zudem von relativ stabilen Parametern ab und davon, wie hoch der Grad ist, in einem bestimmten politisch-administrativen System einen Konsens für einen wesentlichen Politikwandel zu erreichen. Entscheidend kann auch der Eingriff hierarchisch übergeordneter Stellen sein. Hinsichtlich der Struktur der handlungsleitenden Orientierungen von Akteuren (belief systems) unterscheidet der ACF zwischen dem Hauptkern, dem Policy-Kern und sekundären Aspekten.5 Der Hauptkern setzt sich aus normativen und ontologischen Axiomen zusammen und erstreckt sich über alle Policy-Subsysteme. Er umfasst z.B. grundlegende Annahmen über die Natur des Menschen, über Wertehierarchien oder über Kriterien der Verteilungsgerechtigkeit. Auf die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik bezogen wären dies beispielsweise Annahmen wie, ob der Mensch Teil der Natur ist oder über die Natur herrscht, ob der Mensch von Natur aus schlecht ist und umweltschädigend handelt oder sozial beeinflussbar ist, ob der Mensch ausschließlich an Eigennutz interessiert oder vertragstheoretisch orientiert ist, welchen Wert Gesundheit und eine saubere Umwelt im Vergleich zu anderen Werten wie Freiheit, Wohlstand, Sicherheit, Macht, Wissen etc. einnimmt sowie – eine zentrale Frage im Nachhaltigkeitsdiskurs – welcher Stellenwert zukünftigen Generationen eingeräumt werden muss, soll oder kann. Eine Veränderung dieses Hauptkerns kommt für Sabatier einer religiösen Konversion gleich. Kuhn hingegen betrachtet vergleichbare Veränderungen in den Naturwissenschaften als mit politischen Revolutionen vergleichbar. John F. Munro (1993: 110) machte in einem von Sabatier und Jenkins-Smith herausgegebenen Sammelband über „Policy Change and Learning“ auf die Ähnlichkeiten zwischen deren Erklärung von Policy-Wandel und Kuhns Darlegung des Prozesses wissenschaftlicher Revolutionen aufmerksam: „The ACF’s distinction between learning within a belief system versus learning across belief systems is analogous to the difference between intraparadigm (normal science) and interparadigm conflict and change (revolutionary change). In the former case, scientists merely refine their theories to fit the empirical world; in the latter case, a fundamental transformation of beliefs and associated perceptions is required” (Munro 1993: 110).
Der Policy-Kern beinhaltet als charakteristisches Merkmal fundamentale Policy-Positionen in Bezug auf grundlegende Strategien, die dazu dienen, Kern-Wertvorstellungen innerhalb eines Subsystems zu realisieren. Dieser Policy-Kern ist spezifisch für ein Subsystem. Die Möglichkeit seines Wandels ist generell gering, da er sehr schwer veränderbare fundamentale normative Regeln beinhaltet. Veränderungen sind aber v.a. dann möglich, wenn Erfahrungen schwerwiegende Anomalien aufdecken. Im Bereich des Policy-Kerns unterscheiden sich Advocacy Koalitionen hinsichtlich ihrer Orientierung an grundlegenden Wertvorstellungen, ihrer Identifikation mit bestimmten 5
Vgl. zum Folgenden auch Bandelow (1999: 49; Übersicht 3).
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Gruppen oder Zielen (z.B. Wirtschaftsinteressen vs. Umweltinteressen), der Gesamtbeurteilung des Problems, der angemessenen Verteilung von Kompetenzen zwischen Markt und Staat sowie zwischen verschiedenen Regulierungsebenen, der Priorität einzelner Policy-Instrumente (z.B. Ordnungspolitik, „sanfte“ oder „neue“ Instrumente wie Umweltsteuern, Umwelthaftung, Anreize, etc.) sowie hinsichtlich ihrer Annahmen über die Fähigkeit der Gesellschaft, das Problem zu lösen (z.B. Technikoptimismus vs. Technikpessimismus; Umweltkonflikte vs. win-win-Strategien). Darüber hinaus umfasst ein belief system auf der Ebene eines Subsystems mit den sekundären Aspekten verhältnismäßig leicht veränderbare Teile. Diese sekundären Aspekte machen den Großteil der administrativen und legislativen Politikgestaltung aus. Hierbei geht es um instrumentelle Entscheidungen, die für die Durchsetzung des Policy-Kerns erforderlich sind wie z.B. der Bewertung spezifischer Problemaspekte unter spezifischen örtlichen Bedingungen oder Informationen über den Erfolg bzw. Misserfolg spezifischer Programme oder Institutionen. Der ACF ist für eine Analyse des umweltpolitischen Paradigmenwandels interessant, weil er den Schwerpunkt auf langfristige Veränderungen und auf dahinter liegende Paradigmen legt. Hierin unterscheidet sich der ACF von anderen Ansätzen und Netzwerktheorien, wie z.B. vom „akteurzentrierten Institutionalismus“, wie er von Scharpf und Mayntz formuliert wurde. Scharpf stimmt zwar darin überein, dass staatliche Programme das Produkt strategischer Interaktionen zwischen mehreren oder einer Vielzahl politischer Akteure sind, von denen jeder ein eigenes Verständnis von der Natur des Problems und der Realisierbarkeit bestimmter Lösungen hat etc.; darüber hinaus handelten individuelle Akteure typischerweise im Interesse und aus der Perspektive größerer Einheiten. Im Zentrum der Analyse stehen daher größere Einheiten (Parteien, Gewerkschaften, Ministerien,...), die in institutionellen Kontexten operieren, welche ihre Handlungen stark einschränken und zu relativ stabilen Akteurkonstellationen führen. Die Interaktionsformen sollten spieltheoretisch analysiert werden. In Ausnahmefällen sind zwar auch für den akteurzentrierten Institutionalismus die Integration von Policy-Lernen in analytische Erklärungsmodelle und die Einbeziehung weiterer Akteure in die Analyse möglich; generell wird jedoch institutionellen Erklärungen und hierbei den bedeutenden, etablierten Akteuren und deren Interessen der Vorrang eingeräumt (Scharpf 1997). Meiner Ansicht nach liegt der Erklärungsansatz hier auf einer anderen Ebene. Während es den Vertretern des akteurzentrierten Institutionalismus darum geht, den Ausgang politischer Prozesse spieltheoretisch zu erklären und im besten Fall sogar zu prognostizieren, geht es beim ACF um die Erklärung langfristiger gesellschaftlicher Lernprozesse und um die Frage, wie diese mit individuellen Lernprozessen möglichst vieler und in Koalitionen zusammengeschlossener Akteure zusammenhängen. Die Ansätze stehen daher nicht alternativ zueinander, sondern lassen sich durchaus sinnvoll verknüpfen. Nur muss man von vornherein wissen, für welche Fragestellung sich der ACF eignet und für welche nicht. Es kann kaum sinnvoll sein, in jedem politischen Entscheidungsprozess Advocacy-Koalitionen zu suchen, denn nur in fundamentalen Fragen werden solche auch zu finden sein. Wo man auch mit völlig unterschiedlichen Paradigmen/belief systems zu ein und derselben Schlussfolgerung kommen kann, kann der ACF kaum etwas zur Erklärung beitragen, selbst dann nicht, wenn sich auch hier Koalitionen identifizieren lassen. In solchen Fragen werden die Koalitionen ganz anders zusammengesetzt sein als in Fragen, wo core beliefs angesprochen werden; hier sind dann andere Netzwerkanalysen angebracht. Die gesellschaftliche Regulation von Naturverhältnissen ist ohne Zweifel ein Thema, bei dem core beliefs immer 33
wieder eine zentrale Rolle spielen (Peterson 2004: 121). Trotzdem ist der ACF – zumindest in der Konzeption seiner Erfinder und Hauptvertreter – nicht unkritisch zu übernehmen. Wir wollen uns als nächstes einen argumentativen Ansatz ansehen, der wesentliche Kritikpunkte formuliert und eine Ergänzung hinsichtlich zentraler Fragestellungen verspricht.
2.1.9 Diskursanalytische Kritik und Ergänzung Diskursanalyse ist ein wissenschaftlicher Erklärungsansatz, der in den letzten Jahrzehnten in mehreren Disziplinen großen Einfluss gewinnen konnte. Ähnlich den Cultural Studies, dem Neomarxismus, dem Neoinstitutionalismus, der Systemtheorie oder aber auch dem Neoliberalismus erheben Diskursanalytiker einen weitreichenden Erklärungsansatz, wobei in diesem Fall dem Begriff des Diskurses eine zentrale Bedeutung beigemessen wird, um die „soziale Konstruktion der Wirklichkeit“ (Berger/Luckmann) zu analysieren. Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass Diskurse niemals isoliert im Raum stehen; Texte beispielsweise sind immer vernetzt, Intertextualität und Rekontextualisierung spielen hier eine entscheidende Rolle für die Analyse und Interpretation von Texten. Methodisch geht die Diskursanalyse auf die Arbeiten des französischen Philosophen Michel Foucault und von Linguisten und Sozialpsychologen (z.B. Saussure, Harré und Billig) zurück. Hier ist nicht Platz, um auf die zahlreichen unterschiedlichen Ansätze, die sich mittlerweile etabliert und mithin auch zur Inflation des Begriffs Diskurs geführt haben, oder auf methodische Details einzugehen. Es sollen lediglich Ansätze von Frank Fischer, Maarten A. Hajer und John S. Dryzek näher dargestellt werden, weil darin eine ergänzende und korrigierende Perspektive zum ACF versprochen wird. Die Hauptkritik dieser Autoren wirft dem ACF vor, dass er besser geeignet ist, politische Stabilität, aber weniger politische Veränderungen zu erklären, und dass die Vorzüge des Ansatzes durch den empirizistischen Ansatz von Sabatier und Jenkins-Smith zerstört würden. Das Problem liege dabei nicht im theoretischen Ansatz, sondern in der neopositivistischen Methodologie seiner Vertreter, die den Ansatz entscheidende Grenzen setze (Fischer 2003: 99ff.). Ein Diskurs wird von diesen Autoren als eine geteilte Wahrnehmung der Welt verstanden, die – eingebunden in Sprache – jenen, die Teil dieses Diskurses sind, ermöglicht Teilinformationen zu interpretieren und in eine kohärente Erzählung (story) einzufügen. Jeder Diskurs basiert auf Annahmen, Bewertungen und Behauptungen, die die Grundlage von Analysen, Debatten, Verständigungen und Konflikten bilden. Ähnlich dem Paradigmenbegriff und den belief systems-Konzepten wird auch hier davon ausgegangen, dass ein völliger Bruch mit einem Diskurs eher die Ausnahme ist (Dryzek 1997: 8). Hajer (1995) hat die Methode der Diskursanalyse seiner Studie über ökologische Modernisierung in den Niederlanden und in Großbritannien zugrunde gelegt. Sein Ansatz erhebt aber Anspruch, generell Politikwandel zu erklären. Mit seiner Definition von DiskursKoalitionen und der Betonung der Bedeutung so genannter „story-lines“ grenzt er sich von Sabatiers ACF ab und bietet eine alternative Erklärung für policy change und policy learning. Insofern wird seine Arbeit für unser Thema interessant. Seitdem Sabatier seinen Ansatz das erste Mal präsentierte und seither mehrfach modifizierte, hat eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Autoren die Brauchbarkeit des ACF für die Theorieentwicklung konstatiert. Die Anbindungsmöglichkeiten dieses Ansatzes an unterschiedlichste Theorien und Ansätzen scheint prinzipiell möglich zu sein. Sabatier (1999) selbst hat in einem von ihm herausgegebenen Sammelband Theorien und Ansätze zusam34
mengebracht, die aus seiner Sicht besonders fruchtbringend für die weitere Theoriebildung wären. Freilich hat er dabei insbesondere an die Arbeiten langjähriger Kolleginnen und Kollegen gedacht und damit zahlreiche alternative Theorieansätze ausgeschlossen, was Kritik auslöste. Gerechtfertigt hat er diese Selektion als Konzentration auf eben die „erfolgversprechendsten Ansätze“ der Policy-Forschung, gleichzeitig aber auch durch die Art und Weise, wie er Theorien definiert und welches methodische Vorgehen er fordert. Dieses Theorieproblem soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden, hier interessiert uns die Kritik, die direkt gegen den ACF gerichtet ist, und Hajers ergänzender Ansatz als solcher. Auch dass Sabatier quantitativen Methoden den Vorrang gegenüber qualitativen Methoden eingeräumt hat, wie Frank Fischer (2003: 98) kritisiert, braucht uns hier nicht zu interessieren, da es genügend qualitative Studien gibt, die mit dem ACF arbeiten (Sabatier/Jenkins-Smith 1993). Hajer stimmt in mehreren Punkten mit Sabatier überein.6 Er unterstützt die Orientierung auf die Frage, wie Koalitionen in einzelnen Policy-Subsystemen entstehen. Auch stimmt er darin überein, dass an diesem Prozess eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist und dass externe Parameter in die Analyse mit einbezogen werden müssen. Insgesamt sieht er aber drei wesentliche Unterschiede zwischen discourse coalitions und advocacy coalitions: „(1) the individualist ontology differs from my relational ontology; (2) the central role of beliefs in advocacy-coalitions differs from my emphasis on the constitutive role of language and the role of story-lines and discursive affinities; (3) Sabatier’s notion of policy-oriented learning differs from my theory of social change“ (Hajer 1995: 69).
Sabatiers Schwerpunktverlagerung von Institutionen und Akteuren hin zu advocacy coalitions betrachtet Hajer als individualistische Ontologie, die keinen wirklichen Vorteil bringe, weil die Konzentration auf beliefs einzelner Individuen unterschiedliche argumentative Austausche unberücksichtigt lasse. Akteure könnten Widersprüchliches behaupten, um unterschiedliche Koalitionen zu erhalten. Hajer illustrierte dies anhand widersprüchlicher Aussagen von Umweltministern. Wird von einer Koalition beispielsweise eine story-line, wenn vielleicht auch mit Gegenargument, aufgegriffen, dann kann daraus resultieren, dass damit auch die Reproduktion der anderen Koalition beeinflusst wird. Hajer zweifelt auch an der Möglichkeit zu unterscheiden, wer in einer Koalition ein belief system teilt und wer nur aufgrund bestimmter Fähigkeiten Teil dieser Koalition und wer advocate und wer broker ist. Hajer unterstellt hier Sabatier, dass die Rollen starr verteilt wären, dass ein Akteur nicht einmal ein broker und in einem anderen argumentativen Zusammenhang ein advocate oder gar ein broker und advocate gleichzeitig sein könnte. Das zweite Argument gegen den ACF betrifft die belief systems. Sabatier setze diese beliefs als gegeben, wenngleich veränderbar durch soziales Lernen. Hajer weist darauf hin, dass Akteure keine stabilen Werte haben, sondern beliefs erst im Zusammenspiel von Sprache und Kontext entstehen. Neue Diskurse beeinflussen Werte und beliefs der Akteure und ermöglichen ihnen ein verändertes Bewusstsein über ihre Rolle und die Möglichkeiten für Veränderungen. Frank Fischer (2003: 99) hat hier zudem kritisiert, dass sich Sabatier und Jenkins-Smith nur auf technische Überlegungen in Expertendiskursen konzentrieren. 6 Hier sei angemerkt, dass Hajers Kritik am ACF (1995: 69) sich ausschließlich auf Sabatiers Artikel „Knowledge, Policy-oriented Learning, and Policy Change“ (1987) bezieht; spätere und ausführlichere Arbeiten von Sabatier und auch von Jenkins-Smith und ihren Kollegen wurden ignoriert. F. Fischer (2003) geht jedoch auch darauf ein.
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Drittens beinhalte Sabatiers Ansatz eine starke rationalistische Idee über kognitiven Wandel, die mit sozialen Konflikten über Probleme wie z.B. Luftverschmutzung nicht vereinbar wäre. Hajer lehnt diesen Rationalismus und die Rolle der objektiven Wissenschaft entschieden ab. So wie auch Sabatier geht Hajer (1995: 13) davon aus, dass Individuen sehr unterschiedliche Wahrnehmungen davon haben können, was z.B. Umweltpolitik ist. Die hegemoniale Besetzung eines solchen Begriffs versteht er nicht als linearen, progressiven und wertfreien Prozess, in dessen Verlauf einzelne Akteure von der Wichtigkeit von Umweltfragen überzeugt würden. Vielmehr handle es sich dabei um einen Kampf zwischen verschiedenen unkonventionellen politischen Koalitionen, von denen jede aus Akteuren wie z.B. Wissenschaftern, Politikern, Aktivisten sowie aus diese Akteure repräsentierenden Organisationen besteht. Diese haben auch Verbindungen zu Fernsehkanälen, Zeitschriften und Zeitungen und berühmten Persönlichkeiten. Solche „Diskurskoalitionen“ entwickeln einen besonderen Diskurs, z.B. eine bestimmte Art und Weise, wie über Umweltpolitik gesprochen und gedacht wird, und halten ihn aufrecht. Hajer bezeichnet diese Koalitionen als unkonventionell, weil sich die Akteure nicht notwendigerweise getroffen, geschweige denn eine gemeinsame Strategie ausgearbeitet haben müssen. Was sie vielmehr vereinigt und ihnen politische Macht verleiht, das ist die Gruppierung um bestimmte storylines. Solche storylines sind oft mit Metaphern verbunden („Raumschiff Erde“, „the tragedy of the commons“, die Natur als Maschine, der Mensch als Organismus, menschliche Intelligenz, „Krieg gegen die Natur“, …). Die Akteure einer Diskurskoalition haben demnach ein spezifisches Set solcher storylines, können aber nichtsdestotrotz deren Bedeutung durchaus unterschiedlich interpretieren und unterschiedliche Interessen verfolgen. Diskurskoalitionen sind demnach wesentlich breiter als Advocacy-Koalitionen. In der Rhodes-Typologie, auf die hier weder Hajer noch F. Fischer eingehen, hätten wir es hier mit Issue Networks zu tun. Der Umweltkonflikt, so Hajer, geht nicht primär um die Frage, welche Maßnahmen getroffen werden sollen oder ob überhaupt gehandelt werden soll, sondern er ist ein Konflikt über die Bedeutung naturwissenschaftlicher und sozialer Phänomene. Hier nehmen storylines eine zentrale Rolle ein. Sie determinieren das Wechselspiel zwischen natürlichen und sozialen Realitäten. Storylines werden als Vehikel des Wandels betrachtet und in Verbindung mit bestimmten Diskurspraktiken analysiert, die sie produzieren. Wenn von (Umwelt-)Problemen gesprochen wird, sprechen alle Akteure von Unterschiedlichem, weil sie unterschiedlichen sozialen und kognitiven Zwängen unterliegen. Hierbei spielen v.a. weithin akzeptierte Praktiken und Institutionen, wie z.B. Rechte, Freiheiten, Verfassungen und kulturelle Traditionen eine wichtige Rolle. So lassen sich beispielsweise Erfolge der Umweltpolitik genauso argumentieren wie Politikversagen in der Umweltpolitik. Erhält eine storyline ausreichend sozialen und politischen Rückhalt, sind politische Effekte die Folge. Die Frage ist dann aber, wer die Bedeutung der jeweiligen storyline zu bestimmen vermag und wie sich die Diskurskonstruktion und die institutionellen Antworten darauf gegenseitig beeinflussen. Hier geht es Hajer um die Identifikation verschiedener Elemente, die einen Diskurs ausmachen (Annahmen über die gesellschaftlichen Naturverhältnisse, Akteure und deren Motive, Metaphern und andere Rhetoriken) und um deren Effekte (Politiken, die mit dem Diskurs verbunden sind, Effekte auf Regierungspolitiken, Effekte auf Institutionen, Argumente der Kritiker, empirisch oder argumentativ aufgezeigte Fehler). Das Hauptaugenmerk liegt dabei darauf zu erklären, warum und wie politische Veränderungen zustande kommen. Im Gegensatz zu Sabatier, der universell anwendbare empirische Hypothesen formulieren will, fordern die Diskursanalytiker die 36
Einbindung in den sozialen und historischen Kontext, der bei Sabatier als „black box“ ausgeklammert bleibe. Sie bezweifeln auch nicht die Existenz von belief systems, halten es aber für möglich, dass Menschen mit unterschiedlichen core beliefs Teile einer Koalition sein können. Fischer (2003: 104) führt dazu das Beispiel des Vorsorgeprinzips aus der Umweltpolitik an: Akteure können über wesentliche Fakten andere Ansichten haben, ohne dass sie deshalb in die Koalition derer wechseln müssten, die das Vorsorgeprinzip als Bedrohung des kapitalistischen Systems auffassen. Storylines wie z.B. Nachhaltigkeit zeigten, dass Policy-Koalitionen viel breiter und flexibler sein können, als der ACF annimmt. Im Gegensatz zu den gut definierten Problemen und Problemlösungen, von denen der ACF ausgeht, fordert Hajer die Fokussierung auf die Art und Weise, wie unterschiedliche Koalitionen über Argumente das Problem, mögliche Lösungen und deren eigene Orientierung darauf definieren und redefinieren. Insgesamt ist der Großteil dieser Kritik am ACF allerdings konstruiert und nicht wirklich zutreffend. Der zentrale Vorwurf, dass der ACF vorwiegend politische Stabilität aber nicht Politikwandel erklären könne, ignoriert beispielsweise die Unterscheidung von etablierten und neuen Subsystemen im ACF. Darüber hinaus bleiben die alternativen Erklärungen, warum auch die Diskurskoalitionen über längere Zeiträume relativ stabil bleiben, schwach und wenig systematisch. Wo diese Diskursanalytiker insbesondere schwach bleiben, ist bei der Identifikation von Netzwerken und Netzwerkstrukturen, die von anderen Autoren als Advocacy Coalitions oder Policy Communities beschrieben werden und einen wesentlichen Erklärungsansatz zu Policy-Wandel (instrumental und social learning) liefern. Im Gegensatz zum breiten Begriff der Diskurskoalitionen haben diese Begriffe den Vorteil, die Hauptakteure in deren institutionellen Rahmenbedingungen in einem bestimmten Politikfeld bei sehr spezifischen Problemstellungen genauer zu bezeichnen und zu identifizieren. Frank Fischer (2003) stellt zwar verschiedene Netzwerktheorien dar, lässt aber offen, ob oder wie diese in die Diskursanalyse integriert werden könnten, um Policy-Wandel in einzelnen Politikfeldern zu erklären. Stattdessen endet er mit einer Kritik an der angeblichen Unterscheidung zwischen Politics und wissenschaftlichen Experten in den meisten dieser Ansätze, die den Einfluss von Experten auf das Policy-making und von Politik auf die Wissenschaft unberücksichtigt ließe (Fischer 2003: 35). Dem ACF wirft Fischer auch vor, dass er Institutionen vernachlässige. Sabatier und Jenkins-Smith (1999) wiederum stellen fest, dass der ACF in Zukunft Institutionen (noch) stärker berücksichtigen müsse und dazu auf den Neo-Institutionalismus zurückgreifen sollte. Den „konstruktivistischen Ansatz“ von Hajer und Fischer lehnt Sabatier (1999: 11) als weniger erfolgversprechenden Theorieansatz ab, da dieser weder sozioökonomische Rahmenbedingungen noch Institutionen ausreichend berücksichtige und die „freischwebenden“ Ideen nicht mit spezifischen Individuen verbunden würden. Zudem entzöge sich diese Theorie der Falsifizierbarkeit. Ergänzend ist hier anzuführen, dass die Diskursanalyse auch hinsichtlich der Unterscheidung verschiedener Formen des Lernens nichts zu bieten hat. Der Wert der Diskursanalyse reduziert sich letztlich auf die Hervorhebung der Bedeutung der breiten gesellschaftlichen Diskurse und vor allem der dominanten und marginalisierten Diskurse auf politische Stabilität und politische Veränderungen als zusätzlichen Erklärungsfaktor vor allem für die großen Entwicklungen über mehrere Jahrzehnte. Dies ist zwar eine wichtige Ergänzung, da Diskurswandel tatsächlich Ausdruck des Wandels institutioneller Praktiken ist; dem hehren Anspruch, ausschließlich mithilfe der Diskursanalyse Politikwandel erklären zu können, wird die Theorie bei weitem nicht gerecht, weil dazu die Policy-Ebene viel zu sehr vernachlässigt wird. Vielversprechender ist hingegen der Ansatz von Vivien A. 37
Schmidt (2002), die ihren diskursanalytischen Ansatz als Ergänzung zum akteurzentrierten Institutionalismus präsentiert und auch Anknüpfungspunkte an den ACF anbietet. Dies halte auch ich für sinnvoll und verfolgenswert. Ich will mich in dieser Arbeit darüber hinaus nur „eklektisch“ der Diskursanalyse bedienen, ohne den Jargon dieser Theorie zu sehr zu strapazieren, indem ich – v.a. der „materialistischen“ Diskursanalyse folgend – unterschiedliche (umwelt)politische Diskurse, hegemoniale Diskurse und breite Diskurskoalitionen sowie Machtverhältnisse, Antagonismen und Ausgrenzungsstrategien sowie deren Wandel identifiziere. Im Weiteren sollen diese Koalitionen jedoch durch Netzwerkanalysen und in einigen Fällen auch als Advocacy Koalitionen spezifiziert werden.
2.1.10 Die Grenzen der Steuerbarkeit Nachhaltige Entwicklung ist bekanntlich ein überaus anspruchsvolles Konzept, dass gleichzeitig nicht unbedingt dafür prädestiniert ist, politikrelevant zu werden. Das Konzept ist unscharf, kaum zu operationalisieren und in seinen Implikationen zudem hoch kontrovers, so dass es von Kritikern als „Leerformel“ abgetan wird oder als Metaleitbild aufgefasst wird, dass durch konkretere Leitbilder für einzelne Politikbereiche verständlicher gemacht werden sollte. Der spezifische Problemdruck, der zu einem Umsteuern im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung führen soll, ist von einer anderen Qualität wie traditionelle Umweltprobleme. Die Unsicherheiten und Risiken, gerade im Hinblick auf globale Umweltprobleme, die oft schleichend sind, sind wesentlich größer geworden. Trotzdem sollen einschneidende Maßnahmen möglich werden. Zweifel sind also bereits aufgrund der angesprochenen Kriterien (technische Machbarkeit, Implementationschancen, Werte, etc.) angebracht; noch mehr, wenn die prinzipielle politische Steuerbarkeit und gesellschaftliche Selbstorganisation in modernen Gesellschaften aufgrund der bestehenden Machtverhältnisse hinterfragt wird. Diesem Thema wollen wir im Folgenden vor dem Hintergrund der politikwissenschaftlichen Steuerungsdebatte der letzten Jahrzehnte nachgehen. Geht es den oben referrierten Ansätzen zur Erklärung von Policy Lernen und PolicyWandel vor allem um Grundlagen für eine bessere Theorie der Politik, so beschäftigen sich Staats- und Steuerungstheorien insbesondere mit der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung und damit auch mit den Chancen auf Verbesserungen wie z.B. auf eine verbesserte Politikformulierung und eine bessere Implementation. Die Auseinandersetzung mit Staats- und Steuerungstheorien ermöglicht insbesondere die Einbeziehung der Faktoren Macht und Interessen in Lerntheorien. Darüber hinaus bildet sie in dieser Arbeit den Ausgangspunkt für die Analyse des Wandels staatlichen Regierens und hierbei vor allem dem Wandel von Government zu Governance, also dem Wandel hinsichtlich der in die Politikgestaltung und -umsetzung eingebundenen Akteure sowie dem Wandel hinsichtlich der verwendeten Ressourcen. In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich die Staatstätigkeit (z.B. gemessen als Staatsquote) erheblich ausgedehnt. Dies ging einher mit Diskussionen über die Möglichkeiten von staatlicher Planung, die damals noch im Rahmen einer richtiggehenden Planungseuphorie stattfanden. Insbesondere am Beispiel des (keynesianischen) Wohlfahrtsstaates wurde jedoch eine Überforderung des Staates festgestellt und die Frage nach Legitimationsproblemen aufgeworfen (z.B. Habermas 1973; Offe 1972 u. 1984). Thematisiert wurde eine Krise der Regierbarkeit, eine Legitimationskrise, eine Hegemoniekrise der USA, eine Krise des Sozialstaats, der Arbeitsgesellschaft, eine Wertekrise und eine weitge38
hende Zivilisationskrise. Die Mehrzahl sah die Ursache dafür in einer Wachstumskrise. Neoliberale Autoren kritisierten die Überregulierung der Gesellschaft und Wirtschaft durch den zu starken, allseits präsenten Staat und attestierten eine sich ausbreitende institutionelle Sklerose. Es schien als bändigten staatliche Programme Komplexität nicht, sondern entfesselten sie erst (Görlitz 1990a: 13). Die materialistische Staatstheorie sah die Notwendigkeit zur Ausdehnung der Staatstätigkeiten im tendenziellen Fall der Profitrate begründet. Staatliche Interventionen fänden eine wirksame Grenze insofern, als dass sie kein Ausmaß annehmen können, „bei dem die private Kapitalakkumulation zum Erliegen kommt“ (Altvater 1973: 173f). In den 1970er Jahren thematisierte die materialistische Staatstheorie u.a. Probleme des „Krisenmanagements“ in der kapitalistischen Gesellschaft (z.B. Altvater) und den Zusammenhang zwischen wissenschaftlich-technologischen Fortschritt und politischem System (z.B. Hirsch 1970). Attestiert wurde eine „prinzipielle Unfähigkeit zur Regulierung der gesellschaftlichen Widersprüche“, deren Folge es ist, dass der Staat lediglich „an den Erscheinungsformen, an den Symptomen der gesellschaftlichen Widersprüche, der Krisen“ ansetze. „Es sind dem Staat nur die Oberflächenbewegungen der bürgerlichen Gesellschaft zur Intervention zugänglich, nicht aber die ihnen zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten. Jedes staatliche Handeln zur Behebung oder Verringerung von Konflikten setzt daher neue Konflikte“ (Altvater 1973: 183). Bezogen auf die Umweltproblematik ist hiermit der nach wie vor bestehende Widerspruch zwischen kapitalistischer Entwicklung und Naturzerstörung angesprochen, der in der jüngsten Vergangenheit zur berechtigten Frage geführt hat, ob Kapitalismus überhaupt nachhaltig sein kann (O’Connor 1994, Sarkar 2001). Denn dass das kapitalistische System nicht nur, wie bereits Marx feststellte, mit der Steigerung der Produktivkräfte gleichzeitig enorme Destruktivkräfte freisetzt, sondern auch von der Umweltzerstörung und vom Umweltschutz profitiert, ist seit langem bekannt (Jänicke 1978; 1979; 1986). Der von kritisch-dialektischen Ansätzen vertretene ökonomische Determinismus darf freilich nicht so verstanden werden, dass der Staat und alle seine Aktivitäten ausschließlich über die Dynamik der Kapitalakkumulation erklärt werden (dazu Jessop 2002). Offensichtlich spielen kapitalistische Strukturen jedoch eine wesentliche Rolle, wenn es um die Grenzen staatlicher Steuerungsfähigkeit geht. Mit der wachsenden Thematisierung der Grenzen staatlicher Planung durch diverse Krisentheorien, welche die Handlungsunfähigkeit des Staates und seine Schwäche, auf gesellschaftliche Herausforderungen adäquat reagieren zu können, aufzeigten, und durch die skeptischen Analysen der Implementationsforschung und -theorie (z.B. Pressman/Wildavsky 1973; Mayntz 1978) wurde zunehmend gefragt, ob bzw. in welcher Form politische Steuerung hinsichtlich der Komplexität des Gesamtsystems überhaupt noch möglich ist. Die Systemtheorie à la Luhmann spricht der Politik diese Fähigkeit schlicht ab und glaubt gleichzeitig, darin eine bessere Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme und Krisen zu erkennen: Die funktionale Differenzierung der Gesellschaft in autonome, von der Politik nicht steuerbare Teilsysteme trage gerade zur Rationalitätssteigerung der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung bei. Willke (1992) kritisiert die „Verhüllungen der Politik“ im bisherigen „Steuerungsstaat“ und plädiert für eine „dezentrale Kontextsteuerung“ und für einen „therapeutischen Staat“, der die selbstorganisierten Abläufe der Teilsysteme mittels politischer Supervision überwacht und höchstens Störungen in der Selbstorganisation behebt. Entgegen der systemtheoretischen Sichtweise betonen andere Steuerungstheorien, dass eine erfolgreiche Steuerungstätigkeit der Politik auch in modernen Gesellschaften noch möglich sei, wenn man den Organisationscharakter moderner Gesellschaften berücksichtige (Scharpf; Mayntz). Der neueren Systemtheorie (Teubner; Willke) wurde vorgewor39
fen, dass sie die Aushandlungsprozesse zwischen repräsentativen Akteuren in den Interpenetrationszonen der Funktionssysteme, in denen wechselseitige Transformationen vollzogen werden, nur unzureichend berücksichtige (Münch 1992: 81f). Zwar blieben einseitighierarchische Interventionen des Staates häufig unwirksam und deren Wirkungen unkalkulierbar, der Steuerungserfolg könne dennoch über informelle oder formelle Verhandlungssysteme sichergestellt werden (Scharpf 1992). Scheitert die politische Steuerung infolge von strukturellen Handlungs- und Leistungsdefiziten des Staates, dann handelt es sich um ein Staatsversagen. Dieser Begriff, der in den 1960er Jahren in Zusammenhang mit dem Wohlfahrtsstaat entwickelt wurde, zählt zu den unscharfen und uneinheitlich verwendeten Begriffen in der Politikwissenschaft, da er weitgehend von der zugrunde liegenden Staatstheorie und Theorie des Staatsinterventionismus abhängt. Entstanden ist die Theorie des Staatsversagens als ein „Reflex“ auf die ökonomische Theorie des Marktversagens (Jänicke 1986). Politisch bedeutet Staatsversagen, dass längst überfällige Entscheidungen nicht getroffen werden oder dass wohlklingenden Ankündigungen eine symbolische Politik folgt, die dann irgendwann wie eine Seifenblase zerplatzt. Nach Ulrich Beck (1993: 155) entsteht „eine Welt der symbolträchtigen politischen Institutionen und eine Welt der politischen Alltagspraxis“, wovon die erste der industriellen, die zweite der reflexiven Moderne angehöre. Eine Form der Problembearbeitung ist es, das Problem zu ignorieren oder soweit herabzuspielen, sodass kein Handlungsbedarf daraus resultiert. Dieses Problem der „nondecisions“ (erstmals von Bachrach/Baratz zu Beginn der 1960er Jahre (dt. 1977) thematisiert) führt dazu, dass über bestimmte Themen, die eine latente oder manifeste Bedrohung von Werten oder Interessen darstellen, dadurch mitentschieden werden, dass man sie von der Entscheidung ausgrenzt. Entweder gelangen sie infolge einer gelungenen Unterdrückung erst gar nicht auf die Tagesordnung, oder eine Entscheidungsfindung scheitert an einem mangelnden Konsens der Akteure, die einen möglichen Erfolg nicht gefährden wollen und daher vereiteln. Die Theorie des Marktversagens geht davon aus, dass der Markt bestimmte Formen der Nachfrage nicht oder nur höchst unzureichend befriedigen kann. Die Kosten dafür werden auf den Staat und letztlich auf die Allgemeinheit abgewälzt. Für diese öffentlichen Güter, die, weil sie allgemein zugänglich sind, nicht ohne weiteres mittels eines Preises handelbar gemacht werden können, wird daher der Staat verantwortlich, indem er für eine kollektive Nachfrage zu sorgen hat. Umweltschutz ist so wie der Arbeits- und Verbraucherschutz eine sozialregulative Politik, deren Zielsetzung es ist, (partielles) Marktversagen zu verhindern oder zu korrigieren. Ursprünglich thematisierte der Begriff des Staatsversagens v.a. die Unwirtschaftlichkeit des Staatssektors. Jänicke (1986: 51) ergänzte diese Kritik um Steuerungsprobleme und um strukturelle Rationalitäts- und Innovationsschwächen. Politisches Staatsversagen ist demnach „Folge eines Verzichts auf politische Gestaltung und vorsorgliche Intervention“, ökonomisches Staatsversagen ein Problem der Effizienz und funktionelles Staatsversagen ein Mangel an Effektivität. Im Zusammenhang mit der Kostenwahrheit für Umweltgüter wird z.B. aus liberaler Sicht unter Marktversagen ein intertemporales Allokationsproblem verstanden, dass dadurch zustande kommt, dass die tatsächlichen intertemporalen Knappheitspreise wegen der Nichtberücksichtigung der Präferenzen künftiger Generationen nicht erzielt werden; unter Staatsversagen die Tendenz, die Gebühren z.B. für die Abfallentsorgung im Hinblick auf Wiederwahlchancen tendenziell zu niedrig anzusetzen (Mittendorfer 1996: 16). Staatsversagen wird insbesondere in der Orientierung auf kurzfristige Ziele und der groben Vernachlässigung langfristiger Ziele gesehen. 40
Man kann Markt- und Staatsversagen hier aber auch wesentlich radikaler formulieren: Die Funktionsweise des Marktes verhindert, dass z.B. das Prinzip der Vermeidung oberste Priorität gewinnen kann; die Politik versagt nicht nur bei der Erhöhung von Gebühren, beim Erlassen strengerer Gesetze und deren Vollzug, sondern schafft es schlicht nicht, mit der bestehenden bürokratisch-administrativen Arbeitsteilung die Probleme überhaupt lösen zu können. Vermeiden lässt sich Staatsversagen nach Jänicke dann, wenn der Staat nicht nachträglich und teuer repariert, sondern präventiv eingreift; wenn es ihm also gelingt, im vornherein die Handlungsprämissen der einzelnen Akteure so zu verändern, das daraus ein erwünschtes System beeinflussendes Handeln resultiert. Dazu muss der Staat entsprechende Handlungskapazitäten aufbauen (capacity-building). Aus verschiedenen institutionenanalytischen Ansätzen heraus entstand ein Ansatz institutioneller Arrangements, der Institutionen als „grundsätzlich gestaltbare, anpassungsfähige, dabei aber gültige Regelkomplexe und Orientierungsmuster“ begreift und an traditionellen Governancebegriffen anknüpft (von Prittwitz 2000: 13). Handlungs- und Steuerungskapazität hat ein institutionelles Arrangement dann, wenn es neben der Steuerung seines Außenverhaltens und seiner Binnenprozesse gleichzeitig auch strukturelle Kapazitäten der Komplexitätsverarbeitung gezielt weiterentwickeln kann (ib.: 32). Im Allgemeinen werden dazu heute vornehmlich „weichere“ Strategien wie Anreize, Überzeugung, die Etablierung von Verhandlungssystemen, etc. empfohlen, die Selbststeuerungsprozesse und Eigendynamiken betonen. Bislang war ein zentrales Merkmal regulativer Politik ihr Normcharakter. Dabei kann es sich um Gesetze, Rechtsverordnungen, richterliche Anweisungen, Verwaltungsvorschriften oder ministerielle Erlasse handeln (Mayntz 1983c: 51). Erste Untersuchungen der „Abkehr von klassischen Arrangements interventionistischer ‚top-down’ Steuerung zugunsten von kontextorientierten ‚bottom-up’ Ansätzen“ weisen allerdings auch hier auf „weitreichende Implementationsdefizite“ hin (z.B. Knill/Lenschow 2000). Insgesamt wurde seit den 1980er Jahren der Umfang der Erwartungen an politische Leistungen und der damit verbundene Legitimitätszwang erheblich reduziert. Damit verbunden sind Begriffe wie „Pathologien der politischen Steuerung“ (Scharpf), „Krise regulativer Politik“ (Mayntz), „Entzauberung des Staates“ (Willke), „überforderter Staat“ (Hesse/Ellwein) oder eben „Staatsversagen“ (Jänicke). Durch Privatisierung, Deregulierung, Kompetenzabgabe und Delegation sollten die Staatsfunktionen in einer „veränderten Staatlichkeit“ (Jessop) neu geordnet werden. Der Wandel der staatlichen Gestaltungsmacht, beschrieben im Sinne eines Sequenzmodells des Polizeistaats über den Rechtsstaat zum Sozialstaat bzw. Wohlfahrts- oder Interventionsstaat, wurde um den Steuerungsstaat erweitert. Neben politischer Steuerung wurden auch die Begriffe Regieren, Regierungsfähigkeit und Governance auf dieses Problem ausgerichtet. Im Diskurs über die Soziale Frage wurde der keynesianische Wohlfahrtsstaat durch den schumpeterianischen Leistungsstaat abgelöst (Jessop 1992; Mayer 1999). An die Stelle obsoleter Souveränitätsvorstellungen und dezidierter Hoheitsansprüche traten lernfähige Formen der politischen Willensbildung und ein reflektierter Umgang mit dem Recht als Organisationsmittel des Staates (Kaufmann 1996). Offe (1987) sah den einzigen Ausweg aus dem Dilemma des Legitimitätsverlustes durch Aufgabensteigerung in einer „staatlichen Politik der Staatsentlastung“ und in einer Beschränkung auf die zentralen Staatsfunktionen.7 Einerseits soll Politik dezentralisiert wer-
7 Obgleich Offe (1987: 255f) auch drei Gründe anführt, die dieser Lösung entgegenstehen: 1. erfordere die Aufgabe einen starken Staat – ein solcher ist allerdings nicht unbedingt auf einen Machtverzicht angewiesen. 2. ent-
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den, andererseits sollen verschiedene Aufgaben an gesellschaftliche Verbände und Akteure übertragen werden. „Nicht mehr bloß mehr oder weniger punktuelle oder lokale Interventionen des Staates zur Korrektur von Rechtsverletzungen, zur Gefahrenabwehr oder zur Besserstellung bestimmter Bevölkerungsgruppen werden gefordert, sondern ein systembeeinflussendes Handeln, welches somit nicht mehr unmittelbar bei der Sanktionierung des Handelns einzelner Akteure, sondern bei ihren Handlungsprämissen ansetzt“ (Kaufmann 1996: 30).
Der „überforderte Staat“ (Ellwein/Hesse 1994) wird dadurch zu einem kooperativen, argumentierenden Staat, der zunehmend zu alternativen Methoden der Konfliktregulation greift. Dieser Wandel von Staatsfunktionen, die Verlagerung weg von hierarchischem Staatshandeln hin zu einem Nebeneinander von hierarchischer Steuerung und nicht-hierarchischer, horizontaler Selbstkoordination, führte zu Netzwerken, die Handlungsspielräume und Handlungsmuster von staatlichen Akteuren verändert haben. Moderne Staaten werden dadurch „in ein immer dichteres Geflecht transnationaler und innergesellschaftlicher Abhängigkeiten und Verhandlungszwängen“ eingebunden (Scharpf 1991). Zwar wird der Staat heute hinsichtlich seiner Machtfülle immer noch als allen anderen einzelnen gesellschaftlichen Akteuren überlegen gesehen; daneben wird jedoch betont, dass der Staat trotzdem gezwungen ist, in Konsensbildungsprozesse zu treten. Die neuere Forschung konzentriert sich daher im Wesentlichen auf die Konfliktregulierungs- und Konsensbildungsprozesse in Netzwerken (Marin/Mayntz 1991), Politik-Arenen (Windhoff-Héritier 1987), Verhandlungssystemen (Scharpf 1991) und dem Zusammenspiel von Staat, Markt und Netzwerksteuerung für systemische Wettbewerbsfähigkeit in der Netzwerkgesellschaft (Messner) sowie auf Möglichkeiten, die Dilemmata von Verhandlungssystemen (strategisches, konfrontatives Verhalten von Beteiligten, Dauer, ungewisser Ausgang, Problem der großen Zahl, etc.) zu überwinden (z.B. durch externe Konfliktmittler, Mediatoren, etc.). „Durch Verhandlungssysteme strukturierte Kommunikationen gelten als die erfolgversprechendsten Steuerungsmittel zur Erhöhung der Entscheidungsfähigkeit des Staates und der gesellschaftlichen Rationalität der Entscheidungsinhalte. Das Etablieren und Managen von verhandlungsbasierten Netzwerken in gemeinwohlfördernder Absicht wird zu den Kernaufgaben des Staates gezählt“ (Weidner 1996: 5).
Während die Kernaufgaben dem Staat bleiben, soll er etliche Aufgaben an die Gesellschaft abgeben, dabei jedoch keine passive Rolle einnehmen, sondern die erst zu bildenden kooperativen Netzwerke definieren und mitformen. Doch auch die Steuerung durch Netzwerke (Governance; „besseres Regieren“) birgt Gefahren und Fallstricke (Messner 1994), mitunter auch negative Effekte und „netzwerkspezifische Externalitäten“ (Teubner 1996), nicht zuletzt deshalb, weil die neuen Träger und Akteure der Politik „inmitten unveränderter ökonomisch-technologischer Interessendynamik“ agieren (Narr 1999a: 101). Für Marin (1996: 429) resultieren diese Gefahren aus der „Logik andauernder risikoreicher Transaktionen zwischen organisierten, kollektiven Akteuren mit funktional verflochtenen, wechselseitig abhängigen, jedoch konkurrierenden oder sogar antagonistischen Interessen“. Jedenfalls haben bislang weder die Steuerung durch Netzwerke noch der Rückgriff auf neue Steuerungsinstrumente den gewünschten Erfolg gebracht. stünden Konflikte, wenn parastaatliche Akteure formale Kompetenzen übertragen bekommen und 3. gebe es Beschränkungen durch institutionelle Barrieren und kulturelle, historische Praktiken und Stile.
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Der hier thematisierte Wandel bei den Staatsaufgaben und hinsichtlich der staatlichen Steuerung mitsamt der deutlichen Dominanz inkrementeller Reformen ist auch im Bereich der Umweltpolitik feststellbar. Allgemein waren Umweltfragen ein zentrales Feld, in dem diese Theorien und Ansätze entstanden bzw. überprüft wurden. Insbesondere von Umweltschutzabkommen wurde eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung einer Global Governance behauptet. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Implikationen dieses Wandels auch in einzelnen Bereichen der Umweltpolitik feststellbar sind. Inwieweit Netzwerke, Verhandlungssysteme und generell diese steuerungstheoretischen Überlegungen, insbesondere der Wandel zur Steuerung in Netzwerken und der Einsatz neuer Steuerungsinstrumente, hier eine Rolle spielen, soll im Rahmen der Darstellung der Umweltpolitik über drei Jahrzehnte sowie der einzelnen Politikbereiche thematisiert werden.
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3 Die Entstehung der Umweltpolitik in Österreich
Vereinfacht gesagt, kann die Entstehung der österreichischen Umweltpolitik auf die ökologischen Auswüchse der Industrialisierung zurückgeführt und mit Faktoren der Produktion und Konsumtion, einem Wertewandel, dem Entstehen neuer Protestformen sowie entstandenen Kapazitäten zur Problemlösung v.a. in den Subsystemen Politik und Wirtschaft beschrieben werden, die auch für andere westliche Länder Gültigkeit haben. Dieser Mix aus strukturellen und situativen Faktoren bezeichnet gegebene, aber veränderbare und neu hinzukommende Kapazitäten zur Bewältigung aufgestauter und neuer ökologischer Herausforderungen, die Erfolg oder Misserfolg nationaler Umweltpolitiken ausmachten. Zu Beginn der Wachstumsphase bis Ende der 1960er Jahre standen in Österreich klassische Fragen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik im Zentrum der Innenpolitik. Die Staatstätigkeiten wurden kontinuierlich vor dem Hintergrund eines Diskurses über Verteilungsprobleme ausgedehnt und ein moderner Wohlfahrtsstaat aufgebaut. Bezogen auf das wachstumsorientierte Denkmuster dieser Zeit spricht Gottweis (1986: 46ff) von einem „Paradigma der expansiven Produktionslogik“. Das leitende wirtschaftspolitische Paradigma dieser Zeit war der Austrokeynesianismus, das den österreichischen Sonderweg und das nationale Wirtschaftswunder begründete. Aufgrund der Lehren aus der Massenarbeitslosigkeit in der Ersten Republik waren Vollbeschäftigung und sozialer Friede wesentliche Bestandteile in der Zielhierarchie der politischen Akteure. Das quantitative Wachstum, das für diese Phase kennzeichnend ist, führte insbesondere im Zeitraum zwischen 1950 und 1980 zu einem exponentiellen Wachstum im Energie- und Güterkonsum. Zunehmend drängten sich die Themen Gewässerverschmutzung, Verschlechterung der Qualität von Luft und Boden sowie Lärm an die Oberfläche auf, und die moderne Medizin attestierte, dass durch die Umweltprobleme die Gesundheit nicht nur an bestimmten Arbeitsplätzen, sondern der gesamten Bevölkerung stark beeinträchtigt und gefährdet war. Der entstandene, sinnlich wahrnehmbar und zunehmend finanziell spürbar gewordene und durch Proteste der Betroffenen verstärkte Problemdruck wurde durch die internationale Diskussion um die „Grenzen des Wachstums“ im „Raumschiff Erde“, Nullwachstum und qualitatives Wachstum zu Beginn der 1970er Jahre verstärkt, und die Bündelung von Umweltinteressen auf allen politischen Ebenen beschleunigte den Übergang von einzelnen Maßnahmen im Bereich Umwelt- und Naturschutz zu umfassenderen Umweltpolitiken. Die westlichen politischen Systeme sahen sich durch diese Entwicklungen gezwungen, neuartige Probleme jenseits des klassischen Links-Rechts-Schemas zu lösen; in der Folge entstanden lokal, regional und national neue Interessengruppen und Parteien, die auch die traditionellen Parteien und Verbände nachhaltig verändert und neue institutionelle Arrangements hervorgebracht haben. Die nationale Umweltpolitik war dabei von Anbeginn stark durch internationale Kooperationen und Absprachen geprägt, um systemkonforme Lösungen zu garantieren. In den 1970er Jahren gab es in Österreich eine relative Dominanz der umweltbelastenden Grundstoffindustrie. Die ökonomische Struktur war sowohl hinsichtlich der Industriestruktur als auch der Eigentumsverhältnisse Erbe der faschistischen Industrialisierung. Die verstaatlichte und von der öffentlichen Hand subventionierte Grund- und Schwerindustrie sowie die ebenfalls verstaatlichte Elektrizitätsindustrie hatten die Aufgabe, Privatunterneh-
men mit Niedrigpreisprodukten zu versorgen und ein möglichst hohes Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Das Land, das im Vergleich zu seinen westlichen Nachbarn eine nachholende Modernisierung durchlief, schaffte mit diesem Wachstum gleichzeitig die für eine solche Entwicklung typischen Umweltprobleme. Ermöglicht wurde das österreichische Wirtschaftswunder durch den spezifischen Klassenkompromiss, der in der so genannten Sozialpartnerschaft seinen institutionellen Ausdruck fand und auf einer Politik der gewerkschaftlichen Lohnzurückhaltung und der staatlichen Förderung industrieller Investitionen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit basierte. Während die Akteure auf Regierungsebene im dominanten Wachstumsparadigma, der „seligen Prosperitätstrunkenheit“ (Fischer-Kowalski/Payer 1996), dieser Zeit gefangen waren und alle Gegner als „antimodern“ abwerteten, gleichzeitig aber auch die Rhetorik der „Grenzen des Wachstums“ und eines „qualitativen Wachstums“ aufnahmen, setzte aus der entstehenden Umweltbewegung die Kritik am wachsenden Ressourcenverbrauch, an der steigenden Verschmutzung der Umwelt und dem Politikversagen ein. Im Zuge der ersten Ölkrise 1973/74 setzte die österreichische Regierung schließlich, analog zu Entscheidungen in zahlreichen anderen Staaten, auf die Kernenergie, zu deren Risiken damals die Naturwissenschaften wegen der ungelösten Probleme im Zusammenhang mit der Radioaktivität und der Abwärme keine eindeutige Bewertung abgeben konnten. Beeinflusst vom ständig wachsenden Verbrauch von Rohstoffen und von Energie sowie vom Diskurs über die zur Neige gehenden nicht-regenerierbaren Ressourcen wurden verschiedene Maßnahmen zur Ressourcenschonung und Energieeinsparung ergriffen. Die Hoffnung bestand vor allem aber darin, dass negative Auswirkungen der Produktions- und Konsumsphäre auf die menschliche Umwelt durch neue technologische Entwicklungen beseitigt werden könnten. Ein Schwerpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung sollte daher auf die Anwendung neuer umweltund energieschonender Technologien, insbesondere auf dem Gebiet der Wiederverwertung von Abfallstoffen gelegt werden. Umweltprobleme sollten durch eine Kombination sozialer und technischer Veränderungen erreicht werden (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1976: 7f). Damit wurde der zentrale Begriff Umweltschutz mit der technischen Vorstellung der „Naturbeherrschung“ durch die „menschliche Intelligenz“ zusammengebracht, während wachstums- und technikkritische Meinungen marginalisiert und als technikfeindlich, gefährlich und anti-modern abgewertet wurden. Die negativen Auswirkungen des Wachstums waren in Österreich noch nicht so bedrohlich wie in anderen Ländern, wenngleich bereits mindestens seit einem Jahrzehnt absehbar: „Die Gesundheit des Menschen ist bedroht, je mehr er sich von den natürlichen Lebensbedingungen entfernen muss, mit seiner Gesundheit, aber auch seine Arbeitskraft, die ein unersetzlicher Produktionsfaktor ist. Diese Gefahren sind glücklicherweise in Österreich – abgesehen von der Umgebung der Großstädte und einigen Industriegebieten – noch nicht so spürbar wie in anderen Staaten, zum Beispiel in manchen Gebieten der Deutschen Bundesrepublik, wo auf die acht Millionen Einwohner des Ruhrgebietes jährlich 1,5 Millionen Tonnen Asche und Staub und 4 Millionen Tonnen Schwefeldioxyd niedergehen, die Vegetation verkümmert, die Gewässer vergiftet sind und die Bronchien der Bewohner wie Kamine verrußt werden. Unsere Städte liegen auch nicht unter einer Dunstglocke, wenn warme Luftschichten eine kalte überlagern und sich die Rauchgase, Ruß und Asche zu dem gefürchteten ‚Smog’ ballen wie in London, Los Angeles usw.“ (Kaut 1964: 434f).
Aus der Sicht des Umweltschutzes stellte sich die relative ökonomische „Rückständigkeit“ als eine durchaus günstige Ausgangssituation dar: 46
„Österreich war nicht so dicht besiedelt wie andere europäische Staaten. Es hatte kaum industrielle Ballungsräume, wie etwa das Ruhrgebiet in der BRD. 39% der Bevölkerung lebten in Städten über 20.000 Einwohner, in der BRD waren dies 60%, in Schweden 56%. Auch ist die städtische Bevölkerung im internationalen Vergleich eher unterproportional gewachsen: von 1965 bis 1975 um 5%, in den USA um 21%, in der BRD um 27%. Die PKW-Dichte war mit 270 Stück pro tausend Einwohner vergleichsweise niedrig. In der BRD betrug sie 330, in der Schweiz 320 und in den USA 520. In Österreich kamen auf einen Quadratkilometer 21 PKW, in der BRD 73, in Italien 50 und in der Schweiz 44. Auch das Autobahnnetz ist relativ langsamer gewachsen als in vielen anderen Industriestaaten“ (Glatz 1986: 116).
Gleichzeitig zur Rückständigkeit fiel die Entstehungsperiode der österreichischen Umweltpolitik mit einer Hochkonjunktur zusammen, welche umweltpolitische Maßnahmen, die als unproduktive Investitionen und als potenzieller Wachstumsverlust gesehen wurden, leichter umsetzbar erscheinen ließ. Das anhaltende Wachstumstempo wiederum löste Sorgen aus, wie lange es dauern würde, bis der ständig wachsende Verbrauch von Rohstoffen zu einer Verknappung der nicht-regenerierbaren Rohstoffreserven führen werde. Infolge des Ölpreisschocks 1973 hatte sich zwar das Wachstum verlangsamt, Österreichs Wirtschaft wuchs jedoch nach wie vor rascher als jene in anderen europäischen Ländern, und die Arbeitslosigkeit blieb auf einem niedrigeren Niveau als in anderen Industriestaaten. Arbeitslosigkeit war ja ein wichtiger Faktor innerhalb des austrokeynesianistischen Paradigmas. Sie wurde für den Niedergang der Demokratie und den Rechtsruck in der Ersten Republik verantwortlich gemacht, weshalb Vollbeschäftigung ein wichtiges Ziel der Zweiten Republik geworden war. Diesen Konsens musste auch die entstehende Umweltpolitik akzeptieren, der bei allen Akteuren in diesem Politikfeld in der festen Überzeugung mündete, dass die Kosten des Umweltschutzes erst verdient werden müssten und Maßnahmen weder Unternehmen noch Arbeitsplätze gefährden dürfte. Im Folgenden sollen unterschiedliche Interpretationen verschiedener Akteure über die Entstehung der Umweltpolitik und ihres Verlaufs in der stürmischen Anfangsphase herausgearbeitet und anhand ihrer Paradigmen analysiert werden. Umweltpolitik – wie könnte es bei einem so komplexen Thema auch anders sein – wird als ein umkämpftes Politikfeld in sehr unterschiedliche Diskurse eingebettet, was schließlich zur Herausbildung von Diskurskoalitionen führt. Für die einen geht die Umweltpolitik auf eine lange Tradition zurück und ist die kluge und zeitgemäße Weiterentwicklung bestehender Politiken; für andere bedeutet ihre „Erfindung“ einen fundamentalen Bruch mit der Vergangenheit und die (eventuell auch unzureichende) Institutionalisierung einer neuen Politik. Für die einen sind bestimmte Politikbereiche und bestimmbare staatliche oder nichtstaatliche Akteure für die Entstehung der Umweltpolitik entscheidend gewesen, für andere waren politische und ökonomische Strukturen und deren Auswirkungen – insbesondere die zahlreichen Proteste und der damit verbundene Druck von unten – ausschlaggebend. Wir wollen im Folgenden erklären, welche Entwicklungen Anfang der 1970er Jahre zusammengetroffen sind, wie sich dazu eine dominante Sichtweise herausgebildet und zur Schaffung einer bestimmten Art und Weise der Problembearbeitung beigetragen hat. Dieser Ansatz inkludiert den Versuch, auch zu zeigen, welche Sichtweisen und Lösungsansätze dabei auf der Strecke blieben bzw. welche konkurrierende Paradigmen weiterhin Bestand und politischen Einfluss gehabt haben und worin die spezifischen Pfadabhängigkeiten bestehen.
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3.1 Vorläufer und Wurzeln des modernen Umweltschutzes Der Begriff der Umweltpolitik, wie er heute verwendet wird, steht für hochkomplexe Zusammenhänge und Wechselverhältnisse im Umgang zwischen Mensch und Natur, für eine Krise der gesellschaftlichen Naturverhältnisse sowie für deren gesellschaftspolitische Regulierung. Mit seiner Einführung wurde eine neue Staatsaufgabe definiert, d.h. dass dem Staat hinsichtlich der wachsenden Umweltprobleme dort eine Problemlösungskapazität zugeschrieben und auch zugetraut wurde, wo der Markt und andere Steuerungsmechanismen versagen. Vom Menschen verursachte Umweltprobleme haben freilich eine längere Geschichte. Insbesondere in den letzten 200 Jahren haben die Industriegesellschaften die Natur gehörig unter Druck versetzt, Quellen ausgebeutet und Senken verseucht, sodass die „Grenzen des Wachstums“ immer mehr sichtbar wurden. Zunehmend wurde die Ressourcenausbeutung komplizierter und teurer, und am Ende der Produktion drängte sich der Konsum- und Wegwerfgesellschaft das „Müllproblem“ auf. Vor der Entstehung der „modernen“ Umweltpolitik gab es bereits Umwelt- und Ressourcenkonflikte sowie vereinzelte Proteste und Maßnahmen. Der in den 1970er Jahren etablierte Begriff des (technischen) Umweltschutzes baute also einerseits auf einer Reihe z.T. schon lange bestehender hoheitlicher Vorschriften auf, um verschiedensten „Schutzbedürfnissen“ nachzukommen, andererseits ging es bei der Schaffung und Etablierung des neuen Politikfeldes und den damit verbundenen institutionellen Wandel um die Kanalisierung von vorwiegend lokalen und regionalen Konflikten und um die Vermeidung einer Legitimationskrise des Staates. „Umweltschutz“ vor 1970 verfolgte insgesamt noch weitgehend andere Ziele als den Schutz der Umwelt wie z.B. die Sicherheit am Arbeitsplatz oder den geregelten und sicheren Umgang mit Giften und Medikamenten. Eine besonders lange Tradition gibt es hinsichtlich des Waldschutzes gegen verschiedene Auswüchse (für Rodungen gab es z.B. sogar schon seit den 13. Jahrhundert Einschränkungen, und 1852 erließ Kaiser Franz Josef I ein kaiserliches Patent über die Erhaltung und Pflege der Wälder) sowie beim Gewässerschutz. Gesetzliche Regulierungen im Bereich des Forstwesens, der Fluren und Felder, der Jagd und Fischerei sowie zum Schutz einzelner Tierarten waren ökonomisch, nicht ökologisch motiviert. Waldbesitzer setzten dabei auch durch, dass sie für Schäden entschädigt wurden, was freilich nur möglich war, solange der Verursacher eindeutig feststellbar und das Schadensausmaß nicht zu hoch war. Betont wurde bei all diesen Regelungen der Nützlichkeitsgedanke, wie z.B. die Unterscheidung von „nützlichen“ und „schädlichen“ Tieren und Pflanzen zeigt: „Die Bedeutung und die besondere Aufgabe vieler so genannter schädlicher Tiere und Unkräuter im Kreislauf der Natur wurden nicht entsprechend erkannt und gewertet. So ging es bei den frühen „Naturschutzmaßnahmen“ des 19. Jhdts. nicht um Ökologie, sondern um Ökonomie. Der Schutz der Natur war ein solcher für die Nutzung und kein Schutz vor der Nutzung“ (Welan 1997: 15).
Eine der Wurzeln des modernen Umweltschutzes ist der aus dem Römischen Recht übernommene Immissionsschutz. Dieses Kerngebiet des Umweltschutzes lag bis 1972 in der Kompetenz des Sozialministeriums, das in seiner Zuständigkeit für das Gesundheitswesen eine Abteilung für Lufthygiene etabliert hatte. Mit dem Immissionsschutz wurden Grenzund Schwellenwerte für Konzentrationen verschiedener Schadstoffe festgelegt, die allerorts zu einer „Politik der hohen Schornsteine“ führten. Eine weitere Wurzel des modernen Umweltschutzes war mit dem Arbeitnehmerschutz und hier insbesondere dem Unfallschutz ebenfalls im Sozialministerium beheimatet: Als sich mit Erfindung der Dampfmaschine im 48
Rahmen der Industriellen Revolution die Arbeitsunfälle gehäuft hatten, lag es im Interesse der Arbeitgeber, die zivilrechtlich für diese Arbeitsunfälle haftbar waren, eine Unfallversicherung ins Leben zu rufen. Der Arbeitnehmerschutz beinhaltete auch den Schutz vor verschiedensten Berufskrankheiten wie z.B. vor Staub, Giftstoffen oder Lärm am Arbeitsplatz, für den sich traditionell die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung stark einsetzte. Umweltrelevante Regulierungen gab es auch im Bereich des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) und der Gewerbeordnung (GewO). Das ABGB bezog sich hauptsächlich auf die nachbarrechtliche Beeinflussung und auf unmittelbare Einwirkungen (Immissionen) von Nachbargrundstücken. Der Eigentümer eines Grundstückes konnte dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Geruch, Lärm usw. insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigten. Nach der Gewerbeordnung in der Fassung von 1973 durften Gewerbebetriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie u.a. geeignet waren, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub nicht zu belästigen (Holzer 1978: 124). „Das ABGB aus dem Jahr 1811, die Gewerbeordnung aus dem Jahr 1859, die Bauordnungen der Länder aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und das Reichwasserrechtsgesetz aus dem Jahre 1969 enthielten im Wesentlichen schon jene Rechtsvorschriften, die weiterentwickelt und ergänzt auch heute noch wesentliche Belange des österreichischen Umweltschutzes regeln“ (Schäfer 1975: 114).
Insgesamt beschränkte sich die Politik damals aber auf sporadische und punktuelle Ansätze, die insbesondere dem Gesundheitsschutz oder der Abwehr wirtschaftlicher Beeinträchtigungen und nur indirekt und untergeordnet dem Schutz der Umwelt an sich dienten. Im Gegensatz zur modernen Umweltpolitik weisen ihre Vorläufer andere Akteursstrukturen, Arbeitsaufteilungen, Paradigmen und Zielsetzungen auf. So wie die staatliche Umweltpolitik hat auch die Umweltbewegung ihre Vorläufer. Im späten 19. Jahrhundert leistete die Bürgerinitiative des Mödlinger Politikers und Journalisten Josef Schöffel Widerstand gegen die Zerstörung des Wienerwalds (1870-72), indem sie sich erfolgreich gegen Bodenspekulanten zur Wehr setzte. Dazu verfasste Schöffel zahlreiche Artikel im „Wiener Tatblatt“, in denen er für die Ideen des Heimat- und Naturschutzes Partei ergriff. Der „bürgerliche“ Alpenverein (der 1862 gegründet wurde und 1927 den Naturschutzgedanken in die Statuten aufnahm), die ersten Denkmalschutzorganisationen, der sozialdemokratische Touristenverein „Die Naturfreunde in Österreich“ (1895) und ihre Jugendorganisationen oder die Lebensreformbewegung waren Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Der Österreichische Naturschutzbund (ÖNB) wurde 1913 ins Leben gerufen. Ging es den konservativen Naturschützern darum, Einzelobjekte, Arten und Denkmäler vor dem Menschen zu schützen und zu bewahren, so ging es den Sozialdemokraten um die Erschließung der Natur für die Arbeiter und um den damit assoziierten Erholungswert im Rahmen einer kulturellen Arbeiterbewegung. War diese Kulturbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts noch relativ stark, so verlor sie in den Kriegsjahren und in der anschließenden Phase der nachholenden Modernisierung weitgehend an Bedeutung in der Arbeiterbewegung, ohne gänzlich verloren zu gehen. Auch die Bestrebungen, Teile der Natur unter besonderen Schutz zu stellen und dauerhaft der industriellen Nutzung zu entziehen, haben eine lange Tradition, die auf den (europaweiten) Import der Nationalpark-Idee aus den USA zurückgeht. Private Vereine und 49
amtliche Dienststellen versuchten gemeinsam solche Ziele in Österreich umzusetzen. Doch überwogen die wirtschaftlichen Interessen dermaßen, dass die Erschließung weiterer Teile der Natur nicht aufzuhalten war. 1952 sammelte der Österreichische Naturschutzbund 120.000 Unterschriften für die Erhaltung der Krimmler Wasserfälle, und in den darauf folgenden Jahren organisierte der ÖNB eine Reihe von Protestaktionen gegen geplante Großprojekte der Energiewirtschaft, die in einer komplexen „Baukoalition“ bestehend aus EVUs, Bauindustrie, Banken, Gewerkschaften und Politikern besonders stark dem Wachstumsparadigma der Nachkriegszeit verhaftet war. Anhand solcher Konflikte zeigte sich, welche Vorstellungen hier aufeinander getroffen waren. Während es den Naturschützern um den Erhalt eines einmaligen Naturwunders und ökologisch besonders wertvoller Habitate ging, war es für die Befürworter solcher Großprojekte der Sieg der Technik und des Menschen über die Natur und Garant für den weiteren Wohlstandszuwachs und gesellschaftlichen Fortschritt. Die Nationalparkprojekte Hohe Tauern und Neusiedler SeeSeewinkel waren über Jahrzehnte zentrale Forderungen der Naturschützer. 1963 gab schließlich eine Kampagne zur Rettung der Langen Lacke Anlass zur Gründung des WWF Österreich. Politisch blieb der Naturschutz jedoch bis Anfang der 1970er Jahre bedeutungslos. Das Paradigma, die Natur vor dem Menschen zu schützen und die Natur um der Natur Willen zu konservieren, ohne auf alternative Nutzungsformen der geschützten Landschaftsteile einzugehen, hatte keine Durchsetzungskraft im Vergleich zum dominanten Wachstumsparadigma der Nachkriegsjahrzehnte. Zur modernen Umweltpolitik weist die Naturschutzbewegung sowohl Kontinuitäten als auch Brüche auf. Am Beginn der 1970er Jahre waren also unterschiedliche Akteure mit ihren Sichtweisen und Traditionen vorhanden, die mit ihren spezifischen Erfahrungen und Wahrnehmungen über Probleme und deren Ursachen sowie möglichen Lösungsansätzen verbunden waren. Zum einen gab es den traditionellen Naturschutz, der bereits in der Zwischenkriegszeit ein eigenes Politikfeld auf Länderebene geworden war. Neben den amtlichen Naturschutzbehörden mit ihren ziemlich schwachen Kompetenzen und kaum Ressourcen waren die Träger dieser Bewegung zahlreiche private Vereine zum Schutz der Natur mit unterschiedlichsten Traditionen, die zum Teil eng kooperierten. Die Kernthemen dieser oft auch personell verflochtenen Akteurskoalitionen waren Naturdenkmalschutz, Artenschutz, Naturschutzgebiete und Landschaftsschutz. Unter den Bundesländern waren insbesondere Wien und Niederösterreich die Vorreiter. Für diese Naturschutz-Akteurkoalitionen bedeutete der Aufschwung des Themas Umweltschutz infolge spür- und sichtbar gewordener Umweltveränderungen nicht einfach nur die Möglichkeit, lange verfolgte Ziele endlich umsetzen zu können und über vereinzelte Naturschutzaktivitäten hinauszukommen. Es veränderte sich damit auch der klassische Naturschutzdiskurs der Nachkriegsjahrzehnte, der das Ziel verfolgt hatte, schöne und beeindruckende Landschaftselemente zu erhalten, sodass dieser Diskurs noch mehr mit gesellschafts-, kapitalismus- und modernisierungskritischen Themen verschmolz und eine Neupositionierung zur Thematik Natur und Technik verlangte. Auch musste der Naturschutz die engen Grenzen des Arten- und Flächenschutzes verlassen und sich auf den Diskurs über komplexe Nutzungsansprüche und den damit verbundenen Konflikten und ihren Akteuren einlassen (vgl. Payer/Zangerl-Weisz 1997). Trotzdem und v.a. auch aufgrund des Politikstils der traditionellen Naturschützer wird der Naturschutz bis heute nicht von allen Akteuren als Vorläufer des Umweltschutzes akzeptiert. Gravierende Unterschiede werden beispielsweise in den philosophischen Grundlagen ausgemacht: „Der Naturschutz ist keine Umweltbewegung und auch kein Vorläufer. Der Naturschutz ist eine romantische Idee des ausgehenden 19. Jahrhundert, im Mittelpunkt steht das Wohlgefallen des
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Menschen an der Natur. Er hat sich dann verselbständigt zu einem Schutz der Natur in der man den Menschen als störend und überflüssig empfunden hat. [...] Die Aktivitäten in den 1970er Jahren waren Natur- aber nicht Umweltschutz: [...] der Naturschutz unter der aufkommenden Grünbewegung war ein eher menschenfeindlicher Schutz der Natur. Der Immissionsschutz hat dabei keine Rolle gespielt, auch nicht die natürlichen Ressourcen. Der alte Naturschutz, das waren die Bergsteiger, die sich am Sonnenaufgang und den Blumen erfreut haben und die Blumen deshalb geschützt haben, damit sie nicht verschwinden und er sie weiter anschauen kann. Dann kam eine militantere, modernere Umweltschutzbewegung, die – unter dem Eindruck der globalen Zerstörung – die Güter an sich geschützt hat; die einen waren religiös motiviert (die Schöpfung Gottes), die anderen waren mehr linke Kämpfer. Diese Bewegung hat einen völlig neuen Naturschutz gebracht, nämlich die Natur selbst als solche zu schützen. [...] Und dann kam die neue Betrachtungsweise, die gesagt hat: nicht weil es ein Eigentum des Menschen ist, wollen wir es schützen, sondern um ihrer selbst willen. Und dann gab es einen Naturschutz der ganz anders motiviert war, das war jener der Industrie und der Bundeswirtschaftskammer: Wir müssen die natürlichen Ressourcen schützen, also die natürlichen Ressourcen als ein Produktionsmittel (Luft, Wasser) – das ist die Nachhaltigkeit“ (Interview mit ehem. Leitenden Mitarbeiter im Umweltministerium).
Unabhängig von den Entwicklungen des Naturschutzes kann jedenfalls festgestellt werden, dass neuartige Umweltprobleme und deren Wahrnehmung eine weitreichendere Politikformulierung erforderten und sowohl die bestehenden Akteure herausforderten, als auch neue Akteure und neue institutionelle Arrangements entstehen ließen. Umweltschutz als weitreichenderes Anliegen war lange auch die Angelegenheit von Einzelpersonen, die sich als Vorkämpfer verstanden. Sehr früh engagierte sich der Autor und Essayist Günther Schwab für einen aktiven Umweltschutz. Mit Büchern wie dem legendären „Tanz mit dem Teufel“ (1959), das zahlreiche Neuauflagen erlebte, wurde er berühmt. 1960 gründete er den konservativen „Weltbund zum Schutz des Lebens“. Der Kunsthistoriker Walter Sedlmayr wandte sich seit den 1960er Jahren gegen Stadterweiterungspläne und rief zum Widerstand auf. Seine Aufrufe wurden Manifeste der allerorts entstehenden Bürgerbewegungen. Bei den staatlichen Akteuren auf Bundesebene setzte in den frühen 1960er Jahren die Problemwahrnehmung langsam ein. Die Reinhaltung der Gewässer war zu einem brennenden „Problem im ganzen Land geworden, mit dem sich eigene Fachgruppen, Tagungen, Zeitschriften usw. intensiv beschäftigen und das die Öffentlichkeit – zu Recht – alarmiert“, wie es im Gutachten für den 1. Österreichischen Juristentag hieß (Hartig 1961: 5). 1963 befasste sich vor dem Hintergrund wachsender Probleme der Ministerrat mit dem Gewässerschutz. In der Verunreinigung der Quell- und Grundwässer wurde eine Gefährdung der Trinkwasserversorgung mehrerer Städte erkannt. Gesundheitsschäden waren durch die Seennutzung zu befürchten, die durch Schmutz, Schlamm, Öl, Algenentwicklung und durch Siedlungsabwässer massiv und so sehr beeinträchtigt waren, dass bereits Badeverbote unausweichlich erschienen. Zunehmend fürchtete die in Österreich besonders starke Tourismusbranche um ihre Zukunft. Obgleich es bereits das Wasserrechtsgesetz gegeben hat, bedeutete der Widerstand von Gemeinden, Industrie- und Gewerbebetrieben, die sich gegen die Errichtung der kostspieligen und von ihrem Standpunkt unproduktiven Abwässerreinigungsanlagen wehrten, Vollzugsprobleme. Insgesamt blieben Umweltprobleme für die etablierten politischen Akteure jedoch lästige Randthemen, denen nur ungern Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die politischen Parteien und die politischen Eliten maßen der „Umwelthygiene“ noch keine Bedeutung zu und der „technische Umweltschutz“ war noch nicht erfunden. Den zuständigen Behörden, 51
die zum Schutz der Umwelt oft ebenso wenig Kompetenzen besaßen als ihre Vorläufer im Naturschutz, wurde vonseiten der Politikadressaten wenig Verständnis entgegengebracht, immerhin kämpften die Natur- und Umweltschützer gegen jahrzehntealte Praktiken, erworbene Rechte und fest verankerte Sichtweisen. Die Bauern betrachteten es beispielsweise als ihr ureigenes Recht, auf ihrem Grund und Boden machen zu können, was sie wollten und folglich auch ihren Abfall hier zu entsorgen. Für Industrie und Gewerbe war es selbstverständlich, dass gewerberechtlich genehmigte Betriebe ungestört von umweltpolitischen Forderungen wirtschaften dürften. Dass mit dem Umweltschutz elementare Lebensfragen zusammenhängen und mit der Umweltzerstörung auch die Grundlagen des Wirtschaftens zerstört werden, wurde (noch) nicht erkannt. Durchschlagende Argumente waren höchstens, dass der Fremdenverkehr als wichtiger Erwerbszweig und Devisenbringer darauf angewiesen ist, dass die Landschaft nicht „in eine Kultursteppe“ verwandelt wird (Kaut 1964: 438). Trotzdem gab es aber auch in den 1960er Jahren „partielle Fortschritte“, die „allerdings meist erst nach heftigen Auseinandersetzungen in der Presse“ zustande gekommen waren: „Gleichzeitig aber erfolgen immer wieder da und dort schwerwiegende Eingriffe, es wird häufig und gerade von Stellen des Bundes drauflos projektiert, als ob es keinen Naturschutz gebe, und dann, falls sie rechtzeitig davon erfährt, greift die Naturschutzbehörde des betroffenen Bundeslandes ein und ‚macht Schwierigkeiten’. Die Naturschutzgesetze der Bundesländer scheinen in manchen Wiener Ministerien noch gar nicht bekannt zu sein. Es fehlt an der Koordination der Bundesländer untereinander ebenso wie mit dem Bund“ (Kaut 1964: 439).
Schon die Vorläufer des modernen Umweltschutzes kannten also Vollzugsprobleme, die mit föderalen Strukturen, Kompetenzaufteilungen und Koordinationsproblemen zu tun hatten. Erst langsam und infolge des Wandels des Problemdrucks veränderten sich das Bewusstsein und die Problemperzeption. Sichtbare, spürbare und riechbare Veränderungen beim Wald, bei den Gewässern, v.a. bei den Seen, hinsichtlich der Lärmentwicklung, der Luftgüte und der Staubemissionen oder ausgehend von wilden Deponien brachten zunehmend weitere Interessen und Akteure ins Spiel: Die Fischer klagten über im Wasser treibende tote, vergiftete Fische; die Tourismus- und Freizeitwirtschaft kritisierte die Landschaftszerstörung als Bedrohung ihrer Zukunft, die Gefährdung der Wasserqualität der Badeseen; und zunehmend befürchtete auch die Industrie, dass die Gewässer bald nicht mehr industriell nutzbar sein würden. Arbeitnehmervertreter wiederum sahen durch die damaligen Entwicklungen den freien Zugang zu Seen und den Erholungswert einer sauberen Umwelt insgesamt und damit die Lebensqualität und Gesundheit bedroht. Als Anfang der 1970er Umweltpolitik als Thema entdeckt wurde, handelte es sich dabei noch um einen durchaus offenen Begriff. Insbesondere war noch unklar, welche Sachgebiete darunter subsumierbar sein sollten (siehe Wimmer 1974: 83). Obgleich Umweltschutz als komplexe Aufgabe, gekennzeichnet durch „Verflechtung und Summierung der Geschehnisabläufe“ (ib.: 85), wahrgenommen wurde, musste die neue Staatsaufgabe in das bürokratische arbeitsteilige System der Problembearbeitung angepasst, also Komplexität entsprechend reduziert werden. Um Umweltschutz wirksam zu machen, sollte er als ein Staatsziel anerkannt werden. Dem Staat wurde die Verpflichtung zugeschrieben, „durch Unterstützung und Ergänzung der gesellschaftlichen Initiativen in diesem Bereich zu einer Humanisierung von Wirtschaft und Technik beizutragen“ – so hieß es im Zwischenbericht des Bundeskanzlers vom 28.11.1972 zur Entschließung des Nationalrates vom 14.3.1972 betreffend Umweltschutz (E9-NR/XIII GP nach Wimmer 1974: 86 u. 93, Anm. 15). 52
Mit dem Einsetzen der Umweltpolitik kam es dann auch zu unterschiedlichen Definitionsversuchen, was denn nun eigentlich das neue Politikfeld sein sollte. Die Vereinten Nationen formulierten 1972 auf der ersten Umweltkonferenz in Stockholm „Umwelt“ als Sammelbegriff für die Summe der Lebensverhältnisse, „die den Stand der Ernährung, die medizinische Versorgung, das Vorhandensein von Konsumgütern und den politischen Status – also Frieden und Freiheit – mit einschließt und besser mit Lebensqualität zu umschreiben wäre“ (Amt der Salzburger Landesregierung 1980: 11). Im deutschsprachigen Raum setzte sich jedoch eine engere Definition, die im Umweltprogramm der bundesdeutschen Bundesregierung 1971 formuliert worden war, durch. Demnach bezeichnete Umweltpolitik die Gesamtheit aller Maßnahmen, die notwendig sind um dem Menschen eine Umwelt zu sichern, wie er sie für seine Gesundheit und für ein menschenwürdiges Dasein braucht, um Boden, Luft, Wasser, Tier- und Pflanzenwelt vor nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und um Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen (ib.). Daraus entwickelte sich ein Umweltschutzbegriff, „der sich seiner engen Beziehungen zu Gesundheitswesen, Raumordnung und Naturschutz wohl bewusst ist, sich aber doch als ‚technischer Umweltschutz’ auch wiederum davon abgrenzt“ (ib.). Konkretisiert wurden die ersten Definitionen durch die Benennung der konkreten Aufgaben der Umweltpolitik: „Nach einer von der Beratenden Versammlung des Europarates am 30.9.1969 beschlossenen Empfehlung (562) umfasst der Umweltschutz sowohl Maßnahmen in Bezug auf den Wohnraum, die einwandfreie Beschaffung und Reinheit von Lebensmitteln, die Verhütung von Luft- und Wasserverschmutzung, die Lärmbekämpfung, die einwandfreie Beseitigung von Abfällen als auch Maßnahmen hinsichtlich der Gesundheit und Wohlfahrt der Dienstnehmer“ (Wimmer 1971: 645).
Die Einengung der Umweltschutzpolitik auf einen technischen Umweltschutz, dessen Hauptaufgaben in der Reinhaltung der Luft und des Wassers, der Bekämpfung des Lärms und der schadlosen Beseitigung des Abfalls sowie im Strahlenschutz und der Kontrolle der Umweltchemikalien bestanden, ermöglichte nun die Aufnahme in die politischadministrative Arbeitsteilung und die Formulierung der rechtlichen Rahmenbedingungen der neuen Staatsaufgabe. Wimmer (1974: 84) definierte in Österreich Umweltschutz als „die Summe aller jener Maßnahmen, »die zur Beseitigung bereits eingetretener Schäden oder zur Vorsorge vor weiteren Schädigungen unserer natürlichen Umwelt (mit ihren Hauptfaktoren Luft, Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere) erforderlich sind«“. Damit war festgelegt, dass Umweltschutz Sache des besonderen Verwaltungsrechts ist und die Normen des Umweltschutzes die gesamte Rechtsordnung mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchziehen. Die entsprechende juristische Begrifflichkeit musste freilich erst entfaltet werden. Das Ziel des Umweltschutzes wurde in der „Humanisierung der Technik durch das Recht“ gesehen, wobei von einer grundsätzlichen „Frontstellung von Recht und Technik“ auszugehen war (Wimmer 1974: 85). Die Vorstellung passte sowohl gut in das sozialdemokratische Weltbild, die Technik, den Kapitalismus, die Arbeitsbeziehungen und die Naturverhältnisse zu humanisieren, als auch in das konservativ-christliche Weltbild, die freie Marktwirtschaft sozial abzufedern und Traditionelles und Werte zu sichern. Das für den Umweltschutz erfundene Paradigma „Schutz des Lebens – Gesundheitsschutz“ blieb jedoch von einem dominanten Wachstumsparadigma überlagert. Die späteren Paradigmen der ökologischen Modernisierung, aufseiten der Sozialdemokratie definiert als „Weg der ökologischen Modernisierung der Industriegesellschaft“ und aufseiten der ÖVP als „Strate53
gie der Ökosozialen Marktwirtschaft“, leiden in ihrem Kern immer noch daran, dass sie einem wenn auch gewandelten Wachstumsparadigma verhaftet blieben, wie ich später noch argumentieren werde.
3.2 Wo setzt die erste Phase an? „In der Gesellschaftspolitik moderner Industrienationen bahnt sich ein Entwicklungsprozess vom Leistungsstaat zum Umweltgestaltungsstaat an.“
Dr. Ingrid Leodolter Bundesministerin für Gesundheit und Umweltschutz (In: BMGU 1974) Umweltschutz wurde in allen westlichen Industriestaaten in der Phase zwischen Mitte der 1960er bis spätestens Anfang der 1970er Jahre zu einem brennenden politischen Thema. Die Bedrohung der Umwelt wurde als Preis für den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt und den damit verbundenen Wohlstand interpretiert. Bücher wie »Silent Spring« (Rachel Carson 1962); »The Population Bomb« (Paul R. Ehrlich 1968) und »The Limits to Growth« (Donella Meadows u.a. 1972) alarmierten Teile der politisch-administrativen Eliten und der Bürger, was eine fast gleichzeitige Bewegung von unten und von oben auslöste. Umweltschutz wurde als neue Staatsaufgabe definiert, welche die Qualität des Lebens erhalten und verbessern sollte. In den USA hatte Präsident Johnson die positive Wertung dieser neuen Aufgabe und Herausforderung der Politik zu nutzen versucht, um vom Vietnamkrieg abzulenken. In der BRD hatte die Politik auf ein enormes Medienecho reagiert, das Umweltschutzfragen entgegengebracht worden war (Glatz 1986: 115). 1970 gab es infolge der Initiative eines US-Senators den ersten „Tag der Erde“ (Earth Day); in Europa wurde 1970 als das „Europäische Naturschutzjahr“ ausgerufen. Der zuvor ungebräuchliche Begriff des Umweltschutzes wurde rasch durch die Massenmedien populär. Innerhalb weniger Jahre gewann das Umweltthema an enormer Bedeutung in den Bereichen Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Öffentlichkeit und Wissenschaft, und Umweltschutz wurde nicht länger als rückwärtsgewandte Naturschwärmerei abgetan. Ein weiteres Signal eines umweltpolitischen Aufbruchs bildete die UN-Umweltkonferenz 1972 in Stockholm. Diese Konferenz diente den Delegierten und damit den Nationalstaaten zur internationalen Koordination des neuen Handlungsfeldes; gleichzeitig nutzten neu entstandene Umweltschutzgruppen im Rahmen einer inoffiziellen Parallelveranstaltung die Konferenz zur Vernetzung und Absprache. International gilt daher das Jahr 1970 als Beginn der eigentlichen modernen Umweltpolitik. Für Österreich wird der Beginn des „neuen“ Politikfeldes Umweltpolitik ebenfalls mit Beginn der 1970er Jahre angesetzt. Volkmar Lauber (1992, 1996 u. 1997a) stellt die damit beginnende erste Phase (1970-1979) als zähen Prozess dar, der Österreich im internationalen Vergleich als einen Nachzügler erscheinen lässt. Eine etwas andere Gewichtung nehmen Fischer-Kowalski/Payer (1995: 559) vor: 1973 bis 1986 wird hier als erste Phase beschrieben, in der sich „Umwelt als Brennpunkt sozialer Bewegung“ herauskristallisiert hat. Die Periode 1945-1973, die dadurch abgelöst wurde, bezeichnen die beiden Autoren als „Wirtschaftswunder und blinder Naturverschleiß“. Ein wesentlicher Input für die Politikformulierung waren die im Zuge des rasanten Wirtschaftswachstums gestiegenen Energieund Stoffströme, die zu unschwer wahrnehmbaren Veränderungen führten. Die Verschmutzung der Gewässer hatte auf Druck der Fremdenverkehrswirtschaft bereits in den 1950er 54
Jahren Maßnahmen erzwungen: Das Wasserrechtsgesetz (1959), das den Schutz und die Reinhaltung von Gewässern zum vorrangigen Regelungsziel erhob, wird als eine der ersten „umweltpolitischen“ Maßnahme angesehen (Fischer-Kowalski/Payer 1995: 559; Moll 1995). Der staatliche Umweltschutz verstand sich in dieser frühen Periode eher als „gesundheitspolitische Frage“ (BM Leodolter, in BMGU 1974), daher auch die Namensgebung des ersten Umweltministeriums, das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (BMGU) hieß. Die Schaffung dieses Ministeriums im Jahre 1972 wurde als „Wendepunkt zum modernen Umweltschutz in Österreich“ präsentiert (ib.). Seit 1970 wurde Umweltschutz seitens der Regierung als ausdrückliches Staatsziel interpretiert. In der Periode 1945 bis 1973 kam es zur Massenmotorisierung, die Landwirtschaft wurde im Zuge der Grünen Revolution industrialisiert, das Artensterben setzte ein. Grundwasservergiftung, Wegwerfgesellschaft, Technologisierung, Gewässerverbauungen, Trinkwasserversorgung waren die zentralen Themenfelder und Trends, die den politischen Diskurs prägten. Zu Beginn der 1970er Jahre stand die Lösung besonders akuter lokaler Probleme auf der Tagesordnung, die aufgrund der föderalen Struktur insbesondere auf Länderebene zur Politikformulierung zwangen. Zum Umweltschutz sollten Maßnahmen „gegen die zunehmende Verseuchung der Luft durch Industrie-, Auto- und Heizungsabgase, gegen die Verunreinigung der Flüsse und Seen durch verschmutzte Abwässer, gegen die Verschmutzung der Landschaft durch Müll und gegen die Belästigung durch Lärm und Staub“ ergriffen werden (Franz Kläring, ehem. Bürgermeisterstellvertreter von Salzburg, in: BMGU 1975). Luftreinhaltepolitik, Gewässerschutz, Strahlenschutz, Müllpolitik und Lärmschutz wurden somit als die zentralen Politikfelder mit dringendem Handlungsbedarf definiert. Während auf Bundesebene die Politik über die allgemeine Politikformulierung und über erste symbolische Maßnahmen nicht hinauskam, waren auf Länderebene allein in den Jahren 1970 und 1971 über 150 Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Umweltschutzes erlassen worden (Kostelka/Unkart 1974: 357). Ende der 1960er Jahre führte der wachsende Problemdruck zu ersten Aktivitäten seitens des politisch-administrativen Systems und zu einer Zäsur hinsichtlich der bisherigen Sichtweise. Die Ablöse des bis dahin üblichen Begriffes „Umwelthygiene“ durch den modernen Begriff „Umweltschutz“ Anfang der 1970er Jahre symbolisiert diesen Wandel. Die damit formulierte Umweltpolitik basierte auf einer Arbeitsteilung: Umweltschutzmaßnahmen waren demnach von aktuellen oder potenziellen Beeinträchtigern der Umwelt zu ergreifen, während die öffentliche Hand vorbeugende Maßnahmen ergreifen sollte, damit die Entstehung von Umweltbeeinträchtigungen vermieden oder erschwert würde. Solche Maßnahmen der allgemeinen Umweltpolitik beinhalteten die Raumplanung, Infrastrukturpolitik und Landschaftspflege sowie gesetzliche Regelungen (Grenzwerte und deren Überwachung), die Erziehung, Bildung und Aufklärung sowie Forschungsförderungen (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1976: 23f). 1970 ist also ein guter Zeitpunkt, den Beginn der modernen Umweltpolitik Österreichs festzulegen, um davon ausgehend Kontinuitäten und Brüche festzumachen.
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3.3 Sozialdemokratische Aufbruchsphase Das wachsende Interesse an und die Politisierung von Umweltproblemen sind in Österreich mit dem Beginn der SPÖ-Alleinregierung und damit mit einer Periode stabilen Wahlverhaltens (1971-1979) zusammengefallen. Bruno Kreisky, der sich bereits als Außenminister großes Ansehen verschafft hatte, übernahm im Januar 1967 den SPÖ-Parteivorsitz, nachdem die Partei bei den beiden vorangegangenen Nationalratswahlen schwere Niederlagen erlitten hatte und erstmals seit 1945 nicht mehr in der Regierung vertreten war. Kreiskys Erfolg war zunächst ein Sieg des Reformflügels, der für eine Öffnung der SPÖ zu bürgerlichen Wählerschichten eintrat und aus der SPÖ mittels einer Strategie des ‚catch all’ eine moderne Partei der linken Mitte machen wollte. Dazu waren eine ‚Entideologisierung’ der Partei und ein Abschied vom Lagerdenken erforderlich. Ideologie- und Grundsatzfragen rückten damit in den Hintergrund und Fragen der Taktik und des Verhaltens in tagespolitisch aktuellen Situationen in den Vordergrund. Ziele der neuen Führung waren eine Liberalisierung und Demokratisierung der österreichischen Gesellschaft und ihrer verkrusteten Strukturen auf der Grundlage der von austromarxistischen Positionen bereinigten sozialdemokratischen Ideologie. Bereits 1967 begannen Programmarbeiten der so genannten 1.400 Experten, wodurch insbesondere die Wirtschaftskompetenz der SPÖ gestärkt wurde. Die SPÖ holte sich dazu die Unterstützung von parteiunabhängigen Fachleuten, die die Offenheit und Orientierung an Sachlösungen sowie die Systemkonformität in einer überwiegend von konservativen Medien geprägten Öffentlichkeit symbolisieren sollten. Dem Wirtschaftsprogramm folgten ein Schulprogramm, ein Hochschulkonzept, ein Humanprogramm (quasi als erstes umweltpolitisches Programm der SPÖ), ein Justizprogramm und ein Verwaltungsreformkonzept. Dadurch gelang es der SPÖ, sich im Gegensatz zur starr konservativen ÖVP als moderne und reformorientierte Partei zu positionieren. Die Reformanliegen wurden mit traditionellen sozialdemokratischen Anliegen und Forderungen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik kombiniert, was gleichzeitig die Akzent- und Schwerpunktsetzung bestimmte. Mit dem Parteiprogramm der „1.000 Experten“ setzte sich Österreichs Sozialdemokratie 1969 eine Modernisierung des bis dahin im Vergleich zu anderen westlichen Industriestaaten noch relativ rückständigen Landes zum Ziel. Vielen vermittelte diese Phase eine allgemeine Aufbruchsstimmung und die Hoffnung auf weitreichende soziale und politische Veränderungen. Durch schrittweise kleine Reformen sollte eine qualitative Veränderung der Gesellschaft erzielt werden, wobei die SPÖ bis 1974/75 durch die Hochkonjunktur und danach von ihrem Image, Garant für Vollbeschäftigung und zunehmende soziale Gerechtigkeit zu sein, profitierte. Dieser Politikansatz spiegelte die sozialdemokratische Vorstellung, dass der Staat dann gut sei, wenn er von Sozialisten regiert werde, und dass mehr Staat unter sozialistischer Führung dann auch mehr Sozialismus bedeute (Leser 1978: 158). Das Ende der Großen Koalition 1966 und der damals einsetzende Wandel zu einem fluktuierenden Wahlverhalten waren somit Auslöser für qualitative Veränderungen der innenpolitischen Szene. 1966 war die Sozialdemokratie unter Bruno Pittermann aufgrund einer mangelnden Distanzierung von der Wahlhilfe durch die KPÖ, die eine Wahlempfehlung für die SPÖ ausgegeben hatte, und durch ungeschicktes Taktieren sowie den „Fall Olah“, der der Partei einen absoluten Tiefpunkt in ihrer Popularität brachte, in die Opposition geraten. Der ÖVP-Sieg, der zur ÖVP-Alleinregierung führte, war im Wesentlichen Folge dieser schweren politischen Fehler der Sozialisten, hatte zudem jedoch auch Gründe im Wandel des Politikstils zu einem „neuen Stil der Sachlichkeit“ seitens der Volkspartei. 56
Mit dem „Klagenfurter Manifest“ von 1965 präsentierte sich die ÖVP als Partei der neuen Mitte, die „durch ihren bündischen Aufbau […] ein getreues Abbild der Gesamtgesellschaft“ darstelle (vgl. Gottweis 1983: 62). Im Wahlkampf hatte die ÖVP das Gespenst der „roten Volksfront“ an die Wand gemalt und auf ein Bündnis mit der Katholischen Kirche gesetzt. Gleichzeitig vollzog die ÖVP eine entscheidende Abkehr von der bis dahin die Parteien prägenden weltanschaulichen Bindungen. Dies geschah mit einem neuen Aktionsprogramm, das die ÖVP unter Parteiobmann Josef Klaus kurz vor Wahlkampfbeginn als „Aktion 20“ präsentiert hatte. Die Volkspartei formulierte damit auf Basis eines von Wissenschaftern ausgearbeiteten Katalogs konkrete Aufgaben für die bevorstehenden nächsten 20 Jahre. Die ÖVP hatte somit als erste österreichische Partei den Versuch unternommen, auf die gewachsene Wählermobilität und die gesunkene Parteienbindung durch ein Abgehen von der traditionellen Parteiprogrammatik zu reagieren und konnte sich damit als moderne, zukunftsorientierte und fortschrittliche Partei präsentieren. Das Resultat war ein überwältigender Wahlsieg der ÖVP, die 48,6 Prozent der Stimmen erringen konnte; ein Wahlsieg aus dem Kreisky seine Lehren gezogen hatte. Die Alleinregierung Klaus war bei ihrem Regierungsantritt mit einer äußerst schwierigen Situation konfrontiert. Das Wirtschaftswachstum war von 4,6 Prozent 1966 auf 3,1 Prozent 1967 gesunken, die Lohnsumme war im gleichen Zeitraum real gesunken. Aufgrund dieser Entwicklungen formulierte die Regierung unpopuläre wirtschafts- und steuerpolitische Maßnahmen. Die langfristigen Konzepte wichen den tagespolitischen Alltagsgeschäften. Darüber hinaus gelang unter Klaus aber auch der Interessenausgleich innerhalb der Bünde nicht, was zu nachteiligen personalpolitischen Entscheidungen geführt hatte. Insgesamt war unter dieser Regierung wenig von einem modernen gesellschaftspolitischen Konzept zu finden. In der Folge verlor die ÖVP rasch ihr gerade erst geschaffenes progressives, jugendliches Image, während die SPÖ ihr Image einer dogmatischen Klassenkampfpartei erfolgreich in ein modernes Reformerimage transformieren und damit die politische Mitte überzeugend besetzen konnte. Diese erfolgreiche Transformation der Sozialisten war wesentlich mit dem Fehlen eines österreichischen Liberalismus verbunden. Denn im Unterschied zu anderen westlichen Staaten gab es in Österreich den Liberalismus nur in seiner deutschliberalen Ausprägung. Kreisky unternahm nun erfolgreich den Versuch, die Begriffe sozial und liberal gleichsam zu besetzen und damit breitere Wählerschichten anzusprechen. In der Folge wurde die Forderung des bundesdeutschen Sozialdemokraten Willy Brandt, mehr Demokratie zu wagen, zum Synonym für eine breite gesellschaftliche Aufbruchbewegung. Die drei großen Sozialdemokraten dieser Periode, Bruno Kreisky, Willy Brandt und Olov Palme, waren sich dabei darin einig, eine „offene Partei“ anzustreben, die den neu entstandenen Bewegungen (Friedensbewegung, Studentenbewegung, Solidaritätsbewegungen, Frauenbewegung, Umweltbewegung…) ebenso Platz bieten sollte wie der neuen Mittelschicht (für die Umweltthemen besonders bedeutend wurden). Durch diese Veränderungsprozesse war es somit zu einem bedeutenden Wandel der Politik gekommen. Die klassischen politischen Lager waren durch die Modernisierung, Urbanisierung und dem damit verbundenen Wertewandel sowie der Entstehung von Wechselwählern aufgebrochen worden. Ideologien verloren an Bedeutung, während einzelne Persönlichkeiten – wie eben Kreisky – tendenziell eine zunehmende Rolle einnahmen, zumal dann, wenn sie es verstanden, die Massenmedien für sich und ihre Ziele zu nutzen. Politik wurde auch zunehmend als „technokratisches Planspiel von Experten“ verstanden (Kriechbaumer 1981: 21). Sie sollte damit auf soziologische und ökonomische Verände57
rungen reagieren können. Ausdruck dieses Wandels war auch ein entstehendes Umweltbewusstsein, zunächst v.a. bei den ökonomisch und sozial besser gestellten Mittelschichten, und ein Auflehnen gegen Autoritäten und verkrustete Strukturen insbesondere seitens der Jugend. Die Wahlen 1970 brachten der SPÖ, die dank Kreisky am besten auf diese Veränderungen reagiert hatte, 48,2 Prozent der Stimmen und 81 Mandate. Die ÖVP erzielte mit 44,8 Prozent 79 Mandate, die FPÖ mit 5,5 Prozent 5 Mandate. Durch die Unterstützung der FPÖ im Nationalrat, die sich bereit erklärte, im Gegengeschäft für eine Wahlrechtsänderung ÖVP-Misstrauensvoten nicht zu unterstützen und dem Regierungsbudgetentwurf zuzustimmen, konnte die SPÖ eine Minderheitsregierung stellen. Deren deklariertes Ziel war es, eine Modernisierung und Demokratisierung der österreichischen Gesellschaft durch systemverändernde Reformen zu erreichen. Die Grundsätze der Sozialisten sollten durch die Schaffung eines demokratischen Sozialismus realisiert werden. Tatsächlich waren diese „radikalen“ Ziele freilich durch den Sieg des Reformflügels um Kreisky weitestgehend abgeschwächt und in den Hintergrund gedrängt worden. Solange die SPÖ über noch keine absolute Mehrheit verfügte, konnte die Beschränkung auf kleine Reformen freilich noch als notwendige Zugeständnisse an die Machtverhältnisse dargestellt werden, um den nach wie vor vorhandenen linken Parteiflügel zu beruhigen. Der tatsächliche Prüfstein für den Wandel der SPÖ zu einer „linken Volkspartei“ kam erst mit der absoluten Parlamentsmehrheit. Die vorgezogenen Wahlen im Oktober 1971 brachten den Sozialisten 50,4 Prozent der gültigen Stimmen und damit klare Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat, wie sie der Bundeskanzler unter dem Slogan „lasst Kreisky und sein Team arbeiten“ angestrebt hatte. Nach der Wahlrechtsreform, mit der die Anzahl der Sitze im Nationalrat von 165 auf 183 erhöht worden ist, kam die SPÖ nunmehr auf 93 Mandate, die ÖVP auf 80 und die FPÖ auf 10. Die ÖVP hatte sich in der Zwischenzeit nach rechts bewegt und vergeblich versucht, durch die Aufstellung umstrittener „unabhängiger“ Kandidaten aus extrem rechtsgerichteten Kreisen eine Sammlung des „nichtsozialistischen Österreichs“ herbeizuführen. Die Freiheitlichen hingegen konnten dank der von ihnen geforderten Wahlrechtsreform Mandate hinzugewinnen. Da somit keine Koalitionsverhandlungen notwendig waren, konnte rasch die Regierungsbildung erfolgen und die SPÖ ihr umfassendes Reformprogramm umsetzen, zumindest insofern dazu nicht eine Verfassungsänderung und die damit verbundene ZweiDrittel-Mehrheit verbunden war. Aus der Sicht der linken Kritiker in der SPÖ bestätigte sich jetzt, dass der Wandel unter Kreisky den endgültigen Abschied vom Ziel, den Sozialismus zu erreichen, bedeutete. Von der Mehrheit der Sozialisten wurde die Rolle des „Arztes am Krankenbett des Kapitalismus“, gegen die die Linke polemisierte und die die Sozialdemokratie schon lange davor hatte, freilich als positive Entwicklung bewertet, wenngleich die Mehrheitsrhetorik nach wie vor systemverändernde Reformen beschwor. Die Regierungserklärung von Kreisky bestand schließlich aus einer Fülle technokratischer Reformen und liberaler Nachziehverfahren, vor allem auf dem Gebiet der Straf- und Familienrechtsreform. Als systemverändernde Reformen wurden die Bekämpfung der Armut, neue Wege der Wohnbauförderung, die Änderung des Bodenrechts, die Chancengleichheit in der Bildung, die Demokratisierung der Schulen und Universitäten und eben auch das Programm für den Umweltschutz dargestellt. Im Vordergrund standen für die SPÖ insbesondere sozial- und wirtschaftspolitische Maßnahmen, Lohnerhöhungen und damit eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards breiter Schichten. Dazu wurde eine Politik des Defizitspendings und eines Umsetzens Keynesscher Wirtschaftstheorien in die Praxis verfolgt. 58
Ein wesentlicher Wandel, der als Konsequenz dieser Modernisierung betrachtet wurde, bestand in der „Versachlichung der Entscheidungsprozesse“. Damit sollte der Tendenz zur Planung und zur Koordination der Entscheidungen Rechnung getragen werden. Versachlichung bedeutete im österreichischen System v.a. auch eine starke Einbindung der Sozialpartner und der oppositionellen Großpartei in alte wie neue Politikbereiche. Bereits die ÖVP-Alleinregierung hatte die SPÖ über die Sozialpartner in wichtige Entscheidungen mit eingebunden und damit wesentlich zur Festigung der nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen Konsensdemokratie beigetragen. Diese Praxis wurde von den SPÖ-Alleinregierungen fortgeführt. Zudem garantierte der Föderalismus, dass die ÖVP, die auf Länderebene nach wie vor dominierte, gebührend gehört wurde. Im Gegensatz zur SPÖ, die sich in der Oppositionsrolle vor 1970 im Nationalrat auf die Kontrolle im Rahmen der Plenardebatten beschränkte, wollte die ÖVP als Opposition jedoch nicht auf die direkte parlamentarische Einflussnahme auf die Gesetzgebung verzichten. Die Volkspartei verstand sich als konstruktive Opposition, was zur Folge hatte, dass es in den Jahren nach 1971 zu einem sprunghaften Ansteigen der Unterausschussaktivitäten kam. Mit dieser Strategie war die ÖVP vor allem in relativ unpolitischen Sachfragen erfolgreich (Wittmann 1978: 49).
3.3.1 Die Entstehung der sozialdemokratischen Umweltpolitik Als die SPÖ 1970 an die Macht gelangt war, gab es also erhebliche Erwartungen in allen Politikbereichen, seien es Hoffnungen auf eine fortschrittliche moderne Politik oder Ängste vor einer sozialistischen Politik gewesen. Im Umweltbereich waren allerdings Wissenstand und Problembewusstsein in der österreichischen Gesellschaft noch nicht besonders stark ausgeprägt. Onz (1992: 4) zufolge wurden Umweltschutzbemühungen noch weitgehend von einem relativ kleinen Akteurskreis wahrgenommen, der hier als „politische Avantgarde“ gewirkt hatte. Diese Einschätzung verdeutlicht auch eine damalige Umfrage: 1972 war Umweltschutz nur für 27 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen ein wichtiges Anliegen (Österreichisches Jahrbuch 1987: 519). Die Grundlagen der sozialdemokratischen (im damaligen Sprachgebrauch noch: sozialistischen) Umweltpolitik waren bereits im Rahmen des Humanprogramms „Im Mittelpunkt der Mensch“ 1969 veröffentlicht worden. Zusammen mit dem Wirtschaftsprogramm galt es als „Teil der großen gesellschaftspolitischen Alternative der Sozialistischen Partei“ (SPÖ 1969: VII). Die Umwelt sollte „im Sinne ihrer Humanisierung“ beeinflusst und umgestaltet werden. Bei der Erstellung des „weitausgreifenden gesundheitspolitischen Konzeptes“ wurden „Fachleute ohne Rücksicht auf ihr politisches Heimatrecht“ eingebunden (ib.). Während sich der erste Teil des Humanprogramms der Gesundheitspolitik widmete, setzte sich der zweite Teil mit der „Umwelthygiene“ auseinander. Aufgrund der Endlichkeit der natürlichen Rohstoffquellen gelte es, in Zukunft Rohstoffe „möglichst ökonomisch auszubeuten und zu verarbeiten“ (ib.: 59). Im Detail widmete sich das Humanprogramm neben den gesundheitspolitischen Themen mit der Wasserreinhaltung, der Luftreinhaltung, der Lärmbekämpfung sowie der Ernährungspolitik und der Verhütung von Unfällen. Die Arbeitswelt hingegen wurde, wie die Parteilinke in der Jungen Generation kritisierte, ebenso wie die Frage nach möglichen und zu erwartenden sozialen Konflikten „systematisch ausgeblendet“ (W. Schwarz o.J.: 26). Mit der Regierungserklärung von Bundeskanzler Bruno Kreisky vom 27. April 1970 begann auf Bundesebene die Phase der Gesetzgebungs- und Regierungsverantwortung der 59
SPÖ, auch im Bereich der Umweltpolitik. Umweltpolitik wurde von der Regierung als Teil des Gesundheitsschutzes und „im Rahmen eines längerfristigen Gesundheitsplanes“ definiert, die jenseits aller Klassenfrage als reformistische Politik für den Menschen verstanden wurde. Der Bundeskanzler kündigte „Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsschädigenden Umwelteinflüssen durch Sicherung der Erholungsräume, Reinigung von Luft und Wasser, hygienische Abfallbeseitigung, Bekämpfung von Lärm und Geruchsbelästigung, Strahlenschutz“ an. Darüber hinaus sollten auch klare gesetzliche Bestimmungen „zum Schutze der Bevölkerung vor schädigenden Einflüssen bei Errichtung und Betrieb von Kernkraftwerken“ geschaffen werden (Österreichisches Jahrbuch 1970: 101). In anderen Politikbereichen kamen freilich Umweltfragen gar nicht vor. Dass Wirtschaftspolitik (Wachstum), die Energiepolitik (Bereitstellung von ausreichender und billiger Energie), die Verkehrspolitik (Ausbau von Bundesstraßen und Autobahnen, umfassender Flughafenausbau), die Landwirtschafts- oder die Raumordnungspolitik noch ganz ohne umweltpolitische Maßnahmen auskamen, entspricht der damaligen beschränkten Sichtweise der Umweltproblematik und der engen Definition der Gesundheits- und Umweltpolitik. Entsprechend einem Beschluss des Ministerrats wurde drei Monate nach der Übernahme der Regierungstätigkeit ein interministerielles Komitee mit der Ausarbeitung eines Umweltschutzprogramms beauftragt. Dieses Komitee für Umwelthygiene wurde zunächst beim für die Gesundheitspolitik zuständigen Sozialministerium eingerichtet. Es hatte die Aufgabe, die Rechtslage auf den einzelnen Gebieten des Umweltschutzes zu prüfen, Maßnahmen zur Verbesserung vorzuschlagen und die Bemühungen der einzelnen Ressorts zu koordinieren. Als „Regionalpartnerschaft in Umweltfragen“ (Groiss/Welan 1976: 175) gehörten ihm alle Bundesministerien, der österreichische Städte- und der österreichische Gemeindebund sowie die Verbindungsstelle der Bundesländer an. Nachdem die Sozialdemokraten 1971 die absolute Mehrheit erlangt hatten, setzten sie die Politik, wie sie in der Regierungserklärung 1970 formuliert worden war, fort. In der Regierungserklärung vom 5. November 1971 betonte Kreisky, „dass alle diese Aufgaben die Mobilisierung gigantischer Geldmittel erfordern und dass, wenn sie vom Stadium der Vorbereitung in das der Verwirklichung eintreten, viel davon abhängen wird, ob diese Geldmittel auch vorhanden sein werden.“ Entschlossen kündigte er an, dass die Bundesregierung auch nicht davor zurückschrecken werde, „im gegebenen Zeitpunkt das österreichische Volk mit der Frage zu konfrontieren, was ihm seine Gesundheit wert ist.“ Generell sollte das Verursacherprinzip gelten, wenngleich der Einsatz öffentlicher Mittel nicht ausgeschlossen werden könnte (Österreichisches Jahrbuch 1971: 108): „Ich möchte bei dieser Gelegenheit die volkswirtschaftliche Feststellung machen, und es ist dies auch die Auffassung liberaler Ökonomen, dass die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft durch den Übergang zu umweltfreundlichen Verfahren und Erzeugnissen durchaus nicht verringert werden muss, sondern eher zu einer Rationalisierung und Verbesserung führen wird. Um das zu erreichen, wird die Bundesregierung auf dem Gebiet in engstem Einvernehmen mit den Interessenvertretungen der Wirtschaft zusammenarbeiten“ (ib.: 108f).
Zur Umsetzung der Ziele sollte zunächst ein eigenes Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz geschaffen werden. Zur Unterstreichung der Wichtigkeit umweltpolitischer Maßnahmen betonte Kreisky in seiner Regierungserklärung auch die negativen Folgen eines Nichthandelns im Bereich des Fremdenverkehrs (ib.). Auf Bundesebene starteten neben Forschungstätigkeiten und dem Aufbau von Messsystemen für Luftschadstoffe auch Förderprogramme zur Umstrukturierung der Wirtschaft. 60
Vor allem für die österreichische Papier- und Zellstoffindustrie wurde 1973 ein umfassender Umweltsanierungsplan geschaffen. Onz (1992: 16) zählt auch die in der Regierungserklärung angekündigten und großteils realisierten gesundheitspolitischen Vorhaben (z.B. die Neugestaltung des Lebensmittelrechts oder der Hygienevorschriften) zu den mittelbar umweltpolitischen Maßnahmen der sozialdemokratischen Regierung, was insofern gerechtfertigt ist, da die Sozialdemokraten v.a. den Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation „als taugliche Richtschnur“ und „Bezugspunkt einer sozialistischen Umweltschutzpolitik“ interpretierten (Salcher 1980a: 322). Im nationalen umweltpolitischen Diskurs konnte die politische Elite mit den versprochenen Maßnahmen und deren Umsetzung jedoch nicht den Eindruck erwecken, als reichten sie aus, die großen Missstände und Probleme im „relativen Rechtsstaat“ Österreichs (Vodopivec) in den Griff zu bekommen. Die Folge war ein Anwachsen radikalerer Forderungen und Rufe nach einem entschlossenerem Handeln. Insgesamt wurden Umweltanliegen in dieser Entstehungsphase der Umweltpolitik von den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Länderebene im Bereich der Hysterie angesiedelt. Demgegenüber gälte es einen rationalen Weg zu gehen: „Umwelthysterie mit der Absicht, alles zu verhindern, würde bedeuten, von einem Extrem ins andere zu fallen. Es gilt, den gesündesten Weg zwischen den Extremen zu finden, um für den Umweltschutz für alle das Beste zu machen“ (so der Salzburger Landeshauptmann Dr. Lechner (ÖVP), zit. nach SN vom 8.11.1973).
Die Anfänge des Umweltschutzes wurden seitens der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger „als lästige Nebenerscheinung gesehen, als Störungsfront in der wirtschaftlichen Schönwetterperiode, die bald vorbeiziehen wird“ (Heinz Rassaerts, zit. in: Glaeser (Hg.) 1998: 8). Diese Haltung dominierte in den 1970er Jahren bis in die 1980er Jahre hinein. „Rationale Politik“ bedeutete in der Regel vor allem ein hohes Maß symbolischer Politik, ein weitgehender Verzicht auf Maßnahmen, wie sie in Vorreiterstaaten schon vorhanden waren, und ein starkes Vertrauen auf den technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Wirtschaftswachstum blieb das zentrale Ziel, auch wenn zunehmend von qualitativen Aspekten gesprochen wurde; und die Politik hatte insbesondere dafür zu garantieren, dass Energie und Ressourcen in ausreichender Menge und zu niedrigen Preisen zur Verfügung standen, damit Wirtschaftswachstum und Wohlstand gleichermaßen wachsen können. Nichtsdestotrotz war aber eine Umweltbürokratie seit Beginn der 1970er Jahren geschaffen worden, die eigene Erfolge brauchte, um sich zu legitimieren, und externe Schocks, insbesondere die erste Ölkrise und der internationale Diskurs über die Grenzen des Wachstums und zur Neige gehender Ressourcen, erschütterten das dominante naturvergessene Wachstumsparadigma. In einem Brief vom 8. Mai 1973 schrieb z.B. Kreisky an Palme und Brandt, dass die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung einer Reihe „systematischer Verzerrungen“ unterliege. Die Sozialistische Internationale sollte daher „Experten beauftragen, ein neues Konzept der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu erstellen, dessen zentrale Größe ein ökologisch neutrales Wachstum ist, das ‚social indicators’ in sozialistischem Sinn berücksichtigt.“ „Ich könnte mir durchaus vorstellen“, so Kreisky (1973: 55) weiter, „dass es hier zu einer fruchtbaren und zukunftweisenden Zusammenarbeit zwischen der Sozialistischen Internationale und jenen Gremien kommt, die auf diesem Gebiet bereits wesentliche Vorarbeiten leisten, nämlich dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften, einer Arbeitsgruppe der OECD und den Statistischen Diensten der Vereinten Nationen, dem ‚Club of Rome’ u.a.“
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Nach Kreiskys Ansicht sollten sich durch die Kooperation mit gesellschaftlich orientierten Wissenschaftern die Planungsvoraussetzungen sozialdemokratischer Politik wesentlich verbessern lassen. Denn die Sozialdemokraten verstanden Umweltschutz natürlich als Umweltpolitik, also als eine gestaltbare, von politischen Kräften aufgrund einer Willensentscheidung beeinflussbare komplexe Materie, deren „ausgewogene Beachtung“ auf „einwandfrei gesicherten Entscheidungsgrundlagen“ basieren sollte (Leodolter 1973a: 11f.). Trotz so mancher Ankündigung und immer noch modernen Überlegungen hatten die Sozialdemokraten, die sich als die entscheidenden „Stützpfeiler der Demokratie“ betrachteten, mit dem neuen Politikfeld Umwelt auch so ihre Schwierigkeiten. Reformismus bedeutete eine Prioritätensetzung. Um die Lebensumstände der Menschen dauerhaft qualitativ zu verbessern, war aus sozialdemokratischer Sicht der Arbeitsbereich der zentrale Ausgangspunkt. Zunächst ging es um Arbeitszeitverkürzung, gesetzlich geregelten Urlaub, Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz, Vollbeschäftigung etc. sowie um die Einkommensumverteilung – kurz: um die Annäherung Österreichs „an den westeuropäischen Wohlstand“ (Regierungserklärung 1970, Österreichisches Jahrbuch 1970: 91). All das erforderte Wirtschaftswachstum und Steigerung der Produktivität. Angriffe gegen diese materiellen Fortschritte, wie sie durch die Wachstums-, Technik- und Fortschrittskritik der entstehenden Umweltbewegung formuliert wurden, lösten bei Sozialdemokraten und den ihnen nahestehenden Gewerkschaftern daher Abwehrreaktionen zur Verteidigung dieser Errungenschaften und Attacken gegen die Träger von Umweltschutzinteressen hervor: „Es mag schon sein“, meinte z.B. Kreisky in einem Gespräch mit Günther Nenning 1976, „dass in Einzelfragen die Medien uns erdrücken können, vor allem dann, wenn sie sehr konservative Vorstellungen mit radikalen Formeln drapieren, also zum Beispiel »Rettet die Bäume!« - in einer Gegend, in der in Wirklichkeit im Genuss der Bäume nur die Oberklassen sind. »Rettet die Bäume!« heißt in der Gegend: da darf auch kein Kindergarten hin, weil eben fünf Bäume wichtiger sind als ein Kindergarten unter Bäumen. Wenn es also danach ginge, dann kann man Kindergärten nur mehr auf der grünen Wiese bauen oder Spitäler, und dann muss man 30 Jahre warten, bis ein paar magere Bäume ihren dünnen Schatten werfen. Hinter all diesen scheinbar so radikalen Zielen verbirgt sich sehr häufig das Interesse Bevorrechteter, in ihrem Vorrecht nicht eingeschränkt zu werden. Hinter dem Umweltschutz kann sich verbergen: Wiederaufleben der Blut-und-Boden-Ideologie oder alte Maschinenstürmer-Mentalität, diesfalls von Seiten derer, die ihren gesicherten Platz in der Gesellschaft als Gruppe oder Einzelne schon haben. Man muss also sehr vorsichtig sein, wenn man sich mit solchen Dingen beschäftigt“ (in: Nenning 1976: 227).
In der Vorstellung der Sozialdemokraten war (und ist) die Zukunft gestaltbar und der Kapitalismus durch den reformistischen „Arzt am Krankenbett des Kapitalismus“ humanisierbar. Die Vorstellung, dass ein Nullwachstum unausweichliches Schicksal der Industriestaaten sein sollte, störte nicht nur die sozialdemokratische Sichtweise, wonach eine erfolgreiche Umweltpolitik ohne entsprechendes Wirtschaftswachstum nicht zu haben wäre, sondern stellte auch eine massive Bedrohung für die Umsetzung sozialdemokratischer Forderungen dar. Dass die Sozialdemokratie eng mit der verstaatlichten Industrie und den Gewerkschaften verbunden war, machte das Verhältnis zur aufkommenden Umweltbewegung nicht einfacher und sollte es in den folgenden Jahren noch mehr strapazieren. Die Sozialdemokratie war auch nicht bereit das Verursacherprinzip radikal anzuwenden, dessen Implementierung in der Regierungserklärung 1971 noch schwer unterschätzt worden war (Onz 1992: 19), und fand sich rasch in Übereinstimmung mit der Forderung der Wirtschaft, so62
dass rasch das Gemeinlastprinzip, also die staatliche Finanzierung der Umweltreparatur, eine starke Anwendung fand: „[...] die Anerkennung dieses Prinzips bedeute allerdings, dass letztlich alle Österreicher in dem Maße zur Kostentragung herangezogen werden, in dem sie durch ihre spezifischen Ansprüche und Bedürfnisse die Umwelt belasten. Vonseiten der öffentlichen Hand werde es notwendig sein, eine finanzielle Hilfestellung in der Phase der Umstellung auf eine umweltfreundlichere Produktion zu geben. Dies schon deshalb, weil durch den Umweltschutz keinesfalls Arbeitsplätze gefährdet werden dürfen und die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft auf den Auslandsmärkten nicht beeinträchtigt werden soll. Es sei aber unbedingt erforderlich, im internationalen Gleichschritt vorzugehen.“8
3.3.2 Die Umweltpolitik der Parteien am Beginn der 1970er Jahre Hatte die SPÖ in den Regierungserklärungen der Jahre 1970 und 1971 erstmals ein Bekenntnis zum Umweltschutz und zur Verbesserung der Lebensqualität und damit als Regierungspartei ihr umweltpolitisches Programm im Rahmen der Regierungstätigkeit definiert, so war die programmatische Ausformulierung zunächst nur im Humanprogramm erfolgt. Erst 1978 wurden die sozialdemokratischen Grundsätze in diesem neuen Politikfeld im „neuen Parteiprogramm“ aufgenommen (siehe unten). Die SPÖ hatte mit der Formulierung der Umweltpolitik nicht nur auf einen internationalen Trend, sondern auch auf den Druck der Jugendbewegungen reagiert, die sich vermehrt für Dritte-Welt-Bewegungen, den Weltfrieden und eben auch ökologische Themen interessierte. Dabei war entscheidend, dass die Sozialdemokratie in einem Öffnungsprozess war, bei dem auch der linke Rand und neue Themen entsprechenden Raum finden sollten. Die ÖVP wiederum hatte den Begriff der Lebensqualität für sich entdeckt. Die Wahlniederlage 1970 war parteiintern insbesondere auf eine „Politik der Sachlichkeit“ zurückgeführt worden, „deren polit-ökonomischer Kern darin bestand, sozialreformerische Element zugunsten von Wachstumsüberlegungen (Profiterwartungen) zurückgedrängt zu haben“ (Riess/Winkler 1983: 211). Jetzt sollte durch eine programmatische Orientierung auf Grundsatzfragen ein geistiger Aufbruch eingeleitet und ein Selbstverständnis als Oppositionspartei gefunden werden. Im Salzburger Programm von 1972 waren erstmals umweltrelevante Aussagen formuliert worden, die im Frühjahr 1973 im „Plan 1“ als eine „Politik der Qualität des Lebens“ konkretisiert wurden. Insgesamt erstellte die ÖVP vier Pläne, die eine „Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer qualitativen sozialen Marktwirtschaft“ bilden sollten. Im Umweltkapitel des Plan 1 – an dessen Erstellung u.a. auch der heutige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel beteiligt war – bezeichnete die ÖVP die früheren Einzelmaßnahmen als ungeeignet, die Verschlechterung der Umweltqualität zu bremsen, und formulierte Umweltpolitik als eine „integrale Aufgabe“. Umweltpolitik wurde als „die Einordnung der technisch möglichen Maßnahmen des Umweltschutzes in die Gesamtheit aller staatlichen Aufgaben“ definiert. Umweltpolitische Maßnahmen müssten sich an den Möglichkeiten der Volkswirtschaft orientieren und dürften „nicht zu einer Belastung anderer schutzwürdiger Umweltgüter führen“ (ÖVP 1973: 92). Über diese Politikformulierung hinaus formulierte zu Beginn der 1970er Jahre auch der ÖVP-Wirtschaftsbund (ÖWB) seine Vorstellungen zur künftigen Umweltpolitik. Nachdem sich Umweltpolitik als neues 8 Präsident der Bundeswirtschaftskammer Ing. Rudolf Sallinger bei der Konstituierung des Beirates für Umweltschutz im November 1973; zitiert nach: Das österreichische Papier 1/1974: 23.
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Politikfeld abgezeichnet hatte, wurde im ÖWB eine Arbeitsgruppe „Umweltprobleme“ eingerichtet. Darüber hinaus beschäftigte sich die Arbeitsgruppe „Kommunalpolitik“ bereits mit Problemen der Wasser- und Abwasserversorgung. Unter Mitwirkung von Wissenschaftern und unter Beachtung ausländischer Vorschläge wurde 1971 eine Publikation mit einer Reihe von Vorschlägen zur Gesetzgebung, Forschung, Finanzierung und Information vorgelegt (ÖWB 1971: 4). Als „Aufgabe der nächsten Zeit“ wurde von dieser gewichtigen Teilorganisation der Volkspartei „eine vernünftige Regelung“ gefordert, „die keine Verzerrung der Konkurrenzverhältnisse, tragbare Anwendungen und auch entsprechende Disziplin erbringt.“ Die Politik müsse neben der rechtlichen Regelung auch „gezielte Forschungsförderung“ betreiben und insbesondere auf international „einheitliche Normen“ achten (ib.: 3). Die zentralen Forderungen des ÖWB waren, dass „Jeder“ für den Umweltschutz bezahlen sollte, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die Schaffung eines Forschungsrates für Umwelthygiene zusammengesetzt aus den Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft und der Wissenschaft, die Kompetenzbereinigung in Umweltfragen, ein Luftreinhaltungs- und ein Müllbeseitigungsgesetz, die Bereinigung der bestehenden über sämtliche Verwaltungsbereiche verstreuten Gesetze, eine klare Abgrenzung der Bundes-, Landes- und Gemeindekompetenzen, etc. Konkrete Maßnahmen wurden v.a. dort als legitim gesehen, „wo fundierte und wissenschaftlich gesicherte Forschungsergebnisse“ vorliegen (ib.: 42). Insgesamt wurde in dieser Publikation der Wirtschaft ein starkes Engagement bescheinigt: „Die Frage der Umwelthygiene beschäftigt die Wirtschaft in den verschiedenen Branchen sowie die Forschung schon lange bevor die öffentliche Diskussion darüber in die Öffentlichkeit kam“ (ib.). Zur Untermauerung dieser Feststellung wurden eine Reihe von Wissenschaftern interviewt und konkrete Beispiele aus der Praxis angeführt, die demonstrieren sollten, dass die Wirtschaft bereits seit Jahren end-of-pipe-Maßnahmen einsetzte, die bereits zu Wettbewerbsverzerrungen geführt hatten. Die Politik sollte daher dringend geeignete Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionen in den Umweltschutz schaffen (ib.: 57). Die Position des ÖWB unterschied sich v.a. hinsichtlich der Bewertung des Verursacherprinzips vom ÖVP Plan 1. In letzterem wurde das Verursacherprinzip als ein Prinzip im Einklang mit der sozialen Marktwirtschaft interpretiert, dass im Gegensatz zum Gemeinlastprinzip „eine Verzerrung der Preisstruktur und des Wettbewerbes“ vermeidet. Nur um „soziale Härten für Konsumenten“ zu vermeiden sollte von „einer lückenlosen Anwendung“ abgesehen und „durch sozialpolitische Maßnahmen“ ein Ausgleich geschaffen werden (ÖVP 1973: 127). Die FPÖ hat 1973 im „Freiheitlichen Manifest zur Gesellschaftspolitik“ die Umweltproblematik programmatisch aufgegriffen. Darin formulierten sie das Ziel, „das ökologische Gleichgewicht, die Funktionsfähigkeit der Biosphäre, jener dünnen Schicht aus Luft, Erde und Wasser, die unseren Planeten umgibt und Leben im biologischen Sinn überhaupt ermöglicht, zu sichern und wieder herzustellen“ (FPÖ 1973a: 126). Konkret wurden Lehrkanzeln für Ökologie, Forschungsförderungen und Maßnahmen in Schulen und Massenmedien zur Schaffung eines neuen Umweltbewusstseins gefordert. Die FPÖ sprach sich auch gegen „einseitig“ betriebenen Maßnahmen zur Förderung einer umweltfreundlichen Produktion aus, da diese „zu Wettbewerbsverzerrungen in der Weltwirtschaft“ führen würden. Österreich sollte daher „alle Bemühungen zur Erzielung internationaler Umweltschutzvereinbarungen […] tatkräftig“ unterstützen und „umwelterhaltende Kriterien bei Abschluss von Handelsverträgen“ berücksichtigen. „Dazu wäre eine Konvention über ein globales ‚Umweltgütezeichen’ anzustreben.“ „Zur Behebung der bestehenden Luft- und Wasserverschmutzung, Bodenverseuchung und Lärmschädigung“ forderten die Freiheitlichen einen 64
mittelfristigen Sanierungsplan. Die dafür erforderlichen Mittel sollten „von der öffentlichen Hand“ bereitgestellt werden. Darüber hinaus sprach sich die FPÖ neben der Ausrichtung bestehender Gesetze auf Umwelterfordernisse für eine Bundeskompetenz für den Umweltschutz, für das Umdenken bei den Verbrauchergewohnheiten und für einen Energieplan zur Sicherstellung der Rohstoffversorgung aus (ib.: 126ff.). Beide Großparteien und auch die FPÖ, die seit Beginn der 1970er Jahre von ersteren prinzipiell als regierungsfähig angesehen wurde und sich allein schon deshalb ebenfalls programmatisch weiterentwickeln musste, hatten Umweltpolitik als Staatsaufgabe definiert, die vom Gesetzgeber zu konkretisieren und auszugestalten war, wenngleich es unterschiedliche Vorstellungen gab, wie und in welchem Umfang dies zu geschehen habe. Einig waren sich die Parteien darin, dass staatliche Maßnahmen auf die wirtschaftliche Entwicklung ausreichend Rücksicht nehmen müssen, dass die Kosten des Umweltschutzes erst erwirtschaftet werden müssten und dass internationale und bilaterale Zusammenarbeit notwendig wäre. Welchen Einfluss eine internationale Vorreiter- oder Nachzüglerrolle auf internationale Umweltnormen und -regime haben kann, wurde freilich damals noch von niemandem diskutiert. Null-Wachstum oder eine stagnierende Wirtschaft wurden als Bedrohung für Arbeitsplätze und Lebensstandard aufgefasst. Demgegenüber wurde das Ziel eines „qualitativen Wachstums“ (SPÖ, ÖVP) bzw. eines „vernünftigen und störungsarmen Wirtschaftswachstums, das zur Erhöhung des Lebensstandards führt“ (FPÖ) formuliert, das allerdings nicht weiter definiert wurde. Auch mussten die Umweltauswirkungen eine bestimmte Quantität und Qualität überschritten haben, so dass sie messbar waren, denn ein eindeutiger „wissenschaftlicher Beweis“ über die Ursachen und Wirkungen sowie deren Verursacher waren die Voraussetzung, um politische Maßnahmen erwägen und legitimieren zu können. Zu Beginn der 1970er Jahre haben wir es mit mehreren, mehr oder weniger gleichzeitig einsetzenden Bewegungen zu tun. Zum einen mit der internationalen Entstehungsdynamik einer Umweltpolitik, die v.a. Schwung durch Vorreiter in diesem neuen Politikfeld und durch internationale Ereignisse (Stockholm, Weltnaturschutztag, nationale Vorreiter- und internationale Initiativen zur Harmonisierung der nationalen Umweltpolitiken) erhielt. Zum anderen kam es auf nationalstaatlicher Ebene zu einer Bewegung von oben: Hier wird ausgehend vom stärker werdenden internationalen Druck und einem sowohl international als national veränderten Problembewusstsein der Versuch unternommen, ein neues Politikfeld in die bürokratisch-administrative Arbeitsteilung einzugliedern, im Einklang mit den internationalen Entwicklungen und Absprachen an die österreichischen Verhältnisse anzupassen und die Handlungskapazitäten des Staates damit auszubauen. Das Umweltministerium selbst war hier vor allem eine symbolische Neuerung. Andererseits sah sich die etablierte Partei- und Verbändepolitik einer zwar schwachen, aber wachsenden Protestbewegung gegenüber, die von unten sowohl innerhalb dieser Organisationen als auch außerhalb versuchte, Druck aufzubauen, um weitreichende Veränderungen in der Gesellschaft, im politischen System und im Umgang der Gesellschaft mit der Natur durchzusetzen. Insbesondere erzeugten die Massenmedien auch einen permanenten Problemdruck. Darüber hinaus gab es einen Druck seitens der Wirtschaft. Einerseits gab es bereits Teile der Wirtschaft, die sich durch die negativen Entwicklungen in ihrer weiteren Existenz bedroht sahen (v.a. Tourismus- und Freizeitwirtschaft), andererseits hatten Unternehmen bereits Umweltschutzauflagen (insb. Gewässerschutz, Emissionen) zu erfüllen, die zu Standortnachteilen und Wettbewerbsverzerrungen geführt hatten und ein Interesse an einer rechtlichen (Re-)Regulierung und an Förderungen entstehen ließen. 65
3.3.3 Die Entstehung des Umweltrechts Umweltpolitik musste also in Recht und in Normen (z.B. Grenzwerte) übersetzt werden, um den politischen Auftrag vollzugsfähig zu machen. Ausgangspunkt für die juristische Debatte um die Schaffung eines Umweltrechts seit den 1960er Jahren war die Problematik, dass es nach Ansicht von Juristen längst Gesetze und Verordnungen gab, mit denen man Umweltschäden verhindern hätte können, dass diese jedoch nicht oder zu wenig gegriffen hatten. Die Ursache dafür lag einerseits in Vollzugsproblemen, andererseits war der wirtschaftlich-technologische Fortschritt dafür verantwortlich. Je nach Definition der Begriffe „Umwelt“ und „Umweltrecht“ wird der Beginn der Entwicklung des österreichischen Umweltrechtes sehr verschieden angesetzt. Richtet man das Augenmerk auf die Gefahrenabwehr im Kernbereich des Umweltschutzes, den Immissionsschutz, so reichen die Anfänge in die Zeit des Einsetzens der Industrialisierung zurück (Schäfer 2000: 5). Recht als Instrument von Umweltpolitik und Umweltplanung ist hingegen erst eine Reaktion auf die in den 1960er Jahren diagnostizierte ökologische Krise, die einen Diskurs über neue Definitionen gesellschaftlicher Ziele und Werte ausgelöst hatte. Das stärker werdende Umweltbewusstsein und die Einsicht in die Gefahren einer schrankenlosen Nutzung der Energie- und Rohstoffquellen, des immer rascher werdenden Stoff- und Energieumsatzes hat mit Anbruch der 1970er Jahre in den USA und in vielen europäischen Staaten zu einer starken Aktivierung der Gesetzgebung auf dem Gebiet des Umweltschutzes geführt. Dieses Erkennen der Gefahren hat Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre auch in Österreich zu einer Erneuerung und Erweiterung schon vorhandener Umweltschutzvorschriften auf Bundes- (Gewerbeordnung 1973) und Länderebene (Raumordnungs-, Naturschutz-, Luftreinhalte- und Baulärmgesetze) geführt (Schäfer 1975; 1978). Die Rechtswissenschaft meldete sich in der Diskussion laut Groiss und Welan (1976: 163) „spät und bescheiden“ zu Wort: Wie in den westlichen Nachbarstaaten begann man auch in Österreich mit einer Bestandsaufnahme umweltschutzrelevanter Gesetze, wobei je nach Wertung der Umweltschutzrelevanz zwischen zweihundert und fünfhundert rechtliche Bestimmungen gezählt wurden. Man analysierte die Effektivität des vorhandenen rechtlichen Instrumentariums und entwarf juristische Strategien für ein umweltfreundliches Recht in Österreich, wobei die umweltschützenden Möglichkeiten von Gesetzgebung und Verwaltung im Hinblick auf die verfassungsmäßige Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und den Grundrechtskatalog untersucht wurden (ib.). In diesem Zusammenhang spielte insbesondere das Interministerielle Komitee für Umweltschutz (Umwelthygiene) eine bedeutende Rolle, welches gemäß Regierungsbeschluss vom 23. Juli 1970 als Plattform der Bundesministerien, des österreichischen Städtebundes, des österreichischen Gemeindebundes und der Verbindungsstelle der Bundesländer gegründet worden war und im Oktober seine konstitueierende Sitzung abgehalten hatte. Es hatte – zunächst im Bundesministerium für Soziale Verwaltung angesiedelt – die Aufgabe, die Rechtslage auf den einzelnen Gebieten des Umweltschutzes zu prüfen, Maßnahmen zur Verbesserung vorzuschlagen und die Bemühungen der einzelnen Ressorts zu koordinieren. Damit wurde ein erster Schritt in Richtung des bereits in der Regierungserklärung aus dem Jahr 1970 anvisierten längerfristigen Gesundheitsplanes zum Schutz vor gesundheitsschädigenden Umwelteinflüssen (durch Sicherung der Erholungsräume, Reinhaltung von Luft und Wasser, hygienischer Abfallbeseitigung, Bekämpfung von Lärm- und Geruchsbelästigung und Strahlenschutz) gesetzt (Natur und Land 1970: 133). 66
Aufgrund der Dominanz des Ordnungsrechts in sämtlichen Politikfeldern, die zum Teil bereits Umweltfragen berührten, und der allgemeinen Rolle und Sichtweise des Staates Ende der 1960er Jahre war es selbstverständlich, dass dieses Instrument auch in der Umweltpolitik eine entscheidende Bedeutung erlangen konnte. Somit war es auch wenig überraschend, dass einer der ersten Forschungsaufträge, die das BMGU erteilt hatte, an die Rechtswissenschaft ergangen war. Der Innsbrucker Universitätsprofessor Dr. Norbert Wimmer, der bereits mehrere Jahre im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst tätig und dort auch „ständig mit administrativen und legistischen Problemen des Umweltschutzes konfrontiert“ gewesen war, hatte den Auftrag erhalten, das „System des österreichischen Umweltschutzrechtes“ darzulegen. Ziel seiner Studie war es darüber hinaus, einen Beitrag zur „Operationalisierung der Lebensqualität“ zu leisten (Wimmer 1974: 79) – Lebensqualität war ein Begriff, den die Konservativen für sich entdeckt hatten und der damals in der politischen Programmatik der ÖVP verankert worden war. Wimmer war davon ausgegangen, dass das Recht als Instrument „dann am wirksamsten ist, wenn es klar definierte Sachbereiche vorfindet, detaillierte und am Status quo messbare Sanktionen verhängt“: „Je großflächiger die Zusammenhänge, je ‚utopischer’ die Reformen, je kausal verfilzter die Probleme, desto weniger kann das Recht seine charakteristische Ordnungsfunktion wahrnehmen; es wird politisch oder unterliegt dem technischen Sachverstand und tritt den Rückzug in unbestimmte Begriffe oder die ‚Natur der Sache’ an“ (Wimmer 1974: 83).
Wimmer sah daher Grenzen des Umweltrechts. Zum einen könnten die Komplexität des Umweltproblems und die damit verbundenen umfassenden, integralen Strategien nicht einfach in begrenzte Verfahrensweisen übersetzt werden. Die Ursache liege in „Organisations- und Entscheidungsproblemen“, die beim Staat am stärksten zutage treten würden. Wimmer plädierte also für „qualitativ neue rechtlich-administrative Strategien“ und lehnte sowohl eine Strategie der „Problemversickerung“ als auch eine radikale rechtliche Flurbereinigung ab. Es gelte an den bereits bestehenden Umweltschutzbestimmungen anzuknüpfen. Diese allein könnten „jedoch bestenfalls zu einer Stabilisierung der bestehenden Situation, keineswegs zu einer Verbesserung führen“ (ib.). Staatlicher Umweltschutz sollte Umweltgestaltung sein und problemadäquate Lösungen finden.
3.3.4 Die Gründung des Bundesministeriums für Gesundheit und Umwelt Die Gründung des österreichischen Umweltministeriums war die Folge eines internationalen Trends zur Institutionalisierung des neu entdeckten Politikfeldes Umweltschutz. Nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten richtete Bundeskanzler Kreisky aufgrund einer Empfehlung des interministeriellen Komitees für Umwelthygiene per Bundesgesetz vom 21. Februar 1972 (BGBl. 25/1972) ein Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (BMGU) ein, dessen erste Ministerin die damals 52jährige Ärztin und Leiterin des Wiener Sophienspitals Dr. Ingrid Leodolter wurde. Leodolter war bereits im Oktober 1971 als Ministerin für Gesundheitspolitik und Umweltschutz, zunächst nur als Regierungsmitglied „ohne Portefeuille“ berufen worden. Dies war die wichtigste Neuerung im Kabinett Kreisky II. Die Wahl war auf sie gefallen, weil der Bundeskanzler angeblich damals meinte, am liebsten wäre ihm eine „sozialistische Ärztin“ für diese Aufgabe, worauf ihm seine Berater die Frau des Wiener Landesschulrates genannt hatten (Interview Schäfer 67
04.10.2000). Interessanterweise war die Wahl damit nicht auf Hertha Firnberg gefallen, die in der niederösterreichischen Arbeiterkammer die statistische Abteilung geleitet hatte und stellvertretende SPÖ-Bundesparteivorsitzende und Mitglied des Parteipräsidiums gewesen war. Sie war von Kreisky ermuntert worden, als Leiterin einer Arbeitsgruppe das „Humanprogramm“ auszuarbeiten, das dann das erste Umweltkonzept der SPÖ wurde (Fischer 1998: 259). Firnberg war bereits 1970 die Leitung des neu gegründeten Wissenschaftsministeriums übertragen worden und engagierte sich dann für die Hochschulreform – eines der zentralen Reformanliegen der SPÖ. Kreiskys Argument für diese Personalentscheidung war damals, dass dem neuen Wissenschaftsressort jemand vorstehen sollte, „vor dem die Professoren ordentlich Respekt haben“ (Kreisky, zit. nach: Steininger 1995: 135). Zudem war das Wissenschaftsressort auch Firnbergs Wunsch. Das für die Schaffung des neuen Ressorts notwendige Kompetenzgesetz gelang der SPÖ-Minderheitsregierung damals aufgrund eines Paktes mit der FPÖ, in dem sich die beiden Parteien auf eine Wahlrechtsreform geeinigt hatten. Die ÖVP hatte sich dagegen ausgesprochen. Anna Demuth wurde Staatssekretärin für Umweltschutz im Sozialministerium. Insgesamt gelang es Kreisky bei der personellen Zusammensetzung seines Kabinetts seine Wünsche bei der Besetzung der wichtigsten Regierungsfunktionen weitestgehend durchzusetzen. Vizekanzler und Sozialminister war allerdings der unpopuläre Gewerkschafter Leopold Häuser geblieben, dem Kreisky jedoch durch die Neuschaffung des BMGU mit Gesundheit und Umweltschutz wichtige Kompetenzen genommen hatte. „Die Schaffung des Gesundheitsministeriums war ein äußerst geschickter politischer Schachzug. In ihren ‚107 Vorschlägen für Österreich’ hatte sich die ÖVP im Herbstwahlkampf 1971 besonders für die Gesundheitspolitik engagiert und konnte deshalb kaum gegen die Errichtung dieses neuen Ministeriums stimmen. Zum anderen versuchte Kreisky damit eine traditionelle Schwachstelle bisheriger sozialistischer Verwaltung des Sozialministeriums zu beseitigen. Denn bisher verstand sich das von der SPÖ dominierte Sozialministerium lediglich als eine riesige Rentenversicherungsanstalt, während das sozialpolitisch zukunftsweisende Gesundheitswesen infolge mangelnder Phantasie und dogmatischer Bindungen kaum beachtet wurde. Mit der Schaffung des Gesundheitsministeriums und dessen Besetzung mit einer nicht aus der Gewerkschaftshierarchie kommenden Persönlichkeit versuchte Kreisky diesem Manko 1971 beizukommen“ (Kriechbaumer 1981: 150f).
Mit seinen Personalentscheidungen signalisierte Kreisky vor allem auch, dass kein Politikwechsel in Form einer Linkswende von den Sozialisten angestrebt wurde. Am 1. Februar 1972 wurde Leodolter offiziell mit der Ressortleitung des BMGU beauftragt. Als Aufgabenbereiche der „Umwelthygiene“ wurden die Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung, Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Müllabfuhr, Siedlungs- und Wohnhygiene, Raumplanung sowie das Giftwesen festgelegt. Im Kompetenzgesetz der Regierung wurde allerdings das BMGU mit keinem Wort erwähnt, und der Budgetentwurf für 1972 sah kein Budget für das neue Ressort vor. Das 1970 eingerichtete Interministerielle Komitee für Umwelthygiene setzte seine Tätigkeit auf der Grundlage einer Entschließung des Nationalrates vom 14. März 1972 fort und wurde nunmehr beim BMGU angesiedelt. Es sammelte die einschlägigen bundes-, landes- und gemeinderechtlichen Vorschriften und stellte diese den Anforderungen eines „wirkungsvollen Umweltschutzes“ gegenüber. Dazu wurden von den verschiedenen Dienststellen des Bundes, der Länder und Gemeinden sowie vom Wissenschaftlichen Beirat für Umwelthygiene Stellungnahmen eingeholt, mit deren Hilfe der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes im Dezember 1972 einen Zwischenbericht vorlegte. Ein Jahr spä68
ter erfolgte die Umbenennung dieser Gremien, indem das Wort Umwelthygiene dem neuen Begriff des Umweltschutzes wich. Das Interministerielle Komitee konnte seine Arbeit aber nicht effizient bewältigen, denn zwischen der personellen Ausstattung des BMGU und der anderen Ressorts bestand ein erhebliches Ungleichgewicht (Interview Bobek 04.10.2000). Die ersten Maßnahmen des Umweltministeriums bestanden in verschiedenen Fördermaßnahmen zum Aufbau von Messstellen im Rahmen eines österreichischen Messnetz zur Erfassung Luft verunreinigender Stoffe gemäß dem Aktionsplan der Stockholmer Umweltkonferenz, der Klärung der zu erwartenden Umweltschutzausgaben, der Angleichung der Kfz-Emissionswerte entsprechend einem EG-Beschluss sowie in Vorgesprächen mit dem Finanzministerium zur Errichtung eines Müllbeseitigungsfonds und zur Neugestaltung des Finanzausgleichs zur Verbesserung der kommunalen Abfallbeseitigung. Zur Erfüllung seiner Aufgaben begann das Umweltressort die Zusammenarbeit und Vernetzung mit verschiedenen Dienststellen anderer Ressorts, mit mehreren Hochschulinstituten sowie mit einschlägigen Organisationen und Interessenvertretungen; insbesondere mit dem Österreichischen Wasserwirtschaftsverband und dem Österreichischen Arbeitsring für Lärmbekämpfung. Die Experten waren in den Arbeitsgruppen „Luft“, „Lärm“ und „Feste Abfälle“ eingebunden. Für die Forschungskoordinationstätigkeit war ein Wissenschaftlicher Beirat eingerichtet worden, dessen Empfehlungen an das Interministerielle Komitee für Umweltschutz gingen. Nach dem Begutachtungsverfahren seitens anderer Ressorts wurden die Empfehlungen vom Umweltministerium als Entscheidungsgrundlage anderen Dienststellen zur Verfügung gestellt. Auch die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes wurde ausgebaut, vor allem mit den Vereinten Nationen (UNO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (ECE), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), den Europäischen Gemeinschaften (EG) und dem Europarat (ER). Zur UNO-Weltschutzkonferenz, die vom 5. bis 16. Juni 1972 in Stockholm stattfand, lieferte Österreich einen Umweltländerbericht. An der Vorbereitung dieser Konferenz wirkte v.a. das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten mit, und Österreich beteiligte sich aktiv an den dort getroffenen Empfehlungen und Resolutionen. Die österreichische Bundesregierung ergriff auch die Initiative und lud zur ersten Europäischen Ministerkonferenz für Umweltschutz im März 1973 ein, deren Vorbereitung das Europäische Komitee für den Naturschutz und die natürlichen Ressourcen übernahm. Auf dieser Umweltministerkonferenz wurden vier Aufgabengebiete des ER formuliert: Naturschutz, Erziehungsarbeit, Information und Kommunikation sowie nationale und internationale Rechtsfragen. Anfang der 1970er Jahre intensivierte auch die OECD ihre Arbeiten im Umweltbereich.9 Vorarbeiten gab es bereits seit einigen Jahren, 1970 wurde dann ein eigenes Umweltkomitee der OECD eingerichtet, aufgrund des Querschnittscharakters der Umweltproblematik beschäftigten sich aber auch andere Komitees wie z.B. das Industriekommitee damit. Ziel der OECD war es, die Voraussetzungen für die Formulierung der nationalen Umweltpolitik der Mitgliedstaaten zu verbessern und die Integration der Umweltpolitik in die gesamte Wirtschafts- und Sozialpolitik zu ermöglichen. Der Schwerpunkt lag hier bei der Luft- und Wasserforschung, den Chemikalien und bei der städtischen Umwelt. Mit diesen Themen befassten sich Sektorengruppen; es wurden aber auch ad hoc Arbeitsgruppen zur Untersuchung des Einflusses des Kraftfahrzeuges auf die Umwelt, zur Verschmutzung durch die Papier- und Pappeindustrie und zu Luftverunreinigung durch die Verbrennung 9
Siehe dazu Österreichisches Jahrbuch, mehrere Jahrgänge.
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flüssiger Treibstoffe eingesetzt. Bereits 1971 war ein Notifikations- und Konsultationsverfahren für chemische Substanzen mit Einfluss auf die menschliche Umwelt geschaffen worden, das den gegenseitigen Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten intensivierte. 1972 nahm Österreich auch seine Beteiligung am Programm zur Messung und Überwachung der weiträumigen Verbreitung der Luftverunreinigung und am Seen-Eutrophierungsprogramm der OECD auf. Der Ministerrat der OECD nahm 1972 eine Reihe von Leitprinzipien für die internationalen wirtschaftlichen Aspekte der Umweltpolitik an. Als zentrales Prinzip fand sich darin das Verursacherprinzip, wonach die Kosten zur Beseitigung von Umweltbeeinträchtigungen grundsätzlich nicht durch staatliche Subventionen gedeckt werden sollen, sondern vom Verursacher zu tragen sind. Desweiteren betonte die OECD die Notwendigkeit der internationalen Abstimmung eines verstärkten Umweltschutzes sowie die Verhinderung einer Diskriminierung von Importgütern aus Gründen des Umweltschutzes. 1974 wurden auf der ersten OECD-Umweltkonferenz auf Ministerebene die Leitprinzipien gebilligt und eine Erklärung über eine gemeinsame internationale Umweltpolitik angenommen. In der Energiepolitik kam es am Beginn der 1970er Jahre ebenfalls zur Internationalisierung. Die OECD beschloss im Energiekomitee ein Energieprogramm, auf dessen Grundlage allen Mitgliedstaaten ein Memorandum übersendet wurde. Im Falle Österreichs war dieses Memorandum noch sehr allgemein gehalten worden, um nicht dem geplanten Energiekonzept der Bundesregierung vorzugreifen (Österreichisches Jahrbuch 1972: 271). Im Herbst 1973 fand infolge der weitreichenden Veränderungen auf den internationalen Energiemärkten im Zuge des ersten Ölpreisschocks eine internationale Energiekonferenz in Washington statt, die sich mit den Auswirkungen dieser Entwicklung auf die weltweite Energiesituation sowie auf das internationale Handels- und Finanzsystem befasste. Eine auf der Konferenz eingerichtete Energiekoordinationsgruppe arbeitete ein „Übereinkommen über ein Internationales Energieprogramm“ aus, das auch von Österreich unterzeichnet wurde. Zur Durchführung des Übereinkommens wurde im Rahmen der OECD die Internationale Energieagentur (IEA) mit Sitz in Paris gegründet. Das in Österreich eingerichtete Nationalkomitee der Weltenergiekonferenz, die im September 1974 in Detroit abgehalten wurde, beschäftigte sich mit Fragen der rationalen Verwendung von Energie sowie mit der Wechselwirkung zwischen Energie und Umwelt. Aufgrund der mangelnden Kompetenzen des Umweltministeriums wurde überlegt, ihm eine externe Institution zur Seite zu stellen. Dazu wurde 1973 das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) unter der Leitung von Dr. Erich Schäfer geschaffen. Grundlage war ein Bundesgesetz vom 25. Januar 1973 (BGBl. 163/1973) über die Einrichtung eines Fonds „ÖBIG“. Dabei handelte es sich um eine unabhängige Institution, in deren Kuratorium die Länder vertreten waren. Das ÖBIG sollte neue Methoden zur Erfassung relevanter Daten, Planungs- und Produktionstechniken entwickeln und Kommunikations- und Kooperationsmethoden für die Gesundheitsverwaltung schaffen. Schäfer verfasste unmittelbar nach der Gründung des ÖBIG einen Artikel für die Zeitschrift „Die Industrie“, in dem er ankündigte, dass sich das ÖBIG auch um Fragen des Umweltschutzes kümmern wird. Die Reaktion darauf war ein Aufschrei der Sozialpartner, die argumentierten, dass Umweltschutz eine sozialpartnerschaftliche Angelegenheit sei und die Sozialpartner im ÖBIG nicht vertreten waren. Unter Leodolter waren die Sozialpartner dann aber über die Arbeitsgruppe „Umweltpolitik“ im Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen besonders stark eingebunden. Diese Arbeitsgruppe war im November 1973 nach Genehmigung durch den Ministerrat gegründet worden. Ihr oblag als konsultatives Organ die Auf70
gabe, alle vom BMGU herangetragenen Fragen und Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes zu behandeln, im Besonderen deren wirtschaftliche und soziale Folgen zu begutachten und an der Koordinierung von Umweltschutzmaßnahmen mitzuwirken. Der Beirat erhielt auch eine beratende Funktion bei der Mittelvergabe für die Zweckforschung. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren neben der/dem Umweltminister/in (Vorsitz) Vertreter der Wirtschaftskammer, der Vereinigung Österreichischer Industrieller, des Österreichischen Arbeiterkammertages, des Gewerkschaftsbundes, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern sowie einer repräsentativen Dachorganisation von Vereinen, die für die Verbesserung der Qualität des Lebens eintreten. Sofern in den Sitzungen Fragen behandelt wurden, die den Aufgabenbereich anderer Ressorts betrafen, wurden je nach Zuständigkeit Vertreter der Bundesministerien für Land- und Forstwirtschaft, für Handel, Gewerbe und Industrie, für Bauten und Technik sowie für Verkehr mit beratender Stimme zugezogen. 1974 hat sich Schäfer in die Arbeitsgruppe, die sich damals regelmäßig und zum Teil sehr kurzfristig getroffen hat, hineinreklamiert (Interview Schäfer 04.10.2000). Leodolter war von Anfang an starker Kritik sowohl innerhalb der eigenen Partei als auch vonseiten der Opposition und der Medien ausgesetzt. Sie war zwar bereits 25 Jahre SPÖ-Mitglied, aber bis zu ihrer Berufung als Ministerin politisch nicht aktiv gewesen. Es mangelte ihr daher aufgrund mangelnder Erfahrung und Autorität an Durchsetzungskraft, und zudem konfrontierte sie die Opposition mit dem Vorwurf der Verschwendung von Steuergeldern hinsichtlich der Auftragsvergaben. Ein Misstrauensantrag der Opposition gegen die Ministerin wurde aber von der Parlamentsmehrheit im März 1979 abgelehnt, und im Juni wurde sie neuerlich im Kabinett Kreisky IV angelobt. Im Oktober 1979 trat sie schließlich zurück, nachdem sie Kreisky öffentlich kritisiert hatte. Ihr folgte im November 1979 im Zuge einer Regierungsumbildung Dr. Herbert Salcher. Von staatlicher Seite war die Institutionalisierung als „Wendepunkt zum modernen Umweltschutz“ und als Erhebung des Umweltschutzes von einem Schlagwort zu einer Sache der Politik dargestellt worden. Dem Staat wurde zugetraut, die durch wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt verursachten Bedrohungen für Mensch und Umwelt beseitigen zu können. Zur Legitimation dieses Anspruchs behauptete der staatliche Umweltschutz zwei Aufgabenkomplexe: einerseits wolle sich der Staat auf die Sanierung bestehender Fehlentwicklungen in der Umwelt konzentrieren, andererseits sollte eine Vorbeugung vor künftigen Umweltbeeinträchtigungen geschaffen werden. Von der jungen Umweltbürokratie wurden „umfassende Umweltaktivitäten“ ins Auge gefasst, weil Maßnahmen auf Einzelgebieten als unzureichend angesehen wurden. Zuallererst sollte die Umweltsituation mittels schneller, genauer und objektiver Information systematisch erfasst werden. Das ÖBIG wurde hinsichtlich dieser Aufgabenstellung mit den Vorarbeiten für die Erstellung eines Umweltkatasters beauftragt (Drobil 1974a). Kompetenzen wurden dem neu gegründeten Bundesministerium jedoch nur wenige übertragen: Neben seiner Entscheidungskompetenz in Sachfragen des Gesundheitswesens sowie spezifischer Zuständigkeiten in Forschungsangelegenheiten betreffend den Umweltschutz wurde ihm im Bundesministeriengesetz 1973 lediglich eine Koordinierungskompetenz10 auf dem Gebiet des Umweltschutzes zugewiesen (Groiss/Welan 1976: 172). Dazu Herb Pindur, der Sektionschef für Umweltschutz im BMGU und damit „wichtigster Berater 10
Die Kompetenz zur Koordinierung umfasst nicht die Zuständigkeit zu typischer Tätigkeit nach außen (Entscheidung, Verfügung, Verordnungserlassung), sondern nur die Befugnis zu Anregungen, zur Erstattung von Empfehlungen, zur Ausarbeitung von Richtlinien zur Information, Dokumentation, Informationsbeschaffung, Kommunikationstätigkeit, Planungsunterlagen etc. (Groiss/Welan 1976: 172).
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des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz“, der „die österreichische Umweltpolitik mehr beeinflussen [konnte] als jeder andere Beamte“ (Salcher 1980): „Was vollzieht das Vollzugsorgan ‚Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz’ im Umweltschutz? Was kann es vollziehen, weil ein gesetzlicher Auftrag besteht und ihm obendrein die Zuständigkeit zur Ausführung – wieder durch Gesetz – überantwortet wurde? – Der Eingeweihte weiß es. Es gibt viele Bundesminister, die Gesetzesaufträge im Umweltschutz zu vollziehen haben. Fast alle. Nur einer kann für sich eine Ausnahme in Anspruch nehmen, der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz. Es ist keine rhetorische Überhöhung zu behaupten, dass der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz – im Gegensatz zu seinen meisten Regierungskollegen – so gut wie keine Vollziehungsaufgaben im Umweltschutz hat“ (Pindur 1980:7).
Daraus resultierte eine deutliche „Divergenz zwischen den tatsächlichen rechtlichen, wirtschaftlichen und administrativen Möglichkeiten und der gesellschaftlichen Erwartung gegenüber dem Umweltministerium“ (Leodolter 1973a: 12). Kern der Aufgaben des BMGU war die Vermittlung von Wissen. Neben internationalen Kontakten, der Dokumentation und Information sollte das Ministerium v.a. die „Zweckforschung“ koordinieren. Als Zweckforschung galten nur solche Forschungsaufträge, die als Entscheidungshilfe bei „komplexen“ Fragen des Umweltschutzes als notwendig betrachtet wurden. Das Ministerium musste zunächst „wissenschaftlich gesicherte Feststellungen“ erbringen, um ein späteres Handeln der Staatsorgane zu legitimieren (Leodolter, in: BMGU 1974). Darüber hinaus durfte das BMGU keine Forschungsförderung betreiben und Subventionen waren „auf die Förderung juristischer Personen mit gemeinnütziger Zielsetzung beschränkt, die von sich aus Umweltschutzaktionen durchführen“. Aufgrund der knappen Ressourcen war das BMGU auch gezwungen, „durch gezielte Schwerpunktförderung einen möglichst wirkungsvollen Einsatz der bescheidenen Mittel zu erreichen“ (Leodolter 1973a: 13). Die mangelhafte Ausstattung mit Kompetenzen war die Folge relativ schwacher politischer Vorgaben und eines ausgehandelten institutionellen Arrangements zwischen dem neuen Ministerium und den anderen Ressorts, bei dem sich die gefestigten, traditionellen Ressorts dank ihrer Ressourcen ihre Machtposition sichern konnten: von politischer Seite gab es zwar die Absicht, eine neue Staatsaufgabe zu begründen und institutionell zu verankern, die Bereitschaft, sich mit den bestehenden Strukturen anzulegen und Ressourcen und Kompetenzen neu zu verteilen, war allerdings nicht vorhanden (vgl. Glatz 1980: 205). Die sozialdemokratische Parteiführung bzw. die Regierung hat sich vielmehr darauf verlassen, dass sich die Ressorts untereinander einigen werden. „Ich glaube, dass ein sehr großer Wandel insoweit eingetreten ist, als früher auch häufig die Ressourcennutzung mit dem Schutz der Ressource verknüpft war. D.h. man hat sich darauf verlassen, dass eine Art interner Interessenausgleich stattfindet. Wenn man es boshaft sehen will, die Behörde war in der Situation gleichzeitig ‚Bock und Gärtner’ zu sein. [...] Also, da hat Kreisky, glaube ich, die Zeichen der Zeit erkannt, dass man den Bock nicht zum Gärtner machen soll. Er hat das nur dann nicht wirklich konsequent durchgezogen, indem er das Wasser dem Landwirtschaftsminister gelassen hat und dem Wirtschaftsminister das Industrie- und Gewerberecht“ (Interview Bobek 04.10.2000).
Die Befürworter eines starken Umweltministeriums verwiesen auf die Schweiz, die 1971 bereits eine Modifikation der Bundesverfassung vorgenommen und dem Bund Kompeten72
zen für Vorschriften zum Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt gegen schädliche oder lästige Einwirkungen zugestanden hatte, sowie auf die Bundesrepublik Deutschland, wo ein Jahr später das Grundgesetz geändert und dem Bund das Gesetzgebungsrecht über „die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung“ erteilt worden war. Beide Staaten waren aufgrund ihres Föderalismus gut geeignete Beispiele und Vorbilder für die österreichische Situation. Gerade die Schweiz als ein Modell der direkten Demokratie hatte demonstriert, dass Umweltfragen so entscheidend sind, dass dem Bund hierbei entscheidende Rechte zukommen sollen und die Bevölkerung eine solche Machtverschiebung auch toleriert und befürwortet. Doch diese Argumente zogen im österreichischen Diskurs vorerst wenig, denn das Bewusstsein, dass neben ökonomischen und sozialen Aspekten auch ökologische Überlegungen zumindest gleichrangig, wenn nicht prioritär in Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden müssen, hatte sich erst bei „einigen Einsichtigen“ (Pindur 1980: 8) durchgesetzt.
3.3.5 Der Kampf des BMGU um Kompetenzen Das BMGU entstand als „konsequente Weiterentwicklung der Ideen des Humanprogramms“ (Hingst 1973: 15). Zwar wurde dem Ministerium die Koordination von umweltrelevanten Aufgaben übertragen, ohne entsprechende gesetzliche Grundlage war es dazu allerdings nicht in der Lage. Im Mai 1972 legte das BMGU einen „Gesundheits- und Umweltschutzplan“ vor, den die ÖVP als „pompös“ ausgestattet, „aber auch nahezu das einzige Lebenszeichen dieser Regierung“ kritisierte. So sah es zumindest der damalige ÖVPUmweltsprecher Wiesinger (1974), ein Mitautor des ÖVP-Umweltprogramms. Aus Sicht des neuen Ministeriums wäre es notwendig gewesen, dem Ministerium „echte Vollzugsagenden“ zu übertragen (Heinz Schäfer nach Hingst 1973: 15). Dabei wollte freilich niemand einem „eifernden, einseitigen Umweltschutz das Wort“ reden, denn die neu geschaffene Umweltbürokratie war sich des „Kompromisscharakter[s] aller einschlägigen Überlegungen durchaus bewusst“ (Pindur 1980: 8). Es sollte jedoch ein zentraler Umweltschutzkompetenzbestand in der Verfassung verankert werden. Diesbezüglich gab es jedoch keinen Konsens. Das BMGU arbeitete bereits seit März 1972 gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt an einer Entschließung des Nationalrates, in der eine Sammlung bestehender bundes-, landes- und gemeinderechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes und eine Gegenüberstellung mit den tatsächlichen Anforderungen eines wirkungsvollen Umweltschutzes verlangt wurden. Im September 1972 wurde das Battelle-Institut in Frankfurt vom Ministerrat mit einer „Vorstudie über die Durchführung einer Untersuchung über die Belastung der Volkswirtschaft Österreichs durch Umweltschutzmaßnahmen“ betraut. Ein Team aus Ökonomen und Naturwissenschaftern dieses Instituts hatten bereits 1971 für die bundesdeutsche Regierung eine solche Studie verfasst. Eine erste Vorstudie war dann auch rasch veröffentlicht worden. Sie enthielt allerdings nur Aussagen über die Methode und zur Datensituation (Batelle Institut 1972). Damit sowie mit eindeutigen Aussagen, dass nicht beabsichtigt werde, die Wettbewerbsbedingungen zu verzerren, sowie dass internationale Regelungen und Empfehlungen berücksichtigt und eventuelle Maßnahmen durch finanzielle Förderungen abgefedert werden (BMGU 1972: 41ff.), sollten Ängste der Politikadressaten abgebaut werden. Bundesministerin Ingrid Leodolter hatte anlässlich des Österreichischen Umweltschutztages am 25. Juni 1973 die Aufnahme einer „umfassenden Bundeskompetenz zur 73
Gesetzgebung und Vollziehung im Umweltschutz“ in den Entwurf eines Umweltschutzgesetzes angekündigt. An einem ersten Entwurf war bereits mehrere Monate gearbeitet worden, bevor in die Planung der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, die sachlich interessierten und beteiligten Bundesministerien, die Länder, die Verbände der Städte und Gemeinden sowie die Interessenvertretungen eingebunden wurden. Aus der Sicht des BMGU war ein umfassendes Umweltschutzgesetz sektoralen Regelungen wie z.B. einem Luftgüte- oder Immissionsschutzgesetz vorzuziehen, da es ansonsten nur zu praktisch unvermeidbaren Diskrepanzen käme (Leodolter 1973a: 14). Der Entwurf dieses „Bundesgesetzes über den Schutz der natürlichen Umwelt des Menschen“ wurde jedoch aufgrund politischer Widerstände nicht umgesetzt (Christian/Welan 1985: 290) und landete in der Schublade, da die dafür erforderliche Kompetenzausweitung nicht zustande kam. Das BMGU, das zwar heftige Widerstände und heiße Diskussionen erwartet hatte, aber dennoch überzeugt gewesen war, die Voraussetzungen für eine zeitgemäße, richtige und wirkungsvolle Umweltpolitik schaffen zu können, erhielt lediglich die Koordinationskompetenz in Umweltangelegenheiten, die zuvor beim Bundeskanzleramt lag. In der Koalition der Gegner einer Kompetenzausweitung waren neben den Ländern, die um eine Aushöhlen der Länderkompetenzen bangten, andere Ministerien, insbesondere das Wirtschaftsministerium mit seiner starken Vetomacht, Teile der ÖVP (insb. der Wirtschaftsflügel), die Wirtschaft und insbesondere auch die Bundeswirtschaftskammer. Aufseiten der Befürworter waren neben Bundesministerin Leodolter und dem BMGU, die SPÖ, kurzfristig der ÖVP-Umweltschutzsprecher Wiesinger, der oberösterreichische Landeshauptmann Wenzl (ÖVP) und andere ÖVP-Spitzenfunktionäre, die dann aber von ihrer Parteiführung zurückgepfiffen wurden. Die Argumente beider Diskurskoalitionen sind in nachfolgender Tabelle 1 gegenübergestellt. Tabelle 1: Argumente für und wider eine Bundeskompetenz Umweltschutz Argument der Befürworter: Bei einer zwingenden sachlichen Notwendigkeit, die im Umweltschutz gegeben ist, müssen föderalistische Bedenken zurücktreten. Die Zersplitterung der Rechtsmaterie ist immer ein Signal für die Ineffektivität des Rechts. Rasches Handeln ist nur möglich, wenn es im ganzen Bundesgebiet gleiche Kriterien gibt. Wenn bei Grenz- und Schwellwerten die Grundsatzgesetzgebung dem Bund, die Durchführung den Ländern überlassen wird, dann kommt es entweder zu länderweise verschiedenen Vorschriften oder zu einer überflüssigen doppelten Gesetzgebungsarbeit, die den Ländern bloß den Nachvollzug übrig lässt. Die internationale Verantwortlichkeit spricht für eine Bundeskompetenz.
Argumente der Gegner: Die Bundeskompetenz kann zur Aushöhlung der Länderkompetenzen führen Ein genereller Ansatzpunkt ist der technischen Lösung der Umweltschutzprobleme nicht adäquat. Die Lösung ist auf einfachgesetzlicher Ebene zu suchen, neben einer verstärkten Ausnützung der Möglichkeiten, die das bestehende Recht bietet. Eine einheitliche Bundeskompetenz führt zur Durchbrechung anderer einheitlicher Kompetenzen, z.B. im Gewerberecht oder im Kraftfahrwesen. Der organisatorische Zusammenhang zwischen konkreter Verwaltungsmaterie und der die konkrete Umweltgefährdung abwehrenden Verwaltungsbehörde wird zerstört.
Quelle: nach Hingst 1973: 16.
Aufgrund der politischen Macht- und Kräfteverhältnisse war hier keine Lösung möglich. In der Frage der Bundeskompetenz Umweltschutz behielten die beiden Großparteien, die hier zwei Koalitionen repräsentierten, unterschiedliche Positionen bei. ÖVP-Umweltsprecher Wiesinger erklärte schließlich über eine Presseaussendung, „dass eine zentrale Kompetenz 74
des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung in allen Angelegenheiten des Umweltschutzes, wie dies das Gesundheitsministerium anstrebt, von der ÖVP schärfstens abgelehnt wird“ und legitimierte diese Position kurz darauf mit der angeblichen „Unvereinbarkeit mit dem föderalistischen Aufbau unseres Staates“ (zit. nach Hingst 1973: 15). Zur Untermauerung dieses Arguments wurden ÖVP-nahe Rechtsprofessoren (Klecatsky, Wimmer, Pernthaler und Morscher) mobilisiert, die eine zentrale Umweltschutzkompetenz für den Bund entschieden ablehnten, wenngleich Detailkorrekturen der Verfassung „kaum zu vermeiden“ gewesen wären. Die Frage, wie diese Detailkorrekturen aussehen sollten, ließen die Professoren unbeantwortet (Hingst 1973: 15f). Die FPÖ warf der ÖVP eine „zwiespältige“ Haltung und wahlstrategische Überlegungen vor, mittels dessen sie das Wirksamwerden des Umweltschutzes behindere (Hingst 1973: 16). Immerhin hatte die ÖVP in ihrem Plan 1 die „sinnvolle Neuordnung der Kompetenzen auf dem Gebiet des Umweltschutzes, insbesondere eine Zusammenfassung der Bundeskompetenzen“ gefordert (ÖVP 1973: 96). Eine wesentliche Frage bildete die Kostenseite des Umweltschutzes. Hier ergab sich keine Frontstellung zwischen den beiden Großparteien, sondern ein sozialpartnerschaftlicher Kompromiss. Zur Finanzierung der Kosten wurde ein Umweltausgleichsfonds vorgeschlagen, der beim BMGU eingerichtet werden sollte und an dem die Sozialpartner mitwirken sollten. Der Fonds sollte aus Abgaben für die umweltbelastende Güter gespeist werden und dazu dienen, Umweltschäden zu beheben und Prämien an jene zu zahlen, die umweltbelastende Güter umweltfreundlich produzieren oder in Umlauf bringen. Hingst (1973: 16) bewertet den entsprechenden Entwurf des BMGU als einen Versuch, „mit einem Minimum an Verwaltungsaufwand und unter Zuhilfenahme bereits bestehender Verwaltungsstrukturen in realistischer Weise das Beste zu erreichen.“ Diese Strategie habe der allgemeinen Problemwahrnehmung, dem generellen politischen Muster und der politischen Kultur gleichermaßen entsprochen: „Eine rasche Einigung im Interesse aller Staatsbürger ist dringend geboten. In Krisensituationen – und die Bedrohung der Umwelt wird zweifellos schon in naher Zukunft eine solche Situation heraufbeschwören – müssen alle staatstragenden Kräfte ohne Vorbehalte miteinander kooperieren. Diese Haltung sollte, nachdem sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg so glänzend bewährt hat, in Österreich zur Tradition werden. Wir bewegen uns ja nicht nur auf dem Sektor des Umweltschutzes schwierigen Zeiten entgegen.“
Auch Bundesministerin Leodolter (1973b: 29) rief „alle staatstragenden Kräfte“ zur Lösung der Umweltproblematik auf. Die Idee der staatstragenden Kräfte, die miteinander eng kooperieren und Konflikte in geschlossenen Netzwerken konsensual lösen und so selbst schwierigste Probleme meistern können, hatte sich sozusagen als belief system verfestigt. Bereits in der Phase der ÖVP-Alleinregierung hatte sich in die Praxis herausentwickelt, auch die nicht regierende SPÖ in Entscheidungsprozesse mit einzubinden. Dazu war die Sozialpartnerschaft der ideale und erprobte Ort. Die SPÖ-Alleinregierung nutzte ebenfalls bestehende enge Netzwerke, um Politiken umzusetzen und mögliche Widerstände abzuschwächen. Durch die Einbindung der Sozialpartner wurde garantiert, dass auf Wachstumsund Beschäftigungsziele ausreichend Rücksicht genommen und keine Maßnahme getroffen wurde, die Arbeitsplätze oder Unternehmen gefährdet hätte. Umweltpolitik war damit in die Wirtschaftspolitik, aber auch in die Beschäftigungspolitik, Finanzpolitik und andere Politiken, so integriert worden, dass die Orientierung an den Möglichkeiten der Volkswirtschaft 75
sichergestellt war und die Marktkräfte durch umweltpolitische Maßnahmen nicht gefährdet waren. Die ÖVP nutzte das neue Politikfeld dennoch auch um sich als Oppositionspartei zu profilieren. 1974 ging Wiesinger in einer Pressekonferenz mit „Drei Jahre SPÖ-Umweltpolitik“ ins Gericht. Von den Schwerpunkten sei kein einziger verwirklicht worden. Die Vorstudie über die Belastung der Volkswirtschaft durch Umweltschutzmaßnahmen sei im Sand verlaufen; an die Fortsetzung im Rahmen der Hauptstudie werde nicht gearbeitet. Das Bundesinstitut für Gesundheitswesen habe seit seiner Gründung mit 1. Januar1973 nicht mehr als eine Studie über die Müllsituation im gewerblichen Bereich zustande gebracht. Wiesinger kritisierte auch das Fehlen von Emissions- und Immissionsgrenzwerten auf Bundesebene. Zwar habe der Österreichische Arbeitsring „Empfehlungen über Lärmminderung“ erarbeitet, die von der Regierung übernommen wurden, und das BMGU brachte auch eine „Technische Anleitung zur Luftmessung“ heraus, darüber hinaus sei die Umweltpolitik allerdings in höchsten Maßen unbefriedigend. Es gebe weder Qualitätsstandards und Belastungsgrenzwerte in den Bereichen Luft-, Wasser und Lärmbekämpfung noch einen Müllbeseitigungsfonds, eine Umweltschutzeinsatzgruppe, Maßnahmen zur Herabsetzung des Verkehrslärms, eine ausreichende Koordinierung der zahlreichen Forschungsfonds zur Erreichung einer „echten Zweckforschung auf dem Gebiet des Umweltschutzes“ oder ein Bundesamt für Strahlenschutz. Statt eines „wirkungsvollen“ Umweltschutzgesetzes gäbe es nach 3 Jahren SPÖ-Regierung lediglich „10 Punkte zum Umweltschutz“ (Wiesinger 1974). Die SPÖ hingegen strich bereits die Erfolge der sozialdemokratischen Umweltpolitik hervor. In der Regierungserklärung 1975 nannte der Bundeskanzler die Gründung des BMGU, eine Förderungsaktion für Umweltmaßnahmen in der Papierindustrie, die Aufstockung der Mittel des Wasserwirtschaftsfonds sowie die Maßnahmen zur Seenreinhaltung als Erfolge sozialdemokratischer Regierungspolitik. Darüber hinaus kündigte Kreisky die Stärkung des BMGU und Maßnahmen zur Förderung umweltfreundlicher Technologien an. Die Bundeswirtschaftskammer kritisierte, Österreich hätte im Umweltschutz schon einen Schritt weiter sein können, wäre das BMGU nur bereit gewesen, mit den Sozialpartnern in dieser Frage zusammenzuarbeiten. Diese Kritik traf jedoch nicht wirklich zu. Informelle Kontakte pflegte das Umweltministerium selbstredend bereits davor mit den Sozialpartnern und auch sämtliche Politikankündigungen enthielten eine deutliche Absichtserklärung, sowohl die beteiligten öffentlichen Stellen als auch die Sozialpartner einzubeziehen. Der „beratende Dauerkontakt“ mit den Sozialpartnern wurde vom BMGU allein schon ob „der wirtschaftlichen Konsequenzen aller Umweltpolitik“ angestrebt (Leodolter 1973a: 12). Der von der Wirtschaftskammer urgierte Sozialpartnerbeirat für Umweltschutz wurde schließlich auch am 25. September 1973 vom Ministerrat als „Beirat für Umweltschutz“ institutionalisiert. Darin nahm die Wirtschaftskammer allerdings genauso wie die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern eine ablehnende Position gegen die Kompetenzausweitung des Ministeriums ein. Während die Arbeiterkammer und der ÖGB für eine Erweiterung des Aufgabenbereichs des BMGU eintraten und dem Ministerium ermöglichen wollten, generelle umweltrelevante Vorschriften (Emissionsstandards, etc.) zu erlassen, war die Wirtschaft prinzipiell gegen ein starkes Umweltministerium und die Landwirtschaft bevorzugte die Kompetenzzersplitterung zugunsten „ihres“ Landwirtschaftsministeriums. Das Ministerium sollte laut AK und ÖGB bei größeren umweltrelevanten Verfahren, insbesondere bei über Bundesländergrenzen hinauswirkenden Projekten Parteistellung mit Antrags-, Begutachtungs- und Berufungsrecht bekommen. Die BWK und die Landwirtschaftskammern hingegen forderten eine bessere Koordinierung der Forschung im Umwelt76
schutz und wirksamere Kontrollmaßnahmen. Das BMGU sollte bei der Erlassung genereller umweltrelevanter Vorschriften lediglich ein Mitspracherecht erhalten. Damit wäre bereits „eine gewisse Konzentration und Koordination des Aufgabengebietes Umweltpolitik auf Bundesebene erreicht.“ Garantiert werden sollte insbesondere eine starke Vetoposition des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1976a: 51). Die kompetenzrechtlich schwache Ausgangsposition des BMGU führte in den folgenden Jahren zu einem mühsamen Kampf um Kompetenzen. Nach dem Vorbild anderer Staaten wollte das BMGU eine einheitlichen Bundeskompetenz „Umweltschutz“ – ein eigenes Umweltschutzgesetz oder zumindest ein Immissionsschutzgesetz – erwirken, da wichtige Belange des Umweltschutzes (besonders der Immissionsschutz auf den Gebieten der Luftreinhaltung und des Lärms) von der Gesetzgebung überhaupt nicht wahrgenommen oder von den neun Landesgesetzgebern in unterschiedlicher und unbefriedigender Art und Weise behandelt wurden (Schäfer 1978: 2). So wurden mehrere Entwürfe für ein solches Umweltschutzgesetz erarbeitet, wobei inhaltlich die Erstellung von verbindlichen Emissions- und Immissionsstandards durch den Gesundheitsminister, die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Großprojekten sowie die Mitbeteiligung der betroffenen Bevölkerung bei solchen Verfahren verfolgt wurde. In einem künftigen Umweltschutzgesetz des Bundes werden zumindest folgende Regelungen vorzusehen sein: - eine bundeseinheitliche Emissionsbegrenzung - einheitliche Höchstgrenzen für Immissionen - Sofortmaßnahmen bei Umwelteinwirkungen, die eine unmittelbare Gefahr für die Umwelt darstellen - Verpflichtung zur Abgabe von Emissionserklärungen - Anlegung von Emissionskatastern - Überwachung von Emissionen und Immissionen - Umweltverträglichkeitsprüfung [...] Über das vorgetragene Mindestprogramm hinaus müsste sich die Gesetzgebung vor allem mit der Abfallbeseitigung, soweit diese nicht von den Ländern zu regeln ist, beschäftigen (Schäfer 1975: 119).
In Erwartung einer solchen Bundeskompetenz „Umweltschutz“ wurden Anfang der 1970er Jahre getroffene sektorale, d.h. auf eine Sachmaterie beschränkte, Umweltschutzmaßnahmen, in der Regel als Vorgriff auf eine künftige umfassende Umweltschutzgesetzgebung (vgl. Erläuterungen der Regierungsvorlage betreffend das Forstgesetz 197511 bzw. Novellierung Bundesstraßengesetz 197112) angesehen (Schäfer 2000: 6). Mangels politischem Willen in den Bundesländern und den anderen Bundesministerien erlangte aber keiner dieser Entwürfe für eine einheitliche Bundeskompetenz „Umweltschutz“ Gesetzeskraft. Das Politikmuster blieb daher weitgehend auf symbolische Politik oder Bezahlung bzw. Förderung durch die öffentliche Hand beschränkt (Glatz 1980: 204; Christian/Welan 1985: 290; V. Lauber 1997: 609f.). Bundesministerin Leodolter brachte in einem Artikel in der Wochenpresse vom 18. Mai 1976 ihre Frustration über die „Macht und Ohnmacht eines Ministeriums“ zum Ausdruck. Darin beschrieb sie die Ohnmacht aufgrund fehlender Kompetenzen im Bereich Umweltschutz. Gegner einer kompetenzrechtlichen Vereinheitlichung 11 12
1266 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIII GP. 1459 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIII GP.
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brachten vor, dass die geltende Kompetenzverteilung grundsätzlich eine ausreichende Basis für den Umweltschutz gebildet habe. Die Vielzahl der kompetenzrechtlichen Anknüpfungspunkte hätte einen großen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gewährleistet, der im Rahmen der geltenden Kompetenzverteilung die jeweils zweckmäßigste Lösung verwirklichen hätte können (Groiss/Welan 1976: 167). Von den Bundesländern wurden insbesondere föderalistische und rechtsstaatliche Bedenken angemeldet, welche Mitte der 1970er Jahre bereits auf fruchtbaren Boden gefallen waren: Gerade erst war man mit der Bundesverfassungsgesetznovelle (BGBl. 444/1974) dem Forderungsprogramm der Länder nach einer Stärkung des Föderalismus nachgekommen. Mit Hilfe staatsvertragsähnlicher Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern nach dem neuen Artikel 15a B-VG sollten jene Entwicklungen reguliert werden, die aufgrund ihrer Neuheit (z.B. Strahlenschutz) oder ihres Querschnittscharakters (Raumordnung oder Umweltschutz) nicht durch die „Versteinerungstheorie“ gelöst werden konnten. Auf der Suche nach Materien, die man den Ländern abgeben konnte, hatte man überdies gerade die „Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen Lärms“ zu einer Angelegenheit der örtlichen Sicherheitspolizei in der Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeit der Länder gemacht (Schäfer 2000: 6). Tatsächlich war die verfassungsmäßige Zuteilung der Umwelt-Kompetenzen auf Bund und Länder sehr unübersichtlich: Das Bundesverfassungsgesetz enthielt in den Kompetenzbestimmungen der Artikel 10–12 B-VG keinen ausdrücklichen Umweltschutztatbestand. Daraus konnte aber nicht etwa geschlossen werden, dass Umweltschutzmaßnahmen gemäß Art. 15 B-VG hinsichtlich Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fielen. Die Kompetenztatbestände der Art. 10–12 B-VG waren nach Ansicht der Juristen vielmehr darauf zu untersuchen (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Sig 2670/1954), ob und inwieweit sie, wenngleich von Umweltschutz nicht wörtlich die Rede war, begrifflich solche Maßnahmen einschlossen. Nur wenn das nicht der Fall gewesen ist, fielen Maßnahmen des Umweltschutzes, wie insbesondere die der Abfallbeseitigung, der Lärmbekämpfung und der Luftreinhaltung gemäß Art. 15 B-VG in die Zuständigkeit der Länder (Schäfer 1975: 116). Abgesehen von der Gewerbeordnung enthielten 1975 insbesondere folgende Bundesgesetze Vorschriften zum Schutz der Umwelt: Wasserrechtsgesetz 1959, Kraftfahrgesetz 1967, Straßenverkehrsordnung 1960, Luftfahrtgesetz, Bundesstraßengesetz, Strahlenschutzgesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, Mietengesetz, Wohnungseigentumgesetz, Strafgesetzbuch, Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrengesetzen. Von den Landesgesetzen, die Umweltschutzbestimmungen enthalten, sind insbesondere die Raumordnungsgesetze, die Bauordnungen, die Baulärmgesetze, die Abfallbeseitigungsgesetze, die Luftreinhaltegesetze, die Naturschutzgesetze und die Landesstraßenverwaltungsgesetze zu erwähnen (Schäfer 1975: 118). „Ein Unglück der österreichischen Umweltpolitik war es jedenfalls, durch die Grabenkämpfe des Bundes mit den Bundesländern und den Ministerien untereinander zuviel Zeit verstrichen ist und kaum inhaltliche Akzente gesetzt worden sind. Die Konzepte, die es gab, waren abstrakt, im Juristischen verhaftet und damit auch von der Öffentlichkeit schwer begreifbar. Was fehlte und fehlt sind praxisorientierte, konkrete Konzepte und ein phantasievolles Bündel von Instrumenten. Ansätze gibt es – wenn auch im Einzelfall nicht immer befriedigend“ (Glatz 1981: 28).
Dass der Widerstand der Länder seine Ursache lediglich in einem Streben nach Besitzstandswahrung hatte, wurde von Glatz (1980: 205) in Frage gestellt, da rund 80 Prozent der Umweltschutzmaßnahmen kompetenzrechtlich ohnehin dem Bund zugestanden waren. Er hielt eher einen grundsätzlichen Widerstand der mehrheitlich konservativ regierten Bundes78
länder gegen die sozialistische Bundesregierung für ausschlaggebend. In diese Kerbe schlug auch eine Aufsehen erregende Wortmeldung des damaligen Leiters des ÖBIG im Rahmen des Österreichischen Juristentages 1976: „Eine Verfassungsänderung, die einwandfreie Rechtsgrundlagen für einen modernen Umweltschutz schafft, richtet sich nicht gegen die Idee des kooperativen Bundesstaates und liegt im Interesse aller Menschen unseres Landes.13 Darf ich in diesem Zusammenhang Frau Abgeordnete Dr. Eypeltauer zitieren, die am 11. Dezember 1975 vor dem Nationalrat folgendes ausgeführt hat: Nun will ich hier vorausschicken, dass ich stets ein Vertreter des wohlverstandenen Föderalismus war und bin. Es ist aber, meine Damen und Herren, fast grotesk, wie auf diesem Gebiet ein falschverstandener Föderalismus einer bundeseinheitlichen Regelung im Wege steht, wo doch gerade auf diesem Gebiet sogar einheitliche internationale Regelungen angestrebt werden. Sowohl die Schweiz als auch die Bundesrepublik haben [...] bei ähnlich föderalistischem Aufbau, wie wir ihn in Österreich haben, vor einigen Jahren entsprechende nötige Verfassungsänderungen durchgeführt und die Kompetenz an den Gesamtstaat abgegeben. Und wer könnte der Schweiz etwa mangelnden föderativen Geist vorwerfen?“ (Erich Schäfer in: Vorstand des Österreichischen Juristentages 1976: 142 f.).
Die Struktur des österreichischen politischen Systems erforderte zunächst intensive Verhandlungen mit den Ländern. Das BMGU verfolgte dabei vergeblich die Strategie, zunächst eine Einigung über die Ziele herbeizuführen und so zu einer sinnvollen Neuordnung der Kompetenzen zu gelangen: „Wir haben uns dann mit den Landesamtsdirektoren zusammengesetzt und der Vorschlag, den wir gemacht haben, reden wir nicht darüber, wer soll zuständig sein, sondern sagen wir zuerst einmal, was ist notwendig und unterhalten uns dann darüber, wer zuständig sein soll. Das aber wurde von zwei Landesamtsdirektoren, die das natürlich nicht ganz so blauäugig gesehen haben, sofort konterkariert mit der Bemerkung: „Wir lassen uns nicht in eine Sachdiskussion ein, um dann nicht später unter Sachzwang zu stehen“. Das ist dann sehr dürftig hin- und hergegangen zwischen Bund und Ländern. Herausgekommen ist eine kleine Geburt – eine 15a Vereinbarung14 über die Begrenzung des Schwefelgehaltes im Heizöl. Das war eigentlich im Grunde eine große Verbeugung vor dem Föderalismus“ (Interview Bobek 04.10.2000).
Größeren Widerstand gegen eine kompetenzrechtliche Aufwertung des BMGU kam jedoch aus der Bundesregierung selbst. Jene Ministerien, die schon Umweltschutzkompetenzen hatten, wie z.B. das Landwirtschaftsministerium, das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie, das Verkehrsministerium, das Bautenministerium etc. wollten nicht darauf verzichten (Glatz 1980: 205; Interview Schäfer 4.10.2000). „Wir waren als damals junges Ressort Newcomer und sind auf andere Ministerien gestoßen, die schon sehr lange in ihrem Bereich Umweltschutz machten. Die sagten sich: Da kommt jetzt ein neues Ministerium, das es erstens noch nicht lange gibt, das zweitens noch nicht viele Leute hat und drittens überhaupt keine Erfahrung hat. Und die wollen uns, die wir schon jahrzehntelang das Wasserrecht vollziehen, sagen, wie wir das Wasser schützen müssen – dasselbe in anderen Bereichen. Wir waren im Konzert der Ministerien bei Gott nicht beliebt und nicht durchschlags13
Als sauberste Lösung sprach sich Schäfer für die Einfügung der Worte „Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung“ in den Kompetenzkatalog des Art. 10 B-VG aus (Erich Schäfer in: Vorstand des Österreichischen Juristentages 1976: 143). 14 Zur Diskussion über den Abschluss einer Vereinbarung nach Art. 15a-B-VG über den höchstzulässigen Schwefelgehalt im Heizöl, vgl. Entwurf eines Schreibens der Frau Bundesminister an den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, Dr. Josef Staribacher (1979), Zu Zl. 6999-36/79.
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kräftig. Wir haben zwar dann diverseste Gesetzesentwürfe gemacht voll der guten Absicht und auch der Illusion, so etwas gegenüber den Fachressorts durchsetzen zu können – Pfandregelungen für Getränkedosen, umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung etc.; es ist eben bei den Entwürfen geblieben, weil es in der rein faktischen politischen Realität nicht durchsetzbar war“ (Interview Schäfer 04.10.2000).
Umweltschutz sollte rechtlich als so genannte Querschnitts- oder Annexmaterie, also nicht als Verwaltungsangelegenheit im Zuständigkeitsbereich eines Ministeriums (sinnvollerweise des Bundesministeriums für Gesundheit und Umwelt), konzipiert bleiben (Schäfer 2000: 5). „Wenn fast die Hälfte des Staatsgebietes Waldfläche ist, wenn 85% der Land- und Forstwirtschaft gewidmet sind, ist das dafür und für die Wasserwirtschaft zuständige Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft maßgebender für den Umweltschutz als das nominell zuständige Ressort, dessen Leiter trotz der Koordinationskompetenz nie Kanzler sein kann. Aber auch die Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, für Bauten und Technik, für Verkehr, für Finanzen sind Umweltschutzminister“ (Christian/Welan 1985: 291).
Im Unterschied zu der mangelhaften Ausstattung des BMGU mit Kompetenzen, Personal und Ressourcen war die öffentliche Wahrnehmung des BMGU ein ganz andere: „So ein Ministerium für Umweltschutz hatte damals die Funktion einer riesigen Klagemauer (z.B. wurde angeregt, dass die Papiertaschentücher künftig grün sein müssten, damit es nicht auffällt, wenn sie in der freien Natur beseitigt werden). Alle Leute, die irgendwelche Anliegen hatten, kamen. Und da wir laut Ministeriengesetz ‚Bundesministerium für Umweltschutz’ heißen, müssen wir für alles zuständig sein, können daher auch alles regeln und jeden Übelstand beseitigen. Das war eine denkbar undankbare Rolle, denn für einen Gewerbe- oder Industriebetrieb ist nun einmal in erster Instanz üblicherweise die Bezirkshauptmannschaft oder Magistrat, zweite Instanz der Landeshauptmann, dritte Instanz sicher nicht wir, sondern der Wirtschaftsminister zuständig. Wir waren also ständig in der Rolle eines unbedankten Briefkastens und die Leute haben gesagt, wozu haben wir euch eigentlich, wenn ihr immer nur schreibt, dafür sind wir nicht zuständig’“ (Interview Bobek 04.10.2000).
In praktischeren Fragen hatten auch die ebenfalls Anfang der 1970er Jahre geschaffenen Länderdienststellen mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Sie mussten erst einmal bei verschiedenen Akteuren ein Problembewusstsein schaffen, dass das, was diese immer schon machten zwar legal, aber eben nicht umweltverträglich war und deswegen geändert werden musste. Insbesondere mussten die Behördenstellen immer mitbedenken, dass ihre Maßnahmen nicht die wirtschaftliche Entwicklung unnötig beeinträchtigen durften. Das Resultat bestand darin, dass sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene „weiche“ Instrumente der Aufklärungs- und Bildungsarbeit einen zentralen Stellenwert im Umweltschutz einnahmen, um das Bewusstsein und die Akzeptanz für Maßnahmen vorzubereiten. Rückblickend betrachtet hatte das BMGU in seinen ersten Jahren mit einer sehr untypischen Verwaltungsarbeit zu tun. „Ein ordentlicher Verwaltungsarbeiter hat ein Gesetz vor sich und schreibt einen Bescheid [...]. Das war es nicht: es waren eher [...] Diskussionen mit Wissenschaftern, besorgten Bürgern [...]. Also es war ein für die Verwaltung untypisches Wanderpredigerdasein, das Schreiben vollsaftiger Werbeartikel für den Umweltschutz [...]. Es war also zum Teil nicht Verwaltung, sondern der Versuch erst die Politik aufzubereiten, um dann später als Verwaltung agieren zu können“ (Interview Bobek, 4.10.2000).
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3.3.6 Umweltforschung in der ersten Periode Eine der zentralen Aufgaben am Beginn der 1970er Jahre war es, zunächst die ökologischen Versäumnisse der vorangegangenen Jahrzehnte aufzuspüren und Maßnahmen zu identifizieren, die rasch Verbesserungen bei den am meisten brennenden Problemen bringen sollten. Das 1970 eingerichtete interministerielle Komitee, das mit der Ausarbeitung eines Umweltschutzprogramms beauftragt worden war, legte 1971 seinen Bericht vor. Dabei handelte es sich um eine Bestandsaufnahme auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Damit wurden die wissenschaftlichen Kapazitäten im Umweltsektor erhoben und die Notwendigkeit festgestellt, die Umweltforschung zu koordinieren. Der Bericht zeigte, dass sich bereits eine große Zahl wissenschaftlicher Institutionen mit Umweltproblemen befasste: „Mit Fragen der Luftverunreinigung befassen sich im Augenblick 27, mit der Verunreinigung des Wassers 19 wissenschaftliche Forschungs- und Untersuchungsanstalten. Wir sind der Meinung, dass die überaus wertvolle Arbeit aller dieser Organisationen koordiniert werden muss“ (Bundeskanzler Kreisky, Regierungserklärung vom 5. November 1971, in: Österreichisches Jahrbuch 1971: 108).
Mit der Förderung von Umweltforschung wurden seitens der Politik und der Umweltbürokratie von Anfang an zwei Ziele verfolgt: zum einen sollte dadurch umfassendes, „objektives“ Wissen als Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen geschaffen werden; zum anderen ging es dabei immer auch um die Schaffung eines Bewusstseins, dass diese Maßnahmen tatsächlich notwendig und möglich sind, ohne den bisherigen Wachstumspfad zu verlassen und Wohlstand einzubüßen. Zur Präzisierung des Forschungsbedarfs wurden in- und ausländische Experten konsultiert. Die Fernerkundung wurde schließlich als die geeignetste Methode für die Umweltbestandsaufnahme gewählt, und bestehende Ansätze auf diesem Gebiet wurden geprüft, inwieweit sie bei der Erfassung von Umweltinformationen eingesetzt werden können. Das Bundesinstitut für Gesundheitswesen befand schließlich dieses System als geeignetes und brauchbares Instrument der Umweltbestandsaufnahme, dass sehr rasch und präzise eine genaue Darstellung der Umweltsituation erlaube (Drobil 1974a). „Die systematische Fortführung dieser Bestandsaufnahme aus der Luft wird eine weitere Präzisierung und Vertiefung der Methodik sowie der praktischen Ergebnisse bringen. Die immer genauer erfassten Umweltdaten werden es ermöglichen, die Wahrscheinlichkeit von Irrtümern und Fehleinschätzungen der wirklichen Umweltsituation wesentlich herabzusetzen. Die genaue Dokumentierung eines wesentlichen Teiles der Umweltbelastung wird auch eine bessere Wahl der optimalen Maßnahmenvariante erleichtern, was u.a. zu einer erheblichen Kostensenkung für die Behebung beziehungsweise Milderung von Umweltbelastungen führen wird“ (Drobil 1974a).
Diese Wahrnehmung des Forschungsstandes und seiner künftigen Entwicklung entsprach durchaus dem damals dominanten Bild von wissenschaftlichem Fortschritt. Wissenschaftlich exaktes Wissen sollte die Maßnahmenwahl optimieren. Dass man damit eine Methode wählte, die größerer Anstrengungen bedurfte, war man sich seitens der Umweltbürokratie bewusst. Das Bundesinstitut für Gesundheitswesen stoße mit dieser Aufgabe an personelle und finanzielle Grenzen, so dass künftig Experten und Institutionen aus Wissenschaft und Praxis gewonnen werden müssten, der Zielsetzung näher zu kommen. Schon in die ersten
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Arbeiten waren verschiedene Universitätsinstitute eingebunden worden, u.a. auch der Universität München (Drobil 1974a). Zur Auswahl von Forschungsprojekten wurde ein interdisziplinär zusammengesetzter Wissenschaftlicher Beirat eingerichtet. „Analog dem Obersten Sanitätsrat“ sollte „dieses Spitzengremium der einschlägigen Wissenschafter dem Ressort immer zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, einwandfrei gesicherte Entscheidungsgrundlagen zu schaffen, eine ausgewogene Beachtung multidisziplinärer Effekte zu garantieren und eine Plattform zur gemeinsamen Aussage der wissenschaftlichen Teilbereiche zu bilden“ (Leodolter 1973a: 12). Ziel des Forschungskonzepts des BMGU war es, durch die gezielte Vergabe von Forschungsaufträgen und Forschungsförderungsmitteln die faktische Umweltsituation zu erfassen. Dabei war auf „sozio-ökonomische Interdependenzen“ Rücksicht zu nehmen (Österreichisches Jahrbuch 1974: 201). Forschungsaufträge gingen insbesondere an das ÖBIG. Die Schwerpunkte lagen beim Umweltschutzrecht, im Abfallbereich, bei den Wechselwirkungen zwischen Umwelthygiene und Raumplanung, dem Aufbau eines Umweltkatasters sowie bei Untersuchungen zu Antibiotika im Fleisch, Quecksilberbelastungen, Blei und Cadmium in Lebensmitteln etc. In der Stadt Salzburg wurden 1973 im zuständigen Ressort Arbeiten zur Erfassung der gesamten Umweltsituation in der Stadt Salzburg in Angriff genommen. Dazu sollten vor allem bestehende und geplante Vorhaben koordiniert werden. Das Ergebnis war als „Grundlage für alle zukünftigen Umweltschutzmaßnahmen“ gedacht und sollte alle „entwicklungsentscheidenden kommunalen Aktivitäten“ beeinflussen. „Eine ‚Magna Charta Salisburgensis’ für eine bessere, die Zukunft Salzburgs sichernde Umwelt war demnach das Ziel.“15 Aufbauend auf diese Vorarbeit legten 1975 Wissenschafter aus Graz, Salzburg, Wien und Würzburg unter der Leitung von Professor Eberhard Stüber, dem Präsidenten des Österreichischen Naturschutzbundes, ein umfangreiches Gutachten über die Umweltsituation in der Stadt Salzburg vor (Stüber 1975). Untersucht wurden die Lärmbelastung und -entwicklung, die Luftgüte, Gewässer, der Baumbestand und dessen Gesundheitszustand, die Vogelwelt, die Moore, die Naturschutzplanung sowie die Wanderwegsplanung in den Naherholungsräumen. Für besonders bedenklich hielten die Autoren den Lärm an den Hauptverkehrsstraßen und die hohe Schwefeldioxyd- und Staubkonzentration in der Luft. Neben der Problemidentifikation zeigte die Studie eine Reihe von „realistischen Verbesserungsvorschlägen, die bei gutem Willen entweder sofort oder in Etappen verwirklicht werden könnten“ (ib.: 300). Im Bereich der Luftschadstoffe wurde z.B. ein Schwerpunkt auf die Reduktion der Emissionen durch den Straßenverkehr gerichtet. Die Luftgüte sollte durch Bepflanzungen und durch Maßnahmen zur Verringerung von Staubemissionen (z.B. Umstellung von festen auf flüssige oder gasförmige Brennstoffe, optimale Einstellung der Brenner, Fernheizwerke) verbessert werden. Im Bereich des Gewässerschutzes sollten die Kanalisation vorangetrieben und für die Salzach Untersuchungen auf Belastungen durch Schwermetalle durchgeführt werden. Radikale Forderungen waren in dieser Studie keine enthalten. Als Ziel formulierte Stüber die Erhaltung des typischen, natürlichen Gepräges der Stadt in seiner Ursprünglichkeit (ib.: 11). Die Studie hatte keine geringe politische Bedeutung, und zwar über Salzburg hinaus. Stüber war eine öffentliche Persönlichkeit, fachlich kompetent und international angesehen. Er verfügte über die notwendigen Kontakte zu auswärtigen Forschungsinstituten und Forschern. Das BMGU finanzierte die Veröffentlichung der Studie in Buchform, um, wie die Bundesministerin für Gesundheit und Umweltschutz Dr. Ingrid Leodolter in ihrem Geleit15
Vgl. Bürgermeisterstellvertreter Dr. Franz Kläring im Vorwort des Ressortführers zur Studie Stüber 1975.
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wort hoffte, „Anstöße für ähnliche Untersuchungen in anderen Gebieten Österreichs“ zu geben. Die Arbeitsschwerpunkte der nächsten Jahre, nicht nur der Stadt Salzburg, waren damit formuliert. Als eine andere zentrale Studie der 1970er Jahre kann die Publikation des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen über „Probleme der Umweltpolitik in Österreich“ (1976) betrachtet werden. Neben einer knappen Bestandsaufnahme der Umweltprobleme und bisheriger Sanierungs- und Vorbeugungsmaßnahmen wurden darin die Instrumente der Umweltpolitik und Aktionsprioritäten bestimmt. Die Studie konzentrierte sich auf SO2, auf Staub, auf Grenzwerte der World Health Organisation (WHO) für Luftverunreinigungen, auf Lärm sowie auf Wasser und Müll. Insgesamt ist diese Studie ein typisches Dokument der damaligen österreichischen Umweltpolitik. Gefordert wurde eine Umweltpolitik, die weiterhin auf wirtschaftliche Umstände und Tatsachen Rücksicht nimmt und Maßnahmen auf das Mögliche im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel beschränkt (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1976: 16). Um geeignete Umweltschutzmaßnahmen treffen zu können, sollten zunächst das Ausmaß der Umweltbeeinträchtigungen ermittelt und dann Grenzwerte für die Belastung der einzelnen Umweltmedien festgesetzt werden. Der Staat sollte insbesondere das Einhalten der als notwendig erachteten Mindestwerte überwachen. Forschung und Entwicklung wurde v.a. für die Suche nach brauchbaren Lösungen im Bereich technologischer Umweltschutzmaßnahmen eingefordert. Die öffentliche Hand sollte insbesondere bei dringenden Problemen Forschungsaufträge vergeben, um den Entwicklungsprozess zu beschleunigen. Von Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen wie z.B. dem Umbau von nicht umweltkonformen Anlagen, dem Einbau von Filtern, Lärmdämmungen u.ä., die Umstellung auf andere Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die Anwendung emissionsarmer technischer Verfahren wurde nicht erwartet, dass sie den Verbrauch natürlicher Hilfsquellen beeinflussen. Umgekehrt sah man die technischen Möglichkeiten für das Recycling als nahezu unbeschränkt an, wenngleich nicht alle Verfahren ökologisch und ökonomisch sinnvoll betrachtet wurden (ib.: 27). Hinsichtlich der Abfallproblematik auf Unternehmensseite wurde v.a. auf Abfallbörsen gesetzt, die bei den einzelnen Handelskammern der Bundesländer sowie auf Bundesebene für Kunststoffe, Papier, Textilien, Chemie und Altöl eingerichtet worden waren. Ziel war hier der Übergang der konventionellen Abfallbeseitigung zur Abfallverwertung. Hinsichtlich der Implementation des Verursacherprinzips wurde insbesondere auf die OECD-Vorgabe verwiesen. Die Autoren der Studie gingen auch davon aus, dass die völlige Vermeidung von Umweltbelastungen aus technischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen praktisch undurchführbar ist (ib.: 31f). Umweltpolitik wurde generell im allgemeinen Rahmen der Wirtschaftspolitik angesiedelt. Sie müsse auf eventuelle Wettbewerbsverluste bestimmter Betriebe oder Wirtschaftszweige Rücksicht nehmen. Umweltschützende Maßnahmen sollten daher auch im internationalen Gleichschritt verwirklicht werden, um Wettbewerbsverzerrungen der österreichischen Wirtschaft zu vermeiden. Darüber hinaus habe sich Umweltpolitik an folgenden Gesichtspunkten zu orientieren (ib.: 33): -
Von der Dringlichkeit der Umstellung, vom Stand der Entwicklung der Technik, von den finanziellen Möglichkeiten sowohl desjenigen, der die Umstellung durchführt, wie von jenen der gesamten Volkswirtschaft, von der durch Standards (Grenz- und Schwellwerte) ausgedrückten Umweltqualität,
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von regionalen, branchenmäßigen und brancheninternen Staffelungen, die sich wiederum aus dem gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang ergeben, von den zur Verfügung stehenden Kapazitäten, insbesondere im Bauwesen und im Maschinen- und Anlagenbau, sowie von den Möglichkeiten zur Erweiterung dieser Kapazitäten, von den sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen.
Umweltpolitik müsse aber auch auf den Entwicklungsstand der Regionen und auf branchenspezifische Probleme konjunktureller und struktureller Art Rücksicht nehmen und dürfe keinesfalls die Vollbeschäftigung beeinträchtigen (ib.: 34). 1976 erschien auch die Beiratsstudie über „Qualitative Aspekte der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung“, in der ausgehend von der internationalen Expertendiskussion in der OECD und den Vereinten Nationen neue Wohlfahrtsindikatoren vorgestellt wurden. Darin wurde u.a. vorgeschlagen, die materielle Wohlfahrt wie sie in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung dargestellt wurde, durch Indikatoren für Gesundheit, Bildung, Einkommen, Verbrauch und Vermögen, Arbeit, Freizeit und auch für Umwelt zu modifizieren. Seit damals wird im umweltpolitischen Diskurs gefordert, dass solche Informationen neben ökonomischen Daten in der öffentlichen Diskussion eine größere Rolle spielen sollten, und in Fachkreisen auf internationaler und zunehmend europäischer Ebene diskutiert, wie dies am besten erfolgen könnte. Einige Autoren von Hintergrundstudien zu dieser Beiratsstudie spielten auch eine wichtige Rolle in der Diskussion über die Ökologisierung der VGR bzw. über die Implementierung von Materialflussrechnungen in den 1990er Jahren (Franz, Fischer-Kowalski). Neben diesen hier genannten Studien war die Umweltbürokratie in weiten Teilen von Informationen der Industrie abhängig, die ihr Wissen generell zurückhielt, um strenge Regulierungen zu vermeiden. Dass die Bürokratie in den Verhandlungen mit der Industrie über keinerlei eigene, unabhängige Untersuchungen verfügte, schwächte die Verwaltung entscheidend. Eine Verbesserung wurde hier erst in der zweiten Hälfte der 1980er Jahren erzielt. In den 1970er Jahren jedenfalls verhinderte das Verhalten der Wirtschaft auch den Erfolg von Studien. Die Arbeit des Battelle-Institutes beispielsweise, die wir bereits angeführt haben und bei der die ÖVP kritisierte, dass es keinen Abschluss gab, stieß auf solche Probleme: „Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung der Hauptuntersuchung ist jedoch eine Kooperationsbereitschaft aller beteiligten Stellen. […] Wir schlagen daher vor, zu Beginn der Hauptstudie in einem Kolloquium mit Vertretern aus Wissenschaft, Industrie, Behörden und Ministerien das Vorgehen bei der Studie zu erläutern und um Mitarbeit bei konkreten Punkten zu bitten. Dabei sollte eindeutig herausgestellt werden, dass zum Beispiel Informationen über die Umweltbelastung durch die Industrie allein zur Ermittlung der daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Belastung, nicht jedoch zu propagandistischen Zwecken gegen diese Industrie verwendet werden. Dieses Zugeständnis scheint um so notwendiger, da es in Österreich in einzelnen Branchen oft nur wenige Betriebe gibt, so dass die Anonymität nur schwer zu wahren ist. Daneben müsste durch eine Abstimmung des Zeitplans gewährleistet sein, dass die von den beteiligten Stellen zu erbringenden Informationen in der Untersuchung auch tatsächlich berücksichtigt werden können. Nach Auskunft der Gesprächspartner ist gegen beide Grundsätze gerade auf dem Umweltsektor in der Vergangenheit verstoßen und die Kooperationsbereitschaft dadurch verringert worden“ (Battelle-Institut 1972: 306).
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3.3.7 Wachsender politischer Druck von unten Bis 1970 gab es in Österreich „so gut wie keine Umweltbewegung“ (Schwendter 1996: 34). Für die Studentenbewegung hatten Umweltfragen „nur eine außerordentlich geringfügige Rolle“ gespielt. Die Gründung von internationalen Organisationen wie Friends of the Earth oder Greenpeace ging an Österreich vorerst spurlos vorbei. Aber regionale und lokale Missstände und Skandale führten zum Entstehen von zahlreichen lokalen oder regionalen Bürgerinitiativen, so genannter grass roots, die in ihrer Zusammensetzung relativ breite Bündnisse waren: „Wenn Dieter Rucht bei seiner [...] Analyse der Umweltbewegung(en) von einer strukturellen Zweiteilung in ‚traditionelle Umweltschutzorganisationen’ und ‚Politische Ökologie’ ausgeht, lässt sich für Österreich die Aussage machen, dass die ‚Politische Ökologie’, und sei es als Gruppenvernetzung erst in diesen Jahren entstand. Da es hier vor allem um Sachfragen ging, konnten in ein und derselben Bürgerinitiative Vertreter beider Positionen enthalten sein. In den frühen Siebzigerjahren waren, ideell, die ‚traditionellen Umweltschutzorganisationen’ vor allem durch die Stockholmer Umweltkonferenz beeinflusst, die ‚Politische Ökologie’ durch den Bericht von Dennis und Donella Meadows an den Club of Rome. […] Beides erfolgte 1972 – und hatte, nebst einer Vielzahl von anderer Literatur, wie Erfahrungen, stark mobilisierende Wirkungen“ (Schwendter 1996: 35).
Im Rahmen von Bürgerinitiativen bildeten sich Diskurskoalitionen, wobei sich mitunter auch prominente Vertreter aus der ÖVP, SPÖ oder FPÖ Protesten anschlossen. Die Teilnehmer in Bürgerinitiativen mussten also kein belief system teilen oder sich in die klassische links-rechts-Teilung einpassen, es genügte, wenn sie sich, aus welchen Gründen auch immer, in der Zielsetzung, ein bestimmtes Vorhaben zu verhindern und abzuwehren, trafen. Hinsichtlich der Aktivierung und Bündelung unterschiedlichster Interessen hatten die Medien von Anbeginn eine wichtige Rolle. Wolfgang Hingst (1973: 15) sieht überhaupt für das Entstehen eines breiten, allgemeinen Konsenses zur Schaffung eines Politikfelds Umweltschutz eine massive Kampagne der Massenmedien über mehr als ein Jahrzehnt verantwortlich. Aufgrund der institutionellen und politischen Veränderungen war es nicht oder nur zum Teil gelungen, Protestformen wie z.B. die Bürgerinitiativen in das etablierte politische System einzubinden bzw. zu überzeugen, dass die Politik die anstehenden Probleme angemessen lösen könnte. Die Missstände blieben zum Teil eklatant, Behörden untätig, und die Politik zeigte sich oftmals von ihrer verfilztesten Seite. Als Reaktion auf die symbolische Politik der etablierten Akteure und das Zuwenig- oder Nichthandeln der zuständigen Instanzen überlegten lokale und regionale Bürgerinitiativen ab Mitte der 1970er Jahre, ihren Forderungen durch Wahlboykotte oder eigene Kandidatur bei Wahlen zum Durchbruch zu verhelfen, wobei sie aufgrund ihrer Strukturen von sehr geringen Ressourcen ausgehen mussten. Umweltschutz war mehr und mehr zu einem öffentlichen Thema und Kampfboden geworden, der polarisierte und heftige Emotionen hervorrief. Mitte der 1970er Jahre forcierten die traditionellen Naturschutzorganisationen ihre Öffentlichkeitsarbeit und organisierten Ausstellungen zum Thema Umweltzerstörung. Ziel solcher Aktivitäten war es, das Umweltbewusstsein der Bevölkerung zu heben – eine Aufgabe, die von Anfang an auch im amtlichen Umweltschutz eine hohe Priorität hatte. Auch Umweltschutzkongresse fanden statt. Konkrete, also technisch, finanziell und zeitlich rasch umsetzbare Maßnahmen standen dabei im Vordergrund. Themen solcher Veranstaltungen waren z.B. Umweltschutzge85
setzgebung, Trinkwasserreserven, Atomkraftwerksplanung, Abwässer und Müllbeseitigung. Gleichzeitig entstanden allerorts Bürgerinitiativen, Basisgruppen und Bürgerbewegungen, denen die Veränderungen des politischen Systems viel zu langsam gingen und die weitreichendere und radikalere Maßnahmen forderten. Gegenüber dem wachsenden Druck der Öffentlichkeit und der Medien sahen sich Politiker zu Versprechungen gezwungen, den Forderungen von Bürgerinitiativen entgegenzukommen; zu einer ernsthaften Befassung mit den Anliegen der Bürgerinitiativen konnten die politischen Gremien jedoch nicht gezwungen werden. Die Einbindung blieb ein strategischer Versuch, die Emotionen zu beruhigen und Proteste zu kanalisieren. Denn ein emotional aufgeheizter Diskurs wurde als große Gefahr gesehen, die zu einer „gesellschaftsgefährdenden Form von »Glaubenskriegen«“ führen könnte (Salcher 1980a: 323). In den Bundesländern waren anlassbezogen mehrere Bürgerinitiativen entstanden, die sich im Bereich des Landschafts- und Grünlandschutzes sowie der Verkehrsplanung engagierten. Zu besonders heftigen Konflikten kam es im Bereich der Erhaltung des Grünlandes sowie des Natur- und Landschaftsschutzes. Die kritisierten Missstände waren teils so gravierend, dass die Bürgerinitiativen als breite Diskurskoalitionen rasch zu einer ernsthaften sozialen Kraft heranwuchsen. Infolge des Mahnrufs „Stadt ohne Landschaft“ von Professor Hans Sedlmayr, dem „Spiritus rector aller Salzburger Bürgerinitiativen“, war mit „Schützt Salzburgs Landschaft“ in einer Stadt mit besonders ausgeprägter Bodenspekulation und politischer Packelei die erste größere Bürgerinitiative Österreichs entstanden (Ziesel 1984: 168). Von den etablierten Parteien wurden die neuen Mobilisierung-, Organisations- und Aktionsformen zunehmend als Bedrohung ihrer Macht wahrgenommen. Soweit möglich wurden die Initiativen daher politisch ignoriert; gelang dies nicht, dann schwankten die Parteien zwischen Anbiederung und Bekämpfung; dem „Terror einer Minderheit“, die der Politik ihre legitime Rolle streitig machen wollte, sollte jedenfalls nicht nachgegeben werden. Trotzdem konnten sich Bürgerinitiativen, teils dank der Unterstützung der großen Printmedien, gegen verschiedene Großprojekte durchsetzen (Dachs 1983: 313). Mitunter schlossen sich auch Stadt- und Gemeinderäte von SPÖ, ÖVP und FPÖ einzelnen Protesten an und trugen zu Teilerfolgen bei. Generell zeigte sich jedoch, dass die Parteien besonders dann bereit waren, Proteste zu unterstützen oder zumindest zu dulden, „wenn diese Initiativen vorwiegend in die Herrschaftssphäre des politischen Gegners hineinwirken“ (E. Kreisky 1980: 41). 1972 wandte sich die Bürgerinitiative „Schützt Salzburgs Landschaft“ mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit und forderte Gemeinderat und Bürgermeister auf, von der geplanten Verbauung entlang der Hellbrunner Allee Abstand zu nehmen. Nach heftigen Protesten der Bürgerinitiativen, der Naturschutzorganisationen und der wachsenden Ablehnung der Öffentlichkeit rückten die Gemeinderatsfraktionen vom Projekt der Verbauung von Salzburg-Süd und von bereits gefassten Beschlüssen ab. Der Erfolg der Bürgerinitiative hatte österreichweit Bedeutung, denn er lehrte, dass Neue Soziale Bewegungen zu einem einflussreichen politischen Faktor werden können, und ließ bundesweit weitere Bürgerinitiativen entstehen (Gottweis). Um 1970 entstand in Graz eine anfangs von Anrainern getragene und dann breiter werdende Bürgerinitiative gegen eine geplante Stadttrasse der Pyhrnautobahn, die den Grazer Stadtsenat zur Änderung der bereits gefassten Beschlüsse zwingen konnte. Graz wurde in der Folge immer mehr zum Zentrum der Alternativbewegung. In Wien bildete sich eine Bürgerinitiative gegen die Verlängerung der Westautobahn in die Innenstadt, die es schließlich 1976 durch eine Volksbefragung schaffte, das Bauvorhaben 86
der Stadt zu stoppen. Konflikte solcher Art und Proteste gegen Großbauten gab es zahlreiche in dieser Periode. Einen ersten Höhepunkt erlebte die entstehende und noch hochheterogene Grünbewegung durch den Zusammenschluss zur Anti-Atomkraft-Bewegung, die sich gegen das nach der Energiekrise der frühen 1970er Jahre geplante Ausbauprogramm von Kernkraftwerken richtete. Zunächst formierte sich Widerstand gegen das grenznahe Schweizer AKW Rüthi. Hier hatten vor allem Naturschutzverbände unterstützt von Medien eine breite Mobilisierung der Öffentlichkeit erreicht. Der Widerstand gegen das AKW in Zwentendorf war zunächst nur von einem kleinen Kreis von Aktivisten getragen. Doch mit der Energiekrise 1973 und die damit verbundene Politisierung des Energiesektors sowie mit dem Plan, in St. Pantaleon bei Enns an der Donau ein zweites Kernkraftwerk zu bauen, erlangte die Kernenergiekontroverse eine nationale Dimension, die der es der Anti-Atomkraft-Bewegung ermöglichte, sich einheitlich zu organisieren und breitere Bevölkerungsschichten zu mobilisieren. Die Kernenergiebefürworter zunächst bestehend aus den beiden großen Parteien, den Sozialpartnern, Teilen der E-Wirtschaft und der Industrie blieben davon vorerst unbeeindruckt und hielten an ihrem Projekten fest. Die SPÖ legte sich dennoch auf einen nationalen Konsens fest, der durch eine parlamentarische Entscheidung im Nationalrat abgesegnet werden sollte. Bundeskanzler Kreisky initiierte schließlich im Anschluss an die Nationalratswahlen 1975 bundesweit Veranstaltungen der Bundesregierung, die als Informationskonferenzen über die Nutzung der Atomenergie angekündigt worden waren und die Bevölkerung rational aufklären sollten. Begleitet waren diese Veranstaltungen von Protesten der Gegner der Atomkraftnutzung, die damit ihre ablehnende Haltung demonstrierten und eine direkte persönliche Stellungnahme des „Volksvertreters“ Kreisky zu ihren Forderungen einforderten. Kreisky lehnte allerdings eine Diskussion mit den „Lausbuben“ und deren „terroristischen Methoden“ ab.16 Nachdem bereits die erste „Aufklärungsveranstaltung“ der Bundesregierung von der Presse als Fiasko der AKW-Befürworter bewertet worden war und die zweite dadurch gekennzeichnet war, dass die Veranstalter auf Fragen und Forderungen aus dem Publikum nicht eingingen, setzten die Politiker auf Diskussionsverweigerung und Ausschluss der Öffentlichkeit. Die letzte dieser Veranstaltungen musste dann sogar unter dem Vorwand, dass Tätlichkeiten durch Demonstranten zu befürchten seien, abgesagt werden. Durch diese „Emotionalisierung“ der Auseinandersetzungen waren die konsensorientierten Politiker, die es gewohnt waren als Volksvertreter in geschlossenen Netzwerken die Politik zu „machen“, zutiefst verunsichert worden. Dass die Energiepolitik dermaßen und über traditionelle Partei- und Lagergrenzen hinweg politisiert werden könnte, hatten die etablierten Entscheidungsträger nicht erwartet. Zwentendorf war das zentrale Konfliktthema auf nationaler und regionaler Ebene geworden: „Zwentendorf“, schreibt Heinz Fischer in seinem Buch über die Kreisky Jahre (1993: 155), „war ein Musterbeispiel dafür, wie schwer sich Politik, Parlament und Verwaltung dann tun, wenn das Phänomen eines so genannten Paradigmenwechsels vorliegt.“ Christian Schaller (1987: 146) präzisiert diesen Konflikt so: „Sowohl das Wachstumsparadigma als auch die Sozial- und Umweltverträglichkeit eines […] wichtigsten Trägers [des Energiesektors], der Kernenergie, wurden in Frage gestellt“. Hierauf konzentrierte sich die Umweltbewegung und erhielt aus politischen Gründen Unterstützung von bedeutenden Teilen der ÖVP, die zwar 1969 in ihrem Energiekonzept die Weichen für den Bau von Atomkraftwerken gesetzt hatte und prinzipiell auch 16
http://www.unet.univie.ac.at/~a9406114/aai/zwentendorf/austellung/aai-04.html.
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für die friedliche Nutzung der Atomenergie eintrat, nun jedoch eine Chance erkannte, die sozialdemokratische Regierung, die die Errichtung von drei Atomkraftwerken geplant hatte, massiv unter Druck zu setzen. Daher bezog die ÖVP die Position „ja, aber“, wobei das „aber“ für unerfüllbare Bedingungen stand. Der Wirtschaft und Kreisky war dieser Positionswechsel der ÖVP gar nicht recht. Der Bundeskanzler, der insgesamt in der Kernenergiefrage unsicher vorgegangen war und damit im Vergleich zu seinem sonstigen Agieren Nervosität und Unsicherheit signalisiert hatte, versuchte nun die ÖVP wieder in das Boot der Befürworter zu bringen. Denn zum einen betrachtete er das Verhalten der ÖVP als „Kindesweglegung“, zum anderen zog er die Lehren aus der schwedischen Entwicklung. Dort hatten 1976 die bürgerlichen Parteien Olof Palme über die Frage der Nutzung der Kernenergie stolpern lassen und durch dieses neue Thema 44 Jahre sozialdemokratische Herrschaft beendet,17 was Kreisky besonders vorsichtig gemacht hatte: „Er wollte keine politische Verbindung zwischen Regierung bzw. SPÖ und Kernenergie und ‚warnte’ uns immer vor den (politischen) Gefahren auf diesem Gebiet“ (Fischer 1993: 159). Im Energieplan 1976 der Bundesregierung war die Inbetriebnahme von drei Atomkraftwerken bis 1990 vorgesehen. Mit seinen vergeblichen Versuchen, die ÖVP dazu zu bewegen, im Parlament Mitverantwortung für Zwentendorf zu übernehmen, lenkte Kreisky nun jedoch nur die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit umso mehr auf dieses Thema. Insgesamt handelte es sich bei der Anti-AKW-Bewegung um eine breite Diskurskoalition. Innerhalb der SPÖ gab es mit den „Sozialisten für alternative Energiepolitik“ eine Opposition zum Regierungskurs. Darüber hinaus formierten sich mit den „Gewerkschaftern gegen Atomenergie“ und den „Unternehmern gegen Atomenergie“ Teile bedeutender Großorganisationen. Neben der ÖVP bildeten die FPÖ, autonomistische und anarchistische Gruppierungen, eine Vielzahl lokaler und regionaler Bürgerinitiativen, Bürgermeister, Künstler, konservativ-fundamentale Lebenschützer, Gruppen mit rechtsextremer Randlage wie der Weltbund zum Schutze des Lebens, Rechtsradikale, Katholiken, Trotzkisten, Maoisten und Feministinnen Teile dieser heterogenen Koalition, deren Minimalkonsens die Verhinderung Zwentendorfs war. In der medialen Berichterstattung waren insbesondere die Initiative Österreichischer Atomkraftwerksgegner, der Weltbund zum Schutz des Lebens, die Sozialisten gegen Atomkraftwerke, die Katastrophenhilfe österreichischer Frauen und die Gewerkschafter gegen Atomkraftwerke präsent (Fabris 1980: 78). Auf der Befürworterseite wiederum stand eine nicht weniger heterogene Koalition bestehend aus der Mehrheit der SPÖ, den Sozialpartnern, den Industrieflügeln aller drei Parteien, Teilen der Energiewirtschaft und der Industrie, Printmedien wie die liberalkonservative, wirtschaftsnahe „Die Presse“ oder der „Express“18, einzelnen Unternehmen wie z.B. dem Siemens-Konzern sowie aus den „produktivkraftorientierten“ Teile der Linken und der KPÖ.19
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Die liberal-konservative Regierungskoalition, die 1976 in Schweden an die Macht gelangte, bestand allerdings aus drei Parteien, wobei eine – die Moderate Partei – für die Nutzung der Kernenergie eintrat. Dies führte schließlich auch zu deren Scheitern zwei Jahre später. 18 Der „Express“ war eine ursprünglich „parteiunabhängige“ Wiener Boulevardzeitung, gegründet 1959, die dann ab 1960 im Besitz der SPÖ war und 1971 von K. Falk und H. Dichand übernommen und mit deren „Neuen Kronen Zeitung“ zusammengelegt wurde. Die Kronen Zeitung ist seit 1968 die größte österreichische Tageszeitung und erreicht rund 40 Prozent der lesefähigen Bevölkerung. 19 In der KPÖ verhinderte allein schon die Rücksichtnahme auf die sowjetischen Atomkraftwerke eine Intervention in die Anti-AKW-Bewegung. Hinsichtlich der Volksabstimmung über Zwentendorf gab die KP-Führung jedoch keine Empfehlung ab, wie die Mitglieder abzustimmen hätten.
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Auf beiden Konfliktseiten wurden international anerkannte Wissenschafter aufgeboten, um die jeweilige Position zu stärken. Am 30. April 1977 fand als Gegenveranstaltung zu der am 2. Mai beginnenden internationalen Konferenz der Atomenergiekommission in Salzburg eine Anti-Atom-Konferenz statt. Auf dieser Veranstaltung, an der ca. 100 Wissenschafter aus zwanzig Ländern teilnahmen, sprach u.a. der international anerkannte Zukunftsforscher Robert Jungk über die Gefahren eines Atomstaates. Jungk hatte damals mehrere themenbezogene Bücher und Artikel geschrieben, die in großer Auflage erschienen waren. Am Kernenergie-Kongress der Atomlobby hatten rund 2000 Wissenschafter, Politiker und Firmenvertreter aus 60 Ländern teilgenommen. Hier standen sich zwei miteinander unvereinbare Technik- und Risikoparadigmen gegenüber, wobei die Motive der einzelnen Akteure mitunter sehr unterschiedlich waren. Während die Gegner in dieser Technologie eine Bedrohung der gesamten Menschheit und z.T. auch der Demokratie (Atomstaat) befürchteten, sahen die Befürworter darin die sauberste Form der Energiegewinnung. Die Kernenergiekontroverse hatte damit zwei konkurrierende breit zusammengesetzte Diskurskoalitionen geschaffen, die um eine Mehrheit in der Bevölkerung kämpften, wobei sich der Versuch der Kernenergiebefürworter, eine längst getroffene Entscheidung für das Atomprogramm nachträglich wissenschaftlich zu legitimieren, als schädlich erwies (Schaller 1987: 147). Infolge der Erstellung des Energiekonzepts der Bundesregierung im Mai 1969, das die friedliche Nutzung der Kernenergie beinhaltete, hatten 20 Organisationen unter der Führung von Richard Soyka vom Linzer „Bund für Volksgesundheit“ und einer der wichtigsten Personen der Anti-Atombewegung ein Volksbegehren gegen Atomkraftwerke eingeleitet. Die Koalition der Befürworter unterstellte den Gegnern Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit sowie eine demagogische Weise mit den Ängsten der Bevölkerung zu spielen und negierte ein Risikopotenzial dieser auf der ganzen Welt im Vormarsch befindlichen Technologie. Demgegenüber stellte diese Diskurskoalition mit unterschiedlicher Akzentsetzung die Vorteile der Technologie und ihre Entwicklungspotenziale, ihre Wirkung auf das Wirtschaftswachstum und die positiven Effekte auf Arbeitsmarkt und Beschäftigung in den Vordergrund. Die AKW-Gegner wiederum argumentierten viel breiter und nicht nur Fragen der Energiepolitik, des Wirtschaftswachstums und der Arbeitsplatzsicherheit, sondern auch Fragen der Umweltbelastung, der Erdbebensicherheit, der Katastrophenplanung, des Massenkonsums sowie der Meinungsfreiheit. Aufgrund des wachsenden Drucks von unten sowie der Politisierung durch ÖVP und FPÖ, die mit Plakataktionen, Aussendungen und über die Massenmedien ihre Positionen verbreiteten, drängte sich zunehmend die Frage auf, ob über kernenergiepolitische Fragen parlamentarisch oder plebiszitär entschieden werden sollten. Kreisky fürchtete schließlich, dass das Thema die entscheidenden Prozente der Stimmen für die absolute Mehrheit bei der nächsten Nationalratswahl im Oktober 1979 kosten könnte, und forderte deshalb eine Volksabstimmung über Zwentendorf. Die Sozialdemokratie musste letztlich durch die Volksabstimmung vom 5. November 1978, die mit 50,5 Prozent gegen die Inbetriebnahme Zwentendorfs knapp gegen die Atomkraft ausfiel und zum Atomsperrgesetz führte, lernen, dass es für eine politische Mehrheit schädlich sein kann, sich für derart kontroverse gesellschaftspolitische Themen zu eindeutig zu positionieren und damit den eigenen Handlungsspielraum entschieden einzugrenzen. Kreisky, der die friedliche Nutzung der Kernenergie prinzipiell nicht abgelehnt und die Befürchtungen der Gegner als unberechtigt bewertet hatte, sah im Atomsperrgesetz die letzte Chance, das Konfliktfeld Energiepolitik aus dem bevorstehenden Wahlkampf herauszunehmen und damit eine Wahlniederlage zu vermei89
den. Fischer (1993: 161) zufolge sollte dieses Gesetz v.a. verhindern, dass die Kernkraftwerksgesellschaft trotzdem noch die Betriebsbewilligung einfordern hätte können. Österreich zählt seither zu den kernenergiefreien Ländern Westeuropas, wobei erst die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 das endgültige Aus und die Niederlage der Atomlobby bedeutete. Diese Tragödie änderte auch Kreiskys Sichtweise der Atomenergienutzung. War unter der sozialliberalen Regierung Sinowatz-Steger noch die Idee eines neuerlichen Referendums aufgetaucht und hatte die Industriellenvereinigung 1984 noch dafür plädiert, dass sich die Regierung „parlamentarische Möglichkeiten“ offen halten sollte, so argumentierten nach Tschernobyl zwar einzelne harte Befürworter nach wie vor, dass moderne westliche AKWs mit russischen Technologien nicht verglichen werden könnten (z.B. Binner 1987; Blix 1987); in der breiten Öffentlichkeit und unter den politischen Akteuren war die Atompolitik als energiepolitische Option jedoch (vorerst) endgültig gestorben und Österreich ersparte sich damit spätere Ausstiegskosten. Die Freiheitlichen, die ihren klaren AntiAtomkurs bis heute als umweltpolitisches Kapital nutzen, argumentieren, dass sie damals die SPÖ von einer neuerlichen Volksabstimmung abgehalten haben. Übrigens erzielte die SPÖ bei der Nationalratswahl im Oktober 1979 ihr bis dahin bestes Wahlergebnis. Österreichweit nutzte die entstehende Grünbewegung die Auseinandersetzung um die Kernenergie und die damit einhergehende Politisierung als Policy window zur Bündelung des Widerstands gegen die damaligen Machtstrukturen und als Möglichkeit, politische und ökologische Themen voranzubringen, Akteure zu vernetzen und neue Strukturen zu schaffen. Dazu hatten nicht unwesentlich die fortgesetzten „Sticheleien“ der AKW-Protagonisten beigetragen, in deren Folge auch die Kritik tiefgreifender und die Forderungen nach alternativer Energiepolitik erweitert wurden, „indem generell dem bisherigen österreichischen Wachstumsmodell die Forderungen nach einem alternativen bzw. qualitativen Wachstumsmodell entgegengestellt wurden“ (Cap/Gusenbauer 1983: 102). In der Folge entstand eine kulturelle und politische Gegenbewegung, in der sich verschiedenste Netzwerke von Aktivisten und Gruppierungen herausbildeten, „die aufgrund des hohen Eskalationsgrades der Auseinandersetzung eine relativ große soziale Geschlossenheit“ erreichten: „Es begann sich so etwas wie eine bis in die Institutionen und Wahlkampfbüros der Parteien hineinreichende Kulturbewegung zu entwickeln. Plötzlich gab es auch in den Führungsgremien der Parteien ‚Grüne’“ (ib.). Die Anti-AKW-Bewegung störte damit massiv das herrschende Machtgefüge und das auf Konsens aufgebaute Politikverständnis, demzufolge Konflikte nicht öffentlich ausgetragen, sondern (sozialpartnerschaftlich) ausverhandelt werden. Gleichzeitig, wenngleich auch langsamer als in anderen westeuropäischen Ländern, entstand auch eine Subkultur, die sich mittels Cafés, Lokale, Restaurants, „Grünläden“, alternativen Kinos, Theater, Stadtzeitungen, Druckereien, Buchhandlungen, Verlagen alternativen Kulturkonsum ermöglichte. In der Folge veränderte sich die politische Kultur des Landes. Ermöglicht wurde dieser Wandel durch neue Themen, Werte und Vorstellungen, die in einer gesunkenen Parteienbindung und einem breiten gesellschaftspolitischen Diskurs über Demokratie, Lebensstile, Umgang mit der Natur, Technik und Risiken ihren Ausdruck fanden.
3.4 Umweltthemen im SPÖ-Parteiprogramm 1978 Der Reformkurs der SPÖ-Führung führte zu einer Parteireform und programmatischen Neuausrichtung zur Aktualisierung des Parteiprogramms von 1958. Die Diskussion über 90
ein neues Parteiprogramm, das den geänderten Verhältnissen seit 1958 Rechnung tragen sollte, startete Kreisky auf dem Parteitag 1976. Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt, Umweltverschmutzung, Energiekrise, die „Grenzen des Wachstums“, neue Machtstrukturen, bürokratische Fehlentwicklungen und Manipulationsmöglichkeiten durch Medien waren die Themen, die eine zeitgemäße Stellungnahme der Sozialdemokratie auf der Grundlage sozialdemokratischer Ideologie erforderten. Der Programmentwurf wurde von dem Wirtschaftswissenschafter Egon Matzner konzipiert und von einer Programmkommission ausgearbeitet und schließlich auf dem Parteitag 1978 einstimmig beschlossen. In dem neuen Parteiprogramm wurden neben traditionellen sozialdemokratischen Forderungen auch neue Problemstellungen wie Lebensqualität, Ökologie, Kernkraft, Friedenssicherung, Dritte Welt und Bürokratie aufgegriffen. Die Sozialdemokraten setzten sich darin unter Beibehaltung ihres etatistischen Staats- und Politikverständnisses ein „qualitatives Wachstum“ zum Ziel (SPÖ 1978: 146): x
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Dieses soll die Armut beseitigen, hohe Beschäftigung und den weiteren Ausbau des öffentlichen Sektors gewährleisten und die Versorgung mit Gütern und Leistungen sowie die Lebensqualität der Bevölkerung verbessern. Qualitativ ausgerichtet ist das Wachstum dann, wenn die Humanisierung der Arbeitsplätze, die verantwortungsvolle Nutzung der Produktionsfaktoren und eine möglichst geringe Belastung der Umwelt im Vordergrund stehen. Qualitatives Wachstum verlangt, dass sich Produktion und Verteilung privater und öffentlicher Güter am demokratischen Grundwert der Gleichheit der Lebenschancen orientieren.
Im Bereich der Energiepolitik hatte sich die SPÖ noch zur Notwendigkeit einer begrenzten Nutzung der Kernenergie „unter außerordentlicher Bedachtnahme auf besondere Sicherheitsbedürfnisse“ ausgesprochen, da davon ausgegangen wurde dass infolge „der Begrenztheit an Vorkommen von Energierohstoffen […] die Kernenergie immer größere Bedeutung“ gewinnen werde und moderne Industriegesellschaften durch einen wachsenden Energieverbrauch gekennzeichnet seien. Entsprechend dem etatistischen Paradigma der Sozialdemokratie wurde dem Marktmechanismus abgesprochen, „eine rationale und langfristig orientierte Produktion und Verteilung“ gewährleisten zu können. Auch in der Energiepolitik gelte „die Notwendigkeit einer planenden Gesellschaft“ (ib.: 151f.). In der Landwirtschaftspolitik traten die Sozialisten neben sozialistischen Forderungen (stärkere Selbst- und Mitbestimmung der bäuerlichen Produzenten bei der Marktverwertung ihrer Erzeugnisse und bei der Agrarplanung) für finanzielle und wirtschaftliche Unterstützungen ein, die gewährleisten sollten, dass „wichtige Funktionen der Landschaftsbewahrung und der Umweltgestaltung, aber auch der kulturellen Belebung“ erhalten bzw. gefördert werden. Umweltbelastungen, verursacht durch die Landwirtschaft, waren noch kein Thema. Ein kooperatives und gesamtgesellschatliches Planen wurde schließlich auch zur Beseitigung regionaler Ungleichheit gefordert. Eine umfassende Raumplanung sollte diese Ungleichheiten schrittweise beseitigen und eine ausgewogene Entwicklung garantieren. Umweltbelastungen sollten generell verringert werden. Die Pläne sollten dezentral und demokratisch verwirklicht werden. Im Bereich der Regional- und Umweltpolitik stellte der Finanzausgleich zwischen Gebietskörperschaften im Parteiprogramm ein wichtiges Instrument dar. Insgesamt sollte eine „gezielte Umweltpolitik und vorbeugende Umweltplanung“ zum Schutz von Wasser, Luft und Landschaft auf der Basis des Verursacherprinzips beruhen. Darüber hinaus sollten Maßnahmen für die Rückführung von verwertbaren Abfallstof91
fen in den Wirtschaftskreislauf getroffen werden. Neben nationalen Maßnahmen sollte Österreich auf internationaler Ebene Initiativen zur Kooperation bei der Lösung von Raum-, Umwelt- und Energieproblemen initiieren und unterstützen (ib.: 157). Durch die Aufnahme grüner Positionen in das Parteiprogramm versuchte die SPÖ ihren Anspruch als progressive Partei zu behaupten. Nunmehr sollte Lernfähigkeit bewiesen und die Praxis entsprechend neu ausgerichtet werden, nicht zuletzt durch ein „echtes ökologisches Engagement“ (Tieber 1983: 115). Der Zentralsekretär Karl Blecha meinte dazu am Parteitag 1979: „Bewegungen, die die gegenwärtige kapitalistische Gesellschaft kritisieren und ablehnen, gehören an die Seite der sozialistischen Bewegung. Es wäre ja eine Ironie besonderer Art, wenn sich Sozialisten in Verteidigung der Übel unserer Gesellschaft gegen diese neuen Bewegungen stellen, während gleichzeitig diese Bewegungen von konservativer und reaktionärer Seite auf schwindelhafte Weise hofiert und eingefangen werden. Unser neues Parteiprogramm stellt sich eindeutig positiv zur Jugend wie zur Umweltbewegung. Wir sollten uns jedoch keine Illusionen machen: Nur mit einer gewaltigen praktischen Anstrengung können wir aus diesem Programmsätzen Realität machen. Die neuen Bewegungen werden uns an unserer wirklichen Politik messen“ (zit. nach Tieber 1983: 115).
3.5 Regierungserklärung 1979 Die programmatische Weiterentwicklung und die Lehren aus Zwentendorf hatten nicht zuletzt aufgrund der Krisentendenzen, die den Umweltschutz in die Defensive trieben, keine sensationellen Auswirkung auf das neue Regierungsprogramm, das die Sozialdemokraten nach den Wahlen 1979 zur Grundlage der nächsten Gesetzgebungsperiode vorlegten. In der Regierungserklärung 1979 hob die SPÖ neuerlich die Erfolge der bisherigen (sozialistischen) Umweltpolitik hervor. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen – neue verfassungsrechtliche Grundlagen für den Immissionsschutz, Maßnahmen für eine umweltfreundliche Abfallwirtschaft, die Flüssesanierung und ein Chemikaliengesetz – angekündigt, die dann aber nicht bzw. erst in einer späteren Gesetzgebungsperiode umgesetzt werden konnten. Ein parlamentarischer Antrag der SPÖ-Fraktion zur Erweiterung der Bundeskompetenzen im Bereich des Umweltschutzes scheiterte an der erforderlichen Zwei-DrittelMehrheit, sprich am Widerstand der ÖVP.
3.6 Policy-Making in der Umweltpolitik der 1970er Jahre Umweltpolitik war in den 1970er Jahren eine reaktive und in weiten Teilen eine symbolische Politik. Während die Politik zunächst bei den brennendsten Problemen mit Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden ansetzte, blieben weitreichendere Ansätze einer präventiven Politik auf symbolische Politik beschränkt. Letztere wurden nicht nur durch institutionelle Barrieren (Föderalismus, schwache Rolle des BMGU, Sozialpartnerschaft), sondern auch durch das nach wie vor vorherrschende Wachstumsparadigma und fehlenden politischen Willen verhindert. Das Ergebnis ist daher ein gewisses instrumentelles Lernen und ein noch beschränktes strategisches bzw. politisches Lernen. Gesetzgeberische Initiativen gingen in den 1970er Jahren sehr stark von der Bürokratie des Bundes und der Länder und hier wiederum von einzelnen Behördenvertretern aus, die sich als engagierte Einzelkämpfer betrachteten und eine „rationale“ und „machbare“ Um92
weltschutzpolitik verfolgten. Zeitlich fiel die Entstehung der Umweltpolitik mit dem Beginn der SPÖ-Alleinregierung zusammen, die neu geschaffene Institutionen auch personell ausstattete und durch ihre Vorstellungen von „sozialistischer Umweltschutzpolitik“ prägte. Unterstützt wurde das BMGU insbesondere durch das ÖBIG sowie durch den sozialpartnerschaftlichen Wissenschaftlichen Beirat für Umweltschutz, der im April 1971 bestehend aus mehreren Arbeitsgruppen (Luft, Lärm, Wasser, feste Abfälle, biologische Umwelt, Ölfeuerungen und Rauchfangkehrer) gegründet worden war. Die Aufgabe des Beirates, der aufgrund der Bedürfnisse des Vollzugsalltages große Bedeutung erlangte (Interview Bobek, 4.10.2000), war die wissenschaftliche Analyse und Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen im Bereich der Umwelthygiene und in der dementsprechenden Beratung des Bundesministeriums in allen fachlichen Fragen des Umweltschutzes (Groiss/Welan 1976: 174). Hinsichtlich der wissenschaftlichen Grundlagen kamen, abgesehen von den bereits angeführten Forschungsaktivitäten, wesentliche Impulse von der Kommission für Reinhaltung der Luft, die bereits 1962 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gegründet worden war und die interdisziplinäre Forschung auf dem Gebiet der Luftreinhaltung und die Beratung der österreichischen Bundesregierung bei Umweltproblemen und Luftqualitätsgrenzwerten zur Aufgabe erhielt. Die wichtigsten Vorschläge dieser Luftreinhaltekommission wurden jedoch ignoriert bzw. fanden keine ausreichende Unterstützung. Umweltpolitik wurde insgesamt einerseits in einem sozialpartnerschaftlichen Netzwerk ausgehandelt, andererseits wurden in „technischen“ Expertennetzwerken die Grundlagen für rationale Sachpolitik ausgearbeitet bzw. weiterentwickelt. Umweltpolitik sollte als eine Aufgabe verankert werden, „die über jede Parteienstellung und Weltanschauung hinausgeht“ (Firnberg 1969: 59). Diese Zielsetzung entsprach dem konsensorientierten, in der Sozialpartnerschaft institutionalisierten Politikstil. Insgesamt wurde zwar mit der Schaffung der Umweltpolitik als neues Politikfeld ein paradigmatischer Politikwandel vollzogen, indem neue Zielsetzungen formuliert wurden (Lernen 3. Ordnung); aufgrund des Versuchs, bestehende Regulierungen zu modifizieren und den neuen Zielen besser anzupassen, fand jedoch hauptsächlich Verbesserungslernen statt. Dazu einige Beispiele. Mit der Entstehung einer Luftreinhaltepolitik hatte sich die grundlegende Sichtweise, wonach Luft als „freies Gut“ allen kostenlos zur Verfügung steht, infolge eines gestiegenen Problemdrucks und -bewusstseins dahin gehend geändert, dass nunmehr erkannt worden war, dass die Kosten für die Nutzung des Gutes „Luft“ oder für Maßnahmen gegen Luftverunreinigungen den Verursachern entsprechend dem Verursacherprinzip anzulasten sind. Luft sollte so zu einem „knappen Gut“ werden. Die Finanzierung von Maßnahmen sollte freilich Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft und auf Arbeitsplätze berücksichtigen und entsprechend auf die Erzeugungskosten und Verbraucherpreise wirken, ohne Wettbewerbsverzerrungen oder soziale Härten zu verursachen. Zunächst gab es aber noch das Problem, dass eine klare Zuordnung von Emissionen zu konkreten Verursachern noch gar nicht möglich war, dazu mussten erst noch betriebliche Emissionsmessungen durchgeführt und ein nationales Messnetz etabliert werden, wie ein Gutachten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1973 zeigte. Hinsichtlich der erst noch zu schaffenden Rechtsgrundlagen wurden grundsätzlich bundesweit geltende Geund Verbote anvisiert. Luftreinhaltung sollte so wie der Gewässerschutz durch Bundesgesetze geregelt werden. Alternativ dazu wurde aber auch eine aufeinander abgestimmte Landesgesetzgebung überlegt. Das Recht auf eine reine Luft sollte zudem in der Bundesverfassung verankert werden (BMGU 1972). Vor allem stand von Anfang an fest, dass Luftreinhaltegesetze dem Stand der Technik entsprechen sowie den wirtschaftlichen Möglichkeiten 93
und internationalen Entwicklungen angepasst werden müssen. Die Konsequenz daraus sind Verschmutzungsrechte, die über Grenzwerte reguliert werden, die einerseits über inputseitige Maßnahmen, andererseits über end-of-pipe-Technologien eingehalten werden können, wobei in den 1970er Jahren letztere deutlich dominierten. Ein weiteres Beispiel für die zögerlichen Anfänge bietet die Novelle der Gewerbeordnung 1973. War der Anlass dafür die veraltete Struktur der Gewerbeordnung und hatten in der Öffentlichkeit damals Umweltaspekte hinsichtlich dieser Novelle eine bedeutende Rolle gespielt, so war das Ergebnis denn auch eher bescheiden: „Und tatsächlich ist der Versuch, die Gewerbeordnung mit umweltpolitischen Anforderungen anzureichern, auch nicht geglückt. In einigen Aspekten wird sie sogar als ein Rückschritt hinter die alten Normen bezeichnet: ‚Die Konzeption der Gewerbeordnung 1973 fiel […] in die Zeit des wirtschaftlichen Wiederaufbaues nach Beendigung der Besetzung Österreichs. Von »Umweltschutz« war damals noch kaum die Rede. Etwa erst zur Zeit der Stockholmer Konferenz im Jahre 1972 erwachte jenes neue Umweltbewusstsein, von dem in der am 4. Juli 1972 beschlossenen Regierungsvorlage der Gewerbeordnung noch nichts zu erkennen ist. Im Gegenteil! Vom Standpunkt des Umweltschutzes brachte die Gewerbeordnung 1973 etliche Verschlechterungen gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage.’ Mit der Verabschiedung des Gesetzes war der Legitimation Genüge getan. Die Erstellung von konkreten und verbindlichen Emissionsstandards für gewerbliche Anlagen blieben der Ausnahmefall“ (Glatz 1986: 117f., der hier E. Schäfer: Die Gewerbeordnung als Umweltschutzgesetz, in: ÖBIG: Review 2/84: 133 zitiert).
Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen (1976: 14) attestierte der neuen Gewerbeordnung hingegen im Bereich des Immissionsschutzes „ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfolgung der Zielsetzungen des Umweltschutzes“. Insgesamt sahen die Sozialpartner damals in Ge- und Verboten die größten Vorteile. Der Beirat diskutierte zwar auch Emissionssteuern, sah dabei jedoch erhebliche „Nachteile hinsichtlich der administrativen Durchführung“ (ib.: 37). Auch die Versteigerung von Verschmutzungsrechten galt als kaum und jedenfalls nicht im Bereich der Luftverunreinigungen durchführbar; direkte und indirekte Subventionen galten hingegen als positiver Anreiz zur Umstellung von Prozessen, die kaum Widerstand erwarten ließen (ib.: 38f.). Im Bereich der Kraftfahrzeuge orientierte sich die Politik an den Emissionswerten, die in internationalen Richtwerten vorgegeben wurden. Im Kraftfahrzeuggesetz wurden Regulierungen zur Reduktion der Emissionen durch den Betrieb von Kraftfahrzeugen ermöglicht (z.B. Festlegung des höchstzulässigen Bleigehaltes im Benzin, maximale Geräuschentwicklung, CO-Gehalt der Auspuffgase). Auf Initiative der Mineralölindustrie wurde dann der Bleigehalt in Benzin reguliert. Die entsprechende Verordnung aus dem Jahre 1971 legte einen Höchstwert dafür fest, der über dem tatsächlichen Wert der damals bereits üblichen Bleiwerte lag. Nach der weiteren Herabsetzung des Bleigehalts 1972 lag Österreich in diesem Bereich „im europäischen Mittelfeld. In der BRD und in der Schweiz galten niedrigere Werte“ (Glatz 1986: 118). Die Anpassung der Normen an die faktischen technischwirtschaftlichen Gegebenheiten war auch die Vorgehensweise zur Reduzierung des Schwefelgehaltes bei flüssigen Brennstoffen (ib.). Die Emittentengruppe des Hausbrandes wurde durch die Luftreinhaltegesetze der Länder im Laufe der 1970er Jahre reguliert. Hierbei wurden die Rauchfangkehrer, die ohnehin einen Kontrollauftrag hatten, in den Vollzug eingebunden. Deren Befunde sollten schadhafte und damit für die Benützer und die Umwelt gefährliche Feuerungsstellen ausfindig machen und ihre Sanierung veranlassen (BMGU 1972: 45). 94
Im Forstgesetz 1975 wurde die Erlassung von Immissionsgrenzwerten für forstschädliche Luftverunreinigungen und von Richtlinien zur Feststellung solcher Schäden vorgesehen. Die entsprechenden Bestimmungen waren „das Ergebnis langjähriger Verhandlungen zwischen Forstwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit“ (Glück 1986: 121). Das Forstrecht (wo es eine Bundeskompetenz beim Landwirtschaftsministerium gab) war mit dieser Novelle der einzige Bereich, wo es zu verbindlichen Immissionsstandards gekommen war, allerdings ganz im Sinne einer nachsorgenden Strategie. Das Gesetz sah Bewilligungsverfahren für Anlagen, von denen forstschädliche Emissionen zu erwarten waren, und die Vorschreibung besonderer Maßnahmen, um eine Gefährdung des Waldes abzuwenden, vor, änderte aber wenig an der waldgefährdenden Emissionsbelastung. Mit dem Forstgesetz erhielt das Land- und Forstwirtschaftsministerium auch den Auftrag, Erhebungen über forstschädliche Luftverunreinigungen durchzuführen. Ausschlaggebend für das Zustandekommen des neuen Forstgesetzes war der Druck der Forstwirtschaft. Das Ergebnis blieb jedoch unzureichend, da der Immissionsschutz insgesamt weitestgehend als „totes Recht“ anzusehen war (Glatz 1986: 118): „Das Instrument sind die Schadenersatzpflicht und das Prinzip der Immissionsbegrenzung einzelner Schadstoffe, die nach dem damaligen Wissensstand als Ursache lokaler Rauchschäden galten. Beide Instrumente begünstigen in ihrer Ausformung im Forstgesetz die Betreiber von Anlagen und spiegeln das unterschiedliche Durchsetzungsvermögen von Forstwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft wider; der hohe Konsensbedarf für die einvernehmliche Verordnungsgebung ist ein weiteres Indiz dafür. Eine Änderung dieser Bestimmungen zugunsten der Walderhaltung würde eine Änderung der bestehenden Machtverhältnisse voraussetzen, die sich derzeit nicht abzeichnet“ (Glück 1986: 121).
Bei ihren Gesetzesinitiativen beobachtete und berücksichtigte die Bürokratie generell sehr stark die Entwicklungen in Deutschland und der Schweiz. Durchsetzungskraft erhielten diese Initiativen nicht selten erst durch die länderübergreifende Zusammenarbeit in internationalen Organisationen wie der OECD oder dem damals im Umweltschutz bedeutenden Europarat sowie durch die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Vor allem war es aber die wirtschaftliche Verflechtung mit der Bundesrepublik Deutschland und mit der Schweiz, die eine Übernahme verschiedener Maßnahmen und Ansätze allein schon aus wirtschaftspolitischen Gründen sinnvoll erscheinen ließ. Dass die Umweltpolitik international koordiniert und auf Standort- und Wettbewerbsbedingungen Rücksicht nehmen musste, um den „österreichischen Weg“ der nachholenden Modernisierung nicht zu gefährden, trug auch wesentlich zum reaktiven Politikstil bei. Die dominanten Lernformen waren hier also lesson-drawing und Policytransfer bzw. im Fall der Schaffung eines eigenen Umweltministeriums Policydiffusion und in manchen Themenfeldern transnationale Problemlösung. Der Versuch, die Einzelpolitiken im Umweltministerium zu koordinieren und zu integrieren, war gescheitert, weil der politische Rückhalt fehlte, die zu Koordinierenden einfach zu widerborstig waren und wichtige Akteure ihre Vetomacht ausnutzten. Die relativ starke Forcierung des Umweltschutzes über internationale Zusammenarbeit (z.B. OECD-Empfehlungen) war hingegen durchaus erfolgreich (Interview Bobek, 4.10.2000). Die Widerstände können als Prozesse des Nicht-Lernens beschrieben werden. Die Integration des neuen Politikfeldes in das sozialpartnerschaftliche Politikmuster war v.a. deswegen nahe liegend, weil Umweltpolitik als ein zentraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik angesehen worden war. Hierbei galt es, ohne Aufgabe der grundlegenden 95
Überzeugungen und Ziele, bestehende Strategien zu verbessern (einfaches Lernen). Die Problemsicht dahinter war, dass Umweltprobleme eine zwangsläufige Entwicklung der Modernisierung seien, aber durch wissenschaftlich-technologische Entwicklungen im Rahmen einer vernünftigen Umweltpolitik beseitigt und damit sowohl mit Vollbeschäftigung als auch mit Wirtschaftswachstum, dem Kern des austrokeynesianistischen Paradigmas, verknüpft werden könnten. „Der Beginn des sozialpartnerschaftlichen Engagements war ein relativ langsamer, aber kein unfreundlicher: Zunächst herrschte aber eher Erstaunen, dass ein Politikfeld im Entstehen war, das kein Thema der Sozialpartner gewesen ist“ (Interview Bobek 04.10.2000).
Im November 1973 gründeten die Sozialpartner eine eigene Arbeitsgruppe „Umweltpolitik“ im Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen. Als konsultatives Organ hatte sie die Aufgabe, alle vom BMGU herangetragenen Fragen und Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes zu behandeln, im Besonderen aber die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Maßnahmen des Umweltschutzes zu begutachten und an der Koordinierung dieser Maßnahmen mitzuwirken. Damit sollte garantiert werden, dass Maßnahmen im Umweltbereich konsensual getroffen und die Interessen im Sinne eines in der Sozialpartnerschaft verkörperten fiktiven Gemeinwohls ausgeglichen werden. Erich Schäfer, von Anfang an auch Mitglied der Arbeitsgruppe „Umweltpolitik“, spricht den damit verbundenen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Wirtschafts- und Umweltinteressen an und betont gleichzeitig den konsensorientierten Politikstil, verkörpert durch die Sozialpartnerschaft: „Man hatte zwar nichts dagegen, weil man keine eigenen Konzepte hatte, aber man war irritiert, dass es an den Sozialpartnern vorbei geschieht. [...] Arbeitnehmer haben sich interessiert für ihr Schicksal, aber nicht für Dampfkessel, aber die Arbeiterkammer hat sich schon damals für Arbeitsplätze interessiert, daher war die Affinität zur Wirtschaftskammer eher größer als zu den beamteten Umweltschützern. Und das hat sich ja gezeigt bei dem kurzen Zwischenruf von Benja: er hatte natürlich nichts gegen den Umweltschutz und der Arbeitnehmerschutz war ja ein Anliegen von ihm, er hat nur Angst gehabt, dass wir zuviel machen und Betrieben schaden könnten. Es war also nicht böswillig, nur die Standpunkte waren verschieden“ (Interview Schäfer, 4.10.2000).
Die Arbeitsgruppe setzte sich unter Vorsitz des BMGU, aus Vertretern der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der Vereinigung österreichischer Industrieller, des Österreichischen Arbeiterkammertages, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs sowie einer repräsentativen Dachorganisation von Vereinen, die für die Verbesserung der Qualität des Lebens eintraten, zusammen (Groiss/Welan 1976: 175). Dieser Schritt in Richtung einer „Sozialpartnerschaft in Umweltfragen“ wurde als Ausdruck eines Bewusstseinswandels interpretiert, nämlich dass Umwelt zu einer Thematik geworden war, mit der sich die Sozialpartner nicht mehr wie bis dahin nur nebenbei auseinandersetzen mussten (Interview Bobek, 4.10.2000). Umweltpolitik war, wie es Christian Festa, der Vorsitzende des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen, ausdrückte, „ein neues Feld der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und damit ein Thema, mit dem sich die Sozialpartner im Rahmen des Beirats“ zu beschäftigen hatten. Die Charakterisierung des Konfliktfeldes als eines der gesellschaftlichen Auseinandersetzung bezeichnet hier sehr deutlich, den damit verbundenen Bruch mit dem dominanten konsensualen Politikstil sowie die Reaktion der politischen Entscheidungsträger darauf. In seinem Vorwort zur ersten Beiratstudie zur Umweltpolitik schrieb 96
Festa, die Bewältigung der Umweltprobleme erfordere „eine Änderung der geistigen Einstellung“: „Nur wenn es gelingt, den technischen Fortschritt in seinen technologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einzufangen und die Einsicht zur Notwendigkeit technischer und sozialer Veränderungen besteht, wird auch die finanzielle Bewältigung des Problems leichter möglich sein. Denn schließlich ist es klar: Reine Luft und reines Wasser, weniger Lärm und Stress haben ihren Preis und sind von uns – sei es direkt im Wege des Verursacherprinzips oder indirekt über die öffentliche Hand – zu bezahlen. Fragen des Umweltschutzes sind nicht nur in Zeiten der Hochkonjunktur und er Vollbeschäftigung von Bedeutung. Gerade auch in wirtschaftlich schwächeren Zeiten wird der Ausbau und die Verbesserung des Umweltschutzes nicht zuletzt unter Arbeitsplatz sichernden Aspekten zu sehen sein“ (in: Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1976a: 3).
Aus der Sicht der Arbeitsgruppe „Umweltpolitik“ des Beirats erforderte die Lösung der Umweltprobleme eine Kombination sozialer und technischer Veränderungen. „Viele der negativen Auswirkungen der Produktions- und Konsumsphäre auf die menschliche Umwelt“ könnten „durch neue technologische Entwicklungen beseitigt werden“. Jede Neuerung müsse jedoch entsprechend den Forderungen aus „Grenzen des Wachstums“ auf ihre Nebenwirkungen, auf soziale Veränderungen und ihre Dauer sowie auf die Wachstumsgrenzen hin thematisiert werden. Im Rahmen des damit geforderten „neuen Prinzips der Wirtschaftlichkeit“ sollten auch die sozialen Kosten – nicht jedoch die ökologischen Kosten – beinhaltet sein. Diese Überlegungen stellen einerseits ein Veränderungslernen (komplexes Lernen), andererseits den Versuch, schneller und flexibler auf neue Informationen reagieren zu können (reflexives Lernen), dar. Dass die Sozialpartner aktiv wurden und sich dem neuen Politikfeld annahmen, lag auch daran, dass die Umweltzerstörung bereits einen beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden verursacht hatte und dass zahlreiche Maßnahmen beschäftigungspolitisch und ökonomisch sinnvoll erschienen. Es setzte sich die Sichtweise durch, dass Umweltpolitik Kosten verursache, die zwar erst erwirtschaftet werden müssten, dann aber durchaus gerechtfertigt seien, solange sie nicht das Wachstum und die Vollbeschäftigung beeinträchtigten. NGO’s im Typus von Greenpeace, WWF etc. gab es in den 1970er Jahren noch nicht. Viele der existierenden Verbände kamen von der Seite des Naturschutzes (Naturschutzbund, Naturfreunde, Alpenverein etc.), die eine wirksame Umweltpolitik natürlich als Naturschutzpolitik auffassten und entsprechend interpretierten. Ein wichtiges Thema für Natur- und Umweltschutz war insbesondere die Problematik des Waldsterbens. Hier fand international ein Paradigmenwechsel statt. War es zunächst um die finanzielle Abgeltung von Schäden an die Waldbesitzer gegangen und in der Folge des damit verbundenen Kostenanstiegs bei den emittierenden Unternehmen um die Umleitung der Emissionen in die Gewässer, so setzte als Reaktion auf diese Problemverschiebung zunehmend ein Umdenken in Richtung end-of-pipe-Technologien auf der Grundlage eines Technik- und Schadstoffparadigmas ein (siehe Luftreinhaltepolitik; Gewässerschutzpolitik). Um die Stimme der Umwelt in Österreich zu stärken, setzte das BMGU auf ein gezieltes capacity-building durch die bewusste Förderung jener Gruppierungen, die sich explizit mit Natur- und Umweltschutz befassten (Österreichsicher Alpenverein, Österreichischer Naturschutzbund etc.). Um aber die vorhandenen finanziellen Mittel effizient einzusetzen, wurde vom BMGU die Gründung einer Dachorganisation aller einschlägig tätigen Vereine angeregt. Realisiert wurde dieser Vorschlag in Form der Österreichischen Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz – ÖGNU. Zwischen ÖGNU und deren Mitgliedsorganisationen 97
gab es jedoch strukturelle Probleme, weil sich die letzteren v.a. selbst profilieren wollten und die Förderungen daher lieber selbst verwendeten als sie in gemeinsame Aktivitäten der Dachorganisation einzubringen (Bobek 1993: 10). Das Politikverständnis der ÖGNU war darüber hinaus weitgehend von den Honoratioren im Vorstand und deren aufklärerischen, konsensualen Auffassungen, nicht jedoch von Radikalität geprägt. Ihre „Wohlhäbigkeit“ und ihr „Biedersinn“ spiegelten „die Vorstellungswelt ihrer Generation“ und mündeten in „eher kompromisshafte und wohlabgewogene Erklärungen“ (ib.): „Nicht eine Emotionalisierung der öffentlichen Meinung sollte angestrebt, sondern der ökologischen Vernunft das Wort geredet werden. Nicht die Entfachung von Leidenschaften, die sich – wie man aus leidvoller Erfahrung wisse – allzu leicht politisch missbrauchen ließen, sei das Ziel, sondern die Rationalisierung der Umweltprobleme. Dies sei, wie ich damals meinte, die einzige tragfähige Grundlage, zu intelligenten und dauerhaften Lösungen zu kommen“, so der erste Präsident der ÖGNU Dr. Herbert Moritz (1993: 6).
Der Einfluss der ÖGNU auf das policy-making der 1970er Jahre blieb laut Bobek jedoch deshalb gering, weil die Naturschützer keinen radikalen Ansatz verfolgten und sich weitestgehend auf „machbare“ Maßnahmen beschränkten. „Auf das policy-making hat sie relativ wenig Einfluss gehabt: [...] was wir [im Umweltministerium; D.P.] an sündigen Ideen hatten oder Gutes wollten, dafür waren sie sicherlich da, sie haben uns aber auf der anderen Seite eigentlich nie überholt. Sie haben gesehen, dass unsere Einflussmöglichkeiten in der Gesamtpolitik auch nur begrenzt sind. Relativ stark gemacht haben sie sich aber für die Gründung von Nationalparks in Österreich“ (Interview Bobek, 4.10.2000).
Umgekehrt hatten die traditionellen Naturschutzverbände mit ihrer Konzentration auf schnell und einfach machbare Maßnahmen gerade auf Länderebene zum Teil erheblichen Einfluss auf die Umweltbürokratie gewinnen können. Prominente Repräsentanten galten als verlässliche und kooperative Partner, die sich nur dann quer legten, wenn es um tiefe Naturschutzangelegenheiten (wie eben Nationalparks) ging, die aber keinen der späteren Ökologiebewegung eigenen gesellschaftspolitischen Anspruch formulierten und auch wenig mit der „Emotionalität“ von Bürgerinitiativen gemein hatten, in denen sie ebenfalls gemäßigt auftraten. Die Naturschutzverbände verfügten traditionell über enge personelle Verflechtungen mit den Naturschutzbehörden, die es ihnen leicht machten, hier Gehör zu finden. Die Umsetzung ihrer Anliegen war aber noch weitgehend vom vorherrschenden Wachstumsparadigma behindert, dem sie mit ihrem traditionellen Naturschutzparadigma, die Natur vor dem Menschen zu bewahren und zu beschützen, wenig entgegenhalten konnten. Aufgrund ihres Politikverständnisses war die ÖGNU von Anbeginn der Kritik seitens der entstehenden Ökologiebewegung ausgesetzt. Der Biologe Bernd Lötsch, der sich seit 1969 für Umweltfragen engagierte und später in zahlreichen ökologischen Konflikten aufseiten der Ökologiebewegung involviert war, vertrat damals die Ansicht, dass es bei den sich abzeichnenden und zu erwartenden Widerständen geradezu notwendig sei, die Emotionen und Leidenschaften der Massen zu mobilisieren (zit. nach: Moritz 1993: 6). In diesen Unterschieden drückt sich die bis heute vorhandene Spaltung der grünen NGOs aus, die sich auch in der Bewertung der eigenen Strategie niederschlägt. Im Falle der ÖGNU ist dies die Wahrnehmung, dass es ihr Verdienst ist, mehr zu einem „tiefen und nachhaltigen Umweltbewusstsein“ beigetragen zu haben als die radikale Ökologiebewegung, die zwar zu 98
einem breiten, aber nur „vorübergehenden“ Umweltbewusstsein geführt habe (Moritz 1993: 6). Die Ökologiebewegung war eine breite Diskurskoalition, in der sich radikalreformistische, gemäßigte bis hin zu reaktionäre Strömungen fanden. Vonseiten der dominanten Wachstumsdiskurskoalition war sie Angriffen und heftiger Kritik ob ihrer angeblichen oder tatsächlichen Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit sowie ihres „grünen Fundamentalismus“ ausgesetzt. Der auf sozialpartnerschaftlichen Konsens ausgerichteten staatlichen Umweltpolitik stand damit eine neue auf Konflikt ausgerichtete, aber weitgehend gespaltene soziale Bewegung gegenüber, die in die ÖGNU nicht integriert werden konnte oder wollte. An der Kritik der Ökologiebewegung an der Technikgläubigkeit und Naturvergessenheit des dominanten Wachstumsparadigmas und ihrer Warnung vor drohenden ökologischen Katastrophen, die nicht durch rationale, reaktive Umweltpolitik, sondern nur durch einen Wandel des Wirtschafts- und Lebensstils abzuwenden seien, entzündete sich ein Paradigmenkonflikt, der in der Auseinandersetzung um die friedliche Nutzung der Atomkraft seinem Höhepunkt in den 1970er Jahren zusteuerte. Die etablierten politischen Akteure reagierten abwehrend und durch Ausgrenzungsversuche, um nicht durch den Druck einer „radikalen Minderheit“ bzw. einer von einer radikalen Minderheit „missbrauchten Öffentlichkeit“ zu einer Verhaltensänderung gezwungen werden zu können. Diese Strategie wurde nicht nur auf die Ökologiebewegung, sondern auf alle Neuen Sozialen Bewegungen, die Friedens-, Frauen- und Jugendbewegung angewendet. Gleichzeitig versuchten die etablierten Parteien die gemäßigten Teile dieser Bewegungen und insbesondere die Jugend anzusprechen, indem sie programmatische Änderungen vornahmen, sofern zuständig auf Erfolge deuteten oder im gegenteiligen Fall auf Versäumnisse und Misserfolge hinwiesen und eigene Vorstellungen präsentierten. Besonders die SPÖ hatte mit den aufkommenden Neuen Sozialen Bewegungen zu kämpfen, nicht nur weil sie die Regierungsverantwortung trug, sondern auch weil ihr reformistisches Politikverständnis sowie ihr Fortschritts- und Technikparadigma herausgefordert waren. Der Gerechtigkeit halber muss dazugesagt werden, dass die ÖVP und die FPÖ auf Länderebene nicht weniger Schwierigkeiten mit Neuen Sozialen Bewegungen und insbesondere mit der ökologischen Herausforderung hatten und v.a. die ÖVP es war, die ihre Vetomacht nutzte, um eine Ausweitung der Bundeskompetenzen für einen wirksameren Umweltschutz zu verhindern. Für die Führungsriege der Sozialdemokratie und Gewerkschaften waren die Umweltschützer in ihrer Grundeinstellung „konservativ“ bzw. „kleinbürgerlich“ und stellten sich gegen eine unabwendbare Entwicklung. „Mit konservativen Einstellungen hat man noch nie eine gesellschaftliche, wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Entwicklung gemeistert. Eine wesentliche Erkenntnis der sozialistischen Weltanschauung besteht doch darin, dass man der Entwicklung kein Halt verordnen kann und dass überrollt wird, wer ein solches Halt verordnen will“, lautete das core belief des reformistischen Politikverständnisses (ÖGB-Präsident Benya 1981).
Wer aus der Industriegesellschaft aussteigen wolle, der sollte und könnte dies in der offenen Gesellschaft tun, aber freilich ohne diese „Weltanschauung“ für „die einzig richtige zu halten und womöglich ihre Mitbürger zwingen [zu] wollen, ihrem Vorbild zu folgen, ihre Lebensmuster und ihre Ideale zu übernehmen“ (Benya 1981). Der dominante reformistische Flügel in der SPÖ versuchte nicht nur die Ökologiebewegung zu marginalisieren, sondern wendete sich durch die Konzeption einer „sozialistischen Umweltpolitik“ gleichzeitig gegen ökosozialistische und linke Bewegungen in den eigenen Reihen. Freilich war aufgrund 99
der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse die „bürgerliche“ Ökologiebewegung zunehmend eine wesentlich größere Herausforderung, darunter vor allem jene Kräfte, die sich durch eine politisch-inhaltliche Positionierung zur Parteiwerdung anschickten. Vor allem das Wachstumsparadigma musste gegen die „Umwelthysterie mit deutlichen Anzeichen eines wirtschaftlichen Selbstzerstörungstriebes“ (Salcher 1980b: 14) verteidigt werden: „Eine konservative Umweltpolitik, die glaubt, ihre Ziele zu erreichen, wenn alles stillsteht, wenn keine neue Fabrik, keine neue Straße, kein neues Kraftwerk geschaffen wird, die die Umwelt irgendwie belasten, übersieht völlig, dass eine den Bedürfnissen der Menschen entsprechende Umweltpolitik gewaltige Aufgaben stellt, die nicht ohne Wirtschaftswachstum bewältigt werden können. […]. Nur wenn unser Sozialprodukt wächst, kann genügend für die Finanzierung dieser [umweltpolitischen] Aufgaben erübrigt werden, ohne dass der Lebensstandard der Bevölkerung sinkt. Wenn wir aber ein wachsendes Sozialprodukt wollen, brauchen wir nicht nur neue, moderne Arbeitsplätze, sondern auch Betriebe, die einen Ertrag erwirtschaften. Denn ohne einen ausreichenden Ertrag gibt es keine Verbesserung der Lebensstandards, gibt es keine Finanzierungsmöglichkeiten für fortschrittliche umweltpolitische Maßnahmen, gibt es auch keine Erhaltung der Vollbeschäftigung. Ohne eine größere Energieproduktion können wir auch die vielen tausend Arbeitsplätze nicht schaffen, die wir benötigen, um die wachsende Zahl von Menschen, die auf den Arbeitsmarkt strömen, zu beschäftigen. Wir werden also neue Kraftwerke benötigen, und wenn die Österreicher zur Erkenntnis kommen, dass Kernkraftwerke umweltschonender sind als Kohlekraftwerke und jedenfalls billiger als Ölkraftwerke, dann wird es uns auch leichter werden, die Probleme der Energieversorgung und die Probleme der Umweltverbesserung zu lösen. […]. Der Zeitpunkt, zu dem wir kein Wirtschaftswachstum mehr brauchen, weil alle Probleme gelöst sind, scheint […] in einer sehr fernen Zukunft zu liegen, bis dahin gibt es Aufgaben genug zu lösen, und es wird sehr viel Arbeit zu leisten sein. Die Angst, dass uns ein so genanntes lineares Wachstum in Katastrophen stürzt, ist unbegründet, denn es hat nie ein lineares Wachstum gegeben und wird es auch in der Zukunft nicht geben“ (Benya 1981).
Dass es der Sozialdemokratie wesentlich schwerer als den bürgerlichen Parteien und Kräften gefallen war, auf die Neuen Sozialen Bewegungen einzugehen, lag vor allem am besonderen Legitimationszwang, dem sie aufgrund ihres Anspruchs, als progressive historische Kraft fortschrittliche Forderungen aufzugreifen, unterlegen war. Durch ihre Unfähigkeit, auf die neuen gesellschaftlichen Anliegen einzugehen, geriet die Sozialdemokratie in einen besonderen Verlust an Glaubwürdigkeit. Vor allem die Parteijugend nahm die Ökologiedebatte auch programmatisch auf. So formulierte z.B. die Junge Generation im Anschluss an eine Gesundheitsenquete des BMGU in Graz 1977 ein „Gesundheitspolitisches Konzept der JG“ (SPÖ-Jahrbuch 1978: 132), schuf einen Arbeitskreis „Energie und Umwelt“ und versuchte in der Folge die programmatische Weiterentwicklung in der SPÖ zu beeinflussen (siehe unten). Im Bereich der Instrumente gab es zwar bereits in den 1970er Jahren Bedenken gegen einen zu starken Einsatz von Ge- und Verboten, generell dominierten diese Instrumente jedoch deutlich und wurden mit staatlichen Förderungen verbunden. Aufgrund der Sichtweise von Umweltverschmutzern, die sich in ihren Rechten beschränkt sahen, sowie aufgrund der starken Rücksichtsnahme auf wirtschaftspolitische Interessen, die auch in anderen Politikzielen (Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Finanzpolitik, etc.) stark verankert gewesen sind, waren eklatante Vollzugsdefizite zwangsläufig die Folge. Vonseiten der 100
Umweltbürokratie und auch der Politik wurden starke Hoffnungen auf Instrumente im Bereich der Bewusstseinsbildung (Öffentlichkeitsarbeit, Bildung in den Schulen, etc.) gesetzt. Marktwirtschaftliche Instrumente hingegen fanden keine breite Unterstützung. Sie wurden zwar vom BMGU angedacht, hatten aber keine Chance zur Realisierung. „Der Versuch, negative incentives einzuführen, war nicht durchzuführen, z.B. der Entwurf für Güter, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung umweltbelastend sein können, zahlende Regelungen einzugehen, also vom Kühlschrank bis zur Getränkedose. Das ist nicht goutiert worden, wie überhaupt damals [...] die Bewusstseinshaltung der Wirtschaft diese war“ (Interview Bobek, 04.10.2000).
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4 Umweltpolitik in den 1980er Jahren
Die 1980er Jahre sind das Jahrzehnt mit einzigartig günstigen nationalen und internationalen Bedingungen für die österreichische Umweltpolitik gewesen, zumindest was end-ofpipe-Maßnahmen und die Bekämpfung klassischer Umweltprobleme betrifft. In allen demokratischen Staaten hatten sich die ursprünglichen Regelungen über den Vollzug im Bereich des Umweltschutzes im Wesentlichen als unzulänglich erwiesen. Der reaktive und auf Umweltmedien bezogene Politikansatz führte über eine Symtombekämpfung zu Problemverschiebungen, nicht aber zur Ursachenbeseitigung, so dass sich der politische Druck infolge der Kritik am Staatsversagen verstärkte. In einigen Staaten wie in Japan, Indien, den USA, Schweden und Dänemark gab es zu Beginn des Jahrzehnts bereits eigene Umweltschutzgesetze; in der Schweiz war gerade ein entsprechendes Bundesgesetz in Vorbereitung. Mit diesen Maßnahmen waren Hoffnungen auf eine aktive und präventive Umweltpolitik verbunden. Volkmar Lauber (1997: 610f) unterteilt das Jahrzehnt in Österreich in die Jahre der Zuspitzung des Paradigmenkonflikts (1980 – 1984) und jene des Durchbruchs und der Euphorie (1985 – 1992). Waldsterben und das gestärkte Umweltbewusstsein erzeugten einen spezifischen Problemdruck und erzwangen eine weitreichendere Politikformulierung. Dieser Wandel lässt sich nicht prägnanter darstellen als in einer Gegenüberstellung der Vorworte der Beiratsstudien von 1976 und 1986, die schon Duschanek (1989: 448) aufgezeigt hat: In der ersten Studie war Umweltpolitik noch als „neues Feld der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen“ bezeichnet worden; in der zweiten wurde Umweltschutz bereits als ein Ziel der Wirtschaftspolitik bezeichnet, „das mit hoher Priorität zu verfolgen ist.“ Dass die Bedeutung der Umweltpolitik noch weiter ansteigen würde, war Konsens der politischen Akteure im Allgemeinen und der policy communities in den einzelnen Politikfeldern im Besonderen geworden. Seit den späten 1970er Jahren genoss Umweltpolitik auch eine hohe Priorität in der Öffentlichkeit, was weitreichendere Maßnahmen legitimierte. Von einem Nachzügler wurde Österreich binnen weniger Jahre zu einem international anerkannten Pionier mit strengen Umweltstandards und einer beachtenswerten Export orientierten Umwelttechnologie. Auch im ökologischen Landbau erlangte Österreich gegen Ende des Jahrzehnts eine führende Rolle, die bis heute gehalten und gefestigt werden konnte. Die Wahrnehmung von Umweltproblemen wandelte sich grundlegend: Nicht mehr die Unversöhnlichkeit des Gegensatzes zwischen Umwelt und Wirtschaft wurde zur Legitimierung oder Verhinderung von Maßnahmen angerufen; Wirtschaft und Umwelt wurden jetzt so interpretiert, dass es keinen Antagonismus mehr gab. Wirtschaften nehme auf die Umwelt Rücksicht bzw. könne darauf ausreichend Rücksicht nehmen, passten nur die Rahmenbedingungen und gelänge es, externalisierte Kosten zu internalisieren. Die umweltpolitische Diskussion wurde daher zunehmend als Bestandteil der wirtschaftspolitischen Diskussion aufgefasst, wobei insbesondere die Frage der notwendigen Umweltinvestitionen und deren Finanzierung an Bedeutung gewann. Eine wesentliche Voraussetzung dafür war der Wandel im Bereich der Umwelttechnologie von klassischen Reinigungstechnologien (z.B. Abluftreinigung, Abwasserreinigung, Abfallbeseitigung, Lärmschutzeinrichtungen) als nachgeschaltete Maßnahmen hin zu integrierten Verfahren durch die Entwicklung und Anwendung emissionsarmer technischer Verfahren inklusive besserer
Rohstoff- und Energieausnützung sowie von Verfahren, die Abfall- und Recyclingaspekte berücksichtigen und die gestiegene Bereitschaft von Unternehmen, ökologische Innovationen auch innerbetrieblich zu implementieren. International hatten der Ölpreisschock als externer Faktor sowie die Debatte um knappe Ressourcen entscheidend zu einer Bewusstseinsänderung und zur Suche nach alternativen Energiequellen sowie nach Energieeinsparmöglichkeiten beigetragen und den dominanten Wachstumsdiskurs um jenen um ein „qualitatives Wachstum“ ergänzt – ein Wandel der bereits in den 1970er Jahren zu einer rhetorischen Neupositionierung und programmatischen Neuausrichtung geführt hatte. In Österreich setzte sich auf bürgerlicher Seite ab Mitte des Jahrzehnts die Idee der Ökosozialen Marktwirtschaft durch, auf sozialdemokratischer Seite das Prinzip der Selbstmodernisierung der Moderne bzw. der ökologischen Modernisierung des Industriesystems. Nicht mehr die Zerstörung der Natur durch die Industrie, sondern der positive Zusammenhang zwischen ökonomischer Leistung und ökologischer Verbesserung wurde in diesen beiden im Großteil sehr ähnlichen, aber dennoch konkurrierenden Paradigmen hervor gestrichen, nicht zuletzt dadurch, dass Indikatoren betont wurden, die zeigten, dass Staaten mit höherer ökonomischer Leistungsfähigkeit auch bessere Umweltwerte (z.B. Schwefeldioxid, Stickoxidemissionen, Kläranlagenanschlussquoten, etc.) aufweisen. Hierbei waren insbesondere Studien der OECD, aber auch von Politologen über die Umweltpolitik von Vorreiterstaaten bedeutend (z.B. über Japan). Darin wurde gezeigt, dass Umweltschutzinvestitionen unter gewissen Voraussetzungen gleichzeitig zu sowohl niedrigeren Umweltbelastung als auch zu verringerten Produktionskosten und zu steigender Produktivität führen können, dass diese Ziele mit end-of-pipe-treatment, also mit nachträglichem Einbau von Filtern, Reinigungs- und Überwachungsmechanismen in bestehende Anlegen nicht erreicht werden (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1986: 65). Insbesondere das Beispiel Japans zeigte seit den 1970er Jahren, dass Staaten, die zuerst ökologische Innovationen einführen, einen first-mover advantage einfahren können, der ihre Wettbewerbsfähigkeit steigert. Für Österreich zeigte eine Studie des Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 1987, erstellt vom Forschungszentrum Seibersdorf und dem Ludwig-Bolzmann-Institut für Wachstumsforschung sowie dem Institut für Umweltforschung, dass hier ein expandierender Markt Chancen für die Industrie bietet (Pohl 1987). Die Phase, in der Entwicklung mit zunehmender Umweltbelastung einherging, schien überwunden; die in den 1970er Jahren von der Ökologiebewegung heraufbeschworenen Katastrophen waren nicht eingetreten, und hinsichtlich des Übergangs zur „postindustriellen“ Gesellschaft versprachen sich viele, ein weiteres Sinken von Umweltbelastungen infolge einer Entkoppelung von Energie- und Ressourcenverbrauch einerseits und Wirtschaftswachstum andererseits. Tendenziell sollten durch die zunehmende Tertiärisierung auch die postmateriellen Werte zunehmen und den Materialismus von Gesellschaften mit niedrigerem Wohlstandsniveau überwinden helfen. Eine vorsichtige Vorreiterrolle in der Umweltpolitik sollte selbst für einen Kleinstaat wie Österreich Vorteile im internationalen Wettbewerb bieten. Bei den etablierten politischen Akteuren, insbesondere bei SPÖ, ÖVP und den Sozialpartnern, dominierte weiterhin die Überzeugung, dass die großen Umweltprobleme „nur von großen, gesellschaftlich relevanten Gruppen gelöst werden“ könnten. „Generelle Protesthaltungen“ gegen „vernünftige Investitionen im öffentlichen Bereich“ wurden v.a. als eine Bedrohung rationaler Politikplanung aufgefasst, die auf mangelnde Kenntnisse der Umweltbewegung zurückgeführt wurden (so z.B. der frühere AK-Präsident Adolf Czettel in: Wirtschaft und Umwelt 3/87: 4). Die SPÖ grenzte sich von den Grünen und Alternativen ab, „die Einzelfragen herausklauben, sie zu Symbolen hochstilisieren und sehr häufig 104
auch an irrationale Gefühle appellieren“ (SPÖ-Rednerdienst 2/1985, zit. nach Kofler/Stocker 1985: 123). Die ÖVP verwehrte sich gegen die Verabsolutierung der ökologischen Dimension. Die Wirtschaftskammer warnte vor Umweltschutzbewegungen, die emotional motiviert sind und oft von politischen Extremisten missbraucht würden, und auch der ÖGB und die Landwirtschaftskammer machten klar, wo ihre Prioritäten lagen und warnten vor „irrationaler“ Politik und „grünen Träumern“ (Benya). Der Beginn des Jahrzehnts war zunächst von einem langsameren Wirtschaftswachstum und Anzeichen einer strukturellen Krise gekennzeichnet, die zunächst zum heiß umkämpften „Mallorca-Packet“ und schließlich 1986/87 zu einer Wende in der Wirtschaftspolitik führte. Zunehmend zeigten sich strukturelle Probleme, die durch die Politik des deficit spending verschärft wurden, die Sanierung der verstaatlichten Industrie drängte sich auf die Tagesordnung und die Staatsverschuldung war gefährlich angestiegen. In der Beschäftigungspolitik blieb Österreich erfolgreich. Aufgrund der sozialpartnerschaftlichen Einkommenspolitik, die auf einer Senkung des Lohnanstiegs unter die Inflationsrate im Interesse der Beschäftigungssicherung basierte, blieb die Arbeitslosigkeit unterhalb des OECD- und EG-Durchschnitts. Das Ziel der Vollbeschäftigung wurde in Anbetracht der Entwicklungstendenzen zugunsten des Ziels einer „Sicherung eines möglichst hohen Beschäftigungsstandes“ aufgegeben. 1983 verlor die SPÖ die absolute Mehrheit, blieb aber mit 90 Mandaten stimmenstärkste Partei auf Bundesebene, die FPÖ gewann trotz Stimmenverluste ein zwölftes Mandat hinzu, die ÖVP wiederum konnte sich um 4 Mandate verbessern. Kreisky trat aufgrund dieses Wahlergebnisses zurück und Fred Sinowatz wurde Kanzler der sozialliberalen „Koalition der Verlierer“, wie die Oppositionspartei polemisierte. Unter Franz Vranitzky, ab 1986 Bundeskanzler der Kleinen Koalition, änderte die SPÖ ihren wirtschaftspolitischen Kurs und verfolgte nunmehr Teilprivatisierungen der Verstaatlichten und Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung. 1986 brachte überhaupt auf allen Gebieten des innenpolitischen Lebens Turbulenzen, die schließlich nach dem Rechtsschwenk der FPÖ, in der sich auf dem Bundesparteitag in Innsbruck am 13. September Jörg Haider in einer Kampfabstimmung gegen Vizekanzler Norbert Steger durchsetzte, zur Vorverlegung der Nationalratswahlen vom Frühjahr 1987 auf den 23. November 1986 und zur Wiederkehr der Großen Koalition führten, der nunmehr mit der Haider-FPÖ und mit den Grünen zwei Oppositionsparteien im Parlament gegenüberstanden, die wenig konsensorientiert waren und den bis dahin dominanten Politikstil scharf kritisierten. Vor dem Hintergrund einer veränderten politischen Landschaft verfolgte dann die Regierung im Rahmen eines Austeritätskurses zwei Schwerpunkte: Budgetkonsolidierung und eine angebotsorientierte Strukturpolitik. In Österreich kam es zur Erreichung der wirtschaftspolitischen Ziele in den 1980er Jahren zwar nicht zu einer Wende zum Neoliberalismus, trotzdem bedeutete der Wandel in der Wirtschaftspolitik eine Abkehr von Konzepten des planenden und intervenierenden Staates hin zu marktwirtschaftlichen Lösungsvorschlägen (Privatisierung, Anreize, etc.). Auf die Umweltpolitik wirkte sich die Verlangsamung des Wachstums zunächst auf die Frage, ob Umweltpolitik Arbeitnehmer freisetzt oder einen positiven Beitrag zur Lösung des Beschäftigungsproblems bringt, sowie nach den Verteilungswirkungen einzelner Maßnahmen aus. Damit stellte sich auch die Frage nach den umweltpolitischen Instrumenten und nach der Bedeutung des Verursacher- und Gemeinlastprinzips umfassender (Glatz/Meißner 1983). Ab Mitte der 1980er Jahre wurden dann Forderungen nach einem verstärkten Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in der Umweltpolitik erhoben. Denn es gab bereits eine Vielzahl umweltschutzrelevatner Gesetzt, denen jedoch ein erhebliches 105
Vollzugsdefizit gegenüberstand. Von der Wirtschaftsseite und der ÖVP wurden darüber hinaus Forderungen nach Entbürokratisierung, Deregulierung und Privatisierung lauter.
4.1 Österreich auf der Nachholspur Die 1980er Jahre begannen im Umweltbereich mit mit einer strategischen Neuausrichtung des BMGU sowie mit einer Reihe von Maßnahmen oder zumindest Ankündigungen, und gleichzeitig zeigten sich zunehmend die Wirkungen der Maßnahmen, die im vorangegangenen Jahrzehnt getroffen oder eingeleitet worden waren. Österreichs Umweltbilanz war damit im internationalen Vergleich mit anderen OECD-Staaten teils günstiger, teils schlechter; insgesamt nahm Österreich bereits eine Position im oberen Bereich ein – so urteilte zumindest 1982 die OECD im „Second OECD-Report on the State of the Environment“ (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1986: 39ff.). Nichtsdestotrotz gingen Prognosen von einer weiteren Verschlechterung der Umweltsituation sowohl international als auch für Österreich aus. Der sechsbändige Umweltbericht, den Umweltminister Steyrer 1981 vorlegte, stellte jedenfalls „der bisherigen Politik auf diesem Gebiet ein denkbar schlechtes Zeugnis aus“ (Die Furche 05.08.1981: 1). Die Luftverschmutzung hatte zugenommen, die Reinhaltung und Sanierung der Fließgewässer war unbefriedigend, der Bodenverlust wurde auf täglich 35 Hektar geschätzt und rund zwei Prozent der forstwirtschaftlich genutzten Flächen waren durch Industrieabgase geschädigt. Jedenfalls stand fest, dass die Gesetzgebung den Problemen und v.a. auch den Entwicklungen in anderen Staaten deutlich hinterherhinkte. Sektionschef Herb Pindur (1980: 9) urteilte in aller Härte: „Alle mit Österreich vergleichbaren Staaten tun mehr für den zielstrebigen Umweltschutz als diese Republik. Selbst internationale Wirtschaftsvereinigungen verlangen von ihren Mitgliedsstaaten Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, die in Österreich bis jetzt als politisch nicht machbar, weil wirtschaftlich nicht zumutbar gelten.“
Die zentralen Aufgabenbereiche der Umweltpolitik der 1980er Jahre wurden zunächst aus einem internationalen Rechtsvergleich gezogen. Österreich sollte nach Ansicht des Umweltressorts v.a. durch ein eigenes Umweltschutzgesetz seinen Nachholbedarf erfüllen. In der Regierungserklärung vom 19. Juni 1979 hatte Kreisky Umweltschutz besondere Bedeutung beigemessen und erklärt, dass die bestehende zersplitterte Kompetenzverteilung, eine befriedigende Lösung der anstehenden Probleme erschwerte und dass v.a. in den Bereichen Luft, Lärm und Abfallwirtschaft bundesstaatliche Kompetenzen notwendig waren (in: Österreichische Jahrbuch 1979: 76). Diesen Mangel und den daraus resultierenden Handlungsbedarf beschrieb Herbert Salcher, Umweltminister zwischen 1979 und 1981, damals folgendermaßen: „Dem Umweltschutz fehlt in Österreich der richtige Stellenwert, er ist zu einem Nebenprodukt degradiert. Die vollständige Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes in den »Materiengesetzen« entspringt heute mehr dem Zufall als einem in der Verfassung niedergelegten politischen Wollen. In der Bundesverfassung wäre daher festzulegen, dass der Umweltschutz Bundessache in der Gesetzgebung und Vollziehung nicht nur als indirekter Ausfluss von Bundeskompetenzen in anderen Rechtsmaterien sein soll, sondern auch in allen Umweltschutzangelegenheiten, die über den Bereich einzelner Gebiete der Verwaltung oder über das Landesgebiet hinausgehen. Auf
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diese Weise entstünde die Voraussetzung für das […] dringlich urgierte Bundesumweltschutzgesetz, das andernfalls keine verfassungsrechtliche Grundlage hätte“ (Salcher 1980a: 326).
Besonders dringlich galten Salcher damals v.a. ein Arzneimittelgesetz und ein Umweltchemikaliengesetz. Darüber hinaus strebten die Sozialdemokraten weiterhin Harmonisierungen von Auffassungen und Vorgangsweisen zwischen Länder- und Bundeskompetenzen an. Die Lösung von Vollzugsproblemen versprach sich die Bundesregierung nicht zuletzt aus unmittelbaren Entscheidungs- und Mitbestimmungsbefugnissen für das Umweltressort, wobei der Umweltminister betonte, dass man dadurch keinesfalls in das Extrem fallen werde, alle anderen Sachgebiete dem Umweltschutz unterzuordnen: „Die ausgewogene Einbindung des Umweltschutzes in die bestehende Rechtsordnung stellt eine der wichtigsten Aufgaben des nächsten Jahrzehnts dar. Eine Überbetonung des Umweltschutzes würde dabei jedoch ebenso schaden wie seine bisherige Unterbewertung“ (Salcher 1980a: 328).
Angesichts des fehlenden politischen Gestaltungswillens seitens der Parteien, der mühsamen und sich hinauszögernden Verhandlungen mit den Bundesländern und anderen Ressorts, des misslungenen Versuchs, eine starke Umweltlobby zu schaffen, den Lehren aus den eigenen Fehlern sowie aus den hohen und wachsenden öffentlichen Erwartungen an die Umweltpolitik änderte das BMGU in den 1980er Jahren die Strategie: „Was tut man da, in so einer Situation? Man stürze sich auf Gebiete, die einen Regelungsbedarf aufweisen und wo es bisher nichts gegeben hat – da kann niemand aufschreien, dass man ihm etwas wegnimmt“, lautete das neue Credo im Umweltressort (Interview Bobek 04.10.2000).
Im Auffinden von legislativen Lücken, für die es bisher keine umfassenden Gesetze gab, war das Umweltministerium in Kooperation mit dem ÖBIG in der Folge sehr erfolgreich, wobei die Initiative zunächst von der Administration ausging und dann Eingang in die Programmatik der politischen Parteien fand. „Und ich habe etwas gemacht, was heute noch im Ministeriengesetz ist, ich habe gesagt, wir werden uns wenigstens das sichern, was die anderen nicht haben – da wird niemand etwas dagegen haben. Da habe ich erfunden die allgemeinen Angelegenheiten des Umweltschutzes, die Umweltverträglichkeitsprüfung, den Umweltanwalt, den Immissionsschutz. Bevor wir den anderen etwas wegnehmen, holen wir uns das, was die gar nicht haben“ (Interview Schäfer 04.10.2000).
Die neue Strategie stellte Sektionschef Herb Pindur (1980) im Rahmen der Publikationsreihe „Beiträge. Umweltschutz. Lebensmittelangelegenheiten. Veterinärverwaltung“ des BMGU vor. Dieses „Pindur-Konzept“ war, wie Umweltminister Herbert Salcher in seinem Vorwort schrieb, „von einer realistischen Beurteilung der innenpolitischen Ausgangsbasis geprägt“ und entsprach den „Auffassungen vom kooperativen Bundesstaat“. Konkrete Vorschläge enthielt die Strategie zur Emissionsbegrenzung, zum Immissionsschutz, zur einheitlichen Datenerfassung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Umweltanwaltschaft, Abfallwirtschaft, zu einem Umweltchemikaliengesetz sowie zur Zusammenarbeit mit ausländischen und internationalen Umweltschutzeinrichtungen. Desweiteren beinhaltete die Strategie Entwürfe für die Schaffung eines Umweltanwalts, eine Vereinbarung zur Emissionsbegrenzung, zur Immissionsbegrenzung, über die Messung von Umweltparametern, über Umwelt107
verträglichkeitsprüfungen sowie über die Wahrnehmung der Umweltinteressen im Verwaltungsverfahren. Einen wichtigen Meilenstein der österreichischen Umweltpolitik markiert das Dampfkessel-Emissionsgesetz aus dem Jahr 1980, das erste Umweltgesetz Österreichs, in dem das vom BMGU vertretene Konzept der Doppelstrategie Emissionsprinzip nach dem Stand der Technik und Immissionsbegrenzung sowie das Prinzip der Prävention verwirklicht werden konnte. Auch hier stand ähnlich wie bei anderen Vorhaben im Umweltschutz die Bundeskompetenz keineswegs außer Frage, denn die Länder sahen sich lange Zeit im Besitz der Kompetenz eine Art. 15a Vereinbarung über kalorische Kraftwerke abzuschließen. Das DKEG war heftig umstritten. Das Begutachtungsverfahren des Gesetzes hatte schon 1976 begonnen, der ursprüngliche Entwurf wurde aber unter dem Eindruck der Zwentendorf-Volksabstimmung nochmals verändert. Der von den Sozialpartnern abgesegnete Entwurf wurde als Initiativantrag von SPÖ-Abgeordneten eingebracht, im Bautenausschuss durch einen SPÖ-Abänderungsantrag nochmals maßgeblich abgeändert und schließlich mit den Stimmen der SPÖ und FPÖ und gegen die Stimmen der ÖVP beschlossen. Die ÖVP vertrat die Position der Bundeswirtschaftskammer und betrachtete das DKEG als überzogen, wirtschaftsfeindlich und als ein „Arbeitsplatzvernichtungsgesetz“, weil es eine Beschränkung von Emissionen auch dann vorsah, wenn keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung gegeben war (V. Lauber 1997: 610f.). Die Begrenzung der Emissionen nach dem Stand der Technik erschien dieser Koalition ebenfalls bedrohlich, da die Industrie damit gezwungen würde, noch nicht überprüfte Technologien anzuwenden. Auch die Möglichkeiten zur Altanlagensanierung wurden anders bewertet. Zwar beinhaltete das Gesetz eine Übergangsfrist für die Sanierung von Altanlagen von fünf Jahren und durch einige Ausnahmen über Sondergenehmigungen auch länger, die Gegner hielten diese Maßnahme dennoch für wirtschaftlich nicht verkraftbar und argumentierten zudem, dass das Gesetz durch die Beschneidung von Länderkompetenzen verfassungswidrig wäre. Die Arbeiterkammer kritisierte den Stand der Technik in der Definition des DKEG ebenfalls, weil es hier mit der Festlegung auf Technologien, die ihre Funktionstüchtigkeit im Dauerbetrieb erwiesen haben, „nicht die Realisierung fortschrittlicher neuer Technologien, sondern die Festschreibung vorhandener Technologien“ bedeutete (Glatz/Hein 1984: 5). Die BRD hatte in der Luftreinhaltepolitik damals bereits eine weitreichendere Definition ihrer Gesetzgebung zugrunde gelegt, in der vom Stand der Wissenschaft und Technik gesprochen wurde und die es auch ermöglichte, dass nicht erst eine Demonstrationsanlage im großtechnischen Maßstab für den jeweiligen Anwendungsfall betrieben werden musste, sondern dass auch noch nicht abschließend betriebserprobte Maßnahmen als dem Stand der Technik entsprechend angesehen wurden (Wegscheider 1984: 28; Glatz/Hein 1984: 5). Insgesamt war das DKEG der österreichische Beitrag zur Erfüllung der in der 1979 von allen Staaten Europas unterzeichneten „Konvention über weiträumige grenzüberschreitende Umweltverschmutzung“ vorgesehenen Verpflichtungen. Zunächst war es jedoch noch ein wirkungsloses Instrument, das erst noch durch den Erlass von DurchführungsVerordnungen ergänzt werden musste, damit die Verwaltungsbehörden die ihnen aufgetragenen umweltpolitischen Maßnahmen durchführen konnten. Das Prinzip des Stands der Technik wurde im Rahmen einer Novelle 1981 auch in die Gewerbeordnung aufgenommen. Darin wurde so wie auch im DKEG für die Bestimmung des Standes der Technik festgehalten, dass die Behörden auf vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen Rücksicht nehmen müssen. Im erläuternden Bericht des Bautenausschusses wurde präzisiert, dass sichergestellt werden müsse, dass nicht der Ein108
satz von unerprobten oder wirtschaftlich untragbaren Mitteln verlangt wird und dass auf die Angemessenheit der zur Erreichung des angestrebten Erfolges einzusetzenden Mittel Betracht zu nehmen ist (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1986: 91). Die hiermit formulierte Einschränkung war im Vergleich zu den Definitionen im bundesdeutschen Immissionsschutzgesetz oder im Schweizerischen Umweltschutzgesetz weniger streng, was Kritik seitens der Umweltbewegung und der AK auslöste, die nicht nur eine strengere Definition des Standes der Technik sondern auch die Verwirklichung des Vorsorgeprinzips verlangten (z.B. Katzmann 1986a: 45). Der Stand der Technik war ein Prinzip, dass sich insbesondere im deutschsprachigen Raum durchgesetzt hat. Gemeinsam mit dem Begriff der „Verhältnismäßigkeit“ bildet es den Kern der österreichischen Gesetzgebung im Bereich der Luftreinhaltepolitik. Die Definition des Begriffs Stand der Technik ist von wirtschaftlichen Überlegungen abhängig, denn wenn eine Technologie wirtschaftlich nicht „verkraftbar“ gilt, entspricht sie nicht dem Stand der Technik. Es handelt sich dabei somit nicht um eine ingenieurwissenschaftliche Tatsachenfeststellung, sondern um ein Ergebnis eines Abwägungsprozesses, das nicht unbedingt den Interessen des Umweltschutzes dienen muss. Denn wenn die Auflagen für Verursacher umso restriktiver ausfallen, je fortschrittlicher der Stand der Technik anerkannter Methoden sind, dann haben diese ein starkes Motiv, sich gegen den technischen Fortschritt zu sträuben, statt ihn zu fördern. Die Politik des Standes der Technik verzögert daher aufgrund der Anreizstruktur die Ersetzung alter umweltintensiver Anlagen. „Die Rolle des Motors des technischen Fortschrittes wird bei diesem Arrangement den staatlichen Stellen und den Firmen der ‚Umweltschutzindustrie’ zugewiesen. Der Verzicht auf das kreative Potenzial der Verursacher bedeutet, dass das Ausmaß des technischen Fortschrittes hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Außerdem wird die Richtung des technischen Fortschrittes durch die große Bedeutung verursacherexterner Innovatoren zugunsten von ‚end of pipe’-Techniken beeinflusst“ (Endres 1989: 410).
Durch diese Festlegung ist die Politikformulierung weitestgehend auf Expertendiskurse über technischen Fortschritt verlagert. Die Ergebnisse werden als vernünftiger Interessenausgleich im Rahmen von Sachzwängen interpretiert, die durch Verhandlungsprozesse zwischen Ministerien und Industrie einerseits und interministerielle Abstimmungen andererseits zustande kommen. In der Praxis brachten die Betriebe in Genehmigungsverfahren immer wieder Standort-, Wettbewerbs- und Arbeitsplatzargumente vor, um Sanierungsmaßnahmen und Umweltschutzauflagen abzuwenden, abzuschwächen oder hinauszuzögern. Die Konsequenz daraus waren oft heftige Konfrontationen zwischen Luftverschmutzern und Anrainern und Umweltbewegungen (NGOs, Bürgerinitiativen, etc.), in denen letztere oft sogar Betriebsschließungen forderten und die Behörden heftig für ihr Nachgeben kritisierten. Einige dieser Konflikte (z.B. Papierindustrie, Heizkraftwerke, etc.) zogen sich über Jahrzehnte und beinhalteten oft neben der Luftreinhaltepolitik auch den Gewässerschutz. In Einzelfällen wurden auch Gerichte eingeschaltet, um über eine „vorsätzlich umweltkriminelle Handlungsweise“ eines Emittenten oder über den Vorwurf einer Vernachlässigung der Beamtenpflicht und Diensteidverletzung zu urteilen (z.B. im Fall der Halleiner Papierfabrik 1984/85; Pesendorfer 2001: 364f). Dem DKEG folgten zwei Durchführungsverordnungen (DVO), die erste 1982, die zweite 1984. Die Kompetenz dafür lag beim Bundesministerium für Bauten und Technik, das dafür Einvernehmen mit dem BMGU und dem Handelsministerium herstellen musste. Damit wurde der maximal zulässige Schwefelgehalt im Heizöl mittels Grenzwerte festge109
legt. Schwermetallgrenzwerte wurden nur für Müllverbrennungsanlagen vorgeschrieben. Mit den Ergebnissen der 1. DVO waren damals weder das Bautenministerium noch die Umweltschützer zufrieden. Das BMGU nahm daher Verhandlungen mit den anderen Ministerien und den Interessenvertretungen auf und veranlasste das Bautenministerium zu einem Entwurf der 2. DVO, der sich dann an der bundesdeutschen Gesetzgebung orientierte. Hinsichtlich des Schwefelgehalts des Heizöls kam es zu intensiven Verhandlungen zwischen Handels- und Bautenministerium, Sozialpartner und dem österreichischen Hersteller und Hauptanbieter, der staatlichen ÖMV. Während die Arbeiterkammer und die Landwirtschaftskammer dem Entwurf der 2. DVO zustimmten, strengere Emissionsgrenzwerte forderten und dabei vom BMGU unterstützt wurden, lehnte ihn die Wirtschaftskammer und das Handelsressort ab. Schließlich wurde ein sozialpartnerschaftlicher Kompromiss formuliert (Guggenberger 1991: 41f.). Das Ergebnis rief neuerlich Kritik der Umweltschützer hervor. Kofler/Stocker (1985: 134f.) kritisierten aus umweltpolitischer Sicht das teilweise Fehlen von Grenzwerten, die Höhe der Grenzwerte in einzelnen Bereichen (im internationalen Vergleich), die Behandlung von Altanlagen sowie die Definition des Standes der Technik. Für die Industrie hat der „Stand der Technik“ als zentraler Bestandteil der Luftreinhaltepolitik längst die anfangs vorhandenen Ängste verloren. Denn „der ist meistens so, wie der Firmenchef dem staatlichen Inspektor unter Aufbietung aller Künste der Gastfreundschaft zu erklären imstande ist“ (Das Österreichische Industriemagazin Oktober 2000). Im Januar 1981 wurde der Dermatologe Dr. Kurt Steyrer Salchers Nachfolger. Steyrer war damals seit Jahrzehnten Mitglied der Sozialistischen Ärztevereinigung und langjähriger ehrenamtlicher Funktionär der Wiener Ärztekammer; ab 1975 war er Nationalratsabgeordneter gewesen. 1985 trat er als Umweltminister zurück, nachdem er von seiner Partei als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden war. Dem Journalisten Peter Michael Lingens (1986) zufolge war er in der Umweltpolitik noch unfähiger als die erste Umweltministerin Ingrid Leodolter, weil er jeden Konflikt und jede Entscheidung vermieden habe. Kofler/Stocker (1985: 124) sahen die Widersprüche zwischen sozialdemokratischer Programmatik und den Zwängen der Regierungspolitik besonders deutlich in der Person des Umweltministers: „Die SPÖ geht […] von einem sehr weiten Umweltbegriff aus, der allerdings in der konkreten Realität nicht umgesetzt wird. Es dominieren der Appell an die Realität, der Hinweis auf die weitreichenden Maßnahmen und ganz besonders der Verweis darauf, dass nur eine große Partei wie die SPÖ die notwendige Versöhnung von Umwelt und Wirtschaft schaffen könne. […] Steyrer ist ein überzeugter Kämpfer für eine wirkungsvolle Umweltpolitik und betont immer wieder, diese sei die beste Vorsorgemedizin. Gleichzeitig verweist er wie eine tibetanische Gebetsmühle ununterbrochen auf Erfolge, die bei näherem Hinsehen keine sind, bezeichnet Österreich einmal als ‚Umweltpionier’, dann wieder als ‚Musterschüler’ und blockt Kritik an der Umweltpolitik mit Hinweisen auf den Katalysator oder die Senkung der SchwefeldioxidEmissionen ab.“
Steyrer formulierte die „Erhaltung und Verbesserung“ der Umweltbedingungen als Ziel: es gelte „den allgemeinen Fortschritt […] in Bahnen zu lenken, die unsere eigenen Lebensmöglichkeiten und die unserer Kinder und Kindeskinder nicht beeinträchtigen und zerstören sondern diese sichern“ (Steyrer 1984: VII). Jedenfalls sah er es als „das Schicksal des Politikers und der ihm zuarbeitenden Bürokratie“ an, „sich auch bei vorgeschlagenen Lösungen am politisch – vielleicht – Realisierbarem orientieren zu müssen“, also „harte Bretter mit Beharrlichkeit und Augenmaß zu bohren“ (ib.: VIII). 110
1981 wurden die Zuständigkeiten des BMGU im Zuge einer Novelle zum Bundesministeriengesetz erweitert (BGBl. 265/1981). Der Nationalrat hatte bereits 1976 und 1979 in Entschließungen betont, dass Kompetenzerweiterungen notwendig wären. Das BMGU erhielt nun die Kompetenzen zur Wahrnehmung der „Allgemeinen Angelegenheiten des Umweltschutzes“. Darunter fielen insbesondere allgemeine Angelegenheiten des Immissionsschutzes (z.B. Smogalarm), Umweltanwaltschaft, allgemeine Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung, das Mess-, Auswerte- und Dokumentationswesen auf dem Gebiet des Umweltschutzes und die Ausbildung des Personals der öffentlichen Umweltschutzverwaltung. Die bedeutsamsten materienspezifischen Umweltschutzzuständigkeiten blieben jedoch weiter in anderen Ressorts verankert. Zwar galt es hier in den einschlägigen Gesetzen auf umweltpolitische Belange Bedacht zu nehmen. Forderungen nach institutioneller Absicherung, die dies garantieren hätten können, wurden aber nicht umgesetzt. Hintergrund dieser Entwicklung war die Erkenntnis im BMGU, dass man mit der Koordination von Bestehendem nicht weiter kommt und dass neue Normen in bestehenden Rechtsmaterien geschaffen und bestehende Lücken durch neue Gesetze gefüllt werden müssen. Daraus sollte sich ein eigenes kohärentes Gebiet des besonderen Verwaltungsrechts herausbilden. Der entsprechende Handlungsdruck war von einem geschärften ökologischen Bewusstsein der Öffentlichkeit, einer wachsenden Kritik an Staatsversagen in der Umweltpolitik und weitgehend symbolischer Politik sowie einer zunehmenden Unübersichtlichkeit der Rechtslage im Umweltschutzbereich ausgegangen. Recht wurde in der Folge zunehmend als „soziale Technik“ aufgefasst, „welche die Durchsetzung umweltpolitischer Zielvorstellungen und umweltbewussten sozialen Handelns ermöglichen oder verhindern kann“ (Mörth/Wagner 1984: IX). Mit der Schaffung einer Bundeskompetenz hinsichtlich des Immissionsschutzes sollten die Grundlagen für weitere emissionsorientierte Maßnahmen geschaffen werden. Auf der Grundlage der Kompetenzausweitung des BMGU legte Umweltminister Steyrer im September 1981 eine „Umweltschutzinitiative 1981“ vor, die von der Bundesregierung zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. Darin waren folgende Gesetzesentwürfe vorgesehen: Bundesimmissionsschutzgesetz, Bundesgesetz über die Sonderabfallbeseitigung, Bundesgesetz über die Umweltanwaltschaft, Bundesgesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Umweltkontrolle und Strahlenschutz. Darüber hinaus arbeitete das Ministerium an einem Chemikaliengesetz: Steyrer sprach sich zudem für eine prinzipielle Stärkung des Vorsorgeprinzips aus (Wiener Zeitung 11.10.1981: 2). Zu den neuen Bereichen, die das BMGU erfand, „wo man anderen nicht auf die Zehen steigt, wo man aber auch nützlich ist“ (Interview Bobek 04.10.2000), zählten auch finanzielle Anreize: Die Bundesländer-Geräte-Aktion (der Bund stellte den Ländern Geräte zur Verfügung und wurde über die Ergebnisse informiert) wurde gestartet und 1983 ein Umweltfonds geschaffen, der die Förderungen von Maßnahmen zum Schutz des Menschen und seiner Umwelt gegen Gefährdungen und unvermeidbare Belästigungen durch Luftschadstoffe, Lärm und Sonderabfälle bezweckte (Christian/Welan 1985: 292). Mit dem Umweltfonds, der zur Unterstützung von Investitionen in Privatbetrieben eingerichtet wurde und mit 1. Januar 1984 seine Arbeit aufnahm (Umweltfonds-Gesetz, BGBl. 567/83), konnte der international bescheidene Anteil von Umweltschutzinvestitionen durch Förderungen vergrößert werden. Der Fonds sollte insbesondere Investitionen zur Luftgütesanierung, Lärmbekämpfung und Sonderabfallentsorgung ermöglichen bzw. beschleunigen und über die Förderung von Pilotanlagen Innovationen unterstützen. 111
Mit der Novelle der Gewerbeordnung wurden Emissionsbegrenzungen nach dem Stand der Technik vorgeschrieben. Mit dieser Novelle wurde die Gewerbebehörde ermächtigt, selbst nach Genehmigung einer Betriebsanlage nachträgliche Polizeiverfügungen zum Schutz der Umwelt und nach dem Stand der Technik zu erlassen (V. Lauber 1997: 611). Das Sonderabfallgesetz 1983 und das Waschmittelgesetz 1984 oder das Chemikaliengesetz, mit dessen Entwurf 1982 die Diskussion um eine Chemiepolitik eingeleitet worden war, waren Ergebnisse der Strategie des BMGU, legislative Lücken zu füllen. Das Sonderabfallgesetz wurde im Nationalrat am 2. März 1983 einstimmig beschlossen, nachdem es schon Jahre lang angekündigt worden war. Der Entwurf des BMGU war von der Wirtschaft abgelehnt worden; die Wirtschaftskammer bezweifelte in der Stellungnahme auch die Zuständigkeit des BMGU. Um das Gesetz dennoch durchzubringen, musste es entschärft werden. Mit 1. Januar 1984 trat es in Kraft. Es regelte die Erfassung von Sonderabfällen sowie die Einfuhrmodalitäten, enthielt jedoch keine speziellen Regelungen für gefährliche Sonderabfälle. Zur Durchführung des Gesetzes fehlten auch noch die entsprechenden Sonderabfallentsorgungsanlagen. Das Waschmittelgesetz 1984 (BGBl. 300/1984) war ein weiteres Gesetz in der Kompetenz des BMGU, das den Entwurf dazu im Frühjahr 1983 zur Begutachtung ausgesendet hatte. Ein solches Gesetz war bereits 1969 im „Humanprogramm“ der SPÖ als „dringlich erforderlich“ gefordert worden. In den 1970er Jahren gelang lediglich eine Absprache zwischen dem Handelsministerium und der Waschmittelindustrie „mit dem Inhalt, dass schwer abbaubare Detergentien nicht in Waschmitteln enthalten sein sollten“ (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1986: 186). Das Bundesgesetz sollte nun eine Verminderung des Phosphatgehalts in Wasch- und Reinigungsmitteln gesetzlich vorschreiben und damit eine spürbare Verminderung der Belastung der Oberflächengewässer bringen. Mit großer zeitlicher Verspätung wurde nun im Wesentlichen die Entwicklung in Deutschland und in der Schweiz nachvollzogen, was deswegen sinnvoll war, weil Österreich in diesem Bereich kaum eine eigene Produktion hatte und die Waschmittelindustrien der beiden Staaten den österreichischen Markt beherrschten. Das Ergebnis brachte in diesen Ländern die Substitution jener Inhaltsstoffe und Substanzen in Waschmitteln, für die die Industrie teils in Kooperation teils in Konflikt mit den Umweltbehörden weniger gefährliche Ersatzstoffe gefunden hatte. Auslöser waren hierzu die breite Phosphatdiskussion und der Druck aus dem Gewässerschutz und Fremdenverkehrssektor, die seit den 1960er Jahren der Waschmittelindustrie international erhebliche Imageprobleme beschert hatten. Von der Regulierung profitierten insbesondere die großen Hersteller, die sich die Substitute leisten und durch die Regulierung kleinere Konkurrenten vom Markt verdrängen konnten. Die Ersatzstoffe wurden von ihnen unter starken öffentlichen Druck seitens der Medien und teils auch von NGOs in Kooperation mit universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und mit den Umweltbehörden entwickelt. Dem Waschmittelgesetz folgte in Österreich 1987 eine Verordnung über den Phosphatgehalt und die Abbaubarkeit bestimmter Waschmittelinhaltsstoffe (BGBl. 239/1987). Dieser Regulierung war eine Eigeninitiative der Industrie vorangegangen, die sich erst gar nicht einer weiteren Angriffsfläche aussetzen, sondern gleich den ersten Schritt setzen wollte und freiwillig darauf verzichtete, bestimmte Stoffe in Haushalts- und Gewerbewaschmitteln einzusetzen. Mit der Verlagerung der Betrachtungsweise auf die Abbaubarkeit von Chemikalien und deren Bioakkumulation ging ein Wandel zur Stoffpolitik und zur Betrachtung von Stoffströmen von der Quelle bis zur Senke einher, der sowohl aufseiten der Hersteller als auch der Umweltbehörden zu einer veränderten Sichtweise geführt hat. Insgesamt übernahmen die Schweiz, die Bundesrepu112
blik Deutschland und Österreich damit eine Vorreiterrolle in diesem Bereich, wobei man im Falle Österreichs aufgrund der Marktstrukturen teilweise auch von „Gratiseffekten“ sprechen kann (vgl. Pesendorfer 2002: 296f.). Noch in der ersten Hälfte der 1980er Jahre wurde mit der Staatszielbestimmung „umfassender Umweltschutz“ eine Art verfassungsrechtliche Umweltdeklaration geschaffen. Das entsprechende Bundesverfassungsgesetz vom 27. November 1984 lautet: „Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz. Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm“.
Diese Deklaration kann zwar nicht individuell eingefordert werden, es kommt ihr aber eine erzieherische Bedeutung zu (Onz 1992: 57). Die erste Hälfte der 1980er Jahre war von Konflikten im Umweltbereich geprägt, die insbesondere daran entbrannten, dass sich die Politik noch nicht auf wirksame Umweltschutzgesetze einlassen wollte, sondern weiter halbherzige Lösungen und Ansätze im Rahmen von Einzelgesetzen implementierte. Dies drückte sich darin aus, dass zentrale Gesetzesvorhaben über Jahre in Expertengremien diskutiert wurden und größtenteils auf heftige Widerstände seitens der Wirtschaftsseite stießen. „In keiner Rede Steyrers fehlt der Hinweis auf die zahlreichen geplanten Vorhaben, die aber meist schon seit Jahren öffentlich diskutiert werden. Steyrer hat die selbstkritischen und weitreichenden Vorschläge seiner Anfangsphase weitgehend abgelegt und sich mehr und mehr zum bloßen Exekutor der Regierungspolitik entwickelt“ (Kofler/Stocker 1985: 124).
Im Gegensatz zur Anfangsphase der Umweltpolitik, die mit Vollbeschäftigung und Hochkonjunktur zusammengefallen war, sah sich die Umweltpolitik nun mit einer beginnenden Rezession konfrontiert. Damit rückten Fragen nach den Auswirkungen umweltpolitischer Maßnahmen auf die Beschäftigung noch stärker als bis dahin in den Vordergrund. Vonseiten der Wirtschaft wurde vor diesem Hintergrund zunehmend argumentiert, dass Umweltschutz nicht auf Kosten der wirtschaftlichen Leistungskraft gehen dürfte. Umweltpolitik müsste „rational“, Maßnahmen wirtschaftlich machbar und technisch möglich bleiben, und die Kosten für Umweltschutz sollten „alle Bürger“ tragen. Hinsichtlich der eigenen Umweltschutzinvestitionen forderte die Wirtschaft Förderungen für Investitionen und Forschung. Im Bereich der Politikformulierung war die Wirtschaftsseite bemüht, „alle Belastungen für die Wirtschaft zu vermeiden, möglichst viele Ministerien und die Sozialpartner einzuschalten, eine eigenständige österreichische Umweltpolitik abzulehnen oder auch Transparenz zu verweigern“ (ib.: 130).
4.2 Umweltpolitische Positionen der Parteien am Beginn der 1980er Jahre Am Beginn der 1980er Jahre herrschte im umweltpolitischen Diskurs die Ansicht, dass die Bilanz der Umweltsituation nach einem Jahrzehnt Umweltpolitik in vielen Bereichen erschreckend war und zahlreiche Probleme nicht ab-, sondern zugenommen hatten (Chemikalien, giftige Abfälle, Lärm, Landschaftszerstörung, etc.). Diese Wahrnehmung führte auch zu Instabilitäten des Parteiensystems, das nun zunehmend in eine Legitimationskrise geriet, 113
sowie zu einer Wählerprotestkultur. Die Unzufriedenheit mit den traditionellen Parteien lag freilich nicht nur an der Umweltproblematik, wenngleich die Forderung nach Umweltschutz zunehmend jener nach Arbeitsplatzsicherung den ersten Rang streitig machte. Das gesamte politische System erzeugte ein Unbehagen und Misstrauen gegenüber den zentralen Institutionen, der Art und Weise, wie Politik hinter verschlossenen Türen, in engen sozialpartnerschaftlichen Netzwerken und in policy communities gemacht wurde. Vor diesem Hintergrund, den Anzeichen eines Rückgangs politischer Loyalitäten, dem Wertewandel und der in Meinungsumfragen attestierten gestiegenen und weiter zunehmenden Sensibilität in Umweltfragen formulierten die drei im Nationalrat vertretenen Parteien vor den Wahlen 1983 umweltpolitische Positionen. Die SPÖ hatte auf Beschluss des Bundesparteivorstandes eine Arbeitsgemeinschaft Ökologie unter der Leitung des Umweltministers Steyrer eingerichtet. Der Biologe Michael Häupl (1981), damals Landesobmann der Jungen Generation Wien und Mitglied des Parteivorstandes der SPÖ-Wien, hatte bereits davor in der „Zukunft“ eine Kritik am SPÖ-Wirtschaftsprogramm formuliert, in der er Ziele einer „sozialistischen Umweltpolitik“ nannte, die über jene im Wirtschaftsprogramm (SPÖ 1981: 49f.) hinausgingen. Häupl argumentierte, dass die ökologische Frage in die Ökonomie integriert werden müsse, „um so den qualitativen Strukturwandel von einer umweltbelastenden zu einer umweltfreundlichen Ökonomie zu vollziehen“ (Häupl 1981: 29). Als Grundprinzipien der Umweltpolitik nannte er das Vorsorge-, das Maximalschutz-, das Verursacher- sowie das Kooperationsprinzip, wobei er die Ansicht vertrat, dass deren Umsetzung „das derzeitige kapitalistische Wirtschaftssystem“ sprengen würde (ib.: 31). Die „kurz- und mittelfristigen“ Maßnahmen und Instrumente, die Häupl (ib.: 32) daran anschließend forderte, waren freilich alles andere als systemsprengend und lediglich leichte Ausweitungen im Vergleich zum Wirtschaftsprogramm.20 Die rot-grüne Plattform von Josef Cap (Verbandsobmann der Sozialistischen Jugend) und Professor Paul Blau (Leiter des Referats für Umweltfragen der AK) ging jedoch dem Parteivorstand zu weit und wurde verboten (SN 20.03.1982: 4). Die Arbeitsgemeinschaft Ökologie sollte nun ein Ökologieprogramm für die Wahlplattform 1983 ausarbeiten (Cap/Häupl 1982). Dazu wurden 6 Arbeitskreise gebildet; die Ergebnisse wurden in das Wahlprogramm „Für Österreich und seine Menschen“ eingearbeitet. Aus den vorangegangenen Konflikten bei Kraftwerks- und Straßenbauprojekten hatten auch die sozialdemokratischen Umweltpolitiker die Lehren gezogen und dachten umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen, „Public hearings“ nach angloamerikanischen Vorbild, Umweltanwälte und andere Formen der Information und Mitsprache an (Salcher 1980b: 19). Mehrheitsfähig waren diese Vorschläge in der SPÖ jedoch noch nicht. Minister Steyrer kämpfte gegen die Kritiker innerhalb und außerhalb der Partei und versuchte mit Studien und in Veranstaltungen zu belegen, dass Umweltschutz nicht nur Arbeitsplätze schafft, sondern bestehende Arbeitsplätze auch sichert (z.B. Steyrer 1983; Kux/Raffer (Hg.) 1983). Diesem Thema widmete sich 20
Als konkrete Maßnahmen hatte die SPÖ im Wirtschaftsprogramm Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung entsprechend den technischen Möglichkeiten, ein Immissionsschutzgesetz mit abgestuften Grenz- und Schwellenwerten unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und internationaler Vergleichswerte, eine Umweltverträglichkeitsprüfung bei Großvorhaben, die Mitwirkung der Betroffenen am umweltpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, die Schaffung einer Umweltanwaltschaft, ein Umweltchemikaliengesetz, Maßnahmen im Bereich Luftreinhaltung, Gewässerschutz, Abfallwirtschaft, die Intensivierung der Erforschung der Umweltsituation und die verstärkte Erforschung umweltfreundlicher Technologien und Produktionsmöglichkeiten sowie eine verfassungsrechtlich verankerte Bundeskompetenz für den Umweltschutz angekündigt (SPÖ 1981: 49f.). Bei Häupl kam die Forderung nach einem „Ökoinstitut nach dem Modell in Freiburg (BRD)“ und nach einer Umweltpädagogik sowie die Schaffung von Nationalparks hinzu (Häupl 191: 32).
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insbesondere auch das Institut für Wirtschaft und Umwelt der AK unter der Leitung von Harald Glatz. Rechtzeitig für den Wahlkampf erschien dann das Buch „Rot-Grüner Anstoß“, herausgegeben von Steyrers Pressesprecherin Renate Maraschalek und dem Redakteur der Arbeiter Zeitung Peter Pelinka. Letzterer unterstrich die Bedeutung des Erscheinungstermins: „Der Wahlkampf wird neben der Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik den Umweltschutz zum zentralen Thema haben“ (Wiener Zeitung 16.02.1983: 2). Dieses Buch sollte als eine „pluralistische Studie über den Umweltschutz“ das „Gespräch mit Umweltschützern aller politischen Gruppen unterstützen“, um die „Attraktivität und Fähigkeit zur Problemlösung“ der Sozialdemokratie zu erhalten (Steyrer, zit. nach ib.). „Grüne“ Sozialdemokraten wie Steyrer oder Cap vertraten die Ansicht, dass sich die Alternativen innerhalb der bestehenden Parteien formieren sollten. Bundeskanzler Kreisky sah in einer möglichen Kandidatur grüner Gruppierungen lediglich eine gewisse „Destabilisierung des politischen Lebens“ (zit. nach präsent 10.03.1983: 3). Später wurden SPÖ-Oppositionelle wie Günther Nenning schließlich sogar aus der Partei ausgeschlossen, weil sie die Gründung von Grünparteien unterstützt hatten. Ein ausgezeichnetes Bild über die dominante Sichtweise in der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung zur Umweltpolitik und Ökologiebewegung findet sich in einem Interview der Zeitschrift industrie (12.01.1983: 15) mit dem damaligen NotenbankGeneraldirektor und „sozialistischen“ Gewerkschafter Dr. Heinz Kienzl. Während „die guten Grundideen der Grünen“ in der eigenen Tradition (Naturfreunde, Bestregungen des ÖBG zur Verbesserung der Arbeitswelt) sowie in den Leistungen der Industrie „zur Verbesserung der Arbeitswelt verortet wurden, galten große Teile der Umweltbewegung als „Agenten fremder Mächte“, „Berufsdemonstrierer“, „Karrieresüchtige“ und „Ignoranten“, „die sich an die gute und richtige Idee des Naturschutzes und der Umweltverbesserung angehängt haben und mit ihrem oft unerträglichen Fanatismus großen Schaden anrichten“. Eine besondere Bedrohung wurde in der antiindustriellen Stoßrichtung, der Technikfeindlichkeit und im Postmaterialismus der grünen Bewegung gesehen. Der Wohlfahrtsstaat habe „eine Reihe von gutsituierten Leuten in gesicherten Positionen“ hervorgebracht, „die nicht in der Produktion tätig sind“ und sogar „von jenen Steuergeldern leben, die gerade von den Menschen in der Produktion erarbeitet werden, deren Existenz sie jedoch mit ihren Ideen gefährden.“ Diese Kritik wendete sich sowohl gegen die eigenen Parteifunktionäre und Arbeiterkammer-Angestellte als auch gegen eine Reihe gut abgesicherter Universitätsprofessoren, die allesamt „weit weg vom Existenzkampf“ waren. Zugleich bestand die Hoffnung weiter, dass die Ökologiebewegung das gleiche Schicksal erleiden würde wie „die Blumenkinder, die Protestgeneration, die neue Linke und andere Bewegungen, die wir frei nach Kreisky in den letzten 30 Jahren den Fluss als Leichen hinunterschwimmen sahen.“ Die Sozialdemokraten interpretierten ihre Umweltpolitik immer noch als die einzig rationale mit „Maß und Ziel“ (ib.). Die ÖVP, in der Rolle der Opposition und aus wahltaktischen Überlegungen offener gegenüber den gesellschaftspolitischen Veränderungen, stand freilich um nichts weniger für eine „Politik mit Augenmaß“. 1981 präsentierte sie in der Reihe „Modell Österreich“ ein Programm zur Umwelt- und Energiepolitik, indem sich die Volkspartei zu einer „umfassenden Umweltpolitik“ bekannte. In diesem Programm fand sich auch ein Bekenntnis zur Bürgerbeteiligung und zur Mitwirkung der Betroffenen bei der Lösung aktueller Umweltprobleme. Umweltpolitik sollte am Ort des jeweiligen Geschehens einsetzen und auch den kommenden Generationen einen Anspruch auf einen intakten Lebensraum einräumen. Im Wahlkampf sprach sich die ÖVP für ein Immissionsschutzgesetz (die dazu erforderliche 115
Einigung zwischen Bund und Länder gab es bereits), ein Umweltchemikaliengesetz (das bereits in Ausarbeitung war), für den Aufbau einer wirksamen Umweltverträglichkeitsprüfung für Großbauvorhaben sowie für strenge nationale Schutzbestimmung für den Wald aus (W. Heinzinger, ÖVP, in: Die Furche Nr. 12., 23.03.1983: 5). In der FPÖ liefen damals programmatische Vorarbeiten zu einem neuen Parteiprogramm, das dann 1985 auf dem Programmparteitag in Salzburg beschlossen wurde (siehe unten). Nach Ansicht der Freiheitlichen hatte die Regierung „in der existentiellen Frage des Umweltschutzes versagt.“ Im Wahlkampf forderte die FPÖ ein mittelfristiges Sanierungskonzept zur Wasserreinhaltung mit Schwerpunkten bei den Fließgewässern und beim Grundwasser, Emissionsherabsetzungen und -begrenzungen in der Luftreinhaltepolitik, „die sich nicht nur nach dem Stand der Technik, sondern auch nach den Auswirkungen zu orientieren haben“, einen wirksamen Immissionsschutz, rechtlich relevante Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Errichtung einer Bundesanstalt für Umwelt- und Strahlenschutz, die die Funktion eines Umweltanwaltes des Bundes erhalten sollte, den Umstieg auf Biosprit, Maßnahmen zur Verbesserung der Möglichkeiten des Recyclings sowie die Schaffung eines Umweltschutzfonds nach dem Muster des Wasserwirtschaftsfonds (W. GrabherMeyer, FPÖ, in: Die Furche Nr. 12. 23.03.1983: 5). Vor den Nationalratswahlen 1983 legte die ÖGNU den drei im Parlament vertretenen Parteien einen Katalog mit 14 aktuellen Fragen zur Umweltpolitik vor und präsentierte die Ergebnisse in einer Broschüre (ÖGNU 1982). Alle drei Parteien bekannten sich zu einem „qualitativen Wachstum“, sprachen sich für den Immissionsschutz, für Umweltverträglichkeitsprüfungen, den Aufbau einer Anstalt als „Umweltanwalt“, die Herabsetzung des Bleigehaltes im Benzin und des Schwefelgehalts im Heizöl sowie für die Sanierung der Fließgewässer und für die Verankerung des Rechts auf eine gesunde Umwelt in der Verfassung aus. SPÖ und ÖVP traten für ein Chemikaliengesetz ein, die SPÖ vor allem auch für ein Sonderabfallgesetz. Insgesamt waren die Zielsetzungen bei allen drei Parteien also relativ ähnlich und insgesamt bescheiden, die Grundüberzeugung, dass staatlicher Umweltschutz zur Marktkorrektur notwendig und mit Augenmaß leistbar ist, hatte sich bei allen drei Parteien fest verankert und zu weitgehend gleichen Ansätzen mit unterschiedlicher Akzentsetzung geführt. Die Grünbewegungen waren Anfang der 1980er Jahre auf Bundesebene gerade erst im Entstehen. Die Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) waren die erste Grünpartei. Sie wurde im Frühsommer 1982 von führenden Exponenten der „Arbeitsgemeinschaft Nein zu Zwentendorf“ gegründet und machte den in der Zwentendorf-Kontroverse bekannt gewordenen Geologen Professor Alexander Tollmann zu ihrem Spitzenkandidaten. Mit einem kurzen Programm mit den Themenfeldern „Bürger und Staat“ und „Mensch und Umwelt“ zog sie 1983 in den Wahlkampf. Die Alternative Liste Österreichs (ALÖ), die kurz vor den Wahlen 1983 von der ebenfalls gerade erst gegründeten Alternativen Liste Graz initiiert wurde, grenzte sich von der konservativen VGÖ durch eine starke gesellschaftspolitische und -verändernde Komponente programmatisch ab. Diese Spaltung und die strukturellen Schwächen sowie knappe Ressourcen verhinderten 1983 noch den Einzug der Grünparteien in den Nationalrat; die VGÖ erzielte 1,9 Prozent, die ALÖ lediglich 1,4 Prozent der Stimmen (Dachs 1997: 305f.). Im Gegensatz zur bundesdeutschen Grünbewegung, die sich als „postmaterialistische Linke“ formiert hatte, war in Österreich eher ein „Aufbegehren der Mitte“ festzustellen, bei dem „alternative Kern- und Kadergruppen“ eine Minorität darstellten (Plasser 1985). Dementsprechend handelte es sich bei den Grünwählern um ehemalige SPÖ-, ÖVP- und FPÖ-Wähler, vor allem auch Erstwähler und ehemalige Nichtwähler. Bei 116
den Wahlen 1983 stammten 35 Prozent der Wählerstimmen für die Grün-Alternativen von der SPÖ, 30 Prozent von der ÖVP und 10 Prozent von der FPÖ (ib.: 141).
4.3 Umweltpolitische Zielsetzungen der sozialliberalen Koalition Mit dem Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ und im Zuge der Regierungsbildung kam es erstmals zu einer Kleinen Koalition, der mit der ÖVP eine relativ starke Opposition im Nationalrat gegenüberstand, die sich insbesondere auch in Abgrenzung und Anpassung an die stärker werdende Grün-Alternativ-Bewegung als „positive Alternative“ profilieren wollte. Damit gab es einerseits durch die Regierungskonstellation, andererseits durch die „unsichtbare Fraktion“ der Grün-Alternativen eine neue politische Konstellation. Die Koalitionsregierung brachte logischerweise einige personelle Veränderungen, die auch auf die Umweltpolitik einen Einfluss hatten. Die SPÖ behielt zwar das Umweltressort, das Handelsministerium ging jedoch an den freiheitlichen Norbert Steger, der zudem auch Vizekanzler wurde. Als Staatssekretär im BMGU wurde der freiheitliche Arzt Mario FerrariBrunnenfeld angelobt, sodass nunmehr auch die Freiheitlichen ihre Vorstellungen stärker in die Umweltpolitik einbringen konnten. Außenministerium, Bautenministerium, Verkehrsministerium, Finanzministerium, Landwirtschaftsministerium und Wissenschaftsministerium, die ebenfalls Kompetenzen im Umweltbereich hatten, blieben bei der SPÖ, wobei mit Finanzminister Franz Vranitzky und mit Verkehrsminister Ferdinand Lacina zwei jüngere Politiker führende Ressorts übernahmen, die als „grün“ galten. In seiner Regierungserklärung vom 31. Mai 1983 erklärte Bundeskanzler Fred Sinowatz, dass die Bundesregierung auch jene Anliegen vertreten wolle, die von Gruppierungen vertreten wurden, die den Einzug ins Parlament nicht geschafft hatten. Es gelte v.a. auch „die Zeitbombe des Versagens im ökologischen Bereich zu entschärfen und unseren Kindern Lebensräume zu hinterlassen, in denen ein glückliches, naturverbundenes Leben und Erleben möglich bleibt.“ Die Regierung bekannte sich zu einem „qualitativen Wachstum“. In der Energiepolitik sollte schwerpunktmäßig die Fernwärme ausgebaut und die Biomasse und Nutzung der Sonnenenergie gefördert werden. In der Verkehrspolitik sollte der öffentliche Verkehr attraktiver und umweltfreundlichen Verkehrssystemen der Vorrang eingeräumt werden. In der Landwirtschaft sollten ökologische Gesichtspunkte verstärkt Beachtung finden und der integrierte Pflanzenschutz weiterentwickelt werden. In der Umweltpolitik sollte der Schwerpunkt bei der Luftreinhaltung liegen. Vom BMGU sollten „entscheidende Impulse für eine verantwortungsbewusste Umweltpolitik“ ausgehen. Sinowatz betonte auch ausdrücklich, dass es zwischen Umweltschutz und Wirtschaft keine Gegensätze gebe: „Umweltschutzinvestitionen leisten auch einen Beitrag zu Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung und sind eine Zukunftschance für unsere Wirtschaft“. Eine fortschrittliche Umweltpolitik sei „ein wesentlicher Beitrag zu einer vorbeugenden Gesundheitspolitik, die sich der Verantwortlichkeit auch für kommende Generationen bewusst ist.“ Als vorrangige Ziele nannte der Bundeskanzler die Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte auch bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die Gründung eines Umweltfonds, die Sanierung umweltbelastender Altanlagen, die Verbesserung der Luftreinhaltung zum Schutz der Wälder, die verbesserte Entschwefelung von Heizöl, Dieselöl und Rauchgasen, die Herabsetzung der Emissionen von Umweltschadstoffen, eine wirksame Herabsetzung der Immissionsbelastungen durch Schadstoffe und Lärm, eine Umweltverträglichkeitsprü117
fung von Großprojekten sowie die Unterstützung der Bestrebungen zur Schaffung des Nationalparks Hohe Tauern (vgl. Österreichisches Jahrbuch 1983: 88-107). Der Bundeskanzler kündigte an, dass die „Umweltoffensive der Bundesregierung […] Schritt für Schritt […] in die Tat umgesetzt“ werde (Bundeskanzler Sinowatz im Mai 1984, zit. nach Kofler/Stocker 1985: 123). Den Regierungsplan für die kommende Umweltpolitik präsentierte Sinowatz im Oktober bei der SPÖ-Klubtagung in Villach (Arbeiter Zeitung 30.10.1984: 3). In der Folge präsentierte die SPÖ Umweltpolitik in einem gleichrangigen Stellenwert zur Wirtschafts- und Sozialpolitik und kündigte an, diesen neuen Stellenwert künftig in Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Um Umweltkonflikte friedlich zu lösen, wurde im Anschluss an den Konflikt um Hainburg (siehe unten) eine Umweltkommission angekündigt, in der neben den Sozialpartnern „engagierte, kritische, junge Experten mitarbeiten“ sollten. Freilich wurde vom Bundeskanzler gleichzeitig unterstrichen, dass man damit sicher „nicht aus der Industriegesellschaft aussteigen“ wolle (zit. nach SN 17.01.1985: 2). Im Rahmen des Konzepts „Umwelt 2000“ legte Umweltminister Steyrer „eine langfristige und nachprüfbare Richtschnur für die österreichische Umweltpolitik“ vor. Darin waren vor allem Maßnahmen gegen das Waldsterben, zur Luftreinhaltung und zur Sanierung der Fließgewässer enthalten. Gleichzeitig forcierte der freiheitliche Handelsminister Norbert Steger ein Programm zur Entwicklung von österreichischen Umweltprodukten. Dazu wurden Studien zur Erforschung der japanischen Technologien auf dem Gebiet des Umweltschutzes in Auftrag gegeben (ib.).
4.4 Das neue Grundsatzprogramm der FPÖ Die zweite Regierungspartei, die FPÖ, beschloss 1985 ihr Grundsatzprogramm, mit dem das 17 Jahre alte Bad Ischler Programm und das Freiheitliche Manifest zur Gesellschaftspolitik von 1973 abgelöst wurden. Darin wurde als Ziel der Umweltpolitik eine „ökologische Kreislaufwirtschaft“ festgeschrieben und eine „Neuorientierung der Umweltpolitik“ durch die Ausrichtung am Vorsorgeprinzip gefordert. Die Marktwirtschaft müsse „überall dort durch ordnungspolitische Eingriffe gesteuert werden, wo sie zu negativen ökologischen Folgen führt.“ Die Umweltpolitik müsse auch „für bestimmte Zeiträume ihre Ziele klar und überprüfbar vorgeben“. Dazu müssten „alle umweltpolitischen Instrumente hinsichtlich Wirksamkeit und Durchführbarkeit geprüft werden.“ Für eine effiziente Umweltpolitik wurden eine Grundkompetzenz des Bundes, eine Umweltverträglichkeitsprüfung, Technikfolgenabschätzung und Verbandsklage für anerkannte Umweltschutzverbände, eine alternative Landwirtschaft, etc. gefordert (FPÖ 1985: 11. Kapitel).
4.5 Umweltpolitische Aussagen der Opposition Hatte die ÖVP Anfang der 1970er Jahre im Salzburger Programm und im „Plan zur Lebensqualität“ noch deutliche Hinweise auf Wachstums- und negative Wachstumsgrenzen und ein Bekenntnis zu einem „qualitativen Wachstum“ formuliert und in der Folge die sozialdemokratische Umweltpolitik als unzureichend kritisiert, so verlagerte sich die Argumentation zunehmend auf das Leitmotiv „Umweltschutz durch moderne Technologien“. Zunächst legte die ÖVP (1981) die Publikation „Modell Österreich. Lebenswichtig. Unsere Umwelt. Darauf schau’n wir“ vor, in der eine neue „Umweltpartnerschaft“ „analog zur 118
Partnerschaft“ vorgeschlagen wurde, um von den zahlreichen Umweltkonflikten wegzukommen. Insgesamt vermittelte die ÖVP eine inkonsistente und widersprüchliche Haltung in der Umweltpolitik. Kofler/Stocker (1985: 125) haben dies anhand der Debatte um das „Zukunftsmanifest“ der ÖVP beschrieben: „Der erste Entwurf dieses Papiers (der am 13. Oktober 1983 vom Bundesparteitag in Baden behandelt und zur Diskussion freigegeben wurde; D.P.) enthielt sehr weitreichende Überlegungen zu Themen wie qualitativer Fortschritt, präventiver Umweltschutz etc., zusätzlich auch noch einige konkrete Ansatzpunkte. Ein ‚Gegenmanifest’ des Wirtschaftsflügels enthielt keinen einzigen konkreten Vorschlag und sieht Umweltschutz ausschließlich unter ökonomischen Prämissen – von einem geänderten Lebensgefühl, von qualitativen Zielen in der Politik ist nicht mehr die Rede: ‚Die großen Umweltschutzaufgaben können ohne Wirtschaftswachstum nicht geleistet werden… Die Sicherung einer gesunden Umwelt muss mit Methoden erfolgen, die nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gehen.’ Der Letztentwurf des Manifests vom März 1985 vertritt schließlich einen Kompromiss zwischen diesen zwei Positionen. Da wird einerseits vor einem ‚romantischen Naturverständnis’ gewarnt, andererseits wird die Parole vom Wachstum, wenn auch vom (nicht näher definierten) qualitativen, durch Umweltschutz ausgegeben. Der Entwurf enthält auch praktisch keine konkreten Vorschläge mehr.“
Insgesamt basieren die Aussagen zur Umweltpolitik im Zukunftsmanifest auf einem antropozentrischen Menschenbild und modifizierten Technikparadigma. Der Mensch könne „über die Natur hinauswachsen“, wobei „Extreme“ vermieden werden müssten, damit „die Natur dem Menschen dienen“ könne. Dabei bedarf es freilich der Technik, wobei die ÖVP hier vor allem die neuen Techniken wie Mikroprozessoren, Roboter und Biotechnik als Chance für eine „Humanisierung der Arbeitswelt“ hervorhob. „Ohne den Technikschub der Computerrevolution wäre weder eine umfassende Umweltsanierung noch die Herbeiführung einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung in absehbarer Zeit möglich“. Hochleistungstechnologien seien „der Schlüssel zum wirtschaftlichen Überleben“ (ÖVP 1985: 11). Gefordert wurden „die Erarbeitung eines umfassenden Umweltschutzkonzeptes“ und die Erstellung notwendiger „Abhilfemaßnahmen“, „ohne dass eine neue Umweltbürokratie errichtet wird“ (ib.: 12). Dabei geht das Zukunftsmanifest freilich davon aus, dass die Versäumnisse der Vergangenheit nicht radikal überwunden, sondern nur langsam, im internationalen Gleichklang und unter Berücksichtigung der „Verhältnismäßigkeit“ beseitigt werden könnten, wobei hier v.a. dem „Einzelnen“ die Verantwortung zugeschrieben wird. Aufgrund der hohen Kosten des Umweltschutzes sollten nicht nur end-of-pipe-Maßnahmen sondern auch „neue Verfahren“, „die höhere Produktivität mit geringerer Umweltbelastung verbinden“ gefördert werden (ib.). Die ÖVP war auch hinsichtlich ihres Verhaltens gegenüber der neu entstehenden Grünbewegung gespalten und schwankte aus Furcht vor einer Gefährdung des eigenen Wählerpotenzials zwischen Anpassungs- und Abgrenzungsstrategie, wobei die Hoffnung bestand, dass eine gewisse Anpassung vor allem den Sozialdemokraten schaden würde (Kukacka 1985). Der Wirtschaftsflügel hielt grüne Strömungen für ein Protestverhalten, das Probleme aufzeige, aber unfähig zu Sachlösungen wäre. Die Grünen würden die ökologische Dimension verabsolutieren und hätten eine linke gesellschaftspolitische Tendenz. Vor allem der Wiener ÖVP-Obmann (und spätere Vizekanzler) Erhard Busek, der den liberalchristlichen Flügel repräsentierte (aus dem auch die spätere Umweltministerin Marlies Flemming kam), betrachtete den Umweltdiskurs als so zentral, dass der Aufbau einer neuen Gesprächsbasis zu den grün-alternativen Bewegungen „die entscheidende Zukunftsfrage schlechthin“ wäre (zit. nach Kofler/Stocker 1985: 126). 119
Im Oktober 1985 widmete sich die Arbeitsgruppe Umweltschutz auf der Länderkonferenz in Badgastein der Umweltpolitik und formulierte unter dem Eindruck der Ereignisse um Hainburg als neues Ziel die „ökosoziale Marktwirtschaft“. Das Konzept der „Ökosozialen Marktwirtschaft“ war in einem Netzwerk aus „grünen“ ÖVP-Politikern, Landwirtschaftsvertretern, Mitarbeitern der Politischen Akademie und dem Wirtschaftswissenschafter Karl Aiginger rund um den steirischen Umweltlandesrat Josef Riegler aus Überlegungen zu einer „ökosozialen Landwirtschaft“ weiterentwickelt worden. Auf der Länderkonferenz wurde nun als Ergebnis ein Wandel in der Umweltpolitik gefordert. In Zukunft sollte vermehrt auf marktwirtschaftliche Instrumente gesetzt werden, um umweltschädigende Produktionsprozesse zu verteuern und umweltgerechtes Verhalten zu belohnen. Die Arbeitsgruppe forderte zudem die Schaffung von Umweltanwälten in den Bundesländern, die es in fast allen Bundesländern mit ÖVP-Mehrheit bereits gab (und womit die Schaffung eines Umweltbundesamtes abgelehnt wurde), die Ausweitung von Natur- und Landschaftsschutz, eine Priorität für Energiesparmaßnahmen, den Übergang zu erneuerbaren Energieträgern, ein Immissionsschutzgesetz sowie Maßnahmen in den Bereichen Abfall, Lärm und Bodenschutz (Kohl (Hg.) 1986: 79f.). Am 30. April 1986 legte die ÖVP schließlich eine „Umweltdoktrin“ vor (ib.: 80-83). Darin wurden der „umfassende Schutz und die vorausplanende Gestaltung der menschlichen Umwelt (umfassende Umweltgestaltung)“ als die „wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben der Gegenwart“ genannt (ib.: 80). Die nicht im Nationalrat vertretenen Grünparteien entwickelten sich im Anschluss an die Wahlniederlage 1983 ebenfalls programmatisch weiter. Die Vereinten Grünen Österreichs beschlossen 1984 ein Grundsatzprogramm. In diesem Programm eines „ökologischen Humanismus“ forderten sie eine ökologische Modernisierung der Wirtschaft, die Reform der Demokratie, die Berücksichtigung ökologischer Grundsätze in der gesamten Politik sowie eine ökologische Steuerreform, durch die „der Faktor Arbeit entlastet werden soll und der Verbrauch von Energie und Rohstoffen teurer wird“ (Kofler/Stocker 1995: 126). Die Alternative Liste Österreichs war in ihrer Programmatik stark an den bundesdeutschen Grünen orientiert. Ökologisch, basisdemokratisch, solidarisch und gewaltfrei stellten die Grundwerte für die ALÖ dar. Angestrebt wurde eine umfassende Veränderung der Gesellschaft. Insgesamt näherten sich die beiden grünen Parteien einander an: „Die ALÖ vertritt ein ganzheitliches neues Zukunftsmodell, worüber manchmal konkrete Überlegungen zu kurz kommen; besonders die Verbindung von Umwelt- und Wirtschaftspolitik ist noch wenig entwickelt. Es kann allerdings festgestellt werden, dass sich die Programme der beiden grünen Parteien in jüngster Vergangenheit einander angenähert haben und in beiden Gruppen einer ökologischen Wirtschaftspolitik viel Aufmerksamkeit geschenkt wird“ (ib.).
4.6 Zuspitzung des Paradigmenkonflikts Anfang der 1980er Jahre zeichnete sich ein Konflikt um das geplante Donaukraftwerk Hainburg ab. Das Projekt war bereits in den 1950er Jahren von den Donaukraftwerken (DoKW) projektiert worden, und nun wurden die konkreten Realisierungsschritte angegangen. Der Kraftwerkbau war 1983 auch in die Regierungserklärung der SPÖ-FPÖ-Regierung aufgenommen worden. Vonseiten der ÖVP gab es keine grundsätzliche Gegenposition zu diesem Projekt. Dann kam es jedoch zu ersten kleineren Protestaktionen der Ökologiebewegung, die noch getragen vom Erfolg der Anti-Zwentendorf-Bewegung zunehmend 120
selbstbewusster und professioneller auftrat. Im Dezember 1984 entzündete sich endgültig ein Konflikt, nachdem es in der Stopfenreuther Au zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen war. 1983 hatte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft einen positiven Bescheid bezüglich der wasserrechtlichen Bewilligung des geplanten Projekts ausgestellt, worauf der WWF und die Kronen Zeitung eine Kampagne dagegen gestartet hatten. Anfang Dezember 1984 erteilte das BMLF im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie eine endgültige Bewilligung und die Rodungsbewilligung. Kurz darauf standen die Baumaschinen in der Au. Doch als die Bauarbeiter zur Baustelle wollten, waren die Zufahrtswege bereits von Demonstranten besetzt und blockiert gewesen. Für die Au-Besetzung hatte die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) mobilisiert und wurde von der Wirkung selbst überrascht, denn „Grün“ war, so Günther Nenning (1989), damals „überhaupt nicht modern“. Der Buchautor und Journalist Nenning, damals noch SPÖ-Mitglied, hatte einen Text für das Konrad-Lorenz-Volksbegehren verfasst. Darin wurde ein allgemeines, individuell einklagbares Grundrecht auf Umweltqualität durch eine entsprechende Verfassungsänderung gefordert. Die Universitätsprofessoren Bernd Lötsch und Peter Weish waren die prominentesten Wissenschafter, die den Protest gegen das geplante Donaukraftwerk Hainburg mittrugen und der Widerstandsbewegung ihr Fachwissen beisteuerten. Die Medien unterstützten die Protestbewegung ebenfalls, und die Medienberichterstattung bezog deutlich für die Au-Besetzer Stellung und prangerte den „brutalen Polizeieinsatz“ an. Die ÖVP erkannte in den wachsenden Protesten – so wie schon bei Zwentendorf – die Chance, der Regierung erheblichen Prestigeschaden zuzufügen, und die entstehende und noch zersplitterte Grünbewegung nutzte die Gelegenheit zu Umgruppierungen um eine gemeinsame Plattform. Die treibende Kraft aufseiten der Studenten war der Jusstudent und Alternativreferent der ÖH, Gerhard Heilingbrunner (heute Präsident des Umweltdachverbandes). In den Gesprächen mit Regierungsvertretern gaben sich Freda Meissner-Blau, damals noch SPÖ-Mitglied und Mitglied der „Frauen gegen Atomkrieg“, und andere Kraftwerksgegner kompromisslos und drohten, sich vor die Bagger und Baumaschinen zu werfen. Aus der Sicht der Ökologiebewegung war die Zerstörung der letzten zusammenhängenden zentraleuropäischen Auenlandschaft ein zu hoher Preis für die durch das Kraftwerk zusätzlich gewonnene Energiemenge, die auch auf andere Weise, insbesondere durch Energieeinsparung, gewonnen werden konnte. Die Hainburg-Befürworter waren großteils dieselben Akteure, die schon zu den Unterstützern Zwentendorfs zählten. Der Bau des Donaukraftwerkes Hainburg war ursprünglich von der SPÖ auf Druck des Gewerkschaftsflügels in den Koalitionspakt hineinreklamiert worden. Die FPÖ war zwar grundsätzlich gegen Hainburg, die SPÖ argumentierte jedoch, dass die Zustimmung zu Hainburg der Preis für den Verzicht auf weitere Schritte für Atomenergie sei. Der freiheitliche Energieminister Norbert Steger präsentierte daher in seinem Energiekonzept das geplante Donaukraftwerk zwar nicht als zwingend erforderlich, aber als vollendete Tatsache, die als Koalitionsvereinbarung umgesetzt werden müsste. In der Folge positionierten sich die FPÖ und ihr Energieminister weder als harte Befürworter noch als Gegner, um weder den Koalitionspakt zu gefährden noch um den innerparteilichen Kraftwerksgegner-Flügel zu sehr zu reizen. Die FPÖ stand jedoch für den langfristigen Ausbau der Wasserkraft als ökologisch verträgliche und erneuerbare Energiequelle. Atomenergie, die mit der Eskalation in Hainburg und durch den Ausgang des Konflikts endgültig an Attraktivität einbüßte, weil hier ähnliche Konflikte zu fürchten waren, lehnte die FPÖ entschieden ab, und auch den Ausbau von Kohlekraftwerken hielt sie für wenig sinnvoll. 121
Nach Ansicht der Befürworter-Koalition durfte sich der Rechtsstaat von einigen Tausend Demonstranten mit starkem medialen Rückenwind nicht abhalten lassen, ein Bauprojekt in Angriff zu nehmen, für das ein rechtskräftiger Bescheid vorlag. Sie wollten zur Durchsetzung ihres Vorhabens aufgrund des öffentlichen Drucks das Ausmaß des Polizeieinsatzes vorerst jedoch nicht noch weiter steigern, sondern versuchten die Demonstranten in Verhandlungen zu überzeugen, was allerdings angesichts der Differenzen zwischen den beiden Diskurskoalitionen aussichtslos war. In der Folge verschärfte sich der öffentliche Diskurs massiv. Die Gewerkschaft bombardierte die ÖH mit Zusendungen und drohte an, ihre Leute in die Au zu schicken und das Gebiet selbst zu räumen, sollte die Polizei mit den Studenten, die auf Kosten der Arbeiter studieren, nicht fertig werden. Die Gewerkschafter konnten jedoch vom Gebrauch ihres „Demonstrationsrechts“ durch das Versprechen der Regierung, den Baubeginn durch Polizeieinsatz sicherzustellen, abgebracht werden. Schließlich wurden Gerhard Heilingbrunner und der ÖH-Vorsitzende Herbert Rainer zu Innenminister Blecha geladen, der die sofortige Beendigung der Au-Besetzung forderte. Die Studenten gingen weder auf die Forderung des Innenministeriums noch der Regierung ein und lehnten entschieden ab, die Besetzung zu beenden. Mitte Dezember eskalierte dann der Konflikt, und es kam zu „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ (Lötsch 1985). „Da wurde geprügelt, da gab es Verletzte. Es wurden auch Fernsehleute und Pressereporter attackiert, da wurden die Umweltschützer vor den Polizeischlägern, die man extra aus der Großstadt geholt hatte, weil die Gendarmen nicht mehr so recht wollten, hergetrieben wie das Vieh. Aber das war dann eigentlich die Krisis, die das Blatt gewendet hat. Am nächsten Tag hatte der Polizeieinsatz die geballte Meinung der In- und Auslandspresse gegen sich und die Umweltschützer waren noch immer da. Man wusste, so geht das nicht“ (Lötsch 1985).
Unter dem zunehmenden öffentlichen Druck infolge der massiven Medienunterstützung insbesondere in den großen österreichischen Tageszeitungen, der Kronen Zeitung und im Kurier, die über „die Schande von Hainburg“ und die „Prügelorgie der Polizei“ auf den Titelseiten berichteten, musste sich die Regierung zu einer strategischen „Nachdenkpause“ durchringen. Die Bauarbeiten wurden aufgeschoben und sollten erst nach der Behandlung des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens21 im Parlament und dem Vorliegen höchstgerichtlicher Entscheidungen fortgesetzt werden. Schließlich wurde das Projekt fallengelassen und die Au von Naturschützern aufgekauft. Für Volkmar Lauber (1997: 611) steht der Konflikt um Hainburg „für eine ganze Reihe von wichtigen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die weit über den unmittelbaren Anlass hinausreichen“. „Zunächst ging es um die Abwägung zwischen Naturschutz und der Energiegewinnung aus einem diesbezüglich nicht gerade rücksichtsvoll gestalteten Kraftwerksprojekt. Der Konflikt gewann an Bedeutung, als die Betreiberseite mit ihren Bündnispartnern, vor allem Industrie und Gewerkschaften im Bau- und Anlagenbereich, immer stärker ihre Macht demonstrierte, in ihrer inhaltlichen Argumentation aber zunehmend in Notstand geriet (Abwehr einer auf Effizienz gerichteten Energiepolitik des Bundes; Auftauchen des elektrizitätswirtschaftsinternen „Geheimpapiers“ von 1984 über zu erwartende Stromüberschüsse [...]). Auf dem Höhepunkt der Krise (Aubesetzung, von der Regierung verordnete Nachdenkpause) sahen manche sozialpartner-
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Das Konrad-Lorenz-Volksbegehren (1985) erzielte 353.906 Stimmen (6,55 Prozent der Stimmberechtigten).
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schaftliche Wachstumsbefürworter alten Stils gar die Republik gefährdet. In Wirklichkeit ging es um ihren eigenen Bedeutungsverlust, der nun auch tatsächlich eintrat. In dieser Hinsicht war Hainburg Teil einer tieferen Entwicklung. Das Wachstumsbündnis der Nachkriegszeit, bestehend aus Unternehmern und Gewerkschaften, ihren Organisationen auf der Ebene der Großverbände (Vereinigung Österreichischer Industrieller, Bundeswirtschaftskammer, ÖGB, zu einem geringeren Ausmaß Arbeiterkammer) und der beiden Großparteien, erlitt einen schweren Rückschlag. Seine Machtposition wurde brüchig, und damit litt auch seine relative Einheit. Für die Großparteien begann um diese Zeit eine Phase des beschleunigten Mitglieder- und Wählerschwunds“ (V. Lauber 1997: 611).
Gleichzeitig gab der Konflikt der Grünbewegung neuerlichen Aufschwung, die „Lust auf mehr Demokratie“ verspürte (Meissner-Blau 1989: 53). Die Grünpartei zog schließlich nach den Nationalratswahlen im Jahr 1986 unter dem Namen „Die Grüne Alternative – Liste Freda Meissner-Blau“ mit 4,8 Prozent der gültigen Stimmen und acht Mandate ins österreichische Parlament ein. 1983 hatten erstmals Grünparteien für den Nationalrat kandidiert, scheiterten aber noch infolge vielfältiger Querelen und Streitereien und der Aufspaltung in die Vereinten Grünen um den im Zwentendorf bekannt gewordenen Geologen und Universitätsprofessor Alexander Tollmann und die äußerst heterogene Alternative Liste Österreichs, die sich für grundlegende Änderungen in Staat und Gesellschaft engagieren wollte. Die Auseinandersetzungen um Hainburg und das Konrad-Lorenz-Volksbegehren zeigten die Gemeinsamkeit, und v.a. prominente Grünexponenten wie Freda MeissnerBlau, die dann auch (zunächst noch als SPÖ-Mitglied und Alternativkandidatin zum „offiziellen“ SPÖ-Kandidaten Steyrer) für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte und 5,5 Prozent der gültigen Stimmen im ersten Wahlgang erzielte, oder Günther Nenning nutzten geschickt die Möglichkeiten für mediale Selbstdarstellung (vgl. Dachs 1997: 307). Die Bundesregierung reagierte auf Hainburg und das Konrad-Lorenz-Volksbegehren mit dem Bundesverfassungsgesetz zum umfassenden Umweltschutz, welches eine bloße „Staatszielbestimmung“ und kein einklagbares Grundrecht beinhaltete und daher primär symbolischen Charakter hatte (allerdings wurde es von Gerichten wiederholt zur Abstützung umweltfreundlicher Interessen herangezogen). Die SPÖ, die für den Konflikt hauptverantwortlich war und fürchten musste, als „Betonpartei“ abgestempelt zu werden, bewies eine erhebliche Lernfähigkeit und veränderte die Kommunikation mit der Grünbewegung, um nicht den Kontakt zu den jungen Wählern zu verlieren, wenngleich SPÖ-Politiker nach wie vor argumentieren, dass damals aus „Unwissen“ ein „vernünftiges Projekt“ verhindert worden sei. Die Regierung installierte zur Demonstration des Politikwandels am 9. April 1985 eine Ökologiekommission, in die auch die unbequemsten Experten wie der Ökologe Bernd Lötsch einbezogen wurden, um gemeinschaftlich vertretbare Lösungen für die zentralen Fragen des Umweltschutzes zu formulieren. Damit wurde für Großprojekte eine Art „Frühwarnsystem“ geschaffen, um die zukünftige Regierbarkeit sicherzustellen. Die Ökologiekommission wurde vom Umweltministerium betreut und finanziert. „Damit war das Konzept, in der ÖGNU den vorrangigen Ansprechpartner für private Natur- und Umweltschutzorganisationen zu sehen, verlassen“ (Bobek 1993: 11). Das Gesundheitsministerium arbeitete Grundsätze für Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Baugroßvorhaben aus, die dann erstmals 1985 bei der Planung des Marchfeldkanals angewendet wurden. Weitreichendere Pläne für Bürgerbeteiligung durch Parteistellung in Verwaltungsverfahren und in Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden allerdings erst später und weitgehend entschärft umgesetzt. Hainburg färbte damit alle Parteien grün, so dass seither „Lippenbekenntnisse zu ökologischen Zielen“ selbstverständlich geworden sind (Pelinka 1989: 62): 123
„Hainburg war, nach Zwentendorf, der zweite große, historische Erfolg der österreichischen Ökologiebewegung. Seither stehen in diesem Land, das durch die erfolgreichste Sozialpartnerschaft der wachstumsorientierten Großverbände ausgezeichnet ist, ökologische Themen auf der Tagesordnung; seither überbieten einander Politiker mit grünen Äußerungen; seither ist es „in“, sich im Zweifel gegen die Energiewirtschaft und für den Umweltschutz auszusprechen. Alles das ist im kalten Winter, in der Au bei Hainburg entschieden worden“ (ib.).
Die Ereignisse um Zwentendorf und Hainburg führten schließlich auch bei der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter zu einem Politikwandel. Hatten sie sich im ersten Konflikt den Vorwurf, Teil der „Atom-Lobby“ zu sein, eingehandelt, obwohl andere „ein existenzielles, weit größeres Interesse an Zwentendorf“ hatten als die Gewerkschaften, aber von dem Projekt abgesprungen waren, und wurden sie im Fall von Hainburg als die Betonierer abgestempelt, die bis zuletzt hinter den aus ihrer Sicht „richtig erkannten Beschlüssen“ gestanden waren, so war es nun vorbei mit der Aufopferungsbereitschaft der Gewerkschafter im Interesse des Gemeinwohls: „Die sozialistischen Gewerkschafter werden aus diesen bitteren Erfahrungen Lehren ziehen: sie werden weiterhin laut ihre Stimme für als richtig erkannte Forderungen erheben und diese Forderungen konsequent vertreten. Aber sie werden nicht mehr versuchen, allein für andere die heißen Kastanien aus dem Feuer zu holen“ (SPÖ Jahrbuch 1985: 164).
Freilich, der Glaube, die richtige Position eingenommen zu haben, blieb sowohl bei vielen Sozialdemokraten als auch bei Gewerkschaftern bestehen, wie aus den Erinnerungen Heinz Fischers (1998: 266; 271f.) oder auch aus der folgenden Darstellung des Gewerkschafters und Bankmanagers Heinz Kienzls (1995: 113), der in den 1970er Jahren neben dem ÖGBPräsidenten Benya einer der stärksten Befürworter Zwentendorfs war, herausklingt: „Anton Benya hatte die erste schwere Niederlage gegen die Grünbewegung beim Ringen um das Kernkraftwerk in Zwentendorf im Tullnerfeld erlitten und auch eine Niederlage beim Kampf um das Donaukraftwerk in der Stopfenreuther-Au einstecken müssen. In beiden Fällen kapitulierte die Bundesregierung und riss damit den Gewerkschaftsbund in eine beachtliche Sinnkrise. Mit der Ablehnung der Kernenergie konnte eine wissenschaftsskeptische und wirtschaftsfeindliche, ja auch wachstumsfeindliche politische Tendenz einen gewaltigen Machtzuwachs erreichen. Selbst das Vollbeschäftigungsziel wurde durch Verhöhnung der Parole ‚Sicherung der Arbeitsplätze’ in Frage gestellt. In den achtziger Jahren hatte der ÖGB gewaltige Probleme mit der Verschlechterung der Lage der verstaatlichten Industrie und den Bestrebungen vor allem der bürgerlichen Kräfte, soviel als möglich zu privatisieren. Angesichts von Milliardendefiziten konnte tatsächlich die bisherige Eigentumsstruktur und auch das Beschäftigungsniveau nicht aufrechterhalten werden. Die Bemühungen des ÖGB mussten zwangsläufig dahin gehen, zu retten was noch zu retten war.“
Während der ÖGB – „die konservativste aller progressiven Organisationen“ (Nenning 1985: 188) – in eine Sinnkrise fiel, erlebte die Ökologiebewegung, die nach dem Wegfall des einigenden Konfliktthemas Zwentendorf zunächst abschwabbte, infolge des HainburgKonflikts einen neuen Aufschwung. Die bestehenden Umweltschutzorganisationen verzeichneten einen hohen Mitgliederzuwachs, weitere traten hinzu, und es entstanden neue Netzwerke wie z.B. das Öko-Institut, das Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz oder die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik als Gesprächsplattform von Vertretern der Wirtschaft, der Verwaltung und des Umweltschutzes: 124
„Die Umweltbewegung war nun nicht mehr eine diffuse, zum Teil unbekannte und jedenfalls schwer berechenbare Größe; sie organisierte sich, wurde damit kalkulierbar und allmählich auch Ansprechpartner für staatliche Politik“ (V. Lauber 1997: 612).
Waren bis dahin nur die „konservativen“ traditionellen Naturschutzorganisationen über den Umweltdachverband in das konsensorientierte politische System und insbesondere in Entscheidungsprozesse des Umweltministeriums eingebunden worden, so wurden nunmehr weitere Akteure der Ökologiebewegung als „Partner“ anerkannt. Der damit einsetzende Transformationsprozess machte sie in einigen Politikbereichen sogar zu gut gepflegten und gehegten Koalitionspartnern der Umweltbürokratie. Gleichberechtigte und gleichgewichtige Partner in der Wirtschaftspolitik wurden sie freilich nicht, und auch die Erwartung, dass sie die praktische Umweltpolitik in Gesetzgebung und Vollzug unterstützen und mitgestalten könnten, konnten sie nur zum Teil erfüllen.
4.7 Die Durchbruchsphase Nach Hainburg wurden Umweltgesetze zunehmend „flächendeckend“ beschlossen. Immer mehr wurde die Sichtweise, dass es einen grundsätzlichen Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie gebe, fallengelassen und stattdessen die Vereinbarkeit der „Widersprüche“ durch Effizienzsteigerungen und technologische Modernisierung betont. Umweltschutz wurde mehr und mehr positiv besetzt und als Verbesserung der Marktchancen für österreichische Unternehmen und ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit gesehen. Andererseits griff die SPÖ weiterhin in regelmäßigen Abständen auf das ArbeitsplatzschutzArgument zurück, und die ÖVP setzte sich immer wieder für quantitatives Wachstum sowie für Energieverschwendung zur Steigerung des Umsatzes ein. Die grünen Flügel in den drei traditionellen Parteien waren jedenfalls gestärkt, was sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene eine beschleunigte Umsetzung von Gesetzesvorhaben zur Folge hatte. Der Staat bzw. die Parteien hatten sich damit aus der starken „Identifikation mit der Wirtschaft (selbst im öffentlichen Sektor)“ gelöst und schickten sich an, „sich einer Schiedsrichterfunktion anzunähern.“ Insgesamt kam es ab 1985 zu einer „eindrucksvollen Liste von Gesetzen“ (V. Lauber 1997: 613). Im Bereich der Luftreinhaltepolitik griffen langsam die Maßnahmen, die zur Verringerung der Emissionen aus Verbrennungsprozessen getroffen worden waren, auch Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, der Strukturwandel und die technologische Modernisierung verbesserten die Situation; gleichzeitig nahmen die vom Verkehr verursachten Luftschadstoffe rasant zu. 1985 wurde noch unter dem Eindruck von Hainburg mit der Einführung der Katalysatorpflicht für Personenkraftwagen nach Vorbild der weltgrößten Automärkte in den USA und Japan die Begrenzung der KFZ-Abgase angestrebt. Vor allem die Stickstoffdioxid- und Kohlenmonoxidbelastung sollte dadurch drastisch reduziert werden, um dem Waldsterben Einhalt zu gebieten. Ausschlaggebend war damals die Diskussion in der EG über strengere Abgasgrenzwerte, die dann am Widerstand Frankreichs und Italiens, die um ihre Kleinwagenindustrie fürchteten, scheiterte. Die österreichische Regierung behielt nach intensiven Gesprächen und Verhandlungen insbesondere mit Vertretern der bundesdeutschen Automobilindustrie ihre Linie jedoch bei, führte die strengen USAbgasgrenzwerte in Österreich mittels eines Stufenplans ein und erlangte mit der Ergänzung dieser Maßnahme mit der Einführung von bleifreiem Benzin einen der größten um125
weltpolitischen Erfolge (Onz 1992: 63; Glatz: 1986: 121; Interview Schnattinger, SPÖ, 20.09.1999). Zusammen mit Schweden und der Schweiz übernahm Österreich damit eine, wenn auch ursprünglich nicht beabsichtigte jahrelange Vorreiterrolle in Europa (Lauber 1997: 613). Im Bereich der staatlichen umweltpolitischen Organisation kam es auf Bundes- und Landesebene ebenfalls zu wichtigen Veränderungen. Nachdem in den 1970er Jahren die Idee entstanden war, einen „Umweltanwalt“ zu installieren, der in bestimmten Verfahren eine ähnliche Parteistellung wie die Arbeitsinspektorate haben sollte, entstanden erste Pläne für dezentral eingerichtete Umweltanwälte, die gegenüber wirtschaftlich mächtigen Projektanten „Waffengleichheit“ herstellen und eine Art „Anlaufstelle für Bürgerinitiativen“ werden sollten. Entsprechende Forderungen fanden sich seit Beginn der 1980er Jahre bei allen drei Parteien. In der Folge wurden dann auf Länderebene Umweltanwälte mit Parteienstellung eingerichtet, die allerdings eher schwach gehalten wurden (Kok 1989; V. Lauber 1997: 613). Einige Länder schufen auch neue Arbeitsteilungen, um die Umweltaufgaben zusammenzufassen und zu koordinieren. In Niederösterreich wurde per Landesgesetz 1985 ein Umweltgemeinderat mit Parteistellung in Verwaltungsverfahren des Landes geschaffen. In der Steiermark wurde bereits 1983 ein „Umweltkoordinator“ geschaffen und 1985 wurden die Umweltkompetenzen bei einem „Umweltlandesrat“ zusammengefasst. Die ÖVP forderte zunehmend, dass die Umweltanwälte auch für Bundesangelegenheiten zuständig sein sollten (Kohl 1986: 72). Die institutionelle Innovation der Umweltanwaltschaften trug schließlich wesentlich zur Kanalisierung von Protesten in rechtlich geregelte Formen und zur Versachlichung von Konflikten bei. Eine institutionelle Innovation erfolgte schließlich auch auf Bundesebene: Das BMGU hatte im Rahmen seiner neuen Strategie auch in der Umweltkontrolle einen neuen Aufgabenbereich definiert (Interview Bobek 04.10.2000). Nun wurde auf der Grundlage des Umweltkontrollgesetzes vom März 1985 (BGBl. 127/1985) eine Behörde zur Sammlung von Umweltdaten eingerichtet, das Umweltbundesamt (UBA). Das UBA, mit dem das unabhängige ÖBIG teilweise ersetzt wurde (V. Lauber 1997: 612), erhielt den gesetzlichen Auftrag, den Bundesminister bei seinen Aufgaben zu unterstützen. Eine dieser Aufgaben ist es, den Zustand und die Entwicklung der Umwelt (Wasser, Luft und Boden) sowie die Umweltbelastungen zu erheben (Schwarz 1985: 22). Dieser institutionellen Innovation war eine längere Kontroverse um deren tatsächliche Kompetenzen vorausgegangen. Erste Pläne zur Schaffung eines Umweltbundesamtes gab es bereits in den frühen 1980er Jahren. Die ÖVP sperrte sich jedoch gegen das Vorhaben mit dem Argument, dass dadurch die Umweltbürokratie unnötig anwachsen würde. Im Entwurf eines Bundesgesetzes über Strahlenschutz und Umweltkontrolle von 1984 war ein „Bundesamt für Umweltschutz“ mit 200 Planstellen vorgeschlagen worden (Christian/Welan 1985: 292). Das Ergebnis war schließlich eine dem Umweltministerium nachgeordnete Dienststelle ohne volle Informationspflicht. Ursprünglich waren 272 Planstellen für das UBA vorgesehen, schließlich wurden es noch 193 Dienstposten, da das Umweltministerium nach dem Personalabzug infolge der Ressortumverteilung 1987 Planstellen des UBA an sich gezogen hatte. Die Grüne Alternative forderte immer eine möglichst starke Kontrollbehörde. 1990 wurde in ihren programmatischen „Leitlinien Grüner Politik“ eine Umwandlung des UBA in einen unabhängigen, dem Parlament unmittelbar verantwortlichen „Umweltrechnungshof“ als eine Umweltkontrollbehörde, welche die Einhaltung der Gesetze und Verordnungen überprüft und dadurch Vollzugsdefiziten entgegenwirkt, aber auch ein „Vorwarnsystem“ für neue Umweltprobleme darstellt. Dieser Umweltrechnungshof sollte das Recht erhalten, Verordnungen anzu126
fechten und im Gesetzesbegutachtungsverfahren gehört zu werden. Er sollte von Bürgerinitiativen und Verbänden zur Prüfung behördlicher Entscheidungen angerufen werden können. Aus diesem Reformvorschlag wurde jedoch nichts. Stattdessen wurden auf Landesebene Umweltanwaltschaften aufgebaut, die lokale und regionale Konflikte kanalisieren sollten. Ende der 1990er Jahre wurde das UBA zu einer GmbH im 100prozentigen Bundeseigentum umstrukturiert. Der Aufgabenbereich wurde damit genau definiert; er umfasst insbesondere die Umweltkontrolle, die finanziell pauschal abgegolten wird. Das UBA soll dadurch als Umweltfachstelle des Bundes unabhängig bleiben und dem Parlament als Beratungsinstitution zur Verfügung stehen. Eine weitere Veränderung im Bereich der staatlichen umweltpolitischen Organisation war nach dem Bruch der Kleinen Koalition und der Wiedergeburt der Großen Koalition die Ressortübernahme im BMGU durch die ÖVP und die anschließende Schaffung eines Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie am 1. April 1987, gefolgt von einer Kompetenzausweitung zugunsten des Umweltministeriums. Die ÖVP erhielt mit dem Wirtschaftsministerium, Außenministerium und Land- und Forstwirtschaftsministerium im Zuge der Regierungsbildung weitere zentrale Ressorts mit umweltpolitischen Kompetenzen.
4.7.1 Der Einzug der Grünen in den Nationalrat und neue Regierungskonstellation Als die Grünen erstmals in den österreichischen Nationalrat einzogen, war die Reformära Kreisky endgültig vorbei. Nach den Jahren der SPÖ-Alleinregierung und der Kleinen Koalition war eine Große Koalition aus SPÖ und ÖVP notwendig geworden, um die anstehenden unpopulären Reformen mit ausreichend starker parlamentarischer und außerparlamentarischer Basis umzusetzen. Von der Regierung war dieser Politikwandel als Wende, neue Partnerschaft und sachbezogen im Arbeitsstil dargestellt worden. Die Regierungsparteien verpflichteten sich überdies im Koalitionsabkommen zur vollständigen Koalitionsdisziplin in der Gesetzgebung, die in der Praxis auch vollständig eingehalten wurde (Müller/Strøm 2000: 145f.). Wirtschaftspolitisch zeichnete sich ein „schaumgebremster Monetarismus“ (Lendl/Steinhuber/Wabl in: Grüne Bildungswerkstatt 1988: 7) ab. Budgetsanierung, Privatisierung und Europäische Integration standen ganz oben auf der politischen Agenda. Aus den vorzeitigen Wahlen war die SPÖ mit Stimmenverlusten als stärkste Partei mit 80 Sitzen hervorgegangen. Die ÖVP hatte ebenfalls leicht verloren und nunmehr 77 Sitze; die FPÖ gewann dazu und hielt dadurch 12 Sitze, und erstmals zogen die Grünen mit 8 Sitzen in den Nationalrat ein. Im Lager der etablierten Parteien hofften noch manche, dass es sich bei der ökologischen Bewegung um ein Strohfeuer handle, das im rauen Klima steigender Arbeitslosigkeit und wachsender Verteilungskämpfe bald verlöschen würde. Im Konflikt um die Nutzung der Kernenergie waren Atomkraftwerksgegner als „Technikfeinde“, „Lichtabdreher“, „gefühlsduselige Angsthasen“ und wechselweise als „Agenten Moskaus und der Ölscheiche“ beschimpft worden. Jetzt schien es, als ob sich eine „neue“ Ideologieachse auf den Dimensionen „Arbeitsplätze und Lebensstandard“ versus „Natur und Umwelt“ abzeichnen würde (Ulram 1988: 214). Die Grüne Alternative beheimatete „Wertkonservative“ und „Gesellschaftsveränderer“ aus der grünen Bewegung und stand nun vor der Aufgabe, sich als vierte Partei, die Viele der Bewegung gar nicht sein wollten, konsolidieren zu müssen. Programmatische Basis für diese Entwicklung war ein „Offenes Kurzprogramm“ aus dem Wahlkampf 1986, das auf dem ersten Bundeskongress 1987 beschlossen worden war, 127
und eine von Toni Kofler und Christoph Chorherr verfasste „Alternative Regierungserklärung“ des Grünen Klubs im Parlament vom Januar 1987 mit dem Titel „Ein morsches Haus braucht neue Fundamente“. Die Grünen verstanden sich als radikal-demokratische, gesellschaftsverändernde Partei, die „kompromisslosen Realismus“ betreiben und deren Platz die Opposition sein sollte. Das grundlegende Umbauprogramm der Grünen wurde als nicht umsetzungsfähig angesehen, so lange grüne Themen nicht mehrheitsfähig sind (Kofler 1987). Insgesamt verabschiedeten sich die Grünen mit ihrem Parteibildungsprozess aber von linksalternativen Strömungen, die entweder hinaus oder ins Abseits gedrängt wurden, und suchten Alternativen im herrschenden System und im Einklang mit dem Markt als „ökologisch-soziale Volkspartei“, die ökologisch-liberal gesinnte Bürgerliche repräsentieren wollte. Durch den Einzug in den Nationalrat erfolgte rasch ein Lernprozess bei den großteils pragmatisch denkenden grünen Abgeordneten. In Summe mit den Wahlerfolgen auf Länder- und Gemeindeebene haben die Grünparteien in der Folge bundesweit die Legitimationsbasis des politischen Systems gestärkt, weil so, wie Herbert Dachs (1997: 314) urteilt, auch kritische Wählergruppen „ihre grundsätzliche Akzeptanz der repräsentativ demokratischen Spielregeln“ signalisieren. Basisdemokratie als zentrales Konzept der Alternativbewegung war damit reduziert und zu einem untergeordneten und ergänzenden Moment der repräsentativen Demokratie geworden, und Demokratisierungsforderungen reduzierten sich auf „affirmierende Verbesserungsvorschläge der repräsentativen Demokratie“ (Schandl/Schattauer 1996: 415). Bis heute verstehen sich die Grünen aber immer noch als eine Partei, die den Dialog mit außerparlamentarischen Einrichtungen und die Zusammenarbeit mit parteilich ungebundenen Initiativen und Gruppierungen sucht, um Menschen und Gruppen Raum zu geben, sich selbst Gehör zu verschaffen (Die Grünen 2001b: 13). Nachdem die Grünen in das Parlament gelangt waren, erhoben sie als erstes die Forderung, Umweltfragen die höchste Priorität einzuräumen. Dazu sollte ein Ausschuss für Gesundheit und Umweltschutz eingerichtet werden, für den sich die Grünen den Vorsitz erhofften. Die diesbezüglichen informellen Absprachen mit den Freiheitlichen hielten jedoch nicht, und die FPÖ erhielt den Ausschussvorsitz. Alle Lebensbereiche sollten gemäß grüner Programmatik mit Demokratie durchflutet werden. Zur Propagierung ihrer Ideen wollten die Grünen das Parlament nutzen, dessen Funktionsweise sie aus der Bundesverfassung idealisierten. Zunehmend und rasch mussten sie aber lernen, dass das Parlament weder der Ort rationaler Diskussionen noch der Kontrolle ist und dass unbequeme Debattenanträge von der Mehrheit abgelehnt werden. Trotzdem mühten sich die Grünen mit dem „kafkaesken Apparat von Ministerien, Ausschüssen, Gremien und Kommissionen“ (PuntscherRiekmann in: Grüne Bildungswerkstatt 1988: 82) ab und nutzten das Antragsrecht so gut es ging, um verschiedenste Anträge zur Schaffung sinnvoller Umweltkompetenzen des Bundes, zur Durchführung eines Referendums über die Stärkung der direkten Demokratie, zum Waschmittelgesetz, zum Wasserrechtsgesetz, etc. einzubringen. Die Parteiwerdung der Grünen hatte zwangsläufig auch eine Ausweitung des Themenspektrums zur Folge. Zunehmend wurden weitere Themen wie Minderheitenpolitik oder Sozialpolitik in die Programmatik aufgenommen. Insgesamt hatte der Einzug der Grünen dazu geführt, dass alle Parteien grüne Positionen modifizieren oder neu formulieren mussten, um einen möglichen Wählerverlust an die vierte Partei möglichst gering zu halten. Die weit verbreiteten Hoffnungen dadurch die grüne „Chaospartei“ loszuwerden, haben sich freilich nicht erfüllt. In den 1980er Jahren galten die Grünen für keine der etablierten Parteien als regierungsfähig, da sie viel zu sehr für außerparlamentarische Proteste standen, innerparteiliche Konflikte um Inhalte, Struktu128
ren und Personen heftig und leidenschaftlich austrugen und daher als zu unberechenbar galten. Sie mussten erst beweisen, dass sie paradigmatisch weder verkappte Marxisten, noch Feinde der offenen Gesellschaft und der Marktwirtschaft waren. Trotzdem ihnen das zwar gelungen ist, sind solche Argumente aus politisch-strategischen und wahltaktischen Überlegungen bis heute immer wieder aufgetaucht. Insbesondere in der Sacharbeit in Ausschüssen sind die Grünen mittlerweile aber zu einer von (fast) allen Seiten anerkannten politischen Kraft geworden.
4.7.2 Reaktionen der Regierungsparteien Seit Beginn der 1980er Jahren wuchs die Anzahl der Menschen, die der Ansicht waren, dass sich der Umweltzustand verschlechtert hatte und die weitreichendere Maßnahmen befürworteten. Das verheerende Kernreaktorunglück von Tschernobyl, der Diskurs um die chemische Verseuchung des Rheins und um Luftverschmutzung, Waldsterben und schließlich der Einzug der Grünen in den Nationalrat verstärkten das Problembewusstsein auch bei den politischen Eliten und trugen zu einem Politikwandel seitens der etablierten Parteien bei. Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Fred Sinowatz, der weder charismatisch war, noch inhaltlich an die Erfolge Kreiskys anknüpfen konnte, übernahm infolge der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten Franz Vranitzky den SPÖ-Parteivorsitz und wurde Bundeskanzler der durch zahlreiche Skandale und Probleme strapazierten sozialliberalen Regierung. In seiner Regierungserklärung vom 18. Juni 1986 erklärte er, die Regierung werde „besondere Anstrengungen“ zur Fortführung einer „zukunftsorientierten Umweltpolitik“ unternehmen: „Politik muss aber auch in der lebenswichtigen Frage des Schutzes unserer und der Lebensgrundlagen künftiger Generationen auf rationaler Grundlage arbeiten und Ängste nehmen. So gibt die Bundesregierung umweltpolitisch dem Vorsorgeprinzip, das heißt der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Umwelt, Vorrang vor einer Sanierung der Schäden. Wir werden unsere Politik fortsetzen, die Verminderung der Schadstoffbelastung von Luft, Wasser und Boden sowie die Sicherung der natürlichen Lebensräume von Tieren und Pflanzen zu gewährleisten, indem klare gesetzliche Rahmenbedingungen sowohl für die Wirtschaft als auch für den Einzelnen geschaffen werden. Wir werden aber auch weiterhin dort, wo für den Umweltschutz der Einsatz öffentlicher finanzieller Mittel zur Nutzbarmachung des technischen Fortschritts für ökologische Problemlösungen sinnvoll erscheint, die notwendigen Vorkehrungen treffen“ (Österreichisches Jahrbuch 1986: 97).
Nach den vorgezogenen Neuwahlen im November 1986 betonte die Große Koalition v.a. eine „neue Form der Partnerschaft“ zwischen den Regierungsparteien sowie die Sachbezogenheit und Konsensorientierung ihres Arbeitsprogramms. Bundeskanzler Vranitzky kündigte in seiner Regierungserklärung vom 28. Januar 1987 eine umweltfreundliche, auf möglichst breiten Konsens basierende Energiepolitik und eine effiziente Umweltpolitik an. In dieser Regierungserklärung kommen auch deutlich das Politikverständnis der Regierungsparteien und ihre Auffassung „rationaler“ Politik hervor: „Bei prinzipieller Ablehnung des weiteren Ausbaus unserer heimischen Wasserkräfte würden nicht nur die Grundfragen der Energiepolitik missverstanden, sondern auch die schwerwiegenden Umweltfolgen des Verzichts auf Wasserkraft zugunsten anderer Energieträger nicht bedacht werden. Politik, die sich am Gemeinwohl zu orientieren hat, darf den weiteren Kontext nicht au-
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ßer Acht lassen. Im Gegenteil, sie muss aus der Gesamtschau des zu Entscheidenden und nach dem konstruktiven Bemühen um Konsens schließlich verantwortungsbewusst ihre Entscheidung für das Gemeinwesen treffen“ (ib.: 112).
„Integratives politisches Handeln“ als Kennzeichen „effizienter Umweltpolitik“ erfordere „noch umfassendere Problemlösungsstrategien“, wobei „aber auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Betriebe und der öffentlichen Hand Bedacht zu nehmen ist“ (ib.: 113). Die Grundannahmen, die Umweltpolitik ermöglichen, wurden damit nicht geändert, lediglich eine Ausweitung des bereits eingeschlagenen Weges wurde anvisiert, wobei davon ausgegangen wurde, dass die Ausweitung mit Augenmaß sowohl finanzierbar als auch machbar ist und weder Arbeitsplätze vernichtet noch der Wettbewerbsfähigkeit schadet. Insgesamt enthielt das Arbeitsübereinkommen von 1987 eine Reihe konkreter Gesetzesvorhaben und Ankündigungen für die Umweltpolitik, die teils bereits seit längerer Zeit in Vorbereitung waren. Christian (1988: 744) kommt in einer Analyse zu dem Urteil: „Noch nie gab es so viele und so konkrete Forderungen zur Umweltpolitik in einer Regierungserklärung“, sodass „im Vergleich zu früheren Regierungen“ von einer „wesentlich intensivere(n) Umweltschutzarbeit“ gesprochen werden kann. An der Spitze wichtiger Ministerien kam es im Zuge der Regierungsbildung zu Veränderungen, die sowohl symbolisch die Aufwertung von Umweltanliegen demonstrieren als auch inhaltliche Veränderungen versprechen sollte. Mit Marlies Flemming, einer promovierten Juristin, wurde erstmals eine Politikern Umweltministerin, die sich in der Ökologiebewegung und davor v.a. in der Frauenbewegung aktiv engagiert hatte und dabei auch innerparteiliche Kritik nicht aussparte. Sie folgte Franz Kreuzer, der 1986 unter heftige Kritik geraten war, weil er die Öffentlichkeit erst verspätet über die Katastrophe in Tschernobyl gewarnt hatte, und im Januar 1987 aus der Regierung ausschieden war, nachdem Vranitzky die Kleine Koalition beendet hatte. Im Kampf gegen die Wiederaufbereitungsanlage im bayerischen Wackersdorf, die österreichweiten Protest hervorgerufen hatte, dem sich Politiker aller Parteien anschlossen, und gegen die Zerstörung der Hainburger Au beteiligte sich Flemming an Demonstrationen und war dafür in der eigenen Partei heftig kritisiert worden. Als erste Umweltministerin der ÖVP versprach sie starkes Engagement auf Basis bürgerlich-christlich-moralischer Wertvorstellungen. Zur Harmonisierung der Umweltgesetzgebung mit den Nachbarstaaten forcierte sie insbesondere die Zusammenarbeit mit ihren bundesdeutschen Kollegen Klaus Töpfer und dem Schweizer Bundesrat Flavio Cotti. Aufgrund des höheren Umweltbewusstseins in diesen drei Ländern sollten die drei Minister eine „Pressure-Group“ innerhalb Europas für Umweltpolitik bilden. Vorerst hatte Flemming jedoch mit institutionellen Problemen zu kämpfen: „Die Arbeitsbedingungen in ihrem Ministerium sind anfangs äußerst schwierig. Nach der dem Koalitionsproporz entsprungenen Teilung des ehemaligen Gesundheits- und Umweltministeriums bleibt ein Großteil der Beamtenschaft im Gesundheitsministerium. Flemming muss den Mitarbeiterstab in ihrem Ressort erst mühevoll aufstocken. Die kompetenzmäßige Aufwertung ihres Ministeriums mit echten Durchgriffsmöglichkeiten, seit Gründung des Ressorts 1972 Stehsatz aller Regierungserklärungen, bleibt auch im großkoalitionären Pakt vorerst Papier. Untrennbare Verstrickungen mit anderen, mächtigeren Ministerien – insbesondere dem Wirtschaftsministerium – hemmen die Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheiten“ (Stranzinger 1995: 148).
Flemming versuchte die institutionellen Barrieren gleich zu Beginn ihrer Amtstätigkeit abzuschwächen, indem sie sich die Unterstützung von Bürgerinitiativen zu Nutze machte. 130
Mit Gerhard Heilingbrunner und Herbert Rainer ernannte sie zwei führende Akteure des „Hainburg-Widerstands“ zu ihren Ministersekretären. Flemming genoss aufgrund ihres überzeugenden Engagements auch eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. „Bereits wenige Monate nach ihrem Amtsantritt ist sie hinter Bundeskanzler Vranitzky das beliebteste Regierungsmitglied – in den Umfragewerten stets weit vor ihrer Partei“ (ib.: 149). Flemming sorgte bereits in den ersten Wochen ihrer Ressortführung durch zahlreiche Ankündigungen für Aufregung. Andere Minister sahen sich dadurch genötigt, ihr öffentlich mitzuteilen, dass bei Ankündigungen, die auch andere Ressorts betreffen, zunächst interministerielle Gespräche erfolgen sollten. Bundeskanzler Vranitzky mahnte ein, dass es darum gehe, „einen Mittelweg zu finden, um Ideen zu propagieren und den Vorschlägen die nötige Zeit zur Vorbereitung zu lassen“ (zit. nach OÖN 24.02.1987: 2). Die Kritik an Flemming hielt auch die nächsten Jahre noch an. SPÖ-Umweltsprecher Keppelmüller kritisierte z.B. an der Umweltministerin ihre „oft unbedachten Äußerungen“, die „eine seriöse Umweltpolitik oftmals erheblich behindert“ hätten (zit. nach OÖN 07.09.1989: 2). Für die Grünen war Flemming bloß eine „Umweltpropagandaministerin“, da die ÖVP insgesamt „der Feind der Umweltpolitik Nummer eins“ gewesen sei (Bundesgeschäftsführer Voggenhuber, zit. nach OÖN 23.01.1989: 2). Landwirtschaftsminister wurde Josef Riegler, der „Erfinder“ des Konzepts der „Ökosozialen Marktwirtschaft“, das den Konservativen seither als Vorwegnahme des Nachhaltigkeitskonzepts gilt und das sich dann rasch in der ÖVP durchsetzte und auch europaweit Beachtung fand. Es sollte das „neue politische Ordnungsmodell für die 90er Jahre“ werden. Für Riegler handelt es sich dabei um die Lehren aus seinen „praktischen Erfahrungen“ zunächst im Bauernbund, dann als Agrarsprecher der ÖVP im Nationalrat (ab 1976), Landesrat in der Steiermark für die Ressorts Landwirtschaft, Umwelt und Wohnbau (19831987) und schließlich als Land- und Forstwirtschaftsminister (1987-1989). Insbesondere als steirischer Landesrat war er als Policy-Vermittler zwischen Wirtschafts- und Umweltschutzinteressen in heftige Auseinandersetzungen involviert und suchte mit kompromissfähigen Lösungen zur Mur- und Raabsanierung sowie für umweltfreundliche kalorische Kraftwerke und zur technologischen Modernisierung von Papierfabriken beizutragen. In seiner Antrittsrede als Minister formulierte er drei Ziele, mit denen er der Land- und Forstwirtschaftspolitik eine neue Ausrichtung geben wollte (Riegler 1996: 10): 1. 2. 3.
Die Verbesserung der ökonomischen Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit unserer bäuerlichen Betriebe, die ökologische Verantwortung der übrigen Wirtschaft für die Land- und Forstwirtschaft, aber auch die Verantwortung der Land- und Forstwirtschaft selbst, die bestmögliche soziale Fairness in der Entwicklung, daher Schutz für die kleineren Betriebe und besondere Hilfe für Betriebe in benachteiligten Lagen.
1989 wurde Riegler Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform sowie Vizekanzler, kurz darauf wurde er zum Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt, was den „großen Durchbruch“ für die Ökosoziale Marktwirtschaft brachte. Bis dahin hatte die ÖVP umweltpolitische Ziele nur sehr vage formuliert und sie nicht allzu sehr betont. Dahinter stand einerseits die Dominanz des Wirtschafts- und Agrarflügels in der Partei, andererseits die Angst, dadurch traditionelle Wählerschichten abzuschrecken und bei diesen „die Barrieren für eine Abwanderung zu den echten Grünparteien“ zu senken (Müller 1997e: 281). Seither behauptet die ÖVP von sich „die wirkliche Umweltpolitik dieses Landes“ zu verkörpern (VP-Generalsekretär Helmut Kukacka, zit. nach OÖN 23.01.1989: 2). Im Novem131
ber 1989 wurde die Formulierung „Ökosoziale Marktwirtschaft“ in einem Leitantrag zum „Zukunftsparteitag“ in Graz eingebracht und mit nur einer Gegenstimme angenommen. Ziel einer Ökosozialen Marktwirtschaft ist nach Riegler der ordnungspolitische Ausgleich zwischen Wirtschaftswachstum, Sozialem und Umweltschutz, der zu einem „qualitativen Wachstum“ führen sollte. Der Staat muss dabei durch Gesetze, Gebote, Verbote und Kontrollen die Rahmenbedingungen für die Durchsetzung der sozialen und ökologischen Ziele schaffen, soll aber soweit wie möglich eingeschränkt werden. Darüber hinaus stellen wirtschaftliche Anreize das wichtigste Instrument der Ökosozialen Marktwirtschaft dar. „Ökosoziale Marktwirtschaft bedeutet also, soviel Markt wie möglich und soviel Staat wie nötig“ (Riegler 1990: 9). Ausgangspunkt dieser Annahmen war, dass sich der Staat hinsichtlich seiner Anstrengungen auf das Wesentliche konzentrieren und mit „Augenmaß […] eine Gewichtung der Aufgaben“ vornehmen müsse: „Wir müssen wissen, was wir vor allem erreichen wollen und das übergeordnete Ziel im Auge behalten: die Rettung unserer Umwelt, denn das ist die wesentliche Voraussetzung für die Bewahrung, ja zum Teil schon Wiederherstellung unserer Lebensqualität. Eines ist klar: Dieses Ziel können wir nur erreichen, wenn unsere Wirtschaft weiter sinnvoll und immer umweltgerechter wächst, denn nur so können wir unseren Wohlstand erhalten und die nötigen Mittel für den Umweltschutz aufbringen“ (ib.: 9).
Der Hauptgedanke, dass der Markt die Umwelt schützen soll, indem Umweltschutz zu einem attraktiven Produkt transformiert wird, war in der ÖVP und in der Wirtschaft mehrheitsfähig. „Mehr Privat und weniger Staat“ war auch in anderen Politikbereichen zu einer wichtigen Forderung geworden, mit der die ÖVP v.a. als Wirtschaftspartei punkten wollte. Im Umweltbereich sollte der Staat also für die Rahmenbedingungen sorgen und v.a. die Bedingungen für eine Internalisierung der externen Kosten sicherstellen. Die SPÖ konnte sich mit dem ordoliberalen Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, das der deutsche Ökonom Alfred Müller-Armack erstmals 1946 in seinem Buch „Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft“ formulierte, nie so richtig anfreunden und hat an der ÖVP wiederholt kritisiert, dass in deren Programmatik seit dem Klagenfurter Manifest aus dem Jahre 1965 „sozial“ kleingeschrieben wurde und daraus der Stellenwert der Sozialpolitik abgelesen werden könne (z.B. Wille 1980). Für die SPÖ war die Marktwirtschaft an sich weder sozial noch ökologisch, wie Konservative und Liberale behaupteten. Soziale wie auch ökologische Ziele seien vielmehr von der Arbeiterbewegung zu erkämpfen und auch erkämpft worden und zwar in dem Maße, wie die Sozialdemokratie durch den Gewinn einer Mehrheit den Staat transformiert hat: „Die SPÖ hat in unserem Land eine Umweltpolitik modernen Zuschnitts eingeleitet und sie seither geprägt“ (Vranitzky, in: SPÖ 1989: 2). Weder die Sozialdemokraten noch die Umweltbewegung schenkten dem neuen konservativen Konzept zu viel Vertrauen, wobei die SPÖ gerade im Umweltbereich an einem starken Staatsinterventionismus festhielt und Marktlösungen weiter kritisch gegenüberstand. Bundeskanzler Vranitzky kritisierte, „Riegler wolle offensichtlich mit einer leichtgewichtigen, aber voluminösen Worthülse über Handlungsdefizite hinwegtäuschen“ (zit. nach Stenographisches Protokoll des Nationalrates, XVII. GP, 139. Sitzung, 25. April 1990: 16137). Dennoch vertrat die SPÖ verschiedene Ansichten, wie z.B. dass „wenn ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft in Einklang gebracht werden, kommt auch die Natur auf ihre Rechnung“ (Vranitzky, in: SPÖ 1989: 1), die dem ÖVP-Konzept näher standen als radikaleren Konzepten der Umweltbewegung, die auch einschneidende Maßnahmen 132
gegen Unternehmen beinhalteten, oder Teilen der Wirtschaft, die auf eine weitreichende Liberalisierung und Deregulierung setzten: „Die ökologische Frage darf deshalb nicht jener Handvoll Leute überlassen werden, die Konsumausstieg und wirtschaftliche Selbstbeschränkung predigen. Das kann nicht die Lösung sein. Genauso wenig dürfen wir jenen vertrauen, für die Umweltschutz lediglich ein willkommenes Alibi ist und die hinter der Forderung ‚Privatinitiative über alles’ nur einen Freibrief für seine Abschaffung verbergen wollen. Denn mit dem Umweltschutz verhält es sich wie mit der Demokratie: Es geht um das Wohl und den Willen aller“ (ib.: 2).
Im Alltagshandeln wollten freilich beide Großparteien „Glaubensfragen und Parteipolitik“ aus der Umweltpolitik fernhalten und Sachfragen in den Vordergrund rücken. Beide Parteien sahen sich als Vertreter des „Gemeinwohls“, genauso wie beide Umwelt und Wirtschaft nicht als Gegner, sondern als „Partner zum Wohle aller“ begriffen und Systemwandel, Nullwachstum, Schrumpfung und Konsumverzicht ablehnten und auf ein „qualitatives Wachstums“ vertrauten. „Hier geht es nicht um grün, blau, schwarz oder rot, sondern um rot-weiß-rot“ (ib.: 6) und „Geld, das für den Umweltschutz ausgegeben werden kann, muss noch immer verdient werden“ (ib.: 16) waren längst zu Grundüberzeugungen geworden, die mit Hoffnungen auf die Umwelttechnologie, Mikroelektronik und Biotechnologie und ein „Wachstum mit Grenzen“ verbunden wurden. Im Gegensatz zur ÖVP sah die SPÖ die Hauptverantwortung für Umweltfragen jedoch weiterhin beim Staat, der diese Verantwortung keinesfalls an die Wirtschaft oder Konsumenten abgeben dürfe: „Nur er ist Garant dafür, dass nicht die individuellen Gewinninteressen über die Interessen von allen gestellt werden. Gerade in diesem Bereich kann eine Rückbesinnung auf einen ‚Nachtwächterstaat’ nicht der Weisheit letzter Schluss sein“ (ib.: 19).
Trotzdem erkannte die SPÖ auch Grenzen des bis dahin üblichen umweltpolitischen Instrumentariums und Anzeichen eines „Staatsversagens“, die mithilfe des Konzepts der ökologischen Modernisierung bzw. mit der Ökologisierung der Industriegesellschaft überwunden werden sollten. Ziel dieses Konzepts sollte es sein, „mit neuen und umweltverträglichen Technologien Wohlstand und Wachstum nachhaltig zu erhöhen“, Umweltschutz sollte „nicht der Hemmschuh, sondern der Motor für technischen Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung“ sein (ib.). 1989 startete die SPÖ eine „Umweltoffensive“ und formulierte ein 21-Punkte-Umweltprogramm mit Forderungen zur Abfallvermeidung, nach einem Abfallwirtschaftsgesetz, zur Altlastensanierung, Flussreinhaltung, einer Wasserrechtsnovelle, Emissionsgrenzwerten für Kleinfeuerungsanlagen, bundesweiten Luftgrenzwerten, Ökologisierung der Agrarförderung, Bodenschutz, etc. enthielt, deren Grundzüge bereits im Arbeitsprogramm der Regierung von 1987 enthalten waren (SPÖ 1989: 7). Trotz dieser generellen Schwerpunktverlagerungen in der Programmatik und Rhetorik der beiden Großparteien sorgten bei der SPÖ Ängste um Arbeitsplätze und bei der ÖVP Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit dafür, dass Umweltfragen weiterhin nur eingeschränkt, eben mit Augenmaß, verfolgt werden konnten. In beiden Parteien hatten die Umweltsprecher weiterhin eine relativ schwache Position im Vergleich zu den Wirtschafts-, Finanz- oder Außenpolitiksprechern, und das Umweltministerium behielt weiterhin seine v.a. dem Wirtschaftsressort untergeordnete Rolle, wobei die Konflikte (z.B. zwischen Umweltministerin Flemming und ÖVP Wirtschaftsminister Graf) deutlich zunahmen. Politikintegration und insbesondere Integration der Umweltpolitik in alle Bereiche behielt die Be133
deutung der Unterordnung umweltpolitischer Maßnahmen unter die zentralen Politikbereiche, die einen hohen Lebensstandard durch weiteres Wirtschaftswachstum garantieren sollten. Gegenüber den Grünen als „Außenseitergruppe“ im politischen System nutzten die beiden Großparteien Strategien der Ausgrenzung und des Ausmanövrierens, um den durch Große Koalition und Sozialpartnerschaft geprägten Politikstil beizubehalten. Die Forderung der Grünen, dass Gesetze in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Umwelt direkt vom Parlament ausgearbeitet werden sollten, war nicht umsetzbar. Die Debatten im Nationalrat wurden durch den Einzug der Grünen deutlich länger, da die Grünen oft nicht an Ausschussdebatten teilnehmen konnten und das Plenum als öffentlichkeitswirksame Plattform nutzten. Allerdings gelang es den Grünen damals auch noch nicht, als konstruktive Opposition aufzutreten, da die Uneinigkeiten zwischen den einzelnen Grüngruppierungen auch in Auseinandersetzungen im Nationalrat ausgetragen wurden (Epp 1989).
4.7.3 Staatliche Umweltpolitik Insgesamt erfolgte in den 1980er Jahren, bzw. insbesondere in der Periode 1985-1992, eine erhebliche Ausweitung und Stärkung der österreichischen Umweltpolitik. 1987 wurde das Umweltministerium ein eigenständiges Ministerium (BMUJF), und in der Verfassung wurde eine Bundeskompetenz für Luftreinhaltung und Abfallwirtschaft verankert. Trotzdem das Umweltministerium gestärkt worden war, gelang eine Ausweitung der Kompetenzen, wie sie Ministerin Flemming vorschwebte, nicht. Ihrer Ansicht nach sollte das Ressort über koordinierende Kompetenzen in den Bereichen Wasser, Boden, Luft, Strahlenschutz sowie in wesentlichen Bereichen des Gesundheitswesens und des Verkehrs erhalten und aufgrund des ressortübergreifenden Charakters fast aller Umweltmaterien eine Position ähnlich der des Finanzministeriums zugesprochen bekommen (Flemming 1990a: 61 u. 1990b: 9): „Entsprechend dem Grundsatz einer übergeordneten und koordinierenden Verantwortung für die Belange des Umweltschutzes wünsche ich mir, dass dem Umweltminister bei allen umweltrelevanten Entscheidungsfindungen und legistischen Vorhaben volle Mitsprache und gegebenenfalls ein Vetorecht eingeräumt wird“ (ib.).
In der Periode 1985-1992 wurden mit dem Abfallwirtschaftsgesetz, einer Novelle zum Sonderabfallgesetz, dem Altlastensanierungsgesetz, dem Smogalarmgesetz, dem Luftreinhaltegesetz und dem Chemikaliengesetz wichtige Gesetzesbereiche endlich abgedeckt. Das siebte große Umweltgesetz dieser Periode war die Novelle des Wasserrechtsgesetzes, das in der Kompetenz des Landwirtschaftsministeriums lag. Mit der Schaffung des Nationalparks Hohe Tauern wurde endlich nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen und Verhandlungen der erste österreichische Nationalpark geschaffen. Infolge des Hainburg-Konflikts wurde auch die angekündigte „Demokratisierung des Verwaltungsverfahrens“ umgesetzt. Im Mai 1987 verabschiedete der Nationalrat dazu neue Auskunftsgesetze, die auch die Erlassung entsprechender Landesgesetze bis Mitte 1988 vorsahen. Österreich rückte damit in die Reihe jener Staaten auf, die eine derartige Öffentlichkeit der Verwaltung eingeführt hatten. Im Gegensatz zu anderen Ländern enthielt das österreichische Gesetz jedoch Ausnahmen von der Auskunftspflicht und große Spielräume für die Verwaltung durch die Amtsverschwiegenheit und die Verschwiegenheitspflichten in den umweltspezifischen Gesetzen. Auf Drängen der Grünen, Betriebe zur Offenlegung ihrer Emissionen zu verpflichten, kündigte Ministerin Flemming an, dass man angesichts des Datenschutzes Unter134
nehmen, deren Daten vorliegen, ersuchen werde, diese veröffentlichen zu dürfen. Jene Firmen, die eine Veröffentlichung verweigerten, sollten bekannt gegeben werden. Während in diesem Diskurs die Wirtschaftsseite mit dem Betriebsgeheimnis argumentierte, kritisierte die Umweltkoalition, dass eine Sperre von Informationen, die die menschliche Gesundheit betreffen, weder mit staatlichen noch privatwirtschaftlichen Geheimhaltungsinteressen zu begründen sein dürfe (Wirtschaft & Umwelt 1/88: 17). Der Großteil der Gesetze, die in diesem Zeitraum zustande kamen, blieb auf den nachsorgenden Einsatz von Maßnahmen beschränkt, wenngleich im wissenschaftlichen und politischen Diskurs immer mehr von einem „aktiven Umweltschutz“ gesprochen wurde. Im Bereich der Instrumente wurde weiterhin hauptsächlich auf Ge- und Verbote gesetzt. Auch hier stand die tatsächliche Instrumentenwahl zunehmend im Gegensatz zur wissenschaftlichen und politischen Diskurs. Trotz der Fortschritte in verschiedensten Bereichen, die Österreich schließlich doch zu einem Vorreiter werden ließen, kam es jedoch zu keinen qualitativen Sprüngen (V. Lauber 1992: 563). Es zeigte sich, dass hoch entwickelte Dienstleistungsgesellschaften „neue Verursachungszusammenhänge“ mit sich bringen, „die vermutlich noch schwieriger zu steuern sind als die relativ überschaubaren Umweltprobleme einer frühen Industrialisierung“ (Glatz 1991: 38): „Zu erwähnen sind hier die Chemisierung, die Verkehrsentwicklung, der Tourismus, die zunehmende Risikogeneigtheit von industriellen Verfahren. Den Entlastungen, die es durch den relativen Rückgang der Grundstoffindustrie, des Bergbaus, der Eisen- und Stahlerzeugung, der Bauwirtschaft gibt, stehen Zunahmen der chemischen Industrie, des Verkehrssektors etc. gegenüber“ (ib.: 38).
4.7.4 Wandel der Industrie Wesentlich für die Erlangung einer Pionierrolle war ein Wandel der Industrie, die verstärkt seit den 1970er Jahren enorme Anstrengungen vollziehen musste, um Umweltbelastungen aus diesem Wirtschaftssektor zu reduzieren. In der Folge waren die jährlichen Umweltschutzausgaben der Industrie kontinuierlich gestiegen, was v.a. dem Anlagebau und anderen Branchen wie dem Baugewerbe oder dem Tourismus zusätzliche Gewinne brachte. Dabei blieb regelmäßig unerwähnt, dass die Kosten klassischer end of pipe Maßnahmen für die Verschmutzer sehr oft wesentlich geringer waren, als die Höhe ihrer Umweltschutzausgaben vermuten ließ. Denn durch solche Maßnahmen konnten zumeist auch Ressourcenund damit Kosteneinsparungen erzielt werden. Ermöglicht wurde dieser Wandel zudem durch zahlreiche Ausnahmegenehmigungen, zeitliche Übergangsbestimmungen, Vollzugsdefizite und durch im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe staatliche Förderungen. Die Frontstellung Umweltschutz – Wirtschaft löste sich langsam auf, wenngleich sie immer wieder zu Tage brach, und in verschiedensten Bereichen (z.B. Mursanierung) wurden langfristige Programme ausgehandelt, die den Unternehmen Richtungssicherheit und die Finanzierbarkeit von Maßnahmen garantieren sollten. Im Laufe der 1980er Jahre änderte sich dadurch zumindest in der Rhetorik die Wahrnehmung der Industrie dahingehend, dass nunmehr angenommen wurde, dass nur eine sich wandelnde Industrie auf lange Sicht konkurrenzfähig und damit in der Lage ist, dauerhafte Arbeitsplätze zu sichern. Es setzte sich auch die Ansicht durch, „dass nur in einer langfristig funktionsfähigen und für den Menschen lebenswerten Umwelt industrielles Wirtschaften möglich ist“ (Bundessektion Industrie 1986: 9). Durch die Verschärfung von Umweltbestimmungen war es zu Preis135
verschiebungen gekommen, die eine Verschlechterung für Verursacher brachten. Damit setzte sich das Argument durch, das zwischen Ökonomie und Ökologie kein fundamentaler Gegensatz bestünde, dass prinzipiell aber weiterhin auf die Besonderheiten Österreichs Rücksicht genommen werden müsse: „Es besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass das vereinfachende Schlagwort >Ökologie gegen Ökonomie< seiner Grundlage entbehrt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Kosten erhöhenden Umweltauflagen im internationalen Gleichklang erfolgen, da der Zusammenhang zwischen Umweltaufwendungen und gesetzlichen Umweltbestimmungen in einer Vielzahl von Studien bereits eindeutig nachgewiesen werden konnte. Zusammen mit der relativen Kleinheit des österreichischen Binnenmarktes folgt daraus, dass Österreich keine Voraussetzung für die Übernahme einer Schrittmacherrolle in der Umweltschutzgesetzgebung besitzt. Es wird daher – wie dies in der Vergangenheit geschehen ist – auch in Zukunft notwendig sein, die Verschärfung von Umweltauflagen im internationalen Gleichklang vorzunehmen“ (Streicher 1987: 94).
Umweltpolitik müsse den „Fortbestand der industriellen Produktionsweise außer Streit“ stellen, und notwendig sei ein langsamer Übergang zu umweltfreundlichem Wirtschaften. Die Bundessektion Industrie vertrat die Auffassung, „dass eine Verbesserung der Umweltsituation nur durch Aktivierung des (potenziell) vorhandenen technischen Wissens der Menschheit bewältigbar ist. Nur durch den Einsatz des unternehmerischen Pioniergeistes und technologischer Neuentwicklungen wird es möglich sein, die materielle Wohlfahrt zu erhalten und durch Lebensqualität im Umweltbereich zu ergänzen“ (Bundessektion Industrie 1986: 9). Die Industrie grenzte sich von Konzepten ab, die einen Ausstieg aus der Industriegesellschaft forderten und warf solchen Ansätzen eine „Verteufelung der Technik“ vor. Gleichzeitig wurde betont, „dass Umweltschutz mit Kosten verbunden ist, die preismäßig bewertet und auf dem Markt untergebracht werden können“ (ib.), und Bereitschaft signalisiert „eine solide staatliche Umweltpolitik mitzutragen“, sofern diese auf „rationalen Gründen“ basiert und „eine möglichste Stetigkeit der Rahmenbedingungen der Wirtschaft“ gegeben ist (Schwarzer 1989d: 472f.). Die Wirtschaftsseite argumentierte auch zunehmend, dass die ökologischen Aufgaben erfüllt worden seien und nunmehr die Umweltbürokratie das Hauptaugenmerk auf die Haushalte und Konsumenten sowie grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen und den Verkehr legen sollten. Mit diesen Grundprämissen einer ökologischen Modernisierung blieb freilich der Konflikt mit der Ökologiebewegung weiterhin aufrecht. Seit Beginn der 1970er Jahre hatte die Industrie rund 45 Mrd. Schilling für den Umweltschutz aufgewendet, wobei sich die jährlichen Aufwendungen v.a. seit den späten 1970er Jahren stark erhöht hatten. Umweltschutzaufwendungen waren zu einem ernstzunehmenden Kostenfaktor geworden. Aufgrund des hohen Importanteils bei typischen Umweltprodukten forderte die Wirtschaft eine intensivierte Forschung und Eigenentwicklung, um die Importquote dieses Zukunftsmarktes zugunsten inländischer Erzeugnisse zu reduzieren. Dazu sollte die Politik insbesondere kalkulierbare Rahmenbedingungen für Unternehmensentscheidungen und Marktabschätzungen schaffen. Umweltpolitik sollte noch mehr versachlicht, „objektiviert“ und entemotionalisiert werden, und auch vom Ordnungsrecht sollte unter dem neuen Schlagwort „Markt schützt Umwelt“ (Politische Akademie 1988) zugunsten marktwirtschaftlicher Instrumente abgerückt werden. Damit war auch die Forderung nach einem „aktiven Umweltschutz“ verbunden. Das Auftreten schädlicher Umweltfolgen sollte durch die Auswahl von geeigneten Produktionsstrukturen, Technologien, Standorte etc. vermieden werden. Damit wurde das bis in die 1960er Jahre absolut 136
dominante Technikparadigma zwar nicht radikal infrage gestellt, doch wenigstens modifiziert. Die Euphorie über die Möglichkeiten der Technik sollte keinesfalls durch die Unterschätzung der Technik ersetzt werden. Diese neuen Zielvorstellungen bewirkten einen Wandel von der Politik der Konfrontation hin zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft, aber auch Ökologiebewegung, die dann auch zu neuen Konzepten des ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft wie auch dem Ende der 1980er Jahre entstehenden Nachhaltigkeitsparadigma beitrugen. Für Österreich konnte eine Entkoppelung von strukturell bedingten Umweltbelastungsfaktoren und Bruttosozialprodukt beobachtet werden (vgl. Jänicke/Mönch 1986: 20), die auf einen Strukturwandel und den Einsatz neuer Technologien zurückgeführt wurde (Glatz 1991: 38). Aus dieser Entwicklungsdynamik wurde abgeleitet, dass entwickelte Industriegesellschaften potenziell bessere Voraussetzungen haben, um die Umweltbelastungen, die sie vorher produzieren, nachher zu reduzieren, weil sie die für die Problembewältigung erforderlichen Ressourcen besitzen. Technischer Umweltschutz, nachgeschaltete Reinigungs- und Filtertechnologien waren zu einem teuren Luxus geworden, den sich nicht mehr jeder Staat leisten konnte. Gerade in Österreich konnte sich aber ein starker umwelttechnologischer Wirtschaftsbereich herausentwickeln. Zwar litt die Umwelttechnologie in den 1980er Jahren daran, dass es sich dabei zumeist um ausländisches Know-how in Form japanischer Lizenzen handelte, dieser Produktionssektor gewann jedoch das Image eines jungen, zukunftsträchtigen und international wachsenden Marktes, der für F&E-Förderungen zunehmend interessanter wurde. Insbesondere für die verstaatlichte Industrie gab es bereits seit den 1970er Jahren entsprechend Förderungen. In der Folge hat der Trend zu umweltfreundlichen Techniken deutlich zugenommen. Ausschlaggebend war dabei eine veränderte Sichtweise: Umweltpolitik rief nicht länger Abwehrreaktionen hervor, sondern wurde als positiver Wirtschaftsfaktor gesehen. Die Bedeutung der Umweltpolitik für die Förderung bestimmter Wirtschaftszweige, die Umwelttechnik anbieten, galt nunmehr auch als Maßnahme zur Wachstumsförderung und wurde mit positiven Beschäftigungseffekten in Zusammenhang gebracht: „Richtig verstandene Umweltpolitik gefährdet keine Arbeitsplätze, sondern schafft sinnvolle Arbeitsplätze, Umweltausgaben schaffen Nachfrage, dies stimuliert die Beschäftigung“ lautete die neue Prämisse des end-of-pipe-Paradigmas. Zunehmend wurden von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung Beispiele von Unternehmen hervorgehoben, die freiwillig über gesetzliche Umweltschutzauflagen hinausgingen und damit am Markt erfolgreich waren. Zunehmend wurden auch die Vorteile integrierter Technologien hervorgehoben, also solcher Ansätze, mit denen nicht nachträglich und teuer repariert wird, sondern solcher, die dazu dienen Umweltprobleme erst gar nicht entstehen zu lassen oder zumindest zu minimieren. 1998 war in Österreich das Verhältnis zwischen end-of-pipe-Technologien zu integrierten Technologien 66 zu 34. Zum Vergleich: In Schweden war (1997) dieses Verhältnis 44 zu 56, in Belgien (1996) 40 zu 60 zugunsten integrierter Technologien; in Finnland (1998) lag es bei 61 zu 39, in den Niederlanden (1997) bei 59 zu 41 (Eurostat 2001: 143). Mit der Schaffung einer heimischen auf den Export orientierten Umwelttechnologiebranche mussten auch die entsprechenden institutionellen Veränderungen für die Positionierung derselben auf den Weltmärkten geschaffen werden. Dazu wurden im Außenministerium und in der Wirtschaftskammer entsprechende Abteilungen eingerichtet. Hatte Österreich schon aufgrund seiner geografischen Lage ein starkes Interesse, grenzüberschreitende Umweltprobleme transnational und international zu regulieren, so wurde damit die an einer internationalen Harmonisierung von Umweltvorschriften interessierte Koalition gestärkt. 137
Die Entstehung einer starken Öko-Industrie war nicht nur auf Veränderungsprozesse in der Wirtschaft wie z.B. dem Bedeutungsverlust der Grundstoffindustrie oder den allein aufgrund der Marktkräfte wirkenden Zwang zur ständigen technologischen Modernisierung zurückzuführen. Zur Steigerung des Anteils umweltfreundlicher Technologien und Produkte trugen sehr viele Akteure aus der Wirtschaft, der Bürokratie, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und auch veränderte Sichtweisen bei. Umweltpolitische Akteure, allen voran die AK, zeigten immer wieder die positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekte von Umweltpolitik auf, um die dominante konfliktorientierte Sichtweise aufzubrechen. Internationale Studien der OECD und von Politologen zeigten dies besonders für Vorreiterstaaten, sodass das alte Argument, dass Umweltschutz Arbeitsplätze gefährde und sich die Wirtschaft nur in günstigen Phasen Umweltschutzausgaben leisten könne, empirisch nicht länger haltbar war. Umweltpolitik wurde mehr und mehr als ein „Positivsummenspiel“ wahrgenommen, das Wirtschaftswachstum mit höherer Lebensqualität in Einklang bringt. Dies führte Ende der 1980er Jahre zu neuen Netzwerken, die ökoeffiziente (win-win-) Strategien propagierten, um den Prozess der ökologischen Modernisierung zu beschleunigen. Die neue Devise lautete nunmehr „agieren statt reagieren“. Die Industriellenvereinigung propagierte Ende der 1980er Jahre diese „offensive Konzeption“ einer „möglichst kostengünstigen Übererfüllung von Umweltschutzanforderungen durch kostensenkende betriebliche Umweltschutzmaßnahmen und Ausnutzung von Finanzierungshilfen sowie offensives Umweltschutzmarketing“ (industrie 9. August 1989: 9), wobei bei weiteren Regulierungen weiterhin der „Stand der Technik und die Gegebenheiten des internationalen Wettbewerbs“ zu berücksichtigen seien (ib.: 13). Dieser Prozess wurde schließlich in den 1990er Jahren durch den Nachhaltigkeitsdiskurs verstärkt. Freilich gab es in den 1980er Jahren auch zahlreiche gegenteilige Entwicklungstendenzen in der österreichischen Wirtschaft. Gesetzesentwürfe wurden aufgrund der Interventionen der Wirtschaft abgeschwächt oder gelangten erst gar keine Gesetzeskraft. Zahlreiche Unternehmen verfolgten nach wie vor eine defensive Strategie, indem sie versuchten Auflagen nicht zu erfüllen oder zu verzögern sowie durch eine umweltbelastende Substitution auf Auflagen reagierten. Unternehmen, die freiwillig über Vorschriften hinausgingen, machten „sich innerhalb der eigenen Branche unbeliebt […], weil sie demonstrieren, dass die Grenzen der Belastbarkeit durch legistische Maßnahmen noch nicht erreicht sind“ (ib.: 9). Vertreter der Wirtschaft argumentierten auch, dass Österreich „für eine ökologische Vorreiterrolle viel zu klein“ sei, forderten auch unter Hinweis auf das Schlagwort der „ökosozialen Marktwirtschaft“ die „Erhaltung der vollen Wettbewerbsgleichheit“ und vertrauten weiter auf die Technik: „Bis jetzt wurde für jedes Umweltproblem eine technische und sozial akzeptable Lösung gefunden“, argumentierte beispielsweise der Vorstandsvorsitzende mehrerer Aktiengesellschaften Manfred Leeb (1990: 11), „und es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass uns das nicht auch in der Zukunft gelingen wird“.
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5 Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik in den 1990er Jahren
Nachdem die 1980er Jahre ein zumindest für die traditionelle „end-of-pipe-Strategie“ herausragendes, wenngleich immer noch konfliktreiches Jahrzehnt für die Umweltpolitik waren, in dem in Vorreiterstaaten – zu denen mittlerweile auch Österreich gehörte – unter relativ günstigen nationalen und internationalen Bedingungen sehr viel durchgesetzt werden konnte, standen hierzulande zu Beginn der 1990er Jahre mit dem Wandel zu einer Politik der Nachhaltigkeit und mit der Annäherung an die EG sowie mit der Ostöffnung qualitativ neue Herausforderungen bevor. Das Paradigma einer nachhaltigen Entwicklung hatte gerade Fuß gefasst, als sich mehr und mehr jene Krisentendenzen durchzusetzen begannen, die sich seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre angekündigt hatten und mit dem Zerfall des ehemaligen „Ostblocks“ und mit der Beschleunigung des Europäischen Integrationsprozesses verstärkt wurden. Durch die anhaltende strukturelle Krise der österreichischen Ökonomie verschärften sich die Rahmenbedingungen für die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik im Bereich der Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik. 1995 war schließlich der Wendepunkt in der offiziellen Umweltpolitik: seither wurde der Anspruch, ökologischer Vorreiter sein zu wollen, zugunsten von Wettbewerbsvorteilen aufgegeben, während die Regierungen seither gleichzeitig beteuern, Österreich sei und bleibe Umweltmusterland und „Motor“ der internationalen Umweltpolitik. Insbesondere von einflussreichen Akteuren der Wirtschaftsseite war mit dem Argument, dass es ein „Irrglaube“ sei, „dass wir durch einen forcierten Strukturwandel, herbeigeführt durch strengste Umweltauflagen und ein quasi Vertreiben der umweltintensiven Industrie, insgesamt positive Beschäftigungseffekte erhalten“ eine „Pause beim Umweltschutz“ gefordert worden (so der damalige Leiter der Abteilung Umweltpolitik in der IV und heutige Vertreter der IV in Brüssel, Berthold Berger-Henoch in: Wirtschaft & Umwelt 1/1996: 30). Dazu grub die Regierung, die noch unter dem Einfluss des Einzugs der Grünen in das Parlament 1990 ein umfassendes Umweltprogramm im Arbeitsübereinkommen der Großen Koalition aufgenommen hatte, neuerlich das alte Argument aus, wonach Umweltpolitik zu höheren Produktionskosten führe, und vonseiten der Regierungsparteien wurden zunehmend die hohen Kosten einer strengen umweltpolitischen Regulierung kritisiert. Am Beginn des Jahrzehnts stand jedoch noch die Hoffnung, die 1990er Jahre könnten zu „neuen Wegen“ führen. Einerseits gab es bereits Vorreiterstaaten, die solche Möglichkeiten zeigten; andererseits gab es einen großen Auftrieb durch den RioProzess: Ausgehend vom Bericht „Our Common Future“ der UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung unter der Vorsitzenden Gro Harlem Brundtland aus dem Jahre 1987 und der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio 1992 fand das Schlagwort „Sustainable Development“ bzw. „nachhaltige“, „dauerhafte“ oder „zukunftsfähige“ Entwicklung breiten Eingang in den umweltpolitischen Diskurs. Binnen kurzer Zeit avancierte Nachhaltigkeit zu einem neuen und zentralen Prinzip nationaler, transnationaler und internationaler Umweltpolitik. Mit dem Paradigma der Nachhaltigkeit ist seither auch die Hoffnung verbunden, dass trotz verschlechterter Rahmenbedingungen der hohe Umweltstandard nicht nur gehalten, sondern sogar verbessert werden kann, indem sich eine veränderte Staatlichkeit der Handlungskapazitäten anderer Akteure und eines breiten Instrumenten-Mixes bedient. Hierbei
rücken insbesondere win-win-Strategien und kooperative Formen des Aus- und Verhandelns in den Vordergrund. Dabei konkurrieren unterschiedliche Gesellschafts- und Staatsparadigmen, wobei auf dem einen Pol Modelle einer stärkeren Zivilgesellschaft und breiteren Partizipation zu finden sind, auf dem anderen Modelle zur Stärkung der Selbstverantwortung und Steigerung der Eigenverantwortlichkeit, begleitet mit einem Rückzug des Staates auf „Kernaufgaben“. Insgesamt wurden durch den Nachhaltigkeitsdiskurs neue Akteursnetzwerke geschaffen, Politikformulierungen im Sinne des Nachhaltigkeitsparadigmas neuinterpretiert und damit der Umweltdiskurs verändert. Auf der Basis des neuen Paradigmas setzten sich neue inputorientierte Ansätze durch, wie z.B. Stoffstromanalysen, Konzepte eines Stoffstrommanagements bzw. einer Stoffwirtschaft im Bereich der Abfallwirtschaft und Chemiepolitik oder Materialflussrechnungen und darauf aufbauende Indikatoren im Bereich der Umweltstatistik. In einzelnen Politikbereichen verlagerte sich das Hauptaugenmerk von medialen Ansätzen zu einer gesamtheitlichen Betrachtung. In der Wirtschaft setzte sich der Trend fort, Umweltaspekte bereits in der Entwicklung von neuen Produkten und Verfahren durch Öko-Design zu berücksichtigen. Eine wachsende Zahl von Unternehmen führte zur Optimierung von Energie- und Stoffströmen Umweltmanagementsysteme ein. Auch die betriebliche Umweltberichterstattung nahm einen Aufschwung. Insgesamt wendeten sich dominante Teile der Wirtschaft jedoch zunehmend gegen eine „Überregulierung“ und forderten Maßnahmen, die die Freiwilligkeit und Eigenverantwortung der Unternehmen gewährleisten. Die Wirtschaft entdeckte im Nachhaltigkeitsparadigma aber auch zunehmend ein neues Leitbild, das dazu beitragen sollte, kooperative Ansätze in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik voranzutreiben. Durch dieses neue Miteinander aller Akteure sollten – positiv interpretiert – die Schwächen der bisherigen Umweltpolitik vermieden und ökologische Modernisierung durch das gezielte Nutzen von „win win“-Optionen vorangetrieben werden; negativ interpretiert steckt hinter dieser Zielsetzung der Versuch, strenge Regulierungen durch „weiche“ freiwillige Lösungen zu verhindern. Vor allem die Interessenvertreter der Wirtschaft – WKÖ und IV – haben in den 1990er Jahren verstärkt in Richtung der zweiten Interpretation gedrängt. Nachdem die Wirtschaft ein vielschichtiges Geflecht ist und eine Vielzahl ökologischer Regulierungen sowohl Gewinner als auch Verlierer herbeiführen, lassen sich freilich auch genügend Beispiele im Sinne der „positiven“ Interpretation finden. Durch den EU-Beitritt 1995 und durch die bereits in den 1980er Jahren neu geschaffenen Mechanismen, Umweltkonflikte in rechtliche Strukturen zu überführen und so Proteste rechtzeitig zu kanalisieren und abzuschwächen, wurden die Auseinandersetzungen um die gesellschaftlichen Naturverhältnisse weiter „versachlicht“. Dieser Versachlichung kam auch entgegen, dass neue, v.a. globale Umweltprobleme in den Vordergrund gerückt sind, die wesentlich komplexere Ursachen-Wirkungszusammenhänge aufweisen und die dadurch mit enormen Unsicherheiten verbunden sind, die ihre Politisierung wesentlich schwerer machen. Der Bedeutungsgewinn globaler Umweltprobleme hat zudem der Argumentation gedient, dass Österreichs Nachbarstaaten aufholen müssten, um qualitative Fortschritte zu erzielen.
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5.1 Umwelt im Arbeitsübereinkommen der Großen Koalition 1990 Aus der Nationalratswahl am 7. Oktober 1990, bei der sich die SPÖ als stimmenstärkste Partei behaupten konnte, die ÖVP an die FPÖ Stimmen verlor und die Grünen leicht zulegten, aber unter den Erwartungen blieben, ging eine neuerliche Große Koalition, das Kabinett Vranitzky III, hervor. In der ÖVP gab es zwar bereits Stimmen, vor allem in den westlichen Bundesländern, die eine Kleine Koalition mit den Freiheitlichen, die bereits möglich gewesen wäre, favorisiert hätten; es setzten sich schließlich aber die Befürworter einer Großen Koalition durch. Am 17. Dezember 1990 wurde das Arbeitsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP von den Parteiobmännern Vranitzky und Riegler unterzeichnet (Österreichisches Jahrbuch für Politik 1990: 203-260). Darin wurde festgehalten, „wichtige Entscheidungen aufeinander abzustimmen und gemeinsame Beschlüsse zu vertreten“. In der auf diesem Arbeitsübereinkommen basierenden Regierungserklärung bezeichnete Bundeskanzler Vranitzky die neue Regierung als stabil und reformfreudig und nannte als Ziele Fortschritt und Modernisierung: „Aus dem Eintreten gegen jeglichen Rückschritt leitet sich mein Bekenntnis zum Fortschritt ab, der mehrere Facetten hat. So bedeutet Fortschritt sicherlich technischen Fortschritt, bedeutet Erneuerung, High-Tech, Computerisierung und Modernisierung – dies alles unter prinzipieller Bedachtnahme auf Natur, auf Umwelt, auf Menschlichkeit, Lebensqualität, Solidarität und Toleranz. Fortschritt hat auch eine zutiefst politische Dimension. Er bedeutet in diesem Sinne für mich die kritische Auseinandersetzung mit Zuständen. Die Gesellschaft muss immer wieder prüfen, was an den herrschenden Zuständen erhaltenswert ist und was einer Änderung bedarf“ (Österreichisches Jahrbuch 1990: 87).
Als Reaktion auf den Einzug der Grünen in den Nationalrat und infolge der programmatischen Neuausrichtung der SPÖ und ÖVP formulierten die beiden Parteien im Arbeitsübereinkommen der Großen Koalition auch ein Umweltprogramm für die XVIII. Gesetzgebungsperiode, in dem sich alles fand, „was opportun, gut und teuer“ war (Katzmann/Schromm 1991: 404). Damit reagierte die neue Regierung auch auf einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel, der sich darin ausdrückte, dass in Meinungsumfragen von Wählern aller Parteien einem wirksamen Umweltschutz eine höhere Bedeutung als Rentensicherung, Verhinderung der Verschwendung öffentlicher Mittel, Korruptions- und Privilegienbekämpfung sowie Bekämpfung von Arbeitslosigkeit zugemessen wurde (Plasser/Ulram 1990: 36). Umweltschutz sollte zu einem „integrierenden Bestandteil der Regierungspolitik“ und verstärkt am Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzip orientiert werden. „Neben der Vervollständigung der notwendigen Umweltgesetzgebung“ sollte „der Umsetzung und Kontrolle der legistischen Maßnahmen im Umweltbereich besonderes Augenmerk“ gewidmet werden. In Vorbereitung des EU-Beitritts galt es insbesondere die Umweltgesetzgebung an EG-Recht anzunähern, „ohne dabei jedoch die umweltpolitischen Standards Österreichs in Frage zu stellen.“ Darüber hinaus sollte das Land international eine Schrittmacherfunktion einnehmen und sich insbesondere für die Schaffung einer Internationalen Solarenergieagentur, ein AKW-freies Mitteleuropa, die Alpenschutzkonvention, die Kooperation mit Nachbarstaaten zur Reduktion grenzüberschreitender Luftverschmutzung und die Bekämpfung des Treibhauseffekts einsetzen und hinsichtlich der Vorbereitung der UNO-Umweltkonferenz 1992 in Rio de Janeiro eine aktive Rolle übernehmen (Österreichisches Jahrbuch für Politik 1990: 212). Auf nationaler Ebene wurden insbeson141
dere eine Aktion „Saubere Flüsse“ und die verbesserte Information und Mitsprachemöglichkeiten der Bürger im Umweltbereich angekündigt. Vranitzky bezeichnete in seiner Regierungserklärung zunehmende Integration Ostund Westeuropas, Umwelt und die Sicherung des hohen Lebensstandards im komplexer werdenden internationalen Umfeld als die wichtigsten politischen Herausforderungen. Für die Umweltpolitik trat er für eine neue ökologische Wertung ein und bekräftigte die Zielsetzungen aus dem Arbeitsübereinkommen. Als „Voraussetzung für ein glaubwürdiges Auftreten auf internationaler Bühne“ sollte eine „seriöse und eigenständige nationale Umweltpolitik“ verfolgt werden. Dazu sollte insbesondere das vorherrschende ordnungsrechtliche Instrumentarium um marktwirtschaftliche Instrumente, v.a. Umweltabgaben, ergänzt werden. Eine Energiebesteuerung sollte im internationalen Gleichklang verfolgt werden. Die Fortschritte der Umweltgesetzgebung sollten durch einen wirkungsvollen Vollzug und eine gezielte Schwerpunktsetzung weiterhin eine moderne Umweltpolitik garantieren. Umweltpolitische Forderungen nahmen auch im Verkehrsbereich, im Energiebereich, im Bauen, im Bereich der Freizeitwirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, in der Gesundheitspolitik und in der Steuerreformpolitik Eingang in das Arbeitsübereinkommen und in die Regierungserklärung. Das Arbeitsübereinkommen trug damit „der Erkenntnis Rechnung, dass Maßnahmen in den verschiedensten Teilbereichen der Politik Rückwirkungen auf Umweltschutzanliegen haben“ (Ofner 1991: 201; zu den Resultaten siehe: Umweltpolitik im Vorfeld des EU-Beitritts).
5.2 Umweltthemen in den Arbeitsübereinkommen 1994 und 1995 Nach den Nationalratswahlen im Oktober 1994 kam es zu einer Neuauflage der Großen Koalition, die dann allerdings nur ein Jahr hielt, nachdem sich die SPÖ und die ÖVP in der Frage um das Budget 1996 nicht einigen konnten. Das Arbeitsübereinkommen zwischen der SPÖ und der ÖVP vom November 1994 definierte als „vorrangige Ziele der Umweltpolitik“ unter dem Einfluss des Rio-Prozesses sehr weitreichende Ziele wie „eine nachhaltige Entwicklung und ein vorsorgender Umweltschutz, die Verringerung der Stoffströme und deren Kreislaufführung, ebenso wie die Verwirklichung der Kostenwahrheit und die Anwendung des Verursacherprinzips“ als „Leitlinien für alle Maßnahmen“ (S. 60). Diese Zielsetzungen sollten „auch die Richtschnur für die österreichische Position in den Gremien der Europäischen Union“ werden. Die Regierung kündigte an, sich in der EUUmweltpolitik besonders engagieren und eine Vorreiterrolle einnehmen zu wollen. Auf nationaler Ebene wurde eine „ökologische Strukturoffensive“ angekündigt. Generell sollten „vernünftige Umweltvorschriften […] so effizient und kostensparend eingesetzt werden, dass unnötige Belastungen der Bürger durch Abgaben und Gebühren vermieden werden“ (ib.). Konkret wurden die Ökologisierung des Steuersystems „im Rahmen des nationalen Handlungsspielraums“ (S. 39), der Einsatz „moderner Instrumente“ (Nationaler Umweltplan, Verfahrenskonzentration, Entbürokratisierung, Weiterentwicklung des Umweltzeichens, Ausbau der Produktkennzeichnung), eine „offensive Klimaschutz- und Ozonpolitik“, die Schaffung eines Immissionsschutzgesetzes, die Mitwirkung an den europaweiten Bemühungen zur weiteren Verminderung der Schadstoffgrenzwerte, Bemühungen zur Senkung des durchschnittlichen Treibstoffverbrauchs neuzugelassener Fahrzeuge, eine „effiziente Abfallwirtschaft, die als Ziel die Minimierung von Stoffströmen und die größtmögli142
che Vermeidung von Abfällen hat“ sowie Maßnahmen zur Erfüllung internationaler Naturund Artenschutzabkommen, ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz und die Schaffung weiterer Nationalparks angekündigt (S. 61f.). Im Bereich der Landwirtschaftspolitik wurde der Landwirtschaftsminister beauftragt, durch Verordnung ökologische Mindestanforderungen für die Gewährung von ausschließlich nationalen betrieblichen Agrarförderungen zu definieren und ein „umfassendes Bodenschutzkonzept“ vorzulegen. Fragen des Wasserrechts und der Nitratverordnung sollten mit den Ländern, dem Städte- und dem Gemeindebund ausverhandelt werden, „wobei das Niveau der Wasserqualität gewahrt werden soll, die Zielsetzungen der EU berücksichtigt werden sollen, aber auch auf die Verhältnismäßigkeit zu den Kosten der Investitionen Bedacht genommen wird“ (S. 35). Die von der ÖVP ausgelösten Neuwahlen im Dezember 1995 brachten nicht der Volkspartei den erhofften Erfolg sondern lediglich den Zugewinn eines Mandats. Die SPÖ, die vor einem „schwarz-blauen Experiment“ warnte, und 1994 starke Stimmenverluste verkraften musste, erlangte hingegen Stimmgewinne. FPÖ und LiF verloren leicht; die Grünen, die 1994 noch drei Mandate hinzugewonnen hatten und damit bei 13 Mandaten lagen, waren auf die vorgezogene Neuwahl nicht vorbereitet bzw. konnten aufgrund der Polarisierung um die Frage einer möglichen schwarz-blauen Koalition nicht profitieren und fielen überraschend auf 9 Mandate zurück. In der Folge kam es nach schwierigen Verhandlungen neuerlich zu einer Großen Koalition. Am 12. März 1996 wurde das Kabinett Vranitzky V angelobt. Das neue Regierungsprogramm22 formulierte eine Beschäftigungsoffensive, die Standortsicherung, die Budgetkonsolidierung und Sicherheit als zentrale Ziele der nächsten vier Jahre. Im Teil X Umwelt hieß es neuerlich, dass sich umweltpolitische Maßnahmen am Prinzip der Nachhaltigkeit zu orientieren haben. In der EU wollte sich Österreich für Umweltschutz und Ressourcenschonung einsetzen und eine aktive Rolle gegen die Nutzung der Atomkraft beibehalten. Die Regierung bekannte sich v.a. zum verstärkten Einsatz ökonomischer Instrumente. Die im Nationalen Umweltplan festgelegten Leitlinien sollten umgesetzt (siehe unten) und die Klimaschutzmaßnahmen verstärkt werden. Das Immissionsschutzgesetz, Maßnahmen zur Reduktion der Ozonbelastung, eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes und weitere Nationalparks wurden neuerlich angekündigt. Die Anstrengungen zur Ökologisierung des Steuersystems sollten auf internationaler Ebene fortgesetzt werden. Von einer Minimierung der Stoffströme und der größtmöglichen Vermeidung von Abfällen war im neuen Regierungsprogramm allerdings nicht mehr die Rede, ebenso wenig fand sich darin das Toronto-Ziel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. 1994 noch angekündigte Maßnahmen wie z.B. ein Tierschutzgesetz oder die Produkthaftung waren nicht mehr enthalten. Die neue Regierung schuf auch kompetenzrechtliche Veränderungen. Anstatt dem Umweltministerium endlich die Kompetenzen in den Bereichen Energie und Wasser zu geben, erhielt das Ressort neuerlich die Agenden Jugend und Familie. Die Grünen reagierten auf diesen Rückschritt in der Umweltpolitik mit einem Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, die „Gesetzgebungsperiode unter das Leitbild ‚Nachhaltiges Wirtschaften’ (Sustainable Development) zu stellen“ (Stenographisches Protokoll 11. Sitzung, 14. März 1996, XX. GP: 76).
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http://www.spoe.at/service/bibliothek/ergebnisse/koalue96.txt.
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5.3 Parteien In den 1990er Jahren haben alle österreichischen Parteien den Nachhaltigkeitsdiskurs in ihre Programmatik aufgenommen und daran ihre Positionen in der Umweltpolitik weiter verändert. Gemeinsam ist allen Parteien die Vorstellung, dass Nachhaltigkeit im Rahmen einer kapitalistischen Geld- und Marktwirtschaft erreicht werden kann, dass dazu zwar radikale Reformen notwendig sind, aber das „kapitalistische“ System als solches dabei erhalten bleibt. Dieses „core belief“ beinhaltet auch die Überzeugung, dass die Politik zu einer Nachhaltigkeitspolitik grundsätzlich fähig ist, dazu aber vermehrt auf Kooperation mit allen gesellschaftlichen Akteuren und „weiche“ Steuerungsmechanismen setzen muss, um Handlungsspielräume zu eröffnen und durch eine veränderte Staatlichkeit die „richtigen“ Rahmenbedingungen zu setzen. Hinsichtlich der Rolle des Staates und seiner Beziehung zu anderen Akteuren unterscheiden sich jedoch etatistische Paradigmen (SPÖ, Grüne) von ordoliberalen und auch neoliberalen Paradigmen (ÖVP, FPÖ, LiF), wobei die Grenzen hier aufgrund des Bedeutungsverlustes von Ideologien in Parteiprogrammen teilweise verschwimmen. Die Unterschiede drücken sich auch in unterschiedlichen Vorstellungen und Konzepten über die Rolle der Märkte, die Zivilgesellschaft bzw. Bürgergesellschaft und die Instrumente aus. Die beiden großen Parteien haben zwar seit Ende der 1980er Jahre Umweltthemen offensiv aufgegriffen, vor radikaleren Maßnahmen und höheren Ausgaben schreckten sie jedoch aus Furcht, ihre Wiederwahlchancen aufs Spiel zu setzen, zugunsten einer vorsichtigen Vorgangsweise, die auch viel mehr ihren Paradigmen und den realen Machtverhältnissen entsprach, zurück. Denn die Meinungsumfragen, die einerseits zu diesem Kurswechsel geführt hatten, zeigten andererseits, dass trotz dem hohen Stellenwert, der Umweltschutz beigemessen wurde, kaum Bereitschaft zu persönlichen Opfern bestand. Eine Mehrheit der Bevölkerung war der Ansicht, dass die Unternehmen die Umweltschutzausgaben leicht verkraften könnten, ohne dass die Preise steigen müssten (Plasser/Ulram 1990: 39). Umweltthemen brachten auch keine Wahlerfolge, wie es schien. 1990 hatte die ÖVP am stärksten unter den drei traditionellen Parteien Umweltthemen in den Vordergrund ihres Wahlkampfes gerückt und erlitt eine Niederlage; die Grünen wiederum blieben 1990 weit hinter den Erwartungen und Prognosen der Wahl- und Meinungsforscher zurück. Schließlich verloren Umweltthemen für die traditionellen Parteien im Laufe des Jahrzehnts wieder an Bedeutung, weil einerseits andere Probleme in den Vordergrund rückten, andererseits die neuen Umweltprobleme wesentlich komplexer und daher nicht so leicht politisierbar sind. Ab Mitte der 1990er Jahre setzte die Kritik der Opposition ein, Österreich habe die Vorreiterrolle in der Umweltpolitik bzw. den Anspruch einer fortschrittlichen Umweltpolitik verloren. Im Folgenden werden die programmatischen Weiterentwicklungen der Parteien in den 1990er Jahren skizziert, die Positionen im Hinblick auf den EU-Beitritt und dessen Auswirkungen auf die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik werden erst weiter unten dargestellt.
5.3.1 SPÖ Die SPÖ, die dank des Kanzlerbonus bundesweit ihre Position als stimmenstärkste Partei in den 1990er Jahren halten konnte, war zunächst hinsichtlich der Modernisierung des eigenen Images durchaus erfolgreich. 1991 nahm sie symbolisch die Europaidee in ihre Embleme 144
auf und benannte sich in „Sozialdemokratische Partei Österreichs“ um. Der unter Vranitzky festgesetzte Kurs der klaren Abgrenzung zur FPÖ und die Einschätzung, dass die Grünen auf absehbare Zeit nicht koalitionsfähig seien, sowie die Schwäche der ÖVP machten der SPÖ aber zunehmend zu schaffen, da aufgrund der veränderten Parteienlandschaft und dem Wandel im Wählerverhalten eine absolute Mehrheit unwahrscheinlich geworden war. Die SPÖ hatte sich damit klar auf die Große Koalition eingeschworen, deren eigentlicher Repräsentant sie damit geworden war. Erst mit dem Führungswechsel in der ÖVP 1995 rückten die Sozialdemokraten von ihrer starren Festlegung auf die Große Koalition ab und hielten nunmehr, wenn auch eher aus wahltaktischen Gründen, andere Regierungskonstellationen – außer mit der FPÖ – für möglich. Unter dem Vorsitzenden Franz Vranitzky gewannen Umweltthemen für die SPÖ an Bedeutung. Das Renner Institut organisierte seit 1988 regelmäßig „Umweltpolitische Arbeitsgespräche“, die zu einem „Fixpunkt in der umweltpolitischen Diskussion“ innerhalb der SPÖ wurden (Vranitzky 1989: 1). Laut Vranitzky war die ökologische Frage bereits „gleichbedeutend mit der sozialen ins Zentrum sozialdemokratischer Politik“ gerückt (ib.: 4). Die Umweltpolitik sollte „von ihrer ‚Frühphase’ in ihre ‚Reifephase’“ gebracht werden (ib.: 6), sie sollte dem Gebot der ökologischen Vorsorge gerecht werden und zu einer „ökologischen Kreislaufwirtschaft“ führen (ib.: 12). Eine fortschrittliche, aktive und „rationale“ Umweltpolitik sollte v.a. für einen Strukturwandel und eine Beschäftigungsoffensive genutzt werden. Mit der Fortsetzung der Großen Koalition verfestigte sich bei der SPÖ auch das Bild, dass sie die treibende Kraft in der Umweltpolitik ist. „Das Bild der ÖVP ist gleich geblieben“, klagte beispielsweise der Umweltsprecher Peter Keppelmüller (1991: 11f.): „Es gibt zwar eine Gruppe von Umweltschützern in der ÖVP, die durchaus bereit sind, sehr viel mit uns zu machen. Dann gibt es aber die wesentlich stärkeren Gruppen der Bauernvertreter und der Wirtschaftsvertreter, die sich natürlich überall und zum Teil mit fadenscheinigsten Argumenten querlegen.“
Das Ziel einer ökologischen Kreislaufwirtschaft und die Modernisierung der Industriegesellschaft durch strukturelle Reformen und technische Innovation sowie die Rolle Österreichs als „eine treibende Kraft in Europa im Umweltbereich“ wurden 1993 auf dem 33. Ordentlichen Parteitag der SPÖ bekräftigt, auf dem auch die Arbeit an einem neuen Parteiprogramm beschlossen wurde. Damit begann auch die Arbeitsphase der „Themen der Zeit“. Dazu lud Vranitzky Experten zur Erstellung von Gutachten zu 12 Themenbereichen ein. Die Ergebnisse erschienen ein Jahr später in Buchform (Vranitzky (Hg.) 1994). Die Umweltproblematik wurde darin von Marina Fischer-Kowalski und Heinz Steinert (1994) behandelt, die auf der Grundlage des Konzepts des gesellschaftlichen Stoffwechsels eine „neue Sichtweise in der Ökologie“ präsentierten: „Weg vom umweltpolitischen Streit um die größere oder geringere Schädlichkeit einzelner Substanzen – hin zu einer Gesamtbetrachtung der materiellen Seite des Wirtschaftens. Weg von den mühsam zu messenden giftigen Nanogrammen – hin zu den gut feststellbaren und vielleicht auch regulierbaren Megatonnen. Weg von einer Politik der Grenzwerte – und hin zu einem ökologisch tragbaren Wirtschaften“ (ib.: 135).
Dieses neue Paradigma fand Eingang in den Nationalen Umweltplan und veränderte in der Folge auch die österreichische und europäische Umweltstatistik (siehe unten). In der SPÖ fand es allerdings seither noch keine breitere Verankerung. Im Entwurf des neuen Partei145
programms aus dem Jahr 1995, der zu einer breiten Diskussion führen sollte, fand sich lediglich ein relativ allgemein formuliertes Bekenntnis „für nachhaltiges Wirtschaften“. Umweltpolitik sollte „nicht als Summe von Einzelmaßnahmen, sondern als integraler Bestandteil allen politischen Handelns verstanden werden“ (SPÖ 1995: 30). Im Wahlkampfprogramm 1995 „Für Österreich! Das Kanzlerprogramm“ forderte die SPÖ die Aufwertung des Umweltministeriums um wasser- und lebensmittelrechtliche Kompetenzen als Voraussetzung für „eine effiziente Umweltpolitik“. Auch hier sucht man konkrete Aussagen zur Umweltpolitik geschweige denn zu einer Politik der Nachhaltigkeit vergeblich. Wesentlich detaillierter war die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und Umweltpolitik in den „Leitlinien, Grundsätzen und Vorhaben“ sozialdemokratischer Umweltpolitik, die der SPÖ-Parlamentsklub (1995) vorlegte.23 Spätestens mit dem Wechsel zu Viktor Klima im Januar 1997 verloren Umweltthemen in der SPÖ wieder an Bedeutung gegenüber anderen traditionellen Themen. Vor diesem Hintergrund ist der Einzug der Nachhaltigkeitsthematik in den sozialdemokratischen Diskurs zu sehen und zu bewerten. 1998 war der Diskussionsprozess um das neue Programm abgeschlossen und die SPÖ beschloss ihr neues „Grundsatzprogramm“, welches als „das modernste Programm aller Parteien Österreichs“ präsentiert wurde. Die Sozialdemokratie bekennt sich darin zu Demokratie und Marktwirtschaft und hält politische Eingriffe dort für nötig, „wo sich die Kräfte des Marktes gegen Mensch und Umwelt richten.“ In Abschnitt III.4 wurden die Ziele für eine „hohe Lebensqualität in einer humanen Umwelt“ dargelegt. Ökologische Nachhaltigkeit wurde als Leitlinie sozialdemokratischen politischen und wirtschaftlichen Handelns formuliert. Nachhaltigkeitsstrategien sollten insbesondere auf soziale Gerechtigkeit und Verteilungsfragen Rücksicht nehmen, also der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit Rechnung tragen. Als zentrale umweltpolitische Zielsetzungen nennt das Programm „die Reduktion der Schadstoff- und Lärmbelastung sowie die gezielte Förderung des öffentlichen Verkehrs und umweltverträglichen Güterverkehrs.“ Nachhaltig Wirtschaften soll auch das Leitbild der Tourismus- und Landwirtschaftspolitik werden. Agrarförderungen sind entsprechend nach sozialen und ökologischen Kriterien zu gestalten, und das Verursacherprinzip ist anzuwenden. In der Energiepolitik sollten umweltfreundliche Formen der Energiegewinnung bevorzugt werden. Der Ausstieg aus der Atomkraft soll international vorangetrieben werden. „Die Erhaltung und Schonung natürlicher Ressourcen und die erhebliche Reduktion der Umweltbelastung durch Schadstoffe und Abfälle soll unter anderem durch eine umfassende Ökologisierung des Steuersystems (Ressourcenbesteuerung bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit), durch eine ökologische Modernisierung des Industriesystems, die auch die Herstellung langlebiger, reparierbarer und wiederverwertbarer Produkte forciert, und durch strenge Haftungsregeln und Schutzbestimmungen erreicht werden.“ Durch Technologietransfer und Umweltinvestitionen sollte der globale Umweltschutz verbessert, die Auslagerung umweltbelastender Industrien in weniger entwickelte Länder verhindert werden. Schließlich formulierte die SPÖ im Rahmen der „Sozialdemokratischen Positionen für ein Regierungsprogramm“ am Ende des Jahrzehnts noch einmal Ziele für eine „Lebenswerte Umwelt“ (SPÖ 1999: 62f.). Der Begriff der Nachhaltigkeit taucht darin ebensowenig auf 23
Die Wortgleiche Darstellung der „Gesellschaftlichen und ökonomischen Modernisierung als Voraussetzung einer erfolgreichen Umweltpolitik“ in Glatz/Höll (1996) erlaubt einen Rückschluss auf die Autorenschaft. In den „konkreten“ Vorhaben flossen insb. stoffpolitische Ansätze ein. Darüber hinaus betont das Papier die Bedeutung ökonomischer und sanfter Instrumente. Insgesamt bleiben die Vorhaben jedoch sehr allgemein.
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wie konkrete Maßnahmen. Als Ziele werden die Verankerung ökologischer Zielsetzungen in alle Politikbereiche, die Stärkung des Vorbeuge- und des Verursacherprinzips sowie die Berücksichtigung der Beschäftigungswirksamkeit von ökologischen Maßnahmen genannt.
5.3.2 ÖVP Am Beginn der 1990er Jahre stand die ÖVP vor einer Zerreißprobe. Sie hatte 17 Mandate verloren, Riegler wollte aber an der Großen Koalition festhalten und kein Ministerium abgeben. Die Länder rebellierten teilweise und forderten eine andere Regierungskonstellation, die Befürworter der Großen Koalition setzten sich jedoch durch. In der Phase der Regierungsbildung wurde dann u.a. überlegt, ob Riegler sich ausschließlich auf seine Aufgaben als Vizekanzler konzentrieren oder ein zusätzliches Ressort übernehmen sollte sowie, ob er das Umweltressort von Flemming übernehmen sollte. Schließlich behielt Flemming das BMUJF (bis 1991), Riegler blieb Vizekanzler und Franz Fischler blieb Landwirtschaftsminister (seit 1989). Riegler initiierte einen Reformprozess und schuf dazu eine Arbeitsgruppe „ÖVP Neu“, deren Reformkonzept im Juni 1991 auf einem Parteitag als neues Organisationsstatut beschlossen wurde. Riegler legte damals die Funktion des Bundesparteiobmanns zurück und schied in der Folge auch aus der Regierung aus. Der Obmannwechsel von Riegler zu Busek konnte den Abwärtstrend der Volkspartei jedoch nicht stoppen, was insbesondere auf die nicht mehr zeitgemäße Bündestruktur der Partei zurückgeführt wurde. Innerparteilich wurde der tendenzielle Wählerschwung auf die Rolle als „Juniorpartner“ der Großen Koalition zurückgeführt. Vor allem in den südlichen und westlichen Bundesländern dachten Parteifunktionäre immer öfter andere Formen der Regierungszusammenarbeit an, um der Polarisierung Vranitzky-Haider zu entrinnen und einen radikaleren Kurswechsel einzuschlagen. Schließlich wurde 1995 zwar das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft in das Neue Grundsatzprogramm aufgenommen, das auch schon im „Erhard Busek Sicherheitsplan“ (ÖVP 1994: 50) eine zentrale Rolle einnahm, und führende Politiker wie Landwirtschaftsminister Molterer (ab 1994), der als ehemaliger Mitarbeiter Rieglers den Begriff „Ökosoziale Agrarpolitik“ miterfunden hatte, oder Umweltminister Bartenstein (ab 1995) bekannten sich ausdrücklich dazu. In der politischen Praxis trat es jedoch unter dem neuen Parteiobmann Wolfgang Schüssel, der sich von Beginn an als Kanzlerkandidat profilieren wollte, zugunsten klassischer Wirtschaftsthemen und konservativer Positionen zunehmend in den Hintergrund. Riegler, mittlerweile Präsident des Ökosozialen Forums, kritisierte daher, dass vom Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft in seiner Partei „nicht mehr viel übriggeblieben“ sei. Hingegen würden „die wirtschaftspolitischen Schrauben zurück in die Urformen des Kapitalismus“ gedreht. In der Steuerpolitik sei die Regierung „im Denkansatz des 19. Jahrhunderts steckengeblieben“. Riegler war damit auch die Lust vergangen, innerhalb der ÖVP eine „ökosoziale Plattform“ aufzubauen (zit. nach Der Standard 13.05.1996: 4). Durch diesen Kurswechsel in der ÖVP, der sich bei Bedarf freilich weiterhin mit dem Markenzeichen der Ökosozialen Marktwirtschaft schmückte, zeichneten sich immer klarer der künftig bevorzugte Regierungspartner und der Übergang zu einer Konfliktdemokratie ab. In der Umweltpolitik forderte die ÖVP immer mehr einen „neoliberalen Minimalismus“ ein, der als rationale, also „ökosoziale“ Umweltpolitik angepriesen wurde (siehe unten).
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5.3.3 FPÖ Die Freiheitlichen setzten ihren Populismuskurs in den 1990er Jahren erfolgreich fort und waren damit sowohl eine treibende Kraft als auch Ausdruck einer wachsenden Polarisierung in der österreichischen Gesellschaft. Die EU-kritische Haltung der FPÖ und ihre ausländerfeindliche Politik führten schließlich 1993 zum Austritt des liberalen Flügels um Heide Schmidt, die dann das Liberale Forum gründete. Damit hat sich das Parteienspektrum in Österreich neuerlich verändert, und es gab nunmehr drei Parteien, die sich zunächst auf eine Oppositionsrolle festlegten. Die Liberalen zielten insbesondere auf Wählerschichten ab, die mit den Großparteien unzufrieden waren, denen Haider aus verschiedenen Gründen unwählbar schienen und denen die Grünen zu alternativ waren. Diese Strategie ging jedoch nicht auf, da die FPÖ weiter erfolgreich blieb, die Grünen an Attraktivität gewannen und die Regierungsparteien zunehmend die Kanzlerfrage in Wahlkämpfen in den Vordergrund rückten. 1994 formulierte der Freiheitliche Parlamentsklub „Grundzüge Freiheitlicher Umweltpolitik“. Darin wurde „ökologische Nachhaltigkeit“ als „Die Grundvoraussetzung für erfolgreiches wirtschaftliches Handeln“ definiert. Die FPÖ forderte in diesem Positionspapier ein ökologisches Steuersystem, einen ökologischen Generationenvertrag sowie eine „neue Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit ökologischen Faktoren als Zielsetzungen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft“. Die FPÖ hatte damit sowohl die Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung als auch jene einer integrierten – wenn auch wenig ausformulierten – Stoffpolitik (Umweltindikatoren, betriebliche Ökobilanzen) in ihre Programmatik aufgenommen. Daraus ergebe sich „zwingend der Einsatz von Lenkungsmaßnahmen zugunsten eines ökologischen Wirtschaftssystems“ (FPÖ Parlamentsklub 1994: 7). In den folgenden Jahren hielt die FPÖ insbesondere den NUP für eine brauchbare und gute Grundlage für die Umweltpolitik, die jedoch aufgrund der Kräfteverhältnisse nicht umgesetzt werde. Damit formulierte die FPÖ gleichzeitig eine scharfe Kritik an den Regierungsparteien und deren Versagen in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik und am sozialpartnerschaftlichen Politikstil in diesen Politikbereichen bzw. am dominanten Einfluss des Wirtschaftsministers. Die parlamentarischen Vorstöße der Grünen und des LiF zur Einforderung einer Ökosteuer trugen die Freiheitlichen nicht mit (siehe Fallstudie Klimaschutzpolitik). 1997 beschloss die FPÖ in Linz ein neues Parteiprogramm, das die Grundlage für eine künftige Regierungsbeteiligung bilden sollte. Darin sprach sie sich für eine „faire Marktwirtschaft“ aus, die als „Antwort auf einen schrankenlosen Kapitalismus, der Mensch und Natur ausbeutet, wie auf den gescheiterten Sozialismus, der seine ‚Werktätigen’ zu Verwaltungsobjekten herabwürdigt“ interpretiert wurde. „Faire Marktwirtschaft soll ein wirtschaftliches Klima schaffen, das die Leistungsträger zur Selbstständigkeit ermuntert und zu Unternehmensgründungen anregt.“ Kernforderung der Freiheitlichen war ein „umfassende Deregulierung des Wirtschaftslebens“ und eine „echte Privatisierung“, die das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit steigern und Arbeitsplätze schaffen sollten. Vorallem der Einfluss der politischen Parteien, Verbände und Interessensvertretungen sollte „durch ihre Beschränkung auf ihre eigentlichen Aufgaben“ reduziert werden. Ein wesentlicher Grundsatz der „fairen Marktwirtschaft“ ist die Internalisierung externer Kosten durch das Verursacherprinzip. Kostenwahrheit sollte „auch dem Öko- und Sozialdumping gegensteuern und faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber Billiglohn-Ländern“ garantieren. Im Umweltkapitel forderten die Freiheitlichen einen „ökologischen Generationenvertrag“ ein, 148
der „die Beachtung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit voraussetzt“. Dazu wurden „ökonomische Regelungen“ wie Ökobilanzierung, Umwelthaftung und die Einrechnung ökologischer Faktoren in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung gefordert. Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung sollten „einen marktkonformen Preis erhalten“. Um den Widerspruch zwischen Umwelt und Wirtschaft bzw. Wohlstandswachstum aufzulösen und einen Wandel vom „nachsorgenden Umweltschutz“ der „Schadensbegrenzung und Umwelt-Reparatur“ zu einer Nachhaltigkeitspolitik zu bewerkstelligen, sollten „Marktmechanismen für die Umwelt“ wirksam werden. Die richtigen Kostenanreize sollten durch die Ökologisierung des Steuersystems geschaffen werden. Insgesamt beruhen diese Forderungen auf starken Hoffnungen auf den Markt, verbunden mit der Vorstellung, dass der „richtige Preis“ der Umweltzerstörung gefunden und „der wahre Zustand einer Volkswirtschaft“ durch Umweltindikatoren dokumentiert werden könnte. Im Bereich der Landwirtschaftspolitik forderten die Freiheitlichen eine naturnahe flächenbezogene Produktionsform, die auf den „massiven Einsatz von Chemie genauso“ verzichtet wie auf „die Möglichkeit der Genmanipulation.“ Diese Entwicklung sei gerade durch die EU-Agrarpolitik gefährdet, weshalb eine „Re-Nationalisierung der Agrarpolitik anzustreben“ sei.
5.3.4 Die Grünen Bei den Grünen war der Wandel zu einer „normalen“ Partei beschleunigt und das Image eines idealistischen, aber hoffnungslos zerstrittenen Haufens abgelegt worden. Unter Klubobfrau Madeleine Petrovic, die 1992 dem in der Partei stark umstrittenen Klubobmann Johannes Voggenhuber folgte, zielte die Bundesparteispitze darauf ab, ihr notorisches „Nein-Sager-Image“ abzulegen und interne Streitigkeiten zu überwinden. Hinsichtlich der inhaltlichen Neupositionierung am Parteienmarkt sollten realisierbare Konzepte als „alternative Politik mit Augenmaß“ (Petrovic 1994) ausgearbeitet und Wahlkämpfe professionell auf die Spitzenkandidatin ausgerichtet werden. Die Wiener Gemeinderatswahlen 1991, die den Grünen unter dem Spitzenkandidaten Peter Pilz einen großen Erfolg brachten, hatten gezeigt, dass durch geschlossenes Auftreten und eine Personalisierung der Politik zusätzliche Wählerstimmen gewonnen werden können und das Stimmgewinne insbesondere von ÖVP-Wähler kommen. Pilz, der die ÖVP bereits zerfallen sah, forderte den Wandel zur sozialen Volkspartei. Ziel war es nun, die Arbeit zu professionalisieren, neue Teilkoalitionen zu nutzen, ein breiteres Themenspektrum abzudecken, um so neue Wählerschichten vor allem auch aus dem bürgerlichen Lager ansprechen zu können und die massenmediale Präsenz zu erhöhen sowie innerparteilich die Kräfteverhältnisse zugunsten der Fraktionen bzw. Klubs gegenüber den Parteigremien zu stärken. Diese Entwicklung wurde auch durch die Gründung des Liberalen Forums verstärkt, die den Grünen Sorgen bereitete, bürgerlichliberale Wählerstimmen zu verlieren. Konnten die Grünen bei den Nationalratswahlen 1994 noch 3 Mandate im Vergleich zu 1990 dazugewinnen, so verloren sie bei den vorgezogenen Nationalratswahlen im Dezember 1995 wieder 4 Mandate. Waren im Anschluss an den Erfolg von 1994 bereits Regierungsbeteiligungen diskutiert worden, so folgte nun die Konsolidierung und Stabilisierung. In diesen Wahlkämpfen stellten die Grünen den „Sparprogrammen“ der Regierungsparteien „Solidarprogramme“ gegenüber, die zwar auf eine größere soziale Ausgewogenheit und Gerechtigkeit abzielten, aber keinesfalls einen „Systemwandel“ verfolgten. In dieser Periode erschienen auch regelmäßige Beiträge der grünen 149
Spitzenkandidatin in der Zeitschrift industrie, mit denen in der Wirtschaft für eine grüne Politik geworben wurde. 1995 setzte dann der Diskussionsprozess um ein neues Grundsatzprogramm ein, der sich jedoch aufgrund von „Flügelkämpfen“ über mehrere Jahre streckte (siehe unten). Bis dahin verfügten die Grünen nur über „Leitlinien grüner Politik“, die 1990 nach eineinhalb Jahren basisdemokratischer Programmarbeit publiziert worden waren. Insbesondere über programmatische Arbeiten zur Wirtschaftspolitik unter dem Titel „Arbeit durch Umwelt“ entwickelten die Grünen seit Beginn der 1990er Jahre zunehmend Positionen, die von ÖVP-nahen Autoren als Annäherung an die Volkspartei interpretiert wurden. Dabei wurde zunehmend argumentiert, dass umweltpolitische Maßnahmen nicht nur aus ökologischen, sondern vor allem aus ökonomischen Gründen rational und sinnvoll seien. Die dahinter stehenden Ideen eines Ökologischen Wirtschaftens und einer Ökologisierung des Steuersystems hatten vor allem durch den Rio-Prozess und durch Energiesteuerkonzepte und pläne in Dänemark, Finnland, Schweden, in der EU und in der Schweiz Auftrieb erhalten: „Mit der Entwicklung mehrerer Modelle für Energieabgaben und einer Kampagne zur Durchsetzung derselben, mit mehreren Enqueten zur ‚grünen’ (umweltorientierten) Wirtschaftspolitik und schließlich der Publikationsreihe ‚Arbeit durch Umweltschutz’ […] haben jene grünen Politiker Österreichs, welche als Autoren und Proponenten dieser Linie fungieren, einen Weg vom Dirigismus und weg von bürokratischen Ansätzen hin zu einer marktkonformen Umweltpolitik beschritten. Die Forderungsprogramme der zitierten Tagungen und Broschüren ähneln in vieler Hinsicht dem Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft Josef Rieglers. […]. Die neue grüne Programmatik = Programmatik der ÖVP, aber fünf Jahre später?“, mutmaßte beispielsweise Reinhold Christian (1996: 250f.).
Die vonseiten der ÖVP suggerierte Annäherung ging freilich gleichzeitig mit der Betonung des immer noch starken Einflusses „Links-Alternativer“ einher, um sich selbst als die eigentliche „Grünpartei“ der Mitte zu positionieren. Aus der Sicht der Grünen stand das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft freilich in Widerspruch zur tatsächlichen Praxis der Volkspartei. Nachdem sich die Hoffnung der Grünen zu Beginn der 1990er Jahre, dass die ÖVP zerfallen werde, nicht erfüllte, erkannten die Grünen immer mehr die Tendenzen zur Rechtsentwicklung der Volkspartei, woraus zunehmend eine strategische Orientierung auf eine mögliche SPÖ-Grüne-(LiF)-Regierungskoalition resultierte, freilich nicht ohne dass auch gegen diese Parteien enorme Vorbehalte hinsichtlich ihrer Wandelbereitschaft und Brauchbarkeit für ein mittragbares „grünes“ Regierungsprojekt vorgeherrscht hätten. Die verstärkte Konzentration auf die Wirtschaftspolitik war nicht nur eine Öffnung und Annäherung zur Wirtschaftsseite sondern auch eine zur Arbeiterbewegung. Durch die neue Losung „Umweltpolitik sichert und schafft Arbeitsplätze“ sollte die Frontstellung, die in den 1980er Jahren immer wieder auftauchte, indem die Grünen die Schließung von schmutzigen Unternehmen forderten, überwunden werden. Die Grünen betonten nun zunehmend, dass die Beschäftigungsfrage neben der ökologischen Frage die wichtigste Aufgabe sei. Arbeitsplätze sollten durch eine offensive Umweltpolitik und durch flexiblere Formen der Arbeitszeitverkürzung geschaffen werden. Die Grünen präsentierten auch Modelle für Lebens- und Jahresarbeitszeiten, die die Freiheit des Einzelnen erhöhen sollten. Im Januar 1996 entschieden sich die Grünen unter dem Eindruck der vorangegangenen Wahlniederlage für eine Strukturreform und Standortbestimmung. Erstere war die Folge anhaltender Machtkämpfe, mehr recht als schlecht gekitteter Konflikte und schlechter Kompromisse, und sollte klare Machtverhältnisse schaffen und damit klare Prioritätenset150
zungen ermöglichen. Durch die Klärung der Prioritätenfrage sollte auch ein neuer Spitzenkandidat gefunden werden. Auf dem 14. Bundeskongress in Linz legten die Grünen einen ersten Zwischenbericht zur Programmentwicklung vor. Dieser Bericht mit dem Titel „Grüne Standortbestimmung“ präsentierte Leitideen, Maßnahmen und offene Fragen zu den Themen Nachhaltige Entwicklung/Ökologie, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit, Migration, neue BürgerInnenrechte, Opposition und Regierungsbeteiligung. Darin forderten die Grünen zur Erreichung eines nachhaltigen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems u.a. „ökologisch fortschrittliche Vorstöße und Alleingänge in der Europäischen Union“, den Abbau von Marktverzerrungen durch ein Umwelthaftungsgesetz mit Beweislastumkehr, ein einheitliches Umweltanlagenrecht, eine strategische UVP und Verbote und Einschränkungen von ökologisch bedenklichen Produkten und Produktionsprozessen. Die Ökologisierung des Steuersystems sollte durch eine dynamische Energiesteuer sowie durch Ökosteuern auf Abwässer, Pestizide, Düngemittel, Verpackungen und mineralische Massengüter umgesetzt werden. Die Grünen sollten zunächst durch ein klares Profil in der Opposition gestärkt werden. Mittelfristig sollten die Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung öffentlich vorgestellt werden; langfristig sollte Regierungsverantwortung übernommen werden. Auf der Bundestagung in Linz im Januar 1997 wurde ein weiterer Schritt in Richtung Programmentwicklung getätigt. Unter dem Thema „Ein Grüner Kompass für eine andere Republik“ wurde nun bei der Sozialpolitik ein Schwerpunkt gesetzt. Das Programm sollte schließlich am 15. Bundeskongress 1997 beschlossen werden. Differenzen v.a. über den Grundwert „Gewaltfreiheit“, der durch den Begriff „Friede“ ersetzt werden sollte, um militärische „humanitäre Interventionen“ in Ausnahmefällen (Genozid) zu ermöglichen, verhinderten jedoch eine Einigung. Im Dezember 1997 wurde der Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen neuer Bundessprecher der Grünen; der dann am 17. Bundeskongress 1998 auch zum Spitzenkandidaten für die Nationalratswahlen 1999 gewählt wurde. Nach dem Wahlerfolg 1999 – die Grünen erzielten 14 Mandate – wurde Van der Bellen neuer Klubobmann. In ihrem Wahlprogramm „Kompetent. Engagiert. Grüne Positionen für eine neue Politik“ traten die Grünen für ein „öko-logisches“ Wirtschaften sowie für Vollbeschäftigung, die Sicherung der Neutralität, soziale Sicherheit, Gleichberechtigung der Frauen, Sicherung der Menschenund BürgerInnenrechte und für die Freiheit der Kunst ein. Im Umweltbereich forderten die Grünen eine „aktive, umfassende Umweltpolitik“, eine „nachhaltige Wirtschaftspolitik“, die zur „Entwicklung innovativer, an Menschen und Umwelt orientierter Produkte und umweltverträglicher Produktionsverfahren“ führt, eine ökosoziale Steuerreform, die Kostenwahrheit im Straßenverkehr sowie „ein Aus für unkontrollierbare Risikotechnologien wie Atomenergie und Gentechnik in der Landwirtschaft“. Von Systemveränderung war in diesem Programm nicht die Rede. Zur Umsetzung dieser Forderungen wurde suggeriert, dass es ausreiche, eine starke grüne Opposition zu haben.
5.3.5 Das Liberale Forum Das LiF war in der Periode 1993 bis 1999 die vierte im Nationalrat vertretene Partei. Durch die Nationalratswahlergebnisse 1994 und 1995 konnte sie sich in dieser Zeit als politischer Faktor vorübergehend etablieren. Bereits im November 1993 legte das LiF ein überaus detailreiches Grundsatzprogramm vor, aus dem politische Detailprogramme und Aktions151
vorhaben ableitbar sein sollten. Der Entwurf stammte vom Salzburger Psychologen Professor Christian Allesch. Unter der Überschrift „Ökologische Verantwortung“ setzten sich die Liberalen im „Programm. Die Freiheit des Menschen und seine Verantwortung für die Gesellschaft“ mit der Umweltpolitik auseinander. Ausgehend von der Feststellung, dass Umweltpolitik „kaum umsetzbar“ ist, „weil wesentliche Umweltbelastungen kein Bestandteil betrieblicher Kalkulation sind und die Belastung der Arbeitskraft mit Steuern und Abgaben in keinem ausgewogenen Verhältnis zur öffentlichen Belastung des Verbrauches von nichterneuerbaren Energieträgern, sonstigen begrenzten Rohstoffen und Landschaft steht“ (LiF 1993: 37) messen die Liberalen marktkonformen Instrumenten einen zentralen Stellenwert bei. Durch eine ökologische Steuerreform sollte „ein grundsätzlicher Kurswechsel in Richtung höhere Energie- und Materialeffizienz vollzogen werden“. Dadurch würden „Innovationen begünstigt, der Strukturwandel beschleunigt und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich nachhaltig gefördert“. Das LiF hielt hierbei auch einen nationalen Alleingang für möglich, „ja sogar vorteilhaft“. Denn „die frühe ökologische Reform des Steuersystems ermöglicht eine sanftere Umstellung des Systems mit längeren Übergangszeiträumen, was die Anpassungskosten minimiert“ (Frischenschlager 1996: 236). Das LiF hat auch entsprechende Entschließungsanträge im Nationalrat eingebracht (12/A(E); 475/A(E)), die allerdings weder im Finanzausschuss noch im Nationalrat eine Mehrheit fanden und nur von den Grünen unterstützt wurden. Insgesamt blieb der Einfluss des LiF auf die Umweltpolitik gering, da einerseits die eigenen Ressourcen knapp waren, andererseits das policymaking in der Umweltpolitik den Parteieneinfluss gering hält. 1999 schaffte das LiF schließlich nicht mehr den Einzug in den Nationalrat.
5.4 Der Diskurs um „neue“ umweltpolitische Instrumente Die umweltpolitischen Erfolge waren nach zwei Jahrzehnten staatlicher Umweltpolitik ambivalent; beachtlichen Erfolgen standen erhebliche Missstände gegenüber. In vielen Bereichen hatte sich durch den auf die Umweltmedien bezogenen Politikansatz der Gefahrenabwehr der Problemdruck lediglich verlagert, zum Teil verstärkt und zum Teil sind neue Umweltprobleme hinzugekommen. Trotz relativ strenger Umweltstandards zweifelte niemand an erheblichen Vollzugsdefiziten. Gemessen am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung hatte die traditionelle Umweltpolitik versagt. Aber auch hinsichtlich der Erfolge mehrte sich die Kritik an mangelnder Effektivität und Effizienz der traditionellen Umweltpolitik. Die Mängel wurden insbesondere auf den dominanten Einsatz des Ordnungsrechts zurückgeführt, dessen Vorzüge hinsichtlich der Gefahrenabwehr zwar bis heute nicht abgestritten werden. Ordnungsrechtliche Maßnahmen wurden aber zunehmend kritisiert, dass sie sich für eine vorsorgende, aktive Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik kaum eignen. Daher sollte das Ordnungsrecht zunehmend in einem breiten Instrumentenmix mit so genannten „neuen“ Instrumenten (Umweltplanung, marktwirtschaftliche Instrumente, weiche Instrumente,…) ergänzt werden. Diese neue Sichtweise hatte sich nicht nur in Österreich etabliert. Auch internationale Organisationen, insbesondere die OECD, forderten einen Instrumentenwandel. Die EU entwickelte ebenfalls zunehmend ein Interesse, marktwirtschaftliche Instrumente in den Mitgliedstaaten zu fordern, wenngleich die EU selbst kaum Möglichkeiten hat, selbst marktwirtschaftliche Instrumente einzusetzen. Die Debatte über Vorteile von ökonomischen Instrumenten in der Umweltpolitik hatte in Österreich bereits in den 1970er Jahren eingesetzt, war aber folgenlos geblieben, weil die 152
brennenden Probleme rasche Erfolge erforderten und dabei aufgrund der Kultur und Tradition ordnungspolitische Maßnahme kombiniert mit Förderungen am geeignetsten erschienen. In den 1980ern gewann die Debatte aufgrund neuer Probleme und gegen Ende des Jahrzehnts verstärkt durch das Nachhaltigkeitsparadigma erheblich an Intensität. 1986 setzten sich die Sozialpartner im Rahmen ihrer zweiten Beiratsstudie zur Umweltpolitik mit Umweltabgaben, Umwelthandel, Umweltlizenzen sowie mit Kooperationslösungen auseinander, und zunehmend entdeckte die ÖVP diesen Themenbereich als neue Chance zur Bewältigung der ökologischen Herausforderung (z.B. Politische Akademie 1988). Dieser Diskurs wurde auch von der Ökologiebewegung, zum Teil sogar überzogen euphorisch, aufgegriffen. So genannte neue, sanfte oder marktwirtschaftliche Instrumente sollten Vollzugs- und Steuerungsprobleme verhindern helfen und zudem den Übergang zu einer Politik der Nachhaltigkeit ermöglichen. Diese Instrumente sollten im Gegensatz zu ordnungspolitischen Instrumenten durch das Setzen „positiver Anreize“ eher eine Groblenkung erlauben. Ende der 1980er Jahre setzte v.a. von konservativer und Unternehmerseite die Kritik an der bisherigen Instrumentenwahl ein. Das Ordnungsrecht galt zunehmend als „Ausdruck einer kurzatmigen staatlichen Umweltpolitik der kleinen Schritte“ (Schwarzer 1989c: 454). Insbesondere sollte die gestiegene Bereitschaft der Unternehmen, von sich aus Maßnahmen zu setzen, durch Ausgleichssysteme, Emissionszertifikate usw. genutzt und gefördert werden. Umweltschutzinvestitionen sollten auch steuerrechtlich Berücksichtigung finden. Gegenüber den grünalternativen Bewegungen hatte sich die Kritik an deren angeblichen wirtschafts- und technikfeindlichen Konzeptionen zwar abgeschwächt, nichtsdestotrotz wurde sie fortgesetzt im umweltpolitischen Diskurs strategisch eingesetzt. Dies war Folge der Zuwendung der Grünen zu den ökologischen Wachstumsmärkten, zu deren Gunsten die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen v.a. auch mittels Anreize verändert werden sollten, und der Veränderungen innerhalb der Umweltbewegung, die diese berechenbarer und zu einem Ansprechpartner für die staatliche Politik werden ließ und ansatzweise sogar zu gemeinsamen Projekten von grünen NGOs und Industrie führte. Gleichzeitig wurde der Sozialdemokratie von konservativer und wirtschaftsliberaler Seite mehr und mehr vorgeworfen, ein Modell zu verfolgen, dass auf eine bürokratische Kontrolle hinauslaufe und Standortnachteile für österreichische Unternehmen am Weltmarkt bedeute. Der grüne Flügel der ÖVP um Josef Riegler positionierte sich als Repräsentant des einzig in sich schlüssigen neuen politischen Konzepts: der Ökosozialen Marktwirtschaft. Mit diesem Konzept einher ging die zumindest rhetorische Umorientierung zu marktwirtschaftlichen Instrumenten, die auch vom liberalen Flügel der Partei sowie von der Industrie eingefordert worden war. Die Politik sollte sich nicht länger gegen die Eigeninteressen von Menschen und Unternehmen richten. Die Internalisierung externer Effekte, neue Preis-Kosten-Gefüge, die „ehrliche Einrechnung der Folgekosten in die Preise“, die Verschiebung der steuerlichen Belastungen von der menschlichen Arbeit und den erneuerbaren Ressourcen hin zu den nur begrenzt vorhandenen und umweltbelastenden Ressourcen sowie die Schaffung lokaler Märkte für die Beanspruchung von Umwelt und Pfandsysteme wurden vorgeschlagen, um Verbote auf das Notwendige zu beschränken. Insgesamt war dieses Konzept vorderhand so, dass ihm niemand widersprechen konnte; andererseits löste es auch bei niemandem Ängste aus, dass dadurch ein fundamentaler Politikwandel bevorstünde, der Verlierer hervorbringen könnte. Entgegengesetzt zu diesem neuen konservativen Umweltparadigma argumentierten der grüne Flügel der Sozialdemokratie und die AK im Hinblick auf die Instrumentenwahl, „dass eine Umweltpolitik, die sich lediglich an Freiwilligkeit, Markt, Individualismus und 153
Egoismus orientiert, zum Scheitern verurteilt sein muss“ (Glatz 1991: 27). Die Alternative „mehr Markt oder mehr Staat“ sei eher eine ideologische Fragestellung. Bei Umweltsteuern, einem der klassischen Beispiele für marktwirtschaftliche Instrumente, sei z.B. der Staat der Zentralakteur. Insgesamt würden durch die Einführung marktwirtschaftlicher Instrumente wie Steuern, Abgaben, Lizenzen und Kontingente sowie Haftungsrecht die Anforderungen an die staatliche Steuerungsfähigkeit erhöht (Glatz/Krajasits/Pohl 1990: 74). Die Ziele für öffentliche Güter müssten immer gesellschaftlich und politisch formuliert werden. Doch so sei man bislang nicht vorgegangen. Anstatt einer sachpolitischen Entscheidung wäre der Einfluss von Interessensgruppierungen für die Politikresultate entscheidend gewesen. Die Sozialdemokratie argumentierte insgesamt aber auch für eine Abkehr vom bisherigen Steuerungsmodus und für einen breiten Instrumentenmix. Für die Auswahl eines Instruments sollten die Kriterien Effektivität, Effizienz und soziale Ausgewogenheit entscheidend sein (Glatz 1995: 2). Leichte Akzentverschiebungen bei den Regierungsparteien gab es schließlich im Wahlkampf zur Nationalratswahl 1990: Die ÖVP rückte, wie bereits dargestellt, das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft in den Vordergrund, im SPÖ-Programm des Jahres 1989 wurde der ökologische Umbau der Industriegesellschaft festgeschrieben, und im Wahlkampf 1990 legte sich die SPÖ auf die Einführung von Umweltsteuern (insb. Abwasser- und Düngemittelabgabe, höhere Deponiegebühren) fest (Der Standard 27.09.1990: 18). In ÖVP und SPÖ setzte sich damit die Erkenntnis durch, dass zur Bewältigung der Umweltproblematik marktwirtschaftliche Instrumente erforderlich seien. Im Regierungsprogramm 1995 wurde der verstärkte Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente angekündigt. In der Praxis blieb deren Einsatz jedoch gering, insbesondere auf Länderebene. Trotzdem wurden in der Phase der Politikformulierung zunehmend aufgrund der durch diesen Diskurs geschaffenen Erwartungshaltung der Politiker an die Verwaltung „neue“ Instrumente mitüberlegt. Dieser Druck verstärkte sich auch durch die Erwartungshaltung und Empfehlungen der OECD und der EU sowie durch einen Perspektivenwechsel in der Umweltökonomie hin zur „incentive-based regulation“ und durch politikwissenschaftliche Arbeiten über Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik. Zunächst wurden insbesondere Energie- und Ressourcensteuern heftig diskutiert, wobei bei der Ökologisierung des Steuersystems bis heute die Fragen eines Alleinganges und der Aufkommensneutralität eine herausragende Rolle spielen. Modelle für eine Ökosteuer wurden seit den 1980er Jahren im wissenschaftlichen Diskurs diskutiert und deren Umsetzung von der Ökologiebewegung gefordert. Zur Popularisierung dieser Konzepte wurden zahlreiche Slogans gefunden wie z.B., dass die „Preise die Wahrheit sagen“ müssen. Intensiviert wurde die politische Diskussion um die Ökologisierung des österreichischen Steuersystems schließlich durch einen entsprechenden Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1992, womit das Ziel eines harmonisierten Energiebesteuerungssystems in der EG formuliert worden war, das bis heute aufgrund zahlreicher Widerstände und der erforderlichen Einstimmigkeit im Finanzministerrat nicht umgesetzt werden konnte, aber in unterschiedlichen Formen immer wieder auf die politische Agenda gesetzt wurde. Jedenfalls ließ der Diskurs um Ökosteuern 1994 erwarten, dass die Einführung von Energiesteuern in der EU unmittelbar bevorstünde. 1995 argumentierte der neue Umweltminister Bartenstein, der gerade erst bei seinem Amtsantritt von der IV vor einem Alleingang bei der Energiebesteuerung gewarnt worden war, der Zug sei bereits abgefahren und die Ökosteuer komme auf jeden Fall. Im Mai 1995 wurde die Diskussion durch einen neuerlichen Vorschlag der Europäischen Kommission aktualisiert, wonach 2000 dem Rat der 154
EU ein Vorschlag für ein harmonisiertes Steuersystem zur Entscheidung vorgelegt hätte werden sollen. Aufgrund der Aussichtslosigkeit dieses Vorstoßes wurde er jedoch noch 1995 wieder fallengelassen. Damals waren die Akteure in Österreich noch der Annahme, dass in der EU hier ein Resultat erzielt werden könnte. Die Bundesministerien für Umwelt, Landwirtschaft und Wissenschaft gaben daher Studien in Auftrag, die eine aufkommensneutrale Energiebesteuerung positiv bewerteten (Köppl/Kratena 1995): „Österreich könnte eine kräftige Energiesteuer ohne negative Auswirkungen auf die Wirtschaft auch im Alleingang einführen. [...] Wesentlich ist aber, dass der Staat das Geld durch die Senkung der Lohnnebenkosten und die Investitionsförderung wieder zurück in die Wirtschaft pumpt“ (Der Standard 24.03.1995: 23).
Meinungsumfragen signalisierten eine mehrheitliche Zustimmung für eine höhere Besteuerung von Energie und Rohstoffverbrauch. Auf diesen Grundlagen wurde dann von den Bundesministerien für Landwirtschaft, wirtschaftliche Angelegenheiten und Umwelt ein Konzept zur Ökologisierung des österreichischen Steuersystems erarbeitet. Der Linzer Ökonom und Volkswirtschaftsprofessor Friedrich Schneider legte ebenfalls ein Energiesteuer-Modell vor (Der Standard 13.12.1995: 15), und verschiedenste grüne NGOs starteten Informations- und Werbekampagnen, in denen auf Vorreiter und Vorteile hingewiesen wurde. Die tatsächliche Umsetzung scheiterte schließlich an der budgetären Situation Österreichs, der Notwendigkeit, die Maastrichter Konvergenzkriterien erreichen zu müssen, sowie an den politischen Entwicklungen, v.a. aber auch am mangelnden politischen Willen der Großen Koalition und dem bereits einsetzenden Wandel zum neoliberalen Minimalismus (s.u.). Aus der Sicht der SPÖ galten Ökosteuern ohnehin als kein „Allheilmittel“, insbesondere wurden Benachteiligungen für sozial Schwache und für Pendler gefürchtet. Unter Finanzminister Lacina war zwar die Mineralölsteuer erhöht worden, und Lacina schlug auch vor in einem logischen nächsten Schritt eine Ökosteuer auf Strom und Gas einzuführen. Er war aber gleichzeitig davon überzeugt, dass eine bedeutendere Ökosteuer „so große strukturelle Verwerfungen bringt, dass das nicht kontrollierbar ist“ (in: Wirtschaft & Umwelt 3/95: 21). In der ÖVP gab es zwar viele Befürworter hoher Energiesteuern; gleichzeitig wurden aber Ausnahmen für energieintensive Industriezweige gefordert, was die SPÖ ablehnte. Beide Großparteien waren der Überzeugung, dass Ökosteuern nur dann der Wirtschaft, die in den vorangegangenen Jahren ohnehin in mehreren Bereichen entlastet worden war, nicht schaden, wenn eine ganze Reihe von europäischen Ländern in diese Richtung geht. Die Industrie argumentierte, dass ein nationaler Alleingang ökonomischen Schaden bewirkt und es auch der Umwelt nichts bringt, wenn umweltschädigende oder energieintensive Produktionen ausgelagert werden und dann zur Umweltverschmutzung in anderen Ländern führen. Nach dem Bruch der Großen Koalition Ende 1995 wurde die ökologische Steuerreform von anderen Themen verdrängt. Im Arbeitsübereinkommen vom März 1996 der neuerlichen SPÖ-ÖVP-Regierungskoalition war nur noch die Einführung einer Energieabgabe auf Strom und Gas sowie ein verstärkter Einsatz für die Ökologisierung des Steuersystems auf internationaler und europäischer Ebene angekündigt worden. Zunehmend formulierte die Industrie (Sektion Industrie der WKÖ, IV, einzelne Unternehmer) Kritik und Angst vor einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit (Der Standard 29.09.1995: 21; Wirtschaft und Umwelt 2/1996: 8ff.). Entschließungsanträge des LiF zur Ökologisierung des Steuersystems im Alleingang wurden von der Mehrheit (SPÖ, ÖVP, FPÖ) abgelehnt. 155
Die im Rahmen des „Sparpakets 1996“ eingeführten Steuern auf Strom und Gas waren in erster Linie auf fiskalische Beweggründe zurückzuführen. Sie belasten v.a. Haushalte und Kleingewerbe, während die Industrie höchstens ein Drittel des neuen Steuereinsatzes an den Staat abführen musste (Der Standard 04.06.1996: 1; Wirtschaft und Umwelt 1/1996: 5). Im Rahmen der von der Regierung geplanten Steuerreform wurde eine politische Arbeitsgruppe eingesetzt, die kurz vor Weihnachten 1999 der Öffentlichkeit bekannt gab, dass es keine ökologische Steuerreform geben werde und dass die diesbezüglichen Vorschläge der Steuerreformkommission fallengelassen würden. In Reaktion darauf formierte sich die Plattform „Ökosteuern jetzt!“. Das breite Bündnis aus 56 Organisationen, darunter grüne NGOs, Parteiorganisationen, Gewerkschaften und kirchliche Organisationen, formulierte dazu ein „Manifest“ und startete eine Brief- und E-Mail-Aktion an Bundes- und Vizekanzler (siehe: http://www.oekosteuer.at). Die Ankündigung einer Ökologisierung des Steuersystems fand sich schließlich in der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie, die von der schwarz-blauen Regierung vorgelegt wurde. Die Regierung ließ diesen Beschluss jedoch fallen und distanzierte sich davon (siehe unten). Insgesamt ist Österreich heute hinsichtlich der Energiebesteuerung Schlusslicht in der EU. In den letzten Jahren kam daher die Rhetorik vom „europäischen Gleichklang“ der Bundesregierungen zunehmend unter Argumentationsdruck: „Umweltschutz gerät als wirtschaftspolitisches Ziel und Existenzgrundlage künftiger Generationen überhaupt zusehends in Vergessenheit. Dabei würde eine Ökologisierung des Steuersystems nicht nur einen radikalen Bruch mit dem immer noch vorherrschenden Glauben an die Unerschöpflichkeit natürlicher Ressourcen bedeuten, sondern hätte auch wichtige lenkungs- und verteilungspolitische Effekte. Es gibt zwar mehrere ökologisch relevante Steuern (von der Mineralölsteuer bis zur Energieabgabe auf Strom und Erdgas), aber eine echte »Ökosteuer«, deren Einnahmen für ökologische Zwecke ausgegeben werden, existiert nicht. Die Energieabgabe war zwar als solche gedacht, wird (wurde) aber zum Budgetlochstopfen verwendet. Die Summe aller Ökosteuern im weitesten Sinne (Energie-, Verkehrs-, Verschmutzungs- und Ressourcensteuern) belief sich in Österreich 1998 auf 57 Milliarden Schilling [4,14 Mrd. Euro], das entspricht 5% des Gesamtabgabenaufkommens (zum Vergleich: Kapital: 10%; Konsum: 23%; Arbeit: 63%,)“ (BEIGEWUM 2000: 45f.).
Laut Statistik Austria (2002: 275) gab es im Jahre 2001 Öko-Steuern in Höhe von 5,9 Mrd. Euro, davon 3,6 Mrd. Energiesteuern, 1,7 Mrd. Transportsteuern, 451 Mio. Umweltverschmutzungssteuern und 88 Mio. Ressourcensteuern. Für 2000 wies Statistik Austria ÖkoSteuern in Höhe von 5,4 Mrd. Euro in der Statistik aus (ib.: 274.) Laut eines Vergleichs des Ökosozialen Forums liegt Österreich heute mit seinen Energie- und Verkehrssteuern im Ausmaß von 5,2 Prozent deutlich hinter dem EU-Durchschnitt, wo diese Steuern 6,5 Prozent erreichen; in Vorreiterstaaten sind es bis zu 8,8 Prozent (Der Standard 12.12.2002: 18). Die OECD (2001: 124) kritisierte, dass Österreich gemessen am BIP-Anteil deutlich weniger auf Umweltsteuern zurückgreift als andere OECD-Staaten. Darüber hinaus stellte sie fest, dass der überwiegende Teil der heute geltenden Umweltsteuern bereits existierte, „bevor überhaupt über die Nutzung des Steuersystems zur Erreichung von Umweltzielen diskutiert wurde“ und kritisierte weiters, dass bei der Besteuerung von Energie zahlreiche Steuerbefreiungen existieren, „bei denen Umweltschutzerwägungen keine Rolle spielen“. Die Deckelung der Energiesteuerschuld von Unternehmen verhindere Anreize zur Energie-
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einsparung. Die OECD schlug vor, alle Steuerbefreiungen24 abzuschaffen, weil ihre Beibehaltung nur die Kosten zur Erreichung der CO2-Reduktionsziele erhöht. Umweltsteuern sollten auf mehrere Umweltziele gleichzeitig ausgerichtet werden, „um sicherzustellen, dass die Grenzkosten des Umweltschutzes für alle Wirtschaftsaktivitäten gleich sind“ (ib.). Andere marktwirtschaftliche Instrumente sorgten ebenfalls für anhaltende Kontroversen. Ende der 1980er Jahre wurden z.B. Pfandsysteme diskutiert. Die Grünen hatten sie z.B. für Batterien gefordert. Deren „konsequente“ Einführung war bereits von Umweltministerin Flemming angekündigt worden. Sie sollten auf der Grundlage des Abfallwirtschaftsgesetzes eingeführt werden, „um sicherzustellen, dass bestimmte Stoffe nicht in den Hausmüllstrom gelangen, weil sie dafür entweder zu wertvoll oder zu gefährlich sind“ (Flemming 1990b: 6). Es gab auch bereits ausgearbeitete Zielverordnungen. Für die Umsetzung gab es teils auch Unterstützung aus den Ländern. Für die Wirtschaft waren jedoch die mit den Zielverordnungen verbundenen Recyclingquoten problematisch. Die SPÖ hatte ursprünglich in ihren Abfallwirtschaftskonzepten für eine Pflichtbepfandung von Verpackungen für alle Getränke und später auch für andere Waren argumentiert. Teile der SPÖ lehnten Kleinpfände jedoch auch ab, weil sie die Konsumenten belasten würden. Einigkeit bestand bei den Sozialdemokraten darin, dass die Haftung und Verantwortung der Wirtschaft verschärft werden sollte. Mitte der 1990er Jahre plädierte die SPÖ v.a. für eine Verbesserung der Produktkennzeichnung und Regulierungen gegen den so genannten „ÖkoSchmäh“. Anfang der 1990er Jahre war es zu ersten Maßnahmen zur Produktregulierung gekommen. So wurden beispielsweise auf der Grundlage des Chemikaliengesetzes (1987) für verschiedene Produkte Beschränkungen und Verbote erlassen (siehe Chemiepolitik). Damit wurden für anerkannte Schad- und Giftstoffe relativ strenge Umweltstandards implementiert, die der Politik den Vorwurf sowohl seitens progressiver Akteure als auch seitens der Wirtschaft einbrachten, der „Regulierung des Schadstoffs des Monats“ nachzujagen anstatt die Eigenverantwortung der Wirtschaft zu stärken und den Staat auf das Setzen von Rahmenbedingungen zu reduzieren, die Richtungssicherheit im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung garantieren. Aufgrund von Vollzugsdefiziten von Umweltvorschriften kam es nunmehr zu Überlegungen, die Betriebe stärker in die Umsetzung umweltpolitischer Ziele einzubinden, und es wurden Bereiche gefunden, wo Vollzugsaktivitäten an Private ausgelagert werden konnten. Im Luftreinhaltegesetz wurden z.B. die regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen des Luftreinhaltegesetzes bzw. deren Verordnungen Sachverständigen übertragen. Damit wurden einerseits die Behörden entlastet, andererseits die Kosten des Vollzugs an die Verursacher übertragen. Eine stärkere Einbindung der Betriebe in den Umweltschutz erfolgte durch die Vorschreibung von „Umweltbeauftragten“ im Rahmen der Störfallverordnung (1991), des Chemikaliengesetzes bzw. des Abfallwirtschaftsgesetzes sowie durch das im Zuge der EUVerordnung auf für Österreich verbindlich gewordene Öko-Audit. Ziel solcher Umweltmanagementsysteme ist eine kontinuierliche Verbesserung der Umweltleistung eines Unternehmens bzw. Standorts, das bzw. der sich freiwillig für die Durchführung einer ISO- oder EMAS-Zertifizierung entscheiden kann. Das Umweltmanagementsystem regelt die Organi24
„Von der Energiesteuer befreit sind: Kohle generell, Gas, soweit es nicht der Heizung, sondern anderen Zwecken dient, sowie Gas und Strom, die für Energieerzeugung und -transport eingesetzt werden. Von der Mineralölsteuer befreit sind Kraftstoffe für Flugzeuge, Schiffe und Züge, Brennstoffe für Raffinerien, Hochöfen, KraftWärme-Kopplungsanlagen und Stromerzeugung“ (OECD 2001: 163).
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sationsstruktur, Zuständigkeiten, Verhaltensweisen, förmliche Verfahren, Abläufe und Mittel für die Festlegung und Durchführung der Umweltpolitik. Neben der kontinuierlichen Verbesserung muss ein Unternehmen die bedeutendsten Umweltaspekte identifizieren, sich zur ständigen Einhaltung der Umweltvorschriften verpflichten, eigene Umweltziele und -programme festlegen, die Mittel zu deren Erreichen bestimmen, regelmäßige Umweltaudits durchführen und Umweltberichte veröffentlichen. In diesem Bereich wurde Österreich in den 1990er Jahren europaweit führend. Zusammen mit Deutschland war Österreich dabei seit dem EU-Beitritt auch auf europäischer Ebene die treibende Kraft beim Zustandekommen von EMAS-II (2001), das Vereinfachungen der Zertifizierungsverfahren und Erleichterungen hinsichtlich verwaltungsrechtlicher Vorschriften für Unternehmen, die Umweltmanagementsysteme implementieren, brachte (Interview Freytag, 07.11.2002, Tschulik 06.04.2000). Zur Etablierung des EMAS-Umweltmanagementsystems können Unternehmen auch Bundesförderungen in Anspruch nehmen. Als Ziel formulierte noch Umweltminister Molterer eine Steigerung von derzeit rund 350 eingetragenen Organisationen auf 700 bis 2010. Die dahinter stehende Grundannahme ist bei Umweltmanagementsystemen, dass die Eigenverantwortung der Unternehmen gestärkt werden soll. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgen auch „Responsible Care“-Ansätze, Ansätze zur Ergänzung der betrieblichen Umweltberichterstattung und Chemikalien-Leasing-Modelle, die einen Wandel in der Umweltpolitik herbeiführen sollten. Allerdings gibt es bei diesen Ansätzen auch Unterschiede hinsichtlich der tatsächlichen ökologischen Auswirkungen. Die EMAS-Zertifizierung besagt noch lange nicht, dass ein Unternehmen ökologisch unproblematische Produkte herstellt. Beim Chemikalien-Leasing-Modell hingegen wird versucht, Stoffkreisläufe zu schließen und Stoffflüsse zu minimieren, indem die Dienstleistung in den Vordergrund gerückt wird (siehe Chemiepolitik). Bei beiden Instrumenten wird mittlerweile auf PrivatePublic-Partnership-Ansätze gesetzt. Vor allem im Abfallbereich wurden zahlreiche Melde- und Nachweisvorschriften erlassen, die der Bürokratie eine Kontrolle der Abfallströme und geeignete Lenkungsmaßnahmen ermöglichen sollten. Gerade im Abfallbereich war der Widerstand der Wirtschaft allerdings besonders hoch. Denn die Wirtschaftsseite argumentierte, selbst nach Lösungen suchen und die Entsorgung marktwirtschaftlich organisieren zu wollen. Dadurch sollte eine höhere Effizienz erreicht werden. Die Folge war, dass es insbesondere in der Abfallwirtschaft zu Forderungen nach freiwilligen Vereinbarungen kam. Die traditionelle Abfallwirtschaft versuchte wachsende Probleme vom Ende der Produktkette her in den Griff zu bekommen. Inputorientierte Strategien hatten nur sehr unzureichend und Vermeidungsstrategien fast gar nicht geholfen. Die Reaktion der Umweltbürokratie auf wachsende Umweltprobleme war der Versuch, das Problem von der Abfallseite durch eine ständige Verschärfung der Gesetzgebung zu lösen. Die anvisierten Ziele, wie die Schaffung von Endlagern und nachsorgefreien Deponien, die Erhöhung von Recyclingraten und anderer abfallwirtschaftlicher Zielsetzungen, konnten so jedoch nicht erreicht werden. Aufgrund des öffentlichen Drucks und lokaler Widerstände gegen die thermische Verwertung von Abfällen und infolge internationaler Vereinbarungen, die Abfallexporte zunehmend verunmöglichten, sowie der Vorgaben aus Brüssel war der Handlungsspielraum stark eingeschränkt. Entsorgung wurde so zu einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit, die mit dem Wachstum des Abfallvolumens expandiert und an Abfallvermeidung kein Interesse hat. Mit Hilfe freiwilliger Vereinbarungen, die in den 1990er Jahren vorwiegend im Abfallbereich zustande kamen und mittlerweile aufbauend auf diesen Erfahrungen v.a. in der Klimaschutzpolitik verstärkt diskutiert werden, wurden zunächst politisch sensible Themen 158
aus dem Licht der Öffentlichkeit genommen und entthematisiert (Lauber/Ingram 2000). Hauptakteure waren hierbei das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftskammer. Besonders problematisch waren dabei die mangelnde Verbindlichkeit und die fehlende Öffentlichkeit dieser freiwilligen Vereinbarungen. Während z.B. in den Niederlanden freiwillige Vereinbarungen veröffentlicht und dadurch nachvollziehbar und kontrollierbar sind, gibt es in Österreich keine Verpflichtung dazu. Das österreichische Recht ermöglicht im Unterschied zum niederländischen auch nicht, dass freiwillige Vereinbarungen einklagbar sind. Bis Ende 2002 wurden insgesamt 30 freiwillige Vereinbarungen unterzeichnet, die meisten davon zu Beginn der 1990er Jahre; nur drei davon sind noch aktuell, die restlichen wurden entweder in rechtliche Regulierungen überführt oder sind bedeutungslos geworden. Alle drei gültigen freiwilligen Vereinbarungen sind jedoch im Gegensatz zu den Früheren im Internet auf dem Web der Wirtschaftskammer veröffentlicht (Interview Schwarzer 13.11.2002). Dennoch bleiben freiwillige Vereinbarungen kontrovers: Da sie „im Schatten der Hierarchie“ (Scharpf), also vor dem Hintergrund des spürbaren politischen Drucks, dass ohne sie eine ordnungsrechtliche Maßnahme droht, zustande kommen und die Wirtschaft damit sicherlich nichts zugesteht, was sie nicht auch im Rahmen einer ordnungsrechtlichen Maßnahme akzeptieren würde, blieb die Kritik der Ökologiebewegung daran aufrecht. Insgesamt blieb der Wandel zu neuen Instrumenten also moderat. Noch immer dominiert die traditionelle ordnungsrechtliche Regulation in Verbindung mit Förderungen, die für die ökologische Modernisierung Österreichs in der Vergangenheit überaus erfolgreich angewendet wurden, wenngleich es seit den 1990er Jahren zu einem Rückgang dieser Instrumente und zu Deregulierungen gekommen ist. Öko-Steuern wurden zwar mehrfach erhöht, jedoch nicht zur ökologischen Steuerung sondern aus fiskalischen Gründen, überaus moderat und v.a. ohne gleichzeitig die Belastung des Faktors Arbeit zu reduzieren. Auch auf eine Zweckbindung der Mittel aus den Öko-Steuern wurde verzichtet. Handelbare Zertifikate wurden erstmals Ende der 1990er Jahre im Bereich der erneuerbaren Energieträger getestet; der Versuch scheiterte jedoch aufgrund der schlecht gesetzten Rahmenbedingungen. Aufgrund des Kyoto-Protokolls sowie der Entwicklungen innerhalb der EU zur Erreichung der Klimaschutzverpflichtungen werden jedoch seit kurzem Vorbereitungen für einen neuen Anlauf in der Klimaschutzpolitik getroffen (siehe Klimaschutzpolitik). Umweltlabels werden ebenfalls seit den 1990er Jahren verstärkt diskutiert. Die Idee dazu stammt allerdings bereits aus den 1970er Jahren. Die Bundesrepublik Deutschland war hierbei mit dem mittlerweile 25jährigen „blauen Engel“ der Pionier. In Österreich gibt es sie, ausgelöst durch den Instrumenten- und Nachhaltigkeitsdiskurs, erst seit 1991, mittlerweile für über 550 Produkte und 200 Tourismusdienstleistungsanbieter. Das entsprechende Umweltzeichen-Logo stammt von Friedensreich Hundertwasser und symbolisiert die die Elemente Erde, Wasser, Natur und Luft (siehe Abbildung 1). Seit kurzem gibt es auch eine solche Kennzeichnung für Schulen und für „Grünen Strom“. Umweltlabels sollen als „weiches, marktwirtschaftliches Instrument“ sowohl der Öko-Industrie als auch den Konsumenten dienen und den Ökosektor aus dem Nischeneck herausbringen. Zur Öffentlichkeitsarbeit werden Informationen über das österreichische Umweltzeichen und über ausgezeichnete Produkte, Betriebe und Schulen über das Internet (www.umweltzeichen.at) sowie über den Infofalter SIGNatur bereitgestellt, letztere erscheint seit Oktober 2002 zweimonatlich in der Zeitschrift der umweltberatung „die neue Umwelt“, um die Informationen einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Unternehmen, die das EU-weit vergebene Umwelt-Gütezeichen erhalten, werden gleichzeitig mit dem österreichischen Umweltlabel ausgezeichnet. Das EU-Umweltzeichen (http://europa.eu.int/comm/environ159
ment/ecolabel) gibt es seit 1993. Dieses EU-Blumenzeichen war aber bislang kein großer Erfolg. 2002 waren erst rund 300 Produkte europaweit damit ausgezeichnet; in Österreich wurde erstmals im Juni 2002 ein Produkt damit gekennzeichnet. Durch eine intensivierte Öffentlichkeitsarbeit sowie die Verbindung mit dem EMAS, der Integrierten Produktpolitik sowie zu nationalen Umweltzeichen verfolgt die EU seit 2000 das Ziel, das EU-Umweltzeichen zu stärken. Abbildung 1: Umweltzeichen 1991 – 2000 600
505
500
550
450
400
Produkte T ourismusbetriebe
319 338
300 200 100 0
1
1991
6
21
1993
37
71
149
100
86 32
8
1995
140
174
200
48
1997
1999
2001
Quelle: Presseinformation BMLFUW, Stand 18.01.2002
Trotz relativ geringer tatsächlicher Veränderungen im Bereich der Instrumente hat sich in allen umweltpolitischen Politikfeldern sowie bei allen politischen Parteien die Sichtweise durchgesetzt, dass es eines Maßnahmen- und Instrumentenmixes bedarf, um die Ziele erreichen zu können. Dabei wird generell unterstellt, dass Defizite eines Instruments durch Vorzüge eines anderen kompensiert werden könnten und sich so durch geschickte politische Steuerung sowohl Staats- als auch Marktversagen vermeiden ließen. Doch davon kann bei der Alternative Ordnungsrecht oder marktwirtschaftliche Instrumente mitnichten ausgegangen werden. Denn Staats- wie Marktversagen sind „Kehrseiten ein und derselben Medaille“ (Altvater 1997). Die Präferenz bestimmter Instrumente bleibt vielmehr abhängig von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen, Weltbildern, Ideologien, der politischen Kultur, der strukturellen Basis und deren Wechselwirkungen. Daraus erklärt sich auch, warum die Akzeptanz von Instrumenten nicht bei allen Akteuren gleich hoch ist (Pesendorfer 2002: 137).
5.5 Sinnkrise der Umweltverbände Nachdem die Umweltverbände in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einen starken Aufschwung erlebt hatten, gerieten sie am Beginn der 1990er Jahre unter Erneuerungsdruck. Nachdem die Umweltverbände relativ erfolgreich vor Umweltgefahren gewarnt hatten und damit das Umweltbewusstsein steigern konnten, so wollten sie nunmehr gestaltend Einfluss auf die Politik nehmen und drängten nach Möglichkeiten zur Mitgestaltung. Dabei erhielten die Umweltverbände Unterstützung des Umweltministeriums. Im Mai 1992 organisierte das BMUJF die Badener Gespräche, um den Erneuerungsbedarf der grünen NGOs zu debattieren. In der Folge erteilte das Ministerium dem Institut für forstliche Betriebswirtschaft und Forstwirtschaftspolitik der Universität für Bodenkultur unter der Leitung und Betreuung von Professor Peter Glück einen Forschungsauftrag für eine Studie über strategische Entwicklungsalternativen grüner NGOs. Das Ergebnis war ein Gutachten, erstellt von Profes160
sor Max Krott und Professor Franz Traxler (1993), in dem 3 Entwicklungsalternativen diskutiert wurden. Das erste Modell war eine „pluralistische Lösung“ bestehend aus Einzelverbänden, womit die Zersplitterung der Umweltverbände bestehen bliebe. Das zweite Modell war eine „große korporatistische Lösung“ basierend auf einer „Umweltselbstverwaltung“. Dabei sollten die Haushalte Pflichtmitglieder der Umweltverbände werden, diese durch kleine Beiträge finanzieren und die politischen Funktionäre in dieser „Umweltkammer“ wählen. Die dritte Alternative, die aufgezeigt wurde, bestand in einer „kleinen korporatistischen Lösung“ in Form eines Umweltdachverbandes. Im Rahmen dieses Diskurses erhob schließlich die ÖGNU die Forderung nach politischer Mitsprache im Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Die Umweltorganisationen sollten damit den Sozialpartnern gleichgestellt werden, argumentierte ÖGNUPräsident Heilingbrunner. ÖVP-Umweltministerin Rauch-Kallat interpretierte diese Forderung als „Ausdruck“ der Ökosozialen Marktwirtschaft, die trotzdem Kammern „unpopulär“ waren, unterstützenswert wäre und ein „adäquates Gegengewicht zu den großen Organisationen“ der Sozialpartnerschaft böte. Die Idee von Max Krott einer Pflichtmitgliedschaft aller Haushalte lehnte die Ministerin jedoch als eine nicht zeitgemäße Lösung ab. Heilingbrunner befürwortete eine freiwillige Mitgliedschaft in der Umweltkammer als den richtigen Weg. Seiner Vorstellung nach sollte die ÖGNU per Bundesgesetz in eine Körperschaft öffentlichen Rechts verwandelt werden. Damit wären das Begutachtungsrecht von Gesetzesentwürfen für staatlich anerkannte Interessensvertretungen sowie der Anspruch auf Auskunft durch Behörden oder auch Parteienstellung in behördlichen Verfahren verbunden gewesen. Bis dahin war es zwar Praxis des Umweltministeriums, der ÖGNU auf freiwilliger Basis Gesetzesentwürfe zu übersenden und sie in Entscheidungsprozesse einzubinden, andere Ministerien machten dies jedoch nicht. Die nicht in der ÖGNU vertretenen Organisationen lehnten den Vorschlag einer Körperschaft öffentlichen Rechts jedoch entschieden ab, da sie einerseits die ÖGNU nicht als Dachverband anerkannten und andererseits befürchteten, dann den Aktionismus aufgeben zu müssen. Denn Aktionismus war ihrer Ansicht nach mit dem sozialpartnerschaftlichen Konsensverhandlungsmodell nicht kompatibel. Greenpeace, Global 2000 und der WWF gaben daher eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie eine Dachverbandsstruktur ablehnten, aber eine rechtlich verbindliche Teilnahme am Gesetzgebungsprozess forderten (Der Standard 03.09.1993: 7; SN 02.09.1993: 2 u. 24.09.1993: 6). Darüber hinaus setzten die „modernen“ Umweltverbände auf die Stärkung ihres gerade erst im Januar 1993 gegründeten Dachverbandes – der Koordinationsstelle Österreichischer Umweltverbände – ÖKOBÜRO. Bei dieser Spaltung in zwei zum Teil konkurrierende, zum Teil kooperierende oder zumindest gleiche Interessen verfolgende Dachverbände und in zahlreiche Einzelverbände innerhalb dieser Strukturen ist es bis heute geblieben. Die ‚grünen’ NGOs sind damit weiterhin arbeitsteilig organisierte, teils (kontinuierlich oder punktuell) kooperierende, teil in Konkurrenz um knappe Ressourcen zueinander operierende Akteure. Die ÖGNU, mittlerweile Umweltdachverband (UWD), konzentrierte sich beispielsweise in den 1990er Jahren auf die Themen Naturschutz/Biodiversität, Nationalparke, Alpenschutz/Alpenkonvention, Verkehr, Wasser und Gewässerschutz, Klimaschutz sowie Umweltrecht und Umweltbildung (ÖGNU 1998). Seit dem EU-Beitritt ist der UWD u.a. Mitglied im Europäischen Umweltbüro (EEB). Global 2000 als eine der jüngeren Umwelt-NGOs und größte ‚rein österreichische’ Umweltschutzorganisation machte in den 1990er Jahren Kampagnen und Aktionen zu Asbest, Ozon, AKWs in Osteuropa und den ökologischen Gefahren eines EU-Beitritts und Transit sowie zu Nachwachsenden Rohstoffen. 1998 wurde Global 2000 übrigens Mitglied des internationalen Friends of the 161
Earth (FOE) Netzwerkes. Ein weiterer Unterschied zwischen den ‚traditionelleren, konservativeren’ Umweltschutzorganisationen und den ‚Aktionistischeren’ ist die Art der Finanzierung. Im Gegensatz zu den im ÖGNU/UWD organisierten Verbänden organisieren sich die im ÖKOBÜRO zusammengeschlossenen Verbände ausschließlich über private Spenden, um finanziell und politisch unabhängig zu bleiben. Die paradigmatischen Unterschiede zwischen diesen beiden Akteursgruppen sind allerdings schwächer geworden, da sich einerseits die traditionellen Umweltverbände transformierten und neuen Themen zuwendeten und andererseits, weil mit der ‚Konsolidierung’ und ‚Professionalisierung’ der ‚modernen’ Umweltverbände eine Annäherung stattgefunden hat. In der Folge rückten bei letzteren Lobbying und pragmatisches Vorgehen in den Vordergrund und Aktionismus in den Hintergrund. Im Politikstil sind die „modernen“ Umweltverbände jedoch deutlich konfliktorientierter und thematisch wesentlich stärker auf Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitiken ausgerichtet. Dadurch wurden sie für das Umweltministerium punktuell als Ansprechpartner und in Konflikten interessant, während die Konsensorientierung der ÖGNU dazu geführt hat, dass diese nicht mehr als alleiniger Ansprechpartner des Ministeriums in Umweltbelangen gesehen wurden (Bobek 1993: 11). Die ÖGNU reagierte auf diese Entwicklung Anfang der 1990er Jahre mit dem Vorschlag einer Schaffung einer Art Sozialpartnerschaft für die Umwelt, der jedoch keine breite Unterstützung fand, da es die „große und geschlossene, in sich einige Umweltbewegung“ (Moritz 1993: 9) nicht gab. Greenpeace Österreich, WWF Österreich, Global 2000 und das Umweltforum – Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz waren gegen eine solche neokorporatistische Institutionalisierung und gründeten im Januar 1993 das ÖKOBÜRO als eigene Dachorganisation. Das ÖKOBÜRO dient den Mitgliedsorganisationen als Koordinationsstelle, zur Vernetzung und der Vertretung gemeinsamer Umweltanliegen. Mittlerweile besteht das ÖKOBÜRO aus über ein Dutzend Organisationen aus dem Umwelt-, Naturund Tierschutzbereich.25 Um die Arbeit effizienter zu gestalten, werden auch gemeinsame Strategien erarbeitet und Positionen abgestimmt. Zudem dient die Koordinationsstelle der Weiterbildung der Mitarbeiter der Umweltorganisationen. Das ÖKOBÜRO versteht sich v.a. auch als Anlauf- und Informationsstelle für die nationale und internationale Kommunikation und Kooperation im Umweltbereich sowie als Schaltstelle zwischen Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen einerseits und Politik, Wirtschaft und Verwaltung andererseits. Eine wichtige Bündelungsfunktion erlangte das ÖKOBÜRO insbesondere dadurch, dass es NGO-Vertreter im Rahmen der offiziellen österreichischen Delegationen bei internationalen Konferenzen nominiert und dadurch Einfluss auf deren Positionen nehmen kann. Das ÖKOBÜRO wurde somit national und international zur wichtigsten Anlauf- und Informationsstelle unter den Umweltverbänden. Aber selbst dem ÖKOBÜRO mangelt es an Ressourcen. Um an verschiedenen Prozessen (wie z.B. der Teilnahme an der Ausarbeitung einer österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie Anfang 2000) teilnehmen zu können, ist es von Ressourcenzuwendungen des Umweltministeriums abhängig. Das ÖKOBÜRO ist Mitglied bei der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), der Überparteilichen Plattform für Wirtschaft, Umweltschutz und öffent25
Neben den bereits genannten Gründungsmitgliedern sind das: Vier Pfoten, Stiftung für Tierschutz; AAI/Anti Atom International; Österr. Ökologie-Institut für angewandte Umweltforschung, Wien; VCÖ/Verkehrsclub Österreich; Müllplattform Österreich; Ärzte für eine gesunde Umwelt; Institut für Integrativen Tourismus und Freizeitforschung (IITF), Wien; Umweltspürnasen-Club, ARGE Stop Transit; OSCAR – Verband ökologischer Konsumenten & Hersteller.
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liche Verwaltung (in der neben Ministerien, Länder, Unternehmen, Banken und eben auch Umweltorganisationen Mitglieder sind), sowie beim europäischen Umweltbüro (EEB), dem Dachverband für über 150 Umweltorganisationen aus mehr als 20 europäischen Staaten. Die ÖGUT entstand Mitte der 1980er Jahre als Reaktion auf Umweltkonflikte. Die Wirtschaftsseite war mit dieser Initiative damals dem Umweltdachverband zuvor gekommen. Sie bietet einen Erfahrungs- und Meinungsaustausch zwischen umweltpolitischen Akteuren und der Wirtschaft. Ihre Arbeitsgruppen erarbeiten einvernehmlich Stellungnahmen und Entscheidungsgrundlagen zu aktuellen Umweltthemen. Auf Unternehmerseite sind Umweltinteressen im Bundesweiten Arbeitskreis für umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) organisiert, der sich in den letzten Jahren insbesondere mit der Implementation von Umweltmanagementsystemen (ISO- und EMASZertifizierung) beschäftigte. Der Verein wurde 1989 von einer Gruppe von Managern ins Leben gerufen und zählt mittlerweile über 100 Mitglieder. Die Gründungsvision von B.A.U.M. besteht in der Hoffnung, Ökologie als unternehmerischen Erfolgsfaktor einzuführen. In Zusammenarbeit mit Musterbetrieben soll gezeigt werden, dass Umweltschutzmaßnahmen durchaus auch zu wirtschaftlichen Erfolgen führen können. Dazu soll insbesondere die Eigenverantwortung der Betriebe gestärkt werden. Wissen über betrieblichen Umweltschutz wurde v.a. vom Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) im Rahmen von Kursangeboten verbreitet. 1989 wurde an der niederösterreichischen Landesakademie die Abteilung für Umweltwissenschaften gegründet, aus der sich 1996 die Umweltmanagement Austria (UMA) als eigenständiger Verein und breite Initiative für eine integrierte Umweltvorsorge herausentwickelt hat. Ziel des Vereins ist es, Management und Umweltschutz als strategische Erfolgsfaktoren in Unternehmen, Gemeinden und Institutionen zu verankern. Dazu bietet die UMA ein umfassendes Aus-, Weiterbildungs- und Beratungsangebot an (z.B. Masterlehrgang Management und Umwelt) und betreibt Öffentlichkeitsarbeit. Ein Netzwerk zwischen Behördenvertretern, Wissenschaftern und Unternehmern stellt das Ökosoziale Forum dar, das 1992 aus der Österreichischen Gesellschaft für Land- und Forstwirtschaftspolitik (gegründet 1968) vom gerade zurückgetretenen ÖVPBundesparteiobmann und Landwirtschaftsminister Josef Riegler und von Ernst Scheiber gebildet wurde (der frühere Name blieb als „Anhängsel“ erhalten). Dabei handelt es sich um eine parteiübergreifende Plattform auf Basis der Idee einer Ökosozialen Marktwirtschaft. Das Ökosoziale Forum blieb weder auf das Umfeld der ÖVP, noch auf den landwirtschaftspolitischen Bereich, aus dem es entstanden war, beschränkt, sondern wurde zu einem breiteren Netzwerk ohne spezifische Parteienbindung, das vor allem auf lokaler und regionaler Ebene wichtige Impulse für eine „ökosoziale“ Politik setzt. Trotzdem setzen sich das Präsidium und der Vorstand des Vereins ausschließlich aus Vertretern des traditionellen agrarpolitischen Netzwerkes bzw. aus dem ÖVP-Umfeld zusammen, was sowohl die Herkunft als auch die Dominanz der ÖVP zeigt. Das Netzwerk umfasst heute das Ökosoziale Forum Österreich mit dem Österreichischen Biomasse Verband und der Europäischen ARGE Landentwicklung/Dorferneuerung sowie den Foren in Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Wien auf österreichischer Seite und auf europäischer Ebene das Ökosoziale Forum Europa, zu dem neben dem österreichischen Teilen das Ökosoziale Forum Ungarns und Kroatiens sowie Kontaktpersonen in Slowenien, Tschechien und Polen zählen (Ökosoziales Forum Österreich, DI Albert Steinegger, schriftliche Auskunft 31.03.2003). 163
Zahlreichen engagierten Wissenschaftern, Forschungs- und Ökologieinstituten und Politik- und Unternehmensberatungen ist es immer wieder gelungen, einen mehr oder weniger entscheidenden Einfluss auf spezifische Entwicklungen auszuüben. Universitäten und Forschungsinstitute betrachten Umweltfragen längst als relevantes Thema in Forschung und Lehre und sind in der Politikberatung aktiv. Auf Bundesebene haben insbesondere die Akademie der Wissenschaften, die Wirtschaftsuniversität Wien, die Universität für Bodenkultur und Technische Universitäten besondere Bedeutung. Nach Disziplinen betrachtet hatten v.a. Juristen, Naturwissenschafter, Techniker und Ökonomen Einfluss auf den umweltpolitischen Diskurs. Auf Länderebene waren es insbesondere Naturwissenschafter, die in Studien ihr Fachwissen bereitstellten, politikberatend wirkten und sich auch aktiv in Auseinandersetzungen eingebracht haben. Mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs wurden aber auch sozialwissenschaftliche Disziplinen aufgewertet (z.B. im Rahmen der Kulturlandschaftsforschung, Materialflussrechnungen, NUP, etc.). Wissenschafter und Techniker sind dabei immer auch als Akteure zu sehen, die in nationale und internationale, formelle und informelle Netzwerke eingebunden sind. Zum Teil sind sie Mitglieder in Expertenkommissionen, Beratungsgremien und dergleichen mehr, zum Teil sind sie Mitglieder von Umweltorganisationen, teils werden sie als Experten von Parteien oder als Auskunftspersonen in parlamentarischen Ausschüssen und Enquêten herangezogen. Wenn es um die Rolle der Wissenschaft in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik geht, sind auch die Abhängigkeit der Wissenschaften von Forschungsförderungen und die Folgen der disziplinären Einteilung der Wissenschaften zu bedenken. Auch Einzelpersonen wie der 1994 verstorbene kritische Zukunftsforscher und Publizist Robert Jungk, der 1992 Präsidentschaftskandidat der Grünen war, oder der Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der so wie Jungk im Zuge des Zwentendorf-Konflikts zu einer Leitfigur der sich formierenden Umweltbewegung wurde und v.a. während seiner letzten Lebensjahre wiederholt vor den Gefahren der Umweltzerstörung warnte, zahlreiche Universitätsprofessoren sowie verschiedenste Aus- und Fortbildungseinrichtungen, Jugendund Studentenorganisationen oder auch Kirchenvertreter und kirchliche Organisationen beeinflussten auf mannigfaltige Weise das umweltpolitische Handeln und Denken vieler. Hinsichtlich der Bewusstseinsbildung spielten auch immer wieder spezielle Berufsgruppen wie beispielsweise Ärzte, Lehrer oder Chemiker und deren Verbände eine wichtige Rolle. All diese Akteure sind teils punktuell, teils kontinuierlich Verbündete der Umweltbürokratie oder anderer umweltpolitischer Akteure. In den letzten Jahren sind zunehmend mit den Konsumenten neue Akteure „entstanden“, die nicht mehr nur über den Konsumentenschutz (Verein für Konsumenteninformation – VKI, AK) vertreten werden, sondern entweder direkt mobilisiert oder in ihrem Kaufverhalten angesprochen werden. Konsumenten konnten beispielsweise sehr effektiv gegen den Konsum umweltschädlicher Produkte wie Tropenhölzer, PVC oder genetisch veränderter Nahrungsmittel mobilisiert werden. Der Konsument ist auch zunehmend Politikadressat, dem durch „weiche Instrumente“ in Form entsprechender Labels und Produktinformationen ein ökologisch und sozial verträgliches Kaufverhalten nahe gelegt werden soll.
5.6 Der Nationale Umweltplan Der österreichische Nationale Umweltplan (NUP) kam infolge der Impulswirkung des niederländischen Umweltplanes (NEPP) und der Agenda 21 der UNCED 1992 zustande, 164
die weltweit eine Diffusion langfristiger Umweltpläne auslösten. Ziel war es ein neues Instrument der strategischen Planung entsprechend den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung zu schaffen, mit dem langfristig orientierte ökologische Qualitätszielsetzungen vorgegeben werden sollten. Damit sollte Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik deutlich über die „muddling through“-Konzepte nach dem Lernprinzip „trial and error“ hinausgehen, indem die Selbststeuerung der Gesellschaft so verläuft, dass Konflikte in rationalen Formen bewältigt und gleichzeitig die individuellen Bedürfnisse und Wertpräferenzen artikuliert werden können (Pesendorfer 2002: 132). Der NUP kann gewissermaßen als Höhepunkt und Abschluss der Durchbruchsphase der ökologischen Modernisierung in den 1980er Jahre angesehen werden. Die damalige Umweltministerin Feldgrill-Zankl hatte im Februar 1992 zu einer Enquête über „Strategische Perspektiven der Österreichischen Umweltpolitik“ geladen. Einen ersten Entwurf, wie ein solcher Umweltplan implementiert werden könnte, wurde am Forschungszentrum Seibersdorf für das Umweltressort erarbeitet. Bundesministerien und Sozialpartner einigten sich unter dem Einfluss des international positiven Klimas für das Paradigma einer nachhaltigen Entwicklung auf eine nationale Umsetzung, der in Rio eingegangenen Verpflichtung. Der niederländische NEPP war insbesondere ein Vorbild in der Frage, wie man an solch ein Konzept herangehen kann. Die erste Stufe des NEPP, die Erstellung einer umfassenden Datengrundlage, wurde in Österreich weggelassen, da das Umweltministerium die vorhandene Datenlage für ausreichend hielt. Der kurz zuvor entstandene Action Plan Sustainable Austria der österreichischen Friends of the Earth spielte in der österreichischen Diskussion genauso wenig eine Rolle als die Arbeiten am Wuppertal Institut, welche die wissenschaftlichen Diskurse in dieser Zeit stark prägten. Im BMU war man von Anfang an der Ansicht, dass solche Arbeiten und Konzepte in die sozialpartnerschaftliche Konsensdiskussion, das österreichische Politikmuster, nicht hineinpassen würden. Wiederum in Anlehnung an den niederländischen Umweltplan beabsichtigte das BMU, den österreichischen Plan verbindlich zu machen, scheiterte mit diesem Vorhaben jedoch bei den obersten Behördenvertretern. Im interministeriellen Gremium gab es kurze Zeit eine heftige Diskussion über Ministerverantwortlichkeit und deren mögliche Einschränkung, gefolgt von einer raschen Ablehnung des Vorschlages. Eine politische Abklärung der Standpunkte hatte nicht stattgefunden (vgl. Pesendorfer 2002: 222). Der Planungsprozess des NUP wurde von einem „nationalen Komitee“ unter Vorsitz der Umweltministerin koordiniert. In diesem Komitee waren alle kompetenzmäßig berührten Bereiche der Bundes- und Landesverwaltung, die Sozialpartner und Interessensvertretungen vertreten. Die Ausarbeitung des NUP erfolgte in sieben, breit zusammengesetzten Arbeitskreisen, in denen Vertreter der Ministerien, der Länder, der Sozialpartner, der Umweltverbände und der Wissenschaft eingebunden waren. Insgesamt waren 300 Experten in den Arbeitskreisen eingebunden. Ihr Auftrag lautete: „zur Operationalisierung und Implementierung des Prinzips der Nachhaltigkeit für umweltrelevante Politikfelder in Österreich langfristig und strategisch ausgerichtete ökologische Ziele qualitativer und quantitativer Natur nicht nur durch einen medien- und sektorenüberschreitenden Ansatz zu definieren, sondern mittel- wie langfristig integrierte Konzepte zur Umweltvorsorge zu erarbeiten und darüber hinaus auch in der politischen Öffentlichkeit fest zu etablieren“ (Bericht des Umweltausschusses 13.03.1997, 637 zu den Beilagen der Stenographischen Protokolle des Nationalrates der XX. GP).
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Nach dreijähriger Arbeit wurde der NUP im Mai 1995 dem Ministerrat vorgelegt. Nachdem die Bundesregierung den NUP im Oktober 1995 zur Kenntnis genommen hatte, kam es durch die Nationalratswahl im Dezember 1995 zu einer Verzögerung. Am 11. März 1996 bekräftigte die österreichische Bundesregierung die Bedeutung des NUP noch einmal in ihrem Arbeitsübereinkommen: „Die im Nationalen Umweltplan festgelegten ökologischen Leitlinien sind zu realisieren“ – und das unter der Unterüberschrift „Ökonomische Instrumente“. Im Juli wurde der NUP vom Ministerrat beschlossen und dem Nationalrat zur Behandlung zugeleitet. Dazu wurde dem Nationalrat auch der „Bericht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie betreffend den Nationalen Umweltplan (NUP)“ vorgelegt. Im Nationalrat wurde der Bericht des Umweltministers dem Umweltausschuss zugeleitet, wo dann zu seiner Behandlung ein Unterausschuss zusammengesetzt aus je drei Abgeordneten der SPÖ, der ÖVP und der FPÖ und je einem des LIF und der Grünen eingesetzt wurde. Der Unterausschuss hat den Bericht in drei Sitzungen behandelt und dabei auch Wissenschafter aus den Arbeitskreisen einbezogen; danach wurde die Vorberatung im Umweltausschuss fortgesetzt und mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme dieses Berichtes zu empfehlen. Ebenfalls mit Stimmenmehrheit wurde vom Umweltausschuss folgender Entschließungsantrag eingebracht: „Die Bundesregierung wird ersucht 1. sich bei ihren Maßnahmen und Planungen an den im NUP fixierten Leitlinien zu orientieren und 2. auf die anderen Gebietskörperschaften einzuwirken, damit auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene eine Orientierung der Maßnahmen und Planungen an den im NUP fixierten Leitlinien erfolgen kann. 3. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie wird ersucht, den NUP permanent weiter zu entwickeln und dynamisch an die ökologischen und ökonomischen Erfordernisse anzupassen“ (Bericht des Umweltausschusses 13.03.1997, 637 zu den Beilagen der Stenographischen Protokolle des Nationalrates der XX. GP).
Im Nationalrat wurden der NUP und der Bericht des Umweltministers gemeinsam mit dem Klimaschutzbericht 1995 in der 66. Sitzung am 19. März 1997 in einer relativ kurzen Debatte zu später Stunde behandelt. Die Freiheitlichen brachten einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung und insbesondere der Umweltminister aufgefordert wurde, alle Maßnahmen zu treffen, damit Ziele des NUP (Ökologische Steuerreform, einheitliches Anlagenrecht, neue Umwelthaftung, Vollzugsverbesserung im Umweltrecht, Erreichung des Toronto-Ziels,…) für die Wirtschaftspolitik verbindlich eingestuft würden (Stenographisches Protokoll des Nationalrates, 66. Sitzung, XX. GP: 183). Das LIF begrüßte den NUP so wie alle Parteien als zukunftsweisend, kritisierte jedoch das Fehlen von Leitlinien, „die in den Gesetzgebungsprozess eingebracht werden können“. Die Bundesregierung habe zwar beschlossen, die Leitlinien des NUPs umzusetzen, deren Definition sei allerdings im NUP nicht enthalten und im Umweltausschuss konnten sie ebenfalls nicht formuliert werden (Abg. Barmüller, ib.: 186f.). Die Grünen begrüßten, dass es überhaupt zu einem NUP gekommen war, fürchteten allerdings, dass er bedeutungslos bleiben werde. Die Grünen hätten es auch für sinnvoller gehalten, wenn der NUP nicht nur im Umweltausschuss sondern in mehreren Ausschüssen beraten worden wäre und schlugen im Nationalrat die Einsetzung einer ständigen Enquête-Kommission oder eines Sustainable-DevelopmentAusschusses vor. Es sollten auch konkrete Gesetzesvorschläge auf der Grundlage des NUP erarbeitet werden (Abg. Langthaler, ib.: 189f.). Die Regierungsparteien lehnten den Entschließungsantrag der Freiheitlichen mit dem Hinweis, dass es „arbeitstechnisch“ nicht 166
möglich sei, wesentliche Bereiche des NUPs bis Jahresende in Gesetzesform umzusetzen, ab (Bundesminister Bartenstein, ib.: 191). Darüber hinaus versicherten die Regierungsparteien den NUP langfristig umsetzen und dazu die Ziele alle vier Jahre zu überprüfen zu wollen. Sie betonten auch, dass es sich bei der Umsetzung des NUP um einen Prozess handle. Von den Oppositionsparteien wurde kritisiert, dass es keinerlei Interesse seitens der Regierung gab, einen Diskussionsprozess über den NUP im Nationalrat zuzulassen. Der NUP hatte „lediglich den Status eines politischen Bekenntnisses der Bundesregierung“ und stellte „in keiner Weise einen rechtsverbindlichen Beschluss zur Umsetzung der darin enthaltenen Ziele und Maßnahmen dar“ (Payer 1997, 133). Offensichtlich gab es auch kaum ein Interesse, den NUP bzw. den damit verbundenen Arbeitsprozess in der Öffentlichkeit darzustellen, da über die Medien lediglich über die Absicht, den Beginn und die Fertigstellung informiert wurde und die Medien von sich aus die Thematik nicht breiter aufgriffen. Die Kritik der Umweltverbände an der geringen Verbindlichkeit und an anderen Schwächen konnte ebenfalls keine Aufmerksamkeit herstellen. „Die bisherige Leistung des NUP besteht vor allem darin, unter einer zunehmend großen Zahl von Experten ein neues Verständnis von Umweltproblemen zu verbreiten (Fischer-Kowalski 1995, Fischer-Kowalski et al. 1995): Auf der Ebene der Zielbestimmung etabliert sich eine reflexive, systematische und operative Sichtweise. Reflexiv heißt, dass der Fokus der Arbeiten auf der Regelung von Gesellschaft – und nicht auf der Regelung von Natur – liegt. Systematisch heißt, dass nicht mehr einzelne störende Elemente zur Korrektur anstehen, sondern ein Gesamtzusammenhang. Operativ heißt, dass die Einsicht in die Notwendigkeit gut begründeter, politikfähiger Zielvorgaben wächst. In Bezug auf die analytische Dimensionierung von Umweltproblemen setzt sich eine ressourcenökonomische Sichtweise (mit den Kernkonzepten Energie- und Materialumsatz) gegenüber den früheren schadstoff- oder medienbezogenen Konzepten durch. Statt dem früheren Moralismus, der die Schuldfrage ins Zentrum der Auseinandersetzung rückte, wird nun interventionsorientiert danach gefragt: Wer kann was tun? Und schließlich zeigt sich hinsichtlich der vorgeschlagenen Maßnahmen eine wachsende Präferenz für marktorientierte und informationspolitische Maßnahmen gegenüber ordnungspolitischen Maßnahmen“ (Payer 1997: 134).
Im Nationalen Umweltplan (verabschiedet im Mai 1997) wurden langfristige umweltpolitische Ziele sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Form festgelegt. Es galt, Umwelt in allen Politikbereichen mit zu berücksichtigen. Dazu wurden einzelne Sektoren (Energie, Industrie und Gewerbe, Verkehr und Transportwesen, Landwirtschaft, Wald und Wasser sowie Tourismus- und Freizeitwirtschaft) als Zielbereiche definiert. Die Proponenten der einzelnen ökonomischen Sektoren wurden als Hauptadressaten des Maßnahmenkatalogs im NUP angesehen. Sie waren aufgerufen, „aktiv und im Dialog mit Politik und Verwaltung an der Umsetzung des Maßnahmenkatalogs mitzuwirken“ (NUP: 315). Übergeordnetes Paradigma über die Bereiche der Umweltpolitik waren Reduktionsziele, die aus Materialbilanzen abgeleitet wurden und den Kern des von Payer festgestellten Wandels der Sichtweise ausmachten. Österreich war damit das erste und seither einzige Land, das eine nationale Materialflussrechnung in einem nationalen Umweltplan integriert hat (Jänicke 1997: 69). Die ressourcenökonomische Sichtweise bedeutete aus der Sicht der progressiven Akteure in diesem Politikfeld eine Verschiebung der Problemwahrnehmung vom Ende der Kette hin zu deren Anfang. Ein Schlüsselwerkzeug hierfür waren Methoden zur Beschreibung von Güter- und Stoffflüssen. Dies galt besonders im Hinblick auf die Möglichkeit, vorsorgend aktiv zu werden, was besonders in Bezug auf das Abfallproblem, aber auch hinsichtlich der 167
Chemikalienregulierung als immer drängender gesehen wurde (Schuster 1997; Pesendorfer 2002). Im NUP nimmt innerhalb des Paradigmas einer nachhaltigen Entwicklung eine integrierte Stoff- und Ressourcenpolitik einen zentralen Stellenwert ein, die mittels neuer Strategien, Maßnahmen und Instrumenten umgesetzt werden sollte. Ein Kernbestandteil des NUP sind stoffstrombezogene Reduktionsziele, die aus Materialflussrechnungen abgeleitet wurden und mit Hilfe von Managementstrategien implementiert werden sollten. Als wesentliche Voraussetzung für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement forderte der NUP (S 29) eine effektive Stoffbuchhaltung, die sowohl auf nationaler und regionaler als auch auf betrieblicher Ebene notwendig sei. Viele Ziele, die im NUP festgeschrieben wurden (z.B. die konsequente Schließung von stofflichen Kreisläufen, ökologisch kreislauforientierte Produktionsweisen in der Landwirtschaft, Ausrichtung der Abfallwirtschaft nach stofflichen Kriterien), erfordern eine integrierte Ressourcenpolitik. Im Hinblick auf die Indikatorenbildung für eine nachhaltige Wirtschaft wurde ausdrücklich die Forderung nach „präzisen Daten betreffend die Auswirkungen von anthropogenen Einflüssen auf die Umwelt“ erhoben (S 30). Die Stoffbuchhaltung sollte eine „umfassende Stoffflusssteuerung“ ermöglichen und zu aktiven, beim Verursacher einsetzenden Lösungen beitragen. Die Realisierung einer solchen umfassenden Stoffbewirtschaftung wurde als kurzfristiges Ziel anvisiert (d.h. 0-5 Jahre); die separate Erfassung der größten Materialströme sollte kurz und mittelfristig (bis 10 Jahre) umgesetzt sein. Die involvierten Akteure aus der Verwaltung und der Wissenschaft betrachteten diese Grundausrichtung in der Umweltplanung als einigendes Paradigma, das es ermöglichte unterschiedlichste Zielsetzungen in den verschiedenen Sektoren und Bereichen zu integrieren und langfristige Ziele in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu formulieren und effektiver und effizienter als mit anderen Hilfsmitteln umzusetzen. Problematisch war allerdings, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Ansätze handelte: zum einen gab es aus der Abfallwirtschaft das stoffpolitische Konzept, das von Anfang an von Paul Brunner von der TU-Wien in den Arbeitskreis Abfallwirtschaft eingebracht worden war. Zum anderen ging es um das Konzept Dematerialisierung, dass von Wissenschaftern des IFF, Umweltstatistikern und Teilen der Umweltbürokratie erst ganz zum Schluss dem NUP als einigendes Paradigma übergestülpt worden war. Laut NUP (S 66f) wird von einer Stoffbuchhaltung erwartet, eine Früherkennung von Rohstoffpotentialen und Umweltbelastungen sowie eine Prioritätenfestlegung sowie Maßnahmen des Umweltschutzes, der Ressourcenplanung und der Abfallwirtschaft zu ermöglichen und als Grundlage für UVP, Ökobilanzen und Produktgestaltung nach ökologischen Gesichtspunkten zu dienen. Der Bund wurde zur Unterstützung der Forschung „Stoffbuchhaltung“ und zur Inklusion der Stoffbuchhaltung in die Fortschreibung des NUP und des Bundesabfallwirtschaftsplanes (BAWP 1995 u. 1998) aufgefordert. Das Statistische Zentralamt und das UBA sollten ab 1996 beginnen, Daten zu sammeln, die eine Stoffbuchhaltung für einzelne Stoffe ermöglichen; die Länder und größere Branchen sollten die dazu erforderlichen Daten liefern. Den Reduktionszielen im NUP lag eine „umfassende Analyse sämtlicher Materialund Güterströme durch das gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftssystem Österreichs“ (S 37) zugrunde. Dabei handelte es sich um die Resultate eines Zwischenberichts zur Materialflussrechnung Österreich, die am IFF unter der Leitung von Marina Fischer-Kowalski und in enger Kooperation mit dem Statistischen Zentralamt und dem Wuppertal Institut inhaltlich und methodisch seit den späten 1980er Jahren entwickelt worden war. Diese InputOutput-Analyse zeige „neue Optionen einer präventiven Umweltpolitik hinsichtlich der 168
quantitativ und qualitativ problemverursachenden Stoff- und Güterströme auf“. Materialflussrechnungen waren ein Ergebnis des Diskurses um die Ökologisierung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Dahinter steht eine neue Sichtweise, die einen Paradigmenwechsel der Umweltstatistik einleitete (Statistik Austria 2002: 247). Auf den Ergebnissen der Materialflussrechnung basieren auch die zentralen Indikatoren im NUP: Wasser, Luft und feste Materialien. Diese hoch aggregierten Indikatoren wurden für den Zeitraum 1970 – 1990 dargestellt: „Erfasst werden Masseströme (also Stoffgemische), aber keine Stoffflüsse von ausgewählten Elementen bzw. chemischen Verbindungen und deren Verbleib innerhalb der Systemgrenzen“ (S 37). Für die einzelnen Teilsysteme sollten die Importe, die Exporte sowie die Lagerbewegungen bilanziert werden, um den gesamten Materialdurchsatz zu erfassen. Im Rahmen des Ressourcenmanagements standen im Bereich der Abfallwirtschaft die stofflichen Aspekte und die Forderung nach einer „umfassenden Stoffbewirtschaftung“ im Vordergrund. Für die Abfallpolitik ist im NUP festgelegt, dass alle Verfahren und Systeme der Abfallwirtschaft auf die Veränderung durch Stoffströme zu untersuchen sind. Als Maßnahmen werden vorgeschlagen (S 69): Separate Erfassung der größten Materialströme; Einführung einer Erfolgs- und Qualitätskontrolle in der Abfallwirtschaft bis 2000 (mit Hilfe von Material-, Stoff- und Energiebilanzen); Neue Deponieverordnung soll konsequent auf die Ziele des AWG ausgerichtet werden; Erhöhung der Anzahl von thermischen und physikalisch-chemischen Behandlungsanlagen; Forschung und Entwicklung über und die Planung und Erstellung von Endlagern (bis 2000; wobei der Begriff „Endlagerqualität“ nach chemisch-physikalischen, mineralogischen und geotechnischen Kriterien festgelegt werden muss und entsprechende Prüfmethoden zu entwickeln sind).
Hinsichtlich der langfristigen Umweltverträglichkeit von Produkten sollte die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der ökologischen Produktgestaltung gefördert werden. Im öffentlichen Bereich sollten neue Einkaufs- und Förderstrategien für Güter und Dienstleistungen zur Anwendung kommen, und in die Raum- und Umweltplanung sollten Kriterien des regionalen Stoffhaushaltes einbezogen werden. Der herausragende Stellenwert inputorientierter Konzepte der Stoffwirtschaft und Stoffpolitik verdankt sich der erfolgreichen Intervention zweier Advocacy-Koalitionen, denen es gelungen war, das Leitbild einer Dematerialisierung und des Stoffhaushalts in den NUP zu implementieren. Gemeinsam war den beiden Koalitionen das übergeordnete Paradigma des Metabolismus der Anthroposphäre und eines qualitativen Wachstums (vgl. Pesendorfer 2002). Der methodische Kern dieses Paradigmas besteht aus verschiedenen, zum Teil konkurrierenden Tools, die unter der Sammelbezeichnung Material Flow Analysis zusammengefasst werden. Dabei geht es um Strategien, die gesellschaftliche Steuerung anthropogener, also vom Menschen verursachter, Stoffflüsse nachhaltig zu gestalten, indem die Regulierung auf die Inputseite verlagert wird. Diese Koalitionen bestehen hauptsächlich aus Netzwerken zwischen der Umweltbürokratie und Forschungsinstituten, die sich überwiegend mit Stoffflüssen und Nachhaltigkeit befassen, wobei eine aus dem Bereich Umweltsoziologie/Umweltökonomie/Umweltstatistik und betrieblicher Umweltschutz und die zweite aus dem Bereich Abfallwirtschaft/Chemikalienpolitik kommt. Aus den unterschiedlichen theoretischen Annahmen resultieren einerseits die Strategie der Dematerialisierung/Faktor X, einer Stoffmengenpolitik und das Konzept „Metabolismus und Kolonisie169
rung“, andererseits die Forderung nach einem Stoffstrommanagement und das Konzept „Metabolismus der Anthroposphäre“. In der Problemperzeption unterscheiden sich die Koalitionen darin, dass die erste davon ausgeht, dass die Höhe des energetischen und stofflichen Durchflusses die Quantität der Umweltprobleme ausmacht, während die zweite Koalition das Problem immer in Zusammenhang mit der Qualität eines konkreten Stoffes (chemischer Substanz) betrachtet. Daher resultieren aus der ersten Sichtweise unspezifische Maßnahmen zur generellen Dematerialisierung von Industriegesellschaften, die Richtungssicherheit gewährleisten sollen, während die zweite eher spezifische Maßnahmen für ausgewählte Gefahr- und Giftstoffe einfordert. Zwischen diesen beiden Advocacy-Koalitionen haben immer wieder Policy-Vermittler (insbesondere Akteure aus dem Umweltministerium) dafür gesorgt, dass beide Zielsetzungen in verschiedenen politischen Zielsetzungen und Publikationen, vom NUP angefangen bis hin zur Materialflussrechnung, vorkommen und die damit verbundenen Tools nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern dass deren Kompatibilität und die Notwendigkeit, beide Strategien zu verfolgen, betont wird. So wurden auch Studien initiiert, die die unterschiedlichen Konzepte zusammenbrachten (z.B. ÖIN 1998). Bislang konzentrierte sich die MFA-Koalition darauf, durch kontinuierliche Forschungsaufträge und -arbeiten Methoden zu entwickeln, zu testen und auf konkrete Probleme (insbesondere in der Abfallwirtschaft, Chemikalienpolitik/Stoffpolitik, betrieblichen Umweltpolitik und im Bereich der Umweltstatistik und Indikatordiskussion) anzuwenden. Die Strategie ist es, die Möglichkeiten von win-win-Strategien aufzuzeigen, in konkreten Konfliktsituationen eine solide Datenbasis für alle bereitzustellen und mittel- bis langfristig v.a. Netzwerke aufzubauen, die zukünftige Anwendungschancen für integrierte Konzepte verbessern. Den beiden Advocacy-Koalitionen gelang damit eine Verankerung in der Nachhaltigkeitsdiskurskoalition. Gegen die dominante Wachstums-Diskurskoalition blieben diese Akteure jedoch bislang chancenlos. Hier steht nach wie vor das Interesse an einer florierenden Wirtschaft im Vordergrund, und Umweltpolitik wird diesem Hauptziel untergeordnet. Die im NUP enthaltenen Forderungen hinsichtlich einer Implementierung einer integrierten Stoff- und Ressourcenpolitik blieben daher auch weitgehend bedeutungslos (ausführlich: Pesendorfer 2002: 268-276). Insgesamt wird der NUP im Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurs heute großteils als ein Dokument dargestellt, dass dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht entspricht, weil hier die Bedeutung der Ökologie zu stark dominiere und der Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen, sozialen und politisch-institutionellen Dimensionen nicht gelungen sei. Tatsächlich war hier der NUP allerdings ganz und gar nicht so einseitig ausgerichtet und insgesamt auch keinesfalls radikal bzw. in den Zielsetzungen viel zu vage. Viele Aussagen wurden zudem durch den Hinweis auf nötige internationale Kooperationen relativiert. Schließlich wurde als Ziel formuliert, dass „die Umweltpolitik in der Zukunft so zu gestalten [sei], dass Österreich als innovativer Industriestandort erhalten bleibt“ (NUP 1995: 149) und insgesamt ein Gleichgewicht zwischen den gesellschaftlichen Zielsetzungen (Wirtschaft, sozialer Friede, Ökologie) angestrebt wurde (ib.: 22). Auch wurden die Zielsetzungen mit der Rolle Österreichs in der EU und in globalen Foren verbunden (ib.: 23). Damit weicht der NUP von der bisherigen österreichischen Umweltpolitik nicht allzu sehr ab und spiegelt den gesellschaftlichen Grundkonsens wider, der auch beinhaltet, dass man weitreichendere vage Zielsetzungen formulieren kann, solang man deren Umsetzung ohnehin auf anderen Ebenen rechtzeitig blockieren kann. Die Zielsetzung einer langfristigen Umweltplanung und die Idee, einen Prozess zu initiieren, der die Handlungskapazität 170
steigern sollte, hingegen war durchaus als eine Neuerung zu sehen. Hierbei ist der NUP allerdings kläglich gescheitert.
5.7 Nachhaltigkeitsforschung in Österreich Neben der universitären und außeruniversitären Forschung zu Nachhaltigkeitsthemen wurden seit Beginn der 1990er Jahre vom Bund einige besondere Forschungsprogramme gestartet, um Schwerpunkte in der Nachhaltigkeitsforschung zu setzen. Dazu wurden auch neu entstandene Akteursnetzwerke unterstützt, die ihrerseits wiederum einen Einfluss auf die Forschungsförderung genommen haben. Insgesamt blieb die Forschungsförderung im Vergleich zu anderen Bereichen wie z.B. der Genforschung (und auch im Vergleich zu anderen Staaten) jedoch bescheiden und erlebte im Verlauf des Jahrzehnts auch einige Rückschläge. Neben den speziellen stark anwendungs- und umsetzungsorientierten Forschungsförderungsprogrammen boten v.a. der Wissenschaftsfonds FWF und der Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank für Forscher aller Disziplinen Möglichkeiten zur Projektfinanzierung, insbesondere auch im Bereich der Grundlagenforschung. Auf Länderebene sind die Fördermöglichkeiten für Nachhaltigkeitsprojekte sehr unterschiedlich. Generell haben aber alle Länder im Laufe des Jahrzehnts Wissenschaftsleitbilder erstellt, in denen Umwelt und Nachhaltige Entwicklung oder damit zusammenhängende Teilaspekte (z.B. nachwachsende Rohstoffe wie Holz) zumindest Erwähnung finden. Besondere Relevanz haben seither v.a. auch EU-Förderprogramme eingenommen, da hier zunehmend integrative Forschungsansätze gefordert wurden und Nachhaltigkeit ein höherer Stellenwert zugemessen wurde als auf nationaler Ebene.
5.7.1 Kulturlandschaftsforschung Während die hehren Ziele des NUP in der Schublade landeten und v.a. die inputorientierten Strategien auf erhebliche Widerstände stießen, orientierte sich die Umweltforschung auf einen neuen Schwerpunkt: Das Programm Kulturlandschaftsforschung (KLF) entstand unter der Federführung des Wissenschaftsministeriums, das 1992 eine entsprechende Initiative ergriff. Dazu wurde ein erstes Strategiepapier des Ressorts an an über 500 Persönlichkeiten der österreichischen Forschungslandschaft versendet. Auf der Basis der Stellungnahmen wurden dann themen- und regionsorientierte „Konzeptgruppen“ eingerichtet, die Definitionen, Ziele, Prinzipien und Forschungsinhalte festlegten. Konzipiert wurde das Forschungsprogramm von einer interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppe, die sich aus Fachbeamten der Ministerien und Länder und aus Wissenschaftern zusammensetzte. Diese Arbeitsgruppe legte 1995 ein Forschungskonzept vor, das Ziele, Prinzipien und inhaltliche Schwerpunkte des künftigen Programms KLF umfasste. Anlass für die KLF waren Probleme, die durch die Flächennutzung (Zersiedelung, Abwanderung aus benachteiligten Regionen, steigendes Verkehrsaufkommen, konkurrierende Nutzungsinteressen auf engem Raum) entstehen und mit Umweltproblemen (Bodenund Grundwasserbelastungen, dem raschen Aussterben von Pflanzen- und Tierarten) verbunden sind. Im Rahmen dieses Forschungsprogramms sollten Wege aufgezeigt werden, wie das Konzept der Nachhaltigkeit insbesondere regional umgesetzt werden kann. Dazu 171
sollten durch inter- und transdisziplinäre Forschung wissenschaftliche Grundlagen für Handlungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Die KLF bildete im Anschluss an den NUP einen wesentlichen Schwerpunkt der Forschungsförderung im Bereich Umwelt und nachhaltige Entwicklung. Das Programm wird von Christian Smoliner (BMBWK, AL Abt. VI/A/4 Umweltwissenschaften) geleitet. Zur Unterstützung wurden eine Koordinationsstelle und ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet. Als programmatische Ziele definierte das Forschungsprogramm eine wesentliche Reduktion der anthropogenen Stoffflüsse, die Optimierung der Beziehungen zwischen Biodiversität und Lebensqualität sowie die Förderung der Lebens- und Entwicklungsoptionen innerhalb der Landschaftsdynamik. KLF sollte der Forschung für die regionale Sicherung einer langfristigen wirtschaftlichen und soziokulturellen Entwicklung, für ökologische und gesellschaftliche Stabilität und für eine nachhaltige Mensch-Natur-Beziehung dienen. Dabei war an eine „gesellschaftspolitische Initiative mit Forschungscharakter“ gedacht. Insgesamt umfasste das Finanzvolumen des Forschungsprogramms 90 Mio. Schilling (6,5 Mio. €). Die Finanzierung erfolgt über eine Kooperation des BMBWK mit dem BKA, dem BMLF, dem BMU, dem BMwA, den Bundesländern sowie über die Struktur- und Regionalförderungsfonds der EU.26 Mit dem KLF gelang es allerdings nicht eine integrierte Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung zu schaffen, die einen weitreichenderen Einfluss auf die Politikgestaltung hätte. An der grundsätzlichen Problematik, dass das politische Handeln weit den wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterherhinkt, wurde nichts verändert. 2002 wurde vom Forschungsrat das KLF-Nachfolgeprogramm „EcoForesights Austria – Sozial-ökologische Zukunftsforschung Österreich“ ins BMLFUW verwiesen, das zur Fortführung allerdings weder über ausreichend Mittel noch über die notwendigen Strukturen verfügt. Über 120 Wissenschafter kritisierten diese Entscheidung mit einem offenen Brief an Bildungsministerin Elisabeth Gehrer: die Umweltforschung wäre damit „auf die Rote Liste“ gesetzt worden. Im Bildungsministerium bewertete der Leiter der Abteilung Umweltwissenschaften, Christian Smoliner, die Entscheidung des Forschungsrats als nicht nachvollziehbar und als schweren Rückschlag insbesondere im Hinblick auf die Teilnahme im 6. EU-Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung.27
5.7.2 Ökoprofit Ökoprofit ist ein System, das Anfang der 1990er Jahre im Grazer Umweltamt entwickelt wurde, um den scheinbaren Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie zu widerlegen. Konzipiert wurde es als „Ökologisches Projekt für integrierte Umwelttechnik“ vom Leiter des Umweltamtes, Karl Niederl, zusammen mit Grazer Wirtschaftsvertretern, Wissenschaftern der Technischen Universität Graz und der Beratungsfirma STENUM. Basierend auf der Grundannahme, dass sich durch integrierte betriebliche Umweltschutzmaßnahmen auch ökonomische Vorteile erzielen lassen, wurden in unterschiedlichen Branchen zahlreiche betriebliche Umweltschutzprogramme erstellt. Dieses Modell basierend auf dem Cleaner Production Ansatz erlangte nationale und internationale Anerkennung. Die UNIDO finanzierte entsprechende Projekte in Tschechien und in der Slowakei (Der Standard 21.11.1995) 26 27
Siehe: http://www.klf.at/german/mission/. http://science.orf.at/science/news/51367.
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und Graz wurde 1996 als erste „Zukunftsbeständige Stadt“ Europas mit dem „European Sustainable City Award“ der EU ausgezeichnet Sustainable City Award“ der EU ausgezeichnet. Ergänzend wurde die steirische Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit (WIN) im Dezember 2002 als Initiative des Amts der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung Abfall- und Stoffflusswirtschaft, der Wirtschaftskammer Steiermark und der Steirischen Wirtschaftsförderung vorgestellt.
5.7.3 Impulsprogramm Nachhaltig Wirtschaften Das Impulsprogramm „Nachhaltig Wirtschaften“ (Austrian Program on Technologies for Sustainable Development, at:sd) des BMVIT entstand unter der Leitung von Michael Paula (BMVIT, Abt. für Energie- und Umwelttechnologien). Die dahinter stehende Idee ist, dass nachhaltiges Wirtschaften gefördert werden muss und dass die ökologische Modernisierung als Strategie mittels win-win-Optionen erfolgreich umgesetzt werden kann. Das Programm wurde mit einem jährlichen Budget von 40-45 Mio. ATS ausgestattet. Die Programmbetreuung und Finanzierungsabwicklung erfolgt über den Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft (FFF). In das Projektmanagement sind zudem die ÖGUT („Haus der Zukunft“), die TRUST CONSULT Unternehmensberatung GmbH („Fabrik der Zukunft“) und die E.V.A. („Energiesysteme der Zukunft“) eingebunden. Im Rahmen der beiden ersten Programmlinien wurden bis Mitte 2002 insgesamt 82 Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von 9,7 Mio. Euro gefördert, die Programmlinie „Energiesysteme der Zukunft“ wurde erst 2002 vorbereitet. Ziel von at:sd ist die Nachhaltigkeit orientierte Wirtschaftsentwicklung durch Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsaktivitäten zu unterstützen. Das Programm soll ein Beitrag zur Verbesserung der sozialen und ökologischen Lebensbedingungen und zur Innovationskraft der Wirtschaft leisten. Konzipiert wurde es für eine Laufzeit von fünf Jahren. Das Konzept zielt insbesondere auf eine deutliche Reduzierung der Energie- und Stoffumsätze pro Dienstleistungs- bzw. Funktionseinheit (Nutzeinheit) und die Verwendung erneuerbarer Ressourcen bei der energetischen und stofflichen Versorgung ab.
5.8 Neue Akteursnetzwerke für Nachhaltigkeit Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung fand seit dem Beginn der 1990er Jahre eine weite Verbreitung und breiten Eingang in den umweltpolitischen Diskurs, der dadurch verändert wurde. In der Wissenschaft hat sich das Leitbild besonders rasch durchgesetzt und zu neuen Netzwerken, Zielsetzungen und Ansätzen in Forschung und Lehre geführt. Lokale Agenda 21 Prozesse starteten in einigen Gemeinden, wodurch zahlreiche Akteure auf der Grundlage der damit zusammenhängenden Sichtweise vernetzt wurden bzw. sich vernetzten. Vorreiter war hierbei die oberösterreichische Gemeinde Steinbach an der Steyr, die seit 1987 den „Steinbacher Weg“ verfolgt und dazu ein „visionäres Leitbild“ unter Einbeziehung der Bürger formulierte. Zur Unterstützung von Lokalen Agenda Prozessen hat das Umweltministerium einen Leitfaden erstellt. Insgesamt entstanden in den 1990er Jahren neben den bereits im Umweltbereich aktiven Akteursnetzwerken neue Netzwerke und Koalitionen, um das neue Leitbild zu verbreiten und den Nachhaltigkeitsgedanken in Nachhaltigkeitspolitiken zu transformieren. Dabei ging es um unterschiedliche Interessen und Ziel173
setzungen. Zum einen mussten das Leitbild zunächst populär gemacht und die damit verbundenen Dimensionen und Herausforderungen bekannt gemacht werden. Zum anderen ging es um erste Schritte der Umsetzung und zur Formulierung von Forschungsfragen sowie um die Vernetzung verschiedenster Akteure zur Verbesserung der Handlungskapazitäten und -spielräume. Im Folgenden wollen wir die wichtigsten neuen Akteursnetzwerke einer Politik der Nachhaltigkeit, ihre Schwerpunkte und ihren Einfluss im politischen Prozess darstellen.
5.8.1 Österreichischer Klimabeirat – Austrian Council on Climate Change (ACCC) Im Auftrag des Umweltministeriums nahm mit Beginn 1996 der Österreichische Klimabeirat (ACCC) seine Arbeit auf (siehe Klimaschutzpolitik). Der ACCC konzentrierte sich zunächst darauf zu zeigen, dass es eine durch menschliche Aktivität verursachte Klimaänderung gibt und dass Maßnahmen für den Klimaschutz eine Chance zur Stärkung der Innovationskraft der österreichischen Wirtschaft bieten. Der ACCC hat durch Studien, Veranstaltungen und Workshops versucht die Klimapolitik zu beeinflussen. Er war Anlaufstelle für verschiedene nationale und internationale Interessenvertretungen, Institutionen und Wissenschafter sowie NGOs.
5.8.2 Klimabündnis – ein Beitrag zur internationalen Solidarität Das Klimabündnis ist eine globale Partnerschaft zum Schutz des Weltklimas zwischen europäischen Gemeinden, Städten und Ländern und der COICA, der Dachorganisation indianischer Organisationen im Amazonasraum. Das Klimabündnis verfolgt das Ziel, Schritte zum Erhalt der Erdatmosphäre zu unterstützen, indem der Regenwaldzerstörung Einhalt geboten und der Treibhauseffekt vermindert wird. Anfang der 1990er Jahre begannen sich auch in Österreich Klimabündnisse zu etablieren. In Österreich wurde die Idee vom Österreichischen Informationsdienst für Entwicklungspolitik (ÖIE) aufgegriffen, der die Arbeit des Klimabündnisses bis 1994 bundesweit koordiniert hat. Seither koordiniert das Klimabündnis Österreich als gemeinnützige GmbH die Tätigkeiten. Dessen Gesellschafter sind das Institut für Internationale Zusammenarbeit, der Südwind-Verein und „die umweltberatung Österreich“. Zu Beginn der 1990er Jahre waren die Bedingungen für die von diesen Akteuren getragenen Ideen günstig. 1990 waren Salzburg das erste Bundesland und die Stadt Salzburg die erste Landeshauptstadt, die dem Klimabündnis beigetreten sind. In den folgenden Jahren entstand ein Netz regional arbeitender Koordinationsstellen zur Unterstützung der Klimabündnisarbeit. Mit über 1.000 Mitgliedskommunen in 12 Staaten ist das Klimabündnis mittlerweile die erfolgreichste Klimainitiative Europas. Die beigetretenen Gemeinden müssen sich verpflichten, die Treibhausgas-Emissionen (v.a. CO2) bis zum Jahr 2010 um 50 Prozent zu reduzieren (Basisjahr 1987), auf die Verwendung von Tropenholz zu verzichten und die indianischen Partner in Amazonien bei ihren Bemühungen zum Erhalt ihrer Lebensweise und des Regenwaldes zu unterstützen. Das Klimaschutznetzwerk betreibt ein Lobbying für Klimaschutz bei UN-Klimakonferenzen, bei den Direktionen der EU sowie auf nationaler Ebene. Es stellt quasi ein Netzwerk von unten dar, das versucht, soviel wie möglich auf regionaler Ebene umzusetzen und 174
dadurch den Druck nach oben zu erhöhen. Allerdings funktioniert diese Strategie nur eingeschränkt, weil wichtige Rahmenbedingungen von oben gesetzt werden müssten.
5.8.3 Alpenschutzkommission – CIPRA Österreich Die Commission International pour la Protection des Alpes (CIPRA-International) ist ein überkonfessioneller, überparteilicher und übernationaler Verein, der sich seit den frühen 1990er Jahren zu den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung bekennt und die internationalen Aktivitäten für eine nachhaltige Entwicklung des Alpenraumes koordiniert. Sie wurde bereits 1952 gegründet und vertritt als Dachorganisation 97 Organisationen aus allen 7 Alpenstaaten. Nationale Vertretungen befinden sich in Deutschland, Frankreich, Italien, Lichtenstein, Österreich, der Schweiz und Slowenien; in Südtirol besteht zudem eine regionale CIPRA-Vertretung. Die CIPRA hat offiziellen Beobachterstatus bei der Alpenkonvention, die sie maßgeblich mitinitiiert hat, und bei ihr ist auch das Alpenkonventionsbüro angesiedelt. Die Alpenkonvention ist ein Rahmenübereinkommen zur Gewährleistung des Schutzes und einer dauerhaften und umweltgerechten Entwicklung im Alpenraum. Sie wurde 1991 von den sieben Ländern des Alpenraumes sowie von der EG unterzeichnet. Monaco trat der Konvention aufgrund eines Zusatzprotokolls bei. Das Protokoll der Alpenkonvention im Bereich Raumplanung und Nachhaltigkeit bezieht sich u.a. auf die Inhalte von Raumordnungsplänen und -programmen, wie z.B. die regionale Wirtschaftsentwicklung, den ländlichen und den Siedlungsraum, Natur- und Landschaftsschutz und Verkehr.
5.8.4 SUSTAIN Der Verein zur Koordination von Forschung über Nachhaltigkeit SUSTAIN mit Sitz am Institut für Verfahrenstechnik der Technischen Universität Graz wurde zur Verbreitung des Nachhaltigkeitsgedankens gegründet und erhielt dazu eine Basisfinanzierung vom Wissenschaftsministerium. Als Vereinigung von über 40 Forschungs- und Universitätsinstituten gelang damit die Vernetzung einer Vielzahl von Wissenschaftern, die sich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt haben. Ziel war es, die Forschung über Nachhaltigkeit in Österreich zu koordinieren und Kooperationen mit Netzwerken und Institutionen im Ausland auszubauen. Der Verein bot insbesondere auch ein Diskussionsforum und informierte auf Tagungen und Workshops über aktuelle Probleme und Entwicklungen. 1994 legte SUSTAIN den Endbericht eines interdisziplinären Forschungsprojekts über den „Forschungs- und Entwicklungsbedarf für den Übergang zu einer Nachhaltigen Wirtschaftsweise in Österreich“ vor. Dieser Bericht war im Auftrag der Bund-Bundesländerkooperation, des Wissenschaftsund des Umweltministeriums erstellt worden und konzentrierte sich auf die Bereiche Energie, Landwirtschaft, industrielle und gewerbliche Tätigkeit, Bio- und Prozesstechnologie, Abfall- und Stoffstrombewirtschaftung sowie auf grundsätzliche wirtschaftliche Gesichtspunkte einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Im Dezember 2001 wurde der Verein aufgelöst, die ehemaligen Mitglieder sind jedoch weiter im Nachhaltigkeitsbereich aktiv.
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5.8.5 Akteursnetzwerk Nachhaltiges Österreich In Anschluss an den Rio-Prozess entstand 1997 mit Förderung des Umweltministeriums ein Netzwerk aus Behörden- und Wirtschaftsvertretern und Wissenschaftern. Dieses Akteursnetzwerk dient als Plattform für einen Diskussions-, Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen jenen Akteuren, die als relevante Vertreter der Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft für die Umsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung auf regionaler Ebene in Österreich aktiv sind. Jährlich wird ein „Round Table ‚Nachhaltiges Österreich’“ abgehalten und zur Informationsverbreitung wurden eine Internetseite eingerichtet und ein Newsletter geschaffen. Finanziert wird diese Initiative vom BMLFUW, in Kooperation mit dem BMWA, dem BMBWK, dem BMVIT sowie den Bundesländern Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg und Wien. Mit der Betreuung wurde das Österreichische Institut für Nachhaltige Entwicklung, das 1995 als Wissenschaftsverein mit Sitz an der Universität für Bodenkultur in Wien unter der Leitung von Dietmar Kanatschnig gegründet wurde, beauftragt.
5.8.6 Österreichischer Rat für Nachhaltige Entwicklung Der Österreichische Rat für Nachhaltige Entwicklung (ÖRNE) ging aus der nationalen UNCED-Kommission hervor und wurde 1997 gegründet. Er sollte eine wichtige institutionelle Einrichtung für eine nachhaltige Entwicklung in Österreich wahrnehmen. Die Schaffung eines „Rates für Umwelt und Entwicklung“ unter Einbindung von NGO-Vertretern war bereits im Wahlkampf 1994 vom Ökobüro gefordert worden. Im Rat sind sämtliche Ministerien, die Bundesländer, Vertreter des Städte- und Gemeindebundes, der Wirtschaft, der Wissenschaft und die Umweltdachverbände vertreten. Der ÖRNE dient dem Informationsaustausch, der Vorbereitung der österreichischen Position innerhalb der EU bzw. für die UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) sowie der Unterstützung der innerstaatlichen Umsetzung. Die 50 Mitglieder treffen sich dazu regelmäßig alle zwei Monate. Zu einzelnen Themen wurden auch Arbeitskreise eingerichtet (Jahr der Berge, Internationales Jahr des Ökotourismus). In der breiten Öffentlichkeit ist der Rat jedoch bisher kaum wahrnehmbar gewesen.
5.8.7 Der Austrian Business Council for Sustainable Development 1997 gründete die Industrie auf Initiative des damaligen Umweltministers Bartenstein den gemeinnützigen Verein Austrian Business Council for Sustainable Development (ABCSD), der sich als NGO versteht. Die Idee dazu ging von dem Schweizer Industriellen Stephan Schmidheiny aus, der im Vorfeld des Weltumweltgipfels in Rio Anfang der 1990er Jahre einen Business Council for Sustainable Development gründete, der dann zum World Business Council for Sustainable Development erweitert wurde, dem auch der ABCSD angehört. Der Verein ist zwar in der Industriellenvereinigung mit einem kleinen Büro angesiedelt, hat aber großen Wert auf Unabhängigkeit gelegt und sowohl Ambitionen einer Einflussnahme des Umweltministeriums als auch der IV zurückgewiesen. Mitglieder sind rund 60 führende Industrieunternehmen Österreichs. Das Forum dient dem Informations- und Meinungsaustausch unter Spitzenrepräsentanten der österreichischen Wirtschaft und soll 176
dazu beitragen, einen nachhaltigen Wirtschaftsstil in die Praxis umzusetzen. Propagiert wird v.a. Ökoeffizienz als „die Managementstrategie des 21. Jahrhunderts“. Mittlerweile begutachtet und kommentiert der ABCSD auch alle Projekte der IV und versucht hierbei Nachhaltigkeitsaspekte zu stärken. Zentrales Paradigma des WBCSD ist, dass die Wirtschaft über ein einzigartiges experimentelles Verständnis nachhaltiger Entwicklung verfüge und über sustainable growth einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten kann und muss. Dazu wird eine neue dynamische Partnerschaft zwischen Wirtschaft, Regierungen und Zivilgesellschaften angestrebt.
5.8.8 Was haben die neuen Netzwerke bewirkt? Grundsätzlich sind diese neuen Netzwerke als Lernprozesse bestehender und neuer Akteure zu sehen. Durch die Vernetzung gelang ein vielfältiger Einfluss auf die Politik, der zwar in vielen Bereichen deutlich hinter den Notwendigkeiten zurückgeblieben, aber dennoch klar feststellbar ist. Die Empfehlungen des Klimabeirates wurden beispielsweise weitestgehend ignoriert, wenngleich sich politische Forderungen und Programme dennoch darauf beriefen. Die Stellungnahmen und Empfehlungen sowie die Anliegen des Klimabündnisses wurden auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und haben damit das Problembewusstsein beeinflusst. Der Verein SUSTAIN hatte informellen und formellen Einfluss auf Inhalte von Forschungsprogrammen und hat trans- und interdisziplinäre Forschungsprojekte angeregt, die in vielen Bereichen wie zum Beispiel nachwachsende Rohstoffe auch umsetzungs- und praxisrelevant waren. Neben der Aufgabe, den Nachhaltigkeitsgedanken in der Industrie zu stärken und zur technologischen Modernisierung beizutragen, war der ABCSD über die Einflussnahme auf das Umwelt- und andere Ressorts, die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung oder die Beteiligung am Entstehungsprozess der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie auch in die Politikformulierung eingebunden. Auch das Akteursnetzwerk Nachhaltiges Österreich wirkte an der Nachhaltigkeitsstrategie mit (s.u.). Gemeinsam war all diesen neuen Netzwerken ein durchaus reformistischer Politikansatz, basierend auf einem stark normativen Politikverständnis und der Prämisse, dass Nachhaltigkeit durch einen kontinuierlichen Wandel und Lernprozess erreicht werden könne, ohne dass das gesamte System radikal transformiert werden müsse.
5.9 Die Auswirkungen des EU-Beitritts Österreich, das seit den 1960er Jahren Mitglied der Europäischen Freihandelszone (EFTA) war, entschied sich in den frühen 1980er Jahren für die volle westeuropäische Integration. Mitte der 1980er Jahre lehnte die EG eine Aufnahme von weiteren Staaten nach der so genannten Süderweiterung jedoch noch ab, weil zunächst die Auswirkungen der Aufnahme Griechenlands, Spaniens und Portugals abgewartet werden sollten. Im Zuge dieser Erweiterungswelle beschleunigte die EG gleichzeitig die Vertiefung, indem mit der Einheitlichen Europäischen Akte die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) beschlossen wurde, der auch die EFTA-Staaten beinhalten sollte. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte wurde 1987 übrigens auch Umweltpolitik explizit zu einem Gegenstand gemeinschaftlicher Politik, deren Leitlinien ebenfalls festgeschrieben wurden. Für Österreich gewann durch diese Vertiefung ein EG-Beitritt an Attraktivität, weil man dadurch nicht nur 177
am gemeinsamen Markt partizipieren konnte, von dem man sich neue Wachstumsimpulse erhoffte, sondern auch politisch mitbestimmen durfte. Die immer stärker werdenden wirtschaftlichen Verflechtungen der Staaten brachten ohnehin in allen Politikfeldern direkte oder indirekte Internationalisierungstendenzen, die besonders für ein kleines Land wie Österreich die nationalen Spielräume einschränkten. Unter der Regierung Vranitzky wurden daher ab 1987 die Bemühungen um eine Aufnahme verstärkt, wenngleich die SPÖ aus Neutralitätsüberlegungen in der EG-Frage vorerst nicht vorpreschen wollte. Öffentlich sprach sich dann die ÖVP als erste Partei Anfang 1988 für die Vollmitgliedschaft aus und forderte kurz darauf auch einen entsprechenden Antrag auf Mitgliedschaft in der EG. Diesem Vorschlag folgten eine Grundsatzdebatte im Nationalrat, ein EG-Gipfel der Bundesregierung mit den Sozialpartnern und Landeshauptleuten, eine „Parteienvereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP zur weiteren Vorgangsweise in der Integrationspolitik“ sowie eine Entschließung des Nationalrates zum EG-Beitritt (mit den Stimmen der SPÖ, ÖVP, FPÖ sowie der grünen Abgeordneten Langthaler). Während die SPÖ und ÖVP von der Notwendigkeit eines EG-Beitritts überzeugt waren, standen die Grünen und zunehmend die Freiheitlichen diesem Projekt ablehnend gegenüber. Die Freiheitlichen hatten zwar bereits 1987 einen EG-Beitritt zum frühest möglichen Zeitpunkt gefordert und zunächst auch noch die Entschließung des Nationalrates „Verhandlungen mit den Europäischen Gemeinschaften über eine Mitgliedschaft Österreichs aufzunehmen“ mitgetragen, unter der Führung von Jörg Haider und der damit verbundenen Abkehr vom liberalen Kurs wechselnden sie jedoch dann die Position und gingen auf einen populistischen Anti-EG-Kurs über, indem sie insbesondere den Bürokratismus Brüssels kritisierten. In der Folge lehnten die Freiheitlichen 1991/92 einen EWR- und EG/EU-Beitritt ab. Im Juni 1992 legten sie der Regierung einen Katalog kaum erfüllbarer Kriterien für einen Beitritt vor. Haider lehnte insbesondere die Entwicklung der EG zu einem Gesamtstaat ab und trat für die Aufrechterhaltung unabhängiger Nationalstaaten ein. Innerhalb der Freiheitlichen behielt der Liberale Klub die Pro-EU-Haltung bei, der sich dann im Februar 1993 als Liberales Forum aufgrund der FPÖ-Europaposition sowie infolge des Ausländervolksbegehrens abspaltete. Die Grünen hingegen lehnten mehrheitlich einen EG-Beitritt ab, weil sie die EG als zu einseitig an wirtschaftliche Interessen orientiert bewerteten. Die EG war für sie ein Gebilde mit erheblichen Demokratiedefiziten, das sowohl den Wohlfahrtsstaat, die Neutralität als auch die hohen nationalen Umweltstandards gefährdet. Im Februar 1989 wurde diese Europaskepsis in einem Europamanifest mit dem Titel „Ja zu Europa – Nein zur EG“ dargelegt. 1991 versuchten die Grünen vergeblich den EWR-Beitritt durch ein Volksbegehren für eine Volksabstimmung zu verhindern. Das Nein zur EG konnten verschiedenste Strömungen innerhalb der Grünen mittragen, sodass es eine mehrheitsfähige Position wurde. Bundessprecher Peter Pilz, der eine pragmatische Position eingenommen hatte und davon ausgegangen war, dass es eine Mehrheit gegen den Beitritt geben werde, argumentierte beispielsweise, dass man langfristig den EG-Beitritt nicht ausschließen wolle und dass das Nein „als Faustpfand für die Veränderungen Europas“ diene, um „die Sackgasse Maastricht“ abzuwenden. Insbesondere der grüne Europa-Sprecher Johannes Voggenhuber hat sich entschieden für ein Nein ausgesprochen. Umweltsprecherin Monika Langthaler wehrte sich hingegen gegen die Fixierung auf eine Absage, bevor die Beitrittsverhandlungen überhaupt begonnen hatten. Darüber hinaus gab es unter den Grünen aber auch entschiedene Befürworter eines Beitritts. 178
Die Wirtschaftskammern und insbesondere die Industriellenvereinigung waren ausdrücklich für den EG-Beitritt, um den Wirtschaftsstandard und die Konkurrenzfähigkeit zu sichern. Unter Hinweis auf die Schaffung des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes wurden zunehmend Forderungen der Gewerkschaften und Konsumentenschutzorganisationen abgelehnt. Die Landwirtschaftskammern hielten die anstehenden Reformen innerhalb der EG/EU für leichter realisierbar und nahmen daher ebenfalls eine positive Haltung zur Beitrittsfrage ein. Unter den Bauern erwartete die Mehrzahl jedoch klare Nachteile aus einem Beitritt. Umgekehrt waren die EG-Länder der wichtigste Markt für heimische landwirtschaftliche Produkte, und der Beitritt sollte den Zugang zu diesen Märkten sichern und verbessern. Nachteile sollten daher durch EU-Förderungen ausgeglichen werden, sodass die heimischen Bauern keinesfalls an Einkommen verlieren sollten. Die ausverhandelten Ausgleichszahlungen ließen die Bauern dann auch von ihrer Forderung nach langen Übergangsbestimmungen zum Schutz des heimischen Marktes abrücken, die zwar auch von der Regierung aufgrund des hohen Anteil alpiner und ökologisch sensibler Regionen unterstützt wurde, aber sowohl von der österreichischen Wirtschaft als auch von der EG abgelehnt wurden. Der ÖGB thematisierte im Juli 1988 auf einer Konferenz in Linz die Auswirkungen einer Integration in den Binnenmarkt. Damals beschäftigte sich auch ein Arbeitskreis mit den Themen Umwelt, Arbeitnehmerschutz und Konsumentenschutz, der feststellte, dass der nationale gesetzliche Gestaltungsraum enger geworden war und Arbeitnehmer- und Konsumentenschutzorganisationen künftig europaweit zusammenarbeiten müssen, um eine Schwächung dieser Interessenvertreter zu vermeiden. In der Folge unterstützten sowohl ÖGB als auch die Arbeiterkammern den Beitritt. Am 1. März 1989 sprachen sich die Sozialpartner in einer gemeinsamen Stellungnahme positiv zum Beitritt aus. Damit setzten sich die Befürworter eines Beitritts innerhalb der SPÖ endgültig durch. Im Rahmen des Beitrittsdiskurses in Österreich war Umwelt ein zentrales Thema sowohl aufseiten der Beitrittsbefürworter als auch der Gegner, wobei der Diskurs mehr unter dem Aspekt „Beibehaltung der höheren Standards“ als unter der von der AK formulierten Fragestellung, wie die zukünftige Umweltpolitik in Österreich aussehen sollte, geführt wurde. Das „grüne“ Lager war hinsichtlich der Frage nach den Auswirkungen auf die Umwelt und die Umweltpolitik infolge eines Beitritts gespalten. Unter den außerparlamentarischen Initiativen war v.a. der Tiroler Anti-Transit-Widerstand bedeutend. Innerhalb der Grünen Alternative gab es Befürworter und Gegner, zunächst setzten sich aber letztere mit ihren Warnungen vor demokratie- und umweltpolitischen Risiken durch. Ein zentrales Argument der Grünen war hierbei, dass umweltpolitische Erfolge ein gewisses Mindestmaß an Demokratie erfordern würden, dass auf europäischer Ebene nicht existierte. Die Grünen bewiesen in der Frage letztlich aber eine gewisse Wendigkeit, sodass man sie zumindest im Nachhinein nicht als Anti-EU-Partei charakterisieren kann. Die einzigen Parteien, die sich deutlich gegen einen EU-Beitritt aussprachen, waren die KPÖ, die den „heimischen Kapitalismus“ vor dem bösartigen europäischen „Kapitalismus der Großkonzerne“ schützen wollte (wenngleich eine Zusammenarbeit mit der EG aufrecht bleiben sollte) und dazu im Umweltbereich die Kritik der Grünen und des Ökologen P. Weish übernommen hatte, sowie – wenn auch bei weitem widersprüchlicher – die FPÖ, deren Fraktion im Nationalrat auch gegen den Beitritt gestimmt hatte. Im Gegensatz zu den national fixierten Freiheitlichen waren die Grünen mit west- und osteuropäischen Schwesterparteien vernetzt und versuchten gemeinsam eine Umorientierung der europäischen Politik umzusetzen. Während Grüne, KPÖ und einige außerparlamentarische Initiativen in einer ausgesprochen heterogenen 179
Diskurskoalition ein „Nein“ bei der Volksabstimmung empfahlen, ließen die Freiheitlichen ihren Wählern die Entscheidung jedoch formell offen, wenngleich sie eine Kampagne gegen den Beitritt führten. In den beiden Großparteien nutzten Befürworter und Gegner gleichermaßen Umweltargumente zur Untermauerung ihrer Position. Das zentrale Argument war hier, dass Umweltpolitik zunehmend international gemacht werde und in Europa eine Tendenz zu einheitlichen Normen feststellbar sei und Österreich hier vor der Wahl stünde, entweder EU-Normen zu übernehmen ohne Einfluss darauf nehmen zu können oder innerhalb der Gemeinschaft für strenge Standards eintreten könnte. In der SPÖ und in der ÖVP hatten die Befürworter so wie auch bei den Sozialpartnern jedoch eine deutliche Mehrheit, und für die Umweltpolitik wurde die zweite Option höher bewertet. Am 17. Juli 1989 beantragte Österreich offiziell seinen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft. Bereits wenige Tage später gaben die EG-Mitgliedstaaten ihre Zustimmung zur Einleitung des Beitrittsverfahrens, und die EG-Kommission wurde mit der Ausarbeitung einer Stellungnahme beauftragt. In der ersten Stellungnahme der EU-Kommission aus dem Jahr 1991 wurde dem Beitrittskandidaten bescheinigt, in der Vergangenheit Umweltschutzbelange wirksam berücksichtigt zu haben, dass die österreichische Industrie im Allgemeinen die EU-Auflagen der Umweltschutzpolitik erfüllen könnte und ein Großteil des erreichten Integrationsstandes von Österreich bereits im Rahmen des EWR-Abkommens übernommen worden war. Österreich hätte noch einige Vorschriften zu übernehmen gehabt und beim Strahlenschutz wäre das EG-Recht fortschrittlicher gewesen (KOM (91) 1590 vom 1.8.1991). Im Oktober 1991 lud Umweltministerin Feldgrill-Zankel zu einer Enquête, um „Umweltängste vor einem EG-Beitritt“ aufzuarbeiten. Die Ministerin ging davon aus, dass die EG Österreich im Chemikalien- und im Abfallwirtschaftsgesetz eine ein- bis zweijährige Übergangsfrist zur Beibehaltung der strengeren Vorschriften gewähren würde. Der damalige EG-Umweltkommissär Laurens Jan Brinkhorst versuchte auf dieser Enquête die heimischen Bedenken zu zerstreuen, indem er betonte, „die EG des Jahres 1991 sei nicht mehr so gegen Umweltschutz eingestellt wie früher“ und durch die geplante Einführung von Mehrheitsbeschlüssen würden Umweltbelange durch „die Mitbestimmung eines umweltengagierten EG- Mitglieds Österreich verstärkt“ (OÖN 31.10.1991: 2). Dieser Wandel innerhalb der EU führte dazu, dass die EU 1992 im fünften Rahmenprogramm das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung aufnahm und 1993 im Vertrag von Maastricht das Vorsorge-, Verursacher- und Subsidaritätsprinzip definierte. Mit dem Unionsvertrag trat auch eine wichtige Änderung in Kraft. Beschlüsse über das Sekundärrecht wurden nunmehr mit qualifizierter Mehrheit ermöglicht, während davon gleichzeitig vitale Interessen der Mitgliedstaaten (z.B. im Steuerrecht, Bodennutzung, Abfallwirtschaft, Wasserressourcen) ausgenommen wurden. Aus österreichischer Sicht kam die Entwicklung, dass die EU nunmehr das Ziel eines „umweltfreundlichen“ Wachstums im Sinne einer dauerhaften Entwicklung verfolgte und auf dem Weg zu einer „Umweltgemeinschaft“ war, den Befürwortern des Beitritts zugute. Dass dieser Politikwandel zumindest ansatzweise tatsächlich stattgefunden hatte, zeigte sich deutlich an verschiedenen Initiativen der EU-Kommission, die „umweltfreundlicher“ wurden als so manche Mitgliedstaaten (z.B. die Vorschläge einer gesamteuropäischen CO2und Energiebesteuerung, zur Politikintegration, zu einem umfassenden Umweltanlagenrecht zur integrierten Kontrolle der Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzung). Diese Vorschläge gingen auch über die damals bestehenden österreichischen Regulierungen hinaus. Das Europäische Parlament zeigte noch deutlicher ein starkes ökologisches Bewusstsein. Dass es mit dem Unionsvertrag von Maastricht gestärkt wurde, kam gleichfalls der öster180
reichischen Befürworterkoalition zugute. Dass die EU nationale Umweltpolitiken nicht dem Wettbewerb opfert, wurde durch die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs unterstrichen, der die Auffassung vertrat, „dass ‚Umweltschutz zu den Hauptzielen der Gemeinschaft gehört und somit grundsätzlich eine Beschränkung des Prinzips des freien Warenverkehrs rechtfertigt’“ (BMUJF 1993: 11). Am 1. Februar 1993 wurden in Brüssel die Beitrittsverhandlungen mit Österreich, Finnland und Schweden eröffnet. Im Frühjahr stellten sechs Umweltschutzorganisationen (WWF, Greenpeace, Global 2000, Anti-Atom-International/AAI, das Umweltforum und der ÖNB) und Wissenschafter einen umfassenden Fragekatalog hinsichtlich der Auswirkungen des Beitritts auf die Umweltpolitik an die Regierung. Aus der Beantwortung der 200 Fragen sahen sich die Umweltschützer in ihrer Annahme bestärkt, dass Umweltthemen eher von untergeordnetem Belang waren. Die Regierung hatte durch die ausführliche Beantwortung zwar eine deutliche Dialogbereitschaft signalisiert, in den Bereichen Atom und Transit waren die Antworten aus der Sicht der Umweltschützer jedoch zu ausweichend und insgesamt unzulänglich (Der Standard 15.5.1993). Am 21. Dezember 1993 wurden die Verhandlungen über die Beibehaltung des höheren Schutzniveaus im Umweltbereich abgeschlossen. Anfang 1994 waren die Beitrittsverhandlungen vollständig abgeschlossen und das Europäische Parlament stimmte der Erweiterung zu. In Österreich musste der EU-Beitritt noch einer Volksabstimmung unterzogen werden. Dazu wurde im Nationalrat ein Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt beschlossen. Im Rahmen der Kampagnen über die Volksabstimmung spielten Umweltfragen sowohl bei den Befürwortern als auch bei den Gegnern eine bedeutende Rolle, insbesondere das Thema Transitverkehr nahm eine zentrale Rolle ein. Die österreichische Seite konnte in den Verhandlungen mit Brüssel daher auf den hohen gesellschaftlichen Stellenwert umweltpolitischer Fragen und mögliche Auswirkungen auf die Volksabstimmung verweisen, und dadurch konnten aus österreichischer Sicht überaus zufrieden stellende Verhandlungsergebnisse erzielt werden (Interview Freytag 07.11.2002; Interview Schwarzer 13.11.2002). Für das Bundesverfassungsgesetz hatten im österreichischen Parlament SPÖ, ÖVP und auch die Grünen gestimmt, dagegen nur die FPÖ. Das Bundesverfassungsgesetz wurde in der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 mit einer Mehrheit von 66,58 Prozent der gültig abgegebenen Stimmen befürwortet. Durch dieses Ergebnis setzte sich bei den Grünen die Pro-EG-Fraktion endgültig durch; noch am Tag der Abstimmung gab Johannes Voggenhuber bekannt, dass er die Mehrheitsentscheidung respektiere und im Parlament für die Ratifizierung des Beitritts stimmen werde. Der Bundesvorstand der Grünen schloss sich dieser Haltung einstimmig an und versprach die Zusammenarbeit mit den Kräften der Veränderung innerhalb der EU. Die FPÖ hingegen behielt ihre europakritischen Positionen bei. Die Ratifizierung des Beitrittsantrags erfolgte am 11. November 1994 im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, einer Mehrheit der Grünen und gegen die Stimmen von FPÖ und des Abgeordneten Wabl. Mit 1. Januar 1995 entsendeten die österreichischen Parteien entsprechend ihrer Stärke im Nationalrat 21 Abgeordnete in das Europäische Parlament, darunter Ex-Umweltministerin Marlies Flemming (ÖVP), der Umweltjournalist Hans Kronberger (FPÖ) und Johannes Voggenhuber für die Grünen. Seither haben sich alle Parteien bis auf die FPÖ, deren Abgeordnete im Europäischen Parlament auch keiner Fraktion angehören, in transnationale Parteienföderationen eingegliedert und entsprechende Strukturen geschaffen: die SPÖ wurde Mitglied in der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas, die ÖVP in der Fraktion der europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, die 181
Grünen in der Fraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ (siehe dazu Pollak/Slominski 2002: 184ff.). Am 13. Oktober 1996 stellten sich die österreichischen Parteien erstmals Europaparlamentswahlen. Als Österreich im Zuge der so genannten Norderweiterung 1995 der EU beigetreten ist, galt das Land entsprechend der Selbstwahrnehmung hierzulande als ein Pionier im Bereich der Umweltpolitik. Die Grünen Parteien Europas „fortschrittlichster“ Länder begrüßten den Beitritt und sahen darin die Möglichkeit, die Position für Umweltanliegen in der Union generell stärken zu können. Diese hohe Erwartung war Resultat der Politik der 1980er Jahre, als einzigartig günstige Bedingungen eine ambitionierte Umweltgesetzgebung ermöglichten und das Land, wie wir gezeigt haben, zu einem „Vorreiter“ in Sachen Umweltschutz werden ließen. Im Folgenden werden die Umweltpolitik im Vorfeld des Beitritts sowie die Auswirkungen des österreichischen EU-Beitritts auf die Politiknetzwerke, die Akteurskonstellationen und auf das Policy-making im Umweltbereich näher beleuchtet und danach fragen, inwieweit Österreich den Erwartungen der „grünen“ Koalition gerecht wurde.
5.9.1 Umweltpolitik im Vorfeld des Beitritts Bereits vor dem Beitritt Österreichs zur EU waren die Handlungsspielräume aufgrund der Internationalisierungstendenzen stark beschränkt gewesen. Grundsätzlich waren viele Fragen und Probleme der Umweltpolitik gleich oder ähnlich wie für EG-Mitgliedstaaten. Hinsichtlich der Regulierung stationärer Quellen (z.B. Kraftwerke oder Industrieanlagen) hatte Österreich Standards, die im europäischen Spitzenfeld lagen. So wie in Österreich war damals auch innerhalb der EG der Stand der Technik das entscheidende Kriterium für zulässige Standards und Grenzwerte, wobei Mitgliedstaaten auch strengere Standards haben dürfen. 1990 setzte sich die Große Koalition das Ziel, die Umweltgesetzgebung in Vorbereitung eines möglichen EG-Beitritts an das EG-Recht anzunähern, ohne die nationalen umweltpolitischen Standards infrage zu stellen. Darüber hinaus sollte Österreich hinsichtlich der Schaffung einer internationalen Solarenergieagentur, eines AKW-freien Mitteleuropas, der Erarbeitung einer Internationalen Alpenschutzkonvention, einer internationalen Umweltcharta, der Kooperation mit Nachbarstaaten zur Reduktion grenzüberschreitender Luftverschmutzung, der Bekämpfung des Treibhauseffekts sowie der Vorbereitung der UNWeltumweltkonferenz 1992 in Rio eine „Schrittmacherfunktion“ einnehmen. Bei der Vorbereitung der UN-Weltumweltkonferenz und beim Abschluss der Alpenschutzkonvention nahm Österreich dann auch tatsächlich die angekündigte aktive Rolle ein, wenngleich beide keine verbindlichen Regelungen brachten. Bei der Vorbereitung auf die Rio-Konferenz gab es jedoch auch Kritik vonseiten Greenpeace, die der „Österreichischen Rio-Delegation“ unprofessionelles Vorgehen vorwarf. Österreich wäre beispielsweise bei den Gesprächen zur Klimakonvention nicht koordiniert vorgegangen und hätte es auch verabsäumt, eine „klare Anti-Atompolitik“ zu verfolgen. Der österreichischen Delegation sei es nicht gelungen, mögliche Allianzen zu bilden (SN 16.05.1992). Die „Kooperation zur Reduktion grenzüberschreitender Luftverschmutzung“ stockte, weil dem dazu eingerichteten Ost-Umweltfonds die Mittel fehlten. Das Ziel „AKW-freies Mitteleuropa“ wiederum wurde in das Außenministerium verwiesen und „in der Priorität offensichtlich zurückgereiht“ (Der Standard 22.12.1992: 6). 182
Seit den frühen 1990er Jahren wurden in der österreichischen Umweltpolitik zahlreiche Gesetze verabschiedet, um das EWR-Abkommen bzw. im Hinblick auf den Beitritt den europäischen Acquis zu erfüllen (z.B. EMAS gemäß Öko-Audit-Verordnung, Zugang zu Umweltinformationen, eine bereits seit 10 Jahren diskutierte Umweltverträglichkeitsprüfung mit Bürgerbeteiligung, Wasserrechtsgesetz, Störfallverordnung gemäß SevesoRichtlinie, Übernahme der strengeren Lärmschutzbestimmungen). An anderen Regulierungen wie z.B. einem Immissionsschutzgesetz oder dem vom Wirtschaftsministerium blockierten Umwelthaftungsgesetz (in der Kompetenz des Justizministeriums) begannen zumindest die Arbeiten. Auch die Förderungspraxis durch den Ökofonds war bereits an die EG-Normen angepasst. Insgesamt war die EG-Kompatibilität zur Grundlage für sämtliche Verordnungen und Gesetzesentwürfe des Umweltministeriums geworden. Während es bei der Anpassung an EMAS keine Probleme gab, da es in Österreich bereits ähnliche Ansätze gegeben hatte, die in diese Richtung weiter entwickelt werden konnten, stellte der Zugang zu Umweltinformationen das bisherige Policy-making zumindest im Ansatz infrage, da in Österreich bis dahin einen eher hierarchischen und undurchsichtigen Politikstil verfolgt hatte und Umweltdaten aufgrund der weitreichenden Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes nur schwer zugänglich waren. Das Umweltinformationsgesetz (UIG) wurde daher als „demokratiepolitischer Meilenstein“ bezeichnet (Werkstattblätter 3/93: 9). Allerdings ist die Auskunftspflicht der auskunftsgebenden Organe dadurch eingeschränkt, dass diese abwägen müssen, „ob eine Informationserteilung den Belangen der Landesverteidigung, der nationalen Sicherheit, oder vor allem den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen widersprechen würden oder nicht“ (Dr. Schober, BMUJF, zit. nach ib.). Insgesamt waren damit bereits durch den EWR-Beitritt die österreichischen Umweltstandards angehoben worden. Institutionell mussten neue Strukturen geschaffen werden, um die zusätzliche Politikebene entsprechend zu verankern. Das Umweltministerium war dabei anderen Ressorts voraus, denn bereits Anfang der 1990er Jahre wurde lang vor anderen Ressorts noch unter Umweltministerin Flemming, die 1991 wegen eines „formalen Fehlers“ überraschend zurückgetreten war und der dann Ruth Feldgrill-Zankel nachfolgte, eine Abteilung für EGAngelegenheiten eingerichtet. Vor dem Beitritt nahmen Behördenvertreter Österreichs auf der Grundlage des EWR-Abkommens bereits im Rahmen eines Beobachterstatus an Sitzungen verschiedener EU-Gremien teil (z.B. zur Vorbereitung des 4. Rahmenprogramms) und wurden so zunächst informeller, mit dem Inkrafttreten des Abkommens sowie dem EU-Beitritt formeller und gleichberechtigter Partner europäischer Institutionen und Netzwerke. Durch die volle Mitbestimmung über europäische Regelungen im Umweltbereich sollte Österreich in Kooperation mit anderen umweltfreundlichen Staaten für strenge Regeln in ganz Europa sorgen. International bestimmten zunehmend neue Themen den umweltpolitischen Diskurs. Neben Ozon, Gentechnik, Ökologisierung der Landwirtschaft, Klimawandel und Biodiversität wurde in Österreich zunehmend Transit eines der Hauptthemen der Umweltpolitik. Die meisten dieser Themen führten seit den späten 1980er Jahren zu einer Intensivierung und Institutionalisierung der internationalen Umweltpolitik. Die EU übernahm darin eine Führungsrolle, freilich ohne von den Wachstumszielen abzurücken.
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5.9.2 Umweltpolitik nach dem Beitritt Im Beitrittsvertrag zwischen der EU und Österreich wurde in einer so genannten Überprüfungsklausel vereinbart (ABl. C 241 vom 29.8.1994: 9), dass Österreich im Rahmen einer „horizontalen Lösung“ strengere Gesundheits- und Umweltstandards vier Jahre lang beibehalten darf. Während dieser Periode sollte die EU überprüfen, ob die europäischen Standards den österreichischen angeglichen werden sollten. Dabei handelte es sich um sehr spezifische Regulierungen (z.B. Benzolgehalt von Benzin, Blei in Batterien, Cadmium in Dünger, Lösungsmittel, Asbest, Arsen- und Quecksilberverbindungen in Motorölen, Formaldehyd Kennzeichnung gefährlicher Chemikalien; ähnliche Übergangsbestimmungen gab es auch mit Finnland und Schweden). Die Übergangsfristen sollten bis zum Jahresbeginn 1999 gelten, die Überprüfung sollte bis 31. Dezember 1998 abgeschlossen sein, wurde dann aber noch bis 31. Dezember 2001 verlängert (Richtlinie 98/97/EG v. 22.12.1998). Aufgrund dieser Rahmenbedingungen erstellte das Umweltministerium 1994 einen EU-Umweltarbeitsplan, in dem auf der Grundlage des NUP-Entwurfs sowie des 5. Umweltaktionsprogramms der EU „Ideen für Umweltpolitik bis zum Jahr 2000 definiert“ wurden (Rauch-Kallat 1995: 501). Einer der am meisten debattierten Punkte im Rahmen der Beitrittsverhandlungen war der Transitvertrag, der mit 1.1.1993 mit einer Geltungsdauer von 11 Jahren in Kraft trat. Mit dem EU-Beitritt musste der 1991 ausverhandelte Vertrag allerdings bereits abgeschwächt werden, um die EU-Wegekostenrichtlinie 1993 zu erfüllen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Vertrags war das Ökopunkte-System, dass eine Emissionsreduzierung und Fahrtanzahlbeschränkung beginnend mit 1.1.2002 vorsah und die mit 31.12.2003 ausgelaufen ist. Ziel war es, die vom Güterschwerverkehr hervorgerufenen Umweltprobleme dauerhaft zu lösen. Dazu sollten konkrete Maßnahmen zur Schaffung der Kostenwahrheit, zum Ausbau der Bahn und des kombinierten Verkehrs sowie zum technischen Standard der Fahrzeuge getroffen werden. Insgesamt sollten ökologisch orientierte Rahmenbedingungen für das künftige europäische Verkehrssystem geschaffen werden. Der EUUmweltarbeitsplan des Umweltministeriums griff im Verkehrsbereich zunächst noch auf die im NUP-Entwurf vorgeschlagenen Strategien zurück (ib.: 506), die jedoch großteils nicht umgesetzt werden konnten. Wurde hier noch von flächendeckenden Mautsystemen gesprochen, so reduzierte sich die österreichische Politik in den folgenden Jahren darauf, bestehende Mauten so festzulegen, dass sie der EU-Wegekostenrichtlinie widersprachen und zudem ausländische Frächter diskriminierten, was 1999 zu einer Klage der Kommission und ein Jahr später zur Verurteilung Österreichs durch den EuGH führte (Lauber 2001a, 196). Der Verkehrssektor insgesamt blieb bislang ein Hauptumweltproblem, und der Gesamtverkehrsplan des BMVIT gilt als unzureichend an Nachhaltigkeitszielen orientiert und daher reformbedürftig. Österreich gelang es auch nicht, hinsichtlich der Transitfrage eine Koalition innerhalb der EU zustandezubringen, um rechtzeitig vor Auslaufen des Transitvertrages eine aus österreichischer Sicht tragfähige Lösung zu finden. Am 11. Dezember 1998 nahm die EU-Kommission eine Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament mit dem Titel „Die Überprüfungsklausel – Umwelt- und Gesundheitsnormen vier Jahre nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union“ (KOM(98) 745 endg.) an. Die EU-Kommission stellte darin fest, dass die EU mittlerweile die meisten dieser strengeren Standards übernommen hatte (z.B. Schwefelgehalt des Benzins, Bleigehalt in Batterien, Kennzeichnung gefährlicher Stoffe); in einigen Bereichen lag noch kein Ergebnis vor. 2002 war von den Übergangsbestimmungen nur 184
noch der Cadmiumgehalt von Düngemitteln übrig geblieben. Hier wurde europaweit überprüft, welcher Grenzwert gelten soll, wobei die südlichen Mitgliedstaaten hier einen höheren Grenzwert fordern, da der von ihnen aus Afrika importierte Dünger von Natur aus einen höheren Cadmium-Anteil hat (Interview Freytag 07.11.2002). Aufgrund der zunehmenden Harmonisierung des EU-Umweltrechts ergab sich ein unterschiedlicher Anpassungsbedarf in den einzelnen Politikbereichen. In einigen Bereichen hatte Österreich einen Nachholbedarf. Dies galt insbesondere für den Gewässerschutz (bezüglich Nitraten im Grundwasser, wo die EU-Kommission die mangelnde Umsetzung kritisiert hat). Allerdings gab es hier auf Länderebene bereits eine Entwicklung zum so genannten „Vertragsnaturschutz“, der in eine ähnliche Richtung wie die EU-Nitratrichtlinie ging. Im Abfallbereich waren lediglich geringe Anpassungen erforderlich; in der Luftreinhaltepolitik ergab sich ein Anpassungsbedarf hinsichtlich der Richtlinien für Staub, Stickstoffoxid, Blei sowie beim Wert für die Ozon-Vorwarnstufe. Der EU-Beitritt änderte in allen Politikbereichen sowohl die Rolle als auch die Konstellationen der Akteure. Österreich wurde Teil des europäischen Mehrebenensystems. Heimische Akteure konnten nunmehr durch die Teilnahme an „multi-level politics“ direkt Einfluss auf das Policy-making innerhalb der EU nehmen; umgekehrt kommen die wichtigsten Vorgaben für die österreichische Umweltpolitik seither aus Brüssel. Denn die EU wurde im Laufe der 1980er Jahre in allen wesentlichen umweltpolitischen Bereichen tätig und hatte seither die Umweltpolitiken der Mitgliedstaaten wesentlich beeinflusst und geprägt. Mittlerweile haben in Bereichen wie Umwelt und Landwirtschaft rund 80 Prozent der geltenden Regelungen ihren Ursprung in Brüssel. Für den Umweltbereich war dabei die Aufwertung des Europäischen Parlaments durch die Einheitliche Europäische Akte und durch den Vertrag von Maastricht besonders bedeutend, weil sich dieses mit viel Geschick und Engagement hier Einfluss und Gehör verschafft hat und generell progressiver war als die Regierungsvertreter und die EU-Kommission. Gleichzeitig wurde auch der Europäische Gerichtshof vermehrt tätig und setzte mit einigen Entscheidungen umweltpolitische Standards fest. Für Österreich bedeutete die Integration zum einen, dass aufgrund der umfassenden Handlungskompetenzen der EU in diesem Politikfeld europäische Entscheidungsprozesse und Politikmuster beachtet und im Policy-making mitbedacht werden mussten, zum anderen die Verpflichtung zu Anpassungsprozessen. Im Bereich der Gesetzgebung waren Anpassungsnovellen z.B. beim Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, beim Umweltinformationsgesetz sowie bei den Abfallwirtschaftsgesetznovellen 1996, 2001 und 2004 erforderlich. Dahinter steht ein Trend zur Europäisierung der Umweltgesetzgebung und -politik, der auch in Ländern wie Österreich mit seinen relativ strengen Regulierungen und Standards eine Herausforderung darstellt. Infolge des Beitritts mussten geeignete Strukturen für die Formulierung österreichischer EU-Positionen sowie zur Erfüllung der Berichtspflichten geschaffen werden. Dabei standen logischerweise die fachlich zuständigen Bundesministerien im Zentrum. Als offizielle staatliche Stellen entsendeten sie Vertreter der jeweilig zuständigen Abteilungen in Arbeitsgruppen und Ausschüsse der Kommission sowie in die Entscheidungsgremien des Rates. Das innenpolitische Netzwerk, das für anspruchsvollere Umweltziele eintritt, verlor durch den EU-Beitritt an Bedeutung. Ebenso ging der Einfluss der Sozialpartnerschaft zurück. Das Umweltressort hingegen wurde aufgewertet. Denn seit Österreich Mitglied der EU ist, vertritt das Umweltministerium in den EU-Ratssitzungen Österreich auch in jenen Agenden, die innerösterreichisch der Kompetenz anderer Ministerien zugehören, in der EU aber in die Kompetenz der Generaldirektion Umwelt fallen. Da der Umweltminister somit 185
federführend die Positionen der anderen Fachressorts mit koordiniert, konnte er seinen nationalen Einfluss stärken (Steiner/Trattnig 1998). Tatsächlich sollte diese formale Stärkung nicht überbewertet werden. Das Umweltministerium hat einerseits an seiner Praxis, alle Ministerien über Vorhaben zu informieren, beibehalten (Interview Freytag 7.11.2002), andererseits blieb in Österreich die Politikformulierung von dieser Aufwertung des Umweltressorts unberührt, da weiterhin die zuständigen Fachabteilungen die österreichischen Positionen zu EU-Umweltpolitiken formulieren, Entwürfe für Anpassungsgesetze erstellen und dabei zwischen den Ministerien, Ländern und Interessenvertretern koordinierend wirken. Österreich ist seit dem Beitritt kein Mitglied einer der bestehenden etablierten Allianzen im Rat in Brüssel (Deutschland – Frankreich, Benelux, Kohäsion, Nordische Allianz) geworden. Im Umweltbereich ist nach Einschätzungen im BMLFUW auch keine solche Allianzbildung erkennbar. Laut Freytag (Interview 7.11.2002) hat sich Österreich immer den fortschrittlichen Kräften angeschlossen, wobei es hier sehr unterschiedliche Koalitionen gegeben hat. Politikwissenschaftliche Studien über das EU decision-making in der Umweltpolitik zeigen, dass es hier keine Allianz von grünen Vorreiterstaaten gibt. Tendenziell gab es zwar in den 1980er Jahren die Koalition von den drei Pionierstaaten (Deutschland, Dänemark, Niederlande), in einzelnen Bereichen unterschieden sich jedoch die fortschrittlichen Staaten (Peterson/Bomberg 1999; Andersen/Liefferink 1997). Österreich war eine treibende Kraft bei der Verankerung des Prinzips der Politikintegration im so genannten Cardiff-Prozess und hat mitbewirkt, dass das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in die Lisabon-Strategie aufgenommen wurde. Im Chemikalienbereich bildet Österreich großteils mit den skandinavischen Staaten eine Koalition (Interview Jakl 17.04.2003), die für eine Aufwertung des Vorsorgeprinzips und für die Beweislastumkehr zu Lasten der Industrie in der aktuellen Reform der europäischen Chemikalienpolitik eintritt. Bei der EMAS-Reform war Österreich gemeinsam mit Deutschland maßgeblich beteiligt. Mit dem EU-Beitritt wurde die ständige Vertretung Österreichs in Brüssel geschaffen, die den EU-Institutionen gegenüber die nationalen Anliegen vertritt. Darin sind die Bundesministerien, die Sozialpartner, das Verbindungsbüro der Bundesländer, Städte- und Gemeindebund sowie die Österreichische Nationalbank vertreten. Umweltbelange werden innerhalb der ständigen Vertretung von Beamten betreut, die dem österreichischen Umweltministerium zugeordnet sind und von dort auch ihre Anordnungen erhalten oder in speziellen Fragen direkt von Fachexperten des Ressorts unterstützt werden. Seit 1989 verfügt die WKÖ über ein EU-Büro, das seit dem EU-Beitritt bei der ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel angesiedelt ist und u.a. ein Lobbying in diversen Politikbereichen wie eben auch im Energie- und Umweltbereich betreibt. Die anderen Sozialpartner wurden erst mit dem EU-Beitritt in Brüssel aktiv. Der Nationalrat, der in den 1980er Jahren noch einen Einfluss auf die Umweltpolitik ausüben konnte, wurde durch den EU-Beitritt deutlich geschwächt. Hinsichtlich der Implementierung von EU-Recht muss bei Richtlinien entsprechend der österreichischen Rechtsdoktrin ein Gesetz oder eine Verordnung auf der Grundlage eines Gesetzes erlassen werden. Bei den „Anpassungsgesetzen“ ist der Gestaltungsspielraum des Nationalrates gering, weil es sich dabei in der Regel um höchst technische oder juristische Fragen handelt, die in den Fachressorts von der zuständigen Bürokratie ausformuliert werden. Zunächst erhielt der Nationalrat jedoch eine im europäischen Vergleich einzigartige Aufwertung durch die Mitwirkungsrechte in der so genannten EU-Begleit-B-VG (BGBl. 1013/1994). Damit sollte ein maximaler Einfluss des Nationalrates sowie des Bundesrates 186
in allen EU-Angelegenheiten garantiert werden. Dieses „Wiener Modell“ schreibt „eine enge Kooperation von Parlament und Regierung“ vor, „um die österreichischen demokratischen Standards auch bei der Schaffung von EU-Recht weitestgehend zu erhalten“ (Körner 1995: 519). Dabei haben Regierungsmitglieder die Pflicht, die parlamentarischen Gesetzgebungsorgane über alle Vorhaben im Rahmen der EU zu informieren. Erfolgt hierauf eine Stellungnahme des Nationalrates, so ist diese „für den zuständigen Bundesminister bindend, wenn ein Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union liegt, das durch Bundesgesetz umzusetzen ist oder das auf Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet ist, der Angelegenheiten betrifft, die bundesgesetzlich zu regeln wäre“ (ib.: 521). Allerdings ist dieses Mitwirkungsrecht einerseits aufgrund der Informationsflut, die damit auf den Nationalrat zugekommen ist, andererseits aus verhandlungstaktischen Gründen stark eingeschränkt, wie die bisherige Praxis zeigt. Im Umweltbereich kam zuletzt ein Vorschlag von den Grünen, die österreichische Anti-Atompolitik bindend festzulegen. Dieser Vorschlag fand jedoch keine ausreichende Unterstützung. Deutlich verändert hat sich auch die Rolle der Länder infolge des EU-Beitritts. Bereits in der Begutachtungsphase der Novelle der Bundesverfassung im Zusammenhang mit dem EWR-Vertrag fürchteten die Länder, zu autonomen Verwaltungseinheiten degradiert zu werden. Der Präsident des Salzburger Landtages bezeichnete die Novelle damals als „Anschlag auf das Parlament und die Landtage“, mit dem endgültig der Weg „zur Regierungsgesetzgebung“ beschritten werde und das parlamentarische Prinzip unterhöhlt werde (SN 12.9.1992: 2). Die Länder ließen sich schließlich durch eine versprochene, aber bislang nicht realisierte Föderalismusreform sowie durch eine Einbeziehung in die Politikformulierung (ebenfalls auf der Grundlage des EU-Begleit-B-VG) für die Unterstützung des Beitritts gewinnen. Darüber hinaus trat die Landeshauptleutekonferenz aber ohnehin und trotz der befürchteten Kompetenzeinbußen vor allem aus wirtschaftlichen Überlegungen für einen raschen Beitritt ein. Heute werden die Länder über alle Politikvorschläge, die Länderinteressen berühren, informiert und in Bereichen, in denen die Länder zuständig sind, können sie bei Einstimmigkeit die Bundesregierung an ihren Beschluss binden. Aufgrund der Unterschiede in den Interessen, dem Zeitdruck und knapper Ressourcen ist dies jedoch nur selten der Fall (V. Lauber 2001b). Die Länder und Gemeinden entsenden auch Delegierte zur permanenten Vertretung Österreichs in Brüssel und können die österreichische Delegation in allen EU-Gremien begleiten, haben dort aber weder ein Rede- noch ein Stimmrecht (Müller 2001a: 231; Müller 2001b: 214f). Im Finanzbereich wurden die Länder gestärkt, da sie einen eigenständigen Zugang zu EU-Förderungen erhielten. Innerhalb Österreichs sind sie nach wie vor von den finanziellen Zuteilungen des Bundes abhängig (V. Lauber 2001b). Die Frage, ob durch die bisherige „Europäisierung“ der bundesstaatlichen Strukturen und der regionalen Politik den Föderalismus bzw. Regionalismus eher gestärkt oder geschwächt hat, lässt sich jedoch nicht eindeutig klären (Fallend 2001: 201). Generell herrscht heute aber die Ansicht vor, „dass der Bund weit mehr Kompetenzen abgeben und umfangreichere Einschränkungen seiner Gestaltungsspielräume habe hinnehmen müssen als die Länder, die noch dazu ansehnliche Mitspracherechte bei der Formulierung österreichischer Positionen in EU-Angelegenheiten erhalten hätten“ (ib.: 206). Im Umweltbereich „bleiben die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder nach Einschätzung der Befragten“ in einer Studie von Steiner/Trattnigg (1998: 144) „trotz eines gewissen Gestaltungsspielraums bei der Umsetzung/Ausführung von Bundesgesetzen und einem Begutachtungsrecht bei deren Entstehung […] im Wesentlichen auf deren eigene Zuständigkeitsbereiche beschränkt.“ Aufgrund der Länderkompetenzen blieb damit v.a. ein Ein187
fluss der Länder in den Bereichen Raum- und Bauordnung, Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Natur- und Landschaftsschutz sowie Tier- und Artenschutz erhalten. Einzelne Bundesländer haben darüber hinaus in den letzten Jahren in den Bereichen Transit (Tirol) und Atompolitik (Oberösterreich) erheblichen Druck auf die Regierungspolitik ausgeübt. Generell werden die Länder in der Umweltpolitik aber oftmals als „Bremser“ gesehen, die Politiken verhindern, weil sie selbst die Kompetenzen haben und vom Bund die Mittel für die Umsetzung erhalten möchten (Steiner/Trattnigg 1998: 149f). Bei der Umsetzung von EURecht sind es v.a. die Länder gewesen, die in den letzten Jahren säumig waren, so z.B. im Tier- und Pflanzenschutz sowie hinsichtlich der Umsetzung von Natura 2000. Eine wesentliche Veränderung brachte der EU-Beitritt für die Wissenschaft. Denn die EU ist im Bereich Umweltforschung und -entwicklung überaus aktiv. Österreichische Wissenschafter erhielten zunächst durch den EWR-Beitritt die Möglichkeit, weitgehend gleichberechtigt an EU-Programmen teilzunehmen. Seither wurden von der EU neue Politiken zur Stärkung der europäischen Wissensgesellschaft und zur Vernetzung europäischer Wissenschafter geschaffen.
5.10 Wandel in Industrie und Gewerbe In den 1980er Jahren konnte sich in Österreich eine Umweltindustrie entwickeln, die auf den Einsatz nachsorgender Technologien ausgerichtet war und in Bereichen internationale Markt- und Technologieführerschaft erlangen konnte. Im Laufe der 1990er Jahre erreichten in den industrialisierten Ländern solche End-of-Pipe Technologien bereits die Marktsättigung, während in der unterentwickelten Staatenwelt solche Technologien großteils unerschwinglich blieben. Umgekehrt entwickelten sich in Osteuropa, insbesondere in den ostmitteleuropäischen Staaten, infolge der Transformations- und EU-Integrationsprozesse stark wachsende Märkte für die österreichische Umwelttechnikbranche. In den stagnierenden Märkten der industrialisierten Staaten zeichnete sich zudem eine verstärkte Nachfrage nach vorsorgenden Technologien ab. Dieser Wandel ging mit einer veränderten Sichtweise einher. Im Rahmen des Nachhaltigkeitsdiskurses wurden zunehmend zero emissions Konzepte und energieeffiziente Strategien etc. formuliert, die neuerlich Positivsummenspiele versprachen. In der Folge konzentrierte sich Umweltpolitik vermehrt darauf, Innovationen sowie Verfahrens- und Produktentwicklungen zu fördern, die die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Firmen stärken sollten. 1997 gab es in Österreich 315 Firmen, die der Umweltindustrie zugerechnet wurden. Sie erwirtschafteten mit 15.000 Arbeitnehmern einen Anteil von 1,4 Prozent am BIP; 1993 lag dieser Anteil noch bei einem Prozent. Die Entsorgungswirtschaft eingerechnet lag der Beitrag der österreichischen Umweltindustrie zum BIP noch etwas höher, bei 2,9 Prozent 1997. Die Umweltindustrie verfügte v.a. in den Bereichen Biomassetechnologie, Solartechnologie und Effizienzsteigerung über hohes technologisches Know-how (WKÖ 2000: 21). Hinsichtlich der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen zeigte sich in den 1990er Jahren ganz klar, dass es im Bereich Industrie und Gewerbe eine Reihe von Hindernissen gibt. Umzusetzen waren nach wie vor nur Politiken, die mit staatlichen Förderungen einhergingen oder die win-win-Situationen ausnutzten. Gerade letztere brachten aber auch eine Reihe interessanter neuer Ansätze und Koalitionen hervor. Bereits Ende der 1980er Jahre ging von der ÖGUT eine Initiative aus, um Umweltschützer und Industrie an einen Tisch zu bringen und in zweijähriger Diskussion unter Mit188
arbeit von Experten des Wirtschaftsministeriums ein „Konsenspapier zur Herabsetzung der Umweltbelastungen durch organische Chlorverbindungen“ zu erarbeiten (Österreichisches Jahrbuch 1990: 513). Anfang der 1990er Jahre gründeten auch Umweltorganisationen, Wirtschaftsverbände und die Chemische Industrie einen Runden Tisch. 1990 lud „die umweltberatung“ erstmals zum „Umwelt-Dialog“. Die Teilnehmer waren damals das Umweltministerium, der Verein für Konsumenteninformation, das Ökologie-Institut, das Interuniversitäre Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur sowie die Wirtschaftskammer und Vertreter von Reinigungsmittel-Herstellern. Sie beschäftigten sich mit Kriterien für umweltfreundliche Reinigungsmittel, die die Umweltorganisationen erarbeitet hatten. Die Initiative zeigte eine positive Wirkung: „Fast jedes Jahr fand nun ein Umwelt-Dialog statt. ‚Die chemische Industrie zeigte sich im Gespräch sehr konstruktiv, die Industrie und die Umweltinstitutionen arbeiteten gemeinsam mit dem Ministerium als Gesetzgeber an einem gemeinsamen Ziel – der Produktion von umweltfreundlichen Reinigungsmitteln […]. Die Gespräche bewirkten bei den Herstellerfirmen, dass Inhaltsstoffe von Produkten teilweise ausgetauscht wurden und sich die Forschungsabteilungen professionelle Beratung holten. Bei den Inhaltsstoffen der Reinigungsmittel wurden vor allem Konservierungsstoffe und Lösungsmittel geändert, bei den Waschmitteln – obwohl häufig teurer – umweltfreundlichere Tenside und auch andere Gerüststoffe verwendet. Für Großhaushaltsprodukte fanden auch stärkere Konzentrationen und verbesserte Dosiersysteme Anwendung“ (Seidl 2002: 31).
Hintergrund solcher Initiative war eine veränderte Sichtweise, die sich bereits in den 1980er Jahren herausgebildet hatte und vermehrt das Interesse der Industrie und Umweltschutzverbände auf ökologische Produktgestaltung lenkte, um Umweltschäden bereits in der Phase der Produktgestaltung zu minimieren. Dabei waren v.a. die Lehren aus der „ökologischen Modernisierung“ der Papier- und Zellstoffindustrie bedeutend, bei der sowohl Umweltschutzorganisationen (Greenpeace) als auch Anlagenbetreiber, Anlagenbauer, Wissenschafter und Behördenvertreter an der Durchsetzung einer neuen Umwelttechnologie arbeiteten. In dieser Branche hatte sich bereits Mitte der 1980er Jahre gezeigt, dass strengere Auflagen neue Verfahren zur Folge haben, die bereits nach wenigen Jahren wirtschaftlicher sind als ältere Anlagen (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1986: 65). Nun zeigte zunächst Greenpeace, dass eine Alternative möglich war, und ausgehend von einer Initiative des Wirtschaftsministeriums wurde die Österreichische Zellstoff-Forschungs-Gesellschaft m.b.H. (ÖZF) gegründet, deren Arbeit zur Errichtung der weltweit ersten Pilotanlage „Chlorfreie Bleiche“ führte. Im Laufe der 1990er Jahre verstärkten sich solche inputorientierten Ansätze, führten zu neuen Koalitionen, veränderten Sichtweisen und zu den bereits angeführten Forschungs- und Förderungsprogrammen wie Ökoprofit und Impulsprogramm Nachhaltige Wirtschaft. Unter dem Eindruck der Weltumweltkonferenz in Rio entstand 1993 ein Ausschuss für Umweltpolitik in der Industriellenvereinigung.
5.11 Neoliberaler Minimalismus als neues Paradigma der 1990er Jahre? Zusätzlichen Druck auf die Akteurskonstellationen im Politikfeld Umwelt übte die kritische wirtschaftliche Entwicklung seit 1993 aus, vor allem auch dadurch verstärkt, dass nunmehr die Maastricht-Kriterien einhalten müssen. Seither prägen die Finanzkrise des Staates (vom Bund bis zu den Gemeinden) sowie Befürchtungen der Wirtschaft um die Wettbewerbsfähigkeit das Bild der Umweltpolitik. Als Resultat dieser Veränderungen beschreibt Volkmar 189
Lauber (2001) die 1990er Jahre als eine Phase des „neoliberalen Minimalismus“. Dieser neoliberale Minimalismus sei seither ein neues Paradigma in der Umweltpolitik geworden. Dabei werde weitestgehend auf eigene österreichische Initiativen verzichtet. Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, worin der grundlegende Wandel, der damit ausgedrückt werden soll, liegt (detaillierter wird darauf unten in den Politikbereichen eingegangen). Auf die Frage, inwieweit diese Bezeichnung tatsächlich gerechtfertigt ist, werden wir in der Analyse der Politik im neuen Jahrtausend nochmals zurückkommen. Lauber (2001: 199) bezeichnet Deregulierung als einen wesentlichen Aspekt dieses „neoliberalen Minimalismus“. Dabei handelt es sich um einen internationalen und europäischen Trend. 1994 wurde von der EU-Kommission auf Drängen Deutschlands eine Expertengruppe eingesetzt, die die Auswirkungen der gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf Beschäftigung und Wettbewerb prüfen sollte. In Österreich wurde vonseiten der Industrie zunehmend die Forderung nach einer „Atempause“ beim Umweltschutz erhoben. Im Wirtschaftsministerium wurde eine Kommission geschaffen, die an der „Durchforstung“ des Anlagenrechts arbeitete und nach Möglichkeiten für mildere Umweltauflagen und für weniger strenge Genehmigungsverfahren bei neuen Anlagen suchte. Ausgangspunkt war die Befürchtung, dass niedrigere Umweltstandards in anderen EUMitgliedstaaten und in den östlichen Nachbarstaaten weitere „Wettbewerbsverzerrungen“ und die Gefährdung des Industriestandortes Österreich bedeuteten. Heimische Gesetze seien daher zu „entrümpeln“, während die anderen Länder ihre Standards harmonisieren könnten. Es wäre in der Umweltpolitik schon viel erreich, lautete das neue Credo der Wirtschaftskammer, würde Österreich die Energie, die zur Verfolgung des „hehren Ideals“ des „Vorreitens“ eingesetzt worden war, „künftig in die Herbeiführung eines umweltpolitischen ‚Nachziehens’ seitens der weniger umweltfreundlichen EU-Mitgliedstaaten investieren“. Europäische Lösungen seien „weitaus wirtschaftsverträglicher als nationale Alleingänge“ (Umweltschutz der Wirtschaft Sept./Okt. 4/96: 4). Das offizielle Ziel lautete „Bürokratieabbau“. Dazu wurde argumentiert, dass Österreichs Umweltschutzausgaben mit 2,6 Prozent des BIP wesentlich höher lägen als in anderen OECD-Staaten und sich das Land in einer „Öko-Pole-Position“ befände. Unberücksichtigt blieben in dieser Rhetorik allerdings, wie die AK kritisierte, die unterschiedlichen Berechnungsmethoden, und dass Österreich nach OECD-Methode mit Deutschland gleichauf bei 1,6 Prozent gelegen ist (vgl. Wirtschaft & Umwelt 2/96: 9). Der Verzicht auf eine „Vorreiterrolle“ zeichnete sich bereits in den frühen 1990er Jahren ab. Vor allem die Umweltverbände kritisierten im Hinblick auf den Verzicht auf Energiesteuern zunehmend, dass Österreich seine Vorreiterrolle in Sachen Umweltschutz in Europa längst verspielt habe. Der Wandel zum neoliberalen Minimalismus war dann in der Legislaturperiode 1994-1999 auf Initiative der Wirtschaft eingeleitet worden. Sowohl das Arbeitsübereinkommen für die 19. als auch für die 20. Gesetzgebungsperiode enthielt die Ankündigung von Verwaltungsvereinfachungen, Deregulierung, Liberalisierung und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren. Die Wirtschaft verfolgte das Ziel ein „einheitliches Umweltanlagenrecht“ zu schaffen, wodurch gemäß dem Motto „One-Stop-Shop“ die Verfahrensdauer verkürzt und das Verfahren sowie die Behördenkompetenz vereinfacht werden sollten. Die dahinter liegende Idee war es, dass eine Behörde für sämtliche Bewilligungen Ansprechpartner für die Betriebe sein sollte. Damit sollte v.a. auch eine Bereinigung des Umweltrechts verbunden sein, die Rechtssicherheit erhöht und unnötige Umweltbürokratie abgebaut werden. Eine Anlagenrechtsreform galt insbesondere in Anbetracht des hohen Maßes der Zersplitterung des geltenden Rechts als dringend notwendig. Denn die 190
Zersplitterung hatte nicht nur dazu geführt, dass das geltende Recht sogar für hochqualifizierte Fachjuristen schwer überblickbar geworden ist, sondern hatte auch sehr unterschiedliche Genehmigungsanforderungen zur Folge, die nicht mehr ausschließlich mit den Besonderheiten einer Anlage erklärbar waren. Vor diesem Hintergrund wurden mehrere Entwürfe zu einem „einheitlichen Umweltanlagenrecht“ ausgearbeitet, um dem Motto „OneStop-Shop“ gerecht zu werden. So vergab auch das Umweltministerium einen Auftrag für eine Studie und erarbeitete einen Gesetzesentwurf für ein „Umwelt-Anlagen-Gesetz“, zu dem das UBA eine ausführliche Stellungnahme abgab (Bericht UBA-BE-061), und die Länder legten einen gemeinsamen Vorschlag zur Vereinheitlichung des Anlagenrechts des Bundes vor (Struwe 1998: 7). Insgesamt gab es eine breite politische Zustimmung zu einer entsprechenden Gesetzesänderung, die nicht nur eine Vereinfachung bringen, sondern v.a. auch Vollzugsprobleme beseitigen sollte. Ein einheitliches Anlagenrecht zur Vereinfachung des Vollzugs wurde auch von der Gewerkschaftsbewegung gefordert, die dabei Versuche verhindern wollte, „über den Weg der Vereinfachung das Ziel der Senkung von Schutzstandards (Umweltschutz, Anrainerrecht) zu erreichen“ (ÖGB 1999: o.S. 6.3 Industrie und Gewerbe). Die Deregulierungen und die Liberalisierung des Gewerberechts, die neben den Reformen im Wasser- und Abfallrecht zu einem einheitlichen Umweltanlagenrecht führen sollten, sorgten für heftige Kontroversen. In Printmedien wurde ein Wiederentstehen des alten Konflikts zwischen Umwelt und Wirtschaft attestiert, nachdem Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung immer offener dafür eintraten, dass Österreich die ÖkoVorreiterrolle aufgeben und sich ausschließlich in Brüssel für strengere Umweltgesetze einsetzen sollte (z.B. SN 14.11.1996: 17). Laut Berechnungen der Wirtschaftskammer gingen der österreichischen Wirtschaft aufgrund des geltenden Betriebsanlagenrechts jährlich bis zu 15 Mrd. Schilling verloren; vor allem im UVP-Gesetz, das am 1. Juli 1994 in Kraft getreten war, wurde ein „Investitionskiller“ gesehen (Umweltschutz der Wirtschaft Dez. 6/96: 5). Die Umsetzung des einheitlichen Anlagenrechts ging der Wirtschaftsseite viel zu langsam. Im Koalitionsabkommen zwischen SPÖ und ÖVP war bereits eine „Modernisierung des Wirtschaftsrechtes und die Verwaltungsreform“ angekündigt worden. Allerdings fand sich darin noch der Satz, „Österreich soll weiter ein Vorreiter der ökologischen Modernisierung bleiben“. Die Vereinfachung der Abläufe und Verfahrensbeschleunigung sollte laut Koalitionsabkommen auch sicherstellen „dass der Bürger weiterhin seine Rechte durchsetzen kann und die hohen Standards, die Österreich im Arbeits- und Umweltschutz aufweisen kann, erhalten bleiben“ (nach: Zwölfer 1997: 20; siehe auch die Regierungserklärung von Bundeskanzler Vranitzky, in: Österreichisches Jahrbuch 1994: 104 u. 106). Der Entwurf zur Novellierung der Gewerbeordnung, den Wirtschaftsminister Farnleitner (ÖVP) Ende September 1996 vorlegte, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu schützen und Arbeitsplätze zu schaffen, sorgte schließlich für heftige Kritik seitens des SPÖUmweltsprechers Keppelmüller, der Umweltanwälte, der AK, der Grünen, einiger Länder, Städte und Verfassungsjuristen sowie der Umweltschutzorganisationen. Sogar die Wirtschaftskammer, deren Generalsekretär Günter Stummvoll den Entwurf in einer ersten Reaktion noch als ganz wesentlichen Schritt zur dringend benötigten Beschleunigung von Genehmigungsverfahren begrüßt hatte, kritisierte den Entwurf, da die Liberalisierung im Entwurf soweit ging, dass aus Wirtschaftssicht die Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet gewesen wäre und Konflikte mit Bürgern und Medien vorprogrammiert waren (Zwölfer 1997: 21). Im Wirtschaftsausschuss wurden die zahlreichen Abänderungsanträge großteils ignoriert und von der SPÖ-ÖVP-Mehrheit übergangen. Darüber hinaus wurden noch einige 191
weitere Deregulierungsbestimmungen formuliert. Das Gesetz wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Die letztlich in die Novelle 1997 (BGBl. I 63/1997) aufgenommenen Deregulierungsbestimmungen waren bis dahin einzigartig im österreichischen Umweltrecht (Onz 1999: 1-15). Im Laufe der 1990er Jahre folgten auf Druck der Wirtschaft insgesamt mehrere Deregulierungen im Bereich der Betriebsgenehmigungen (Gewerberecht, Umweltverträglichkeitsprüfung, Wasserrecht, Abfallrecht), die von den Umweltverbänden, den Umweltanwälten, der AK und den Grünen, teils auch vom Gemeinde- und Städtebund und anderen Akteuren heftig kritisiert wurden. Diese Reformen erfolgten mit den Novellen zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1996 und 2000, zur Gewerbeordnung 1994, 1997 und 2000, zum Wasserrechtsgesetz 1996, 1997 und 1999, zum Abfallwirtschaftsgesetz 1996, 1997, 1998 und 2002, zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrengesetz 1998 und dem neuen Umweltmanagement-Gesetz 2001 (Onz 1999; Grüner Klub 2000). Begleitet waren diese Veränderungen von einem kontinuierlichen Druck seitens der Wirtschaft. Bereits zu seinem Amtsantritt erhielt Minister Bartenstein ein „Memorandum der IV an den Umweltminister“, in dem eine „vorhersehbare und planbare Umweltziele“ gefordert wurden. Ein effektiver Umweltschutz könne dann gewährleistet werden, „wenn die umweltpolitischen Rahmenbedingungen auf regionaler, nationaler und insbesondere internationaler Ebene zu keinen Wettbewerbsverzerrungen führen.“ Damit sprach sich die IV deutlich gegen „nicht verkraftbare unterschiedliche Umweltstandards“ und für den „Abbau unnotwendiger bürokratischer Hemmnisse, insbesondere in der Umweltgesetzgebung“ sowie einen „europäischen Gleichklang“ aus (Industrie Nr. 31/32 2. August 1995: 11). Im September 1996 legte die IV eine Studie über „Wettbewerbsverzerrungen durch Umweltschutzauflagen, Tendenzen zur Verlagerung von Unternehmensaktivitäten“ vor. Darin wurde argumentiert, dass 64 Prozent aller befragten Unternehmen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit durch inländische Umweltschutzauflagen beeinträchtigt sahen und über 50 Prozent der Betriebe unter zu langen Genehmigungsverfahren litten. Die IV zog aus ihrer Analyse den Schluss, dass Österreich eine EU-Harmonisierung auf hohem Niveau bei gleichzeitiger Ablehnung österreichischer Alleingänge erreichen müsse. Die WKÖ verfolgte diese Ziele im Rahmen eines „Aktionsplans zur Standortsicherung“ (Umweltschutz der Wirtschaft Dez. 6/96: 7f.). Zeitgleich formulierte die Wirtschaftskammer „grundsätzliche Positionen der Wirtschaftskammer Österreich zur EU-Umweltpolitik“, die in die gleiche Richtung argumentierten. Ein Nachholen der anderen EU-Staaten und der Beitrittskandidaten böte insbesondere auch „Exportchancen für den stark wachsenden Umwelttechnologie-Sektor“ (Umweltschutz der Wirtschaft Sept./Okt. 4/96: 4). Die Deregulierungen und Liberalisierung erfolgten auf Druck der Wirtschaft, die gerade erst die höheren österreichischen Umweltstandards und die österreichische Position bei den Beitrittsverhandlungen mitgetragen hatte und nunmehr die veränderten Rahmenbedingungen zu einem Positionswandel nutzte. Diese Maßnahmen wurden unter der Großen Koalition umgesetzt oder von dieser eingeleitet und von der ÖVP-FPÖ-Wenderegierung fortgesetzt. Im Zuge der damit verbundenen Reregulierung „wurden Verfahren vereinfacht, Bewilligungspflichten reduziert und zum Teil durch betriebliche Selbstkontrollen ersetzt, die Rechte von Anrainern, Bürgerinitiativen und zum Teil von Gemeinden eingeschränkt und das Vorsorgeprinzip ausgehöhlt.“ „Der gemeinsame Nenner dieser Neuerungen besteht darin, im regulatorischen Wettbewerb mit anderen Ländern einen Vorsprung zu gewinnen und Österreich als Industriestandort möglichst attraktiv zu machen. Ein ähnliches Ziel war schließlich mit Erfolg schon etwas früher bei der
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Unternehmensbesteuerung betrieben worden, die in Österreich einen Rekordtiefstand erreicht hat. Die meisten dieser Novellen wurden gegen den lautstarken Widerstand von Umweltorganisationen, zum Teil auch von Umweltanwälten der Länder und anderen Akteuren der Umweltpolitik durchgesetzt. In den gleichen Kontext gehört auch die 1999 erfolgte Privatisierung des Umweltbundesamts, die an sich nicht die Aufgaben, wohl aber die Einflussmöglichkeiten dieser Einrichtungen schmälerte“ (V. Lauber 2001: 1999).
War Österreich zum Zeitpunkt seines Beitritts zur EU noch eine Hoffnung auf eine Stärkung ökologischer Interessen in der EU, so nahm das Land seither aus der Sicht von Kritikern eine Rolle ein, die hier eine Glaubwürdigkeit Österreichs gefährdet hat. Denn während auf europäischer Ebene für eine Harmonisierung von Umweltvorschriften und für progressive – aber nicht für „überzogene“ – Ziele eingetreten wird, verfolgt die staatliche Umweltpolitik innerhalb Österreichs keine Ziele mehr, die eine Vorreiterrolle ausmachen würden. Die Deregulierungsmaßnahmen, die aus der Sicht der Wirtschaft durch ein starkes Engagement auf europäischer Ebene für strengere Regelungen ausgeglichen werden sollten, waren hierbei wesentlich für diesen Politikwechsel, wobei die österreichische Wirtschaft auch zunehmend EU-Umweltpolitiken kritisiert hat bzw. unter Hinweis auf weniger strenge EU-Regulierungen Aufweichungen im nationalen Umweltrecht gefordert hat. Die Wirtschaft begann auch bei konkreten Gesetzesvorhaben gegen das Hinausgehen über EUVorgaben zu argumentieren und wurde darin vor allem vom Wirtschafts- und vom Finanzministerium unterstützt. Beim Biozid-Produkte-Gesetz äußerte die WKÖ z.B. in ihrer Stellungnahme vom 25.11.1999 im Rahmen des Begutachtungsverfahrens „grundsätzliche Einwände gegen die inhaltliche Ausgestaltung des Umsetzungsgesetzes, die weit über EUrechtliche Vorgaben hinausgeht und unvertretbaren legistischen und bürokratischen Mehraufwand bedeutet.“ Nachdem z.B. das ursprünglich geplante zusätzliche Daten-Meldemodell gestrichen und die Übergangsfrist verlängert wurde, um die weitere Entwicklung in der EU abzuwarten, wurde das Ergebnis schließlich von der WKÖ als „pragmatische Lösung“ gelobt (APA Journal 06.09.2000). Die IV lehnte in einer Stellungnahme vom 21.05.1999 die AWG-Novelle u.a. unter Hinweis auf den darin enthaltenen Versuch ab, die IPPCRichtlinie als Vorwand zu benutzen, um „verstrengernde Bestimmungen“ einzuführen. Das Wirtschaftsministerium schloss sich in seinen Stellungnahmen dieser Sichtweise an, kritisierte „überschießende Austriazismen“ und lehnte Regelungen, die von europarechtlichen Vorgaben abweichen „strikt“ ab. Infolge des starken Drucks der „Sachzwänge“ reduzierten v.a. auch die staatlichen Akteure ihre Erwartungen, was ein Kleinstaat wie Österreich in der EU überhaupt noch für Möglichkeiten habe, umweltpolitisch gegenzusteuern. Weitreichendere Ansätze vielen der Vorstellung „leider völlig unrealistisch“ zu Opfer (vgl. z.B. Hans Peter Aubauer in: Der Standard EU-Wahl '96 28.10.1996: EU 14; Interviews BMLFUW, AK und NGOs). Österreich ist auf europäischer Ebene aufgrund dieser Entwicklungen aus der Sicht der progressiven Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurskoalition kein Land mehr, das sich für strengere Umweltvorschriften auf nationaler Ebene stark macht und damit auch auf europäischer Ebene an Glaubwürdigkeit einbüßt. Mit dem Regierungsübereinkommen 2000 wurde sogar festgeschrieben, dass man die ohnehin meist dürftigen EU-Standards nicht mehr übertreffen will (V. Lauber 2001; Schleicher 2001b; siehe unten). Österreich geriet dadurch auch auf europäischer Ebene unter Kritik: Im Februar 2001 formulierte die schwedische EU-Umweltkommissarin Margot Wallstöm auf einer Diskussionsveranstaltung der Industriellenvereinigung in Wien zum Thema nachhaltige Entwicklung eine deutliche Kritik an der Umweltpolitik Österreichs (Der Standard 16.02.2001). 193
Deregulierung und Privatisierung wurden auch zunehmend auf globaler Ebene im Interesse des Freihandels gefordert. Nationale Umweltmaßnahmen in Form von Steuern oder Abgaben würden zu Standortnachteilen und zu unerwünschten Wettbewerbsnachteilen führen, lautete die Kritik im Sinne der Freihandelsdoktrin. Weltweit entzündete sich an den Absichten, die zunächst im Rahmen der GATT-Verhandlungen sich ankündigten und von der OECD und dann der Welthandelsorganisation (WTO) forciert wurden, Kritik über die möglichen sozialen und ökologischen Auswirkungen dieser „neoliberalen“ Offensiven. Noch unter der Regierung Klima kam es immerhin zum Widerstand gegen die OECDVerhandlungen zur Schaffung eines multilateralen Investitionsschutzabkommen (Multilateral Agreement on Investment - MAI), das zwischen 1995 und 1998 als „Programm der Globalisierung von oben“ vorbereitet wurde. Hintergrund war der Versuch der WTO und der OECD, eine völlige Liberalisierung der Regeln für transnationale Investoren durchzusetzen. Mit dem MAI sollte die dritte Säule weltwirtschaftlicher (De-)Regulierung neben der WTO und den finanz- und währungspolitischen Instrumentarien des Internationalen Währungsfonds errichtet werden. Bis 1997 wurden die Verhandlungen geheim gehalten. Ursprünglich sollte die Verhandlungen zum MAI im Mai 1998 abgeschlossen werden. Dazu wurde Anfang 1997 ein Entwurf veröffentlicht, der heftige Kritik auslöste. Inhaltlich sollten mit dem Abkommen rund 2000 bilaterale Abkommen ersetzt und Investoren aus einem MAI-Mitgliedstaat durch ein Diskriminierungsverbot geschützt werden. Insbesondere sollten das Eigentum von Investoren geschützt, Kapital- und Gewinntransfers über die Grenzen erlaubt und ein übernationales Gericht für Streitfälle geschaffen werden. Zahlreiche Gewerkschaften, Parlamentarier und NGOs protestierten weltweit gegen das geplante Abkommen und machten auf die Konsequenzen aufmerksam: So hätten multinationale Konzerne Schadenersatzansprüche im Fall von Streiks oder einer Verschärfung der Umweltvorschriften eingeräumt bekommen. Das Klagerecht war ausschließlich für Konzerne, nicht aber für Nationalstaaten vorgesehen. Das MAI war damit ein wesentlicher Auslöser der so genannten Anti-Globalisierungsbewegung gegen die „Tyrannei der Konzerne“ (Susan George). In Europa hatte das Europäische Parlament im März 1998 das MAI scharf als unzumutbare Aushöhlung der nationalen Souveränität kritisiert und den vorgelegten Entwurf abgelehnt. Für Österreich war das Wirtschaftsministerium in den internationalen Verhandlungen federführend, im OECD-Ministerrat hingegen lag die Kompetenz beim Bundeskanzleramt. Kanzler Klima (SPÖ) teilte die Bedenken über die möglichen Einschränkungen der nationalen Souveränität im Bereich von Sozial- und Umweltstandards sowie hinsichtlich der Kulturförderung. Das Wirtschaftsministerium hielt die Einwände hingegen für nicht gerechtfertigt und wies darauf hin, „dass gerade die österreichische Delegation von Beginn an auf die Aufnahme bindender Verbote von Umwelt- und Sozialdumping in das MAI gedrängt habe.“ Klima und auch Umweltminister Bartenstein glaubten jedoch nicht dieser Argumentation, sondern hielten jene der Kritiker für überzeugender. Daher sollten die Fachressorts und die Sozialpartner den Vertragstext prüfen (Der Standard 17.04.1998: 29). Da das MAI aber auf internationaler Ebene insbesondere aufgrund gravierender Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und der EU gescheitert ist, war die Gefahr der neoliberalen Globalisierung vorerst gebannt (siehe unten: GATS). Trotzdem sich die österreichische Sozialdemokratie den internationalen Deregulierungs- und Liberalisierungsabsichten widersetzte, hat sie auf nationaler Ebene den Deregulierungsmaßnahmen und der Liberalisierung im Umweltbereich zugestimmt. Ein Positionswandel kam erst infolge des Regierungswechsels 2000 und dem Gang in die Opposition. 194
6 Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik im neuen Jahrtausend
Der Übergang ins neue Jahrtausend begann in Österreich mit einem einschneidenden politischen Wandel. Mit dem Regierungswechsel von der Großen Koalition zur schwarz-blauen Regierungskoalition unter Kanzler Schüssel wurde ein „neues Regieren“ durch einen „schlanken Staat“ angekündigt. Schüssel nannte in seiner Regierungserklärung die neuen Leitlinien dieser Politik: mehr Mut zur Zukunft statt Klammern am Alten; mehr Freiheit statt staatlicher Gängelung; mehr Eigenverantwortung statt Bevormundung; mehr Anerkennung der individuellen Leistung statt Gleichmacherei. Der Verwaltungsstaat sollte zum Bürger- und Leistungsstaat weiterentwickelt werden. Oberstes Ziel wurden die „nachhaltige Budgetsanierung“ und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Obwohl sich die neue Regierung in ihrem Regierungsprogramm im Bereich der Umweltpolitik zu einer nachhaltigen Entwicklung/Ökosozialen Marktwirtschaft bekannte und Österreich einer der Vorreiter in der europäischen Umweltpolitik bleiben sollte, wurde mit dem Verbot des „golden plating“ gleichzeitig festgeschrieben, dass Österreich fürderhin bei der Umsetzung von EURichtlinien „keine Zusatzauflagen“ mehr beschließen werde. Die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen und dieses neoliberal-konservative Umbauprogramm lösten in Österreich heftigen Widerstand hervor. Erstmals in der Geschichte des Landes musste die neue Regierung unterirdisch zur Angelobung zum Bundespräsidenten gehen. Massendemonstrationen in Wien konnten die neue Regierung aber ebenso wenig verhindern wie die so genannten „Sanktionen“ der anderen 14 EU-Mitgliedstaaten gegen Österreich. Die Massendemonstrationen klangen zwar ab und verliefen sich in den zunehmend kleineren „Donnerstagsdemonstrationen“, und die EU-Sanktionen wurden als Schnellschuss infolge eines „Weisenberichts“ wieder aufgehoben, insgesamt kam es jedoch zu einer starken Polarisierung innerhalb der Bevölkerung und zu einer vorübergehenden Schwächung Österreichs innerhalb der EU. Unter Schwarz-Blau wurde auch das Umweltministerium als eigenständiges Ministerium aufgelöst und unter heftigen Protesten grüner NGOs und der Opposition in das Landwirtschaftsministerium eingegliedert. Das neue Ressort unter Minister Molterer erhielt den Namen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, kurz Lebensministerium (BMLFUW). Mit der Umstrukturierung einher ging eine Analyse sämtlicher Aufgaben hinsichtlich ihrer Unverzichtbarkeit und Effizienz, da auch das neue Ressort aufgrund knapper Staatsfinanzen Budgetkürzungen hinnehmen musste. Während die „grüne“ Diskurskoalition aus diesem institutionellen Wandel den Bedeutungsverlust der Umweltpolitik ableitete und vor allem die Zusammenlegung mit dem Landwirtschaftsbereich als einem der Hauptumweltverschmutzer seither ablehnt, sahen die Regierungsvertreter gerade darin eine sinnvolle Neustrukturierung umweltpolitischer Kompetenzen, die zusätzliche Handlungskapazitäten schaffen sollte: „Die Zusammenführung von Agrar- und Umweltagenden war eine wichtige strategische Entscheidung der neuen Bundesregierung. In dem neuen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist die Verantwortung für Boden, Wasser, Luft und intakte
Natur zusammengefasst. Es ist eine logische Partnerschaft, die durch neue Initiativen und Wege der Zusammenarbeit überzeugt. Einigende Klammer ist dabei der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung. Gemeinsames Ziel ist es, die Lebensgrundlagen nachhaltig zu sichern und die hohe Lebensqualität in Österreich auch weiterhin zu gewährleisten.“ (BMLFUW 2000b: 3).
Aus der Sicht der Regierung war die Reorganisation also sinnvoll und sollte ein Fortführen der „wichtigen Entwicklungen“ trotz Sparkurs garantieren. Anneliese Rohrer bezeichnete in einem Leitartikel in der Presse (28.08.2000) die Auflösung des Umweltministeriums als „Signal dafür, dass mit Umweltpolitik nicht mehr so viel (partei)politisch zu gewinnen ist wie früher. Wäre es anders, hätte man die Fusion nicht gewagt.“ Dass aus dem „Monsterressort“ keine Impulse ausgingen, war ihrer Meinung nur zum Teil der Größe des Ministeriums geschuldet und weit mehr dem allgemeinen Absacken umweltpolitischer Themen in der Rangliste zu bearbeitender politischer Probleme. Wiewohl diese Neuorganisation der Umweltagenden in der Tat mit einer Verschlechterung einherging – wenngleich diese Verschlechterung eher mit dem Bedeutungsverlust umweltpolitischer Themen und der veränderten Problemdimension zusammenhängt als mit der Umstrukturierung –, konnten diesem institutionellen Wandel durchaus auch positive Seiten abgewonnen werden. Beamte der Umweltabteilungen im BMLFUW selbst, bewerten die Zusammenlegung durchaus positiv: Einerseits habe sich die Kommunikation zwischen den früher getrennten Dienststellen verbessert, andererseits könne man als großes Ministerium auf europäischer Ebene wesentlich stärker auftreten (Interviews BMLFUW sowie persönliche Kommunikation mit Beamten des BMLFUW). In der Wissenschaft gibt es unterschiedliche Einschätzungen zu dieser Zusammenlegung. Schleicher (2001b) sah z.B. darin das „Ende der konventionellen Umweltpolitik“ und die Chance, zu einer völlig neuen Herangehensweise in der Umweltpolitik, zu einer „Politik für die Umwelt“ gelangen zu können. Das Zurückdrängen der Umweltpolitik in den 1990er Jahren nahm Schleicher zum Anlass, „die konventionelle Umweltpolitik an ihr Ende zu erinnern“: „Von Zwentendorf bis Temelín und von den Regenwäldern bis zu den Donauauen wurden einzelne Negativphänomene des gegenwärtigen Wirtschaftsstils artikuliert und durch meist nur widerwillig akzeptierte Gegenmaßnahmen kompensiert. Bis zur aktuellen Kontroverse um die Klimapolitik lautete dann die Schlüsselfrage, ob sich unsere Wirtschaft das denn aus vielen Gründen – schlagkräftig ist das Wettbewerbsargument – leisten könne. [...]. Vielleicht sollte deshalb das Wort Umwelt für einige Zeit mit einem Tabu belegt werden. Ich plädiere für ein Ende der Umweltpolitik der Reparatur und des kleinen Pflasters, mit der man versucht, ein fundamentales Problem zu kurieren, das am deutlichsten in zwei Bereichen in jüngster Zeit sichtbar wurde, nämlich auf den internationalen Finanzmärkten und bei der Nahrungsmittelproduktion“ (Schleicher 2001b).
Im Zentrum der neuen Politik müsste für Schleicher das „Re-Design unserer Wirtschaftsstrukturen“ stehen: „Das ist genau jene Wirtschaftsstrategie, die sich die Europäische Union im Vertrag von Amsterdam unter der Chiffre Nachhaltigkeit für alle Politikbereiche selbst gesetzt hat“ (ib.).
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6.1 Umweltpolitik im Regierungsübereinkommen 2000 Der Regierungsbildungsprozess nach den Wahlen 1999 stand insbesondere im Zeichen einer Neuorientierung und -formulierung von Regierungstätigkeiten im Hinblick auf Liberalisierung und Einsparungen der öffentlichen Hand. Eine Gegenüberstellung der Vorhaben im Umweltbereich der nicht zustande gekommenen SPÖ-ÖVP-Koalition und der später regierenden ÖVP-FPÖ-Koalition zeigt die geringen Unterschiede zwischen einer Fortsetzung der Großen Koalition und der neuen Regierung im Politikfeld Umwelt. Im geplatzten Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP von 1999/2000 „21 Projekte für Österreichs Start ins 21 Jahrhundert“ fand sich ein „klares Bekenntnis zu einem hohen Umweltschutzniveau und zu einer aktiven und offensiven Mitgestaltung der Position der EU in globalen Umweltfragen“, die Integration ökologischer Zielsetzungen in alle Politikbereiche und eine Stärkung des Vorsorge- und Verursacherprinzips wurden angekündigt; ein Bezug zum NUP, zu Reduktionszielen im Bereich der Ressourcennutzung etc. wurde genauso wenig hergestellt wie die Notwendigkeit, im Hinblick auf den Weltnachhaltigkeitsgipfel in Johannisburg 2002 eine Nachhaltigkeitsstrategie erstellen zu müssen; Umweltpolitik blieb verkürzt auf Umweltschutz. Im Bereich der Maßnahmen wurden lediglich die Erweiterung der Europäischen Union, ein Anti-Atom-Aktionsplan, die Fortsetzung des österreichischen Weges in der Gentechnikpolitik (Grabner 1999) sowie die Ausarbeitung einer nationalen Klimastrategie und der Ausbau der Rolle Österreichs als internationaler Technologieführer im Bereich der Umwelttechnologien (insbesondere bei Biomasse, Solartechnologie und Energieeffizienz) ohne Details und Zeitrahmen angekündigt. Im Koalitionsabkommen zwischen ÖVP und FPÖ „Österreich neu regieren“ spielten Umweltthemen keine große Rolle. Auch hier kamen weder Details vor, noch wurden zeitliche Rahmen gesetzt. Bezug zum NUP oder einer nötigen Weiterentwicklung wurde ebenfalls keiner hergestellt. Postuliert wurde eine Rolle als Vorreiter in Europa: Österreich sollte als treibende Kraft globale Umweltfragen aktiv und offensiv mitgestalten und hinsichtlich der Osterweiterung der EU für die Übernahme der EU-Umweltstandards durch die Beitrittsaspiranten eintreten, ein Anspruch der gleichzeitig durch das Verbot des „golden plating“ konterkariert wurde. Die nationale Klimastrategie wurde auch im Programm der Bundesregierung angekündigt. Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung wurde mit dem ÖVPProjekt einer Ökosozialen Marktwirtschaft gekoppelt: Eine österreichische Strategie zur Integration von Umweltpolitik in andere Politikbereiche wäre zu entwickeln. Kostenwahrheit, Anreizsysteme, Nachhaltigkeitsprinzip und die weitere Ökologisierung des Steuersystems sollten im Gleichklang mit anderen EU-Mitgliedsländern erfolgen. In seiner Regierungserklärung vom 9. Februar 2000 nannte Bundeskanzler Schüssel das Leitbild der Ökosozialen Marktwirtschaft als Grundlage der Umweltpolitik. Er kündigte weitere Maßnahmen zur Schadstoffreduktion an, z.B. durch die Forcierung neuer Motorentechnologien. Umwelttechnologien, erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz sollten v.a. gefördert werden, „damit sich Österreich in diesem Bereich zum internationalen Technologieführer entwickeln kann“. In der Gentechnikpolitik sollte der bewährte „Weg der sorgfältigen Beurteilung von Produkten und Neuentwicklungen weitergehen, damit es keine Gefahren für den österreichischen Konsumenten gibt.“
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6.2 Umweltpolitik im politischen Diskurs Das „neue Regieren“ der ÖVP-FPÖ-Regierung hat Österreich zwar in einzelnen Bereichen stark verändert, im Wesentlichen hat sich aber der Trend des neoliberalen Minimalismus in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik fortgesetzt. Auf der Ebene der Parteien kam es infolge der Regierungsbildung zu Positionsverschiebungen. Die SPÖ begann sich unter ihrem neuen Vorsitzenden Alfred Gusenbauer relativ mühselig in die Oppositionsrolle einzufinden. Zur Neupositionierung startete ein offener Diskussionsprozess unter dem Titel Netzwerk Innovation. Dadurch sollte die SPÖ mithilfe kritischer Wissenschafter ein modernes Profil gewinnen, das insbesondere Intellektuelle wieder der Partei näher bringen sollte. In diesem Rahmen entstand unter der Koordination der neuen umweltpolitischen Sprecherin Ulli Sima, die 1999 als Gentechnik-Expertin von Global 2000 in den Nationalrat wechselte, auch ein „Diskursgruppenbericht“ zum Thema „Nachhaltigkeit als Fortschrittsmodell für das 21. Jahrhundert“. Den Entwurf erstellte Thomas Ritt, Ökonom in der Abteilung Umwelt und Verkehr der Arbeiterkammer Wien. Die Diskussionen konnten im Internet verfolgt werden, und 2002 – kurz vor den vorgezogenen Neuwahlen – wurden die Beiträge und Ergebnisse des Diskussionsprozesses in Buchform der Öffentlichkeit vorgestellt (Gusenbauer (Hg.) 2002). Unter den neuen politischen Bedingungen formulierte die SPÖ schließlich zunehmend eine Kritik an der Umweltpolitik, die weitgehend mit jener der Grünen übereinstimmte. Von der ÖVP konnte man davon ausgehen, dass ihr Einfluss auf die Umweltpolitik größer geworden ist. Nach wie vor stellte sie den Umweltminister, der jetzt durch die Schaffung des BMLFUW eine starke Rolle innerhalb der Regierung inne hatte, und mit den Freiheitlichen saß ihr nunmehr ein Regierungspartner gegenüber, der nur eingeschränkt über Ressourcen und Erfahrungen in diesem Politikfeld verfügte. Die ÖVP hatte daher verbesserte Chancen, eigene Vorstellungen und Ziele in der Umweltpolitik umzusetzen. Die ÖVP nutzte ihre Macht zunächst dazu, das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft in die Regierungsprogrammatik aufzunehmen. Dazu hatte insbesondere der Bauernbund gedrängt. Mittlerweile hatte die ÖVP jedoch auch einige neue Positionen bezogen, wie z.B. in der Frage einer ökologischen Steuerreform, die nunmehr von Teilen als überholt abgelehnt wurde (so zumindest in der Replik auf das neue Parteiprogramm der Grünen auf der ÖVPHomepage), trotzdem aber noch Eingang in langfristige Zielsetzungen fand, da sie immerhin Kernbestandteil des Konzepts der Ökosozialen Marktwirtschaft war und nach wie vor ist. Die FPÖ hatte ihre bisherige Rolle in der Umweltpolitik fortgesetzt, nur dass aus der Rolle der Regierungsverantwortung ihr Populismus gefährlicher geworden war und einige frühere Forderungen und Kritikpunkte fallengelassen wurden. Im Fall der Atompolitik wurde die Anti-Atom-Position mit der ablehnenden Haltung zur EU-Osterweiterung verknüpft, und zunehmend wurde auch in der Transitfrage eine Option erkannt, die die Osterweiterung stoppen oder verzögern könnte. Durch das von FPÖ-Mitgliedern initiierte Volksbegehren gegen das tschechische Atomkraftwerk Temelín wurde sowohl die Koalition erheblich strapaziert, wenngleich kaum gefährdet, als auch die Anti-Atom-Diskurskoalition in der Frage gespalten, ob das Volksbegehren unterstützt oder kritisiert und abgelehnt werden sollte. Das Ergebnis des Volksbegehrens blieb schließlich aufgrund dieser Spaltung und der zweideutigen FP-Vetodrohung weit unter der freiheitlichen Erwartung. Auch für die Umweltund Nachhaltigkeitspolitik war schließlich die Zurückdrängung des Einflusses der Sozial198
partnerschaft, insbesondere der Arbeitnehmerseite, ein wichtiges Anliegen freiheitlicher Politikgestaltung. Die Grünen verabschiedeten im Juni 2001 am Linzer Bundeskongress ein neues Grundsatzprogramm. Darin wurden die grünen Wertvorstellungen und langfristige Ziele neuformuliert. Mit der Zielsetzung, ein „moderates“ Programm vorzulegen, sollte die notwendige Freiheit und Beweglichkeit für tagespolitische Entscheidungen geschaffen werden, wie Alexander Van der Bellen im Vorwort festhält. Der damit verbundene Programmformulierungsprozess war durchaus konflikthaft. Der ursprüngliche Entwurf für ein Grundsatzprogramm aus dem Jahr 1998 mit dem Titel „Zukunftsfähige Politik für das 21. Jahrhundert“, das stark an Alain Lipitz „Grün“ und dessen Politischer Ökologie als „integrativer Denkrahmen für die Erfindung einer zukunftsfähigen Politik“ orientiert war, wurde stillschweigend durch den moderaten Entwurf ersetzt. Kurz vor dem Kongress wurde dann von einer Gruppe ein Alternativentwurf vorgelegt und eingebracht. Besonders umstritten war das Konzept der Basisdemokratie, das im offiziellen Entwurf nicht vorkam und erst durch die Delegierten wieder in das Grundsatzprogramm als notwendige Ergänzung zur repräsentativen Demokratie eingefordert wurde. Insgesamt haben sich die Grünen weiter an die anderen Parteien angenähert, um regierungsfähig zu erscheinen. Aus den Lehren von Grünparteien anderer Staaten, die bereits über Regierungserfahrungen verfügten, wurde der Schluss gezogen, dass eine Regierungsbeteiligung eine gewisse Stärke erfordert, um eigene Positionen auch umsetzen zu können. Dazu wurde auch versucht, die Koalition möglichst breit darzustellen. Hieß es im 1998er-Entwurf noch, dass die Grünen „aus einer weit aufgefächerten kulturellen und politischen Widerstandslinie gegen die Vorherrschaft einer Zivilisation, in der Mensch und Natur ausgebeutet werden – einem Widerstand mit dem Ziel, die ganze Wirklichkeit und Vielgestaltigkeit des Menschen und der Natur zurückzugewinnen und die herrschende Politik zu deren Wahrnehmung zu zwingen“, entstanden sind, so ist die Passage im verabschiedeten Grundsatzprogramm deutlich anders: „Die historischen Wurzeln der Grünen liegen in den neuen sozialen Bewegungen: der StudentInnenbewegung, der Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegung, in Bürgerrechtsbewegungen und BürgerInneninitiativen, den kritischen ChristInnen, WissenschafterInnen und GewerkschafterInnen, der entwicklungspolitischen Solidaritätsbewegung und den Bewegungen alter und neuer, sozialer oder kultureller “Minderheiten”. Aus dem fruchtbaren Dialog dieser unterschiedlichen politischen Zugänge haben sich die Grünen als eigenständige und stabile politische Kraft entwickelt.“
Das Politikverständnis ist hier deutlich verschoben worden. Aus der Sicht der ÖVP war das der „wortreiche Abschied von der grünen ‚Alternative’“; die grüne Programmatik würde sich damit in weiten Teilen nicht länger von den SPÖ- und ÖVP-Grundsatzprogrammen unterscheiden. Der entscheidende Unterschied wäre aber, dass die ÖVP mit dem Verantwortungsprinzip der Nachhaltigkeit ein ganzes Ordnungsmodell für das soziale und wirtschaftliche Leben entwickelt habe: die Ökosoziale Marktwirtschaft. Ein vergleichbares Ordnungsmodell fehle jedoch im Grünen Parteiprogramm vollständig.28 Das LiF konnte sich bislang nicht von den schweren Niederlagen erholen und bleibt nicht nur in der Umweltpolitik bedeutungslos, wobei aufgrund der neuen Schwerpunktsetzung gerade ökologische Forderungen aus dem Themenspektrum heraus gefallen sind.
28
Siehe: http://www.oevp.at/etopics/haupt.asp?where=01070990; 09.07.2001.
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Die umweltpolitischen Themen, mit denen sich die Parteien im neuen Jahrzehnt beschäftigt haben, unterscheiden sich kaum von den Vorangegangenen: Atomenergie (insb. Temelín), Gentechnik (Genmais, gentechnikfreie Zonen), BSE/Ernährungssicherheit, Naturschutz + EU, Transit (verstärkt durch das Auslaufen des Transit-Vertrags 2003), aber auch die Neuausrichtung der Abfallwirtschaft (AWS 2002) und Klimaschutz/Erneuerbare Energien waren die dominanten Diskurse und Konflikte. Die Tendenzen zur Deregulierung und der Abbau von Institutionen wurden fortgesetzt. Eine Umorientierung auf langfristige Ziele gelang auch im Vorfeld von Rio+10 nicht, wenngleich es hier einen neuerlichen Vorstoß vonseiten der Umweltbürokratie gab und Nachhaltigkeit wieder breiter, aber auch wesentlich kontroverser als in der Vergangenheit diskutiert wurde.
6.3 Neuer Schwung durch die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie? Während sich der Begriff der Nachhaltigkeit seit dem Bedeutungsgewinn im Umfeld des Rio-Gipfels zunehmend durchgesetzt hatte, Forschungsprogramme entsprechend geschaffen und zahlreiche Projekte in Angriff genommen wurden, verlor für die Politik der Begriff rasch wieder an Bedeutung – zumindest was die ernsthafte Umsetzung anbelangt. Der NUP blieb unbeachtet, an eine Aktualisierung (die laut NUP alle vier Jahre erfolgen sollte) dachte niemand mehr. Negative Trends verstärkten sich zum Teil, und die Umweltpolitik wurde, wie beschrieben, in zahlreichen Bereichen zurückgedrängt. Erst infolge der Vorbereitungen der Rio+10-Konferenz und der EU-Nachhaltigkeitsstrategie setzten neue Bestrebungen ein, Nachhaltigkeit als langfristiges Ziel der Politik in Österreich umzusetzen. In Rio war von den Unterzeichnerstaaten der Agenda 21 beschlossen worden, dass auf nationaler Ebene bis 2002 Strategien zu entwickeln sind, die eine wirtschaftlich leistungsfähige, sozial gerechte und ökologisch tragfähige Entwicklung zum Ziel haben. Bereits bei Rio+5 musste festgestellt werden, dass es international keine entsprechenden Fortschritten gab. Vor diesem Hintergrund einigte sich die EU im Juni 2001 in Göteborg auf eine Europäische Strategie für nachhaltige Entwicklung. Die Mitgliedstaaten wurden vom Europäischen Rat ersucht, eigene nationale Nachhaltigkeitsstrategien zu erarbeiten und umfassende Konsultationsprozesse in diesem Bereich zu schaffen. In Österreich hatten im Umweltministerium die Abteilungen für Strategische Planung und für EU Angelegenheiten bereits im Vorfeld von Göteborg versucht, dieses policy window zu nutzen und stellten Überlegungen an, wie eine verbindliche nationale Nachhaltigkeitsstrategie geschaffen werden könnte. Sie versuchten dazu, die Aufgabe zur Chefsache zu erheben und die Koordination im BKA anzusiedeln. Bundeskanzler Schüssel lehnte dies jedoch ab und wies die Aufgabe ins Umweltressort zurück (Interviews BMLFUW). Am 26. Juni 2001 beschloss der 62. Ministerrat, dass Minister Molterer den Prozess zur Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie für Österreich koordinieren soll.
6.3.1 Das Grünbuch „Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“ Im Vorfeld des EU-Gipfels von Göteborg erarbeitete in der Folge eine (insbesondere im Vergleich zum NUP-Prozess) relativ kleine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Wolfram Tertschnig (BMLFUW, Abt. II/4 U) das Grünbuch „Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“. Dieses Strategiepapier wurde von einer kleinen Arbeitsgruppe bestehend aus Vertre200
tern aus allen Ministerien, den Ländern und Gemeinden, der Sozialpartner, Interessenvertretungen und den NGO-Plattformen (Ökobüro, Umweltdachverband, ARGE soziale Wohlfahrtsträger) ausgearbeitet. Die Größe der Arbeitsgruppe, die sich im Sommer 2001 auf Einladung von Minister Molterer konstituierte, sollte die Arbeitsfähigkeit insbesondere im Hinblick auf den enormen Zeitdruck garantieren. Die darin vertretenen Institutionen sollten ihre Erwartungen und Beiträge in einem internen Dialog definieren und die Ergebnisse in die Strategie einbringen. Die inhaltliche Koordination und Ausformulierung wurden einem 18köpfigen Redaktionsteam29 übertragen, das regelmäßig dem Plenum berichtete. Darüber hinaus wurde für das Prozessmanagement eine so genannte „Steuergruppe“ konstituiert, bestehend aus vier Vertretern aus dem BMLFUW,30 zwei Wissenschaftern der Wirtschaftsuniversität Wien31 sowie einem unabhängigen Moderator.32 Die Wissenschafter hatten die Aufgabe, die Ergebnisse in eine lesbare Form zu bringen und auf Widersprüche und andere Ziele hinzuweisen; sie hatten nicht die Aufgabe selbst einen Beitrag und ihre Disziplin einzubringen. Für eine breite Einbindung der Wissenschaft und die Schaffung verschiedener Arbeitsgruppen wie beim NUP-Prozess fehlte die Zeit. Die Hinzuziehung eines Moderators war wiederum eine Lehre aus dem NUPProzess. Damals gab es ja Arbeitsgruppen, die von Wissenschaftern oder Experten geleitet wurden und die die doppelte Aufgabe hatten, einerseits als Experten mit ihrer Meinung aufzutreten und andererseits den Diskurs zu moderieren und einen Konsens zu finden. Die Ergebnisse dieser Doppelbelastung waren je nach Person sehr unterschiedlich gewesen. Mittlerweile wurden im Umweltministerium Kompetenzen geschaffen, um solche Prozesse hausintern moderieren zu können. Im konkreten Fall entschieden sich die zuständigen Abteilungen jedoch für einen externen Moderator und hatten damit aus der Sicht aller Beteiligten einen guten Erfolg (Interviews BMLFUW, WKÖ, AK, ABCSD). Im Gegensatz zum NUP, wo es das niederländische Vorbild gegeben hatte, gab es hinsichtlich der Nachhaltigkeitsstrategie keine internationalen Vorbilder oder Vorreiter, die beachtet werden hätten können, da alle Länder erst begonnen hatten, solche Strategien auszuarbeiten. Laut Ritt war allerdings v.a. die EU-Nachhaltigkeitsstrategie wichtig, weil darin ökonomische, ökologische und soziale Ziele gleichwertig vorkamen. Damit sei die soziale Dimension auch in Österreich leichter zu argumentieren gewesen. Die sozialen Aspekte sollten dabei v.a. durch die Einbeziehung der AK gewährleistet werden (Interview Ritt 07.11.2002). Ziel der Arbeitsgruppe war es, bis Jahresende eine nationale Strategie für Nachhaltige Entwicklung auszuarbeiten und der Bundesregierung vorzulegen. Darin sollten klare und 29
Im Redaktionsteam waren Vertreter der Ministerien (12), der Industriellenvereinigung (1), der Wirtschaftskammer (3), der Landwirtschaftskammer (1) sowie der Arbeiterkammer (1). Im Plenum waren zusätzliche Vertreter der Ministerien (6) sowie des Bundeskanzleramtes (1) sowie Vertreter des Austrian Business Council for Sustainable Development (1), des Österreichischen Gemeindebundes (2), der ARGE Soz. Wohlfahrtsträger, Diokonie Österreich (1), des Ökobüros (1), des Umweltdachverbandes (1) sowie die Nachhaltigkeitskoordinatoren der Bundesländer (10). 30 Dr. Wolfram Tertschnig und Dr. Barbara Schmon, Abteilung II/ 4 U: Strategische Planung, Umweltforschung, Förderungen; Abteilung II/4 U; Mag. Elisabeth Freytag und Mag. Rita Trattnigg, Präsidialabteilung III/7U – Abteilung für EU-Angelegenheiten. 31 Mag. André Martinuzzi und DI Ursula Kopp, beide Institut für Wirtschaftsgeografie, Regionalentwicklung und Umweltwirtschaft, Abteilung für Wirtschaft und Umwelt an der WU Wien. 32 Dem Geschäftsführer des Wiener Managementberatungsunternehmens Coverdale Hans-Ullrich Dietzel. Coverdale betreute schon mehrere Projekte verschiedener Ministerien sowie des Umweltbundesamtes. Dies war laut Tertschnig (Interview 07.11.2002) jedoch für die Entscheidung zugunsten Coverdales irrelevant, da diese Projekterfahrungen dem Ministerium unbekannt waren.
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langfristige Ziele enthalten sein, effiziente Instrumente, Maßnahmen und Indikatoren definiert, institutionelle Innovationen zur Steuerung und Gestaltung entwickelt sowie die Rolle von Bildung, Kommunikation und Information als wesentliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung hervorgehoben werden. Insbesondere durch machbare, klare und überprüfbare Ziele sollte sich das Ergebnis vom NUP unterscheiden. Im ersten Bericht vom Juni 2001 hieß es noch, dass „alle relevanten Akteure in die Planung und Entscheidungsfindung mit einzubeziehen“ seien.33 In der Arbeitsgruppe nicht vertretene Akteure erhielten über eine Internetdiskussionsplattform (www.nachhaltigkeit.at) die Möglichkeit, Anregungen für die Strategieausarbeitung abzugeben. Die Rückmeldungen waren jedoch ausgesprochen mager. Zudem sollten 500 österreichische Wissenschafter an einer strukturierten Befragung teilnehmen und dadurch Anregungen und Beiträge zur Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsstrategie liefern. Auch hier gab es kaum Bereitschaft mitzuwirken und lediglich 20 Rückmeldungen, die entweder in einer Fundamentalkritik am Erstellungsprozess, in unspezifischem Lob oder im Anmelden eigener wissenschaftlicher Interessen bestanden. Darüber hinaus wurden die Optionen der Umsetzung und der Prozess im Rahmen des Roundtables Nachhaltiges Österreich vom Akteursnetzwerk Nachhaltiges Österreich diskutiert und 15 in- und ausländische Experten wurden zum Prozessablauf telefonisch befragt.34 Auf die Einbindung politischer Parteien wurde verzichtet, „um den Einfluss politischer Taktik im Erstellungsprozess zu vermeiden“ (Martinuzzi/Kopp 2002: 8). Dass das Feedback der Wissenschaft so schlecht ausfiel, führt Tertschnig (Interview 07.11.2002) auf das halbherzige Diskussionsangebot und auf eine alte Verteilerliste, aus der die 500 Personen ausgewählt wurden, zurück. Zur Bereinigung und Ergänzung der Verteilerliste habe aber ebenso die Zeit gefehlt wie zur Schaffung eines breiteren Diskussionsforums. Laut Tertschnig (2001) war das Grünbuch ein erster „Konsens über die wichtigsten Eckpfeiler, Handlungsebenen und Gestaltungsziele der österreichischen Politik für nachhaltige Entwicklung“, das allerdings noch keine Strategie darstellte, weil dazu konkrete qualitative Ziele, übergeordnete Maßnahmen, Umsetzungsfristen, Indikatoren und Bewertungsverfahren für die Zielerreichung fehlten. Es sollte als Basis dienen, auf der der Bundeskanzler alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Stakeholder beauftragt, bis Jahresbeginn 2002 eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie auszuarbeiten. Das Echo auf das Grünbuch war ausgesprochen gering. In den Massenmedien wurde davon nichts berichtet. Auf der Internetplattform gab es nur wenige Stellungnahmen. Mit den zahlreichen Informationsveranstaltungen quer durch Österreich wurden immerhin interessierte Teilöffentlichkeiten erreicht. Das Österreichische Institut für Nachhaltige Entwicklung (ÖIN) unterstützte den von der Bundesregierung initiierten und getragenen Prozess der Entwicklung einer Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und betrachtete das Grünbuch als wichtige erste Diskussionsgrundlage. Dietmar Kanatschnig, Direktor des ÖIN, kritisierte in einem ersten Kommentar im Internet am Entwurf insbesondere, dass eine Begründung für eine globale Nachhaltige Entwicklung und ein Verweis auf die Dringlichkeit fehlt, dass das „Leitbild“ im Grünbuch bloß eine Einleitung (und keine Vision!) ist, dass es bisher nur ein „quantitativer“ Prozess, d.h. eine kumulative Ansammlung unterschiedlicher Ziele und Wünsche sei und kein quali33
Vgl. http://www.nachhaltigkeit.at/strategie.php3?gruenbuch.html. Eine öffentlich zugängliche Darstellung der Ergebnisse dieser Expertenbefragung und deren Einfluss auf die Weiterentwicklung der Strategie fehlen bislang.
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tativer Prozess (Grenzen und Schwerpunktsetzung fehlen, Konfliktfelder werden nicht besprochen), dass die Darstellung Österreichs zu positive ausfalle, keine Zielhierarchie erkennbar sei und Zielvereinbarungen fehlen, dass heikle Themen und Begriffe ausgespart, keine Maßnahmen angesprochen werden und es sich bei Instrumenten um eine zufällige Ansammlung ohne Begründung handelt, die Finanzpolitik beinahe vollkommen ausgeklammert ist und keine Transparenz über dessen Entstehung bzw. Weiterentwicklung erkennbar ist. Es handle sich um eine Top-down-Orientierung (eher Kommunikation der Ergebnisse anstelle Schaffung der Voraussetzungen zur echten Partizipation), die angeführte Beispiele sind wenig innovativ, veraltet und oft nur sektoral und grundsätzlich zeigt das Grünbuch zu wenig Tiefgang für den erforderlichen Strukturwandel (http://www.nachhaltigkeit.at/kaffeehaus/forum4.html). Auffällig war die offensichtlich schwache Position der hinter diesem Grünbuch stehenden Akteure, verbunden mit einer vorsichtigen, zurückhaltenden Positionierung, die im gesamten Papier durchschlägt. Österreich wurde ausgesprochen unkritisch als Vorreiter positioniert. Kanatschnig kritisierte diese „zu positive Darstellung Österreichs“. Die Autoren des Grünbuchs vermieden es völlig, auch nur auf den NUP und darin formulierte Zielsetzungen oder die darin enthaltene Absicht zu Aktualisierungen zu sprechen zu kommen, geschweige denn eine Evaluation der Versäumnisse seither vorzulegen. Dies hängt damit zusammen, dass der NUP als ein Fehler interpretiert wird. Im NUP sei die Ökologie zu stark betont worden. Die ‚neue’ Strategie baute darauf auf, über bisherige Umsetzungsschwierigkeiten zu schweigen und vermittelte den Anschein, als sei es eine Leichtigkeit, dass sich der „Pionier in Umweltfragen“ auch in Zukunft „im Spitzenfeld positionieren“ werde (Grünbuch: S 5). Ergänzt wurde dieses Bild durch „wenig innovativen, veralteten und nur sektoralen“ Beispielen (Kanatschnig), eine Konzentration auf Winwin-Strategien und die Negation von Widersprüchen. Die Problematik, Ambivalenz und bestehende Schwierigkeiten, die in den angeführten Beispielen (z.B. Materialflussanalyse, ÖPUL) enthalten sind, wurden aus der Darstellung ausgeklammert. Trotzdem gelang es offensichtlich nicht, breitere Unterstützung für diese Strategie aufzubauen. Statt Nachhaltige Entwicklung zur Chefsache zu erklären (wie das Österreichische Institut für Nachhaltigkeit und die Umweltverbände zurecht forderten), fand sich ein inhaltsleeres, unverbindliches Zitat des Bundeskanzlers aus seiner Rede zur Lage der Nation im Vorwort des Grünbuchs – freilich ohne Bezug auf den NUP und auf das Grünbuch selbst. Insgesamt vermittelte das Ergebnis nicht den Eindruck, dass es ausreichend gelungen war, bestehende Netzwerke und Koalitionen so zu nutzen, dass dadurch ein zusätzlicher Handlungsspielraum gewonnen worden wäre. Vielmehr wirkte der Zeitdruck, und die Art und Weise, wie der Prozess gestaltet wurde, bestimmte weitgehend ein bestimmtes Ergebnis vor. Mehr konnte die Umweltbürokratie bei bestem Willen, einer Politik der Nachhaltigkeit neuen Schwung zu verleihen, unter den gegebenen Bedingungen und vor allem bei vollständigem Fehlen von gesellschaftlichen und politischen Druck nicht erwirken. Die Aktivitäten der Bundesregierung zur Gestaltung einer Nachhaltigkeitsstrategie wurden vonseiten der Industriellenvereinigung (IV) und des Austrian Business Council for Sustainable Development (ABCSD) ausdrücklich begrüßt. IV und ABCSD, die in den Entstehungsprozess eingebunden waren, kritisierten auf der Internetplattform am Grünbuch eine starke ökologische und soziale Sichtweise und hegten den Verdacht, dass Ökonomie, Ökologie und Soziales nicht als gleichberechtigte und gleichwertige Partner betrachtet würden. Es entstehe „der Eindruck, dass gegenüber der Wirtschaft ein prinzipielles Misstrauen und Unverständnis“ bestünde, und die Strategie weise „ein fehlendes Verständnis für 203
die Marktwirtschaft“ auf. Daher sollten dringend „Praktiker aus der Wirtschaft (Unternehmer)“ in den Diskussionsprozess eingebunden werden. IV und ABCSD hielten es auch für „ein nicht nachhaltiges Signal“, die Nachhaltigkeitsstrategie vom Umweltministerium koordinieren zu lassen, denn der Nachhaltigkeitsprozess sei anders als die Umweltstrategie „eine direkte Aufgabe der Regierungsspitze unter Einbindung aller relevanten Politikbereiche“. Nachhaltigkeit sei ein Anliegen der Regierungsspitze und der Unternehmensleitungen. Die Strukturen zur Koordinierung und Politikintegration sollten im BKA geschaffen werden; freilich ohne eine neue Bürokratie aufzubauen. Der Wirtschaft kam erwartungsgemäß in der Position der Industrie eine herausragende Rolle hinsichtlich der Bewältigung der ökologischen Herausforderungen zu. Entsprechend dem vorherrschenden Paradigma wurden „win-win-Lösungen“, „Ökoeffizienz“ und „neue“ ökonomische Instrumente gefordert. Die „innovative Kraft“ der Wirtschaft ende allerdings dort, wo die Nachfrage fehle. Zusätzlich zur Ökoeffizienz wurde daher ein „breites Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit“ gefordert, „um die Konsumentenverantwortlichkeit zu fördern“ (Wilhelm Autischer: Betreff: Der Prozess, 24.09.01; www.nachhaltigkeit.at). Aus Sicht des Ministeriums und der AK war die Kritik Autischers jedoch ausschließlich zur öffentlichen Positionierung bestimmt; im Diskussionsprozess innerhalb der Arbeitsgruppe, in die Autischer ja eingebunden war, spielte sie keine Rolle (Interviews Ritt und Tertschnig, 07.11.2002). Ergänzend sei hier angemerkt, dass es dem ABCSD nicht gelungen war, die eigenen Mitglieder, geschweige denn weitere Unternehmerkreise zur Mitdiskussion über die Internet-Plattform zu bewegen und der Aufruf, diese Möglichkeit „in regem Ausmaß anzunehmen“ (ABSCD 2001: 5), nicht angenommen wurde. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass die Wirtschaftsseite insgesamt einen Druck auf den Bundeskanzler ausgeübt hätte, im Prozess die Koordination zu übernehmen.
6.3.2 Vom Grünbuch zur Nachhaltigkeitsstrategie Infolge der Kritik an der relativ kurzen Diskussionsphase, die von allen Seiten (Wirtschaft, Sozialpartner, NGOs, Wissenschaft) an die Initiatoren der Nachhaltigkeitsstrategie herangetragen worden war, wurde die Frist noch bis Februar 2002 gestreckt. Weitere Akteure sollten jedoch nicht eingebunden werden.35 Resultat war ein erster „sozialpartnerschaftlicher“ Entwurf einer österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Titel „Zukunft bauen. Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“. In drei Abschnitten werden darin die Herausforderung und Grundlagen, die Handlungsfelder und die Umsetzung dargelegt und im Anhang durch „erste Schritte“ und „innovative Beispiele“ ergänzt. Der Kernbereich dieser Strategie besteht aus vier Handlungsfeldern für die insgesamt 20 Leitziele formuliert wurden. Im Februar 2002 legte die Bundesregierung die „österreichische Nachhaltigkeitsstrategie“ als Entwurf für den Ministerrat im Rahmen eines „Auftaktkongresses für einen Österreich weiten Nachhaltigkeits-Dialog“ vor. Bundeskanzler Schüssel, dem das Umweltressort in seine Eröffnungsrede geschrieben hatte, Nachhaltigkeit sei Chefsache, betonte „Nachhaltigkeit ist Bürgersache“ (Interview BMLFUWa). Als Zukunftsaufgaben nannte Schüssel insbesondere die „nachhaltige Sanierung des Staatshaushaltes und des Sozialsystems“. Er unterstrich die Bedeutung der Stärkung des Wirtschaftsstandortes Europa hinsichtlich der Armutsbekämpfung und nannte die Einführung des Kindergeldes als „einen genuin öster35
Tertschnig 07.11.2001, Vortrag und Diskussion im Rahmen der Tagung „Nachhaltige Universitäten“, Wien, BMLFUW.
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reichischen Beitrag zur Bekämpfung von Armut“ (BKA Presseaussendung, 22.2.2002). Umweltminister Molterer präsentierte die Nachhaltigkeitsstrategie als „innovative Strategie, um Armut zu bekämpfen und die Umweltressourcen zu erhalten“ sowie als „die notwendige Antwort auf die Globalisierung der Weltwirtschaft“, welche eine „logische Weiterführung der ökosozialen Marktwirtschaft“ sei (BMLFUW News 22.02.2002). Der Verkehrsklub Österreich bewertete anlässlich der Auftaktveranstaltung die Strategie hinsichtlich der Verkehrsthematik als positiv und forderte entsprechende Änderungen des Generalverkehrsplans, der die Nachhaltigkeitsstrategie noch zu wenig berücksichtigt. Die Ziele zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen seien allerdings zu wenig ehrgeizig, die Stabilisierung der verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen auf dem Niveau des Jahres 1998 sei zu wenig, und die Kyoto-Klimaziele erforderten weitreichendere Maßnahmen. Die Wirtschaftskammer betonte die Fortschritte der Wirtschaft und Industrie, die führende Rolle bei der Zertifizierung von Betrieben entsprechend des EMAS Umweltmanagementsystems und die Bedeutung der Umwelttechnologie für den Export. Nachhaltiges Wirtschaften diene insbesondere der Wettbewerbsfähigkeit. Für den WWF hingegen sind freiwillige Aktionen einzelner Wirtschaftsunternehmen zu wenig. WWF-Präsident Pechlaner betonte in der Veranstaltung, Österreich habe seine Nachhaltigkeitsaufgaben noch nicht erledigt; in der Strategie fehlten ein Zeitplan, Budgets und klare Zuständigkeiten. Der Präsident des Bundesweiten Arbeitskreises für umweltbewusstes Management (B.A.U.M. Österreich) begrüßte die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie, betonte aber, dass sie eigentlich bereits nach der Rio-Konferenz zustande gekommen hätte sein sollen und nicht erst 10 Jahre danach. Die österreichische Strategie – „inhaltlich professionell vorbereitet“ – sei eine Chance für alle Staatsbürger, konkrete Beiträge als Konsumenten, Produzenten, Dienstleister, Wissenschafter, Medienvertreter, Lehrer oder Schüler in ihrem täglichen Leben zu leisten. Sie sei eine Verpflichtung für die Politik und die Administration, selbst nach den Leitprinzipien der Eigenverantwortung und Selbstorganisation zu agieren und Unternehmern, Managern und Mitarbeitern die erforderlichen Freiräume für eigenverantwortliches und zukunftsfähiges Wirtschaften ungestört von bürokratischen Hemmnissen und Überregulierungen zu garantieren (Lukschanderl 2002). Dietmar Kanatschnig hingegen kritisierte das Zustandekommen des Entwurfs: „Wenn in Österreich etwas verändert werden soll, wird zunächst eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet, an der auch die Sozialpartner teilnehmen dürfen. Und wenn dann nach langen Diskussionen etwas Konkretes herauskommt, ist es die Einrichtung eines interministeriellen Komitees, das die Veränderungen koordinieren soll. Das Ganze nennt man Prozess, schreibt Nachhaltigkeitsstrategie drauf und ist schließlich verwundert, dass sich die Begeisterung in Restösterreich in Grenzen hält. […] Wir sehen in diesem Entwurf die Wiederbelebung eines Themas, das als Nationaler Umweltplan – der bereits vor sieben Jahren diskutiert wurde – von der Politik weitgehend beiseite gelegt war. Nun ist es also wieder auf der Tagesordnung, Regierung und Opposition sind gefordert“ (zit. nach Lukschanderl 2002: 17).
Kanatschnig kritisierte darüber hinaus den Zeitdruck, unter dem die Strategie erstellt wurde, und bewertete sie in erster Linie als ein „Programm der Exekutive“. Der Wissenschaft sei keine angemessene Mitwirkung eingeräumt worden, weshalb sich viele Nichteinbezogene brüskiert fühlten. Inhaltlich falle die Strategie hinter den NUP zurück: die Ziele wurden reduziert – im NUP stand z.B. noch die Dematerialisierung um einen Faktor 10, in der Strategie nur mehr um einen Faktor 4. Ähnliches gelte für den Verkehrsbereich, die Landwirtschaft oder die ökologische Steuerreform. Ein Großteil der angeführten Indikatoren 205
beinhaltet weder quantifizierte noch zeitliche Zielvorgaben, und die Richtungssicherheit mancher Indikatoren müsse angezweifelt werden. Kanatschnig vermutete, dass die Strategie auf ein Umsetzungsdilemma zusteuere: „Unter anderem haben die Industriellenvereinigung und einige Ministerien einschließlich Bundeskanzleramt, die an der Erarbeitung der Strategie beteiligt waren, keinen einzigen Schritt zur Umsetzung übernommen. Von den Interessenvertretungen wurden insgesamt nur drei der insgesamt 49 Umsetzungsschritte verantwortlich wahrgenommen. Ausnahme ist das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, das in Summe 57 Prozent aller ersten Umsetzungsschritte übernommen hat – bei den Umsetzungsschritten des Wirtschaftsteiles (!) liegt der Anteil des Umwelt-Ressorts mit 78 Prozent sogar noch höher“ (ib.: 18).
Die Strategie beruhe auf einem Top-down-Ansatz; die für eine nachhaltige Entwicklung so wichtige Bottom-up-Aktivität fände keine entsprechende Gewichtung. Die Vorreiterrolle Österreichs innerhalb der EU, die in der Strategie behauptet wird, sei jedenfalls in diesem Ergebnis nicht feststellbar. André Martinuzzi von der Wirtschaftsuniversität Wien, der als einer von zwei Vertretern der Wissenschaft von Anbeginn in den Entstehungsprozess eingebunden war, verteidigte die Strategie hingegen als Konsenspapier und das Zustandekommen als integrativ und prozessual und im Gegensatz zu herkömmlichen bürokratischen Abläufen (ib.). Zusammen mit Ursula Kopp, der zweiten Wissenschafterin in der Arbeitsgruppe, beschrieb er später in einer vom BMLFUW in Auftrag gegebenen Studie den Prozess wie folgt: „Im Gegensatz zu vielen ähnlichen Dokumenten wurde diese Strategie nicht von einem ‚Ghostwriter verfasst und dann abgesegnet’, sondern von Anfang an in einem Redaktionsteam aus VertreterInnen von Ministerien, Sozialpartnern und NGOs gemeinsam erarbeitet. Diese Art der Erstellung stellt neue Anforderungen an Dialogkultur und Konsensfindung. Durch die gemeinsame Beschäftigung mit Fragestellungen, die über die individuellen Zuständigkeiten hinausreichen, wurden die Wechselwirkungen der einzelnen Politikfelder aufgezeigt und Kooperationsmöglichkeiten identifiziert. Unterstützt von professioneller Moderation hat sich so eine über Institutionen, Fach- und Ressortgrenzen hinweg engagierte und konsensfähige Gruppe mit einer gemeinsamen Problemsicht und Gesprächskultur entwickelt. Damit wurden auch für die Zukunft die Voraussetzungen für Brückenschläge zwischen bisher getrennten Politikfeldern geschaffen. Diese institutionelle Innovation ist mindestens ebenso wichtig, wie die einzelnen Formulierungen in der Strategie. Denn im Vergleich zu herkömmlichen bürokratischen Abläufen wurde hier der integrative und prozessuale Anspruch Nachhaltiger Entwicklung wirklich gelebt“ (Martinuzzi/Kopp 2002: 3).
Die Grünen nahmen die Auftaktveranstaltung zum Anlass und verlangten vorerst vergeblich eine Diskussion über den Entwurf im Parlament. Sie forderten wie die Umweltverbände und einige Wissenschafter eine Strategie mit konkreten rechtsverbindlich festgeschriebenen Zielen, für die auch die nötigen finanziellen Mittel budgetär festgeschrieben werden sollten. Exemplarisch kritisierten sie am Entwurf die Unverbindlichkeit hinsichtlich der Forderung nach einer ökologischen Steuerreform, fehlende finanzielle Mittel zum Klimaschutz und zur Erreichung des nationalen Reduktionsziels gemäß Kyoto-Protokoll, die mangelnde Auseinandersetzung mit der Gentechnologie und die zu geringen finanziellen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit. Sollte der Entwurf nicht stark verbessert, per Nationalrat verbindlich beschlossen und in der Realpolitik umgesetzt werden, so befürchtete die grüne Umweltsprecherin Eva Glawischnig, dass es wieder einmal bei „unverbindli206
chen Lippenbekenntnissen“ bleiben werde (Die Grünen, Presseaussendung 22.02.2002; Lukschanderl 2002: 15). Das mediale Echo auf die Auftaktveranstaltung war gering, wobei die Medien v.a. den Vortrag des US-amerikanischen Trendforschers John Naisbitt „Does Sustainability have a Future?“ thematisierten, der mit Anti-Kyoto- und Anti-Biolandbau-Thesen aufhorchen ließ, Vorteile im Klimawandel sah, wissenschaftliche Ergebnisse über Ressourcenabbau und Artenvielfalt in Abrede stellte und letztlich in Tränen ausbrach und „ein ratloses Auditorium“ hinterließ (Der Standard 23.02.2002).
6.3.3 Die endgültige Strategie und der „versteckte“ Beschluss Im April 2002 wurde die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie „Zukunft bauen. Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“ von der Bundesregierung beschlossen. Der ursprüngliche Entwurf war in der Zwischenzeit zwei Monate lang „zur Kontrolle durch die verschiedenen schwarzen und blauen Ministerbüros geschickt“ und in diesem Prozess nochmals abgeschwächt worden. Insbesondere die FPÖ distanzierte sich von der Nachhaltigkeitsstrategie, die sie als ÖVP-Papier abwertete, und legte binnen weniger Tage ein 80-seitiges Papier mit eigenen Forderungen vor. In der Folge wurde ein Kapitel über das Nulldefizit und eines zur Sicherheitspolitik in den Entwurf eingefügt. Zusätzlich wurden zahlreiche Abänderungen zur sozialen Dimension eingefügt, und dem Umweltministerium wurde untersagt auch nur Schreibfehler oder Satzzeichen auszubessern (Interview BMLFUWa). Diese Vorgangsweise, die nur im Resultat nach außen sichtbar war, erzürnte insbesondere die Arbeiterkammer: „Erst durch diesen „gesellschaftlichen Ausgleich“ ergaben sich viele interessante Änderungen: So wurde etwa aus der Forderung nach der „gerechten Verteilung von Einkommen, Vermögen und Arbeit“ die „leistungsgerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen“. Dafür wurde der Satz, „ein existenzsicherndes, angemessenes, sozial- und arbeitsrechtlich abgesichertes Mindesteinkommen ist der zentrale Ansatzpunkt um der Armutsspirale dauerhaft zu entkommen“, gleich ganz gestrichen und schlussendlich das Nulldefizit als „conditio sine qua non“ über eine nachhaltige Entwicklung gestellt“ (Ritt in: Wirtschaft und Umwelt 2/2002: 32).
André Martinuzzi und Ursula Kopp (2002: 20) beschreiben diesen Prozess und seine Wirkung auf die Arbeitsgruppe, die den ursprünglichen Entwurf erstellt hatte, folgendermaßen: „Obwohl Schlüsselressorts der Umsetzung (wie z.B. Finanzministerium, Infrastrukturministerium, Sozialministerium, Wirtschaftsministerium) in den Erstellungsprozess eingebunden waren, wurden von der politischen Ebene Positionen in die Österreichische Nachhaltigkeitsstrategie reklamiert, die erst sehr spät eingearbeitet werden konnten. Dieser Abstimmungsprozess fand jenseits der im Erstellungsprozess vereinbarten Spielregeln statt und entzog sich der bis dahin garantierten Transparenz. Dies wurde in der Rückschau von den meisten VertreterInnen der Redaktionsgruppe und des Plenums auch kritisiert. Sie sahen im Abstimmungsprozess einen Bruch der vereinbarten Spielregeln und eine Entwertung des Plenums.“
In der breiten Öffentlichkeit wurde die Nachhaltigkeitsstrategie nicht durch die Beschlussfassung oder diese politischen Abänderungen wahrgenommen, sondern erst einige Tage später durch die Berichterstattung zuerst des ORF und dann durch die Printmedien, dass eine Ökosteuer geplant sei. Die Bundesregierung dementierte daraufhin vehement eine 207
solche Absicht, und das Finanzministerium stellte klar, dass die in der Strategie beabsichtigte mittelfristige Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe nicht leistbar sei. Vizekanzlerin Riess-Passer hielt das alles „aus der Luft gegriffen“ und ortete boshafte Medienberichterstattung seitens des ORF; der Bundeskanzler verweigerte eine Stellungnahme, während sich weitere Regierungsmitglieder von ihrem eigenen Beschluss distanzierten und von „gezielter Indiskretion“ sprachen. Umweltminister Molterer reagierte auf die Medienberichte mit der Feststellung, dass die „von der Koalition im Ministerrat beschlossen Nachhaltigkeitsstrategie das langfristig orientierte Leitbild der Bundesregierung zur Vernetzung von Umwelt-, Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik sei“ und das dieses Leitbild „weit über Regierungsperioden und Landesgrenzen“ hinausweise. Darüber hinaus stellte er lapidar fest: „Eine tagespolitisch motivierte Debatte zu Teilaspekten dieser Strategie im Kontext der Steuerreform ist weder adäquat noch angemessen. Wir werden uns an einer solchen Debatte nicht beteiligen.“ Ziel der Regierung bleibe es, „die Steuern und Abgaben insgesamt zu senken“ (BMLFUW Presseaussendung, 15.5.2002). Eine Ökologisierung des Steuersystems sei nicht Gegenstand der geplanten Steuerreform (SN 23.5.2002). Die Bekundung, dass es keine Steuererhöhungen geben werden, unterstrichen auch die Klubchefs der beiden Regierungsparteien. Mitarbeiter des Umweltressorts und auch andere Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Erstellung der Nachhaltigkeitsstrategie rätseln seither, wie es zu dem ersten Medienbericht im ORF gekommen ist und wer hier so dermaßen schädlich für die Nachhaltigkeitsstrategie interveniert habe. Dass ein Redakteur zufällig auf die Forderung in der Nachhaltigkeitsstrategie gestoßen ist, glaubt man nicht. Molterer sei dadurch alleine „stehen gelassen“ worden (Interview BMLFUWa, Interview NGOa).
6.3.4 Die Nachhaltigkeitsstrategie im Parlament Schließlich gelangte dann zumindest ein Teilaspekt der Nachhaltigkeitsstrategie auf die parlamentarische Agenda. Die Grünen hatten infolge der medialen ÖkoSteuerberichterstattung im Mai 2002 einen Dringlichen Antrag eingebracht, in dem die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft aufgefordert wurden, den Ministerratsbeschluss vom 30.04.2002 über die Nachhaltigkeitsstrategie insbesondere hinsichtlich der ökologischen Steuerreform umzusetzen.36 Die in diesem Antrag gewählten Formulierungen waren wortidentisch mit jenen in der vom Ministerrat beschlossenen Strategie. Die Grünen griffen zu diesem für eine Oppositionspartei außergewöhnlichen Schritt, um zu argumentieren, dass eine Ablehnung ihres Antrags durch die ÖVP-FPÖ-Mehrheit einem Misstrauensvotum gegen den Umweltminister, dessen Ressort immerhin den Text federführend ausgearbeitet hat, sowie gegen vier weitere Minister beider Regierungsparteien gleichkäme (Wirtschaftsminister Bartenstein, Außenministerin Ferrero-Waldner, Verkehrsminister Reichhold, Sozialminister Haupt), die im Ministerrat den Antrag eingebracht haben, ihren Bericht anzunehmen und die Nachhaltigkeitsstrategie zu beschließen. Einzig Finanzminister Grasser (damals noch FPÖ) hatte sich bei der Beschlussfassung abgesichert, indem er auf eine Protokollanmerkung bestand, wonach er „Zusammenhänge mit Budgetverhandlungen und Steuerreformplänen“ für den 1.1.2003 ausschloss (Kurier 16.05.2002). Generell begrüßten die Grünen den Ministerratsbeschluss und die Strategie, die sie als „Zukunftsstrategie“ 36
Vgl. dazu: Stenographisches Protokoll Nationalrat, XXI.GP, 103. Sitzung, S 123-153.
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bezeichneten. Sie begrüßten auch, dass endlich Bewegung in die Debatte gekommen war. Sowohl der Umweltminister als auch die eingebundene Umweltbürokratie hätten „das Ganze mit Akribie und mit echtem Wollen vorangetrieben“ (Abg. Kogler). Aufgrund der vielen positiven Punkte des Strategiekonzeptes sollten daher Vierparteiengespräche zu den Kernpunkten der Nachhaltigkeitsstrategie begonnen werden. Daran sollten der Umweltminister, der Finanzminister sowie die für Umwelt-, Finanz- und Budgetfragen zuständigen Abgeordneten teilnehmen. Dass sich die Regierungsparteien nicht zu ihrem eigenen Beschluss bekannten, führten die Grünen auf den bereits begonnenen Vorwahlkampf zurück, darauf, dass sich beide Regierungsparteien jeweils als die bessere Steuersenkungspartei profilieren wollten, obwohl die Regierung für die höchste Steuerquote in der Geschichte der Republik verantwortlich war, und darauf, dass die Abgeordneten der beiden Regierungsparteien die Konzepte für aufkommensneutrale ökologische Steuerreformen zu wenig kannten. Die Politik der Wenderegierung sei auch für einen Stillstand in der Umweltpolitik verantwortlich, der Österreich von einem Umwelt-Musterland zu einem Nachreiter gemacht habe. Die SPÖ schloss sich inhaltlich dem Antrag der Grünen an und bewertete die Steuerreformkonzepte der Regierung als klassische Umverteilungspolitik von unten nach oben, die obendrein zur höchsten Steuer- und Abgabenquote von 47,3 Prozent geführt haben. Aufgrund der bisherigen Politik der Regierung sei daher zu befürchten, dass auch eine ökologische Steuerreform zu einer Steuererhöhung werde. In der Abstimmung stimmte aber nur der Abgeordnete Fischer (laut Stenographischen Protokoll der Nationalratssitzung versehentlich) für den Antrag, da die Sozialdemokraten für die Umsetzung ihres eigenen Steuerreformprogramms und inhaltlich zwar für die Ökologisierung des Steuersystems waren, aber eine Entlastung der Arbeitnehmer als vordringlich ansahen. Der entsprechende Antrag dazu war allerdings schon einige Monate davor im Parlament abgelehnt worden. Die Regierungsparteien lehnten den Antrag der Grünen mit dem Argument ab, dass etwas bereits Beschlossenes nicht nochmals beschlossen wird. Sie präsentierten Österreich als Vorreiter im Umweltschutz und in der Nachhaltigkeitspolitik und verwiesen auf den Nachhaltigkeitsindex, der im Auftrag des World Economic Forum von der Yale University und Columbia University Anfang 2002 erstellt worden war und Österreich unter 142 Staaten auf Platz 7 und im europäischen Spitzenfeld reihte. Die Vorschläge der Opposition würden den Wirtschaftsstandort gefährden, dahingegen sei es das Ziel der Regierung, die Abgaben- und Steuerquote bis 2010 auf unter 40 Prozent zu senken. Die Nachhaltigkeitsstrategie sei langfristig zu sehen und die Ziele wiesen eindeutig über die Regierungsperiode hinaus. Die Opposition wolle auch keine Nachhaltigkeitsdebatte, sondern aus tagespolitischem Kalkül eine Steuerdebatte führen, die auf Steuererhöhung hinauslaufe. Darüber hinaus polemisierten mehrer Abgeordnete gegen die bundesdeutsche Ökosteuer und unterstellten den Grünen, den Benzinpreis massiv anheben zu wollen. Mit der Ablehnung des Antrags der Grünen, war das Thema wieder vom Tisch. In der Öffentlichkeit hatte die Debatte kaum Resonanz.
6.3.5 Gesellschaftlicher Diskurs über die Nachhaltigkeit unter Schwarz-Blau Im Diskurs über Nachhaltigkeit waren die zentralen Themen der letzten Jahre die Klimapolitik, die Nachhaltigkeitsstrategie und – quasi als Höhepunkt – der Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002. In der breiten Öffentlichkeit standen insbesondere die Gentechnik, die Ökologisierung der Landwirtschaft inklusive Lebensmittelsicherheit 209
(infolge mehrerer Skandale) und Reform der EU-Landwirtschaftspolitik, Atompolitik, Klimaschutz/Erneuerbare Energien und Verkehrspolitik/Transit im Vordergrund. Bei der Erstellung des Grünbuchs „Österreichs Zukunft“ und der Nachhaltigkeitsstrategie waren die Sozialpartner und im geringeren Ausmaß als noch beim NUP-Prozess in den frühen 1990er Jahren NGOs und Wissenschafter eingebunden. Von wissenschaftlicher Seite war ein Input in den Nachhaltigkeitsdiskurs der 2. Sustain-Bericht, der nach einigen Verzögerungen 2001, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, publiziert wurde, aber keinen Einfluss auf die Nachhaltigkeitsstrategie hatte. Der Verein Sustain hat damit auch seine Tätigkeit eingestellt. Einige Kritiker erkannten in der Nachhaltigkeitsstrategie lediglich „eine schwache Neuauflage des ‚Nationalen Umweltplans’, der – 1995 beschlossen – eigentlich längst Leitlinie der Politik sein sollte“ (Maier 2002). Das Ökobüro kommentierte den Entwurf der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie als „ersten wichtigen Schritt, um zehn Jahre nach Rio den Worten endlich Taten folgen zu lassen“ und äußerte gleichzeitig Bedenken über den zu erwartenden Umsetzungsprozess. Im Diskussionsprozess hatte das Ökobüro vergeblich klare Ziele, Fristen und Verantwortlichkeiten in die Strategie hineinreklamiert. Auch wurde die finanzielle Ausstattung des Konzepts von den im Ökobüro organisierten Umweltverbänden als unzureichend bewertet. Die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie drohe „ein weiteres Papier in der Serie der nie umgesetzten Konzepte“ zu werden. Skeptisch war auch der Dachverband österreichischer entwicklungspolitischer NGOs, die AGEZ. 42 führende umwelt- und entwicklungspolitische NGOs hatten bereits im Zuge der Vorbereitung des Erdgipfels Rio+10 in Johannesburg im September 2001 einen Forderungskatalog an die Regierung gerichtet, der insbesondere auch die Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Kräften in die Politikformulierung beinhaltete.37 Die NGO-Plattform für Umwelt und Entwicklung merkte darin an, dass die meisten NGO-Forderungen seit 1992 unverändert weiter bestünden und sich die Situation in zahlreichen Bereichen sogar dramatisch verschlechtert hätte. In den Vorbereitungsprozess zu Johannesburg fühlten sich die NGOs nur unzureichend eingebunden. Sie klagten u.a. darüber, dass vonseiten der Regierung und der Ressorts die Frage der Zuständigkeiten für die einzelnen Themen unklar war bzw. sich niemand zuständig fühlte sowie über die mangelnde Willensbildung und Kohärenz auf Bundesebene. Die Zugeständnisse seitens der Regierung seien „fadenscheinig“ gewesen, und Österreich verstecke sich hinter der EU-Position bzw. hinter Anliegen der Staatengemeinschaft, so dass nur schwer nachvollziehbar gewesen sei, worauf sich die offiziellen Vertreter Österreichs beim Erdgipfel inhaltlich konzentrieren würden (Zimmermann 2002). Zur Verbesserung dieser Situation forderte die NGO-Plattform die Schaffung einer Koordinationsstelle für Nachhaltigkeit mit politischem Mandat (Umweltschutz 4/2002). Im Umweltressort wird die Kritik der NGOs nicht geteilt. Vertreter des Ministeriums sehen hier das Problem eher bei den knappen Ressourcen der grünen NGOs (Interviews BMLFUW). Besonders die AK kritisierte die Strategie als „Konzept ohne Zukunft“ und forderte weitreichende Änderungen entsprechend dem ursprünglich von den Sozialpartnern und Ministerienvertretern erarbeiteten Entwurf. Zudem sollte das Parlament damit befasst werden – den Auftrag dazu hatte der Umweltminister vom Ministerrat bereits bei der Beschlussfassung der Strategie erhalten. Insbesondere kritisierte die AK das Fehlen von Konkretem in den Bereichen Soziales, Konsumentenschutz, Wirtschaft, internationale Solidari37
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Vgl. http://www.oneworld.at/agez/rioplus10.htm.
tät und Umwelt. Stattdessen seien in die Strategie PR-Aussagen zur bisher geleisteten Regierungsarbeit zu finden und Inhalte wie Militär und Budgetsanierung hätten einen zu breiten Platz. Klare und langfristige Ziele fehlten oder spiegelten nur alte Verpflichtungen wider (z.B. Ausweitung der öffentlichen Entwicklungshilfe, zu der sich Österreich bereits als EU-Mitglied verpflichtet hat). Die Forderung nach einer „gerechten Verteilung von Einkommen, Vermögen und Arbeit“ wurde zur Forderung nach „leistungsgerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen“ und die Ergänzung „ein existenzsicherndes, angemessenes, sozial- und arbeitsrechtlich abgesichertes Mindesteinkommen ist der zentrale Ansatzpunkt der Armutsspirale dauerhaft zu entkommen“ wurde ganz gestrichen. An der geplanten Monitoring-Gruppe wurde kritisiert, dass sie „im Verborgenen“ arbeite und Berichte bis 2005 nicht veröffentlicht werden sollten. Dies widerspreche grundlegend der Nachhaltigkeitsidee, die auf breiter Mitwirkung der Gesellschaft basiere. Zudem befürchtete die AK, dass sich die Regierung nicht zur Strategie bekenne, wie die Energiesteuerdiskussion gezeigt hatte. Die Nachhaltigkeitsstrategie müsste daher massiv nachgebessert werden. Die Ziele müssten klarer formuliert und erweitert werden. Das Nachhaltigkeitskomitee sollte durch eine stärkere Einbeziehung von NGOs und Bürgern transparenter werden. Außerdem sollten die Berichte von Beginn an laufend veröffentlicht werden. Entscheidend sei darüber hinaus ein Parlamentsbeschluss über die Nachhaltigkeitsstrategie und die laufende Information des Parlaments über Erfolge oder Misserfolge bei der Umsetzung (AK Presseaussendung 28.06.2002). Zur Verstärkung dieser Kritik und als Beitrag zur öffentlichen Diskussion veranstaltete die AK in Kooperation mit der ArbeitsGemeinschaft EntwicklungsZusammenarbeit, mit ATTAC und dem ÖKOBÜRO ein Symposium, in dem die Entstehung und Abänderung der Strategie sowie die Themen Umwelt, Wirtschaft, Internationales, Soziales und Konsumenten in der Strategie thematisiert wurden. In der aktuellen Ausgabe von „Wirtschaft & Umwelt“ widmete sich gleichzeitig ein Schwerpunkt dem Wandel von Rio zu Johannesburg. In der Zwischenzeit hatte auch die Opposition wieder zu einer Kritik an der Nachhaltigkeitsstrategie gefunden. Eva Glawischnig, die Umweltsprecherin der Grünen, hielt sie für einen schlechten Witz, zu unverbindlich und zu unkonkret; die Regierung begreife Nachhaltigkeit als radikale Rückführung der Staatsquote (Presseaussendung 02.09.2002). Die SPÖ bemängelte die Nachhaltigkeitsstrategie ebenfalls als zu wenig verbindlich, die Ziele als zu unklar und sehr langfristig und den Rückzieher des Umweltministers bei der ökologischen Steuerreform als inakzeptabel. Molterer sei nur theoretisch am Umweltschutz interessiert, sobald es um konkrete Maßnahmen gehe, bleibe wenig übrig. Die Regierung, die nur PR-trächtigen Aktionismus statt aktiven Umweltschutz betreibe, sei u.a. im Klimaschutz mehr als säumig. Die CO2-Emmissionen sind seit 1990 gestiegen und es gibt keine verbindlich beschlossene Klimastrategie, weil die Ministerien das Thema „wie einen Ping-PongBall“ herumschieben. Zur Erreichung des österreichischen Kyoto-Ziels wären jährlich 87,2 Millionen Euro nötig, und eine gesicherte Finanzierung fehle. Auch in der Anti-AtomPolitik (Temelín) habe die Regierung versagt, und in der Gentechnikpolitik wäre eine bundeseinheitliche Regelung für gentechnikfreie Zonen überfällig.38 Generell falle Umwelt38
Die Forderung nach gentechnikfreien Zonen als Zukunftschance für die österreichische Landwirtschaft kam auf, nachdem 2001 illegale Genmais-Freisetzungen aufkamen. Landwirtschafts- und Umweltminister Molterer hatte den gentechnikfreien Zonen eine Absage erteilt. Daraufhin legten die Parlamentarier im Mai 2002 einen VierParteien-Antrag in Sachen Gentechnik vor, in dem Machbarkeitsstudien für gentechnikfreie Zonen, die Schließung von Lücken im Gentechnikgesetz (die dem Gesundheitsminister lediglich bei absichtlichen Freisetzungen zum Handeln legitimieren) und die Verlängerung des Moratoriums für die Zulassung von Gen-Pflanzen auf EU-Ebene gefordert wurden.
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schutz dem Fetisch Nulldefizit zum Opfer (SPÖ-Umweltsprecherin Sima, Presseaussendungen vom 21., 25.08. u. 04.06.2002). Tertschnig verteidigte die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie, weil sie „Innovationen auf der Prozessebene und in der Kultur der Institutionen“ befördere. Kritikern warf er „Schwierigkeiten mit dem Umstand“ vor, „dass die Integration wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischer Anliegen ‚sachimmanent’ auch einen Interessensausgleich zwischen den singulären Zielen der drei Ebenen der nachhaltigen Entwicklung voraussetzt, und dass sich berechtigte Kritik am ‚ökonomischen Imperativ’ in der kategorischen Forderung nach dem ökologischen Imperativ nicht wirklich lösungsorientiert manifestiert“ (Tertschnig in: Wirtschaft & Umwelt 2/2002: 33). Die Kritik der AK relativiert Tertschnig (Interview 07.11.2002) damit, dass er davon ausgeht, dass die Berichte an die Regierung ab 2003 sehr wohl öffentlich gemacht würden und dass die Einbeziehung von NGOs und Bürgern leicht gesagt sei, aber Konzepte, wie dies geschehen könnte, nicht vorliegen. Die Wirtschaftskammer ist mit dem Ergebnis zufrieden und sieht keinen Grund zur Kritik (Interview Schwarzer 13.11.2002). Wilhelm Autischer vom Austrian Business Council for Sustainable Development betont wie Tertschnig die Bedeutung des eingeleiteten Prozesses, und dass zu erwarten war, dass die Regierung die Strategie modifizieren werde, da es immerhin die Strategie der Bundesregierung sei (Interview 13.11.2002). Im Zuge der Diskussion um die österreichische Nachhaltigkeitspolitik bildeten sich somit zwei Koalitionen, die die bisherige Entwicklung in der Umweltpolitik und die Ansätze zu einer Politik der Nachhaltigkeit zunehmend unterschiedlich interpretieren und die auch in der Diskussion Wenderegierung vs. mögliche Rot-Grüne-Regierungskaolition ihren Ausdruck fanden.
6.3.6 Die Umsetzung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie Was ist nun hinsichtlich der Umsetzung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie zu erwarten? Am 25. Juni 2002 hat sich ein „Komitee für ein Nachhaltiges Österreich“ konstituiert, in dem alle Ministerien und Interessensvertretungen sowie mit vier Mitgliedern die Bundesländer vertreten sind. Dieses Komitee sollte bis Januar 2003 ein erstes Arbeitsprogramm vorlegen, das möglichst konkrete Umsetzungspläne für die Nachhaltigkeitsstrategie enthält. Ein interdisziplinäres Expertengremium, das als „Forum für ein Nachhaltiges Österreich“ am 30. September 2002 eingesetzt wurde, sollte den Prozess „kritisch begleiten, beraten und so zur Qualitätssicherung und Effizienz beitragen“.39 Den Vorsitz dieses Gremiums übernahm Josef Riegler, der Präsident des Ökosozialen Forums und Erfinder der „Ökosozialen Marktwirtschaft“; als Co-Vorsitzender wurde Caritas-Präsident Franz Küberl bestellt, „was den breiten Ansatz von ‚öko’ und ‚sozial’ dokumentiert“ (SN 1.10.2002). Es setzt sich aus 37 Wissenschaftern, NGO-Vertretern und Experten aus dem Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialbereich zusammen. Zur Steuerung des Umsetzungsprozesses wurden jährliche Arbeitsprogramme, ein jährlicher Fortschrittsbericht (erstmals im Januar 2004) und externe Evaluationen (erstmals im Herbst 2005) geplant. Aus der Sicht des BMFLUW war dies der große Fortschritt, der den eigentlichen Prozess ausmacht und viel bedeutender sei als das, was an konkreten Forderungen, Maßnahmen und Zielen in der Nachhaltigkeitsstrategie steht. 39
http://www.nachhaltigkeit.at/strategie.php3?okt2002.html.
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Hier ist zweifellos ein Prozess eingeleitet worden, der die Rahmenbedingungen schafft, eine Politik der Nachhaltigkeit kontinuierlich weiterentwickeln zu können. Allerdings leidet dieser Prozess bislang an wesentlichen Mängeln. Zum einen fehlt ihm die ausreichende politische Unterstützung der Regierung, zum anderen laufen dem Prozess die Tendenzen zur Aushöhlung konsensualer Formen der Politikformulierung und der generelle Trend in der Umweltpolitik entgegen. Das erste Arbeitsprogramm wurde 2003 unter dem Titel „200 Maßnahmen für ein Nachhaltiges Österreich“ vorgelegt. Das Forum für ein nachhaltiges Österreich legte im April 2003 eine erste Stellungnahme dazu vor, in der es aufgrund der Fülle von Maßnahmen eine „strategische Schwerpunktsetzung“ forderte. Das zweite Arbeitsprogramm „Auf dem Weg zu einem Nachhaltigen Österreich“ wurde im Juni 2004 vom Ministerrat beschlossen, gleichzeitig wurde auch ein Fortschritts- und Indikatoren-Bericht vorgelegt und beschlossen, künftig alle zwei Jahre solche Dokumente vorzulegen. Hinsichtlich des Fortschritts- und Indikatoren-Berichts kritisierte das Forum für ein nachhaltiges Österreich, dass dieser nicht wie geplant vom Ministerrat mit dem Arbeitsprogramm 2004/2005 mitbeschlossen und auch nicht als Annex zur Kenntnis genommen wurde. Darüber hinaus kritisierte das Forum, „dass der interministerielle Strategieprozess bisweilen an die Grenzen politischer Willensbildung stößt und nicht ausreichend von allen Ressorts mitgetragen wird.“40
6.4 Wandel der Industrie Obgleich die Themen Umwelt und Nachhaltige Entwicklung einen Bedeutungsverlust seit Mitte der 1990er Jahre erfahren haben und von Wirtschaftsseite zunehmend Einwände gegen umweltpolitische Maßnahmen formuliert und erfolgreich Deregulierungen und Liberalisierung gefordert wurden, blieb Nachhaltigkeit dennoch in gewisser Form auf der Agenda der heimischen Industrie. Die Wirtschaftskammer präsentierte im November 2000 einen Zwischenbericht mit dem Titel „Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung in der österreichischen Industrie“. Dieses „Positionspapier der Bundessektion Industrie und der industriellen Fachverbände zur Strategie des Sustainable Development“ wurde von einer bei der WKÖ eingerichteten branchenübergreifenden Projektgruppe „IndustrieExpertenforum Nachhaltige Entwicklung“ erarbeitet und verabschiedet. Die Projektgruppe bestand aus 40 Mitgliedern (siehe WKÖ 2000: 2), darunter Vertreter der Wirtschaftskammern, der IV, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, des ABCSD, diverser Fachverbände, des Wirtschaftsförderungsinstituts, großer Industrieunternehmen (u.a. OMV, Böhler, Swarowski, Lenzing AG, Biochemie, Voest Alpine, VAE) sowie zwei Wissenschafter (Technische Universität Wien, Institut für Rechtswissenschaften, Institut für Industrielle Ökologie). Das grundlegende Ziel der „konkreten Vision“ Nachhaltigkeit wurde in diesem Leitbild folgenderweise formuliert: „Nachhaltige Entwicklung bedeutet für die österreichische Industrie, dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg mit umweltbewussten Agieren und sozialer Verantwortung als ‚tripple bottom line’ wahrzunehmen und dadurch unternehmerische Prosperität durch ‚Win-winwin’-Konzepte anzustreben. 40
http://www.nachhaltigkeit.at/strategie.php3?strat_forum.php3.
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Aufgrund ihrer technologischen Kompetenz kommt der Industrie eine Schlüsselposition auf dem Weg zu Nachhaltigkeit zu. Eine steigende Anzahl von Unternehmen begegnet den Herausforderungen zukunftsfähigen Wirtschaftens mit einer Neuausrichtung ihrer Strategien und Managementprozesse. Konkrete Ansatzpunkte für nachhaltige Entwicklung im Betrieb sind ein sparsamer Umgang mit Rohstoffen und Energien, die Optimierung angewandter Technologien, eine Neupositionierung bei erzeugten Produkten bzw. bereitgestellten Dienstleistungen, weitere wirtschaftlich darstellbare Verbesserungen bei der Reduktion von Emissionen und Abfällen, eine deutlichere Einbindung betrieblicher Aktivitäten in das soziale bzw. regionale Umfeld, eine verstärkte Ausrichtung des Transports von Waren, Personal und Information auf umwelt- und gesellschaftsrelevante Ziele und die Beachtung der Faktoren Aus- und Weiterbildung, Forschung, Information und Kommunikation als Basis für eine gesamtheitliche Integration dieser Faktoren“ (WKÖ 2000: 4; Hervorhebung im Original). Trotz genereller Bekenntnisse zur Nachhaltigkeit verhinderten die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer eine grundsätzliche Neuausrichtung der Politik im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Aus der Sicht der Wirtschaft wurde der Beitrag zum Umweltschutz in den letzten Jahrzehnten geleistet und die ökologische Herausforderung gemeistert. „Die Phase der obrigkeitlichen Umweltpolitik sollte daher durch eine partnerschaftliche Umweltpolitik abgelöst werden“ (Stephan Schwarzer, Leiter der Umweltpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich, in: Niederösterreichische Wirtschaft: 28.01.2000): „Vorschriften mögen notwendig gewesen sein, um dien Prozess [der ökologischen Modernisierung, D.P.] in Gang zu bringen. Doch mittlerweile werde das Übermaß an Reglementierungen selbst zum Problem. Ausschließlich auf weitere Regulierungen zu setzen, sei schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil die Verwaltungskapazitäten nicht mehr ausgedehnt werden können. Intelligente Instrumente hingegen ‚verleiten’ die Betriebe, von sich aus – ohne staatlichen Zwang oder behördlichen Kontrollor – geeignete Anstrengungen zu unternehmen“ (ib.).
Die Wirtschaftsseite trat weiterhin für ein Abrücken von der Vorreiterrolle Österreichs ein und setzte sich für Umweltanliegen weiterhin nur dort ein, wo damit eine win-win-Lösung möglich war (wie z.B. die Ende 2002 von IV und BMWA gegründete Initiative Corporate Social Responsibility oder die Stellungnahme von ABCSD und IV zum „consultation paper for the preparation of an European Union strategy for Sustainable Development“ vom 30. April 2001, Vorschläge der Wirtschaft zur Erreichung der Klimaschutzziele). Im Vordergrund der Aktivitäten stand der Kampf für eine allgemeine Deregulierung des Umweltrechts durch Forcierung freiwilliger und kooperativer Instrumente sowie durch Zusammenfassung und Beseitigung von Doppelregelungen (durch ein einheitliches Anlagenrecht, einheitliches Abfallrecht und das „One-Stop-Shop-Prinzip“). Insbesondere in informellen Gesprächen mit der Umweltbürokratie drängten Wirtschaftsvertreter verstärkt in diese Richtung (Interview BMLFUWa). In der Öffentlichkeit trat die Wirtschaftskammer auch gegen die EU-Richtlinie zur integrativen Umweltprüfung und das vom Umweltministerium im Rahmen des UVP-Gesetzes geplante „Mediationsverfahren“ auf und rief zum „Kampf sowohl gegen hausgemachte, als auch gegen EU-diktierte Überbürokratisierung“ auf: „Man muss kein Schwarzmaler sein, um zu befürchten, dass dieser Triathlon [Konzept-UVP, Projekt-UVP und Integrative Umweltprüfung, Naturverträglichkeitsprüfung, D.P.] für nicht wenige ein mit unüberwindlichen Hürden gespickter Marathonlauf wäre, während in Westeuropa zunehmend Sprintwettbewerbe angeboten werden“ (Schwarzer, in: Umweltschutz 1-2/2000).
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6.5 Fortsetzung des neoliberalen Minimalismus Unter der ersten ÖVP-FPÖ-Koalition (2000-2002) kam es zu einer „perversen Mischung neoliberaler Konzepte mit Liebeserklärungen an den dadurch geschädigten ‚kleinen Mann’“ mit dem „wie eine heilige Kuh verehrten virtuellen Nulldefizit“ (Konrad P. Liessmann in: Der Standard 12.09.2002: 35). Nachhaltigkeit wurde ein beliebtes Schlagwort in der Budgetpolitik. Dabei erfolgte eine Neuinterpretation als „niedrige Staatsquote und Sparquote zu Gunsten kommender Generationen“, die in politische Reden, Programme und auch in die Nachhaltigkeitsstrategie Eingang fand. Der Kern dieser Neuinterpretation geht einher mit dem Verzicht auf eine Vorreiterrolle in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik. Im Umweltbereich kam es zur Fortsetzung der Liberalisierungs- und Deregulierungstendenzen (Novellen zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, zur Gewerbeordnung 2000, zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002 und im neuen Umweltmanagement-Gesetz 2001 sowie im Gaswirtschaftsgesetz 2002 und im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2000 u. 2002), die Großteils mit den Stimmen der Regierungsparteien, soweit aufgrund der notwendigen Verfassungsmehrheit erforderlich auch mit Unterstützung der SPÖ beschlossen wurden. Umweltpolitische Verbesserungen gingen dabei in der Regel auf EU-Vorlagen zurück, wie überhaupt der Anlass für diese Gesetzgebungsprozesse durch das EU-Recht und teils durch drohende, teils durch bereits eingebrachte EU-Klagen gegen Österreich gegeben war. Zur Umsetzung der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten41 (Biozid-Produkte-Richtlinie) wurde eine Regierungsvorlage für ein Biozid-Produkte-Gesetz vorgelegt. Nach Gesprächen mit der Wirtschaft und intensiven Lobbying der chemischen Industrie wurden der ursprünglich ausgesendete Entwurf abgeändert, die Meldepflicht für „alte Wirkstoffe“ abgeschwächt und die Übergangsfristen gestreckt. Von den Regierungsparteien wurde die Rücksichtnahme auf Kosten und Vermeidung unnötiger Bürokratie als wesentliche Bestandteile des „neuen Regierens“ dargestellt: „Kosten sparen für alle Beteiligten, Bürokratie eindämmen, sodass alle etwas davon haben und niemand zu Schaden kommt“ lautete die Devise (Abg. Schweitzer, Stenographisches Protokoll XXI. GP., 30. Sitzung: 231). Während für die Regierungsparteien die fristgerechte Umsetzung der Biozid-Produkte-Richtlinie Österreich als „Vorreiter“ bestätigte, argumentierten die Oppositionsparteien, ein Vorreiter hätte ein solches Gesetz bereits wesentlich früher auch ohne EU-Anpassungszwang erlassen und eine an Nachhaltigkeit orientierte Umweltpolitik hätte der Wirtschaftseite nicht nachgegeben. Besonders problematisch war nach wie vor das Anlagenrecht, das auch nach den letzten Novellierungen immer noch auf zahlreiche Rechtsmaterien verstreut gewesen ist. Insgesamt war das österreichische Anlagenrecht (Gewerberecht, Bergbaurecht, Abfallrecht, Rohrleitungsrecht, Veranstaltungsrecht, Baurecht, Umweltverträglichkeitsprüfung, Arbeitsnehmerschutzrecht, Naturschutzrecht, Wasserrecht, Luftreinhalterecht) mit unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund und Ländern stark aufgesplittert, sodass die Umsetzung von einigen wenigen EU-Richtlinien in Österreich die Neufassung unverhältnismäßig vieler Bundes- und Ländergesetze erforderte. Für die Realisierung des einheitlichen Anlagenrechts, das auch in das 100-TageProgramm der Regierung aufgenommen worden war, wollte sich die Koalition die volle Regierungsperiode zeitlassen. Zunächst sollte im ersten Schritt die Anpassung an drei EU41
Die RL betrifft alle nicht in der Landwirtschaft eingesetzten Schädlingsbekämpfungsmittel. Diese Stoffe gelten als erbgutverändernd und krebserregend und daher besonders gefährlich für den Menschen und die Umwelt.
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Richtlinien (IPPC, UVP, Seveso II) erfolgen, um Klagen wegen Säumigkeit gegen Österreich beim Europäischen Gerichtshof abzuwenden. Österreich hätte diese Richtlinien bereits seit 15. März 1999 umsetzen müssen, wartete aber noch den ersten Schritt eines Vertragsverletzungsverfahrens ab. Die Wirtschaftsseite war mit den Formulierungen zum einheitlichen Anlagenrecht im Regierungsprogramm unzufrieden und drängte rascher auf Vereinfachungen und schnellere Verfahren. Die Industriellenvereinigung fürchtete Widerstände seitens der SPÖ, deren Zustimmung für die Verfassungsmehrheit notwendig war und die bereits angekündigt hatte, einer Aushöhlung der Umweltrechte und Streichung der Nachbarschaftsrechte keinesfalls zustimmen zu wollen. Vorsichtshalber kündigte die IV an, hier keinesfalls locker lassen zu wollen (SN 01.03.2000). Die Wirtschaftskammer betonte, dass es zunächst wichtig wäre „hier aus dem Schussfeld“ zu kommen, „um dann die Vereinheitlichung des Anlagenrechts durchzusetzen“ (Der Standard 03.03.2000). Gerade auch in den zentralen Bereichen Nachhaltigkeitsstrategie und Klimaschutz bzw. Förderung erneuerbarer Energien zeigte sich die geringe Bedeutung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen für die Regierung und das Abrücken von Konsenslösungen und die Hinorientierung zu einem neuen Regulationsparadigma („golden plating“, Schwächung der Sozialpartner, insb. der Arbeitnehmervertreter, freiwillige Vereinbarungen, Stärkung der Selbstverantwortung der Wirtschaft, etc.). Darüber hinaus erfolgte eine Neuinterpretation von Nachhaltigkeit. Für die Regierungsparteien bedeutet eine nachhaltige Entwicklung auch einen Stopp beim Schuldenmachen, die Senkung der Steuer- und Abgabenquote, die Sicherung des Generationenvertrags bis hin zur Universitätsreform (Minister Molterer, nach: Der Standard 23.05.2002: 8). Auf internationaler Ebene startete der neuerliche Anlauf zur neoliberalen Deregulierung nach Scheitern des MAI mit dem Dienstleistungsabkommen (General Agreement on Trade in Services – GATS) der WTO. Damit sollte der Privatisierungsprozess auf Dienstleistungen ausgedehnt werden. Pensionen, Gesundheit, Bildung und Wasserversorgung gerieten dadurch unter starken Privatisierungsdruck. In Österreich wurde von der Bundesregierung in Anlehnung an den Bericht der Aufgabenreformkommission und der Studie von PricewaterhouseCoopers sowie vor allem von der Industriellenvereinigung eine Privatisierung der Siedlungswasserwirtschaft und der kommunalen Abfallwirtschaft gefordert. Regierung und Industrie argumentierten hierbei, dass angesichts knapper Kommunalbudgets nur Privatunternehmen über das nötige Geld verfügen würden. Generell war es die Strategie der Regierung und vor allem von Wirtschaftsminister Bartenstein, die Positionen Österreichs bei den GATS-Verhandlungen geheimzuhalten bzw. die Auswirkungen auf Sozialund Umweltstandards herunterzuspielen. An der Kritik am GATS zeichnet sich in Österreich seither eine Diskurskoalition um die österreichische „STOPP-GATS-Kampagne“ aus Gewerkschaften, AK, Konsumentenschützern, grünen NGOs und Neuen Sozialen Bewegungen ab, die unter den Parlamentsparteien insbesondere bei den Grünen und bei der SPÖ Unterstützung findet. Initiiert wurde die Kampagne von ATTAC-Österreich, einer reformistisch orientierten Koalition aus international vernetzten Globalisierungskritikern, die global für einen Politikwandel im Sinne von „Good Governance“ eintritt. Als Trägerorganisationen der Kampagne fungieren der ÖGB, ATTAC, die Österreichische Hochschülerschaft, die Armutskonferenz und Greenpeace.
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6.6 Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen im Wahlkampf 2002 Generell spielten Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen im Wahlkampf zu den vorgezogenen Nationalratswahlen im November 2002 keine große oder gar entscheidende Rolle, nicht zuletzt deshalb, weil der gesamte Wahlkampf stark auf die Kanzlerfrage reduziert war. Zwar gab es den Diskurs der Lagerbildung mit dem bürgerlichen Lager auf der einen Seite und einer möglichen Rot-grünen-Koalition auf der anderen Seite. Vonseiten der Opposition gelang es aber weder der SPÖ noch den Grünen, ein alternatives Konzept der ökologischen Modernisierung Österreichs noch ein attraktives gesellschaftliches Gegenmodell zu Schwarz-blau in den Vordergrund zu rücken. Zudem war es für die ÖVP sehr leicht, unter Hinweis auf die rot-grüne Regierungsbilanz in Deutschland und mit Seitenhieben auf die Grünen (Benzinpreiserhöher, Drogenfreigeber) Angst vor einem solchen Projekt zu schüren. Die Grünen hatten sich mit einer eindeutigen Koalitionsansage bereits auf die SPÖ festgelegt; die Sozialdemokraten spielten hingegen zunehmend mit dem Gedanken einer Neuauflage der großen Koalition zur Beendigung der „Wendepolitik“. Trotz der geringen Bedeutung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen insgesamt finden sich in den Wahlprogrammen aller vier im Parlament vertretenen Parteien Aussagen zu diesen Politikfeldern42 und sowohl von der Regierungs- als auch von der Oppositionsseite wurden Bilanzen über die Umweltpolitik der vorangegangenen Legislaturperiode vorgelegt. Diese Inhalte und die Interventionen anderer umweltpolitischer Akteure wollen wir uns im Folgenden näher ansehen.
6.6.1 Umwelt- und Nachhaltigkeit in den Wahlprogrammen und programmatische Weiterentwicklungen Die ÖVP formulierte in ihrem Wahlprogramm, dem „Österreich-Programm der Volkspartei“ ein Kapitel mit dem Titel „Land & Lebensqualität in einer Welt globaler Verantwortung“. Darin bekennt sie sich neuerlich zur Ökosozialen Marktwirtschaft und betont die Federführung bei der Erstellung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie. Durch Verwaltungsvereinfachungen für zertifizierte Betriebe soll der EMAS-Anteil in den nächsten Jahren um 50 Prozent erhöht werden. Für den Klimaschutz werden höhere Mittel gefordert; die beschlossene Klimastrategie sollte konsequent umgesetzt werden. Im Klimaschutz wie auch in der Abfallwirtschaft setzt die ÖVP v.a. auf freiwillige Vereinbarungen. Das „eigentliche Potenzial zur Reduktion der Umweltbeeinträchtigung“ wird im „Entscheidungsspielraum von Unternehmen und Verbrauchern“ gesehen. Nachhaltigkeit war auch ein zentrales Thema am ÖVP-Bundeskongress 2001 in Alpbach, wo sich die Volkspartei mit Zukunftsfragen auseinandersetzte. Im Rahmen dieses „Alpbach-Prozesses“ (Rauch-Kallat (Hg.) 2001) sollte ein „Arbeitsprogramm für das nächste Jahrzehnt“ erarbeitet werden. Nachhaltigkeit wurde neuerlich in der Interpretation der Ökosozialen Marktwirtschaft interpretiert und mit dem „Wendeprojekt“ zusammengebracht: 42
Im Wahlprogramm des LiF kommt der Begriff Nachhaltigkeit nicht vor und es findet sich darin auch kein Kapitel zu Umweltschutz. Lediglich im „Europaprogramm“ heißt es, dass eine erweiterte Union u.a. auch einen besseren Umweltschutz garantiere. Die KPÖ fordert in ihrem „antikapitalistischen Programm“ ein demokratisches, friedliches, soziales und ökologisches Europa und EU-weite soziale und ökologische Standards. Darüber hinaus tritt sie für den Ausstieg aus den GATS-Verhandlungen ein.
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„Mit unserem neuen Grundsatzprogramm, dem Wiener Programm 1995 haben wir den Schüssel-Ditz-Kurs und damit auch die Wende vorbereitet. Mit dem Heimat-BürgergesellschaftLeitantrag vom April 1999 haben wir unsere Programmatik im Sinne einer partizipatorischen, die Menschen einbeziehenden Gesellschaft, erweitert. Jetzt gehen wir daran, den Stein wieder hinauf zu rollen. Jetzt gehen wir daran, auf der Basis unserer Programmatik, unserer Grundwerte die Baupläne für die nächsten Jahre, für die nächsten Legislaturperioden zu zeichnen. Die Sanierung des Budgets – ein Teil dieser Wende – wird von keinem vernünftigen Menschen heute mehr in Frage gestellt. Es ist kein Selbstzweck, sondern es ist für den Kundigen, für den Sachkundigen die in Zahlen gegossene Umsetzung der Grundsätze der Nachhaltigkeit, der sozialen Sicherheit, die Umsetzung des Leistungsprinzips, der Sicherheit des Generationenvertrags – sie ist die Grundlage der Ökosozialen Marktwirtschaft schlechthin“ (Klubobmann Andreas Kohl, in: ib.: 11).
Das Arbeitspapier „Konzept für ein Nachhaltiges Österreich“ wurde in Alpbach von ÖVPUmweltsprecher und dem Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes Karlheinz Kopf präsentiert. Sowohl die Leitlinien als auch die Handlungsfelder einer Politik der Nachhaltigkeit sind darin sehr allgemein formuliert. Josef Riegler, der dieses Papier kommentierte, erkannte darin „exakt“ die „Philosophie“ der Ökosozialen Marktwirtschaft. Gleichzeitig kritisierte er das Fehlen konkreter politischer Konsequenzen. Vor allem kritisierte er, dass die Ökologisierung des Steuersystems, die laut Arbeitspapier im „europäischen Gleichklang“ vollzogen werden sollte, in anderen EU-Mitgliedstaaten schon wesentlich weiter fortgeschritten ist und Österreich hier nachziehen und von negativen und positiven Erfahrungen lernen sollte (ib., 90). Riegler problematisierte auch, dass es mittlerweile schwer geworden ist, den Begriff der Sozialen oder gar Ökosozialen Marktwirtschaft außerhalb Österreichs zu positionieren und kritisierte, dass selbst die ÖVP – „Weltmeister in der Entwicklung guter Ideen“, aber auch „Weltmeister im ‚Schubladisieren’ solch guter Ideen und Konzepte“ – das programmatisch „verankerte Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft durch Jahre hindurch eher verschwiegen hat“ (ib.: 92). Dass das Konzept Rieglers nach wie vor vom „grünen“ Parteiflügel anders interpretiert wird als vom Wirtschaftsflügel, zeigte der Vortrag von Wirtschaftskammerpräsident Leitl, der insbesondere für Deregulierungen und Liberalisierung eintrat. Hinsichtlich der Steuerpolitik lagen die Schwerpunkte klar bei Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Absenkung der Steuern und Abgaben. Zwar forderte auch er eine Ökosteuer, jedoch eine „positive Ökosteuer, die Anreize für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen gibt“, statt einer „negativen Ökosteuer, die den Energieverbrauch besteuert“ (ib.: 116). Im Freiheitlichen Wahlprogramm, das mit 106 Seiten das umfangreichste war, wurden Themen alphabetisch angegangen und erstrecken sich von „Abfertigung Neu“ bis „Volksgruppen und Vertriebene“. Umwelt, Nachhaltigkeit oder Klimaschutz bilden kein eigenes Thema. Umweltthemen kommen aber im Energieteil, im Kapitel zur Land- und Forstwirtschaft, zum Generalverkehrsplan, zur Gentechnik und zum Transit vor. Im Bereich der Energiepolitik tritt die FPÖ für weitere Liberalisierungen und für eine Erhöhung des Anteils aus erneuerbaren Energieträgern (Wasserkraft, Biomasse, Wind- und Solarenergie) ein. Insbesondere der „forcierte Ausbau der erneuerbaren Energie aus Biomasse stellt nach Ansicht der Freiheitlichen das größte Entwicklungspotenzial dar.“ Daraus resultiere auch ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der Klimastrategie. Im 24seitigen Wahlprogramm der SPÖ mit dem Titel „Faire Chancen für alle! 26 Projekte für die Zukunft Österreichs“ wird im Kapitel C „Für eine lebenswerte Umwelt und gesunde Lebensmittel“ insbesondere eine Klimaschutzoffensive gefordert. Die SPÖ bekennt sich darin, die Fehlentwicklungen und Versäumnisse der letzten zwei Jahre korrigie218
ren zu wollen. Sie tritt gegen den Ausverkauf von Wald und Wasser und den freien Zugang zur Natur, gegen Gentechnik in Lebensmittel und in der Landwirtschaft, „solange nicht alle möglichen Folgen verantwortungsvoll abgeklärt sind“, und für ein Bundestierschutzgesetz ein. Das von Parteichef Alfred Gusenbauer initiierte Projekt „Netzwerk Innovation“, dessen Ergebnisse rechtzeitig für den Wahlkampf in Buchform herausgegeben wurden (Gusenbauer (Hg.) 2002), positionierte sich die SPÖ auch zur Nachhaltigkeitspolitik, die als sozialdemokratisches „Fortschrittsmodell für das 21. Jahrhundert“ interpretiert wurde. Als konkrete Ziele wurden darin der Umstieg auf erneuerbare Energien, die Ökologisierung der Finanzmärkte, eine integrierte Produktpolitik, die Ökologisierung der Agrarpolitik, die demokratische Kontrolle über die Ressource Wasser sowie ein Wandel der Verkehrspolitik und der Lebensstile formuliert. Im Bereich Wachstum, Beschäftigung, Verteilung und Budget wurde darüber hinaus die ökologische Nachhaltigkeit als gleichgewichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik neben Vollbeschäftigung, Verteilungsgerechtigkeit, Wirtschaftswachstum und Preisstabilität genannt. In der SPÖ war insgesamt aber kein starker Wille zu einem rot-grünen Reformprojekt erkennbar. Strategisch gingen die Sozialdemokraten vielmehr davon aus, als stimmenstärkste Partei neuerlich die ÖVP in eine Große Koalition zurückholen zu können. Die Grünen, die mit der Umweltpolitik unter der Wenderegierung besonders unzufrieden waren und eine „Politik gegen die Natur“ kritisiert haben, betonten im Wahlkampf das Konzept der Nachhaltigkeit, und zielten insbesondere auf einen Kurswechsel durch eine neue Regierungskonstellation. Institutionell sollte dieser Wandel v.a. durch die Schaffung eines starken eigenständigen Umweltministeriums Ausdruck finden, für das die Grünen die Zuständigkeit anstrebten. Noch vor dem Wahlkampf legten sie mit dem grünen „AntiAtom-Buch“ eine Strategie für eine europäische Energiewende vor (Glawischnig/Anschober/Korschil 2002). Der Wahlkampf selbst war dann stark auf das grüne Spitzenteam und insbesondere auf den grünen Spitzenkandidaten Alexander van der Bellen fokussiert. Programmatisch positionierten sich die Grünen zu den Themen Umwelt/Nachhaltigkeit mit dem Wahlkampfprogramm und einem eigenen Umweltprogramm „Österreich braucht wirksamen Umweltschutz. ‚Nachhaltigkeit für zukünftige Generationen’. Das Umweltprogramm der Grünen“ in der Öffentlichkeit. Damit legten die Grünen das umfangreichste und konkreteste Konzept für eine Politik der Nachhaltigkeit vor. Sie formulierten darin die Eckpfeiler grüner Umweltpolitik und Forderungen in den Bereichen Energie- und Ressourcenpolitik, Naturschutz, Wasserpolitik, Land- und Forstwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Gentechnik, Tierschutz, Mobilität, Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie internationale Umweltpolitik. Österreich sollte auf der Grundlage dieses Programms eine internationale Vorreiter-Rolle einnehmen und „Umweltmusterland“ werden.
6.6.2 Bilanzen und politische Interventionen Soweit Umweltthemen angesprochen waren, zeigten sich auch im Wahlkampf die zwei Diskurskoalitionen, die bereits unter Schwarz-Blau zu beobachten gewesen sind und die sich v.a. dadurch unterscheiden, wie umweltpolitische Erfolge, Misserfolge und Notwendigkeiten interpretiert werden und wer für die Resultate wie verantwortlich ist. Am heftigsten waren die Auseinandersetzungen zwischen den Grünen und den Umweltverbänden einerseits und der ÖVP (inklusive FP-Finanzminister Grasser) andererseits. 219
Vonseiten des Lebensministeriums wurden für die ablaufende Legislaturperiode Bilanzen für die Bereiche Umwelt, Landwirtschaft und Wasser vorgelegt, die ein positives Bild präsentierten. Durch die Zusammenlegung des Umweltressorts mit dem Landwirtschaftsressort sei es trotz Sparzwang dank der Konzentration auf Prioritäten und Umstrukturierungen zu keinem Qualitätsverlust gekommen. Ein Teilaspekt der ÖVP-Wahlkampfstrategie bestand in einer scharfen Polemik gegen die Grünen, die als nicht regierungsfähig und gefährlich dargestellt wurden. Insbesondere Klubobmann Kohl attackierte die Grünen und allen voran deren Umweltsprecherin Eva Glawischnig, die zwar „wunderschön, aber genauso radikal marxistisch wie [Sozialsprecher] Öllinger“ sei (zit. nach profil 40, 30. Sept. 2002: 24). Sehr zum Erregen der Grünen warf schließlich ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat den Grünen vor, bei Umweltthemen in vielen wichtigen Diskussionen nicht präsent zu sein. Lebensminister Molterer mache hingegen „konsequent Umweltpolitik, die Österreich im Bereich Lebens- und Umweltqualität an die Weltspitze geführt“ habe. Die ÖVP und ihre Umweltminister hätten seit mehr als 15 Jahren das Modell der Ökosozialen Marktwirtschaft umgesetzt: „Die Grünen versuchen nun, dieses Programm zu kopieren. Zwischen Kopieren und Kapieren ist aber ein Unterschied“, den die Grünen nie wirklich verstanden hätten. „Ihre Devise in der kaum noch sichtbaren Umweltpolitik laute: ‚Belasten, bevormunden, besteuern statt Zusammenarbeit mit Konsumenten und Wirtschaft’“ (ÖVP Presseaussendung 08.11.2002).
Die Grünen ihrerseits präsentierten sich ebenfalls als einzige Partei, „die ein umfassendes Umweltprogramm vorgelegt habe“ und „die Umweltanliegen mit dem nötigen Engagement vertrete“ (Presseaussendung 08.11.2002). Sie forderten insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, erneuerbare Energien, Transitverkehr, Hochwasserschutz und AntiAtompolitik eine „aktive Politik“. An Molterer kritisierte die grüne Umweltsprecherin Glawischnig insbesondere, dass er die Option der Gentechnik für die Landwirtschaft „entgegen dem Willen der Bevölkerung“ offen halte. Das Wahlprogramm der ÖVP war aus ihrer Sicht in den Bereichen Klimaschutz, Atompolitik, Gentechnik und Wasser problematisch. Die FPÖ wiederum „entdecke die Umweltpolitik ohnehin immer nur in Wahlkampfzeiten.“ Als Regierungspartei habe die FPÖ „alle umweltpolitischen Positionen aufgegeben“ (ib.). Diese Kritik wurde ähnlich auch von der SPÖ-Umweltsprecherin Ulrike Sima vorgetragen, die den Regierungsparteien das Verfolgen „rein kurzfristiger Interessen“ vorwarf. Sie forderte v.a. einen „sofortigen Stopp des Privatisierungswahns“, der „nur dem Stopfen des von Schwarz-Blau zu verantwortenden Budgetlochs“ diene (SPÖ Presseaussendung 08.11.2002). SPÖ und die Grünen haben auch Bilanzen der schwarz-blauen Umweltpolitik ausgearbeitet, um die Versäumnisse und Fehler der Regierung schärfer zu kritisieren und den eigenen Vorstellungen gegenüberzustellen. Auch hier gab es große Ähnlichkeiten in der Analyse, wenngleich sicherlich festgehalten werden kann, dass diese Sichtweise bei den Grünen eine wesentlich breitere Basis hat als bei den Sozialdemokraten, die immerhin die Entwicklung der Umweltpolitik jahrzehntelang als erfolgreich und Leistung der eigenen Politikgestaltung dargestellt haben.
6.6.3 Intervention der Umweltverbände In den vergangenen Jahren haben Programmvergleiche in Wahlkampfzeiten entlang einzelner Themen in den Medien stark zugenommen. Umweltfragen spielten dabei in der Regel 220
immer eine untergeordnete Rolle. Im Wahlkampf 2002 machten die Trägerorganisationen des ÖKOBÜROs, darunter Global 2000, WWF, Greenpeace und Vier Pfoten, unzufrieden mit der Umweltpolitik unter der Wenderegierung, einen solchen Programmvergleich basierend auf den Wahlkampfprogrammen der vier im Nationalrat vertretenen Parteien und den Antworten auf einen den Parteien übermittelten Fragenkatalog. Dazu starteten sie eine „Umweltinfo-Offensive im Internet“. Aus der Sicht der kritisierten Regierungsparteien handelte es sich dabei um eine klare Intervention zugunsten einer Rot-Grünen-Regierung. In einer Pressekonferenz am 8. Oktober 2002 stellte das ÖKOBÜRO seine Forderungen in den Bereichen Klimapolitik, Gewässerpolitik, Energiepolitik und Tierschutz den jeweiligen Versäumnissen gegenüber. Aus der Sicht der Umweltverbände sollte Österreich „wieder Umweltmusterland“ werden, da das Land im internationalen Vergleich immer schlechter abschneide. Dazu wurde ein 10 Bereiche umfassendes „Positionspapier für das Arbeitsprogramm der Regierung in der kommenden Legislaturperiode“ vorgelegt, mit dem eine „deutliche und messbare Wiederbelebung“ der Umweltpolitik von der nächsten Regierung eingefordert wurde. Die Forderungen wurden auch an die vier Parlamentsparteien übermittelt, die in ihren Parteileitungen verbindliche Beschlüsse zu deren Umsetzung fassen sollten. Die Analyse der Rückmeldungen aus den Parteien sollte der Bevölkerung als „Entscheidungshilfe“ hinsichtlich des Umweltprofils der Parteien dienen (ÖKOBÜRO 26.09.2002). Eine zentrale Forderung der Umweltverbände war die Schaffung eines starken und eigenständigen Umweltministeriums, um zu garantieren, dass Umweltschutz keine „Nebensache“ bleibe. Am 8. November 2002 präsentierten Vertreter der Trägerorganisationen des ÖKOBÜROs die Ergebnisse ihres Parteienvergleichs. Die ÖVP erreichte darin 10-mal die Bewertung „nicht zufrieden stellend“ und dreimal „wenig zufrieden stellend“; die SPÖ kam auf sechs „wenig zufrieden stellend“ und sieben „zufrieden stellend“; die FPÖ auf 11-mal „nicht zufrieden stellend, ein „wenig zufrieden stellend“ und ein „zufrieden stellend“; die Grünen punkteten mit 13-mal „zufrieden stellend“. Im Konkreten kritisierten die Umweltverbände mehrere Mängel in den Wahlprogrammen der Parteien. Beim Klimaschutz und dessen Finanzierung attestierten sie den Grünen und der SPÖ „ein recht ambitioniertes Umwelt-Programm“, wenngleich der „Vorschlag im Verkehrsbereich etwas kraftlos“ erscheine. Bei den Freiheitlichen fehlte dieser Bereich; die ÖVP wiederum ließ die Finanzierung des Klimaschutzes unbeantwortet. Für eine ökologische Steuerreform sprachen sich nur die Grünen eindeutig aus. Allerdings vermissten die Kritiker hier den mangelnden Willen und Mut, den im EU-Vergleich zu niedrigen Spritpreis zumindest auf das deutsche Niveau anzuheben. Vier Pfoten kritisierte hinsichtlich tiergerechter Haltungsformen und weniger Intensivtierhaltung halbherzige Lösungsansätze und das Fehlen konkreter Maßnahmen. Einzig die Grünen schnitten hier mit ihrer Forderung nach Förderungen und steuerlichen Begünstigungen für Betriebe, die artgerechte Tierhaltung praktizieren, positiver ab (ÖKOBÜRO Pressemeldung 08.11.2002). Im Rahmen der von ATTACK am 15. November 2002 gestarteten Stopp-GATS-Kampagne, an der sich auch Umweltorganisationen beteiligen, wurde ebenfalls eine Parteienbefragung durchgeführt, die folgendes Ergebnis brachte: SPÖ, Grüne und KPÖ wollen das GATS stoppen und treten für die geforderte Evaluierung ein. Die ÖVP behauptet, dass öffentliche Dienstleistungen vom GATS nicht betroffen seien und will die Verhandlungen vorbehaltlos fortsetzen. Die Freiheitlichen und das LiF wollen zwar die Qualität der Grundversorgung sicherstellen, treten aber nicht für einen Verhandlungsstopp ein.43 43
http://www.ug-oegb.at/auge/bund/aktuell/02/021115a.htm.
221
6.6.4 Interventionen der Interessenvereinigungen Vonseiten der Wirtschaftskammer wurde kurz vor der Nationalratswahl ein „‚12-Punkte Vorschlagsprogramm’ zur Zukunftssicherung Österreichs“ vorgelegt und der Öffentlichkeit präsentiert. Punkt 9 dieses Programms behandelt das Thema Nachhaltigkeit. Die WKÖ fordert darin, bei Maßnahmen, die eine Kostenbelastung bedeuten, „den größtmöglichen internationalen Gleichklang“ und das Vermeiden nationaler „Alleingänge“. Verbesserungsbedarf bestehe v.a. in den Bereichen Klimaschutz und Hochwasserprophylaxe. Die Ziele einer Nachhaltigkeitspolitik bestünden in der „Aufrechterhaltung der weltweit anerkannten führenden Stellung Österreichs in den Bereichen Umwelttechnik, Energietechnik und Umweltmanagement“, der Trendumkehr in der Klimapolitik durch die Erfüllung der Klimaschutzverpflichtungen (13 Prozent Reduktion bis 2010), dem Sicherstellen des bestmöglichen Schutzes der Bevölkerung vor Hochwasserkatastrophen sowie der bestmöglichen Nutzung von Chancen bzw. Vermeidung von Nachteilen für den Wirtschaftsstandort. Hinsichtlich des umstrittenen Ziels der Schwarz-Blauen-Bundesregierung, nicht länger über EU-Umweltstandards hinausgehen zu wollen, forderte die WK „kein überzogenes ‚Golden Plating’ bei der Umsetzung von EU-Umweltrecht“ und eine „möglichst weitgehende Harmonisierung der umweltrechtlichen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene“. Die AK und der ÖGB konzentrierten sich im Bereich der Umweltthemen weitgehend auf die Kritik des GATS, wo sie gegen die damit verbundenen Liberalisierungs- und Privatisierungspläne insbesondere im Bereich Wasser Position bezogen und sich der StoppGATS-Initiative anschlossen. In den Forderungen an die künftige Regierung sprach sich der ÖGB im Bereich Europapolitik für einen GATS-Verhandlungsstopp und eine Evaluierung aller bisherigen im Rahmen der WTO erfolgten Liberalisierungsschritte und im Bereich Wirtschaftspolitik gegen Privatisierungen bei Unternehmen der Daseinsvorsorge mit gemeinwirtschaftlichen Versorgungsauftrag aus (ÖGB 2002: 3). Die österreichische Bundesregierung sollte sich auf EU-Ebene auch für eine Harmonisierung und Ökologisierung des Steuersystems sowie für die Umsetzung der Kyoto-Ziele einsetzen (ib.: 8 u. 10). Auf nationaler Ebene forderte der ÖGB jedoch nur eine Steuersenkung zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, kein Ökologisierung (ib.: 11). Die künftige Regierung sollte zudem öffentliche Infrastrukturinvestitionen (Schienen- und Straßeninfrastruktur) tätigen, die Wettbewerbsfähigkeit von Umwelt-Technologien und -Dienstleistungen verbessern sowie die Umstellung auf erneuerbare Energieträger forcieren (ib.). Darüber hinaus stellte der ÖGB vage Forderungen im Bereich „Humanisierung, Technologie, Umwelt“ (qualitativ hochwertiger ArbeitnehmerInnenschutz, Ausbau der betrieblichen Gesundheitsvorsorge), u.a. nach einem „Ozon-ArbeitnehmerInnengesetz“ (ib.: 36f.). Österreich solle „sich bei den Gesundheitsstandards nicht am EU-Durchschnitt orientieren, sondern die gesundheitlichen Standards kontinuierlich über die europäischen Mindestvorschriften anheben“ und „konkrete EU-Schutzziele in nationales Recht umsetzen.“ Das Thema Nachhaltigkeit kommt im Gegensatz zur WKÖ im Forderungskatalog des ÖGB nicht vor.
6.7 Umweltthemen bei der Regierungsbildung 2002/2003 Aufgrund des Wahlergebnisses vom November 2002 ergab sich erstmals die Möglichkeit, dass sich die ÖVP ihren Koalitionspartner aus den anderen drei im Nationalrat vertretenen Parteien aussuchen konnte. Die FPÖ, die die Regierungskrise infolge interner Turbulenzen 222
ausgelöst hatte, konnte sich nicht konsolidieren, zumindest gelang es ihr nicht, zu vermitteln, dass sich der Flügel, der den Regierungskurs mitgetragen hat und regierungsfähig schien, gestärkt hätte. Unter Herbert Haupt, der als Kompromisskandidat die Rolle des freiheitlichen Spitzenkandidaten übernahm, positionierte sie sich zwar eindeutig für eine weitere Regierungsbeteiligung und rückte dafür auch von ihren Vetodrohungen hinsichtlich der EU-Osterweiterung ab. Die FPÖ wies auch die größte programmatische Übereinstimmung zur ÖVP hinsichtlich der Budgetkonsolidierung und der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf. Die Instabilität und Führungskrise bei den Freiheitlichen, insbesondere die Frage der zukünftigen Rollenverteilung zwischen Moderaten und „Knittelfelder-Putschisten“, sowie die möglichen Auswirkungen einer Neuauflage von Schwarz-Blau auf die internationalen Beziehungen veranlassten die ÖVP-Führung jedoch andere Regierungskonstellationen auszuloten. Dazu wurden „Sondierungsgespräche“ mit SPÖ, FPÖ und den Grünen aufgenommen. Aufgrund der Verhandlungsstrategie Bundeskanzler Schüssels, die ÖVP wie bereits erfolgreich im Wahlkampf als einzige nach allen Seiten hin offene Partei der Mitte zu präsentieren, gelangten somit die SPÖ und die Grünen unter Druck, sich einer potenziellen Regierungsbeteiligung nicht zu entziehen. Gusenbauer hatte vor den Wahlen noch angekündigt, die SPÖ werde in Opposition gehen, falls sie als zweite aus den Wahlen hervorging, was bei den Grünen heftige Kritik auslöste. Da die Grünen sich vor den Wahlen eindeutig für Rot-Grün positioniert und die Wenderegierung insgesamt scharf kritisiert hatten, führte der aufgenötigte Kurswechsel zu heftigen internen Auseinandersetzungen über die weitere strategische Vorgangsweise. Dass die ÖVP stimmenstärkste Partei werden und sich eine Schwarz-Grüne-Koalition ausgehen könnte, war von den grünen Strategen nicht einkalkuliert worden. Die Parteiführung entschloss sich nach ersten Vorstößen grüner Landespolitiker schließlich zu ersten Gesprächen, da irgendwer das Land ja regieren müsse (Van der Bellen). Um Glaubwürdigkeit infolge der Kritik an der Rechtsentwicklung der ÖVP zu behalten, forderten die Grünen zur Fortführung und Intensivierung dieser Gespräche eine klare Richtungsentscheidung von der ÖVP, darin bestehend, dass diese die Parallelverhandlungen mit der FPÖ sofort beenden sollte. Da die ÖVP-Führung dazu nicht bereit war, waren die Grünen vorerst wieder aus dem Spiel. Dennoch gab es weiterhin einzelne Vorstöße vonseiten grüner Politiker, die Grünen wieder zur Aufnahme von Gesprächen zu bewegen und bei der ÖVP Interesse für Schwarz-Grün zu wecken. V.a. Christoph Chorherr, der Klubobmann der Wiener Grünen, forderte eine Zusammenarbeit entlang von bestimmten Projekten. Auch informelle Vieraugengespräche zwischen den beiden Parteien wurden fortgesetzt (Der Standard 10.01.2003: 3), wobei Van der Bellen betonte, dass es insbesondere hinsichtlich der persönlichen Beziehungen viel aufzuholen gebe, um Vertrauen zwischen den Akteuren aufzubauen (Der Standard 13.01.2003). Schüssel legte schließlich ein Zehn-Punkte-Programm für die Reform Österreichs als Grundlage für die Regierungsverhandlungen vor. Dieses Programm beinhaltete im letzten Punkt zu Budgetfragen neben der Ankündigung, die Abgabenquote auf 40 Prozent im Jahr 2010 zu reduzieren, auch die Ökologisierung des Steuersystems im Rahmen der Steuerreform. Auf der Grundlage des Zehn-Punkte-Programms wurden dann insbesondere mit der SPÖ die Gespräche in Expertenarbeitsgruppen intensiviert. Insgesamt waren Europa, innere und äußere Sicherheit, Wirtschaft und Soziales, Bildung, Budget, Steuerpolitik, Infrastruktur, Umwelt und Staatsreform die Themenblöcke bei den Sondierungsgesprächen zwischen SPÖ und ÖVP bzw. FPÖ und ÖVP. In der Öffentlichkeit waren Umweltthemen zunächst kaum wahrnehmbar. Im Umweltbereich forderte die SPÖ schließlich „ein eigenständiges, die Umweltinteressen umfassend vertretendes Umweltressort, um die ökologische Moder223
nisierung Österreichs voranzutreiben“ (Der Standard 10.01.2003: 3). Christoph Chorherr drängte weiter auf eine grüne Regierungsbeteiligung und forderte, die ÖVP auf ein Nachhaltigkeitsprogramm festzulegen. Die Kernpunkte dieses Programms bestanden in energiepolitischen Forderungen zur Förderung von Biomasse und in einer „stark ökologisch lenkenden Steuerreform“. Die Grünen sollten dazu das Umweltressort übernehmen, um die „Lorbeeren“ nicht „einem Minister Molterer“ zu überlassen (Der Standard 04.01.2003: 6). Ein Bezug zur Nachhaltigkeitsstrategie oder die Forderung nach einer Überarbeitung und Weiterentwicklung derselben bzw. nach einer Gesamtausrichtung an einer Politik der Nachhaltigkeit fehlten in Chorherrs „Nachhaltigkeitsprogramm“. Insgesamt löste der durch die Regierungsoption ausgelöste Wandel bei den Grünen starke Spannungen aus. Die ehemalige grüne Frontfrau, Freda Meissner-Blau, betrachtete eine mögliche schwarz-grüne Koalition als „Verrat an den Grundsätzen der Grünen“. Vor allem die Wiener Grünen teilten mehrheitlich diese Ansicht und schlossen weiterhin eine Regierungsbeteiligung mit der ÖVP, die sich in den letzten Jahren deutlich nach rechts entwickelt habe, aus. In der Bundesparteispitze setzte sich jedoch eine differenziertere Sichtweise der ÖVP durch, verbunden mit der Hoffnung durch eine Regierungsbeteiligung ein „liberales, grünes, ökologisches Korrektiv“ zur ÖVP in einer möglichen Koalition bilden zu können (Alexander Van der Bellen, in: Neue Kronen Zeitung 09.02.2003: 14). Die Industriellenvereinigung mahnte bei den Regierungsverhandlungen insbesondere „die strukturelle Entfesselung Österreichs“ ein. Die zukünftige Regierung sollte v.a. das Wirtschaftswachstum fördern und eine „Aufholstrategie“ zu „den besten Europas“ verfolgen. Neben einer weiteren Liberalisierung sollten Maßnahmen zur Öffnung der Dienstleistungs- und Arbeitsmärkte getroffen und die Biotechnologie sollte als besonders wachstumsund innovationsfördernde Industrie gefördert werden. Die Umweltorganisationen intervenierten in den Regierungsbildungsprozess punktuell und relativ oberflächlich gemäß ihren thematischen Schwerpunkten, dabei aber auch mit sehr konkreten Forderungen. Vier Pfoten forderte die Einhaltung des ÖVP-Wahlversprechens nach einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz und fürchtete einen ÖVP-Kniefall vor der Bauernlobby (Vier Pfoten Presseaussendung 06.12.2002). Aus der Sicht von Global 2000 nahmen Umweltthemen in den Sondierungsgesprächen eine viel zu geringe Rolle ein bzw. waren „völlig ausgeklammert“. Daher erscheine ein „umweltfeindlicher Kurs für die kommende Legislaturperiode […] vorprogrammiert“. Die verhandelnden Parteien sollten mindestens 150 Mio. Euro jährlich für Klimaschutzmaßnahmen vorsehen (Global 2000 Presseaussendung 14.01.2002). In beiden Presseaussendungen fehlte ein Bezug zu den ÖKOBÜRO-Forderungen aus dem Wahlkampf und zu „Nachhaltigkeit“. Weitreichender waren die Forderungen von Greenpeace an die künftige Regierung. Die Umweltschutzorganisation forderte eine „Koalition für die Umwelt“: „Dafür müssten zentrale ökologische Maßnahmen wie der europäische Atomausstieg, ein gentechnikfreies Österreich, sowie ein Klimaschutzpaket mit einer ökologischen Steuerreform auf Punkt und Beistrich im Koalitionsabkommen der künftigen Bundesregierung festgeschrieben werden. Sollte es punktuell zu keiner Einigung kommen, fordert Greenpeace die Abhaltung von Volksabstimmungen zu offnen ökologischen Fragen. Bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung muss jedenfalls der koalitionsfreie Raum genutzt werden, um das freie Spiel der politischen Kräfte für die Umwelt im Parlament zu nutzen“ (Greenpeace Presseaussendung 16.12.2002).
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Für den Fall, dass „die Umwelt ‚über den grünen Tisch’ gezogen werde, kündigte Greenpeace „massiven Widerstand“ an. U.a. sollte ein Volksbegehren für den europaweiten Atomausstieg eingeleitet werden, die erforderlichen Unterschriften zur Einleitung dieses Volksbegehrens wurden bereits gesammelt. Greenpeace Bereichssprecher präsentierten auch einen „Drei-Stufen-Plan für eine grundlegende Ökologisierung der Politik in Österreich“: „Für die Fase 1 ‚freies Spiel der ökologischen Kräfte’ bis zur Regierungsbildung pocht Greenpeace auf einen Vier-Parteien Antrag für die Erlassung eines Verfassungsgesetzes ‚atomfreies Europa’ mit genereller Ministerbindung und Volksabstimmung über eben dieses Verfassungsgesetz einzubringen. Falls dies scheitern sollte, fordert Greenpeace die Abhaltung einer Volksbefragung über eine generelle Ministerbindung für den europäischen Atomausstieg. Diese müsste mit einfacher Mehrheit im Parlament beschlossen werden. Darüber hinaus soll eine einfache parlamentarische Mehrheit die Bedingungen für die Ökologisierung des Steuersystems mit konsequenter Klimaschutzausrichtung im Rahmen der nächsten Steuerreform vorgeben. Außerdem verlangt Greenpeace ein Maßnahmen-Paket gegen Gentech-Freisetzungen, Gentechnik in Lebens- und Futtermitteln und Genpatente. In Fase 2 ‚Umweltkoalitionsabkommen’ sind dann längerfristige, gesetzliche Umweltmaßnahmen verbindlich in ein Koalitionsabkommen aufzunehmen. In Fase 3, der ‚Legislaturperiode für die Umwelt’, soll das Umweltaktionsprogramm dann konsequent umgesetzt werden“ (ib.).
Umweltschutz sollte „Vorrang vor ideologischen Positionen, taktischen Spielereien oder Klientelpolitik“ einnehmen. Parteien sollten Regierungsverantwortung übernehmen, wenn es gelingt, ein „wegweisendes umweltpolitisches Regierungsprogramm“ zu formulieren, „auf Basis eines schlechten Umweltprogramms“ sollten Parteien in Opposition bleiben (ib.). Das Ökosoziale Forum und der Biomasseverband forderten eine ökosoziale Steuerreform; Eurosolar ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere zur Förderung erneuerbarer Energien (siehe Energiepolitik und Klimaschutzpolitik). Der Umweltdachverband präsentierte am 31. Januar 2003 ein Umweltprogramm für Österreich (UWD 2003), mit dem die neue Regierung aufgefordert wurde, die Umweltpolitik „anzukurbeln“. Der Präsident des UWD Gerhard Heilingbrunner forderte eine „aktive und verlässliche Umweltpolitik auf nationaler als auch auf europäischer Ebene“ (UWD Presseaussendung 31.01.2003). Im „Umweltprogramm“ formulierte der UWD insgesamt 15 „Kernaufgaben, die unverzichtbarer Bestandteil einer aktiven Umwelt- und Naturschutzpolitik der kommenden Legislaturperiode sein“ sollten: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Konsequente Umsetzung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie Stärkung der Naturschutz- und Schutzgebietspolitik Verbindliche Umsetzung einer ökosozialen Steuerreform Bürgerfreundliche Verkehrspolitik, die sich Mensch und Natur unterzuordnen hat Ambitionierte Energie- und Klimaschutzpolitik Konsequenter Alpenschutz und rasche Umsetzung der Alpenkonvention Glaubwürdige Anti-Atompolitik Neue Impulse zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Land- und Forstwirtschaft zur Stärkung des ländlichen Raumes 9. Mehr Lebensmittelsicherheit 10. Ökologischer Hochwasser- und Gewässerschutz
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11. Kein Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge (GATS) und von natürlichen Ressourcen (Wälder, Seen, Gletscher) 12. Parteistellung von Umwelt- und Naturschutz-NGOs 13. Umweltbildung – Bildung zur Nachhaltigkeit 14. „Nachhaltige“ EU-Erweiterung 15. Gesetz zum Schutz vor nicht-ionisieerender Strahlung.
Global 2000 schrieb schließlich über das Internet auf http://www.umweltministerium.at die Stelle der bzw. des zukünftigen Umweltminister/in als Teilzeitjob aus, da Umweltpolitik im „Umweltmusterland“ eben „nur eine Nebenjob“ sei: „Seit dem Jahr 2000 gibt es in Österreich kein eigenständiges Umweltministerium mehr. Die Zusammenlegung der Ressorts Umwelt und Landwirtschaft zeigen den geringen Stellenwert, den die Regierung der Umweltpolitik in Österreich zumisst. Der Interessenskonflikt, der durch die Doppelfunktion Umwelt- und Landwirtschaftsminister entsteht, geht eindeutig zu Lasten des Umweltschutzes. Um dringende Umweltprobleme wie zum Beispiel Klimaveränderung oder mangelhafte Lebensmittelsicherheit bewältigen zu können, braucht Österreich ein eigenständiges Umweltministerium. Umweltschutz ist kein Nebenjob!“
Das Stelleninserat erschien zusätzlich am 1. März (da gab es schon die neue Regierung inklusive neuem Umweltminister, siehe unten) in Tageszeitungen mit folgendem Text: „Zu Ihren Fähigkeiten zählen gutes Auftreten, geschulte Rhetorik sowie Risikofreude gegenüber Gentechnik und Atomkraft. Sie stehen zu Ihrer bedingungslosen Kooperationsbereitschaft mit Industrie und Wirtschaft. Sie verstehen es ausgezeichnet das Image des „Umweltmusterlandes Österreich“ aufrecht zu erhalten, während Sie sich in der Umsetzung von Klimaschutzzielen konsequent zurückhalten. Sie können gegenüber Umweltproblemen gelassen bleiben und reagieren nicht auf Kritik und Forderungen von UmweltschützerInnen. Die vakante Stelle wird seit der Auflösung des Umweltministeriums im Jahr 2000 als Teilzeitjob definiert. Interesse an Ihrer Umwelt ist von Vorteil aber nicht Bedingung.“
Doch kehren wir wieder zurück zum weiteren Regierungsbildungsprozess und dem Stellenwert von Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Ende Januar legte die SPÖ der ÖVP ein Papier mit dem Titel „12 Initiativen für ein modernes Österreich“ für intensivere Gespräche vor. Darin fand sich u.a. die Forderung, im Steuersystem das „Prinzip ökologischer Nachhaltigkeit“ zu beachten. Desweiteren sollten die Neuorientierung der EU-Agrarpolitik unterstützt, die Privatisierung der Bildungs- und Daseinsvorsorge im Rahmen der GATS-Verhandlungen verhindert und der Generalverkehrsplan umgesetzt werden. Weitere umweltpolitische Forderungen kamen in den 12 Initiativen nicht vor. Allerdings wurde darin darauf verwiesen, dass die Liste nicht vollständig ist „und nur beispielhaft die Richtung für Überlegungen betreffend ein umfassendes Regierungsprogramm angeben soll“ (SPÖ 2003). Die ÖVP lehnte ein Eingehen auf diese „Bedingungen“ ab. Während die Sondierungsgespräche in Expertengruppen zwischen ÖVP und SPÖ wenig Übereinstimmung in zentralen Reformprojekten brachten und eine FPÖ-Regierungsbeteiligung von der ÖVP neben der Option einer Minderheitsregierung weiter als Notnagel offengehalten wurde, gelang es schließlich den Grünen sich wieder ins Spiel zu bringen und die informellen Gespräche neuerlich in formelle Sondierungsgespräche zu überführen. In den informellen Gesprächen waren v.a. die Übereinstimmungen im Hinblick auf eine Öko226
soziale Marktwirtschaft betont und die kritischen Punkte (Abfangjäger, Studiengebühren, Selbstbehalte im Gesundheitswesen, etc.) relativiert worden. In diesen Gesprächen wurden schließlich Fortschritte erzielt, die beide Parteien veranlassten, trotz starker Zweifel auf beiden Seiten die Chancen von Schwarz-Grün in offiziellen Regierungsverhandlungen auszuloten, wobei vonseiten der ÖVP und der Wirtschaft von den Grünen ein „moderater, nicht fundamentalistischer“ Kurs eingefordert wurde. Die Grünen wiederum stellten eine klar erkennbare „grüne Handschrift“ als Bedingung für ein schwarz-grünes Regierungsprogramm, ohne die es keine Zustimmung durch den grünen Bundeskongress und damit keine Regierungsbeteiligung geben werde. An der grundsätzlichen Notwendigkeit eines Sparprogramms zweifelten die Grünen nicht. Dadurch sollte ein „budgetärer Spielraum für Zukunftsinvestitionen“ entstehen (Van der Bellen, in: Kurier 09.02.2003: 2). Am 10. Februar 2003 begannen schließlich die offiziellen Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und den Grünen. Van der Bellen formulierte die Bereiche Umwelt- und Klimaschutz, Ökologie, Integrationspolitik, Frauenpolitik und Bildung als Kernfragen und forderte vom Verhandlungspartner „Respekt vor dem Partner“ und „Wahrung höchster Diskretion“ (Van der Bellen, in: Neue Kronen Zeitung 09.02.2003: 14). Nachdem die ÖVP und die Grünen offizielle Regierungsverhandlungen aufgenommen hatten, richtete sich der Geschäftsführer von Greenpeace Österreich, Dr. Bernhard Drumel, mit einem „Offenen Brief“ an den Grünen Parteivorsitzenden Alexander Van der Bellen. Greenpeace begrüßte darin zunächst die Koalitionsverhandlungen, stellte aber gleichzeitig die Bedingung an die Grünen, „dass zentrale ökologische Vorgaben erfüllt werden“ müssten: „Sollten diese mit der ÖVP nicht erreichbar sein, fordern wir Sie zum sofortigen Ausstieg der Grünen aus den Koalitionsverhandlungen auf.“ Aufgrund grüner Regierungsbeteiligungen in anderen Staaten fürchtete Greenpeace den Verrat der „grünen Idee“. Als zentrale Forderungen nannte Greenpeace die Reduktion der Treibhausgasemissionen im Rahmen eines wirkungsvollen Klimaschutzes basierend auf einer groß angelegten „Ökosteuerreform“, den entschiedenen Kampf gegen die europäische Atomindustrie und den Einsatz für ein gentechnikfreies Österreich. Die Aufnahme von Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und den Grünen beweist endgültig den Wandel der Grünen von einer Protestpartei zu einer „normalen“ Partei, die zwar nach wie vor über besondere Beziehungen zur Protest- und Umweltbewegung hat, aber trotzdem professionell genug ist, um als potenzieller Regierungspartner ernstgenommen zu werden. Dies drückt sich am deutlichsten in der Bereitschaft aus, Abstriche vom Programm vorzunehmen. Waren die Grünen in den 1980er Jahren noch überzeugt, dass die Umsetzung ihres Programms nicht mehrheitsfähig ist und schlossen sie daraus noch, dass die Grünen eine konstruktive und treibende Opposition im parlamentarischen Machtgefüge spielen sollten, so wurden im Zuge des Regierungsbildungsprozesses 2002/2003 „innovative Projekte“ mit grüner Handschrift als ausreichend gesehen, um eine Regierungsbeteiligung zu legitimieren. Dieser Wandel bedeutet damit nicht mehr den Versuch, ein alternatives politisches Projekt mehrheitsfähig zu machen, sondern als „geringeres Übel“ im Vergleich zu anderen möglichen Machtkonstellationen Machbares zu realisieren. Vor allem den parteiinternen Kritikern und Skeptikern wurde von der Parteiführung die Bedeutung der Verhinderung „größerer Übel“ entgegengehalten: „Wenn man glaubt, dass jeder 100 Prozent seines Programms verwirklichen muss, alles andere in Verrat an der Idee wäre, braucht man keine Politik zu machen. Eine Partei ist keine Religionsgemeinschaft. Es gibt offensive und defensive Argumente für eine Koalition mit der ÖVP. Das offensive Argument lautet: Gelingt es uns, Projekte durchzusetzen, wo man nach vier Jah-
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ren sagen kann, ohne uns hätte es das nicht gegeben? Auf der defensiven Seite muss man fragen: Und was ist sonst? Schwarz-Blau ist möglich, aber wir wollen das nicht. Und Schwarz-Rot hätte eine 80-Prozent-Mehrheit, parlamentarische Minderheitsrechte würden wegfallen und es würde ein mehrheitsförderndes Wahlrecht drohen. Einen Vorteil haben die Gespräche mit der ÖVP jetzt schon für uns gebracht – es ist klar gestellt, dass wir nicht, wie manche Sozialdemokraten oder der Herr Kohl es gerne sehen, der kleine Neffe der großen SPÖ sind. Wir brauchen keinen großen Onkel, der Anweisungen und Ratschläge gibt“ (Alexander Van der Bellen, in: Kurier 09.02.2002: 2).
Die Koalitionsverhandlungen brachten schließlich eine Annäherung zwischen den beiden Parteien in mehreren Politikfeldern. Einigkeit herrschte über die prinzipielle Notwendigkeit eines Sparkurses. Unter anderem wurde im Themenbereich Umwelt/Nachhaltige Entwicklung ein Konsens erzielt, der auch einen Kompromiss zur Einführung einer Ökosteuer beinhaltete, was in Anbetracht der unterschiedlichen Positionen in der Umweltpolitik v.a. der vorangegangenen Legislaturperiode und der Unterschiede in den Details einer Ökosteuer doch relativ überraschend war. Auch in den Themenfeldern Europa und Integration wurde ein Konsens gefunden. Doch eine Einigung auf ein gemeinsames Regierungsprogramm scheiterte schließlich nach 10tägigen intensiven Verhandlungen am 16. Februar 2003 an den Knackpunkten Pensionsreform, Grundsicherung, Bildung und Studiengebühren, Verkehrspolitik und dem Ankauf von Abfangjägern, weil die ÖVP-Führung offensichtlich dachte, es reiche aus, den Grünen in ihrem Kernthema Umwelt entgegenzukommen. Hinter diesen Kernfragen verbergen sich auch die paradigmatischen Unterschiede zwischen den beiden Parteien, vor allem hinsichtlich der Frage nach der Rolle des Staates und des Marktes, der Art und Weise staatlicher Eingriffe und unterschiedliche Staats- und Sozialstaatskonzepte. Weder war die ÖVP hier bereit ihr „Wendeprojekt“ aufzugeben, noch waren die Grünen imstande, von den für sie „symbolisch so wichtigen“ Themen abzurücken. Das Scheitern dieses „Paradigmenwechsels“ (ÖVP-Klubobmann Kohl), das sowohl vonseiten der Volkspartei als auch der grünen Parteiführung bedauert wurde, hatte schließlich die Aufnahme von Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ zur Folge. Die Grünen hielten sich mit Bedenken, inwieweit die ÖVP überhaupt ernsthaft verhandelte, aus strategischen Gründen zurück. Man wolle nicht zukünftige Optionen und die gerade erst erreichte Annäherung an das bürgerliche Lager aufs Spiel setzen, argumentierte sinngemäß Bundessprecher Van der Bellen: „ich will kein Porzellan zerschlagen, das man vielleicht noch irgendwann brauchen kann“ (in: News Nr. 8/03 vom 20.02.2003: 36). Die Einigung der Kanzlerpartei mit den Freiheitlichen erfolgte dann relativ rasch, nachdem die Gespräche mit ihnen vonseiten der ÖVP nie abgebrochen waren und offensichtlich größtmögliche Übereinstimmung herrschte.
6.7.1 Umwelt und Nachhaltigkeit im Regierungsprogramm Schüssel II Am 28. Februar 2003 wurde die neue Regierung angelobt. In einer ersten Stellungnahme unter dem Titel „Österreich in guten Händen“ nannte Bundeskanzler Schüssel auch Nachhaltigkeit als einen wichtigen Punkt der Regierungstätigkeit: „Gemeinsam mit der Freiheitlichen Partei wolle man Zukunft, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit für Österreich. Die Österreicher könnten sich darauf verlassen, dass auch die neue Bundesregierung den Weg der Konsolidierung, der Sicherheit und der sozialen Gerechtigkeit weiter verfolgen werde, betonte der Kanzler“ (http://www.oevp.at/artikel.asp?where=006129, 28.02.2003).
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Das „Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode“44 zielt insbesondere auf die Stärkung des Wirtschaftsstandortes im europäischen und globalen Wettbewerb und Fortsetzung des Weges konsolidierter öffentlicher Haushalte ab. Da dies Teil des von ÖVP und FPÖ seit 2000 geprägten Nachhaltigkeitsverständnisses ist, war es auch nicht verwunderlich, dass Vizekanzler Haupt (ORF 2, 28.02.2002) Nachhaltigkeit als „den roten Faden“ im Regierungsprogramm nannte. Interessanterweise kommt die Formulierung Ökosoziale Marktwirtschaft kein einziges Mal vor, was wohl auf die Schwächung des „grünen“ Parteiflügels nach Scheitern der schwarzgrünen Regierungsverhandlungen und das Unbehagen der Freiheitlichen mit diesem Konzept zurückzuführen sein dürfte. Aussagen zur Umweltpolitik finden sich in den Teilen „Verkehr“, „Wirtschaft und Standort“, „Finanzen“ und insbesondere unter „Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft“. Ausgehend von der Feststellung, dass Österreich in seiner Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik „im internationalen Spitzenfeld“ liege, finden sich darin mit Ausnahme des Bereichs erneuerbare Energien/Klimaschutz wenig konkrete und mit einem zeitlichen Rahmen fixierte Ziele. Die Nachhaltigkeitsstrategie kommt nur am Rande, ein einziges Mal vor – ihre Umsetzung scheint keine Priorität und sicher nicht „Chefsache“ zu werden. Die Ökologisierung des Steuersystems sollte laut Regierungsprogramm „mit der Fortsetzung der Budgetkonsolidierung, der Senkung der Abgabenquote und der Senkung der Lohnnebenkosten“ einhergehen. Die Besteuerung fossiler Treib- und Brennstoffe sollte „im Lichte der europäischen Entwicklungen“ weiterentwickelt werden. Im Finanzen-Teil lautet die entsprechende Formulierung wie schon das Argument der letzten Jahre: „Verstärkung der ökologischen Komponenten im österreichischen Steuersystem im europäischen Gleichklang (Energiesteuern und Mineralölsteuern)“. Hinsichtlich einer LKW-Maut – Österreich ist der billigste Übergang im ganzen Alpenbereich – wird im Verkehrs-Teil lediglich die „Überprüfung der Höhe der Sondermaut für LKWs hinsichtlich nachteiliger Standorteffekte unter Berücksichtigung der europäischen Rahmenbedingungen und Sicherstellung der Finanzierung der ASFINAG“ angekündigt. „Im Zuge der Erarbeitung einer neuen EUWegekostenRL“ sollen aber auch „das Konzept ökosensibler Zonen (zB Gebiet der Alpenkonvention, großstädtische Ballungsräume, Gebiete mit Schutzstatus) und der Kostenwahrheit im Sinne einer ökologischen Weiterentwicklung der fahrleistungsabhängigen LKWMaut und der Querfinanzierung der alternativen Verkehrsinfrastruktur (Schiene, Wasser)“ eingebracht werden. Insgesamt lässt also die Ankündigung der Ökologisierung des Steuersystems nicht allzu viel erwarten. Aufgrund der Relevanz der Klimaschutzpolitik (siehe unten) fällt hierzu die Politikformulierung etwas detaillierter aus. Zur Umsetzung der Klimastrategie sollen im Zeitraum 2004 bis 2006 jährlich 30 Mio. Euro zusätzlich aufgewendet werden. Laut der Klimastrategie aus dem Jahr 2000 wären jedoch jährlich 90 Mio. Euro aufzuwenden, um die Klimaschutzziele erreichen zu können. Ein System des Emissionshandels, ebenfalls bereits seit einigen Jahren auf EU-Ebene und in Österreich vorbereitet, soll „im europäischen Gleichklang“ etabliert werden, wobei Österreich auch die flexiblen Mechanismen des KyotoProtokolls nutzen werde. Auch dieser Beschluss war bereits in der letzten Regierungsperiode gefallen (siehe Klimaschutz). Darüber hinaus wurde ein nationales Programm für die Klimaforschung und das Klimamonitoring angekündigt.
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http://www.oevp.at/download/806.pdf, Download: 28.02.2002.
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In der Abfallpolitik beschränken sich die Aussagen auf die Umsetzung der Deponieverordnung, die Betonung freiwilliger Selbstverpflichtungen der Wirtschaft im Verpackungsbereich sowie die Weiterentwicklung des Altlastensanierungsgesetzes zur langfristigen Sicherstellung der Finanzierung der Altlastensanierung. Die Regierung bekennt sich erneut dazu, zertifizierte Betriebe durch Verwaltungsvereinfachungen zu belohnen; ein erster Schritt in diese Richtung erfolgte bereits mit EMASII. Nationalparks sollen „zu Modellregionen“ ausgebaut werden. Im Bereich erneuerbarer Energien formulierte die Kleine Koalition sehr konkrete, aber wenig ambitionierte Ziele (siehe Energiepolitik). Der Ausbau der Biolandwirtschaft ist sehr vage formuliert: Österreich soll weiterhin „Bioland Nr. 1“ bleiben, und das Bioaktionsprogramm soll fortgeführt werden. Auch die Aussagen zur Wasserpolitik und zur Luftreinhaltepolitik sind vage formuliert. Im Teil zur Europapolitik findet sich kein Bezug zu Umwelt- oder Nachhaltigkeitsthemen. Es gibt auch keinen Hinweis mehr, dass man künftig EU-Standards nicht mehr übertreffen will (golden plating) – aber auch keine gegenteilige Feststellung. Im Hinblick auf die Bundesverfassungsreform soll dem Bund das Recht eingeräumt werden, dass bei Säumigkeit der Länder, EU-Recht umzusetzen, der Bund nach sechs Monaten eine „Ersatzvornahme“ vornehmen kann. In seiner Regierungserklärung vom 6. März 2002 bekannte sich Bundeskanzler Schüssel zu einer „aktiven Umweltpolitik“, damit Österreich „das Land mit der höchsten Lebensqualität“ bleibe. Im Abschnitt „sichere Arbeitsplätze“ nannte er als Ziele der Wirtschaftspolitik die Orientierung „an den Prinzipien der wirtschaftlichen Freiheit, der Leistung und der gleichen Wettbewerbsbedingungen, der sozialen Verantwortung und der Nachhaltigkeit […], eben der ökosozialen Marktwirtschaft“. Im Abschnitt „Nachhaltigkeit“ bekräftigte er das Zusammengehören von „Landwirtschaft und Umweltschutz“. Hier wurden auch die „konkreten Reformprojekte“ im Bereich Klimaschutz, Ökologisierung des Steuersystems, erneuerbare Energien, Wasser, Landwirtschaft und Atompolitik knapp genannt. U.a. kündigte der Kanzler an, dass ab 2004 schwefelfreier Diesel an den Tankstellen angeboten werden muss. Damit sollten die krebsfördernden Partikel um ein Drittel reduziert werden. Dieser Maßnahme hatte die OMV zuvor zugestimmt. Laut Schüssel war nicht länger „einzusehen, warum in Österreich noch zwei Jahre lang Diesel verkauft werden soll, der 35 Mal mehr Schwefel enthält als anderswo“.45 Insgesamt zeichnet sich das Regierungsprogramm von einer Ablehnung einer Vorreiterrolle in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik bei gleichzeitigem Fehlen innovativer Ansätze aus.
6.7.2
Neue und alte umweltpolitische Akteure
Erwartungsgemäß war mit der Fortsetzung der schwarz-blauen Koalition der Weiterbestand des BMLFUW garantiert. Die Führung des BMLFUW übernahm im Kabinett Schüssel II der Agrarökonom Josef Pröll. Der bisherige Minister Molterer wurde nach der Wahl Andreas Kohls zum neuen ersten Parlamentspräsidenten erwartungsgemäß neuer Klubobmann. Pröll war seit den frühen 1990er Jahren in der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer tätig, danach wechselte er zum Bauernbund, wo er – nach einem kurzen Wechsel ins BMLFUW, wo er als Kabinettschef von Molterer an der Umstrukturierung des Lebensmi45
http://www.oevp.at/download/808.pdf, Download 06.03.2003.
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nisteriums mitwirkte – im Dezember 2001 Direktor des Österreichischen Bauernbunds wurde. Die ÖVP behielt auch das Wirtschaftsministerium und das Außenministerium; Finanzminister blieb Grasser, nunmehr parteilos. Die FPÖ hat nur noch drei Ministerien, darunter das BMVIT. Den Vorsitz im Umweltausschuss erhielt aufgrund der Zugewinne bei der Nationalratswahl die grüne Umweltsprecherin Eva Glawischnig. In seiner ersten Rede im Nationalrat betonte Minister Pröll die führende Rolle Österreichs in mehreren Bereichen und bekannte sich zu einer „Umweltpolitik mit Hausverstand“, wie sie die Regierung und die ÖVP bisher immer verfolgt habe, eben zum ökosozialen Weg, der „Arbeitsplätze schafft und sichert“ (Stenographisches Protokoll des Nationalrates, XXII GP, 7. Sitzung, 6. März 2003: 145). Als Schwerpunkte der österreichischen Umweltpolitik kündigte er die Bereiche Nachhaltigkeit, Luftreinhaltung, Klimaschutz und – im internationalen Jahr des Wassers und damit die Österreichwerbung weiterhin den Slogan „Österreich – baden sie in Trinkwasser“ verkaufen kann – eine weitere Anhebung der hohen Standards im Gewässerschutz an (BMLFUW Presseaussendung 26.03.2003).
6.7.3 Reaktionen umweltpolitischer Akteure Die Oppositionsparteien kritisierten das neue Regierungsprogramm generell als einfallslos, mutlos und zu wenig konkret bzw. sozial vollkommen unausgewogen. Im Vordergrund der Kritik standen die Steuerpolitik (inkl. Ökosteuer), die Außen- und Europapolitik, die Pensionspolitik (Pensionssicherungsreform) und die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie der Ankauf von Abfangjägern. In der Umwelt- und Nachhaltigkeitsthematik kritisierten die Grünen die angekündigte Steuerreform als „Benzinsteuer“ ohne ökologische Steuerungswirkung, den Rückzug der Öffentlichen Hand aus dem Stromsektor, die Verbilligung der Dieselpreise für die Landwirtschaft und bewerteten das Regierungsprogramm als alles andere als den Prinzipien der Nachhaltigkeit entsprechend. Die Grünen kritisierten die Beibehaltung des BMLFUW, wo weiterhin ein Interessenkonflikt Maßnahmen zur Ökologisierung der Landwirtschaft erschwert bzw. verunmöglicht. Nachdem Minister Pröll im Umweltausschuss bestätigte, dass es zusätzliche Mittel für den Klimaschutz erst ab 2004 geben werde, kritisierte Glawischnig, dass die Umweltpolitik sogar noch hinter „das ohnehin niedrige Niveau von Schwarz-Blau I“ zurückgefallen ist, da im Finanzierungsplan 2002 immerhin noch Mittel ab 2003 vorgesehen waren. Insgesamt waren damit die Klimaschutzmittel um 43 Mio. Euro gekürzt worden, während „im Bereich der Landwirtschaft Geldgeschenke“ fließen sollen (Presseaussendung 24.04.2003). SPÖ-Umweltsprecherin Sima kritisierte in der Nationalratsdebatte zum Regierungsprogramm am 6. März 2003, dass das „die etwas unambitionierte Umweltpolitik der letzten drei Jahre eins zu eins weitergeführt werden soll.“ Im Regierungsprogramm fehle das Thema Nachhaltigkeit ebenso wie „die innovativen und zukunftsweisenden Ansätze“. Insgesamt werde „die Umwelt auch weiterhin ein Anhängsel der Landwirtschaft sein“ (Abg. Sima, Stenographisches Protokoll des Nationalrates, XXII GP, 7. Sitzung, 6. März 2003: 212f.). Überaus kritisch viel auch das Urteil der AK zu den umwelt- und nachhaltigkeitsbezogenen Zielsetzungen des Regierungsprogramms aus. Diese Kritik wurde im Rahmen einer Gesamtanalyse der Regierungsankündigungen formuliert, indem jeweils den Aussagen des Regierungsprogramms und einer Darstellung der Maßnahmen eine „Analyse und Beurtei-
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lung aus ArbeitnehmerInnensicht“ gegenübergestellt wurde (BAK 2003).46 Darüber hinaus widmeten sich der stellvertretende Leiter der AK-Abteilung Umwelt & Verkehr, Wolfgang Lauber (2003) den Regierungsplänen und Thomas Ritt der „Ökosteuer als Ökoschmäh“ in der Zeitschrift Wirtschaft & Umwelt. Die AK vermutete, dass das Kapitel 14 „Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft“ des Regierungsprogramm wohl dazu dienen sollte, „den Schwerpunkt in der Umwelt(förder)politik in der Landwirtschaft anzusiedeln bzw. diese als Kern positiver Entwicklungen darzustellen“ (BAK 2003: 82). Die Aussage, dass Österreichs Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik im internationalen Spitzenfeld liege, wird von der AK wie schon früher auch in dieser Kritik als falsch bezeichnet. Von der angekündigten Ökologisierung des Steuersystems werden keine positiven Umweltwirkungen gesehen: „Bereiche, wo diese Erhöhungen Wirkung hätten (Industrie), sind durch die Deckelungsregelung praktisch ausgenommen. Mögliche positive Klimawirkungen könnten auch über eine entsprechende Verwendung der Mittel (‚Umweltinfrastruktur’) erreicht werden, das ist jedoch in diesem Abkommen nicht vorgesehen. Da keine Anhebung der Deckelungsgrenzen (für ‚energieintensive Betriebe’) geplant ist, treffen viele der Abgaben nur die Haushalte. Die Besteuerung der Heizstoffe hat deutlich regressive Wirkungen. Die Besteuerung der Treibstoffe für Bevölkerungsgruppen, die auf ein KFZ angewiesen sind (bei fehlendem ÖV) kommt es auch zu regressiven Wirkungen“ (ib.: 83; siehe auch W. Lauber 2003; Ritt 2003). Hinsichtlich der Ankündigungen im Bereich Klimaschutz kritisierte die AK fehlende Konkretisierungen der institutionellen und legistischen Notwendigkeiten bei der Umsetzung der Klimastrategie, die völlige Ausklammerung des Verkehrs und zu geringe Mittel für den Klimaschutz. Flexible Mechanismen sollten nicht „einen wichtigen Beitrag leisten“, wie es im Regierungsprogramm heißt, sondern „nur ergänzend sein“. Die Rahmenbedingungen für den Emissionshandel sollten in einem eigenen Gesetz geregelt werden (ib.: 84). Im Abfallbereich fordert die AK statt freiwilliger Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zur Erreichung der Mehrweg-/Einwegziele die Einführung eines „Dosenpfandes“, das in Deutschland zu einer Trendwende beigetragen hat. Im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes sind aus der Sicht der AK Maßnahmen erforderlich, die bei Verwaltungsvereinfachungen für zertifizierte Betriebe garantieren, dass das Schutzniveau der Arbeitnehmer und Nachbarn gleich hoch bleibt (ib.: 85). Andere Ankündigungen der Regierung (z.B. Luftreinhaltung, Förderung erneuerbarer Energien, Gentechnik, Tierschutzgesetz) werden von der AK positiv beurteilt, teils als Umsetzung von EU-Recht, teils als zu wenig konkret und ergänzungsbedürftig bewertet; die Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft werden abgelehnt. Der Umweltdachverband, der der versäumten Chance von Schwarz-Grün nachtrauerte, forderte neuerlich die Umsetzung seines Umweltprogramms (UWD 2003) von der Regierung (fact.um 1/03/April 2003: 1). Die Ökosteuer der Regierung wurde begrüßt, gleichzeitig zweifelte der Geschäftsführer des UWD, Franz Maier, ob die notwendige Lenkungswirkung ausreichend sein werde (ib.). Abgesehen von dieser Anmerkung sparte sich der UWD jede Kritik am Regierungsprogramm. Die Umweltpolitik blieb dann auch wenig ambitioniert, und teilweise wurden Maßnahmen gesetzt, die offensichtlich Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen geradezu diametral entgegengesetzt sind. Auch die gegensätzlichen Interpretationen hinsichtlich der Bewertung der Umweltpolitik blieben weiter bestehen und vor allem das Nichterreichen der Klima46
Die Kritik des Regierungsprogramms wird auch vom ÖGB mitgetragen und war dann auch auf der Homepage des ÖGB als „AK/ÖGB-Analyse“ abrufbar.
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schutzziele blieb für die Kritiker Hauptkriterium des Abrückens von der einstigen Vorreiterrolle. Eine hitzigere Debatte entzündete das Lieblingsprojekt von Verkehrsminister Gorbach und dessen Forderung nach flexiblen Tempolimits sowie der Einführung von Tempo 160 auf einer ersten Teststrecke, die anschaulich den Stellenwert von Nachhaltigkeit in der nationalen Verkehrspolitik verdeutlichte.47 Andere Themen wie z.B. die Novelle des Wasserrechtsgesetzes 2005 zeigten wiederum das bereits bekannte Muster, dass EU-Vorgaben Anpassungen erfordern und dabei grüne Akteure eine mangelhafte Umsetzung europäischer Vorgaben feststellen, während den Wirtschaftsakteuren und dem Wirtschaftsressort die geplante Umsetzung zu ambitioniert erschien, weil damit kein ‚investitionsfreundliches Klima’ geschaffen werde. Ein Problembereich, der auch in den massenmedialen Diskurs Eingang fand, war die Novelle des Ökostromgesetzes, das von den Grünen und NGOs als eine „Totalaushungerung der erneuerbaren Energieträger“ und als ein „Umweltzerstörungsgesetz“ kritisiert wurde. Dieses Gesetz wurde im Mai 2006 von den Regierungsparteien mit Zustimmung der SPÖ beschlossen. Neben einer Kürzung des Ökostromvolumens wurde damit die Förderlaufzeit für neue Anlagen von 13 auf 10 Jahre reduziert. Darüber hinaus beinhaltet das Gesetz keine garantierte Abnahmepflicht und keine Abnahmepflicht nach Tariflaufzeit. Auch das Emissionszertifikategesetz – ebenfalls von der SPÖ mitbeschlossen – war wenig ambitioniert und teilte der Industrie eine großzügige Zertifikatsmenge samt flexiblen Reserven zu.
6.8 Rückkehr zur Vorreiterpolitik? Nachdem die Koalition zwischen konservativer ÖVP und freiheitlicher FPÖ, dann – nach Spaltung der Freiheitlichen – BZÖ 2006 abgewählt wurde und eine große Koalition unter sozialdemokratischen Bundeskanzler Anfang 2007 zustande kam, stellt sich die Frage, inwieweit es damit zu einem Politikwechsel in der Umweltpolitik gekommen ist. Einerseits waren Umweltthemen in der sozialdemokratischen Kritik der ‚Wendepolitik’ nicht unwesentlich, nicht zuletzt, zumal sich die SPÖ allein schon aus strategischen Gründen die Option einer Koalition mit den Grünen sicherstellen musste. Andererseits hat die SPÖ in den Jahren davor mehrere wenig ambitionierte Gesetze mitbeschlossen. In den Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP scheinen Umweltthemen keine Konflikte beinhaltet zu haben. Da die SPÖ keine Alternative zu dieser Koalitionsvariante sah, war es ohnehin von Beginn an klar, dass die Umweltpolitik bei den Konservativen bleiben wird. Wie sieht es aber mit den Inhalten aus? Das SPÖ-ÖVP-Regierungsübereinkommen formuliert ausdrücklich, dass sich die Bundesregierung „in allen Politikbereichen zur Nachhaltigkeit“ bekennt und „ihr Handeln nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten“ ausrichten wird (S. 82). So weit, so recht. Konkrete Aussagen zu einer konsequent umgesetzten Politik einer nachhaltigen Entwicklung sucht man darin allerdings vergeblich, sodass man eher von der Interpretation ausgehen muss, dass die bisherigen Politiken ohnehin bereits als in die richtige Richtung gehend und ausreichend verstanden werden. Wörtlich heißt es dann auch im Regierungsprogramm: „Eine moderne Umweltpolitik soll auch die mittel- bis langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Industrie stärken und positiv zu Wachstum, Beschäftigung sowie Technologieentwicklung und Technologieanwendung beitragen. Mit ambitionierten, aber mittelfristig stabi47
2007 wurde dieses Unterfangen vom neuen Verkehrsminister, Werner Faymann (SPÖ), eingestellt.
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len, umweltpolitischen Vorgaben soll die Innovationskraft der Wirtschaft besser genutzt werden“ (Regierungsprogramm vom 09.01.2007: 79).48
Darüber hinaus verspricht die Regierung die Erreichung des nationalen Klimaschutzzieles durch die Schaffung eines Klimaschutzprogramms sicherzustellen (ib.). Institutionell blieben die Umweltagenden mit der Landwirtschaft zusammen, und auch der Umweltminister blieb derselbe. Unter den Umwelt-NGOs gab sich insbesondere Greenpeace von den Ergebnissen schockiert, weil kein eigenständiges Umweltministerium geschaffen wurde und das Regierungsprogramm keine wirksamen Klimaschutzmaßnahmen beinhaltet.49 Seither gab es keine gravierenden Konflikte in der Regierung um die Ausrichtung der Umweltpolitik Abgesehen von einer kurzen Debatte über einen Klimaschutzbeauftragten, die Bundeskanzler Gusenbauer mit einer entsprechenden Forderung auslöste, gab es keine Unstimmigkeiten. Vielmehr ist die Umweltpolitik dorthin zurückgekehrt, wo sie in den 1990er Jahren schon war: Die Regierungsparteien verfolgen eine kaum ambitionierte Umweltpolitik und die Oppositionsparteien fordern mehr, jedoch keinen Systemwechsel. Am radikalsten fordern nach wie vor die Grünen und die NGOs einen fundamentalen Kurswechsel in der Klimaschutzpolitik. Auch in anderen Politikbereichen ist das Muster gleich geblieben: Grüne Akteure sehen in Gesetzen bzw. Gesetzesentwürfen eine bescheidene, teils auch problematische Umsetzung europäischer Richtlinien, während der Industrie mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums – so z.B. beim jüngsten Entwurf für ein Bundes-Umwelthaftungsgesetz – die vom Umweltressort geplante Umsetzung zu weit geht und aus Standortgründen Abschwächungen einfordert. Der Entwurf zur Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 2007 wurde vom Wirtschaftsministerium ebenfalls als wettbewerbsgefährdend und unverhältnismäßig abgelehnt. Zwar argumentierte Gusenbauer im Rahmen der Klubklausur der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion im März 2007 noch, dass wenn „das Ziel war, die CO2Emissionen um 13 Prozent der Werte von 1990 zu senken und wir heute tatsächlich eine Steigerung um 18 Prozent haben, dann ist die bisherige Art der Klimaschutz- und Umweltschutzpolitik völlig gescheitert“. Das einstige Umweltvorzeigeland, so der Kanzler weiter, sei „ins hinterste Drittel Westeuropas abgerutscht“, um damit zu begründen, dass ein einzelner Minister offensichtlich bei der Erfüllung dieser Ziele unzureichend sei.50 Der Klimaschutzgipfel im April 2007, ebenfalls von der SPÖ initiiert, sowie die am 21. März im Ministerrat beschlossene Anpassung der Klimastrategie bestätigten jedoch bereits wieder, dass kein Bedeutungsgewinn umweltpolitischer Fragen zu erwarten ist, wenn damit der Koalitionsfriede gefährdet wäre. Gusenbauers Eröffnungsrede beispielsweise wie auch die Rede des Umweltministers ließen jegliche Kritik an der bisherigen Politik vermissen, und der erhöhte Problemdruck wurde beiderseits ausschließlich einer unvorhergesehen rasant angewachsenen Entwicklungsdynamik zugeschoben. Dass ein Umweltminister alleine zu schwach sei, etwas umzusetzen, war kein Thema mehr. Immerhin beinhaltete die neue Argumentation des Umweltministers jetzt das Eingeständnis, dass neue Maßnahmen erforderlich sind, während es in den Jahren davor seitens des Ressorts nur hieß, Österreich werde die Ziele erreichen, sobald die bereits beschlossenen Maßnahmen griffen und der Emis48
Die Exportleistungen und -chancen der Umwelttechnik insbesondere nach Osteuropa wurden in den letzten Jahren in mehreren Studien der ÖGUT und des WIFO untersucht. Siehe: http://wko.at/up/enet/euerweiterung.htm. 49 http://www.greenpeace.at/4199.html. 50 http://www.ots.at/presseaussendung.php?ch=politik&schluessel=OTS_20070320_OTS0133
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sionshandel seine Wirkung zeige. Grüne NGOs hingegen sahen die Ursache für den Emissionsanstieg weiterhin in den politischen Versäumnissen der letzten Jahre. Ihre daraus resultierenden Forderungen wurden freilich nicht aufgenommen, obgleich sie alles andere als radikal sind. Dass der Wirtschaftsminister dann noch der Industrie bescheinigte, ihre Aufgaben erfüllt zu haben, war ebenfalls eine Fortsetzung der umweltpolitischen Strategie seit den frühen 1990er Jahren. Insbesondere nachdem sich die Regierung bei der EU Kommission für höhere CO2-Verschmutzungsrechte (so nennen die NGOs die gratis zugeteilten Zertifikate im Rahmen des nationalen Zuteilungsplans für den Emissionshandel) für die österreichische Industrie einsetzte (die EU Kommission bestand aber auf eine Kürzung, die von der Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer scharf kritisiert wurde). Aus Regierungssicht ist Österreich freilich auf dem richtigen Weg mit der Erhöhung der Mineralölsteuer sowie der Schaffung eines damit finanzierten „einzigartigen“ Klimaschutzfonds. Vorerst bleibt es damit jedoch bei unzureichenden Maßnahmen in einem für eine nachhaltige Entwicklung zentralen Politikfeld. Eine ambitionierte Politik, die einen Umweltpionier kennzeichnet, sieht jedoch anders aus und müsste über reines Verbesserungslernen hinausgehen, wenn der Erfolg des bisherigen Pfades so mager ausfällt. Andererseits sollte nicht übersehen werden, dass auch andere Vorreiterstaaten problematische Entwicklungen durchlaufen und von widersprüchlichen Entwicklungen gekennzeichnet sind und Österreich nicht zuletzt aufgrund der internationalen und innereuropäischen Harmonisierungszwänge immer noch beachtliche Umweltstandards hat und diese auch beibehalten wird. Bleibt der entscheidende Maßstab für Erfolg jedoch Nachhaltigkeit – und nichts anderes kann Sinn machen – dann ist ein Wandel zu einem wesentlich radikaleren Ansatz unverzichtbar.
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7 Lernen aus dem paradigmatischen Wandel?
Der Fortschrittsbericht zur österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie (2006: 40) kommt zu dem Schluss, dass durch die Strategie „die institutionellen Voraussetzungen für eine Trendwende geschaffen und erste erfolgreiche Projekte initiiert“ worden seien.51 Der Bericht verdeutlicht aber auch anschaulich, dass die institutionellen Voraussetzungen wenig bringen, so sie denn überhaupt genügen, wenn Nachhaltigkeit ein Randthema ist und keine breite gesellschaftliche, politische Unterstützung hat. John Barry und Robyn Eckersley (2005) haben anschaulich gezeigt, dass auch in Zeiten der Globalisierung der Staat zentral bleibt und auch bleiben muss für die Erreichung ökologischer Ziele, weil es zur Lösung globaler Umweltprobleme gar keine andere Steuerungsinstanz geben kann, sowie dass ‚grünere Staaten’ nicht einfach entstehen werden, sondern erkämpft werden müssen. Im Rahmen dieser Studie wurde argumentiert, dass strukturelle Rahmenbedingungen zwar generell die Gestaltungsmöglichkeiten von Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitiken einengen bzw. bestimmen, nicht jedoch gänzlich determinieren. Gerade anhand des Wandels von Paradigmen und Diskursen lässt sich zeigen, wie diese auf bestimmte institutionelle Praktiken zurückwirken. Aufkommen, Aufschwung wie auch Bedeutungsverlust von Umweltthemen sind also eingebettet in sozio-ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen, doch erst die Vorstellungen und Ideen von Akteuren machen bestimmte Entwicklungen machbar und letztlich dann auch erklärbar. So neu ist diese Erkenntnis mitnichten. Nur zeigt der praktische Verlauf der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurse, dass in der Praxis in der Regel darüber hinweggegangen wird. In Österreich war der umweltpolitische Diskurs spätestens seit Ende der 1970er Jahre von der Frage geprägt, inwieweit das Land aufholen und endlich sogar eine Vorreiterrolle einnehmen könnte oder sollte. Dem internationalen Trend folgend, wurde Umwelt zwar zu einem fixen politischen Thema, der Diskurs über ‚qualitatives Wachstum’ hat aber letztlich das bestehende Wachstumparadigma genauso wenig beeinträchtigt wie der Nachhaltigkeitsdiskurs der letzten Jahre. War das erste Jahrzehnt Umweltpolitik noch von starker Ausgrenzung umweltpolitischer Themen und Inhalte und massiveren politischen Konflikten gekennzeichnet, so hat sich in den 1980er Jahren das Konzept der ökologischen Modernisierung mit all seinen Unzulänglichkeiten und Befangenheiten im bestehenden System festgesetzt. Veränderte soziale Praktiken der politischen Parteien, der (Umwelt)administration, der Industrie, der Interessenvertretungen sowie von Medien und anderer Akteure haben dazu geführt, dass Umweltpolitik zu einem permanenten Bestandteil im politischen Prozess geworden ist, wenn auch mit konjunkturellen Schwankungen. Gleichzeitig sind radikale Lösungsansätze vollkommen marginalisiert worden. Selbst die Megaaufgabe einer nachhaltigen Entwicklung erscheint heute nur mehr über einen graduellen Reformprozess langsam und mühsam erreichbar. Illusionen in die praktische Wirkungskraft des Nachhaltigkeitsparadigmas, in Nachhaltigkeitsstrategien und -prozesse oder in neue Instrumente der Umweltpolitik, in Politikintegration und neue Formen des Regierens bis hin zu möglichen Handlungsspielräumen auf europäischer oder gar globaler Ebene sind es, die einer gegen51
http://www.nachhaltigkeit.at/strategie/pdf/Fortschrittsbericht_2006_Endversion_190606.pdf.
teiligen Praxis zum Trotz immer noch hochgehalten werden, weil dies so wesentlich bequemer ist, als einen radikalen Wandel einzuleiten, für den ohnehin abgesehen von Katastrophenszenarien alle Voraussetzungen fehlen. Mitte der 1990er Jahre – in der Hochphase des Nachhaltigkeitsdiskurses – erstellte das Wuppertal Institut eine international beachtete Studie (BUND/Misereor 1996), in der konkrete Ziele für die Jahrzehnte bis 2050 formuliert wurden. Die Autoren hielten damals den radikalen Kritikern entgegen, erst müsste die Reformfähigkeit des Systems (heraus)gefordert werden, wenn dieses dann allerdings versage, sei zu einem späteren Zeitpunkt die Frage nach einem radikaleren Systemwechsel jedoch unvermeidlich in Anbetracht der ökologischen Herausforderungen. Ein Jahrzehnt später sollte die Feststellung nicht verloren gegangen sein, sondern daran erinnert werden. Gerade die Lehren aus einem unter Globalisierungsdruck geratenen ‚Vorreiterland’ und aus mittlerweile mehr als drei Jahrzehnten internationaler und nationaler Umweltpolitik und gut 20 Jahren Nachhaltigkeitspolitik sollten Anlass zu einer grundsätzlicheren Diskussion bieten. Krisen und Katastrophen, wie sie beispielsweise von Al Gore im Film ‚An Unconvenient Truth’ angekündigt werden, können – ob uns das gefällt oder nicht – dazu führen, dass ein entsprechender gesellschaftlicher Druck entsteht.
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Literatur
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Neu im Programm Politikwissenschaft Jan W. van Deth / Simone Abendschön / Julia Rathke / Meike Vollmar
Richard Saage
Kinder und Politik
Konzeptionen und historische Kontexte. Eine Einführung 2007. 239 S. Br. EUR 21,90 ISBN 978-3-531-15387-2
Politische Einstellungen von jungen Kindern im ersten Grundschuljahr 2007. 264 S. Br. EUR 29,90 ISBN 978-3-531-15542-5
Faschismus
Lilian Schwalb / Heike Walk (Hrsg.) Alexander Dilger / Irene Gerlach / Helmut Schneider (Hrsg.)
Betriebliche Familienpolitik Potenziale und Instrumente aus multidiziplinärer Sicht 2007. 249 S. Br. EUR 29,90 ISBN 978-3-531-15396-4 Jürgen Hartmann
Persönlichkeit und Politik 2007. 315 S. Br. ca. EUR 24,90 ISBN 978-3-531-15681-1 Peter Imbusch / Dieter Rucht (Hrsg.)
Profit oder Gemeinwohl? Fallstudien zur gesellschaftlichen Verantwortung von Wirtschaftseliten 2007. 334 S. (Bürgergesellschaft und Demokratie Bd. 26) Br. EUR 26,90 ISBN 978-3-531-15507-4
Local Governance – mehr Transparenz und Bürgernähe? 2007. 320 S. (Bürgergesellschaft und Demokratie Bd. 24) Br. EUR 34,90 ISBN 978-3-531-15467-1 Thomas von Winter / Ulrich Willems (Hrsg.)
Interessenverbände in Deutschland 2007. 570 S. Br. EUR 24,90 ISBN 978-3-531-14589-1 Hans Zehetmair (Hrsg.)
Politik aus christlicher Verantwortung 2007. 309 S. Br. EUR 24,90 ISBN 978-3-531-15491-6 Annette Zimmer
Vereine – Zivilgesellschaft konkret 2. Aufl. 2007. 242 S. (Grundwissen Politik 16) Br. EUR 26,90 ISBN 978-3-531-15180-9
Erhältlich im Buchhandel oder beim Verlag. Änderungen vorbehalten. Stand: Juli 2007.
VS VERLAG FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN
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Neu im Programm Politikwissenschaft Hermann Adam
Bausteine der Politik Eine Einführung 2007. 397 S. Br. EUR 24,90 ISBN 978-3-531-15486-2 Mit diesem Lehrbuch soll in allgemeinverständlicher Sprache an das Gebiet der Politik und der Wissenschaft, die politische Vorgänge analysiert, herangeführt werden. Es erklärt, was unter Politik zu verstehen ist, wie man politische Systeme unterscheidet, wie politische Entscheidungen zustande kommen, wo das Machtzentrum in den einzelnen Systemen liegt und wie politische Macht kontrolliert wird. Weitere Abschnitte befassen sich mit den politischen Akteuren in der Demokratie: den Parteien, den Verbänden, den sozialen Bewegungen und Bürgerinitiativen sowie den Massenmedien. Ein eigenes Kapitel ist dem politischen Extremismus und seinen Ursachen gewidmet. Besonders ausführlich behandelt der Autor die Wechselwirkungen zwischen Politik und Wirtschaft, ohne deren Kenntnis politische Vorgänge kaum sachgerecht beurteilt werden können. Die Grundlagen der internationalen Beziehungen, die Struktur der Staatenwelt nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre Veränderungen sowie die weltwirtschaftlichen Beziehungen bilden einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt. Abschließend wird ein grober Überblick über die grundlegenden Denkrichtungen der politischen Theorie vermittelt.
Erhältlich im Buchhandel oder beim Verlag. Änderungen vorbehalten. Stand: Juli 2007.
VS VERLAG FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN
Hiltrud Naßmacher / Karl-Heinz Naßmacher
Kommunalpolitik in Deutschland 2., völlig überarb. und akt. Aufl. 2007. 407 S. Br. EUR 24,90 ISBN 978-3-531-15211-0 Die bewährte Einführung in die Kommunalpolitik wird hiermit als vollständig überarbeitete und aktualisierte neue Auflage vorgelegt. Manfred G. Schmidt / Tobias Ostheim / Nico A. Siegel / Reimut Zohlnhöfer (Hrsg.)
Der Wohlfahrtsstaat Eine Einführung in den historischen und internationalen Vergleich 2007. 430 S. Br. EUR 24,90 ISBN 978-3-531-15198-4 Dieses Studienbuch führt umfassend in die Sozialpolitik ein. Neben einem grundlegenden Kapitel zu den Theorien und Methoden der Sozialpolitikforschung enthält es Teile zur Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland, zur vergleichenden Perspektive auf andere Länder, zu verwandten Politikfeldern wie Wirtschafts-, Steuer-, Arbeitsmarkt-, Beschäftigungsund Bildungspolitik. Abgeschlossen wird der Band durch eine Bewertung der positiven und negativen Wirkungen von Sozialpolitik.
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