Nr. 420
Pakt mit dem Bösen Ein Berserker am Hof von Cagendar von Marianne Sydow
Als Atlantis-Pthor, der durch die Dim...
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Nr. 420
Pakt mit dem Bösen Ein Berserker am Hof von Cagendar von Marianne Sydow
Als Atlantis-Pthor, der durch die Dimensionen fliegende Kontinent, die Peripherie der Schwarzen Galaxis erreicht – also den Ausgangsort all der Schrecken, die der Dimensionsfahrstuhl in unbekanntem Auftrag über viele Sternenvölker gebracht hat –, ergreift Atlan, der neue Herrscher von Atlantis, die Flucht nach vorn. Nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zu kommen werden, fliegt er zusammen mit Thalia, der Odinstochter, die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an und erreicht das sogenannte Marantroner-Revier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wird. Neben Atlan und seiner Gefährtin, deren Weg im Marantroner-Revier von Abenteu ern und tödlichen Gefahren gekennzeichnet ist, operiert noch ein Fremder in den Randbezirken der Schwarzen Galaxis. Dieser Fremde ist Nomazar, der Mann ohne Gedächtnis. Auf unerklärliche Weise gelangt er in das Rghul-Revier, den Herrschaftsbereich des Neffen Duuhl Larx, wo er zuerst als Sklave gehalten wird. Jetzt aber, nach Peleffs Entmachtung, findet Nomazar eine Möglichkeit, sich aufzu werten und ins Zentrum des Rghul-Reviers zu gelangen, wo der Fremdling sofort in ein Netz von Intrigen verstrickt wird. Um zu überleben, schließt er einen PAKT MIT DEM BÖSEN …
Pakt mit dem Bösen
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Die Hautpersonen des Romans:
Razamon - Der Pthorer schließt einen Pakt mit dem Bösen.
Duuhl Larx - Beherrscher des Rghul-Reviers.
Peleff - Ein Todeskandidat nimmt seine letzte Chance wahr.
Drafgar-Kert - Ein Intrigant verrechnet sich.
Stobb, Tiora und Falart - Mitglieder des Hofes von Duuhl Larx.
1. Der Kontinent Vemed hatte in groben Umrissen die Form einer Niere. Die gesamte südliche Küste bildete eine Bucht, die so gi gantisch war, daß man sie nur von einem Raumschiff aus von einem Ende bis zum an deren überblicken konnte. Halbierte man diese Bucht in nordsüdlicher Richtung und zog dann eine Verbindungslinie zwischen Buchtmittelpunkt und Südpol, so lag auf der landseitigen Verlängerung dieser Linie, etwa achthundert Kilometer von der Küste ent fernt, die Stadt Vemed. Sie bestand aus ei nem riesigen, runden Landefeld, um das sich in einem breiten Ring ein unordentliches Gewirr von Gebäuden gebildet hatte. Weni ge hundert Meter jenseits der bewohnbaren Zone begann bereits die versiegelte Fläche, die Kunstwüste von Cagendar, ein mehrere Meter dicker, aus mit Plastikmasse unterein ander verklebten Kunstwerken und schätzen aller Art bestehender Panzer, der nach dem Willen des Neffen Duuhl Larx eines Tages den ganzen Planeten umschließen sollte. Die eigentlichen Bewohner von Cagendar waren die Trugen. Niemand wußte, ob sie auf dem Planeten auch ursprünglich vorhanden wa ren, oder ob Duuhl Larx sie hier angesiedelt hatte. Zum Zeitpunkt des Geschehens galten die Trugen als die treuesten Diener des Nef fen, und es schien, als verließe sich Duuhl Larx völlig auf diese Wesen. Ihnen oblag es auch, die Glasierung ihres Planeten zu pla nen und alle diesbezüglichen Arbeiten zu beaufsichtigen. Wurden die Trugen nicht durch allerlei Umstände gezwungen, von ih rem Bauprinzip abzuweichen, dann bauten sie alles, was ihnen unterkam, in Kreisen. So bildete auch die versiegelte Fläche einen fast
genau kreisförmigen Ring um die Stadt Ve med, einen Ring, der mittlerweile fast acht hundert Kilometer breit war. Und darum reichte die Fläche an ihrem südlichsten Rand inzwischen bis an die Küste heran. Im Be reich jener Zone, in der Kunstwüste und Meer aufeinanderstießen, lauerte zwischen juwelenüberkrusteten Felsen ein Mörder, ein Mann, dem der Haß im Herzen brannte. Die ser Mann hieß Peleff, und er war ein Valvke, der letzte Überlebende eines Volkes, das sich gegen Duuhl Larx aufgelehnt hatte. Aber Peleff hatte es keineswegs auf Duuhl Larx abgesehen, sondern er wartete auf einen Pthorer namens Razamon. Für Peleffs Haß gab es eine ganze Reihe von Gründen – hauptsächlich aber den, daß Razamon Peleffs Flucht nach Säggallo im Marantroner-Revier vereitelt hatte. Für den Fall, daß die Tat gelang und Raz amon samt Gleiter und dem Trugen FrantErf auf Nimmerwiedersehen in den schmut zigen Fluten des Lauen Meeres versank, hat te Drafgar-Kert dem Valvken die Freiheit versprochen. Peleff gab nicht viel auf das Versprechen eines Trugen, der einerseits ge dachte, sich zum Vertrauten des Neffen hochzuarbeiten, andererseits ganz ungeniert nach eigener Macht und privatem Reichtum strebte. Trotzdem war eine vage Hoffnung immer noch besser als gar nichts. Und wenn wirklich alles danebenging, dann hatte Peleff wenigstens den Trost, daß es ihm ge lungen war, erstens dem Pthorer und zwei tens dem Neffen etwas heimzuzahlen. Deshalb hockte er jetzt zwischen Felsen, von denen man vor lauter Verzierung nichts mehr sah, und wartete geduldig darauf, daß sein Opfer erschien. Der Gleiter mußte in jedem Fall diesen Punkt an der Küste überfliegen. Razamon,
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Marianne Sydow
so hatte Drafgar-Kert erfahren, war bereits unterwegs nach Harrytho, dem südlicheren Kontinent, auf dem Duuhl Larx samt seinem Hofstaat lebte. Der Neffe war sehr vorsich tig. Genauer gesagt, Duuhl Larx litt unter Verfolgungswahn, und darum hatte er dafür gesorgt, daß nicht jeder seiner Untertanen nach Lust und Laune in Richtung Harrytho steuern konnte. »So weit, so gut«, sagte Peleff zu sich selbst. »Die Falle ist gestellt, weitere Vorbe reitungen sind nicht nötig. Wo, bei der Aura des Neffen, bleibt das Wild?« Er starrte mit großen, gelben Augen in den farbenprächtigen Himmel von Cagendar hinauf, und allmählich verlor er etwas von seiner fast sprichwörtlichen Ruhe. Die rötliche Sonne stand schon hoch. Die spiegelblanke Fläche, die das Land bedeck te, reflektierte Licht und Hitze und brachte die Luft zum Kochen. Vom Meer her trieben gewaltige Gewitterwolken heran. Die Heiß luftzone verhinderte, daß das Unwetter ins Landesinnere zog, aber kaum einen Kilome ter von der Küste entfernt brach ein wahres Inferno los. Ganze Serien von Blitzen fuhren herab, das Meer bedeckte sich mit schmut zigweißem Schaum, und die Brandung wur de so stark, daß Peleff höher in die Felsen hinaufschweben mußte, wollte er nicht ris kieren, daß er samt seinen Waffen völlig durchnäßt wurde. Die Mittagsstürme kamen und gingen, und von dem Gleiter mit Razamon und Frant-Erf an Bord war immer noch nichts zu sehen. Der Himmel wurde klar und nahm ei ne rostige Farbe an, als die Sonne von Cagendar dem Horizont entgegensank, und Peleff suchte mit wachsender Verwirrung den Himmel nach einem schwarzen Punkt ab, der nicht kam.
* Zur Zeit der Mittagsstürme hatten Raza mon und Frant-Erf gerade erst die Hälfte der Entfernung zwischen der Stadt Vemed und dem Kontrollpunkt an der Küste zurückge-
legt. An und für sich war der Gleiter, den man ihnen für die Reise nach Harrytho zur Ver fügung gestellt hatte, durchaus fähig, die ge samte Strecke an einem einzigen Tag zu be wältigen. Aber wer sich auf Cagendar einzig und allein auf technische Mittel verließ, der erfuhr schnell, daß es so nicht ging. Cagendar war einmal ein durchaus be wohnbarer Planet gewesen. Es gab Meere und Kontinente und eine atembare Atmo sphäre, und die Ebenen und Hügel waren voll von wild wuchernden Pflanzen und wil den Tieren gewesen. Zumindest auf Vemed war von diesem natürlichen Reichtum nichts mehr zu sehen. Alles war unter dem schim mernden Panzer versunken, man war auf dem besten Weg, mit Hilfe der Technik die Natur zu besiegen, ja, ihr den Todesstoß zu versetzen. Aber der Planet wehrte sich. Er setzte das ein, was noch nicht unter der Ver siegelungsmasse verschwunden war: Seine Luftmassen. Und diese bildeten seine gewal tige Waffe. Razamon, der sich noch immer nicht ganz von dem gräßlichen Anblick hingerichteter »Verräter« erholt hatte, achtete zunächst kaum auf seine Umgebung. Er hatte genug damit zu tun, sein inneres Gleichgewicht wiederherzustellen. Noch vor wenigen Stun den hatte er geglaubt, daß es nur etwas Be herrschung und Willenskraft brauchte, um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen. Er wußte nun, wer er war und woher er kam. Er war nicht länger Nomazar, der Fremdling von außerhalb des Rghul-Reviers, der sich von unbekannten Mächten von Planet zu Planet treiben ließ. Er hatte vielmehr ein Ziel, und er hatte geglaubt, zu wissen, wie er es erreichte. Genau genommen waren es zwei Ziele: Er wollte zum einen Pthor helfen und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt in dieses Land zurückkehren, um nachzuse hen, was aus Atlan, Thalia, Kolphyr und all den anderen geworden war. Und zweitens beherrschte ihn der Wunsch, etwas gegen die grausamen Herrscher in der Schwarzen Galaxis zu unternehmen, wobei er sich zu
Pakt mit dem Bösen erst dem Neffen Duuhl Larx zu nähern ge dachte. Aber jetzt ahnte er, daß es Schwie rigkeiten geben würde. Wie sollte er sich das Vertrauen des Neffen erschleichen, ohne gleichzeitig zu tief in die abscheulichen Ma chenschaften dieses Herrschers verstrickt zu werden? Neben ihm saß Frant-Erf, der ihm als ab schreckendes Beispiel erschien. Der Truge hatte die Hinrichtungen befohlen. Er schien sich keiner Schuld bewußt zu sein. Ihm kam offenbar gar nicht in den Sinn, in seiner Tat etwas Unrechtes zu sehen. Hätte er sich we nigstens damit begnügt, die angeblichen Verräter schnell und halbwegs schmerzlos töten zu lassen! Es gab einen heftigen Ruck. Razamon wurde gegen die Bordwand des Gleiters ge schleudert und stieß sich den Kopf an einem energetischen Schutzdach, das sich plötzlich über der Flugschale wölbte. Der Vorfall, so schmerzlich er im ersten Augenblick auch sein mochte, hatte zumindest einen Vorteil: Razamon vergaß die quälenden Gedanken und schenkte seiner Umgebung etwas mehr Aufmerksamkeit. Der Gleiter rüttelte und schwankte, und Frant-Erf hantierte hektisch an den Steuer hebeln. Der Truge hatte seinen köcherförmi gen Kopf fast eingezogen, die Fühler dage gen ragten weit über die Ränder der Öffnung hinaus. »Was ist los?« erkundigte sich Razamon, denn er sah nichts, was für das absonderli che Verhalten des Gleiters verantwortlich sein mochte. »Es ist die Hitze!« erklärte Frant-Erf mit Hilfe der Lautfühler, die am Grunde seines »Köchers« saßen. »Sie steigt heute unge wöhnlich schnell.« Der Pthorer wunderte sich, denn den Tru gen konnte es sonst gar nicht warm genug werden. Frant-Erf trug auch jetzt dicke Schutzkleidung, und das, obwohl im Gleiter eine Temperatur von mindestens fünfund dreißig Grad herrschte. Aber dann geriet das Fahrzeug in ein Luftloch und sackte fast bis zum Boden durch. Razamon begriff endlich,
5 worum es ging. »Bleibe am Boden!« rief er dem Trugen zu. »Da sind wir am sichersten!« Der Gleiter schoß jedoch schon wieder in die Höhe, geriet in einen Luftwirbel und drehte sich wie ein riesiger Kreisel. »So kommen wir nie nach Harrytho!« rief Frant-Erf zurück. »Wir sind einfach zu spät dran. Wir sollten es heute abend noch ein mal versuchen.« »Unsinn!« knurrte Razamon. »Laß mich mal ran!« Er war noch nicht oft mit trugischen Glei tern geflogen, aber soweit er sehen konnte, waren diese Fahrzeuge sehr leicht zu steu ern. Er schob den schweren Trugen zur Seite und griff nach den Hebeln. Der Gleiter kipp te zur Seite ab, schoß wie ein Pfeil aus dem Wirbel heraus und raste der spiegelblanken Fläche entgegen. Frant-Erf sagte gar nichts. Er saß nur wie erstarrt da und rührte keinen Finger. Offen bar hatte er bereits mit seinem Leben abge schlossen. Razamon riß an den Hebeln und schaffte es im letzten Augenblick, den Gleiter abzu fangen und zwischen zwei glitzernden Hü geln zu landen. »So«, murmelte er. »Und jetzt die mini malste Flughöhe. Siehst du, Frant-Erf, so müßten wir es eigentlich schaffen.« »Wir werden Stunden brauchen, um we nigstens die Küste zu erreichen«, jammerte der Truge. »Was macht das schon«, knurrte Raza mon. »Hauptsache, wir kommen lebend an.« »Der Neffe wird uns bestrafen, wenn wir uns verspäten.« »Unsinn. Er hat ja selbst schuld an dem ganzen Theater. Er hätte von Anfang an dar auf achten müssen, daß wenigstens ein paar Straßen von dieser glänzenden Kruste frei gehalten werden.« Frant-Erf schwieg erschrocken. Wie konnte der Fremde es wagen, den Neffen zu kritisieren? Das war ein Verbrechen, und der Truge hätte – wäre Razamon nicht ein Fall für sich gewesen – nicht gezögert, den Ptho
6 rer auf der Stelle mit Hilfe der Schock schleuder zu bestrafen. Aber Duuhl Larx selbst hatte befohlen, daß man den Pthorer freundlich und zuvor kommend behandeln solle – und schließlich war man an diesem Punkt der Wüste auch weit von dem Neffen entfernt. »Versuchen wir es«, meinte Frant-Erf re signierend. Er rechnete sich insgeheim be reits aus, daß die Strafe für die Verspätung um so weniger empfindlich ausfallen würde, je eher man trotz allem im Palast eintraf. Er übernahm die Steuerung. »Haben wir Wasser an Bord?« fragte Raz amon. Die Hitze machte dem Pthorer zu schaffen. »Ja«, antwortete Frant-Erf knapp. »Her damit!« befahl der Pthorer, und Frant-Erf angelte widerstrebend einen Kani ster unter seinem Sitz hervor. »Was ist mit der Klimaanlage?« forschte Razamon weiter. »Sicher läßt sich die Tem peratur in der Kabine senken, oder?« »Ich werde erfrieren!« protestierte der Truge entsetzt. »So schnell sicher nicht. Soll ich etwa einen Hitzschlag bekommen? Duuhl Larx würde dir dafür das Fell über die Ohren zie hen – das heißt, über den Köcher.« Gut und schön – der Neffe hatte Frant-Erf Hoffnung auf eine Belohnung gemacht, aber dieser Preis war fast zu hoch für den Tru gen. Nur die Angst vor einer empfindlichen Strafe konnte ihn dazu bewegen, das Geblä se einzuschalten und zu erlauben, daß fri sche, kühle Luft in die Kabine rauschte. Razamon genoß diese Wohltat in vollen Zü gen. Frant-Erf dagegen fühlte sich als Mär tyrer. Unterdessen kroch der Gleiter summend über das hügelige Gelände. Razamon ver suchte sich vorzustellen, wie es hier ausge sehen hatte, als es noch Wälder und Wiesen gab. Es mußte einmal eine ganz annehmbare Gegend gewesen sein. Jetzt war das Land er starrt, erstickt und begraben unter dem künstlichen Panzer, der sich wie eine seltsa me Art von Glas über alles hinwegzog. Un-
Marianne Sydow ter der schimmernden Schicht erkannte man hier und da schmale Bäche, die einfach zu gedeckt worden waren. Breitere Wasserläufe lagen frei, aber auf den ersten Blick ließ sich erkennen, daß in diesen Flüssen nichts mehr lebte. Frant-Erf fieberte vor Ungeduld. Es ging ihm zu langsam vorwärts. Aber er wagte es nicht, den Gleiter in größere Höhen zu steu ern. Schweigend und verbissen arbeitete er an den Hebeln. Es mochte kurz nach Mittag sein, da tauchten vor ihnen steile Felsen auf. Eine Gruppe von dunklen Punkten bewegte sich am Fluß der Klippen. »Was ist denn das?« sagte Frant-Erf über rascht. »Hier wird doch seit langem nicht mehr gearbeitet, und niemand hat etwas auf der versiegelten Fläche zu suchen.« »Vielleicht machen ein paar Artgenossen von dir einen Ausflug«, vermutete Raza mon. »Ausflug?« fragte Frant-Erf verständnis los. Razamon seufzte. Natürlich hatte ein Tru ge keinen Sinn für irgendeine Art von Frei zeitbeschäftigung. Diese Wesen dienten in jeder einzelnen Stunde ihres Lebens allein dem Neffen. »Es war nicht so gemeint«, murmelte er. »Ich muß wissen, was da vorgeht«, ent schied Frant-Erf. »Wir werden Zeit verlieren. Denke an den Neffen!« »Das hier geht vor. Es ist meine Pflicht, ungewöhnliche Vorkommnisse zu untersu chen.« »Wer immer da vorne auch herumkrie chen mag«, sagte Razamon nachdenklich, »er hat bestimmt nichts Böses im Sinn. Oder sollte etwa auch nur ein einziger Truge im stande sein, gegen die Gesetze dieses Plane ten zu verstoßen?« Frant-Erf antwortete nicht. Er hatte offen bar sogar die »Kälte« innerhalb der Kabine vergessen und konzentrierte sich völlig auf die Punkte vor den Klippen. Razamon fühlte sich plötzlich unbehaglich. Er mußte schon
Pakt mit dem Bösen wieder an jene Wesen denken, die man in Vemed als Verräter hingerichtet hatte. Er hoffte, daß sich alles auf ganz normale Wei se aufklären würde. Eines war sicher: Er würde es nicht zulassen, daß Frant-Erf in seiner Anwesenheit solche Grausamkeiten beging. Aber leider stellte sich schnell her aus, daß der Truge zu Recht Verrat witterte. Bei den Felsen hatte man inzwischen den näherkommenden Gleiter bemerkt. Die We sen dort drüben rannten aufeinander zu, bil deten für kurze Zeit eine nervös wirkende Gruppe und schwärmten dann aus. Ihr Ab sicht war unverkennbar: Sie nahmen den Gleiter in die Zange. »Du solltest ihnen ausweichen«, bemerkte Razamon. »Sie sind in der Übermacht.« »Niemals!« gab der Truge zurück. »Außerdem sind sie zu Fuß. Wir werden sie erwischen.« »Und wenn sie gar nichts angestellt ha ben? Mir sieht das sehr nach einem Mißver ständnis aus.« »Es sind Sanitäter.« Razamon atmete erleichtert auf. »Dann ist ja alles gut. Hat es ein Unglück gegeben?« Frant-Erf richtete ein paar Sichtfühler auf seinen Begleiter. »Du verstehst das alles nicht«, erklärte er abweisend. »Halte dich also besser aus der ganzen Sache heraus.« Die Sanitäter waren jetzt schon ziemlich deutlich zu erkennen. Sie trugen Waffen, wie alle Angehörigen ihres Volkes, und sie richteten schwere Strahler auf den Gleiter. Frant-Erf tat etwas, das Razamon nicht ver stand: Er zog den Gleiter hoch. »Bist du verrückt geworden?« rief der Pthorer empört. Er verstand nicht, was in die Trugen gefahren war. Erstens wollte ihm nicht in den Kopf, warum Sanitäter bewaff neten Widerstand leisten sollten, zweitens bot sich Frant-Erf diesen Leuten als Ziel scheibe an. »Ich werde sie vernichten!« verkündete Frant-Erf drohend. Fast gleichzeitig gab es einen Ruck. Raza
7 mon sah, wie es im runden Bug des Gleiters aufglühte. Ein Stück der Verkleidung riß ab und verschwand wirbelnd in der Tiefe. Sie schießen tatsächlich auf uns, dachte er entsetzt. Sind diese Burschen denn von allen guten Geistern verlassen? Im nächsten Augenblick brach ein Schwall heißer Luft über ihn herein – FrantErf hatte die Kabinen-Abschirmung aufge löst. Der Truge zielte mit seinem Strahler auf die Sanitäter, die in dieser kristallen schimmernden Landschaft deutlich zu sehen waren. Aber Frant-Erf hatte Pech. Je näher er den Klippen kam, desto unberechenbarer wurden die Luftströmungen. Um das Fahrzeug auf Kurs halten zu können, hätte er sich ganz und gar auf die Steuerung konzentrieren müssen. »Mach Platz!« schrie Razamon den Tru gen an. »Schießen kannst du immer noch, aber wir werden gegen die Felsen prallen, wenn du nicht endlich Vernunft annimmst.« Frant-Erf hörte ihn nicht. War er wirklich so wütend auf die Sanitäter, daß er alles um sich herum vergaß? Razamon wußte es nicht, und er zerbrach sich jetzt auch nicht den Kopf darüber. Er kämpfte verzweifelt um sein Gleichgewicht, bemühte sich gleichzeitig, den Trugen von den Kontrollen wegzuschieben und nutzte jede winzige Gelegenheit, um durch einen kurzen Hebeldruck den Gleiter von den ge fährlichen Klippen wegzubringen. Daß das nicht lange gutgehen konnte, war klar. Die Sanitäter schossen Sperrfeuer – ge naues Zielen war auch ihnen bei den unbere chenbaren Manövern des Gleiters nicht möglich. Frant-Erf schoß ebenfalls, traf aber keinen einzigen Trugen, sondern brannte nur schwarze Flecken in die Versiegelung. In all dem Durcheinander verlor Razamon einmal die Orientierung, und schon war es gesche hen. Der Gleiter geriet in eine Strahlbahn. Das Fahrzeug war robust genug, um diesen Streifschuß zu verdauen, geriet jedoch end gültig außer Kurs und schrammte an einer glitzernden Wand entlang.
8 Der Pthorer bemühte sich verzweifelt, die Flugschale noch einmal unter Kontrolle zu bringen. Gerade als er glaubte, es geschafft zu haben, entdeckte Frant-Erf fast senkrecht unter sich einen schießenden Trugen, beugte sich weit vor und feuerte – und der Gleiter kippte zur Seite ab. Nichts wie raus hier! dachte Razamon. Aber wohin? Der Gleiter trudelte. Immer noch arbeiteten die Triebwerke, und es war vom Zufall und den plötzlichen heißen Böen abhängig, ob es gerade nach oben oder nach unten ging oder in welche Richtung auch immer. Frant-Erf schoß nicht mehr, sondern klammerte sich nur noch an der Bordwand fest. Seinen Köcherkopf hatte der Truge ein gezogen, auch die Fühler hatte er geborgen. Darum sah er nicht – wie Razamon – die blinkende Wasserfläche auftauchen. »Laß los!« schrie Razamon dem Trugen zu. Frant-Erf sah und hörte nichts. Es hatte keinen Sinn, zu versuchen, den Griff des Trugen zu lösen, noch dazu, da alles rasend schnell ging. Also gab der Pthorer sich einen Ruck und nutzte den Schwung der nächsten Kurve, um den Gleiter zu verlassen. Er fiel knappe zehn Meter tief und stürzte wie ein Stein ins Wasser. Er hatte keine Ah nung, wie tief der Teich war. Er schloß die Augen und breitete die Arme aus, und dann stießen seine Füße auch schon auf dem Grund. In seinen Knöcheln schmerzte es, aber er fing die Wucht des Aufpralls ab und stieß wieder hinauf, brach durch die Ober fläche und schnappte keuchend nach Luft. Für einen Augenblick nahm er ein grelles Licht wahr, dann schlug ohrenbetäubender Donner an seine Ohren. Der Gleiter war explodiert. Razamon sah die ersten Trugen am Ufer auftauchen. Sie hielten ihre Waffen immer noch in den Händen, zielten aber nicht auf den Pthorer. Während er ans Ufer schwamm, versam melte sich nach und nach die ganze Gruppe der Sanitäter. Er bekam Grund unter den Fü ßen und richtete sich auf. »Ich bin unbewaffnet«, rief er den Trugen
Marianne Sydow zu. »Ich will nichts von euch und habe mit dem Mann, der auf euch geschossen hat, nichts zu tun. Laßt mich an Land!« Einer der Sanitäter hob den rechten Arm. Es schien sich um eine friedliche Geste zu handeln, denn die anderen hefteten die Schockschleudern und Strahlenwaffe wieder an die Haftplatten auf ihren dicken Schutz anzügen. Razamon watete gemächlich an Land. Er verließ sich darauf, daß die Trugen auf ihn, den Fremden, nicht so schnell feu ern würden. Ein Fremdling war auf Cagen dar meistens auch gleichzeitig ein Gefange ner des Neffen, und diese Sanitäter waren wohl kaum begeisterte Anhänger dieses Herrschers. Sie erwarteten ihn regungslos. Als er triefnaß vor ihnen stand, hob der Anführer der Gruppe abermals den Arm. Gleich dar auf kamen zwei seiner Artgenossen herbei geeilt. Sie brachten einen riesigen Packen Decken mit. Razamon, der das plötzliche Bad nach träglich als eine wahre Erfrischung empfand, legte den Kopf zurück und lachte schallend. Die Trugen wichen erschrocken vor ihm zu rück. »Danke«, murmelte Razamon verlegen, denn ihm wurde bewußt, daß er sich reich lich unhöflich benahm. Den wärmebedürfti gen Trugen mußte es ein gräßlicher Gedanke sein, zuerst im Wasser zu landen und dann mit nasser Kleidung dazustehen. »Es geht schon. Das Zeug hier wird nur zu schnell trocken. Mir ist es zu heiß in eurem Land. Was tut ihr hier?« »Komm!« sagte der Anführer statt einer direkten Antwort, drehte sich um und mar schierte im Geschwindschritt davon. Raza mon hatte Mühe, den kurzbeinigen, aber un gemein schnellen Trugen zu folgen.
2. Es ist ein Wunder, dachte Razamon stau nend. Er konnte es noch immer nicht fassen. Hier auf Cagendar, mitten in der künstlichen
Pakt mit dem Bösen Wüste, in der es seit langem kein Leben mehr gab, existierte ein beinahe idyllisches Plätzchen, auf dem die Sanitäter sich häus lich eingerichtet hatten. Warum Frant-Erf sie so bezeichnet hatte, wußte der Pthorer zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht. Aber er fand, daß es sich um die zugänglichsten Tru gen handelte, die ihm bisher über den Weg gelaufen waren, und darum stellte er keine langen Fragen, sondern genoß die kurze Ru hepause. Das Versteck der Sanitäter lag auf dem Grund einer schmalen Schlucht. Die Boden spalte war nicht mit der sonst allgegenwärti gen Glasur versehen. Offenbar hatte man sie einfach überdeckt, wie es auch mit den schmaleren Wasserläufen geschah. Aber di rekt über der Schlucht war die Versiegelung aufgebrochen, und ein schmaler Pfad führte in die Tiefe. Es konnte noch nicht lange her sein, daß man das Versteck angelegt hatte, denn das eigentliche Lager wirkte noch neu und unfertig. Aber es gab sogar Pflanzen hier unten, wenn es sich auch meistens nur um moos- und flechtenartige Gewächse han delte. Sie mochten imstande sein, für einige Zeit unter der Versiegelung zu existieren, wenn ihnen nur ein genügend großer Hohl raum blieb. Die Trugen schienen bemüht, die spärliche Vegetation um jeden Preis zu schonen. Razamon sah, daß sie weite Sprün ge riskierten, um ja auf keine der Pflanzen treten zu müssen. Auch die einfachen Pla stikkuppeln, aus denen das Lager bestand, waren auf einer absolut kahlen Sandfläche errichtet. »Fühlst du dich jetzt wohler?« fragte der Anführer den Pthorer, als dieser schon etwa eine halbe Stunde lang im Schatten einer Hütte gesessen hatte, einen Krug mit küh lem, klarem Wasser und eine flache Schale mit Konzentratriegeln vor sich. »Ja«, murmelte Razamon. »Wie heißt du?« »Ich bin Wol-Tyr. Wärest du bereit, uns jetzt deine Geschichte zu erzählen?« Razamon war dazu überhaupt nicht aufge legt. Er hatte ganz entschieden etwas dage
9 gen einzuwenden, daß er jetzt seine Karten auf den Tisch legen sollte, ohne zu wissen, welchen Standpunkt die Sanitäter vertraten. Sagte er etwas, was den Trugen nicht gefiel, so brachten sie ihn womöglich kurzerhand um. Razamon verfügte zwar über beachtli che Kräfte, denn schließlich war er ein Ber serker. Aber die Trugen waren erstens in der Überzahl, besaßen zweitens brauchbare Waffen und waren auch sonst im Vorteil: Razamon war auf ihre Hilfe angewiesen. Die Wüste war zu gewaltig und zu lebens feindlich, als daß er hätte hoffen können, ihr aus eigenen Kräften zu entrinnen. Wol-Tyr stand neben ihm und wartete. Die anderen Sanitäter näherten sich, und ob wohl es ihm praktisch unmöglich war, etwas mit der fremdartigen Mimik dieser Wesen anzufangen, hatte er das deutliche Gefühl, daß sie ihn neugierig musterten. Seufzend kam er zu dem Schluß, daß ihm gar keine andere Wahl blieb, als Wol-Tyrs Wunsch zu erfüllen. Er war jedoch sehr vor sichtig in seinen Bemerkungen. So gab er vor, nicht zu wissen, warum Frant-Erf ihn nach Harrytho bringen sollte, und über den Neffen Duuhl Larx äußerte er sich absolut neutral. Offenbar beging er keinen allzu groben Fehler, denn die Trugen rührten ihn nicht an. Schweigend umstanden sie ihn, eine Mauer von klobigen Körpern, über deren braunen Köcherköpfen die Fühlerbündel aufgeregt schwankten. Als Razamon seinen kurzen Bericht beendet hatte, rückte Wol-Tyr einen Schritt näher an den Pthorer heran. »Vom Neffen«, sagte der Truge bedäch tig, »hast du nichts Gutes zu erwarten. Nach allem, was du erzählt hast, wird er dir zwar eine Belohnung zuteil werden lassen. Aber hüte dich, darin eine freundliche Geste zu sehen. Duuhl Larx kennt die Gesetze von Freundschaft und Gastlichkeit nicht. Es wäre besser für dich, nicht in den Palast zu gehen, sondern auf dem schnellsten Weg Cagendar zu verlassen. Oder zieht es dich nicht in dei ne Heimat zurück?« »Doch«, antwortete Razamon überrascht.
10 »Aber wie sollte ich von diesem Planeten fliehen? Man machte mir klar, daß das abso lut unmöglich ist!« »Würdest du einem Gefangenen etwas an deres sagen?« fragte Wol-Tyr trocken. »Aber die Lage ist gar nicht so hoffnungs los. Wir könnten dir helfen, ein Schiff zu finden und an Bord zu kommen.« »Wie wollt ihr das anstellen?« »Ganz einfach.« Wol-Tyr deutete an, daß Razamon ihm folgen solle, und der Pthorer trabte gespannt hinter dem Trugen her. Die anderen Sanitä ter folgten den beiden zum Teil. Einige aber machten sich auf den Weg und kletterten über den steilen Pfad aus der Schlucht her aus. »Sieh dir das an«, empfahl Wol-Tyr, als sie vor einem mit braunen Planen bedeckten Haufen standen. Er hob einen Zipfel der nächstbesten Decke hoch, und Razamon starrte entgeistert auf das, was die Trugen hier zusammengetragen hatten. Es waren Schätze von ungeheurem Wert, die kostbar sten Juwelen, die der Pthorer jemals gesehen hatte. »Jetzt verstehe ich, warum Frant-Erf so wütend auf euch war«, murmelte Raza mon. Den Rest der Bemerkung schluckte er geistesgegenwärtig hinunter. Es würde den Trugen sicher nicht gefallen, wenn er sie als Diebe bezeichnete. »Du verstehst das noch nicht ganz«, erwi derte Wol-Tyr gelassen. »Ich werde es dir gleich erklären. Aber vorher eine Frage: Kannst du dir vorstellen, daß so mancher Raumfahrer die Gesetze des Neffen vorüber gehend vergißt, wenn wir ihm einige dieser Steine anbieten?« »Und ob ich mir das vorstellen kann!« »Wir können es nicht«, behauptete der Truge nüchtern. »Wir sehen vom ersten Tag unseres Lebens an mehr von diesem Zeug, als gut für uns ist. Unsere Welt ertrinkt in Schätzen aller Art. Für uns ist ein einfacher Stein oder eines von diesen Pflanzenbü scheln tausendmal mehr wert als eine ganze Schiffsladung von Juwelen. Glaubst du nun, daß wir dir helfen können?«
Marianne Sydow »Ja«, sagte Razamon nachdenklich, und gleichzeitig dachte er, daß es gar nicht so übel wäre, könnte er auf diese Weise von Cagendar entkommen. Aber was wurde dann aus seinen hochflie genden Plänen? Er schob die Frage vorerst zur Seite. Es war noch viel zu früh, um sich darüber Ge danken zu machen. Im Palast von Harrytho würde man bald feststellen, daß der Gleiter überfällig war, und es war zu erwarten, daß man eine großangelegte Suche startete. Frant-Erf war so etwas wie der Polizeichef von Vemed gewesen und somit keine unbe deutende Persönlichkeit, und Razamon stand offenbar auf Harrytho ebenfalls hoch im Kurs. Man würde einiges anstellen, um sei ner habhaft zu werden. »Frant-Erf bezeichnete euch als Sanitä ter«, sagte er. »Ehrlich gesagt – ich weiß nicht, wie diese Bezeichnung auf euch paßt.« »Ich weiß, was du meinst. Aber nicht nur lebende Wesen werden krank und brauchen Hilfe. Unser Planet ist ärger dran als die Op fer der Giftwolken von Vemed. Wir versu chen, unsere Welt zu heilen.« »Donnerwetter«, stieß Razamon hervor. »Da habt ihr euch aber etwas vorgenom men.« »Das wissen wir. Wir sind uns auch klar darüber, daß wir wahrscheinlich keinen Er folg haben werden. Aber wir können nicht untätig zusehen, wie unsere Welt stirbt.« »Gibt es viele Trugen, die so denken?« »Das kommt darauf an, wie man es sieht«, antwortete Wol-Tyr philosophisch. »Fast alle Trugen spüren, daß Cagendar zum Tode verurteilt ist. Die meisten können sich aber nicht dazu aufraffen, etwas dagegen zu unternehmen. Dann gibt es die, die zwar be reit sind, ein gewisses Risiko einzugehen, aber dabei nicht den Mut aufbringen, eine klare Trennung zu vollziehen. Sie bleiben im Dienst des Neffen und ziehen nur gele gentlich hinaus, um hier und da winzige Lücken in die Versiegelung zu reißen. Man che dieser Trugen gehören Bautrupps an. Sie
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verstehen einfach nicht den Widersinn ihrer Handlungsweise: An dem einen Tag helfen sie, die Fläche zu erweitern, am nächsten brechen sie ein paar Stücke aus der Fläche heraus.« Wol-Tyr deutete auf das Lager und die Trugen, die inzwischen fast vollzählig dabei waren, die Schlucht zu verlassen. »Wir gehören zu den wenigen, die mit al len Kräften für unser großes Ziel eintreten. Das ist sehr schwer für uns. Wir sind von unseren Artgenossen völlig abgeschnitten. Oft ist es uns sogar unmöglich, rechtzeitig in unsere verborgenen Höhlen zu unseren Frauen zurückzukehren, und dann müssen wir sterben. Ohne die Kodierung der Wärme erfrieren wir, auch wenn die Temperaturen in dieser Gegend für uns sehr angenehm sind.« Razamon nickte. Er war durch Frant-Erf über diese Dinge informiert. »Eine noch größere Gefahr«, fuhr WolTyr fort, »droht uns zur Zeit von den ande ren Sanitätern, denen, die in Vemed und den anderen Städten leben. Sie haben offenbar ein paar Verräter in ihren Reihen aufgenom men. Wir stehen mit ihnen in loser Verbin dung. Immer häufiger fängt man nun Grup pen von uns ein und bringt sie nach Vemed, wo man unsere Freunde wie Verbrecher be handelt.« Razamon wußte nur zu genau, was WolTyr damit meinte, und der ihm eigene Wunsch nach Gerechtigkeit beherrschte ihn, als er spontan sagte: »Ich werde versuchen, euch zu helfen.« »Ich weiß dein Angebot zu schätzen«, sagte Wol-Tyr unbewegt. »Du solltest je doch berücksichtigen, daß du ein Fremder bist. Du könntest nicht viel für uns tun. Wir werden dafür sorgen, daß du möglichst bald in deine Heimat zurückkehren kannst.«
* Unterdessen hatte man in Harrytho bereits bemerkt, daß etwas nicht stimmte. Das Ge fährt, das Razamon zum Palast des Neffen
befördern sollte, war nicht über dem Kon trollpunkt an der Küste erschienen. Die Re aktion auf diese Nachricht fiel sehr unter schiedlich aus, je nachdem, ob die, die da von hörten, die Sphäre des Neffen in der Nä he wußten oder nicht. Drafgar-Kert, der schon seit Stunden in der Nähe der Funksta tion herumlungerte, bekam zunächst einen riesigen Schrecken. Zwar hatte er auf die Nachricht vom Verschwinden des Gleiters gewartet, aber die Begleitumstände machten ihn nervös. Immerhin war er es gewesen, der den Valvken mit Waffen versah und ihn in die Nähe des Kontrollpunkts absetzte. Es war verabredet, daß Peleff den Gleiter ver nichtete, wenn dieser den Punkt bereits pas siert hatte und auf das Meer hinausflog. Nur so hatte die Sache Aussicht auf Erfolg. Schoß Peleff den Gleiter über Land ab, dann mußte man die Trümmer finden, und die Spezialisten von Harrytho waren alles ande re als dumm. Sie würden sofort wissen, daß das Fahrzeug nicht freiwillig vom Himmel gefallen war. Außerdem ließ sich nachträg lich – wenn der Gleiter einmal über den Kontrollpunkt hinaus war – kaum noch fest stellen, wo es zu dem angeblichen Unglück gekommen war. Die Überwachung setzte erst wenige Kilometer vor der Küste von Harrytho wieder ein. Unterwegs konnte das Fahrzeug nur von den vier Raumstationen aus beobachtet werden, die für Harrytho zu ständig waren. Ihre technischen Möglichkei ten aber reichten nicht aus, um die Schüsse zu orten, die Peleff abgeben mußte. Es wür de aussehen, als sei ein technisches Versa gen am Tod der beiden Passagiere schuld. Drafgar-Kert hatte Mühe, seinen nervös auf und ab zuckenden Köcher zur Ruhe zu bringen. Ihm schossen alle möglichen Ge danken durch den Sinn, und einer blieb hart näckig haften: Der verdammte Valvke hat sich nicht an die Abmachung gehalten. Ich muß verrückt gewesen sein, ihm zu vertrauen. Er will mich ans Messer liefern. Daß Peleff einen solchen Verrat nicht überlebt haben konnte, war für den Trugen
12 nur ein schwacher Trost. Drafgar-Kert hatte die Waffen, die er bei den Klippen zurück ließ, sorgfältig präpariert. Peleff war ein aus gezeichneter Schütze. Es ließ sich also ge nau kalkulieren, wie viele Schüsse er abge ben mußte, um Razamon und Frant-Erf zu vernichten. War das Maß voll, so verwan delten sich die Strahler in Bomben, die ex plodierten und den Valvken ins Jenseits be förderten. Drafgar-Kert hatte alles so genau berechnet, daß die beiden Explosionen zu gleicher Zeit erfolgen mußten, damit man auch auf den im Raum stehenden Stationen nicht auf dumme Gedanken kam. Aber wenn Peleff den Gleiter nun doch über dem Land abgeschossen hatte – er mußte Gewißheit haben. Vielleicht gelang es ihm noch, die Sache zu vertuschen. Wenn alle Stricke rissen, konnte er versuchen, den Sanitätern die Schuld in die Schuhe zu schieben. Nicht umsonst hatte er sich – ge tarnt selbstverständlich – an die Spitze die ser Narren gestellt. Aber ehe er mit solchen Behauptungen vor die Sphäre des Neffen treten konnte, mußte er noch einige Vorbereitungen tref fen. Drafgar-Kert begab sich auf die Suche nach dem Neffen. Harrytho war ein kleiner Kontinent, der isoliert im Lauen Meer lag. Das ganze Land war restlos mit zusammengebackenen Schät zen überzogen, selbst unterhalb der Flutlinie setzte sich diese Glasur noch einige hundert Meter weit fort. Auch die Paläste waren aus zusammengetragenen Kostbarkeiten erbaut. Sie schimmerten in allen nur denkbaren Far ben. Ihre Wände und Decken, Fußböden und Dächer bestanden aus den erlesensten Kunstwerken, die das Rghul-Revier zu bie ten hatte, und die Zwischenräume waren mit unzähligen Juwelen ausgefüllt. Auf Harry tho ging, stand, schlief und saß man mitten in einem Berg von Schätzen. Und mittendrin hauste der Neffe Duuhl Larx. Wo sich seine Gemächer befanden, war jedem Bewohner des Kontinents bekannt. Aber es hatte über haupt keinen Sinn, dorthin zu gehen und um
Marianne Sydow ein Gespräch zu bitten. Alles, was man zu sehen bekam, waren Roboter, die jeden Be sucher an der Schwelle des Palasts abfingen und ihn mit drohend erhobenen Waffenar men nach seinen Wünschen fragten, wenn sie ihn nicht von vornherein als unerwünscht einstuften und ihn kurzerhand umbrachten. Es hieß, daß Duuhl Larx auch einige organi sche Diener in seinem Palast hielt, aber die se traten nie ans Tageslicht. Duuhl Larx zog es vor, selbst zu seinen Untertanen zu kommen. Er brauchte sich da bei nicht anzustrengen, denn er schwebte ganz geruhsam im Innern einer heißen, grell strahlenden Sphäre umher. Allerdings wußte niemand genau, wann Duuhl Larx sich wirk lich in dieser Sphäre befand, beziehungswei se, ob er überhaupt noch persönlich solche Ausflüge unternahm. Man tendierte zuneh mend zu der Annahme, der Insasse der Sphäre sei ein Roboter, der dem Neffen nur als Sprachrohr diente. Für Drafgar-Kert machte das keinen großen Unterschied. Sein Problem war es, die Sphäre ausfindig zu machen. Duuhl Larx hielt zwar regelmäßig Audi enzen in einem besonderen Prunksaal ab, aber erstens wollte Drafgar-Kert nicht bis zum späten Abend warten, und zweitens wä re es ihm nicht in den Sinn gekommen, seine Wünsche zu nennen, solange die riesige Schar von Günstlingen und Hofschranzen um die Sphäre herumwimmelte. Er hatte Glück. Nach weniger als einer Stunde entdeckte er die Sphäre. Sie hing im Nordgarten in etwa drei Metern Höhe in der Luft. Es schien, als betrachte Duuhl Larx – oder sein robotischer Gesandter – voller An dacht den Bauchnabel einer gigantischen Statue. Drafgar-Kert rannte auf die Statue zu. »Duuhl Larx!« rief er, so laut er konnte. »Großer Neffe des Dunkeln Oheims – höre mich an!« Die Sphäre rührte sich nicht. Drafgar-Kert zwängte sich zwischen den baumelnden Tentakelarmen der Statue hindurch und blieb erst stehen, als er die äußerste Grenze
Pakt mit dem Bösen der verbotenen Distanz erreichte. »Drafgar-Kert«, tönte eine dumpfe Stim me aus dem Innern der Sphäre. »Was willst du von mir?« »Ich bin tief beunruhigt«, erklärte der Truge. »Denn ich habe erfahren, daß der Gleiter, der den Pthorer Razamon zu dir bringen sollte, überfällig ist. Erlaube mir, daß ich die Suche nach dem Fahrzeug auf nehme.« »Du willst dich persönlich darum küm mern?« »Ja, Herr.« »Warum?« Mit dieser Frage hatte Drafgar-Kert ge rechnet. »Ich möchte dich nicht zornig machen, Herr«, sagte er vorsichtig, »aber ich kann diesem Pthorer nicht recht trauen. Er hat den Valvken hergebracht, und das beweist, daß er ungewöhnliche Fähigkeiten hat. Er könnte es daher auch geschafft haben, Frant-Erf zu täuschen. Vielleicht ist er ein Verräter, und er hat die erstbeste Gelegenheit genutzt, um sich abzusetzen und seine eigenen Pläne zu verfolgen.« »Du zweifelst an meiner Weisheit«, dröhnte es aus der Sphäre, und Drafgar-Kert zog erschrocken den Köcher ein, darauf ge faßt, daß ein vernichtender Hitzestrahl auf ihn herabzuckte. Aber dazu kam es zum Glück nicht. Denn die Stimme aus dem Lichtgebilde fuhr fort: »Dennoch will ich dir für diesmal verzei hen, Drafgar-Kert. Zwar bin ich überzeugt davon, daß Razamon mein volles Vertrauen verdient, aber für ein Wesen deiner Art hast du sehr umsichtig gehandelt und deine Ge danken auf meine Sicherheit gelenkt. Sage mir noch eines: Warum gibst du nicht ein fach Befehl an die Trugen von Vemed, sich auf die Suche nach dem Gleiter zu bege ben?« Drafgar-Kert nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Herr«, sagte er, »wenn es dem Pthorer gelungen sein sollte, selbst dich, den allwis senden Lieblingsneffen des Dunklen
13 Oheims, zu täuschen, so dürfte es besser sein, wenn nur einer deiner unwürdigen Die ner davon weiß.« In der Sphäre kicherte es verhalten. »So gefällst du mir, Drafgar-Kert!« ver kündete der Neffe – oder das, was gerade für ihn sprach. »Also geh und sieh dich nach dem Fahrzeug um. Bringe mir Razamon, hast du verstanden?« »Ja, Herr!« Die Sphäre löste sich und schwebte an der Statue hinauf, nahm Kurs auf das nächste Gebäude und war wenig später verschwun den. Drafgar-Kert verlor keine Zeit. Er nahm sich eines der schnellsten Fahrzeuge, die in ganz Harrytho zu finden waren, und brach unverzüglich auf. Trotzdem gelangte er erst nach Einbruch der Dunkelheit an jenen Ort, an dem Peleff verwirrt und wütend nach sei nem Opfer Ausschau hielt. Der Valvke hätte vor lauter Eifer fast Drafgar-Kert herunter geholt. Im ersten Augenblick verspürte der Truge nur eine ungeheure Erleichterung. Peleff lebte und befand sich auf dem Platz, an den er nach Drafgar-Kerts Willen gehörte. Damit schien alles nur noch halb so schlimm. »Ich habe den ganzen Tag hier gewartet!« sagte Peleff böse, als er den Trugen vor sich hatte. »Was ist passiert? Warum hast du mich nicht eher benachrichtigen lassen? Glaubst du, es ist ein Vergnügen, in dieser Hitze hier herumzuhängen?« Drafgar-Kert erklärte ihm, was er wußte – und das war nicht gerade viel. »Dieser Razamon ist ein wahrer Teufel«, murmelte Peleff, als der Truge schwieg. »Ich habe es von Anfang an gewußt. Wenn ich Duuhl Larx wäre – ich würde den Ptho rer mit dem nächstbesten Schiff zu Chirmor Flog schicken. Etwas Schlimmeres, als ihm Razamon auf den Hals zu hetzen, kann der Neffe seinem ärgsten Feind nicht antun!«
* Der, von dem Peleff gerade sprach, mar schierte zur selben Zeit inmitten einer Grup
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pe von Trugen über die spiegelglatte Kunst wüste. Die Trugen zogen sich nach fast drei tägiger Abwesenheit in ihr Stammlager zu rück, um dort mit Hilfe ihrer meditierenden Frauen neue Kräfte für weitere Unterneh mungen zu tanken, und Razamon ging mit ihnen. Er fühlte sich recht wohl bei den Sanitä tern. Sie waren nicht nur freundlich zu ihm, sondern offensichtlich auch viel aufge schlossener und intelligenter als alle Trugen, die der Pthorer bisher kennengelernt hatte. Razamon kam es vor, als wären die Sanitäter die Elite ihres Volkes. Spät in der Nacht erreichte die Gruppe einen breiten Fluß. Dort, in sorgfältig ange legten Höhlen, die man nur von den schma len Uferstreifen aus erreichte, lag die gehei me Siedlung der Trugen. Die erschöpften Sanitäter überließen es ihren weniger strapa zierten Artgenossen, sich weiter um Raza mon zu kümmern, und begaben sich schleu nigst in die Meditationsräume. Dem Pthorer wies man ein Quartier zu, das für trugische Verhältnisse geradezu luxuriös ausgestattet war. Razamon fand, daß es in dem Raum so gar freundlicher und sauberer aussah als im Hause Frant-Erfs. Im übrigen war er so mü de, daß er im Handumdrehen einschlief.
3. Der ersten Erleichterung folgte wilder Zorn. Drafgar-Kert haßte es, wenn sorgsam geschmiedete Pläne durch den blinden Zu fall in Gefahr gebracht wurden. »Wo können diese Narren geblieben sein?« überlegte er. »Wenn ich sie erwische …« Er stockte, denn ihm fielen die Sanitäter ein. Er war bereit gewesen, sie dem Neffen auszuliefern, aber was, wenn diese Dumm köpfe tatsächlich den Gleiter abgefangen hatten? »Warum sollten sie das tun?« fragte Peleff wegwerfend. »Sie haben für Razamon gar keine Verwendung.« »Nein, aber Frant-Erf käme ihnen gerade
zur rechten Zeit in den Weg. Es gibt noch andere Sanitäter als die, die mit mir im Ge fängnis Verbindung aufgenommen haben. Sie sind gar nicht so harmlos, und ich sah mich gezwungen, ihnen einen kräftigen Dämpfer aufzusetzen. Frant-Erf bekam an onyme Hinweise darauf, wo sich die gehei men Lager einiger dieser Gruppen befanden. Und er hat die Gefangenen natürlich sofort töten lassen. Die Sanitäter hassen ihn seit dem. Ich schätze, sie würden einiges tun, um Frant-Erf in ihre Gewalt zu bekommen.« »Hm«, machte Peleff unzufrieden. »Das hört sich an, als hätte schon jemand meine Arbeit getan.« »Wir müssen sichergehen. Razamon ist ein Fremder, und er kann offenbar die toll sten Geschichten erzählen. Wenn die Sanitä ter auf ihn hereinfallen und ihn am Leben lassen, wird es gefährlich für uns alle.« »Für mich wohl kaum«, murmelte der Valvke. »Wie meinst du das?« erkundigte sich Drafgar-Kert mißtrauisch. »Es kann für mich nicht mehr schlimmer kommen«, erklärte Peleff freundlich. »Hilf mir bei der Suche«, forderte Draf gar-Kert. »Wenn du eine Spur findest, die mich zu Razamon führt, dann sorge ich da für, daß du Cagendar verlassen kannst.« Peleff lachte meckernd. »Du bist ja ein wahrer Wohltäter, Draf gar-Kert«, sagte er spöttisch. »Weigerst du dich etwa?« fuhr der Truge auf. »Aber nicht doch. Mir kann es schließlich egal sein, womit ich die Zeit verbringe, so lange ich nicht wieder im Gefängnis lande.« Drafgar-Kert ging schweigend voraus, und er fühlte sich gar nicht wohl in seiner Haut. Er wußte zu genau, wozu Peleff fähig war. Dem Valvken war es zuzutrauen, daß er urplötzlich den Spieß umdrehte und sich aus der ganzen Sache herauswand – auf Drafgar-Kerts Kosten, natürlich. »Was sagt übrigens Duuhl Larx dazu, daß ich ihm entkommen bin?« fragte Peleff, als sie in der Flugschale saßen und in langsamer
Pakt mit dem Bösen Fahrt landeinwärts schwebten. »Was soll er sagen?« murmelte DrafgarKert. »Er weiß es ja noch gar nicht.« »Wie das? Hat man ihm etwa noch keine Meldung gemacht?« »Nein«, erwiderte der Truge knapp. Peleff fuhr sich nachdenklich mit seinen zwölffingrigen Händen über das Gesicht. »Interessant«, sagte er nach geraumer Zeit. »Da kennst doch die Trugen«, wehrte Drafgar-Kert unwillig ab. »Sie haben ein fach Angst, das ist alles. Wenn Duuhl Larx die Wahrheit erfährt, werden die Köpfe rol len.« Peleff kicherte, denn diese Redewendung hatte Drafgar-Kert von ihm übernommen – trugische Köpfe eigneten sich schlecht dazu, sich rollend zu bewegen, und außerdem brachte es einen Trugen nicht um, wenn man ihm den Köcher abschlug. »Sie suchen nach dir«, fuhr Drafgar-Kert etwas lauter fort. »Sie hoffen noch, dich zu finden, ehe Duuhl Larx etwas erfährt. Wenn sie es bis morgen nicht geschafft haben, werden sie Alarm geben.« »Das denke ich auch«, meinte Peleff ge lassen. »Und dann kommen die Untersu chungen, man wird die Verdächtigen nach Harrytho bringen und sie vor die Sphäre des Neffen schleifen – wie lange werden sie standhalten, Drafgar-Kert? Sicher sind ein paar von den Narren darunter, die Duuhl Larx ehrlichen Herzens verehren. Sie wer den dich verraten, mein Freund.« »Das können sie nicht, weil sie nichts wissen.« »So, meinst du? Für wie dumm hältst du Duuhl Larx? Und er hat seine Roboter, ver giß das nicht. Ich habe mein Spiel sehr sorg fältig geführt, Drafgar-Kert, und ich habe wirklich jeden nur denkbaren Zufall ausge schaltet, was du leider versäumtest. Trotz dem hat der Kerl mich erwischt.« »Mich wird Duuhl Larx nicht überfüh ren!« »Du armer Narr, du kannst einem direkt leid tun. Aber was geht es mich an?«
15 »Ganz recht«, sagte Drafgar-Kert bissig. »Kümmere dich um deine eigene Haut.« »Das werde ich tun. Ich mache dir einen Vorschlag, mein Freund. Du bringst mich noch vor dem Morgengrauen in das Gefäng nis zurück. Deine Artgenossen werden ihre Fühler stillhalten, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Und ich werde meinerseits darauf ver zichten, dich bei Duuhl Larx anzuschwär zen.« »Das wäre ein schlechter Handel für dich«, gab Drafgar-Kert zu bedenken. »Nicht so schlecht, wie du glaubst. Reden wir nicht länger um den Kern der Sache her um. Du kannst mich nicht am Leben lassen, denn das wäre viel zu gefährlich für dich. Ich weiß, daß die Waffen präpariert waren, mein Lieber, und so gesehen war es für dich ein Glück, daß der Gleiter nicht kam. Ich hatte meine Vorkehrungen schon getroffen. Du solltest deinen alten Lehrer nicht für so dumm halten. Aber, Drafgar-Kert, ein Mord hier draußen wird dich auch nicht weiter bringen. Du hast dich zu intensiv mit den Sanitätern beschäftigt. Was mich betrifft – im Gefängnis bin ich wenigstens bis zum Beginn des Prozesses sicher untergebracht. Dort geht mir niemand ans Leben. Ich be komme eine Frist. Das ist alles, was ich im Moment erwarten kann.« Drafgar-Kert dachte darüber nach. »Was wird mit Razamon?« fragte er schließlich. »Ich bin ziemlich sicher, daß du ihn wirk lich bei den Sanitätern suchen mußt. Erkun dige dich in Vemed, wann Frant-Erf mit dem Pthorer losgeflogen ist. Vielleicht ha ben sie sich verspätet und sind in die Mit tagsstürme geraten. Dann könnten sie sich immer noch in der Nähe der Stadt befinden. Irgendwo auf der Strecke von Vemed nach Harrytho gibt es mit Sicherheit eines dieser geheimen Lager. Dort mußt du ansetzen.« »Ich traue dir nicht über den Weg!« sagte Drafgar-Kert langsam. »Das ist dein Problem«, antwortete Peleff gelassen. »Bringst du mich jetzt zurück nach Vemed?«
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Drafgar-Kert änderte schweigend den Kurs. Der Gleiter beschleunigte. »Ich werde trotzdem dafür sorgen, daß du von Cagendar wegkommst«, sagte DrafgarKert plötzlich. »So!« meinte Peleff ohne echtes Interesse. »Was habe ich dafür zu tun?« »Nichts. Es ist ein Freundschaftsdienst.« Peleff lachte leise in sich hinein. DrafgarKerts Absichten waren nur zu deutlich: Er konnte Peleff nur dann helfen, wenn dieser dem Neffen nichts von gewissen Unterneh mungen erzählte. Genaugenommen war es Erpressung, und dem Valvken war klar, daß Drafgar-Kert um seiner eigenen Sicherheit willen irgendwann versuchen würde, den ge fährlichen Valvken doch noch zu ermorden. Aber mit einem Trugen konnte Peleff es im mer aufnehmen. »Kümmere dich um ein passendes Raum schiff«, empfahl Peleff trocken. Drafgar-Kert war sehr mit sich zufrieden.
* Es ging alles fast ein bißchen zu glatt ab. Drafgar-Kert lieferte Peleff im Gefängnis ab, und ein glücklicher Zufall wollte es, daß Kao-Ernt Dienst tat. Peleff verschwand ohne jedes Aufsehen in einer Zelle. Der Valvke musterte sein neues Quartier und stellte fest, daß er sich verbessert hatte. Diesmal hatte man ihn nicht in eine energetische Sphäre gesperrt, die Wände lagen frei vor ihm, und es gab in der Zelle einige Annehmlichkeiten, die das Leben erträglicher machten. Drafgar-Kert, der sich wohlweislich in ei ner seiner zahllosen Masken verborgen hielt, wechselte mit Kao-Ernt ein paar höchst be deutsame Bemerkungen. Der arme Truge, der gehofft hatte, an der Befreiung des Pla neten Cagendar mitwirken zu können, fiel in den nächsten Tagen durch seine Schweig samkeit auf und hatte offenbar scheußliche Depressionen. Über die Gründe sprach er nicht. Drafgar-Kert verließ das Gefängnis wohl gemut und dachte darüber nach, daß ein klu-
ger Truge eben doch fast alles erreichen konnte. Man durfte sich nur nicht nervös machen lassen. Wie kam er nun am besten an die Sanitä ter heran? Er war völlig sicher, daß es die freien Vertreter dieser Bande waren, die Razamon und Frant-Erf zur Landung gezwungen hat ten. Zwar könnte der Gleiter ebensogut in folge eines technischen Fehlers abgestürzt sein, aber daran wollte Drafgar-Kert nicht glauben. Razamon war noch am Leben. Das spürte er. Er hätte nach bewährtem Muster der Poli zei von Vemed einen Hinweis geben kön nen. Frant-Erf hatte seine Leute gut erzogen, sie handelten schnell und zielstrebig. Aber wenn sie Razamon fanden und dem Neffen Meldung machten, würde Duuhl Larx dafür sorgen, daß der Pthorer auf dem schnellsten und sichersten Wege, begleitet von einer Es korte, nach Harrytho gebracht wurde. Genau das war nicht in Drafgar-Kerts Sinn. Er mußte diesen Razamon aus dem Weg räu men, koste es, was es wolle. Vielleicht war es am besten, wenn er sich persönlich auf die Suche machte. Wenn er sich beeilte, kam er allen anderen zuvor, und Razamon war bereits tot, ehe die Polizei in der Stadt auch nur wußte, daß er vermißt wurde. Drafgar-Kert kletterte in seinen Glei ter und verließ die Stadt. Es war noch sehr früh, kurz vor Sonnenaufgang, da überflog er bereits die Grenzen der Stadt. Vor ihm er streckte sich die versiegelte Fläche, eintönig glänzend und absolut unbelebt. Selbst Draf gar-Kert, der bestimmt nicht besonders sen sibel war, fühlte sich unbehaglich bei die sem Anblick. Aber er überwand dieses Ge fühl sehr schnell und richtete die Nase des Gleiters nach Süden. Es gab in dieser spiegelblanken Einöde längst keine Straßen mehr, nicht einmal Landmarken, nach denen man sich hätte richten können. Wer die Kunstwüste über queren wollte, der hatte sich nach dem Kom paß und den spärlichen Peilsignalen an den Küsten zu richten. Das war mitunter recht
Pakt mit dem Bösen unbequem, aber jetzt fand Drafgar-Kert die ses Verfahren sehr vorteilhaft. Niemand, der seine fünf Sinne beisammen hatte, wich von den Flugschneisen ab, und somit mußte auch der gesuchte Gleiter auf dem schnurgeraden Streifen zu finden sein, der sich von Vemed zum Kontrollpunkt an der Südküste hinzog. Auch wenn die Mittagsstürme das Fahrzeug aus dem Kurs geworfen hatten, konnte es sich nur um wenige Kilometer von der Schneise entfernt haben. In dieser einförmi gen Umgebung fiel jeder Fremdkörper auf. Drafgar-Kert dachte, daß die Suche sich ganz bequem gestalten ließ. Er durfte nur nicht zu schnell und zu niedrig fliegen, dann würde er den Gleiter schon finden. Die erste Stunde verging, und die Sonne stieg über den Horizont. Das Gelände unter dem Gleiter wurde hügelig, und jede Boden erhebung reflektierte das Licht auf ihre eige ne Weise. Die eingesiegelten Gegenstände entfalteten ihre ganze Farbenpracht, zahllose Kristalle blitzten und funkelten. DrafgarKert sah sich gezwungen, das Tempo dra stisch zu vermindern, und seine Zuversicht sank allmählich. Aber er hielt tapfer durch, denn er sagte sich, daß er einen guten Vor sprung hatte, den es nur zu nutzen galt. Eine Stunde später verringerte sich dieser Vor sprung ein wenig weiter, denn die Luftmas sen über der Fläche gerieten in Bewegung. Drafgar-Kert mußte mehr Aufmerksamkeit auf die Steuerung verwenden und kam noch langsamer voran. Nach abermals einer Stun de blieb ihm nichts anderes übrig, als zur bodennahen Fahrweise überzugehen, und von da an bildete sein Kurs eine Art flachge quetschte Spirale, was erstens noch mehr Zeit kostete und zweitens bei aller Sorgfalt den Erfolg nicht völlig sichern konnte. Als die Sonne schließlich ihren höchsten Stand erreicht hatte, geriet Drafgar-Kert in eine Giftwolke, die eigentlich hier draußen nichts zu suchen hatte, und da er um der besseren Aussicht willen die Kabinenabschirmung nicht aktiviert hatte, atmete er im Handum drehen mehr von dem grüngelben Staub ein, als gut für ihn war.
17 Der Gleiter vermißte die Hand, die ihn bisher gelenkt hatte, und das Fahrzeug sank sofort zu Boden und stellte alle Funktionen ein. Drafgar-Kerts Suche nach den Sanitätern hatte ein vorzeitiges Ende gefunden.
* Als er erwachte, lag er im Transportraum eines großen Gleiters, und er spürte die Nä he vieler Trugen. »Wo bin ich?« fragte er benommen. »Nur ruhig, Bruder«, antwortete eine nüchterne Stimme. »Du hast es bald über standen.« Drafgar-Kert erinnerte sich an die Gift wolke und gelangte zu der beruhigenden Schlußfolgerung, daß alles halb so schlimm war und man ihm wieder auf die Beine hel fen konnte. Er entspannte sich ein wenig und wollte sich bequemer hinlegen – da spürte er Widerstand. Er erschrak und versuchte, Arme und Beine zu bewegen. Es ging nicht. Er spürte, daß seine Muskeln einwandfrei arbeiteten, es konnte also nicht so sein, daß das Gift ihn vorübergehend gelähmt hatte. Drafgar-Kert wich in seinen Gedanken se kundenlang der schrecklichen Wahrheit aus, aber dann mußte er sich doch der Realität stellen. Er war gefesselt! Das war eine durchaus unübliche Form der medizinischen Behandlung. Und was sollte diese Dunkelheit bedeuten? Oder war er erblindet? Er fuhr die Sichtfühler so weit aus, daß es ihn auf dem Grunde des Köchers schmerzte. Und wirklich, er sah etwas. Ein ganz schwacher Dämmerschein ging von den Wänden des Transportraums aus. Und als sich Drafgar-Kert an diese unzureichen de Beleuchtung gewöhnt hatte, entdeckte er um sich herum an die zwei Dutzend Trugen, die alle gleich ihm gefesselt auf schmalen Matten lagen. Verbrecher! Er war in einen Transport von Verrätern hineingeraten! Aber wie konnte so etwas geschehen? Wer wagte
18 es, ihm, dem Vertrauten des Neffen und der künftigen Nummer Zwei im gesamten Rghul-Revier, eine solche Schmach zuzufü gen? »Wache!« rief er energisch. »Was willst du?« fragte eine gelangweilt klingende Stimme. »Binde mich los!« »Wie bitte?« »Ich sagte, du sollst mir sofort die Fesseln abnehmen!« »Wie komme ich denn dazu?« erkundigte sich die Wache höhnisch. »Binde mich los, oder du wirst es bereu en!« schrie Drafgar-Kert zornig. »Soso«, machte die Wache. »Mir scheint, da haben wir einen tollen Fang gemacht. Du bist das Oberhaupt dieser Verräter, nicht wahr?« Drafgar-Kert erschrak. Hatte man seine Tarnung durchschaut? Wußte man, daß er der Maskierte war, der seit einiger Zeit die Aktionen der Sanitäter steuerte? »Wie kommst du darauf?« fragte er mit zitternden Lautfühlern. »Du spielst dich schließlich auf wie je mand, der eine besondere Position ein nimmt.« »Was ist dahinten los?« fuhr eine andere Stimme dazwischen. Drafgar-Kert zuckte zusammen. »Ker-Zemph!« schrie er. »Was hat das al les zu bedeuten? Ich verlange eine Antwort von dir!« »Du hast überhaupt nichts zu verlangen!« erklärte Ker-Zemph, Frant-Erfs engster Mit arbeiter, kalt. »Wache, bringe diesen unver schämten Burschen zur Räson.« »Du wirst diesen Befehl auf der Stelle zu rücknehmen«, knirschte Drafgar-Kert. »Oder ich sorge dafür, daß du auf den höch sten Zinnen von Harrytho den frischen See wind genießen darfst.« Der Wächter versetzte ihm einen schmerzhaften Schlag mit dem metallenen Griff der Schockschleuder. »Sei endlich still!« befahl er dabei grob. »Ihr Narren!« kreischte Drafgar-Kert un-
Marianne Sydow beherrscht. »Ich werde …« »Daß es doch immer wieder Leute gibt, die sich mit dem Ende nicht abfinden kön nen!« bemerkte der Wächter verächtlich. »Spar dir dein Gejammer für die Stunde der Hinrichtung auf. Du weißt, die Bürger von Vemed lieben laute Schauspiele.« Für ein paar Sekunden war Drafgar-Kert vor Entsetzen wie gelähmt. Hinrichtung! Bei der Aura des Neffen, dachte er. In was bin ich da geraten? Er wußte die Antwort im selben Augen blick, in dem er sich die Frage stellte. Man hatte einen Trupp Sanitäter eingefan gen. Die Schurken mußten sich durch einen unglücklichen Zufall genau in jenem Gebiet aufgehalten haben, in dem er mit der Gift wolke in Kontakt geriet. Und als man ihn so fand, besinnungslos in einem Gleiter, der nur von den Beauftragten des Neffen benutzt werden durfte, aber so gründlich maskiert, daß selbst sein eigener Vater ihn nicht er kannt hätte, da schlossen sie aus all diesen Hinweisen haarscharf darauf, daß auch Draf gar-Kert ein Sanitäter sei, einer der schlimmsten sogar, denn er besaß sogar ein Fahrzeug. Auf Cagendar war es nicht üblich, zum privaten Vergnügen mit Gleitern durch die Gegend zu fliegen. Der Neffe hatte es im In teresse seiner eigenen Sicherheit zum Gesetz erhoben, daß ein anständiger Truge zu Fuß zu gehen habe, es sei denn, er benötigte zur Erfüllung eines Auftrags ein Fahrzeug. Drafgar-Kert riß sich mühsam zusammen. Mit Beschimpfungen ließ sich in diesem Fall nichts erreichen, das erkannte er immerhin. Er mußte eiskalt bleiben, sonst würde man mit ihm ebenso wie mit den gefangenen Sa nitätern kurzen Prozeß machen, und was ihm dann bevorstand – Drafgar-Kert dachte zum erstenmal daran, daß es sicher auch we niger brutale Methoden gab, die Disziplin auf einem Planeten aufrechtzuerhalten. »Ker-Zemph«, sagte er, so ruhig er konnte. »Wenn dir dein Leben lieb ist, dann sorge dafür, daß wir ungestört miteinander reden können.« Eine Weile blieb es still. »Also
Pakt mit dem Bösen gut«, gab KerZemph schließlich nach. »Du wirst Gelegenheit bekommen, zu sprechen. Aber nicht jetzt. Du wirst dich gedulden müssen, bis wir die Stadt erreicht haben.« Drafgar-Kert gab sich mit dieser Antwort zufrieden – er wußte, daß er den Bogen nicht überspannen durfte. Ungeduldig lauschte er auf Geräusche, die ihm etwas über die Position des Gleiters verraten soll ten. Er wunderte sich flüchtig darüber, daß die anderen Gefangenen sich so still in ihr Schicksal ergaben, aber er sagte sich, daß sie im Gegensatz zu ihm selbst schließlich zu Recht in diese Situation geraten waren. Die Trugen waren allesamt Realisten. Es galt bei ihnen als unwürdig, sich gegen das Unver meidbare aufzubäumen. Endlich zeigten mehrere Kursänderungen an, daß der Gleiter das Stadtgebiet erreicht hatte. Nun konnte es nicht mehr lange dau ern. Und wirklich hielt das Fahrzeug nach einigen Minuten an. Bewaffnete Trugen ris sen die Türen auf und schleppten die Gefan genen samt den Matten, an die man die Sa nitäter gefesselt hatte, davon. Drafgar-Kert hörte das Gejohle der schaulustigen Menge, die sich eingefunden hatte, um die Gefange nen gebührend zu begrüßen. Tiefe Scham erfüllte den Trugen, als man auch ihn an die sen Zuschauern vorbeitrug und er die höhni schen Bemerkungen über sich ergehen las sen mußte. Als sich dann die Tore hinter der Gruppe schlossen und man Drafgar-Kert zu den übrigen Gefangenen auf den Boden leg te, stieg eisige Furcht in ihm auf. Was, wenn Ker-Zemph ihn vergaß? Zeit verging, viel zuviel Zeit für DrafgarKerts Geschmack. Die Stille ging ihm auf die Nerven. Keiner der Gefangenen gab auch nur einen Laut von sich. Sie würden die Verhöre schweigend über sich ergehen lassen und auch schweigend ihren letzten Gang antreten. Das gehörte sich so für einen Trugen. Darum waren auch die Verhöre nur eine halbherzige Routineangelegenheit, eine Art Zeremoniell, um den Vorschriften des Neffen zu genügen. Hätte Drafgar-Kert einen Grund gehabt, sich schuldig zu fühlen,
19 so wäre es auch für ihn selbstverständlich gewesen, sich den Sitten seines Volkes zu beugen. So aber war diese Wartezeit eine einzige Folter für ihn. Endlich aber kamen zwei Trugen in den Raum, gingen von einem Gefangenen zum anderen und blieben schließlich neben Draf gar-Kert stehen. »Der hier ist es«, sagte der eine. »Bist du sicher?« »Ja. Faß an, wir bringen ihn nach drü ben.« »Zeitverschwendung«, meinte der zweite Truge. Drafgar-Kert verkniff sich eine bissige Bemerkung. Er schwieg, bis er Ker-Zemph vor sich sah. »Was hast du mir mitzuteilen?« fragte der Polizist. »Binde mir die Hände los!« forderte Draf gar-Kert. »Ach, du wirst schon wieder frech, wie? Ich werde dich …« »Binde mich los!« befahl Drafgar-Kert mit schneidender Schärfe. Ker-Zemph zuckte zusammen. Diese Stimme, die ganze Art zu sprechen … Er bückte sich und löste die Handfesseln des Gefangenen. Drafgar-Kert richtete sich halb auf und wischte sich die dunkle Farbe vom Köcher, streifte die dünnen Hüllen von den Fühlerstielen und verwandelte sich vor den Augen Ker-Zemphs binnen Sekunden in einen typischen Harrytho-Trugen. Das allein reichte, um den armen Ker-Zemph mit Ent setzen zu erfüllen. Denn zum Harrytho-Tru gen wurde man nicht durch seine Abstam mung, sondern allein durch die stete Nähe des Neffen. Die helle, fast bleiche Haut des Köchers, die fast ätherisch zarten Fühler und ein paar andere Eigenheiten bewiesen abso lut sicher, daß der Mann auf der Matte zum Hofstaat des Neffen gehörte, und dies nicht erst seit gestern, sondern schon seit mehre ren Jahren. Wer sich aber solange auf dem Palast-Kontinent aufhielt, der errang beinahe automatisch eine so hohe Position, daß jeder einfache Truge gut daran tat, demütig den
20 Köcher einzuziehen. »Verzeih mir«, stotterte Ker-Zemph. Dann erst erkannte er, wen er da verse hentlich eingefangen hatte, und er ver stummte in tödlicher Angst. »Die Fesseln!« sagte Drafgar-Kert unge duldig. Ker-Zemph stolperte über seine eigenen Füße, so eilig hatte er es, den hochgestellten Trugen endgültig zu befreien. »Ich erwarte einen Bericht!« fuhr Draf gar-Kert ihn an, kaum daß er wieder auf den Füßen stand. »Es war ein bedauernswerter Irrtum«, stammelte KerZemph. »Wie hätte ich wissen können …« »Laß das«, unterbrach Drafgar-Kert ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Du hast deine Pflicht getan, und dafür kann dich niemand tadeln. Allerdings solltest du in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Stell dir vor, welche Folgen dein Übereifer hätte ha ben können.« Drafgar-Kert hätte sich diesen Hinweis sparen können: Ker-Zemph sah gerade sehr plastisch vor sich, was man mit ihm ange stellt hätte, wäre Drafgar-Kert wirklich den Weg aller Verräter gegangen. Dabei konnte er nicht wissen, daß Drafgar-Kert allen Grund hatte, sich großmütig zu geben. Er hatte selbst eine Menge zu verbergen. »Und jetzt berichte mir endlich, was ihr dort draußen gefunden habt!« forderte er. »Wir bekamen einen Hinweis vom Nef fen«, begann Ker-Zemph eifrig. »Er ließ uns mitteilen, daß der Gleiter mit Frant-Erf und Razamon an Bord verschwunden sei. Seiner Meinung nach mußte sich das Fahrzeug noch auf unserem Kontinent befinden …« Den Rest der Geschichte hörte DrafgarKert wie in Trance. Ohnmächtige Wut be herrschte ihn, und er preßte seine Lautfühler fest auf den Grund des Köchers, denn hätte er ihnen mehr Freiheit gelassen, so hätten sie wilde Flüche gegen Duuhl Larx formuliert. Allem Anschein nach hatte der Neffe Drafgar-Kerts Ausführungen für nutzlos er kannt und eine offizielle Suchaktion ange-
Marianne Sydow ordnet. Die Polizisten von Vemed, allen vor an Ker-Zemph, verdächtigten spontan die Sanitäter, und sie kamen auf dieselbe Idee wie Drafgar-Kert. KerZemph setzte ein gu tes Dutzend schnelle, wendige Gleiter für die Suche ein. Gegen Mittag entdeckte man ein einzelnes Fahrzeug, daß sich in sehr auf fälliger Weise bewegte. Anstatt auf geradem Kurs und höchstmöglicher Geschwindigkeit den Weg zur Küste zu verfolgen, beschrieb dieser Gleiter große Kreise über der Fläche. Man beobachtete dieses Fahrzeug, und we nig später landete es inmitten einer Giftwol ke. Die Polizisten, die sich natürlich nicht vorstellen konnten, daß jemand im offenen Gleiter in dieser Hölle herumirrte, hielten das Ganze für ein gezieltes Manöver, such ten die Umgebung des Landeplatzes ab und fanden alsbald in der Nähe allerlei Spuren. Es hatte einen Kampf gegeben. Häßliche Brandflecken auf der Versiegelung bewiesen das einwandfrei. Und dann fand man auch das, was von dem Gleiter übriggeblieben war. »Frant-Erf ist tot«, sagte Ker-Zemph. »Den Pthorer Razamon dagegen fanden wir etwas später. Zuerst entdeckten wir nahe der Kampfstätte ein geheimes Lager. Da es dort jedoch keine Meditationshöhlen gab, mußte sich eine größere Siedlung in der Nähe be finden. Wir entdeckten sie am Ufer des Tha gon, und wir hoben das ganze Nest aus.« Drafgar-Kert zog es vor, nicht weiter nach Einzelheiten zu fragen. »Wo ist dieser Razamon jetzt?« erkundig te er sich. »Unterwegs nach Harrytho.« Drafgar-Kert richtete sich erschrocken auf. »Der Neffe wollte es so«, erklärte KerZemph hastig. »Zwanzig von meinen Leuten begleiten den Pthorer. Diesmal wird Raza mon ohne weitere Schwierigkeiten vor den Neffen gelangen.« »Du hast klug und umsichtig gehandelt«, lobte Drafgar-Kert den anderen, wobei er ein schier übertrugisches Maß an Selbstbe herrschung entwickelte. »Der Neffe wird das
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zu schätzen wissen. Habt ihr Razamon ge fragt, wie er zu den Sanitätern gekommen ist?« »Nein«, murmelte Ker-Zemph unsicher. »Wir wagten es nicht, ihn in dieser Weise zu belästigen.« Drafgar-Kert schluckte seinen Ärger hin unter. Es hatte gar keinen Sinn, sich über solche Dinge aufzuregen. Razamon genoß die Gunst des Neffen. Ihn zu verdächtigen hieße, die Weisheit des Herrschers anzu zweifeln. Und wer das wagte, der konnte sich genausogut gleich umbringen. »Dann wird es Zeit für mich, ebenfalls in den Palast zurückzukehren«, murmelte Draf gar-Kert. Während der Fahrt überlegte er ständig, wie er Razamon nun noch aus dem Weg schaffen könnte, ohne sich selbst ans Messer zu liefern. Ihm fiel jedoch nichts ein. Und als er Harrytho erreichte und von Rukul zu hören bekam, daß Razamon bereits ein getroffen sei und sich in den geheimen Ge mächern des Neffen aufhalte, da sank Draf gar-Kerts Laune auf den absoluten Null punkt.
4. Es war alles so schnell gegangen, daß Razamon gar keine Gelegenheit gehabt hat te, sich zur Wehr zu setzen oder gar etwas für die Sanitäter zu tun. Am hellen Tag kamen Gleiter über die Fläche geflogen, ein ganzes Dutzend schnel ler, wendiger Maschinen, die sich brum mend und summend auf das scheinbar so gut verborgene Lager stürzten. Binnen weniger Minuten wimmelte es in den Höhlen von Trugen in knallgelben Uniformen. Sie trie ben die Sanitäter vor sich her, entwaffneten und fesselten sie und brachten sie in die war tenden Transporter. Sogar in die Meditati onsräume drangen die Uniformierten ein. Razamon sah, wie sie die Frauen der Rebel len wegschafften, und er ahnte, daß damit die Geschichte dieser geheimen Siedlung ein absolutes Ende fand. Ihn selbst behandelte man nicht übertrie
ben freundlich, aber höflich. Ein Truge na mens Ker-Zemph komplimentierte den Ptho rer in einen der kleineren Gleiter, und ein anderer Polizist brachte ihn auf dem schnell sten Weg in die Stadt. Dort erwartete man ihn bereits. Nach kaum zehn Minuten Auf enthalt befand er sich wieder auf dem Weg nach Harrytho, und diesmal sorgten sechs andere Gleiter dafür, daß dem Pthorer kein weiterer Aufenthalt entstand. Über alldem verging dennoch Zeit, und so war es spät in der Nacht, als Razamon zum erstenmal etwas von Harrytho sah. Von der vielzitierten Pracht dieses Landes war in der Dunkelheit nichts zu erkennen. Der Palast des Neffen wurde zwar von Scheinwerfern angestrahlt, aber das schadete dem Ge samteindruck eher, als daß es etwas nützte, denn die Wände glitzerten und funkelten so grell, daß Razamon keine Einzelheiten aus machen konnte. Der Gleiter hielt etwa hundert Meter von einem gigantischen Portal entfernt. Ein un gewöhnlich häßlicher Roboter eilte herbei und fordert Razamon mit knarrender Stim me auf, ihn zu begleiten. Der Pthorer fügte sich den Anordnungen der Maschine, denn er spürte, daß an diesem Ort jeder Wider stand sofort und mit aller Härte bestraft wur de. Duuhl Larx schien seinen Untertanen nicht gerade sein volles Vertrauen zu schen ken. Um zum eigentlichen Palast zu gelan gen, mußten Razamon und der Roboter sechs Energieschirme überwinden. Wer sich ohne die Begleitung eines Roboters in die sen Bezirk begab, der kam keine zehn Meter weit. Nur einer besonders programmierten Maschine war es möglich, die schmalen Lücken in den tödlichen Sperren zu ent decken. Und die Schirme bildeten nur einen Teil eines gigantischen Abwehrsystems: Überall ragten klobige Türme auf, an deren Spitzen schwere Geschütze angebracht wa ren, die ebenfalls von Robotern bedient wur den. Die Türme bestanden übrigens aus stumpfgrauem Metall. Sie hoben sich wie häßliche Fremdkörper von den schimmern
22 den Dächern und Zinnen ab. Endlich aber erreichten sie das Portal, und Razamon gelangte in eine phantastisch aus gestattete Halle. Hier drinnen war das Licht gedämpft, und Razamon bekam einen ersten Eindruck davon, was ihn in Harrytho erwar tete. Fußboden und Wände, Decken, Säulen und Treppen – alles bestand aus zum Teil sehr fremdartigen Kunstwerken. Da gab es Statuen und Bilder, Reliefplatten und stei nerne Dämonen und vieles andere, und alles war offenbar wahllos aneinandergesetzt und mit Hilfe der Versiegelungsmasse miteinan der verbunden worden. Nur eine dicke Säule im Mittelpunkt der Halle war nach einem bestimmten System errichtet worden. Sie war von oben bis unten mit seltsamen Mobi les vollgestopft, die sich in unablässiger Be wegung befanden. »Warte hier!« befahl der Roboter und eil te über eine diamantene Treppe davon. Razamon setzte sich auf eine aus unzähli gen kleinen, dickbäuchigen Figuren zusam mengesetzte Bank. Zu seinen Füßen war ei ne alabasterhelle Riesenschlange dabei, einen sehr realistisch gestalteten Noot zu verschlingen, und wenn er die Blicke nur um einen Meter weiter wandern ließ, blickte er geradewegs in die weit aufgerissenen Augen einer verblüffend menschlich wirkenden Frau, die von einer aus Amethysten zusam mengesetzten Rankpflanze erwürgt wurde. Razamon schüttelte sich und suchte nach ei nem erfreulicheren Anblick, fand aber nichts. Duuhl Larx muß wirklich verrückt sein, dachte er erschüttert. Wenn er es nicht schon immer war, ist er es spätestens in dem Au genblick geworden, in dem er in diesen Pa last einzog. Ein dröhnender Gongschlag ließ ihn er schrocken zusammenfahren. Er sah auf und entdeckte eine grell leuchtende, etwa drei Meter dicke Kugel, die gravitätisch in die Halle geschwebt kam. Er hatte bereits ge hört, daß Duuhl Larx in solchen Verhüllun gen zu erscheinen pflegte. Vorsichtshalber stand er auf.
Marianne Sydow Die Kugel durchquerte den Raum und nahm Kurs auf einen riesigen, aus unzähli gen Edelsteinen bestehenden Kelch, der na he einigen breiten Stufen aus dem Boden ragte. Offenbar handelte es sich um so etwas Ähnliches wie einen Thron, aber als die Ku gel sich umständlich in dem Kelch nieder ließ, mußte Razamon sich gewaltsam das Lachen verbeißen, denn das Ganze sah aus wie ein gefüllter Eierbecher. »Du bist Razamon aus dem Lande Pthor!« sagte eine dumpfe Stimme, die direkt aus der leuchtenden Kugel drang. »Ja«, antwortete Razamon knapp. »Du wirst mir dienen!« Was sollte er darauf antworten? Er über legte, da fuhr die Stimme fort: »Ich mache dich zu einem Transfusions gebundenen.« Sollte es so schnell gehen? »Warte noch damit«, stieß Razamon ent setzt hervor. »Ich muß dir etwas erklären.« »Willst du dich weigern, mir zu gehor chen?« dröhnte die Stimme. »Aber nein«, versicherte der Pthorer ha stig. »Ganz im Gegenteil, ich brenne darauf, dir zu dienen und dir zu zeigen, daß ich dei nes Vertrauens würdig bin.« »Du brauchst nichts zu beweisen«, wies die Stimme ihn arrogant zurück. »Ich, Duuhl Larx, Neffe des Dunklen Oheims, Herrscher im Rghul-Revier, bin allwissend und unfehl bar. Und ich habe beschlossen, dir zu ver trauen, denn du kommst aus dem Land Pthor. Dort aber leben nur ungewöhnliche Wesen, die der Dunkle Oheim selbst aus wählt und denen er eine Vielzahl von schrecklichen Geheimnissen anvertraut.« Ach du lieber Schrecken! dachte Raza mon. Der Bursche hat offenbar keine Ah nung, was auf Pthor wirklich geschieht. Die Unwissenheit des Neffen gereichte dem Pthorer einerseits zum Vorteil, denn hätte Duuhl Larx auch nur geahnt, wie die Verhältnisse wirklich lagen, so hätte er zweifellos nicht im Traum daran gedacht, den Pthorer allein seiner Herkunft wegen als einen Verbündeten zu betrachten. Aber an
Pakt mit dem Bösen dererseits hatte Razamon keine Lust, sich mit dem Blut des Neffen vollpumpen zu las sen. »Da ist alles richtig«, sagte er bedächtig. »Du übersiehst nur eines: Ich als Pthorer werde dein Blut nicht vertragen.« Für ein paar Sekunden blieb es still. Die Hülle der leuchtenden Kugel flackerte auf geregt. »Warum nicht?« fragte der Neffe. »Weil ich nicht aus dem Rghul-Revier stamme. Mein Körper ist ganz anders aufge baut als der aller Wesen, die in deiner Nähe leben. Dein Blut wird mich töten, Duuhl Larx!« »Unsinn!« widersprach der Neffe ener gisch. »Du wirst es sehen«, warnte Razamon. »Aber dann wird es zu spät sein.« »Ich bin allwissend und unfehlbar. Ich ir re mich niemals. Ich wünsche auch, daß du nie wieder darüber sprichst. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich dich zum Transfu sionsgebundenen machen und dich mit all der Macht ausstatten, die dir als meinem engsten Vertrauten zukommt.« Damit hielt die Kugel es für an der Zeit, die Audienz zu beenden, denn sie erhob sich aus dem schimmernden Kelch und schwebte davon. »Warte noch einen Augenblick!« rief Razamon. Die Kugel hielt abrupt an. Dem Pthorer kam zu Bewußtsein, daß man sich so in Ge genwart des Neffen nicht zu benehmen hat te, und er rechnete damit, daß Duuhl Larx zornig werden und ihn bestrafen würde. Zu seinem Erstaunen geschah nichts. »Sprich!« befahl die dumpfe Stimme. »Wann wird die Transfusion stattfinden?« erkundigte der Pthorer sich. »In vier Tagen.« »Habe ich in dieser Zeit irgendwelche Aufgaben zu erfüllen?« »Nein.« »Muß ich so lange hier in deinem Palast bleiben?« »Ja.«
23 »Aber es wird mir schwerfallen, so lange untätig herumzusitzen.« Die Kugel zögerte. »Gut«, willigte der Neffe schließlich ein. »Du kannst dich in Harrytho umsehen. Aber hüte dich vor den Verrätern, die hier überall herumlaufen. Ich habe den Verdacht, daß ei nige dieser Kreaturen dich lieber tot sähen.« »Wäre dir damit geholfen, wenn ich die Namen einiger dieser Verräter herausbe käme?« »Nichts anderes erwarte ich von dir. Es wird deine Aufgabe sein, zunächst Harrytho von solchem Ungeziefer zu befreien.« »Dann kann ich damit schon morgen be ginnen«, stellte Razamon fest. »Noch bist du nicht mächtig genug, es mit ihnen aufzunehmen«, gab Duuhl Larx zu be denken. »O doch, Herr«, versicherte Razamon lä chelnd. »Oder wissen deine Feinde nicht, welche Pläne du gemacht hast?« »Sie wissen es.« »Na also, dann ist doch alles klar. Sie werden es nicht wagen, mich anzugreifen, denn damit müßten sie ja deinen Zorn erre gen. Das ist doch richtig, oder?« »Ja, das stimmt«, meinte die Kugel nach denklich. »Sei trotzdem vorsichtig.« Die Kugel verschwand endgültig, und Razamon dachte spöttisch, daß es mit der Allwissenheit des Neffen nicht weit her sein konnte. Sonst hätte Duuhl Larx längst die Namen der angeblichen Verräter kennen müssen. Auch hegte der Neffe offenbar eini gen Zweifel an seiner eigenen Macht. Denn indirekt hatte er zugegeben, daß es ihm un möglich war, Razamon vor der Wut seiner Gegner zu schützen. Es schien, als ginge es in Harrytho alles andere als friedlich zu. Ein Roboter erschien. Vielleicht handelte es sich um dieselbe Maschine, die den Ptho rer vom Gleiter abgeholt hatte, aber Raza mon war sich dessen nicht sicher. Diese Ma schinen trugen keinerlei Kennzeichen, an denen man sie hätte unterscheiden können. »Folge mir«, sagte der Roboter.
24 »Dein Sprachschatz scheint mir erweite rungsbedürftig zu sein«, murmelte Razamon sarkastisch. Der Roboter kümmerte sich nicht darum. Er führte den Pthorer über eine der zahlrei chen Treppen in das nächsthöhere Stock werk, dann durch mehrere Gänge und schließlich an einem Innenhof vorbei zu ei ner glatten, funkelnden Wand. Dort klopfte er mit einer seiner metallenen Hände gegen eine gläserne Beule, und unter schauderhaf tem Knarren öffnete sich eine schmale Tür. »Geh hinein«, befahl der Roboter. Razamon musterte mißtrauisch das winzi ge Gelaß hinter der Tür. »Für ein Quartier ist dies Zimmer etwas zu klein geraten, findest du nicht?« fragte er. »Geh hinein«, erwiderte der Roboter stur. »Selbst für eine Gefängniszelle taugt die ser Raum nicht«, fuhr Razamon ärgerlich fort. »Was soll ich da drinnen anfangen?« Der Roboter verharrte regungslos, und in seinem Innern klickte es verdächtig. Plötz lich fuhr einer der Arme nach vorne, Raza mon bekam einen Stoß und taumelte in die Zelle hinein. Die Tür schlug krachend zu. Der Pthorer wirbelte empört herum. Aber da spürte er, daß das ganze Räumchen zu wackeln begann, und er mußte lachen. »Ein Lift«, murmelte er. Und als er das asthmatische Keuchen ei nes uralten Motors vernahm, wunderte er sich auch nicht mehr darüber, daß der Robo ter ihn nicht weiter begleitet hatte. Die Kabi ne hätte das Gewicht des Blechkameraden nicht tragen können. Der Lift quälte sich et wa eine Minute lang aufwärts, dann war die Fahrt zu Ende. Die Tür öffnete sich, und Razamon erblickte einen zweiten Roboter, der bereits auf den Pthorer wartete. »Folge mir«, sagte auch diese Maschine. Einen Augenblick später konnte Razamon sein Quartier begutachten. Der Roboter ent fernte sich taktvoll. Razamon stellte fest, daß man ihn in einem Türmchen unterge bracht hatte, das rund und spitz aus dem Dach eines riesigen Gebäudes hervorragte. Im Innern des Turmes gab es drei Zimmer,
Marianne Sydow und da er keines davon besetzt fand, nahm er an, daß er sich in jedem davon niederlas sen konnte. Der Lift bildete nicht die einzige Verbindung zu den übrigen Räumlichkeiten des Palasts. Es gab auch noch eine schmale, gewundene Treppe. Durch die Fenster sah man außer dem schimmernden Bach auch noch einige der häßlichen Geschütztürme. Der Pthorer beschloß, es für diesen Tag genug sein zu lassen. Er war sehr müde, und die Betten in diesem Palast waren offenbar das einzig wirklich Angenehme, was Duuhl Larx seinen Gästen zu bieten vermochte.
* Am nächsten Morgen, kaum daß Raza mon aufgewacht war, kam schon wieder ein Roboter anmarschiert. Die Maschine trug außer ihren Waffen auch noch ein riesiges Tablett. »Das Frühstück«, stellte Razamon fest. »Nun, so läßt es sich leben.« Diesmal setzte man ihm keinen faden Brei vor, wie er es mittlerweile schon fast ge wöhnt war, sondern es gab frisches Obst, kalten Braten und sogar eine Art Brot, dazu verschiedene kalte und warme Getränke. »Ich möchte mich draußen umsehen«, sagte Razamon, als er satt war. »Wie kom me ich durch die Sperren?« »Folge mir«, sagte der Roboter. Er ging die Wendeltreppe hinab und dann durch einen Gang, und plötzlich öffnete sich eine Tür, und Razamon trat auf den Platz vor dem Palast hinaus. Verblüfft sah er sich um. Am Ende der Wendeltreppe hatte er sich noch rund zehn Meter über dem Boden befunden, auf dem der Palast stand, und der Gang hatte sich nicht geneigt. Wie also war er nach unten gelangt? »Geh geradeaus«, befahl der Roboter. »Du kannst die Sperren durchschreiten.« »Bist du sicher?« Der Roboter antwortete nicht. Razamon wandte sich schulterzuckend ab. Er marschierte los und passierte einen Schirm nach dem anderen, ohne auch nur et
Pakt mit dem Bösen was dabei zu spüren. Er fragte sich, wie der Trick funktionierte, und ob er genau so leicht in den Palast zurückkehren könne, aber er sagte sich, daß Duuhl Larx schon für seinen neuen Vertrauten sorgen würde. Als er die letzte Sperre hinter sich gelas sen hatte, atmete er unwillkürlich auf. Die ganze Zeit über hatte ein Druck auf ihm ge lastet, etwas, das sich nicht klar definieren ließ. Eine seltsame Drohung ging von Duuhl Larx beziehungsweise seiner leuchtenden Sphäre aus und erfüllte den ganzen Palast. Hier draußen fühlte Razamon sich wie be freit. Neugierig sah er sich um. Jetzt, im Tageslicht, leuchtete ganz Harry tho in phantastischen Farben. Und es war so, wie der Kune an Bord des Organschiffs, mit dem Razamon nach Cagendar gekommen war, gesagt hatte: Kein Fußbreit Boden war nicht von der schimmernden Schatzkruste bedeckt. Auch alle Gebäude, die der Pthorer sehen konnte, bestanden aus zusammenge backenen Kunstwerken aller Art. Die wert vollsten und prächtigsten davon hatte man für den Palast des Neffen verwendet. In par kähnlichen Anlagen standen große Statuen in Gruppen beieinander, und Brücken aus al len nur denkbaren Mineralien führten über Bäche, die nicht aus Wasser, sondern aus winzigen Juwelen bestanden. In ganz Harry tho gab es keinen Baum, keinen Strauch, nicht einmal einen jämmerlichen Grashalm, und es existierten auch keine Tiere. Es gab überhaupt nichts mehr, was natürlichen Ur sprungs gewesen wäre. Das einzige, was nicht durch die Hände sogenannter Künstler gegangen war, war die Luft, die man auf diesem Kontinent atmete. »Schönheit ist Geschmackssache«, mur melte Razamon vor sich hin. »Und darüber soll man nicht streiten. Aber ich werde froh sein, wenn ich das alles nicht mehr zu sehen brauche.« »Meinst du das ehrlich?« fragte eine flü sternde Stimme. Razamon fuhr herum. Er war allein. Nichts rührte sich in seiner Nähe. »Dummkopf«, spottete die flüsternde
25 Stimme. »Such mich. Mach schon, sperr die Augen auf!« »Wo steckst du!« »Siehst du mich nicht?« Razamon sah sich ärgerlich um. »Entweder du zeigst dich«, sagte er, »oder ich gehe weiter. Ich habe keine Zeit für sol che Spiele.« »Spielverderber«, flüsterte es, und dann löste sich etwas aus einer niedrigen Mauer, floß zu einem Schwaden dichten Nebels zu sammen und wurde endlich zu einem gei sterhaften zarten Wesen, kaum eineinhalb Meter groß, mit sechs dünnen Beinen und einem stabförmigen Körper, an dessen obe rem Ende ein Paar große, goldene Augen sa ßen. Jetzt erinnerte sich Razamon daran, zwei goldene Flecken in der Mauer gesehen zu haben – ganz konnte sich der Fremde also nicht unsichtbar machen. »Wer bist du?« fragte er scharf. »Stobb aus dem Volk der Stobben«, stell te der Dürre sich vor. »Ich habe noch kein Wesen von deiner Art gesehen«, sagte Razamon mißtrauisch. »Das wundert mich nicht«, meinte Stobb trocken. »Wir sind nicht sehr häufig und zei gen uns nicht jedem.« »Aha. Und warum erweist du mir die Eh re, dich für mich sichtbar zu machen?« »Du riechst gut.« Razamon mußte lachen. »Nein, nicht so«, sagte Stobb hastig. »Ich meine nicht den Geruch deines Körpers. Du paßt nicht hierher. Du bist nicht böse ge nug.« »Na so was«, murmelte Razamon. »Was willst du von mir?« »Ich möchte dir helfen«, sagte Stobb ernsthaft. »Kannst du das denn?« »Ich denke schon. Ich komme viel herum und höre und sehe so manches, was anderen Wesen verborgen bleibt.« »Das kommt mir bekannt vor«, sagte Raz amon und dachte an Caehrux, den Parasiten von der BRYGERKALL. »Du bist mißtrauisch«, stellte Stobb fest.
26 »Du sagst dir, daß man auf Cagendar nie mandem trauen darf, und daß es hier in Har rytho erst recht kein Wesen geben dürfte, das dir ehrlich helfen möchte. Aber weißt du – jemand mit deiner Ausstrahlung sollte nicht wählerisch sein. Die bisherigen Günst linge des Neffen werden Hackfleisch aus dir machen, wenn sie dich zu fassen bekom men.« »Das glaube ich nicht. Duuhl Larx wird mich schützen.« »Daß ich nicht lache. Duuhl Larx hat ge nug mit sich selbst zu tun. Natürlich könnte er etwas unternehmen, aber er will ja gar nicht, daß Frieden in seiner Umgebung herrscht. Im Gegenteil, er genießt es, wenn seine Untertanen sich gegenseitig das Leben schwermachen. Außerdem ist er verrückt und krank.« »Du bist sehr mutig.« »Weil ich die Wahrheit ausspreche? Dazu gehört in diesem Fall nicht viel. Du wirst mich ganz sicher nicht verraten, und selbst wenn du es tätest, könnte mir nichts passie ren.« »Bist du unverwundbar?« »Nein. Wenn du es genau wissen willst – ich habe das Leben schon seit langer Zeit satt. Duuhl Larx ließ mich hierherschaffen, als eine Art Hofnarr, an dem er seinen Spaß haben wollte. Es ging mir gut, bis er meiner überdrüssig wurde. Er verstieß mich aus dem Palast, und nun muß ich hier draußen leben.« »Das ist kein Grund …«, hob Razamon an, aber der Dürre unterbrach ihn. »Du verstehst nichts davon«, behauptete er grob. »Reden wir von etwas anderem. Duuhl Larx fürchtet, von allen Seiten von Verrätern umgeben zu sein. Du sollst seine Feinde aufspüren, damit er sie umbringen kann. Hast du die Absicht, diese Aufgabe zu erfüllen?« Das ist eine verdammt gute Frage, dachte Razamon bestürzt. »Es wird mir nichts anderes übrigblei ben«, sagte er gedehnt. »Weil du fürchten mußt, daß er sonst dich
Marianne Sydow töten läßt?« »Das wäre nicht das Schlimmste. Es geht um mehr.« »Das kann ich mir denken«, behauptete Stobb sarkastisch. »Das sagen nämlich alle, die in diese Situation geraten.« Razamon starrte den Dürren an, und er war ratlos und verwirrt. Er konnte doch die sem Wesen nicht erklären, welche Ziele er sich gesetzt hatte, daß er versuchen wollte, etwas gegen die Mächte der Schwarzen Ga laxis zu unternehmen, und daß er alles dar ansetzen würde, um nach Pthor zu gelangen und dort nach Atlan zu suchen. »Nun sagst du gar nichts mehr«, meinte Stobb bekümmert. »Ich weiß, die Wahrheit schmerzt.« »Es hat keinen Sinn, wenn ich versuche, es dir zu erklären«, versetzte der Pthorer är gerlich. »Laß mich in Ruhe.« Und er drehte sich um, fest entschlossen, sich nicht weiter um den Dürren zu küm mern. Aber Stobb war hartnäckig. Vielleicht wußte er auch mehr, als dem Pthorer lieb sein konnte. »Nicht so schnell«, sagte Stobb. »Es gibt ein paar Leute hier, um die es wirklich nicht schade wäre, auch wenn du anders darüber denken solltest. Ich könnte dir ein paar Na men nennen und dir verraten, wie du zu ver nünftigen Beweisen kommst. Was hältst du davon?« »Ich finde dein Angebot sehr merkwür dig«, versetzte Razamon grob. »Mir stellst du allerlei peinliche Fragen, und Sekunden später bist du selbst bereit, Leute, die dir nicht passen, zum Tode zu verurteilen.« »Sei nicht albern!« empfahl Stobb streng. »In Vemed und den anderen Städten finden täglich Hinrichtungen statt. Die man da auf Befehl des Neffen umbringt, haben meistens nur mal zum falschen Zeitpunkt den Mund aufgetan. Oder es sind Sanitäter – hast du von denen schon mal gehört? Ich sehe, du hast. Nun, ich finde es ganz einfach unge recht, daß man solch harmlose Leute grau sam bestraft, während die großen Gauner
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und die wirklichen Verräter hier in Harrytho ein schönes Leben führen.« Razamon war stehengeblieben. »Die Sanitäter«, sagte er nachdenklich. »Das ist ein Punkt, der mich beschäftigt. In ihren Reihen gibt es jemanden, den ich zu gerne mal zwischen die Finger bekäme. Wenn du mir dabei helfen könntest …« »Ich wußte doch, daß wir beide Gemein samkeiten haben!« sagte Stobb hocherfreut. »Komm, wir werden gleich damit anfangen, diesem falschen Sanitäter das Handwerk zu legen.«
5. Als Peleff hörte, daß Razamon noch lebte und mittlerweile nach Harrytho gelangt war, da ahnte er bereits, daß nun einiges in Bewe gung geraten würde. Er kannte den Neffen seit langer Zeit, und vermutlich gab es kein Wesen im ganzen Rghul-Revier, das genauer als der Valvke über den unheimlichen Herrscher informiert war. Peleff vermochte sogar einigermaßen sicher vorherzusagen, was Duuhl Larx als nächstes unternehmen würde. In diesem Fall war eine solche Vorhersa ge einfach – wenigstens soweit sie das per sönliche Schicksal Peleffs betraf: Der Pro zeß würde bald stattfinden, sehr bald sogar. Duuhl Larx schwang in seinen Gefühlen stets von einem Extrem ins andere. Wenn er bis jetzt noch gezögert und seinen Wunsch nach sofortiger Rache ignoriert hatte, dann nur aus einem Grund: Er hatte praktisch nie manden mehr, dem er vertraute. DrafgarKert war im Irrtum, wenn er glaubte, das Spiel bereits gewonnen zu haben. Peleff hät te dem Trugen das klarmachen können. Er hatte darauf verzichtet, weil ihm nichts dar an lag, diesem untreuen Burschen auch noch Vorteile zu verschaffen. Razamon würde das Rennen machen. Der Dunkle Oheim mochte wissen, wie der Ptho rer es anstellte, aber er war offenbar imstan de, sich überall Vertrauen zu verschaffen. Natürlich beging Duuhl Larx einen verhäng
nisvollen Fehler, denn sobald Razamon fe sten Boden unter den Füßen hatte, würde er den Neffen genauso schmählich verraten, wie er es bei dem Valvken getan hatte. Peleff war sich da sehr sicher. Und er hätte auch Duuhl Larx warnen können, über Mit telsmänner – es gab immer Wege. Er unter ließ es aus denselben Gründen, die ihn dazu bewogen hatten, Drafgar-Kert ins Unglück laufen zu lassen. Jedenfalls nahm Duuhl Larx an, daß Raz amon für ihn eine Reihe von Hindernissen und Unbequemlichkeiten beseitigen würde, und nun konnte der Neffe sich endlich wie der auf seine persönlichen Interessen kon zentrieren, anstatt sich mit dem Hofklatsch von Harrytho befassen zu müssen. Peleffs Ende war damit in greifbare Nähe gerückt. Tatsächlich tauchte noch am selben Tage Kao-Ernt in der Zelle auf. Der Truge schien bedrückt und unsicher zu sein, aber Peleff fragte ihn nicht nach den Gründen für diese seltsame Stimmung. »Morgen findet dein Prozeß statt«, erklärte Kao-Ernt. »Man wird dich zum Tode verurteilen. Kann ich noch etwas für dich tun?« Peleff lächelte milde. »Bring Razamon her, damit ich meine Ra che vollziehen kann«, sagte er spöttisch. »Du weißt, daß dieser Wunsch unerfüllbar ist«, erwiderte Kao-Ernt ernsthaft. »Schon gut. Ist Tiora in der Stadt?« »Ja, du hast Glück. Sie kehrt heute abend nach Harrytho zurück.« »Kannst du sie herbringen?« Kao-Ernt zögerte. Kein Gefangener durfte Besuch bekommen, und wenn etwas heraus kam, würde man den Trugen verantwortlich machen. Aber Kao-Ernt hielt Peleff noch immer für einen Verbündeten der Sanitäter, und er glaubte, daß er dem Valvken eine Ge fälligkeit schuldig sei. »Ich werde sie rufen«, versprach er. Peleff vernahm es mit Genugtuung und wartete geduldig. Wenig später öffnete sich die Tür erneut, und Tiora trat ein. Sie entstammte einem den Valvken ver wandten Volk, auch wenn man ihr das nicht
28 ansah. Sie war etwas größer als Peleff, sehr schlank, und sie sah aus, als hätte man sie aus blauem Stahl geformt. Ihre großen, oran gefarbenen Augen blickten wie immer etwas verträumt. Ihre zwölffingrigen Hände waren kleiner und zierlicher als die des Valvken. »Hast du neue Geschichten gefunden, Tiora?« fragte Peleff lächelnd. »Es wird von Mal zu Mal schwieriger«, erwiderte die Chronistin sanft. »Warum wolltest du mich sprechen, Peleff?« Sie wußte noch nichts. Wahrscheinlich war sie sich nicht einmal der Tatsache be wußt, daß sie sich im Gefängnis befand und etwas Verbotenes tat. Tiora befaßte sich nicht mit der Realität. Sie interessierte sich nur für die unzähligen Sagen und Legenden des Rghul-Reviers, und sie war eine Exper tin auf diesem Gebiet, ein wandelndes Ar chiv, vollgestopft mit Daten und Märchen in kunterbunter Mischung. Wenn es überhaupt ein Wesen gab, an das Duuhl Larx sein Herz gehängt hatte, dann war es Tiora. Sie war so harmlos und freundlich, daß selbst der Neffe mit seinem ewigen Mißtrauen nichts an ihr auszusetzen fand. Tiora durfte kommen und gehen, wie es ihr gefiel, und es hieß, daß sie Tage und Nächte bei Duuhl Larx verbrachte und ihm ihre Geschichten erzählt. »Hast du Duuhl Larx jemals ohne die Sphäre gesehen?« fragte Peleff. Tiora stutzte und lachte. »Nein!« »Hat er auch nie darüber gesprochen, wel chem Volk er entstammt?« »Du weißt, daß er so etwas nicht tut. Nie mand weiß, wie er aussieht.« »Aber du warst in seinen Gemächern. Es heißt, daß er krank ist, er braucht Pflege, er muß doch irgend jemanden an sich heranlas sen!« »Das mag sein. Aber auf mich trifft es nicht zu.« »Ich muß ihn sehen, Tiora.« »Warum?« »Ich kann es dir nicht erklären. Ich muß einfach. Kannst du mir einen Rat geben?« »Nein. Ist das alles, was du von mir wis-
Marianne Sydow sen wolltest?« »Nicht ganz. Tiora – würdest du mir einen Gefallen tun?« »Wenn ich es kann …« »Ich habe etwas getan, wofür man mich töten wird.« Tiora sah ihn mit großen Augen an. »Dich töten?« fragte sie ungläubig. »Ja. Du wirst noch genug davon hören. Und nun paß auf: Du weißt, daß Duuhl Larx sich oft selbst mit Verrätern befaßt. Es gibt ein paar Hinweise darauf, daß er sich seinen Opfern in den letzten Sekunden ihres Lebens in seiner wahren Gestalt zeigt. Ich hoffe, daß dies auch bei mir der Fall sein wird – falls nicht irgend etwas mich im letzten Moment vor dem Ende bewahrt. Aber sein Zorn auf mich könnte so groß sein, daß er mich sei nen Kreaturen ausliefert. Ich möchte nicht durch die Hand eines Unwürdigen sterben. Wenn er eine solche Entscheidung trifft, würdest du ihn darum bitten, daß du das Ur teil vollstrecken darfst?« »Ich kann niemanden umbringen, und Du uhl Larx weiß das.« »Das ist mir klar. Aber zwischen unseren Völkern herrschte seit undenkbarer Zeit Feindschaft. Duuhl Larx wird es verstehen, wenn du dich auf diesen alten Haß beziehst. Und er kann dir einen solchen Wunsch nicht abschlagen. Tiora, ich weiß, daß du es nicht tun kannst, aber du könntest auf diese Weise dafür sorgen, daß man mich in den Palast des Neffen bringt. Duuhl Larx wird sehr bald die Geduld verlieren, und wenn ich ihm ohnehin so nahe bin, wird er das Urteil viel leicht doch selbst vollstrecken. Darauf kommt es mir an. Verstehst du das?« Sie zögerte noch, aber schließlich hob sie die Hände zu einer zustimmenden Geste. »Ich werde tun, was in meiner Macht steht«, versprach sie. »Ich werde ihn sogar um dein Leben bitten.« »Das ist nett von dir«, bemerkte Peleff mit sanftem Spott. »Ich fürchte nur, du ver schwendest deine Kraft an etwas, das un möglich ist. Geh jetzt, ehe es zu spät ist. Sonst bekommst du auch noch Ärger.«
Pakt mit dem Bösen Tiora entfernte sich, und Peleff sah ihr zu frieden nach. »Kao-Ernt!« rief er, als er sicher war, daß die Chronistin das Gefängnis verlassen hat te. Der Truge kam sofort. »Ich habe doch noch eine Bitte«, sagte Peleff sehr ruhig. »Und ich hoffe, daß du sie mir erfüllen kannst. Du erwähntest vor eini ger Zeit ein Päckchen mit einem bestimmten Gift, das ihr Sanitäter in euren Besitz ge bracht habt. Du weißt, was mir bevorsteht, und ich muß gestehen, daß wir Valvken den Schmerz fürchten. Wir haben zu spät erfah ren, was wir voneinander zu halten haben, aber ich bin euer Verbündeter, auch wenn ich euch jetzt nicht mehr von Nutzen bin. Verschaffe mir einen leichten Tod, KaoErnt. Gib mir das Gift.« »Duuhl Larx wird uns alle töten, wenn du schon hier im Gefängnis stirbst!« »Ich werde es nicht hier tun, sondern erst, wenn ich in Harrytho bin.« Kao-Ernt war alles andere als begeistert, aber endlich willigte er doch ein. Er ging da von und kam kurz darauf zurück. Peleff nahm das Päckchen beinahe andächtig in Empfang und dankte dem Trugen geradezu überschwenglich. Er verbarg das Gift sorgfältig unter sei nem Gewand, nachdem er sich davon über zeugt hatte, daß alles in Ordnung war. Die ses Zeug war absolut tödlich, nicht nur für den Valvken, sondern für alle im Rghul-Re vier vorkommenden Wesen. Für einen Augenblick wurde sich Peleff der Tatsache bewußt, daß sein Plan völlig verrückt war. Es konnte gar nicht klappen. Aber er verdrängte diese Zweifel energisch und bereitete sich mit der ihm eigenen Ge duld auf das vor, was da kommen sollte. Am nächsten Morgen erschienen einige Trugen, die zum Gefängnispersonal gehör ten. Sie baten ihn sehr höflich, sich wieder in die durchsichtige Sphäre zu begeben, in der man ihn vom Raumhafen hierhertrans portiert hatte. Draußen, vor den düsteren To ren, gaben sich dieselben Trugen dann wie
29 der so unnahbar und grimmig, wie es sich für sie gehörte. Peleff wurde unter strenger Bewachung in jenes Gebäude gebracht, in dem die von Duuhl Larx berufenen Richter ihn erwarteten. Die Verhandlung war genau die Art von Farce, die der Valvke erwartet hatte. Der Ankläger, ein Truge in blendend weißer Ro be, das nachtschwarze Emblem der Macht auf der eckigen Brust, verkündete mit dröh nender Stimme, welcher Vergehen Peleff beschuldigt wurde. Eine Beweisaufnahme fand nicht statt, da sie nach Meinung des Gerichts überflüssig war. Das Publikum, das aus wenigen Trugen und einem guten Hun dert Außenweltler bestand, verlangte mur rend nach einer unterhaltsamen Einlage, woraufhin der Ankläger den Valvken einem strengen Scheinverhör unterzog. Peleff, der das Spiel genau kannte und es oft genug selbst inszeniert hatte, ließ sich jedoch nicht provozieren und gab nur selten Antwort. Er verlor kein Wort über gewisse Vorgänge am Hof des Neffen, führte nichts zu seiner Ver teidigung an und verzichtete sogar darauf, sich durch Hinweise auf ähnliche Taten an derer zu rechtfertigen. Drafgar-Kerts Beob achter waren sehr zufrieden mit dem Valv ken. Noch vor Sonnenuntergang wurde das Urteil verkündet: Peleff würde sterben, und die Hinrichtung sollte in Harrytho stattfin den. Der Valvke gab sich keine Mühe, sein spöttisches Lächeln zu verbergen. Insgeheim triumphierte er. Bis zuletzt hatte er die Mög lichkeit einkalkuliert, daß Duuhl Larx ihn in Vemed den Trugen überlassen würde, und damit wäre sein Plan hinfällig gewesen. »Nach Harrytho«, sagte er leise zu sich selbst, als er wieder in seiner Zelle saß. »Nun gut, Duuhl Larx, das Schicksal nimmt seinen Lauf.« Er tastete nach dem Päckchen mit dem Gift, machte es sich bequem und gab sich mit gutem Gewissen dem Traum von künfti ger Macht hin.
6.
30 »Hast du Erfolge erzielt?« fragte die Stimme aus der leuchtenden Sphäre. »Ich habe Spuren gefunden«, antwortete Razamon bedächtig. »Es wird noch ein oder, zwei Tage dauern, bis ich dir Namen nennen kann.« »Als Transfusionsgebundener wird es dir leichtfallen, Beweise für Verrat und Untreue zu finden«, lockte die Stimme. »Wer mein Blut in sich trägt, dessen Blick und Verstand werden geschärft. Ein Teil meiner Allwis senheit wird auf dich übergehen.« Razamon verbiß sich mit Mühe ein Lä cheln. Die Vorstellung, daß eine Blutüber tragung solche rein geistigen Folgen zeitigen sollte, war ihm nicht ganz fremd. Gewisse Völker auf dem Planeten Terra hatten schließlich auch geglaubt, den Mut und die Tapferkeit erschlagener Feinde auf sich übertragen zu können, indem sie vom Fleisch der Besiegten aßen. »Was nützt es mir, nahezu allwissend zu sterben?« fragte er spöttisch. »Fang nicht schon wieder damit an!« warnte die Stimme ärgerlich. »Ich habe es beschlossen, und mein Wunsch ist Gesetz.« »Ist es auch dein Wunsch, daß deine Un tertanen sich gegenseitig belauern und sogar Mordversuche unternehmen?« »Hast du es endlich doch gespürt? Ich hatte dich gewarnt. Warte bis nach der Transfusion, dann kann dir nichts mehr ge schehen.« »Ich weiß mich auch so zu wehren. Wenn du einverstanden bist, begebe ich mich jetzt wieder auf die Suche nach denen, die dich zu betrügen wagen.« Die Sphäre flackerte leicht und trieb dann davon, und Razamon sah ihr erleichtert nach. »Du kannst wieder zum Vorschein kom men«, teilte er Stobb mit. Er hatte nicht gewußt, daß Duuhl Larx – oder das, was den Neffen im Schutz der Sphäre vertrat – sich so oft hier draußen her umtrieb. Es schien, als sei man nirgends auf diesem Kontinent vor dem Neffen sicher. Die Sphäre gelangte überall hin, und da das
Marianne Sydow Leuchtgebilde sich völlig lautlos bewegte, mußte man unausgesetzt auf der Hut davor sein. Stobb löste seine Tarnung auf und stand urplötzlich vor der kristallenen Nachbildung eines exotischen Baumes. »Du solltest nicht so mit dem Neffen re den«, bemerkte der Dürre vorwurfsvoll. »Es könnte dich leicht das Leben kosten.« »Das ist nicht deine Sorge. Du wolltest mir etwas zeigen.« »Komm«, murmelte Stobb resignierend. Sie eilten durch die schillernden Gärten, in denen nichts lebte und nur die kristallenen Blüten künstlicher Sträucher ihre melancho lischen Weisen sangen. »Kann man die Dinger nicht zum Schwei gen bringen?« fragte Razamon nervös. »Das Gejammer ist nicht auszuhalten!« »Duuhl Larx findet es offenbar schön«, versetzte Stobb sarkastisch. »Es ist das To deslied der Gafgharen. Die Blüten waren das letzte Werk dieser Künstler, denn sie schlos sen ihre eigenen Seelen in diese Kelche ein. Als das Werk vollendet war, gab es auch keine Gafgharen mehr.« »Von mir aus – es ist trotzdem ein ent setzliches Geheule.« Der Dürre setzte zu einer Antwort an, aber plötzlich gab es einen gedämpften Knall, und von rechts schwirrte etwas Leuchtendes heran. Razamon ließ sich blitzschnell fallen. Er bekam Stobb an einem von dessen dürren Beinen zu fassen und riß den Kleinen mit sich. Das leuchtende Etwas flitzte über die Köpfe der beiden ungleichen Wesen hinweg und prallte gegen eine Statue aus grünlich geädertem Marmor. Es knallte wieder, dies mal etwas lauter, und bunte Funken spritzten nach allen Seiten davon. »Die Gefahr ist vorbei«, behauptete Stobb gelassen. »Sie versuchen es niemals zwei mal hintereinander. Das wäre zu riskant, so lange der Neffe hier draußen herum schwirrt.« Razamon sah sich mißtrauisch nach allen Seiten um, aber er wußte jetzt schon, daß er
Pakt mit dem Bösen denjenigen, der das leuchtende Geschoß auf die Reise geschickt hatte, ohnehin nicht zu Gesicht bekommen würde. Das Gelände war zu unübersichtlich. In diesem flimmernden, funkelnden Gewirr konnten sich Dutzende von Angreifern verborgen halten. »Sie beobachten uns«, fuhr der Dürre fort. »Sie haben gewartet, bis die Sphäre sich ent fernte, denn das war der günstigste Zeit punkt. Duuhl Larx wird nicht so schnell an diesen Ort zurückkehren.« »Was für eine Art von Waffe ist das?« fragte Razamon unbehaglich. »Ein Steiner«, erklärte Stobb gelassen. »Man nennt die Dinger so, weil sie nur orga nische Materie angreifen können. Es ist eine Waffe magischen Ursprungs. Zum Glück gibt es nur noch wenige davon. Siehst du, die Statue blieb unbeschädigt. Das ist wich tig. Duuhl Larx würde keinen Kampf dul den, bei dem eines dieser Kunstwerke zer stört werden könnte. Der Steiner wirkt um gekehrt. Er bereichert die Sammlung des Neffen.« »Wie meinst du das?« Der Dürre kicherte. »Sind dir die naturgetreuen Nachbildun gen von allerlei Wesen, wie es sie in diesem Land gibt, noch nicht aufgefallen? Da drü ben steht ein Truge. Sieh ihn dir an – an dem stimmt alles. Nur daß eben kein Künstler ihn aus dem Stein geschnitzt hat, sondern der Steiner ihn verwandelte.« »Wenn die Kugel uns getroffen hätte …« »… gäbe es jetzt zwei neue Statuen in diesem Park«, ergänzte Stobb belustigt. »Komm jetzt, es wird höchste Zeit.« »Sollten wir nicht versuchen, unsere Freunde abzuhängen?« »Nichts anderes werden wir in wenigen Minuten tun. Aber das hier ist nicht der rich tige Ort. Ich hoffe, du hast starke Nerven.« Razamon lief schweigend hinter dem Dürren her. Stobb stieg mit seinen dürren Beinen achtlos über allerlei zierliche Dinge hinweg, und der Pthorer mit feinen wesent lich größeren Füßen hatte mitunter Mühe, seinem seltsamen Freund zu folgen. Aber
31 schließlich gelangten sie an die Grenze des Parks, und vor ihnen lag eine absolut ebene Fläche, die sich scheinbar unendlich weit ausdehnte. Kein Gebäude war dort vorne zu sehen. »Wie sollen wir hier jemanden abhän gen?« fragte Razamon ärgerlich. »Warte es ab«, empfahl Stobb ungerührt. »Wenn wir Glück haben, wagen die es gar nicht erst, uns da hinaus zu folgen.« Auf den ersten Metern war der Boden glatt wie Eis, aber urplötzlich versanken Razamons Füße knöcheltief in feinem, hel lem Sand. »Was soll das?« fragte er verblüfft. »Nicht stehen bleiben!« rief Stobb ihm zu. »Weiter, Razamon, beeile dich!« Der Pthorer verließ sich auf den Dürren, der diesen Ort sicher genau kannte. Er hetzte in langen Sprüngen über den Sand. Die Luft war plötzlich trockener geworden, ein seltsa mer, grauer Dunst schob sich von allen Sei ten heran und engte die Sicht ein. »Nach rechts!« schrie Stobb. »Spring, Razamon!« Er warf sich zu Seite, rutschte aus und fing sich mühsam, und dabei erhaschte er einen Blick auf die Stelle, an der er sich Se kunden zuvor befunden hatte. Ein Loch gähnte in der Ebene, und glasi ge, weißliche Arme schoben sich daraus her vor. Er begriff, daß ihm von diesen Armen Ge fahr drohte und beeilte sich, von dem Loch wegzukommen. Als er sich nach einigen Metern erneut umsah, waren die weißlichen Dinger verschwunden, und der Sand war glatt und unberührt wie zuvor. Erschrocken stellte er fest, daß er keine Spuren in dieser Wüste hinterließ. Er prüfte es nach – sobald er den Fuß hob, bewegte sich der Sand, als wäre er von fremdartigem Leben erfüllt, floß in die Vertiefungen und kam erst zur Ruhe, wenn keine Unebenheit sich mehr zeigte. »Was stehst du da herum?« rief Stobb. »Lauf weiter, ehe es zu spät ist!« Nach kaum zehn Sekunden verschwand
32 die Wüste, als hätte es sie nie gegeben. Raz amon fiel ein oder zwei Meter tief und lan dete auf felsigem Untergrund. »Trugbilder«, murmelte er. »Halluzinationen. Das ganze Gelände ist ein unwirkliches Labyrinth. Unsere Verfolger werden sich die Bäuche vor Lachen halten, wenn sie von draußen zusehen, wie wir uns hier abstrampeln.« »Irrtum«, sagte Stobb, der plötzlich ganz dicht neben dem Berserker war. »Sie können uns nicht sehen. Und was die Trugbilder be trifft – sie sind real genug, um uns zu töten, wenn wir nicht aufpassen.« »Eine reizende Gegend«, brummte Raza mon und wich einem Stein aus, der über den ebenen Boden auf ihn zugerollt kam. »Was ist als nächstes dran?« »Woher soll ich das wissen?« kreischte Stobb und sprang über einen zweiten Stein hinweg. »Es gibt kein festes Programm.« Die beiden Steine rollten weiter und stürz ten krachend und polternd in einen Abgrund, der sich unvermittelt hinter Razamon, und dem Dürren auftat. Der Berserker sah ent setzt, daß dieser Abgrund sich ausdehnte, ih nen regelrecht folgte. Und vor ihnen erho ben sich steinerne Kugeln aus dem Boden, krochen direkt aus dem Fels hervor und setzten sich dumpf polternd in Bewegung. »Hier herüber!« befahl Stobb und hüpfte nach links, wo sich in den Reihen der rollen den Brocken eine winzige Lücke auftat. »Und keine Angst, wir schaffen es schon.« Razamon war davon nicht so fest über zeugt, denn die Steine wuchsen, als würden sie aufgeblasen. Sie schwollen zusehends an, wurden so groß wie Trugen, dann wie Gleiter, ragten schließlich wie Häuser vor ihm auf, und dabei bewegten sie sich immer noch. Er sagte sich, daß etwas daran falsch war: Die Felsen hätten ihn und den Dürren längst erreichen müssen, aber sie waren nach wie vor etwa vierzig Meter entfernt. »Die Lücke!« rief Stobb. »Spring mir nach!« Razamon rannte hinter dem Dürren her, und wieder überkam ihn dieses Gefühl der
Marianne Sydow Unwirklichkeit, denn er legte die Distanz zu den Felskugeln in viel zu kurzer Zeit zurück. Er sah Stobb, der sich auf alle sechs Beine hinabließ und zwischen den Steinen hin durchraste. Rechts und links stießen und drängten sich die Felsen aneinander, und die Luft war von einem ohrenbetäubenden Don nern erfüllt. Razamon stieß einen er schrockenen Laut aus, als er vor sich eine tiefschwarze Wand sah. »Eine Falle!« rief er dem Dürren zu. Stobb hörte ihn nicht. Er stürzte sich kopfüber in die Wand hinein. Razamon dachte, der Dürre würde sich den Schädel einschlagen, aber statt dessen verschwand Stobb in der Wand, als hätte die Finsternis ihn verschluckt. Der Pthorer zögerte einen Augenblick. Als er aber das Knirschen hörte, mit dem die Felsen langsam näher rückten, sprang auch er. Er landete in eiskaltem Wasser. Ein paar Meter entfernt kämpfte sich Stobb stram pelnd durch die tiefblauen Fluten. Razamon trat Wasser und hielt Ausschau nach dem Ufer. Aber mit dem Wasser war es genau wie vorher mit der Wüste – es schien, als er strecke sich ein unendliches Meer nach allen Seiten. »Gab es keinen bequemeren Weg?« fragte er wütend. »He, Stobb, antworte mir!« Aber der Dürre hatte offenbar genug da mit zu tun, sich über Wasser zu halten. Und plötzlich rührte er sich nicht mehr. Razamon schwamm hinüber, bekam Stobb zu fassen und schleppte ihn hinter sich her. Er sagte sich, daß er wahrschein lich nur geradeaus zu schwimmen brauchte, um den nächsten Wechsel der Umgebung zu erleben. Nach einigen Minuten wurde das Wasser wärmer, und Stobb begann sich zu bewegen. »Es geht schon wieder«, verkündete er. »Ich vertrage die Kälte nicht.« Razamon hörte gar nicht hin. Er hatte et was entdeckt, was ihm den Atem stocken ließ. Vor ihnen, vielleicht noch hundert Meter
Pakt mit dem Bösen entfernt, kochte das Wasser. Es kochte wirk lich. Dicke Blasen stiegen auf, und jetzt spürte er auch den heißen Dampf, der zu ihm herüberwehte. »Nur keine Panik!« warnte Stobb. »Wir müssen noch ein bißchen näher heran, dann haben wir es geschafft.« »Das ist doch Wahnsinn!« schrie Raza mon. »Was, zum Teufel, hast du dir dabei gedacht, mich an diesen Ort zu führen?« »Spare dir deinen Atem«, empfahl der Dürre. »Sieh lieber zu, daß du die grüne Zo ne entdecken kannst.« »Was für eine grüne Zone?« Aber da sah er sie schon. Das Wasser war an einer Stelle tiefgrün gefärbt. Stobb schwamm eilig hinüber. »Ich hoffe, du kannst tauchen!« rief er dem Berserker zu, dann versank er wie ein Stein in der Tiefe. »Ich drehe dem Kerl den Hals um!« knurrte Razamon und tauchte hinterher. Und dann gab es einen Ruck, und er stand wieder auf der schimmernden, glatten Flä che, auf der alles begonnen hatte. Der Nebel war dichter geworden, und die Luft roch merkwürdig. »Nur noch ein paar Meter«, behauptete Stobb, dem das alles nichts auszumachen schien. »Komm, wir sind gleich da.« Brummend stapfte Razamon hinter dem Dürren her. Er blinzelte verwundert, als der Nebel zu leuchten begann und vor ihm auf riß. Und dann sah er den Kristall vor sich. Es war ein prächtiges Gebilde, riesengroß, funkelnd und strahlend wie ein Diamant. Stobb klopfte mit einer Klaue gegen die durchsichtige Wand. Es gab ein feines Klir ren, und eine Öffnung entstand. »Herzlich willkommen!« sagte Stobb spöttisch. »Tritt ein, mein Freund.« Razamon blieb wie angenagelt stehen. Er starrte den Dürren an, dann den Kristall, und seine Gedanken überschlugen sich. »Was soll das?« fragte er scharf. »Ich verstehe dich nicht. Du wolltest doch an einen Ort gebracht werden, an dem du Beweise findest, um gewisse Leute zu über
33 führen. Nun, du bist am Ziel. Alles, was du brauchst, findest du in diesem Kristall.« »Du lügst«, sagte Razamon gedehnt. »Du willst mich in eine Falle locken. Warte, dir werde ich es zeigen!« Aber Stobb trat mit einem schnellen Schritt durch die Öffnung, und der Kristall schloß sich. »Du kannst mir nichts tun«, verkündete er, und seine Stimme klang schrill durch die schimmernde Wand. »Und was die Falle be trifft: Du bist schon mitten drin. Es gibt kei nen Weg, der von hier nach draußen führt.« »Warum hast du das getan?« schrie Raza mon zornig. »Du bist ein Narr«, kicherte Stobb. »In Harrytho darfst du niemandem trauen, und das hättest du wissen müssen.« »Ich werde dir den Hals umdrehen!« brüllte der Berserker. »Halt die Luft an«, empfahl Stobb gelas sen. »Übrigens – wenn du Hunger oder Durst bekommst, dann melde dich. Ich habe alles hier. Du sollst mir schließlich nicht verschmachten.« »Was hast du mit mir vor?« fragte Raza mon etwas ruhiger. »Ich werde dich dazu bringen, daß du zu mir in den Kristall kommst. Und zwar frei willig.« »Das kannst du haben«, versicherte Raza mon grimmig, denn er entsann sich endlich wieder der Tatsache, daß er über Kräfte ver fügte, die man einem Wesen seiner Größe nicht zutraute. Und die Wände des Kristalls waren dünn. Mit all der Kraft, die die Wut auf den heimtückischen Dürren ihm verlieh, schlug er zu.
* Die Splitter flogen nach allen Seiten. Der Kristall hielt tatsächlich nicht viel aus. Raza mon schnitt sich an den scharfen Kanten die Hände auf, aber er achtete gar nicht darauf. Er sah nur noch Stobb vor sich, und ein wil der Haß beherrschte ihn, Haß, der nicht al
34 lein dem Dürren galt, sondern diesem gan zen verfluchten Planeten. Der Dürre hatte viel von seiner Selbstsi cherheit verloren. Er preßte sich zitternd ge gen eine Wand – die letzte, die noch heil war – und starrte den wütenden Pthorer mit seinen goldenen Augen so ängstlich an, daß Razamon unwillkürlich die Fäuste senkte. »So«, sagte er. »Und nun wirst du hof fentlich reden. Was hat es mit diesem Kri stall auf sich?« »Er steuert und erzeugt das Labyrinth«, flüsterte Stobb. »Und warum hast du mich hergelockt?« »Mein Volk lieferte den Kristall«, erklärte der Dürre stockend. »Aber wir wußten, daß der Kristall seine Kraft verlieren würde. Es ist sehr gefährlich, den Neffen zu enttäu schen. Darum ließ ich mich in den Kristall einschließen und gelangte so nach Cagendar. Ab und zu gehe ich nach draußen und suche mir ein Opfer. Es ist nicht leicht, in diesem Land die geeigneten Wesen aufzuspüren. Sie müssen eine bestimmte Ausstrahlung haben. Du hast sie.« »Aha. Und was hätte der Kristall mit mir gemacht?« »Er hätte dich leergesaugt, die Kraft von dir genommen, um das Labyrinth damit zu speisen.« »Hast du auf eigene Faust gehandelt, oder gab dir jemand den Auftrag dazu?« Stobb zögerte, und Razamon hob demon strativ die Faust. »Es ist meine Aufgabe«, jammerte der Dürre. »Ich kann nichts daran ändern.« »Und wenn der Neffe davon erfahren hät te?« »Er kennt das Geheimnis des Kristalls nicht. Außerdem gibt es in Harrytho noch mehr Gefahren, die auf einen Fremden wie dich lauern.« »Das glaube ich gerne. Aber jetzt ist der Kristall zerstört. Das Spiel ist aus, Stobb. Sage mir, wie ich aus diesem Irrgarten her auskomme.« »Es gibt keinen Weg!« schrie der Dürre mit schriller Stimme. »Wir werden beide
Marianne Sydow sterben.« »Das glaube ich dir nicht«, knurrte Raza mon. »Komm her, du Zwerg, ich nehme dich mit.« Er griff nach dem dürren Wesen, aber im selben Augenblick brach knisternd und kra chend die letzte Wand des Kristalls in sich zusammen, und die Splitter stürzten auf Stobb herab. Razamon trat instinktiv einen Schritt nach rückwärts. Er stolperte und stürzte über einen kristallinen Brocken. Splitter drangen in seine Hände, etwas schrammte über sein Gesicht, und für einen Augenblick war er blind von dem Blut, das ihm in die Augen lief. Als er endlich wieder sehen konnte, war es längst zu spät: Stobb lag unter einem Berg von scharfkantigen Trümmern begraben. Razamon setzte sich schweratmend auf den Boden, starrte den Berg an und überleg te, ob es einen Sinn hatte, wenn er versuch te, den Dürren da herauszuholen. Aber er fühlte sich plötzlich matt und zerschlagen. Seine Wunden begannen zu schmerzen, die se vielen kleinen, blutenden Schnitte, die wie Feuer brannten. Stobb rührte sich nicht. Er konnte ihn schwach unter den Splittern erkennen. Er stand auf und drehte sich taumelnd im Kreis, aber um ihn herum war nichts als eine Nebelwand. Es schien, als gäbe es auf der ganzen Welt nur noch ihn und Stobb und den Trümmerhaufen, der noch vor wenigen Minuten ein riesiger, prächtiger Kristall ge wesen war. Wohin sollte er sich wenden? Stobb! Er mußte den Ausgang kennen. Razamon erkannte erschrocken, daß er sich hatte bluffen lassen. Natürlich gab es einen Weg. Stobb war ihn ja selbst immer wieder gegangen, wenn er neue Opfer an diesen Ort holte. Wie ein Rasender begann er zu graben. Seine Hände hinterließen blutige Spuren an jedem einzelnen Brocken, den er zur Seite räumte, aber er biß die Zähne zusammen und wühlte sich rücksichtslos vorwärts. End lich bekam er die Beine des Dürren zu fas
Pakt mit dem Bösen sen. Er schleuderte die letzten Brocken von sich und zog den schlaffen Körper unter den restlichen Splittern hervor. Dann starrte er ratlos auf Stobb, dessen Körper so viele Wunden trug, daß man kaum noch einen Flecken heiler Haut erkennen konnte. »Stobb!« sagte er beschwörend. »Komm zu dir! Sage mir, wie ich dich nach draußen bringen kann. Dort wird man dir helfen. Hörst du nicht? Man wird deine Wunden versorgen, und du wirst leben. Ist dir das denn gar nichts wert?« Stobb antwortete nicht. Ratlos betastete Razamon den mageren Körper, suchte nach einem Lebenszeichen und fand keines. Trotzdem mochte er nicht daran glauben, daß der Dürre tot war. Es durfte nicht so sein. Nach endlos langen Minuten vernahm er ein schwaches Flüstern. Er beugte sich vor. »Noch einmal, Stobb!« bat er. »Ich habe dich nicht verstanden.« Aber Stobb sagte nichts mehr, und als ein Zucken durch seinen Körper ging, da ahnte Razamon, daß der Dürre für immer schwei gen würde. Beklommen richtete er sich auf und sah sich um, und plötzlich gab es einen Ruck, und er sah die schimmernden Paläste von Harrytho aus dem Dunst auftauchen. Unwillkürlich rannte er los, weg von dem Kristall und der Leiche Stobbs. Erst als er schmerzhaft mit dem rechten Knie gegen ei ne Einfassung prallte und stürzte, kam er zur Besinnung. Er sah sich um. Die Trümmer des Kristalls waren deutlich zu sehen, aber von dem teuflischen Labyrinth gab es keine Spur mehr. Wo Razamon ganz am Anfang eine endlos weite Wüste gesehen hatte, lag nun eine kreisrunde Fläche von kaum drei ßig Metern Durchmesser. Die Überreste des Kristalls bedeckten diese Fläche fast völlig. Eine gut kniehohe Mauer umgab den Platz, und noch einmal etwa dreißig Meter entfernt lagen die ersten Gebäude. Razamon atmete tief durch und wandte dieser Stätte der Zerstörung entschlossen den Rücken. Von nun an würde er tatsäch
35 lich niemandem in Harrytho mehr trauen, das stand für ihn fest. Kaum hatte er dies gedacht, da löste sich aus dem Schatten des nächsten Gebäudes ei ne große, überschlanke Gestalt und kam mit langen, graziösen Schritten auf Razamon zu gelaufen. »Was für ein Glück, daß ich dich endlich gefunden habe!« rief der fremde Kune über schwenglich und streckte dem Pthorer beide Arme entgegen. Razamon sah den Fremden mißtrauisch an. »Du hast mich gesucht?« fragte er. »Ja, schon seit vielen Stunden. Mein Na me ist Falart. Ich muß dringend mit dir spre chen. Komm, wir gehen an einen Ort, an dem wir ungestört sind.« »Wenn du reden willst, dann tu das hier und jetzt«, verlangte Razamon böse. Falart zögerte. Aber er sah die Trümmer des Kristalls und den aus unzähligen kleinen Wunden blutenden Mann, der eben erst ei ner tödlichen Falle entronnen war, und of fenbar begriff er, daß Razamons Bedarf an Überraschungen fürs erste gedeckt war. »Du hast die Sanitäter kennengelernt«, sagte Falart gedehnt. »Ich nehme an, daß dir diese Leute sympathisch sind, denn du bist selbst im Grund deines Wesens ein Rebell. Das Lager, in dem man dich fand, wurde in zwischen zerstört, alle Sanitäter, die dort lebten, sind tot. Seid ihr Freunde geworden in der kurzen Zeit, die ihr euch kanntet?« »Vielleicht«, antwortete Razamon zurück haltend. »Es gibt niemanden, der sie rächen könn te. Sie wurden verraten, und viele Trugen wissen das. Aber die Angehörigen dieses Volkes sind geistig nicht beweglich genug. Der Verräter ist ihnen haushoch überlegen, obwohl auch er ein Truge ist.« »Du scheinst ihn zu kennen?« »Nur zu gut. Er hat es auch auf dich abge sehen. Er wird dich töten. Du mußt schneller sein als er, das ist deine einzige Chance.« »Welchen Grund hast du, mir das alles zu erzählen?«
36 »Der Truge, um den es geht, strebt nach Macht. Und er ist auf dem besten Weg, sich an Peleffs Stelle zu setzen. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchte er Verbündete. Ich gehöre zu denen, die nahezu alles über ihn wissen. Er ist dem Ziel jetzt sehr nahe. Wenn er es erreicht hat, wird er alle, die ihm gefährlich werden können, vernichten. Ich gehöre dazu.« »Aha. Du willst ihn loswerden, dir aber nicht die Finger schmutzig machen. Und wenn er tot ist, wirst du selbst versuchen, seine Stelle einzunehmen.« »Die Luft von Harrytho hat eine eigenarti ge Wirkung. Sie steigert den Hunger nach Macht bei allen, die lange genug in diesem Land leben. Ich werde es versuchen. Aber meine Aussichten sind ziemlich schlecht. Ei ner aus meinem Volk beging vor kurzer Zeit einen verhängnisvollen Fehler. Hast du von Elkort, dem Transfusionsgebundenen ge hört?« »Ja.« »Sein Ende ist eine Katastrophe für alle Kunen am Hofe von Harrytho. Es wird eini ge Zeit dauern, bis Duuhl Larx bereit ist, ei nem von uns den Aufstieg zu ermöglichen. Was ist nun mit meinem Angebot. Willst du den Namen des Verräters hören?« »Eine Frage noch: Hat er außerdem gegen ein Gesetz verstoßen, das der Neffe erlassen hat?« »Nicht nur gegen eines. Er holte Peleff aus dem Gefängnis, um ihn auf dich anzu setzen. Duuhl Larx weiß davon nichts, aber wenn er es erfährt, wird er dem Betreffenden eine schreckliche Lehre erteilen. Da sind noch einige andere Dinge, unzählige Fälle, in denen unser gemeinsamer Freund seine eigenen Interessen über die des Neffen stell te.« Razamon dachte nach und kam zu dem Schluß, daß er auf dieses Angebot eingehen sollte. Irgend etwas mußte er tun, um den Neffen endgültig für sich zu gewinnen. Wenn ich es geschafft habe, dachte er, und Duuhl Larx auch noch auf die Transfusion verzichtet, werde ich auch einen Weg finden,
Marianne Sydow um nach Pthor zu gelangen. Ein verwegener Plan kam ihm in den Sinn. Unwillkürlich lächelte er. Aber dann erinnerte er sich wieder an das, was er zuerst erledigen mußte. »Ich nehme an«, sagte er zu Falart. »Aber ehe ich mich mit dem Verräter befasse, wer de ich etwas für mich selbst tun müssen.« »Das sehe ich ein«, sagte der Kune ernst. »Diese Wunden sollten schnellstens versorgt werden. Ein Freund von mir versteht sich auf solche Dinge. Reicht dein Vertrauen zu mir so weit, daß du dich von ihm behandeln lassen wirst?« »In Ordnung«, seufzte Razamon. »Bring mich zu ihm.«
7. Falarts Freund erwies sich als äußerst ge schickter Arzt. Er bereitete für Razamon ein seltsam duftendes Bad aus vielen heilenden Essenzen und besah sich sorgfältig jede ein zelne Wunde, ohne dabei allzu indiskrete Fragen zu stellen. Als der Kammdeuter – sein Name war Syngrat – begann, das Blut abzutupfen, kam dem Berserker ein Gedan ke. »Kannst du etwas von meinem Blut so konservieren, daß es sich bis zum Abend frisch hält?« fragte er. »Selbstverständlich«, antwortete Syngrat gelassen. »Soll ich es gleich tun?« »Fang an.« Wenig später, als Razamon erfrischt und von seinen Schmerzen befreit aus dem Bad stieg, nahm er aus der Hand des Kammdeu ters ein durchsichtiges Röhrchen in Emp fang. Zufrieden betrachtete er das Blut, das sich darin befand. »Wozu brauchst du es?« fragte Syngrat neugierig. Razamon sah nicht ein, weshalb er aus seinem Plan ein Geheimnis machen sollte. »Du weißt, daß Duuhl Larx mich zu ei nem Transfusionsgebundenen machen will«, erklärte er. »Aber ich fürchte, daß dieser Vorgang meinen Tod bedeuten könnte. Ich
Pakt mit dem Bösen stamme aus dem Lande Pthor, und mein Körper würde das Blut des Neffen sicher nicht vertragen. Duuhl Larx glaubt mir das nicht. Ich hoffe, daß eine Probe von meinem Blut ihn überzeugen wird.« Syngrat sah den Pthorer erstaunt an. »Dieser Gedanke ist ziemlich ausgefal len«, meinte er. »Wir Kammdeuter kennen uns mit den Problemen, die bei jeder Blut übertragung entstehen, recht gut aus. Das Blut des Neffen muß von ganz besonderer Beschaffenheit sein. Jedes Wesen, dem die Ehre einer Transfusion bisher zuteil wurde, hat diesen Vorgang überlebt. Nicht nur das, die Transfusionsgebundenen entwickeln bin nen kürzester Frist neue Fähigkeiten.« »Alle diese Wesen stammten aus der Schwarzen Galaxis, zu der auch das RghulRevier gehört«, gab Razamon zu bedenken. »Ich dagegen stamme aus einer euch völlig fremden Welt. Ich hoffe, daß es mir gelingt, dem Neffen die Idee mit der Transfusion auszureden. Ich bin ziemlich sicher, daß ich eine Blutübertragung nicht überleben wer de.« Syngrat mochte einsehen, daß es unmög lich war, Razamon umzustimmen, und so gab er es auf. Er machte sich an die Arbeit und entließ Razamon wenig später mit der Bemerkung, daß die Wunden des Pthorers schon am nächsten Tage verheilt sein wür den, falls nicht unvorhergesehene Kompli kationen auftraten. Razamon sah den Kammdeuter nachdenklich an. »Ich kann dich nicht bezahlen«, sagte er zögernd. »Das macht nichts«, versicherte Syngrat. »Falart hat das bereits erledigt.« Dem Pthorer war der Gedanke, in der Schuld eines Bewohners von Harrytho zu stehen, denkbar unangenehm, und er nahm sich vor, diese Angelegenheit so bald als möglich zu bereinigen. Aber erst war Falart an der Reihe. »Jetzt können wir uns um un seren Freund kümmern«, sagte der Kune er wartungsvoll. Razamon nickte nur. Obwohl er sich körperlich wieder recht wohl fühlte, machte sich eine seltsame Müdigkeit in ihm
37 breit. Das Land Harrytho widerte ihn an, diese sterilen Flächen, die schimmernden und doch so häßlichen Gebäude, das Fehlen pflanzlichen Grüns, die geruchlose Luft. Und schlimmer noch, die stete Drohung, die über dem Land lastete und die unverkennbar vom Palast des Neffen ausging. Und der Neffe trug auch sogleich seinen Teil dazu bei, daß Razamons Abneigung gegen ihn sich verstärkte. Kaum hatten sie das Gebäude verlassen, da tauchte die Sphäre auf. Razamon warf Falart einen schnellen Blick zu, aber der Truge blickte dem Leuchtgebilde furchtlos entgegen. »Du hast den Kristall zerstört, der das La byrinth am Leben erhielt«, stellte die dump fe Stimme fest. »Welche Entschuldigung hast du dir ausgedacht?« »Ich habe es nicht nötig, eine Geschichte zu erfinden«, erwiderte Razamon abwei send. »Ich wurde in eine Falle gelockt. Ein Wesen namens Stobb versprach mir Infor mationen. Es behauptete, die Namen der Verräter zu kennen, nach denen ich für dich suche. Aber in Wirklichkeit wollte es mich nur dem Kristall zum Fraß vorwerfen. Ich sollte dem Ding die Kraft verleihen, die es brauchte, um das Labyrinth in der nächsten Zeit aufrechtzuerhalten.« Der Neffe schwieg geraume Zeit. Dann stieg die Sphäre abrupt auf und entfernte sich. »Wenn man nur wüßte, ob er wirklich da drin steckt«, murmelte Falart. »Habt ihr nie versucht, es herauszufin den?« Der Kune lachte. »Viel zu oft sogar. Aber die, die der Sphä re zu nahe kamen, starben auf rätselhafte Weise. Sie verdorrten wie Blumen, die man der Wüstensonne aussetzte, und binnen we niger Stunden zerfielen sie zu Staub. Viel leicht hat der eine oder andere von seinem Tod noch etwas erkennen können, aber kei ner lebte lange genug, um darüber zu spre chen. Es gab auch Versuche, in die gehei men Gemächer des Neffen vorzudringen,
38 denn dort liegt mit Sicherheit die Lösung des Rätsels verborgen. Die, die es wagten, kehrten nicht zurück. Man hat nie mehr et was von ihnen gehört.« Razamon nickte nachdenklich. Eines muß man Duuhl Larx lassen, dachte er grimmig. Er versteht es, sein Geheimnis zu hüten. »Wie heißt der Truge, der die Sanitäter ans Messer geliefert hat?« fragte er laut. »Drafgar-Kert«, sagte Falart. »Aber der Name allein wird dir nicht helfen. Du brauchst Beweise. Ich habe heimlich bei ei nigen Zusammenkünften Aufzeichnungen gemacht. Das Problem besteht darin, daß ich dir dieses Material nicht so einfach zur Ver fügung stellen kann, denn ich würde mich selbst damit belasten.« »Wir werden eine Lösung finden«, ver sprach Razamon. »Darf ich diese Aufzeich nungen sehen?« »Ich wollte sie dir sowieso zeigen. Komm mit.« Razamon folgte dem Trugen mit gemisch ten Gefühlen. Er dachte, daß es besser sei, sich erst eine Waffe zu beschaffen, für den Fall, daß sich auch Falarts Heim als Falle er weisen sollte. Aber er sagte sich gleichzei tig, daß der Kune ihm wohl kaum an die Kehle gehen werde, solange Drafgar-Kert noch am Leben war. Den Rest des Tages verbrachte er in dem Gebäude, das der Neffe Falart und drei wei teren Kunen für die Dauer ihres Aufenthalts in Harrytho zur Verfügung gestellt hatte. Gemeinsam arbeiteten sie Falarts Aufzeich nungen durch, und Razamon, der sich an seine diesbezüglichen Erfahrungen auf Terra jetzt wieder deutlich erinnerte, fand schließ lich einen Weg, Falarts Stimme so gründlich zu löschen, daß der Kune all seine Bedenken vergaß und den Pthorer mit den Tonkristal len ziehen ließ. Bei Einbruch der Dunkelheit kehrte Raza mon in den Palast zurück. Er hatte sein Quartier kaum erreicht, da erschien auch schon einer der Roboter, um ihn zu Duuhl Larx zu rufen.
Marianne Sydow »Peleff trifft noch in dieser Nacht hier in Harrytho ein«, verkündete die Stimme aus der Sphäre, ohne sich mit einleitenden Wor ten aufzuhalten. »Der Valvke wird sterben. Beanspruchst du das Recht, seinem Leben ein Ende zu setzen?« »Nein«, erwiderte Razamon schroff. »Es war nur eine Frage. Es gibt genug an dere, die sich um diesen Auftrag reißen wer den. Erzähle mir etwas von dem Land Pthor.« »Da gibt es nicht viel zu berichten«, sagte der Berserker gedehnt. »Wie kam es, daß du Pthor verlassen mußtest?« Bot sich hier eine Gelegenheit, dem Nef fen einen bestimmten Plan schmackhaft zu machen? »Pthor«, begann Razamon bedäch tig, »ist nicht gänzlich unverwundbar. Es breiteten sich Mächte auf dem Dimensions fahrstuhl aus, die sich gegen die Ziele des Dunklen Oheims stellten. Sie besiegten so gar die Herren der FESTUNG. Ich weiß nicht genau, wie es dazu kam, aber ich wur de von Pthor weggeschleudert, in einen dunklen Raum hinein, in dem meine Erinne rung erlosch. Irgend etwas zog mich dort wieder heraus – auch an diesen Vorgang kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht war es meine Bestimmung, in die Schwarze Ga laxis vorauszueilen, um den Dunklen Oheim vor den feindlichen Mächten zu warnen.« »Das stimmt mit den Informationen über ein, dich ich inzwischen erhalten habe«, sag te die dumpfe Stimme zufrieden. »Pthor wurde aufgehalten, als es die Randzone der Schwarzen Galaxis erreichte. Leider kam es im Marantroner-Revier zum Stillstand, so daß nun Chirmor Flog die Aufgabe hat, den Dimensionsfahrstuhl zu säubern.« »Das ist ein sehr wichtiger, aber auch schwer zu erfüllender Auftrag«, bemerkte Razamon vorsichtig, denn er bewegte sich auf sehr gefährlichem Boden.Er hatte nicht erwartet, daß Duuhl Larx so gut über die ge genwärtige Lage informiert war. »Die feindlichen Mächte hatten Zeit, zu wirken. Es reicht nicht, sie zu besiegen. Sie
Pakt mit dem Bösen haben die Völker von Pthor bereits mit ihren absonderlichen Ideen vergiftet. Der Dimen sionsfahrstuhl wird erst dann seinen ur sprünglichen Zweck wieder erfüllen können, wenn dieser verhängnisvolle Einfluß völlig neutralisiert sein wird. Und um das zu schaf fen, braucht Chirmor Flog nicht nur Mut und Entschlossenheit, sondern vor allem Um sicht und Klugheit.« »Er hat nichts davon«, behauptete Duuhl Larx prompt. »Es ist ein Unglück, daß Pthor in seinem Revier ankam. Er wird versagen. Mir könnte das nur recht sein, denn der Dunkle Oheim schätzt Chirmor Flog leider völlig falsch ein, und die Sache mit Pthor könnte da einiges ändern. Aber der Dimensi onsfahrstuhl ist zu wertvoll, um ihn einem unfähigen Narren zu überlassen.« »Das stimmt.« »Was könnte man also tun?« »Da Chirmor Flog von selbst nicht den richtigen Weg finden wird, müßte man ihn in die entsprechende Richtung führen.« »Aber es dürfte nicht zu unauffällig ge schehen.« »Natürlich nicht. Wer die Arbeit tut, sollte auch den Ruhm ernten.« »Ich sehe, wir verstehen uns. Nach der Transfusion werden wir uns weiter darüber unterhalten.« »Du willst mich wirklich auf diese Weise an dich binden?« »Selbstverständlich. Einen so wertvollen Mann wie dich findet man nicht leicht, Raz amon. Ich werde alles tun, um mich deiner Treue zu versichern.« »Dazu braucht es keine Blutübertragung, Duuhl Larx«, sagte der Pthorer sanft. »Ich reiche zwar an Klugheit nicht an dich heran, aber es reicht, um mich erkennen zu lassen, wo die wirkliche Macht zu suchen ist. Ich gehöre nicht gerne zu denen, die einem Ver sager dienen und damit ihr eigenes Leben entwerten. Es ist mir gelungen, einen der schlimmsten Verräter zu überführen, die sich durch Heuchelei dein Vertrauen erschli chen haben.« »Wer ist es?«
39 »Drafgar-Kert.« Sekundenlang blieb es still. »Hast du Beweise?« fragte die Stimme dann drohend. Razamon zog schweigend die Tonkristalle aus der Tasche und ließ den Neffen hören, was da in geheimer Runde besprochen wor den war. »Dieses Ungeziefer!« rief Duuhl Larx zornig, als er genug gehört hatte. »Die Na men sind mir wohlbekannt.« »Einige der Verschwörer sind Transfusi onsgebundene.« »Ja.« »Dennoch konnten sie einen solchen Ver rat nicht nur planen, sondern auch durchfüh ren.« »Du hast recht, Razamon«, sagte der Nef fe nachdenklich, und der Pthorer beschloß, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß genug war. »Ich habe dir eine Probe von meinem Blut mitgebracht«, erklärte er und hielt das Röhr chen hoch. »Wenn du es prüfst, wird es sich herausstellen, ob ich eine Transfusion über leben könnte oder nicht.« »Du hast große Angst um dein Leben, wie?« fragte Duuhl Larx spöttisch. »Nein«, erwiderte Razamon sehr ruhig. »Wenn es so wäre, dann hätte ich den Na men Drafgar-Kert und alles, was damit zu sammenhängt, schnell vergessen. Bis zur Transfusion werden noch einige Tage verge hen, Drafgar-Kert dagegen wird mich schon morgen umbringen, wenn etwas durch sickert.« »Er wird keine Gelegenheit mehr dazu be kommen«, erklärte Duuhl Larx. »Gut, lege das Röhrchen mit deinem Blut auf den Tisch dort drüben.« Damit war Razamon entlassen. Aufatmend entfernte er sich. Von Mal zu Mal wurde es schwerer, die Nähe dieser leuchtenden Sphäre zu ertragen. Nur der Ge danke an das, was er möglicherweise auf diesem Wege erreichen konnte, gab dem Pthorer die Kraft, sich zu verstellen und Ehr furcht zu heucheln, wo er nichts weiter als
40 Abscheu empfand. Er hatte sich kaum zur Ruhe gelegt, da kam schon wieder ein Roboter. »Was gibt es denn jetzt schon wieder?« fragte Razamon ungeduldig. »Folge mir«, lautete die stereotype Ant wort der Maschine. Und wieder wurde der Pthorer in den Raum geführt, in dem Duuhl Larx sich mit ihm zu unterhalten pflegte. »Wirf einen Blick aus diesem Fenster dort!« befahl der Neffe. Razamon war völlig ahnungslos. Um so schlimmer traf ihn der Anblick dessen, was der Neffe ihm zu zeigen wünschte. In mehr als zwanzig durchsichtigen Röhren hingen die verkrümmten, furchtbar zugerichteten Körper der Verräter, deren Namen Razamon dem Herrscher von Cagendar preisgegeben hatte. Er kannte diese Wesen nicht, hatte sie nie gesehen, aber er wußte, daß sie es waren, die da draußen eines langsamen, schreckli chen Todes starben. Der Anblick war ihm unerträglich, aber er wagte es nicht, sich umzudrehen, denn er wußte, daß man ihm seine Gefühle in diesem Augenblick nur zu deutlich ansehen würde. Schon seit langer Zeit hatte in Razamon der Haß auf die Mächte in der Schwarzen Galaxis gebrannt, aber dieser Haß galt ei nem anonymen Gebilde. Jetzt konzentrierte er sich auf Duuhl Larx. Dieser Haß wurde so groß, daß Razamon daran zu ersticken fürchtete. Er preßte die Zähne aufeinander, daß es ihn in den Kiefern schmerzte, denn sonst hätte er seinen Haß in alle Welt hin ausgeschrien. Erst nach vielen Minuten setz te sein Verstand wieder ein. Er mußte sich zusammenreißen. Er durfte sich seinen Gefühlen nicht überlassen, denn das hätte schreckliche Folgen gehabt. Er mußte an Pthor denken, an Atlan und Thalia und die anderen Freunde, an die ferne Erde, an all das, wofür es sich zu kämpfen und zu leben lohnte. Niemandem war damit ge dient, wenn Razamon jetzt diesem Ungeheu er, das sich in einer flammenden Sphäre ver barg, die Wahrheit entgegenschrie und dafür
Marianne Sydow ebenfalls getötet wurde. Langsam drehte er sich um. »Ich habe es gesehen«, sagte er tonlos. »Ich habe beschlossen, dir zu vertrauen«, sagte Duuhl Larx beinahe feierlich. »Du bist es wert, daß ich dir die höchste Ehre zuteil werden lasse, die je ein Wesen in meinem Revier erfahren hat. Damit du mir mit all deinen Fähigkeiten dienen kannst, sollst du meinen Untertanen in meiner Gestalt begeg nen. Du wirst fast so mächtig sein wie ich, der Neffe des Dunklen Oheims. Wie gefällt dir das, Razamon?« Die Antwort, die dem Pthorer auf der Zunge lag, hätte dem Neffen ganz sicher nicht gefallen. Aber Razamon riß sich zu sammen. »Ich danke dir«, sagte er und deutete eine Verbeugung an. Zwei Roboter kamen und führten ihn weg. In einer düsteren, von unheimlichen Geräten erfüllten Kammer bereiteten sie Razamon auf seine neue Aufgabe vor.
8. Peleffs Ankunft in Harrytho vollzog sich völlig undramatisch und auch fast unbe merkt. Er hatte damit gerechnet, daß all sei ne alten Neider und Feinde erscheinen wür den, um ihn zu verspotten und zu quälen, aber statt dessen brachte man ihn in seinen eigenen Palast. Da saß er nun, mitten in seinem prunk vollsten Saal, umgeben von Trophäen, die er sich erkämpft hatte, und er betrachtete den Luxus vergangener Tage mit einer Mi schung aus Wehmut und Selbstironie. Er hätte gerne den einen oder anderen Ge genstand berührt. Es wäre ein schönes Ge fühl gewesen, noch einmal durch all diese Räume zu streifen und die Vergangenheit heraufzubeschwören. Aber er konnte sich nicht vom Fleck rüh ren, denn er saß noch immer in der durch sichtigen Energieblase gefangen. Er fragte sich, was Duuhl Larx mit ihm vorhatte. Warum ließ er ihn ausgerechnet an
Pakt mit dem Bösen diesen Ort bringen? Glaubte er, dem Valv ken damit zusätzliche Qualen zufügen zu können? Peleff mußte bei diesem Gedanken lachen. So sehr es ihn gefreut hätte, noch ein paar Tage in diesem Palast in Freiheit zu verbringen zu dürfen – ein Valvke besaß keine so enge Bindung an seine Vergangen heit. Außerdem hatte ihm dieser Palast stets nur als Übergangsquartier gedient. Sein Heim hatte auf dem Planeten Caudin gestan den. Dort, inmitten der Wesen, deren Kon kurrenzkämpfe ihm Unterhaltung und Ent spannung boten, hatte er sich wohl gefühlt. Das große Tor schwang auf, und ein Kune betrat den Saal. Peleff erkannte den Mann auf den ersten Blick. »Sieh an, Falart«, sagte er spöttisch. »Kommst du, um mich zu töten?« Falart blieb vor dem Energieschirm ste hen und sah den Valvken starr an. Seine rosa Stielaugen bewegten sich um keinen einzi gen Millimeter. »Ich habe Duuhl Larx um diese Ehre ge beten«, sagte er. »Du hast es nötig, dich bei ihm einzu schmeicheln«, spottete Peleff. »Deine Chan cen bei Hof stehen schlecht, mein Freund. Wenn es Drafgar-Kert einfallen sollte, dem Neffen ein paar kleine Geschichten zu er zählen, ist es um dich geschehen.« »Drafgar-Kert ist tot«, erklärte Falart ge lassen. »Mit ihm starben seine eifrigsten Helfer.« »Nanu? Wie kam es denn dazu?« »Ein Fremder erschien in Harrytho. Du kennst ihn. Sein Name ist Razamon. Ein sehr fähiger Mann. Er ist besser als du, Peleff, und ich war klüger als Drafgar-Kert, denn ich machte mir den Pthorer zum Freund, anstatt ihn zu verraten und zu be kämpfen.« »Dann solltest du von jetzt an deinen Kopf gut festhalten, mein Lieber. Wer die sen Pthorer zum Freund hat, der braucht gar keine Feinde mehr – er lebt auch so gefähr lich genug.« »Dein Gift wirkt nicht mehr, Valvke!« rief Falart zornig.
41 Der Kune trat blitzschnell einen Schritt vor, und die Energieblase erlosch. Die Waf fe in Falarts Hand zuckte. Aber Peleff war noch schneller. Das win zige Druckrohr, das er zwischen den zwölf Fingern seiner rechten Hand verborgen hat te, schleuderte geräuschlos eine Nadel dem selbsternannten Henker entgegen. Das Gift der Valvken wirkte blitzartig. Falart brach zusammen, noch ehe er seine Waffe hatte auslösen können. Peleff starrte den Leichnam ausdruckslos an. »Das war der erste«, murmelte er. »Duuhl Larx wird noch ein paar von dieser Sorte schicken, und am Ende wird er selbst zu mir kommen.« Fürs erste war er frei. Das Schirmfeld baute sich nicht wieder auf. Er gab sich kei nen Illusionen hin. Duuhl Larx war kein Narr. Der ganze Palast war mit Sicherheit ein einziges Gefängnis, und es gab auch kei ne Waffen mehr hier drinnen. Peleff machte es sich in einem Schalensitz gemütlich, achtete auf die Tür und wartete geduldig. Es dauerte fast eine Stunde, dann kam Tiora herein. »Ich habe es versucht«, berichtete sie be drückt. »Aber Duuhl Larx wollte diesmal nicht auf mich hören. Er hat jemanden ge funden, dessen Rat ihm mehr bedeutet.« »Razamon?« »So heißt er wohl. Man sagt, er käme aus einem fernen Land namens Pthor. Duuhl Larx vertraut ihm blind. In diesen Augen blicken macht er Razamon zu seinem Trans fusionsgebundenen.« Peleff schwieg. »Was soll ich nun tun?« fragte Tiora und drehte unsicher die Waffe, die man ihr gege ben hatte, in ihren schlanken Händen. »Ich kann dich nicht töten.« »Mach dir deswegen keine Gedanken, Tiora«, murmelte Peleff. »Es lohnt sich nicht mehr für dich.« Während er sprach, verschoß er den zweiten Giftpfeil, und Tiora war tot, noch ehe er den Satz beendet hatte. »Das wird zu auffällig«, sagte Peleff zu
42 sich selbst und betrachtete die beiden Lei chen, die den Saal verunzierten. Auf gut Glück rief er nach einem Roboter. Tatsäch lich kam eine Maschine herbeigeeilt. Aber es handelte sich um ein einfaches, nicht kampffähiges Modell. Immerhin, für die jetzt anfallende Arbeit brauchte Peleff keine seiner bewaffneten Spezialmaschinen. »Bring diese beiden Körper weg«, befahl er, und der Roboter gehorchte. Er mußte die gleiche Arbeit noch mehrmals tun. Offenbar beobachtete der Neffe alles, was in Peleffs Palast geschah. Es war typisch für den Nef fen, daß er kaltblütig einen »Henker« nach dem anderen in den Tod schickte und keinen von ihnen wenigstens vor dem Valvken warnte. Allerdings hatte Duuhl Larx auch sehr sorgfältig seine Auswahl getroffen. Bis auf Tiora handelte es sich durchweg um Un tertanen, die entweder überflüssig oder un zuverlässig waren. Duuhl Larx schlug wie der einmal mehrere Fliegen mit einer Klappe und kam sich dabei vermutlich sehr klug vor. Aber dann kam plötzlich niemand mehr in den Saal. Für ein oder zwei Stunden hielt Peleff es aus, dann sprang er wütend auf und schwebte unruhig auf und ab. Er unternahm einen Vorstoß zum Portal. Als er nahe genug herangekommen war, entstand ein Schirm feld und warf ihn zurück. Er prallte schmerzhaft gegen eine zweite energetische Wand und erkannte, daß er in einem immer enger werdenden Feld gefangen saß. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? War Duuhl Larx des grausigen Spieles müde geworden? Peleff verharrte in seinem engen Gefäng nis, starrte zur Tür und wartete ungeduldig. Wann kam Duuhl Larx? Und wenn er kam – würde er wirklich seine Sphäre verlassen und Peleff damit eine Chance geben? Ich muß ihn erwischen, dachte der Valv ke. Er ist krank und verrückt – ich frage mich, was er dem Dunklen Oheim in diesem Zustand noch nützen sollte. Abgesehen da von – sollte das alles nicht schon viel öfter geschehen sein? Bin ich wirklich der erste,
Marianne Sydow der auf eine solche Idee gekommen ist? Wa rum verbirgt sich Duuhl Larx in dieser lä cherlichen Hülle, wenn er wirklich der ist, der zu sein er vorgibt? Er tastete nach dem Druckröhrchen und zählte seine Giftpfeile. Zwanzig Schüsse hatte er noch frei. Und ob in der Hülle nun der echte Duuhl Larx steckte oder nicht – zwanzig Giftpfeile mußten selbst für den Dunklen Oheim tödlich sein. Alles kam darauf an, daß Duuhl Larx die Tarnung aufgab. Er mußte sich sicher füh len. Er wußte, daß Peleff eine Waffe besaß. Selbst bei seiner Überheblichkeit war nicht anzunehmen, daß er sich so einfach ans Messer lieferte. Peleff wartete geraume Zeit. Dann zog er verstohlen ein zweites Röhrchen aus dem Ärmel seines weiten Gewandes. Er tat, als suche er verzweifelt nach einem Geschoß. Schließlich steckte er das leere Röhrchen in den Ärmel zurück. Mehr konnte er nicht tun. Es war verzwei felt wenig. Aber der Valvke hatte ja auch nichts mehr zu verlieren. Nach etwa zwei Stunden kam ein Truge in den Raum, den Peleff nicht kannte. »Du lebst noch«, sagte dieser Truge, »aber es wird nicht mehr lange dauern. Du uhl Larx läßt dir mitteilen, daß nun er selbst deinem Leben ein Ende setzen wird.« »Warum kündigt er das extra an?« fragte Peleff gedehnt. »Es war sein Wunsch«, antwortete der Truge gleichgültig. »Und warum schickt er nicht diesen Raza mon? Es heißt doch, daß er ihm so sehr ver traut.« Der Truge antwortete nicht. Er bückte sich und hantierte am Sockel des Schirm feldprojektors herum. Die Sphäre hob samt Peleff vom Boden ab und schwebte hinter dem Trugen her, durch das Portal und über den Vorhof, und als der Valvke erkannte, wohin es diesmal ging, überlief es ihn eis kalt. Der Truge brachte ihn in den Palast des Neffen.
Pakt mit dem Bösen
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* Der Prunksaal war voller Wesen, die mit Spannung auf das Erscheinen des Neffen warteten. Meistens waren es Trugen, die hier in Harrytho die wichtigen Positionen besetz ten, aber in kleinen Gruppen waren fast alle bedeutenden Völker der Rghul-Reviers ver treten. Als Peleff hereingebracht wurde, ging ein Raunen durch die Menge. Augen richteten sich auf ihn, kalt, böse, oft auch voller Haß, denn der Valvke hatte sich keine Freunde gemacht in der langen Zeit, in der er fast wie der Neffe selbst geherrscht hatte. Da stehen sie, diese Narren, dachte Peleff. Jeder von ihnen wäre gerne so gewe sen wie ich, aber ihnen fehlte das Format. Und jetzt, wo es mich endlich erwischt hat, können sie es gar nicht erwarten, mich ster ben zu sehen. Wo bleibt Duuhl Larx? Ich ha be keine Lust, mich stundenlang so anstar ren zu lassen. Die Blicke an sich machten ihm nichts aus. Aber er hatte schon Schwierigkeiten, ein einzelnes Wesen, das nicht eine be stimmte Ausstrahlung besaß, in seiner Nähe zu ertragen. Diese Versammlung war un gleich schlimmer. Dieses Gedränge bereitete dem Valvken körperliche Qualen. Endlich dröhnte der Gong. All die Höflinge – das unfähige Pack, wie Peleff es stets bei sich nannte – verbeugten sich tief vor der leuchtenden Kugel, die gra vitätisch in den Saal schwebte. Duuhl Larx machte es spannend. Er ge noß solche Auftritte. Er verharrte in der Nä he des Tores, und obwohl man das Wesen im Innern der Wolke nicht sehen konnte, glaubten doch alle Anwesenden die abschät zenden Blicke zu spüren, mit denen der Nef fe die ganze Versammlung musterte. Schließlich schwebte er weiter, glitt lautlos zu dem funkelnden Riesenbecher und senkte sich darauf herab. Peleff ertappte sich dabei, daß er über die absurde Frage nachdachte, ob Duuhl Larx wohl im Innern der Sphäre stand, oder ob er
genug Platz hatte, um sich niederzusetzen. »Ich habe euch eine Mitteilung zu ma chen«, sagte Duuhl Larx mit dumpfer Stim me, und Peleff hatte den Eindruck, daß diese Stimme ein klein wenig anders klang als sonst. »Ich erwarte von euch«, fuhr die Stimme des Neffen fort, »daß ihr mit angemessener Trauer auf das reagieren werdet, was ihr nun zu hören bekommt.« Trauer? Was, um alles in der Welt, war da gesche hen? Seit wann sprach Duuhl Larx von Trauer? So etwas hatte es noch nie gegeben. Unter den Höflingen breitete sich Unruhe aus, sie tuschelten miteinander und waren allesamt ratlos, wie sie sich zu verhalten hätten. Noch niemals hatte der Neffe Trauer von ihnen gefordert. »Ihr alle wißt, welch große Hoffnungen ich hegte, als ich beschloß, den Pthorer Raz amon zu meinem Transfusionsgebundenen zu machen. Viele von euch haben Razamon auch schon kennengelernt. Er war erst zwei Tage bei uns, da deckte Razamon bereits ei ne der größten und schmutzigsten Ver schwörungen auf, zu denen einige meiner fehlgeleiteten Untertanen sich hinreißen lie ßen. Diese Verräter starben, ehe sie noch größeres Unheil anrichten konnten, und ich war überzeugt davon, daß Razamon es schaffen würde, zunächst Harrytho, dann aber ganz Cagendar und bald auch andere Welten des Rghul-Reviers von Verrätern zu befreien.« Der Neffe legte eine Kunstpause ein, und alles starrte auf die Sphäre, die grell und heiß strahlend in dem funkelnden Kelch ruh te. »Diese Hoffnungen sind nun zerbrochen«, fuhr der Neffe mit dumpfer Stimme fort. »Während der Transfusion kam es zu ei nem bedauerlichen Unglücksfall. Razamon ist tot.« Peleff war im ersten Moment so überrascht, daß er mit offenem Mund zu der Sphäre hinstarrte. Dann aber besann er sich und wandte seine Aufmerksamkeit den Höf
44 lingen zu. Sie saßen arg in der Klemme. Du uhl Larx hatte Trauer von ihnen gefordert, und obwohl sie darin geübt waren, jedes Ge fühl zu heucheln, das der Neffe bei ihnen vorzufinden erwartete, so war die Überra schung diesmal doch ein wenig zu drastisch ausgefallen. Razamon war tot, der Aufstei ger, der so völlig unverdient in den Genuß höchster Privilegien gekommen war, lebte nicht mehr. Sie hatten ihn alle beneidet, und so mancher hätte einen Arm und ein Bein dafür hergegeben, wenn er dem Fremdling ans Leben hätte gehen dürfen. Sie waren au ßerstande, jetzt das richtige Maß von Trauer oder auch nur Bedauern zu zeigen. Selbst den Trugen, die von Natur aus im Vorteil waren, wenn es galt, Gefühle zu verbergen, merkte man an, daß sie insgeheim trium phierten. Peleff erwartete, daß der Neffe in irgend einer Weise darauf reagierte, daß er das gan ze heuchlerische Pack wenigstens mit Wor ten strafte. Aber die Sphäre ruhte schwei gend in ihrem Kelch und wartete. Schließ lich, als die Höflinge sich ein wenig gefan gen hatten, sich auf ihre Befehle besannen und ein gedämpftes Klagen sich erhob, flackerte die gleißende Hülle noch greller auf. »Geht jetzt!« befahl der Neffe streng. »Laßt mich mit dem Verräter allein. Er soll endlich seine Strafe bekommen.« Sie überschlugen sich fast in dem Verlan gen, so schnell wie möglich aus diesem Saal herauszukommen. Ihr Rückzug durch die Gasse, die für die Dauer der Audienz in den gestaffelten Schutzschirmen entstand, glich fast schon einer Flucht. Peleff sah sie rennen und dachte, daß es an diesem Abend in ganz Harrytho ausgelassene Wesen geben würde, die wahre Freudenfeste veranstalteten. Razamon war tot, und Peleff, der Valvke, würde ihm noch in dieser Nacht folgen. Der Weg zur Macht war endlich wieder frei. Heute würden sie feiern – und morgen früh würden sie damit anfangen, sich gegenseitig die Hälse umzudrehen. Duuhl Larx mußte seine helle Freude an diesem Spiel haben.
Marianne Sydow Die Trauer um den Pthorer würde der Neffe unter diesen Umständen schnell ablegen. Und dann war der Saal leer, die Torflügel schlugen dumpf krachend aneinander, und Peleff war allein mit der Sphäre des Neffen. Der Augenblick der Rache und des Tri umphs war nahe. Er dachte an das Druckröhrchen und die zwanzig Giftpfeile und wartete darauf, daß der Neffe zu sprechen begann.
* Im ersten Augenblick dachte Razamon, daß nun die Transfusion kam. Die Roboter wickelten Schläuche um seinen Körper und stachen dünne Nadeln in seine Haut. Auf seine Fragen reagierten sie nicht. Als er sie anschrie, teilten sie ihm lediglich mit, daß er sich ruhig verhalten sollte. Die Schläuche und Leitungen machten den Berserker bewegungsunfähig. Die Ro boter senkten den umwickelten Körper in ei ne Wanne, in der sich eine seltsam riechende, ölige Flüssigkeit befand. Das Zeug stieg an Razamons Körper hinauf und überflutete seinen Kopf, aber durch einen der Schläuche erhielt er genug Luft zum Atmen, und wie er so in dem Bad lag, bekam er auch Zeit zum Nachdenken. Er sollte den Untertanen des Neffen in dessen eigener Gestalt gegenübertreten. Das hatte Duuhl Larx gesagt. Aber wie hatte er es gemeint? Razamon hatte geglaubt, man würde ihm eine ähnliche, leuchtende Hülle verpassen, und er war bereits am Spekulieren gewesen, ob es nicht längst mehrere Sphären gab, in denen ebenfalls Wesen saßen, die als die eigentlichen Vertrauten des Neffen zu be zeichnen waren. Aber war dieses Bad nötig, wenn man ihn nur mit einer Art Energieschirm versehen wollte? Er spürte die ölige Flüssigkeit, und in der Dunkelheit überkam ihn das erschreckende Gefühl, daß sein Körper sich veränderte. Seine Arme und Beine schienen dicker und
Pakt mit dem Bösen kürzer zu werden, ihm war, als dehne sein Körper sich aus und werde gleichzeitig fla cher. Er will mich umformen, dachte Razamon entsetzt. Er traute diesem Ungeheuer na mens Duuhl Larx buchstäblich jede Gemein heit zu. Er formt mich zu dem, was er selbst ist – oder war. Vielleicht ist sein eigener Körper deformiert, und er zeigt sich darum nicht mehr ohne diese Hülle. Und jetzt macht er mich zu seinem Ebenbild und prä sentiert mich seinen Untertanen als den ech ten Neffen. Er begann gegen die Schläuche zu kämp fen, aber er saß hoffnungslos fest. Seine Kräfte schwanden. Das ölige Zeug schien ihm förmlich das Mark aus den Knochen zu saugen. Es kam soweit, daß er glaubte, jeden Augenblick das Bewußtsein verlieren zu müssen. Aber kurz vor dem Zeitpunkt, an dem es soweit sein mußte, zogen ihn die Roboter aus der Wanne, legten in auf eine kalte Me tallplatte und wickelten ihn systematisch aus all den Schläuchen und Leitungen heraus. Er war so schwach, daß er sich nicht einmal aufsetzen konnte. Sie stützten ihn und führ ten ihn zu einem Drahtgestell mit den Um rissen eines menschlichen Körpers. »Steig hinein«, befahl eine der Maschi nen, und er gehorchte. Er sah ein, daß es kei nen Sinn hatte, sich den Robotern zu wider setzen, denn sie waren stärker als er. Aber er nutzte die Gelegenheit, um an sich hinabzu sehen. Er stellte fest, daß sich nichts an ihm verändert hatte und seine Beine noch die ge wohnte Länge besaßen. Das beruhigte ihn ein wenig. Das Drahtgestell war gerade groß genug, daß er hineinpaßte. Der eine Roboter schloß die Lücke, durch die Razamon gestiegen war, und der zweite hantierte an einem Ka sten, auf dessen Oberseite zahllose Hebel sa ßen. In den Drähten begann es zu summen und zu brummen, winzige, blaue Funken eil ten an den Verbindungen entlang. Und dann glühten all die Drähte plötzlich grell auf und zerfielen förmlich, bildeten tropfenähnliche
45 Klumpen, die wie lebendige Wesen aufein ander zukrochen und sich von ganz allein zu Dingen formten, die wie kleine Schaltkästen aussahen. Über alldem vergaß Razamon die beiden Roboter. Als die Klumpen aufhörten zu glü hen und auch das Summen verschwand, sah er sich nach den Maschinen um und stellte verblüfft fest, daß sie ihn allein gelassen hat ten. »Was jetzt?« fragte er ratlos in den halb dunklen Raum hinein. »Jetzt kannst du diese Geräte nehmen und deine Kleider anlegen«, sagte die dumpfe Stimme des Neffen. »Dann komm heraus zu mir.« Verwirrt gehorchte Razamon. Er verstaute die Geräte in seinen Taschen und trat durch die Tür in einen kurzen Gang hinaus. Am Ende des Korridors stand eine zweite Tür weit offen. Dahinter sah er die wabernde Sphäre des Neffen. »Komm herein!« rief Duuhl Larx. Jeder einzelne Schritt kostete Überwin dung. Wurde diese düstere, böse Ausstrah lung, die er spürte, sobald er sich dem Nef fen näherte, tatsächlich stärker? Oder wurde nur seine innere Abwehr schwächer? Er be kam es mit der Angst zu tun, denn er fürch tete, daß er genauso bösartig wie Duuhl Larx werden müsse, wenn er sich zu lange in des sen Nähe aufhielt. »Ich habe dich beobachtet«, sagte der Neffe, als Razamon vor der Sphäre stand. »Du hattest Angst. Mir schien es, als wäre dir die Anwendung magischer Techniken fremd, und das wundert mich. Soviel ich weiß, gibt es auch in Pthor Magier.« »Sie bleiben meistens in ihren Bergen«, murmelte Razamon unbehaglich. Ihm wurde plötzlich klar, daß er noch längst nicht ge wonnen hatte und daß ein einziges falsches Wort ausreichen mochte, um alles zu zerstö ren. »Schalte die Aura ein«, befahl der Neffe. Razamon sah verblüfft auf. »Wie?« fragte er. »Ganz einfach. Nimm die Geräte aus dei
46 nen Taschen. Siehst du, der blaue Kasten baut die Hülle auf. Und der rote verändert deine Stimme, damit jeder denkt, er hört mich an deiner Stelle sprechen. Nimmst du den grünen Würfel in die Hand und drückst ein wenig zu, so erweitert sich das Abwehr feld, das nicht sichtbar ist. Und mit den klei nen Knöpfen an dem blauen Kasten be stimmst du die Richtung, in die du schweben willst. Probiere es aus. Es ist ganz leicht.« Razamon zögerte noch, denn er hatte we nig Zutrauen zu den Geräten, die auf so merkwürdige Weise vor seinen eigenen Au gen entstanden waren. »Das Bad war nötig«, plauderte Duuhl Larx munter weiter, »um gewisse Kräfte in deinem Körper zu beeinflussen. Sie mußten statt nach innen nach außen wirken, damit die Aura sich deinen Bedürfnissen anpassen konnte. Das ist sehr wichtig. Sie könnte dich sonst umbringen. Bist du endlich soweit?« Razamon schluckte und hob den blauen Kasten. »Welchen Knopf muß ich berühren?« fragte er. Der Neffe kicherte. »Magie«, antwortete er trocken. »Dein Wunsch, die Aura zu aktivieren, reichte be reits. Das ist sehr gut. Die Abstimmung ist perfekt.« Erst da sah Razamon das leichte Flim mern, das ihn umgab. Er blickte nach unten und stellte fest, daß seine Füße den Boden nicht berührten. Es wunderte ihn, daß er sonst gar nichts spürte. Vorsichtig berührte er einen der Steuerknöpfe, und schon schwebte er nach oben. Für eine Minute war er völlig damit beschäftigt, die verschiede nen Funktionen der Aura zu erproben. Und für einen flüchtigen Moment tauchte in ihm der Gedanke auf, daß er vielleicht versuchen sollte, ob nicht das von Duuhl Larx erwähn te Abwehrfeld auch auf den Neffen selbst seine Wirkung ausübte. Aber er ließ wohl weislich die Finger von dem grünen Würfel, denn noch war es zu früh, um solche Experi mente zu unternehmen. »Willst du dich sehen?« fragte der Neffe
Marianne Sydow schließlich. »Ja«, sagte Razamon. »Dann paß auf.« Die eine Wand des kleinen Saales ver wandelte sich in einen riesigen Spiegel, und der Pthorer sah die Sphäre des Neffen und daneben eine völlig gleichartige Energieku gel, in der er selbst steckte. Es gab nicht den geringsten Unterschied. Nur anhand der Be wegungen, die er vollführte, und an der Po sition im Raum konnte er sich selbst in die sem Spiegel identifizieren. »Ich hoffe, du bist zufrieden.« »Ich danke dir«, murmelte Razamon me chanisch. »Dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem du deinen ersten Auftrag zu erfüllen hast. Geh hinab in den Saal und verkünde denen, die dort warten, daß Razamon, der Pthorer, während der Transfusion gestorben ist.« »Aber dazu ist es zu früh«, protestierte Razamon. »Sie werden mich sofort durch schauen. Ich spreche nicht wie du, ich werde die falschen Worte gebrauchen.« »Unsinn. Du hast mir jetzt oft genug zu gehört. Übrigens – du wirst gleich noch ein kleines Problem aus der Welt schaffen.« »Worum geht es?« »Um Peleff.« Razamon wartete. »Der Kerl lebt immer noch«, fuhr Duuhl Larx fort, und obwohl Razamon nun wußte, daß die Stimme des Neffen durch ein kleines Gerät bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wur de, spürte er den Haß, der hinter diesen Worten stand. »Er hat eine Waffe. Sieh dich also vor. Er hat mit dieser Waffe alle getötet, die ich zu ihm geschickt habe. Es ist nicht schade um diese Narren, denn sie alle waren unfähig und unzuverlässig. Bis auf Tiora, die Chronistin. Er will mich herausfordern. Er denkt, ich würde ohne die schützende Sphäre vor ihn hintreten. Weißt du, was er plant? Dieser Narr glaubt tatsächlich, es könne ihm gelingen, mich zu töten und an meiner Stelle in die Sphäre zu schlüpfen. Ich sollte – ich werde …«
Pakt mit dem Bösen Duuhl Larx' verzerrte Stimme schnappte plötzlich über. Er stieß wilde Drohungen aus, und seine Worte waren wirr und unkon trolliert. Nach etwa einer Minute fing er sich, aber nur für kurze Zeit. »Geh und töte ihn!« befahl er voller Haß, dann raste die Sphäre davon, einen schreien den, irre lachenden Duuhl Larx mit sich füh rend. Razamon wartete, bis der Neffe in der Tiefe des Palasts verschwunden war und er ihn nicht mehr hören konnte. Er schüttelte sich. Bis jetzt hatte er bei dem Neffen nur einen deutlichen Hang zum Größenwahn sinn festgestellt, aber solche Neigungen traf man bei Herrschern von der Art des Neffen regelmäßig an. Dieser letzte Auftritt dage gen bewies, daß Duuhl Larx wirklich ver rückt war. »Das kann ja noch heiter werden«, mur melte Razamon vor sich hin. »Immerhin – er dürfte für die nächsten Stunden praktisch nicht handlungsfähig sein. Das muß ich aus nutzen. Soll ich wirklich meinen eigenen Tod verkünden?« Er dachte darüber nach, während er durch den Palast schwebte und nach dem Audienz saal suchte. Unterwegs begegnete er zahllo sen Robotern, die ihm respektvoll Platz machten und sich ab und zu nach seinen Wünschen erkundigten. Er ließ sich von ei ner der Maschinen den Weg zeigen, und als er am Ziel war, wußte er, daß er zumindest diese erste Anweisung des Neffen befolgen würde. Was machte es aus, wenn er bei den Höflingen von Harrytho für tot galt. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit würde er das Gespräch wieder auf Pthor bringen, und er würde den Neffen so lange bearbei ten, bis dieser ihm die lange Reise ermög lichte. Das Portal öffnete sich, und Razamon spürte einen eiskalten Knoten in seinem Ma gen, als er die wartende Menge erblickte. Mitten in dem ganzen häßlichen Prunk saß Peleff, der Valvke, gefangen in einer durch sichtigen Energieblase. Und ich soll ihn umbringen, dachte Raza mon voller Abscheu. Töten – etwas anderes
47 fällt diesem verdammten Neffen wohl auch nicht ein. Die Meute im Saal hielt ihn für den Nef fen. Er selbst konnte alles genau sehen, und das leichte Flimmern des Feldes um ihn her um störte ihn längst nicht mehr. Aber von außen war die Aura eine flammende Hülle, undurchdringlich für die Blicke der warten den Höflinge. Er schwebte zu dem Kelch hinüber und dachte voller Ironie, daß er es weit gebracht hatte in dieser kurzen Zeit. Er hielt seine Rede und verkündete seinen eigenen Tod. Er fürchtete bei jedem einzel nen Wort, daß er zu dick auftrug, aber die Höflinge schienen in dieser Hinsicht einiges gewöhnt zu sein. Was auch immer die dumpfe Stimme aus dem Innern der Sphäre verkündete – für sie war es das Wort des Neffen und damit Gesetz. Was für eine Möglichkeit, dachte Raza mon in einem plötzlichen Anflug von Eu phorie. Ich brauche doch nur den Neffen auszuschalten, dann kann ich seine Nachfol ge antreten und dafür sorgen, daß sich hier im Rghul-Revier alles ändert. Solange ich in dieser Hülle stecke, werden sie jeden meiner Befehle ausführen! Aber da war auch noch der Dunkle Oheim, der sicher ein waches Auge auf sei ne Neffen warf. Ganz abgesehen davon, daß es offenbar so gut wie unmöglich war, an Duuhl Larx heranzukommen. Ernüchtert schickte er die Höflinge fort. Nur Peleff blieb zurück. Der Valvke starrte die Sphäre an, als hoffte er, den, der darin nen saß, mit seinen Blicken hypnotisieren zu können. Er wird mir Ärger machen, dachte Raza mon. Er traut mir nicht über den Weg, und er wird alles für eine Lüge halten. Aber ich muß es versuchen. Er ist zweifellos ein Schurke, aber im Moment ist er wehrlos. Ich bin kein Mörder, und ich habe auch nicht die Absicht, wegen dieses verrückten Neffen zu einem zu werden. Er verließ den Kelch und schwebte auf den Boden hinunter.
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»Nun zu dir, Peleff«, sagte er und schalte te die Aura aus.
* Der Valvke war völlig perplex, und was das Schönste daran war: Man sah es ihm an. Das war so ungewöhnlich, daß Razamon sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen konnte. »Bist du der Neffe?« fragte Peleff schließ lich verwirrt. »Hast du mich in dieser Ge stalt nur heimgesucht, um mich zu vernich ten?« »Du redest Unsinn, mein Freund«, be merkte Razamon voller Spott. »Hältst du dich wirklich für so wichtig, daß Duuhl Larx deinetwegen seine Tarnung aufgeben wür de? Ich bin ein Pthorer, der durch irgendei nen dummen Zufall in diese Ecke des Uni versums verschlagen wurde, nichts weiter.« »Aber die Aura …« »Eine technische Spielerei, Peleff, weiter nichts. Er könnte Dutzende davon erzeugen, wenn er wollte, und vielleicht hat er das auch schon längst getan.« »Dann weißt du also auch nicht genau, ob er wirklich in der Sphäre sitzt, in der er sich uns allen zu zeigen pflegt?« »Nein, ich bin mir absolut nicht sicher.« »Ich hatte gehofft, ihn wenigstens vor meinem Tode einmal zu sehen.« Razamon lachte. »Gib es auf, Peleff«, empfahl er spöttisch. »Duuhl Larx hat dich längst durchschaut. Er kennt deinen Plan, und er hat mich vor dir gewarnt. Ich weiß, daß du eine Waffe hast. Du hofftest, den Neffen damit töten zu können. Dann wolltest du seinen Platz ein nehmen.« »Du mußt zugeben, daß der Plan gut war.« »Du machst dir Illusionen. Das paßt nicht zu dir. Du hattest nie eine Chance. Gegen Duuhl Larx kommst du nicht an. Er muß mit dem Teufel im Bunde sein.« »Wenn er dir jetzt zuhört, wirst du mir bald ins Jenseits folgen«, meinte Peleff ge-
hässig. »Ich freue mich schon darauf, es dir dann endlich heimzahlen zu können.« »Sei nicht albern. Glaubst du, ich würde ein solches Risiko eingehen? Duuhl Larx hat einen Anfall. Er fällt für mindestens zwei Stunden aus. Bis er wieder klar denken kann, muß ich dich von hier weggeschafft haben.« »Warum denn das? Er wird sich freuen, wenn du ihm meine Leiche präsentierst.« »Ich habe nicht die Absicht, dich zu tö ten.« Peleff starrte den Pthorer ausdruckslos an. »Du lügst«, sagte er schließlich sehr unru hig. »Du willst mich dazu verleiten, daß ich dir vertraue und die Waffe wegwerfe. Aber da bist du an den Falschen geraten. Du kannst mir nichts anhaben, solange das Schirmfeld besteht. Und wenn du es öffnest – meine Waffe wirkt absolut tödlich. Es tut mir nur leid, daß es so schnell gehen wird. Ich hätte mir für dich einen etwas langsame ren Tod gewünscht.« »Bleiben wir doch realistisch«, schlug Razamon vor. »Ich habe die Aura, und sie verfügt über ein Abwehrfeld, das sich belie big weit ausdehnen läßt. Es durchdringt auch dein Schirmfeld. Ich kann dich also umbringen, ohne mich auch nur im gering sten in Gefahr zu begeben.« Er wußte nicht, ob das stimmte, aber Peleffs Reaktion bewies ihm, daß der Schuß ins Schwarze ging. Wahrscheinlich hatten einige von denen, die das Rätsel der Aura lösen wollten, Schutz in solchen Energiebla sen gesucht. Peleff mußte über alle derarti gen Unternehmen unterrichtet sein. Er wußte also am besten, wie groß die Wirkung des Abwehrfeldes war. »Übrigens liegt da auch die Lösung unse res gemeinsamen Problems«, bemerkte Raz amon sanft. »Ich werde Duuhl Larx erklä ren, daß mir keine andere Wahl blieb, als dich durch das Abwehrfeld zu vernichten. Daraufhin bist du zu Staub zerfallen. Er wird nicht nach der Leiche fragen.« »So etwas dauert länger als zwei Stun den.«
Pakt mit dem Bösen »Die Dauer muß verschieden sein, je nachdem, welche Art von Körper betroffen ist. Und wie viele Valvken hat Duuhl Larx wohl schon auf diese Weise erledigt?« »Keinen, soviel ich weiß«, murmelte Peleff erstaunt. »Entweder bist du der ge schickteste Lügner, der mir jemals über den Weg gelaufen ist, oder du meinst es tatsäch lich ehrlich!« »Du kannst es dir aussuchen. Aber überle ge nicht zu lange. Wir haben nicht viel Zeit.« »Was hast du überhaupt vor?« »Ich will ein Geschäft mit dir machen. Ich habe gewisse Pläne, und wenn ich Erfolg ha ben will, muß ich zuerst den Neffen von meiner Zuverlässigkeit überzeugen. Du kennst dich hier in Harrytho aus, und ich möchte wetten, daß du über alle Intrigen Be scheid weißt. Du gibst mir die nötigen Infor mationen, und dafür schenke ich dir das Le ben.« »Das ist nicht viel wert, wenn ich schon nach wenigen Minuten wieder eingefangen werde.« »Wir werden eine Möglichkeit finden, dich zu maskieren. Ich habe da sogar schon eine Idee. Es gibt Roboter, deren Leibesfülle die deine sogar noch übertrifft. Und ich habe die Absicht, mir ebenfalls eine Tarnung zu zulegen, damit ich nicht ständig in dieser Aura herumgeistern muß. Es sollte mir leichtfallen, Duuhl Larx einen Roboter für meine persönlichen Zwecke abzuschwatzen. Auf diese Weise kann ich dich nach Vemed bringen. Ich werde dir sogar bei der Suche nach einem passenden Schiff behilflich sein. Alles andere mußt du allerdings selbst erle digen.« »Wer sagt dir, daß ich nicht umkehren und dich verraten werde?« »Du bist nicht dumm genug, um dein Le ben so leichtfertig wegzuwerfen. Bis es so weit ist, werde ich mir mit Hilfe deiner In formationen einen so festen Stand verschafft haben, daß ich lange vor dem Neffen von deinen Plänen informiert sein werde. Und ein zweites Mal werde ich dich nicht laufen
49 lassen.« Peleff zögerte immer noch. Aber dann öffnete er die Hand und ließ ein kleines Rohr fallen. »Das ist nicht alles, Peleff«, sagte Raza mon hart. »Wirf das zweite Rohr auch weg und die Geschosse dazu.« Peleff fiel auf den Bluff herein. Er trennte sich von seinen Waffen, und Razamon, der inzwischen Gelegenheit gefunden hatte, all seine Turmzimmer gründlich zu durchsu chen, führte den Valvken nach oben, wobei er einen großen Bogen um alle Roboter machte. Zwei Stunden später, als er die Geheim nisse von Harrytho gründlich genug kannte, um seine Aufgabe zu erfüllen, lachte Peleff plötzlich laut auf. »Das hätte ich nicht gedacht«, sagte er. »Allmählich wirst du mir beinahe sympa thisch. Darum will ich dir etwas verraten. Du brauchst den Trick mit der Robotermas ke nicht durchzuführen. Ich habe auch so ge nug Möglichkeiten, um von hier wegzukom men.« »Wie willst du es anstellen?« »Das«, sagte Peleff, »verrate ich dir nicht – wenigstens nicht jetzt. Ich kenne Duuhl Larx nämlich etwas besser als du und weiß, wie er oft auch hinter die größten Geheim nisse kommt. Geh in ein oder zwei Tagen in den Palast, den ich bewohnt habe. Und dann denke an das Siegel in der PELEFFS RA CHE. Alles, was du findest, steht dir zur Verfügung. Ich werde es nicht mehr brau chen. So, und jetzt werde ich mich besser von hier entfernen. Die Anfälle des Neffen dauern normalerweise nicht unter vier Stun den. Mir bleibt gerade noch genug Zeit.« Razamon sah den Valvken gehen, und er fragte sich, ob er nicht einen Fehler began gen hatte. Wie wollte Peleff überhaupt aus dem Palast kommen? Aber es gab keinen Alarm, und als Raza mon unauffällig um den Palast des Valvken herumschwebte, war Peleff längst unterwegs in die Stadt der Trugen. In den nächsten Tagen deckte er eine Rei
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he von Verschwörungen auf, überführte Leute, die in die eigene Tasche wirtschafte ten, und wurde sich der Gunst des Neffen immer sicherer. Der Neffe wünschte sich oft mit dem Pthorer zu unterhalten, und jedesmal brachte Razamon geschickt die Sprache auf Pthor. Das große Ziel, das er sich gesetzt hatte, be fähigte ihn dazu, diese Unterhaltungen durchzustehen. Duuhl Larx fragte immer wieder nach dem dunklen Raum, an den Razamon sich nicht recht erinnern konnte, und ihn quälte offenbar die Frage, wie und warum es den Berserker ausgerechnet zum Planeten Ximmerrähne – und damit ins Rghul-Revier – verschlagen hatte. Und Raz amon, der sicher war, in diesem Punkt keine Geheimnisse verraten zu können, beantwor tete alle diesbezüglichen Fragen mit uner schütterlicher Offenheit. Steter Tropfen höhlt den Stein – eines Ta ges erlag Duuhl Larx der vielversprechen-
den Idee, die Razamon ihm mit so viel Aus dauer eingeflüstert hatte. »Es gäbe keinen besseren Spion als dich«, sagte der Neffe. »Du bist ein Pthorer und kannst dich in dem Land unter dem Wölb mantel völlig unauffällig bewegen. Und du bist sehr klug – es wird dir leichtfallen, einen Narren wie Chirmor Flog zu täuschen. Ja, ich glaube, ich werde es tun. Ich werde dich ins Marantroner-Revier schicken. Und du wirst für mich herausfinden, wie wir auf das Land Pthor so einwirken können, daß Chirmor Flog als das dasteht, was er schließ lich ist – als ein absoluter Versager. Wirst du fliegen, wenn ich es dir befehle?« »Es ist ein großes Risiko«, sagte Raza mon und verbarg sorgfältig die wilde Freu de, die ihn erfüllte. »Aber für dich, mein Herrscher, werde ich es tun.«
ENDE
Weiter geht es in Atlan Band 421 von König von Atlantis mit: Symbiose der Verdammten von Detlev G. Winter