Michaela Pfadenhauer Organisieren
Michaela Pfadenhauer
Organisieren Eine Fallstudie zum Erhandeln von Events
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Michaela Pfadenhauer Organisieren
Michaela Pfadenhauer
Organisieren Eine Fallstudie zum Erhandeln von Events
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15739-9
Für Helmut und Ronald
Vorwort
Struktur und Prozess sind zwei Dimensionen, innerhalb derer ‚Organisieren’ herkömmlicherweise aufgespannt wird. Einerseits lässt sich die – in der Regel in Organigrammen visualisierte Struktur – beschreiben, die zur Herstellung eines Produkts geschaffen wird. Andererseits lassen sich etappenweise die Arbeitsverrichtungen beschreiben, die parallel oder sukzessive bis zu seiner Fertigstellung und seinem Vertrieb an diesem Produkt vorgenommen werden müssen. In der Organisationswissenschaft wird diesbezüglich zwischen Aufbauorganisation (Struktur) und Ablauforganisation (Prozess) unterschieden. Die dabei – häufig als Schemata präsentierten – Idealversionen organisationeller Aufbauten und Abläufe enthalten nur sehr begrenzt dienliche Anhaltspunkte für die Beschreibung des hier interessierenden Themas: das Organisieren eines Events. Denn zum einen kann ein Event höchstens im metaphorischen Sinne als ein Produkt bezeichnet werden. Schon eher lässt es sich als eine Dienstleistung, im Sinne einer Leistung, die für andere erbracht wird, begreifen. Wer aber sind diese ‚anderen’, für welche die Leistung erbracht wird? Während Initiatoren bzw. Veranstalter von Events damit vielleicht (auch) die Event-Teilnehmer, mindestens ebenso wahrscheinlich aber auch die Medien und eine (Medien-) Öffentlichkeit im Blick haben, sind sie es selber, für die aus Sicht von Organisatoren die Dienstleistung ‚Organisieren’ erbracht wird. Ein Event ist häufig eine Unternehmung, die durch Einmaligkeit gekennzeichnet ist: zum einen, was den Erlebniswert, zum anderen (für das vorliegende Buch wesentlicher) was die Organisation angeht, die – und zwar Struktur ebenso wie Prozess – nicht auf Dauer, sondern befristet bzw. auf einen bestimmten Zeitpunkt hin angelegt ist. Derlei singuläre Unterfangen, die von einer lediglich temporär angelegten Organisation getragen sind, werden in der Literatur als „Projekte“, und der diese hervorbringende und begleitende Vorgang wird als „Projektorganisation“ bezeichnet. Projektorganisation bedeutet der zwischenzeitlich umfangreichen Literatur zu diesem Thema zufolge, Ziele zu definieren, diese in Aufgaben zu transformieren und hierfür Zuständigkeiten zu verteilen, wobei für eine effektive Kooperation zwischen den konstituierten Kompetenzbereichen ein stetiger Informationsfluss sicherzustellen sei. Nicht nur die anstehenden Arbeit, sondern auch ihre geordnete Erledigung ist demnach zu planen und
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Vorwort
zu steuern, wobei für eine effektive Koordination eine permanente Kontrolle der Leistungserbringung nach Benchmarks und Milestones sicherzustellen ist. Soziologisch wirken auch diese Darstellungen, die in der Regel dem „Idealdurchlauf“ (Burghardt 2002: 5): eines Projektes folgen, allzu technisch und merkwürdig ‚blutleer’. Dies nicht nur deshalb, weil sie sich wie Entwürfe auf dem Reißbrett lesen, die weit mehr dem normativen „So soll es sein“ als dem faktischen „So ist es“ geschuldet sind. Die Darstellungen erfolgen überdies in der Regel von einer bestimmten Warte aus, nämlich ‚von außen’ mit Blick auf den Projektinitiator, Projektverantwortlichen oder Projektleiter, dem Empfehlungen für eine effektive Projektorganisation an die Hand gegeben werden sollen. Damit fehlt jedoch die Perspektive der an der Projektorganisation Beteiligten, ganz gleich, ob sie entwerfend, planend, steuernd, kontrollierend oder ob sie ausführend und umsetzend in die Vorgänge des Organisierens involviert sind. Kurz: es fehlt der Blick mit den Augen der involvierten Akteure. Aber nur dann, wenn ‚Organisieren’ aus der Sicht der daran beteiligten Akteure mit ihren typischen Motiven, Interessen und Relevanzen beschrieben wird, kann die Beschreibung des Organisierens mehr als einen Empfehlungsanspruch erheben. Aus diesem Grund wird Organisieren in diesem Buch dezidiert aus Organisatorensicht beschrieben. Dabei werden folgende Fragen gestellt: Was geht dem Organisieren voraus und präjudiziert für die Organisatoren erfahrbar das weitere Procedere (Kapitel 1)? In welche Strukturen werden die am Organisieren beteiligten Akteuren eingebunden und wie transformieren sie diese mikropolitisch (Kapitel 2)? Welche Ziele und Zwecke sind für sie handlungsleitend und wie verhalten sich diese zu ‚von außen’ und ‚höher’ gesteckten Zielen (Kapitel 3)? Wie gestalten die als ‚Organisatoren’ identifizierten Akteure das Organisieren im Vollzug, welche Formen der Zusammenarbeit prägen sie aus (Kapitel 4)? Und schließlich: Welche Art von Handeln ist ‚Organisieren’ und was kennzeichnet kompetentes organisierendes Handeln (Kapitel 5)? Die Klärung dieser Fragen erfolgt im vorliegenden Buch unter Betrachtung eines konkreten empirischen Beispiels: dem XX. Weltjugendtag 2005 in Köln. Eine empirische Arbeit wie diese lässt sich immer nur dann realisieren, wenn sich das zur Untersuchung anstehende ‚Feld’ hierfür zugänglich erweist. Deshalb ist den Verantwortlichen für diesen ‚deutschen’ Weltjugendtag zu danken, dass sie uns einen Zugang zur Organisationszentrale, dem „Weltjugendtagsbüro“ in der Kölner Gereonstrasse eröffnet haben. Zu danken ist vor allem aber den vielen in und außerhalb des Weltjugendtagsbüros tätigen Organisatoren, die uns Einblicke in ihre Arbeit gewährt haben. Dank gebührt überdies den Gutachtern für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die befürwortet haben, dass die zugrunde liegende Forschung im Rahmen eines Verbundprojekts zum Thema „Situative Vergemeinschaftung mittels Hyb-
Vorwort
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rid-Events: der XX. Weltjugendtag 2005 in Köln“ fünfzehn Monate lang gefördert wurde. Parallel zu unserer an der Universität Dortmund angesiedelten Untersuchung der Perspektive der Organisatoren auf dieses von der katholischen Kirche veranstalteten Events haben Kollegen an den Universitäten Koblenz und Trier die Perspektive der Teilnehmer und Kollegen an der Universität Bremen die Mediatisierungsperspektive untersucht. Erste Erträge des Paketprojekts sind unter der Kollektiv-Autorschaft „Forschungskonsortium WJT“ und dem Titel „Megaparty Glaubensfest“ im September 2007 beim Verlag für Sozialwissenschaften (VS) in Wiesbaden in der Reihe „Erlebniswelten“ erschienen. In der nunmehr vorliegenden zweiten Publikation werden die durch die ethnographische Erkundung des Organisierens des XX. Weltjugendtags 2005 gewonnenen Einsichten theoretisch fundiert und im Hinblick auf ihren Ertrag für Organisieren schlechthin generalisiert. Die hiermit vorgelegte Monographie ist deshalb weit weniger als das bereits erschienene Buch an Interessenten des Weltjugendtags als vielmehr an eine grundlegend an Vorgängen des Organisierens interessierte sozialwissenschaftliche (Fach-)Leserschaft adressiert. Das vorliegende Buch sollte ursprünglich als schriftliche Habilitationsleistung bei der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Dortmund eingereicht werden. Prof. Dr. Hartmut Neuendorff (Soziologie) und Prof. Dr. Hartmut Holzmüller (Marketing) haben nicht nur die Entstehung der Arbeit wohlwollend begleitet, sondern hatten sich dankenswerter Weise auch bereit erklärt, als Gutachter zu fungieren. Da mit meiner Berufung auf eine Professur an der Universität Karlsruhe (TH) der formale Akt der Habilitation nach Auffassung meiner damaligen Fakultät jedoch hinfällig geworden ist, lege ich diese Schrift hiermit nun der Fach-Öffentlichkeit zur kritischen ‚Begutachtung’ vor.
Karlsruhe, 31. Mai 2008
Michaela Pfadenhauer
Inhaltsverzeichnis
Vorwort..................................................................................................................7 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ............................................................. 15 Einleitung............................................................................................................ 17 1
Vorläufe des Organisierens....................................................................... 29 1.1 Wissensmanagement: Transfer des organisationsspezifischen Wissens.............................................................................................. 29 1.2 Präjudizierung: Die Festlegung des Veranstaltungsorts.................... 32 1.3 Kompetenzschneidung: Die Verteilung von Zuständigkeiten .......... 36
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Strukturen des Organisierens................................................................... 45 2.1 Die Steuerung des Organisierens ‚von oben’ .................................... 47 2.2 ‚Quer’-Vernetzung ............................................................................ 54 2.3 Politik ‚von unten’............................................................................. 57 2.3.1 Kompetenzmarkierung.......................................................................... 58 2.3.2 Strukturelle Feinjustierung.................................................................... 59 2.3.3 Maßnahmen zur Gesichtswahrung........................................................ 62 2.4 Die ‚Logik’ der Struktur.................................................................... 65 2.4.1 Die temporäre Anlage der Organisationsstruktur................................. 65 2.4.2 Die hierarchische Anlage der Entscheidungsabläufe ........................... 67
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Ziele des Organisierens ............................................................................. 71 3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs ...................................................................................... 73 3.1.1 Die Konzentrierung des Adressatenkreises .......................................... 74 3.1.2 Die Kontextsensibilisierung der Finanzierung ..................................... 77 3.1.3 Die Personalrekrutierung nach Doppelqualitäten................................. 79 3.1.4 Die Öffentlichkeitsorientierung der Inszenierung ................................ 82 3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens ............................... 98 3.2.1 Die ‚Marktlage’ des Veranstalters ........................................................ 98 3.2.2 Marketing-Event und Szene-Event als differente Event-Typen ........ 100
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Inhaltsverzeichnis
3.2.3 Die Marketingäquivalenz organisatorischer Maßnahmen.................. 107 3.2.4 Die marktlagengerechte Gestaltung des Events ................................. 109 3.3 Übergeordnete Ziele des Organisierens oder: Der höhere Sinn des Events ........................................................................................ 116 3.3.1 Die Marke erleben ............................................................................... 117 3.3.2 Die Markengemeinschaft erfahren...................................................... 119 3.4 Analyse der übergeordneten Ziele des Organisierens ..................... 120 3.4.1 Das Spiritualitätspotential des Events................................................. 121 3.4.2 Das Vergemeinschaftungspotential des Events.................................. 127 3.5 Die Relevanz des höheren Sinns eines Events für dessen Organisatoren .................................................................................. 131 4
Vollzüge des Organisierens..................................................................... 137 Methodischer Exkurs ..................................................................................... 138 4.1 Kooperieren: Die bürointerne und -externe Zusammenarbeit......... 140 4.1.1 Divergente Formen bürointerner Kooperation ................................... 141 4.1.2 Divergente Formen des Kooperierens mit externen Partnern ............ 147 4.2 Aushandeln: Verhandlungen mit Verwaltungsstellen und Staatsorganen................................................................................... 151 4.3 Kanalisieren: Die Brückenbildung zu den kirchlichen Ebenen ...... 156 4.3.1 Der Kontakt zu den Diözesen ............................................................. 156 4.3.2 Die Indienstnahme der Pfarrgemeinden des Kölner Erzbistums ....... 159 4.3.3 Die Kanalisierung der Freiwilligen-Kommunikation......................... 162 4.3.4 Die Stufen des Kanalisationssystems.................................................. 170 4.4 Integrieren: Die Einbindung in die Veranstaltungsleitung.............. 171 4.5 Der Prozess des Organisierens ........................................................ 177 4.5.1 Organisieren als interaktiver Vorgang ................................................ 177 4.5.2 Die Trajektförmigkeit des Organisierens............................................ 181
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Voraussetzungen des Organisierens ...................................................... 187 5.1 Organisieren – der Bedeutungswandel eines Begriffs .................... 188 5.2 Organisieren als spezifischer Handlungstypus................................ 192 5.2.1 Organisieren am Beispiel des Bauprojekts Marienfeld...................... 194 5.2.2 Der Stellenwert des Planens im (organisierenden) Handeln.............. 198 5.2.3 Organisierendes Handeln als „Handeln bewirkendes Handeln“........ 203 5.3 Kompetentes Organisieren .............................................................. 206 5.3.1 Ansätze zur Kompetenzbestimmung .................................................. 207 5.3.2 Organisationskompetenz im Projektmanagement .............................. 218 5.3.3 Dimensionen der Kompetenz zum Organisieren................................ 221
Inhaltsverzeichnis
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Schluss....................................................................................................... 225
Literatur ........................................................................................................... 235 Anhang.............................................................................................................. 255 1. Methodische Bemerkungen ..................................................................... 255 1.1 Feldzugang................................................................................................... 257 1.2 Datenerhebung und Methoden .................................................................... 257 1.3 Datenauswertung ......................................................................................... 261 2. Datenverzeichnis ..................................................................................... 262 2.1 Organisatorische Vorbereitung................................................................ 263 2.2 Organisatorische Umsetzung................................................................... 265 2.3 Organisatorische Nachbereitung ............................................................ 270 2.4 Projektstudium Freiwillige ...................................................................... 271
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Offizielles Organigramm (Quelle: www.wjt2005.de)................ 37 Abbildung 2: Organisationsstruktur zur Vorbereitung der ‚Tage der Begegnung’ im Bistum Essen (Quelle: Bistum Essen) .............. 42 Abbildung 3: Einbindung des Weltjugendtagsbüros in die Strukturen der Katholischen Kirche (Quelle: www.wjt2005.de) ....................... 47 Abbildung 4: Bürointern ausgebildete Struktur zur Erstellung des Jugendfestival-Programms (eigene Darstellung) ....................... 57 Abbildung 5: Mikropolitisch ausgehandelte Organisationsstruktur (Quelle: eigene Darstellung)....................................................... 60 Abbildung 6: Behauptete Logik des Kommunikationskonzepts (Quelle: eigene Darstellung)....................................................... 89 Abbildung 7: Das Marketing-Event Weltjugendtag (Quelle: eigene Darstellung)..................................................... 110 Abbildung 8: Bürointern entwickelte Aufbauorganisation der Freiwilligen (Quelle: Weltjugendtagsbüro).............................. 164 Abbildung 9: Bürointern entwickelte Einsatzstruktur für die Zeit des Events (Quelle: Weltjugendtagsbüro) ...................................... 176
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3:
Zentrale Weltjugendtage und ihre Teilnehmerzahl .................... 35 Kosten und Finanzierung des Weltjugendtags (Quelle: kna 4.5.06; eigene Darstellung).................................... 78 Merkmale des Marketing- und Szene-Events (Quelle: eigene Darstellung)..................................................... 106
Einleitung
Das Organisieren des XX. Weltjugendtags 2005, der vom 15.-21. August 2005 in Köln (und vorab als „Tage der Begegnung“ vom 11.-15. August 2005 in den Diözesen Deutschlands) stattgefunden hat, hat über drei Jahre Zeit in Anspruch genommen. Das, was dabei mit einem kaum vorstellbar großen Aufwand an Zeit, Zuwendung und Energie bewerkstelligt worden ist, war ein Event – darüber besteht unter den Organisatoren (ebenso wie unter den Teilnehmern, Medienleuten und wissenschaftlichen Beobachtern) kein Zweifel. Aber nicht nur, weil „Eventisierung“ in Kirchenkreisen kein eindeutig positiv besetzter Trend ist, legen Hauptverantwortliche Wert darauf zu betonen, dass es sich bei dieser Veranstaltung bzw. beim Weltjugendtag generell, der seit nunmehr zwanzig Jahren an verschiedenen Orten rund um den Globus ausgerichtet wird, um „mehr als ein Event“ (Koch 2004) handelt. Aus Sicht des Veranstalters, d.h. aus Sicht der Katholischen1 Kirche, soll der Weltjugendtag tatsächlich (zumindest) zweierlei sein: es soll ein Fest sein, und zwar ein „Fest des Glaubens“ – in der ‚Gestalt’, die Feste heute haben (müssen), wenn Menschen unter hoher Medienaufmerksamkeit massenhaft zusammenströmen, sich involvieren und situativ Gemeinschaft erfahren können (sollen): in Gestalt eben eines Events. Und zugleich soll es ein „geistliches Ereignis“ sein, eine Wallfahrt bzw. ein Pilgerweg, mit einigen großen und vielen kleinen liturgischen Feiern und geistlichen Unterweisungen. Analytisch betrachtet erweist sich der Weltjugendtag denn auch als eine Verbindung von juvenilem Freizeitvergnügen mit einer Palette klerikalreligiöser Einzelveranstaltungen und einer Papstmessen-Massengemeinschaft als Klimax. Weil dabei Elemente modernistischer Eventformen, wie sie etwa für jugendkulturelle Szene-Events typisch sind, mit Elementen traditionalistischer Feierformen, z.B. der liturgischen Feier verbunden bzw. verschränkt werden, haben wir es mit einer Mischform zu tun, die wir2 als „Hybrid-Event“ zu bezeichnen vorschlagen (vgl. Forschungskonsortium WJT 2007). 1 2
Der Einfachheit halber wird im Folgenden häufig nur noch von der Katholischen Kirche die Rede sein. Gemeint ist damit immer die Römisch-Katholische Kirche des lateinischen Ritus. Wenn hier und im Folgenden von „wir“ oder von „uns“ die Rede ist, dann soll damit angezeigt werden, dass die Überlegungen, Einsichten und Analyseerträge in Gemeinschaft angestellt und gewonnen wurden, wobei das ‚Wir’ zum einen die Mitglieder des Forschungskonsortiums WJT
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Einleitung
Das hybride Event ‚Weltjugendtag 2005’ hat die fast unübersehbar Vielen, die es planen, vorbereiten, durchführen und nachbereiten, d.h.: die es organisieren mussten, vor gravierende Herausforderungen gestellt. Jede Veranstaltung, die durch eine lange Zeitspanne (11.-21.8.05), durch eine große räumliche Ausdehnung des Veranstaltungsorts (Großraum Köln-Bonn-Düsseldorf) und eine hohe Teilnehmerzahl (eine halbe bis eine Million Menschen) gekennzeichnet ist, stellt eine besondere Herausforderung für ihre Organisatoren dar. Durch die unterschiedlich gestaltete Einbindung zahlreicher, in verschiedenerlei Hinsicht divergenter Akteure und Akteursgruppen ist die Komplexität dieser Veranstaltung gegenüber vergleichbaren Events diesen Ausmaßes (wie Olympiaden, Weltmeisterschaften etc.) deutlich gesteigert. Ihre intendierte Doppelgestalt als „Megaparty Glaubensfest“3, d.h. als ein Ereignis, bei dem die beiden Aktivitätsformen ‚Beten’ und ‚Feiern’ gleichermaßen zu ihrem Recht kommen sollen, impliziert überdies eine zweiwertige, d.h. ambivalente Zielsetzung, mit der die Organisation zwangsläufig zu einem Balanceakt gerät.4 Die Bewältigung dieser Herausforderungen – im Verstande des Erfahrens ebenso wie des Bearbeitens – ist Thema dieses Buches. Damit wird – entgegen der gerade in der Organisationssoziologie dominierenden systemischen Blickweise – dezidiert eine sinnverstehend-handlungstheoretische Perspektive eingenommen. In systemtheoretisch orientierten Ansätzen dominiert derzeit das der Biologie entliehene und radikal mit der Vorstellung des Organisators brechende Konzept der ‚Selbstorganisation’, dessen Vorteil laut Luhmann (2000: 255) gerade darin besteht, dass man „keine vorherige Kalkulation und keinen verantwortlichen Autor“ [braucht]. Uwe Schimank (2002: 42) hat dieses Verständnis als „Fiktion akteurloser Sozialität“ bezeichnet. Mit dieser systemischen Perspektive und damit der Betonung von Aspekten wie Selbsterhaltung und Selbststeuerung von formalen Organisationen, welche in dieser Tradition zu Sozialen Systemen stilisiert wurden, die sich durch eine relative
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und zum anderen die Interpretationsgruppe des Projektstudiums „Prozesse der EventOrganisation“ (WS 2005/06 bis SS 2007) an der Technischen Universität Dortmund umfasst. Unter dem Titel „Megaparty Glaubensfest“ erschien im Herbst 2007 ebenfalls im Verlag für Sozialwissenschaften eine gemeinsame Publikation des „Forschungskonsortiums WJT“, dem die Antragsteller und Mitarbeiter des von der DFG geförderten Forschungsprojekts „Situative Vergemeinschaftung mittels Hybrid-Events: der XX. Weltjugendtag 2005 in Köln“ angehören. Sie versammelt erste Ergebnisse aus drei unter diesem Dach vereinten Teilprojekten, in denen dieses Hybrid-Event aus der Teilnehmerperspektive (Teilprojekt an den Universitäten Koblenz und Trier), die Organisatorenperspektive (Teilprojekt an der Universität Dortmund) und die Mediatisierungsperspektive (Teilprojekt an der Universität Bremen) analysiert worden ist. Aus der Sicht der jugendlichen Teilnehmer hat der Weltjugendtag nicht nur Gelegenheiten für beides, also die sukzessive Vereinbarkeit von ‚Feiern’ und ‚Beten’ geboten, sondern er hat eine Synthese von beidem, d.h. die Erfahrung von ‚Gottesdienst’ als ‚Party’ ermöglicht. Gerade dies machte diesen bzw. macht den Weltjugendtag generell für die Teilnehmer zu einem außergewöhnlichen, ja außeralltäglichen Ereignis (vgl. Gebhardt 2007: 73).
Einleitung
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Invarianz ihrer Grenzen gegenüber einer Umwelt auszeichnen sollen, ist der Mensch als Akteur allgemein, als organisierender Akteur im besonderen zunehmend aus dem analytischen Blick von Soziologen entschwunden. Demgegenüber teile ich die Ansicht Edmund Husserls, dass einer Wissenschaft, die nicht in der menschlichen Welterfahrung, in der Lebenswelt, gründet, ein angemessenes methodologisches Selbstverständnis fehlt. Auf der Basis dieser – im Unterschied nicht nur zu systemtheoretischen, sondern auch zu erklärend-handlungstheoretischen Ansätzen – an der subjektiven Sinnsetzung als Ursprung allen Sozialen festhaltenden Grundeinstellung gilt das Interesse dem Handlungsproblem des Organisierens: Was geht dem Organisieren voraus? In welchen Strukturen vollzieht sich organisierendes Handeln? Welche (Arten von) Ziele(n) liegen organisierendem Handeln zugrunde? Wie gestaltet sich Organisieren im Vollzug? Was kennzeichnet organisierendes Handeln schlechthin? Worin erweist sich die Kompetenz zum Organisieren? Diesen Fragen soll empirisch am Beispiel der Organisation des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln nachgegangen werden. Jenseits dessen, dass sich die hier auffindbaren Strukturen und Prozesse des Organisierens hinsichtlich der Verallgemeinerbarkeit ihrer ‚Logik’ beleuchten lassen, eignet sich der Gegenstand angesichts seiner Komplexität vortrefflich zur Analyse des Phänomens der Organisationskompetenz und damit auch zur Klärung der Frage nach der Organisierbarkeit bzw. Steuerbarkeit derlei komplexer Vorhaben. ‚Organisieren’ ist in der Soziologie kein prominentes Thema (vgl. dazu aber Kapitel 5.1). In der Organisationslehre hat der Begriff ‚Organisation’ eine Doppelbedeutung: der prozessuale, bewusst-gestaltende und freie Charakter menschlichen Handelns und eine diesemHandeln voraus liegende, einschränkende und bestimmende Struktur (vgl. Türk u.a. 2002: 147). Dabei ist der Begriff ‚Organisieren’ prozessbezogen zu verstehen: „Er bezeichnet eine Herstellungspraxis und beantwortet die Frage, wie eine solche Ordnung hergestellt wird“ (Schreyögg 2003: 13). Analog dazu formulieren Franz-Xaver Bea und Elisabeth Göbel (2002: 2) einen tätigkeitsorientierten Organisationsbegriff, wonach ‚Organisation’ als zielorientierte Tätigkeit zu begreifen sei. ‚Organisation’ als Tätigkeit meint demnach den „Prozess der Entstehung von Ordnung“, welcher von Organisatoren durchgeführt wird. Dabei unterscheiden die Autoren (Bea/Göbel 2002: 9) zwei divergente Aufgaben des Organisators und damit zwei unterschiedliche Auffassungen von Organisieren: Organisieren als „Strukturtechnik“ meint das Herstellen einer Struktur durch Aufgabenbildung, Aufgabenverteilung und Koordination zur möglichst wirtschaftlichen Erfüllung von Sachaufgaben.5 ‚Organisieren’ als 5
Analog dazu versteht Deckert (1999: 202) unter Organisieren „das zielorientierte dauerhafte Strukturieren“. Dabei unterscheidet er folgende Schritte vom Ziel zum Ergebnis: 1. Ziel: Abgrenzung des Problems und Festlegung des gewünschten Zustandes IST2, d.h. welches Ergeb-
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Einleitung
„Managementaufgabe“ meint demgegenüber die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung sozialer Systeme durch Motivation, Steuerung und Disziplinierung der Organisationsmitglieder bzw. der in einen Organisationsprozess involvierten Akteure. In der Betriebswirtschaftslehre wird ‚Organisieren’ also vor allem unter Stichworten wie Management, Planung, Steuerung, Controlling etc. behandelt. Ansatzpunkte für Fragen des Organisierens liefert jene Literatur, die sich genuin mit Events befasst. Allerdings bietet die eigentlich einschlägige Literatur zum Eventmanagement fast ausschließlich „how-to-do-Konzepte“, mit denen lediglich die Oberfläche der Event-Organisation gestreift wird. Derlei Konzepte sind als eine Art Blaupause für die Bewerkstelligung jedes beliebigen Events intendiert und legen nahe, auf der Grundlage der in ihnen enthaltenen Informationen ließe sich ein solches Event perfekt organisieren. Selten wird dabei allerdings den Akteuren und ihren nicht selten widersprüchlichen Absichten und Zielen Rechnung getragen (vgl. Allen et al. 2002, Behrens-Schneider/Birven 2003, Dressler 2004, Haase/Mäcken 2005, Heinze 2003, Holzbaur et al. 2005, König 2002, Schmitt 2006, Siehms-Dahle 2001, Silvers 2004). Die Literatur zum Eventmarketing hingegen befasst sich mit Events als einem Instrument unternehmerischer Kommunikationspolitik (vgl. Inden 1993, Kinnebrock 1993, Zanger/Sistenich 1996, Bruhn 1997, Nickel 1998; siehe dazu auch Kapitel 3.2). Events werden hier als inszenierte Ereignisse in Form von Veranstaltungen und Aktionen verstanden, die dem Adressaten (Kunden, Multiplikatoren, Händler und Firmenmitarbeiter) firmen- oder produktbezogene Kommunikationsbotschaften erlebnisorientiert vermitteln sollen. Der Fokus dieser Forschungsrichtung ist auf die Frage gerichtet, wie Events der Umsetzung der Marketingziele eines Unternehmens dienen können (vgl. Zanger 2001). Das verbindende Merkmal der ansonsten durchaus divergenten Beiträge zu Eventmanagement und Eventmarketing ist die Überzeugung (ihrer Autoren), dass Events einer systematischen Planung und kontrollierten Durchführung bedürfen und dass sie sich dergestalt zum jeweils gewünschten und vorentworfenen Ergebnis führen lassen. Im Hinblick auf die Bewertung dieser Frage als ambivalent erweisen sich demgegenüber die Beiträge zum Thema Projektorganisation und Projektmanagement. Hier wird genuin das Problem der koordinierten kollektiven Bearbeitung einer Aufgabe behandelt, wobei diese Aufgaben ganz unterschiedlicher Art sein nis bis wann erreicht werden soll. 2. Analyse: Aufnahme und Darstellung der IST-Situation mit kritischer Würdigung im Hinblick auf den geplanten Zustand IST2. 3. Konzeption: Erarbeitung eines gedanklichen Modells für die zukünftige Situation (Systemplanung) einschließlich eines Maßnahmeplanes (Vorgehensplanung), der die einzelnen Veränderungsschritte vom IST1 zum IST2 aufzeigt. 4. Realisation: Durchführung der Veränderungsschritte zur Verwirklichung der Planung und Erreichung des Ziels. 5. Ergebnis: Vergleich des erreichten Zustands IST2 mit dem geplanten Zustand IST2 und bei Abweichung vom Ziel Einleitung entsprechender Maßnahmen.
Einleitung
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können: es kann sich ebenso um die Entwicklung eines neuen Produkts handeln wie um den Bau einer industriellen Anlage bzw. einer Wohnanlage oder aber auch um die Planung und Durchführung einer Veranstaltung.6 Gemeinsam ist diesen Aufgabenstellungen, dass sie in der Regel auf einen bestimmten Zeitpunkt hin terminiert sind und dass sie nicht im Alleingang bewerkstelligt werden können, sondern in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure7 an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten erfolgen müssen. Die bei einer komplexen Projekt-Konstellation zu gewärtigenden Probleme lassen sich – so das dieser Literatur inhärente Versprechen – mittels erfolgreichen Projektmanagements in den Griff bekommen. Der Frage nach dem vom Projektmanagement abhängigen Erfolg von Projekten widmet sich Engwall (1992) am Beispiel zweier Investment-Projekte: Der Vergleich der Konstruktion des World Trade Center in Stockholm mit der Modernisierung und Erweiterung des Avkarleby Wasserkraftwerks in Schweden fördert demnach zutage, dass ein effektives und effizientes Projektmanagement die Berücksichtigung der relevanten und jeweils unterschiedlichen ‚Umweltfaktoren’ erfordert: Während mit dem Kriterium ‚Effizienz’ die Arbeit im Projektteam erfasst werden soll, ‚misst’ das Kriterium ‚Effektivität’ die Relation zu Projektpartnern (wie Zulieferern, Untervertragsnehmern, Beratern), zum Auftraggeber bzw. zum Kunden und zur ‚Primärorganisation’ des Projektteams. Wenngleich der Erfolg von Projekten grundsätzlich von der Verfügbarkeit eines prinzipiell projekt- bzw. objektunabhängigen Sets an Methoden, Techniken und Standardverfahren abhängt, so das Ergebnis dieser Studie, erfordert ihr Einsatz die Berücksichtigung des situativ gegebenen Kontexts. Wesentlich ist, dass auch hier grundsätzlich die Lenk- und Steuerbarkeit derlei Großprojekte unterstellt wird, wobei dies entweder der Kompetenz – im Verstande sowohl von Zuständigkeit als auch von Vermögen8 – von Projektmanagern und Projektleitern zugeschrieben oder aber als ein sozusagen in eine bestimmte Art von Projektorganisation ‚eingelassener’ Effekt betrachtet wird. Flache Hierarchien, Teamarbeit und vor allem: viele und kurze Kommunikationswege gelten hierfür dann u.a. als unter allen Umständen zu berücksichtigende Erfordernisse. Die zunehmende Relevanz von Projektmanagement und Projektorganisation wird in der Literatur auf veränderte Marktbedingungen im Zuge gesamtgesellschaftlichen bzw. globalen Wandels und damit einhergehender Veränderungen der Arbeitswelt, auf neue Technologien, auf ein verändertes Verbraucherverhal6 7 8
Casutt (2005: 8ff) unterscheidet dem jeweiligen Inhalt entsprechend Investitions-, Forschungs-, Entwicklungs-, Software und Organisationsprojekte. Divergent erweisen sich die beteiligten Akteure hinsichtlich ihrer Wissensbestände, ihrer Zuständigkeiten und ihrer organisatorischen Zugehörigkeiten. Es kann dann durchaus vorkommen, dass „Projektmanagement, als Gesamtheit der Fähigkeiten und Fertigkeiten, Projekte zum Erfolg zu führen, zur Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts“ (Casutt 2005: 5) ausgerufen wird.
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ten und auf die daraus resultierenden Herausforderungen in Absatz und Marketing zurückgeführt (vgl. Kessler/Winkelhofer 2002). Weil sich die mit diesem Wandel einhergehenden „neuartige[n] Aufgaben nur schwer innerhalb der sonst üblichen starren Organisationsstrukturen abwickeln lassen“, treten „temporäre organisatorische Einheiten“ (Krüger/Schmolke/Vaupel 1999) an ihre Stelle, die innovativere und effizientere Problemlösungen in Aussicht stellen.9 Und Projektförmigkeit wird als die „Organisationsform für Veränderungsprozesse“ (Casutt 2005: 4) (an-)gepriesen. Unter ‚Projektmanagement’ werden dabei alle Aktivitäten „für Definition, Planung, Durchführung und Abschluss eines Projekts“ gefasst (Burghardt 2002: 10). Es dient dem „Erreichen bestimmter Ziele durch Personen, dem Sicherstellen von günstigen Rahmenbedingungen und Strukturen im Rahmen von gegebenen Verhältnissen zur Beschaffung und Steuerung des Einsatzes von Ressourcen“ (Kessler/Winkelhofer 2002). Gemeint sind damit also nicht (nur) Führungsmaßnahmen im engeren Sinne der „zielorientierte[n] soziale[n] Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben“ (Wunderer/Grundwald 1980: 309), sondern alle Aktivitäten, die in unterschiedlichen Projektstadien die ‚Weichen’ für das weitere Procedere stellen – im Anschluss an Albers und Schoer (1971) also das weite Feld des Organisierens und Entscheidens. Unter ‚Projektorganisation’ ist nach DIN 69901 [55] die „Gesamtheit der Organisationseinheiten und der aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen zur Abwicklung eines bestimmten Projekts“ (Burghardt 2002: 53) zu verstehen. Der Begriff ‚Projektorganisation’ ist somit doppeldeutig: er impliziert sowohl die Organisationsstruktur als auch die Existenz verbindlicher Regelungen und Vorgaben (vgl. Steinbuch 2000: 26).10 Die Organisationsform der ‚Projektorganisation’ gilt dabei als Pendant zur gewöhnlichen Linienorganisation. Letztere stellt eine Organisationsform dar, in der strenge Hierarchien, feste Entscheidungsstrukturen sowie eine klare Abteilungsgliederung gemäß bestimmten Kriterien vorherrschen, und ist vor allem innerhalb von Unternehmen mit einfachen Produkten oder der Massenproduktion auffindbar. Im Unterschied dazu ist die Projektorganisation durch die Konzentration von Personen aus verschiedenen Fachbereichen und Rangebenen, also durch eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit, gekennzeichnet. 9
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Die Frage, wie innovative Organisationskulturen gestaltet werden können und wie sich auf dieser Grundlage die Unternehmensproduktivität steigern lässt, war Gegenstand eines am Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie an der Universität Dortmund angesiedelten Teilprojekts im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts „Novamille“ (www.novamille.de); vgl. Euteneuer/Kleutgen/Niederbacher 2008, Euteneuer/Niederbacher 2008, Euteneuer/Niederbacher/Ritterskamp 2008. Zu den Projektvorgaben werden insbesondere die Projektziele, aber auch Gesetze, Normen und Standards gerechnet (vgl. Steinbuch 2000: 38f).
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Die Regelung von Begriffen wie Projekt, Projektmanagement, Projektleitung, Projektorganisation usw. nach DIN 6990111 weist darauf hin, dass Projekte im Kontext von Organisationen eine starke Tendenz zur Standardisierung aufweisen. Ein Projekt ist demnach ein Vorhaben, welches durch (relative) Einmaligkeit der Rahmenbedingungen (uniqueness), durch eine eindeutige Aufgabenstellung (task) mit einer klaren Zielvorgabe (goal), einem Zeitlimit (time) und einer begrenzten materiellen Ressourcenausstattung (resources) gekennzeichnet ist. Mit der Durchführung des Vorhabens bzw. mit der Erfüllung der Aufgabe wird in der Regel eine dezidiert nach Kompetenzgesichtspunkten zusammengestellte Personengruppe (team) beauftragt, deren Leistungen fortlaufend bzw. abschließend einer Bewertung (evaluation) unterzogen werden können.12 Mit der Konzeptualisierung von Projekten als „temporäre Organisationen“ vollzieht sich ein Umdenken in der betriebswirtschaftlichen Forschung zum Projektmanagement (vgl. Packendorff 1995). Den Grundstein hierfür hat Matthew B. Miles bereits in den 1960er Jahren mit seinem Artikel ‚On Temporary Systems’ (1964) gelegt. Miles hatte sich dabei insbesondere für die sozialpsychologischen Effekte von ‚Temporarität’ interessiert. Ihm zufolge befördert Zeitlimitierung empirisch nachweisbar eine Steigerung von Effektivität. Eine Befristung führt demnach offenbar nicht nur zur subjektiven Wahrnehmung von Zeit als „flying stretches“ (William James), sondern zur Einsicht in die Notwendigkeit, Dinge ‚hier und jetzt’ statt ‚gleich’ oder ‚nachher’ (und damit häufig irgendwann oder gar nie) zu erledigen. Aus dem Wissen um die Zeitweiligkeit bzw. das Vorübergehende resultiert – im Anschluss an eine zeitintensive ‚Aufwärmphase’ – eine Temposteigerung zum Ende hin, die häufig auch einen effizienten Output impliziert.13
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DIN 69901: „Vorhaben, das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen; Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben; projektspezifische Organisation.“ (DIN = Deutsches Institut für Normung e.V.). Packendorff (1995, S. 320) definiert das Projekt als “a given, plannable and unique task, limited in time, complex in its implementation and subject to evaluation” Projektmanagement meint „the art of directing and coordinating human and material resources throughout the life of a project […] to achieve predetermined objectives of scope, cost, time, quality, and participant satisfaction“ (Packendorff 1995, S. 319). Zu einem ähnlichen Befund kommt Tuckman (1965): Ihm zufolge durchlaufen Gruppen vier charakteristische Phasen, wobei das unterste Leistungsniveau in der die Formierungs- und Orientierungsphase (Phase 1) ablösenden Konfliktphase (Phase 2) erreicht wird, in der die vorab definierten Aufgaben, festgelegten Regeln und Verfahren hinterfragt und bewertet werden. Wenn diese für alle Beteiligten strapaziöse Phase in die einer zunehmenden Bereitschaft zu Informationsaustausch und Kooperation (Phase 3) überführt werden kann, dann besteht die Chance zu einer effizienten Zusammenarbeit bei der Aufgabenbearbeitung unter Nutzung des bestehenden Problemlösungspotentials (Phase 4).
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Das Spektrum der von Miles so bezeichneten „Temporären Systeme“ ist weit gesteckt: es reicht von Konferenzen, Weiterbildungen, religiösen Anlässen über Spiele und Sportveranstaltungen, Gerichtsverhandlungen, Affären, Task forces und Projekt-Teams, Forschungsprojekten, Asessment- und Ausbildungsprogrammen, über Wahl- und Amtsperioden, Demonstrationen, Kriegen bis hin zu Therapien und Beratungen.14 Auch wenn bei all diesen Formen eine befristete Dauer antizipiert ist, kann der Endpunkt unterschiedlich ‚gesetzt’ werden: er kann kalendarisch fixiert sein, er kann aber auch an den Eintritt eines Ereignisses (z.B. solange, bis das Geld ausgeht; solange, bis ein bestimmter Punktestand im Spiel erreicht ist) oder an das Erreichen eines Zustands (z.B. Heilung) geknüpft, d.h. der Endpunkt kann „event-linked“ oder „state- bzw. condition linked“ sein.15 Miles beschreibt die Unsicherheit, die für Personen in temporären Settings in Ermangelung von Routinen und sicherem Wissen über die die noch unspezifizierte eigene Rolle und die der Mit-Akteure gegeben ist. Temporär angelegte Gelegenheiten bieten dem einzelnen die Möglichkeit, seine Rolle (neu) zu definieren und sich – in Grenzen – eine neue Identität zuzulegen. In einer solchen Konstellation erweisen sich Regeln und Verfahrensweisen („procedures“) als funktional, da sie das Handeln gegenseitig vorhersagbar machen, und damit zur Unsicherheitsabsorption beitragen.16 Dergestalt bildet sich Miles zufolge eine Art Mikrokosmos („mini world“) mit einer eigenen Ordnung heraus. Beiläufig oder intendiert werden unter temporären Bedingungen bisherige Rollen-Selbst- und Fremdzuschreibungen aufgebrochen, schon allein deshalb, weil der Einzelne sozusagen in diese neue ‚Welt’ sozialisiert wird – nicht immer zu seinem eigenen Vorteil. Aus einer ganzen Reihe von Gründen, unter denen die vorübergehende ‚Isolation’ von der Außenwelt eine nicht unerhebliche Rolle spielt, nimmt Miles zufolge unter temporären Bedingungen die Austauschintensität zwischen den Beteiligten zu: Da der Austausch nach außen begrenzt und selten ist, werde intern eine gemeinsame Sprache ausgebildet, deren Gebrauch den Beteiligten den Eindruck vermittelt, sich besser verständigen und verstehen zu können. Einzelne Akteure bilden spezifische Informationsübermittlungskanäle zwischen sich aus. Dabei führe die erhöhte Interaktionsfrequenz zu einer zunehmenden Offenheit und Vertrauen zwischen den Beteiligten und schließlich werde der permaneten Austausch im Laufe der Zeit zu einer Art ‚moralischem Gebot’. 14
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In Anbetracht der Fülle an unterschiedlichen Ausprägungen dessen, was er als „temporäres System“ bezeichnet, fokussiert Miles auf solche Konstellationen, die eine Veränderung von Personen oder Organisationen (d.h. Erziehung bzw. Innovation) bewirken sollen. Alle diese Formen verbindet, dass sie ‚vorbestimmt’ sind und – im Unterschied zu politischen Krisen, Aufständen, Paniken und Seuchen nicht willkürlich ausbrechen. „Willedness“, d.h. ‚Gewolltheit’, ist somit ein konstitutives Element temporärer Systeme. Aus einer strukturfunktionalistischen Perspektive sind diese Regeln nicht hintergehbar, sondern verbindlich.
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Insofern ür temporäre Konstellationen also eine erhöhte Binnenkommunikation charakteristisch sei, werde den Beteiligten stärker (als in unbefristet angelegten Beziehungsgefügen) bewusst, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß ihre Zielvorstellungen übereinstimmen. Diese Einsicht deckt sich mit dem Befund, dass in Kommunikation unter Organisationsmitgliedern vor allem auch die Aushandlung von Organisationszielen zum Gegenstand hat. Miles zufolge erhöht die individuelle Partizpation an der Formulierung kollektiv geteilter, weil gemeinsam ausgehandelter Ziele deren Bedeutung für den einzelnen.17 Auch wenn Miles mit der System-Metapher operiert und eine funktionalistische Sicht einnimmt, lenkt er den Blick auf die Interaktionen in temporären Konstellationen und beschreibt diese (auch) aus der Perspektive der darin involvierten Akteure. Mit der Rezeption der Überlegungen von Miles eröffnet sich dergestalt eine neue Perspektive in der Projektmanagement-Forschung – weg von einer objektivistischen, normativ aufgeladenen Idee von Projekten als ‚tools’ mit einem Fokus auf Planung, Steuerung und Struktur, hin zu einer akteurstheoretischen Betrachtung von Projekten als ‚temporäre Organisationen’: „What is to be studied, in fact, is temporary organizing processes, i.e. the deliberate social interaction occurring between people working together to accomplish a certain, inter-subejctively determined task“ (Packendorff 1995: 328). Das grundlegend Neue dieses Ansatzes in der Projektmanagementforschung besteht darin, dass nun nicht mehr ‚nur’ die Perspektive des Projekt-‚Users’, d.h. des Auftraggebers und Projektmanagers, sondern dass die Perspektiven aller wie auch immer am Projekt Beteiligten zum Gegenstand der Analyse werden (können). Als Kennzeichen von Projekten anzusetzen sind demnach neben der interdisziplinär angelegten Personalstruktur die Einmaligkeit der Bedingungen des Vorhabens und damit seine Neuartigkeit, die zeitliche Befristung der Projektlaufzeit mit klaren Anfangs- und Endzeiten und die aus dieser Temporarität resultierende Effekte von Zeitdruck und Dynamik, finanzielle und personelle Begrenzungen sowie eine komplexe Aufgabenstellung mit mehr oder weniger eindeutiger Zielsetzung. Der XX. Weltjugendtag 2005 in Köln lässt sich entlang dieser Kriterien nur dann als ein Projekt definieren, wenn man das Kriterium der Einmaligkeit der Bedingungen („uniqueness“) für dieses Vorhaben gegeben sieht, was zumindest aus Sicht der veranstaltenden Katholischen Kirche bzw. des durch den Päpstlichen Laienrat vertretenen Pontifex problematisch sein dürfte, da es sich beim Weltjugendtag ‚an sich’ um eine Veranstaltung mit einer bereits 17
Damit einher geht Miles zufolge häufig erhöhte Selbstwahrnehmung und Selbstprüfung sowie volles Engagement (bis zur Selbstausbeutung und Erschöpfung). Spätestens Aspekte wie die des Input-Overloads, über unrealistische Zielsetzungen und mangelnde für das Procedere erforderliche Fähigkeiten bis hin zur Entfremdung durch Isolation und schließlich nicht-gelingender ReIntegration, lassen sich als Dysfunktionalitäten temporärer Systeme diskutieren.
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zwanzigjährigen Tradition handelt. Aus Sicht der Organisatoren – unabhängig davon, auf welcher Hierarchieebene sie angesiedelt sind – ist dieses Kriterium, das analytisch als das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen Event und Projekt anzusehen ist, fraglos gegeben: wenn auch nicht der Weltjugendtag ‚an sich’, so doch der XX. Weltjugendtag 2005 in Köln ist für sie zweifellos „ein einmaliges Vorhaben mit festem Ziel, begrenzter Dauer, begrenzten Ressourcen und Finanzmitteln sowie einer spezifischen Struktur und Prozessorganisation“ (Casutt 2005: 8). Insbesondere das Kriterium der klaren Zielsetzung wird in jüngerer Zeit unter dem Stichwort Ambiguität bzw. Doppel- oder Mehrdeutigkeit problematisiert. Grundlegend hierfür war die Untersuchung von Stinchcombe und Heimer (1985) zur Bewältigung von ‚Uncertainty’ am Beispiel der „Project Administration in the North Sea“. Für eine neue Bewertung von Ambiguität plädiert SahlinAndersson (1992): Nur in einem Verständnis von ‚project as organization’ erscheinen die Einzigartigkeit (der Bedingungen), die Uneindeutigkeit, Ungewissheit und Komplexität eines Projekts als Probleme, die mittels Planung und Steuerung kontrolliert werden müssen. Bei einer Betrachtungsweise von ‚project as organizing’ eröffnet Ambiguität – und zwar sowohl die des Projektziels als auch die der Zielsetzungen der Beteiligten – Spielräume, Anschlussmöglichkeiten und Neudefinitionen, und dies insbesondere dann, wenn das Projekt als derart extraordinär verstanden wird, dass sich Vergleichsziehungen praktisch verbieten. Auch im Rahmen dieser Debatte wird – und dies markiert einen wesentlichen Unterschied zu systemischen Ansätzen – an der Zielorientiertheit von (Projekt-)Organisation festgehalten, ohne dass dabei jedoch eine ‚Seinsqualität’ des Organisationsziels unterstellt wird. Zielsetzungen und Aufgabenstellungen werden vielmehr als uneindeutig bzw. mehrdeutig und somit als Definitionssache, hier allerdings als Sache einer einmaligen Definitionsleistung, verstanden, deren Ertrag dann – wie auch immer – Bestand und Bedeutung für die Beteiligten hat. Eine Antwort auf dieses ‚Wie auch immer’, d.h. auf die Frage nach der Verbindung von Organisationszweck und individuellem Handeln, liefert eine sozialkonstruktivistisch angelegte Theorie von Organisation. Dieser liegt die Annahme zugrunde, dass nicht Interaktionssysteme, sondern sinnhafte soziale Handlungen die Grundlage sozialer Gebilde darstellen. Organisationen bilden sich demnach auf einer zweiten Stufe von Institutionalisierung und erweisen sich als historische Ausprägungen institutioneller Ordnungen, die nicht nur primärer, sondern ‚abgehobener’ Legitimationen bedürfen.18 Aus dieser Perspektive werden
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Vgl. zu dieser Bestimmung von Organisation Knoblauch 1997a. Problematisch erweist sich hier, dass Knoblauch nicht hinreichend zwischen Institution und Organisation unterscheidet: Institutionen sind das Resultat von Institutionalisierungsprozessen, d.h. Institutionen entstehen
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den Zwecke zum einen mittels „sekundärer Legitimationen“ (Berger/Luckmann 1969: 68), d.h. mittels Erklärungen und Rechtfertigungen gesetzt, die von professionalisierten Experten, Managern und anderen Führungskräften produziert werden, zum anderen und vor allem sind sie Gegenstand und Inhalt „primärer Legitimationen“, die von den Organisationsmitgliedern selber in Interaktion und Kommunikation hervorgebracht werden und deren Handeln weit mehr als alle sekundären Legitimationen strukturieren (vgl. Knoblauch 1997a: 10). Ein wesentlicher Ertrag insbesondere der so genannten „Workplace Studies“, in denen organisierte Aktivitäten und Abläufe in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt werden, besteht darin, dass interaktive Vorgänge keineswegs nur Beiwerk der Arbeit sind, sondern dass die Arbeit in den hier untersuchten Koordinationszentren wesentlich durch „interaktive Kooperation“ (Knoblauch 1997a: 13) geprägt ist, die eben vor allem verbal und nonverbal kommunizierend vollzogen wird. Diese kommunikativen Interaktionen und Abläufe, die (nicht nur in Kontrollzentralen) unter Bezugnahme auf technische Gerätschaften wie PCs, Bildschirme etc. vollzogen werden, bilden einen Kontext, der wiederum die individuellen Handlungen und einzelnen Interaktionen anleitet. Somit beruht die Logik von Entscheidungen bei Arbeitsprozessen nicht auf einer formalen, in Regelwerken fixierten Rationalität, sondern auf einer „situativen ‚Ad hoc-Rationalität’, die sich in Interaktionen realisiert“ (Knoblauch 1997a: 15). Das Handeln ist insofern (zweck-)rational, als es eben den Kontext, d.h. Aufgaben, Ziele, Zwecksetzungen, ebenso wie Mitbeteiligte, vorhergegangene Gespräche und Abläufe und zudem anstehende Aktivitäten und kontingente Ereignisse, die unmittelbar oder technisch vermittelt wahrgenommen werden, berücksichtigt. Das bedeutet: die eigene Handlung wird in diesem situativen Kontext entworfen und in ihrem Verlauf auf diesen zugeschnitten.19 Organisation ist Knoblauch (1997a: 18) zufolge also „eine prozessuale, dynamische Einheit“, die sich dadurch erhält, dass sie fortwährend neue, konventionalisierte20 Kommunikationsereignisse hervorbringt, dies allerdings nicht selbstperpetuierend. Kommunikative Handlungen werden vielmehr laufend mit Zielen, Aufgaben und Zwecken ‚verschmolzen’, wobei hiermit aber nicht die subjektiven Intentionen der Handelnden, sondern eben primäre Legitimationen gemeint sind. Diese Ziele, Aufgabenstellungen („tasks“) bzw. eben Zwecksetzungen sind – entgegen der im Projektmanagement herrschenden Vorstellung –
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durch die Verstetigung – und symbolische Überhöhung – pragmatischer Problemlösungen. Organisationen entstehen demgegenüber aus der Verstetigung von Prozessen des Organisierens. Dies wird in den Workplace Studies als „situated action“ bezeichnet Ein Ertrag gattungsanalytischer Studien besteht gerade darin, dass kommunikative Handlungen insbesondere in Organisationen keineswegs fortwährende diskursive Aushandlungsprozesse nach sieht ziehen, sondern ihrerseits konventionalisiert werden und typische Muster ausbilden (vgl. Günthner/Knoblauch 1995).
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nicht vorgängig, einmal gesetzt und für immer gültig, sondern sie werden situativ und kollektiv im Zuge der interaktiven Kooperation, d.h. über mehrere Handlungsschritte und -sequenzen („activities“) hinweg, erzeugt. Knoblauch integriert hier im Rekurs vor allem auf Engeström (1987) die so genannte „activity theory“ in die sozialkonstruktivistische Bestimmung von Organisation. Mit „acitivities“ sind hier interaktive Handlungszusammenhänge gemeint, die aus einzelnen Handlungen und Interaktionen konstruiert werden und zugleich den Kontext für diese Handlungen bilden. Die sekundären Legitimationen allerdings sind häufig an rationalistischen Modellen für Aufgaben und Zielsetzungen ausgerichtet, wie sie unter anderem auch in der Literatur für Projektmanagement geliefert werden. Die Akteure orientieren sich bei ihrer Arbeit allerdings viel mehr an ihren individuellen Zielen und an den situativ gemeinsam erzeugten Zielsetzungen. Diese Einsicht, die unter anderem auch die Differenz zwischen Ex-ante-Planungen und nichtintendierten Nebenfolgen begründet, gilt es empirisch generell – so auch bei der Erforschung des XX. Weltjugendtags – zu berücksichtigen. Dem uns hierfür eröffneten Zugang geschuldet mussten bei der Analyse der eventvor- und -nachbereitenden Prozesse des Organisierens vor allem rekonstruierende Erhebungs- und Auswertungsverfahren eingesetzt werden. Zur Analyse der eventbegleitenden Organisation konnten darüer hinaus auch registrierend, d.h. teilnehmend und beobachtend, Daten erhoben werden. Der ethnographischen Forschungspraxis entsprechend wurde bei der Datenerhebung also ein Methoden-Mix aus teilnehmender Beobachtung (und beobachtender Teilnahme), Interview und Dokumentensammlung eingesetzt. Der dergestalt gewonnene Datenkorpus – 42 volltranskribierte Interviews, 8 Protokolle von Außendarstellungen organisatorischer Führungskräfte, Feldnotizen zu 4 Freiwilligenschulungen, 50 Beobachtungsprotokolle und 2 Videomitschnitte von Feldaufenthalten während dem Weltjugendtag, sowie eine umfangreiche Sammlung so genannter ‚natürlicher’ Dokumente: interne Arbeitspapiere, Konzeptentwürfe, Pressemappen, Internet- und Intranetdokumente, Arbeitshilfen – wurde zum Teil zur Informationsgewinnung, also sozusagen ‚hermeneutisch naiv’, zum überwiegenden Teil aber wissenssoziologisch hermeneutisch (vgl. Soeffner/Hitzler 1994, Kurt 2004) ausgewertet.21
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Die Feldzugänge, die Verfahren der Datenerhebung und Datenauswertung sowie der Datenkorpus werden im Anhang dieses Buches erläutert.
1.1 Wissensmanagement: Transfer des organisationsspezifischen Wissens
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1 Vorläufe des Organisierens
Am 28.2.2002, im Rahmen des Abschlussgottesdienstes beim Weltjugendtag im kanadischen Toronto, verkündete Papst Johannes Paul II. offiziell, dass das Erzbistum Köln die veranstaltende Diözese des nächsten (‚großen’) Weltjugendtags im August 2005 sein wird. Offiziell beginnt die Vorbereitung des Weltjugendtags also am letzten Tag des vorhergehenden Weltjugendtags. Denn das zeremonielle Protokoll sieht vor, dass der amtierende Papst den Weltjugendtag mit der Benennung der (Welt-)Metropole beschließt, in der das nächste ‚große’ Weltereignis ‚ausgetragen’ wird, zu dem die Jugend der Welt – und das heißt explizit nicht nur die katholische Jugend und schon gar nicht nur die katholische Jugend Deutschlands22 – von der Römisch-katholischen Kirche eingeladen wird. Die Vorbereitungen jedes ‚nächsten’ Weltjugendtags beginnen de facto aber immer schon lange vor dem aktuell laufenden Weltjugendtags. 1.1 Wissensmanagement: Transfer des organisationsspezifischen Wissens Schon Monate vor dem aktuell laufenden Weltjugendtag ist den künftigen Hauptverantwortlichen der nächste und damit ‚ihr’ Austragungsort bekannt, was ihnen ermöglicht, frühzeitig mit ihren aktuell tätigen ‚Vorgängern’ Kontakt aufzunehmen, deren Arbeit zu beobachten, vor Ort zu hospitieren und sich dergestalt einen Eindruck davon zu verschaffen, welche Anforderungen auf sie zukommen werden. Einige Mitarbeiter des nachmaligen Kölner Weltjugendtagsbüros waren bereits in die Organisation des Weltjugendtags 2002 in Toronto involviert, und ebenso konnte eine Organisatoren-Delegation aus Sydney, dem Austragungsort des aktuell nächsten ‚großen’23 Weltjugendtags, den Endspurt im Kölner Weltjugendtagsbüro mitverfolgen: sozusagen als Learning by Viewing. 22
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Die Frage des Adressaten ist deshalb wichtig, weil die Jugendlichen Deutschlands (auch die mit katholischem Hintergrund) anders anzusprechen wären als die ‚Jugend der Welt’ (vgl. dazu Kapitel 3.1.1). Alle zwei bis drei Jahre findet wird ein Weltjugendtag in der Gestalt eines Groß-Events in einer Weltmetropole durchgeführt. In den Zwischenjahren soll der Weltjugendtag sozusagen ‚im Kleinen’ bzw. dezentral in den katholischen Diözesen auf der ganzen Welt gefeiert werden (vgl. hierzu auch Kapitel 1.2). Manche Diözesen (z.B. Fulda) setzen diesen Auftrag sehr engagiert um, anderswo wird dieser Teil des päpstlichen Projekts nicht praktiziert.
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1 Vorläufe des Organisierens
Dieses Privileg eines Wissensvorsprungs war allerdings nur einigen wenigen Kölner Organisatoren vorbehalten. Für das Gros der „Bereichsleiter“, d.h. der Leiter der 13 Arbeitsbereiche des Weltjugendtagsbüros, begann die Arbeit, nachdem sie ihre Stelle am 1. April 2003, also nur gut zwei Jahre vor dem Veranstaltungstermin angetreten hatten, mit einer mühsamen Recherche nach Informationen und Erfahrungen beim bzw. bei den letzten Weltjugendtagen zu ihrer jeweiligen Aufgabenstellung. Mühsam gestaltete sich diese Arbeit aus mehrerlei Gründen: a. b.
c. d. e.
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Die Ansprechpartner waren häufig kaum mehr ausfindig zu machen; die von Veranstaltung zu Veranstaltung divergente spezifische Kompetenzschneidung erschwerte es, den richtigen Ansprechpartner für das eigene Aufgabengebiet ausfindig zu machen; bei den Gesprächspartnern war die Güte und Tiefe der Informationsweitergabe abhängig vom je subjektiven Erinnerungs-vermögen; die schriftlichen Dokumentationen erschienen als unzureichend, erfüllten jedenfalls nicht die in sie gesetzten Erwartungen; die Erfahrungen vom vorangegangen Weltjugendtag in Toronto waren aufgrund der kulturellen und nationalen Unterschiede kaum auf die Kölner Situation übertragbar; der zeitliche Abstand zum XII. Weltjugendtag 1997 in Paris, der deshalb besonders maßgeblich war, weil er ebenfalls im europäischen Kontext stattgefunden hatte und weil hier bestimmte Programmelemente (Kulturfestival, Tage des sozialen Engagements etc.) erstmalig eingeführt worden waren, war kaum mehr überbrückbar.
Allem Anschein nach wird also kein, jedenfalls kein systematisches Wissensmanagement (vgl. Willke 1998; Howaldt/Klatt/Kopp 2004; Ciesinger u.a. 2005) zum Weltjugendtag praktiziert – ein Umstand, der angesichts der 20jährigen Tradition dieser Veranstaltung ‚organisationslogisch’ zunächst einmal kaum nachvollziehbar ist, der allerdings die vermutlich nicht unbeabsichtigte Konsequenz hat, dass jedes Organisatorenteam den Eindruck gewinnt, den Weltjugendtag gewissermaßen ‚vor Ort’ neu zu erfinden (vgl. Kapitel 2.4.1). Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Kölner Weltjugendtagsbüros, deren Verträge auf den Herbst 2005 befristet waren, waren zwar in den Wochen nach dem Event dazu angehalten, (uns leider nicht zugänglich gemachte) Abschlussberichte zu verfassen. Den Auskünften (und der Hoffnung) der Bereichsleiter nach sollten diese nicht nur der kircheninternen Dokumentation der von den haupt- und ehrenamtlichen Kräften geleisteten Arbeit dienen, sondern für die Vorbereitungen des nächsten Weltjugendtags im australischen Sydney zur Ver-
1.1 Wissensmanagement: Transfer des organisationsspezifischen Wissens
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fügung gestellt werden. Es ist anzunehmen, dass die Kölner Organisatoren dieser Dokumentationspflicht aufgrund eigener leidvoller Erfahrung mit einigem Engagement nachgekommen sind, da die Versorgung mit Informationen von vorhergegangenen Weltjugendtagen eben unisono als enttäuschend beschrieben worden war: vermutlich musste man nicht alle Informationen aus Toronto, wie es einer unserer Gesprächspartner etwas drastisch formuliert hat, „in die Mülltonne tun“ (I_13: Z_346). Offenbar waren diese Informationen aber in der Tat einigermaßen spärlich und unzulänglich für die Situation in Köln nicht hinlänglich nutzbar. Zwei grundsätzlichen Probleme des Wissensmanagements dürften aber selbst bei einer detaillierten24 Nachbereitung und schriftlichen25 Aufarbeitung der Erfahrungen in Köln nicht überwindbar gewesen sein: Zum einen müssen in einer für Organisationszwecke brauchbaren Dokumentation nicht (vor allem) die Erfolge, sondern (vor allem) – unbeschönigt – die Probleme, Fehler und Irrtümer aufgelistet werden. Dies erfordert, dass strukturell all diejenigen Personen als Leser ausgeschlossen werden müssten, denen gegenüber der Autor ein Bedürfnis nach Erfolgsinszenierung hat oder eine solche (z.B. im Hinblick auf die berufliche Zukunft) als erforderlich ansieht. Zum anderen wird beim Wissensmanagement das Motivationsproblem notorisch unterschätzt:26 wenn schon unbefristet angestellte Betriebsmitarbeiter wenig Neigung verspüren, ihr Erfahrungswissen qua Dienstauftrag ‚dem Betrieb’ zur Verfügung zu stellen, um wie viel geringer muss die Eigenmotivation der Organisatoren kurz nach dem alle Kräfte rauben24
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Grundsätzlich ist im Managementdiskurs derzeit ein Trend weg von einem „exzessiven“ und hin zu einem „selektiven Wissensmanagement“ zu beobachten. ‚Wissen’ wird dabei nicht länger als eine knappe Ressource angesehen. Es gilt vielmehr, Auswahlstrategien und Selektionsmechanismen gegen einen „Informationskollaps“ und gegen einen „Wissensoverload“ (Howaldt/Kopp 2005: 14) zu entwickeln (vgl. zu methodischen Konsequenzen Kopp 2005). In systemischer Perspektive meint Wissensmanagement „die Gesamtheit organisationaler Strategien zur Schaffung einer ‚intelligenten’ Organisation“ (Willke 1998: 39). Als basale Routine des Wissensmanagement empfiehlt Helmut Willke das Verfassen von „Mikroartikel“, eine Textform, die er als ein Hybrid zwischen einer Karteikarte und einem (wissenschaftlichen) Artikel begreift, und die durch die Fixierung eines Standards „eine individuelle Lernerfahrung, Erkenntnis, Idee, Expertise, Überlegung; Reflexion etc.“ in eine ganz bestimmte Form zwingt. So weist Willke (1998: 102) darauf hin, dass die Hauptschwierigkeit des Wissensmanagements darin besteht, „sich in irgendeiner Form der Routinisierung dazu zu zwingen, nach einer Lernerfahrung den Kern dieser Expertise schriftlich festzuhalten“. Selbst wenn die von ihm als „Wissensarbeiter“ etikettierten Akteure von der Notwendigkeit überzeugt seien, ihre Lernerfahrungen schriftlich festzuhalten, was keineswegs der Fall sein muss, kommen sie dieser in dem Fall als ihre Pflicht angesehenen Anforderung – zumeist im Verweis auf Zeitmangel – in der Regel nicht nach. Willke zufolge ist das motivationale Problem behoben, wenn der Wissensaustausch erst einmal in Gang gesetzt ist, weil er Akteuren – unhinterfragt – die intrinsische Motivation unterstellt, zu diesem Austausch beitragen zu wollen. Und er blendet die spieltheoretisch erwiesene Strategie des Trittbrettfahrens aus, wenn er annimmt, dass die Erfahrung der Nützlichkeit der Expertise anderer für die eigene Arbeit die Bereitschaft erhöhen würde, zur Wissensbasis ‚der Organisation’ beizutragen.
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1 Vorläufe des Organisierens
den Veranstaltungsmarathon und kurz vor dem Ende der Beschäftigung gewesen sein, die Erfahrungen für einen entweder anonymen Leser (Organisatoren in Sydney) oder für den bald ehemaligen Dienstherrn festzuhalten.27 1.2 Präjudizierung: Die Festlegung des Veranstaltungsorts Auch wenn der nächste Austragungsort offiziell vom Papst erst beim jeweils laufenden ‚großen’ Weltjugendtags verkündet wird, laufen die Vorbereitungen des nächsten Weltjugendtags also längst, bevor der vorhergehende durchgeführt worden ist. Zur Bewerkstelligung des Weltjugendtags 2005 in Köln haben die Deutsche Bischofskonferenz und das Erzbistum Köln am 25. Juli 2002, also drei Tage vor der offiziellen Verkündung des Austragungsortes beim Weltjugendtag in Toronto, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung: die Weltjugendtags gGmbH gegründet. Das Erzbistum Köln als einladende Diözese und die Deutsche Bischofskonferenz als diözesenübergreifende Adresse der Katholischen Kirche in Deutschland haben also ausschließlich für diesen einen Zweck ein organisatorisches Gebilde geschaffen, das, weil sein Bestehen von vornherein befristet angelegt war, als „temporäre Organisation“ bezeichnet werden kann (vgl. Packendorff 1995). Aus steuerrechtlichen Gründen wurde hierfür die Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewählt.28 Die beiden Gesellschafter haben jeweils einen Geistlichen als Sekretär für den Weltjugendtag abgestellt. Diese beiden fungierten gemeinsam mit dem Geschäftsführer der gGmbH als „Leitungsteam“ des so genannten „Weltjugendtagsbüros“. Die hierfür in der Kölner Gereonstrasse angemieteten Büroräume, in denen im September 2002 im kleinsten Kreis die Arbeit aufgenommen worden war, bildeten – nicht nur aus unserer Beobachterperspektive, sondern auch dem Selbstverständnis aller Akteure im Feld nach – das ‚Gehäuse’ der Organisationszentrale des Weltjugendtags, da hier alle organisatorischen Fäden zusammengelaufen sind: Hier wurden die mannigfaltigen, im Hinblick auf die Gestaltung dieser Veranstaltung getroffenen Entscheidungen in Handlungsschritte und Aktivitätsabläufe umgesetzt. Und diese Handlungsschritte und Aktivitätsabläufe wiederum mussten hier koordiniert, delegiert und legitimiert werden. 27
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„Fame“, d.h. die Wertschätzung für Wissen und Leistung innerhalb einer Community, scheint für Internet-User das Hauptmotiv zu sein, ihre Kenntnisse in Newsgroups und Foren, im Rahmen von Freeware- und Open-Source-Aktivitäten und bei Wikipedia zur Verfügung zu stellen (vgl. Howaldt/Klatt/Kopp 2004: 137ff). Eine Einrichtung, die als gemeinnützig anerkannt ist, ist ganz oder teilweise von Steuern befreit – insbesondere von der Körperschafts- und der Gewerbesteuer. Wenn die gemeinnützige Körperschaft unternehmerisch tätig ist, dann kann es auch bei der Umsatzsteuer zu Begünstigungen kommen (z.B. ermäßigter Steuersatz). Gemeinnützige Körperschaften sind zudem berechtigt, Zuwendungsbestätigungen für Spenden auszustellen.
1.2 Präjudizierung: Die Festlegung des Veranstaltungsorts
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Dieser Status einer Organisationszentrale impliziert allerdings keineswegs, dass alle, die Gestalt ebenso wie die Gestaltung des Weltjugendtags betreffenden Entscheidungen hier und nur hier getroffen wurden. Schätzungen von Büromitarbeitern zufolge lag der Anteil dessen, was nicht bereits entschieden, sondern unabhängig gestaltbar war, bei lediglich zehn Prozent. Das mag von Bereich zu Bereich unterschiedlich gewesen sein. Unzweifelhaft aber wurden viele und richtungweisende Schritte vor dem Arbeitsbeginn im Büro und auch während der laufenden Vorbereitungen an anderer Stelle erwogen und beschlossen. Andernorts, nämlich ‚in Rom’, ist zunächst vor allem natürlich die Entscheidung für den Weltjugendtag bzw. für die Weltjugendtage schlechthin gefallen. Und selbst dieser Schritt steht nicht am Anfang der Geschichte des Weltjugendtags, die unseren Recherchen zufolge in den frühen 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beginnt: Einen wichtigen Meilenstein markiert das Jahr 1984, als über 300.000 Jugendliche (und damit weit mehr als erwartet) der Einladung von Papst Johannes Paul II. zu einem „Internationalen Jubiläum der Jugend“ anlässlich des so genannten Außerordentlichen Heiligen Jahres (1983/84) folgten. Die Begeisterung des Pontifex über diesen Zulauf kommt in den Worten zum Ausdruck, die er den Jugendlichen am Palmsonntag des Jahres 1984 auf dem Petersplatz in Rom zuruft: „Welch großartiges Schauspiel bietet auf dieser Bühne Eure heutige Versammlung! Wer hat behauptet, die heutige Jugend habe den Sinn für die Werte verloren? Stimmt es wirklich, dass man nicht auf sie zählen kann?“ Bei diesem Ausruf handelt es sich um einen Ausschnitt aus einer längeren Rede, der in unterschiedlichen Dokumenten zum Kölner Weltjugendtag exakt in dieser Form immer wieder zitiert wird. Darin wird nicht nur der Eventcharakter des Weltjugendtags als einer Massenveranstaltung vor (Medien-)Publikum, sondern zugleich die Funktion der Teilnehmer auf den Punkt gebracht: nicht die Jugendlichen, sondern ihre Versammlung bietet ein Schauspiel, das auf einer Bühne aufgeführt wird. In keiner uns zugänglichen Äußerung bringen die Kölner Organisatoren die Statistenrolle der jugendlichen Teilnehmer beim Weltjugendtag so deutlich, ja nachgerade unverblümt zum Ausdruck.29 Verstärkt wird dies dadurch, dass sie in beiden Folgesätzen nicht mehr der Adressat der Rede sind, sondern zum Gegenstand der Reflexion werden. Der Redner stellt (sich und den Zuhörern) laut die Frage, ob der „heutigen Jugend“ – eine Redewendung, die typischerweise dann genutzt wird, wenn über diese geklagt wird – „der Sinn“, d.h. das Empfindungsvermögen, „für Werte“, d.h. für Orientierungsmaßstäbe über gut oder böse, richtig oder falsch, abhanden gekommen sei. Er fragt (sich und/oder andere), ob es den Tatsachen entspricht, dass diese „heutige Jugend“ (wobei oder in welcher Hinsicht auch immer) unverlässlich sei. Auch wenn die 29
Zu dieser Funktion vgl. auch Kapitel 3.1.4.1.
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1 Vorläufe des Organisierens
Art der Formulierung Anlass zur Vermutung gibt, dass der Redner hier zu einer Rehabilitierung der Jugend schlechthin anhebt, irritiert doch der Umstand, wie hier über die Köpfe der (zumindest mit-)gemeinten Anwesenden hinweg geredet wird. Schon in diesem frühen Stadium ihrer Geschichte lassen sich also Hinweise darauf finden, dass die Veranstaltung (zumindest auch) einem anderen Zweck gilt als ‚nur’ dem, den jugendlichen Teilnehmern eine Gelegenheit für ein ihren Vorstellungen entsprechendes (Spaß-)Erleben bereitzustellen.30 Im Jahr nach diesem überraschend erfolgreichen Ereignis wird 1985 von der UNO das „Jahr der Jugend“ ausgerufen. In diesem Zusammenhang wird im Vatikan die Idee entwickelt, abwechselnd in den diözesanen Teilkirchen jeweils am Palmsonntag und im nachfolgenden Jahr „an einem Ort ‚irgendwo’ in der Welt“ Weltjugendtage zu veranstalten. Nicht nur auf der offiziellen Homepage des Kölner Weltjugendtags www.wjt2005.de ´, sondern generell wurde und wird bei der Darstellung dieser Geschichte großer Wert darauf gelegt, diesen Schritt nicht als eine nüchtern-strategische Entscheidung aus dem Vatikan, sondern als einen Herzenswunsch des der Jugend immer schon verbundenen Papstes Johannes Paul II. erscheinen zu lassen: Als Angehörige des für die Durchführung des Internationalen Jugend-Jubiläums 1984 in Rom verantwortlichen Päpstlichen Laienrats seien sie damals froh gewesen, als es vorbei war und hätten sich insgeheim „Nie mehr wieder!“ geschworen, erzählt ein Mitglied des Laienrats augenzwinkernd in einem in einer 2005 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentation. Wie auch immer es sich zugetragen haben mag: Seit 1986 findet der Weltjugendtag jährlich statt und wird durchgängig – in römischer Schreibweise – gezählt. Alle zwei bis drei Jahre wird er – ähnlich einer Olympiade – in einer (Welt-)Metropole relativ unverändert in Form eines Hybrid-Events ‚ausgetragen’ (vgl. Tabelle 1). Auch wenn bei der Auswahl der Austragungsorte Europa deutlich überrepräsentiert ist, lässt sich das Bemühen erkennen, das Ereignis wie eine Olympiade (mit dem Weltjugendtagskreuz als Quasi-Fackel) rund um den Globus zu tragen. Und nach der ‚Vergabe’ des Weltjugendtags 2008 an den fünften Kontinent dürfte die Ankündigung eines Austragungsorts in Afrika nicht mehr lange auf sich warten lassen.31 30 31
Dieser These wird in Kapitel 3.2 nachgegangen. In Anbetracht dessen ist es denkbar, dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika im Vatikan in organisatorischer Hinsicht aufmerksam verfolgt wird – vermutlich aber nicht nur in dieser Hinsicht: Denn ein Papst, für den ein Fußballspiel „eine Art versuchte Heimkehr ins Paradies [ist], das Heraustreten aus dem versklavten Ernst des Alltags in den freien Ernst dessen, was nicht sein muss – und gerade darum schön ist“ (so der damalige Erzbischof von München, Kardinal Josef Ratzinger, anlässlich der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien), wird vermutlich das eine und andere Spiel im Fernsehen verfolgen, ohne dabei Gedanken an den Weltjugendtag zu verwenden..
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1.2 Präjudizierung: Die Festlegung des Veranstaltungsorts
Nr. I II IV VI VIII X XII XV XVII XX
Jahr 1986 1987 1989 1991 1993 1995 1997 2000 2002 2005
Ort Rom (Italien) Buenos Aires (Argentinien) Santiago di Compostela (Spanien) Tschentschochau (Polen) Denver (USA) Manila (Philippinen) Paris (Frankreich) Rom (Italien) Toronto (Kanada) Köln (Deutschland)
XXIII
2008 Sydney (Australien)
Teilnehmer (ca.) 300.000 1.000.000 600.000 1.500.000 700.000 4.000.000 1.000.000 2.500.000 800.000 1.200.000 (400.000 registrierte Pilger) 500.000 (erwartet)
Tabelle 1: Zentrale Weltjugendtage und ihre Teilnehmerzahl Die Frage danach, wie viel und welche Strategie der Auswahl der Austragungsorte zugrunde liegt, lässt sich (zumindest ansatzweise) im Hinblick auf den Kölner Weltjugendtag ermessen: Den Auskünften unserer Gesprächspartner zufolge war Deutschland nicht einfach in bzw. von ‚Rom’ für einen Weltjugendtag auserkoren worden. Zum einen hatte der Kölner Kardinal offenbar schon sehr früh – aus der Perspektive von Vertretern der Jugendseelsorge hierzulande sozusagen ‚im Alleingang’ – ein Interesse an einem Weltjugendtag in Deutschland bzw. in ‚seiner’ Diözese geäußert. Parallel dazu gab es seit Mitte der 90er Jahre wiederholt Kontakte zwischen Mitgliedern des Päpstlichen Laienrats hie und Vertretern der deutschen Jugendseelsorge da. Anlass war dabei allerdings nicht sogleich die Frage eines Weltjugendtags in Deutschland. Hintergrund war vielmehr das ausgesprochen angespannte Verhältnis zwischen ‚Amtskirche’ hie und den hochgradig politisierten Jugendverbänden (und ihren bis weit in die ‚amtskirchliche’ Jugendseelsorge hineinreichenden Sympathisanten) da. Ende der 90er Jahre hat die der Deutschen Bischofskonferenz unterstellte Arbeitsstelle für Jugendseelsorge für den Päpstlichen Laienrat ein Europäisches Treffen der Jugendpastoral in Paderborn ausgerichtet. In diesem Rahmen wurde von Vertretern des Laienrats dann der ‚Vorschlag’ geäußert, sich doch aus dieser amtskirchlichen ‚Säule’ der deutschen Jugendpastoral heraus um einen Weltjugendtag in Deutschland zu bemühen. Dieser Vorschlag wurde von Mitarbeitern der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge angesichts dessen, dass immer mehr junge Katholiken in Deutschland ohnehin ‚mit den Füßen’ für den Weltjugendtag abgestimmt haben, dann tatsächlich aufgegriffen und in die Tat umgesetzt. Bei den katholischen Jugendverbän-
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1 Vorläufe des Organisierens
den, der zweiten Säule der deutschen Jugendpastoral, musste lange für diesen Schritt um Verständnis geworben werden, während ein guter Teil der als dritte Säule der Jugendpastoral bezeichneten Orden und freien Gemeinschaften dem päpstlicherseits installierten Weltjugendtag von Anbeginn an weniger kritisch gegenüber gestanden waren. Die Entscheidung für das Erzbistum Köln (und gegen die potentiellen Alternativen München und Berlin) als veranstaltende Diözese sei dann unter Ansehung der logistischen Voraussetzungen vor Ort und vor allem im Hinblick auf die finanzielle Lage der Bistümer gefallen. Diese Eruierungen mündeten schließlich, so die Auskunft des Generalsekretärs des Weltjugendtags, in der an das Erzbistum Köln und die Deutsche Bischofskonferenz gerichteten „Bitte“ des Papstes, den Weltjugendtag auszurichten: „Das ganze findet statt um Köln und das ist ein langer dialogischer Prozess, ob das geht und wie es geht und so, und zum Schluss ist das dann diese Bitte“ (I_17: Z_17f). Inwieweit sich dieser Aushandlungsprozess tatsächlich als Dialog gestaltet hat, lässt sich auf unserer Datenbasis nicht ermessen. Aus der Perspektive der Organisatoren erweist sich die Festlegung der Lokalität allerdings als eine Entscheidung, die ohne ihr Mittun bereits im Vorfeld getroffen wurde und die damit ihr Handeln präjudiziert.
1.3 Kompetenzschneidung: Die Verteilung von Zuständigkeiten Gemeinsam mit Vertretern der beiden Gesellschafter – der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hie und des Erzbistums Köln (EBK) da – hat der Geschäftsführer der gGmbH die formale Struktur des so genannten „Weltjugendtagsbüros“ geschaffen. Für die Bewerkstellung des Weltjugendtags wurden dreizehn Abteilungen – Pastorale Vor- und Nachbereitung (1), Begegnung (2), Jugendfestival (3), Liturgie (4), Verkündigung und Katechese (5), Freiwillige (6), Pilgerwesen (7), Kommunikation und Öffentlichkeit (8), Veranstaltungslogistik (9), Operations/Risk Management (10), Personenschutz/Ehrengäste (11), Finanzen (12), Personal/Interne Administration) (13) ausgewiesen, denen – ihrer hausinternen Bezeichnung als „Bereiche“ entsprechend – jeweils ein „Bereichsleiter“ vorangestellt wurde. Jedem der drei Mitglieder des Leitungsteams wurden bestimmte Bereiche unterstellt, die zusammen jeweils eine „Säule“ des Weltjugendtagsbüros bildeten. Von seiner Organisationsstruktur her war das Weltjugendtagsbüro also als eine in der einschlägigen Literatur so genannte „Matrixprojektorganisation“32 angelegt (vgl. Abb. 1): 32
Die Matrixprojektorganisation folgt dem Prinzip der Mehrfachunterstellung (Mehrliniensystem). Bei ihr überlagern sich die vertikalen Kompetenzen der Primärorganisation mit den horizontalen Kompetenzen der Projektleitung, der Sekundärorganisation (vgl. Teisman/Birker
1.3 Kompetenzschneidung: Die Verteilung von Zuständigkeiten
Abbildung 1:
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Offizielles Organigramm (Quelle: www.wjt2005.de)
Aus dem offiziellen Organigramm wird ersichtlich, dass die nicht mit den Inhalten, sondern mit (bau-)technischen, logistischen, mit Risiko- und Sicherheitsaspekten, mit Personal- und Finanzfragen usw. befassten Bereiche direkt dem Geschäftsführer zugeordnet waren (Säule 3). Die Wahl eines Managers aus der Versicherungsbranche für den Posten des Geschäftsführers lässt erkennen, dass den kirchlichen Würdenträgern an einer effizienten und risikokalkulierenden Durchführung des 100-Millionen-Euro-Projekts gelegen war. Und die Zuordnung aller ‚logistischen’ Bereiche zur Geschäftsführung weist darauf hin, dass Fremdanspruch und Selbstanspruch in diesem Fall kongruent waren: Das öffentlich (und auch uns gegenüber im Interview) erklärte Ziel des Geschäftsführers 2002; Thommen/Achleitner 2003). Die so genannte „Stabslinienprojektorganisation“ zeichnet sich demgegenüber durch eine schwache Abgrenzung von der Primärorganisation aus. Der Projektleiter erhält hierbei eine, direkt der Unternehmensführung zugeordneten Stabstelle. Dadurch wird deutlich, dass das Projekt von der Unternehmensführung gewünscht und unterstützt wird (vgl. Patzak/Rattay 2004).
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1 Vorläufe des Organisierens
war es, das Projekt ‚Weltjugendtag 2005 in Köln’ mit einer „schwarzen Null“ abzuschließen.33 Der für die Gestaltung der Eröffnungsgottesdienste, Willkommensfeiern und Papstmessen etc. zuständige Bereich „Liturgie“ und der die Katechesen organisierende Bereich „Verkündigung“ waren dem Weltjugendtagssekretär des Erzbistums Köln zugeordnet (Säule 2). Dieser Posten war an den damaligen Diözesanjugendseelsorger vergeben worden, der in der Kirchenhierarchie dem Seelsorgeamtsleiter unterstellt ist. Und der Seelsorgeamtsleiter wurde zum Generalsekretär des Weltjugendtags ernannt. Dieses Amt des Generalsekretärs des Weltjugendtags musste nach Auskunft des Positionsinhabers „dann schon drei Zustimmungen haben, nämlich (.) die (.) der römischen Instanzen und des heiligen Vaters und Kardinal Lehmann Bischofskonferenz und Kardinal Meisner äh und ähm (.) ist in Köln. (.)“ (I_17: Z_20ff). Damit waren diejenigen Bereiche, in denen die zentralen Programmelemente des Weltjugendtags, die Großliturgien zum einen und die Katechesen zum anderen, verwaltet und bearbeitet wurden, nicht nur strukturell, sondern auch personell unter direkten amtskirchlichen Zugriff gestellt. Die Bereiche „Pastorale Vor- und Nachbereitung“, „Begegnung“ und „Jugendfestival“ waren dem Weltjugendtagssekretär der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) unterstellt (Säule 1). Das ‚Motiv’ für diese Zuteilung dürfte darin bestanden haben, dass diesen drei Bereichen Aufgaben zugeteilt waren, deren Bearbeitung – wie im folgenden ausgeführt werden wird – unmittelbare Kontakte mit den deutschen Diözesen erforderten: (1) Eine zentrale Aufgabe der Mitarbeiter des Bereichs „Pastorale Vor- und Nachbereitung“ bestand darin, den Gemeinden und Bistümern ‚draußen im Land’ so genannte „Arbeitshilfen“ mit Anregungen und Anleitungen zur Integration des Weltjugendtags in lokale Veranstaltungen (Gottesdienste, Gruppenstunden, Gebetskreise etc.) an die Hand zu geben. Diese Broschüren enthalten Textvorlagen zur Gestaltung von Gottesdiensten, Andachten, Gruppenstunden und Veranstaltungen mit Jugendlichen und für Jugendliche, die dem für Jugendpastoral verantwortlichen Personal an die Hand gegeben wurden, damit sie dergestalt die Gemeindemitglieder an kirchlichen Feiertagen und bei anderen Anlässen (Advent, Fastenzeit etc.) spirituell auf den nahenden Weltjugendtag einstimmen können sollten. Die letzte (von insgesamt sechs) im Bereich „Pastorale Vor- und Nachbereitung“ des Weltjugendtagsbüros zusammengestellte Arbeitshilfe firmiert als „Handreichung für die Nachbereitung des XX. Weltjugendtags 2005“: Darin werden Anstöße für die Deutung typischer Erfahrungen beim Weltjugendtag gegeben, es werden aber auch Ziele „für das Danach“ formuliert, die nicht 33
Den offiziellen Verlautbarungen zufolge ist dieses Ziel auch erreicht worden (vgl. Kapitel 3.1.2).
1.3 Kompetenzschneidung: Die Verteilung von Zuständigkeiten
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nur auf die Wirkung des Ereignisses nach innen, also kirchenintern, sondern auch auf die Außenwirkung, insbesondere auf eine Steigerung des Ansehens der Katholischen Kirche in der „breiten Öffentlichkeit“ abheben. Schließlich dokumentiert die Broschüre auch bereits erste in den Diözesen entwickelte Ideen und ‚Best-Practice’-Projekte für die Einbindung der Weltjugendtagserfahrungen in das darauf folgende Kirchenjahr. Eine weit weniger theoretische, sondern ‚anschauliche’, weil symbolträchtige und ausgesprochen medienwirksame Einstimmung war eine unter Beteiligung des Bereichs „Pastorale Vor- und Nachbereitung“ von der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge34 organisierte vierzigtägige „Fußwallfahrt“, mit der nicht nur die (wechselnden) Pilger, sondern auch viele Anwohner und Gemeindemitglieder auf das Kölner Großereignis aufmerksam gemacht wurden: Der Pilgerweg nahm in Dresden seinen Ausgang und durchlief von Ost nach West eine Reihe von Bistümern und viele Gemeinden, in denen den Pilgern Kost und Logis gewährt wurden, bis er am Auftaktsnachmittag des Weltjugendtags mit dem bejubelten Einzug des von den Pilgern abwechselnd über die gesamte Strecke hinweg auf den Schultern getragenen Weltjugendtagskreuzes35 zum Eröffnungsgottessdienst in die KölnArena seinen Abschluss fand. Jede einzelne Tagesetappe wurde von einem anderen deutschen Bischof besucht, womit den jeweiligen Regionalmedien Prominenz als Anlass für eine Berichterstattung gegeben war. Die Organisation dieses Projekts „Kreuzspuren“ erforderte nahe liegender weise Terminabsprachen mit den Diözesanstellen, aus denen sich die Bischöfe zur Teilnahme an einer Etappe bereit erklärt hatten. In Anbetracht changierender Gruppengrößen von mindestens zehn bis maximal vierhundert Personen war überdies in Kooperation mit den Kommunen eine geeignete Wegführung auszu34
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Eine Kooperation zwischen diesen beiden Einheiten bot sich deshalb an, weil die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge, eine Einrichtung im Bereich ‚Pastoral’ der Deutschen Bischofskonferenz, vor der Einrichtung des Weltjugendtagsbüros und nach seiner Auflösung für das Thema „Weltjugendtag“ zuständig war und ist. Das Weltjugendtagskreuz hat mehrere Namen: „Heilig-Jahr-Kreuz“, „Jubiläumskreuz“ und „Jugendkreuz“. Auf Wunsch des Papstes wurde es 1983 auf dem Petersplatz errichtet und anschließend durch ihn „der Jugend der Welt anvertraut“. Das Kreuz ‚begleitet’ Jugendliche durch alle Kontinente und „lädt auf seiner Pilgerreise durch Europa junge Menschen vieler Nationen dazu ein, die Botschaft von Frieden, Heil und Erlösung aufzunehmen“. Zum Weltjugendtag im Jahr 2000 in Rom hat Papst Johannes Paul II. den Jugendlichen zusätzlich eine Marienikone übergeben. Diese ist seit Palmsonntag 2003 gemeinsam mit dem Weltjugendtagskreuz fast ununterbrochen auf Pilgerschaft – und Pilgern meint hier wirklich zu Fuß unterwegs sein. Die technischen Maße des Weltjugendtagskreuzes lassen erahnen, welche Bürde die Pilger allein damit auf sich nehmen: Höhe des Kreuzes: 380cm; Breite des Kreuzes: 175cm; Breite der Holzbretter: 25cm; Tiefe der Holzbretter: 5cm; Gewicht des Kreuzes: 31kg; Höhe des Ständers: 51cm; Breite des Ständers: 45cm; Tiefe des Ständers: 50cm; Gewicht des Ständers: 31kg; Länge der Transportkiste: 400cm; Breite der Transportkiste: 35,4cm; Höhe der Transportkiste: 15,6cm; Gewicht der Transportkiste: 53kg (www.wjt2005.de; Zugriff: 17.2.05).
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1 Vorläufe des Organisierens
loten und waren Maßnahmen für die Gewährleistung der Streckensicherheit vorzubereiten. Zudem musste über den gesamten Zeitraum von sechs Wochen die Betreuung des Pilgerzugs von einem Team des Malteser Hilfsdiensts sichergestellt werden. Am schwierigsten gestalteten sich nach Auskunft eines Organisators dieser Unternehmung die Verhandlungen mit den als Tagesziel auserkorenen Pfarrgemeinden, in denen man sich nicht selten wenig(er) erfreut über die weltjugendtagsbezogene Mehrbelastung zeigte: „so habs ich mir zumindest eingebildet: bei ner katholischen Pfarrei wird das relativ einfach sein, etwas zu bekommen (.) was sich (lacht) oftmals einfach als total widersprüchlich herausgestellt hat, weil sie meistens äh (.) so diesen (.) diesen Pfad gefahren sind, oh wir müssen schon so viel fürn Weltjugendtag machen und dann auch noch Leute aufnehmen ähm das passt uns nicht so (.)“ (I_34: Z_158ff). Hier verwundert nicht etwa die Haltung in den Pfarrgemeinden. Verwunderlich ist die Mischung aus Naivität und Anspruchshaltung, mit der ein – zugegebenermaßen selber ehrenamtlich tätiger – Organisator davon ausgeht, dass unter Gemeindemitgliedern heller Jubel darüber ausbricht, an einem von ihnen nicht beeinflussbaren Termin, aller Wahrscheinlichkeit nach werktags, eine unter Umständen sehr große Gruppe müder Wanderer mit Schlafplätzen und Essen zu versorgen, und dafür vermutlich mehr oder weniger alle in der Gemeinde verfügbaren Kräfte zur Mithilfe überreden zu müssen, um diese Betreuung leisten zu können. Selbst für den Pfarrer einer solchen Gemeinde dürften bei einem diesbezüglichen Engagement (in) seiner Gemeinde keine ‚Belohnung’ in Aussicht stehen. Wenn überhaupt, dann könnten allenfalls negative Schlagzeilen beim Publikwerden einer Weigerung zu erwarten sein. Aus diesem Grund hat das für die Kölner Organisatoren unerwartet hohe Entgegenkommen protestantischer Pfarrgemeinden mancherorts dann wiederum geradezu in einen konfessionellen Wettstreit gemündet. Die Kooperationsbereitschaft der Kommunen schließlich ist verständlich, wenn man bedenkt, dass die Aussicht, Etappenziel einer von kirchlicher Prominenz und im Gefolge von Medienaufmerksamkeit begleiteten Fußwallfahrt zu werden, kostenlose Werbung für den regionalen Tourismus verspricht. (2) Die Gestaltung der dem Kölner Zentralereignis vorgelagerten „Tage der Begegnung“, zu denen die Weltjugendtagsteilnehmer aus aller Welt in den Pfarrgemeinden Deutschlands empfangen wurden, bevor sie dann gemeinsam mit den jugendlichen Gemeindemitgliedern die Reise nach Köln antraten, lag in der Verantwortung der Diözesen. Bei der Gestaltung des Programms wurden diesen allerdings bereits diverse Vorgaben gemacht: als ein Spezifikum des ‚deutschen’ Weltjugendtags hatten Entscheidungsträger in der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz aufgrund guter Erfahrungen mit dem Angebot sozialer Projekte beim Weltjugendtag in Toronto, das von den Jugendlichen ausgesprochen stark angenommen worden war, den so genannten „Tag des
1.3 Kompetenzschneidung: Die Verteilung von Zuständigkeiten
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sozialen Engagements“ entwickelt, der aus logistischen Gründen nun in die „Tage der Begegnung“ integriert wurde. Damit war hierfür ein zentraler Programmpunkt – und auch bereits sein Termin – vorgegeben. Eine wesentliche Aufgabe des Bereichs „Begegnung“ im Weltjugendtagsbüro bestand darin, diese Idee zu konkretisieren und sie den so genannten „Diözesandelegierten“, d.h. den zentralen Ansprechpersonen für den Weltjugendtag in den Diözesen, im Rahmen von Schulungen zu vermitteln.36 Im Rahmen einer Fallstudie zur Vorbereitung der „Tage der Begegnung“ konnten wir rekonstruieren, dass diese und andere Ideen sozusagen ‚kaskadenartig’ vom Weltjugendtagsbüro in die einzelnen Pfarrgemeinden transportiert wurden. Auf Bistumsebene wurde ein Koordinationskomitee (KOKO) mit Vertretern der Jugendverbände und der Bistumsstädte eingerichtet, das der Diözesandelegierte mit seinen Weisungen aus dem Weltjugendtagsbüro instruierte (vgl. Abb. 2). Die Vertreter der Städte trugen diese in (auf Stadtebene eingerichtete) „Runde Tische“, zu denen „Kontaktpersonen“ aus den Pfarrgemeinden hinzu gebeten wurden. Diese trugen die Anweisungen in einen der in ihrer Pfarrgemeinde gebildeten Ausschüsse und Arbeitskreise. Dort mussten konkrete Sozialprojekte und touristische bzw. Unterhaltungsangebote, vor allem aber ausreichend viele Schlafplätze bereitgestellt werden, um die vom Weltjugendtagsbüro zugewiesene Anzahl internationaler Gäste beherbergen zu können. Die Erfüllung dieser ‚Auflagen’ musste in umgekehrter Richtung, d.h. von unterer zur nächst höheren Ebene rückgemeldet werden, wodurch bei Nicht-Erfüllung des PlanSolls wiederum sanfter Druck nach ‚unten’ ausgeübt werden konnte. Angesichts eines solchen Verfahrens, bei dem Programmkonzepte ‚oben’ entwickelt und zur Umsetzung dann sozusagen nach unten ‚durchgereicht’ werden, ist es nicht verwunderlich, dass der Weltjugendtag von einer Vielzahl von – auf welcher Ebene auch immer tätigen – Organisatoren als „auferlegte Relevanz“ (vgl. Schütz/Luckmann 2003: 258f), d.h. als eine sozial erzwungene Aufmerksamkeit für die Organisation des Weltjugendtags erfahren wurde. Durch längst vor dem Anrollen des Organisationsgeschehens rund um den Weltjugendtag bestehende Einbindung in einen Interaktionszusammenhang wie etwa den der Kirchengemeinde, aus dem man sich nicht ohne weiteres, d.h. ohne sich zu erklären und zu rechtfertigen, zurückziehen kann, beispielsweise deshalb, weil man für sich keinen ‚Sinn’ in einer Beteiligung an diesem Unterfangen erkennen kann, verleiht dem Organisationsprozess für derartig ‚gestimmte’ Akteure jenen Charakter eines Trajekts, auf den insbesondere Fritz Schütze (1999) hingewiesen 36
In die Zuständigkeit der dem Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz unterstellen ‚BereichsSäule’ fiel generell die Instruktion der Diözesandelegierten. Zu diesem Zweck wurden insgesamt neun Delegiertenkonferenzen einberufen und ein diesen Multiplikatoren zugängliches Intranet eingerichtet (vgl. Kapitel 4.3.1).
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1 Vorläufe des Organisierens
hat: den einer Verlaufskurve des Erleidens anomischer Unordnung.37 Erklärungsbedürftig scheint vielmehr, warum diese Erfahrung nicht flächendeckend, d.h. nicht für alle Organisatoren als typische rekonstruiert werden kann (vgl. dazu Kapitel 3.5 und 4.5.2).
Abbildung 2:
Organisationsstruktur zur Vorbereitung der ‚Tage der Begegnung’ im Bistum Essen (Quelle: Bistum Essen)
(3) Dem Bereich „Jugendfestival“ war die Koordination des Nachmittagsprogramms während dem Weltjugendtag in Köln zur Aufgabe gestellt. Hierfür konnten nicht nur kirchennahe Gruppierungen, sondern Künstlergruppen aus 37
Mittels biographieanalytischer Verfahren liesse sich der Verlauf dieser Kurve bei den Akteuren bestimmen, die den Organisationsprozess des Weltjugendtags eher erleiden als ihn als Freude oder Herausforderung zu erfahren. Als Folie hierfür könnten die Stadien und Mechanismen der Entfaltung von Verlaufskurven herangezogen werden, die in zahlreichen empirischen Studien herausgearbeitet wurden (vgl. Schütze 1999: 201f).
1.3 Kompetenzschneidung: Die Verteilung von Zuständigkeiten
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aller Welt eine Bewerbung einschicken. Die Eingliederung dieses Bereichs in die ‚Säule’ des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz erscheint somit nicht unbedingt als zwingend.38 Ursprünglich war allerdings hinsichtlich der Auswahl des künstlerischen Angebots vorgesehen, dass jeder Bewerbung eine Art ‚Unbedenklichkeitsbescheinigung’ des jeweiligen Heimatbischofs beizufügen wäre. Diese Auflage wurde zwar aufgrund des in diesem Bereich formulierten Protestes gegen die einem solchen Verfahren inhärente Einschränkung künstlerischer Freiheit fallen gelassen, jedoch nicht ohne dass ersatzweise ein Prüfverfahren des Päpstlichen Rats für die Laien hingenommen werden musste. Zentrale Programmpunkte wie das Welcome Festival, ein Musikpicknick, ein Künstlerdorf, ein internationales Begegnungsprogramm „Bridging the World“, ein Festival mit Musikern aus der Region usw. wurden bereichsintern entwickelt. Auch diese Programmkonzeption musste ein mehrstufiges (und dergestalt zeitintensives) Genehmigungsverfahren vom Leitungsteam des Weltjugendtagsbüros über das Lokale Organisationskomitee bis in den Päpstlichen Rat für die Laien durchlaufen. Unterstützt wurden die Mitarbeiter dieses Bereichs (ebenso wie die übrigen für Weltjugendtagsinhalte zuständigen Bereiche) in der konzeptionellen Phase von zahlreichen Arbeitskreisen, die mit Vertretern von Jugendverbänden, Verantwortlichen der Jugendpastoral, aber auch mit weltlichen Fachleuten usw. besetzt waren. Die – in Form von Arbeitskreisen thematisch fokussierte – Einbindung von im wesentlichen haupt- und ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätigen Personen war allerdings keine Idee der von ihr betroffenen Bereichsmitarbeiter. In der Formulierung eines Bereichsleiters, „wir hatten ja alle Arbeitskreise mit an die Seite gestellt bekommen“ (I_3: Z_296f), kommt vielmehr deutlich zum Ausdruck, dass diese Maßnahme auferlegt war – eine Maßnahme, die uns gegenüber zwar unisono positiv bewertet wird, niemals aber ohne dass auf den dadurch verursachten immensen Zeitaufwand hingewiesen wurde: „Nur auch das, Arbeitskreise, grad mit Ehrenamtlichen, müssen natürlich intensiv begleitet werden, das heißt, zwischenzeitlich äh, ich weiß gar nicht, dreißig Arbeitskreise oder was, die wir da parallel laufen hatten, die von uns ähm, wo man gar nicht mehr so schnell die Protokolle schreiben konnte, wie dann tatsächlich äh der Arbeitsaufwand war“ (I_3: Z_209ff). Dieser strukturell bedingt hohe Arbeitsaufwand war außer- und oberhalb des Weltjugendtagsbüros durchaus bekannt und wurde hier „bewusst“ als „mühsamerer (…) strukturell schwieriger Weg“ (I_17: Z_323) gewählt und argumentativ vertreten: „Im Ganzen würd ich es sofort wieder machen, auch wenn es einfacher ginge, ja? Wenn ich hier mit Leuten aus der Wirtschaftsberatung McKinsey zusammensitze, dann sagen die, das müssen wir einfacher machen, nur 38
Dieser Bereich hat ohnehin im Laufe der Vorbereitungszeit eine neue Kompetenzschneidung erfahren (vgl. dazu Kapitel 2.2)
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1 Vorläufe des Organisierens
eine Leitung, zack zack- Aber das widerstrebt mir, auch von dem Projekt. Weltjugendtag ist kein Wirtschaftsunternehmen und ist etwas anderes, also ist n kommunikativer Prozess und den möcht ich durchhalten“ (I_17: Z_336ff). Interessant ist hierbei, dass dieses Procedere argumentativ gerade in Abgrenzung zu von Unternehmensberatern empfohlenen bzw. für Wirtschaftsunternehmen übliche Verfahren des Projektmanagement vertreten wird, weil dieser Abgrenzungsbedarf darauf hindeuten könnte, dass die eigene Vorgehensweise nicht nur von einem analytischen Standpunkt aus betrachtet eine ‚Nähe’ zur unternehmerischen Praxis der Durchführung von Projekten aufweist. Aus der exemplarischen Aufgabenbeschreibung der drei Bereiche „Pastorale Vor- und Nachbereitung“, „Begegnung“ und „Jugendfestival“ lässt sich zum einen ersehen, dass deren Zuordnung zu den drei Mitgliedern der Leitungsebene nicht willkürlich vorgenommen wurde. Zum anderen wird daraus aber auch ersichtlich, dass die Arbeitsinhalte und -abläufe in nicht geringem Umfang vorab und von außen bzw. ‚von oben’ bestimmt wurden.
2 Strukturen des Organisierens
Der XX. Weltjugendtag hat – wie die vorhergehenden Ausführungen zeigen sollten – einen zeitlichen Vorlauf, innerhalb dessen Entscheidungen (zum Wissensmanagement, zum Veranstaltungsort und zur Verteilung von Zuständigkeiten) getroffen wurden, die den Prozess, d.h. den Ablauf und Verlauf des Organisierens in einem erheblichen Ausmaß bestimmen. Die Organisatoren finden also keine ‚offene’, sondern eine vor-gestaltete bzw. gerahmte Situation vor. Der Rahmen besteht vor allem darin, dass sie nicht den ersten, sondern den zwanzigsten Weltjugendtag organisieren. Obwohl der Weltjugendtag aber eine zwanzigjährige Tradition hat, obwohl er bereits neun Mal als Mega-Event durchgeführt worden ist, sind alle für diese Tätigkeit ausgewählten Personen Novizen auf dem Gebiet der Weltjugendtagsorganisation (von einigen wenigen Hospitationen einmal abgesehen). Gerade weil in keinem der Gespräche, die wir mit Organisatoren auch auf höchster Ebene in Deutschland geführt haben, keine Äußerungen zum Veranstaltungstermin gefallen sind, ist davon auszugehen, dass diese Frage, ebenso wie die des Veranstaltungsorts, ohne Beteiligung der Organisatoren entschieden wurde. Und nicht zuletzt sind die Zuständigkeiten für die Aufgabenfelder des Organisierens nach Proporzaspekten verteilt worden. Die vorherigen Weltjugendtage sind – qua schriftlich in einem so genannten „Memorandum“ fixierter Vorgabe aus dem Vatikan – nicht einfach nur Vorläufer, die sich die Organisatoren erstens zum Vorbild nehmen, an denen sie sich also bei der Gestaltung (im Großen und Ganzen oder in Teilen) orientieren können, die sie zweitens als Accounting-Ressource gebrauchen, d.h. die sie zur Begründung und Rechtfertigung von Maßnahmen und Entscheidungen heranziehen können, und die sie drittens als Kontrastfolie nutzen, d.h. von denen sie sich bzw. ihre Vorgehensweise abgrenzen können. Die bisherigen Weltjugendtage sind vielmehr allesamt Ausdruck einer Grundstruktur des Ereignisses, die laut Memorandum „im Laufe der Jahre einen Reifungsprozess durchgemacht und eine ganz konkrete, fest bleibende Physiognomie erhalten“ [hat]. Das bedeutet, dass die Gestalt der Veranstaltung nicht von den Organisatoren bestimmt werden kann. Das Memorandum enthält explizite und verbindliche Angaben zur Dauer der Gesamtveranstaltung (Beginn an einem Dienstagnachmittag und Ende am Sonntag) und zu den Bestandteilen des Programms (und zwar sowohl zu denen des
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2 Strukturen des Organisierens
Grundprogramms39 als auch zu den so genannten „andere(n) ‚alternative(n)’ Veranstaltungen im Rahmen des Weltjugendtages“40). Im Memorandum sind wesentliche Hinweise zur Gestaltung der einzelnen Programmpunkte und zu deren Bedeutung im Rahmen des Gesamtprogramms ausgeführt.41 Und die prinzipiell durchaus bestehende Möglichkeit, neue Elemente einzufügen, wird mit einem warnenden Hinweis vor der Überfrachtung des „an sich schon dicht gedrängte(n) Programm(s)“ versehen. Diesen Vorgaben entsprechend weist das Programm des XX. Weltjugendtags alle genannten und wenige zusätzliche Programmpunkte auf. Eine Änderung – und zugleich ein Novum in der Geschichte der Weltjugendtage – bestand darin, dass statt einer parallel gleich drei Eröffnungsfeiern abgehalten wurden.42 Diese Entscheidung wurde erst nach einem intensiven Bemühen darum, der ‚römischen’ Vorgabe zu entsprechen und in Absprache und mit der Zustimmung der zuständigen Instanzen im Vatikan getroffen, als sich herausgestellt hatte, dass den sicherheitstechnischen Vorgaben für die Nutzung des vorgesehenen (und angesichts der zu gewärtigenden Masse an Teilnehmern einzig möglichen) Geländes im Kölner Stadtgebiet, den Pollerrheinwiesen, nicht ohne einen als von allen Beteiligten als untragbar eingeschätzten finanziellen Mehraufwand entsprochen werden kann. Nicht nur die Struktur des Programms ist festgelegt und im Memorandum festgeschrieben. Eine weitere Vorgabe besteht darin, dass der Papst selber das Thema des jeweiligen Weltjugendtags aussucht und dessen Gehalt in einer „eigens dafür vorgesehenen Botschaft“ ausführt. Die Entscheidung für den Bibelvers „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten“ ist bei den Organisatoren in 39
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Die „festen Punkte“ des Grundprogramm sind die Heilige Messe zur Eröffnung (Dienstagnachmittag), Willkommensfeier für den Heiligen Vater (Donnerstagnachmittag), Katechesen (Mittwoch-, Donnerstag- und Freitagvormittag), Kreuzweg (Freitagnachmittag), Vigil mit dem Heiligen Vater (Samstagabend), Abschlussmesse (Sonntagvormittag). Das Rahmenprogramm beinhaltet das Jugendfestival (nachmittags und abends während des Kateches-Triduums), das „Fest der Vergebung“ (nachmittags und abends während des Kateches-Triduums) und der vorhergehende Empfang in den Diözesen. So ist im Memorandum – um nur ein Beispiel zu geben – festgeschrieben, dass die Heilige Messe zur Eröffnung von der Gastgeberdiözese vorbereitet wird und dass sie unter Vorsitz deren Bischofs zelebriert wird. Es ist Sorge dafür zu tragen, dass bei dieser Messe zugleich die Internationalität des Weltjugendtags als auch die lokale Spezifität zum Ausdruck kommt. Und es ist zu gewährleisten, dass die Messe von den Massenmedien übertragen wird, da darüber bislang noch unentschlossene Jugendliche zur Teilnahme am Weltjugendtag mobilisiert werden können. Kardinal Meissner, der Vorsteher des Erzbistums Köln, zelebrierte den Eröffnungsgottesdienst im Kölner Rhein Energie Stadion. Parallel dazu fand unter dem Leitung von Kardinal Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz ein Eröffnungsgottesdienst in der LTU Arena in Düsseldorf und unter der Leitung von Bischof Bode, dem Vorsitzenden der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz, ein weiterer im Bonner Hofgarten statt.
2.1 Die Steuerung des Organisierens ‚von oben’
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Deutschland keineswegs enthusiastisch begrüßt worden. Denn die theologischen Implikationen von ‚Anbetung’ erschienen ihnen als ein zumindest hierzulande bzw. hiesigen Jugendlichen schwer vermittelbarer Sachverhalt zu sein.
2.1 Die Steuerung des Organisierens ‚von oben’ Zweck des auf einen Zeitraum von knapp drei Jahre angelegten ‚Weltjugendtagsbüros’ war summa summarum also weit weniger der Entwurf der Gestalt und die Entscheidung (zumindest) für die (inhaltliche) Gestaltung des Weltjugendtags als vielmehr (lediglich) die zentralisierte Koordination der mannigfaltigen, zur Umsetzung dieser Entscheidungen notwendigen bzw. als notwendig erachteten Maßnahmen. Denn das Büro war eben durch verschiedene Gremien in die Organisation der Katholischen Kirche – in Rom und in Deutschland – eingebunden, und es war diesen gegenüber entweder in theologisch-inhaltlicher oder in finanzieller Hinsicht rechenschaftspflichtig (vgl. Abb. 3):
Abbildung 3:
Einbindung des Weltjugendtagsbüros in die Strukturen der Katholischen Kirche (Quelle: www.wjt2005.de)
Hinsichtlich finanzieller Belange war der Geschäftsführer der gGmbH dem „Aufsichtsrat“ rechenschaftspflichtig, dem Vertreter des Erzbistums Köln, der Deutschen Bischofskonferenz sowie ein Vertreter des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) angehörten. Inhaltlich-theologische Detailfragen stimmte
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2 Strukturen des Organisierens
das Leitungsteam des Weltjugendtagsbüros mit dem Generalsekretär des Weltjugendtags ab, der zugleich den Vorsitz im (ebenfalls mit Vertretern des Erzbistums Köln, der Deutschen Bischofskonferenz, mit den Mitgliedern des Leitungsteams und mit Verantwortlichen für die Jugendpastoral in Deutschland besetzten) „Lokalen Organisationskomitee“ inne hatte. Der Generalsekretär des Weltjugendtags war dem „Bischöflichen Leitungsgremium“ unterstellt, dem der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der deutsche Jugendbischof und der Kölner Erzbischof angehörten, und das seinerseits dem Päpstlichen Rat für die Laien unterstellt war. Von allen genannten Gremien und Einrichtungen beruht lediglich das ‚Lokale Organisationskomitee’ auf einer Vorgabe aus dem Vatikan. Im „LOK“, dem laut Memorandum (9) „Vertreter der Gastgeberdiözese und der Deutschen Bischofskonferenz“ angehören sollen, ist das geistliche Grundkonzept des Weltjugendtags 2005 in Köln erarbeitet und verabschiedet worden. In der Hochphase der Weltjugendtagsorganisation, in den Monaten also, in denen wir die Vorbereitungen des Ereignisses mitverfolgt haben, ist es nicht mehr wesentlich in Erscheinung getreten. Die übergeordnete Bedeutung dieses Gremiums kommt allerdings darin zum Ausdruck, dass das Weltjugendtagsbüro vom Generalsekretär des Weltjugendtags als „Handlungsinstrument“ (I_17: Z_28) des ‚LOK’ eingestuft wird. Ein Instrument aber hat keinen eigenen Willen; damit lassen sich bei entsprechender Handhabung vielmehr die Entwürfe jenes (Kollektiv)Akteurs realisieren, dem es zuhanden ist. Für die relativ komplexe Struktur konnte ansonsten – auch aufgrund der spezifischen, historisch gewachsenen Struktur der katholischen Jugendpastoral in Deutschland – nicht auf ein weltjugendtagserprobtes Modell zurückgegriffen werden. Aufgrund der hochkomplexen und sensibel zu handhabenden Situation in Deutschland erschien einerseits die Konstruktion eines ‚neu’ aufgesetzten Organisationsgebildes in Gestalt des Weltjugendtagsbüros als beste Lösung – allerdings an der sehr ‚kurzen Leine’ der in den übergeordneten Gremien vertretenen kirchlichen Würdenträger. Andererseits ist darauf geachtet worden, möglichst viele jugendpastorale ‚Parteien’, die bei einem kirchlichen Anlass solchen Ausmaßes Mitspracherechte einfordern können oder wollen und die sich auch in Kirchenkreisen untereinander nicht immer ‚grün’ sind, von Vornherein einzubinden, um die zumindest im Vorfeld durchaus existente ablehnende Haltung in den unterschiedlichen Kontexten der katholischen Jugendpastoral zu minimieren. Dabei wurde gerade in den Anfängen der Organisationsarbeit darauf geachtet, das in Deutschland ausgesprochen spannungsgeladene Verhältnis zwischen amtskirchlicher und verbandlicher Jugendpastoral durch ‚gemischt’ besetzte Arbeitszusammenhänge zu entschärfen. Allerdings standen die Büromitarbeiter aus Sicht der ‚alteingesessenen’ Vertreter der Jugendpastoral (aus Jugendverbän-
2.1 Die Steuerung des Organisierens ‚von oben’
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den, Jugendämtern und sonstigen Jugendseelsorgeeinrichtungen) in den ‚zuarbeitenden’ Arbeitskreisen permanent im Verdacht, die hier an sie herangetragenen Ideen und Vorschläge als die ihren auszugeben und sich dergestalt mit fremden Federn zu schmücken. Beide Strategien gingen also deutlich zu Lasten der Ermessensspielräume der Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros: Anders als ein zur Realisierung eines Projektvorhabens eingesetztes Projektteam, dem zwar das – das Vorhaben erst begründende –Ziel vorgegeben wird, dem dann aber für die Konzeption, Planung, Durchführung, ja bis hin zur Kontrolle, umfangreiche Freiräume eingeräumt werden, fungierte das Weltjugendtagsbüro als ein verlängerter ‚Arm’ des institutionell aus dem Päpstlichen Laienrat, dem Erzbistum Köln und der Deutschen Bischofskonferenz bestehenden Veranstalter-Ensembles. Gerade in inhaltlicher Hinsicht fungierte es schlicht als ein ausführendes Organ, dessen Arbeit noch dadurch erschwert wurde, dass es auf ‚Impulse’ von unterschiedlichen und ihrerseits unterschiedlich weisungsbefugten Instanzen reagieren musste. Aber nicht nur für die Arbeit in den (im engeren Sinne) mit ‚Inhalten’ des Weltjugendtags 2005 in Köln befassten Bereichen – wie eben dem Bereich ‚Jugendfestival’, dem für die Katechesen zuständigen Bereich ‚Verkündigung’, dem mit der Vorbereitung der Großliturgien befassten Bereich ‚Liturgie’ und dem u.a. mit der Planung und Durchführung der 40-tägigen Fußwallfahrt von Dresden nach Köln betrauten Bereich ‚Pastorale Vor- und Nachbereitung’ – war eine zeitintensive Abstimmung der Konzeptionen mit ‚oben’, und das heißt nicht selten tatsächlich mit ‚Rom’, also mit den für die (Überwachung der ordnungsgemäßen Gestaltung der) Weltjugendtage beauftragten Mitgliedern des Päpstlichen Rats für die Laien erforderlich. Besonders intensiv gestaltete sich nahe liegender Weise die Zusammenarbeit mit ‚Rom’ in all den Belangen, die den Papst betrafen, und die in enger Abstimmung mit dem päpstlichen Reisemarschall erfolgen musste: die Festlegung der einzelnen Programmpunkte seines Besuchs in Deutschland, die mannigfaltigen, durch die höchste Sicherheitsstufe bedingten Vorkehrungen für seinen Schutz, die einzelnen Etappen seiner Fahrtroute durch Köln, für die aus Sicherheitsgründen eine offizielle und eine interne Strecke erarbeitet wurde. Aber auch die fünfstufige Staffelung der so genannten „Pilgerpakete“ mit unterschiedlichen Preisen je nach Herkunftsregion und Leistungsumfang ebenso wie das Konzept des „Pilgerrucksacks“ (Kosten, Befüllung etc.) und vieles andere mehr bedurfte der Genehmigung durch die römische Kurie. Die von den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Bereiche – zumindest zu Beginn der Planungsphase eben in (Zwangs-)Kooperation mit den hierfür vorab gebildeten Arbeitskreisen (vgl. Kapitel 1.3) – erarbeiteten Konzepte mussten von den jeweiligen Bereichsleitern im Leitungsteam des Weltjugendtagsbüros vorgestellt (und im Anschluss nicht selten überarbeitet) werden. Wenn das
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jeweilige Konzept im Leitungsteam und daraufhin in den übergeordneten Gremien – Aufsichtsrat hie, Lokales Organisationskomitee und Bischöfliches Leitungsteam da, wobei letzteres häufig relativ unbürokratisch vom Generalsekretär des Weltjugendtags in Kenntnis gesetzt werden konnte – auf Zustimmung gestoßen und somit ‚in Deutschland’ abgesegnet worden war, musste es den zuständigen Vertretern des Päpstlichen Rats für die Laien vorgelegt werden. Keineswegs war hierfür der Schriftweg das bevorzugte Verfahren, vielmehr haben sich Mitglieder des Leitungsteams – mitunter begleitet von den thematisch jeweils einschlägig befassten Bereichsleitern – wiederholt auf den Weg nach Rom gemacht, und umgekehrt waren Mitglieder des Päpstlichen Laienrats immer wieder in Köln vor Ort, um Einzelfragen zur besprechen. Durch dieses Verfahren war ‚Rom’ nicht nur bestmöglich vor unliebsamen Überraschungen während dem Weltjugendtag gefeit, sondern konnte das Geschehen bis ins Detail hinein kontrollieren. Für die Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros war ‚Rom’ damit nachgerade allgegenwärtig; einerseits bzw. für die einen lieferte dies kontinuierlich einen enormen Motivationsschub, andererseits bzw. für die anderen verstärkte dies den Eindruck, an einer Unternehmung beteiligt zu sein, deren Richtung bzw. Gestaltung kaum beeinflussbar ist. Seiner formalen Personalstruktur nach war das Weltjugendtagsbüro dadurch gekennzeichnet, dass hier ca. achtzig hauptamtlich angestellte Personen über die gesamte Büro-Laufzeit mit einem festen Arbeitsvertrag und gegen „normale“ Bezahlung tätig waren, von denen lediglich zwei Mitglieder des so genannten Leitungsteams vorübergehend aus der kirchlichen Organisation ‚abgeordnet’, ansonsten jedoch – sowohl aus dem kirchlichen wie auch aus dem „säkularen“ Umfeld stammende – Fachleute für die verschiedenen Aufgabenfelder (wie Logistik, Technik, Kommunikation und Management) rekrutiert wurden. Während die Personalstärke in manchen Bereichen (z.B. Begegnung, Kulturfestival) bis zum Schluss ausgesprochen überschaubar war, wurden in anderen Bereichen (z.B. Kommunikation und Öffentlichkeit, Pilgerwesen) Unterbereiche bzw. Abteilungen ausdifferenziert.43 Die Leiter der dreizehn Bereiche waren ihren eigenen Aussagen zufolge zwar maßgeblich an der Rekrutierung ihrer hauptamtlichen Mitarbeiter beteiligt. Keinen oder wenig Einfluss allerdings hatten sie selber auf die Anzahl der zu besetzenden Stellen in ‚ihrem’ Bereich. Ob die – nicht in allen, aber in den meisten Bereichen sukzessiv zunehmende – 43
Der Bereich „Pilgerwesen“ war als einziger Bereich in vier Abteilungen – Mobilität, Verpflegung, Registrierung, Unterkunft – unterteilt, denen jeweils ein Abteilungsleiter vorgesetzt war. Zusätzlich war dieser Bereich als einziger mit einer Referentin ausgestattet. Der Leiter des Bereichs „Kommunikation und Öffentlichkeit“ spricht – semantisch an die der Bürostruktur angelehnt – von fünf „Säulen“ in seinem Bereich: Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Merchandising, Internet, Koordination.
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Arbeitsbelastung zum Zeitpunkt der Planung des Weltjugendtagsbüros schlicht unterschätzt worden ist, ob hierfür von vornherein nur sehr begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung standen, oder ob ‚Klappern’ auch hier zum ‚Handwerk’ gehört, ist schwer einzuschätzen – die personelle Unterausstattung und die daraus resultierende Arbeitsüberlastung war jedenfalls eine Klage, die wir aus allen Arbeitsbereichen zu hören bekamen. ‚Entlastet’ wurden die hauptamtlichen Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros zum einen dadurch, dass während der drei Jahre, in denen das Weltjugendtagsbüro in Köln bestanden hat, bestimmte, in der Regel sehr konkret umrissene Aufgaben (wie z.B. die inhaltliche Vorbereitung der Schulung der Kurzzeitfreiwilligen; vgl. Kapitel 4.3), deren Erledigung nicht an eine Präsenz im Büro gebunden war, an so genannte „Ehrenamtliche“ vergeben wurden – an Personen, die weder im Weltjugendtagsbüro noch in einer hauptamtlichen Funktion bei der Katholischen Kirche angestellt waren, häufig aber auf eine lange Ehrenamts-Karriere (in einer Pfarrgemeinde, bei einem Jugendverband oder ähnlichem) zurückschauen konnten.44 Zum anderen wurden alle Bereiche ab Sommer 2004, im Maximalfall dreizehn Monate lang, personell mit so genannten „Langzeitfreiwilligen“ verstärkt.45 Das waren Jugendliche aus aller Welt, die gegen Unterkunft, Verpflegung und ein monatliches Taschengeld ein Freiwilliges Soziales Jahr46 im Weltjugendtagsbüro absolvierten und deren ‚Rundumversorgung’ (Unterbringung, psychosoziale und pädagogische Betreuung, Arbeitseinsatz usw.) dem Bereich ‚Freiwillige’ des Weltjugendtagsbüros oblag. Jedes der 27 deutschen Bistümer sowie jede der ca. 150 Bischofskonferenzen weltweit hatte die Möglichkeit, jeweils zwei Jugendliche – idealerweise eine Frau und einen Mann – als Langzeitfreiwillige für die Mitarbeit im Weltjugendtagsbüro vorzuschlagen. Das Auswahlverfahren für diese zwei Stellen vollzog sich in den einzelnen Diözesen und Nationen sehr unterschiedlich: mancherorts 44
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Ihre langjährige Erfahrung in der katholischen Jugendarbeit prädestinierte solche Personen bereits für die Mitarbeit in den erwähnten Arbeitskreisen, die noch vor der Einrichtung des Weltjugendtagsbüros insbesondere zur inhaltlichen Vorbereitung des Weltjugendtags etabliert und den einzelnen (Arbeits-)Bereichen des Büros beratend zur Seite gestellt worden waren. Diese Arbeitskreise waren keine ‚offenen’ Versammlungen, die Mitglieder wurden vielmehr persönlich vom Jugendbischof berufen. Die ersten traten ihren Dienst im August 2004 an, weitere im Oktober und November des gleichen Jahres, die letzten der insgesamt 150 Langzeitfreiwilligen folgten im Januar und März 2005. Das Freiwillige Soziale Jahr ist – ebenso wie das Freiwillige Ökologische Jahr – eine staatlich geförderte Form des Freiwilligendienstes, für die hinsichtlich Dauer (befristet auf ein Jahr, das im Inland um maximal sechs Monate verlängert werden kann), Fragen der sozialen Sicherung, Trägeranerkennung (Diözesen etwa sind anerkannte Entsende- und Aufnahmeorganisationen internationaler Freiwilligendienste) und Standards der pädagogischen Begleitung (25 Seminartage) bundesgesetzliche Bestimmungen maßgeblich sind (vgl. hierzu die Beiträge in Baldas/Roth 2003; zur Motivation der FSJler siehe auch Becker-Lenz 2004).
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2 Strukturen des Organisierens
wurde ein aufwändiges Bewerbungsverfahren angesetzt, an dessen Ende zwei als geeignet angesehene Jugendliche vom jeweiligen Bischof ‚berufen’ wurden, andernorts hat der Bischof ihm persönlich bekannte Jugendliche kurzerhand für diese Tätigkeit ausgewählt. Da den deutschen Bistümern bereits im Vorfeld jeweils zwei Stellen für Langzeitfreiwillige ihrer Wahl zugesichert worden waren (wobei keineswegs alle Bistümer von dieser Entsende-Möglichkeit Gebrauch gemacht haben), war es den Entscheidungsträgern im Weltjugendtagsbüro bei den schriftlichen Bewerbungen aus dem Ausland eher möglich, passende Kandidaten für die in den Arbeitsbereichen vorab erstellten Anforderungsprofile auszuwählen: grundsätzliche Kriterien hierbei waren die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, gute Sprachkenntnisse, und eine hohe Motivation für die Mitarbeit beim Weltjugendtag bzw. eine starke Identifikation mit der Idee des Weltjugendtags. Wenngleich die Bereichsleiter im Weltjugendtagsbüro nicht nur den quantitativen Bedarf an freiwilligen Langzeithelfern, sondern auch die KompetenzAnforderungen für Tätigkeiten in ihrem Bereich anmelden durften (und die ‚Bewerber’ mittels eines Fragebogens diesbezüglich auch detailliert ‚abgefragt’ wurden), kann nicht durchgängig von einem ‚Passungsverhältnis’ gesprochen werden, weshalb in manchen Fällen – in gegenseitigem Einvernehmen – ein Stellentausch unter den Langzeitfreiwilligen vorgenommen wurde. In den meisten Fällen hat man sich aber schlicht arrangiert – entweder in dem Sinne, dass die zusätzlichen Kräfte ausschließlich für ‚niedere’ Dienste eingesetzt wurden, oder dahingehend, dass diesen die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten schnell und pragmatisch oder per sprichwörtlichem ‚Sprung ins kalte Wasser’ (d.h. qua Learning by Doing) an-‚trainiert’ wurden. Einerseits wiesen die Kompetenzniveaus der Langzeitfreiwilligen ein hohes Gefälle auf, andererseits zeichneten sich ihre Einsatzgebiete durch eine große Bandbreite mit unterschiedlich hohen Kompetenzanforderungen aus: Während Langzeitfreiwillige in manchen Arbeitsbereichen mit eher anspruchslosen Aufgaben wie dem Einpflegen von Daten in die für den Weltjugendtag eigens entwickelte Pilgersoftware PISO oder mit einfachen Schreibarbeiten betraut wurden, wurden ihnen in anderen Bereichen Übersetzungstätigkeiten oder gar relativ verantwortungsvolle Konzeptionsaufgaben bis hin zur weitgehend eigenständigen Betreuung kleinerer oder größerer (Teil-)Projekte übertragen. Die Präsenz dieser Jugendlichen im Hause hat nach Auskunft der Bereichsleiter das Arbeitsklima im Weltjugendtagsbüro erheblich verändert. Ihre weitgehende Unerfahrenheit in der Sache hätten „die jungen Leute“ durch ihr hohes Commitment für die Sache „mehr als wett gemacht“. Die völlig ungetrübte positive Attribuierung im Verein mit der rhetorischen Ausdauer, mit der die Hauptamtlichen, und zwar sowohl die Mitglieder des Leitungsteams als auch die direkt mit ihnen konfrontierten Bereichsleiter, im Gespräch mit uns und bei öffentli-
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chen Auftritten (in Pressekonferenzen, bei Vorträgen) die Zusammenarbeit mit den Langzeitfreiwilligen als besonders beeindruckend, intensiv, gewinnbringend, also durchweg positiv geschildert haben, deutet darauf hin, dass es sich bei dieser konsensuellen Euphemisierung um einen hausintern vereinbarten und gepflegten Sprachgebrauch, sozusagen um eine ‚Gebetsmühle’ gehandelt hat. Dieser Eindruck basiert darauf, dass diese Euphemismen in ‚Zwar-aberKonstruktionen’ (im Verstande von: „es gibt zwar schon viele Probleme, aber es ist eine solche Freude, mit den jungen Leuten zusammenzuarbeiten…“) formuliert wurden, bei der das ‚Zwar’ unausgesprochen blieb. Hintergrund dafür dürfte sein, dass die Einbindung von Volunteers in die Organisation großer Events keine Seltenheit ist, dies in aller Regel aber auf das Event selber oder auf Randbereiche der Eventvorbereitung begrenzt wird.47 Beim Weltjugendtag waren in der ‚heißen’ Phase der Eventvorbereitung von 230 Mitarbeitern 150, d.h. knapp zwei Drittel, ohne (Fach-)Ausbildung, häufig direkt von der Schule, d.h. ohne jede Berufserfahrung, ein Teil davon aus dem Ausland – d.h. ohne Kenntnisse der alltäglichen oder gar bürokratischen Ablaufe in Deutschland, dafür mit Heimweh und zugleich großen und idealistischen Erwartungen an das päpstliche Großereignis – in der Organisationszentrale tätig. Ein Hinweis auf den Idealismus unter den Langzeitfreiwilligen ist die hohe Anteilnahme dieser Jugendlichen am Sterben von Johannes Paus II., welche die Stimmung im Büro offenbar besonders stark geprägt hat. Idealismus mag nun aber zwar eine Tugend bei Entwicklung erster Event-Ideen sein; mit dem für Organisationstätigkeiten geforderten Realismus verträgt er sich jedoch selten. Und selbst wenn man im Nachhinein die unausweichliche Ernüchterung durch den Blick ‚hinter die Kulissen’ als nützliche ‚Schule des Lebens’ deuten mag: vollzogen hat sich dieser Ernüchterungsprozess in einer Organisationsphase, in der träumerische Bedenklichkeiten von MitOrganisatoren sich für die damit Konfrontierten als hinderlich erwiesen haben. Weniger explizit denn implizit enthalten unsere Gespräche aber auch Hinweise darauf, dass die Arbeitsatmosphäre im Weltjugendtagsbüro durch Nüchternheit und allenfalls funktionale Zusammengehörigkeit geprägt war, was nicht zuletzt dadurch verursacht gewesen sein dürfte, dass diese ‚temporäre Organisation’ eher ‚mechanisch’ auf dem Reißbrett geplant und von vornherein befristet angelegt worden war – im Unterschied zu einer ‚organisch’ gewachsenen Organisation, in der die oft langjährige Zusammenarbeit die Mitglieder nolens volens zu einer Art Arbeits-‚Gemeinschaft’ zusammenschweißt. Die allem Anschein nach offenbar symptomatische formale Kooperation zwischen den Bereichen, die durch deren Zuordnung zu einer der drei jeweils einem Büroleiter unterstellten 47
Dies war der Fall bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, und es ist ebenso für das Großereignis „Ruhr 2010“ vorgesehen, bei dem Volunteers als eine Art ‚Botschafter’ für die Kultur des Ruhrgebiets fungieren sollen.
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2 Strukturen des Organisierens
‚Säulen’ zusätzlich erschwert war, wurde weniger intendiert als beiläufig durch den informellen Austausch unter den Langzeitfreiwilligen ‚aufgeweicht’. Diese entwickelten im Zuge ihrer Mitarbeit einerseits zwar offenbar eine hohe Loyalität ‚ihren’ jeweiligen ‚Kollegen’ und ‚Vorgesetzten’ gegenüber, andererseits bewirkte die dem Träger aufgrund der der Rechtsform des ‚freiwilligen sozialen Jahrs’ auferlegte Verpflichtung zur pädagogischen Begleitung durch Seminare ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl der „FSJler“ untereinander.48 Überdies konnten beispielsweise aus mangelhaftem Informationsaustausch resultierende Kommunikationsprobleme aufgrund der Internationalität des Büropersonals nun schlicht als sprachliche Verständigungsprobleme ‚kaschiert’ und dadurch entschärft werden.
2.2 ‚Quer’-Vernetzung Vernetzt wurden die Büroaktivitäten nicht nur informell über den Austausch der Langzeitfreiwilligen und über die Eigeninitiative von Bereichsleitern, sondern sukzessive auch systematisch in der Funktion der Assistentin der Geschäftsführung, die als Stabsleiterin ohnehin mit der Betreuung von Querschnittsthemen wie Umweltschutz, Sponsoring und Barrierefreiheit betraut war, wobei für jede dieser Aufgaben ein(e) Verantwortliche(r) dem Stab zugeordnet war. Durch ihre vorgängige Berufserfahrung bei der Unternehmensberatung McKinsey war diese „rechte Hand“ des Geschäftsführers in Fragen professioneller Projektorganisation versiert. Für die gelingende Umsetzung von Projekten werden in der einschlägigen Literatur eher flache Hierarchien und eine teamförmige Kooperationsweise als förderlich erachtet – allerdings unter disziplinarischer Anleitung des Projektteams durch einen mit weit reichender Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Projektmanager und/oder Projektleiter.49 Vor diesem Hintergrund war sie zunehmend um eine (teil-)projektbezogene Quervernetzung – quer zur Organisationshierarchie – der dreizehn Arbeitsbereiche des Weltjugendtagsbüros bemüht. Eine auf ihre Initiative zurückgehende Maßnahme zur Beförderung einer ‚horizontalen’ Projektlogik (gegenüber der strukturell etablierten ‚vertikalen’ Bereichslogik) war die Einrichtung einer so genannten „Clearingrunde“, die den 48
49
Die „pastorale Begleitung“ der Langzeitfreiwilligen oblag dem Weltjugendtagssekretär des Kölner Erzbistums in seiner Zusatz-Funktion als Leiter der Jugendbildungsstätte Altenberg. Neben zahlreichen Wochenendseminaren in dieser Einrichtung war ein wöchentlicher Morgengottesdienst, dem alle Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros beiwohnen konnten, fester Bestandteil des Betreuungsprogramms. Die Frage nach Organisationsstrukturen, die einer gelingenden Projektdurchführung förderlich sind, steht derzeit im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses eines „International Research Network on Organizing by Projects“ (vgl. Einleitung).
2.2 ‚Quer’-Vernetzung
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einzelprojektbezogenen Austausch unterhalb der Bereichsleiterebene befördern sollte. In dieser an jedem Freitag, also wöchentlich angesetzten Runde sollten die direkt mit der Bearbeitung der jeweiligen Einzelprojekte befassten Mitarbeiter gemeinsam Lösungen für die im Laufe der jeweils zurückliegenden Woche aufgetretenen bzw. erkannten Probleme erörtern und in die Wege leiten. Denn allein die logistische Vorbereitung der – um die Kooperationserfordernis an einem Beispiel unter vielen zu verdeutlichen – insgesamt 260 Katechesen in der Erzdiözese Köln erfordert
die in der Zuständigkeit des Bereichs ‚Veranstaltungslogistik’ liegende Bereitstellung der von den städtischen Behörden als ausreichend groß genehmigten Katecheseorte, die in der Zuständigkeit des Bereichs ‚Freiwillige’ liegende Zuordnung ausreichend vieler und letztendlich qualifizierter Volunteers, die jeweils zu Teams zusammengefasst bei ihrer Arbeit von Teamleitern geführt, von Gruppenleitern betreut und von Programmleitern angeleitet wurden, die in der Zuständigkeit des Bereichs ‚EDV/Personal’ liegende Administration der mit einem EDV-Unternehmen konzipierten Pilgersoftware PISO, über die sowohl die Erfassung aller verfügbaren Veranstaltungsräume (samt ihrer technischen Ausstattung) als auch die Akkreditierung und das ‚Matching’ der 25.000 freiwilligen Helfer abgewickelt wurde, die in der Zuständigkeit des Bereichs ‚Verkündigung’ liegende Zuweisung sprachlich einschlägiger Katecheten (mit Bischofswürde), die in der Zuständigkeit des Bereichs ‚Pilgerwesen’ liegende Zuweisung der von einer Catering-Firma installierten so genannten „Essensausgabestellen“ u.v.a.m.
Entsprechend hoch war der Kooperationsaufwand bei der Planung und Vorbereitung der so genannten „Großliturgien“: der „Heiligen Messe zur Eröffnung“, die beim Kölner Weltjugendtag aus logistischen Gründen50 zeitgleich an drei Standorten, nämlich in den drei Großstädten des Kölner Erzbistums (Köln, Bonn und Düsseldorf) zelebriert wurde, die „Willkommensfeier für den Heiligen Vater“ im Kölner Dom, der ein Empfang am Flughafen Köln-Bonn und die Anreise des Papstes mit dem Schiff über den Rhein vorausging, sowie die „Vigil“ und die „Abschlussmesse mit dem Heiligen Vater“ am Marienfeld.
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Vom ursprünglichen Vorhaben, der Tradition der Weltjugendtage entsprechend einen gemeinsamen Eröffnungsgottesdienst in den Kölner Rheinauen zu feiern, wurde Abstand genommen, nachdem die bürokratischen Auflagen zur Vorsorge für ein etwaig zu gewärtigendes Hochwasser des Rheins finanziell als nicht tragbar eingeschätzt wurden.
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2 Strukturen des Organisierens
Unvorhergesehen hohen Kooperationsaufwand erforderte überdies die Vorbereitung des so genannten „Jugendfestivals“, das der Zentralvorgabe des Memorandums zufolge seit dem Weltjugendtag 1997 in Paris einen integralen Bestandteil des Weltjugendtagsprogramms bildet, wenngleich es von der Gewichtigkeit her dem aus den vorgenannten (Groß-)Veranstaltungen bestehenden „Grundprogramm“ nachgeordnet ist. Das impliziert insbesondere, dass die in diesem Rahmen vorgesehenen Veranstaltungen auf keinen Fall parallel, sondern nur in den von durch die Zentralveranstaltungen dominierten Programmgerüst offen gelassenen Zeiträumen angesetzt werden dürfen. Der besondere Koordinationsaufwand für dieses ‚Nebenprogramm’ resultierte aber nicht, wie vielleicht vermutet werden könnte, aus dessen nachrangiger Stellung zum Grundprogramm, die als vorgängige Rahmenbedingung von vornherein festgeschrieben war, sondern aus dem Umstand, dass in der Stellenbeschreibung für die Bereichsleitung ‚Jugendfestival’ ein starker Akzent auf den allgemein-kulturellen Aspekt dieser Aufgabe gelegt und die Stelle dementsprechend ‚adäquat’ besetzt worden war. Im Laufe der Vorbereitungen – vermutlich aufgrund der dezidierten Rückmeldungen aus dem päpstlichen Rat für die Laien, dessen Entscheidungsträger (hier wie generell) das sprichwörtlich ‚letzte Wort’ hatten – wurde deutlich, dass akzeptiert werden musste, dass eine überwiegend kulturelle Akzentuierung als nicht im Einklang mit den Intentionen des Veranstalters stehend angesehen wurde. Daraufhin wurden der Leiter des Bereichs ‚Katechese und Verkündigung’ mit der Einwerbung, Auswahl und Betreuung von spirituellen Veranstaltungen (z.B. Meditationsangebote, Gebetskreise etc.) und der Leiter des Bereichs ‚Pastorale Vor- und Nachbereitung’ mit der Ausschreibung und Auswahl von ‚inhaltlichen’ Veranstaltungen (z.B. Diskussionsrunden zu sozialen und gesellschaftspolitisch virulenten Themen) betraut (vgl. Abb. 4). Aufgrund des starren Programmgerüsts des Weltjugendtags unterlag das Programm des Jugendfestivals erheblichen zeitlichen Restriktionen. Erschwerend kam hinzu, dass prinzipiell zwar eine hohe Kapazität an (Kirchen-)Räumen gegeben war, diese aber sowohl hinsichtlich ihres Fassungsvermögens als auch hinsichtlich ihrer jeweiligen technischen Ausstattung ausgesprochen divergent waren. Die Kombination dieser Bedingungen machte ein hohes Maß an Abstimmung unter den Koordinatoren des Festivalprogramms erforderlich, das durch den Einsatz der allen Bekundungen zufolge ausgesprochen störungsanfälligen Pilgersoftware PISO allenfalls ‚abgemildert’ werden konnte. Die bereichsübergreifende Koordination des Kulturfestivals wurde in einer frühen Phase vom Leiter des Bereichs „Begegnung“ geleistet, der die eingehenden Bewerbungen entsprechend ihrer eher kulturellen, spirituellen oder ‚inhaltlichen’ Ausrichtung sichtete und somit vorsortierte. Später wurde die Abstimmung hinsichtlich räumlicher, zeitlicher und sonstiger Überschneidungen und die ab-
2.3 Politik ‚von unten’
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schließende Programmerstellung vom intern als „Programmdirektor“ titulierten Referenten der beiden Weltjugendtagssekretäre vorgenommen bzw. koordiniert.
Abbildung 4:
Bürointern ausgebildete Struktur zur Erstellung des Jugendfestival-Programms (eigene Darstellung)
2.3 Politik ‚von unten’ Die Perspektive des hauptamtlichen Personals des Weltjugendtagsbüros wird maßgeblich von der Aufgabe bestimmt, vor die es sich jeweils gestellt sieht, genauer: von der je eigenenWahrnehmung der jeweiligen Zuständigkeit – explizit oder implizit in Abgrenzung zu den Zuständigkeiten relevanter anderer Akteure innerhalb und außerhalb des Büros. Allerdings ‚ergibt’ sich (auch) die Aufgabe, die im Rahmen der Anstellung im Weltjugendtagsbüro zu erfüllen ist, nicht ‚einfach’ aus der Stellenbeschreibung. Die Antwort auf die Frage, wie die Aufgabe aussieht, die man (übernommen) hat, oder gar, wie man sich selber in Relation sieht zu dieser Aufgabe, erfordert vielmehr (auch hier) einen deutenden Zugriff und eine plausibilisierende Vermittlung dieser Deutung an Vorgesetzte, Arbeitskollegen und Mitarbeiter.
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2 Strukturen des Organisierens
2.3.1 Kompetenzmarkierung Bei der Auswertung des Interviewmaterials mit den 13 Bereichsleitern des Weltjugendtagsbüros sind wir denn auch auf eine ‚durchgängige’ Form der Kompetenzmarkierung als ‚Profi’ gestoßen, die uns zunächst überrascht hat – weil wir zumindest auf dieser ‚zweiten’ Führungsebene die Explikation einer sehr hohen Identifikation mit dem Weltjugendtagsbüro bzw. mit der dieses konstituierenden Zielsetzung erwartet hatten: Entgegen dieser unserer Erwartung definierten die Bereichsleiter des Weltjugendtagsbüros ihre jeweilige Aufgabe vor allem im Rückgriff auf vorhergehende Berufstätigkeiten (z.B. „ursprünglich komme ich ja aus der Kulturarbeit“). Da dies relativ durchgängig geschah, haben wir angenommen, die vorgängigen Berufserfahrungen seien jeweils die einzig verfügbare Folie zur Interpretation der laufenden bzw. anstehenden Aufgabe(n) und vor allem zum Accounting dafür, dass man die entsprechende Stelle im Weltjugendtagsbüro bekommen hatte. Ebenso durchgängig wurden aber auch etwelche zukünftig angestrebte Berufstätigkeiten bzw. Stellenambitionen thematisiert (z.B.: „ich hab auch ein Interesse nachher im Kulturbereich wieder zu arbeiten“), was vor allem als Strategie zu interpretieren sein dürfte, das jeweilige (berufliche) Selbstbild antizipativ über die befristete Mitgliedschaft in einer temporären Organisation als rational – und d.h. unter Bedingungen einer Rechtfertigungsordnung, die Boltanski/Chiapello (2003: 58ff) als „projektbasierte Polis“ beschreiben, als „Projekt-Ich“ (Bröckling 2005: 381) – zu stabilisieren. Vermutlich handelt es sich bei dieser Selbst- und Kompetenzverortung ‚diesseits und jenseits’ der seinerzeit aktuellen Tätigkeit im Weltjugendtagsbüro jedoch teilweise um ein Artefakt: Wir waren unseren Interviewpartnern gegenüber angekündigt als Forscher, die sich mit den mit dem Weltjugendtag verbundenen organisatorischen Fragen und Problemen beschäftigen. Mithin bildete ihre Identifikation mit der Organisationsaufgabe ‚Weltjugendtag’ für sie sozusagen den ‚unbefragten Boden’, auf dem stehend sie uns nahe liegender Weise weniger über das anscheinend ohnehin augenfällig Bekannte bzw. Geläufige erzählten als eben über das, was in ihren Augen den Horizont des Gegenwärtigen transzendierte. Unbeschadet dessen aber markieren unsere Interviewpartner hier zumindest beiläufig, dass das Ausmaß ihrer jeweiligen Identifikation mit der temporären Organisation ‚Weltjugendtagsbüro’ (und möglicherweise auch mit der katholischen Kirche) – absichtsvoll oder auferlegter maßen – begrenzt sei, dass ihre jeweilige professionelle Identität bzw. ihr berufliches Selbstverständnis nicht aufgehe in dem damals ‚jetzigen’, zeitlich limitierten Job. In dieser Vorher-Nachher-Figur wird eine für Akteure in projektförmigen Arbeitszusammenhängen (bzw. in prekären Beschäftigungsverhältnissen) symptomatische Form der kommunikativen Selbstverortung im Rahmen so genannter
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Portfolio-Biografien erkennbar (vgl. Gross 2000): „Und ähm, ich von meinem Hintergrund aber aus der Kulturarbeit komme, und äh gesagt habe, wenn ich das jetzt federführend leiten soll, und das das war damals auch vom Stellenprofil her, dass dass sehr stark auf den kulturellen Akzent fokussiert war, und ich äh keine Theologin bin äh, sodass ich gesagt habe, diese spirituellen oder inhaltlichen Veranstaltungen die kann ich gar nicht qualifiziert bewerten, weil ich da einfach das Hintergrundwissen nicht dazu hab, und äh dann hat es hier eine Aufteilung gegeben“ (I_3: Z_8ff). Mit seiner Definition seiner Arbeitsaufgabe stellt der Akteur nicht nur die Weichen für die Aktivitäten, die er im weiteren zu deren Ausführung unternehmen wird; er markiert überdies, wofür er Zuständigkeit beansprucht und was er aus seiner Zuständigkeit ‚ausklammert’ (hier z.B. die Zuständigkeit ‚nur’ für kulturelle, nicht aber für politisch-inhaltliche oder religiös-spirituelle Programmpunkte des Jugendkulturfestivals, das seinerseits Bestandteil des Weltjugendtags war). Es geht in aller Regel also durchaus nicht darum, einen möglichst umfangreichen Zuständigkeitsbereich zu beanspruchen (so hatte die Kompetenzmarkierung in diesem Fall die Auslagerung der nicht-kulturellen Bestandteile der Programmgestaltung des Jugendkulturfestivals in andere Bereiche zur Folge). Durchaus auch der für ‚temporäre Organisationen’ typischen kompetenzorientierten Rekrutierungslogik (vgl. Packendorff 1995: 327) entsprechend geht es vielmehr darum, im – begrenzten und als begrenzt wahrgenommenen – Zeitraum der Beschäftigung möglichst mit solchen Aufgaben betraut zu sein bzw. zu werden, die den für sich selber reklamierten Kompetenzen und den (wie auch immer motivierten) eigenen Präferenzen und Neigungen entsprechen. Erfolgreich etablieren lassen sich solche Ansprüche nahe liegender Weise am einfachsten dann, wenn sie konkurrenzlos sind. Gegenüber Konkurrenz bzw. gegenüber konkurrierenden Deutungen hingegen muss für die je beanspruchte Kompetenz bereits vorhandene Kompetenz glaubhaft gemacht bzw. – in der Theoriesprache des Mikropolitik-Ansatzes formuliert – die „Beherrschung eines spezifischen Sachwissens“ (Crozier/Friedberg 1979: 50) als Machtquelle innerorganisatorischer Interessendurchsetzung genutzt werden.
2.3.2 Strukturelle Feinjustierung Was wir über das und aus dem Weltjugendtagsbüro wissen, weist (überdeutlich) darauf hin, dass dessen organisationale Struktur ‚de facto’ nicht der entspricht, die im offiziellen Organigramm (vgl. Abb. 1) abgebildet ist: Die Organisationsstruktur des Weltjugendtagsbüros ist vielmehr durch eine erhebliche vertikale und horizontale Gliederung und Differenzierung gekennzeichnet, welche im offiziellen
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2 Strukturen des Organisierens
Organigramm nicht zum Ausdruck kommt und in dem von uns den rekonstruierten Feinjustierungen der Organisationsstruktur entsprechend revidierten Organigramm ebenfalls lediglich schematisch angedeutet werden kann (vgl. Abb. 5):
Abbildung 5:
Mikropolitisch ausgehandelte Organisationsstruktur (Quelle: eigene Darstellung)
Zunächst fällt auf, dass dem Organigramm zufolge drei – jeweils mehrere Bereiche umfassende – ‚Säulen’ jeweils einem der drei Mitglieder des Leitungsteams zugewiesen sind, während büro-intern lediglich zwei Säulen – nämlich „Inhalt“ hie und „Logistik“ da – unterschieden wurden. Innerhalb der Säule „Inhalt“ wurde dem für die religiösen Großveranstaltungen (Willkommensfeier, Vigil, Abschlussfeier usw.) zuständigen Bereich ‚Liturgie’ augenscheinlich eine Vorrangstellung eingeräumt. Und in der Logistik-Säule ist – zumindest dem bereichsinternen Selbstverständnis nach – der Bereich ‚Pilgerwesen’ hierzu als Pendant anzusehen, den seine Protagonisten – schon allein aufgrund seines personellen Umfangs, aber auch aufgrund seiner mehrdimensionalen Aufgabenstruktur – als „logistische Zentrale“ des Weltjugendtags verstanden wissen wollen.
2.3 Politik ‚von unten’
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Wesentlich gravierender noch aber ist ein anderer Fall: Durch die Ex postFormalisierung eines – in einem so genannten „Kommunikationskonzept“51 formulierten – entsprechenden Vorrang-Anspruches wurde der Bereich „Kommunikation und Öffentlichkeit“ den anderen Bereichen übergeordnet: Begründet wurde diese im Organigramm nicht vorgesehen gewesene Umstrukturierung darüber, dass dieser Bereich als ‚Brückenkopf‘ für alle Medienkontakte (von innen nach außen und umgekehrt) fungieren sollte – und de facto auch fungiert hat. Unter anderem hat in der Folge der Leiter des Bereichs „Kommunikation und Öffentlichkeit“ – als einziger Bereichsleiter – sowohl den Status eines ständigen Mitglieds in der wöchentlichen Besprechung des Leitungsteams als auch den eines ‚Dauergastes’ in dem dem Weltjugendtagsbüro übergeordneten „Lokalen Organisationskomitee“ (s. Abb. 3) erlangt. Die Organisation des Weltjugendtags hat hier also eine strukturelle Feinjustierung erfahren – mit nicht unerheblichen Folge- und Nebenwirkungen. Wie immer hierbei das individuelle mikropolitische Geschick des Bereichsleiters ‚Kommunikation und Öffentlichkeit‘ in der Nutzung jener „Machtquellen“, die „aus der Kontrolle von Informationen und Kommunikationskanälen herrühren“ (Crozier/Friedberg 1979: 50), einzuschätzen sein mag: augenscheinlich gab es jedenfalls eine ‚innenpolitische’ Interessenkonstellation, aus der immerhin eine Revision der Formalstruktur resultiert hat.52 Wie wir aus der Organisationsforschung ohnehin wissen, wie aber auch diese Beispiele noch einmal deutlich machen, darf die Organisationsstruktur oder gar das Organigramm also tatsächlich keinesfalls als Entsprechung der mikropolitisch relevanten Selbstverständnisse und ‚innenpolitischen’ Selbstverortungen der Organisationsmitglieder verstanden werden. Als Dokument ‚offiziell’ gewollter Objektivierung der ‚offiziell’ erwünschten hierarchischen Ordnung kann dem Organigramm zwar die Macht eines für das Accounting (vgl. Brosziewski 51
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„Klare Strukturen ermöglichen klare Kommunikation: Der Pressesprecher kommuniziert für den WJT nach außen. Er sammelt Anfragen und leitet diese weiter. Er trifft mit dem Leitungsteam Sprachregelungen und trägt Verantwortung für den Mainstream der öffentlichen Wahrnehmung des WJT. Klare Strukturen sind der Garant für eine hohe Akzeptanz des WJT-Büros nach außen, daher ist die Effizienz der Entscheidungsstrukturen ständig zu optimieren“ (Punkt 5.2.4 des Kommunikationskonzepts). Dieses Kommunikationskonzept ist nicht identisch mit jenem Konzept, das im Bereich ‚Freiwillige’ zur Kanalisation der Kommunikation mit den Volunteers entwickelt wurde (vgl. Kapitel 5.5.1). Im Rahmen eines Artikels auf WDR.de war ein Foto mit dem Generalsekretär des Weltjugendtags, dem Geschäftsführer des Weltjugendtags gGmbH und dem Bereichsleiter „Kommunikation und Öffentlichkeit“ des Weltjugendtagsbüros mit „die drei „Köpfe’“ des Weltjugendtags untertitelt. Diese Titulierung entspricht vermutlich der realen, aber eben nicht der im Organigramm offiziell ausgewiesenen Machtverteilung, wonach das Weltjugendtagsbüro durch eine Dreierspitze aus Geschäftsführer und den Weltjugendtagssekretären des Erzbistums Köln und der Deutschen Bischofskonferenz geleitet wird, der gegenüber der Generalsekretär weisungsbefugt ist.
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2 Strukturen des Organisierens
2002: 93-97; Becker 1999) organisationaler Verpflichtungen einzelner Akteure ‚offiziell’ nutzbaren Instrumentes zuwachsen, gleichwohl bildet es noch weniger als die Organisationsstruktur tatsächliche, mikropolitisch erhandelte bzw. ‚innenpolitisch’ durchgesetzte Machtverhältnisse ab.
2.3.3 Maßnahmen zur Gesichtswahrung Die (hier nur angedeutete) analytische Beschäftigung mit Mikropolitiken und ‚Innenpolitiken’ in einer Organisation – ebenso wie die analytische Beschäftigung mit Organisationen als einem unentwegten Ineinandergreifen von Interaktions- und Kommunikationsprozessen – verführt mitunter dazu, die Probleme organisationaler ‚Außenpolitiken’ zu vernachlässigen. Aushandlungs-, Abstimmungs- und Legitimationsbedarfe finden wir aber bekanntlich keineswegs nur im organisationsinternen Miteinander, sondern selbstverständlich auch im Verhältnis zwischen der Organisation und ihrer ‚Umwelt’.53 In diesem Sinne hat auch das Weltjugendtagsbüro – teils hochrelevante und ständige, teils marginale und gelegentliche – Beziehungen zu kaum überblickbar vielen anderen ‚Stellen’ unterhalten: Besonders wichtige Mit- und mitunter auch Gegenspieler in diesem komplexen ‚außenpolitischen’ Geflecht waren augenscheinlich und zuvörderst all jene Gremien in der katholischen Kirche, die dem Weltjugendtagsbüro gegenüber als in irgendeiner Form weisungsbefugt galten (a. Abb. 3). Gepflegt werden mussten nahe liegender Weise aber auch die Beziehungen zu all den Diözesen, Bistümern, Dekanaten und Pfarreien, die auf vielfältige Weise (von den „Tagen der Begegnung“ über Anmeldungen und die Bereitstellung von Unterkünften bis hin zur Abwicklung einer Lotterie zur Erschließung von in kirchlichen Kontexten unkonventioneller Finanzierungsquellen) in die organisatorischen Vorgänge auf den Weltjugendtag hin bzw. um den Weltjugendtag herum involviert waren (vgl. Kapitel 4.3). Die vielen außerkirchlichen Organisationen, ohne deren Zusammenarbeit mit dem Weltjugendtagsbüro das Event nicht zu realisieren gewesen wäre, lassen sich ganz grob – und unter Vernachlässigung kleinerer ‚Zuarbeiten’ verschiedener nichtkirchlicher Non-Profit-Hilfsdienste – unterteilen in Ämter und Behörden 53
Tatsächlich sind es – handlungstheoretisch genau genommen – natürlich auch ‚extern’ nicht Organisationen oder andere Kollektivformen, die handeln, sondern eben individuelle Akteure, die, in welcher Form auch immer, glaubhaft machen (können), irgendwelche Kollektivformen zu repräsentieren oder sonst wie zu vertreten. Wenn ich hier also von ‚Gesichtswahrung’ rede, dann in einer gleich doppelten Metaphorik: Zum einen hat eine Organisation kein Gesicht und zum anderen fehlen ihr eben auch die Voraussetzungen dafür, es wahren zu können. Es geht um das ‚Image’ bzw. um ‚Images’ einer Organisation, für das bzw. für die irgendwelche Protagonisten auf irgendeine Art Sorge tragen – oder auch nicht.
2.3 Politik ‚von unten’
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(vom deutschen Außenministerium über die Polizei bis zu den Kölner Stadtwerken) einerseits (vgl. Kapitel 4.2) und in privatwirtschaftliche Unternehmen (von der Merchandising-Produktion über Security-Firmen bis zur Pilgerverpflegung und Notdurft-Entsorgung) anderseits (vgl. Kapitel 4.1.2). All diese Kooperationen stellen zum einen organisatorische Herausforderungen dar, zum anderen eignen sie sich in (den bei einer solchen Großveranstaltung wie dem Weltjugendtag nahe liegender Weise nicht eben seltenen) Fällen suboptimaler Abläufe besonders gut zur Externalisierung von Verantwortlichkeit. Denn Schuld-Abweisung, die auf Schuld-Zuweisung an andere verzichtet, lässt sich als politische ‚Technik’ nur in solchen Fällen hinlänglich Erfolg versprechend anwenden, in denen etwelcher Unbill auf „äußere Umstände“ bzw. auf „höhere Gewalt“ zurückgeführt werden kann. (So ließ sich z.B. als Ursache für die desolaten Zustände in einer als Zeltcamp organisierten Unterkunft für 4500 freiwillige Helfer das schlechte Wetter in Anschlag bringen. Der Umstand, dass die Anzahl ausländischer Gäste bei den dem Weltjugendtag zeitlich vorgelagerten ‚Tagen der Begegnung’ in den deutschen Diözesen und Gemeinden deutlich hinter den prognostizierten Zahlen zurückblieben, ließ sich auf durch RomReisen gerade junger Katholiken anlässlich des Todes von Johannes Paul II. im Frühjahr 2005 übermäßig belastete Reisebudgets zurückführen.) Als ‚Schuldige’ für die offensichtliche Fehlkalkulation der Teilnehmerzahlen bei diesen „Tagen der Begegnung“, die bereits im Vorfeld für erhebliche Enttäuschung und einigen Missmut unter den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in den deutschen Diözesen gesorgt hatte, konnte das Weltjugendtagsbüro aber auch die ausländischen Diözesen ausmachen, die falsche Hochrechnungen geliefert hätten. Wenn zwischenzeitlich die Tage der Begegnung ‚offiziell’ gerade wegen den niedrigen Besucherzahlen als besonders intensiv und gewinnbringend für die Erfahrung von Gastfreundschaft bewertet werden, dann wird in diesem Fall die Technik der Schuld-Abweisung durch Schuld-Zuweisung an andere mit der Technik der Bagatellisierung kombiniert – dem argumentativen Muster folgend, man könne nichts dafür, aber es sei ja ohnehin gar nicht so schlimm gewesen. Wenn an diesem Weltjugendtag von den Teilnehmern und insbesondere von den Medien überhaupt etwas skandalisiert worden ist, dann war dies die Verpflegung der – als ‚Pilger’ etikettierten – jugendlichen Teilnehmer: Bemängelt wurde dabei weniger die Qualität des Essens, und auch die für motorisch aktive Jugendliche eher knappe tägliche Kalorienzahl stand nicht im Zentrum der Kritik. Beklagt bzw. angeprangert wurden vor allem die offenkundig gravierenden Nachschubprobleme und dadurch verursachten Engpässe bei der Versorgung der 410.000 Pilger und 23.000 Freiwilligen während der Veranstaltung im Großraum Köln. Während die Catering-Firma Fehlinformationen über die Zahlen der an
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2 Strukturen des Organisierens
den vereinbarten Essensausgabestellen zu versorgenden Pilger seitens des Weltjugendtagsbüros54 und die personelle Unterausstattung mit vom „Kunden“ zugesagten freiwilligen Helfern anzeigte, insistierte das Weltjugendtagsbüro darauf, die Catering-Firma habe falsche Versprechungen hinsichtlich der Ausgabelogistik und der Zahl der zur Unterstützung der Mobilen Restaurants erforderlichen freiwilligen Helfer gemacht. Diese – teilweise auch öffentlich und mit (der Androhung von) juristischen Konsequenzen ausgetragene – Kontroverse soll exemplarisch zeigen, dass das, was geschieht (bzw. was von wem auch immer warum auch immer getan oder unterlassen wird), von den je beteiligten, tangierten oder betroffenen Akteuren ganz unterschiedlich akzeptiert, ignoriert oder eben auch konterkariert wird. Der Analyse der Medienberichterstattung55 während und nach dem Event lässt sich entnehmen, dass das – im Zweifelsfalle unter dem Schutzmantel der katholischen Kirche stehende – Weltjugendtagsbüro in Relation zu etwelchen Deutungs- bzw. Definitionskontrahenten signifikant bessere Chancen hatte, seine Sicht der Dinge (in diesem Fall zu den ‚tatsächlichen’ Fehlerquellen des Versorgungskonzepts) als den ‚wirklichen’ Sachverhalt publik zu machen – anders formuliert: für allfällige Maßnahmen zur Gesichtswahrung jene Machtquellen zu nutzen, „die an die Beziehungen zwischen einer Organisation und ihrer Umwelt, oder besser, ihren Umweltsegmenten, gebunden sind“ (Crozier/Friedberg 1979: 50). Die beispielhaften Verweise auf lediglich drei unterschiedliche Organisationspolitiken – die Mikropolitik der Kompetenzmarkierung, die ‚Innenpolitik’ der Feinjustierung der Organisationsstruktur und die ‚Außenpolitik’ der Gesichtswahrung – verdeutlichen, dass die ‚Herstellung’ eines solchen Events wie dem Weltjugendtag im Grunde als ein komplexer Prozess von ineinander verflochtenen (Interessen-)Konflikten verläuft. Was an dem ganzen Verlauf dem Beobachter – vor allem ex post – als zielgerichtet erscheint, das ist in weiten Teilen kaum mehr als das beiläufige „Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen kontingenten, vielfältigen und divergierenden Rationalitäten relativ freier Akteure, die die zu ihrer Verfügung stehenden Machtquellen nutzen" (Crozier/Friedberg 1979: 56f).
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Für die Köln Arena als größtem „Verpflegungsausgabeort (VAO)“, wie die Essensausgabestellen im Catering-Sprachjargon genannt wurden – waren am zweiten Veranstaltungstag (Dienstag, 16.8.05) beispielsweise 5000 Pilger avisiert worden. Nach Auskunft des Caterers liefen tatsächlich 30.000 „Gäste“ an diesem Standort auf – die ersten bereits um 11.30 Uhr, weil über das Weltjugendtagsprogramm des Domradios diese Uhrzeit statt (wie zwischen der Cateringfirma und dem Weltjugendtagsbüro vereinbart) 13.00 Uhr als Beginn der Essensausgabe verbreitet wurde. Die Medienberichterstattung wurde im Rahmen des an der Universität Bremen angesiedelten Teilprojekts analysiert (vgl. Forschungskonsortium WJT 2007).
2.4 Die ‚Logik’ der Struktur
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2.4 Die ‚Logik’ der Struktur Organisationssoziologisch betrachtet handelt es sich beim Weltjugendtagsbüro um eine so genannte „temporäre Organisation“, deren wesentliches Kennzeichen darin besteht, dass sie für einen bestimmten (singulären) Zweck gegründet bzw. ‚installiert’ und mit der Erfüllung dieses Organisationszwecks wieder aufgelöst wird (vgl. Söderlund 2000).
2.4.1 Die temporäre Anlage der Organisationsstruktur Die Entscheidung für die Etablierung einer „temporären Organisation“ zur Bewerkstelligung des Weltjugendtags ist keineswegs selbstverständlich oder auch nur ausgesprochen nahe liegend, da es sich bei diesem Event um eine wiederkehrende Veranstaltung der Katholischen Kirche handelt, deren Vorbereitung und Durchführung durchaus an eine dauerhaft bestehende Organisation übertragen werden könnte, die bessere Voraussetzungen dafür bieten würde, weltjugendtagsspezifisches Organisations-Know-how zu bewahren, anzureichern und alle zwei Jahre auf (immer) höherem Niveau zur Anwendung zu bringen. Begründet wird die Form der „temporären Organisation“ von Mitarbeitern des Weltjugendtagsbüros mit der besonderen Situation der Jugendpastoral (in Deutschland), die eine dreisäulige Gestalt aufweist: Kirchliche Jugendarbeit findet hier erstens im so genannten ‚amtskirchlichen’ Rahmen, d.h. in den Gemeinden statt. Diese Jugendarbeit wird diözesanweit koordiniert von den Katholischen Jugendämtern und bundesweit geregelt von der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Kirchliche Jugendarbeit wird zweitens aber auch von den kirchlichen Jugendverbänden und drittens von religiösen Gemeinschaften geleistet. Da die verschiedenen Träger kirchlicher Jugendarbeit relativ unverbunden agieren, wird eine „Versäulung“ der Jugendpastoral beklagt. Mit der Etablierung einer eigenen Struktur zur Organisation des Weltjugendtags gleichsam als vierte – aber eben: temporäre – Säule sollte eine (Quer-)Vernetzung der bestehenden Säulen durch ein gemeinsames jugendpastorales Projekt erzielt werden, die auch nach dem Weltjugendtag Bestand hat. Im Anschluss an das Klassifikationsschema von Anselm Strauss (1988: 169ff) ist die Weltjugendtagsorganisation allerdings als eine komplexe und schwach routinierte Projektorganisation einzustufen: die Zusammenarbeit beschränkt sich auf die Dauer dieses einen Projekts. Ein weiteres jugendpastorales Gemeinschaftsprojekt stand weder vor noch während noch steht es nach dem Weltjugendtag in Aussicht. Und gerade von den besonders in die Organisation
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2 Strukturen des Organisierens
involvierten Akteuren in der Jugendseelsorge ist diese Struktur als ‚aufgesetzt’56 und dementsprechend als ‚fremd’ wahrgenommen worden. Der begrenzte Nutzen dieser Strukturlösung speziell für die Jugendpastoral kann somit darin gesehen werden, dass zumindest für die Dauer dieses einen Projekts die Grenzen zwischen den ‚Säulen’ durchlässig geworden sind, wodurch sich ‚nachhaltig’ die Bereitschaft erhöhen kann (aber nicht muss), bei etwaigen zukünftigen Projekten ‚säulenübergreifend’ zu kooperieren. Unabhängig von der beabsichtigten und erreichten Wirkung auf bzw. für die jugendpastorale ‚Landschaft’ in Deutschland hat die Wahl dieser Organisationsform jedoch zur Akzeptanz des Projekts beigetragen. Denn für die ‚Herstellung’ des Events wurden zum einen aus unterschiedlichen Branchen Logistik-, Technik-, Inszenierungs- und Management-Experten angeworben, zum anderen wurden damit aber zugleich auch geistliche und weltliche Mitarbeiter der Katholischen Kirche Deutschlands, Vertreter der Diözesen, von Verbänden, Ordensgemeinschaften usw. betraut. Und deren Planungen wurden in mannigfaltigen Betreuungs- und sonstigen Hilfs- und Zuarbeiten von einem ‚Heer’ freiwilliger Laien – zum überwiegenden Teil aus dem katholischen Milieu – umgesetzt. Jenseits der finanziellen Vorteile, die der Einsatz von Freiwilligen fraglos mit sich bringt, bestand bzw. besteht die organisationsstrukturelle Idee der Katholischen Kirche. offenbar darin, einen gewissen Dilettantismus (beispielsweise mit der Integration von Freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern in die Vorbereitungen und die Durchführung des Weltjugendtags) in Kauf zu nehmen dafür, um bei den Beteiligten im jeweiligen Land den Eindruck zu erhöhen, dass es sich beim Weltjugendtag auch um ‚ihr’ Projekt handelt, das eben nicht (nur) von externen Kräften ‚hergestellt’ wird, und um sie dergestalt das Trajekt ‚Weltjugendtag’ nicht als ein solches, d.h. als ein Widerfahrnis, erleben zu lassen (vgl. Kapitel 3.5). Dieser Strategieaspekt plausibilisiert auch, warum über die vielen Jahre hinweg kein mit der Organisation des Weltjugendtags vertrauter Personalstamm aufgebaut worden ist, der sozusagen von Austragungsort zu Austragungsort ‚transferiert’ wird, sondern eine projektspezifische Unerfahrenheit der hauptamtlich tätigen Organisatoren ‚in Kauf’ genommen wird.
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So wird das Weltjugendtagsbüro als „eher ne künstliche Einrichtung“ (I_32: Z_109f) angesehen. Vertreter dieser Position hätten es begrüßt, wenn die Organisation des Weltjugendtags in bestehende Strukturen eingegliedert worden wäre, weil dadurch „Reibungsverluste“ hätten vermieden werden können. Als Beispiele für solche bereits bestehende Strukturen werden der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ) sowie die in Düsseldorf, d.h. sogar im Großraum des Erzbistums Köln gelegene, Arbeitsstelle für Jugendseelsorge (afj) und damit zwei Träger benannt, die „auf Bundesebene“, d.h. überdiözesan bzw. ‚national’ präsent sind.
2.4 Die ‚Logik’ der Struktur
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2.4.2 Die hierarchische Anlage der Entscheidungsabläufe Die Initiierung und Installation eines Projekts setzt hierarchische Entscheidungsstrukturen voraus, weil (nur) solche eine Entscheidungsfindung ohne langwierige – und auf ‚einsamen’ Entschlüssen basierende (innovative) Vorhaben typischerweise zumindest problematisierende – Konsensbildungs- und Aushandlungsprozesse ermöglichen. Für die gelingende Umsetzung von Projekten werden in der einschlägigen Literatur demgegenüber eher flache Hierarchien und wird eine teamförmige Kooperationsweise als förderlich erachtet – allerdings unter disziplinarischer Anleitung des Projektteams durch einen mit weit reichender Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Projektmanager und/oder Projektleiter.57 Damit ist bereits die flachen Hierarchien inhärente Schwäche bei einem dringenden Bedarf an für alle verbindlichen Entscheidungen angesprochen, die – eine contradicio in adjecto – nur durch Führungsstärke ausgeglichen werden kann. Flache Hierarchien erweisen sich zudem nur dann als effizient, wenn kommunikative Vorgänge gezielt und dezidiert gefördert werden. Weeber et. al (2001: 15f) plädieren für eine netzwerkartige statt hierarchische Aufbauorganisation, allerdings unter Verwendung eines zentralen Datenverwaltungssystems – am besten in Form einer zentralen Datenplattform. Während die ‚Autoren vor allem darauf hinweisen, dass die auf ihr eingestellten Informationen für alle Projektbeteiligten erreichbar sein müssen, bleibt das soziologisch bekannte Problem des Wissensmanagements auch hier wieder ausgeblendet: Informationen und Wissensbestände werden anderen nur dann zugänglich gemacht, wenn diese Bemühung positiv sanktioniert wird. Solche Sanktionen können Belobigungen, mehr noch: die Freistellung von anderen, lästigeren Aufgaben oder (besonders effektiv): eine damit verbundene Zeitersparnis bei der Bewältigung des Arbeitspensums sein. Empfehlungen wie die zur Einrichtung eines „virtuellen Runden Tisches, an dem ‚unter den Augen aller’ Lösungen erarbeitet werden“ (Weeber u.a. 2001: 16), kranken daran, dass sie die Motivation und Relevanzsetzung der Beteiligten nicht ins Kalkül ziehen. Die Weltjugendtagsorganisation erweist sich generell als pyramidenhierarchisch strukturiert und auf ‚Anweisungen’ von oben nach unten hin angelegt. Im Hinblick auf die Vorbereitungs-Arbeit im Weltjugendtagsbüro in Köln zeitigte diese Struktur vor allem die Konsequenz, dass ein Entscheidungsverfahren gewählt wurde, bei dem Konzepte, die ‚im Haus’ entwickelt werden, mehrere 57
Die Frage nach einer gelingenden Projektdurchführung förderlichen Organisationsstrukturen stehen derzeit im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses eines „International Research Network on Organizing by Projects“. – Den Aushandlungsbedarf von Projektpartnern im Zuge der Projektdurchführung zeigt Bär (2000) in ihrer ethnographischen Studie zur Großbaustelle ‚Regionalbahnhof Potsdamer Platz’.
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2 Strukturen des Organisierens
‚Schwellen’ (vom Arbeitsbereich über das Leitungsteam in übergeordnete Gremien bis hin zum Päpstlichen Laienrat) durchlaufen müssen, ehe sie einer Realisierung bzw. Umsetzung zugeführt werden können, ein Entscheidungsverfahren also, das sich als ein zeitintensives Unterfangen erweist, welches Wartezeiten impliziert und Zeitprobleme nach sich zieht. Darüber hinaus schienen das Weltjugendtagsbüro und die Diözesen und Gemeinden beim Weltjugendtag keineswegs ‚organisch’ miteinander verbunden, sondern lediglich über wenige, ebenfalls ‚von oben nach unten’ kontrollierte Scharnierstellen lose verkoppelt zu sein. Die Kommunikations-‚Schotts’ zwischen den Hierarchiestufen bewirken, dass der Informationsfluss vor allem in eine Richtung, nämlich als Anweisung nach ‚unten’ stattfindet: die zahlreichen Rückfragen und Rückkopplungen gelangen allenfalls bis zur jeweils nächsthöheren Hierarchiestufe. Einerseits erscheint dieses Organisations- und Kommunikationskonzept im Hinblick darauf, dass der Prozess des Organisierens eine Art Count-Down bzw. ein projektiertes Trajekt war, bei dem einmalig punktgenau vielfältige und komplex vernetzte Aktivitäten unter nicht (vollständig) kontrollierbaren Rahmenbedingungen und unter je situativer Bewältigung nicht vorhersehbarer Ereignisse zusammenlaufen mussten, als planungsstrategisch nicht nur als sinnvoll, sondern als fast alternativlos. Andererseits stehen diese quasi-militärischen Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen zumindest ideologisch im Widerspruch zum in und von der Katholischen Kirche reklamierten und deklarierten (Selbst)Verständnis christlicher Egalität, geschwisterlichen Miteinanders und „lebendiger Gemeinde“ – d.h. eines Gemeindelebens, das die Gemeindemitglieder aktiv (mit-)gestalten (vgl. hierzu auch Kapitel 6). Diese Tradition wurde – im Unterschied z.B. zu deutschen Kirchentagen – bei der Eventorganisation nicht fortgesetzt: die Beteiligung aus Gemeinden war nicht oder allenfalls in sehr begrenztem Umfang (nämlich vor allem bei den der Zentralveranstaltung ‚Weltjugendtag’ zeitlich vorgelagerten ‚Tagen der Begegnung’) vorgesehen und erwünscht. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass sich die temporäre Organisationsstruktur hinsichtlich der Aufschichtung, Bewahrung und Weitergabe weltjugendtagsspezifischen Organisations-Know-hows als defizitär erweist. Im Hinblick auf die für die Akzeptanz des Unterfangens bedeutsame Einbindung lokaler (ortskirchlicher) Kräfte in das Organisationsgeschehen ist sie allerdings als (bedingt) effektiv einzustufen. Die stark reglementierte, dezidiert nicht-partizipativ angelegte Einbindung von Jugendlichen in die Projektorganisation plausibilisiert sich in Anbetracht der komplexen Anforderungen eines projektierten Trajekts, sie bildet jedoch einen Kontrast zur in katholischen Pfarrgemeinden typischen Partizipationskultur. Dem Datenmaterial lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass bei der Eventplanung oder -evaluierung die multiplikatorischen
2.4 Die ‚Logik’ der Struktur
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Effekte hinsichtlich einer Restrukturierung kirchlicher Gemeinden sozusagen ‚von unten’ berücksichtigt wurden, die daraus resultieren können, dass zum überwiegenden Teil Jugendliche für den Freiwilligendienst rekrutiert wurden, die sich vor und nach ihrer Projektmitarbeit ehrenamtlich in ihren Heimatgemeinden engagieren. Generell erweisen sich die Organisationsstrukturen – insbesondere die Entscheidungsprozeduren und die Kommunikationsstrategie – als weitgehend stimmig hinsichtlich der ‚Logik’ von Eventorganisation und Eventmanagement, als relativ unstimmig aber im Hinblick auf die für Laien geltenden Werte und Auffassungen von Partizipation und Mitbestimmung. Während theologisch eine Gleichordnung zwischen den Teilkirchen und der Kirche als ganzer besteht, existiert diese nicht in organisatorischer Hinsicht.58 Der Papst hat die primatiale Gewalt, auf die einzelne Teilkirche Einfluss zu nehmen. Und der Bischof kann durch die ihm in seiner Diözese zukommende Gewalt in die Vorgänge in den territorial in ‚seiner’ Diözese eingebundenen Pfarrgemeinden eingreifen (vgl. Mertes 2000: 42f). Von diesem in der Katholischen Kirche dominierenden Ordnungsprinzip der Hierarchie wird auch bei der Organisation des Weltjugendtags nicht abgewichen. Den gesamten Prozess der Planung hindurch wurde eine klerikal-hierarchische Struktur aufgebaut und gepflegt. Dem Konzept einer weltumspannenden, hierarchisch geordneten Kirche, der Vorstellung von Kirche als einer societas perfecta, wurde demnach Vorrang eingeräumt gegenüber der hierzu seit dem 4. Jahrhundert konkurrierenden Idee einer Gottesdienst-Gemeinschaft, der participatio actuosa aller Gläubigen am Geschehen.59 Dieses hierarchische Ordnungsprinzip verträgt sich augenscheinlich mit der dem modernen Eventmanagement entsprechenden global-strategischen Planung, in deren Zentrum das Weltjugendtagsbüro als eine Art Management-Büro fungiert und funktioniert. Denn die Initiierung und Installierung eines Events setzt hierarchische Entscheidungsstrukturen voraus, weil (nur) solche eine Entscheidungsfindung ohne langwierige – und auf ‚einsamen’ Entschlüssen basierende 58
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Ebenso wenig besteht in juristischer Hinsicht eine Gleichordnung: Vielmehr setzt die gesamtkirchliche Rechtsordnung einen Rahmen, in denen die Teilkirchen lediglich partikuläre Regelungen erlassen können, wobei sie zwingend zur Einhaltung des allgemeinen Rahmens verpflichtet sind (vgl. Mertes 2000: 42) Aus der Perspektive von Vertretern dieses Gemeinschafts- gegenüber dem Gesellschaftskonzept von Kirche lässt sich dem Theologen Thomas Ruster zufolge die „pompös-klerikale“ Gestaltung der Großliturgien insofern als „ein Schritt zurück“ interpretieren, als in der Papst- und Kleruszentrierung die nicht ironisch gebrochene Übernahme des Kaiserzeremoniells im römischen Reich demonstriert werde, das sich die frühchristliche Kirche für ihre Liturgiegestaltung zum Vorbild genommen hatte. Der Weltjugendtag sei aber auch ein Beweis dafür, dass die beiden Kirchenkonzepte bis zu einem gewissen Grad nebeneinander bestehen können: nicht nur bei Tagen der Begegnung, sondern auch in den Kölner Gemeinden seien sozusagen „von unten“ organisierte Gottesdienste gefeiert worden.
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2 Strukturen des Organisierens
(innovative) Vorhaben typischerweise zumindest problematisierende – Konsensbildungs- und Aushandlungsprozesse ermöglichen. Das klerikale Prinzip erweist sich folglich als mit einem modernen Eventmanagement- (und Marketing-)Konzept, dem zufolge die Vorstellungen des jeweiligen Auftraggebers wirkmächtig und im Rahmen des Budgets umzusetzen sind, gut vereinbar: In dem Maße, in dem in der Organisation des Weltjugendtags das hierarchische Ordnungsprinzip zum Tragen kommt, besteht darin, dass der Weltjugendtag jedes Mal quasi neu erfunden wird, keine Gefahr für die ‚Verwässerung’ seiner Gestalt. Der Weltjugendtag wird neu organisiert und bleibt zugleich der alte bzw. der gleiche. Die spezifische, eben temporär angelegte Organisationsform hinterlässt allerdings symptomatische ‚Spuren’ in der Perspektive des WeltjugendtagsbüroPersonals: der Interimscharakter der Beschäftigung ist durchgängig ein ihre Arbeitseinstellung dominierendes Moment. In der Tätigkeitsbeschreibung wird der Akzent weniger auf Identifikationsmarkierung als auf professionelle Distanz gelegt. Viele Aktivitäten der Organisatoren weisen strategische ‚Züge’ – etwa der Kompetenzmarkierung, der Mikropolitik und der Gesichtswahrung – auf, denen im Effekt (zumindest teilweise) eine die Organisationsstruktur verändernde Wirkung zukommt, die vor allem aber deutlich machen, dass sich die ‚Herstellung’ des Weltjugendtags als ein komplexer Prozess von ineinander verflochtenen (Interessen-)Konflikten vollzieht.
3 Ziele des Organisierens
Die Organisation eines komplexen Vorhabens wie dem des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln lässt sich nicht analysieren, ohne der Frage nachzugehen, welches Ziel mit dem Event, das inzwischen über eine immerhin zwanzig jährige Tradition verfügt, verfolgt bzw. zu welchem Zweck es veranstaltet wird. Besteht das Ziel des Veranstalters, der Katholischen Kirche, und/oder das der Organisatoren, d.h. der Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros in Köln, vor allem darin, den jugendlichen Teilnehmern mit dieser Veranstaltung einen Rahmen für ein besonderes, ja einzigartiges religiöses Erleben bereitzustellen? Dient der Weltjugendtag der veranstaltenden Katholischen Kirche als ein probates, weil zeitgemäßes Kommunikationsinstrument? Geht es grundsätzlich um etwas anderes? Ging es 2005 in Köln um etwas anderes? Die (uns zugänglichen) Mitteilungen des Veranstalters, d.h. die Verlautbarung aus der für den Weltjugendtag zuständigen Instanz in Rom, dem Päpstlichen Rat für die Laien, beziehen sich auf den Weltjugendtag schlechthin. Die Verlautbarungen aus den veranstaltenden kirchlichen Instanzen in Deutschland, d.h. aus dem Erzbistum Köln und aus der Deutschen Bischofskonferenz, formulieren Ziele des deutschen Weltjugendtags im Rahmen der Ziele des Weltjugendtags schlechthin. Die (von uns befragten) Organisatoren äußern sich vor allem zu den Zielen, die sie – jeweils in ihrem Aufgabenbereich, in Kooperation mit Kollegen und Kooperationspartnern – mit ‚ihrem’, dem XX. Weltjugendtag 2005 in Köln verfolgt haben. Während sich empirisch also eine Fülle an Zielen des Organisierens ausmachen lässt, wird in der Organisationssoziologie die Relevanz der hier so genannten ‚Organisationsziele’ (und das heißt genau genommen eben der Ziele von Organisationen) in Abrede gestellt. Dies dürfte nicht zum wenigsten dem Umstand geschuldet sein, dass sich diese Disziplin kaum mit Vorgängen des Organisierens, sondern vorwiegend mit Organisationen im Verstande von sozialen Gebilden mit Positionen und Funktionen, im Verstande von ‚Systemen’ in Abgrenzung zu ihrer Umwelt oder aber im Verstande von korporativen Akteuren befasst. Für Organisationen scheint die Unterbestimmtheit ‚ihrer’ Ziele generell typisch zu sein. Preisendörfer (2005: 63) zufolge tendieren ‚Organisationen’ dazu, „die Organisationsziele unbestimmt und vage zu halten, die genauen Prioritäten nicht exakt festzulegen und in Abhängigkeit von situativen Rahmenbedingungen die Rangordnung zu variieren.“ Während das „Ziel-Paradigma“ in
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3 Ziele des Organisierens
systemtheoretisch orientierten Organisationsansätzen (vgl. Luhmann 1973, 2000) ebenso wie von Vertretern der Theorie des korporativen Akteurs (Coleman 1979; Vanberg 1983) grundsätzlich in Frage gestellt bzw. verlassen wird, hält Preisendörfer (2005: 63) mit dem strategischen Hinweis daran fest, dass sich ein „nebulöses ‚Zielsystem’“ gut für „Sonntagsreden zur Selbstdarstellung der Organisation im Außenverhältnis“ eignen würde. Wenn man Organisationen keinen Akteursstatus zuschreiben will, ist die Rede von ‚Organisationszielen’ grundsätzlich als eine Metapher zu verstehen, weil, jedenfalls aus einer handlungstheoretischen Perspektive (sozusagen von Alfred Schütz bis Hartmut Esser, d.h. sowohl bei jenen Ansätzen im Gefolge von Max Weber, die ihren Fokus auf das Verstehen richten, als auch bei solchen, die den Schwerpunkt auf den Erklärungsanspruch legen), nur Individuen Interessen, Präferenzen und Ziele haben.60 Während Akteure ihre individuellen Handlungsziele allerdings – sozusagen qua Definition61 – im Handlungsvollzug zu erreichen suchen, darf nicht ohne weiteres allen Absichten, die mündlich oder schriftlich als Ziele des Organisierens formuliert werden, eine handlungsleitende Funktion unterstellt werden. Das heißt: Selbst wenn sich in Prozesse des Organisierens involvierte Akteure argumentativ auf von ihnen selbst oder von anderen gesetzte Ziele des Organisierens beziehen, impliziert dies nicht, dass sie diesen tatsächlich zu entsprechen beabsichtigen. Auch diese Ziele können – ebenso wie Organisationsziele – ‚nur’ als Accounting-Ressourcen genutzt werden. Im Folgenden werden „prioritäre“ und „übergeordnete Ziele des Organisierens“ unterschieden. Als übergeordnete Ziele des Organisierens werden im Folgenden jene Ziele behandelt, die vom Veranstalter – im vorliegenden Fall vom Papst als Initiator der Veranstaltung, von hierfür verantwortlichen Mitgliedern des Päpstlichen Laienrats, von Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und des Erzbistums Köln – als (‚eigentliche’) Idee bzw. als höherer Sinn des Weltjugendtags thematisiert werden und die schriftlich fixiert sind. Mit diesen Zielleitfäden wird der Zweck der Veranstaltung in einen größeren ‚theoretischen’ Sinnzusammenhang eingebettet und dergestalt gleichsam ‚überhöht’. Unter prioritären Zielen des Organisierens sind demgegenüber jene Zielsetzungen zu verstehen, welche die Organisatoren des Weltjugendtags selber hervorbringen, und an denen sie sich im Vollzug vor allem orientieren. Aber auch diese Ziele des Organisierens sind – analytisch betrachtet – nicht mit individuellen Handlungsmotiven, -absichten, -entwürfen identisch. Gemeint sind Ziele bzw. Aufgaben (tasks), die nicht in ‚formalen Satzungen’ enthalten sind, 60 61
Anders verhält es sich, wie gesagt, in der Theorie des korporativen Akteurs und in der Systemtheorie, aber auch in den diversen Ausprägungen der Actor-Network Theory. Das Erreichen des Ziels ist das die aktuelle Erfahrung, d.h. das Handeln, steuernde Motiv; „das Ziel ist die im Entwurf vorweggenommene Erfahrung“ (Luckmann 1992: 33).
3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs
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sondern von Akteuren im Zuge ihrer Zusammenarbeit situativ bzw. in Reaktion auf situative Konstellationen ‚gesetzt’ werden und die dergestalt den Kontext für das weitere Handeln der jeweiligen Kooperationspartner bilden.
3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs 3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs Im Zentrum des Analysefokus stehen zunächst die Zielsetzungen der Organisatoren, d.h. jener Akteure, die unmittelbar in das Organisationsgeschehen involviert waren und die ‚Gestalt’ des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln maßgeblich beeinflusst haben. Hierfür haben wir zum einen danach gefragt, welche Absichten diese Akteure als grundlegend für ihr organisierendes Handeln explizieren. Dabei haben wir die in der Organisationsforschung gängige Einsicht berücksichtigt, dass sich (prioritäre) Ziele des Organisierens vor allem durch offene bzw. Leitfadeninterviews mit leitenden Angehörigen der Organisation und nicht über Befragungen aller Organisationsmitglieder bzw. am Organisationsprozess Beteiligter ermitteln lassen, weil letztere erfahrungsgemäß [nur] leerformelhafte und vorzugsweise wohlklingende Zielbeschreibungen“ (Preisendörfer 2005: 65) liefern.62 Zum anderen haben wir danach gefragt, welche Ziele sich aus den Vorbereitungsleistungen und Umsetzungsmaßnahmen ersehen lassen. Damit sind wir der methodischen Empfehlung von Herbert Simon (1964: 20) gefolgt, aus der Beobachtung dessen, was getan wird bzw. wurde, auf die Ziele des Organisierens zu schließen: „What the goals are must be inferred from observation of the organization’s decision-making processes.“ Mit ‚Entscheiden’ gemeint ist dabei nicht, wie dies im herkömmlichen Entscheidungsbegriff impliziert ist, ein Abwägen von Mitteln zur Erreichung (vor-)gegebener Zwecke oder Ziele, sondern das Lösen von Problemen (vgl. Newell/Simon 1972). Damit wird die Zweck- bzw. Zielfrage allerdings nicht verabschiedet. Vielmehr wird nun von einer Mehrzahl an Zielen ausgegangen, die uneindeutig und im Verhältnis zueinander widersprüchlich sein können: „Das Schema von Problem und Lösung (…) schließt den Fall ein, dass eine Entscheidung mehrere Ziele zugleich berührt, im Blick auf die verwendbaren Mittel Wertentscheide zwischen den Zwecken treffen muss und gegebenenfalls Widersprüchlichkeiten aufzulösen hat“ (Brosziewski 2002: 11).63 Herbert A. Simon zufolge lässt sich zwar nicht aus der Beobachtung einer Entscheidung in einer Situation, jedoch aus der Ex-post-Betrachtung vieler Ent62 63
Die methodische Anlage des Forschungsprojekts, auf das die vorliegende Analyse rekurriert, wird im Anhang ausgeführt. Im Unterschied zu dieser systemtheoretischen Diktion halten wir allerdings nach wie vor daran fest, dass es nicht die Entscheidungen, sondern Akteure sind, die die Wertentscheide treffen.
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3 Ziele des Organisierens
scheidungen in vielen unterschiedlichen Situationen auf die (prioritären) Ziele des Organisierens schließen. Demnach basieren Entscheidungen auf dem, was die beteiligten Akteure wollen, d.h. auf deren individuellen Zielen, und resultieren überdies aus dem Rekurs auf situative Gegebenheiten. Über die Beobachtung einer Reihe von Entscheidungen zu einem Organisationsaspekt kann auf (prioritäre) Ziele des Organisierens geschlossen werden, die sozusagen als eine Art ‚Substrat’ aus individuellen Zielsetzungen (und -differenzen) und variierenden Situationsbedingungen zu verstehen sind.
3.1.1 Die Konzentrierung des Adressatenkreises Laut offizieller Verlautbarung richtet die veranstaltende Katholische Kirche ihr Angebot ‚Weltjugendtag’ an alle Jugendlichen im Alter von 16 bis 30 Jahren. Adressiert sind mit diesem Programm dezidiert nicht nur religiöse, christlich sozialisierte oder gar kirchlich organisierte junge Menschen; im Gegenteil ist der Kirche explizit daran gelegen, auch kirchenferne junge Menschen zu erreichen. Mit Anzeigen in kirchlichen Medien, mit Ankündigungen in Pfarrbriefen und mit im Rahmen von Gottesdiensten verlesenen ‚Hirtenbriefen’ u.ä., hat man allerdings eine Werbestrategie gewählt, die nicht unbedingt als zur Ansprache eines breiten Publikums geeignet erscheint. Am Beispiel eines so genannten „Promo-Trailers“, einem siebenminütigen Werbefilm, der „in die ganze Welt verschickt wurde, damit die Jugendlichen sich in aller Welt auf den Weltjugendtag einstimmen können“ (DF_1: Z_38ff) lässt sich zeigen, dass die Werbung auch vom Duktus und Inhalt her auf eine spezifische Zielgruppe zugeschnitten war: Sprecherin: „…junge Christen von allen Kontinenten zum Weltjugendtag ein. Erstmals nach Deutschland. Mehrere Jugendliche im Sprechchor: „Herzlich willkommen zum zwanzigsten Weltjugendtag in Köln.“ Papst Johannes Paul II: „…the next youthday 2005 in Cologne, Germany.“ Sprecherin: “Diese Einladung des Papstes beim Weltjugendtag in Toronto zeigt den Jugendlichen der Welt den Weg nach Köln. Auf dieser Reise sind sie auch eingeladen, Deutschland kennen zu lernen.“ Eine Jugendliche: „Und wir freuen uns sehr darauf, Euch unser Land zu zeigen.“ Sprecherin: „Ein Land voller Gegensätze und Reize; geprägt durch die Alpen im Süden, flache Küsten im Norden, romantische Schlösser, Burgen und malerische Seen von Westen bis zum Osten. Aber auch durch Industrie und natürlich durch Metropolen mit unterschiedlichen Gesichtern. Nach Berlin, der pulsierenden Hauptstadt, öffnet Hamburg seinen Hafen der Welt. In München reizt bayrisches Flair, gepaart mit deutscher Kultur und Frankfurt zeigt stolz die mächtige Skyline einer Ban-
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kenstadt. Die Rheinmetropole Köln begrüßt ihre BesucherInnen mit dem Dom, dem Wahrzeichen von Köln und des Weltjugendtag 2005. Kardinal Meisner (Bischof der gastgebenden Erzdiözese Köln): „Aus dem Herzen unserer Stadt, aus dem Dom, heiße ich die Jugendlichen der Welt in Köln herzlich willkommen. Die Heiligen Drei Könige sind die ältesten Kölner Mitbürger. Von ihnen heißt es, ‚sie sind gekommen um ihn anzubeten’.“ Sprecherin: „Das ist das Motto des Weltjugendtag 2005 aus dem MatthäusEvangelium. ‚Wir sind gekommen, um ihn anzubeten’. Ein Jugendlicher: „Kommt seid unsere Gäste, wir laden euch ein.“ Sprecherin: „Gäste sind ein Segen. Die Tage der Begegnung in allen deutschen Diözesen leiten den Weltjugendtag ein. Einige Zeit sind die ausländischen Besucher zu Gast in Familien. Der Weltjugendtag ist ein Fest der Begegnung, mit der Kirche, mit dem Land und der Kultur. Im Alltag aber auch schon heute bereiten sich die Jugendgruppen in den Diözesen auf den Weltjugendtag vor und planen gemeinsame Feiern und Veranstaltungen die sie mit ihren Gästen erleben wollen.“
Bereits eine oberflächliche Betrachtung macht deutlich, dass hier dezidiert kirchlich eingebundene Jugendliche angesprochen werden: Gleich im ersten (im Mitschnitt der Aufführung verstümmelten) Satz werden „junge Christen“ zur Veranstaltung eingeladen. Als „Christen“ fühlen sich nur sehr religiöse Menschen, und zwar Mitglieder beider großen Konfessionen angesprochen. Diese konfessionsoffene Ansprache wird allerdings mit dem raschen Kamera-Schwenk64 auf den Papst gleichsam konterkariert: das Oberhaupt der katholischen Kirche ist für überzeugte Protestanten generell eine problematische Figur, seine strenge Haltung etwa zum gemeinsamen Abendmahl, die von vielen Christen beider Konfessionen in Deutschland als ökumenefeindlich eingeschätzt wird, ist vom Kirchentag in Berlin noch gut (bzw. ‚ungut’) in Erinnerung. Gezeigt wird der Papst im insbesondere für Teilnehmer früherer Weltjugendtage bewegenden Moment der offiziellen Verkündung des Austragungsorts des nächsten Weltjugendtags. Nach einer touristischen Einstimmung auf Deutschland wird die Aufmerksamkeit auf Köln als Austragungsort gelenkt: hier wird den jugendlichen Adressaten allerdings nicht das Spaß-Sinnbild ‚Karneval’, sondern der Dom als Wahrzeichen der Stadt Köln vergegenwärtigt. Im Weiteren wird dann allerdings kein weltlich-touristischer Akzent – etwa im Hinweis auf das Bauwerk und Weltkulturerbe ‚Kölner Dom’ – mehr gesetzt, sondern mit dem Verweis auf die Heiligen Drei Könige wird seine Bedeutung als Katholische Kirche betont. Die zweifache Nennung des Weltjugendtagsmottos, das die für nicht religiöse Zeitgenossen 64
Eine systematische Analyse der Bilder (entsprechend der von Jo Reichertz (1994) vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen Kamerahandlung und Handlung vor der Kamera) ist nicht möglich, da während der Vorführung in einer öffentlichen Veranstaltung nur der Ton dieses Promo-Trailers mitgeschnitten werden konnte.
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befremdliche Ausdrucksform des Anbetens beinhaltet, die Erwähnung des Matthäus-Evangeliums, der Hinweis auf die deutschen Diözesen – all das sind deutliche Hinweise darauf, dass hier ein Publikum angesprochen wird, für das Kirche, Katholizismus, ja sogar der Weltjugendtag selber eine bekannte (und positiv besetzte) Thematik sind. Für Jugendliche, die nicht religiös sind oder der Kirche fern stehen, dürfte sich diese Art der Anrede nicht nur als nicht ansprechend erweisen. Der Kirchenjargon, der hier – sozusagen im Gegensatz zur in der Werbung häufig gebrauchten und von den Jugendlichen als Anbiederung empfundenen ‚Youth Speak’ – gewählt wurde,65 dürfte für kirchenferne Jugendliche nachgerade unverständlich sein und bei diesen deshalb im besten Fall Desinteresse, möglicherweise aber auch Ablehnung evozieren. Wenn man davon ausgeht, dass den Organisatoren aus eigener Anschauung, vom Hörensagen und aus einer repräsentativen Umfrage zum Weltjugendtag 2002 in Toronto her bekannt war, dass die Weltjugendtage fast ausschließlich solche Jugendliche mobilisieren, die in kirchliche Strukturen eingebunden sind, dann kann angesichts solcher Werbemaßnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass die offiziell verlautbarte Zielsetzung, auch kirchenferne junge Menschen als Teilnehmer ansprechen zu wollen, tatsächlich realisiert werden sollte. Überdies ist das Anmeldeverfahren dezidiert auf eine Einbindung in kirchliche Strukturen abgestellt. Auch wenn die meisten Veranstaltungen des Weltjugendtags ohne Teilnehmerausweis besucht werden konnten und dies zumindest der Kölner Bevölkerung auch so kommuniziert worden ist – allerdings nicht ohne eine an die interessierten ‚Erwachsenen’ gerichtete Ermahnung, den Jugendlichen bei großem Andrang doch „bitte den Vortritt [zu] lassen“ (DF_05: Z_502), – war das Gesamtdesign der Veranstaltung nicht auf eine offene Beteiligung angelegt: So wurde das Veranstaltungsprogramm, das in einer der erwarteten Registrierungsanzahl entsprechenden Auflage gedruckt wurde, nicht an öffentlichen Stellen ausgelegt, sondern den registrierten Teilnehmern in ihre „Pilgerrucksäcke“ gepackt. Vor allem aber sah das Verfahren eine Anmeldung nicht von Einzelpersonen, sondern von Gruppen vor, die sich fast ausschließlich vor dem Hintergrund einer Kirchengemeinde bildeten, wenn sie nicht ohnehin aus hier bereits bestehenden Gruppenstrukturen hervorgingen. Deshalb verwundert es nicht, dass nur sehr wenige Jugendliche ohne einen wie auch immer gearteten kirchlichen Hintergrund als registrierte ‚Pilger’ beim Weltjugendtag präsent waren. Im Anschluss an Michael Ebertz (1998: 269) lässt sich folglich von einer möglicherweise nicht vom Veranstalter intendierten, aber von den Organisatoren veranlassten „Milieuverengung“ des Adressatenkreises sprechen. 65
Dies entspricht der erklärten Absicht zum Kommunikationsstil der „Verwendung der heutigen Sprache, ohne sie übertrieben zu verjüngen“ (Kommunikationspapier: 5.2.2).
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Einer ganzen Reihe von Äußerungen der Organisatoren und auch den Angaben zu den Teilnehmern auf der Homepage des Weltjugendtags lässt sich entnehmen, dass statt Milieu-Offenheit vielmehr die Internationalität der Teilnehmer an die oberste Stelle der Prioritätenliste gesetzt worden war. So wurden große Anstrengungen unternommen, Jugendliche gerade auch aus Ländern mit hohen VisaAnforderungen die Einreise zu ermöglichen, obwohl nicht auszuschließen war, dass diese beabsichtigten könnten, die Rückreise in ihre Heimat nicht mehr anzutreten.66 Da dann letztendlich Jugendliche aus 188 Nationen beim Weltjugendtag vertreten waren, kann diese Strategie als erfolgreich angesehen werden.
3.1.2 Die Kontextsensibilisierung der Finanzierung Der von Vornherein als ein 100-Millionen-Projekt veranschlagten Großveranstaltung lag ein Mischkonzept zur Finanzierung zugrunde, das mit einigen Abstrichen wie geplant realisiert werden konnte: Etwa 35 Prozent der Gesamtkosten, die sich laut Auskunft des Geschäftsführers der Weltjugendtags gGmbH schlussendlich auf 122 Millionen Euro belaufen haben, sind ihm zufolge durch das Pilgeraufkommen entstanden (Verpflegung, Entsorgung, Versicherung,67 Transport). Mit rund 20 Prozent der Kosten war die Herrichtung des Marienfelds zu veranschlagen, 15 Prozent hat die technische Infrastruktur (unter anderem für Sicherheitsvorkehrungen) verursacht und 10 Prozent sind für Fremdpersonal und Mieten verausgabt worden. Die Kosten für die WJT-Lotterie68 zum einen sowie für interne Personalkosten für Lang- und Kurzzeitfreiwillige zum anderen beliefen sich diesen Angaben zufolge auf jeweils 10 Prozent vom Gesamtetat. Die Event-Teilnehmer als größter Kostenfaktor haben derselben Quelle zufolge durch ihre Beiträge auch 40 Prozent der Deckung erbracht. Rund ein Viertel der Kosten sind durch kirchliche Mittel gedeckt worden. Der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Köln haben rund 12 Prozent der Mittel beigetragen. Weitere Einnahmen sind aus der Lotterie (10 Prozent), durch Firmenspenden und Sponsoring (6 Prozent), Privatspenden (4 Prozent), Warenverkäufe (1 Prozent) und Sonstiges (2 Prozent) erzielt worden.
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Zu den hierfür erforderlichen Aushandlungen mit dem Auswärtigen Amt vgl. auch Kapitel 4.2. Für alle Teilnehmergruppen aus dem Ausland, für alle Helfer, Künstler und sonstigen Mitwirkenden wurde eine Versicherung – Kranken- Unfall und Privathaftpflichtversicherung im ‚Paket’ – abgeschlossen. Den Lotterie-„Vertriebsstellen“, d.h. den Kirchengemeinden, wurde eine frei verfügbare Provision in Höhe von 10 Prozent des Lospreises (0,20 Euro je verkauftes Los) gezahlt.
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Kosten x 35% Pilgeraufkommen x 20% Baumaßnahmen Marienfeld x 15% technische Infrastruktur x 10% Fremdpersonal / Mieten x 10% Lotterie x 10% interne Personalkosten für Lang- und Kurzzeitfreiwillige 100%
Finanzierung x 40% Pilgerbeiträge x 25% Diözesen x 12% Bund, Land NRW, Stadt Köln x 10% Lotterie x 6% Firmenspenden, Sponsoring x 4% Privatspenden x 3% Warenverkäufe und Sonstiges 100%
Tabelle 2: Kosten und Finanzierung des Weltjugendtags (Quelle: kna 4.5.06; eigene Darstellung) Ursprünglich geplant war, dass 15% der Gesamtkosten über Sponsoring gedeckt werden. Einerseits aber haben sich nicht wenige Unternehmen, bei denen angefragt worden war, aufgrund der religiösen Ausrichtung der Veranstaltung bedeckt gehalten, um bei einer Beteiligung nicht auch von anderen Religionsgruppen und Konfessionen in die Pflicht genommen zu werden. Andererseits haben sich viele prinzipiell Sponsoring-willige Firmen eine wesentlich deutlichere Präsenz gewünscht als ihnen von den Weltjugendtagsorganisatoren zugestanden werden konnte bzw. wollte. Alternativ zur finanziellen Beteiligung hat sich die Möglichkeit eines ‚Sach-Sponsoring’ (z.B. die Wasserversorgung der Teilnehmer durch einen regionalen Energieversorger; die Finanzierung der Hostienschalen und Kelche durch einen Industriekonzern sowie die Bereitstellung eines Feldlazaretts der Bundeswehr auf dem Marienfeld) und sogar eine Art ‚PersonenSponsoring’ (Bereitstellung von Technikern) geboten; zudem wurden SpendenProjekte (z.B. für den Papststuhl) eingerichtet, die auch von Privatpersonen unterstützt werden konnten. Auch wenn dem Weltjugendtag ein Konzept zur Mischfinanzierung zugrunde gelegen hat, waren die Einnahmen aus solchen Quellen, deren Nutzung eine Präsentation von ‚Fremdfirmen’ beim Event erforderlich machen, sehr gering. Sehr unauffällig beispielsweise geriet das Logo der Stadt Köln auf den aus städtischen Mitteln finanzierten Pilgerrucksäcken. Diese Zurückhaltung entspricht der ‚Logik’ von Marketing-Events, bei denen (im Vergleich etwa zu Public Events oder zu jugendkulturellen bzw. Szene-Events) die Re-Finanzierungsmöglichkeiten relativ gering sind, weil sie hier die Aufmerksamkeit von dem im Zentrum der Marketing-Bemühungen stehenden Produkt oder Unternehmen abziehen
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könnten (vgl. Kapitel 3.2.2). Im Unterschied zur Finanzierung von MarketingEvents wurde beim Weltjugendtag jedoch nahezu die Hälfte der Kosten durch die Teilnahmegebühren gedeckt. Mit Ausnahme eines ‚ausgesuchten’ Sponsoring und umfangreicher Medienkooperationen haben sich beim Weltjugendtag die meisten bei anderen Eventformen typischen Kostenkompensationsmaßnahmen (vgl. Bischof 2004: 119) aber auch aus einem anderen Grund ‚verboten’: Wenngleich man sich die Einwerbung von Sponsoren einfacher vorgestellt hatte und Mehreinnahmen über Sponsoring durchaus begrüßt hätte, haben schon die begrenzten kommerziellen Zugeständnisse (z.B. die Kommunionverteilung beim Abschlussgottesdienst mit dem Papst unter den weithin sichtbaren Schirmen eines Limonadenherstellers) heftige Irritationen unter gläubigen Katholiken ausgelöst. Dies haben jedenfalls die Weltjugendtagsdelegierten aus den deutschen Diözesen rückgemeldet. Hier war auch der Protest gegen die Einführung einer Lotterie, einem Novum in der Weltjugendtagsgeschichte, besonders deutlich – nicht zuletzt auch deshalb, weil den Delegierten diese Maßnahme schlicht auferlegt und weil in allen Pfarrgemeinden Hauptamtliche zur Durchführung zwangsverpflichtet worden waren. Ein prioritäres Ziel des Organisierens bestand folglich darin, die Veranstaltung kostendeckend durchzuführen, ohne dabei auf im kirchlichen Kontext allzu irritierende Einnahmequellen zu rekurrieren. Das Erreichen dieses Ziels erforderte gleichsam eine Gratwanderung, weil in Kirchenkreisen einerseits bestimmte Finanzierungsquellen (wie z.B. die Lotterie, aber auch ein Sponsoring mit allzu deutlicher Sponsorpräsenz), andererseits aber auch eine allzu hohe finanzielle Belastung der unter Sparmaßnahmen ‚leidenden’ deutschen Diözesen ebenso wie der jugendlichen Teilnehmer Irritationen auslöst.
3.1.3 Die Personalrekrutierung nach Doppelqualitäten Mit der Organisation des XX. Weltjugendtags 2006 in Köln ist keine EventAgentur beauftragt worden. Es ist hierfür vielmehr eben ein eigenes organisatorisches Gebilde, die Weltjugendtags gGmbH, geschaffen worden, für deren Leitung die beiden Gesellschafter, Erzbistum Köln hie und Deutsche Bischofskonferenz da, jeweils einen ihnen direkt verantwortlichen Sekretär abgestellt haben. Diese beiden Geistlichen wurden dem weltlichen Geschäftsführer, einem in der Unternehmensleitung erfahrenen Manager aus der Versicherungsbranche, an die Seite gestellt. Das so genannte „Weltjugendtagsbüro“ wurde de jure also von einer dreiköpfigen Spitze geleitet. De facto wurde sie durch die dem Büro übergeordnete Funktion des Generalsekretärs, einer Führungskraft aus dem Erzbistum Köln, erweitert, der regelmäßig an den wöchentlichen Sitzungen des Lei-
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tungsteams teilnahm und durch seinen intensiven, in der Hochphase der Vorbereitungen täglichen Austausch mit dem Geschäftsführer in alle wesentlichen Entscheidungen der Büroleitung involviert war. Damit scheint die Steuerung durch eine Doppelspitze mit einer weltlichen (Geschäftsführer) und einer geistlichen Führungskraft (Generalsekretär), die viele unserer Gesprächspartner theoretisch als ideal angesehen hätten, ohnehin bereits praktiziert worden zu sein. Denn die beiden Sekretäre hatten durch ihre Rückbindung an die Gesellschafter eine spezielle Funktion zugewiesen bekommen. So hat sich der Weltjugendtagssekretär der Deutschen Bischofskonferenz im Gespräch uns gegenüber einmal als „Außenminister“ des Weltjugendtagsbüros bezeichnet. Und seine Hauptbetätigung bestand tatsächlich darin, ‚diplomatische’ Beziehungen zu den von den Bischöfen berufenen Diözesandelegierten zu unterhalten, die mittels Delegiertenversammlungen, Infobriefen und Intranet über die bistumsbezogenen Planungen zu informieren waren und um deren Zustimmung bzw. ‚good will’ geworben werden musste. Eine ‚geistliche Mission’ im engeren Sinne hatte der Weltjugendtagssekretär des Erzbistums Köln zu erfüllen, dem als Leiter der Jugendbildungsstätte Altenberg unter anderem die pastorale Begleitung der ca. 150 jugendlichen „FSJler“, d.h. der jungen Leute aus aller Welt, die im Weltjugendtagsbüro ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierten, übertragen worden war. Ebenso wie die obere war auch die mittlere Leitungsebene des Weltjugendtagsbüros in einer Mischung aus geistlichen und weltlichen Kräften besetzt: Die Leitung der für die inhaltlichen Aspekte des Weltjugendtags zuständigen Arbeitsbereiche war fast ausschließlich ‚Kirchenmännern’ und Laientheologen übertragen worden: die Gesamtgestaltung der so genannten „Großliturgien“ (d.h. der drei parallel an verschiedenen Orte gefeierten Eröffnungsgottesdienste, der Willkommensfeier für und mit dem Papst, des dezentral organisierten Kreuzwegs, der Vigil und des Abschlussgottesdienstes mit dem Papst) oblag einem in Kunst- und Religionspädagogik ausgebildeten Ordensmann; die Katechesen (d.h. das religiöse Vormittagsprogramm des Weltjugendtags) wurden von einem im Umgang mit Jugendlichen erfahrenen Pfarrer vorbereitet; mit der Koordination der pastoralen Vor- und Nachbereitung des Events war ein Pastoraltheologe beauftragt; und die Gesamtleitung der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit hatte ein Kirchenhistoriker, der bis anhin für die Medienbetreuung bei der Deutschen Bischofskonferenz zuständig war. Bei der Rekrutierung des Leitungspersonals für die mit logistischen Aufgaben betrauten Arbeitsbereiche wurde vor allem auf sehr spezielle Berufserfahrungen geachtet: für den Bereich ‚Finanzen’ wurde ein Finanzleiter aus der Textilbranche rekrutiert; der personalintensive Bereich ‚Pilgerwesen’ wurde von einem in der Personalberatung erfahrenen Betriebsleiter geführt; das Bauprojekt
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am Freiluftgelände für die Abschlussveranstaltungen mit dem Papst wurde von einem mit der Koordination von Großbaustellen vertrauten Bauingenieur geleitet; die Sicherheitsbelange oblagen einem früheren Kölner Polizeichef, der Erfahrungen mit Großveranstaltungen generell, insbesondere aber auch bereits mit Papstbesuchen in Deutschland vorweisen konnte und nahe liegender weise über beste Kontakte zu den Einsatzkräften vor Ort verfügte; für Fragen des Protokolls bei Staatsbesuchen wurden dem Sicherheitschef zwei Bundeswehroffiziere a.D. an die Seite gestellt usw. Eine Stellenbesetzung scheint dem Bild – kirchennahe Kräfte für Inhalte, weltliche Kräfte für Logistik – zu widersprechen: die Leitung des Jugendkulturfestivals wurde einer ausgebildeten Kulturmanagerin übertragen. Obwohl diese nicht nur über Erfahrungen in regionalen Kulturprojekten verfügte, sondern überdies eine langjährige Berufserfahrung als Diözesanreferentin nachweisen konnte, fehlte ihr nach eigenem Bekunden deshalb aber auch das „Hintergrundwissen“ zur qualitativen Bewertung von politisch-inhaltlichen und spirituellen Veranstaltungen. Deshalb wurde deren Organisation im Laufe der Vorbereitungen in die Zuständigkeit anderer Bereiche gestellt, was von deren Leitern – nicht zuletzt aufgrund der erhöhten Arbeitsbelastung – als Stellenfehlbesetzung interpretiert wurde, aus Sicht der Kulturfestivalleiterin im Hinblick auf eine spätere Anstellung außerhalb der Kirche aber auch als mikropolitischer Schachzug gewertet werden kann (vgl. dazu bereits Kapitel 2.3.1). In der Kombination aus weltlichen und kirchlichen Kräften weist die Logik der Stellenbesetzung eine Parallele zu der für die Organisation von MarketingEvents üblichen Praxis auf: Typischerweise wird hier die Umsetzung operativer, auf kurzfristige Effekte bedachter Ziele ‚nach außen’ vergeben, während mit der Realisierung strategischer Ziele hausinternes Personal (in privatwirtschaftlichen Unternehmen in der Regel Mitarbeiter der unternehmenseigenen MarketingAbteilung) betraut wird (vgl. Lucas/Wilts 2004, S. 23).69 Während das operative Geschäft bei Marketing-Events allerdings häufig ‚kompakt’ an eine professionelle Eventagentur vergeben wird, wurde zur ‚Herstellung’ des Weltjugendtags mit der Gründung der Weltjugendtags gGmbH eine solche sozusagen eigens aufgebaut und ‚handverlesen’ mit unternehmenseigenem, d.h. mit Mitarbeitern der Katholischen Kirche, und mit externem FachPersonal ‚bestückt’. Dabei scheint bei der Besetzung der Leitungsstellen dieser 69
Als „operative Ziele“ werden in der einschlägigen Literatur kurzfristige Wirkungen (Anzahl der Teilnehmer, Verhältnis tatsächlicher zu eingeladenen Teilnehmern, Direktkontakt zwischen Eventteilnehmern und Unternehmen, Emotionale Aufgeladenheit etc.) bezeichnet. Unter „strategischen Zielen“ ist die mittel- bis langfristige positive Beeinflussung der Markenbekanntheit, Verfestigung emotionaler Markenbilder, Kundenbindung, Steigerung des Kaufinteresses und der Kaufbereitschaft zu verstehen (vgl. Zanger 2001).
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Weltjugendtags-Event-Agentur vorzugsweise, aber nicht nur auf den Ausweis von – den verschiedenen Aufgabenbereichen entsprechend spezifischer – Fachkompetenz geachtet worden zu sein. Denn fast alle Leiter der logistischen Bereiche haben im Gespräch ihre persönliche Verbundenheit mit der Kirche betont, die bereits vor der Anstellung im Weltjugendtagsbüro in zum Teil jahre-, wenn nicht gar jahrzehntelangem ehrenamtlichen Engagement für die Kirche zum Ausdruck gekommen ist. Des Weiteren fällt hinsichtlich der Personalrekrutierung auf, dass mit deutlich nachrangiger Priorität genuine Organisationskompetenz als relevant erachtet worden ist (vgl. dazu aber Kapitel 5.3). Durchaus aber wurde – wenn auch sparsam – auf von Gernot Böhme (1995, S. 63) so bezeichnete „Erlebnis- und Inszenierungsarbeiter“ gesetzt.70 Insbesondere in zwei Arbeitsbereichen des Weltjugendtagsbüros, im Bereich ‚Kommunikation & Öffentlichkeit’ zum einen, im Bereich ‚Liturgie’ zum anderen, wurde denn auch ein deutlicher – und deutlich unterschiedlicher – Akzent auf die Herstellung des inszenierten Ereignisses ‚Weltjugendtag’ gesetzt.
3.1.4 Die Öffentlichkeitsorientierung der Inszenierung Der Logik von Events entsprechend, hatte der XX. Weltjugendtag 2005 deutlich sichtbar und intendiert die Gestalt eines inszenierten Ereignisses. Typisch für ein Mega-Event war diese Inszenierung auf eine möglichst hohe Öffentlichkeitswirksamkeit hin angelegt, was in spätmodernen Gesellschaften insbesondere dann gelingt, wenn es als ein Medien-Event, d.h. als ein Event in den und für die Medien, inszeniert wird. An dessen Produktion sind nicht nur die Medienschaffenden, also die Fernseh-, Radio-, Presse-, Online und Foto-Journalisten, sondern auch die Organisatoren maßgeblich beteiligt. weil sich der Weltjugendtag als Medienereignis nur schwer ‚kontrollieren’ lässt, wurden Ressourcen und Kompetenzen gezielt dahingehend eingesetzt, die Inszenierung der zentralen liturgischen Feiern für eine breite, das Sakrale aufgreifende Medienberichterstattung ansprechend – und d.h. unter anderem durch eine Vergeheimnissung der Atmosphäre – zu konzipieren (3.1.4.3). Im Unterschied etwa zum Evangelischen Kirchentag wird dabei mit Nachdruck darauf geachtet, das katholische Glaubensangebot nicht in einem „Markt der Möglichkeiten“ zu ‚verschwiemeln’, sondern durch ein striktes Programmregiment sozusagen ‚außer Konkurrenz’ zu präsen70
Böhme benennt hier Kosmetiker, Bühnenbildner, Innenarchitekten, Designer, Werbe- und Modeleute, Künstler usw., meint damit aber nicht einfach bestimmte Berufsgruppen, weil die Berufsstatistiken „die ästhetische Arbeit noch nicht im besonderen“ ausweisen. Im Blick hat er vielmehr die ‚Macher von Atmosphären’.
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tieren, und es damit – verkörpert in der Amtsperson des Papstes, aber auch als eine Art ‚Antidot’ zum konsumistischen Zeitgeist – in seinem Alleinstellungsmerkmal erkennbar zu machen (3.1.4.4). Während dem Event selber, aber schon in seinem Vorfeld bestand eine Strategie der Organisatoren darin, die Medienschaffenden in ihrer Rolle als ‚Kommunikatoren’ mit ein positives Image der Katholischen Kirche befördernden Botschaften zu ‚indoktrinieren’ (3.1.4.2). Die jugendlichen Teilnehmer wurden dabei als Kulisse für die Performance der in ihren Würdenträgern personalisierten Amtskirche instrumentalisiert (3.1.4.1).
3.1.4.1
Die Instrumentalisierung der Event-Teilnehmer
Unisono weisen Organisatoren des Weltjugendtags darauf hin, wie wichtig es sei, „dass das ein Weltjugendtag bleibt und nicht eine Papstreise oder so was ähnliches wird“ (I_17: Z_829f). Die herausragende Bedeutung dieses Aspekts wird mit dem Hinweis darauf verstärkt, dass der „Heilige Vater“ im persönlichen Gespräch mit dem Generalsekretär des Weltjugendtags ausdrücklich den Wunsch geäußert hat, mit den Jugendlichen in direkten Kontakt zu kommen („denk dran, wenn ich mit Jugendlichen zusammentreffe, das soll jetzt nicht so ne Shake-HandGeschichte werden, ich will mit den Jugendlichen reden“ (DF_05: Z_211f). Wenn der Papst dieses Anliegen tatsächlich (sicherlich nicht dem kolportierten Wortlaut, aber dem Inhalt nach) geäußert hat, dann hat er damit eine Zielsetzung formuliert, die in der Literatur zum Eventmarketing als „Kontaktziel“ bezeichnet wird: „d.h. man will mit dem Marketing-Event den direkten Kontakt zwischen Anbietern (Unternehmen) und Konsumenten (Zielgruppe) herstellen“ (Nickel 1998: 8). Schon beim Weltjugendtag in Köln, aber auch bei seinem ein Jahr später absolvierten Heimatbesuch in Bayern hat sich gezeigt, dass sich der amtierende Papst Benedikt XVI. tatsächlich viel Zeit für die Begegnung mit den Veranstaltungsbesuchern nimmt, und dass er dabei über das obligatorische Händeschütteln und Winken hinaus immer wieder ein paar Worte mit einzelnen Wartenden wechselt. Und vermutlich teilt er dieses Anliegen auch tatsächlich mit seinem Amtsvorgänger, der mit der dezidierten Pflege von ‚Körperkontakt’ mit dem Kirchenvolk in den Straßen eine neue Ära der Volksnähe in der Katholischen Kirche eingeleitet hatte. Obwohl Gläubige – im Unterschied zu den Kontaktmöglichkeiten von Produktliebhabern zu ihrem Hersteller – ausgesprochen häufig die Gelegenheit zum Kontakt mit Vertretern der Kirche als Verwalterin eines Glaubensangebots haben, verspricht der direkte Kontakt mit deren Oberhaupt – schon allein deshalb, weil er im Unterschied zu den meisten Firmenchefs einen Prominentenstatus hat, vor allem aber aufgrund seiner Bedeutung als Nachfolger Petri – eine um ein Vielfaches erhöhte ‚Kundenbindung’.
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„Wir müssen jetzt versuchen, dass der Weltjugendtag ein Ereignis der Jugend bleibt, und Benedikt XVI. für sich sagt genau das, was Johannes Paul II. sagte: nicht ich stehe im Mittelpunkt, sondern die Jugend der Welt. Natürlich konzentriert sich plötzlich alles halt auch sehr stark auf den Papst, aber die Kunst ist nachher in der Inszenierung darauf zu schauen, dass das ’n Jugendevent bleibt, wo auch der Papst eine entsprechende Rolle spielt“ (DF_5: Z_181ff).
Die Wiederholung des päpstlichen Anliegens von verschiedenen Organisatoren beinahe im gleichen Wortlaut deutet auf mehrerlei hin: zum einen darauf, dass es sich dabei um einen ‚Dauerbrenner’ handelt, d.h. um eine Geschichte, die (nicht zuletzt deshalb, weil sie Nähe zu einer prominenten Person anzeigt) gern und oft erzählt wird, und zwar von Personen, die häufig, und mitunter vermutlich auch gemeinsam, in der Öffentlichkeit stehen und dort über den Weltjugendtag Auskunft geben müssen. Die Wiederholung deutet aber auch darauf hin, dass es sich um einen Aspekt handelt, der als wichtig erachtet wird – was bedeuten kann, dass er dem jeweiligen Sprecher selber wichtig ist, was aber auch ‚nur’ bedeuten kann, dass der Aspekt für jemanden wichtig ist, dessen Wunsch wichtig ist. Der Zweifel daran, dass die Organisatoren den päpstlichen Wunsch tatsächlich als vorrangig erachtet haben, gründet darin, dass sie diesen Wunsch nicht wirklich als ‚Kontaktziel’ interpretiert haben, sondern als Ausdruck dafür, die Aufmerksamkeit nicht auf seine (Amts-)Person, sondern auf die Jugendlichen zu lenken, um die bzw. um deren Event es ‚eigentlich’ gehe. Ihre Umsetzung dieses Anliegens bestand jedenfalls vor allem darin, dafür zu sorgen, dass der Papst – quantitativ – möglichst viele Programmpunkte mit Jugendlichen absolviert.71 Ihr Augenmerk lag dabei wesentlich darauf, „hier was zu inszenieren, dass Papst und Jugendliche nachher das Bild sind, das um die Welt gehen soll“ (DF_5: Z_204f). Besonders klischeehaft wurde dies bei der Schiffsanreise des Papstes auf dem Rhein zum Kölner Dom inszeniert: der Papst auf seinem Papststuhl am Bug des Schiffes inmitten besonders junger, fast kindlich anmutender Jugendliche thronend, die, in den Trachten ihrer Heimat ihm zu Füßen, nach einer einstudierten Choreographie paarweise vortreten und vor ihm niederknien durften, damit er ihnen die Hand segnend aufs Haupt legen und tatsächlich ein paar Worte mit ihnen wechseln konnte. Die überwältigende Kulisse hierfür lieferten die ‚Heerscharen’ von Jugendlichen, die sich an beiden Seiten des Flusses aufgestellt hatten, um sich – das Schiff in Sichtweite – begeistert bis zum Bauch in den Rhein zu waten. Eskortiert wurde das Papstschiff von einem zweiten, mit Vertretern der (Bild-)Medien besetzten Schiff, denen von dort aus ein möglichst guter 71
„also beispielsweise werden wir den Heiligen Vater kaum irgendwie allein auf die-, der wird im Boot mit Jugendlichen sein, der wird zum Dom hoch mit Jugendlichen gehen, der geht äh der Mann der macht unheimlich viel Punkte mit Jugendlichen“ (I_17: Z_826ff).
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Blick auf die folkloristische Inszenierung geboten werden sollte, was eine logistische Panne72 allerdings verhinderte. Dieser Inszenierungsidee leistet die nicht variable Gesamtanlage des Weltjugendtags als zweigeteiltes Event Vorschub: Die Jugendlichen, die vorab zu den so genannten „Tagen der Begegnung“ dezentral in den Diözesen des Gastgeberlandes empfangen worden sind, treffen – deutsche und internationale Gäste gemeinsam – am zentralen Ort des Geschehens ein und stehen in den ersten Hälfte der Veranstaltung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Organisatoren, Geistlichen und Medienvertretern. Erst am vierten Tagen reist der Papst an und wird mit großem Aufwand und mit von den geistlichen und weltlichen Kommunikatoren sukzessive gesteigerter Vorfreude willkommen geheißen. Der ‚aufmerksamkeitsökonomische’ Vorteil dieses festgeschriebenen Programmablaufs besteht darin, dass die Bilder (von den pompös gestalteten Messen in den überfüllten Sportstadien, von den hunderttausenden feiernden Jugendlichen in den Straßen und auf den Plätzen), die sich im Laufe der Woche abwechslungsarm wiederholen und folglich den (Fernseh-)Zuschauer ermüden würden, sich durch die Ankunft des Papstes neu rahmen lassen. Ab diesem Moment wird das ‚Meer’ an begeistert Fahnen schwenkenden Jugendlichen, in denen der Papst nun ‚badet’, wo immer er auftritt, zur farbenfrohen Kulisse für das Oberhaupt der Katholischen Kirche. Mit der Feststellung „die Hauptakteure des Weltjugendtags sind die Jugendlichen“ (I_17: Z_800f) betont der Generalsekretär des Weltjugendtags denn auch vor allem die Einsicht, dass sie als Organisatoren lediglich die Voraussetzungen für ein gelingendes Event bereitstellen können, während das Besondere des Ereignisses ‚in situ’ von den Teilnehmern konstruiert werden müsse, denn „wie das wird, welche Stimmung die reinbringen, welche Fragen die reinbringen, das äh das entscheiden die Jugendlichen“ (I_17: Z_803f). Die Jugendlichen fungieren gleichsam als Stimmungsmacher – beim Weltjugendtag selber, aber auch schon bei den Vorbereitungen im Büro.73 Nicht nur die schlichte Präsenz der Jugendlichen aus aller Welt im Büro, sondern auch ihre hohe Arbeitsmotivation, in der sie von ihren hauptamtlichen Kollegen und Vorgesetzten offenbar mitunter gebremst werden mussten, um sie daran zu hindern, ihre Kräfte bis an die bzw. gar über die Leistungsgrenze hinaus zu verausgaben, wird von vielen Bereichsleitern explizit hervorgehoben. Bedeutsam waren diese jugendlichen Freiwilligen aber nicht nur als Arbeitskräfte, sondern auch als ‚Messinstrumen72
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Obwohl vorab mit der Polizei abgestimmt worden war, dass das mit Journalisten und Pressefotografen besetzte Schiff unmittelbar vor den Schiff mit dem Papst herfahren soll, um diesen einen möglichst guten Blick auf die Vorgänge auf dem Papstschiff zu ermöglichen, war für das Medienschiff der Start zu früh veranlasst worden. „und dann freu ich mich immer, wenn ich die jungen Menschen sehe, mit welcher Inbrunst, mit welchem Engagement, die auf der einen Seite ihre Arbeitskraft bei uns [im Weltjugendtagsbüro; M.P.] einbringen, und auf der anderen Seite aber auch ihren Glauben leben“ (DF_1: Z_28f).
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te’, um die Konzepte, z.B. von Veranstaltungen im kulturellen Rahmenprogramm, auf ihre Zielgruppenadäquatheit hin zu testen.74 Viele Bereichsleiter legen ohnehin Wert darauf zu betonen, wie wichtig ihnen die Mitwirkung von Jugendlichen an den Vorbereitungen war: „aber uns war’s wichtig, dass wir so viel wie möglich auch mit Jugendlichen machen und nicht nur jetzt Profis, die sagen, wie’s geht“ (I_08: Z_117). Eine beliebte Beteiligungsform war die Bildung von mit Jugendlichen besetzten ‚Jurys’ – etwa zur Auswahl von Künstlergruppen für das Kulturfestival oder von Fotos für den Kreuzweg. Ähnlich wie in der Schülermitverwaltung lag die endgültige Entscheidung aber nicht bei den jugendlichen Jurymitgliedern, hergestellt wurden hier vielmehr von allen Beteiligten getragene Konsensfiktionen. Ebenso begrenzt wie die Beteiligungschancen bei den Vorbereitungen außerhalb des Diensts als Langzeitfreiwillige im Büro, dem ein langwieriger Bewerbungsprozess in den Herkunftsdiözesen der Jugendlichen vorausgegangen war, waren auch die Einsatzmöglichkeiten beim Weltjugendtag selber. Die Mitwirkung in einem von zwei Weltjugendtagschören, für die sich Jugendliche im Rahmen einer Ausschreibung bewerben konnten, war eine der wenigen Mitwirkungsmöglichkeiten außerhalb des Diensts als so genannte „Kurzzeitfreiwillige“. Und dieser war unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass den ca. 25.000 Volunteers die Art ihrer speziellen Aufgabe bis kurz vor Beginn ihres Einsatzes unbekannt war (vgl. Pfadenhauer 2006a). Mit der Einbindung der Jugendlichen ist folglich zwar der aus Kreisen der Jugendpastoral seit längerem geäußerten Forderung entsprochen worden, Strukturen kirchlicher Jugendarbeit zu schaffen, die „Partizipation ermöglichen“ und „die Teilnehmenden nicht zu bloßen Konsumenten degradieren“ (Hobelsberger 2002: 107). Am ‚Rahmen-Bau’ ‚ihres’ Events sind die Jugendlichen aber nicht beteiligt gewesen: Selbst die gern als „Mitarbeiter wie alle anderen“ (I_19: Z_432) titulierten Langzeitfreiwilligen im Kölner Weltjugendtagsbüro waren „keine Entscheidungsleute“ (I_17: Z_812). Denn „es muss Rahmenbedingungen geben äh für die also schlicht und ergreifend ein Jugendlicher, der in einem Jahr hier arbeitet und aus Kasachstan kommt, hier keine Verantwortung tragen kann, das ist klar äh, aber wir müssen sie mit einbeziehen“ (I_17: Z_822ff). Dieser paternalistischen Auffassung nach kann Jugendlichen keine, jedenfalls keine Letzt-Verantwortung übertragen werden. Partizipation bedeutet bei diesem Ereignis, das sich dergestalt bei genauerem Hinsehen nicht als ein Event der Jugend, sondern als ein Event für die Jugend erweist, dass Angehörige der Zielgruppe bei geeigneten Gelegenheiten auf klar definierte Weise und im festgeleg74
„oder äh die [Jugendlichen] gefragt, was haltet ihr davon, haltet ihr das für für sinnvoll, könnt ihr euch das im Kontext Weltjugendtag vorstellen, hättet ihr selber Spaß da hin zu gehen, oder würdet ihr sagen, ja ist interessant, aber für mich nicht“ (I_03: Z: 729).
3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs
87
ten Umfang in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, ohne dass diese Entscheidungen tatsächlich vom Votum der Jugendlichen abhängig sind.
3.1.4.2
Die Indoktrination der Kommunikatoren
Im Bereich ‚Kommunikation & Öffentlichkeit’ wurden von Beginn an alle Vorbereitungsaktivitäten daraufhin gesichtet, welche Maßnahmen – z.B. Übernahme des Weltjugendtagskreuzes von jugendlichen Vertretern der veranstaltenden Nation des letzten Weltjugendtags durch solche der aktuellen Veranstalter; Beginn der Baumaßnahmen am Gelände für die Abschlussveranstaltungen mit dem Papst – wie vollzogen werden können, damit sie einen attraktiven ‚Content’ für die Medien bilden.75 Hierfür waren zum einen die Mitarbeiter dieses Bereichs permanent in allen anderen Arbeitsbereichen unterwegs, um Themen aufzuspüren, die sich medienwirksam aufbereiten lassen,76 zum anderen wurde den Kollegen im Weltjugendtagsbüro – durchaus auch gegen Widerstreben – selber eine Einsicht in Medienbelange abverlangt.77 Dieser Grundhaltung entsprechend wurde beispielsweise der Baubeginn am Marienfeld als ein öffentlichkeitswirksames Ereignis inszeniert: Zu diesem Anlass wurde mit dem Geschäftsführer, den beiden Sekretären und dem Generalsekretär des Weltjugendtags die gesamte Führungsriege der Veranstaltung auf dem Feld versammelt. Eskortiert wurden sie von einer erkennbar internationalen Auswahl von Jugendlichen aus dem Weltjugendtagsbüro. Den symbolisch ‚ersten’ Spatenstich hat Kardinal Meissner, der Vorsteher der den Weltjugendtag veranstaltenden Erzdiözese Köln, ausgeführt, der als Vertreter der lokalen Prominenz und als hoher kirchlicher Würdenträger einen Anreiz für die kirchlichen und für die säkularen, für die regionalen und für die überregionalen Medien zugleich darzustellen versprach. Hier wurde also eine ganze Reihe von Mediengrundsätzen beherzigt: aus den laufenden Vorbereitungen zum Weltjugendtag im weiteren und den Baumaßnahmen am Marienfeld im engeren Sinn wurde ein Ereignis konstruiert, das (so) nie stattgefunden hätte (es ist fraglich, ob am Marienfeld auch nur ein Bauarbeiter überhaupt jemals einen Spaten in der Hand 75
76
77
„Stichwort ist eben, dass quasi zwei Tage nach Dienstbeginn am 3. April 2003 das Weltjugendtagskreuz in Rom medienwirksam von den Kanadiern an uns Deutsche übergeben wurde, und das musste ich schon aus der Bischofskonferenz heraus quasi vorbereiten“ (I_26: Z_106ff). „und deshalb war es gut, eben einen Stab zu haben mit [Eigenname] und [Eigenname], die selbst so viel Kontakt und Blick in die einzelnen Bereiche hatten, um sich die notwendigen Informationen zu holen“( I_26: Z_319). „ich hab sehr dafür geworben, und musste das bei fast allen Bereichsleitern, dass die verstehen (…), dass man begreift (…), auch selbst eine Denke an den Tag zu legen, was ist medienrelevant“ (I_26: Z_327ff).
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3 Ziele des Organisierens
hatte), das aber einen Anlass (mit konkretem Ort und konkreter Zeit) bot, über den in den Medien berichtet werden konnte. Zu diesem Anlass wurden aufgrund ihrer Funktion und/oder ihres Prominentenstatus bedeutsame Personen versammelt, die sich mit O-Tönen und Bildern medial präsentieren ließen – auch hier vor jugendlicher Kulisse, um den möglicherweise etwas (anzugs-)grauen Anblick der Männerriege kameratauglich aufzulockern. Die Logik dieser Inszenierung unterscheidet sich strukturell in keiner Weise von der für vergleichbare weltliche Anlässe typischen Art der Ereignisgestaltung. Gerade zu Beginn der Öffentlichkeitsarbeit wurde weniger von den Inhalten her gedacht, die mit der Veranstaltung vermittelt werden sollten. Ausgangspunkt der Öffentlichkeitsarbeit war vielmehr, welche Art von Content-Angebot (Nachrichtenwert, Prominenz, Bilder) Medien nachfragen, und wie diese Nachfrage im Austausch gegen das begehrte Gut ‚Aufmerksamkeit’ bedient werden kann – die Grundeinsicht beherzigend, dass Medienkooperation grundsätzlich auf einer Koinzidenz von Interessen basiert: Die einen brauchen Inhalte und können im Gegenzug Aufmerksamkeit verschaffen. Die anderen bieten Inhalte und erhoffen sich im Gegenzug dafür Aufmerksamkeit. Generell war den Mitarbeitern im Bereich ‚Kommunikation & Öffentlichkeit’ allerdings nicht, jedenfalls nicht an erster Stelle, an der Vermittlung spezieller Inhalte des Weltjugendtags gelegen – durchaus auch zum Leidwesen von für spezifische Inhalte zuständigen Kollegen im Weltjugendtagsbüro. Wert wurde vielmehr vor allem auf die Umsetzung von Zielen gelegt, die mit dem Weltjugendtag erreicht werden sollten. Denn auch wenn sich der Leiter des Bereichs ‚Kommunikation und Öffentlichkeit’ selber gern als Pressesprecher des Weltjugendtags tituliert hat, hat er die Aufgabe seines Bereichs nicht als die einer konventionellen Pressestelle verstanden, die Neuigkeiten mehr oder weniger mediengerecht aufbereitet an die ‚Presse’ gibt und Anfragen von der ‚Presse’ an entsprechende Stellen im Betrieb weiterleitet. Er hat die Aufgabe seines Bereichs vielmehr als die einer Art Kommunikationsagentur definiert, weshalb er eine diesbezügliche professionelle Unterstützung – die ja durchaus auch als Entlastung hätte angesehen werden können – vehement zurückgewiesen hat.78 Als „Grundlage für die Ziele des WJT“ hat der Bereichsleiter, im Rahmen eines „Kommunikationskonzepts“, von ihm so genannte „Kommunikationsbotschaften“ formuliert, für die er sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Zustimmung der Weltjugendtagsverantwortlichen im Büro und im übergeordneten Lokalen Organisationskomitee gesichert hatte. Das Datenmaterial weist an kei78
„das war übrigens etwas, das ich übrigens von Anfang an abgelehnt habe, ich habe gesagt, ich will keine Kommunikationsagentur als Partner (.) ich will ne Werbeagentur, die zahl ich auch, aber ich will nich so ne Kommunikationsagentur, die mir nur grosse Charts an die Wand wirft“ (I_26: Z_1544ff).
3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs
89
ner Stelle einen Hinweis dahingehend auf, dass diese Ziele bzw. Kommunikationsbotschaften von anderer Stelle, z.B. von der Pressestelle des Heiligen Stuhls oder dem Päpstlichen Laienrat, erarbeitet und zur Weiterarbeit bzw. Aneignung bereit gestellt worden wären. Deshalb beansprucht der Hauptverantwortliche für die Öffentlichkeitsarbeit hierfür offenbar zu recht alleinige Urheberschaft. Für die Konstruktion des Kommunikationskonzepts bringt er folgende Logik in Anschlag (vgl. Abb. 6):
Abbildung 6:
Behauptete Logik des Kommunikationskonzepts (Quelle: eigene Darstellung)
Als Ausgangspunkt der Überlegungen wird das von Papst Johannes Paul II. vorgegebene Motto des Weltjugendtags ausgewiesen. Diesem Motto käme „eine besondere Bedeutung für die Ausrichtung der Kommunikationsbotschaften als Grundlage für die Ziele des WJT“ (Kommunikationskonzept: 1) zu. Und „die in Kapitel 1 vorgestellten und bewusst knapp gehaltenen Kommunikationsbotschaften sind die Grundlage für die Zielformulierungen des WJT“ (Kommunikations-
90
3 Ziele des Organisierens
konzept: 4.2). Wenn hierin nun als ein Ziel (unter vielen anderen) angegeben wird, dass der Weltjugendtag helfen solle, „Verantwortung für Kirche, Gesellschaft und Politik zu erkennen“, und als Kommunikationsbotschaft formuliert wird, dass „die Jugendlichen aktiv Gegenwart und Zukunft der Gesellschaft gestalten und Antworten auf ihre Fragen erhalten [wollen], dann lässt sich zwischen diesen beiden Aussagen ein inhaltlicher Bezug erkennen. Demgegenüber fällt es – jedenfalls ohne theologische Argumentationshilfe – schwer, diese Inhalte aus dem Motto des Weltjugendtags: „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten“ (Mt 2,2) abzuleiten. Und ein solcher Bezug wird auch nicht argumentativ herausgearbeitet. Möglicherweise ist die im Kommunikationskonzept explizierte Fundierung der Ziele im religiösen Leitthema des Weltjugendtags aber auch vor allem als Beruhigungsstrategie für marketingkritische Kollegen im Weltjugendtagsbüro zu interpretieren. „Der XX. Weltjugendtag ist das junge Gesicht einer lebendigen Kirche“ lautet die erste der insgesamt sechs „Botschaften“ im Kommunikationskonzept.79 Nicht nur im Sprachduktus, sondern auch aus dem Inhalt ist hier eine MarketingBotschaft erkennbar: symptomatisch hierfür ist, dass diese Mitteilung nicht als Absichtserklärung („soll sein“), sondern als Feststellung („ist“) formuliert, die explizit auf den XX. Weltjugendtag, d.h. auf die Veranstaltung in Köln, bezogen ist. Vor allem aber lässt sich die Redewendung „[x] ist das Gesicht von [y = eine Organisation]“ als eine aus der Werbesprache entlehnte Formulier-ung entschlüsseln (z.B. „die Schauspielerin Keira Knightly ist das neue Gesicht von Chanel“). Allerdings fallen im Vergleich zum Einsatz dieser Art Formulierung im Werbekontext zwei Abweichungen auf: während das ‚x’ in der Kommunikationsbotschaft einer Kosmetikfirma oder eines Modedesigners tatsächlich eine Person bezeichnet, deren Gesicht in der Werbung dann auch mit den Produkten abgebildet wird, wird im vorliegenden Fall ein Ereignis, das Event ‚Weltjugendtag’, als Gesichtsmetapher eingesetzt. Dies ist deshalb bedeutsam, weil ja auch von den Teilnehmern des Weltjugendtags hätte gesprochen werden können (z.B. „die jugendlichen Pilger sind das Gesicht einer lebendigen Kirche“). Die Aussage hätte dann aber einen Exklusionseffekt, weil mit ihr all diejenigen (Jugendli79
Im Folgenden wird nur die erste Kommunikationsbotschaft einer näheren Betrachtung unterzogen. In Bezug auf alle Botschaften lässt sich allerdings die These formulieren, dass der Weltjugendtag diesem Konzept zufolge als Imagekampagne für die Katholische Kirche genutzt werden soll. Die weiteren Kommunikationsbotschaften lauten: „Jugendliche der ganzen Welt treffen sich gemeinsam mit dem Papst zu einem Glaubensfest. Die Jugendlichen wollen aktiv Gegenwart und Zukunft der Gesellschaft gestalten und Antworten auf ihre Fragen erhalten. Durch den Weltjugendtag wird offensichtlich: Wer Christus findet, verändert die Welt. Der Weltjugendtag macht neugierig auf Kirche, die durch Miteinander und Dialog mutig, motiviert und optimistisch nach vorne blickt. Der Weltjugendtag ist ein internationales und mediales Ereignis ersten Ranges, das von Gastfreundschaft geprägt ist“ (Kommunikationskonzept: 3).
3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs
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chen), die nicht am Weltjugendtag teilnehmen, ausgeschlossen worden wären. Es geht aber ohnehin um das Ereignis selber, das als Werbeträger fungieren soll – allerdings als ein Werbeträger unter anderen, was durch den Zusatz ‚jung’ betont wird: Wenn der Weltjugendtag (und zwar konkret derjenige, der in Köln ausgerichtet wird) der Kirche ein „junges“ Gesicht verleiht bzw. eine jugendliche Ausdrucksform ist, dann impliziert dies, dass es weitere Ausdrucksformen geben kann (z.B. „die österliche Feier ist das frohe Gesicht einer hoffnungsvollen Kirche“; „der Papst-Besuch in Auschwitz ist das ernste Gesicht einer geschichtsbewussten oder einer sich ihrer Rolle in der Vergangenheit bewussten Kirche“). Als Absender der Werbebotschaft wird – dies markiert den zweiten Unterschied – nicht eine konkrete Organisation (z.B. Chanel), sondern „eine lebendige Kirche“ benannt. Diese Formulierung verwirrt auf den ersten Blick, da sie das Attribut ‚Lebendigkeit’ nicht für die veranstaltende Katholische Kirche, sondern für Kirche generell, d.h. Kirche als Institution zu reklamieren scheint. Gemeint ist damit aber, dass der Weltjugendtag Ausdruck einer solchen Kirche ist, die lebendig ist, d.h.: der Umstand, dass die Katholische Kirche dieses Event veranstaltet, ist Ausweis ihrer Vitalität. Die Kommunikationsbotschaft „Der XX. Weltjugendtag ist das junge Gesicht einer lebendigen Kirche“ impliziert somit, dass mit dem Weltjugendtag nicht etwa das Image einer als veraltet und verkrustet anzusehenden Institution verbessert werden soll, sondern dass der Weltjugendtag für die Katholische Kirche eine Chance darstellt, als das zu erscheinen, was sie ist: als eine lebendige Kirche. Mit der Imagekampagne ‚Weltjugendtag’ wird einer noch oder derzeit konturenlosen Kirche ein Gesicht – und zwar ein bestimmtes, nämlich ein junges (und assoziativ somit ein attraktives) Gesicht – verliehen. Zum Gelingen dieser Kampagne, die nicht mit den Weltjugendtagen generell, sondern mit dem XX. Weltjugendtag 2005 in Köln angestrengt wird, soll nicht nur die Formulierung „klarer, knapper und konkurrenzloser“ Kommunikationsbotschaften, die als Botschaften an die Kommunikatoren konzipiert sind, sondern soll beispielsweise auch die Durchsetzung eines verbindlichen „Corporate Design“ (I_26: Z_383) beitragen, das – vom Logo über die Briefkopfgestaltung bis hinein in die normierte Schriftgröße des Emailverkehrs – ein einheitliches Bild vom Weltjugendtag vermitteln soll.80
80
In der Literatur zum Event-Marketing wird auf die Notwendigkeit eines ‚roten Fadens’ sowohl bei den Eventinhalten (z.B. durch einen stringenten Programmablauf) als auch im äußeren Erscheinungsbild hingewiesen, wofür sich ein Logo, ein Motto und bestimmte Farben, welche die Szenerie bestimmen sollen, als probate Mittel darstellen (Bischof 2004, S. 24).
92
3 Ziele des Organisierens
3.1.4.3
Die Vergeheimnissung der Atmosphäre
Nicht die Vermittlung eines einheitlichen, sondern die eines unverwechselbaren Bildes ist das Anliegen, das im Bereich ‚Liturgie’ mit der Inszenierung des Weltjugendtags verfolgt wird. Unverwechselbarkeit heißt hier zunächst, deutlich zu machen, dass es sich beim Weltjugendtag nicht um ein ‚Event wie jedes andere’ handelt, was bedeutet, alles daran zu setzen, in den Medien auch nicht wie alle anderen Events ‚behandelt’ zu werden: „dass wir hier im Bereich unser Möglichstes tun, dass in der Kommunikation nach außen, also beispielsweise in den Printmedien oder im Radio oder Fernsehsendung, äh nicht berichtet wird über die Liturgie wie ich über das Oktoberfest in München berichte, also ich sage jetzt mal, ich kann doch jetzt sagen äh wenn ich über Liturgie rede, da werden so und soviel hundert Liter Wein benötigt und so und soviel Millionen Hostien dann ist es so wie wenn ich übers Oktoberfest berichte, wo’s dann heißt, soviel Liter Bier sind diesmal geflossen und soviel Kilo Weißwürste wurden gegessen, ja? Das versuchen wir zu vermeiden, aber nicht immer mit großem Erfolg, das muss ich also sagen, ja?, weil zu viele Leute meinen, sie könnten über Liturgie reden“ (I_08: Z_192).
Die resignative Kritik, die hier am Ende geäußert wird, richtet sich nicht, wie man vermuten könnte, an die Adresse der Medienberichterstatter. Vielmehr wird hier die Willfährigkeit kritisiert, mit der die Medien, der Logik üblicher Eventberichterstattung entsprechend, aus dem ‚eigenen Hause’ bedient werden.81 Wenn den Medien auf der offiziellen Homepage des Weltjugendtags jedoch Informationen über die Anzahl der Beichtväter (500), den Bedarf an Brötchen (900.000 pro Tag), die Kubikmeter für die Erdaufschüttung des Altarhügels (80.000) und vieles andere mehr bereit gestellt werden, dann unterscheidet sich das – ebenso wie die Inszenierung des ersten Spatenstichs – nicht von der Kommunikationspolitik der Veranstalter von ‚weltlichen’ Events, wenn diese beispielsweise über die Kilometer verlegter Kabel für die Beschallung einer Mehrzweckhalle oder über die Anzahl der Trucks auf einer Techno-Parade informieren. In der hiermit geäußerten kommt nicht etwa eine prinzipiell medienkritische oder gar -ablehnende Haltung zum Ausdruck; vielmehr wird die Darstellung durchaus als genuiner Teil der Aufgabe betrachtet: „wir sorgen natürlich dafür, dass das Bild rüberkommt, nicht nur live, sondern auch im Fernsehen, das ist auch Teil unserer Arbeit“ (I_08: Z_140). Dieses letzte „auch“ hat keinen ein81
„ich sag mal, die die Sache ist, wie wer nach außen redet, aber die andere Sache ist, wozu man nach außen redet ne? und es liegt nicht an den Medien, dass solche Meldungen dann immer kommen, wenn über Liturgie geredet wird, sondern es liegt einfach an den Informationen, die nach draußen, ne?“ (I_08: Z_204ff).
3.1 Prioritäre Ziele des Organisierens oder: der pragmatische Sinn des Vollzugs
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schränkenden Charakter, vielmehr wird hier die Bedeutung betont, die der Aufgabe beigemessen wird, jene Inhalte visuell umzusetzen, die zum (großen) Teil durch das Weltjugendtagsmotto von ‚Rom’ bereits vorgegeben waren, die zum (kleineren) Teil aber auch gemeinsam mit aus verschiedenen Bistümern und Verbänden rekrutierten „Fachleuten für Liturgie“ (I_08: Z_157), mit Jugendlichen und bereits in die Vorbereitung der Großliturgien eingebundenen Fernsehredakteuren erarbeitet und zu Drehbüchern verarbeitet wurden.82 Nicht nur wird in diesem Bereich eine (z.T. von ‚außen’ ergänzte) spezifische Kompetenz für liturgische Angelegenheiten und ihre Darstellung in Anspruch genommen, sondern es wird auch eine bestimmte ‚Logik’ der Darstellung in Anschlag gebracht: es geht um Visualisierung, um die Darstellung von komplizierten theologischen Sachverhalten bzw. religiösen Botschaften in einem Gesamtbild.83 Als Beispiel beschreibt der Leiter des Bereichs ‚Liturgie’ die Altargestaltung: „Sie wissen ja, wir haben uns für den Hügel entschieden (…) und für die Wolke. Der Hügel als Ort der Gottesbegegnung, die Wolke als ein Zeichen äh für die Gegenwart Gottes“ (I_08: Z_59ff). Als ein weiteres Beispiel präsentiert der Bereichsleiter für die Großliturgien die Zugangsgestaltung zum Altarhügel: „man könnte ’n viel kürzeren Weg legen äh, aber wir haben bewusst einen serpentinenartigen Weg zu Bühne hoch äh da, wir sagen der Weg zu Gott, das ist keine Schnellbahnstraße, sondern das ist eher ‚ne suchende vorsichtig sich annähernde Bewegung, in der auch Zweifel steckt, ja?“ (I_08: Z_74ff). Der Berg zur Symbolisierung der Gottesbegegnung dürfte zumindest den Bibelkundigen als Ort bekannt sein, an dem verschiedenen biblischen Protagonisten eine Kontaktaufnahme mit ihrem Gott gelungen ist. Und dessen Gegenwart manifestiert sich mitunter darin, dass er sie aus einer Wolke anzusprechen pflegt. Unschwer erkennbar wird hier keine anspruchsvolle, sondern eine einfache, aus Kirchengemälden vertraute, naive Symbolsprache gewählt. Zugleich wird aber auch der Anspruch formuliert, die jeweils beabsichtigte Aussage zwar in einfache, aber nicht in bequeme, d.h. plakative bzw. „schreiende“ Bilder zu übersetzen. Vielmehr soll dem Betrachter durchaus auch eine Interpretationslast aufgebürdet werden, um dergestalt das Geheimnisvolle, das letztlich unergründliche ‚Geheimnis des Glaubens’ zum Ausdruck zu bringen.84 Zu diesem Zweck wird eine Atmosphäre erzeugt, die das Geheimnisvolle, das 82
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Die Medien erscheinen als wichtiger Kooperationspartner beim Transport der Botschaften, die man den Zuschauern vor Ort und vor den Bildschirmen übermitteln möchte, weshalb sie bzw. ausgewählte Vertreter bereits früh in die Planungen eingebunden werden. „also wenn ich von Bildern rede geht’s nicht nur um architektonische Gestaltung oder äh die auch die Dekoration, sondern es geht auch um äh Gestaltung von Altar, um Stil (.) das muss zusammenpassen“ (I_08: Z_56ff). „ich möchte einfach nicht, dass die Leute den Eindruck haben, jetzt haben wir alles verstanden. Also das ist ein Geheimnis“ (I_08: Z_302f).
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3 Ziele des Organisierens
letztlich Unergründliche und Nichterklärbare wahrnehmbar, in Schauern der Ergriffenheit sogar leiblich erfahrbar machen möchte. Unverwechselbarkeit meint hier also nicht (nur) Unvergleichlichkeit bzw. Unvergleichbarkeit dieses ‚geistlichen’ mit säkularen Events. Das, was den Unterschied machen soll, ist die besondere Atmosphäre85, die mit ästhetischen und synästhetischen Mitteln erzeugt werden soll: Ähnlich wie ein Landschaftsgärtner eine „Szene“86 herstellt, soll auf dem Freigelände Marienfeld mit der Aufschüttung eines Hügels, mit der Bühnenkonstruktion aus Altar und Wolke, mit eigens angefertigtem Mobiliar, mit kirchlich-meditativer Musik87 und mit einer speziellen Beleuchtung eine besondere, eine „sakrale“ Atmosphäre ‚gemacht’ werden.88 Die Aufschüttung eines Hügels und damit die hochgelegte Altaranlage, die eine deutlich sichtbare Distanz zwischen Klerus und Kirchenvolk schafft, kann – vergleichbar mit der Architektur von Schlössern und Burgen, bei der es „nicht nur um die Zweckmäßigkeit von Verteidigung, sondern um die Erzeugung einer Atmosphäre von Hoheit und Überlegenheit“ (Böhme 1995: 43) geht – auch als Ästhetisierung von Herrschaft interpretiert werden. „Die Kumulation und öffentliche Darstellung von episkopalem Amtscharisma ist ein altes Muster der Inszenierung der römisch-katholischen Kirche in asymmetrisch polarisierten Veranstaltungen einer repräsentativen Öffentlichkeit, ein öffentliches Eindrucksmanagement“, dessen dramaturgische Idee Michael Ebertz (2000, S. 354) zufolge darin besteht, die Aufmerksamkeit auf die „Eminenz des päpstlichen Vikariats zu lenken und die hierarchische Differenz augenfällig zu machen.“ Auch dem an der Universität Dortmund lehrenden katholischen Theologieprofessor Thomas Ruster zufolge dienen die Weltjugendtage der Realisierung einer ‚weltlichen’, einer – im Duktus von Georg Franck (1998) formuliert – sozusagen ‚aufmerksamkeitsökonomischen’ Idee, nämlich der (eindrucksvollen) Visualisierung der katholischen (Amts-)Kirche als einer societas perfecta und
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Ein vollumfänglicher Begriff von ‚Atmosphäre’ ergibt sich Gernot Böhme (1995: 31) zufolge aus der Kombination von Rezeptionsästhetik in einem leibphänomenologischen Verstande der Wahrnehmung im vollen Sinne der affektiven Betroffenheit durch Atmosphäre mit der Seite der Produktionsästhetik „als etwas, das von den Dingen, von Menschen oder deren Konstellationen ausgeht und geschaffen wird“ (ebd: 33). Als eine „Szene“ beschreibt Böhme (1995: 35) im Anschluss an Hirschfelds Theorie der Gartenkunst Naturarrangements, in denen im Zusammenwirken von Gegenständen, Farben, Lichtverhältnissen etc. eine bestimmte Atmosphäre herrscht, die gemacht werden kann. Ganz wesentlich geprägt wurde die stimmungsvolle Atmosphäre bei der abendlichen Vigil, der Lichterfeier, durch die Taizé-Gesänge, deren kurze und eingängige Melodien im Zuge der häufigen Wiederholung eine meditative Grundhaltung erzeugen (sollen). „wir wollen nicht jetzt dieses technisch künstliche Licht, beispielsweise nicht Laserlicht, sondern wir wollen, dass der sakrale Charakter betont wird, und das ergibt sich ja eben durch Kerzenlicht“ (I_08: Z_48)
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societas inaequalis, d.h. als einer im rechtlichen Sinne vom Staat unabhängigen und als einer hierarchisch geordneten Organisation. Eine weniger herrschaftskritische Deutung für dieses Eindrucksmanagement liefert Peter L. Berger (1998): Ihm zufolge ist die Präsentation der Institution Kirche – der „Glanz Roms“, der beim den Weltjugendtag beschließenden Gottesdienst mit dem Papst auf dem Marienfeld bei Köln, aber auch bei anderen Veranstaltungen mit dem Papst (z.B. der Gottesdienst anlässlich des BayernBesuchs von Papst Benedikt XVI. auf dem Gelände der neuen Messe in München-Riem) gleichsam an andere Orte transferiert wird – eine Möglichkeit (unter anderen), Gläubigen unter Bedingungen fortschreitender Pluralisierung Gewissheit anzubieten: Und „die erhabenste Version dieses Gewissheitsangebots ist, schon seit langer Zeit, das der römisch-katholischen Kirche“ (Berger 1998: 32).89
3.1.4.4
Die Präsentierung des Angebots ‚außer Konkurrenz’
Mit Blick auf die Kirchentage erkennt Hans-Georg Soeffner einen Strukturwandel: in der Liturgie gehe es um die Darstellung Gottes, heute hingegen stelle sich die Menge selbst dar. Soeffner zufolge weist der Evangelische Kirchentag trotz des im Programm explizit ausgewiesenen „Marktes der Möglichkeiten“ nicht die Strukturmerkmale eines (Jahr-)Markts, sondern die einer Fach- oder PublikumsMesse auf: Kunden flanieren zwischen den Messeständen und wählen zwischen Sinn-Angeboten aus, um diese zu einem Selbstentwurf weiter zu verarbeiten: „Beeindruckend ist dabei, dass auch für die Kirchentage das Gesetz aller großen Messen gilt: Die Anzahl der Besucher, der zwischen den Ständen flanierenden, möglichen Kunden, ist um ein Vielfaches größer als die zwar vielfältigen, aber in sich – als einzelne gesehen – ziemlich kleinen, oft winzigen Gruppen der Anbieter. Firmenzugehörigkeit und mögliche Kundschaft sind nicht nur zahlenmäßig, sondern auch ‚emblematisch’ unterschieden: Der Kunde als Käufer kann zwar zum Liebhaber einer bestimmten Ware, muss aber nicht unbedingt zum Anhänger der Firma werden, und man kann bzw. sollte ihn erst recht nicht zur Firmenmitgliedschaft pressen“ (Soeffner 1993: 200). Mit der Gestaltung der Kirchentage wird die Kirche demnach zu einem von vielen Großveranstaltern auf den Märkten der Erlebnisindustrie. 89
Gewissheit im Glauben lässt sich aber nicht nur in der Beziehung zur Institution finden. Gewissheit kann auch „auf der Grundlage einer absolutierten Auffassung des biblischen Textes“ und „auf der Grundlage eines eigenen religiösen Erlebnisses gesucht werden“ (Berger 1998: 32). Während die zweite Möglichkeit immer schon eher ein Spezifikum des Protestantismus war, kann der Weltjugendtag auch im Hinblick auf die dritte Möglichkeit als ein Gewissheitsangebot gedeutet werden – im Vergleich zum Einsatz dieser Methode im Pfingstlertum allerdings wesentlich weniger entschieden und nachdrücklich.
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3 Ziele des Organisierens
Obwohl die zentralen Veranstaltungen und Großliturgien des Weltjugendtags (ebenfalls) in Stadien und Messehallen abgehalten wurden, sind gravierende Unterschiede zu den Kirchentagen zu verzeichnen: Zum einen zieht ‚die Kirche’ hier nicht aus ihren Gebäuden, den Kirchen aus, sondern nutzt diese ganz offensiv (alle Kirchen im Erzbistum Köln mit einem Fassungsvermögen von über 500 Menschen dienten als Katechese- und Veranstaltungsorte). Und der für den Weltjugendtag genutzte öffentliche Raum wird nicht nur aufwändig, sondern kirchenarchitektonisch umgestaltet: auf dem ca. 15 Kilometer südlich von Köln gelegenen Marienfeld, einer stillgelegten Brache, deren Flächen inzwischen in Privatbesitz sind und landwirtschaftlich genutzt werden, war in monatelangen, aufgrund der landwirtschaftlichen Nutzung ausgesprochen ‚sensibel’ zu handhabenden Bauarbeiten eine Art ‚Freiluft-Kathedrale’ erbaut worden. Die Kathedralenform zeigt sich nicht nur in der erhöht angebrachten und damit weithin einsehbaren Altaranlage; der Kathedralenform entspricht vor allem, dass die Sitzgelegenheiten der Gottesdienstbesucher frontal auf den Altar ausgerichtet und nicht rings um den Altar angerichtet sind, wie dies in Arenen und Stadien der Fall ist, was diese zu Verhaltensweisen (wie La-Ola-Aktivitäten) anstiftet, die zwar für Sport-, nicht aber für Kirchenveranstaltungen typisch sind. Im Unterschied dazu wird beim Evangelischen Kirchentag, so Soeffner, eine räumliche ‚Gestalt’ genutzt, die nicht die der Kirche sei, sondern die ihre eigenen Gesetze habe, welche jedem Nutzer diktiert würden. Zum anderen aber wird – und dies markiert einen sehr wesentlichen Unterschied zum Kirchentag – in der Konzeption und in der Umsetzung des Weltjugendtags das Ansinnen zurückgewiesen, einen „Markt der Möglichkeiten“ zu eröffnen. Hauptprogrammpunkte sind die Großliturgien, die in ihrer kanonischen Gesamtanlage keine Zweifel am Glaubensangebot aufkommen lassen sollen – nicht zum wenigsten durch die auch für Theologen auffällig dogmatischen Predigten des Papstes (vgl. dazu auch Kapitel 3.2.4). Verstärkt wird der Ausschließlichkeitscharakter des Angebots durch den Programmpunkt ‚Katechesen’, die entlang eines vorgegebenen „Leitfadens“ nur und ausschließlich von katholischen Bischöfen durchgeführt werden. Und das nachmittägliche Kulturfestival ist dezidiert als Rahmenprogramm angelegt, das noch am ehesten eine Vielfalt auch an spirituellen Angeboten enthält, das sich aber um die Programmstruktur „herumranken“ (I_03: Z_100f) muss, und von den Teilnehmern nur sehr punktuell und sporadisch wahrgenommen wird.90 Grundsätzliche Unterschiede zwischen Weltjugendtag hie und Kirchentag ebenso wie Katholikentag da bestehen zum einen dahingehend, dass der Katholikentag (ebenso wie der Evangelische Kirchentag) national begrenzt ist. Im Un90
Dies lässt sich den Untersuchungen unseres Partnerprojekts zur Teilnehmerperspektive entnehmen (vgl. Forschungskonsortium WJT 2007).
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terschied sowohl zum Katholikentag als auch zum Evangelischen Kirchentag zielt der Weltjugendtag auf ein internationales Publikum ab. Dabei ist der Weltjugendtag – und dies markiert den zweiten Unterschied – dezidiert eine an die Jugend der Welt adressierte Veranstaltung, während bei beiden nationalen Kirchenveranstaltungen keine altersbezogene Spezifikation der Zielgruppe vorgenommen wird. Dass sich dieser Unterschied aber vor allem auf die anvisierte und weit weniger auf die realisierte Zielgruppe bezieht, zeigt sich daran, dass die weitaus größte Altersgruppe unter den Teilnehmern des Katholikentags von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gestellt wird.91 Drittens wird sowohl beim Kirchentag als auch beim Katholikentag von jeher ein Schwerpunkt auf gesellschaftspolitische Themen gelegt, während der Weltjugendtag dezidiert auf Spiritualität und Religiosität fokussiert.92 Ein wesentlicher organisatorische Unterschied zwischen Weltjugendtag und Katholikentag besteht im Konzept der Programmgestaltung: während das Programm beim Weltjugendtag vom hauptamtlichen Personal des Weltjugendtagsbüros in Rücksprache mit dem Vatikan inhaltlich konzipiert und vorbereitet wurde, besteht die Leitungsfunktion in der jeweiligen Geschäftsstelle des Katholikentags lediglich in der Unterstützung „der ehrenamtlich arbeitenden Programmgremien auf administrativer und organisatorischer Ebene“. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils ist dem Bedürfnis nach Mitgestaltung und aktiver Beteiligung der Laien in der Programmgestaltung der Katholikentage mit öffentlich zugänglichen Diskussionsrunden und Podiumsveranstaltungen Rechnung getragen worden. Neben den Reden und Diskussionsforen ist der Katholikentag aber bereits seit den 1970er Jahren „immer mehr zu einem Ort der Selbstdarstellung für die zahlreicher gewordenen unterschiedlichen Gruppen und Kräften unter den deutschen Katholiken geworden“ (Hürten 1998: 100). Ebenso wie der Evangelische Kirchentag mit seinem „Markt der Möglichkeiten“ dient somit auch der Katholikentag als Präsentationsforum für die große Bandbreite an christliche Gruppenaktivitäten. Ihre Präsenz in den Medien macht Kirchentage ebenso wie Katholikentage für weltliche und kirchliche Prominenz attraktiv, da sie sich von einem Auftritt große Breitenwirkung versprechen können (vgl. Hürten 1998: 136). Als Personen, die nicht Teil der „lebendigen Gemeinde“ sind, werden sie mit Blick auf spezifische Anliegen eingeladen.
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Hürten (1998: 99) zufolge waren fast drei Viertel der Besucher der Katholikentage in den 90er Jahren (mit Ausnahme der Veranstaltung 1994 in Dresden) jünger als dreißig Jahre. In den vergangenen Jahrzehnten lässt sich zwar zumindest für den Katholikentag eine deutliche Spiritualisierung feststellen. Bereits in den frühen 1980er Jahren wurde eine Tendenz zur Umgestaltung der Katholikentage „von der politischen Kundgebung zur Massen-Wallfahrt“ (Roegele 1982) konstatiert, die offenbar aber durchaus mit den Bedürfnissen der Teilnehmer konform ging oder sogar durch diese befördert wurde (vgl. grundlegend auch Großmann 1989).
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3 Ziele des Organisierens
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens Betrachtet man die aus den Mitteilungen der Organisatoren und ihren Entscheidungen rekonstruierten prioritären Ziele des Organisierens – die Ansprache eines konzentrierten Adressatenkreises, die kontextsensible Finanzierungsstrategie, die an Doppelqualitäten – je spezifische Kompetenz und zugleich kirchliche Verbundenheit mit der katholischen Kirche – orientierte Rekrutierung des Leitungspersonals, die an öffentlicher Aufmerksamkeit orientierte Inszenierung des Events – nun im Rekurs auf ‚objektivierte’ Kriterien der betriebswirtschaftlichen Eventtheorie, dann ergibt sich in Anbetracht der ‚Marktlage’ der Kirche unter pluralistischen Bedingungen ein (möglicherweise) überraschend stimmiges Bild.
3.2.1 Die ‚Marktlage’ des Veranstalters Die Folge pluralistischer Bedingungen ist, „dass Religionen, die früher herrschten, heute ‚verkauft’ werden müssen, und zwar an einen Kundenkreis, der zu ‚kaufen’ nicht genötigt ist. (…) Die religiösen Institutionen sind ‚Werbeagenturen’, und die Religion selbst zum ‚Gebrauchsgut’ geworden.“ Diese Diagnose hat der Religionssoziologe Peter L. Berger bereits in den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts gestellt.93 Die ehemals regionalen Monopolisten müssten seither so umorganisiert werden, führt Berger weiter aus, dass sie im Wettbewerb mit anderen Sinnanbietern um ‚Konsumenten’ werben können. Und da man den ‚Verbrauchern’ nicht mehr die eine (und ‚wahre’) Religion befehlen könne und
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Vgl. Berger 1973: 132. Peter L. Bergers Buch mit dem deutschen Titel „Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft“ ist im Original (unter dem griffigeren Titel „The Sacred Canopy“) 1967 erschienen. Vertreter des „New Paradigm“ in der Religionssoziologie haben die Marktmetapher zu einem Modell weiterentwickelt, mit dem die ökonomische Theorie des Marktes konsequent auf die Religion anzuwenden versucht wurde (vgl. Yamane/ Polzer 1994). Demnach orientieren sich Menschen auch im Hinblick auf Glaubensangebote am ökonomischen Prinzip der Nutzenmaximierung (vgl. Iannaccone 1992). Und Kirchen und andere religiöse Organisationen ‚agieren’ wie Firmen, die ihren ‚Kunden’ religiöse Angebote unterbreiten. Im Unterschied zu Berger (1965) und europäischen Religionssoziologen unterstellen die Vertretern dieses Ansatzes, dass der marktförmig organisierte religiöse Pluralismus den höchsten Grad der Religiosität befördert. Kritikern zufolge erweist sich dieses Modell des freien Wettbewerbs selbst für die USA empirisch als nicht haltbar: auch dort halten sich zumindest gebietsweise religiöse Monopole, insbesondere dann, wenn das religiöse mit anderen (sozialen) Angeboten durchsetzt ist. Knoblauch (2000a) zufolge ist die Entstehung eines religiösen (wie jeden) Martes von der „Struktur gesellschaftlicher Kommunikation“, d.h. vom ungehinderten Informationsfluss über Marktangebote gekoppelt. Zumindest für Deutschland lässt sich noch eine kommunikative Hegemonie der Kirchen konstatieren.
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens
99
diese nicht unter Kaufzwang stünden, müsse das jeweilige Glaubensangebot attraktiv verpackt und zeitgemäß beworben werden.94 Unter Marketingexperten wird nun seit den 1990er Jahren das Event als eine Werbemaßnahme diskutiert, die den permanent reiz- und reklameüberfluteten, zugleich aber erlebnishungrigen Konsumenten auf eine besonders eindrückliche Weise anzusprechen und dadurch wieder zu erreichen verspricht: eindrücklich deshalb, weil das Produkt hier nicht mit der ‚Kauf-mich!-Holzhammer-Methode’, sondern auf eine besondere Weise ‚verpackt’ präsentiert wird. Wie dies insbesondere in der TV- und Kinowerbung seit langem üblich ist, wird das Produkt in einer kulturellen Erlebniswelt in Szene gesetzt.95 Die Werbeintention wird auch beim Marketing-Event nicht verschleiert, der Anbieter tritt vielmehr in der Regel offensiv als Veranstalter auf. Das Produkt, das beworben werden soll, fügt sich im Idealfall allerdings wie selbstverständlich in die Szene ein oder tritt völlig in den Hintergrund der Gesamtinszenierung. Mit den 1985 von Papst Johannes Paul II. initiierten Weltjugendtagen bedient sich auch die Katholische Kirche der Veranstaltungsform ‚Event’. Nicht wenigen Einschätzungen zufolge weisen zwar schon die großen (Fronleichnams)Prozessionen und Wallfahrten, die seit Jahrhunderten einen festen Bestandteil der katholischen Tradition bilden, Elemente von Events auf (vgl. Ebertz 2000).96 Ein offensiver Umgang mit Eventformen lässt sich vor allem aber bei den PapstMessen nachweisen, die im Pontifikat von Johannes Paul II. entwickelt worden sind (vgl. Knoblauch 2000b). Demzufolge könnte die Katholische Kirche zu recht als „Mutter aller Event-Agenturen“ (Gerhards 2002a: 86; vgl. auch Gerhards 2002b) bezeichnet werden. Vor dem Hintergrund der – infolge von Pluralisierung und zumindest in Westeuropa überdies von Säkularisierung – prekären Situation der Kirchen er94
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96
„Ob sie es wollen oder nicht, die Kirchen werden soziologisch zu freiwilligen Verbänden. Das führt zu einer grundlegenden Veränderung in der Beziehung zwischen Klerus und Laien.“ Und diese Veränderung resultiert eben vor allem daraus, dass die Kirchen „um ihre Anhänger werben [müssen]“ (Berger 2006: IX). Von ‚Erlebniswelt’ ist hier im Sinne (des Korrelats) einer Bewusstseinsenklave, d.h. von ‚Welt’ ist hier im Sinne eines egologischen Gebildes die Rede. Alle (Korrelate von) dem Subjekt als ‚außergewöhnlich’ erscheinenden Ausschnitte(n) des Erlebens aus dem Insgesamt des subjektiven Erlebens sind Erlebniswelten. Kulturelle Erlebniswelten sind solche ‚außergewöhnlichen’ Bewusstseinsenklaven, deren Rahmenbedingungen von anderen „mit der Intention vorproduziert und/oder bereitgestellt werden, vom erlebenden Subjekt benutzt, also im weitesten Sinne konsumiert zu werden“ (Hitzler 2000: 402). Das Fronleichnams-‚Fest’, das im 13. Jahrhundert von der Kirche eingeführt wurde, um zu erkennen zu geben, dass der katholische Glaubenskern der Transsubstantiation, der leibhaften Gegenwart Christi in der Eucharistie, „nicht auf den Innenraum der Kirchen oder gar den Tabernakel beschränkt ist“ (Ruster 2006:7f), wäre ein lohnenswerter Gegenstand im Rahmen einer vergleichenden Untersuchung religiöser ‚Events’ für Historiker, Theologen und Soziologen.
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3 Ziele des Organisierens
scheint es nicht abwegig, den Weltjugendtag als ein Marketing-Event der für neue gesellschaftliche Formen immer schon aufgeschlossenen Katholischen Kirche einzustufen.97 Schon seit längerem nutzen bekanntlich nicht nur privatwirtschaftliche Unternehmen, sondern zunehmend auch Städte und Kommunen sowie eben Non-Profit-Organisationen Events als „Plattform zur Unternehmenskommunikation“ (Bruhn 1997: 777).98 War der XX. Weltjugendtag 2005 also ein Marketing-Event der Katholischen Kirche? Diente dieser Weltjugendtag oder dient der Weltjugendtag schlechthin vor allem als zeitgemäßes Kommunikationsinstrument? Eine Antwort auf diese Frage(n) erfordert die Klärung der Merkmale dieses Event-Typus – im Kontrast zu den Merkmalen eines anderen Event-Typus, des von uns so genannten „Szene-Events“, weil dieser in vielerlei Hinsicht, insbesondere aber hinsichtlich der zugrunde liegenden Zielsetzung, ein Gegenmodell zum Marketing-Event bildet.
3.2.2 Marketing-Event und Szene-Event als differente Event-Typen Unter Marketing-Events können der einschlägigen, überwiegend betriebswirtschaftlichen Literatur zufolge „inszenierte Ereignisse in Form von Veranstaltungen und Aktionen verstanden werden, die dem Adressaten (…) firmen- oder produktbezogene Kommunikationsinhalte vermitteln und auf diese Weise der Umsetzung der Marketingziele des Unternehmens dienen“ (Zanger 2001: 833).99 Als Gegenmodell zum Marketing-Event wird in der einschlägigen Literatur mitunter das Publikums-Event bzw. Public Event behandelt, weil dieses auf einen 97
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99
Angesichts der prekären Lage der Kirchen hierzulande schwinden aber offensichtlich in Kirchenkreisen die Vorbehalte gegenüber Marketingüberlegungen. Eine Untersuchung am Betriebswirtschaftlichen Seminar der Universität Freiburg ((Tscheulin/Dietrich 2003), in deren Rahmen eine landesweite Befragung zur Einstellung zu und zum Einsatz von Marketingtechniken unter Pfarrern und Pastor(inn)en in katholischen und evangelischen Kirchengemeinden durchgeführt worden ist, fördert zutage, dass die Vorbehalte gegenüber Marketing zumindest auf dieser Organisationsebene geringer sind als angenommen, allerdings lediglich in Bezug auf eine (verbesserte bzw. zu verbessernde) Informationspolitik von Pfarrgemeinden. Die Bereitschaft zu einer zielgruppenspezifischen Ansprache (z.B. durch Programmvielfalt) oder gar zur offensiven Mitgliedergewinnung (z.B. durch anziehungskräftige Inhalte und Formen) ist demgegenüber gering ausgeprägt. D.h. im Klartext: man unternimmt gern Anstrengungen, diejenigen zu informieren, die sich (warum auch immer) von sich aus interessieren. Alle anderen geraten nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit. Zu diesem Befund in Deutschland kommt eine Studie, die an der Universität Hohenheim durchgeführt worden ist (vgl. Buß 2004). Grundlegend zum Non-Profit-Management: Badelt/Meyer/Simsa 1997, Buber/Meyer (1997) Eine frühe Systematisierung bzw. Typologisierung von Events allgemein und von MarketingEvents im Besonderen hat Bruhn (1997, S. 776 ff.) vorgelegt.
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens
101
weiten, nicht näher spezifizierten Kreis von Teilnehmern ausgerichtet ist, während das Marketing-Event typischerweise auf eine (eng) definierte Zielgruppe abgestimmt sei (vgl. Bischof 2004; Christen 2002). Jenseits ihrer Ausrichtung auf das so genannte ‚breite Publikum’ ist es eine empirische Frage, wie zentral bei Veranstaltungen wie EXPO, Europäische Kulturhauptstadt oder – um ein Beispiel zu nennen, bei dem der Fokus nicht auf (Hoch-)Kultur liegt – die „Siegesfeier" der deutschen Nationalmannschaft anlässlich der Fußballweltmeisterschaft auf der Berliner Fanmeile – der Marketingaspekt für den jeweiligen Veranstalter ist.100 Unter Zugrundelegung einer weiten Auffassung der American Marketing Association, die im Verstande einer umfassenden Führungsphilosophie für Organisationen Eingang in die gängige Marketingliteratur gefunden hat, ist es ohnehin schwierig, einen Kontrasttypus zum Marketing-Event auszumachen.101 Bei einer weiten Auffassung vom Marketing-Event, wie sie etwa vom Agenturverband ‚Forum Marketing Eventagenturen’ (FME) 102 vertreten wird, wird das Public Event denn auch als eine Unterform des Marketing-Events beschrieben (vgl. hierzu auch Lucas/Matys 2003): Ausprägungen des MarketingEvents werden hier generell anhand des Kriteriums ‚Zielgruppe’ und entlang der Intention unterschieden, die der jeweiligen Veranstaltung zugrunde liegt: Demnach dienen sowohl Corporate Events als auch Public Events der Vermittlung von Informationen und der Veränderung bzw. Stärkung eines Produkt-, Markenoder Unternehmensimages. Ein Corporate Event aber wird für Kunden und/oder Händler und damit für einen ‚handverlesenen’, in der Regel persönlich eingeladenen Teilnehmerkreis veranstaltet, während sich ein Public Event an eine breite Öffentlichkeit richtet.103 Ebenfalls an ein breites Publikum sind Charity-, Socialbzw. Cultural Events gerichtet, wobei hier – im Gegensatz zu Consumer Events, die in der Regel anlässlich der Einführung eines Produkts, einer Marke oder eines Unternehmens veranstaltet werden – nicht die Absatzförderung, sondern die Förderung eines gesellschaftlich relevanten Anliegens als Zweck der Veranstaltung ausgewiesen wird. Exhibition-Events schließlich fallen zumeist unter die Kategorie ‚Event im Event’, d.h. eine Messe oder Ausstellung wird als Plattform 100 Sowohl die Studie von Claudia Hubschmid (2002) zur EXPO-02 als auch die zur Kulturstadt Europa 1999 von Ralph Hammerthaler (1998) weisen deutlich auf die Zentralstellung des Marketingaspekts bei diesen Unternehmungen hin. Eine Begleitstudie zur „Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010“ versuchen wir derzeit auf den Weg zu bringen (vgl. Hitzler/Pfadenhauer 2007b) 101 “Marketing is the process of planning and executing the conception, pricing, promotion and distribution of ideas, goods, and services to create exchanges that satisfy individual and organizational objectives” (Marketing News, March 1, 1985, Vol. 19, No. 5, S. 1). 102 Vgl. http://www.famab.de/eva/startseite.html [Zugriff: 20.08.06) 103 Wenn in der einschlägigen Literatur ohne nähere Spezifizierung von einem Marketing-Event die Rede ist, dann ist damit das ‚Corporate Event’, d.h. ein Event zur Veränderung bzw. Stärkung eines Produkt-, Marken- oder Unternehmensimages – gemeint
102
3 Ziele des Organisierens
für die Präsentation eines Produkts oder für die (wie auch immer geartete) Selbstdarstellung eines Unternehmens genutzt (vgl. Bischof 2004: 8).104 Welche Intention auch immer verfolgt werden mag: allen Ausprägungen des Marketing-Events ist gemeinsam, dass ihnen ein Zweck zugrunde liegt, der nicht das Event selber ist. Demgegenüber haben unsere Untersuchungen in Jugendszenen gezeigt, dass hier das Event ‚an sich’ Zweck der Unternehmung ist, weil und insofern es die typische Fest- und Feierform dieser posttraditionalen Gesellungsform darstellt.105 Idealtypisierend kann dem Marketing-Event als einem an einem fremden Zweck orientierten Veranstaltungstypus deshalb das jugendkulturelle Event bzw. kürzer: das Szene-Event gegenüber gestellt werden, das – pathetisch ausgedrückt – ‚um seiner selbst willen’ bzw. – flapsig, aber dem Gegenstand angemessen ausgedrückt – der ‚geilen Party’ wegen veranstaltet wird.106 Mit dieser Zentralunterscheidung soll der kommerzielle Antrieb zur Veranstaltung eines Szene-Events keineswegs in Abrede gestellt werden: Denn ein kommerzielles Interesse ist nicht selten eine wesentliche Antriebskraft für den Entschluss, ein Szene-Event zu organisieren.107 Demgegenüber werden gerade solche Marketing-Events, in denen die Absatzförderung das erklärte Ziel der Veranstaltung ist, häufig ohne direkte Gewinnabsichten bzw. Gewinnchancen durchgeführt.108 Im Gegenteil: Events belasten das Werbebudget eines Unternehmens in hohem Maße, da die Kosten aufwändig inszenierter Ereignisse nur schwer kompensiert werden können. Denn lediglich bei Public Events ist eine Refinanzierung in größerem Ausmaß – etwa über Teilnahmegebühren, Merchan104 Doppeldeutig ist der von Christen (2002) verwendete Begriff des „Kundenevent“, da hier sowohl Geschäftspartner als auch Endkunden gemeint sein können, d.h. da sowohl das Corporate Event als auch das Consumer Event subsumiert wird. 105 Analytisch gesehen ist eine Szene – als ein Prototyp posttraditionaler Gesellungsformen – ein prinzipiell globales, thematisch fokussiertes, sozio-kulturelles Netzwerk von Personen, die bestimmte materiale und/oder mentale Formen der kollektiven Selbststilisierung teilen und diese Gemeinsamkeiten an typischen Orten und zu typischen Zeiten interaktiv stabilisieren und weiterentwickeln. 106 Zu beachten ist hier, dass dieser Kontrastierung nicht die Erwartungen oder Erlebnisschilderungen aus Teilnehmersicht, sondern die Ambitionen und Intentionen der Veranstalter bzw. Organisatoren zugrunde liegen. Während die gängigen Merkmale des Marketing-Events der einschlägigen Literatur entnommen sind, beruhen die Erkenntnisse zum Szene-Event auf langjähriger intensiven Forschung zu Jugendszenen, insbesondere der Techno-Szene (vgl. dazu Pfadenhauer 2000, Hitzler/Pfadenhauer 2001 sowie Hitzler/Bucher/Niederbacher 2005). 107 Kommerzialität ist ein Wesensmerkmal von Events schlechthin. In solchen Szenen aber, in denen die kollektiv geteilte Weltanschauung ‚Kommerz’ (in welcher Form auch immer) problematisiert wird, dürfen jedoch sowohl für die Event-Teilnehmer als auch für die EventProduzenten selber Umsatz- und Gewinnaspekte bzw. – individuell betrachtet – Verdienstmöglichkeiten nicht als allzu vordringlich erkennbar sein. 108 Zanger und Sistenich (1998: 41) zufolge zeichnen sich Marketing-Events durch eine kommerzielle Motivation ohne Verkaufscharakter aus.
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens
103
dising, Verkaufserlöse, Vergabe von Lizenzen und Sponsoring – denkbar. Bei allen Marketing-Events im engeren Sinne würden derlei Maßnahmen die Aufmerksamkeit vom veranstaltenden Unternehmen und seinen (Marken-)Produkten abziehen, was sich als kontraproduktiv für die Realisierung des mit dem Event angestrebten Ziels erweisen würde. Demgegenüber machen die genannten Posten, insbesondere die Finanzierung der Veranstaltung über Eintrittsgelder und den Vertrieb von Merchandise-Artikeln, einen Großteil der Einnahmen bei Szene-Events aus. Marketing-Events und Szene-Events sind gleichermaßen ressourcenintensive Angelegenheiten, weil für ihre Herstellung auf die gleichen InszenierungsMittel zurückgegriffen wird: eine klar erkennbare Dramaturgie mit Vorlauf, Ablauf, Höhepunkt und Ausklang, eine multisensitive Emotionalisierung durch choreographierte visuelle Reize und technisch perfekte Musik-Darbietungen und eine sowohl im Hinblick auf den kommunikativen Vorlauf als auch auf die diskursive Nachbereitung langfristig angelegte Medialisierung über unterschiedliche ‚Kanäle’ erweisen sich in beiden Fällen als probate Maßnahmen zur Erzeugung eines dergestalt inszenierten Ereignisses mit außeralltäglichem Erlebniswert. Die Anziehungskraft von Szene-Events allerdings resultiert wesentlich aus dem ‚Versprechen’ eines szenespezifischen, typischerweise verschiedene kulturelle Äußerungsformen und Handlungskomplexe übergreifenden hohen Erlebniswertes. Gerade bei solchen Events, die als Mittel zur Realisierung eines eventfremden bzw. event-transzendierenden Zwecks dienen, wird die Gesamt- oder zumindest die Teilplanung und deren Umsetzung in die Hände professioneller Event-Agenturen gelegt. Deren zentrale Aufgabe besteht darin, die Zielsetzung(en) ihres Auftragsgebers, der in der Regel als Veranstalter firmiert, zu eruieren und ein Event zu planen, vorzubereiten und durchzuführen, das (der Überzeugung des Auftraggebers nach) zur Realisierung dieser Zielsetzung(en) als möglichst geeignet erscheint.109 In den letzten Jahren hat sich die Erfolgskontrolle mittels nicht standardisierter Verfahren (z.B. Stimmungsbild), vor allem aber mittels standardisierter Evaluationsinstrumente (Teilnehmerbefragungen) als fester Bestandteil des Eventmarketings etabliert.110 Da die Zufriedenheit des Auftrag gebenden ‚Kunden’ vom positiven und nachhaltigen Eindruck abhängt, den das Event (augenscheinlich oder wie auch immer sonst ‚überprüfbar’) bei den als Zielgruppe definierten Event-Adressaten hinterlässt, ist die Zufriedenstel109 Ein Großteil der betriebswirtschaftlichen Literatur zum Eventmarketing ist deshalb Beratungsliteratur von und für diese Branche. 110 Der Fragebogen ist das beliebteste Instrument der Erfolgskontrolle. Einer Befragung von Eventmanagern an der Universität Hohenheim zufolge wird derzeit allerdings nur die Publikumsresonanz unmittelbar nach der Veranstaltung ‚gemessen’, während zur Überprüfung der langfristigen Wirkung von Events nach wie vor geeignete ‚Messverfahren’ fehlen (vgl. Buß 2004: 28f).
104
3 Ziele des Organisierens
lung der Event-Teilnehmer indirekt ein relevanter Faktor für die Event-Organisatoren. Wesentlich für das im Wortsinne ‚professionelle’ Selbstverständnis des in einschlägigen Event-Agenturen tätigen Event-Organisators ist die emotionale Distanz zum Event-Veranstalter einerseits, zum Event-Teilnehmer andererseits. Damit ist nun ein entscheidender Unterschied zwischen den Organisatoren von Marketing-Events und von Szene-Events angesprochen: Zum einen fungieren Szene-Event-Organisatoren in der Regel zugleich als Veranstalter ‚ihrer’ Events, weshalb in ihrem Fall ‚Event-Produzent’ die treffendere Bezeichnung sein dürfte (vgl. Pfadenhauer 2000). Der beruflichen Tätigkeit von EventProduzenten in diesem Sinne geht zumeist eine langjährige Szene-Zugehörigkeit voraus, in dessen Verlauf stabile Beziehungen im Szene-Netzwerk geknüpft werden. Den organisationsstrukturellen Rahmen für Szene-Events bildet häufig eine Veranstaltungs GmbH: Dem Event-Produzenten obliegt als In- oder Teilhaber des Unternehmens die Geschäftsleitung des Betriebs, in dem neben Angestellten für die Buchführung, PR-Abteilung etc. oftmals Mitarbeiter ganzjährig beschäftigt sind, die aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen, insbesondere aber aufgrund eines ganz speziellen Kriteriums einen oder mehrere Aufgabenbereiche (wie z.B. Werbung, Merchandising, Ver- und Entsorgungs-Catering, Sicherheitsgewährleistung) federführend betreuen: sie sind selber in der Szene ‚zuhause’ und mit den (Konsum)Gewohnheiten und Vorlieben, Verhaltensweisen und Umgangsformen der Szenegänger hochgradig vertraut – und zwar schlicht deshalb, weil sie mit ihren eigenen (hinlänglich) deckungsgleich sind. Die eigenen Mitarbeiter, Freunde und Bekannten, kurz: seinesgleichen, sind bzw. repräsentieren folglich den idealen Adressatenkreis des Szene-EventMachers. Deren Interessen und Neigungen, ja im Grunde die eigenen Vorlieben und Präferenzen des Machers, sind Ausgangspunkt und Grundlage der EventProduktion.111 Die kollektiv geteilten Lifestyle-Orientierungen, in deren Zentrum die Leidenschaft für eine bestimmte Musikart, eine Sportart, eine Spielart, eine Moderichtung, eine Weltanschauung steht, sind ja sozusagen der Anlass für die Herausbildung einer Szene. Daraus erklärt sich, dass der Produzent eines SzeneEvents, der ganz selbstverständlich bezogen auf seinen eigenen (Konsum-)Spaß agiert, sich relativ ‚beruhigt’ darauf verlassen kann, dass die Spaßvorstellungen des adressierten Publikums und seine eigenen Spaß-Ideen mehr oder weniger identisch sind.112 Seine unternehmerische Herausforderung besteht darin, seinen 111 Das bedeutet nicht, dass nur dieser eine Kundentypus angesprochen werden soll: der „Idealkunde“ mit den gleichen Interessen und Lebensstilorientierungen steht im Fokus der Aufmerksamkeit, der „Normalkunde“ füllt die Event- und/oder Veranstalterkasse (vgl. Euteneuer/Niederbacher 2006). 112 ‚Spaß’ meint hier keineswegs ein Oberflächenphänomen: Es ist vielmehr synonym für das je gewünschte außeralltägliche Erleben, das den subjektiven Präferenzen entsprechend sehr unterschiedlich sein kann (vgl. grundlegend dazu Hitzler 2002).
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens
105
im Szene-Kern beheimateten ‚Idealkunden’ immer wieder neue, attraktive Angebote zu unterbreiten, und dabei lifestyle-orientierten Firmen zugleich eine ideale Werbefläche zu bieten, ohne mit der Ausrichtung dieser Angebote Gelegenheits-Szenegänger und Szene-Zaungäste ‚abzuhängen’, die die Unternehmung als ‚Normalkunden’ zu einem nicht unerheblichen Teil finanzieren. Mit der Organisation von Events realisiert der Szene-Event-Produzent folglich gelingender weise die Integration des Lebensziels ‚Selber-Spaß-haben’ in die Erwerbsidee ‚Anderen-Spaß-bereiten’. Der wesentliche Unterschied zwischen einem Marketing-Event und einem Szene-Event besteht folglich darin, dass beim Marketing-Event das Erlebnispotential lediglich das Mittel zu einem (wie auch immer gearteten) Fremd-Zweck darstellt, während beim Szene-Event die Ermöglichung eines (szenespezifisch) hohen Erlebniswerts selber der Zweck der Unternehmung ist.113 Anders formuliert: Der (materielle und immaterielle) Benefit für Produzenten von SzeneEvents liegt darin, den Teilnehmern ein deren, d.h. szenespezifischen, Erwartungen entsprechend erlebenswertes Ereignis zu bieten. Der materielle und immaterielle Nutzen für Veranstalter von Marketing Events besteht darin, mittels eines erlebenswerten Ereignisses ein unternehmerisch wertvolles Ziel zu erreichen. Die (langfristig) intendierte Wirkung von Marketing-Events ist ProduktAufmerksamkeit, Kundenbindung, Imagegewinn für den Veranstalter usw. Der nicht-intendierte (beiläufige) Effekt von Szene-Events ist (individuell) die Befestigung der emotionalen Zugehörigkeit zur Szene und (kollektiv) die Reproduktion szenischen Wir-Bewusstseins.
113 Marketing-Events werden – insbesondere auch gegenüber klassischer Werbung – als „below the Line“-Maßnahme bezeichnet, sowohl deshalb, weil die Aktivität nicht unmittelbar als Marketingmaßnahme wahrnehmbar ist, als auch aufgrund der beabsichtigten, sozusagen ‚subkutanen’ Wirkung eines Erlebnisses, das erklärtermaßen ‚unter die Haut’ zu gehen trachtet. Zur (Image-)Wirkung von Event-Marketing am Beispiel von Sport-Sponsoring vgl. Nufer 2006; zu Fragen der Effektivität und Effizienz von Marketing-Events vgl. Lasslop 2003.
106
3 Ziele des Organisierens
Marketing-Event
Szene-Event
Veranstalter
x x x
Privatwirtschaftl. Unternehmen, Städte und Kommunen Non-Profit-Untenehmen
x
Profitorientierte Szene-Unternehmen
Teilnehmer
x x
Endkunden (enger Kreis) Endkunden (‚breite’ Öffentlichkeit) Absatzmittler, Händler, Multiplikatoren Mitarbeiter
x
Szene-Insider (IdealKunden) Szenegänger und Sympathisanten bzw. hinsichtlich des Szenefokus ‚Affizierte’ (NormalKunden)
x x
x
Finanzierung
x
Unternehmensressourcen (Eigenmittel); evtl. in Kombination mit Sponsoring
x x x
Eintrittspreise, Sponsoring, Merchandising, Rechteverwertung (bedingt)
Organi-satoren
x
Mitarbeiter einer MarketingAgentur und/oder MarketingAbteilung des veranstaltenden Unternehmens
x
Eine von kommerziellen oder von Weltanschauungsinteressen angeleitete Szene-Organisationselite
Selbstverständnis der Organisatoren
x
Profis; weder Teil der Veranstalter noch Teil der Teilnehmer
x
Veranstalter und – mental – Teil der Teilnehmer (mitunter unter punktueller Hinzuziehung von Profis)
Versprechen / Erwartung
x x
hoher Erlebniswert mittels Inszenierung, Dramaturgie, Emotionalisierung
x
Szenespezifisch hoher Erlebniswert (typischerweise verschiedene kulturelle Äußerungsformen und Handlungskomplexe übergreifend)
x
Direkter Kontakt zwischen Unternehmen und Kunden; Kommunikation (einer Botschaft, eines Images) Dank / Belohnung für Mitarbeiter (kurzfristig intendierte Wirkung) Kundenbindung; High Involvement; Mitarbetermotivation (langfristig intendierte Wirkung)
Ziel, Intention, Zweck der Veranstaltung
x x x x x
x
x x x x
Spaß (intendierte Wirkung) Befestigung der emotionalen Zugehörigkeit zur Szene; Reproduktion szenischen Wir-Gefühls (beiläufige Wirkung)
Tabelle 3: Merkmale des Marketing- und Szene-Events (Quelle: eigene Darstellung)
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens
107
3.2.3 Die Marketingäquivalenz organisatorischer Maßnahmen Auf der Folie der vorangestellten Kontrastierung von Event-Typen lässt sich deutlich erkennen, dass die Organisatoren ‚ihr’ Ereignis relativ konsequent als ein Marketing-Event konzipiert haben: 1.
2.
Den Verlautbarungen des sog. „Memorandums“, dem vom Päpstlichen Rat für die Laien formulierten Grundkonzept für den Weltjugendtag zufolge, sollen mit dieser Veranstaltung junge Leute weltweit, vor allem aber nicht nur kirchennahe, sondern dezidiert auch Personen angesprochen werden, die der Kirche fern stehen. Die Werbemaßnahmen aus dem Kölner Weltjugendtagsbüro waren demgegenüber vor allem an bereits kirchlich sozialisierte Jugendliche, d.h. (wie bei einem Marketing-Event) an einen engen Adressatenkreis gerichtet, und genau dieser Adressatenkreis: junge, kirchlich sozialisierte Menschen weltweit, d.h. eben eine sehr spezifische Zielgruppe, wurde auch erreicht. Das Event wurde von einer ‚temporären Organisation’ vorbereitet und umgesetzt, deren personelle Besetzung deutliche Parallelen zu derjenigen aufweist, die für die Organisation von Marketing-Events typisch ist: eine Kombination aus ‚hausinternem’ Fachpersonal (d.h. Priestern und Laientheologen) und externen Fachkräften (Logistik-, Finanz- und InszenierungsExperten). Das Selbstverständnis des Personals des Weltjugendtagsbüros entsprach nicht dem von Szene-Event-Produzenten, die sich typischerweise zugleich sowohl selber als Veranstalter als auch – zumindest mental – selber als Zielgruppe begreifen. Vielmehr verstanden sich die hauptamtlich tätigen Kräfte im Weltjugendtagsbüro dezidiert als Professionals,114 die im Auftrag eines Veranstalters ein Event für eine bestimmte Zielgruppe organisiert haben, wobei den Absichten der Veranstalter nachweislich Vorrang gegenüber den Präferenzen der Teilnehmer eingeräumt wurde.115
114 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 2.3.1 und in Kapitel 6. 115 Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist die Planung des logistisch hochsensiblen Bereichs der Essensverpflegung, bei der nicht etwa der aus Eventstudien bekannte und damit vorhersehbare Impuls der jugendlichen Teilnehmer veranschlagt wurde, sich nach dem Vormittagsprogramm dorthin zu begeben, „where the action is“ (Goffman 1969). Statt einiger zentraler Essensausgabepunkte wurden die vielen kleineren und größeren Verpflegungsstellen vielmehr an die über die gesamte Region verstreuten so genannten „Katecheseorte“ (alle Kirchen mit einem Fassungsvermögen von mindestens 500 Menschen sowie die KölnMesse und KölnArena) im Großraum Köln, Bonn und Düsseldorf angebunden. An Stelle des erwartbaren Pilgerverhaltens war für diese Planung die Intention der Veranstalter maßgeblich, den Jugendlichen mit dieser Maßnahme die Teilnahme an den Katechesen, dem religiösen Vormittagsprogramm des Weltjugendtags, ‚nahe zu legen’ (vgl. hierzu Kapitel 4.1.2).
108 3.
4.
5.
3 Ziele des Organisierens
Zunächst untypisch für ein Marketing-Event wurde ein Großteil der Kosten für den Weltjugendtag über Teilnehmerbeiträge gedeckt. Allerdings ist hierbei einem Spezifikum Rechnung zu tragen: während sowohl bei Publikumsevents als auch bei Szene-Events eine Gebühr für die schlichte Teilnahme erhoben wird, wird beim Weltjugendtag – analog zur Praxis beim Katholikentag – ein Leistungspaket für Verpflegung, Unterkunft, kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und, für ausländischen Teilnehmer, eine Krankenversicherung ‚verkauft’. Im ausgesprochen ‚zurückhaltenden’ Sponsoring entspricht die Finanzierung wiederum derjenigen, die für Marketing-Events typisch ist. Die Organisatoren haben – zumindest auch – das verfolgt, was in der Literatur zum Eventmarketing als „Kontaktziel“ bezeichnet wird: die unmittelbare Nähe zu mit 750 Bischöfen und 54 Kardinälen zahlreich vertretenen hohen geistlichen Würdenträgern und zum Oberhaupt der Katholischen Kirche. Die Organisatoren haben mit dem Event offensichtlich und offensiv eine Reihe von Kommunikationszielen verfolgt, unter denen – wie sich dem in der „PR-Abteilung“ des Weltjugendtagsbüros entwickelten „Kommunikationskonzept“ entnehmen lässt – die Nutzung des Events zum Imagegewinn für den Veranstalter an erster Stelle stand. Insbesondere diente das Event dem mit hohem dramaturgischem Einsatz realisierten (Fremd-)Zweck, jene religiöse Sinnwelt ins Zentrum zu stellen, die von der Katholischen Kirche als Institution verwaltet und gepflegt wird: das Geheimnis des (katholischen) Glaubens. Dieses Glaubensangebot wurde – wie dies für Marketing-Events empfohlen wird: dezidiert konkurrenzlos – im Rahmen einer sakralen Erlebniswelt präsentiert und in einer Atmosphäre des Geheimnisvollen inszeniert, deren außergewöhnliche Erlebnisqualität ein starkes ‚Involvement’ bei den Teilnehmern vor Ort, und ein hohes Aktivierungspotential bei den Zuschauern vor den Fernsehbildschirmen erzeugen sollte.116 Paradoxerweise konnte das Glaubensangebot, gerade weil es kein kommerzielles ‚Produkt’ ist, im Rahmen des Weltjugendtags wesentlich ‚unverblümter’ beworben werden als dies bei einem klassischen Marketing-Event möglich ist. Im Gegenteil: während ein ‚säkulares’ Event, das eine direkte Produktwerbung in die Veranstaltung integriert, bei den Teilnehmern und Zuschauern auf Ablehnung
116 Das Fernsehpublikum ist inzwischen ein fester Bestandteil der bei Großveranstaltungen von der katholischen Kirche angesprochenen Zielgruppe. Das macht z.B. auch die Mitteilung des Pressesprechers des für den Besuch von Papst Benedikt XVI. im Herbst 2006 in Bayern verantwortlichen Erzbistums München-Freising deutlich, der darauf hinweist, dass der Papst bei diesem Anlass „mit mehr als einer Million Menschen direkten Kontakt haben [werde], dazu kämen mehrere Millionen Fernsehzuschauer“ (ZEIT, 31.8.06, S. 11).
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens
109
stößt, konnte das ‚sakrale Produkt’ beim Weltjugendtag explizit angepriesen (bzw. – wie nachfolgend ausgeführt werden wird – tatsächlich: gepredigt) werden, ohne damit dem Charakter dieses Events einen Abbruch zu tun.
3.2.4 Die marktlagengerechte Gestaltung des Events Es wäre nun aber zu kurz gegriffen, den Organisatoren aus der Entsprechung einer ganzen Reihe ihrer Maßnahmen mit gängigen Empfehlungen für ein Marketing-Event ein allzu plattes Marketing-Kalkül im Sinne einer Vermarktung des katholischen Glaubens zu unterstellen. Nicht nur in ihren Entscheidungen, sondern auch in den in den Gesprächen formulierten Deutungen lassen die verantwortlichen Organisatoren trotz ihrer unterschiedlichen Berufsbiographien übereinstimmend ein professionelles Selbstverständnis als Event-Organisatoren erkennen, dessen praktische Umsetzung eine Veranstaltung zum Resultat hat, die analytisch betrachtet deutliche Züge eines Marketing-Events trägt. Dieses Selbstverständnis, das nicht in einer vorgängigen Sozialisation im Eventmanagment gründet, sondern eher der ‚Unternehmenskultur’ des Weltjugendtagsbüro zu entsprechen scheint, kommt zum einen darin zum Ausdruck, dass die Organisatoren die Katholische Kirche nicht als eine extraordinäre Instanz, sondern eben als einen Veranstalter bzw. einen Anbieter, als einen (gobal) player auf dem Markt der Religionen, zu begreifen in der Lage sind. Und es zeigt sich überdies darin, dass aus dieser Einsicht nicht sogleich eine Ignoranz gegenüber den Eigenheiten dieses speziellen Auftragsgebers resultiert, auch wenn diese – wie z.B. die hohe Einflussnahme von Firmen-Hauptsitz Vatikan her – der unkomplizierten und zügigen Abwicklung der Event-Organisation nicht immer förderlich sind. Förderlich erweist sich aber sicherlich, dass die Konzeption des Weltjugendtags als Marketing-Event dem Ansinnen des Veranstalters – jedenfalls grundsätzlich – nicht engegensteht. Die Katholische Kirche beherzigt ihrerseits vielmehr eine ganze Reihe von Marketing-Grundsätzen (vgl. Abb. 7):
110
Abbildung 7:
3 Ziele des Organisierens
Das Marketing-Event Weltjugendtag (Quelle: eigene Darstellung)
Sie pflegt – erstens – in Gestalt des Papstes ein Marken-Etikett, das unverwechselbar für das ‚Produkt’ steht, das sie anzubieten hat, und das aufgrund dieser ‚Etikettierung’ unter der Fülle an sichtbaren und unsichtbaren Religionen auf den ersten Blick erkennbar ist. Sie veranstaltet – zweitens – ein Event, das hinsichtlich einer ganzen Reihe von Kriterien – spezifizierte Zielgruppe, Finanzierung, Kommunikationsbotschaft, konkurrenzlose Produktpräsentation, Inszenierung einer Erlebniswelt – alle Züge eines Marketing-Events aufweist. Und sie ist dabei bestrebt, der Institution Kirche mit diesem Event das Image „einer lebendigen Kirche“ zu verleihen.117 Wenn das Marketing-Event ‚Weltjugendtag’ eine nicht nur situative, sondern eine nachhaltige Vergemeinschaftung befördern sollte, dann wäre damit – drittens – der Boden für die Herausbildung einer 117 Da die Katholische Kirche mit dem Papst schon ein Gesicht hat (und zusätzlich mit einer Fülle an lebenden, toten, normalsterblichen, seligen und heiligen Vorbildern aufwarten kann), erscheint es nur folgerichtig, hierfür keine (weitere) Person, sondern ein einzigartiges, sozusagen ‚individuelles’, gleichwohl aber wiederholbares Ereignis zum Ausdruck „einer lebendigen Kirche“ zu machen.
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postraditionalen Gesellungsform bereitet, die sich unter Individualisierungsbedingungen spätmoderner Gesellschaften als eine (nicht nur für junge Gläubige) attraktive Alternative zur Traditionsgemeinde erweisen dürfte, da sie das Gemeinschaftsbedürfnis der individualisierten Einzelnen befriedigen könnte, ohne diese (formal oder moralisch) zur Mitgliedschaft zu verpflichten, sondern sie vielmehr dazu zu ‚verführen’.118 Aufgrund der Ausrichtung des Weltjugendtags auf den Papst und in Folge der Begeisterung der Teilnehmer für den Papst könnte sich etwas entwickeln, was im Marketing-Jargon als ‚Brand Community’ diskutiert wird. Auch wenn die Entstehung, Entwicklung, Dynamik und Beständigkeit von Brand Communities noch weithin unerforscht ist: ihr Marketing-Nutzen ist bereits erkannt worden (vgl. von Loewenfeld 2006). Die Mitglieder von Brand Communities sind ein Stimmungsbarometer für Produktneuerungen und –veränderungen; sie sind ideale Testpersonen, weil kompetent, interessiert, geduldig und in ihrem Testurteil unbestechlich, und sie sind glaubwürdige Fürsprecher des Produkts gegenüber noch unentschiedenen Käufergruppen. Aus Marketing-Gesichtspunkten empfiehlt sich die Investition in eine Brand Community deshalb als eine Investition in die Zukunft des Produkts ebenso wie in die des Produktherstellers. Allerdings wissen wir von den wenigen Beispielen ‚funktionierender’ Markengemeinschaften, unter denen die „Harley Owners Group“ nach wie vor das Flaggschiff zu sein scheint, dass diese keineswegs vom Produkthersteller einfach ‚gemacht’ werden können. Produktorientierte Gemeinschaften basieren vielmehr – auch – auf der bedingungslosen Leidenschaft der Konsumenten für ihr Produkt bzw. auf der unerschütterlichen Überzeugung von der Besonderheit, der Einzigartigkeit, der Qualität, der konkurrenzlosen Leistungsfähigkeit dieses einen Produkts gegenüber allen Produktalternativen. Außer von Harley Davidson-Bikern (Schouten/McAlexander 1995, Hellman 2005a) wird ein solcher ‚Glaube’ z.B. auch von Käufern des Apple-Computers (vgl. Muniz/Schau 2005), von Anwendern der Linux-Software, von Jeep-Fahrern und – wenn man amerikanischen Fernsehserien Glauben schenken darf – von Manolo Blahnik-Schuh-Trägerinnen berichtet.119 118 Michael Hochschild (2000) bezeichnet Vergemeinschaftungen, die nur aufgrund des Pfarrzwangs, d.h. auf der Basis überkommener Gemeindestrukturen zustande gekommen sind, gar als „Qualverwandtschaften“, die – im Gegensatz zu einer „geistlichen Wahlverwandtschaft“ etwa in Neuen Geistlichen Gemeinschaften – sich ihm zufolge als untaugliche Instrumente dafür erweisen, individuelle Glaubenserfahrungen zu machen. Auch wenn diese Einschätzung sehr drastisch ist und ggf. empirisch nachgeprüft werden müsste, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Gemeinde aufgrund ihres Verpflichtungscharakters strukturell nicht den Bedürfnissen der individualisierten Einzelnen entspricht (vgl. Hitzler/Pfadenhauer 2007a). 119 Da die empirische Forschung zu Brand Communities aber noch in den ‚Kinderschuhen’ steckt, sind diese Angaben sozusagen ‚ohne Gewähr’ und ohnehin alles andere als vollständig (Cova
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Das zentrale Problem der Katholischen Kirche hierzulande und generell im säkularisierten Europa ist das, was der Pastoraltheologe Karl Schlemmer (2006) „religiöse Unbekümmertheit“ nennt: ein höchst individueller und in der Regel nachlässiger Umgang mit den Kirchengeboten (z.B. dem Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe, des sonntäglichen Kirchgangs, der Einhaltung der Fast- und Abstinenztage und der Beichtpflicht), ebenso wie mit zentralen Glaubensinhalten (z.B. den Glauben an die Auferstehung, an ein Leben nach dem Tod, aber auch mit dem Glauben etwa an die Transsubstantiation während der eucharistischen Wandlung).120 Während die Nichteinhaltung von Kirchengeboten noch als Aufkündigung des von Max Weber so bezeichneten „Anstaltsgehorsams“ und damit als Ausdruck der gesamtgesellschaftlich grassierenden Institutionenschwäche (weg-)interpretiert werden kann, trifft die Indifferenz gegenüber dem Wahrheitsanspruch der Glaubensinhalte ins ‚Mark’ einer jeden Religion. Diese Unbekümmertheit zeigt sich durchaus auch beim Weltjugendtag: Wenngleich die Programmangebote – Gottesdienste, Katechesen, Beichte – durchaus angenommen werden, identifizieren sich die „Pilger“ nur bedingt mit den hier und anderswo verlautbarten Glaubenssätzen und Dogmen der Katholischen Kirche. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung des an den Universitäten Koblenz und Trier angesiedelt gewesenen Forschungsprojekts zur Teilnehmerperspektive auf den Weltjugendtag ist vielmehr die Erkenntnis der großen Bandbreite der Religiositäten bzw. der religiösen Idiosynkrasien unter den Teilnehmern.121 Allem Anschein nach haben die jugendlichen Teilnehmer am Weltjugendtag massenhaft individuell diese ihre je idiosynkratischen Religiositäten in ein Gefäß der Marke ‚katholisch’ mit dem Etikett ‚Papst’ gefüllt. Auch die Teilnehmer des Weltjugendtags legen ein Verhalten an den Tag, das dem jener Luxus-Schnäppchenjäger verwandt ist, die sich an der Fälschung eines Markenprodukts erfreuen, wenn nur das Markenzeichen gut sichtbar an der richtigen Stelle angebracht ist. Auch von den Teilnehmern des Weltjugendtags nimmt nur ein kleiner Teil das Glaubensangebot als ‚Gesamtpaket’ in Anspruch, wie es von der Katholischen Kirche vertreten wird. Vielmehr neigen sie wie heutige Gläubige generell dazu, sich ihr ganz persönliches Set an sich mitunter
1997, Muniz et al. 2001, Hellmann 2005b). Am ehesten vermuten darf man Entsprechungen dieses ‚Käufertypus’ in den Neuen Geistlichen Bewegungen – Jugend 2000, Legionäre Christi, Redemptoris Mater, Marienthal usw. 120 Vgl. Ruster 2006; Die Unbedarftheit hinsichtlich der Transsubstantiationlehre ist nicht zuletzt ein Grund dafür, warum vielen Katholiken die kirchliche Zurückhaltung gegenüber Ökumene unverständlich bleibt (Schlemmer 1991). 121 Die Konstruktion einer eigenen Religion aus dem vorhandenen Bestand religiöser Sinnsysteme bzw. die Bildung individuell ansprechender Mischungen aus Elementen verschiedener Religionen, lässt sich als religiöser Synkretismus bezeichnen (vgl. Knoblauch 200a).
3.2 Analyse der prioritären Ziele des Organisierens
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widersprechenden122 Glaubensüberzeugungen zusammenzubasteln – vergleichbar jenen Konsumenten, die sowohl bei Prada als auch bei H&M, sowohl bei Aldi als auch bei Feinkost Käfer ihre Kleider- und Kühlschränke füllen, und die in der Konsumforschung nicht ohne Grund als „unmanageable consumers“ (Gabriel/Lang 1995) etikettiert werden. Symptomatisch für die Zeitgeistigkeit dieses postmodernistischen Christentums ist der Millionenerfolg des seine Erlebnisse und spirituellen Erfahrungen auf dem Jakosweg dokumentierenden Tagebuchs „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling, der sich darin selber als einen „Buddhisten mit christlichem Überbau“ etikettiert.123 Das Buch fasziniert durch die Leichtigkeit (insbesondere auch des Tons), mit der hier mit einem nach Spirituellem lechzenden Gemüt an Glaubensfragen gerührt wird, ohne ihnen auf den Grund gehen zu wollen.124 Dezidiert kritisiert Papst Benedikt XVI. in seiner Predigt im Abschlussgottesdienst des Kölner Weltjugendtags denn auch die Bastel- und Selbstbedienungsmentalität heutiger ‚Gläubiger’: „Und so gibt es zugleich mit der Gottvergessenheit auch so etwas wie einen Boom des Religiösen. Ich will nicht alles schlecht machen, was da vorkommt. Es kann auch ehrliche Freude des Gefundenhabens dabei sein. Aber weithin wird doch Religion geradezu zum Marktprodukt. Man sucht sich heraus, was einem gefällt [Applaus], und manche wissen, Gewinn daraus zu ziehen. Aber die selbst gesuchte [und gemachte] Religion hilft uns im letzten nicht weiter. Sie ist bequem, aber in der Stunde der Krise lässt sie uns allein.“...125
Parallel zu einer weit verbreiteten Gottvergessenheit konstatiert der Papst aktuell eine hohe Attraktivität („Boom“) des Religiösen: nicht einer bestimmten Religion, sondern des Religiösen generell, also unterschiedlichster Sinn- und Glaubensangebote, die – wie ein modischer Trend, der, weil er diese Saison ‚ange122 So scheint die Kombination des christlichen Glaubens an die Auferstehung am jüngsten Tag mit dem vor allem in ostasiatischen Religionen vorfindbaren Glauben an die Wiedergeburt im Diesseits für viele Katholiken kein Widerspruch zu sein (vgl. Sachau 1998). Zur Unvereinbarkeit der personalen mit der impersonalen Gottesidee: Berger (2004). Menschen, die je nach subjektiv relevanten Umständen eine andere Religion haben, pflegen in Knoblauchs (2000b) Diktion eine proteische Religiosität. 123 Mit über zwei Millionen verkauften Exemplaren und monatelangem Spitzenplatz auf den Bestsellerlisten ist dieses Buch das meistverkaufte Sachbuch in der bundesrepublikanischen Geschichte. 124 Auch Ursula März (in Die ZEIT vom 10.01.07, S. 50) zufolge zufolge beruht der Verkaufserfolg „auf einer Wiederannäherung an den christlichen Glauben, sondern auf der leichtschultrigen Vermeidung der etwas schwierigeren christlichen Glaubensherausforderungen (ewiges Leben, unbefleckte Empfängnis usw.) 125 Für dieses Fundstück aus dem Datenberg danke ich Andreas Hepp. Abgedruckt ist hier die offizielle Übersetzung der Predigt. Die Live-Zusätze sind in eckigen Klammern eingefügt.
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sagt’ ist, stark nachgefragt wird – reißenden Absatz findet.126 Religion werde dabei, so die Diagnose von Papst Benedikt XVI., „geradezu zum Marktprodukt“: Der Begriff „Marktprodukt“ ist im Deutschen nicht geläufig, was zunächst vermuten lässt, dass er einer etwas unbeholfenen Übersetzung der Predigt aus dem Italienischen geschuldet ist. Dies ist allerdings zum einen deshalb unwahrscheinlich, weil davon auszugehen ist, dass der – sicherlich lange vorbereitete und z.B. auch dem Fernsehkommentator der Live-Übertragung vorliegende – Predigttext eine professionelle Übersetzung erfahren hat.127 Zum anderen ist Deutsch die Muttersprache des Papstes: der Begriff könnte also mit Bedacht gewählt worden sein, um den Hinweis auf den Produktcharakter von (‚falscher’) Religion zu verstärken. Religion entwickelt sich („geradezu“) zu so etwas wie einer Ware, die am Markt feilgeboten wird.128 Die Transformation von Religion in eine Ware vollzieht sich dadurch, dass „man“ (der Gläubige bzw. Glaubenssuchende) sich verhält wie ein Konsument, der das Religiöse wie eine Angebotspalette betrachtet und daraus, den eigenen Präferenzen entsprechend, Bestandteile aus einer Religion oder aus verschiedenen Religionen zusammenstellt und somit eine ‚beliebige’ Auswahl trifft.129 Die Transformation von Religion in eine Ware vollzieht sich aber auch dadurch, dass „manche wissen, Gewinn daraus zu ziehen“. Diese letzte Sequenz ist zweideutig, weil sie zum einen bedeuten kann, dass unter denen, die sich heraussuchen, was ihnen gefällt, manche in der Lage sind, diesen Vorgang als Bereicherung zu erfahren. Es kann aber auch bedeuten, dass mit „manche“ diejenigen gemeint sind, die das Konsumverhalten bzw. die Konsumorientierung gewinnbringend zu bedienen wissen.130
126 Das Paradox, auf das hier hingewiesen wird (Gottvergessenheit einerseits, Boom des Religiösen andererseits), ist symptomatisch für Trends, denn jeder Trend erzeugt einen Gegentrend (vgl. Liebl 2000). 127 Der Predigttext ist im Vatikan zunächst vermutlich in italienischer Sprache verfasst worden, da die Predigt nicht nur auf Deutsch (wie dies bei der zitierten Passage der Fall war), sondern passagenweise in den fünf Weltjugendtagssprachen (englisch, französisch, deutsch, italienisch, spanisch) vorgetragen wurde. 128 Ähnlich äußerte sich Papst Johannes II in seiner „Botschaft an die Jugendlichen aus aller Welt anlässlich des XX. Weltjugendtags 2005“. Darin beklagt er jene „Zeitgenossen“, „die ihr Herz mit unbedeutenden Ersatzmitteln zu füllen suchen“ und fordert die Jugendlichen dazu auf, „kurzlebigen Moden“ nicht nachzugeben und „die Versuchungen des Geldes, des Konsumverhaltens“ zurückzuweisen. 129 Diese Kritik stößt auf Beifall: nach diesem Satz wird der Papst von den Zuhörern mit Applaus unterbrochen. 130 Die Syntax, d.h. der Wechsel vom Singular („man“) in den Plural „manche wissen“ (statt „manch einer weiß“), spricht für diese zweite Lesart.
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Es ist aber nicht die Absicht des Oberhaupts der katholischen Kirche, „alles, was da vorkommt, schlecht zu machen“:131 Etwas ‚schlecht machen’ bedeutet, an etwas herummäkeln, etwas ‚runter’ oder ‚madig’ machen, was nicht ‚per se’ schlecht ist. Das Gemeinte wird sehr vage bezeichnet, nämlich nicht „alles“ von dem, was „da“ (in dem im vorherigen Satz konstatierten „Boom“ des Religiösen) „vorkommt“. Es wird deshalb nicht pauschal verurteilt, weil unter all dem auch etwas ‚Ehrliches’, ein aufrichtiges Gefühl („ehrliche Freude“) sein kann, welches das Finden bei demjenigen auslöst, der etwas richtig und ernsthaft gesucht hat. Problematisiert wird letztlich aber nicht die Umwandlung von Religion in eine Ware und die damit einhergehende Kommerzialisierung, vielmehr sollen sich die Zuhörer eines existentiellen Problems bewusst werden: dass nämlich eine „selbst gesuchte Religion“, d.h. eine Religion, die man sozusagen im Do-ityourself-Verfahren132 selber zusammengebastelt hat, zwar „bequem“ ist, d.h. nicht anstrengt und nicht herausfordert, weil man die unliebsamen Aspekte eben nicht gewählt, sondern aussortiert hat, dass diese aber „im Letzten“, also in Krisenzeiten (wie Krankheit und Tod), nicht weiter hilft, d.h. keine Hilfe oder Unterstützung bei der Bewältigung der Krise bietet, sondern uns „allein lässt“ (wie jemand, der einen ‚im Stich’ lässt, wenn es ‚drauf ankommt’). Die einzige tragfähige Alternative liefert demnach der „Glaube der Kirche“, denn „es ist der Heilige Geist, der die Kirche in ihrem wachsenden Glauben immer weiter in die Tiefe der Wahrheit eingeführt hat und einführt“ (vgl. Joh 16,13). Es ist der von der Kirche vertretene Glaube, der in Notzeiten wirklich hilft, denn diese Religion ist, ihren Gläubigen zufolge, eben nicht selber gemacht, sondern vom Heiligen Geist überbracht. Der Papst argumentiert hier also im Hinblick auf die ‚Glaub-Würdigkeit’ des Dogmas (und seiner Vertreter). Wenn sich diese Kirche nicht als ein Sinnanbieter unter anderen bzw. als Versatzstücklieferant für idiosynkratische Religiositäten ‚missbraucht’ sehen will, muss sie an der Abnahme des von ihr vertretenen einzig ‚wahren’ Glaubensangebots interessiert sein – ohne Wenn und Aber und ohne eklektizistische Abstriche. Unter pluralistischen Bedingungen hat die Kirche aber eben keine Monopolstellung mehr, sondern ‚kämpft’ im Wettstreit 131 Mit dem Begriff ‚schlecht machen’ wird (etwa im Unterschied zu verurteilen) eine sehr zurückhaltende, umgangssprachliche (als jugendgemäß erachtete?) Formulierung gewählt – möglicherweise eingedenk des Publikums, vor dem hier gesprochen wird. 132 Im Live-Vortrag spricht der Papst nicht nur von der „selbst gesuchten Religion“, sondern von der „selbst gesuchte[n] und gemachte[n] Religion“. Obwohl diese Bemerkung auch auf das ‚Machen’ eines Marktprodukt abzielen könnte, scheint hier die Lesart nahe liegender, dass dieser Einschub den Do-it-yourself-Charakter dieser Art von Religion pointieren soll. Nicht rekonstruieren lässt sich, wie der Einschub von den Predigt-Verantwortlichen (und dem Prediger selber) gewertet wird: als Zusatz zur besseren Verständlichkeit oder als missverständliche Zusatzbemerkung.
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3 Ziele des Organisierens
mit anderen Sinnanbietern um die Gunst der Abnehmer.133 Unter Konkurrenzbedingungen aber werden Marketingstrategien erforderlich, mit denen man sich als Anbieter aus der Masse von Anbietern abheben bzw. mittels derer man das eigene Angebot aus der Fülle an Produktalternativen herausragen lassen kann. Aus Sicht von Marketing-Experten sind Kirche und Marketing durchaus vereinbar. Ein kirchliches Marketing erfordere allerdings, dass die Kirche den Balanceakt bewältigt, „veränderbare Merkmale des kirchlichen Angebots im Einklang mit den religiösen Inhalten und dem kirchlichen Auftrag an eventuelle Erfordernisse der Nachfragerseite anzupassen, die aus religiösen Gründen nicht veränderbaren Angebotsteile angemessen, aber wirkungsvoll zu vermitteln, diese beiden Dimensionen des Angebots möglichst eindeutig zu definieren und abzugrenzen und dabei eine Kommerzialisierung des Angebots der religiösen Werte auszuschließen“ (Tscheulin/Dietrich 2003: 4; Hervorh. M.P.). Das heißt: Das Rahmenprogramm kann an den Wünschen der Kunden ausgerichtet werden, die religiöse Kernbotschaft aber ist ‚glaub-würdiger’ zu vertreten als dies bislang getan wird – im doppelten Wortsinn: überzeugender und auf die ‚Würde’ des Glaubens(kerns) pochend. Da diese ‚Würdigung’ unter den heutigen, pluralistischen Bedingungen aber nicht von den Gläubigen erzwungen werden kann, muss ihnen die Idee der reinen Lehre, d.h. die Faszination der wahren Religion, attraktiv vermittelt werden, um sie dergestalt zur Abnahme tatsächlich des Markenprodukts, des Originals, zu verführen. Und mit dem Event ‚Weltjugendtag’ reagiert die Katholische Kirche eindrucksvoll auf diese (noch recht) neue Situation. Die eigenen Liturgie- und Seelsorge-Traditionen werden mit erlebniszentrierten Bestandteilen spätmoderner jugendlicher Populärkulturen gewürzt, und zugleich wird die eigene Lehre nicht mehr als ein verpflichtendes Muss, sondern als eine attraktive, vielleicht als die (relativ) attraktivste Option auf dem globalisierten ‚Markt der Sinnstiftungen’ medienwirksam präsentiert (vgl. hierzu ausführlicher Forschungskonsortium WJT 2007).
3.3 Übergeordnete Ziele des Organisierens oder: Der höhere Sinn des Events Auch wenn die Analyse der Mitteilungen von Organisatoren und insbesondere der Entscheidungen, die hinsichtlich der Gestaltung des XX. Weltjugendtag 2005 getroffen wurden, zu Tage gefördert hat, dass die Organisatoren dieser Veran133 Diese Konkurrenzstellung wird vor allem bei einem Blick über den europäischen ‚Tellerrand’ deutlich: In Afrika und Lateinamerika verliert die Katholische Kirche derzeit alljährlich Millionen Mitglieder an die Frei- und Pfingstkirchen, die ein am Wortlaut der Bibel ausgerichtetes Christentum vertreten. Die katholische Kirche konkurriert also nicht nur mit anderen Weltreligionen wie Islam und Buddhismus, sondern auch mit anderen christlichen Religionen.
3.3 Übergeordnete Ziele des Organisierens oder: Der höhere Sinn des Events
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staltung Organisationsziele verfolgt haben, die für ein Marketing-Event typisch sind, und sich der Weltjugendtag als eine nachgerade kongeniale Antwort auf das Marketing-Problem der Katholischen Kirche rekonstruieren lässt, sprechen die offiziellen Verlautbarungen zur Idee bzw. zum höheren Sinn der Veranstaltung eine andere Sprache – jedenfalls im wörtlichen Sinne, denn sie sind nicht in einer ökonomischen, sondern, dem Anlass entsprechend, in einer theologischen Sprache verfasst.
3.3.1 Die Marke erleben In der Auflistung der „pastoralen Hauptziele“ des Weltjugendtags im „Memorandum“ (S.3), dem vom Päpstlichen Rat für die Laien formulierten Grundsatzpapier zu dieser Veranstaltung, steht an erster Stelle „die personale Begegnung mit Christus, die das Leben verändert“. Was impliziert die (personale) Begegnung mit Christus und inwiefern verändert sie das Leben? Auch wenn hier keine theologische Ausführung dieses Hauptziels vorgenommen werden kann und soll, scheint doch auf der Hand zu liegen, dass hier an den Kern des christlichen Glaubens gerührt wird. Peter L. Berger (2006: 63) zufolge verlässt man (erst) mit dem zweiten Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses: (ich glaube) „an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn“, „den gemeinsamen Bezirk der drei großen monotheistischen Traditionen und befindet sich jetzt auf spezifisch christlichem Grund.“ „Der christlichen Erlösungsreligion“ liegt, so Peter Gross (2007: 18), „(gegenüber dem Islam, nach dem die Taten des Menschen am Tag des Jüngsten Gerichtes gewogen werden, und gegenüber dem Judentum, nach dem der gläubige und den Geboten folgende Mensch in die ewige Glückseligkeit eingeht) insofern eine andere, eine außergewöhnliche und einmalige Konzeption des Menschen zugrunde.“ Eine personale Begegnung mit „Christus“ (und damit nicht nur mit dem historischen Jesus) bedeutet, die beiden elementaren Aspekte des christlichen Glaubens, die Menschwerdung Gottes und die eigene (persönliche) Erlösung durch dessen Tod und Auferstehung, für sich zu erkennen. Die personale Begegnung mit Christus bedeutet, Gott als Person zu begegnen. Damit erhält der Mensch selber sein Profil als Person: „In der Begegnung mit Gott, der ihn anspricht, wird sich der Mensch selbst als Mensch gewahr“ (Berger 1980: 174). Ob nun diese sehr grundsätzliche Konsequenz der personalen Begegnung mit Christus oder ‚schlichter’ die Erfahrung gemeint ist, von Gott geliebt und damit ein Leben nach dem Tode in Aussicht gestellt zu bekommen: es steht zu vermuten, dass eine personale Gottesbegegnung eine das weitere Leben verändernde Wirkung entfaltet.
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3 Ziele des Organisierens
Glauben erlebbar zu machen, ist das übergeordnete Ziel des Weltjugendtags schlechthin. Es geht aber weder um Glauben bzw. Spiritualität schlechthin, auch nicht um den christlichen Glauben, sondern darum, Spiritualität in ihrer spezifisch klerikal-religiösen Form, Glauben in einer ganz speziellen Ausprägung erlebbar zu machen. In der Marketing-Analogie des vorhergehenden Kapitels gesprochen, ist den Veranstaltern daran gelegen, Jugendliche die Marke ‚Katholisch’ erleben zu lassen – und dies mittels einer Maßnahme, die nachgewiesener Weise dem Erleben besonders förderlich ist. Die Analogiebildung gerät beinahe zu aufdringlich, wenn man bedenkt, dass Marken in der Konsumsoziologie nicht (mehr) als Technik-Manifestation und auch nicht (mehr) als Persönlichkeitsvehikel, sondern als „Kommunikation“ gefasst werden (vgl. Hellmann 2003): als eine Botschaft an den Verbraucher, die von diesem verstanden werden muß, damit sie erfolgreich ist. Auch die „Frohe Botschaft“ des Evangeliums muss von den Gläubigen verstanden werden, damit sie von diesen als (einzige) heilbringende Wahrheit erkannt werden kann. In seiner Eventgestalt ist der Weltjugendtag besonders dazu angetan, dass diese Botschaft nicht als kognitiv erfasst, sondern über die Sinne empfangen werden kann. Im Verfolg dieses Ziels ist das Event offiziell ausgewiesen als ein „Werkzeug der Evangelisierung für die Jugend, die eine klare und direkte Verkündigung der Botschaft, die Christus und die Kirche zum Mittelpunkt hat, zutiefst braucht“ (Memorandum: 2). Die Jugendlichen sollen dabei insbesondere die „Taufberufung“ wieder entdecken. Ihnen soll also (wieder) bewusst werden, dass „sie gerufen sind, aktive Mitglieder der Kirche zu sein, um auf diese Weise selbst Künder des Evangeliums und Missionare der heutigen Zeit zu werden“ (Memorandum: 3). Umgesetzt wird das Ziel, die Marke Katholisch’ erleben zu lassen dadurch, dass katholische Glaubensrituale – die katholische Messfeier in Fußballstadien, die Beichte in Messehallen, auf innerstädtischen Plätzen und Grünflächen vor Kirchen, die von Jugendlichen in einem Wettbewerb gestalteten eindrucksvollen Bildern dargestellten vierzehn Stationen des Kreuzwegs, die Dom-Wallfahrt – aufwändig inszeniert und nachgerade unter Maximaleinsatz geweihter Amtsträger zelebriert werden: nicht nur hat der Veranstalter verbindlich vorgegeben, dass die mehreren hundert Katechesen ausschließlich von Bischöfen und Kardinälen zu halten warden; besonders eindrücklich hat sich auch die weithin sichtbare Anordnung des liturgisch gewandeten Klerus am so genannten „Papsthügel“ bei der Abschlussveranstaltung erwiesen. Die Wirkung verstärkend, wurden die Rituale mit eng an das Weltjugendtagsmotto angebundenen religiösen Inhalten gefüllt. Als Motto des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln hat Papst Johannes Paul II. den Bibelvers „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten“ (Mt 2,2) vorgegeben. „Es ist ein Thema“, so der
3.3 Übergeordnete Ziele des Organisierens oder: Der höhere Sinn des Events
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verstorbene Papst in seiner „Botschaft an die Jugendlichen der ganzen Welt anlässlich des XX. Weltjugendtags“), „das den Jugendlichen aus allen Kontinenten ermöglicht, geistig den Weg der Heiligen Drei Könige zurückzulegen, deren Reliquien nach einer ehrwürdigen Tradition eben in der Stadt Köln verehrt werden, und wie sie dem Messias aller Völker zu begegnen“.134 Der Lokalbezug dieser Bibelstelle hat die zunächst wenig davon begeisterten Organisatoren vor Ort, die sich vor die schwierige Aufgabe gestellt sahen, die im säkularisierten Europa schwer vermittelbare Idee von ‚Anbetung’ umzusetzen, letztlich mit diesem Motto versöhnt. Der Papst deutet es allerdings nicht nur im Hinblick auf die der drei Weisen aus dem Morgenland aus, sondern betont den Aspekt ihrer Begegnung mit Christus, d.h. also jenen Aspekt, der in enger Beziehung zum Anliegen des Weltjugendtags schlechthin steht: „Wer Christus begegnet und sein Evangelium annimmt, dessen Leben ändert sich und er wird dazu bewegt, den anderen die eigene Erfahrung mitzuteilen („Botschaft von Johannes Paul II. an die Jugendlichen der ganzen Welt anlässlich des XX. Weltjugendtags“).
3.3.2 Die Markengemeinschaft erfahren Im Rahmen des Abschlussgottesdienstes beim Weltjugendtag im kanadischen Toronto verkündete Papst Johannes Paul II. offiziell, dass „Cologne, Germany“ Austragungsort des nächsten (‚großen’) Weltjugendtags im August 2005 sein wird. Der turnusmäßige Wechsel der Austragungsorte, der staffelförmig organisierte „Pilgerweg“ des von den Jugendlichen inbrünstig verehrten Weltjugendtagskreuzes durch die Kontinente, die Feier der Großliturgien in Sportstadien, in denen die ringförmige Anordnung der Zuschauersitze die Gottesdienst-besucher zu La-Ola-Aktivitäten anstiftet, das farbenfrohe Meer der Fahnen über ihren Köpfen, die nicht nur bei den großen liturgischen Festen, sondern bei jeder Gelegenheit, auf den Straßen, bei den Wallfahrten, bei Musikveranstaltungen, in den Katechesen, herumgetragen und begeistert geschwenkt werden: die olympischen Anleihen sind unübersehbar. Und wie den olympischen Geist gilt es auch die Weltjugendtags-Idee von Treffen zu Treffen weiter zu tragen. "Ihr seid aufgefordert, den Geist des Welt134 Wie in der Rede von Johannes Paul XX. am Palmsonntag des Jahres 1984 (vgl. Kapitel 1.2) fällt auch hier wieder auf, dass das Dokument als eine Botschaft an die Jugendlichen etikettiert ist, dass aber über die Jugendlichen gesprochen wird. Dies weist darauf hin, dass diese Botschaften mehrfachadressiert sind, d.h. immer auch an andere Akteure, hier vermutlich die Organisatoren des Kölner Weltjugendtags, möglicherweise auch an mit der Vorbereitung auf dieses Ereignis befasste Akteure in der katholischen Jugendpastoral gerichtet ist.
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jugendtages in Euren Vorbereitungen wach zu halten“, gibt der Papst den deutschsprachigen Gästen in Toronto mit auf den Heimweg. Der ‚Geist’, der hier von „JP II“ (wie dieser Papst von den Jugendlichen liebevoll genannt wurde) beschworen wird, korreliert vermutlich in hohem Maße mit seiner ‚Stiftungsidee’ für dieses globale Jugendtreffen. Laut „Memorandum“, dem Grundkonzept aller Weltjugendtage, besteht der „tiefste Sinn dieser Feier“ darin, allen Jugendlichen das Gefühl zu vermitteln, von der Kirche begleitet zu sein: Die Kirche – so Johannes Paul II. in einer Ansprache an die Kardinäle und Mitarbeiter der Römischen Kurie am 20. Dezember 1985 – „muss ihr [der Jugend; M.P.] die Sicherheit mitteilen, die Christus ist, die Wahrheit, die Christus ist, die Liebe, die Christus ist.“ Und das Gefühl, begleitet und ‚in Sicherheit’ zu sein, kann sich vor allem in (quasi-)familiärer Gemeinschaft – hier: in der Gemeinschaft der großen katholischen ‚Familie’ – einstellen. Vom Päpstlichen Rat für die Laien, der vom Papst für die Kontrolle der ordnungsgemäßen Umsetzung des Projekts ‚Weltjugendtage’ betrauten Institution im Vatikan, wird denn auch die „Erfahrung der katholischen, universalen Kirche als Geheimnis und Gemeinschaft“ als ein pastorales Hauptziel des Weltjugendtags (neben einigen anderen) expliziert. Und von Kirchenfunktionären (insbesondere im Kontext der Deutschen Bischofskonferenz) liegt – in Übereinstimmung mit den im Memorandum artikulierten Hauptzielen des Weltjugendtags schlechthin – das Potential des Weltjugendtags darin, dass junge Menschen a) „Jesus Christus als froh machende Orientierung im Leben“ erkennen, dass sie b) „Freude an ihrer persönlichen Berufung“ erfahren, und dass sie c) „die Kirche als weltumspannende Gemeinschaft“ entdecken können (Austen 2004: 38ff). Den Teilnehmern die Möglichkeit zu verschaffen, sich – jeweils individuell – als Teil einer universellen (weltumspannenden) Gemeinschaft zu erfahren, erweist sich also als ein weiteres übergeordnetes Ziel, welches die Veranstalter mit dem Weltjugendtag verfolgen. Dadurch soll das zumindest für gläubige Katholiken in europäischen Kontexten symptomatische Gefühl, einer praktizierenden Minderheit anzugehören, zumindest für einen intensiven Moment lang in eine bestätigende Mehrheitserfahrung ‚umgekehrt’ werden.
3.4 Analyse der übergeordneten Ziele des Organisierens Auch und gerade bei der Betrachtung der organisatorischen Aspekte des Weltjugendtags darf nicht vernachlässigt oder gar ausgeblendet werden, dass alles, was organisatorisch gemacht wird, einen normativen Fluchtpunkt hat, der in der Antwort auf die Frage liegt, worum es hier ‚eigentlich’ bzw. ‚im Letzten’ geht: Der Katholischen Kirche ist daran gelegen, mit den eventförmingen Weltjugend-
3.4 Analyse der übergeordneten Ziele des Organisierens
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tagen eine Gelegenheitsstruktur bereitzustellen, die den (katholischen) Glauben – die Marke ‚Katholisch’ – erleben und die Gemeinschaft der Katholiken – die Brand-Community ‚Katholizismus’ – erfahren lässt. Erleben und Erfahren – diese beiden phänomenologischen Grundbegriffe weisen darauf hin, dass es hier von der Gesamtanlage der Weltjugendtage her um ‚Sensation’, um die Ansprache aller Sinne (statt um rationale Diskurspraxis) geht.
3.4.1 Das Spiritualitätspotential des Events „Wo zwei oder drei Menschen in meinem Namen zusammenkommen, da bin ich selbst in ihrer Mitte.“ Laut Matthäus Kapitel 18, Vers 20 findet Gemeinschaft ihren ihre Faktizität überhöhenden Sinn in einem das Miteinander der Beteiligten fokussierenden Issue. Dieses Issue bezeichnen wir dann als ‚religiös’, wenn sich mit ihm die Erwartung oder Erfahrung einer – der Terminologie in Schütz/Luckmann (2003) folgend – ‚großen Transzendenz’ verbindet.
3.4.1.1
Religiöse Erfahrungen
Aus phänomenologischer Perspektive ist ‚Transzendenz’ ein Merkmal menschlichen Erfahrens schlechthin, da Bewusstseinsprozesse durch das Merkmal der Intentionalität ausgezeichnet sind, d.h. Erfahrungen immer Erfahrungen von etwas sind: von etwas, das nicht mit dem zeitlichen Vorgang des Erfahrens identisch ist. Anders ausgedrückt: Das vom Bewusstsein gegebene Erfahrene transzendiert den Vorgang des Erfahrens. Die zeitlich und räumlich zumindest unmittelbare Unzugänglichkeit von Erfahrbarem ist eine kleine Transzendenz – klein deshalb, weil wir viele räumliche Unzugänglichkeiten zumindest prinzipiell überwinden können, weil wir zeitliche Unzugänglichkeiten zumindest, was die Zukunft betrifft, überwinden können. Demgegenüber sind die Bewusstseinsvorgänge anderer immer nur mittelbar, durch Kommunikation, zu erschließen. Der Umgang mit anderen, denen wir Intentionalität zuschreiben, ist deshalb eine mittlere Transzendenz. Während wir diese Erfahrungen routinemäßig bewältigen können, während wir also Routinen im Umgang mit kleinen und mittleren Transzendenzen ausbauen oder, wenn dies nicht gelingt, technische Hilfsmittel (z.B. ein Fortbewegungsmittel) entwickeln und Institutionen (z.B. den Treueschwur) bilden, die bei der Bewältigung von aus Transzendenzen resultierenden Problemen helfen, gibt es eine dritte Art von Erfahrungen, die uns (wie Krankheit und Tod) auferlegt werden, oder die wir suchen, die regelmäßig mit Angst oder Ekstase einhergehen. Diese Erfahrungen großer Transzendenz werden „in aller Re-
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3 Ziele des Organisierens
gel als unmittelbare Äußerungen des sakralen Bereichs aufgefasst“ (Luckmann 1991: 61). Transzendenzerfahrungen, die auf eine symbolisch außerweltliche Weise gedeutet werden, werden als religiöse Erfahrungen bezeichnet.
3.4.1.2
Die Spannbreite spiritueller Deutungsoptionen in Jugendszenen
Säkularisierung sowie die mannigfaltigen Pluralisierungs- und Individualisierungsprozesse führen augenscheinlich zu nachhaltigen Um-Strukturierungen der religiösen Orientierung in Gesellschaften wie der unseren: Viele dieser religiösen Orientierungen bleiben als solche, mit Thomas Luckmann (1991) gesprochen: mehr oder weniger ‚unsichtbar’, andere sind allenfalls an ihren synkretistischen Anleihen erkennbar. Außerdem sind gerade religiöse Orientierungen zumeist nur noch für denjenigen verbindlich, der sie eben hat. Dazu hin sind sie symptomatischerweise instabil (d.h. sie gelten auch für den, der sie hat, oft nur für bestimmte Lebensphasen, unter bestimmten Umständen oder sogar nur in besonderen Situationen). Und schließlich sind sie oft auch nicht mehr in einem umfassenden Wertekosmos, ja vielfach nicht einmal mehr in tradierten Konsensgefügen verankert. Das hat nicht zum wenigsten damit zu tun, dass die Vergemeinschaftungsangebote herkömmlicher Religionsagenturen dem steigenden Bedarf nach individualisierter sozialer Geborgenheit immer weniger gerecht werden.135 Infolgedessen ist an die Stelle eines ordnungsstiftenden „himmlischen Großbaldachins“ (Soeffner 2000) eine Vielfalt ritueller Orientierungen, und mythischer bzw. mythifizierter Symbolwelten getreten, die von freizeitspiritistischen Zirkeln über charismatisch-evangelikale und fundamentalistische Bewegungen bis hin zum hermetischen Charakter von Sekten reichen, und die zumeist synkretistisch organisiert sind (vgl. Hitzler 1999). Insbesondere aber entwickeln, verstetigen und vermehren sich solche neuartigen Vergemeinschaftungsformen, deren wesentlichstes Kennzeichen darin besteht, dass sie auf der Verführung prinzipiell hochgradig individualitätsbedachter Einzelner zur habituellen, intellektuellen, affektuellen und vor allem zur ästhetischen Gesinnungsgenossen-schaft basieren (vgl. Hitzler 1998).
135 Ihr Bedeutungsverlust manifestiert sich z.B. in steigenden Kirchenaustrittszahlen und sinkenden Zahlen der Besucher von Gottesdiensten und der Mitglieder in kirchlichen Vereinen und Verbänden. D.h., das religiöse Kompetenzmonopol der Kirchen schwindet, ja: verschwindet. Zum einen haben deren Glaubenssätze und Leitbilder gesamtgesellschaftlich ihre normative Verbindlichkeit ohnehin längst verloren, zum anderen nehmen sich aber auch ihre eigenen Mitglieder zunehmend das Recht heraus, diese Glaubenssätze und Leitbilder individuell zu interpretieren und auszugestalten.
3.4 Analyse der übergeordneten Ziele des Organisierens
123
Der hierfür von uns verwandte Begriff der ‚Szenen’ verweist auf Gesellungsgebilde, die nicht aus vorgängigen gemeinsamen Lebenslagen oder Standesinteressen der daran Teilhabenden heraus entstehen, die einen signifikant geringen Verbindlichkeitsgrad und Verpflichtungscharakter aufweisen, die nicht prinzipiell selektiv und exkludierend strukturiert und auch nicht auf exklusive Teilhabe hin angelegt sind, die aber gleichwohl als symbolisch markierte, vergemeinschaftende Erlebnis- und Selbststilisierungsräume fungieren (vgl. Hitzler/Pfadenhauer 1998; Hitzler et. al. 2001). Wesentlich für die Bestimmung von Szenen ist darüber hinaus, dass sie Gesellungsgebilde von Akteuren sind, welche – und das unterscheidet Szenen auch signifikant von Lebensstilformationen – sich selber als zugehörig zu einer oder verschiedenen Szenen begreifen. In Szenen, die sich generell durch fehlende oder zumindest sehr ‚niedrige’ Ein- und Austrittsschwellen und durch symptomatisch ‚schwache’ Sanktionspotentiale auszeichnen, suchen Menschen das, was sie eben auch in Kirchen immer seltener finden: Verbündete für ihre Interessen, Kumpane für ihre Neigungen, Partner ihrer Projekte, Komplementäre ihrer Leidenschaften, Freunde ihrer Gesinnung. Die Chancen, in Szenen Gleichgesinnte zu finden, sind signifikant hoch, denn Szenen sind thematisch fokussiert. Jede Szene hat ihr ‚Thema’, auf das hin die Aktivitäten der Szenegänger ausgerichtet sind – gepaart in der Regel mit einer mehr oder minder diffusen Weltanschauung. Interessanterweise scheinen nun gerade Szenen sich als ‚ausgezeichnete’ Orte nicht nur quasi-religiöser Sinnproduktionen und Sinndistributionen (im Sinne von Thomas Luckmann und Hubert Knoblauch; vgl. nochmals Luckmann 1991; Knoblauch 1997b), sondern auch der Zitation und Applikation religiöser Traditionen im engeren Sinne zu erweisen: Die Anfang der Neunzehnhundertneunziger Jahre in Hamburg erstmals in Erscheinung getretenen „Jesus Freaks“ (vgl. Ackermann 1997; Hempelmann 2003) etwa, um hierfür wenigstens ein Beispiel anzuführen, verdeutlichen bereits in ihrer Selbstbezeichnung einen Bezug zum christlichen Glauben, wollen ihr Christ-Sein jedoch außerhalb überkommener kirchlicher Strukturen praktizieren, weil sie diese Strukturen als „glaubensfeindlich“ ansehen. „Jesus Freaks“ sind also durchaus ‚sichtbar’ religiös, allerdings geprägt eben durch eine traditionskritische Haltung, aus der heraus sie klerikalreligiöse Rituale (wie Liturgie und Gottesdienst) und das überkommene kirchenbürgerliche Gemeindeleben in Frage stellen und eine alternative Idee von Gemeinschaft propagieren, die zum einen ein niedrig schwelliges Angebot für Gleichgesinnte – die thematische Fokussierung auf Jesus ohne Glaubensbekenntnis und Mitgliedschaft – bilden und zum anderen die Bestätigung für eine besondere spirituelle Erfahrung vermitteln soll Jenseits dieses konkreten, und naheliegenden, Beispiels betrachten wir – mit Winfried Gebhardt (2003) – Szenen auch insgesamt als eine der neuen, empi-
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3 Ziele des Organisierens
risch zu erkundenden Sozialformen von Religion – und zwar paradoxerweise nicht obwohl, sondern weil es ihnen grosso modo an sozusagen ‚heiliger Substanz’ mangelt. Anders ausgedrückt: Diese posttraditionalen Gemeinschaften bilden sich, anders als Traditionsgemeinschaften, nicht um ein (wie auch immer) als ‚heilig’ verstandenes Zentrum herum aus, sondern ‚lediglich’ um Rituale und Symbole der Heiligung. Und da sie dergestalt lediglich als kollektive ‚Gefäße’ je bestimmter Ideen individueller Sinn-Suche fungieren, kann in ihnen ‚eigentlich’ jeder seine eigene Spiritualität pflegen, seine je subjektive mentale Bereitschaft bzw. Befähigung zum Erleben besonderer Zustände und außergewöhnlicher Widerfahrnisse als – wie auch immer konnotierte – ‚große Transzendenzen’. Allerdings resultiert daraus dann wieder das Problem, dass der religiöse Eigen-Sinn eines jeden zu jedem anderen Eigen-Sinn, in einem – mitunter diametralen – Gegensatz steht, sofern es nicht gelingt, diese Eigen-Sinnigkeiten im Dritten ‚aufzuheben’ – in jenem Dritten, das in seiner säkularen Form eben als das Konsensuell-Sozietäre erscheint, in seiner sakralen Form aber als das Göttlich-Numinose. Nun gab und gibt es in Gesellschaften normalerweise ja kanonische Festlegungen oder eben wenigstens konsensuelle Gewissheiten darüber, welche besonderen Zustände und außergewöhnlichen Widerfahrnisse – in der Terminologie von Karl Jaspers (1970) ausgedrückt – als „Chiffren großer Transzendenzen“ relevant und mithin spirituell deutungswürdig sind. Und normalerweise erfolgen spirituelle Deutungen im Rekurs auf Wissensbestände und Interpretationsschemata tradierter Religion(en). Prinzipiell aber kann jeder besondere Zustand, kann jedes außergewöhnliche Widerfahrnis spirituell gedeutet werden. Und unter den in Gesellschaften wie der unseren derzeit gegebenen Säkularisierungs-, Pluralisierungs- und Individualisierungsbedingungen lässt sich – sozusagen im Gegenzug zur modernen ‚Entzauberung der Welt’ – kaum noch irgendein Erleben irgendeines besonderen Zustandes oder irgendeines außergewöhnlichen Widerfahrnisses nicht im Rekurs auf irgendein Transzendenzkonzept spirituell auslegen. Am Beispiel der von uns erkundeten Jugendszenen sei die Spannbreite spiritueller Deutungsoptionen hier sozusagen ‚leichthin’ angedeutet (vgl. nochmals Hitzler et. al. 2001 sowie www.jugendszenen.com): Spirituell auslegen lässt sich alles irgendwie Besonderte, alles irgendwie als ‚wichtig’ bzw. als ‚wertvoll’ Gesetzte – sei es die konspirative Faschismus-Gewissheit des Antifa-Aktivisten, sei es die ‚dämonische Wut’ des Black Metal-Verschworenen, sei es die ästhetische Verzückung des Comic-Liebhabers, sei es die rauschhafte ‚Seligkeit’ des Heroin-Users, sei es das ‚kosmische Leiden’ des Gothics, sei es das aus der (Rück-)Eroberung urbanen Territoriums resultierende ‚triumphierende Gefühl’ des Sprayers, sei es die selbstgewisse ‚political correctness’ des HardcoreProtagonisten, sei es die Provokationslust des Hiphoppers, sei es die Kompetenzund Sieger-Attitüde des Lan-Spielers, sei es das Rebellen-Pathos des Punks, sei
3.4 Analyse der übergeordneten Ziele des Organisierens
125
es die ‚Macht- und Weisheitsfantasie’ des Rollenspielers, sei es der ‚göttliche’ Trick des Skaters, sei es die Selbstüberwindungsbegeisterung des Sportkletterers, oder sei es schließlich die Tanz-Ekstase des Techno-Fans.
3.4.1.3
Der Überlegenheitsanspruch klerikalreligös legitimierter Spiritualität
All diese Besonderungs-Erfahrungen lassen sich, wie gesagt, zunächst einmal subjektiv ebenso zufriedenstellend spirituell ausdeuten wie die in den herkömmlichen klerikalreligiösen Interpretationsrahmen als solche ausgewiesenen Transzendenz-Erlebnisse.136 Den Überlegenheitsanspruch klerikalreligiös legitimierter Spiritualität gegenüber solchen von ihnen als (bestenfalls) ‚quasi-religiös’ veranschlagten Zuständen und Widerfahrnissen leiten deren Protagonisten traditionell vor allem aus der aus ihrer inhärenten ‚Wahrheit’ resultierenden existentiellen Reichweite und Gewissheit ab. Diese jeder Traditionsreligion innewohnende ‚Wahrheit’ ist, wie wir festgestellt haben, unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen aber eben allenfalls noch eine ‚nach innen’ geltende ‚Wahrheit’ – und sie ist, wie wir aus vielerlei aktuellen religionssoziologischen Studien (nicht zum Wenigsten auch von Michael N. Ebertz (vgl. Ebertz 1998, 2003) und Winfried Gebhardt (vgl. Gebhardt et. al. 2003) wissen, selbst unter kirchennahen Sinnsuchern keineswegs mehr eine per se schon ausschließliche ‚Wahrheit’. ‚Positiv’ ausgedrückt: Der nach Wahrheit suchende individualisierte Einzelne findet unter den Bedingungen fortgeschrittener Pluralisierung typischerweise, und eben das meinen wir mit ‚Spiritualität’, im Ausdeuten irgendwelchen ‚besonderten’ Erlebens eine Wahrheit als seine Wahrheit. Und auch diese findet er in der Regel ‚unter den gegebenen Umständen’ und ‚auf Zeit’ bzw. ‚bis auf weiteres’. Die – wie gesagt: zeitweilige – Stabilisierung seiner so verstandenen ‚spirituellen Identität’ erfolgt wesentlich durch das, was Erving Goffman (1974) den „bestätigenden Austausch“ nennt. Im herkömmlichen religiösen Gemeindeleben entspricht dem bestätigenden allerdings auch der, als solcher institutionalisierte, korrigierende Austausch, der dazu dient, den ‚Irrenden’ – sanft oder nachdrücklich – zur dogmatischen, kanonischen oder zumindest konsensuellen ‚Wahrheit’ zurückzuführen. Unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen hat die Kirchengemeinde, die hier für die ‚communio traditionalis’ stehen soll, gegenüber der 136 Auffällig ist allenfalls, dass auch zur Beschreibung und Erläuterung solcher jugendkulturtypischer Transzendenz-Erlebnisse nach wie vor ausgesprochen häufig – und bei aller betonten Lässigkeit auch häufiger positiv als negativ – auf das semantische Repertoire der christlichen Weltdeutungstradition(en) zurückgegriffen wird.
126
3 Ziele des Organisierens
Szene, als Prototyp der ‚communio post traditionalis’, mithin den strukturellen Nachteil, zumindest letztendlich einen ideologischen bzw. dogmatischen ‚Kern’ gegenüber etwelchen Abweichungen und Alternativen in Stellung bringen und verteidigen zu müssen. Denn eben dieser explizite Anspruch organisierter Religion(en), zumindest einen ‚Glaubenskern’ als gegenüber Alternativen verbindlich zu bewahren und im Zweifelsfalle auch als verbindlich zu installieren, lässt sich mit jener individualisierungskompatiblen ‚subjektiven Spiritualität’ nur noch in Ausnahmefällen vereinbaren. Ganz folgerichtig wird derzeit in vielerlei ‚Experimenten’ mit unterschiedlichen Reichweiten und ‚Tiefen’ erprobt, wie Kirche sich ‚zeitgemäß’ inszenieren, insbesondere, wie Kirche sich ‚juvenilisieren’ lassen könnte: Diesem, gegenwärtig z.B. relativ prominent im Projekt ‚Jugendkirche TAGHBA’ im Stadtdekanat Oberhausen praktizierten Trend liegt wesentlich die Auffassung zugrunde, dass „einerseits der Glaube zur Lebens- und Alltagsrelevanz die ästhetische Verankerung braucht, andererseits aber jugendkulturelle Ästhetik im offiziellen Kirchenalltag kaum vorkommt“ (Hobelsberger 2003). In Anbetracht dessen, dass Jugendliche heute nach wie vor intensive spirituelle Erfahrungen – allerdings außerhalb kirchlicher Räume und Angebote – machen, zielen klerikale Spiritualitätsverwalter, die ihrem Selbstanspruch nach den Jugendlichen als ‚Glaubenszeugen’ zur Seite stehen wollen, mit dieser Verlagerung jugendkultureller Ausdrucksformen (z.B. Rap) und szenetypischer Aktivitäten (z.B. Skateboardfahren) in den Kirchenraum bzw. in den Gottesdienst explizit darauf ab, Verbindungen „zur Lebenswelt, zur Spiritualität, zur Kultur der Jugendlichen“ herzustellen.137 Die ‚Jugendkirche Oberhausen’ ist aber nur einer von vielen solchen ‚Versuchsballons’. Wie die Kirchentage der beiden großen Konfessionen fungiert auch der katholische Weltjugendtag als ein Glaubenslabor für ‚Spiritualität in Gemeinschaft und durch Gemeinschaft’. Mehr als bei den Kirchentagen geben die Kirchenverantwortlichen beim Weltjugendtag allerdings bereits Raum dafür, die klerikalreligiös legitimierten Transzendenz-Erwartungen und TranszendenzErfahrungen mit irgendwelchen jugendkulturellen Symbol- und Ritualformen zu amalgamieren. Es wird sich erst nach und nach zeigen, inwieweit die kirchlichen Spiritualitätsverwalter diese ‚Heirat mit dem Zeitgeist’ (Soeffner 1995) geistig bzw. geistlich tatsächlich auszuhalten vermögen. – Weltjugendtagsteilnehmer 137 Ob Seelsorger sich als Eventbefürworter oder als Eventskeptiker erweisen, hängt einer Studie von Julia Uhlik (2007: 103) ganz wesentlich davon ab, ob diese Kirche als eine „Gegenwelt“ zur „Lebenswelt“ oder ob sie die Kirche „als eine der Lebenswelt ähnlich gestaltete Welt“ begreifen. Für diejenigen Geistlichen, die letzerer Auffassung sind, erscheint es nicht nur akzeptabel, sondern nachgerade erforderlich, „lebensweltliche Elemente“ wie sie für Events typisch sind, in den Kirchenalltag zu integrieren.
3.4 Analyse der übergeordneten Ziele des Organisierens
127
jedenfalls tun sich symptomatisch leicht damit, ihre von ihnen selber noch vorwiegend klerikalreligiös gedeuteten Transzendenz-Erfahrungen mit jugendkulturell typischen Transzendenz-Erwartungen (einer „geilen Party“) zu mischen und anzureichern und dergestalt einer ganz ungeniert synkretistischen Spiritualität zu frönen.
3.4.1.4
Die Distanz von Spiritualität und Dogmatik
Das zentrale Merkmal von Spiritualität ist die Erfahrungsorientierung. D.h. Spiritualität stellt auf direkte, unmittelbare persönliche Erfahrung (und nicht auf ‚Glaube aus zweiter Hand’). „Spiritualität ist deshalb zutiefst subjektivistisch, denn sie verlegt den Grund für den Glauben ins eigene ‚Ich’“ (Knoblauch 2006). Damit aber wird die Glaub-Würdigkeit des Dogmas (und ihrer Vertreter) in Frage gestellt, an der sich in Kirchenkreisen die Deutung einer TranszendenzErfahrung als religiös orientiert. An die Stelle eines dogmatischen und institutionellen Kerns rückt die Erfahrensdimension. Wenn die Katholische Kirche mit dem Weltjugendtag nun ein Event veranstaltet, das in und durch die situative Vergemeinschaftung spirituelle Erfahrungen ermöglicht, dann ist dies zwar eine probate Strategie zur Überbrückung der für Spiritualität typischen Distanzierung zur Kirche als der neben Sekten großen religiösen Organisationsform (vgl. Troltsch 1912/1994), dann eröffnet sie damit aber auch die Möglichkeit zur Distanznahme zum Dogma. Die in ihr implizite „freigeistige Haltung gegenüber religiösen Fragen, die sich im Gegensatz zur ‚dogmatischen Religion’ traditioneller Christlichkeit sieht“ (Bochinger 1994: 386) ist möglicherweise das problematischste Merkmal von Spiritualität.
3.4.2 Das Vergemeinschaftungspotential des Events Ein weiteres Hauptziel des Weltjugendtags besteht darin, Kirche als ‚universelle Gemeinschaft’ auf Zeit intensiv erleben zu lassen. Betrachtet man dieses Ziel nun im Rekurs auf ‚objektivierte’ Kriterien der sozialwissenschaftliche Eventtheorie, dann ergibt sich auch diesbezüglich ein stimmiges Bild:
3.4.2.1
Kennzeichen des Events
Kulturanthropologisch betrachtet sind Events „anberaumte Zusammenkünfte einer größeren Zahl von Handelnden, die sich für eine bestimmte Zeit an einem
128
3 Ziele des Organisierens
bestimmten Schauplatz einfinden und bereit sind, einen oder mehrere gemeinsame Foci der Interaktion zu teilen“ (Knoblauch 2000b, S. 36). Die dergestalt fokussierte Interaktion bzw. Kommunikation in körperlicher Ko-Präsenz läuft häufig nach einem festgelegten, ja rituellen Muster ab. Derlei Konventionen bzw. Rituale rahmen die performativen, d.h. als Auf- bzw. Vorführung angelegten Veranstaltungen als aus dem Alltag herausgehobene Ereignisse. Anders formuliert: die Erfahrung setzt sich subjektiv – und körperlich erfahrbar – deutlich gegen alltägliche Routinen ab, nicht zum wenigsten befördert dadurch, dass sich die Teilnehmer aktiv (klatschend, singend, tanzend) und häufig intensiv am performativen Geschehen beteiligen. Mehr noch: die Beteiligten (Aufführende und Publikum) kommunizieren wechselseitig. Das heißt, sie kommunizieren nicht nur miteinander, sondern sie machen sich gegenseitig und anderen deutlich, dass und wie sie kommunizieren. Events sind also performativ-interaktive138 Ereignisse, die von ihrer Erlebnisqualität her aus unserem Alttag, d.h. aus dem Insgesamt unseres subjektiven Erlebens herausgehoben sind und die aufgrund des Versprechens gewünschter außergewöhnlicher Erlebnisse eine hohe Anziehungskraft auf relative viele Menschen ausüben (vgl. Hitzler 2000: 402). Während Hitzler die Herausgehobenheit des Erlebnisses aus dem spätmodernen Alltagserlebensstrom als Kennzeichen von Events betrachtet und das Event folglich nicht als universales, sondern als ein historisches Phänomen einstuft, handelt es sich Knoblauch zufolge dabei nicht per se um eine Ausformung der Spätmoderne. Ihm zufolge kommen allerdings bei Veranstaltungen, die heute als Events bezeichnet werden, zwei Momente hinzu, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, diese nicht als „zeitlose Formen gesellschaftlicher Ritualpraxis“ (Knoblauch 2000b: 40), sondern als etwas epochal Neues zu begreifen: Erstens wird das Event nicht nur für die leibhaftig anwesenden Teilnehmer veranstaltet, sondern kann auch zuhause am (TV oder Computer-) Bildschirm mit-erlebt werden. Damit ist zunächst einmal impliziert, dass das Event nicht mehr ‚bloß’ ein Ereignis des Augenblicks ist, sondern konserviert und reproduziert und folglich nicht nur in der eigenen Erinnerung, sondern als archivierbares Dokument für die Nachwelt abgelegt werden kann. Vor allem aber ermöglicht die mediale (Live-)Übertragung eine besondere Verbindung bzw. Verbundenheit 138 Die Bestimmung von Events als performative Anlässe darf nicht in einem eng Sinn verstanden werden: denn weder wird bei jedem Event dezidiert eine ‚Bühne’ für die Aufführung aufgebaut (wie Knoblauch (2000a) am Beispiel von Kaffeefahrten verdeutlicht), noch sind die Rollen – Aufführende und Publikum – fest vergeben: auch wenn etwa die DJ-Bühne bei Techno-Events zumeist gut sichtbar installiert ist und sich DJs heute mitunter gern als Stars feiern lassen (vgl. Pfadenhauer 2008a), ist es ein Kennzeichnen gerade von jugendkulturellen Events, dass sich die Teilnehmer gegenseitig Aufführende und Publikum zugleich sind. Zur Problematik des Publikum-Begriffs in der Techno-Szene vgl. Hitzler/Pfadenhauer 2005.
3.4 Analyse der übergeordneten Ziele des Organisierens
129
zwischen den leibhaftig am Event Teilhabenden und den Nicht-Präsenten: Indem diejenigen, die dabei sind, permanent mit denen, die daheim geblieben sind, kommunizieren (können), erhält die Event-‚Gemeinde’ vor Ort – auch der Selbstwahrnehmung nach – eine Art Stellvertreterrolle für (irgend-)ein Ganzes, für eine (spezifische) Allgemeinheit. Noch entscheidender für Events in der Spätmoderne aber ist ein Aspekt, den Knoblauch (2000b) als Reflexivität, Gerhard Schulze (1992) als Erlebnisrationalität bezeichnet: Die Teilnehmer vollziehen die je typischen Rituale im Wissen darum, dass diese die Funktion der Gemeinschaftsbildung haben, und sie vollziehen die Rituale im Wissen darum, dass diese von den Organisatoren kalkuliert eingesetzt werden. Mehr noch: die Teilnehmer erwarten von den Organisatoren, dass diese die Wirkung von Ritualen kennen und diese kalkuliert einsetzen, damit sie selber zweckrational ihre eigenen „irrationalen Handlungen“ planen können. Diese Handlungen sind allerdings nicht an der Gemeinschaft orientiert. Die Gemeinschaft wird vielmehr genutzt, um die durch sie ermöglichte besondere individuelle Erfahrung machen zu können. Aus diesem Grund bezeichnet Knoblauch (2000b, S. 49) Events als „strategische Rituale der kollektiven Einsamkeit“.
3.4.2.2
Die Beförderung situativer Zusammengehörigkeit
Die Diskussion darüber, ob die als Event bezeichneten Veranstaltungen qualitativ und nicht nur aufgrund ihrer Massenhaftigkeit ein sozialwissenschaftlich relevantes Phänomen sind, begleitet die Eventforschung von Beginn an. Gebhardt zufolge erweisen sie sich aus einer historisch-kultursoziologischen Perspektive als eine spezifische Ausprägung des Fests. Nicht das Event, aber das Fest einerseits und die Feier andererseits lassen sich demnach als zwei universalhistorische Grundkategorien rekonstruieren, die jeweils in ihrem Verhältnis zum Alltag zu charakterisieren sind, denn beide dienen der Bewältigung des Alltags; allerdings auf unterschiedliche Weise: Die Feier dient der Bewältigung des Alltags, indem sie ihn – gerade durch die Pflege von Bräuchen, Riten, Ritualen, Konventionen – bewusst macht, mehr noch: „ihn als ein sinnvolles Geschehen ins Bewusstsein hebt“ (Gebhardt 1987: 53).139 Das vorgegebene Zeremoniell, das häufig an einem festgelegten (Feier-)Tag, Ort und Zeitpunkt in getragener Atmosphäre zu zelebrieren ist, erzwingt ein kontrolliertes, selbst beherrschtes, die subjektiven Befindlichkeiten hintan stellendes Benehmen. Demgegenüber lassen Feste den Alltag bewältigen, indem sie ihn aufheben, d.h. eine geplante
139 „Anders als dem Fest liegt der Feier immer eine bewusst ausgearbeitete Idee oder ein Weltbild zugrunde, welche in ihr aktualisiert werden“ (Gebhardt 1987: 63).
130
3 Ziele des Organisierens
oder spontan aufbrechende Auszeit darstellen, die affektuelles, spontanes, unbeherrschtes Verhalten erlaubt.140 Das eigentlich Neue ist Gebhardt (2000: 24) zufolge die „akzelerierende Eventisierung der Festlandschaft“ in spätmodernen Gesellschaften. Die Festkultur moderner Gesellschaften unterliegt demnach massiven Veränderungsprozessen: Deinstitutionalisierung, Entstrukturierung, Profanisierung, Multiplizierung und Kommerzialisierung befördern eine Veralltäglichung des Festlichen, in deren Zuge, so Gebhardts Diagnose, die sinnstiftende und die gemeinschaftsstabilisierende Funktion des Fests sukzessive abhanden kommt. Damit stellt Gebhardt allerdings nicht die vergemeinschaftende Wirkung von Events in Abrede. Die Diagnose impliziert vielmehr die Umkehrung des Konstitutionsverhältnisses von (eventförmigem) Fest und Gemeinschaft: „Es ist eben nicht (mehr) die Gemeinschaft, die ein Fest ‚feiert’141, sondern das Fest konstituiert – für den Moment – eine Gemeinschaft“ (Gebhardt 2000: 28). Denn gelingender weise bringt das Event das hervor, was Victor Turner (1986) als „Communitas“, Georg Simmel (1970) als „Geselligkeit“ bezeichnet hat: einen Zustand situativer Gemeinschaftlichkeit – nicht immer über Milieugrenzen, häufig aber über Klassen- und Schichtunterschiede hinweg. Die situative Event-Gemeinschaft vermittelt also eine weitgehend emotional bestimmte Zusammengehörigkeit bzw. ein massenhaft identitätsstiftendes Erlebnis von Einheit trotz aller Verschiedenheit. Genau diese Funktion soll der Weltjugendtag erfüllen, genau dieses Ziel wird letztendlich mit der Veranstaltung des Weltjugendtags verfolgt: Dem Veranstalter, der katholischen Kirche, geht es um die erlebniszentrierte – und mittels der Medien weltweit verbreitete – Inszenierung einer grandiosen ‚Einheitsfiktion’ (vgl. auch hierzu nochmals Forschungskonsortium WJT 2007). Und allen Bekundungen der Teilnehmer zufolge ist dieses Ziel auch erreicht worden: Gemeinschaftsgefühl global und total. Allerdings sind situative Event-Gemeinschaften per definitionem auf das inszenierte Massenspektakel selber beschränkt. Während für Event-Teilnehmer der 140 Dieser Auffassung liegt die anthropologische Annahme zugrunde, dass eine alltägliche, routinehafte Befriedigung von Bedürfnissen einen von Friedrich Tenbruck so genannten „Gratifikationsverfall“ erfährt. Dieser Effekt lasse den Menschen nach neuen Befriedigungsformen, nach Außeralltäglichem bzw. der Aufhebung der Alltagsroutine verlangen. „Insofern bieten alle uns bekannten Gesellschaften“, so Alois Hahn (1972: 425), „ihren Mitgliedern nicht nur Festlegungen ihres Handelns, Gewohnheiten und Routinen, sondern auch deren zeitweise exstatische oder rauschhafte Aufhebung.“ 141 In Anbetracht des konstitutiven Unterschieds zwischen Fest und Feier ist die Redewendung, ein Fest zu feiern (ebenso wie ‚to celebrate an event’ im Englischen), irreführend. Treffender erweist sich die Bezeichnung ‚Rave’ für Events in der Techno-Szene. Heute geht man allerdings nicht mehr zum ‚Raven’ (sich bei Techno-Musik austoben, vergnügen), sondern – szeneübergreifend – zum ‚Abfeiern’: Gemeint ist damit nicht, ein Zeremoniell durchstehen zu müssen, sondern ‚so richtig Gas geben zu wollen’.
3.5 Die Relevanz des höheren Sinns eines Events für dessen Organisatoren
131
Reiz gerade in der ‚Kurzweiligkeit’ der Gemeinschaftlichkeit, d.h. in der eben nicht auf Dauer angelegten Abwechslung von der gewohnten ‚Normalität’ liegen dürfte, ist zumindest für solche Veranstalter, die einen (wie auch immer gearteten) Mehr-Wert mit ihrem Veranstaltungsangebot intendieren, deren ‚Nachhaltigkeit’ im Sinne einer die Veranstaltung überdauernden Wirkung ein virulentes Thema (vgl. Lucas/Wilts 2004). Die Frage nach der ‚Nachhaltigkeit’ bzw. nach einer lang- bzw. zumindest längerfristigen Wirkung des Weltjugendtags war infolgedessen auch das durchgängige Motiv der Event-Nachbereitung hierzulande. Und die Deutsche Bischofskonferenz hat ihren Weltjugendtagssekretär ein gesamtes Jahr nach dem Event dafür abgestellt, die durch den Weltjugendtag initiierten und inspirierten Aktivitäten in den Diözesen des Landes zu dokumentieren (vgl. Austen 2006). Insbesondere aus der Fortführung von Initiativen (Gebetskreisen, Chören etc.), die im Zuge der Vorbereitungen für die ‚Tage der Begegnung’ in den Gemeinden, auf Dekanats- oder Bistumsebene gestartet worden waren, haben sich die kirchlichen Verantwortungsträger für die Jugendpastoral in Deutschland eine nachhaltige Wirkung des Weltjugendtags im ganzen Land erhofft. Ob diese Aktivitäten bis heute überdauert haben, ob folglich von einer Event-Nachhaltigkeit im Hinblick auf längerfristige Vergemeinschaftung ausgegangen werden kann, und ob der Weltjugendtag auch im Hinblick auf dieses (weniger über-, denn nachgeordnete) Ziel des Organisierens als Erfolg gewertet werden kann, scheint zum jetzigen Zeitpunkt zumindest fraglich zu sein.
3.5 Die Relevanz des höheren Sinns eines Events für dessen Organisatoren Der Weltjugendtag ist bzw. genauer gesagt: die Weltjugendtage sind – wenn man den Anfangssmythen Glauben schenken darf – ein (nachgerade persönliches) Projekt Papst Johannes Paul II.142 Die Kategorisierung der Weltjugendtage als Projekt impliziert, dass ihnen ein Entwurf voraus geht, der eine mehr oder weniger exakte Vorstellung darüber beinhaltet, was (wann, wo und in welcher Gestalt auch immer) eintreten soll. Es ist allerdings davon auszugehen, dass – wenn nicht die Projektidee selber, so doch sicherlich die Projektierung – zunächst lediglich vage, d.h. zwar nicht inhaltsleer, aber doch noch nicht bis ins einzelne Detail bestimmt gewesen ist (und dass zu Beginn vermutlich auch nicht gänzlich ‚überrissen’ worden ist, was für ein Stein damit ins Rollen gebracht werden würde). Dessen ungeachtet geht es doch jedenfalls um ein Projekt. 142 Nach Steinbuch (2000: 22f) lassen sich persönliche, staatliche und Unternehmensprojekte unterscheiden. Demnach wäre der Weltjugendtag ein persönliches Projekt des Papstes und ein Unternehmensprojekt der Non-Profit-Organisation Katholische Kirche.
132
3 Ziele des Organisierens
So wie jedes Projekt sich legitimiert, d.h. seinen es rechtfertigenden Sinn aus dem ihm zugrunde liegenden Entwurf bezieht (welcher wiederum auf eine mehr oder weniger typisierte Erwartung verweist), so bezieht der von uns untersuchte XX. Weltjugendtag 2005 seine religiöse Legitimität und damit seinen „höheren Sinn“ aus dem von Johannes Paul II. im Jahr 1985 entworfenen Projekt der ‚Weltjugendtage’ schlechthin, das seinerseits eingebettet ist in eine (wie auch immer geartete) Idee von Kirche, die ihrerseits auf einen numinosen Heilsplan verweist (an dessen letztem Ende eine bestimmte Gottesidee steht). So gesehen ist die Idee des Projekts ‚Weltjugendtage’ Teil eines ‚besonderten’ Wissensvorrats – eines (letztlich) nicht-pragmatischen, sondern eines werthaltigen, eines auf ein ‚großes’ symbolisches Sinnsystem verweisenden (Sonder-)Wissensvorrats. Seiner Form nach entspricht dieses Wissen dem von Max Scheler (1926) so genannten „religiösen Wissen“ oder „Heilswissen“. Die Kategorisierung des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln als Projekt impliziert jedoch nicht, dass alle an der Projektorganisation beteiligten Akteure Zugang zu diesem besonderten Wissensvorrat gehabt hätten bzw. dass die ‚eigentliche’ Idee bzw. der höhere Sinn der Veranstaltung für sie einsichtig und/oder relevant gewesen wäre. Hinsichtlich ihrer Haltung zum und ihrer Partizipation am weltjugendtagsspezifischen Sonderwissensbestand konnten fünf verschiedenen Typen von Organisatoren (im weitesten Sinne) unterschieden werden. (1) Viele (grundsätzlich) aktive Mitglieder katholischer Pfarrgemeinden (Pfarrgemeinderatsmitglieder, Pfarrjugendleiter etc.) wurden im Herbst 2004 mittels Pfarr- und Hirtenbriefen davon in Kenntnis gesetzt, dass der Weltjugendtag in ‚Gestalt’ der der Zentralveranstaltung in Köln zeitlich vorgelagerten ‚Tage der Begegnung’, die von den deutschen Diözesen organisiert und verantwortet wurden, auch in ‚ihrer’ Gemeinde stattfindet. Die hektische Betriebsamkeit, die sich daraufhin (zunächst vor allem zur Bereitstellung ausreichend vieler Schlafplätze für Weltjugendtagsgäste aus dem Ausland, ab dem Frühsommer 2005 dann zur Vorbereitung eines Veranstaltungsprogramms in ihrem Umkreis) entfaltet hat, ist bei vielen Gemeinde-Aktivisten nicht nur auf mangelndes Interesse, sondern oft auf schlichtes Unverständnis für den Sinn und Zweck der ganzen Unternehmung ‚Weltjugendtag’ gestoßen.143 Diese Haltung hat sich durchaus auch bei hauptamtlichen Mitarbeitern gefunden, die sich z.B. an der Durchführung der vom Lokalen Organisationskomitee des Weltjugendtags beschlossenen und den Diözesen oktroyierten Lotterie beteiligen mussten: Jede Pfarrgemeinde hatte einen Lotterieverantwortlichen zu stellen, der – entsprechend der jeweiligen 143 Die so genannten ‚Engagierten’ aus Gemeinden und Verbänden treffen sich eher auf dem Katholikentag. Gerade in Deutschland mit einer regen „Kirche von unten“-Bewegung ist die Identifikation mit der römisch-katholischen (Amts-)Kirche bekanntlich relativ schwach ausgeprägt.
3.5 Die Relevanz des höheren Sinns eines Events für dessen Organisatoren
133
Gemeindestärke – eine bestimmte Anzahl von Losen verkaufen musste, deren Erlös zur Finanzierung des zentralen Weltjugendtags verwendet werden sollte – und dann auch verwendet wurde. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen hat den Weltjugendtag als einen Prozess erfahren, der von wem und warum auch immer ins Laufen gebracht worden ist und dessen ‚Strudel’ sie zu irgendeinem Zeitpunkt erfasst und gegen ihren Willen mitgerissen hat. Akteure dieses Typus, die dergestalt – nolens volens – in das Organisationsgeschehen involviert wurden, ohne dass sich ihnen der höhere Sinn des Unterfangens erschlossen hätte, haben sich als im Hinblick auf die Mitwirkung am Gesamtprojekt Widerwillige erwiesen. (2) Manche Akteure haben diese Erfahrung des Weltjugendtags als ein Widerfahrnis eigensinnig umgedeutet: sie haben sich in das ihnen als nicht aufhaltbar erscheinende Geschehen, dem sie sich – beispielsweise aufgrund erwarteter negativer Sanktionen – nicht zu entziehen wagten, sozusagen ‚eingeklinkt’, um eigene, weltjugendtagsfremde Zwecke zu verfolgen: nicht wenige Personen haben sich bereit erklärt, ausländische Gäste zu beherbergen, mehr oder weniger nur um ihre Fremdsprachenkenntnisse zu aktivieren; nicht wenige Hauptamtliche haben ihre Beteiligung an den Weltjugendtagsvorbereitungen mehr oder weniger nur als individuelles Karriereprojekt angelegt – z.B. um sich in Anbetracht bereits angekündigter Entlassungswellen als unverzichtbar für die Gemeinde oder Diözese darzustellen, usw. Akteure dieses Typus lassen sich (im Rekurs auf Goffman 1976: 18f) als Zyniker gegenüber dem Gesamtprojekt etikettieren, da ihnen weder am Gelingen des Weltjugendtags als Ganzem, noch daran gelegen war, mit ihrem Einsatz zu dessen Gelingen beizutragen. Als „zynisch“ bezeichnet Goffman solche Darsteller, die nicht von ihrer eigenen Rolle überzeugt und nicht ernsthaft daran interessiert sind, ihr Publikum zu überzeugen. Aufschlussreich für die Deutung von Weltjugendtagsorganisatoren als Zynikern scheint uns Goffmans Hinweis zu sein, dass diese Akteure keineswegs nur aus Eigennutz oder zum Zweck persönlichen Gewinns daran interessiert seien, ihr Publikum zu täuschen, sondern dass ihnen diese Rolle durchaus auch ‚auferlegt’ sein kann, weil ihnen das Publikum nicht gestattet, aufrichtig zu sein – wobei dann zu klären ist, wer dieses Publikum (andere Gemeindemitglieder, der der Gemeinde vorstehende Geistliche, die für Personalfragen zuständigen Kirchenfunktionäre?) typischerweise bildet. (3) Vermutlich am ehesten den Erwartungen vieler kirchlicher Würdenträger – augenscheinlich aber auch den für die Einbindung von freiwilligen Helfern in das Organisationsgeschehen des Weltjugendtags Verantwortlichen im Weltjugendtagsbüro – haben die Vielen entsprochen, die von der Annahme eines höheren Sinns der Weltjugendtage fasziniert bzw. nachgerade missionarisch erfüllt waren, d.h. mit ihrer eigenen Be-‚Geist’-erung für die ‚Sache’ möglichst viele andere anstecken, vor allem aber sich selber in den ‚Dienst der guten (bzw. als
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3 Ziele des Organisierens
gut unterstellten) Sache’ stellen wollten – wann, wo und wofür auch immer sie gebraucht werden: also dort, wo gerade ‚Not am Mann’ oder ‚an der Frau’ war. Kein eigenes bzw. eigen-sinniges Ziel hat sie angetrieben. Sie haben sich vielmehr als kleines, aber unverzichtbares ‚Rädchen’ im großen OrganisationsGetriebe verstanden. Die hohe, mitunter an physische Selbstausbeutung grenzende Motivation war in der Regel gepaart mit einer nachgerade ebenso hohen Frustrationstoleranz: Organisationspannen wurden als unvermeidlich entschuldigt, Leerlaufzeiten billigend in Kauf genommen – allerdings immer verbunden mit der Erwartung, bald (wieder) gesagt zu bekommen, was zu tun ist, wo(bei) man ‚mit anpacken’ könne, wo(für) man gebraucht werde.144 Akteure dieses Typus haben sich als – jedenfalls grundsätzlich und über lange Strecken – (am Projekt Mitwirkungs-) Willige erwiesen. (4) Unter den Organisatoren haben sich demgegenüber nicht wenige zwar als an einem (Groß-)Projekt Beteiligte erfahren, sich aber nicht (sonderlich) für dessen ‚eigentlichen’, d.h. (‚tieferen’ oder ‚höheren’) Sinn interessiert. Ihr (Haupt-)Augenmerk lag auf der Realisierung einer eigenen Projektidee, wie etwa der eines kulturell hochwertigen und zugleich zielgruppenadäquaten Programms für das so genannte „Jugendkulturfestival“ im Rahmen des Weltjugendtags. Eine solche Projektidee erschien ihnen selber als wichtiger oder sogar als notwendiger Beitrag zum Gelingen des Gesamtprojekts Weltjugendtag – ohne dass sie diesen Beitrag argumentativ überzeugend im ‚Ganzen’ verorten konnten, weil sie eher ahnten als wirklich wussten, dass es hier um die Realisierung von etwas Großem, Einmaligem, von etwas auf einen ‚höheren Sinn’ Verweisendem geht. Sie haben deshalb durchaus auch die auferlegte Nachgeordnetheit bzw. Zweitrangigkeit des eigenen Vorhabens akzeptiert, die sich (um im Beispiel zu bleiben) etwa darin geäußert hat, dass sich die Veranstaltungen des Kulturprogramms um das ‚Gerüst’ des Hauptprogramms ‚herum ranken’ mussten. Akteure dieses Typus haben sich als – im Hinblick darauf, worum es ‚tatsächlich’ bzw. ‚eigentlich’ geht, – als desinteressiert erwiesen. (5) Nicht nur ‚mitgetragen’, sondern maßgeblich ‚gesteuert’ wurde das Organisationsgeschehen schließlich von solchen Personen, die sich sowohl der Gesamtidee als auch einer eigenen Projektidee verpflichtet gefühlt haben – und zwar einer Projektidee, deren Gehalt ihres Erachtens der Gesamtidee nicht nur entsprochen, sondern deren Umsetzung erst gewährleistet hat, dass die Gesamtidee ‚Weltjugendtage’ inhaltlich vollkommen und/oder formvollendet realisiert werden konnte. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel hierfür liefert eben die Kommunikationspolitik aus dem Öffentlichkeitsbereich des Weltjugendtagsbü144 Erst dann, wenn diese Erwartung anhaltend enttäuscht und damit die Möglichkeit verwehrt wird, sich als ‚Mitwirkende’ an diesem Groß-Projekt erfahren zu können, sinkt irgendwann selbst bei diesen Hoch-Motivierten die grundsätzliche Bereitschaft, sich in Bereitschaft zu halten.
3.5 Die Relevanz des höheren Sinns eines Events für dessen Organisatoren
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ros. Gleich zu Beginn wurde ein „Kommunikationskonzept“ formuliert, das „versucht, eine einheitliche Botschaft zu formulieren, die sich an den Zielen des WJT orientiert“, das zugleich aber aufzeigt, „wohin der WJT will“.145 Das Konzept, in dem Ziele des Weltjugendtags in jugendpastoral-theologischer, kirchenund gesellschaftspolitischer Hinsicht ausgefaltet worden sind, war als „ein Instrument zur Qualitätssicherung“ vorgesehen, „mit dem sich der WJT vergewissern kann, ob seine Botschaften verständlich, aktuell, richtig platziert und rezipiert werden“.146 Akteure wie die Autoren dieses Konzepts haben eine wesentlich offensivere Haltung beim Verfolg ihres Projekts an den Tag gelegt als die „Desinteressierten“ – nicht zuletzt deshalb, weil sie es im Rekurs auf ihr Wissen argumentativ wesentlich überzeugender als jene in die Gesamtidee einzubetten vermochten. Akteure dieses Typus lassen sich als Mit-Wissende etikettieren – im Hinblick eben auf das, worum es bei dem, ihrem eigenen Projekt ‚Sinn’ und ‚Legitimität’ verleihenden, Gesamtprojekt letztendlich und zumindest ‚im Großen und Ganzen’ ging bzw. geht. Drei Schlüsse lassen sich aus dieser Typenvielfalt an Organisatoren ziehen: Erstens impliziert die Kategorisierung des Weltjugendtags als ein päpstliches Projekt nicht, dass dieser von den an der Organisation beteiligten Akteuren zwangsläufig auch als ein solches erfahren wird. Einmal in Gang gesetzt bzw. zum Laufen gebracht, nimmt ein Projekt wie der Weltjugendtag vielmehr für alle, denen sich nicht zumindest partiell die bzw. jedenfalls eine Idee des Gesamtprojekts erschließt, eher die Erfahrungsqualität eines sozialen Trajekts an. Ein soziales Trajekt („trajectory“) ist gerade in seiner – am Beispiel des Sterbeprozesses in Kliniken entwickelten – Konzeption von Glaser und Strauss (1968) durch ein starkes Moment der Fremdbestimmung und des Erleidens gekennzeichnet. Und eben diese Erfahrung, bestimmte Entwicklungen nicht (mehr) aufhalten oder beeinflussen zu können, sondern vielmehr der Eigendynamik eines – von wem und warum auch immer – ins Laufen gebrachten Prozesses ausgesetzt und ausgeliefert zu sein, ist für (wie und warum auch immer) in das Organisationsgeschehen involvierte Personen offensichtlich alles andere als untypisch. Der Organisationsprozess wird vielmehr von einem Teil der sowohl im als auch am Rande des Organisationszentrums ‚Weltjugendtagsbüro’ angesiedelten Organisatoren auf unterschiedliche Weise als ein solches, d.h. als ein Trajekt – und zwar tatsächlich in seiner Konnotation eines auferlegten Leidensprozesses erfahren. 145 Dieses interne Konzeptpapier soll den Intentionen des Autors nach nicht nur für „das Weltjugendtagsbüro“, sondern für „alle Beteiligten“ bindend sein. 146 Empirisch lassen sich nicht nur solche von langer Hand geplante, sondern auch Ad-hocProjekte – etwa die der sozusagen ‚aus dem Stand’ generalstabsmäßig organisierten und (mittels eines „We did the record!“-Plakat) aufmerksamkeitsheischenden Essensausgabe durch Freiwillige – auffinden.
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3 Ziele des Organisierens
Zweitens unterscheiden sich die Organisatoren – unabhängig von ihrer Anteilnahme am eigentlichen ‚Sinn’ des Gesamtprojekts – hinsichtlich ihrer Motivation, ein eigenes Projekt zu verfolgen. Hoch motiviert waren, allerdings aus unterschiedlichen Gründen, die „Mit-Wissenden“, die „Desinteressierten“ und die „Zyniker“. Wenig überraschend konnten sich die „Widerwilligen“ weder für das Gesamtprojekt noch für ein eigenes Projekt erwärmen. Bedeutsam aber ist, dass sich die hohe Motivation der „Willigen“ für das Gesamtprojekt nicht aus dem Eifer für ein eigenes Projekt ‚speist’. Das Projekt, an dessen Gestaltung sich ein Organisator zu beteiligen entscheidet, kann, muss aber nicht das Gesamtprojekt sein, es kann, muss aber nicht ein Eigenprojekt sein. Das organisationssoziologisch spannendste Ergebnis besteht aber darin, dass drittens für die Beteiligung an der Planung, Vorbereitung und Durchführung des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln keineswegs eine Partizipation am höheren Sinn des Weltjugendtags erforderlich war. Vielmehr hatten nur einige der Organisatoren, die „Mit-Wissenden“, tatsächlich Zugang zur Gesamt-Idee des päpstlichen Projekts. Andere, die „Willigen“, haben eine Gesamtidee vermutet, ohne wirklich daran zu partizipieren. Und für die übrigen, die „Widerwilligen“, die „Zyniker“ und die „Desinteressierten, spielte die Frage eines höheren Sinns nicht wirklich eine Rolle. Damit soll keineswegs angedeutet werden, dass die Frage, worum es beim Weltjugendtag ‚eigentlich’ geht, ohnehin nur individuell bestimmt würde. Deutlich hingewiesen werden soll vielmehr darauf, dass – obwohl den Weltjugendtagen ein objektivierter (d.h. ein gesetzter und von einschlägig interessierten Institutionenverwaltern ‚durchgesetzter’) Sinn inhärent ist – eine Teilhabe an dem in Frage stehenden symbolischen Sinnsystem für einen engagierten, aufopferungsbereiten, hoch kompetenten Eigen-Beitrag zum Organisationsgeschehen nicht notwendig ist. Kurz: Übergeordnete Ziele des Organisierens sind im Vollzug des Organisierens nicht – jedenfalls nicht vorrangig – von Bedeutung.
4 Vollzüge des Organisierens
Die Organisation eines Events, d.h. ‚Organisieren’ in der Praxis, ist vor allem eines: Arbeit. Phänomenologisch betrachtet ist Arbeit zwar nicht die einzige, aber die empirisch wichtigste Form von Wirklichkeitskonstruktion. Von anderen Arten des Handelns unterscheidet sich ‚Arbeiten’ dadurch, dass es von seinem Entwurf und vom Vollzug her intendiertermaßen, also absichtsvoll in die Umwelt eingreift. D.h. der Handelnde arbeitet, wenn er etwas Bestimmtes in der Umwelt bewirken will (vgl. Schütz/Luckmann 2003: 462; Luckmann/Sprondel 1972: 12). In Abgrenzung von 'Wirken' ist das Handlungsziel von Arbeit also eine bestimmte Veränderung der Umwelt, die für praktische Zwecke des täglichen Lebens bedeutsam ist. Und 'Denken' ist demgegenüber als jene dritte Art von Handeln definiert, welche nur mittelbar die (alltägliche bzw. intersubjektiv gegebene) Welt zu verändern vermag. Wie alles Handeln bestimmt sich auch Arbeiten durch einen Vorgriff des Handelnden in die Zukunft; es ist ein Handeln, das von seinem Entwurf her in die Natur oder Sozialwelt eingreift.147 In die natürliche und soziale Umwelt greift der Handelnde durch seinen Leib, durch gesteuerte Veränderungen der Haltung, durch Bewegung, Sprechen usw. ein; Arbeit ist also ein Handeln, das sich notwendig im Verhalten verkörpert. Arbeit ist jedoch nicht (nur) an äußerlichen Merkmalen zu erkennen, sondern „auch Arbeit muss grundsätzlich von ihrem Sinn für den Handelnden – für den Arbeitenden – her verstanden werden“ (Luckmann 1980: 12, vgl. dazu auch Bahrdt 1983). Empirisch stellt sich das Organisieren eines komplexen Vorhabens wie einem Event nahe liegender Weise nicht als Arbeit eines Einzelnen dar, sondern vollzieht sich in der Zusammen-Arbeit einer ganzen Reihe von Akteuren (vgl. grundlegend dazu Pfadenhauer 2000). In die Bewerkstelligung des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln waren von Beginn der Planungsarbeit an einige, in der Hochphase der Vorbereitungen zahlreiche und während dem Ereignis fast unüberschaubar viele in diversen institutionellen Kontexten und auf unterschiedli147 Die phänomenologische Bestimmung von Arbeit reicht also über das hinaus, was umgangssprachlich damit gemeint ist, da sie „auch all jene Formen des sozialen Handelns einschließt, durch die eine Veränderung der Sozialwelt erzielt wird: Liebeserklärungen, Eheschließungen, Taufen, Gerichtsverhandlungen, Verkauf oder auch nur das Sammeln von Briefmarken, Revolutionen und Konterrevolutionen“ (Schütz/Luckmann 2003: 463).
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4 Vollzüge des Organisierens
chen Entscheidungsebenen ‚angesiedelte’ Akteure und Akteurgruppen eingebunden: sozusagen durch die gesamte katholische Kirchenhierarchie hindurch bis ‚hinunter’ zu den freiwilligen Helfern ‚vor Ort’, aber natürlich auch in einer langen Reihe privatwirtschaftlicher Unternehmen und in vielzähligen kommunalen, regionalen und nationalen Dienststellen und Verwaltungen. Aus der Perspektive des hauptamtlichen Personals im Weltjugendtagsbüro erweist sich ‚Organisieren’ im Vollzug als ein komplexer Vorgang des Zusammen-Arbeitens mit unterschiedlichen Akteuren und Akteursgruppen, wobei dieses Zusammen-Arbeiten – je nachdem, in welchen Kontexten die MitArbeitenden angesiedelt sind – unterschiedliche Formen annimmt. ‚Kooperieren’ (4.1), ‚Aushandeln’ (4.2), ‚Kanalisieren’ (4.3) und ‚Integrieren’ (4.4) lassen sich anhand dieses Datenmaterials als soziale Dimensionen des Organisierens ausmachen. Das Organisieren des XX. Weltjugendtags 2005 war ein sozialer Prozess (4.5), der nicht trotz, sondern wegen seiner Trajektförmigkeit das Gelingen des Events gewährleistet hat.
Methodischer Exkurs Die verschiedenen Ausprägungen des Zusammenarbeitens werden aus der Sicht der hauptamtlichen Leitungspersonen des Kölner Weltjugendtagsbüros rekonstruiert, da diesen in ihrer Funktion als Führungskräfte im Prozess des Organisierens des XX. Weltjugendtags 2005 eine besondere, den Prozess des Organisierens maßgeblich prägende Bedeutung zukommt.148 Methodisch ist darauf hinzuweisen, dass sich auf der Basis von Gesprächsdaten nicht der Sachverhalt selber, sondern immer nur die Darstellung des Sachverhalts einem Dritten gegenüber rekonstruieren lässt: „Wir können also weder fraglos davon ausgehen, dass der Informant unter anderen Umständen das gleiche mitteilen würde, noch dass er jetzt mitteilt, was seiner jetzigen Erfahrung bzw. Erinnerung entspricht, noch können wir gar fraglos davon ausgehen, dass das, was er mitteilt, dem mitgeteilten Geschehen ‚objektiv’ entspricht“ (Honer 1993: 56; vgl. auch Reichertz 1986). Die Daten sind also als Daten der Mitteilung zu begreifen, und bei der Dateninterpretation ist zu berücksichtigen, dass die Mitteilung im Hin-Blick (im wörtlichen und übertragenen Sinne) auf ein Gegenüber – den Interviewer – erfolgt, der auf eine bestimmte Weise ‚eingeschätzt’ wird – z.B. als kompetent oder als inkompetent (in Bezug auf den Gesprächsinhalt), als affirmativ oder als kritisch (hinsichtlich des Gegenstands), als parteiisch oder als unparteiisch (bei
148 Grundsätzlich zu den im Rahmen dieser Studie zum Einsatz gebrachten Verfahren der Datenerhebung und Datenauswertung vgl. die Ausführungen im Anhang dieses Buches.
Methodischer Exkurs
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der Schilderung von Konflikten), als unabhängig oder als involviert (in die ‚Geschäftsbelange’) usw. Diese Einschätzung erfolgt zum einen auf der Basis des ersten und aller weiteren Eindrücke, welche der Interviewte vom Interviewer im Gespräch gewinnt. Im Unterschied zum gängigen ethnographischen Forschungsdesign ging unseren Gesprächen mit Mitarbeitern des Weltjugendtagsbüros kein Feldaufenthalt voraus. Die Gesprächssituation war vielmehr die erste persönliche Begegnung. Allerdings darf nicht vernachlässigt werden, dass dieser Begegnung eine telefonische Kontaktaufnahme zur Terminvereinbarung vorausging, die nicht aufgezeichnet werden konnte. Prinzipiell haben wir in diesen kurzen Telefongesprächen darauf geachtet, starkes Interesse für das Event ‚Weltjugendtag’ und seine organisatorische Planung und Vorbereitung im jeweiligen Aufgabenbereich zu signalisieren. Unserer Bitte, uns vorab Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen, sind die Gesprächspartner jedoch nur zum Teil nachgekommen. Wenn sie es getan haben, haben wir derlei Hintergrundinformationen unserer Gesprächsvorbereitung zugrunde gelegt und in den Leitfaden integriert, der uns als Erinnerungsstütze für anzusprechende Themen diente (ohne dass wir ihn in der Gesprächssituation in der notierten Reihenfolge und vollständig abgearbeitet haben).149 In Anbetracht der (angenommenen) Überbeschäftigung haben wir überdies größtmögliches Entgegenkommen signalisiert, was den Gesprächstermin und -ort angeht, weshalb alle Gespräche zu den von unseren Interviewpartnern vorgeschlagenen Zeiten und fast alle Gespräche in den Räumen des Weltjugendtagsbüros stattgefunden haben. Nicht von uns kontrollierbar war der Eindruck, den ‚man’ durch etwelche im Weltjugendtagsbüro kursierende Einschätzungen von uns gewonnen hat. Nicht nur wurden uns unsere Gesprächspartner im Weltjugendtagsbüro (neben den Leitern der dreizehn Arbeitsbereiche waren dies die Mitarbeiter des Stabs sowie die Mitglieder des Leitungsteams) zugewiesen, diesen war überdies mitgeteilt worden, dass wir Kontakt mit ihnen aufnehmen würden. Auch wenn unseren Gesprächspartnern somit die Beteiligung in gewisser Weise auferlegt war, weisen die Gespräche durch die Bank keine Anzeichen für eine eingeschränkte Gesprächsbereitschaft auf. Obwohl die Gespräche zeitlich in die ‚heiße’ Phase der Vorbereitungen in den Monaten vor dem Event fielen, haben sich die Gesprächspartner durchweg als auskunftsbereit, ja zum Teil als auskunftsfreudig erwiesen, was sich schon daran ablesen lässt, dass fast alle Gespräche länger als die vorab ‚bewilligte’ eine Stunde dauerten und dass sie zumeist von uns und nicht von unseren Gesprächspartnern beendet wurden. Gleichwohl unterscheiden sich die Gespräche hinsichtlich ihrer Tiefe und Intensität, was unserem Eindruck nach 149 Was wir also strikt vermieden haben, das war „Leitfadenbürokratie“, wie sie Christel Holf bekanntlich bereits 1978 problematisiert hat.
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4 Vollzüge des Organisierens
nicht nur, aber auch mit der Häufigkeit von Außenkontakten unserer Gesprächspartner zu tun hat(te): manche Gesprächsverläufe deuten darauf hin, dass unsere Fragen zur Reflexion über das eigene Tun veranlasst haben, während in anderen allem Anschein nach mitunter auch Darstellungen ‚abgerufen’ wurden, die schon bei anderen Gelegenheiten auf ähnliche Weise präsentiert worden waren. Diese Vorgeschichte und der Ablauf der Interviews selber geben summa summarum Anlass zu der Vermutung, dass wir von den Gesprächspartnern als Laien150 in Bezug auf den Gesprächsinhalt (die jeweils spezifischen Organisationsaufgaben und -vorgänge), als affirmativ hinsichtlich des Gegenstands (das Event ‚Weltjugendtag’), als unparteiisch im Hinblick auf Konflikte, aber auch insofern als ‚involviert’ in die Geschäftsbelange eingeschätzt wurden, als uns eben von höherer Stelle die Forschungsberechtigung erteilt worden war. Letzteres hat sich unserem Eindruck nach dahingehend ausgewirkt, dass die (meisten) Äußerungen bei aller Gesprächsbereitschaft mit Bedacht gesetzt wurden, dass in der Regel also sozusagen ‚mit angezogener Handbremse’ formuliert wurde, um nicht ‚zu viel’ aus dem Nähkästchen zu plaudern bzw. zu deutlich Kritik an Kollegen bzw. bürointernen Abläufen zu äußern. Anders verhält es sich bei Darstellungen büroexterner Vorgänge, bei denen sich die Gesprächspartner mitunter deutlich weniger Zurückhaltung auferlegt haben, weshalb Schilderungen diesbezüglicher Probleme nicht unbedingt drastisch, aber mitunter recht plastisch geraten sind.
4.1 Kooperieren: Die bürointerne und -externe Zusammenarbeit Einen zentralen Teil unseres Datenkorpus bilden die Gespräche mit den Leitern der dreizehn Arbeitsbereiche des Weltjugendtagsbüros. Auch wenn wir die Leitfäden inhaltlich von Gespräch zu Gespräch auf den jeweiligen Zuständigkeitsbereich zugeschnitten haben, weisen sie die Gemeinsamkeit auf, dass wir als Gedächtnisstütze für unsere Fragen lediglich zwischen ‚interner’ und ‚externer Kooperation’, d.h. zwischen der Zusammenarbeit innerhalb des Weltjugendtagsbüros (Kapitel 5.1.1) und der Zusammenarbeit mit Dienstleistern (im weiteren Sinne) außerhalb des Weltjugendtagsbüros (Kapitel 5.1.2 und 5.2) unterschieden haben. Während wir bei der Nachfrage nach den Praktiken der bürointernen Zusammenarbeit nicht zwischen bereichsinterner und bereichsübergreifender Zusammenarbeit differenziert haben, wurden diesbezüglich sehr wohl Unterschiede markiert. 150 Auch wenn unsere Gesprächspartner als Experten für das Organisieren des Weltjugendtags eingeschätzt werden können, sind die Gespräche aufgrund des Laienstatus der Interviewer in Bezug auf den in ihnen verhandelten Sachverhalt nicht als Experteninterviews einzustufen (vgl. zum Experteninterview als einem Gespräch ‚auf gleicher Augenhöhe’ Pfadenhauer 2002 und 2007).
4.1 Kooperieren: Die bürointerne und -externe Zusammenarbeit
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4.1.1 Divergente Formen bürointerner Kooperation Wie bereits erwähnt, war das Weltjugendtagsbüro in dreizehn (Arbeits-)Bereiche mit je spezifischer Zuständigkeit für einen Aufgabenkomplex unterteilt (Kapitel 1.3). Überwiegend (aber nicht nur) eine Dienstleistungsfunktion für das Weltjugendtagsbüro hatte der Bereich ‚Personal/EDV’, da hier Bewerbungen gesichtet, Verträge für Büromitarbeiter ausgestellt, der Sekretariatspool und die der Empfangsbereich koordiniert, die Büroräume angemietet und möbliert, die technische Ausstattung der Arbeitsplätze betreut wurde usw. Damit hatte dieser Bereich – ähnlich wie der Bereich ‚Finanzen’ – zwangsläufig zu allen anderen Bereichen im Weltjugendtagsbüro eine ‚Schnittstelle’.151 Aber selbst diese beiden Bereiche waren nicht ausschließlich mit Angelegenheiten der bürointernen Administration betraut: Denn dem Bereich ‚Finanzen’ oblag nicht nur die Buchführung, sondern hier wurden – mit Unterstützung einer im Stab angesiedelten Stelle für die Sponsorenakquise – vor allem auch die für den Weltjugendtag erforderlichen Mittel über diverse Maßnahmen eingeworben. Und dem Bereich ‚Personal/EDV’ oblag – in Zusammenarbeit mit einem auf EDV-Programme für die Registrierung spezialisierten kanadischen Softwareunternehmen – die Entwicklung eines Softwareprogramms. Diese so genannte „Pilgersoftware“ (PISO) diente dem Zweck, alle den Weltjugendtag betreffenden Informationen zu speichern und zu verwalten (z.B. die Daten, die zur Registrierung der Pilger, Daten, die aus den Bewerbungen von Freiwilligen, Künstlergruppen, aber auch Daten über die technische Ausstattung von Veranstaltungsräumen und der sich für die Programmelemente des Weltjugendtags ergebende Bedarf an technischer Ausstattung und vieles andere mehr erhoben wurden). Diese Informationen sollten so erfasst werden, dass sie – zu unterschiedlichen Anteilen bzw. differenziert nach je erforderlichen Gesichtspunkten – sowohl intern, d.h. von Büromitarbeitern, als auch von außen, d.h. von ‚Pilgern’, Freiwilligen usw., abgerufen werden konnten. Zur Bearbeitung der je bereichsspezifischen Aufgaben war aber nicht nur der Kontakt zu diesen beiden, unter anderem eben auch mit administrativen Angelegenheiten des Weltjugendtagsbüros betrauten Bereichen unabdingbar erforderlich. Von jedem der dreizehn Bereiche mussten ‚Schnittstellen’ zu mehreren anderen Bereichen unterhalten werden (für den bereichsübergreifenden Kooperationsbedarf zur Bewerkstelligung beispielsweise der Katechesen vgl. Kapitel 2.2). 151 Als ‚Schnittstelle’ werden in Projektzusammenhängen generell Übergänge bezeichnet: der Übergang von einer Aufgabe zu einer anderen, von einer (Planungs- oder Ausführungs-)Phase in eine andere, von einer (Arbeits-)Örtlichkeit zu einer anderen. Schnittstellen ergeben sich zwangsläufig aus Arbeitsteilung, d.h. dann, wenn Aufgaben unterschieden bzw. an verschiedene Akteure übergeben werden. Sie entstehen also durch Aufgabentrennung ebenso wie durch eine zeitliche und/oder räumliche Ausdehnung der Arbeitsverrichtung.
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4 Vollzüge des Organisierens
Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit, d.h. die bürointerne Zusammenarbeit zwischen den Bereichen, wird als weitgehend formal und hierarchisch strukturiert beschrieben: Informationen werden abhängig von ihrem Inhalt und den formal bestehenden Zuständigkeiten über Emailverteiler an ausgewählte (z.B. die für das Programm des Jugendkulturfestivals zuständigen drei) Bereichsleiter oder an alle Bereichsleiter oder aber an alle Büromitarbeiter verteilt. Diese ‚Verteiler-Lösung’ für die Gewährleistung des Informationsflusses wird als bedingt effizient geschildert, da sie sowohl den Eindruck von Informationsüberflutung als auch den gegenteiligen Eindruck vermitteln, nämlich über relevante Aspekte mitunter nicht in Kenntnis gesetzt zu werden, weshalb von einem Gesprächspartner eine „Kontrollinstanz“ (I_1: 885) angemahnt wird, die nachträglich jeweils hätte überprüfen können, dass die jeweiligen Informationen tatsächlich an allen zuständigen Stellen angelangt sind (und umgekehrt nicht zu viele Informationen pauschal verstreut werden). Dennoch wurde die Kommunikation via Email von den Gesprächspartnern als schnelle und brauchbare Form der InterBereich-Kommunikation bewertet, auch wenn die für Organisationen generell typischen Probleme berichtet wurden: auf alle eingehenden Mails zu reagieren bedeutet, dass kaum Zeit für anderes bleibt. Und wie in Organisationen generell waren auch im Weltjugendtagsbüro die divergenten Nutzungsweisen dieses Kommunikationsmediums Anlass für Ärgernis. Denn während man von vielen Kollegen umgehend eine Antwort erwarten konnte, waren andere als in dieser Hinsicht unzuverlässige Kommunikationspartner berüchtigt. Symptomatisch aber für die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen scheint die Form der Arbeitssitzung gewesen zu sein, die zum Teil in rhythmischen Abständen, zum Teil ‚nach Bedarf’ angesetzt, typischerweise aber eben einberufen und damit ‚verordnet’ worden war. Insbesondere die in regelmäßigen Abständen angesetzten Sitzungen mit allen Bereichsleitern wurden weniger als Gelegenheiten der Informationsübermittlung oder des Austausches wahrgenommen, sondern dienten aus Sicht der Bereichsleiter vor allem dem Zweck, „mehr um noch mal sich ein Gesamtbild zu verinnerlichen“ (I_1: 860f). Gerade diese Versammlungen wurden als wenig effizient hinsichtlich konkreter Problemlösungen und dergestalt als mäßig effektiv in Bezug auf den Arbeitsfortschritt bewertet. Sie scheinen vielmehr von den Vertretern des „Leitungsteams“, d.h. von der höchsten Führungsebene des Weltjugendtagsbüros, als Gelegenheit genutzt worden zu sein, die nachgeordnete Führungsebene immer wieder auf prioritäre Ziele des Organisierens bzw. auf den ‚eigentlichen’ Zweck der ganzen Unternehmung ‚Weltjugendtag’ einzustimmen.152
152 Zu den prioritären Zielen des Organisierens und den übergeordneten Zielen des Weltjugendtags vgl. Kapitel 3.
4.1 Kooperieren: Die bürointerne und -externe Zusammenarbeit
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Unter Zugrundelegung einer phänomenologischen Begriffsbestimmung von ‚Kooperation’ ist die durch diese Sitzungen konstituierte Zusammenarbeit (lediglich) als ‚formal-kooperativ’ einzuschätzen. Denn im Entwurf substantiell kooperativen Handelns ist nicht nur die Ausrichtung auf den anderen, sondern das Erreichen eines kollektiv zu entwerfenden gemeinsamen Ziels mittels gemeinschaftlicher Anstrengung angelegt. Diese Zielsetzung, diese Beantwortung von Fragen wie „Worum geht es uns?“ Was wollen wir erreichen?“ ist eine Sache zwischen ego und alter, d.h. weder ‚nur’ Intention, also subjektive Zielsetzung der einzelnen, noch einfach ein Ziel, das von ‚außen’ gesteckt wird bzw. vorgegeben ist. Das bedeutet nicht, dass sich keine übergeordneten Ziele ausmachen lassen würden. Aber diese haben keineswegs oberste Priorität für die kooperierenden Akteure. Vorrangige Bedeutung kommt vielmehr dem situativ unter den Kooperationspartnern ausgehandelten Handlungsziel zu, das zugleich den Kontext für das weitere Handeln bildet. Demnach ist kooperatives Handeln diejenige Form von Arbeit (im phänomenologischen Verstande), bei der zwei (oder mehrere) Handelnde die Verwirklichung eines zwischen den Beteiligten kommunikativ ausgehandelten Zieles anstreben und bei der bereits im Entwurf die notwendige Beteiligung des anderen zur Verwirklichung dieses Handlungszieles einbezogen ist. Bei kooperativem Handeln in diesem Verstande handeln die Akteure zunächst kommunikativ aus, dass sie gemeinsam arbeiten wollen, und im weiteren, welches spezifische Handlungsziel sie dabei anstreben, wie sie dabei verfahren und welche Mittel sie einsetzen wollen, um ihr untereinander vereinbartes Ziel zu erreichen.153 Eine bereichsübergreifende Kooperation in diesem substantiellen Verstande hätte z.B. in der Planungsphase bedeutet, dass Vorhaben, die in einzelnen Bereichen geplant wurden, auf spezifische Gesichtspunkte (wie z.B. den Kostenaspekt) hin auch von Vertretern anderer Bereiche (z.B. dem Bereich ‚Finanzen’) hätten geprüft und bewertet werden können. Statt einer konstruktiven gegenseitigen Kritik geplanter Vorhaben wurde aus Sicht der Bereichsleiter häufig lediglich auf übergeordneter Führungsebene, d.h. im Leitungsteam des Weltjugendtagsbüro, „im stillen Kämmerlein“ (I_13: Z_461ff) darüber befunden, ob eine Idee umgesetzt werden sollte oder nicht. Damit konnte nach Einschätzung von Bereichsleitern der in einem Bereich verfügbare Sachverstand in anderen Bereichen nicht in dem Umfang zum Tragen kommen, wie sie es sich mitunter gewünscht hätten, um Problemen vorbeugen zu können, die im weiteren Verlauf des Organisierens aufgetreten sind, ihrer Ansicht nach eigentlich aber vermeidbar gewesen wären.
153 Sowohl der Entwurf einer kooperativen Handlung als auch der Vollzug der Kooperation ist also wesentlich auf Kommunikation angewiesen (vgl. Schnettler 1998: 38).
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4 Vollzüge des Organisierens
Die Zusammenarbeit innerhalb ‚ihrer’ Bereiche wird demgegenüber von den Gesprächspartnern, die sich hierzu ausführlicher geäußert haben, als hochgradig kooperativ geschildert. Unter Kooperation ist gemeinhin das Zusammenarbeiten von Personen zu verstehen, das entweder parallel, d.h. gemeinsam ausgeführt, oder aber komplementär im Verstande eines arbeitsteiligen Vorgehens vollzogen werden kann, und das eben an einem untereinander ausgehandelten Zweck oder Ziel ausgerichtet ist. Neben dieser alltagssprachlichen Konnotation des Zusammen-, Miteinander- oder Füreinander-Arbeitens bezeichnet ‚Kooperation’ ein moralisch aufgeladenes Prinzip, das antithetisch dem Prinzip der Konkurrenz gegenübergestellt wird (vgl. Schnettler 1998: 23f).154 Diese letzte Bedeutung schwingt in der Regel mit, wenn an die Kooperationsbereitschaft von Akteuren appelliert wird. Es schwingt häufig aber auch dann mit, wenn die Arbeitsweise bzw. der Arbeitsstil im eigenen Arbeitskontext als ‚kooperativ’ etikettiert wird. Dem Arbeitsstil haben diejenigen Bereichsleiter einen besonderen Stellenwert beigemessen, deren Bereiche einen hohen Personalumfang aufwiesen. Diese Bereiche waren typischerweise durch ein umfangreiches und zugleich heterogenes Aufgabenbündel gekennzeichnet, dessen Bearbeitung die Bereichsleiter selber auf einzelne Abteilungen verteilt hatten, für deren Leitung sie Mitarbeiter ihres Bereichs eingesetzt haben. Der Leiter des Bereichs „Pilgerwesen“ etwa differenzierte folgende sechs Abteilungen aus: Registrierung (1), Unterkünfte (2), Verpflegung (3), Menschen mit Behinderung (4), Mobilität (5) und Call Center (6). Im Bereich „Kommunikation und Öffentlichkeit“ wurde in vier bzw. fünf Abteilungen – in der für Pressearbeit (1), für Öffentlichkeitsarbeit (2), für Merchandising (3), für Internet (4) und in der nicht für inhaltliche, sondern für logistische Aufgaben zuständigen Abteilung Koordination (5) – gearbeitet. Diese Bereiche wiesen damit unterhalb des Bereichsleiters mit den Abteilungsleitern eine weitere Leitungsebene auf. Hinsichtlich der bereichsinternen Zusammenarbeit lassen sich zwei Darstellungsweisen idealtypisch kontrastieren: während die eine Beschreibung derjenigen ähnelt, wie wir sie beinahe ‚unisono’ für die bereichsübergreifende Zusammenarbeit erhalten haben, entspricht die andere nachgerade klischeehaft derjenigen, die in der zeitgeistkonformen Personalmanagementliteratur empfohlen wird. Im einen Fall schien eine funktionierende bereichsinterne Zusammenarbeit durch regelmäßige Arbeitssitzungen gewährleistet zu werden: hier wurden jeden Morgen alle Bereichsmitarbeiter zu einer Sitzung versammelt, um über den Stand der Arbeit in den einzelnen Abteilungen zu berichten und die jeweils für den Tag anstehenden bzw. geplanten Arbeitsvorgänge zu explizieren. Darüber hinaus 154 Diese ethische Asymmetrie ist beispielsweise in der sozialpsychologischen Kleingruppenforschung präsent, die im Gefolge der Konfliktforschung von Morton Deutsch (1973) die Bedingungen für das Auftreten von kooperativem und kompetitivem Handeln in Kleingruppen studiert.
4.1 Kooperieren: Die bürointerne und -externe Zusammenarbeit
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wurden wöchentlich alle Abteilungsleiter zum Austausch versammelt, um eine projektbezogene Zusammenarbeit zu gewährleisten, d.h. quer zu den Abteilungen liegende bzw. mehrere oder alle Abteilungen betreffende Arbeitsvorhaben besprechen zu können. Vierteljährlich schließlich wurden diese bereichsinternen Führungskräfte in ‚Klausur’ auf den ‚eigentlichen Zweck’ der Unternehmung eingestimmt. Zudem wurde hier typischerweise ebenfalls mit einem EmailVerteilersystem gearbeitet, das einen raschen, aber eben formalisierten Austausch von Informationen sicherte. Eine deutliche Distanz zu diesem formal-kooperativen Arbeitsstil wird mit der Beschreibung dezidiert teamförmig angelegter bereichsinterner Kooperation markiert.155 Die Zusammenarbeit wird hier als hochgradig kommunikativ und dabei als dezidiert anti-hierarchisch geschildert. Betont wird also die große Bedeutung von persönlichem Austausch generell, der idealer Weise über die Abteilungsgrenzen hinweg laufen und nicht durch eine Rücksichtnahme auf Positionen gebremst werden soll. Propagiert wird dabei das eigenverantwortliche Handeln aller Mitarbeiter, ohne dass diese aber sich selbst überlassen bzw. mit ihren Problemen allein gelassen würden. Vielmehr ist eine ‚Politik der offenen Tür’ und eine ‚Politik des allzeit offenen Ohrs’ erklärtes Programm. Denn nur ‚Kommunikation’ auf und zwischen allen Ebenen gewährleistet dieser Vorstellung nach, dass Probleme erkannt und (möglichst adäquate) Lösungen erarbeitet werden können. Einen Ausgleich für eine besondere Arbeitserschwernis sollen im Rahmen eines solchen Arbeitsstils Erfrischungsangebote ‚zwischendurch’ schaffen, motivationsfördernd sollen sich bereichsinterne Betriebsausflüge auswirken. Dergestalt soll installiert und auf Dauer gestellt werden, dass sich alle Mitarbeiter des Arbeitsbereichs als Mitarbeiter eines ‚Teams’ begreifen. Darüber hinaus wird diesen die Möglichkeit eröffnet, sich zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben selber ein „Team“, d.h. eine eigene Arbeitsgruppe, zusammenzustellen. Die (Haupt-)Zuständigkeiten für die jeweiligen Aufgaben werden allerdings auf der Leitungsebene, d.h. zwischen Bereichsleiter und Abteilungsleiter(n), geklärt.
155 Den Selbstanspruch eines kooperativen Führungsstils belegt folgende Äußerung in einem Formular, das wir allen Bereichsleitern am Ende des Interviews mit der Bitte überreicht haben, die erforderlichen Kompetenzen in ihrem jeweiligen Bereich stichwortartig zu skizzieren. Eine Antwort auf die Frage nach den speziell in der Funktion des Bereichsleiters erforderlichen Kompetenzen lautet: „Neben der entsprechenden Berufserfahrung sollte der Bereichsleiter einen kooperativen Führungsstil praktizieren und die Mitarbeiter am Entscheidungsprozess aktiv beteiligen. Er hat stets das Ziel und die Möglichkeiten im Auge, um dieses effektiv zu erreichen“ (BB_06: F_7).
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4 Vollzüge des Organisierens
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird das ‚Team’ als diejenige Struktur beschrieben, die Kooperation am besten zu befördern in der Lage ist.156 Herriot/Pemberton (1995) zufolge sind Teams allerdings dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Hierarchie aufweisen und dass ihre ‚Mitglieder’ sich Zuständigkeit und Verantwortung individuell und gegenseitig zurechnen. Sie sind es auch, die das spezifische Ziel definieren, das es zu erreichen gilt. Die Teamaktivitäten leiten sich letztlich vom gemeinsamen, d.h. gemeinsam ausgehandelten bzw. intern zumindest konkretisierten Ziel her. Deshalb wird die Arbeit im (Projekt)Team in der Projektmanagementliteratur als ergebnis- bzw. prozessorientiert beschrieben (vgl. Staehle 1989: 713). Die Ergebnisse dieser Team-Arbeit werden gemeinsam und häufig unter Einsatz großer Kraftanstrengung erzielt, und sie werden auch als gemeinsame betrachtet. Die Arbeitsergebnisse sind der intern und extern angelegte Maßstab, an dem die Arbeitsleistung der Teammitglieder gemessen wird. Aus soziologischer Perspektive erweist sich das ‚Team’ allerdings prinzipiell als ein Hybrid aus ‚Gruppe’ hie und ‚Organisation’ da, d.h. als ein Gebilde, das durch die Vermengung zweier Vergesellschaftungsprinzipien gekennzeichnet ist (vgl. Neidhardt 1983: 552). Wie Organisationen sind Teams demnach auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet und weisen formale Zugehörigkeitskriterien auf. Dementsprechend gehören auch in den dezidiert als teamförmig deklarierten Bereichen nur Mitarbeiter des jeweiligen Bereichs zum Team. Gruppentypisch sind demgegenüber die zurückgenommene Hierarchie in Teams und der Verzicht auf strukturelle Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung interner Sozialbeziehungen und Arbeitsprozesse. Interne Strukturen sollen sich hier vor allem im Zuge gruppendynamischer Prozesse herausbilden. Aus diesem Grund wird den für spezifische Aufgaben in den Bereichen zuständigen Mitarbeitern gestattet, sich nach selbst gewählten Kriterien eigene Teams zusammenzustellen. Neidhardt (1983: 557) zufolge schafft man „an Stellen, an denen Problemlösungen gesucht, aber über routinisierte Verfahren nicht erreicht werden können, mit Teamkonzeptionen innerlich offene Formen, die die individuelle Kreativität der Beteiligten gleichzeitig freigeben und über Selbstregulierung disziplinieren sollen. Indem man Personen gestattet, persönlich zu sein, reizt man in ihnen heraus, was Organisationen sonst durch Formalisierung verschrecken und verdrängen. Indem man ihre Kommunikation erzwingt, erwartet man, dass sich im Verkehr zwischen Personen Irrationalitäten abschleifen und am Ende bestandsfähige Ergebnisse übrig bleiben.“ Demnach intendiert der Einsatz von Teams eine „Instrumentalisierung von Gruppen“. 156 In der Literatur zum Projektmanagement ist diesbezüglich von ‚Projekt-Teams’ die Rede (vgl. Staehle 1989: 711). ‚Teams’ werden zur Bearbeitung komplexer Aufgaben empfohlen, für die innovative Lösungen erwartet werden (Schneider/Knebel 1995: 26).
4.1 Kooperieren: Die bürointerne und -externe Zusammenarbeit
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Insgesamt war die Zusammenarbeit im Weltjugendtagsbüro – zwischen den Bereichen, aber auch innerhalb der Bereiche – tendenziell eher formal-kooperativ angelegt: Die als notwendig erachtete Kooperation wird also wesentlich über Arbeitssitzungen mit unterschiedlicher personeller Zusammensetzung und mittels eines Email-Verteilersystems gesteuert und befördert. Selbst in Bereichen mit einer dezidiert als teamförmig deklarierten Zusammenarbeit werden die Zuständigkeiten für spezifische Aufgabenstellungen nicht untereinander verteilt, d.h. nicht intern ausgehandelt, sondern ‚von oben’ zugewiesen. Damit wird auch in diesen Fällen die bestehende Organisationsstruktur nicht wirklich durch- bzw. unterbrochen, und damit nicht jenem Prinzip Rechnung getragen, aus dem der betriebswirtschaftlichen Literatur zufolge (vgl. Dievernich 2002) das Erfolgsgeheimnis von ‚Teams’ erwächst.
4.1.2 Divergente Formen des Kooperierens mit externen Partnern Beim Organisieren des Weltjugendtags konnten sich die Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros aber nicht auf die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen im Büro beschränken. Ein Großteil der Aktivitäten hat vielmehr ‚büroexterne’, d.h. Kontakte zu externen Dienstleistern (im weiteren Sinne) und zu organisationsfremden Einheiten, erfordert. Auch die Zusammenarbeit mit solchen externen Kooperationspartnern hat – wie nachfolgend am Beispiel der Kooperation mit einer Cateringfirma (1), mit einem Generalübernehmer (2) und mit einer Softwarefirma (3) aufgezeigt wird – unterschiedliche Formen angenommen: (1) Die gesamte Essensverpflegung der Kölner Weltjugendtagsteilnehmer war an eine international tätige Cateringfirma übergeben worden. Für das Outsourcing dürfte ein ganzes Bündel der typischerweise genannten Gründe dafür, organisatorische Aufgaben an externe Dienstleister abzugeben, ausschlaggebend gewesen sein. Neben der Notwendigkeit, in Ermangelung internen Know-hows die fehlenden internen Ressourcen zu ergänzen, und der Erfordernis, vom Prozess-Know-how des Dienstleisters zu profitieren, um Service-Qualität und damit ‚Kundenzufriedenheit’ zumindest näherungsweise zu gewährleisten, lässt sich das Bemühen, die Verpflegungskosten möglichst gering zu halten, als ein nicht unwichtiger Beweggrund für die Auslagerung dieses Aufgabenbereichs erkennen. Diese Cateringfirma hatte bereits beim Weltjugendtag 1997 in Paris den Zuschlag für die Pilgerverpflegung erhalten. Auf beiden Seiten – also sowohl im Weltjugendtagsbüro als auch in der Firma – wurde im Gespräch uns gegenüber Wert auf die Mitteilung gelegt, dass der Firma der Auftrag für den Weltjugendtag 2005 nicht aus Tradition, sondern erst nach einem Ausschreibungsverfahren erteilt worden war, in dem diese sich gegen Mitbewerber mit einem Versor-
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4 Vollzüge des Organisierens
gungskonzept durchsetzen musste. Dessen Konkurrenzvorteil bestand nach Ansicht der Unternehmensleitung – nicht zuletzt aufgrund negativer Erfahrungen beim Weltjugendtag 2002 in Toronto – in der dezentralen Lösung des Verpflegungsproblems, das in enger Abstimmung mit Verantwortlichen des Kölner Weltjugendtagsbüros entwickelt worden war: An Stelle von ein paar wenigen zentral angesiedelten Versorgungsstellen sah das Modell die Essensausgabe an einigen der so genannten „Katecheseorte“ im Großraum Köln-Düsseldorf-Bonn vor. ‚Dezentralität’ erschien in Anbetracht dessen, dass sich das Erzbistum Köln als Veranstaltungs-‚Ort’ auf eine Gesamtfläche von über 6.100 km2 erstreckt, schlicht als funktional. Denn mit einem dezentralen Konzept konnte ein halbwegs kalkulierbarer Zustrom auf viele ‚kleine’ Ausgabestellen (an Stelle eines Massenansturms auf einige wenige ‚große’ Versorgungsstellen) in Aussicht gestellt werden. Kalkulierbar schien die Nachfrage deshalb, weil die insgesamt 130 Ausgabestellen an die Katechesestätten angebunden wurden, und die Teilnehmer des Weltjugendtags bei der Registrierung jeweils einem Katecheseort zugeteilt wurden. Nur diese registrierten Teilnehmer mussten mit Mahlzeiten versorgen werden. Eine ‚Größe’ wurde in dieser Kalkulation allerdings nicht eingerechnet: das (vorhersehbare) Massenverhalten jugendlicher Eventteilnehmer. Die Planung des logistisch hochsensiblen Bereichs der Essensverpflegung orientierte sich nämlich allem Anschein nach nicht am erwartbaren Verhalten der Jugendlichen, die es typischerweise massenhaft dorthin drängt, ‚wo was los ist’, bzw. mit Goffman (1969) gesprochen: „where the action is“. Ausschlaggebend war vielmehr die Intention der Veranstalter, den Jugendlichen mit dem Versorgungsprinzip die Teilnahme an den Katechesen ‚nahe zu legen’. Die Versorgungsengpässe waren augenscheinlich weder durch eine Fehlplanung noch – wie medial kolportiert – durch die Unberechenbarkeit der Pilger, sondern durch die Steuerungsabsicht der Veranstalter verursacht. Dieser Intention konnte deshalb besonders effektiv Rechnung getragen werden, weil dem Weltjugendtagsbüro die Möglichkeit der direkten Einflussnahme auf das Catering-Konzept gegeben war. Denn für die Planung und Durchführung des – für den Caterer lukrativen und im Nachhinein auch als finanziell erfolgreich bewerteten – Projekts war eine Weltjugendtags Catering GmbH gegründet worden, in deren Aufsichtsrat der für die Verpflegung der Weltjugendtagsteilnehmer zuständige Leiter des Bereichs ‚Pilgerwesen’ des Weltjugendtagsbüros und in deren Geschäftsführung der Leiter der (Unter-)Abteilung ‚Catering’ dieses Bereichs vertreten war. Dadurch konnten diese Repräsentanten des Kölner Weltjugendtagsbüros nicht nur direkt, sondern auch indirekt durch die Wahrnehmung von Kontroll- und Aufsichtsrechten steuernd einwirken. Dies dürfte nicht zuletzt der Grund dafür gewesen sein, dass uns das Arbeitsverhältnis mit dem Caterer als
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eines geschildert wurde, bei dem ‚das Weltjugendtagsbüro’ dem Caterer „Vorgaben“ machen konnte, die dieser „umzusetzen“ habe (I_06: Z_502ff). Das Verpflegungsmodell war dem Event-Veranstalter, der Katholischen Kirche, und den Medien von beiden ‚Parteien’ – den Verantwortlichen im Weltjugendtagsbüro und der Caterers – im Vorfeld als Optimallösung angepriesen worden. In Reaktion auf die – im Verhältnis zur sonst ausgesprochen positiven Berichterstattung – relativ harschen Kritik, die an den Versorgungsengpässen während der Weltjugendtagswoche geübt worden war, wurde das Arbeitsverhältnis vom Caterer als partnerschaftliche Kooperation mit beiderseitiger Verantwortung, von den Verantwortlichen des Weltjugendtagsbüro – schlussendlich unter Androhung juristischer Konsequenzen – als klares Auftragsverhältnis mit Zielvorgaben dargestellt und kommuniziert, bei dem Fehlleistungen vom externen Dienstleister zu verantworten sind. Robert A. Nisbet (1986) definiert Kooperation als „joint or collaborative behavior that is directed to some goal and in which there is a common interest or hope of reward“. Dabei unterscheidet er fünf Typen der Kooperation: Während die „automatische Kooperation“ nachgerade instinktiv zustande komme, sei die „traditionale Kooperation“ durch überlieferte soziale Normen induziert und bedeute eine gemeinschaftliche Verrichtung von Arbeitstätigkeiten, bei der direkte Konkurrenz unterdrückt werde. Die in der Moderne typische Kooperationsform bzw. Kooperationsweise ist Nisbet zufolge aber die „kontraktuelle Kooperation“, d.h. eine vertraglich fixierte und auf gegenseitigen Verpflichtungen beruhende Vereinbarung von Zusammenarbeit auf der Basis eines freien Entschlusses. Demgegenüber erwächst die „gesteuerte Kooperation“ aus Befehl bzw. Leitung: hier ist das Erkennen eines gemeinsamen Ziels nur beiläufig oder in abgeleiteter Form die Quelle der Zusammenarbeit.157 Eine „spontane Kooperation“ schließlich entsteht aus der Situation heraus, d.h. unabhängig von Tradition, vertraglicher Vereinbarung und Leitung. Im Rekurs auf diese Typologie von Kooperationsformen kann die Zusammenarbeit zwischen Caterer hie und Weltjugendtagsbüro da als eine Mischform zwischen kontraktueller und gesteuerter Kooperation bestimmt werden – gesteuert deshalb, weil der Caterer eben nicht vollständig in die Zielsetzung des Eventveranstalters ‚eingeweiht’ war. (2) Im Kontrast zu dieser Form der Zusammenarbeit scheint für die Durchführung der Baumaßnahmen am Marienfeld auf den ersten Blick eine genuin 157 Das berühmteste Beispiel für eine gesteuerte Kooperation ist das so genannte „Manhattan Engineering District Project“, bei dem zehntausende Menschen auf diversen Betätigungs- und Verantwortungsniveaus unter (ferngesteuerter) Leitung zusammengearbeitet haben. Das Ziel der gesamten Unternehmung – die Entwicklung der ersten Atombombe – war allerdings lediglich einer Handvoll ausgewählter Mitarbeiter der obersten Leitungsspitze bekannt (vgl. Nisbet 1986). Dieses US-amerikanische Militärprojekt in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts gilt als Auftakt des (modernen) Projektmanagements (vgl. hierzu auch Bröckling 2005).
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kontraktuelle Kooperationsweise etabliert worden zu sein. Denn die Umwandlung dieses Feldes für die Vigil und die Abschlussmesse mit dem Papst zu einem auf über eine Million Personen ausgerichteten Open-Air-Gelände war an einen internationalen Baukonzern abgegeben worden, welchem hierfür die Rechte eines Generalübernehmers übertragen wurden. Der Leiter des Bereichs ‚Operations/Risk Management (Marienfeld)’ übernahm als Vertreter des Bauherrn, der Weltjugendtags gGmbH, die Koordination der Schnittstelle zwischen Bauherr und Generalübernehmer (vgl. dazu auch Kapitel 5.2.1). Ein Generalübernehmer unterscheidet sich vom Generalunternehmer dadurch, dass er keine Eigenleistungen mit seinem eigenen Unternehmen erbringt, sondern (lediglich) Managementaufgaben zur Koordination der an Nachunternehmer vergebenen Fremdleistungen wahrnimmt. Der Bereichsleiter des Weltjugendtagsbüros hat sich deshalb auch als Schnittstellenkoordinator an den vielen ‚kleinen’ Übergängen betätigt, die durch die Mitarbeit zahlreicher Gewerke entstanden sind, sowie bei den Verhandlungen mit den zuständigen Stellen der ‚betroffenen’ Städte und Kommunen, bei der Beratung und Begutachtung durch landwirtschaftliche und geologische Gutachter und bei der Einbindung ‚geeigneter’ Sponsoren (wie z.B. einem Energiekonzern, von dessen Tochterunternehmen Kies vertrieben wird, mit dem der „Altarhügel’ am Marienfeld aufgeschüttet wurde). (3) Für die Zusammenarbeit mit einem kanadischen Softwareentwickler zur Entwicklung des bereits erwähnten Softwareprogramms wurde demgegenüber insofern eine Insourcing-Variante gewählt, als ein Mitarbeiter dieser Firma permanent ‚vor Ort’ im Weltjugendtagsbüro tätig war, dem in unmittelbarer Kooperation mit den Mitarbeitern des Bereichs ‚EDV/Personal’ die Anpassung der Pilgersoftware PISO an die jeweils anstehenden Anforderungen – die Registrierung und Verteilung der Pilger auf die Unterkünfte, die Akkreditierung der Freiwilligen und deren ‚Matching’ auf die mannigfaltigen Arbeitseinsätze, die Eingabe der ‚akkreditierten’ Künstlergruppen und deren Verteilung auf die Veranstaltungsorte usw. – oblag. In beiden Fällen, der Zusammenarbeit mit dem Generalübernehmer hie und der Software-Firma da, wurde allem Anschein nach eine netzwerkartige Konstellation etabliert, für die Bernt Schnettler (2003) den spezifischen Kooperationsmodus der „Sociability Work“, einer Unterform der von Hubert Knoblauch (1996) so bezeichneten „Kommunikationsarbeit“, rekonstruiert hat. Für die von ihm so bezeichnete Geselligkeitsarbeit gilt analog zu der von Arlie Hochschild (1979) beschriebenen „emotional work“, dass eine „interpersonale Rationalität“ an die Stelle instrumentell-strategischer Rationalität tritt. Insbesondere dann, wenn die Fülle von strukturellen Unabwägbarkeiten und Unkalkulierbarkeiten eine Applizierung zweckrationaler Kalküle begrenzt, ermöglicht die Logik interpersonaler Rationalität’ „eine Reduzierung dieser Unsicherheiten durch die Auf-
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rechterhaltung interpersonaler Bande, die jedoch eine dichte, persönliche und wiederkehrende Form der Interaktion von Angesicht zu Angesicht erfordert“ (Schnettler 1998: 137). Die Integration der aus Prozessen des Organisierens hervorgehenden und diese zugleich befördernden Netzwerke gelingt durch Beziehungsarbeit, weil diese auf die interaktive und kommunikative Herstellung einer Situation gerichtet ist, welche die Pflege interpersonaler Beziehungen erleichtert.
4.2 Aushandeln: Verhandlungen mit Verwaltungsstellen und Staatsorganen Bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung der vieldimensionalen Veranstaltung ‚Weltjugendtag’ musste nicht nur mit privatwirtschaftlichen Unternehmen kooperiert werden. Es waren vielmehr – wie sich anhand der folgenden Beispiele nachvollziehen lässt – mit einer ganzen Reihe bürokratischer Instanzen auf städtischer, kommunaler, Landes- und Bundesebene Lösungen für erwartbar auftretende Probleme zu verhandeln: 1) Aus der – dem Bereich ‚Pilgerwesen’ eingegliederten – Abteilung ‚Registrierung’ heraus waren Fragen der Visa-Pflicht für die Einreise nach Deutschland mit dem Auswärtigen Amt zu besprechen. Da der Weltjugendtag vom Veranstalter als eine internationale Veranstaltung verstanden wird und diesem Ziel auch von den Kölner Organisatoren Priorität eingeräumt wurde, wurde jede neue Nation, aus der Teilnehmeranmeldungen eintrafen, als Erfolg gewertet. Während die Organisatoren auf die (Reise-)Bedingungen in den jeweiligen Heimatländern wenig Einfluss nehmen konnten, war ihnen daran gelegen, zumindest die Zugangshürden zum Gastgeberland möglichst niedrig zu legen. Trotz Befürchtungen in politischen Kreisen, der Weltjugendtag könnte massenhaft als Gelegenheit zur Immigration genutzt werden, ist es den Organisatoren nach mehreren Verhandlungsrunden gelungen, Sonderregelungen für Teilnehmer aus Ländern mit besonderen Visa-Auflagen zu erwirken. Die Einreise aus visapflichtigen Ländern wurde also deutlich erleichtert. Allerdings mussten die Teilnehmer aus diesen Ländern – im Unterschied zum für alle anderen ‚Pilger’ vorgesehenen Anmeldeverfahren – namentlich erfasst werden. Und diese Namen waren dem Auswärtigen Amt zu melden. Das ‚normale’ Registrierungsverfahren sah demgegenüber vor, dass sich die Teilnehmer nicht einzeln, sondern in Gruppen anmelden, und dass nur die Leiter dieser Gruppen namentlich registriert werden. Das Verhandlungsergebnis hatte in organisatorischer Hinsicht nicht nur Konsequenzen für die mit der Registrierung befasste Abteilung, sondern auch für den Bereich ‚Personal/EDV’. Denn bereits bei der Erstellung der elektronischen Anmeldungsformulare – einer Aufgabe, die im Organisationsplan typischerweise relativ früh vorge-
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sehen ist, da viele weitere Planungen auf Hochrechnungen der Teilnehmerstärke aus Frühanmeldungen basieren – musste diese Sonderregelung berücksichtigt werden. Aushandlungen im Rahmen von Organisationsprozessen sind folglich immer terminiert, da irgendwann (zu einem fixierten Termin) eine Entscheidung über die Handhabung des Problems vorliegen muss, ganz gleich, welches Verhandlungsergebnis sich darin abbildet. Denn viele andere Maßnahmen können nicht parallel zum Aushandlungsprozess vorgenommen werden, sondern nehmen ihren Ausgang erst am Ende der Verhandlungen. 2) Als aufwändig erwies sich die Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung: Es erforderte einige Überredungskunst, die Entscheidungsträger in dieser Instanz davon abzubringen, für jede Schule, die als Unterbringungsort für Pilger dienen sollte, einen Bauantrag (mit aktuellen Bauplänen etc.) einzufordern, was bei insgesamt 1800 dergestalt genutzten Schulen einen kaum vorstellbaren und leistbaren Arbeitsaufwand bedeutet hätte. Erst nach intensiven Verhandlungen mit Vertretern dieser Behörde konnte zudem eine Sondergenehmigung – ein SonderErlass – erwirkt werden, wonach der Unterrichtsbeginn für die Schüler aller belegten Schulen im Schuljahr 2005/06 um einen Tag verschoben wurde. Dies war erforderlich, weil der Weltjugendtag am Sonntag vor Schulbeginn endete und die als Unterbringungsorte genutzten Schulen erst gereinigt und wieder für den Schulunterricht eingerichtet werden mussten. Die Zusammenarbeit mit den Gesundheits- und Ordnungsämtern ließ aus Sicht der zuständigen Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros wenig Verhandlungsspielraum offen: von dieser Seite wurden Auflagen (z.B. zur Einhaltung von Hygienevorkehrungen) geltend gemacht, die schlicht befolgt werden mussten, auch wenn sie sich als zeit-, kosten- und personalintensiv erwiesen. Die vielfältigen Abstimmungsprozesse bezüglich der – ökologisch sensiblen – Baumaßnahmen auf dem Marienfeld mit den für Baugenehmigungen zuständigen Stellen der anrainenden Kleinstädte gestalteten sich demgegenüber aus Sicht der hierfür zuständigen Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros als an unbürokratischer Einigung interessierte Aushandlungen. Diese Unterschiede der Verhandlungsmöglichkeiten mit Blick auf Bezirksregierungs-, Gesundheitsamt- und Stadtverwaltungsangelegenheiten resultieren daraus, dass sich die zu verhandelnden Sachverhalte als unterschiedlich vor-geregelt erweisen: Denn bei Hygienevorschriften werden in der Regel keine Unterschiede von Veranstaltung zu Veranstaltung gemacht. Die Frage von Baugenehmigungen für die beim Weltjugendtag doch sehr spezifischen Aufbauten (die Aufschüttung des Papsthügels, die Gestaltung des Wegenetzes über das sensibel zu handhabende ehemalige Tagebaugelände) auf dem Marienfeld waren demgegenüber sozusagen ‚vorbildlose’ Angelegenheiten, die auf der Basis von Bodengutachten und anderen Expertisen als Einzelfall entschieden werden mussten.
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3) Für eine zumindest den Verlautbarungen uns gegenüber zufolge weitgehend reibungslose Abstimmung mit der Polizei scheinen sich die Personalentscheidungen des Geschäftsführers der Weltjugendtags gGmbH als richtungsweisend erwiesen haben, die Leitung des Bereichs ‚Sicherheit/Protokoll’ mit einem ehemals führenden und mit der Durchführung von Großveranstaltungen (unter anderem bereits zwei früheren Papstbesuchen in Deutschland) erfahrenen Polizeifunktionär zu besetzen, dem wiederum ehemalige Bundeswehrbedienstete für Protokollfragen an die Seite gestellt worden waren. Für die Erarbeitung eines Mobilitätskonzepts wurde ein fachlicher Austausch mit dem ADAC, mit europäischen Verkehrsverbünden, mit einer Arbeitsgruppe im nordrheinwestfälischen Verkehrsministerium und mit dem Kölner Verkehrsverbund gesucht. Bei der Erarbeitung eines stimmigen Mobilitätskonzepts ließ man sich überdies von einer Ingenieursvereinigung für Verkehrsplanung und Koordination beraten – nicht ohne von Vornherein zu gewärtigen, dass sich die Verkehrslage bereits zu Stoßzeiten während des Weltjugendtags, insbesondere aber nach der sonntäglichen Abschlussveranstaltung mit einem ‚Abfluss’ von über einer Million Personen aus dem verkehrstechnisch wenig erschlossenen Kölner Westen um das Marienfeld ‚chaotisch’ gestalten würde. Denn die Straßen wurden nicht nur von den Weltjugendtagsteilnehmern, sondern zusätzlich von den Tages- bzw. Wochenendausflüglern zur Abschlussveranstaltung am Marienfeld und überdies noch durch den (Transit-)Verkehr durch Nordrhein-Westfalen belastet, für den sich der Großraum Köln generell als Engstelle erweist. Verstärkt hat sich das Verkehrsproblem nicht unwesentlich durch ein hohes Aufkommen an UrlaubsRückreiseverkehr, da das Abschlusswochenende des Weltjugendtags terminlich mit dem Ferienende in Nordrhein-Westfalen ‚kollidierte’. Diese Beispiele verdeutlichen zunächst vor allem, dass unsere Daten über die Vorbereitung des Weltjugendtags einige Anhaltspunkte darüber enthalten, dass Aushandeln ein wesentliches Element des Organisierens darstellt. In interaktionistischer Perspektive erscheinen Prozesse des Organisierens generell als eine Kette von Aushandlungen. Der durch Anselm Strauss (1978) begründete so genannte ‚Negotiated Order Approach’ wurde von Maines/Charleton (1985: 271f) als ein auf der Annahme basierender Ansatz beschrieben, dass Vorgänge in Organisationen vor allem eben mittels Aushandlungen zwischen den Beteiligten voran getrieben werden, und dass individuelles Agieren und organisatorische Beschränkungen analytisch nur dann adäquat erfasst werden können, wenn die Beschaffenheit und der Kontext solcher Aushandlungen begriffen wird.158 158 Die Wechselwirkung von Interaktion und Struktur, d.h. die Strukturabhängigkeit einerseits, die strukturbildende und -verändernde Kraft von Aushandlungen andererseits, zeigen Eva Nadai und Christoph Maeder (2007) eindrucksvoll am Beispiel der Leistungsevaluation von Mitarbeitern in Schweizer Wirtschaftafskonzernen.
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Strauss selber hat bereits 1993 vorgeschlagen, von ‚Processual ordering’ statt von ‚Negotiated Order’ zu sprechen, da sonst der Aushandlungsaspekt bei der Konstruktion sozialer Ordnung überbetont würde. Alternative Interaktionsformen – neben Aushandeln – sind ihm zufolge das Überzeugen, das Erziehen (Belehren), das Manipulieren, das Legitimieren (unter Berufung auf Regeln oder Autoritäten) und schließlich der Zwang. Einen besonderen Stellenwelt hat in organisatorischen Kontexten das Accounting, das sowohl die Bedeutung von Rechnung als auch von Rechenschaft, sowohl von Buchführung als auch von Erklärung impliziert. Während das sozialwissenschaftliche Verständnis von Accounting vor allem auf die Dimension des „giving good reasons“, also auf die soziale Rechenschaftslegung abhebt (vgl. Scott/Lyman 1986; 1976), erweitert Achim Brosziewski (2002: 93ff) den sozialwissenschaftlichen Blick um den ökonomischen Aspekt der Rechnungslegung. Gegenstand der Accounting Research ist die „Entdeckung (…), dass gerade die härtesten Fakten, die unsere Kultur kennt, die ökonomischen Fakten, keine eindeutige Sprache sprechen, dass sie interpretierte Fakten sind, deren Zwei- und Mehrdeutigkeiten nur durch selektive Auswertung in Eindeutigkeit überführt werden können“ (Brosziewski 2002: 97). Gerade in organisatorischen Kontexten, d.h. bei organisationsinternen Vorgängen ebenso wie bei Prozessen des Organisierens, spielen die so genannten harten Fakten (Zahlen, Einnahmen, Ausgaben etc.) eine wesentliche Rolle. Maßnahmen lassen sich nicht nur, aber eben auch und ganz besonders im Rückgriff auf numerisch ausgewiesene Fakten überzeugend begründen. Gerade unter Bedingungen der heutzutage und hierzulande vorherrschenden Zahlengläubigkeit ist der Hinweis, dass diese Fakten immer schon Produkt von Selektionen, d.h. von wirtschaftlichen Entscheidungen (über die Frage, was man in die Rechnung einbeziehen will und was nicht) sind, besonders wertvoll. „Zahlen leben, mit Zahlen kann man spielen und gestalten“ (I_13: Z_782f) – dies verstanden zu haben, hält der Leiter des Bereichs ‚Finanzen’ denn auch für die wichtigste Kompetenzerfordernis in seinem Aufgabengebiet (wichtiger etwa als Grundkenntnisse in Buchhaltung und anderen ‚Wirtschaftsdingen’). Die von Strauss genannten Ausprägungen des Aushandelns finden sich in leicht abgewandelter Form bei Zündorf (1986) als Modi der Handlungskoordinierung in Arbeitsorganisationen wieder. Was diese Formen – Macht im Sinne der Durchsetzung kollektiv verbindlicher Entscheidungen im Rahmen einer geltenden Herrschaftsordnung; Einflussnahme durch argumentative Sprecharbeit auf der Basis persönlichen Ansehens und Überzeugungskraft; Vertrauen auf der Basis direkter sozialer Kontakte und kommunikativer Verständigung; sowie Verständigung im Verstande kommunikativer Konsensbildung – eint und mit der interaktionistischen Vorstellung des „negotiating“ verbindet, ist der Umstand, dass sie alle
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auf Kommunikation, d.h. auf sprachlicher Interaktion, basieren und auf einem Kontinuum zwischen den Polen ‚Konsens’ und ‚Konflikt’ angesiedelt sind. Unsere Daten aus dem Weltjugendtagsbüro enthalten Hinweise auf alle genannten Aushandlungsweisen. Von autoritativen Weisungen über sachverständige Belehrungen, vertrauensbildende Maßnahmen und Verständigungsprozesse bis hin zum Accounting, d.h. überzeugenden ‚Erklärungen’ mit und ohne ‚Zahlenspielen’, ist die ganze Palette kommunikativer Verhandlungsweisen angedeutet. Entgegen psychologisierender Unterstellungen, bei denen die ‚Wahl’ eine bestimmten Aushandlungsweise auf Idiosynkrasien der beteiligten Akteure zurückgeführt wird, vermutet Zündorf (1986) eine Kompatibilität bestimmter Verfahrensweisen mit typischen Phasen von organisatorischen Entscheidungsprozessen: Kompatibel mit der Phase der Problemidentifikation und -definition erweisen sich demnach Verständigungsprozesse im Hinblick auf eine Konsensfindung. In solchen Phasen, in denen nach Lösungen für Probleme gesucht wird, werden bevorzugt Experten zu Rate gezogen. Andere Experten, d.h. „Gegenexperten“, werden herangezogen, wenn alternative Problemlösungen gesucht, diese untereinander verglichen und hinsichtlich verschiedener Aspekte (z.B. im Hinblick auf deren Problemadäquanz, aber auch hinsichtlich des erforderlichen Ressourceneinsatzes) bewertet werden sollen.159 In derjenigen Phase, in der unter den verfügbaren Lösungen eine Auswahl getroffen werden muss und die Entscheidung für eine Problemlösung getroffen wird, wird in der Regel auf den Modus autoritativer Weisungen zurückgegriffen. Vertrauensbildende Maßnahmen (auch hinsichtlich der Überantwortung von Ressourcen) kommen schließlich bevorzugt in der Phase der Lösungsumsetzung zum Einsatz. Es liegt auf der Hand, dass sich diese Zuordnung in Bezug auf Prozesse des Organisierens als allzu schematisch erweist. Unsere lediglich kurz umrissenen Beispiele für Aushandlungsprozesse liefern ohnehin keine Hinweise darauf, wie sich diese im Einzelnen gestaltet haben. Sie weisen aber deutlich auf einen zentralen Aspekt beim Organisieren im Rahmen von Projekten, nämlich auf jenes Phänomen hin, das in der Literatur als „uniqueness“ bezeichnet wird. Es ist die (relative) Einzigartigkeit der Rahmenbedingungen, die Anlässe für Aushandlungsprozesse schafft und befördert. Denn unter derartigen Bedingungen kann nicht auf bestehende, eingeführte und irgendwann einmal für gut befundene Problemlösungen zurückgegriffen werden. Es besteht vielmehr die Notwendig159 Als „Gegenexperte“ lässt sich entweder (schlicht) ein Sachverständiger begreifen, der eine von der herrschenden Expertenmeinung abweichende Position vertritt, oder aber eine Figur, die „keiner Seite bedingungslos zugehört, gleichzeitig aber die Wahrnehmungsweisen beider Parteien in sich vereinigt“ und somit befähigt ist, „Sach- und Moralfragen [zu verbinden], anstatt sie gegeneinander auszuspielen“ (Paris 1992: 191); zu einer wissenssoziologischen Bestimmung des Experten vgl. Hitzler 1994).
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keit, Lösungen zu erarbeiten, und diese auf ihre Machbarkeit einerseits, auf ihre (rechtliche, ethische, soziale) Akzeptabilität andererseits abzustimmen. Im Prozess des Organisierens eröffnen sich also vor allem dann Verhandlungsspielräume, wenn es keine vergleichbaren Fälle gibt, auf deren bewährte oder institutionalisierte Problemlösungen zurückgegriffen werden kann.
4.3 Kanalisieren: Die Brückenbildung zu den kirchlichen Ebenen Als Antwort auf die Frage „Warum essen die Leute, was sie essen?“ hat Kurt Lewin (1982: 295) seine so genannte Kanal-Theorie entwickelt. Demnach gelangen Nahrungsmittel erst auf den Tisch, wenn und nachdem sie verschiedene Kanäle (Einkauf oder Eigenproduktion, Vorratshaltung, Zubereitung etc.) passiert haben. Die Entscheidung darüber, welche Lebensmittel etwa in den Kanal ‚Einkaufen’ gelangen, wird von so genannten Gatekeepers bzw. Pförtnern auf der Basis verschiedener Erwägungen (der Kostenfrage, von Gesundheitsaspekten, Geschmacksfragen u.a.) getroffen. Die Entscheidung für die Verwendung von Lebensmitteln in Familien obliegt Lewin zufolge vor allem Hausfrauen, in besser gestellten Familien evtl. auch Hausangestellten, welche die Einkäufe besorgen. Das Konzept des Gatekeeping ist aus der Psychologie in viele andere Disziplinen transferiert worden, sehr früh insbesondere in die Kommunikationswissenschaft, in der es zur Erklärung der Frage herangezogen wurde, über welche ‚Scharniere’ Nachrichten in die Massenmedien gelangen (vgl. White 1964). In diesem Verstande heben die im Folgenden unter den Begriff des Kanalisierens gefassten Vorgänge auf den Umstand ab, dass insbesondere zur Einbindung kirchlicher Kreise in die Weltjugendtagsorganisation Positionen geschaffen wurden, deren Inhaber (auch) die Funktion des Gatekeepings erfüllen sollten.
4.3.1 Der Kontakt zu den Diözesen In der gesamten Vorbereitungszeit des XX. Weltjugendtags 2005 ist aus dem Weltjugendtagsbüro heraus ein reger Austausch mit den internationalen, insbesondere aber mit den deutschen Diözesen160 gepflegt worden. Die Federführung 160 Der Begriff ‚Diözese’, der im Römischen Reich einen (zwischen Provinz und Präfektur eingeschalteten) Verwaltungsbezirk bezeichnete, wurde schon früh von der Kirche zur Bezeichnung regionaler Einheiten übernommen. Die Evangelische Kirche hat den ursprünglich so bezeichneten Bezirk eines Superintendenten (bzw. Dekans) zwischenzeitlich allerdings in „Kirchenkreis“ (bzw. Dekanat) umbenannt, weshalb der Terminus zwischenzeitlich nur noch in der Katholischen Kirche gebräuchlich ist und synonym mit dem des Bistums verwendet wird.
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hierfür lag beim Weltjugendtagssekretär der Deutschen Bischofskonferenz und (dadurch) in den ihm unterstellten Bereichen ‚Begegnung’ und ‚Pastorale Vorund Nachbereitung’. Der Idee nach sollten alle Fragen rund um den Weltjugendtag, die in den Pfarrgemeinden außerhalb Deutschlands vor allem die ‚Entsendung’ von Pilgern, in den deutschen Pfarrgemeinden vor allem den Empfang von Pilgern aus aller Welt betrafen, auf diözesaner Ebene gebündelt und nur dann an das zentrale Weltjugendtagsbüro in Köln gerichtet werden, wenn sie auf der Diözesanebene nicht beantwortet werden konnten. Zu diesem Zweck wurden in vielen deutschen Bistümern auf Diözesanebene eigene Weltjugendtagsbüros als Anlaufstellen für den Weltjugendtag betreffende Fragen aus den Pfarrgemeinden und Dekanaten etabliert. Die haupt- und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter dieser Büros waren überdies damit betraut, die Bistumsveranstaltungen im Rahmen der „Tage der Begegnung“ vorzubereiten bzw. deren Vorbereitungen anzuleiten. Als direkte Ansprechpartner in den deutschen Diözesen für das Weltjugendtagsbüro fungierten die so genannten „Diözesandelegierten“. Schon in der Zeit, bevor im Kölner Weltjugendtagsbüro die Arbeit aufgenommen wurde, waren die Diözesen in einem Schreiben des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz darum gebeten worden, eine Person als Hauptverantwortlichen für den Weltjugendtag zu benennen. Häufig wurde dem Diözesanjugendseelsorger dieses Amt übertragen. Von Diözese zu Diözese unterschiedlich wurden aber auch Jugendamtsleiter, Repräsentanten katholischer Jugendverbände usw. – idealer Weise also Personen, die über viele Jahre hinweg Erfahrungen in der Jugendpastoral gesammelt und darüber hinaus einen guten Einblick in die Abläufe in ‚ihrer’ Diözese hatten – vom Bischof in dieses Amt berufen. Diese Delegierten waren in den auf Bistumsebene eingerichteten Weltjugendtagsbüros angesiedelt und dadurch für die mit dem Weltjugendtag befassten Akteure im Bistum identifizierund adressierbar. Eine regelmäßige Plattform für den Informationsaustausch mit den Diözesen bildeten die insgesamt neunmal durchgeführten „Diözesandelegiertenkonferenzen“, zu denen die Delegierten von Verantwortlichen der Deutschen Bischofskonferenz und des Weltjugendtagsbüros eingeladen wurden. In diesem Rahmen wurden die Delegierten anfänglich auf die geistliche Idee des Weltjugendtags eingestimmt sowie mit der Organisationsstruktur des Weltjugendtags, der konzeptionellen Anlage der Gesamt-Veranstaltung und den darin implizierten Erwartungen an die Gemeinden und Diözesen – als Gastgeber für die Pilger während den ‚Tagen der Begegnung’ – vertraut gemacht. Die Konferenzen dienten aber vor allen Dingen dem Zweck, die Delegierten in ihrer Funktion als Multiplikatoren in die Bistümer hinein über den Stand der Vorbereitungen, über Veränderungen (z.B. neue Kalkulationen über erwartete Pilgerzahlen, insbesondere für die ‚Tage der Begegnung’), über Termine (z.B. Anmeldungsfristen,
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Vorbereitungstreffen) usw. in Kenntnis zu setzen. Dabei ging es den Veranstaltern nicht zuletzt auch darum, etwelche im Hinblick auf den Weltjugendtag getroffene Entscheidungen zu plausibilisieren, verbunden mit der Hoffnung, dass diese Begründungen dann in die kirchlichen Kreise hinein verbreitet werden, und dergestalt gute klimatische Bedingungen für den Weltjugendtag zu erzeugen. Den Delegierten wurde in diesen Runden die Möglichkeit geboten, Erfahrungen, Bedenken, Sorgen, Stimmungen sozusagen von der ‚Basis’ zu überbringen. Deshalb waren die Delegiertenkonferenzen sowohl als ‚Stimmungs-Macher’ als auch als ‚Stimmungs-Barometer’ für die Mitarbeiter des – strukturell nicht in die bestehenden kirchlichen Strukturen integrierten, sondern darauf ‚aufgesetzten’ (und von den Hauptamtlichen der katholischen Jugendpastoral auch so wahrgenommenen) – Weltjugendtagsbüros durchaus bedeutsam. Die Delegierten nutzen die Konferenzen ihrerseits für kollegialen Austausch, insbesondere im Verstande des von Erving Goffman (1974) so bezeichneten „bestätigenden Austausches“, d.h. zum einen für die gegenseitige Bestätigung des kollegialen Verhältnisses, zum anderen für die Bestärkung der eigenen (affirmativen oder kritischen) Haltung zum Weltjugendtag bzw. zu einzelnen Aspekten des Weltjugendtags im Austausch mit Gleichgesinnten. In der Zeit zwischen den Diözesandelegiertenkonferenzen wurden die „Verantwortlichen der (Erz-)Diözesen für die Vorbereitung des XX. Weltjugendtags“ mittels „Infobriefen“ mit mannigfaltigen Informationen zum Weltjugendtag – z.B. zum jeweiligen Stand der Anmeldungen, zur Zahl der bis dato akquirierten Betten in Köln, zu Bestellmöglichkeiten von Merchandising-Artikeln wie den „offiziellen Weltjugendtagskerzen“ oder von Promo-T-Shirts – ‚versorgt’. Die in diesen Schreiben enthaltenen Mitteilungen hatten durchaus Aufforderungscharakter, auch wenn sie nicht als Befehle, sondern als Bitten formuliert waren (z.B. die „Bitte“, die Anstrengungen zu intensivieren, mit der Lotterie die Einnahmen für den Weltjugendtag zu steigern, oder die „Bitte“, die Werbung für die ‚Tage der Begegnung’ zu intensivieren). Für den „Austausch und die bessere Kommunikation unter den Verantwortlichen für den Weltjugendtag in den deutschen Diözesen“ wurde gut ein Jahr vor dem Weltjugendtag ein Intranet, d.h. eine elektronische Plattform, eingerichtet, über die Dokumente aus dem Weltjugendtagsbüro (Protokolle der Diözesandelegiertenkonferenzen, Infobriefe, Programmentwürfe, Antworten auf ‚häufige Fragen’, Statements der Büroleitung auf Pressekonferenzen usw.) abgerufen werden konnten. Auch wenn in diesem Rahmen mit einem Chat die Möglichkeit zum direkten Austausch eröffnet wurde, diente das Intranet vor allem dem Weltjugendtagsbüro als eine Art ‚Schwarzes Brett’ und elektronisches Archiv für die Diözesen betreffende Hinweise. Der Zugang zu dieser Plattform wurde zunächst ausgesprochen restriktiv gehandhabt und war mehr oder weniger ausschließlich
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den Diözesandelegierten vorbehalten. Erst nach heftigem Insistieren aus den Diözesen wurde der Kreis der Zugangsberechtigten auf „die Verantwortlichen der einzelnen Projekte in den Diözesen, die der Vorbereitung der Tage der Begegnung in den deutschen Diözesen und dem XX. Weltjugendtag dienen“ (IB_1.05.04) erweitert – nicht ohne dass darauf hingewiesen wurde, dass die ad personam vergebene Kennung nicht an andere weitergeben werden dürfe. All diese Maßnahmen waren ganz offensichtlich von dem Bemühen getragen, den Informationsfluss zwischen Weltjugendtagsbüro und Diözesen in ‚geordnete Bahnen’ zu lenken und die Kommunikation mit den haupt- und ehrenamtlichen Kräften in den Diözesen über menschliche ‚Knotenpunkte’, d.h. über Pförtner bzw. Gatekeeper, zu kanalisieren, die sie direkt ansprechen und denen sie ihre Sicht möglichst plausibel vermitteln konnten. In quantitativer Hinsicht bestand der Vorteil dieser Maßnahmen darin, dass der Umfang der aus den Diözesen ‚anbrandenden’ Mitteilungen, Nachrichten, Anfragen, Nachfragen, Problemschilderungen etc. schlicht reduziert wurde, weil die Diözesandelegierten bei der Aufbereitung ihrer jeweiligen ‚Eingaben’ an das Weltjungendtagsbüro – ihrer Einschätzung von Wichtigkeiten entsprechend – eine Auswahl und Bündelung der Informationen vorgenommen haben. In der Praxis haben viele haupt- und ehrenamtliche Kräfte in den Diözesen aber dennoch direkt Kontakt zu Mitarbeitern im Weltjugendtagsbüro aufgenommen, wenn sie deren Telefonnummern und/oder Emailadressen in Erfahrung bringen konnten. Dadurch hat sich die Anruf- und Maildichte aus den Diözesen in manchen Arbeitsbereichen (allen voran dem für die Koordination der ‚Tage der Begegnung’ zuständigen Bereich ‚Begegnung’) derart erhöht, dass die Telefone in hektischen Phasen der Vorbereitung an die – auch im Weltjugendtagsbüro gleichsam als ‚Firewall’ fungierende – Telefonzentrale umgestellt wurden, damit solche Arbeiten erledigt werden konnten , die als ‚wesentlicher’ (als die des Auskunftgebens) angesehen wurden. Der direkte Kontakt wurde nicht selten auch über jene Jugendlichen gesucht, die aus den Diözesen als Langzeitfreiwillige ins Weltjugendtagsbüro ‚entsendet’ worden waren – eine Praxis, die im Büro ungern gesehen wurde, und an der mitzuwirken den Langzeitfreiwilligen alsbald untersagt wurde. Die Kommunikation zwischen Weltjugendtagsbüro und Diözesen ließ sich also zu einem großen Teil, aber nicht vollständig über die Funktion ‚Diözesandelegierte’ kanalisieren.
4.3.2 Die Indienstnahme der Pfarrgemeinden des Kölner Erzbistums Während in vielen strukturell vergleichbaren Fällen der Event-Organisation (insbesondere der von Marketing-Events, eingeschränkt aber auch der von ju-
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gendkulturellen Events) eine klare Trennungslinie zwischen Organisatoren und Organisierten verläuft, erscheinen die Inklusionsintensitäten und -qualitäten beim Weltjugendtag gegenüber einer relativ klaren Formalhierarchie als auffällig diffus. Exemplarisch verdeutlichen lässt sich dies an den in das Organisationsgeschehen involvierten Mitgliedern der Pfarrgemeinden des Erzbistums Köln, d.h. jener Diözese, die (im Anschluss an die dezentral veranstalteten „Tage der Begegnung“) als Gastgeberin für den Weltjugendtag fungierte: In allen Kirchen des Erzbistums Köln mit einem Fassungsvermögen von mehr als 500 Personen wurden während dem Weltjugendtag an den Vormittagen Katechesen in den fünf Weltjugendtagssprachen (deutsch, englisch, französisch, italienisch und spanisch) abgehalten, die je nach den Vorlieben des ‚zelebrierenden’ Bischofs eher monologisch (in Form geistlicher Ansprachen), dialogisch (in Form von Bibelgesprächen) oder liturgisch (in Form von Gottesdiensten) gestaltet waren. Gemeinderäume und -säle im Erzbistum Köln dienten entweder als Unterkünfte oder als Veranstaltungsorte für das an den Nachmittagen geplante Programm des Jugendkulturfestivals. Dezentral waren am Freitagnachmittag des Weltjugendtags Kreuzwege, vorgesehen, deren vierzehn Stationen des Leidenswegs Jesu in den Gemeinden zum Teil sehr aufwändig vorbereitet und gestaltet wurden. Die Betreuung der Katechesen, der Kirchen und sonstigen Veranstaltungsorte, die morgendliche Essensausgabe an den Unterkünften und vieles andere mehr oblag federführend den Mitgliedern so genannter „Kernteams“ (die während dem Weltjugendtag personell aus dem allgemeinen Pool der Kurzzeitfreiwilligen verstärkt wurden): Zu solchen Kernteams wurden Jugendliche im Alter von 16 bis 30 Jahren aus den Pfarreien des Erzbistums Köln zusammengefasst, die in dieser Gruppenformation bereits seit Sommer 2003, d.h. mit einer zweijährigen Vorlaufzeit, spirituell auf die Idee des Weltjugendtags eingestimmt und auf mannigfaltige organisatorische Aufgaben vorbereitet wurden, um die Teilnehmer des Weltjugendtags im August 2005 in ‚ihren’ Gemeinden gastlich empfangen zu können. Die Idee der Etablierung und Schulung der ca. 2900 „Kernteamer“ aus 300 (von insgesamt 700) Kölnern Gemeinden war nicht im Weltjugendtagsbüro, sondern von hauptamtlichen Vertretern der Jugendpastoral des Erzbistums Kölns entwickelt worden. Angeleitet wurden diese Gruppen von ca. 300 „geistlichen Begleitern“, allesamt Mitarbeiter des pastoralen Diensts in den Gemeinden des Erzbistums Köln, die sich mindestens einmal im Monat, zum Teil auch häufiger, mit den Mitgliedern ihrer Teams getroffen haben. Ihr Kernteam-Konzept wird von den verantwortlichen Vertretern der Jugendpastoral in Köln nicht nur als Erfolg hinsichtlich der Aktivierung von Jugendlichen für die Gemeindearbeit im Erzbistum Köln, sondern auch als wichtiger Faktor für die Teilnahme-Resonanz unter Jugendlichen, und nicht zuletzt als Verstärker für Werbemaßnahmen aus
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dem Weltjugendtagsbüro gewertet, welche – wie beispielsweise die Kampagne zur Suche von Privatunterkünften für die Pilger im Raum Köln – ohne die massive persönliche Werbung seitens der Kernteamer nicht annähernd so erfolgreich gewesen wäre. Das Kernteam-Programm war dezidiert an kirchlich sozialisierte Jugendliche gerichtet: die Mitgliedschaft in einem Kernteam setzte Taufe, Firmung und ein bereits bestehendes kirchliches Engagement voraus. Eine weitere conditio sine qua non für die Betätigung in einem Kernteam war die Bereitschaft, sich auf eine Qualifizierungsmaßnahme einzulassen, in deren Rahmen „für ihre Aufgabe erforderliche personelle, soziale und fachliche Fertigkeiten“ (Leitfaden für die Kernteam-Qualifizierung im Erzbistum Köln: 3) vermittelt werden sollten. Für die Qualifizierung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Kernteams zur Vorbereitung auf den Weltjugendtag war auf Initiative des DiözesanJugendseelsorgers in einer mit Verantwortungsträgern der Jugendpastoral im Erzbistum Köln besetzten Arbeitsgruppe ein Leitfaden mit Lernzielen, Inhalten und Methoden entwickelt worden, der als eine verbindliche Grundlage für die Schulungen konzipiert war, d.h. von den geistlichen Begleitern – ähnlich wie ein Lehrplan an Schulen – ohne große Abweichungen umzusetzen war: Großer Wert wurde vor allem darauf gelegt, dass in den Schulungen die so genannten „Lernziele“ den Vorgaben entsprechend vermittelt werden, wobei dem Einlernen in Glaubensvollzüge (z.B. in Gebete wie den Rosenkranz und andere Formen der Marienverehrung, in liturgische Elemente wie z.B. einem adäquaten Verständnis der Eucharistie und in Sakramente wie dem der Buße und Versöhnung) auch quantitativ ein besonderer Stellenwert im ‚Konzert’ der Lernziele (dem Erwerb kommunikativer Kompetenz; der Einführung in Grundlagen der Projektarbeit und dem Training von Teamfähigkeit) eingeräumt wurde. Legitimiert wurde diese thematische Schwerpunktlegung auf Glaubensvollzüge im Verweis darauf, dass diesen beim Weltjugendtag eine zentrale Bedeutung zukommt. In der Beschreibung der Inhalte im Schulungsleitfaden wird allerdings keine weltjugendtagsspezifische Bezugnahme erkennbar. Vielmehr bestand die vorrangige Intention explizit darin, den Kernteammitgliedern nicht nur Kompetenzen zu vermitteln, sondern mit diesen über den Glauben ins Gespräch zu kommen bzw. ihnen grundsätzlich spirituelle Anregungen zu geben und sie auf ihrem spirituellen Weg zu begleiten, um dergestalt einer jugendpastoralen Verpflichtung nachzukommen, die im Gemeindealltag typischerweise zu kurz kommt. Das Kernteam-Programm stellt sich somit als ein Konzept zur Förderung des (Laien-)Nachwuchses in den katholischen Gemeinden in der Diözese Köln dar. Angesichts dieser Zielsetzung erwies es sich als folgerichtig, dass die Durchführung der Schulungen an „geistliche Begleiter“ und nicht etwa an Jugendliche in Gruppenleiterfunktionen, d.h. an peers, delegiert worden war. Die
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ordnungsgemäße Durchführung der Schulungen sollte dadurch gewährleistet werden, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter der dreizehn katholischen Jugendämter des Erzbistums Köln, erweitert durch ehrenamtlich tätige Kräfte, als „Multiplikatoren“ (I_11: Z_432) bzw. eben als ‚Gatekeeper’ eingesetzt wurden. Mit großen Vorbehalten, resultierend auch aus der Sorge, damit um die Früchte dieser Mobilisierung im Hinblick auf eine regional-kirchliche EventNachhaltigkeit gebracht zu werden, haben die Programmverantwortlichen darauf reagiert, dass die auf ihre Initiative hin gebildeten Kernteams, deren Mitglieder nach ihrer Vorgabe geschult worden waren, wenige Monate vor dem Event relativ rigoros in das vom Weltjugendtagsbüro rekrutierte Freiwilligen-Heer eingegliedert wurden. Allem Anschein nach hat diese Maßnahme aber dazu beigetragen, dass die ‚Kernteamer’ ein klares Selbstverständnis als (Mit-)Organisatoren des Weltjugendtags (und nicht ‚nur’ als das von Einsatzkräften am Rande des ‚eigentlichen’ Geschehens) ausgebildet haben. Zahlreichen Erlebnisberichten aus den Kölner Pfarrgemeinden lässt sich demgegenüber entnehmen, dass sich der überwiegende Teil der im Zuge des Weltjugendtags aktiven Mitglieder dieser Gemeinden eher als Organisierte erfahren hat.
4.3.3 Die Kanalisierung der Freiwilligen-Kommunikation Für mannigfaltige Betreuungs-, Hilfs- und Zuarbeiten für den Weltjugendtag waren ca. 23.000 freiwillige Helfer als vom Weltjugendtagsbüro so genannte „Kurzzeitfreiwillige“ ehrenamtlich im Einsatz. Die Termini ‚Freiwillige’ und ‚Ehrenamtliche’, aber auch Begriffe wie ‚freiwillige Arbeit’ bzw. ‚freiwilliges’, ‚ehrenamtliches’ und ‚bürgerschaftliches Engagement’ werden in der einschlägigen Literatur unterschiedlich gefüllt. Im Internationalen Jahr der Freiwilligen (2001) wurde der Terminus „Freiwilligenarbeit“ als Oberbegriff für eine unbezahlte Arbeit außerhalb von Familie und Beruf geprägt. Unterhalb dessen wurden ‚Ehrenamt’ hie und ‚Freiwilligentätigkeit’ da als zwei Ausprägungen von Freiwilligenarbeit unterschieden – letztere, um jener Form des freiwilligen Engagements Rechnung zu tragen, die eben nicht mit der Übernahme eines ‚Ehrenamts’ in Organisationen wie Vereinen, Verbänden, Parteien, Gewerkschaften und der Kirche identisch ist. ‚Freiwilligentätigkeit’ kann demnach eine informelle Tätigkeit für Verwandte bzw. in der Nachbarschaft ebenso wie eine Tätigkeit im Dienste Dritter sein (vgl. Olympe 2001). Mit dem weiten Begriff des freiwilligen Engagements, wie er etwa dem Freiwilligensurvey 1999 zugrunde gelegt worden ist, soll(te) sowohl das Engagement in formellen als auch in informellen Organisationsformen (wie Selbsthilfegruppen, Projekten, Initiativen) ‚eingefangen’ werden. Unter ‚Engagement’
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wird hier aber weder ‚nur’ Mitgliedschaft noch ‚lediglich’ ein Mitmachen verstanden. Von Engagement soll diesem Definitionsvorschlag zufolge nur dann die Rede sein, wenn eine ‚Verantwortungsrolle’, also eine besondere Aufgabe, Arbeit oder Funktion übernommen wird (vgl. Hobelsberger 2006: 63 im Anschluss an Rosenbladt 2000 sowie Picot 2000). Mit dem in der Shell-Jugendstudie 2002 geprägten Begriff der ‚gesellschaftlichen Aktivität’ wurde demgegenüber ein bürgerschaftlicher Akzent gesetzt. Hier sollten Aktivitäten erfasst werden, die „in der Freizeit ausgeübt werden“ und „auf soziale und politische Ziele hin ausgerichtet“ sind bzw. „anderen Menschen zugute“ kommen (Gensicke 2002: 194f). Keine Rolle sollte dabei spielen, ob diese Aktivität innerhalb von Organisationen bzw. in informellen Gruppen oder aber innerhalb von Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft oder in freundschaftlichen Kontexten entfaltet wird. Mit der im Weltjugendtagsbüro gewählten Bezeichnung der jugendlichen Helfer als „Freiwillige“ (statt als Ehrenamtliche) wollte man von vornherein deutlich machen, dass keine Entlohnung bzw. finanzielle Honorierung der Arbeitsleistung vorgesehen ist. Orientiert hat man sich dabei am angelsächsischen Begriff des „Volunteering“ (vgl. Rosenbladt 1999: 405). Dieser Terminus akzentuiert nicht nur den Faktor des Unbezahlten, sondern überdies den von Uneigennützigkeit. Freiwillige bzw. ‚Volunteers’ leisten demnach – jenseits bzw. unabhängig von ihrer beruflichen Tätigkeit – eine Arbeit, die ihnen nicht vergütet wird, und die nicht (nur) dem eigenen Nutzen oder dem der eigenen Familie dient. Einige hundert „Kurzzeitfreiwillige“ wurden in den letzten vier Wochen vor dem Event im Weltjugendtagsbüro, vor allem im Call Center, zur Beantwortung der zum Schluss hin sprunghaft angestiegenen Pilgeranfragen, aber auch in Lagerhallen zum Befüllen der 500.000 Pilgerrucksäcke eingesetzt. Das ‚Heer’ der Kurzzeitfreiwilligen aber, unter denen die knapp 3000 bereits erwähnten so genannten „Kernteamer“ eine Sondergruppe bildeten, war neun Tage lang, d.h. zwei Tage vor und während der Veranstaltungswoche vor Ort im Einsatz. Die Metapher des Freiwilligen-„Heeres“ drängt sich zum einen wegen der hierarchischen Struktur der Weltjugendtagsorganisation insgesamt auf, zum anderen und ganz besonders, weil die für Anwerbung, Schulung, Einsatz und Betreuung der Freiwilligen zuständigen Mitarbeiter des (Arbeits-)Bereichs „Freiwillige“ im Weltjugendtagsbüros zur Bewältigung dieser Aufgabe ein streng hierarchisches Modell von Zuständigkeiten und Kommunikationsflüssen erarbeitet haben (vgl. Abb. 8):
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Abbildung 8:
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Bürointern entwickelte Aufbauorganisation der Freiwilligen (Quelle: Weltjugendtagsbüro)
Ungefähr 20 Kurzzeitfreiwillige wurden einem „Team“ zugeordnet, das während des Weltjugendtags mit einer bestimmten Aufgabe (z.B. Unterstützung eines Programmleiters bei der Betreuung von Veranstaltungen im Rahmen des Kulturfestivals) betraut war. Jedes Team wurde einem Teamleiter unterstellt. Die Leiter und Leiterinnen von Teams, die mit Aufgaben des gleichen Typs (also z.B. Unterstützung der Veranstaltungsbetreuung) betraut waren, wurden einem Gruppenleiter zugeordnet. Bei solchen Aufgaben, für die besonders viel freiwilliges Hilfspersonal erforderlich war (z.B. für die Unterstützung des Catering-Personals an den ca. 300 dezentralen Essenausgabestellen), für deren Erledigung also sehr viele Teams gebildet wurden, wurden mehrere Gruppen konstituiert (eine Gruppe sollte der Planung nach ca. 60 Teamleiter umfassen). Der militärischen Praxis vergleichbar, waren die „Diensthöheren“ nicht nur für die Betreuung und Anleitung während des Einsatzes, sondern auch für die Einweisung der ihnen jeweils nachgeordneten „Einheiten“ zuständig: Das heißt, die ca. 60 Gruppenleiter waren in den Tagen unmittelbar vor dem Weltjugendtag mit der Schulung „ihrer“ Teamleiter, die Teamleiter wiederum mit der Schulung „ihrer“ Teammitglieder betraut. Da für die Schulung der Teamleiter ein zweistu-
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figes Verfahren vorgesehen worden war, waren einige ausgewählte Gruppenleiter – personell unterstützt von Langzeitfreiwilligen aus dem Weltjugendtagsbüro und inhaltlich angeleitet von Ehrenamtlichen, die mit der Entwicklung des Schulungskonzepts betraut worden waren – bereits in den Monaten vor dem Weltjugendtag mit einer ersten Schulung der ca. 1000 Teamleiter betraut. Jeweils 80 bis 100 Teamleiter waren hierfür zu einem Wochenende in die Bildungsstätte der Erzdiözese Köln eingeladen worden, und in verschiedenen Themenblöcken auf ihren Einsatz beim Weltjugendtag eingestimmt worden. Auffällig war dabei, dass sich die Teamleiter bereits zu diesem Zeitpunkt eine sehr konkrete Einführung in die Aufgabenfelder erwarteten, um sich bereits im Vorfeld darauf vorbereiten und die Mitglieder des eigenen Teams in Kenntnis setzen zu können. Die Schulung war demgegenüber schwerpunktmäßig auf die Klärung der Gründe und Motive ausgerichtet, welche die einzelnen Jugendlichen zum freiwilligen Engagement beim Weltjugendtag veranlasst haben könnten. Konkrete(re) Informationen über die Aufgaben ihres Teams haben die Teamleiter erst in der zweiten Schulungsphase, d.h. erst zwei Tage vor Dienstantritt, erhalten. Der Funktion eines Street Workers – bzw. um ihm Bild zu bleiben: eines Militärseelsorgers – entsprechend waren während dem Weltjugendtag so genannte „Volunteer Support Manager“ im Einsatz. Für diesen Dienst waren Freiwillige mit einer pädagogischen, sozialpädagogischen oder psychologischen Ausbildung ausgewählt worden. Die für sie vorgesehene Funktion kommt besonders deutlich in der ursprünglichen Bezeichnung als „Schlichter“ (vgl. nochmals Abb. 8) zum Ausdruck. Allem Anschein nach gewärtigte man also gruppendynamische Probleme und andere soziale Konflikte in den Freiwiligen-Teams, die mittels externer Einflussnahme behoben werden sollten. Faktisch ‚reisten’ diese Betreuungskräfte von Team zu Team und übernahmen derart vor allem die Funktion einer ‚Klagemauer’, soweit sie nicht Abhilfe für Probleme schaffen konnten. Dafür, dass es sich bei den freiwilligen Helfern des Weltjugendtags grosso modo um eine hochmotivierte Personengruppe gehandelt hat, spricht bereits die starke Resonanz auf die im Spätherbst 2004 über diverse Medien gestartete Werbekampagne: Weitaus mehr Bewerbungen als erwartet trafen daraufhin im Büro der Weltjugendtag gGmbH in Köln ein und wurden hier in den Folgemonaten gesichtet, sortiert, selektiert und zu 5- bis 20-köpfigen Teams gruppiert, denen dann wiederum spezifische Aufgaben zugeteilt wurden.161 Im Unterschied zur Praxis bei den Langzeitfreiwilligen war für diese Kurzzeitfreiwilligen die Mitgliedschaft in der Katholischen Kirche oder gar Engagement in kirchlichen Kontexten kein Selektionskriterium. Es scheint vielmehr so gewesen zu sein, dass sich eben überwiegend relativ ‚kirchennahe’ Leute zur Mithilfe beim Weltju161 Zur überdurchschnittlich hohen Bereitschaft junger Menschen zu freiwilligem Engagement vgl. Picot 2000, Hobelsberger 2003, Nörber 2005.
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gendtag angesprochen oder aufgefordert gefühlt haben, obwohl nicht nur in kirchlichen Medien (insbesondere in Pfarr- und Hirtenbriefen), sondern auch im Rundfunk (WDR2, Eins Live) und im Fernsehen (RTL) zu diesem freiwilligen Engagement aufgerufen worden war und erst die Werbemaßnahmen in diesen weltlichen Sendeanstalten die Bewerberzahlen in die Höhe schnellen ließen. Dies deckt sich mit Befunden aus Studien zum freiwilligen Engagement schlechthin, denen zufolge sich gerade bei jungen Leuten die katholische Konfessionszugehörigkeit und mehr noch die Kategorie ‚Kirchgang’ als eine „engagementfördernde Bedingung“ (Hobelsberger 2006: 132) erweist. Im Verlauf des Veranstaltungswoche wurde diese vorgängige Motiviertheit der Volunteers dann nicht selten auf eine harte Probe gestellt – was nicht zum wenigsten zum nicht unerheblichen ‚Schwund’ an Freiwilligen während der Weltjugendtagswoche geführt haben dürfte: Von den über 31.000 Jugendlichen, die sich für das freiwillige Engagement in Köln beworben hatten, erhielten ca. 27.000 Personen eine Zusage. Davon haben sich dann ca. 23.000 Jugendliche in Köln als ‚Freiwillige’ registrieren lassen (und damit eine Schlafstätte, Essensmarken und einen Pilgerrucksack zugeteilt bekommen). Davon haben dann ca. 21.000 Jugendliche tatsächlich ihren Dienst angetreten. Im Unterschied zu früheren Weltjugendtagen, bei denen die Ausfallquote bei 30-40 Prozent lag, hat der Kölner Weltjugendtag mit ca. 20 Prozent Ausfallquote vorab relativ gut abgeschnitten. Dazu, wie viele Jugendliche dann während der Tage ‚desertiert’ haben, liegen keine exakten Zahlen vor: nach Schätzungen aus dem Weltjugendtagsbüro waren von den ca. 2500 Jugendlichen, die der Cateringfirma zur Verpackung und Ausgabe der Verpflegung zugeteilt worden waren, nur ca. 1400 Personen im Einsatz, was zumindest in diesem Arbeitsbereich einer Ausfallquote von 40 Prozent – und damit den Zahlen der vorherigen Weltjugendtagen – entsprechen würde. Die (vielen) Freiwilligen, die sich nicht sukzessive vom Dienst verabschiedet hatten, haben in Gesprächen uns gegenüber ihren Unmut und/oder ihre enttäuschten Erwartungen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, allerdings nicht (so sehr) – wie von uns vorab vermutet – über die Anspruchslosigkeit oder Eintönigkeit der Einsatzbereiche und die Arten der Tätigkeiten (wie z.B. die Verpackung der Pilgerverpflegung, Reinigungsdienste in den Massenquartieren oder Ordnerdienste auf Parkplätzen bzw. an Veranstaltungsorten). Ihr Helferfrust resultierte weit weniger aus derlei ihnen zugewiesenen, ‚nachgeordneten’ Aufgaben (in der Regel wurden an prekären Stellen bzw. für anspruchsvollere Aufgaben professionelle Kräfte eingesetzt), sondern weit mehr aus dem, was sie uns gegenüber als chronische Desinformiertheit beklagt haben: Einerseits sahen sie sich durch die hierarchisch übergeordneten Stellen und Personen schon im Vorfeld und mehr noch während der Veranstaltung (z.B. über Arbeitsinhalte, -zeiten, -orte, über situative Einsatzmöglichkeiten, über Über-
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nachtungsmöglichkeiten usw.) allzu spät, ausgesprochen spärlich, nicht selten vage und insgesamt wenig verlässlich informiert.162 Andererseits war ihnen organisatorisch-technisch die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme fast vollständig verwehrt. Denn vorgesehen war die folgende, eben nachgerade an eine militärische Befehlskette erinnernde Vorgehensweise: Der Freiwillige kontaktiert ‚seinen‘ Teamleiter, und dieser wendet sich an ‚seinen‘ Gruppenleiter, der während der Weltjugendtagswoche – je nachdem, in welcher Region der überwiegende Teil ‚seiner’ Teams’ eingesetzt war – in einer der drei regionalen Veranstaltungsleitungen (d.h. entweder in der regionalen Veranstaltungsleitung in Köln, in Bonn oder in Düsseldorf) angesiedelt war (vgl. Kapitel 4.4).163 Das im Weltjugendtagsbüro erarbeitete Konzept zur Kommunikation mit den Freiwilligen sah vor, dass nur diese Gruppenleiter mit den für die auftretenden Probleme jeweils zuständigen Vertretern des Weltjugendtagsbüros in Kontakt treten sollten. Diese waren zum Teil ebenfalls in einer der drei regionalen Veranstaltungsleitung (RVL) ‚vor Ort’ anzutreffen und damit unter Umständen direkt ansprechbar, oder sie waren an ihrem Arbeitsplatz im Büro ‚stationiert’, und damit nur telefonisch erreichbar. Je nach Problem mussten sich die Mitarbeiter des Weltjugendtagsbüros gelegentlich selber erst sachkundig machen, bevor sie eine Problemlösung offerieren könnten. Eine solche Informationskette reißt nahe liegender Weise sowohl bei Abwesenheit bzw. Nicht-Erreichbarkeit als auch bei (zufälliger) Nichtinformiertheit als auch bei anderweitigen Indisponiertheiten jeder der an ihr beteiligten Personen sofort ab, was nicht nur immer wieder situative Desorientierungen, sondern – daraus folgend – auch erhebliche Frustrationen bei den sozusagen an der Dienstleistungsfront stehenden Freiwilligen ausgelöst hat. Ob es sich bei den Hilfs- und Zuarbeiten der Freiwilligen um die Unterstützung des Catering-Personals bei der Essensausgabe, um die Unterstützung der Programmleiter an Veranstaltungsorten oder um die Unterstützung des Security162 Selbst für Langzeitfreiwillige, die den Mitarbeitern des Weltjugendtagsbüros bestens bekannt waren und die im Büro vor allem mit der Dateneingabe in die bereits erwähnten Pilgersoftware (PISO) befasst waren, war während dem Weltjugendtag kein EDV-Zugang zu PISO vorgesehen, obwohl sie an nachfrage-intensiven Posten (z.B. im Zeltlager am im Kölner Norden gelegenen Fühlinger See, das 4.500 Freiwilligen als Unterkunft diente) eingesetzt waren und die Fragen der Freiwilligen nach Einsatzorten, Einsatzzeiten, Teamkollegen, Team- und Gruppenleiter nur über PISO hätten klären können. 163 Für viele Teamleiter war es ein Dauerproblem, den für sie zuständigen Gruppenleiter zu erreichen, um – wie es ihnen in der Schulung als Procedere erklärt worden war – sich das HandyGuthaben aufstocken zu lassen und so weiterhin für ihre Teammitglieder, aber eben auch für den Gruppenleiter erreichbar zu sein. Viele Teamleiter benutzten infolgedessen anstatt der unbrauchbar gewordenen Dienst-Handys ihre privaten Mobiltelefone zumindest zur teaminternen Verständigung. Das Engagement der Volunteers ging deshalb oft mit nicht unerheblichem privaten Ressourceneinsatz einher.
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Personals bei der Freihaltung von Zufahrts- und Fluchtwegen im Stadtgebiet oder auf dem Marienfeld gehandelt hat: immer standen die Freiwilligen im direkten Pilgerkontakt, immer waren es die Freiwilligen, die dem Fragenansturm (an Infopoints, an Registrierungsstellen), die den Anbrandungen von Unmut bis Unverständnis der Pilger (etwa an den Essensausgabestellen) hautnah und unmittelbar ausgesetzt waren. Den Frustrationen etwa jener ‚Pilger’, die an Verpflegungsstellen nach langen Wartezeiten hungrig weggeschickt (statt rechtzeitig auf alternative Verpflegungsstellen verwiesen) wurden, konnten die Freiwilligen argumentativ und aktiv wenig entgegensetzen. Diese Frustrationen stießen bei ihnen vielmehr auf Resonanz, ohne dass sie diese ‚in ihnen’ gleichsam verstärkten Frustrationen in Richtung Veranstaltungsleitung ‚ableiten’ oder gar Abhilfe hätten schaffen können, weil ihre Weiterleitung, jedenfalls ihrer Wahrnehmung nach, in der Informationskette gleichsam ‚versandete’. Die Freiwilligen fungierten de facto sozusagen als eine ‚Membrane‘ zwischen Event-Teilnehmern zum einen und Event-Organisatoren zum anderen, die zumindest von Pilgerseite her ständig in Schwingungen versetzt, aber weder selber aktionsfähig, noch informatorisch durchlässig war. Durch die (im räumlichen und im übertragenen Sinne zu verstehende) Positionierung an den Begrenzungen, an den Übergängen und Ausgabestellen waren die Freiwilligen weder als Teil der Teilnehmer konzipiert, noch haben sie sich selber als eine Art von Teilnehmern verstanden. Insbesondere durch die Desinformationspolitik der gegenüber dem situativen Geschehen beim Weltjugendtag zum Teil wohlabgeschotteten Veranstaltungsorganisatoren war ihnen aber auch die Möglichkeit genommen, sich selber als Teil der Organisation begreifen und inszenieren zu können. Erfahrungen wie diese erzeugten bei den Freiwilligen Unverständnis darüber, nicht hinreichend mit Informationen ausgestattet zu sein oder nicht die erforderlichen Zugänge zu Informationen zu bekommen. Mehr noch: Es entstand bei ihnen der Eindruck, abgeschnitten zu sein bzw. nicht dazu zu gehören. Es machte sich das Gefühl breit, in ihrer Leistungsfähigkeit unterschätzt zu werden und für ihre Leistungsbereitschaft keine Wertschätzung zu erfahren. Nicht bei wenigen rief dies Zweifel daran hervor, ihre (Frei-)Zeit nutzbringend investiert zu haben (welche individuelle Nutzenmaxime sie auch immer zugrunde gelegt haben mögen). Die Schilderungen der Freiwilligen beim Weltjugendtag deuten darauf hin, dass nicht etwa – wie von Hans Hobelsberger (2006: 147) angenommen – die „Passgenauigkeit“, d.h. die Möglichkeit, „individuelle Vorstellungen, Zukunftspläne, Motive und Lebensbedingungen mit dem Engagement in Einklang zu bringen“, sondern dass eine adäquate Kommunikation und damit die Erfahrung, bei einem wie auch immer gearteten Einsatz als ‚vollwertiges’ Personal betrachtet zu werden, hinsichtlich der Attraktivität eines Freiwilligenengagements als wichtigster Faktor bewertet werden muss.
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Angebote einer adäquaten Deutung ihrer Funktion und Aufgabe wurden den FreiWilligen nicht aus dem Weltjugendtagsbüro, sondern von kirchlichen Verantwortlichen des Weltjugendtags unterbreitet: Erzbischof Stanislaw Rylko, der Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien, jener Institution also, welcher „der Heilige Vater“ laut Memorandum „die Förderung und Organisation des Weltjugendtages (…) anvertraut“ hat, hatte die Freiwilligen bei einem vor dem Beginn des Weltjugendtags eigens für sie veranstalteten Gottesdienst in der BayArena (in Leverkusen) darauf hingewiesen, dass ihre Arbeit mehr als ein bloß „technischer Dienst“ sei, dass ihnen vielmehr von „Christus“, also von höchster Instanz, aufgetragen sei, „in diesen Tagen gute Samariter für viele Jugendliche zu sein“. Mit dem Verweis auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter wird das Sinnbild christlicher Nächstenliebe schlechthin als Deutungsfigur für den Freiwilligendienst aktiviert – ein Sinnbild, das Thomas Rauschenbach (1992) zwar als unzeitgemäß für heutiges freiwilliges Engagement164 im Sinne eines dauerhaften, nicht-einmaligen Engagements „in Institutionen, mit festen und vorgegebenen Arbeitszeiten und mit einem geregelten Personalplan“ begreift, das sich aber zumindest hinsichtlich der – einschlägigen Untersuchungen165 zufolge für Jugendliche besonders attraktiven – ‚Projektförmigkeit’ der Unterstützungsleistung als gar nicht so unpassend zumindest für den Dienst der Kurzzeitfreiwilligen erweist. Beim Abschlussgottesdienst für die Volunteers schließlich titulierte Kardinal Meißner, Bischof des gastgebenden Erzbistums Köln, die Freiwilligen als „Kamele des lieben Gottes“, ohne die – so wie die drei Weisen aus dem Morgenland nie am Stall von Bethlehem angekommen wären – auch die Pilger nach Köln das Motto des Weltjugendtags „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten“ nie hätten realisieren können. Während die meisten Menschen in unserem Kulturkreis die Bezeichnung als Kamel wenig schmeichelhaft empfinden dürften, haben die tausende, im Kölner Tanzbrunnen versammelten Jugendlichen diesen Vergleich mit Begeisterungsstürmen aufgenommen. Ansprachen wie diese haben sich unserem (von einzelnen Freiwilligen bestätigten) Eindruck nach ‚wie Balsam’ auf die in den vorangegangenen Tagen durch die großen Mühen und vielfältigen Frustrationen ‚geschlagenen’ Wunden gelegt. Anders formuliert: religiöse Metaphern wie die des barmherzigen Samariters oder die der „Kamele des lieben Gottes“ erweisen sich zumindest für diese Jugendlichen als passende Maßnahme der Sinnstiftung für ihre freiwillige (Mit-) Arbeit im Rahmen des religiösen Hybrid-Events Weltjugendtag. Allem Anschein 164 Die These eines „Strukturwandels des Ehrenamts“ belegen Beher/Liebig/Rauschenbach (2000) anhand unterschiedlicher Bereiche (Wohlfahrsverbände, Jugendverbände und Ehrenamt im Sport) sowie verschiedener Lebenslagen (gemeinwohlorientiertes Engagement von Frauen und älteren Menschen). – Vgl. populärwissenschaftlich dazu Kösters 2002. 165 Vgl. etwa die Untersuchung von Fischer (1997) im Rahmen der Shell-Jugendstudie.
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nach erweist sich also nicht nur Konfessionszugehörigkeit und Kirchenbindung, sondern „Christlichkeit“ als „bedeutsam für eine prosoziale und gemeinwohlorientierte Gesinnung“ (Hobelsberger 2006: 148) und damit als wichtige Ressource freiwilligen Engagements. 4.3.4 Die Stufen des Kanalisationssystems Die Katholische Kirche in Deutschland ist organisatorisch in insgesamt 27 Bistümer, davon 7 Erzbistümer, ausdifferenziert, denen jeweils ein Bischof bzw. Erzbischof vorsteht. Gastgebende Diözese des XX. Weltjugendtags 2005 war das Erzbistum Köln, das geographisch den Ballungsraum Köln – Bonn – Düsseldorf umfasst. Zur Einbindung der übrigen 26 Diözesen in die Organisation des Weltjugendtags, insbesondere in die Planung, Vorbereitung und Durchführung der dem Zentralereignis im Großraum Köln zeitlich vorgelagerten „Tage der Begegnung“, wurde in allen Diözesen das (Ehren-)Amt des Diözesandelegierten geschaffen, eine Position, in die der jeweilige Inhaber formal vom Bischof der Diözese berufen wurde. Die Funktion des Diözesandelegierten bestand zum einen darin, weltjugendtagsspezifische Informationen (Hinweise, Anleitungen, Vorgaben) aus dem Weltjugendtagsbüro in Empfang zu nehmen und an geeigneter Stelle in der Diözese zu verbreiten, zum anderen weltjugendtagsspezifische Informationen (Anregungen, Nachfragen, Probleme, Lösungen) aus der jeweiligen Diözese zusammenzutragen und an die je zuständige Stelle im Weltjugendtagsbüro zu übermitteln. Mit der Funktion der Diözesandelegierten war bildlich gesprochen eine Brücke zwischen Diözese hie und Weltjugendtagsbüro da geschlagen worden, über die in beide Richtungen Informationen transportiert werden konnten. Der Amtsinhaber fungierte in ‚seine’ Diözese hinein als Nachrichtenüberbringer und Multiplikator für Botschaften aus dem Weltjugendtagsbüro. In das Weltjugendtagsbüro hinein fungierte er überdies als Gatekeeper (im Sinne Lewins), weil er darüber befinden konnte (und sollte!), welche Informationen tatsächlich ‚wert’ sind, dorthin transferiert zu werden. In der gastgebenden Erzdiözese Köln haben amtskirchliche Verantwortliche der Jugendpastoral – um im Bild der diözesanen Landschaft zu bleiben – früh begonnen, ihr ‚Land’ selber zu bestellen. Für die Rekrutierung und Qualifizierung jugendlicher Helfer in den Pfarrgemeinden haben sie bestehende Strukturen der Amtskirche (insbesondere das dichte Netz von katholischen Jugendämtern der Erzdiözese Köln) genutzt: Mitarbeiter der Jugendämter fungierten als Multiplikatoren für die definierten Lernziele, für deren ordnungsgemäße Umsetzung haupt- und ehrenamtliche Kräfte der Jugendpastoral eingesetzt wurden. Mit der Integration dieses Modells in die Freiwilligenstruktur hat sich aus Sicht des Weltjugendtagsbüros eine ideale Möglichkeit geboten, die vielen Kölner Pfarr-
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gemeinden nicht direkt, sondern über eingewiesene und betreute Gruppen in den Dienst des Weltjugendtags zu stellen. Zur Bewältigung des Kommunikationsaufkommens mit den freiwilligen Kurzzeithelfern, die außerhalb des Erzbistums Köln rekrutiert wurden, war ein Konzept entwickelt worden, das nur für die ca. 60 „Gruppenleiter“, die ihrerseits wiederum keine direkte Verbindung zu den Freiwilligen, sondern ‚nur’ zu den Leitern der ca. 1000 Teams halten mussten, einen unmittelbaren Kontakt zum Weltjugendtagsbüro vorsah. Die Masse der Freiwilligen musste lediglich im Vorfeld bei der Anwerbung ‚bearbeitet’, d.h. (namentlich und mittels Kompetenzprofilen) erfasst und auf die Teams verteilt werden (die Ausstellung von Zertifikaten ‚ad personam’ im Nachhinein war zwar vorgesehen, dieser Selbstverpflichtung sind die hierfür Verantwortlichen im Weltjugendtagsbüro aber nur noch zum Teil nachgekommen). Dieses Kommunikationskonzept erschien den Freiwilligen zwar als defizitär, aus der Perspektive des Weltjugendtagsbüros betrachtet hat es sich jedoch als ein im Hinblick auf die Reduktion der anfallenden Kommunikationserfordernisse effizientes Kanalisationssystem bewährt. 4.4 Integrieren: Die Einbindung in die Veranstaltungsleitung Folgende Typen von Freiwilligen waren beim Kölner Weltjugendtag im Einsatz:
Die für die Mitarbeit im Weltjugendtagsbüro aus den Diözesen entsandten Langzeitfreiwilligen, die ihren Freiwilligendienst formal im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) ableisteten; die mit konkreten, klar umrissenen Werkaufträgen betrauten Ehrenamtlichen; die an ihren roten Volunteer-T-Shirts erkennbaren, zu Teams gebündelten Kurzzeitfreiwilligen (und entsprechend die in den Gemeinden des Erzbistums Köln gebildeten Kernteams); die für die Einweisung und Betreuung der Freiwilligen-Teammitglieder angeworbenen Teamleiter (und entsprechend hierzu die Kernteam-Leiter); die für die Schulung und Betreuung der Teamleiter-Gruppen angeworbenen Gruppenleiter; die für die Betreuung kleinerer Veranstaltungsorte eingesetzten Programmleiter, die den Programmleitern an großen Veranstaltungsorten zur Seite gestellten technischen Leiter und schließlich die „Volunteer Support Manager“: Freiwillige mit einer pädagogischen, sozialpädagogischen oder psychologischen Ausbildung, die als Ansprechpartner für Freiwillige mit psychischen Problemen während dem Weltjugendtag unterwegs sein sollten.
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Für die Integration der heterogenen und zahlenmäßig kaum noch überschaubaren intern rekrutierten Kräfte (das hauptamtliche Personal des Weltjugendtagsbüros und die vielen Freiwilligen unterschiedlichen Typs) sowie der zahlreichen externen Dienstleister (im weitesten Sinne) während der Veranstaltung war wenige Wochen vor dem Weltjugendtag im Leitungsteam des Weltjugendtagsbüros eine „Einsatzstruktur“ erarbeitet worden, in der folgende drei Entscheidungsebenen unterschieden wurden: (1) Auf der unteren Ebene der „örtlichen Veranstaltungsleitung“ (ÖVL) waren die in den Pfarreien und an sonstigen Unterkunftsorten sowie an den Katecheseorten eingesetzten Freiwilligenteams mit ihren Teamleitern angesiedelt, denen zur Erledigung von Aufsichts- und Hausmeistertätigkeiten so genannte „Objektbetreuer“ und zur psycho-sozialen Unterstützung die ‚mobilen’ Volunteer Support Manager zur Seite gestellt waren. (2) Alle Probleme, die diese ‚vor Ort’ eingesetzten Kräfte nicht lösen konnten, wollten oder aufgrund ihrer dezidiert – ihrem eigenen Empfinden nach allerdings ‚unscharf’ – begrenzten (und deshalb dem eigenen Bekunden nach auch weit ausgelegten) Kompetenzen nicht bearbeiten ‚durften’, fielen je nach Standort in die Zuständigkeit einer der drei (in Köln, Bonn und Düsseldorf) eingerichteten „regionalen Veranstaltungsleitungen“ (RVL). Auf dieser mittleren Ebene waren neben den Gruppenleitern, die als direkte Ansprechpersonen für die Teamleiter ihrer jeweiligen Gruppe fungierten, regionale Objektbetreuer und regionale Programmleiter vertreten. Die Funktion des „Programmleiters“ war erst relativ spät von den Verantwortlichen im Weltjugendtagsbüro ausdifferenziert worden, um bei jeder Veranstaltung einen für den ordnungsgemäßen Ablauf des Programms Verantwortlichen ‚vor Ort’ ansprechen zu können. Während hierfür für kleinere Veranstaltungsorte Freiwillige ausgewählt wurden, die Mitarbeitern des Weltjugendtagsbüros persönlich bekannt waren und bei denen man davon ausging, dass sie diesen Job ausfüllen konnten, wurden für große Veranstaltungsorte vornehmlich „Profis“ eingesetzt. Insbesondere also bei den Programmelementen, die an Veranstaltungsorten mit einem Fassungsvermögen von (zig-)tausenden Teilnehmern durchgeführt wurden (neben den Großliturgien war das beispielsweise der Eröffnungsgottesdienst für die Volunteers, der zwei Tage vor Beginn des Weltjugendtags in der BayArena in Leverkusen abgehalten wurde), hat man auf Kräfte gesetzt, die bereits über Erfahrungen in der Programmleitung aus anderen kirchlichen Großveranstaltungen wie etwa dem Katholikentag verfügten. Diese insgesamt ca. 120 Programmleiter – denen an großen Veranstaltungsorten zusätzlich „technische Leiter“ eben für die Betreuung der (Bühnen-)Technik zur Seite gestellt wurden – waren direkt den „regionalen Programmleitern“ unterstellt, die während des Weltjugendtags in einer der drei regionalen Veranstaltungsleitungen angetroffen bzw. telefonisch erreicht werden konnten. Die Programmleiter waren
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also nicht in die die pyramidale Freiwilligenstruktur und damit in die „Disziplinarschiene“ der Freiwilligen (I_33: Z_552) eingebunden. (3) Das organisatorische Headquarter während der Veranstaltungstage bildete die in einer Halle der Messe Deutz eingerichtete „Zentrale Veranstaltungsleitung“ (ZVL). Auf dieser höchsten Entscheidungsebene hatte der Geschäftsführer der Weltjugendtags gGmbH unter der Beratung von Mitarbeitern des Stabes und von Bereichsleitern des Weltjugendtagsbüros in Absprache mit Verantwortungsträgern der Feuerwehr, Polizei, des Technischen Hilfswerks und des Öffentlichen Personennahverkehrs sozusagen ‚letzte’ Entscheidungen zu treffen (wie solche, den Kölner Hauptbahnhof am Abend des dritten Veranstaltungstages für eine kurze Zeit zu sperren, da nachschiebende Pilgermassen die auf Züge und S-Bahnen Wartenden auf die Gleise zu drängen drohten). Aufschlussreich für die Frage, welche Maßnahmen sich im Rahmen von Prozessen des Organisierens als integrationsförderlich erweisen, sind die Befunde einer Anfang der 1990er Jahre durchgeführten Untersuchung von Jürgen Gerhards (1993) zur so genannten „Anti-IWF-Kampagne“, die damals eine hohe mediale Aufmerksamkeit erzielt hatte.166 Analytisch betrachtet erweist sich diese Kampagne als eine „Folge von Protestereignissen aus gleichem konkreten Anlass und/oder zum gleichen konkreten Anliegen“ (Rucht/Ohlemacher/Hocke 1990: 9). Der Anlass für diese Serie von Protestveranstaltungen war die gemeinsame Jahrestagung des Internationaler Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die vom 22. - 29.9.1988 in Berlin einberufen worden war. Bereits zwei Jahre vor diesem Ereignis war im politisch ‚linken’ Spektrum die Idee entwickelt worden, die (zum Teil elaborierte, zum Teil aber auch lediglich diffuse) Kritik an den als ‚unlautere Machenschaften’ angesehenen Aktivitäten der beiden Weltwirtschaftsorganisationen öffentlich und öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck zu bringen. Ähnlich wie beim im Juni 2007 die Schlagzeilen und Fernsehbilder dominierenden Protest gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm erhoffte man sich bereits damals eine höhere (Öffentlichkeits-)Wirksamkeit, wenn der Protest nicht in vielen von einzelnen Initiativen, Gruppen und Parteien organisierten und veranstalteten Aktivitäten ‚zerfasert’, sondern in ‚konzertierter Aktion’ durchgeführt wird. Im Unterschied zur heutigen Situation, in der die „bewegte Szene“167 der Globalisierungskritiker eine Art ‚Dach’Vereinigung bildet, welche sich im Gefolge der von Gewalt und Gegengewalt überschatteten Weltwirtschaftsgipfels 2001 in Genua formiert hatte, und die im Vorfeld ähnlich gelagerter politischer Ereignisse situativ sozusagen als ‚kollekti166 Vgl. Gerhards 1993; Das Phänomen des Integrierens wird hier im Rahmen der weiter gefassten Frage danach behandelt, wie öffentliche Meinung mobilisiert werden kann. 167 Zur Kategorisierung der Globalisierungskritiker als „bewegte Szene“, d.h. als ein Hybrid aus Elementen Neuer Sozialer Bewegungen und Szeneförmigkeit vgl. Bemerburg/Niederbacher 2007.
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ver Akteur’ aktiviert werden kann, musste Ende der 80er Jahre ein solches Bündnis erst hergestellt werden. ‚Die IWF-Kampagne organisieren’ hat in diesem konkreten Fall bedeutet, eine große Anzahl von Veranstaltungen unterschiedlichen Typs über einen relativ langen Zeitraum hinweg zu planen, vorzubereiten und durchzuführen. Ähnlich wie beim Weltjugendtag bestand das Programm im Hauptmonat der Kampagne (September 1988) aus einer Reihe von Großveranstaltungen – insbesondere aus zwei groß dimensionierten Demonstrationen, einem so genannten „Gegenkongress“ (zur offiziellen Tagung von IWF und Weltbank), einem Tribunal und der so genannten Aktionswoche, die zeitlich parallel zur Jahrestagung angesetzt war – sowie einer großen Anzahl unterschiedlicher kleinerer Aktionen (z.B. einem Taxi-Autokorso mit Hupkonzert, allabendlichen Trommelkonzerten in der Innenstadt, “Spaziergängen“ durch die Kaufhäuser, um gegen den Konsumterror zu protestieren u.v.a.m.). Analytisch vereinfachend lassen sich die diversen, von ihren politischen Zielsetzungen, thematischen Schwerpunktsetzungen und Aktivitätsformen keineswegs homogenen Gruppierungen als ‚Kollektiv-Akteure’ begreifen.168 Da diese Gruppen ihre Mitglieder bzw. Gefolgsleute zur Beteiligung an der Planung, Vorbereitung und Durchführung eigener Aktivitäten motivieren und diese überdies argumentativ zur Teilnahme an gemeinsam mit anderen Gruppierungen veranstalteten Protestaktionen überzeugen mussten, spricht Gerhards (1993: 106) diesbezüglich von „Mikromobilisierungsgruppen“.169 Auf der Meso-Ebene (und damit auf einer höheren Aggregatsebene) siedelt Gerhards (1993: 113) jene beiden ‚Gremien’ an, welche die Mikromobilisierungsgruppen koordiniert und integriert haben: die vor allem die Aktivitäten in Berlin betreuende „Berliner Koordination“ einerseits und den bundesweit agierenden „Arbeitsausschuss“ 168 Eine analytische Vereinfachung stellt dies deshalb dar, weil damit die gruppeninternen Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozesse, die für die Erfahrungen der Beteiligten zentral sind, schlicht ausgeblendet werden. 169 Während sich ein Teil von ihnen – insbesondere Autonome und Friedens-, AKW-, Ökogruppen – vor allem auf (Protest-)Aktionen verlegt hat, hat der andere Teil – Bildungseinrichtungen, kommerzielle Kulturveranstaltungen, Dritte-Welt-Gruppen und Kirchen – einen Schwerpunkt auf Informationsveranstaltungen gelegt. Der quantifizierenden Auswertung lässt sich entnehmen, dass solche ‚Gruppierungen’, die sich durch einen hohen Organisationsgrad auszeichneten, deutlich weniger so genannte „Organisationstreffen“ durchgeführt haben, als dies bei tatsächlich gruppenförmigen und damit hinsichtlich der Mitgliedschaft und der Zuständigkeitsverteilung diffusen Akteursgruppen der Fall war. Gerhards interpretiert diese statistische Korrelation dahingehend, dass eine bestehende Organisationsstruktur (mit klarer Zwecksetzung, eindeutigen Zugehörigkeitskriterien, einer Hierarchie und internen Struktur der Arbeits- und Sozialbeziehungen; an Stelle von Gruppendynamik) Prozesse des Organisierens erleichtert. Gruppenförmige Einheiten sind demgegenüber in Prozessen des Organisierens vor allem damit beschäftigt, sich selber zu organisieren.
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andererseits. Der Schwerpunkt dieser von Gerhards so bezeichneten „Mesomobilisierungsgruppen“ lag vor allem auf der zentralen Planung, Vorbereitung und Durchführung der erwähnten Großaktionen im September 1988. Beide Gruppenarten haben eine doppelte Funktion erfüllt: Zum einen haben sie dadurch, dass sie Personen vernetzt bzw. Gruppen miteinander verbunden, Ressourcen akquiriert und Proteste organisatorisch vorbereitet haben, die strukturelle Integration befördert. Zum anderen haben sie mittels „Überzeugungskommunikation“ eine Leistung erbracht, die Gerhards (1993: 143) als „kulturelle Integration“ bezeichnet hat: In einer Arbeitsgruppe der Berliner Koordination, d.h. auf der der Meso-(Mobilisierungs-)Ebene war ein Flugblatt verfasst worden, mit dem bundesweit zur Teilnahme an der zentralen Demonstration der AntiIWF-Kampagne aufgerufen werden sollte. Dieses Flugblatt war den mit sehr unterschiedlichen Topoi (z.B. Frieden, Anti-Atomkraft, Feminismus) befassten Mikromobilisierungsgruppen mit der Bitte um Unterzeichnung zugeschickt worden. Schlussendlich ist dieses von Gerhards (1993: 131) als „Master-Frame“ der IWF-Kampagne rekonstruierte Flugblatt tatsächlich von allen an der Anti-IWFKampagne beteiligten Gruppierungen unterschrieben worden. Hierfür musste in den einzelnen Gruppen geprüft werden, ob und wenn ja wie die zum Teil sehr spezifischen Gruppenanliegen mit den (im Flugblatt formulierten) Anliegen der Anti-IWF-Kampagne in Übereinstimmung gebracht werden konnten. Gerhards Analyse (von gruppeninternen Dokumenten) zufolge wurden hierzu Brückenbegriffe gebildet oder genutzt, mit denen semantisch ein Anschluss an da Flugblatt vollzogen werden konnte – ein Vorgang, den Gerhards im Anschluss an David Snow et al. (1986) als „Frame-Bridging“ bezeichnet hat. Für die Friedensgruppen eröffnete sich der semantische Anschluss – um nur ein Beispiel zu nennen – über den Brückenbegriff „Ungerechtigkeit“: Denn wenn die Weltwirtschaftsordnung als „ungerecht“ einzuschätzen ist, und ‚Ungerechtigkeit’ als zentrale Ursache für eine weltweite Destabilisierung ausgemacht wird, die ihren Ausdruck in Kriegen führt, erscheint der Protest gegen die beiden als Verursacher der ungerechten Weltwirtschaftsordnung identifizierten Weltwirtschaftsorganisationen IWF und Weltbank nachgerade als Pflichtprogramm für jede in der Friedensbewegung engagierte Gruppierung. Bei den Mikromobilisierungsgruppen hieß „Überzeugungskommunikation“ also, einen sinnvollen und (die Gruppenüberzeugenden Bezug zwischen den gruppenspezifischen Anliegen und dem Anliegen der Protestkampagne herzustellen. Die Mesomobilisierungsgruppen leisteten „Überzeugungskommunikation“, indem sie einen Deutungsrahmen bereitgestellt haben, der so weit gefasst war, d.h. (in diesem Fall) so viele (verschiedene) Probleme benannt hatte, dass die (unterschiedlichen) gruppenspezifischen Deutungsmuster relativ unaufwändig integriert werden konnten – ein Vorgang der im Anschluss an Snow et al. (1986) als „Master-Framing“ bezeichnet werden kann.
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4 Vollzüge des Organisierens
Eine analoge Maßnahme für die organisatorische Integration der heterogenen Zuarbeiter und Dienstleister in der Veranstaltungswoche lässt sich beim Weltjugendtag rekonstruieren: Hier diente jenes Dokument als „Master-Frame“, in dem die so genannte „Einsatzstruktur“ für die Dauer des Events, d.h. für die Zeit vom 15.-21. August 2005, graphisch dargestellt war. Im Rahmen unserer Gespräche mit Vertretern des Leitungsteams des Weltjugendtagsbüros wenige Wochen vor dem Event war uns folgendes (damals noch vorläufige) Dokument ausgehändigt worden (vgl. Abb. 9):
Abbildung 9:
Bürointern entwickelte Einsatzstruktur für die Zeit des Events (Quelle: Weltjugendtagsbüro)
Späteren Auskünften aus dem Weltjugendtagsbüro zufolge wies die graphische Darstellung schlussendlich die Gestalt eines Organigramms auf, in dem die Hauptverantwortlichen nicht nur namentlich, sondern mit Angaben zu ihrer Erreichbarkeit per (Mobil-)Funk ausgewiesen waren. Analog zum Master-Frame der Anti-IWF-Kampagne ermöglichte dieses Dokument den in die Organisation des Weltjugendtags involvierten individuellen und Kollektiv-Akteuren (Teams, Gruppen, Gemeinden, Arbeitsbereichen etc.) einen Anschluss an die Einsatzleitung des Weltjugendtags. Während es vielen Organisatoren im Vorfeld und während der Veranstaltung nicht gelungen ist, (im wörtlichen und übertragenen Sinne) in Verbindung mit dem Weltjugendtagsbüro zu treten, konnte sich jede noch so kleine Organisationseinheit über das relativ simple Modell der Einsatzstruktur in der Veranstaltungsleitung positionieren und verorten. Vergleichbar sind diese Dokumente auch dahingehend, dass sie – wie Gerhards betont und wie uns dies in zahlreichen Gesprächen mit auf den drei Ebenen der Einsatzstruktur ‚angesie-
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delten’ Organisatoren des Weltjugendtags bestätigt wurde – einerseits weit genug konzipiert waren, dass sie Auslegungsspielräume geboten haben, andererseits aber auch hinreichend konkret formuliert waren, dass sie dem Zweck – hier: der organisatorischen Integration – dienlich waren.
4.5 Der Prozess des Organisierens Das ‚Organisieren’ eines Events gestaltet sich – das sollte aus den voranstehenden Ausführungen deutlich geworden sein – nicht als solitärer Akt eines Individuums, sondern als ein sozialer Prozess, in den eine Vielzahl von Akteuren involviert ist, die zum Teil direkt miteinander kommunizieren und interagieren, wobei diese Art und Weise der Bezugnahme unterschiedliche Formen annehmen kann, die zum Teil aber auch nur mittelbar – über Dritte oder via Dokumente – in Verbindung miteinander stehen bzw. treten, aber dennoch eben ‚irgendwie’ etwas miteinander zu tun haben. Wie aber muss man sich dieses ‚irgendwie’ vorstellen? D.h.: Auf welche Weise lassen sich die den Weltjugendtag organisierenden Aktivitäten als ein sozialer Zusammenhang begreifen?
4.5.1 Organisieren als interaktiver Vorgang Unseren empirischen Fokus war auf die Mitarbeiter des in Köln angesiedelten Weltjugendtagsbüros gerichtet, weil dessen Personal den ‚organisatorischen Kern’ des Weltjugendtags gebildet hat: Hier liefen die ‚Fäden’ zusammen; hier mussten die mannigfaltigen Entscheidungen in Handlungsschritte und Aktivitätsabläufe umgesetzt und diese wiederum mussten hier koordiniert, delegiert und legitimiert werden. ‚Kooperieren’, ‚Aushandeln’, ‚Kanalisieren’ und ‚Integrieren’ konnten dabei als einige wesentliche soziale Maßnahmen rekonstruiert werden, die vor vielen einzelnen Handlungsschritte und -abläufe miteinander in Verbindung zu setzen. Was wir an unserem Datenmaterial unschwer sehen können, ist, dass die von uns als Organisatoren des Weltjugendtags untersuchten Akteure ihre Konzepte (zur Bewältigung je spezifischer organisatorischer Aufgaben) nicht solitär oder unabhängig, sondern unter Bezugnahme auf andere Akteure entwickeln, die ebenfalls Konzepte, wiederum unter Bezugnahme auf andere, erarbeiten usw. (vgl. hierzu auch bereits Pfadenhauer 2006b). Und solche Akteure, die sich in ihrem Handeln – direkt interaktiv oder vermittelt über Artefakte – aufeinander als Angehörige einer Arbeitsgruppe bzw. einer Organisation beziehen, lassen sich dem zuordnen, was in der Tradition von Anselm Strauss als ‚social world’
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bezeichnet wird: „In each social world, at least one primary activity (along with related clusters of activity) is strikingly evident“ (Strauss 1978: 122). Im Konzept der social worlds nach Strauss ist die Bindung der Akteure an eine gemeinsame Kernaktivität („one primary activity“) das zentrale Definitionskriterium. Vereinfacht kann man sagen, dass sich soziale Welten um eine Kernaktivität herum ausbilden. Mit dem Konzept der „sozialen Welten“ (social world perspective) bezieht sich Strauss explizit auf George Herbert Meads Vorstellung von sozialer Organisation im Sinne von Gruppenbildungsprozessen. Strauss rekurriert dabei insbesondere auch auf das Konzept der „reference group“ von Tomatsu Shibutani (1955; vgl. dazu auch Thomas 1965, v.a. S. 241 sowie die Beiträge in Hyman/Singer 1968), deren wesentliches Kennzeichen ist, dass die Mitgliedschaft nicht formal definiert ist, ‚Mitgliedschaft’ vielmehr durch reziproke kommunikative Bezugnahme ersetzt wird.170 Unter „Bezugsgruppen“ werden also ‚Kreise’ von Personen verstanden, deren Ansichten und deren Handeln für das Individuum, das sich je darauf bezieht, von Bedeutung sind. Bezugsgruppen, die sich grob unterscheiden lassen in solche, denen man angehört, und in solche, an denen man sich orientiert, haben eine wesentliche Funktion in der Vermittlung von Wirklichkeitsdeutungen zwischen Akteuren. Eine ‚social world’ ist eine durch eine primäre Aktivität fokussierte „cultural area“, in der sich Akteure wiederum wechselseitig aufeinander beziehen. In ‚sozialen Welten’ beruht ‚Mitgliedschaft’, so Jörg Strübing (2005: 179), also auf commitment, d.h. auf Bindung und Hingabe – allerdings nicht an andere Mitglieder der sozialen Welt, sondern der jeweiligen Kernaktivität gegenüber. Der Grad der Mitgliedschaft in einer ‚sozialen Welt’ variiert folglich sozusagen hinsichtlich der Intensität dieses commitments an die ‚Sache’. Das bedeutet, dass empirisch Abstufungen hinsichtlich der Mitgliedschaft in einer sozialen Welt ausgemacht werden können. Analytisch dürfte außer Frage stehen, dass wir es beim Weltjugendtagsbüro mit einer ‚social world’ im interaktionistischen Sinne zu tun haben, da sich diese über eine ‚Kernaktivität’, das Organisieren des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln, konstituiert. Eine genauere Analyse des Materials fördert allerdings zutage, dass für den einzelnen Akteur nicht das gesamte Weltjugendtagsbüro, bzw. genauer: keineswegs das gesamte relativ komplexe ‚Ensemble’ des Weltjugendtagsbüros die Qualität einer Bezugsgruppe aufweist, sondern dass hier feine Abstufungen bestehen, die zum Teil an den Grenzen des je eigenen Arbeitsbereiches entlang, zum Teil aber auch quer durch die Bereiche hindurch bzw. über die 170 Seinem analytischen Anspruch nach muss sich die Tragfähigkeit des Konzepts daran beweisen, das es sich zur Beschreibung von Kleingruppenzusammenhängen ebenso eignet wie im Kontext gesellschaftlicher Großgruppen.
4.5 Der Prozess des Organisierens
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Bereiche hinweg verlaufen (vgl. Kapitel 4.1.1). Auch die soziale Welt ‚Weltjugendtagsbüro’ ist also durch die Ausbildung sozialer Subwelten gekennzeichnet. Dennoch ist hier „aus dem dauerhaften Bemühen mehrerer Menschen, ihre jeweiligen Perspektiven zu koordinieren und gemeinschaftlich zu handeln (zu erleben und zu erfahren)“ das entstanden, was Hans-Georg Soeffner (1991: 6) zufolge eben unter einer sozialen Welt zu verstehen ist: ein relativ dauerhafter, durch relativ stabile Routinen ‚arbeitsteilig’ abgesicherter, d.h. ‚institutionalisierter’ Wahrnehmungs- und Handlungsraum. Die Konstitution eines solchen Wahrnehmungs- und Handlungsraums impliziert allerdings nicht, dass die Kernaktivität nicht permanent einem Aushandlungsprozess unterzogen werden würde, an dem nicht nur die Angehörigen der sozialen Welt selber, sondern überdies die Angehörigen anderer sozialer Welten, d.h. Akteure, die sich auf andere Kernaktivitäten beziehen, beteiligt sind. Im Falle der Weltjugendtagsorganisation sind dies u.a. externe Dienstleister, wie die Vertreter von Verwaltungsstellen, Mitarbeiter der vom Weltjugendtagsbüro beauftragten Cateringfirma, von Baufirmen bzw. des für die Bebauung des Marienfelds eingesetzten Generalübernehmers, mit denen auf unterschiedliche Weise kooperiert wird (vgl. Kapitel 4.1.2) und mit denen die Kernaktivität betreffende Spezialfragen verhandelt und Lösungen gefunden werden müssen (vgl. Kapitel 5.2). Strauss u.a. haben für diese Konstellation das Konzept der „Arena“ entwickelt, in der Angehörige unterschiedlicher sozialer Welten offene Probleme bearbeiten, wobei die Bearbeitung konsensuell oder konfliktär erfolgen kann, was bedeutet, dass die die jeweiligen Probleme betreffenden Handlungen „debattiert, ausgefochten, ausgehandelt, manipuliert oder sogar erzwungen werden“ (Strauss 1993: 226). Die häufig konfliktreiche ‚Berührung’ zwischen sozialen Welten kommt der Idee von Strauss nach über so genannte „Repräsentanten“ zustande. Damit stellt sich, so Strübing (2007: 95), „mit Nachdruck die Frage der Repräsentativität: Wie stellen die Beteiligten sicher, dass es sich bei ihnen jeweils um legitime und repräsentative Vertreterinnen der jeweiligen sozialen Welten handelt? Wer hat darüber zu befinden? Anhand welcher Kriterien – und wie – werden diese bestimmt?“ Während die Akteure im Weltjugendtagsbüro im Kontakt zu manchen Kooperationspartnern mit jenen Repräsentanten ‚vorlieb’ nehmen mussten, die ihnen aus diesen sozialen Welten ‚vorgesetzt’ wurden, war es ihnen im Hinblick auf die Diözesen, Pfarrgemeinden und dem ‚Heer’ der Freiwilligen möglich, mittels so genannter „Kanalisatoren“ zu operieren. Aus der Perspektive einer sozialen Welt wie der des Weltjugendtagsbüros ist hierzu die Rekonstruktion von Vorgängen des ‚Kanalisierens’ erhellend, da hiermit ersichtlich wird, wie die Fülle an möglichen Kontakten zwischen sozialen Welten (Weltjugendtagsbüro hie und Diözesen bzw. Pfarrgemeinden bzw. Freiwilligen-Heer da) auf die Kommunikation mit einzelnen ‚Gatekeepers’, die eine Art Schleusenfunktion für
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den Kommunikationsfluss übernehmen, reduziert wird, während mit der Rede von „Repräsentanten“ lediglich die Assoziation von Sprechern für eine soziale Welt erzeugt wird (vgl. Kapitel 4.3). Strübing (2005: 189f) etikettiert ‚soziale Welten’ hie und ‚Arenen’ da als Konzepte, die komplementär zueinander stehen: „Soziale Welten stehen für den Zusammenhalt des Gleichen, Arenen für den Zusammenhalt des Divergenten. Organisationsprozesse werden dabei als Verfahrensweisen für die Integration von Gegensätzlichem in einem insgesamt stabilen Gesellschaftsprozess sichtbar.“ Organisationen bilden sich demnach also als Resultate beständigen Handelns und Aushandelns zwischen Repräsentanten unterschiedlicher sozialer Welten bilden sich Organisationen heraus. In diesem Sinne kann tatsächlich von einer ‚Weltjugendtagsorganisation’ gesprochen werden, insofern diese als eine „negotiated order“, d.h. nicht als in ihrer Stabilität einfach gegeben, sondern als eine mehr oder weniger dauerhafte Ergebnis vorangegangener Aushandlungsprozesse verstanden wird. Mit Strübing (2007: 104) gesprochen ist also von einer „allmählichen Verfertigung der Organisation beim Arbeiten“ (Strübing 2007: 104) auszugehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass beim Arbeiten eine beliebige Organisation entwickelt werden könnte, sondern, dass arbeitend mit einem bestimmten Kontext von Interaktionspartnern, dinglichen Konstellationen, Organisationsregeln und -plänen (wie z.B. dem „Einsatzplan“ während dem Weltjugendtag) umzugehen ist (vgl. Kapitel 4.4). Diese Pläne stellen aber keine hinreichende Handlungsanleitung für das Arbeitshandeln dar. Sie müssen vielmehr (re)interpretiert werden, wodurch nicht nur Situationen definiert und bewältigt werden, sondern (sukzessive und meist implizit) die Organisationsregeln transformiert werden. Eine bereits ausgehandelte Ordnung wird also durch laufende Aushandlungen modifiziert oder bestätigt, wobei Organisationsstrukturen nicht als ‚zwingende’ Strukturen, sondern als Ressourcen zu verstehen sind. Die Verortung der für das Zusammen-Arbeiten der Organisatoren des Weltjugendtags rekonstruierten Maßnahmen des Kooperierens, Aushandelns, Kanalisierens und Integrierens in das wesentlich durch Anselm Strauss entwickelte interaktionistische Prozessmodell, an dessen Ende nicht etwa die Organisation, sondern das Trajekt (vgl. Kapitel 4.5.2). steht, soll verdeutlichen, dass mit einer Analyse, die an der Perspektive der involvierten Akteure ansetzt, durchaus Phänomene der Strukturbildung und -verstetigung in den Blick genommen werden können. Konzepte wie ‚soziale Welt’, ‚Arena’, ‚Aushandlungsordnung’ bzw. ‚Organisation’ stellen unterschiedliche Ausprägungen sozialer Aggregation dar, deren Vorteil darin besteht, dass sie analytisch in Beziehung zueinander gesetzt werden können. Der Prozess des Organisierens als interaktiver Vorgang ist allerdings mit der Herausbildung von ‚Organisation’ nicht hinreichend beschrieben. Erst im
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Rekurs auf das von Strauss (1985) entwickelte Konzept des „Arbeitsbogens“ lassen sich die vielzähligen, nur zum Teil aneinander anschließenden, zum großen Teil aber parallel ablaufenden Arbeitshandlungen als ein Zusammenhang begreifen. Mit dem Begriff des ‚Bogens’ wird dabei angezeigt, dass diese Tätigkeiten allesamt, aber zeitlich versetzt um ein bestimmtes Arbeitsvorhaben bzw. Projekt171 herumgruppiert zu verstehen sind. Diese Gruppierung, d.h. die Verbindung von Handlungsschritten zu einem Arbeitsbogen, vollzieht sich nahe liegender Weise nicht von selbst, sondern muss wiederum von den Handelnden vollzogen werden – ein Vorgang, den Strauss (1988) als „Artikulationsarbeit“ bezeichnet. Deutlich wird damit aber auch die Bedeutung von Zusammen-Arbeit für die Bewerkstelligung von Arbeitsvorhaben, d.h. von Kooperation und Koordination in den diversen Formen, wie sie für das Organisieren des Weltjugendtags als symptomatisch rekonstruiert werden konnten. Ergänzt wird das Konzept des Arbeitsbogens, mit dem die Gesamtheit der Arbeitsvorgänge erfasst wird, die zur Bewältigung eines Arbeitsvorhabens tatsächlich geleistet werden, durch jenes der „Arbeitslinien“, mit dem die Beiträge der am jeweiligen Arbeitsbogen mitwirkenden Berufsangehörigen als Ausdruck ihrer professionellen Identität erfasst werden sollen. Dass es hierbei nicht um konkrete Arbeitsleistungen, sondern um Orientierungen des Arbeitshandelns geht, verdeutlichen die beiden Sub-Konzepte, auf die Christoph Maeder und Eva Nadai (2004: 16; vgl. Strauss et al. 1997) besonders hinweisen: Während unter „professional ideology“ die divergierenden, handlungsrelevanten Wissenssichten innerhalb einer Berufsgruppe zu verstehen sind, sind mit „professional beliefs“ allgemeine und organisationsweit geteilte Wissensbestände gemeint, auf die sich Berufsangehörige – nicht zuletzt auch mit mikropolitischem Kalkül, etwa zur Markierung professioneller Kompetenz (vgl. Kapitel 2.3.1) – beim Arbeiten beziehen.
4.5.2 Die Trajektförmigkeit des Organisierens Je mehr Akteure beteiligt, tangiert und betroffen sind, umso problematischer wird, schon aufgrund von deren heterogenen Wahrnehmungen und Deutungen der ‚Idee’, insbesondere aber angesichts der multipel motivierten Bedenken, Vorbehalte und Widerstände, typischerweise die praktische Realisierung eines komplexen Vorhabens wie das eines Events in nachgerade all ihren Teilelementen. Die Frage, die es abschließend im Hinblick auf das Organisieren des XX. 171 Strauss (1985) spricht in diesem Zusammenhang explizit von „project“, will darunter aber nicht ein in die Zukunft projektiertes Vorhaben, sondern einen Vorgang verstanden wissen, der sich lediglich im Nachhinein als Arbeitsvorhaben verstehen lässt.
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Weltjugendtag 2005 in Köln zu beantworten gilt, lautet folglich: Warum klappt es (am Ende) trotzdem? Denn aus der Wechselwirkung unterschiedlicher und divergenter Perspektiven der beteiligten Akteure und Akteursgruppen resultieren mannigfaltige Probleme wie sich am Beispiel der Essensversorgung der Weltjugendtagsteilnehmer exemplarisch verdeutlichen lässt: Das im „Memorandum“ festgeschriebene und für alle Ausrichter verbindliche Konzept der Weltjugendtage sieht vor, dass – anders als es für Veranstaltungen dieser Größe und dieses zeitlichen Umfangs (wie z.B. Expo, Kulturhauptstadt, Weltmeisterschaft, Olympiade) – die Teilnehmer dieses Hybrid-Events mit ihrer Registrierung eine Rundumversorgung erhalten. In diesem Versorgungsangebot sind nicht nur die zwischen dem Anreise- und dem Abreisetag erforderlichen Mahlzeiten enthalten. Den ‚Pilgern’ werden betreute Unterkünfte gestellt und sie werden in eine Programmstruktur mit Erbauungs-, Bildungs- und Unterhaltungselementen eingebunden, die ihnen lediglich beim kleineren Anteil der ‚offenen’ Angebote (insbesondere des Kulturfestivals) die Wahl der ihnen entsprechenden Veranstaltung auferlegt (bzw. ermöglicht). Erzeugt wird damit – beiläufig oder intendiertermaßen – das Angebot einer Art ‚Milieuglocke’, d.h. eines (durchaus im Sinne von Goffman 1973) ‚totalen’ Gemeinschaftserlebens ‚rund um die Uhr’, das – für die Dauer des Events, d.h. also für die sechs Programmtage, – nicht durch Außenbegegnungen ‚unterbrochen’ werden muss. Auch wenn bei Abweichung natürlich nicht wirklich Sanktionen drohen, so trägt die Informationspolitik doch jedenfalls dazu bei, dass der Besuch z.B. anderer als der jeweils vorgesehenen Katechesen einen erheblichen Aufwand an Recherche bedeutet. Die ‚logistisch’ für den Weltjugendtag verantwortlich Zeichnenden hatten sich – von Anfang an – eine finanziell ‚gedeckte’ Veranstaltung zum Ziel gesetzt. Und für diese finanzielle Deckung wiederum bildeten die zwar gestaffelten, immer aber zumindest die Verpflegung und den Besuch aller Veranstaltungen inkludierenden Teilnahmegebühren eine wichtige und hinlänglich berechenbare Einnahmequelle. Aus der Perspektive des zuständigen Personals des Weltjugendtagsbüros hingegen stellte die Dauer-Versorgung der Teilnehmer vor allem ein logistisches Problem dar, dessen Lösung jedoch weitgehend an eine externe Catering-Firma delegiert werden konnte. Deren Interesse wiederum bestand vor allem darin, sich mit dem Angebot eines scheinbar mobilen Versorgungskonzepts gegenüber konkurrierenden Firmen einen Vorteil zu verschaffen. Dem von der Catering-Firma bezahlten Personal der „Mobile Restaurants“ genannten Verpflegungsstellen war mit der Begrenzung der Ausgabezeiten an einem kurzen, zumindest an einem nicht allzu ausgedehnten Arbeitstag gelegen, während für die vom Weltjugendtagsbüro entsandten freiwilligen Helfer schließlich vor allem auch der Spaß bei der Arbeit nicht zu kurz kommen durfte.
4.5 Der Prozess des Organisierens
183
Was ist es also, das dafür ‚sorgt’, dass ein Event wie der Weltjugendtag am vorgesehenen Ort zum vorgesehenen Termin mit dem vorgesehenen Programm statt hat, obwohl unüberschaubar viele Akteure und Akteursgruppen über einen langen Zeitraum (wie gesagt: von mehr als drei Jahren) zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten in mannigfaltigen Konstellationen Aktivitäten unterschiedlichster Art entfalten und dabei (zumindest auch) ihre Sonder- und Eigeninteressen verfolgen, also auch ‚politisch’ handeln. Schon die Protagonisten des Mikropolitik-Ansatzes weisen darauf hin, dass die individuellen Akteure in Organisationen (all) das, was von als einschlägig legitimiert geltender ‚Seite’ als ‚Organisationsziele’ deklariert wird, keineswegs ignorieren, weil ‚Organisationsziele’ für sie – teils mehr, teils weniger brauchbares, jedenfalls aber zu berücksichtigendes – Material im Spiel um Interessendurchsetzungen darstellt: Wie schon angedeutet, verstärkt und legitimiert der (plausible) Verweis auf allseits bekannte oder zumindest als ‚bekannt’ veranschlagbare und nicht hintergehbare Ziele des Organisierens (wie z.B. dem allseits geteilten, weil nicht abweisbaren Ziel, „einen ‚guten’ Weltjugendtag zu organisieren“) individuelle Strategien gegenüber anderen, konkurrierenden Akteuren und deren Interessen. Denn die Befähigung, die je eigenen Interessen durch Verweis auf einen bzw. ‚den’ auch von Gegenspielern – zumindest formal – anerkannten bzw. anzuerkennenden ‚höheren Wert zu heiligen’, ist eine ebenso altbewährte wie besonders perfide ‚Trumpfkarte’ in jeder Art von politischen Auseinandersetzungen unter allen Umständen (vgl. hierzu auch Garfinkel 1977). Eine noch überzeugendere, weil nicht nur politisch-strategische Antwort auf die Frage, warum es (am Ende dann doch) klappt, steckt im bereits erwähnten Konzept des „trajectory“, das sich aus zweierlei Gründen in besonderem Maße eignet, das Organisationsgeschehen eines Events analytisch in den Griff zu bekommen: Zum einen zielt es darauf ab, die „Verknüpfungen von Handlungen in der Zeit“ (Brosziewski 1997: 25) aufzuzeigen, d.h. die „jeweilige Interaktionssituation als Ergebnis vorausgegangener Situationen und zugleich als ausgerichtet an erwarteten und/oder geplanten Situationen“ (Soeffner 1991: 5) zu begreifen und damit dem Prozesscharakter von Phänomenen im Sinne einer Verlaufskurve Rechnung zu tragen. Zum anderen beansprucht das Konzept, die Beiträge mannigfaltiger Akteure zum Zustandekommen eines Ereignisses erfassen zu können, d.h. die Fülle und Vielfalt parallel ablaufender Handlungen und Interaktionen berücksichtigen, die in einen „umgreifenden Kooperationszusammenhang“ (Soeffner 1989: 63) eingebettet sind. „Dieses Konzept zielt (…) auf die „Einbettung von Interaktionen in Handlungsnetze also, die zwar objektiv als Handlungshorizont wirksam, aber weder den Individuen noch den Gruppen gänzlich zugänglich oder bekannt sind“ (Soeffner 1989: 147).
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4 Vollzüge des Organisierens
Was auch immer die individuellen Akteure also im Einzelnen gewollt und/oder tatsächlich getan haben: koordiniert haben sie sich alle im Trajekt des Weltjugendtags: Alle Aktivitäten beziehen auch für den einzelnen Beteiligten ihren Sinn durch die projektive Verbindung zum Ereignis ‚Weltjugendtag’. Dieses bzw. dieser selber – und nicht ein übergeordneter, ‚höherer Sinn’ – ist „das Thema, das in den einzelnen Handlungsentwürfen einen für alle Beteiligten erkennbar ‚gemeinsamen Sinn‘ stiftet“ (Brosziewski 1996: 30; Hervorh. M.P.). Der Weltjugendtag ist ein situationsübergreifendes Erzeugnis bzw. ein situationsübergreifend erzeugtes Ereignis, das eine Vielzahl logistischer Probleme mit sich bringt, vor sich her schiebt und nach sich zieht, an deren Lösung(en) bzw. Bewältigung(en) zahlreiche und unterschiedliche Akteure und Akteursgruppen beteiligt sind. Und deren mannigfaltige Aktivitäten ergeben auch für sie selber deshalb einen Sinn, weil sie sich als durch einen (antizipierten) ‚Ereigniskern’ fokussiert erweisen. Während sich dieser Ereigniskern bei ‚normalen’ Events am Prinzip „Ein bisschen Spaß muss sein!“ (vgl. Hitzler 2000) orientiert erweist, tritt beim Hybrid-Event ‚Weltjugendtag’ ein zweites Prinzip hinzu, dass in semantischer Parallelführung in die Formel „Ein bisschen Spiritualität muss sein!“ gebracht werden kann.172 Während Karl E. Weick (1986) den „Prozess des Organisierens“ auf Vorgänge der nachträglichen Sinnsetzung verengt, welche eine Organisation in Gang halten, d.h., während er im Grunde also das ‚Prozessieren von Organisation’ im Auge hat, ist der ‚Prozess des Organisierens’ u.E. zu begreifen als ein Zusammenwirken aller möglichen, auf das faktische Eintreten eines in der Zukunft liegenden Ereignisses abzielenden (also projektierenden) Handlungen und deren intendierten und nichtintendierten Sedimente und sonstigen Folgen. Dieses häufig verwickelte, ‚unübersichtliche’ Ineinandergreifen von nur zum Teil aufeinander bezogenen Handlungen und Handlungssedimenten ist der Grund dafür, dass sich der Prozess des Organisierens – zumindest ab einem gewissen, fortgeschrittenen Stadium – nur mehr sehr bedingt von Einzelpersonen und nur mehr sehr bedingt in seinen Einzelheiten kontrollieren lässt. Mit dem Bild des „trajectory“ wird also mehr nur die nicht monolineare Abfolge von Arbeitshandlungen konturiert. Es betont auch die „prozessuale Eigenlogik einmal in Gang gesetzter Prozesse“ (Strübing 2005: 218). Das Bild der Verlaufskurve steht also auch für die Erfahrung von Fremdbestimmung während eines Prozesses, der in seinem Ablauf wenig oder gar nicht beeinflussbar erscheint (vgl. Kapitel 3.5). Was mit dem Konzept des trajectory also (auch) eingefangen 172 Aus der Sicht der jugendlichen Teilnehmer wird der Weltjugendtag gerade durch die Synthese von „Feiern und Beten“ zu einem außergewöhnlichen, ja außeralltäglichen Ereignis (vgl. Gebhardt 2007: 73; vgl. zur Perspektive der Weltjugendtagsteilnehmer generell Forschungskonsortium WJT: 2007).
4.5 Der Prozess des Organisierens
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wird, ist das Moment subjektiv empfundenen Ausgeliefertseins oder Erleidens eines aus eigener Kraft nicht zu stoppenden Prozesses. Dieses Konzept impliziert somit auch die Grenzen der Planbarkeit von Arbeitsprozessen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein trajectory wie das des Organisierens des XX. Weltjugendtags 2005 nicht in projektierenden menschlichen Aktivitäten hergestellt und durch diese in ihrem (zumindest prinzipiellen) Gang beeinflusst würden (vgl. dazu Kapitel 5).
5 Voraussetzungen des Organisierens
Wenn wir im Alltag den Begriff ‚Organisation’ verwenden, dann meinen wir damit zweierlei: entweder meinen wir eine Einrichtung, einen Betrieb, eine Vereinigung, einen Verband usw., d.h. ein soziales Gebilde, das zu einem bestimmten Zweck in einer bestimmten Form eingerichtet worden ist. Dann verwenden wir den Be-griff in der sozialwissenschaftlich gebräuchlichen statischen Weise. Der statische Aspekt von ‚Organisation’ bezieht sich auf ein Resultat von Organisieren, auf eine hergestellte, eine produzierte Ordnung, auf ein Gefüge, eine Struktur, ein System. Unter dem statischen Aspekt kann der Begriff ‚Organisation’ z.B. einen zweckbestimmten Zusammenschluss von Personen mit arbeitsteiliger Gliederung bedeuten, aber auch ein soziales Handlungssystem, ein bestimmte Regelmäßigkeiten sozialen Handelns widerspiegelndes und institutionell geregeltes Geflecht sozialer Interaktionen. Oder aber wir meinen den Vorgang des Herstellens bzw. Bewerkstelligens von etwas – einem Ereignis, einem Anlass – und verwenden den Begriff somit in seiner dynami-schen Bedeutung. Im ersten Teil dieses Kapitels werden die Wortbedeutung und der Bedeutungswandel von ‚Organisieren’ in groben Zügen nachgezeichnet. ‚Organisieren’, schreibt Emil Walter-Busch (1996: 5ff), das hieß einmal „ein Land auf französische Art einzurichten“. ‚Organisieren’ in diesem Verstande meint, etwas sorgfältig und systematisch aufbauen bzw. etwas für einen bestimmten Zweck einheitlich einrichten. Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts Othmar Spann diese Idee von ‚Organisieren’ handlungstheoretisch entfaltet. In dieser frühen Fassung von ‚Organisation’ als einem soziologischen Grundbegriff wird der Akzent auf den im Folgenden interessierenden dynamischen Aspekt von ‚Organisation’ gesetzt (Kapitel 5.1). Aus einer handlungstheoretischen Perspektive erweist sich ‚Organisieren’ als ein spezieller Typus sozialen Handelns. Die Bedeutung von ‚Organisieren’ erschöpft sich dabei nicht im alltagssprachlich geläufigen Begriffsgehalt des Vorausplanens, Vorbereitens und Durchführens. Im Gegenteil: Die Vorstellung von Organisieren als ein aus diesen drei Bestandteilen zusammengesetzer Vorgang, der gleichsam linear in drei aufeinander folgenden und einander ablösenden Phasen abläuft, weist in die Irre. Formal betrachtet ist ‚Organisieren’ vielmehr ein Handeln, das – mit Othmar Spann gesprochen – anderes Handeln „bewirkt“, genauer: in verschiedenerlei Art auf anderes Handeln bzw. das Handeln
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5 Voraussetzungen des Organisierens
anderer ‚einwirkt’, weshalb es als eine Art ‚Meta-Handeln’ begriffen werden kann (Kapitel 5.2). Vor diesem Hintergrund kann schließlich geklärt werden, wodurch sich Organisationskompetenz im Sinne der Kompetenz zum Organisieren auszeichnet. Während Organisationskompetenz sowohl in der einschlägigen Fachliteratur als auch in den Anleitungen zum Projektmanagement als ein Aspekt einer Dimension von Handlungsfähigkeit verstanden wird, wird die Kompetenz zum Organisieren im Folgenden als ein selber mehrdimensionales Konstrukt entfaltet. Wenngleich kompetentes Organisieren nicht mit rationalem und hochreflektiertem Handeln gleichgesetzt werden darf, erweist es sich somit als eine ebenso voraussetzungsvolle wie einflupßreiche Form von Handeln (Kapitel 5.3).
5.1 Organisieren – der Bedeutungswandel eines Begriffs Das deutsche Wort ‚organisieren’ geht auf das lateinische ‚organisare’ (einrichten, ordnen, gestalten) zurück, das – ebenso wie ‚organisatio’ – erst im Spätmittelalter vom griechischen Substantiv ‚organon’ (Werkzeug, Instrument, Körper, Körperteil) bzw. Adjektiv ‚organikon’ (ein Organ bzw. den Organismus betreffend; der belebten Natur angehörend; mit etwas eine Einheit bilden) abgeleitet wurde. Die Begriffe ‚Organisieren’ und ‚Organisation’ bilden also gemeinsam mit ‚Organ’ und ‚Organismus’ ein semantisches Feld, und sie dienen zunächst vor allem zur Bezeichnung der Eigenschaften natürlicher Körper (vgl. dazu auch Bockenförde/Dohrn-van Rossum 1978: 520). Sie wurden im 18. und frühen 19. Jahrhundert zunächst lediglich als Metaphern im politischen und juristischen Diskurs eingesetzt (so wie wir heute – umgekehrt – vom ‚Ameisenstaat’ oder ‚Bienenvolk’ sprechen). Erst im Laufe der Zeit hat sich das Bewusstsein dafür verloren, dass hier ein Bild bzw. Modell aus der Naturwelt metaphorisch auf die Sozialwelt angewandt wurde.173 Türk u.a. (2002: 94) zufolge hat sich die Organismusanalogie in der Vorstellung von ‚Organisation(en)’ nie ganz verloren, sie wurde unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen lediglich re-formuliert, d.h. beispielsweise in ein systemisches ‚Gewand’ gesteckt (etwa bei der Idee der „lernenden Organisation“; vgl. Willke 1998: 41ff). Für die Ausbildung eines eigenständigen Organisationsbegriffs waren zwei Unterscheidungen bedeutsam: die Differenz zwischen Maschine und Organismus 173 Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich derzeit im Zusammenhang mit dem Systembegriff – einem terminus technicus im wörtlichen Sinn, der in systemtheoretischen Diskurszirkeln als treffendste Entsprechung für soziale Aggregationen erscheint. Ein metaphorischer Gebrauch zeichnet sich – wesentlich befördert durch die Actor-Network-Theory – aber auch zunehmend in Bezug auf den Begriff ‚Verhalten’ bzw. mehr noch: auf den des ‚Handelns’ ab.
5.1 Organisieren – der Bedeutungswandel eines Begriffs
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zum einen, die Differenz zwischen (politischem) Körper und (sozialer) Organisation zum anderen. Bis ins 18. Jahrhundert hinein erscheint Maschine und Organismus nicht als Widerspruch: Der aristotelisch-scholastischen Tradition entsprechend, in der Technik als Mimesis von Natur begriffen wurde, wurde kein Unterschied zwischen mechanischen und organischen Körpern gemacht. Diese Vorstellung galt auch für die mechanistische Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts und für den Cartesianismus.174 Als Sinnbild auch für Politik und Wirtschaft diente das Uhrwerk als ein beständiger, regelmäßiger, aber auch fragiler und ständig überprüfungsbedürftiger Mechanismus. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird dann allmählich für natürliche Körper ein anderes Wirkungsprinzip als für künstliche Körper angenommen: hier fungiert das ‚Leben’ als ein organisierendes Prinzip, das allen Organismen eigen ist. ‚Organisation’ bezeichnet somit die spezifische Ordnung belebter (organischer gegenüber anorganischer) Dinge. Die Idee einer Höherwertigkeit des Organischen gegenüber dem Mechanischen wurde nicht zuletzt durch Kants „Kritik der Urteilskraft“ befördert: „Ein organisiertes Wesen ist also nicht bloß Maschine: denn die hat lediglich bewegende Kraft; sondern es besitzt in sich bildende Kraft und zwar eine solche, die es den Materien mitteilt, welche sie nicht haben (sie organisiert): also eine sich fortpflanzende bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermögen allein (den Mechanism) nicht erklärt werden kann“ (§ 65). Insofern Kant dem „Naturprodukt“ gegenüber der Maschine eine „in sich bildende Kraft“ zuschreibt, ist ein Naturprodukt zugleich ein organisiertes und ein sich „selbst organisierendes“ (Lebe-)Wesen. Diese Idee überträgt Kant auf den politischen Körper: Der überkommenen (absolutistisch-feudalistischen) Vorstellung eines ‚corpus politicum’, welcher sich durch eine herrschende Ordnung von Haupt und Gliedern auszeichnet, setzt er die Idee entgegen, dass die Teile sich zu einer Einheit des Ganzen derart verbinden, dass sie „sich zu sich selbst wechselseitig als Ursache und Wirkung verhalten“ (§ 65). Mit der Französischen Revolution sieht Kant einen Staat entstehen, auf den die Analogie eines ‚organisierten Wesens’ zutrifft. Im Zuge der Französischen Revolution verliert sich allerdings der metaphorische Gehalt des Begriffs, d.h. seine Wahrnehmung als Begriff aus der Welt der Naturbeschreibung: Im Licht der Aufklärung erscheint der Staat als ein Zweckverband, „der willentlich geschaffen ist, zielgerichtet operiert und menschlicher Disposition erliegt“ (Türk u.a. 2002: 102). ‚Organisation’ impliziert damit nicht mehr eine feststehende Ordnung und ein starres Gliederungsprinzip, sondern „sie 174 Die Bewertung von Mechanik differierte allerdings gewaltig: im aristotelischen Denken war ‚mechanisch’ gleichbedeutend mit ’naturwidrigen’ Bewegungen und Effekten, in der mechanistischen Vorstellung ist die Mechanik demgegenüber die einzige legitime Form der Naturerkenntnis.
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5 Voraussetzungen des Organisierens
ist eine willentliche und bewusste Tätigkeit, die sich an der Realisierung von Zwecken orientiert – und zugleich das Ergebnis dieser Tätigkeit, das seinerseits verändert und fortentwickelt, d.h. organisiert werden kann und muss“ (Türk u.a. 2002: 103).175 Die rasche Aufnahme der Fremdworte ’Organisation’ und ‚Organisieren’ in den Wortschatz der französischen, englischen und – etwas später – der deutschen Intellektuellen, weist darauf hin, dass eine bereits bestehende Praxis, nämlich das aktive, planvolle, auf Änderung der politischen und sozialen Ordnung ausgerichtete Handeln, ihren Begriff gefunden hatte (vgl. Bockenförde/Dohrn-van Rossum 1978: 574). In Deutschland verbindet sich der Organisationsbegriff, der sich hier während der Revolutionsphase als Fremdwort eingebürgert hatte, sehr schnell mit der Idee der Notwendigkeit von Reformen, d.h. mit der Idee vor allem des ReOrganisierens. Die mit ihm verbundenen Vorstellungen beschränken sich bald nicht mehr auf die verwaltungstechnisch-rechtlich optimierte Ordnung eines Gemeinwesens. Sie vereinen sich vielmehr mit – normativ aufgeladenen – Vorstellungen von Einheit, Leben und Steigerung der Kräfte. Während ‚Organisation’ und ‚Organismus’ zunächst noch weitgehend synonym erscheinen, wandeln sie sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich zu Gegenbegriffen: der Organismusbegriff dient nun insbesondere Anhängern der politischen Romantik zur Kritik an der im Organisationsbegriff enthaltenen Vorstellung von der Notwendigkeit eines aktiv-steuernden Zugriffs auf die politische Ordnung. (Erst) Hegel entfaltet dann ein integrierendes Verständnis, wobei er ‚Organisation’ nicht in einem dynamischen, sondern im statischen Sinne einer institutionalisierten Ordnung versteht: „Organisation bringt für Hegel den Staat als Organismus zur Wirklichkeit“ (Türk u.a. 2002: 111; Hervorh. M.P.). Korporationen, Ständeversammlungen, freiwillige Vereinigungen und Gruppierungen gelten ihm als Teile, in denen sich die egoistischen Einzelinteressen bündeln lassen, und folglich als intermediäre Instanzen zwischen Individuum und Gemeinwesen vermitteln können.176 Sie sind die Teile, deren Interdependenz das Funktionieren des Ganzen sicherstellt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird der Organisationsbegriff allmählich von jeglicher Organismusmetaphorik ‚entkleidet’. Erst dann etabliert er sich als eigenständiger sozialwissenschaftlicher Begriff; zunächst vor allem als Fachbegriff der neu entstehenden Wissenschaften der Betriebswirtschaftslehre mit einem Fokus auf die betriebliche und kaufmännische Organisation. Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich ist der Organisationsbegriff in Deutschland 175 Letzteres erklärt auch die Erweiterung des semantischen Feldes um die Begriffe der Reorganisation und Desorganisation. 176 Für Hegel sind nur solche Interessen ‚berechtigt’, die sich in organisierter Form artikulieren können.
5.1 Organisieren – der Bedeutungswandel eines Begriffs
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nicht nur vollständig etabliert, sondern er bezeichnet mit seinem preußischbürokratischen Bedeutungshof tatsächlich so etwas wie eine urdeutsche Tugend. Zur Jahrhundertwende setzt sich Ökonomisierung durch Organisierung als Leitbild durch: Organisation und die Fertigkeit des Organisierens gelten nun als Mittel der Unternehmensführung schlechthin (vgl. Walter-Busch 1996: 8). Während die Organisationsliteratur dieser Zeit allerdings wesentlich aus handbuchartigen Organisationsanweisungen für den Praktiker besteht, entwickelt der deutsche Nationalökonom Johann Plenge den Entwurf einer verstehenden Organisationswissenschaft (vgl. Elbe 2002). Er unterscheidet ‚Organisation’ als ordnendes Prinzip von ‚Konjunktur’ als dem ungeordneten Prinzip des Chaos. „Beide Prinzipien schlagen sich in den abwechselnden Tendenzen zur Organisation und Desorganisation nieder, wobei das eine ohne das andere undenkbar ist“ (Elbe 2002: 165). Organisationales Handeln bringt eine Ordnung hervor, indem bestimmte Teile nach einem vorgefertigten Plan, d.h. intentional, zu einer Einheit verbunden werden, wobei einerseits diese Einheit loser oder fester zusammengefügt sein kann und andererseits den Teilen (Menschen oder Gruppen) gleiche oder unterschiedliche Funktionen (Aufgaben) zukommen können. Diese beiden Strukturgesetze von Organisation – „Grad der Vereinheitlichung“ und „Art der Eingliederung“ (Plenge 1965: 113) – sind bei jedem planvollem Aufbau einer Organisation zu beachten, und sie können als Gradmesser für die organisationale Durchdringung eines sozialen Gebildes begriffen werden.177 Grundsätzlich jedoch gilt, dass jede planvoll hergestellte Ordnung von Zerfall und damit jede Organisation unvermeidlich von Auflösung bedroht ist. Dieser Umstand kann Plenge zufolge allerdings für die Organisationslehre praktisch genutzt werden, d.h. eine Auflösung kann absichtsvoll herbeigeführt werden. Historisch annähernd zeitgleich mit Johann Plenge hat der österreichische Nationalökonom, Soziologe und Philosoph Othmar Spann178 ein instruktives 177 Da Plenge (1965: 114) vor allem an die Ordnung politischer Gemeinwesens denkt und ihm „entsprechend der Not der Zeit“ die Steigerung von „Einheit aus der Vielheit“ bis zur Diktatur angemessen erscheint, war er durchaus ein ‚Kind’ seiner Zeit. Da er allerdings nicht die nationale Einheit, sondern der Völkerbund als höchste Form von Einheit und Zusammenfassung der Menschheit begreift, kann er nur bedingt als geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus angesehen werden (und nach der Machtergreifung 1933 wurde Plenge denn auch umgehend seines akademischen Amtes enthoben). 178 Insbesondere aufgrund seiner Idee eines ‚organischen Staats’ wird Spann (1878-1950) als „Austrofaschist“ bezeichnet. Statt für die Demokratie plädiert Spann für einen – streng hierarchisch gegliederten und konsequent nach dem „Führer-Gefolgschaftsprinzip“ aufgebauten – Ständestaat. Dieser Staat sollte durch eine elitäre Schicht, den „Stand der Weisen“, regiert werden. Absoluten Vorrang (auch gegenüber rassischen Aspekten) räumt er der „Rolle des Geistes“ ein: „Jede geistige Regung des Einzelnen [muß demnach] den anderen Geist (aktiv oder Passiv, anregend oder sich anregen lassend) zum Gegenglied, zum Gegenpol haben“ (Spann: 1928: 456). Gerade im Hinblick auf das Führerprinzip hat Spann mit der nationalsozialisti-
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Verständnis für Organisieren als Handeln entwickelt, auf das im Weiteren Bezug genommen werden wird. ‚Organisation’ gilt ihm als „Inbegriff von Handlungen mit ihren Hilfsmitteln (Gütern), die aber als Handlungen nicht mechanisch, sondern sinnvoll, rangordnungsmäßig zusammenhängen“ (Spann 1925: 766). Er grenzt den Begriff damit explizit von mechanistischen Vorstellungen ab und verortet ihn in einem universalistischen Gedankengebäude.179 Das Interesse von Spann ist – ähnlich wie das von Johann Plenge – darauf gerichtet, die Entstehung und Erhaltung gesellschaftlicher Einheit und Vergemeinschaftung auf Organisationsformen und Organisationsvorgänge zurückzuführen, „die einzelmenschliches Wirken und Wollen zusammenordnen und dadurch intersubjektive Handlungs- und Wirkeinheiten mannigfacher Art, Sozial- und Kulturgebilde, zustande bringen und erhalten“ (Böckenförde/Dohrn-van Rossum 1978: 621). ‚Organisation’ wird damit zu einem soziologischen Grundbegriff und erfährt insbesondere durch Spann eine genauere Ausarbeitung als ein Grundbegriff zwischenmenschlicher Aktivität, der Einheits- und Gemeinschaftsbildung befördert. Im Folgenden interessiert allerdings nicht dieses kollektivistischesGedankengebäude, sondern das Verständnis von ‚Organisieren’ als Oberbegriff für solche Handlungen, „die nicht selber zum Ziele führen wollen, sondern die Erreichung eines Zieles erst vermitteln helfen. Denn stets ist es ein Anderes, ein ‚Stoff’, der organisiert wird.“ (Spann 1925: 766).
5.2 Organisieren als spezifischer Handlungstypus Organisierendes Handeln ist – wie jedes Handeln – eine Bewußtseinsleistung. Dabei sind beim Organisieren – wie beim Handeln generell – die Handlungsschritte am Entwurf ausgerichtet. Das bedeutet, dass Handeln immer vom als erreicht vorgestellten Handlungsziel motiviert wird. „Dieses vorgestellte, als erreicht vorgestellte Ziel führt uns in umgekehrter Richtung zum Anfang: Wir tun den letzten Schritt, um das Ziel erreichen zu können; den vorletzten Schritt schen Ideologie sympathisiert, auch wenn sich seine Einstellung zumindest teilweise aus früheren Quellen (vor allem dem Universalismus bzw. Neu-Hegelianismus) speist. Nach dem ‚Anschluss’ Österreichs 1938 wird Spann jedoch verhaftet und vier Monate im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Anschließend wird ihm seine Lehrbefugnis entzogen. 179 Demnach ist nicht der Einzelne, das Individuum, sondern die Gesellschaft als Ganzheit der Ausgangspunkt von allem. Der Mensch bildet mit einem zweiten Menschen eine geistige Gemeinschaft – gemäß dem Satz von Pythagoras: „Der Freund ist das andere Ich“. D.h., so Spann (1928: 456): „Zwei sind nötig, um jedes Einzelne zu bilden. Beide sind Glieder eines Überindividuellen, das eine Ganzheit bildet. Demnach ist der Mensch als ein geistiges Wesen nur in „Gezweiung“, d.h. in „geistiger Gemeinschaft“, möglich bzw. ‚denkbar’. Er kann zwar pyhsiologisch, nicht aber geistig als ‚Abgetrennter’ (‚Absoluter’) gedacht werden.
5.2 Organisieren als spezifischer Handlungstypus
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machen wir, um den letzten tun zu können, und so bis zu dem ersten Schritt, den wir tun, um schließlich über die vielen Zwischenschritte das Ziel zu erreichen“ (Schütz/Luckmann 2003: 473).180 Der betriebswirtschaftlichen Eventmanagementliteratur zufolge leiten professionelle Event-Organisatoren vom in der Zukunft in einer bestimmten Form vorgesehenen Ereignis die für das Eintreten in der gewünschten Form erforderlichen Schritte und Schritt(ab)folgen (modo futuri exacti) ins Heute ab: „The event’s date, which is virtually always fixed, not flexible, is the starting point of project time management“ (Silvers 2004: 39). Die handlungsleitende Frage lautet demnach also: Was ist heute, morgen und übermorgen von wem wann wie zu erledigen, damit zu einem festgelegten Zeitpunkt am vorgesehenen Ort das stattfindet, was stattfinden soll (und Unerwünschtes ausgeschlossen wird)? Ist ‚Organisieren’ demnach nichts anderes als ein die einzelnen Schritte und ihre Reihenfolge bedenkendes Handeln (im oben gemeinten Verstande)? In eben diesem Sinne spricht George Herbert Mead von ‚Organisieren’ (im Verstande des Organisierens einer Reaktion): „Man hat sozusagen die verschiedenen Reaktionen vor sich liegen und bereitet die zukünftige Tätigkeit vor, in dem man die verschiedenen Elemente herausgreift und auf die notwendige Weise neu zusammensetzt. Ein Betriebsingenieur greift dieses oder jenes aus einem gegebenen Komplex heraus und bestimmt die Reihenfolge, in der die Handgriffe durchgeführt werden sollen. Insofern man bewusst handelt, macht man das gleiche“ (Mead 1973: 136; vgl. dazu auch Holtgrewe 2006: 17ff). An seiner Begriffswahl wird der behaviouristische Grundzug der Meadschen Handlungstheorie offensichtlich, wonach Handeln als kaum bewusste oder gar unbewusste Reaktion auf einen Reiz (z.B. den Ruf „Feuer“, wie Mead verdeutlicht) erscheint. In der von Hartmut Esser (2001: 266) entfalteten Handlungstheorie ist in Ergänzung zum reflexiv-kalkulierenden (rc-)Modus von einem automatisch-spontanten as-Modus der Selektion die Rede: „Im rc-Modus tritt der Akteur eine bewusste Entscheidung unter systematischer Berücksichtigung der vorliegenden Informationen und der zu erwartenden Folgen. Im as-Modus erfolgt die Selektion hingegen unhinterfragt auf der Basis der unmittelbaren Situationswahrnehmung und mentaler Modelle“ (Kroneberg 2005: 347). In der FrameSelection-Theory (FST), die zur Beschreibung der „Logik der Selektion“ in der erklärenden Handlungstheorie von Hartmut Esser herangezogen und durch die Subjective-Expected-Utility (SEU)-Theorie ergänzt wird, wird die Frage des unbewussten Handelns damit umschrieben, dass in solchen Fällen, in denen 180 Im Vollzug selber läuft das Handeln dann vom Anfang zum Ende hin, d.h. wir realisieren den ersten vor dem zweiten bis zum letzten Schritt hin. Und im Gewohnheitshandeln heben sich die einzelnen Schritte kaum mehr voneinander ab sondern werden wie ‚in einem Zug’ vollzogen (vgl. Schütz/Luckmann 2003: 522).
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5 Voraussetzungen des Organisierens
Akteure keine subjektiv rationale Wahl treffen, sie unbedingt sozialen Normen und anderen mental verankerten Verhaltensprogrammen folgen (vgl. nochmals Kroneberg 2005; Hervorh. M.P.). Besonders deutlich ist demgegenüber zu betonen, dass auch die routiniertesten Abläufe auf bewusste Handlungsentwürfe zurückgehen. Aus phänomenologischer Sicht ist Handeln immer eine Bewusstseinsleistung. Denn auch die routinisiertesten Abläufe gehen auf bewusste Handlungsentwürfe zurück (vgl. Knoblauch 2003, 2005: 145). Allerdings absolvieren wir die Phasen des Handelns mitunter hochroutiniert und haben dann selber den Eindruck quasi-automatischen Agierens. Organisierendes Handelns wird im Folgenden exemplarisch am für das Abschlusswochenende des Weltjugendtags initiierte Bauprojekt Marienfeld entfaltet, das von einem Bauingenieur in der Funktion eines Projektleiters ‚organisiert’ worden ist (Kapitel 5.2.1). Während in der Literatur zur Projektorganisation das Planen zur organisierenden Handlung schlechthin hypostasiert wird, betont der Projektleiter unter anderem das Vorbereiten – insbesondere das von Entscheidungen – als einen zentralen Bestandteil seiner Tätigkeit (Kapitel 5.2.2). Ausgehend von dieser materialen Basis kann organisierendes Handeln als ein Handeln bestimmt werden, das darauf abzielt, Handeln (anderer) vorzubereiten, zu beeinflussen und zu bewerten (Kapitel 5.2.3).
5.2.1 Organisieren am Beispiel des Bauprojekts Marienfeld Für das Bauprojekt am Marienfeld wurde ein Bauingenieur als Projektleiter eingesetzt.181 Dieser betont in erster Linie nicht seine Leitungs- und Steuerungsfunktion für diese Baumaßnahme, sondern er beschreibt seine Funktion als die der Schnittstellenkoordination – zunächst vor allem die zwischen Bauherrn einerseits und Generalübernehmer andererseits. Damit weist er auf die zentrale Schnittstelle182 zwischen den beiden maßgeblich am Bauprojekt beteiligten ‚Parteien’ hin, wobei das Verhältnis der beiden zueinander seiner Darstellung nach derart beschaffen ist, dass sich der eine, „der Weltjugendtag“, des anderen, des Generalübernehmers, bedient. Diese Beschreibung ist deshalb aufschlussreich, weil ein Generalübernehmer in Bauprojekten ein ausgesprochen einflussreicher Partner ist. Denn auch wenn dieser die für ein Bauvorhaben zu erbringenden 181 Auf die Besonderheiten dieses Bauprojekts, bei dem eine landwirtschaftlich genutzten Fläche im Kölner Westen in ein Open-Air-Gelände für die Abschlussveranstaltungen des Weltjugendtags umgewandelt werden musste, ist schon verschiedenenorts (vgl. insbesondere Kapitel 3.1.4.4 und 4.1.2.) hingewiesen worlden. 182 Zum Verständnis von „Schnittstellen“ als aus Arbeitsteilung bzw. Aufgabentrennung und der zeitlichen und/oder räumlichen Ausdehnung der Arbeitsverrichtung resultierenden Übergängen vgl. bereits Kapitel 4.1.1).
5.2 Organisieren als spezifischer Handlungstypus
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Bauleistungen nicht selber ausführt, obliegen ihm häufig alle planerischen Leistungen, die Koordination aller Gewerke und die Bauüberwachung. Im Grunde ist er der einzige Verhandlungspartner ‚auf Augenhöhe’ des Bauherrn: er wird beauftragt, das Bauprojekt vollständig zu übernehmen. Hierfür beauftragt dieser dann nicht nur eine Reihe von ausführenden Subunternehmen, sondern, sofern dies nicht ohnehin zum Kerngeschäft des Generalübernehmers gehört, auch Architekten und sonst planerisch tätige Berufsgruppen. Der Projektleiter Marienfeld lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass der Bauherr letztlich das Sagen hat. Dies wird auch in der Beschreibung einer Situation deutlich, in der es um die Abnahme von Baumaterial geht, das über einen Sponsor günstig bezogen werden kann: Hierzu trifft der Bauherr die (positive) Entscheidung und die als Generalübernehmer fungierende Firma wird mit der Abwicklung entsprechend dieser Entscheidung beauftragt. In der Literatur zur Projektorganisation wird vor allem die Verlässlichkeit von Schnittstellen betont. Der Übergang sollte demnach – metaphorisch gesprochen – möglichst ‚nahtlos’, d.h. ohne Brüche und Löcher gestaltet sein, durch die wichtige Informationen sozusagen ‚versickern’ anstatt auf der anderen Seite anzukommen. Der Übergang sollte dabei so gestaltet sein, dass der (Informations-)Fluss in beide Richtungen verlaufen kann, d.h. Nachfragen und Rückkopplungen möglich sind. Und: Schnittstellen sollten einsehbar sein, d.h. von beiden Seiten kontrollierbar sein, damit Fehlleistungen schnell erkannt werden können. Schnittstellen werden in der Literatur also vor allem hinsichtlich möglicher Kommunikations-, Koordinations- und Kontrollprobleme diskutiert.183 Der Projektleiter Marienfeld betont im Hinblick auf seine eigene Schnittstellenfunktion vor allem das Problem unterschiedlicher Perspektiven der Beteiligten, und hierbei insbesondere die Möglichkeit von Unverständnis des Auftraggebers für die Belange des Auftragnehmers. Dabei geht er allerdings nicht so weit, für sich bzw. seine Position die der Perspektivenübernahme zu postulieren. Sein Bestreben ist es also nicht, die Sicht des Generalübernehmers beim Bauherrn zu repräsentieren. Vielmehr müsse dem Auftragnehmer Verständnis für seine Probleme und es müsse ihm darüber hinaus signalisiert werden, dass seine Probleme lösbar sind. Zum Ausdruck gebracht wird dergestalt eine Art paternalistische Fürsorglichkeit für den Generalübernehmer und dessen typische Anliegen und Probleme. 183 Dieser Problemsicht entsprechend interpretiert der Projektleiter eine Begebenheit, bei der Fahrer ihre Lastwagen über die hochsensible Wiesenfläche gelenkt haben, weil sie nicht informiert worden waren, dass sie ausschließlich die Wege befahren dürfen, als ein Schnittstellenproblem. Jedes auftretende Problem lässt sich s.E. ursächlich mit einer Schnittstelle in Verbindung bringen: „Wenn irgendeiner sich beschwert, dann soll er zu mir kommen und dann frag ich jedes Mal nach, wo ist das Problem, und dann weiß ich, an welcher Schnittstelle eventuell was versäumt worden ist. Dann muss das nachgeholt werden“ (I_10: Z_612ff).
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Von den Funktionen, die einem Bauherrn typischerweise zugeordnet werden (vgl. Will 1983), betont der Projektleiter vor allem die des Entscheidens. Für ihn stellt sich das Bauprojekt vor allem als eine Frage von Entscheidungen dar, die getroffen werden müssen, damit der Generalübernehmer seine ausführende bzw. die Ausführung delegierende Funktion erfüllen kann, wobei diese Entscheidungen immer ein Risiko bergen. Das mit ihnen verbundene Risiko lässt sich dem Projektleiter zufolge in Geldsummen übersetzen. Von der Höhe des Betrags, der bei einer Entscheidung zu kalkulieren ist (und das können sowohl die damit verbundenen Ausgaben als auch die im Schadensfall auftretende Regresszahlungen sein), hänge ab, wer entscheidet bzw. auf welcher Ebene entschieden wird. Der Projektleiter verdeutlicht dies mit der Metapher einer „Entscheidungskaskade“, als deren ‚Stufen’ er Bauleiter, Projektleiter, Geschäftsführer und Aufsichtsrat benennt. Mit Blick auf die Zuständigkeit für Entscheidungen stellt sich ihm der Sachverhalt folgendermaßen dar: die „kleinen“ Entscheidungen darf ein Bauleiter treffen. „Rechtsgeschäftliche“ Vorgänge sind bei ihm, dem Projektleiter, und damit auf der nächsthöheren Hierarchieebene angesiedelt. Alles andere entscheidet der Geschäftsführer, der allerdings ab einer Summe von mehr als 100.000 Euro den Aufsichtsrat informieren muss. Der Projektleiter nimmt also keineswegs für sich in Anspruch, alle Entscheidungen zu treffen, die erforderlich sind, damit der Generalübernehmer seine ausführenden Leistungen erfüllen kann. Im Gegenteil beschreibt er seinen Entscheidungsspielraum als auf die rechtsgeschäftlichen Vorgängen begrenzt. Viel zentraler für seine Arbeit ist das Vorbereiten von Entscheidungen, die er nicht selber trifft, die also nicht in seine Kompetenz, sondern die des Geschäftsführers – unter Umständen in Rücksprache mit dem Aufsichtsrat – fallen. Je nachdem, was bzw. worüber entschieden werden muss, sind verschiedene Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen des Weltjugendtagsbüros in diesen Prozess der Entscheidungsvorbereitung einzubeziehen, denn hier werden Lösungen erarbeitet, die auf ihre Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer ‚Passung’ zum jeweiligen Problem selber, aber auch zu anderen Problemlösungen geprüft und danach akzeptiert oder verworfen werden müssen. Diesen Vorbereitungsvorgang beschreibt der Projektleiter als einen Filterungsprozess: aus der Fülle an Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen filtriert er für den Geschäftsführer eine Entscheidungsempfehlung (unter Umständen mit alternativen Optionen) heraus. Der Projektleiter betont den Aspekt der Entscheidungsvorbereitung auch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Behörden, wobei er den Maßnahmen zur Erlangung einer Baugenehmigung einen besonderen Stellenwert zuschreibt. Für deren Vorbereitung bedarf es einer Vorstellung davon, wie bürokratische Entscheidungen getroffen werden und bis zu welchem Termin sie spätestens vorliegen müssen. Die Baugenehmigung bildet deshalb eine wichtige Zäsur im Pro-
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jektablauf, weil der hierdurch hergestellte Rechtszustand nur noch schwer veränderbar ist. Die Erteilung der Baugenehmigung beendet insofern die Planungsphase, als sie den Übergang zur Ausführung ermöglicht – zumindest dann, wenn der bis dahin erstellte Ablaufplan eine mehr als grobe Ausführungsplanung beinhaltet.184 Denn auf der Basis einer halbwegs ausgearbeiteten Ausführungsplanung können Bauleistungen in Auftrag gegeben und Bauverträge abgeschlossen werden. Dem Projektleiter obliegt dann, die erforderliche Infrastruktur für alle an der Ausführung der Baumaßnahmen beteiligten Einheiten („alle Gewerke, alle Monteure, alle Eventleute“ – I_10: Z_52f) bereitzustellen und zu kontrollieren, dass alle vorbereitenden Maßnahmen in der richtigen Reihenfolge ausgeführt werden. Er ist also nicht selber in die Umsetzung involviert, sondern überwacht und steuert deren planmäßige Ausführung. Als einen spezifischen Aspekt seiner Kompetenz markiert der Projektleiter die Einsicht in die Abfolge und die Reihenfolge von Teilschritten innerhalb von Arbeitsprozessen – sei es beim Generalübernehmer, sei es im Weltjugendtagsbüro, sei es bei den Behörden. Jeder einzelne Schritt ist hinsichtlich seiner Konsequenzen in zeitlicher ebenso wie in finanzieller Hinsicht zu bedenken. Neben der „Kostenrelevanz“ von Entscheidungen, d.h. der Kostenfrage, ist die „Terminrelevanz“ ein zentraler Aspekt der Projektorganisation im Bauwesen (vgl. etwa Weeber u.a. 2001). Der Projektleiter spricht damit das zentrale Problem dessen an, was in der einschlägigen Literatur unter dem Begriff „Ablauforganisation“ diskutiert wird. Auf der Basis einer Ablaufanalyse wird eine Ablaufplanung, d.h. die Analyse und Zerlegung eines Projektes in alle seine Teilaufgaben vorgenommen. Die Netzplantechnik ist hierfür ein bereits in den 1970er Jahren nach DIN 69900 genormtes Verfahren: „In der Netzplantechnik wird dazu zunächst ein ProjektStrukturplan erstellt, der als Grobplan eine hierarchische Übersicht über die verschiedenen Gliederungsebenen und Teilaufgaben des Projektes gibt. In der sich anschließenden Teilplanung werden die Teilaufgaben in einzelne Vorgänge aufgelöst und die unmittelbaren Vorgänger und/oder Nachfolger bestimmt“ (Brüssel 1993: 4ff). Aus der Ablaufplanung kann eine – möglichst realistische und veränderten Realitäten schnell anpassbare – Ablaufstruktur des (idealerweise in Teilprojekte unterteilten) Gesamtprojekts resultieren, welche die logische und ggf. auch zeitliche Aufeinanderfolge von Ablaufabschnitten veranschaulichen soll.185 184 Weeber u.a. (2001: 83) weisen allerdings darauf hin, dass die neueren Vergabeverfahren darauf angelegt seien, „zusammen mit den Ausführungsleistungen auch noch Planungsleistungen – zumindest die Ausführungsplanung – zu vergeben.“ 185 Im Projektmanagement werden Projektstrukturpläne („Was ist zu tun?“), Ablaufpläne („In welcher Reihenfolge und wann ist es zu tun?“) und Phasenpläne („Was sind die wesentlichen Meilensteine im Projekt und welche Ergebnisse müssen zu den Meilensteinen vorliegen?“) als Instrumente der Projektstrukturierung unterschieden (vgl. Casutt 2005: 17).
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Voraussetzung hierfür ist eine genaue Vorstellung davon, welche Arbeitsschritte zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind, wie diese Schritte miteinander verknüpft sind, wie viel Zeit jeder Schritt benötigt,186 und zu welchem Zeitpunkt die Arbeitsschritte jeweils auszuführen bzw. ausführbar sind (vgl. Weeber u.a. 2001: 70). ‚Folgerichtigkeit’, d.h. die logische Ordnung und Verknüpfung von Vorgängen, und ‚Zeitersparnis’, d.h. die Einplanung von soviel Zeit wie nötig,187 aber auch die Parallelführung möglichst vieler Vorgänge, um rechtzeitig188 ans Ziel zu kommen, können demnach als die beiden grundlegenden Kriterien für eine erfolgreiche Ablaufplanung bestimmt werden.
5.2.2 Der Stellenwert des Planens im (organisierenden) Handeln Der Planung kann nach Ansicht von Experten für Projektorganisation gar nicht genug Raum eingeräumt werden. Dies zeigt auch die Differenzierung von Planungsinhalten: Im Wohnungsbau etwa werden Bedarfsplanung, Ablaufplanung, Entwurfsplanung, Planung in Bezug auf baurechtliche Fragen, Ausführungsplanung und die Festlegung des Bautakts zur rationellen Bauausführung unterschieden (vgl. Weeber u.a. 2001: 94; vgl. auch Weeber/Bosch 2006). Auf den hohen Stellenwert von Planungen und auf die Möglichkeit ihrer adäquaten Umsetzung wird auch in der bereits zitierten Untersuchung der AntiIWF-Kampagne (vgl. Kapitel 4.4) dezidiert hingewiesen: Jürgen Gerhards 186 Dies erfordert nicht nur, die Leistungsfähigkeit aller Beteiligten zu kennen, sondern auch die Berechnung der Kapazitäten bei Eintritt allfälliger Störungen. Grundsätzlich gilt, dass antizipierbare Störungen – durchaus modellhaft (vgl. Grote 1988) – antizipiert werden sollten, und auf nicht-antizipierbare so schnell wie möglich zu reagieren ist. Die Minimierung der Reaktionszeit ist oberstes Gebot. Störungen evozieren Änderungen in der Planung. Ein Änderungsmanagement, das den außerplanmäßig erforderlichen Informationsfluss unter den Betroffenen steuert und kontrolliert, ist besonders dann notwendig, wenn Änderungen vorgenommen werden müssen, nachdem bereits eine Planungsentscheidung gefallen ist. Denn hier geht es nicht um die Weiterentwicklung eines Projektplans mittels der Prüfung von Alternativen, sondern um einen Kurswechsel in der Ausführung. 187 Für eine realistische Terminierung wird auf den besonderen Zeitaufwand mit wie auch immer gearteten „Externen“ (Anwohnern, Behörden etc.) hingewiesen. 188 Dem Kriterium der Rechtzeitigkeit sei grundsätzlich Vorrang gegenüber dem der Schnelligkeit einzuräumen. Beschleunigung der Abläufe ist nichtsdestotrotz eine Zielvorgabe, welche durch Einsicht in mögliche Überschneidungen und Überlappungen erreicht werden kann. Als hilfreich erweist sich dabei das, was als „Taktorganisation“ bezeichnet wird: bei einer „mittleren Arbeitsgeschwindigkeit“ könnten die Dauern verschiedener Vorgänge möglichst gleich lang gestaltet werden, womit eine gegenseitige Behinderung bei der Ausführung der verschiedenen Gewerke verhindert und der Personaleinsatz insgesamt minimiert werden könne (vgl. Weeber u.a. 2001: 75). Rösch und Volkmann (1994: 129) zufolge hat eine Taktorganisation einen Effekt auf die Selbstorganisation der Beteiligten: „Auf der Baustelle ‚treibt’ der Nachfolger den Vorgänger.“
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(1993) zufolge hatte die Alternative Liste (AL) zum ersten Koordinierungstreffen im Oktober 1986 einen Verlaufsplan der Kampagne als Tischvorlage erstellt, in dem drei Phasen unterschieden wurden: die ersten Monate (November 1986 bis Februar 1987) nach diesem Treffen, bei dem möglichst viele Gruppierungen – von den Kirchen und renommierten Entwicklungshilfeeinrichtungen über Parteien und neuen sozialen Bewegungen bis hin zu linksextremen Splittergruppen – an einem Tisch versammelt wurden, wurden in diesem Verlaufsplan als „interne Vorbereitungsphase“ ausgewiesen. Der lange Zeitraum von März 1987 bis August 1988 wurde als „Sensibilisierungsphase“ und der September 1988, der Monat also, in dem das die gesamte Protestkampagne initiierende Politik-Ereignis angesetzt war, als „Zuspitzungsphase“ bezeichnet. Der Analyse von Gerhards zufolge haben in den ersten Monaten ausschließlich Organisations- und Planungstreffen in und zwischen den Gruppierungen stattgefunden, die zwar öffentlich angekündigt worden waren, sich aber vor allem sozusagen ‚nach innen’ richteten, d.h. der Selbstverständigung und Ideengenerierung dienten. In den anschließenden Monaten (ca. ab Mai 1987 bis August 1988) wurden zwar weiterhin Treffen zu Organisationszwecken einberufen, fast genauso viele Treffen erwiesen sich aber bereits als Informationsveranstaltungen zur Sensibilisierung und Aufklärung regionaler Öffentlichkeiten. Lediglich zu einem verschwindend geringen Prozentsatz wurden in diesem langen Zeitraum so genannte „Aktionen“ und damit Veranstaltungen jenes Typs durchgeführt, der dann im September 1988 dominierte und auf eine möglichst breite Öffentlichkeitswirksamkeit ausgerichtet waren. Ein Befund dieser Untersuchung besteht also darin, dass der faktische Verlauf der Protestkampagne mit dem geplanten Verlauf weitgehend übereingestimmt hatte. Diesem Planungsprimat entsprechend enthalten auch unsere Interviews mit den Bereichsleitern des Weltjugendtagsbüros typischerweise folgende Schilderung des Ablaufs der Weltjugendtagsvorbereitungen: Die Tätigkeit im Weltjugendtagsbüro hat ihrer Darstellung nach damit begonnen, (gemeinsam mit anderen) eine (oder mehrere) Idee(n) zu entwickeln. Im Weiteren sei ein Konzept zur Umsetzung der Idee(n) formuliert (und abgestimmt) und seien konkrete Schritte zu deren Umsetzung geplant worden. Der Umstand, dass diese Schritte dann in die Tat umgesetzt bzw. zur Umsetzung vorbereitet werden mussten, wird demgegenüber beinahe als nachrangig behandelt. An dieser Darstellung fällt auf, dass zum einen die Vorgängigkeit einer Stellenbeschreibung (und damit der Vorgang der Aufgabenerfassung) vernachlässigt bzw. ausgeblendet werden. Zum anderen wird die Trajekt-Logik der Handlungs- und Ereignisabfolgen zugunsten einer (Über-)Pointierung der entwerfenden und planenden Anteile der organisatorischen Betätigung bagatellisiert.189 189 Zur Trajektförmigkeit des Organisierens vgl. Kapitel 4.5.2.
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Lucy Suchman (1987) zufolge ist die Vorstellung, dass Handeln generell auf Planung beruht, eine typisch europäische Idee. Dieser Vorstellung nach entwerfen Akteure im Rekurs auf allgemeine Prinzipien Handlungspläne und unternehmen im Folgenden jeden Schritt unter Bezugnahme auf diese Handlungsanleitung. Der Vorbehalt der an wesentlich an die Arbeiten von Suchman anschließenden so genannten „Workplace Studies“ an der Annahme vorgängiger Planungsleistung gründet darin, dass diese Annahme impliziert, dass der Akteur angesichts unerwarteter Ereignisse und damit veränderter Handlungsbedingungen erst seinen Plan ändern muss, bevor er reagieren bzw. weiterhandeln kann. Suchmans ethnomethodologisch begründeter Ansicht nach liegt hier eine Verwechslung von Theorie und Praxis bzw. von talk (about action) und action vor. Ihrer Einschätzung nach ist jedes Handeln – auch jedes noch so rationale Handeln – „situated action“, und zwar zwangsläufig: Denn erstens sind niemals alle Umstände des Handelns antizipierbar und zweitens ändern sie sich ohnehin ständig. Auch wenn ihres Erachtens deshalb alles dafür spricht, dass wir nicht nach a priori gesetzten Plänen, sondern ad hoc handeln, beschreiben wir unser Handeln ex post so, als wenn wir einem Plan gefolgt wären. Eine ähnliche Einschätzung präsentiert Karl E. Weick (1985) mit seiner Vorstellung vom „Prozess des Organisierens“. Beim ‚Organisieren’ geht es ihm zufolge darum, „einen Haufen sinnloser Zyklen aufzugreifen und in eine verständliche Ordnung zu bringen“ (Weick 1985: 69). Ihm zufolge muss man sich einen organisatorischen Zusammenhang als ein ‚Gewimmel’ von sozialen Interaktionen in der Zeit vorstellen: Menschen mit ihren jeweiligen Interessen haben mit anderen Menschen zu tun. Eine Abfolge von miteinander in Verbindung stehenden Interaktionen bezeichnet Weick als „sozialen Zyklus“. Diese (sinnlosen) sozialen Zyklen stehen unverbunden nebeneinander. Unter Anwendung einer Reihe von „Rezepten“ (d.h. Handlungsschemata) lassen sich diese soziale Zyklen in eine Verbindung bringen: Zunächst muss es dafür einen (äußeren) Anlass geben. Dann wird aus dem „Haufen sinnloser Zyklen“ ein bestimmter Teil herausgegriffen bzw. eingeklammert – analog zum Einklammern eines Teilstücks des Erlebensstroms zur weiteren Behandlung bei Vorgängen der Sinnsetzung. Diesem eingeklammerten Interaktionszusammenhang wird ein begrenzter Satz von Interpretationen auferlegt. Der interpretierte Vorgang wird als solcher ‚abgespeichert’. Es geht folglich darum, „mit der Mehrdeutigkeit von Erlebensströmen fertigzuwerden“ (Weick 1985: 71). ‚Organisieren’ begreift Weick (1985: 11) „als durch Konsens gültig gemachte Grammatik für die Reduktion von Mehrdeutigkeit mittels bewusst ineinander greifender Handlungen.“ Unter dem „Prozess des Organisierens“ versteht Weick die Verknüpfung von vielen einzelnen Interaktionsereignissen: Erst im Vorgang der Verknüpfung (von Elementen der erlebten Vergangenheit mit erwarteter Zukunft) entsteht ihm zufolge
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Sinn; der Akt der Verknüpfung ist Sinnstiftung – und zwar eine Ex-postSinnstiftung, d.h. „retrospective sensemaking“ (Weick 1995). Sinnstiftung ist allerdings kein rein kognitiver Vorgang, sondern vollzieht sich im Kommunizieren, d.h. dem Erzählen (von Episoden, Geschichten, Legenden, Mythen). Beim ‚Organisieren’ geht es ihm zufolge also um die sprachliche Nach-Bearbeitung von Ereignissen, die von gemeinsamem Interesse sein können; es geht um die kommunikative Herstellung von Ordnung (vgl. Wetzel 2001: 190).190 Im Unterschied zu einem Verständnis von ‚Organisieren’ als einem planenden und auf ein Ziel in der Zukunft gerichteten Vorgehen steht für Weick – ähnlich wie für Gilbert Ryle (1965: 35), demzufolge die von Descartes in die Welt gesetzte „intellektualistische Legende die absurde Annahme [macht], jede Verrichtung, welcher Art auch immer sie sei, erwerbe ihren gesamten Anspruch auf Intelligenz von einer vorausgehenden inneren Planung dieser Verrichtung“ – am Anfang nicht das Denken oder Planen, sondern die Tat („action“) bzw. Gestaltung („enactment“191), „für die deren Urheber nicht etwa vorgängig, sondern erst nachträglich hinreichend situations- und präferenzgerichtete Zielorientierungen konstruieren. Organisationsmitglieder handeln insofern nicht so sehr zielorientiert als vielmehr zielinterpretierend“ (Walter-Busch 1996: 245; Hervorh. i.O.). Anders ausgedrückt: „Wenn Menschen in einer laufenden, dauerhaften Konstellation eine Unterbrechung wahrnehmen, handeln sie ad hoc und bemerken im Nachhinein einige vernünftig erscheinende Anhaltspunkte in ihrem damaligen Tun, interpretieren und speichern Versionen der plausibel gemachten Verknüpfung der Anhaltspunkte [für ihre individuelle und kollektive Identität]192 und verändern oder ändern diese plausiblen Muster in anschließendem Handeln und rückwärtsgerichtetem Beobachten“ (Wetzel 2001: 190).
190 Das bedeutet: Strukturen (d.h. Regeln, Anweisungen usw.) in Organisationen gewinnen Bedeutung erst im Vollzug ihrer Anwendung: „Kriterien, Konzeptionen, Pläne leiten im Grunde genommen wenig an, sie sind bestenfalls Flaggen, die gehisst werden, um Positionen im Verteilungskampf zu sichern, aber nicht selbst für irgendwelche Vollzüge grundlegend. Die rationale Vorstellung wäre ja, dass man unter Abwägung aller Möglichkeiten ein Konzept macht und dieses Konzept dann auch präzise umgesetzt wird. In der Realität ist aber oft erst hinterher klar, welches Ziel man überhaupt verfolgt hat. D.h. die Organisationen tun etwas, können aber erst hinterher begründen, warum sie es getan haben. Entscheidungen beruhen nicht auf Kriterien, sondern schaffen erst Kriterien“ (Wegner 2006: 109; vgl. dazu auch Luhmann 2000: 213). 191 Günther Ortmann kritisiert die Übersetzung von ‚Enactment’ mit dem deutschen Begriff der Gestaltung, da sie den Leser in die Irre führe. Ihm zufolge meint Weick „jenen selektiven, konstruktiven und performativ wirksamen Vorgang, in dem wir Teile, Aspekte, Dimensionen der Umwelt aus- und andere einklammern, als relevant anerkennen und – daher ‚performativ’ – diese Anerkennung praktisch folgenreich machen“ (Ortmann 2004: 202). Anders – und nochmals mit Ortmann (2004: 203) – ausgedrückt: „Enactment bezeichnet die performativ wirksame Etablierung einer Geltung, die auf diese Weise in Kraft tritt.“ 192 Beschrieben wird hier der Vorgang der Sinnstiftung, nicht der des Organisierens.
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Diese prozesstheoretische Perspektive ist vorzugsweise auf die Erfassung innerorganisatorischer Abläufe, „the activities and processes of doing things in organizations“, gerichtet (SIMS et al. 2005: 1). Der „Prozess des Organisierens“, wie das für diese kognitionstheoretische Sicht grundlegende Werk von Weick (1985) im Deutschen betitelt wurde, besteht demnach darin, dass Organisationsmitglieder Begriffsinhalte, Bedeutungen und Sinngehalte nachträglich erzeugen und austauschen – ein Vorgang, der in allen textförmigen Erzeugnissen, die in Organisationen kursieren oder diese gar verlassen, bereinigt (und häufig auch beschönigt) wird. Beschrieben wird allerdings weder organisierendes Handeln noch tatsächlich der Prozess des Organisierens: beschrieben wird vielmehr das Prozessieren von Organisation durch Maßnahmen der Ex-post-Sinnsetzung für Vorgänge innerhalb von Organisationen. Was dabei vernachlässigt wird, ist die ‚Doppelsinnigkeit’ von Handeln. Anders ausgedrückt: Handlungen weisen zwei Sinndimensionen auf: Der besondere Sinn des Handelns, in dem sich ablaufende Erfahrungen mit einem projizierten Ziel verbinden, „ist gewissermaßen abgeschlossen, wenn die Handlung beendet ist. Er ändert sich nicht, wenn die Handlung ausgeführt oder der Entwurf gescheitert ist. Aber er kann neu gedeutet oder in andere Zusammenhänge gestellt werden, z.B. Selbstrechtfertigung, biographische Erinnerung oder Mythologisierung, rechtliche Rekonstruktionen in Gerichtsverhandlungen, Codierungen in internationalen Erhebungen von Sozialwissenschaftlern usw. Diese Sinndimension ist offen, und zwar sowohl subjektiv als auch intersubjektiv“ (Luckmann 2002: 74). Martin Fischer (2002) begegnet dem Ryleschen Vorwurf der intellektualistischen Legende denn auch mit dem Hinweis, dass nicht vernachlässigt werden darf, dass Handeln sich dadurch auszeichnet, dass das Handlungsziel mental, d.h. durch antizipierendes Denken, vorweggenommen wird. Den Umstand, dass Menschen Überlegungen anstellen, wie eine Tätigkeit angemessen zu bewerkstelligen sei, bezeichnet Fischer (2002: 58) als Vorausdenken. In verschiedenen Formen ist ihm zufolge Wissen gleichsam in Handeln ‚inkorporiert’: „als Antizipation des Handlungsziels, als bewusste oder unbewusste Anwendung von Regeln, als mitlaufende Beurteilung des eigenen Handelns bis hin zu Ahnungen und nicht-bewusstseinspflichtigen Elementen (z.B. der Mustererkennung), für die man gar nicht mehr das deutsche Wort ‚Wissen’, sondern eher das englische ‚Know-how’ verwenden würde“ (Fischer 2002: 58). Fischers Vorschlag, den unendlichen Zirkel, der darin besteht, dass die mentale Vorwegnahme selbst wiederum hätte vorweggenommen werden müssen, zu durchbrechen, besteht darin, den Zusammenhang zwischen Wissen und Handeln nicht konsekutiv, sondern dialektisch zu begründen: „Vielmehr ist von einem Wechselverhältnis auszugehen, in welchem Wissen als Handlungsfolie fungiert, nicht aber sämtliche Elemente des Handelns determiniert“ (Fischer 2002: 59).
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Analog dazu schägt Lucy Suchman vor, Handlungspläne nicht als gänzlich obsolet, sondern als das zu betrachten, was sie sind: nämlich „Repräsentationen“ bzw. Abstraktionen von Handlungen.193 Sie können als eine Art Framework verstanden werden, in der die unabänderlichen Restriktionen des Handelns ‚vermerkt’ sind. Dies ermöglicht es einerseits, Restriktionen im Handeln zu berücksichtigen, andererseits sich beim Vollzug des Handelns aber nicht a priori festzulegen, sondern jedes Ereignis in Relation zum Ziel zu interpretieren. Pläne sind folglich allenfalls als „weak resources“ für Handeln anzusehen. Der von Suchman gebrauchte Terminus „plan“ hat im Englischen jedoch die Doppelbedeutung von Entwurf einerseits, von Handlungsplan andererseits. Und Entwürfe sind, jedenfalls aus sinnverstehend-handlungstheoretischer Sicht, (dieser Terminologie folgend) als „strong resources“ zu bezeichnen. Sie sind der Sinn, den Akteure beim Handeln mit ihrem Handeln verbinden – was aber eben nicht ausschließt, dass dieselben Akteure ihrem Handeln (warum auch immer) im Nachhinein einen anderen Sinn zuschreiben.
5.2.3 Organisierendes Handeln als „Handeln bewirkendes Handeln“ Organisieren hat dem Alltagsverstand zufolge ‚irgendetwas’ mit Planen, Vorbereiten und Durchführen zu tun. Eine genauere Beschreibung liefert der DUDEN: Demnach bedeutet ‚Organisieren’ „etwas sorgfältig und systematisch vorbereiten [und für einen reibungslosen, planmäßigen Ablauf sorgen]“.194 Damit sind mehrere Aspekte angesprochen: ‚Organisieren’ impliziert demnach die Vorbereitung von etwas, das eintreten bzw. passieren soll – und zwar auf eine bestimmte Weise, nämlich mit Sorgfalt und Systematik. Mit letzterem ist, wie zu zeigen sein wird, bereits der Aspekt kompetenten Organisierens angesprochen (vgl. Kapitel 5.3). Das ‚Etwas’, das es vorzubereiten gilt, ist das Zweck bzw. der Anlaß des Organisierens. Das, was mit diesem Anlaß beabsichtigt ist, kann nicht einfach hergestellt werden. Aber es können hierfür die Rahmenbedingungen geschaffen 193 Mit dem Begriff „Repräsentation“ hebt Suchman (2003: 302) nicht auf einen mentalen Status ab; sie grenzt vielmehr damit von dessen kognitionstheoretischem Gebrauch ab. Sie meint damit „sociomaterial artefacts“ (Pläne, Anleitungen, Charts, Gesetze usw.); that is, more or less durable, publicly witnessable, discursive and textual/graphical renderings that stand in a reflexive relation to the phenomena that they invoke. 194 Alle weiteren Definitionsangebote des DUDEN Fremdwörterbuchs beschreiben hiervon abweichende Aktivitäten: 2. (ugs.) sich etwas [auf nicht ganz rechtmäßige Weise] beschaffen. 3. a) in einer Organisation, einem Verband o.Ä. oder zu einem bestimmten Zweck zusammenschließen; b) sich organisieren: sich zu einem Verband zusammenschließen. 4. (Med.) totes Gewebe in gefäßführendes Bindegewebe umwandeln. 5. (Mus.) auf der Orgel zum Cantus firmus frei fantasieren.
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werden – so wie beim Weltjugendtag bzw. bei Events generell eben die Voraussetzungen für das (Gemeinschafts-)Erleben der Teilnehmer organisiert werden können (vgl. grundlegend hierzu Hitzler 2000). ‚Organisieren’ stellt letztendlich die Grundlage dafür bereit, dass das eintreten kann, was beabsichtigt ist – im Sinne einer Ermöglichungsfunktion. Der Vorgang der Zwecksetzung, mit dem ein Anlaß für Organisieren erzeugt wird, also das Initiieren von etwas, das im Weiteren vorzubereiten ist, ist kein Bestandteil des Organisierens, sondern geht diesem voraus (vgl. Pfadenhauer 2008b). Empirisch hat sich zeigen lassen, dass Akteure, die etwas (Komplexes) organisieren, zwar an den Anlaß bzw. Zweck des Organisierens gebunden sind, dass sie sich aber nur bedingt an irgendwelchen übergeordneten Zielsetzungen der Initiatoren dessen, was sie bewerkstelligen sollen, orientieren. Im Prozess des Organisierens folgen sie vielmehr ihren je individuellen Relevanzen und Relevanzhierarchien und setzen sich typischerweise eigene Ziele (vgl. Kapitel 3), die sie kommunikativ und interaktiv aushandeln (vgl. Kapitel 4). Othmar Spann zufolge setzt sich ‚Organisieren’ aus folgenden (Teil-)Handlungen zusammen: „1. Organisieren heißt, die zu verbindenden Handlungen veranlassen; 2. es heißt, die Wege für die veranlassten Vorgänge und Handlungen zu bahnen (Wegbahnung). Die Wegbahnung geschieht a) durch Vorbereitung (Vorkehrung) aller jener Bedingungen und Umstände, welche die zu vereinigenden Elemente zu ihrer Vollziehung brauchen; b) durch Beeinflussung (Umgestaltung) der zu organisierenden Elemente geistiger oder handelnder Art. Die Beeinflussung hat wieder zwei Formen: ) die Beeinflussung im engeren Sinne oder die Aenderung der Beschaffenheit der zu organisierenden Elemente und ) die bestimmte Gliederung, Eingliederung der Elemente.“ (Spann 1925: 766).195 Es interessieren hier die einzelnen Komponenten, anhand derer ein Begriff von Organisieren entwickelt wird: Spann zufolge nimmt ‚Organisieren’ am „Veranlassen“ zu verbindender Handlungen seinen Ausgang, weil hiervon alle weiteren Schritte abhängen. Dies impliziert zum einen, dass für die Herstellung von etwas, mehrere Handlungen erforderlich sind, und zum anderen, dass diese Aktivitäten miteinander zu verbinden sind. Organisieren impliziert also zunächst, die für die Bewerkstelligung von etwas erforderlichen Aktivitäten überhaupt erst zu identifizieren. Es impliziert desweiteren, als erforderlich erachtete Aktivitäten 195 Als dritte Teilhandlung des Organisierens bestimmt Spann die Verstetigung des durch die ersten beiden Teilhandlungen geschaffenen Gebildes, „indem der immer erneute gleichmäßig wiederkehrende Ablauf des organisierten Vorganges sichergestellt wird, was zugleich die Schaffung einer Überlieferung bedeutet“ (Spann 1925: 766). Werden die organisierenden Handlungen verstetigt, so erwächst aus organisierendem Handeln eine Ordnung, die herkömmlicher Weise als ‚Organisation’ bezeichnet wird. Deshalb heißt ‚Organisieren’ für Spann (1925: 767), „eine handelnde Ganzheit dadurch herstellen, dass veranlassende, gliedernde, qualitativ umformende sowie Vorbedingungen schaffende Handlungen stetig verwirklicht werden.“
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in eine bestimmte Ordnung zu bringen. Dabei kann die Ordnung von Handlungsschritten in funktionaler Hinsicht (d.h. Zerlegung in unterschiedliche Arbeitsschritte) und in zeitlicher Hinsicht (d.h. nach einer bestimmten Abfolge) vorgenommen werden. Organisieren bedeutet folglich, andere Handlungen vorzubereiten. Auf diesen Aspekt hebt der Projektleiter des Bauvorhabens am Marienfeld besonders deutlich ab. Vor-Bereiten bedeutet, Vorkehrungen zu treffen, dass nachmalige Handlungschritte – wie z.B. Entscheiden – vollzogen werden können, indem z.B. Entscheidungsalternativen erarbeitet und mit ihren jeweiligen Konsequenzen präsentiert werden. Vorbereiten impliziert also, Maßnahmen zu ergreifen, die gewährleisten, dass Handlungen vollzogen werden können, d.h. es bedeutet, erforderliche materielle und immaterielle Handlungsvoraussetzungen herzustellen. So geht es – um im Beispiel zu bleiben – nicht nur darum, Entscheidungsalternativen und deren Konsequenzen aufzuzeigen, sondern vor allem auch darum, dafür zu sorgen, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen wird, damit dergestalt die Voraussetzungen für weitere Handlungen hergestellt ist. Der Begriff des Vorbereitens ist insofern irreführend, weil er eine erste, irgendwann abgeschlossene Phase des Organisierens suggeriert. ‚Organisieren’ bedeutet desweiteren, eigene und vor allem die Aktivitäten anderer in eine bestimmte Richtung zu lenken, d.h. diese zu beeinflussen. Es bedeutet, darauf hinzuwirken, dass Handlungen in der festgelegten Reihenfolge bzw. zum als erforderlich angesehenen Zeitpunkt vollzogen werden. Beeinflußen ist jene Maßnahme, die für einen planmäßigen und reibungslosen Ablauf sorgt. Auch hierin ist bereits ein Aspekt von Kompetenz impliziert, wobei die Frage der Reibungslosigkeit eine Frage der Perspektive – und zwar die des Organisators (nicht der Organisierten) ist, wie sich am Beispiel des Wartens auf die Ankunft des Papstes anlässlich des Weltjugendtags am Köln-Bonner Flughafen zeigen lässt (vgl. Pfadenhauer 2007). Mit Organisieren einher geht schließlich das Bewerten des Handelns daraufhin, was erreicht werden soll, erreicht worden ist, erreicht hätte werden sollen, erreicht hätte werden können usw. Das Spezifische organisierenden Handelns besteht also darin, andere Aktivitäten zu ‚bewirken’, d.h. diese vorzubereiten, sie zu beeinflussen und zu bewerten. Da organisierendes Handeln darauf abzielt, ein anderes Handeln hervorzurufen, bezeichnet Spann dieses auch als „Handeln höherer Ordnung“ (vgl. Spann 1969: 315). Aus der Analyse von Beobachtungen organisierenden Handelns und aus der Interpretation von Gesprächen mit als „Organisatoren“ des Weltjugendtags identifizierten Akteuren läßt sich ‚Organisieren’ im Abgleich mit eigenen Erfahrungen als Tagungsorganisatorin (vgl. dazu nochmals Pfadenhauer 2008b) und im Rekurs auf den Spannschen Definitionsvorschlag zusammenfassend folgendermaßen definieren: Organisieren soll ein solches Handeln heißen, das ein anderes
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Handeln und das Handeln anderer vor-bereitet (das impliziert grosso modo: das dessen materielle und immaterielle Voraussetzungen bereitstellt), das die vorbereiteten Handlungen in eine bestimmte Richtung beeinflusst und dieses Handeln hinsichtlich seines Beitrags zur Zielerreichung bewertet. Dieser Vorschlag zur Begriffsdefinition steht nicht gänzlich im Widerspruch zu einem Alltagsverständnis von Organisieren als einem Vorgang, der irgendwie mit Planen, Vorbereiten, Durchführen und möglicherweise auch noch mit Nachbereiten zu tun hat.196 Eine analytische Präzisierung erfährt er allerdings zum einen dahingehend, dass Organisieren nun als eine Art Meta-Handeln, mit Othmar Spann (1925) gesprochen als „Handeln bewirkendes Handeln“, erkennbar wird, während sich für den Alltagsverstand organisierendes Handeln typischerweise mit aus- und durchführendem Handeln ‚vermengt’. Eine Präzisierung erfährt das Alltagsverständnis von Organisieren aber auch dadurch, dass Organisieren analytisch nicht einfach als linearer Prozess zu begreifen ist, in dem die Phasen zeitlich hintereinander geschaltet sind und in dem die vorhergehende mit dem Eintritt in die nächste Phase mehr oder weniger abgeschlossen ist. Organisieren ist analytisch gesehen eher so etwas wie ein sinnstiftendes ‚Gehäuse’ um vielfältige, über die Gesamtdauer des Organisationsprozesses mehr oder weniger gut ineinandergreifende Teilprozesse von Bereiten – Beeinflussen – Bewerten, in dem man zwar, nachdem man einmal begonnen hat, nie wieder ganz von Vorne beginnt, in dem man aber immer wieder aber an einen Punkt gerät, an dem zur Spezifizierung, zur Aktualisierung oder zur Neujustierung aufgrund unvorhergesehener oder unvorhersehbarer Ereignisse vorbereitende und bereitstellende Maßnahmen erforderlich sind, während Einflussnahmen und Evaluationen ohnehin als den gesamten Prozess begleitende Maßnahmen verstanden werden müssen.
5.3 Kompetentes Organisieren Von ‚Kompetenz’ ist derzeit viel die Rede: nicht nur im Alltag, sondern auch in den Sozialwissenschaften. Komposita wie Handlungskompetenz, Sozialkompetenz, Medienkompetenz und eben auch Organisationskompetenz deuten darauf hin, dass wir es dabei mit einem vielschichtigen Begriff zu tun haben. Wenngleich der Terminus derzeit geradezu inflationär Verwendung findet, wird in der einschlägigen Fachliteratur allerdings nachgerade durchgängig seine Unschärfe 196 Die wissenschaftliche Arbeit am Begriff geht vielmehr vom Alltagsverstand aus, konfrontiert diesen mit methodisch gesicherten Deutungen empirisch gewonnener Daten, gleicht diese mit den reflektierend gewonnenen Daten eigener subjektiver Erfahrungen ab (vgl. hierzu nochmals Pfadenhauer 2008b) und liefert im Idealfall Präzisierungen von derlei in den verschiedenen Modi „gewussten“ Sachverhalten.
5.3 Kompetentes Organisieren
207
bemängelt, insofern er häufig schlicht als Synonym für Wissen bzw. Kenntnisse, für Befähigung bzw. Fähigkeit(en), mitunter auch für Qualifikation, insbesondere für Schlüsselqualifikation(en), fungiert.197 Deshalb werden im Folgenden unterschiedliche Fassungen des Kompetenzbegriffs entlang den jeweils zugrunde liegenden Theorielinien entfaltet (Kapitel 5.3.1) und das im Projektmanagement vorherrschende Verständnis von „Organisationskompetenz“ geklärt (Kapitel 5.3.2), um vor diesem Hintergrund die Dimensionen einer Kompetenz zum Organisieren zu entfalten (Kapitel 5.3.3).
5.3.1 Ansätze zur Kompetenzbestimmung Eine Sichtung der zwischenzeitlich umfangreichen Kompetenzliteratur fördert zu Tage, dass sich die zahlreichen Bestimmungsversuche dieses Terminus aus verschiedenen Theorietraditionen zum einen, aus Grundeinsichten unterschiedlicher Disziplinen wie Psychologie, Philosophie, Soziologie und Pädagogik zum anderen ‚speisen’.
5.3.1.1
Kompetenz als menschliche Grundausstattung
Von Noam Chomsky über Jean Piaget und Ulrich Oevermann bis hin zu Jürgen Habermas verläuft eine Traditionslinie, die den Kompetenzbegriff strukturtheoretisch zu fassen und dabei vor allem die Frage des Kompetenzerwerbs zu klären versucht. Sie nimmt ihren Ausgang bei der Annahme eines grammatischen Regelsystems, anhand dessen (sprachliche) Handlungen generiert werden. Dieses Regelsystem ist als universal und invariant anzusehen und wird „damit gewissermaßen in die Reihe von quasi anthropologischen Voraussetzungen gestellt“ (Lehmann 2002: 119). Kompetenz meint hier die ‚Verfügung’ über – bzw. theoretisch genauer formuliert – die Verfügbarkeit eines Sets invarianter Regeln, das sich in konkreten Verwendungssituationen, d.h. beim Sprechen, aktualisieren lässt bzw. aktualisiert. Der Terminologie Chomskys (1969: 14) folgend ist dementsprechend zwischen „Sprachkompetenz (competence; die Kenntnis des Sprecher-Hörers von seiner Sprache) und Sprachverwendung (performance; der aktuelle Gebrauch der
197 Vgl. für einen derart unsystematische Verwendung, stellvertretend für viele populärwissenschafltliche Publikationen, Kayser/Uepping 1997. Zur Debatte um den Begriff der Schlüsselqualifikation vgl. die Magisterarbeit von Graichen 2002.
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5 Voraussetzungen des Organisierens
Sprache in konkreten Situationen)“ zu unterscheiden.198 Zwischen Sprachkompetenz und Sprachverwendung besteht – selbst im hypothetischen Idealfall199 – stets eine Diskrepanz, was bedeutet, das sich von der Sprachverwendung her nur bedingt auf die zugrunde liegende Kompetenz schließen lässt. Das (analytische) Problem besteht folglich darin, gesicherte methodische Schritte festzulegen, nach denen es möglich ist, „aus den Daten der Sprachverwendung heraus das zugrunde liegende Regelsystem zu bestimmen, über das der Sprecher-Hörer verfügt und das er in der aktuellen Sprachverwendung in Gebrauch nimmt“ (Chomsky 1969: 14). Die Lösung des Kompetenz-Performanz-Problems, also des Problems, dass sich von der Sprachverwendung nicht auf die zugrunde liegende Sprachkompetenz schließen lässt, besteht nach Chomsky darin, die zugrunde liegende Grammatik zu erschließen. D.h.: Die immanente Sprachkompetenz eines idealen Sprecher-Hörers lässt sich mit der Grammatik einer Sprache beschreiben, wobei Chomsky (1969: 19) unter einer (generativen, d.h. satz-erzeugenden) Grammatik „ein Regelsystem“ versteht, „das auf explizite und wohldefinierte Weise Sätzen Struktur-Beschreibungen zuordnet.“ Diese Grammatik anwenden zu können, bedeutet nicht, dass sich der Sprecher-Hörer ihrer Regeln bewusst sein muss, ja nicht einmal, dass er sie sich bewusst machen und sie explizieren kann. Ein wesentliches Kriterium zur Bestimmung von Sprachkompetenz ist ‚Grammatikalität’, d.h. den Regeln der Grammatik entsprechend, für Sprachverwendung ‚Akzeptabilität’. Als ‚akzeptabel’ gelten dabei Äußerungen, die „völlig natürlich und unmittelbar verständlich sind“, die also in keiner Weise „bizarr oder fremdartig klingen“ (Chomsky 1969: 22f). Dieser sprachwissenschaftlichen Auffassung zufolge sind ‚Kompetenz’ und ‚Performanz’ folglich als Komplementärbegriffe zu begreifen. Kompetenz meint hier „das Befolgen von Regeln oder Gesetzmäßigkeiten der Kombinatorik auf der Basis einer kalkulierbaren Zahl von Elementen“, während unter ‚Performanz’ „die konkrete Realisierung von Ausdrucksmitteln und Formen in einer bestimmten Situation durch individuelle Akzente“ zu verstehen ist, allerdings eben die „Realisierung systemisch angelegter (Tiefen)Strukturen“ (Soeffner 2003: 663). Ebenso wie Chomsky definiert Jean Piaget Kompetenz als eine inhaltsleere, formale Größe. Piaget (1972) unterscheidet in seiner kognitiv entwicklungspsy198 Zwischen Kompetenz (Sprachfähigkeit) und ihrer Aktualisierung (Sprachgebrauch) besteht demnach ein konstitutiver, d.h. ein grundlegender, das Wesen der Sache ausmachender Unterschied. 199 Der ideale bzw. idealisierte Sprecher-Hörer, der hier unterstellt wird, lebt in einer homogenen Sprachgemeinschaft, kennt seine Sprache ausgezeichnet und ist bei der Anwendung seiner Sprachkenntnis in der aktuellen Rede nicht von grammatisch irrelevanten Bedingungen wie begrenztes Gedächtnis, Zerstreutheit und Verwirrung, Verschiebung in der Aufmerksamkeit und im Interesse sowie von (zufälligen oder typischen) Fehlern affiziert (vgl. Chomsky 1969: 13). Der seiner Sprache mächtige Sprecher-Hörer ist Träger von Kompetenz.
5.3 Kompetentes Organisieren
209
chologischen Konzeption drei Kompetenztypen: Als „Kompetenz-Kompetenz“ wird die universelle Spracherwerbskompetenz, d.h. die allen anderen Fähigkeiten zugrunde liegende Disposition der menschlichen Gattung bezeichnet, überhaupt spezielle Fähigkeiten erwerben zu können. Als „Kompetenz des epistemischen Subjekts“ wird die idealisierte Kompetenzstruktur der Gattung bezeichnet, von der wiederum die „individuelle Kompetenz“, d.h. die individuelle Entfaltung der Kompetenz im Individualsubjekt, zu unterscheiden ist, die ihren Endpunkt in der logischen Urteilsfähigkeit eines erwachsenen Menschen findet (vgl. Reichertz 1986: 142).200 Während Chomsky (grammatische) Kompetenz noch als angeborene Fähigkeit unterstellt (und die Entwicklung von Kompetenz als Ausreifung eines biologischen Programms vorgegeben ist), geht Piaget bereits davon aus, dass sich die kognitive Struktur des Individuums dadurch entwickelt, dass Erfahrungen an vorgegebene Umweltstrukturen assimiliert und diese durch Akkommodation, d.h. Anpassungsfähigkeit, erweitert und umgebildet werden. Kognitive Kompetenz entwickelt sich hier also im „handelnden Umgang des Menschen mit seiner Umwelt“ (Reichertz 1986: 143) – allerdings im Sinne eines Interiorisierungsprozesses, d.h. eines selbstregulierenden Vorgangs, in dem die Strukturen den aktiven Part der Kompetenzentwicklung übernehmen. Ulrich Oevermann überführt diese entwicklungspsychologische Konzeption derart in die Soziologie, dass er – im Rekurs auf den Symbolischen Interaktionismus Meadscher Prägung – dem Subjekt einen (aktiven) Anteil an diesem Entwicklungsprozess zuschreibt: Kompetenzen entwickeln sich Oevermann (1973) zufolge im Zuge sozialisatorischer Interaktion, also nicht monologisch, sondern dialogisch – vor allem in Prozessen der Nachahmung, der Perspektivenübernahme und des ‚role taking’ (vgl. Oevermann 1973). Die kognitive Entwicklung ist in ihrer Struktur also abhängig von der Form der menschlichen Interaktion; die Entwicklung kognitiver Kompetenz wird maßgeblich beeinflusst von dem Individuum im Verlaufe seiner Lebensgeschichte und in der Auseinandersetzung mit anderen je vermittelten Erfahrungen (vgl. Heursen 1989: 880).201 Damit wird theoretisch plausibel, dass es zu individuell unterschiedlicher Per200 Diese drei Kompetenztypen sind hierarchisch zu verstehen, was bedeutet, dass die Ausbildung individueller Kompetenz beim empirischen Subjekt die Ausprägung der beiden anderen Kompetenztypen voraussetzt. 201 Diese Konzeption klärt allerdings nicht, wie die Strukturen, die außerhalb des Subjekts existieren, in das Individuum ‚hineingelangen’. Die interaktionistische Antwort auf diese Frage besagt, dass die Regeln vom Subjekt dem sozialen Handeln abgelesen werden, womit gemeint ist, dass das Subjekt sie aktiv und selbsttätig ‚aufnimmt’ (wobei hier ungeklärt bleibt, wie ein gering strukturiertes ‚Innen’ ein komplex strukturiertes ‚Außen’ zu erfassen vermag). Die strukturtheoretische Antwort (Piagets) besagt demgegenüber, dass die Strukturen selbsttätig im Subjekt wirksam werden, was eine Eigengesetzlichkeit der Strukturentwicklung impliziert, die sich am Subjekt vollzieht (vgl. dazu Oevermann 1976; kritisch zu Oevermanns Unentschiedenheit in dieser Frage Reichertz 1986: 167ff).
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5 Voraussetzungen des Organisierens
formanz kommen kann. Denn die Kompetenz sichert nur die Möglichkeit, dass Äußerungen performiert werden können, nicht aber, welche Faktoren die Performanz positiv bestimmen. Sprachkompetenz im Chomskyschen Sinne, d.h. grammatische Kompetenz, wird Oevermann zufolge von weiteren Regeln („Strategien“) gesteuert, die sozialen Ursprungs sind. Als „Strategien der verbalen Planung“ unterscheidet Oevermann hierbei die der minimalen und die der autonomen Verbalisierung: Während erstere nur das verbalisiert, was in der konkreten Situation unklar geblieben ist, verbalisiert die zweite ausführlicher und bietet die Chance, eingeschliffene Interpretationen zu problematisieren. Positiv bestimmt wird Sprachkompetenz überdies durch den „Grad an Motivation, Inkonsistenzen als solche wahrzunehmen und sie nicht zu verdrängen“ (Reichertz 1986: 142). Oevermann (1973) folgt Chomsky dahingehend, dass auch er unter grammatischer Kompetenz die Fähigkeit eines Sprechers versteht, regelgeleitet grammatische Sätze zu produzieren (wobei das Wissen um grammatische Regeln, wie gesagt, unbewusst ist) und zugleich über die Grammatikabilität von Sätzen intuitiv ein Angemessenheitsurteil zu fällen. Wenngleich Kompetenz angeboren ist, verfügt erst der in eine Sprache sozialisierte Erwachsene über Kompetenz im umfassenden Sinne. Die produzierten Sätze bilden die Ebene der Performanz, d.h.: Performanz ist die (teilweise) realisierte Kompetenz, Performanz gibt also immer nur einen Ausschnitt aus dem Kompetenzpotential wieder. Nur über die Analyse der Performanz lassen sich die generativen Regeln der Kompetenz bestimmen. In diesem Sinne sind sie Oevermann zufolge als empirische Regeln zu begreifen, die im Handeln vorfindlich bzw. auffindbar sind. Oevermann (1973) folgt Piaget dahingehend, dass auch er von drei Regelsystemen, nämlich einer grammatischen, einer kognitiven und einer Performanz bestimmenden Kompetenz ausgeht. Das bei Chomsky im Sinne der Erfüllung eines Programms biologistisch angelegte und bei Piaget im Verstande eines Interiorisierungsvorgangs strukturalistisch angelegte Konzept der Kompetenzentwicklung wird im Rekurs auf interaktionistische Überlegungen zum Bildungsprozess während der Sozialisation gleichsam soziologisch ‚unterfüttert’, indem soziale Einflüsse geltend gemacht werden. Im Zuge seiner Vorarbeiten zu einer Theorie kommunikativen Handelns hat Jürgen Habermas den kompetenztheoretischen Fokus insofern erweitert, als sich sein Interesse weder (nur) auf das sprachfähige, noch (nur) auf das erkenntnisfähige, sondern (überdies bzw. letztendlich) auf das handlungsfähige Subjekt richtet. Insofern die menschliche Entwicklung eine kognitive, sprachliche und eine interaktive Dimension aufweise, lasse sich dementsprechend auch eine kognitive, eine sprachliche und eine interaktive Kompetenz unterscheiden (vgl. Habermas 1984: 191; vgl. auch bereits Habermas 1971). Diese Kompetenzen bilden sich nicht nur in einer adaptiven, sondern in einer konstruktiven Auseinandersetzung
5.3 Kompetentes Organisieren
211
des Subjekts mit seiner Umwelt heraus, wobei diese in die drei ‚Regionen’ äußere Natur, Sprache und Gesellschaft zu differenzieren sei: „Die kognitive Kompetenz bildet sich im manipulativen Umgang mit Objekten der äußeren Natur, interaktive und sprachliche Kompetenzen bilden sich im Umgang mit kommunikativen vergesellschafteten Subjekten und deren Äußerungen“ (Habermas 1984: 194). Dieser Auffassung zufolge konstituiert sich das Ich, d.h. „erfährt es sich in seiner Subjektivität“ in Vorgängen der Ich-Abgrenzung von der Objektivität der äußeren Natur, der Normativität der Gesellschaft und der Intersubjektivität der Sprache.202 Die Entwicklung sprachlicher Kompetenz lässt sich als Ausbildung einer zugrunde liegenden Redestruktur begreifen, die Entwicklung kognitiver ebenso wie die Entwicklung interaktiver Kompetenz lässt sich als „Evolution eines jeweils zugrunde liegenden Handlungsschemas verstehen“ (Habermas 1984: 224). Wenngleich in beiden Fällen Handlungskoordinierungen interiorisiert werden, weisen die Handlungsschemata strukturelle Unterschiede – Prinzip der Logik und manipulativer Umgang mit der Umwelt hie, Prinzip der Moral und interaktiver Umgang mit der Umwelt da – auf. Denn: interaktives Handeln ist „motiviert, d.h. an der Erwartung einer symbolisch verallgemeinerten Gratifikation bzw. an der Vermeidung des Gratifikationsentzugs orientiert, und es ist auf die Intentionen eines Anderen bezogen“ (Habermas 1984: 218).
5.3.1.2
Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition
Im gegenwärtig dominierenden systemtheoretisch-konstruktivistisch angelegten Kompetenzverständnis ist die strukturtheoretische Auffassung aufgegriffen worden, dass Kompetenzen „nicht direkt prüfbar, sondern nur aus der Realisierung der Dispositionen erschließbar und evaluierbar sind“ (Erpenbeck 1997: 311). Kompetenz ist demnach stets eine Form von Zuschreibung aufgrund eines Beobachterurteils: „Wir schreiben dem physisch und geistig selbstorganisiert Handelnden auf Grund bestimmter, beobachtbarer Verhaltensweisen bestimmte Dispositionen als Kompetenzen zu“ (Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: XI). In der Auffassung von Kompetenzen als Selbstorganisationsdispositionen kommt ein psychologisches Verständnis zum Tragen, das ‚Kompetenz’ als die Möglichkeit des Individuums umschreibt, „all die Transaktionen mit der Umgebung auszuüben, die dazu führen, dass es sich erhält, sich wohlfühlt und sich weiterentwickelt“ (Olbrich 1986: 296). ‚Kompetenz’ wird hierbei „nicht etwa als eine 202 Das bedeutet: In der Erfahrung, dass jeder andere ‚in meiner Lage’ dasselbe wahrnehmen, jeder andere ‚in meiner Lage’ Institutionen und Werte ebenso anerkennen oder verwerfen, jeder andere ‚in meiner Lage’ (also alle, die meine Sprache teilen) sie verstehen würde, erfahre ich mich als Subjekt.
212
5 Voraussetzungen des Organisierens
Eigenschaft der Person verstanden, sondern als ein Ressourcen organisierendes Konstrukt“ (Olbrich 1989: 36). Gemeint ist hier ein ‚inneres Modell’ als Grundlage zur Planung der Situationsbewältigung im Sinne eines entscheidenden regulierenden Kettengliedes zwischen Vorstellung und Handlung. Ebenfalls von Ressource, allerdings im Sinne einer Bewältigungsressource zwischen Fertigkeit und Tätigkeit, ist bei Oerter (1998) die Rede. Kompetenz meint hier das Organisieren können von Mitteln und Möglichkeiten, auf Erwartungen flexibel und situationsadäquat reagieren zu können (vgl. im Überblick dazu Löwisch 2000: 87ff). Gemeint sind hierbei persönliche Voraussetzungen für Verhalten und Erlebnisweisen. Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen psychologischen Ansätzen zur Bestimmung dessen, was unter Kompetenz zu verstehen ist, die Vorstellung, dass es sich bei Kompetenz um Möglichkeiten und Fähigkeiten handelt, erfolgreich, d.h. effektiv handeln zu können. In der Psychologie meint Kompetenz folglich ein Mittel, mit dem etwas bewirkt werden kann, d.h. Wirkmächtigkeit im Sinne einer gerichteten Triebkraft zum Aktivsein. Mit dem Kompetenzbegriff werden in der Motivationspsychologie grundlegende Fähigkeiten zur effektiven Interaktion mit der Umwelt bezeichnet, deren Entwicklung zum großen Teil vom Individuum selbst ‚besorgt’ wird. ‚Entwicklung’ meint dabei – im Unterschied zu und in Abgrenzung von ‚Erziehung’ – nicht einen außen- bzw. fremd gesteuerten Vorgang, sondern eine Art ‚von selbst’ ablaufendem bzw. ‚von innen’, d.h. intrinsisch sich vollziehendem Prozess. ‚Erziehung’ kann dieser Perspektive zufolge ‚Entwicklung’ immer nur nachgeordnet sein. Dem motivationalen Aspekt wird hier also eine große Bedeutung zugesprochen, nämlich zum einen der Bereitschaft, Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Problembewältigung einsetzen zu wollen, zum anderen – und dieser vorgelagert – dem Vorgang der Umwandlung von Werten zu freiwillig akzeptierten handlungsleitenden Emotionen und Motivationen. Der Vorgang der Aneignung von Werten und Kompetenzen wird auch hier als Interiorisierungsprozess begriffen. Kompetenzentwicklung ist folglich als ein Vorgang des Selbstlernens zu verstehen, der nicht, jedenfalls nicht von außen gesteuert und keinesfalls manipuliert werden kann. In der Kompetenzforschung, wie sie von der Berliner Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM) betrieben wird, wird der Kompetenzbegriff vorzugsweise als Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstorganisation von der Bewältigung konkreter Arbeitsaufgaben gelöst und dem Begriff der Persönlichkeit203 angenähert: „Kompetenz bringt im Unterschied zu anderen Konstrukten wie Können, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Qualifikation usw. die als Disposition vorhandene Selbstorganisationsfähigkeit des konkreten Indivi-
203 Damit wird er in die Nähe des von Humboldt überkommenen Bildungsbegriffs gerückt (vgl. dazu Weiß 1999: 443 sowie Arnold 1997: 269).
5.3 Kompetentes Organisieren
213
duums auf den Begriff“ (Erpenbeck 1997: 312).204 Diesem Verständnis liegt die (radikal) konstruktivistische Auffassung vom Individuum als einem operational geschlossenen System zugrunde, das lediglich Impulse von außen subjektiv verarbeitet. Aus- und Weiterbildner haben dieser Auffassung zufolge nur einen impulssetzenden Einfluss auf das Lernumfeld, sie haben letztlich aber keinen Einfluss auf die Ausbildung einer bestimmten Kompetenz. Lernen bedeutet dieser Auffassung nach ein Zusammenwirken von Selbstorganisation, Motivation und Erkenntnistätigkeit, wodurch Realität wertend wahrgenommen und verarbeitet wird. Unter ‚Lernen’ wird also das Wahrnehmen und Verarbeiten von Wirklichkeit auf der Basis eines synergetischen Vorgangs verstanden (vgl. Erpenbeck/Heyse 1999: 48). Gegenüber der radikalen Konzeption der Selbstorganisation, in der das Selbst als autopoietisches System erscheint, nimmt sich die Idee des „selbstgesteuerten Lernens“, die sich Arnold und Milbach (2002: 13) zufolge „in den letzten Jahren zu einer Leitkategorie des erwachsenendidaktischen Diskurses entwickelt“ hat, insofern als abgemilderte Variante aus, als hierin die Möglichkeit fremd organisierter Lernangebote eingeschlossen ist. „Der Begriff Selbstorganisation kennzeichnet dabei, so Arnold (1996: 14), „die stochastische, strukturdeterminierte Tendenz von Systemen, Gleichgewichtszustände in einem autopoietischen Prozess hervorzubringen und ständig Restabilisierungen auf neuen Niveaus zu erreichen. Voraussetzung für eine realistische Konzipierung von und für einen angemessenen Umgang mit solchen komplexen Systemen ist ein vernetztes Denken in Zusammenhängen.“ Lernende (wie Unternehmen) als „selbstorganisierende Systeme“ aufzufassen meint, eine spontane Bildung von Strukturen aller möglichen (physikalischer, chemischer, biotischer, nervaler, sozialer und geistiger) Art anzunehmen. Strukturen werden demnach aus innersystemischen Zuständen hervorgebracht, auf die von außen lediglich Energie- Materie- und Informationsflüsse einwirken. Selbstorganisation meint folglich „Strukturbildung von selbst“ (Heyse/Erpenbeck 1997: 29). Bezogen auf das Individuum bedeutet dies, dass im menschlichen Gehirn mittels sich selbst organisierender Strukturbildungen kreativ Denk- und Handlungsmöglichkeiten entstehen. ‚Selbstorganisation’ wird hierbei in einem Beziehungsgefüge von Möglichkeiten (Kompetenzen), ihren Bestimmungs- und Beeinflussungsmomenten (Werten) und dem Realisierungsvermögen (Wille) ‚aufgespannt: Ausgangspunkt für Selbstorganisation im hier gemeinten Sinne bildet der Wille, verstanden als das „Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen“ (Erpenbeck 1993). Voraussetzung für Selbstorganisation sind Kompetenzen, verstanden 204 Im Anschluss an die Bestimmung von ‚Kompetenz’ als Dispositionsbegriff wird Qualifikation häufig als Positionsbegriff bestimmt, was Vogel/Wörner 2002: 83 zufolge als Kategorienfehler anzusehen ist, insofern Qualifikation auch Fähigkeiten und Fertigkeiten und damit Dispositionen umfasst.
214
5 Voraussetzungen des Organisierens
als individuell-psychische Möglichkeiten bzw. Dispositionen (Anlagen, Befähigungen), selbstorganisiert zu handeln. Diese dispositionellen Voraussetzungen werden durch Werte – Sprache, Staatsform, Kultur, Rituale, Umgangsformen, Mode, Betriebsklima, corporate identity, ‚Volkscharakter’ und Ethik – bestimmt oder zumindest stark beeinflusst. Zur Erklärung des „Prinzips der Selbstorganisation“ rekurrieren Erpenbeck/Heyse (1999: 48) explizit auf die Chomskysche Unterscheidung von Kompetenz und Performanz, demzufolge einem Sprecher die Regeln der Grammatik nicht bewusst sind, ja er sie sich nicht einmal bewusst machen kann: „Das, was hier auf das Generieren, sprich Erzeugen sprachlicher Performanz bezogen wird, entsteht aus dem, was mit dem Prinzip der Selbstorganisation gemeint ist.“
5.3.1.3
Kompetenz als Problemlösungsvermögen
„‚Kompetenz‘ ist nicht nur in Deutschland einer der meist diskutierten Zielbegriffe der Aus- und Weiterbildung. Auch auf internationaler Ebene bestimmt die Debatte um competencies, compétences oder competencias den aktuellen Stand der Auseinandersetzung um Qualifizierungsziele in der beruflichen Bildung“ (Clement 2002: 29). In der (Berufs- und Erwachsenen)Bildung hat sich der Kompetenzbegriff gerade aufgrund seiner Offenheit und Breite Ende der 1970er Jahre gegen die als allzu funktional bzw. technizistisch empfundene Konzeption beruflicher Bildung durchgesetzt. Die Verlagerung auf den Kompetenzbegriff versprach einerseits die enge Beschränkung auf kognitive Aspekte der (Berufs)Bildung und eine allzu eng gefasste Vermittlung von Fertigkeiten im Hinblick auf den je unmittelbaren Tätigkeitsbezug in der Weiterbildung in Richtung auf eine ganzheitliche, die gesamte Persönlichkeit umfassende Kompetenzentwicklung aufzuheben. Andererseits wird vor dem Hintergrund der Diagnose einer individualisierungsbedingten Erosion des Berufsprinzips in Frage gestellt, ob der „homo competens“ (Alaluf/Stroobants 1994: 54)205 – in dem Maße, in dem er nicht mehr einen Beruf ‚habe’, sondern über eine sich aus wechselnden Kontexten seiner Bildungsgänge und seiner beruflichen Erfahrungen amalgamierende „Kompetenz-Collage“ (Arnold 2002: 23) verfüge – mit dem ihm mehr oder minder zufällig biographisch ‚zugewachsenen’ Wissensbeständen und Fähigkeiten tatsächlich zu einem (in welcher Hinsicht auch immer) adäquaten Handeln im jeweiligen Berufskontext in der Lage sei.
205 Der ‚homo competens’ zeichne sich – im Unterschied zum nutzenmaximierenden ‚homo oeconomicus’ – dadurch aus, dass sein Verhalten von der „Bereicherung seines ‚Bestandes an Kompetenzen’ motiviert sein dürfte“ (Alaluf/Stroobants 1994: 54).
5.3 Kompetentes Organisieren
215
Mindestens zwei Bedeutungen von ‚Kompetenz‘ lassen sich unterscheiden: Kompetenz meint zum einen Zuständigkeit, Befugnis – durchaus auch im juristischen Sinne, wenn beispielsweise davon die Rede ist, dass Bildung Länderkompetenz sei. Zum anderen impliziert ‚Kompetenz‘ Handlungsfähigkeit. Diesem zweiten Begriffsverständnis zufolge meint ‚Kompetenz’ das Ensemble aller „Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden (…), die ein Mensch in seinem Leben erwirbt und betätigt“ (Weinberg 1996: 213). In der Literatur findet sich diesen unterschiedlichen Bedeutungsdimensionen entsprechend die dichotome Unterscheidung eines eine bestimmte Zuständigkeit anzeigenden Begriffs ‚formaler’ Kompetenz gegenüber dem Fähigkeitsbegriff der ‚materialen’ Kompetenz (vgl. Bunk 1994), wobei das pädagogische Interesse auf letztere Bedeutung fokussiert. (Handlungs-)Kompetenz als die Fähigkeit zum Handeln wird hier als ein Konstrukt verstanden, das aus einer Reihe weiterer (Teil-)Kompetenzen zusammengesetzt ist. Anspruch einer Klassifikation von Kompetenzen ist es, den gesamten menschlichen Handlungsbereich abzudecken. Die Grundtypen müssen zugleich so ausdifferenziert sein, dass sich verschiedene Handlungen als Elemente der Performanz möglichst eindeutig auf einen von ihnen zurückführen lassen (vgl. Heursen 1989: 880). Während Habermas im Hinblick auf das handlungsfähige Subjekt eine kognitive, sprachliche und interaktive Dimension und dementsprechend kognitive, sprachliche und interaktive Kompetenzen unterscheidet, differenzieren John Erpenbeck und Volker Heyse (1999:157) geistiges, instrumentelles, kommunikatives und reflexives Handeln und ordnen diesen Handlungsformen folgende grundlegende Formen individueller Kompetenzen zu:
Geistige Handlungen erfordern ‚Fachkompetenz’ – verstanden als „Dispositionen, geistig selbstorganisiert zu handeln, d.h. mit fachlichen Kenntnissen und fachlichen Fertigkeiten kreativ Probleme zu lösen, das Wissen sinnorientiert einzuordnen und zu bewerten“; Instrumentelle Handlungen erfordern ‚Methodenkompetenz’ – verstanden als „Dispositionen, instrumentell selbstorganisiert zu handeln, d.h. Tätigkeiten, Aufgaben und Lösungen methodisch kreativ zu gestalten und von daher auch das geistige Vorgehen zu strukturieren“; Kommunikative Handlungen erfordern ‚Sozialkompetenz’ – verstanden als „Dispositionen, kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu handeln, d.h. sich mit anderen kreativ auseinander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten, um neue Pläne und Ziele zu entwickeln“; Reflexive Handlungen erfordern ‚Personale Kompetenz’ – verstanden als: „Dispositionen, reflexiv selbstorganisiert zu handeln, d.h. sich selbst einzuschätzen, produktive Einstellungen, Werthaltungen, Motive und Selbstbil-
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5 Voraussetzungen des Organisierens
der zu entwickeln, eigene Begabungen, Motivationen, Leistungsvorsätze zu entfalten und sich im Rahmen der Arbeit und außerhalb kreativ zu entwickeln und zu lernen“ Und Handeln generell erfordert ‚Handlungskompetenz’ – verstanden als „Dispositionen, gesamtheitlich selbstorganisiert zu handeln, d.h. viele oder alle der zuvor genannten Kompetenzen zu integrieren.“ Die als Dispositionen, d.h. als innere Voraussetzungen, begriffenen Kompetenzen dienen dazu, eine ‚offene’ Zukunft produktiv und kreativ zu bewältigen und Individuen biographisch zu Produzenten ihrer eigenen Entwicklung zu machen“ (Heyse/ Erpenbeck 1997: 163).
Diese Auffächerung von Handlungskompetenz in Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und personale Kompetenz (vgl. Bunk 1994) bzw. Reflexionskompetenz (vgl. Faulstich 1997: 165f) ist im Kompetenzdiskurs zwischenzeitlich weit verbreitet.206 Dabei liegt jeder mehrdimensionalen Konzeption von ‚Kompetenz’ die Auffassung zugrunde, dass sich Kompetenz aus unterschiedlichen Wissenselementen aufschichtet: Die in der Arbeits- und Kompetenzforschung akzeptierten und gängigen zentralen Bezugspunkte zur Bestimmung von spezifischen Fähigkeiten „werden durch Grunddimensionen wie explizites und implizites Wissen, Fertigkeiten, Erfahrungen und Werthaltungen strukturiert“ (Kurz 2002: 603). Deshalb wird Kompetenz alltagssprachlich vor allem als Befähigung für etwas bzw. Befähigtsein zu einer speziellen Problemlösung assoziiert. Kompetenz in diesem Verstande meint die Ausstattung mit einem spezifischen Wissensbestand, d.h. mit problembezogenem Sonderwissensbestand, der sich – wie jeder subjektive Wissensbestand – aus Grundelementen des Wissens, aus Rezept- und Routinewissen, d.h. aus habitualisierten Fertigkeiten und Fähigkeiten, sowie aus Bestandteilen expliziten Wissens zusammensetzt, wobei insbesondere letztere als Wissen gewusst werden. Der Begriff Kompetenz gewinnt jedoch keine Trennschärfe zu „Wissen“, wenn man darunter lediglich die Befähigung zum Handeln versteht. Schon der Wissensbegriff wird oftmals eng mit Handeln verwoben: Stehr 2001: 62) etwa versteht unter Wissen epxlizit die „Fähigkeit zum Handeln“ bzw. als „Möglichkeit, etwas in Gang zu setzen“. weiter gefasst (vgl. Knoblauch 2005: 267). Mit Degele (2000: 95ff) ist ‚Kompetenz’ demgegenüber formal als Wissen zu begreifen, mit Wissen umzugehen, .d.h. als „Metawissen“ bzw. Wissen zweiter Ordnung. 206 Grundlegend hierfür ist Heinrich Roths (1971: 180) Unterscheidung von „Selbstkompetenz, d.h. als Fähigkeit, für sich selbst verantwortlich handeln zu können“, „Sachkompetenz, d.h. als Fähigkeit, für Sachbereiche urteils- und handlungsfähig und damit zuständig sein zu können“, und „Sozialkompetenz, d.h. als Fähigkeit, für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sachoder Sozialbereiche urteils- und handlungsfähig und also ebenfalls zuständig sein zu können“
5.3 Kompetentes Organisieren
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Der im Alltag übliche Gebrauch des Begriffs ‚Kompetenz’ lediglich im Verstande von Befähigung zur Lösung eines (wie auch immer gearteten) Problems ist zu eng angelegt. In einem umfassenden Sinn kann von Kompetenz erst dann gesprochen werden, wenn zur Befähigung die Bereitschaft hinzu tritt, ein (warum auch immer) vorliegende Problem zu bewältigen. Dieses Kompetenzverständnis klingt an in der Definition von Partizipationskompetenz „als Summe der Fähigkeiten zu partizipativem Handeln und des Willens, diese Fähigkeiten in konkreten Handlungsvollzügen zu (re-)aktivieren, mithin die Befähigung und die Motivation sich zu beteiligen“ (Greifenstein, Jansen & Kißler 1990: 15).207 In diesem an mikropolitischen Machtspielen in der Verwaltung interessierten Bestimmungskontext wird zum einen Fähigkeit, zum anderen Motivation – hier: zur Teilnahme an Entscheidungsprozessen – als Kriterium für Kompetenz ausgewiesen. Kompetenz beinhaltet aber nicht nur die Befähigung und die Bereitschaft zur Problemlösung. Der Begriff „verweist darüber hinaus auf die Frage der Zuständigkeit und auf die Annahme, dass Kompetenz sich in einer entsprechend der erwarteten Standards geleisteten Tätigkeitsdurchführung zeigt“ (Hof 2002: 158) – womit Kompetenz hier als „situationsbezogene Handlungsfähigkeit“ (ebd.) konkretisiert wird. Hier klingt aber überdies an, dass Kompetenz als soziale Zuschreibung zu begreifen ist, die im Rekurs darauf vorgenommen wird, dass sich als kompetent beobachtetes Verhalten als (impliziten) Erwartungen oder (expliziten) Standards entsprechend erweist. Zuständigkeit erweist sich dabei als eine Kompetenzdimension, die schwierig zu fassen ist. Zuständigkeit lässt sich – im Sinne von ‚Befugnis’ – als soziale Zuschreibung begreifen. Dem Problem der Zuschreibung hat sich – sehr grundlegend, nämlich in Bezug auf die Zuschreibung von Handlung – Ingo Schulz-Schaeffer (2007) gewidmet. Handlungskonstitution durch Zuschreibung ist ihm zufolge als zweite Form der Konstitution von Ereignissen als Handlungen zu verstehen, die als „eigenständige Interpretationsleistung“ (14) „zu der Handlungskonstitution durch den Handelnden entweder ergänzend hinzutreten, mit ihr konkurrieren oder auch die einzige Form der Konstitution des fraglichen Ereignisses als Handlung sein“ [kann]. Zuständigkeit ist – im Sinne von ‚Sich zuständig wähnen’ – aber auch als ein subjektiver Anspruch zu begreifen: Es geht um die Wahrnehmung der Situation als eine, die mich tangiert, die mich etwas angeht, aber nicht nur aufgrund meiner individuellen Motivation, sondern aufgrund der (auch für mich) geltenden bzw. gültigen Interaktionsordnung. In beiderlei Hinsicht konnotiert der Begriff Verantwortlichkeit. Im ersten Fall ist der Akteur gegenüber jemandem verantwortlich – demgegenüber, der ihn verantwort207 Partizipation bedeutet im hier gemeinten – soziologisch eng und für empirische Organisationsforschung operationalisierbar gefassten – Sinn die „Teilnahme an Entscheidungsprozessen, mit dem Ziel, Interessen durchzusetzen, wobei es sich um eigene oder fremde Interessen handeln kann“ (vgl. Bogumil/Kißler o.J.: 6).
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lich macht. Im zweiten Fall ist der bzw. wähnt sich der Akteur für das verantwortlich, was er tut bzw. tat (vgl. Schütz 1972: 256). Aus handlungstheoretischer Perspektive beinhaltet der Kompetenzbegriff also erstens die Komponente der Befähigung, zweitens die Komponente der Bereitschaft und drittens – eher selten thematisiert – die Komponente der Zuständigkeit. Kompetent ist ein Akteur weder dann, wenn er befähigt und bereit, aber nicht zuständig ist, ein Problem zu bearbeiten, noch dann, wenn er befähigt und zuständig, aber nicht bereit ist, dies zu tun, noch dann, wenn er bereit und zuständig, aber zu einer Problemlösung nicht befähigt ist. Erst das Zusammenspiel dieser Komponenten ist Odo Marquard (1981: 24) zufolge als Kompetenz zu begreifen: „Kompetenz hat offenbar irgendwie zu tun mit Zuständigkeit und mit Fähigkeit und mit Bereitschaft und damit, dass Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft sich in Deckung befinden.“ Kompetenz ist als das – die Aspekte des Könnes, Wollens und Dürfens umfassende – Vermögen zur Problemlösung zu begreifen. In der Berücksichtigung dieser drei Komponenten geht der hier gemeinte Begriff des Problemlösungsvermögens als Synonym für Kompetenz über das Aristotelische Verständnis von Vermögen als eine „aktive Potenz“ hinaus, da hier wiederum vor allem auf den Aspekt der Befähigung abgehoben wird. Nach Kant lassen sich alle Vermögen des menschlichen Gemüts ohne Ausnahme" auf das Erkenntnisvermögen, das Gefühl der Lust und Unlust und das Begehrungsvermögen zurückführen. Kompetenz ist als ein Vermögen zubegreifen, über das ein Akteur nicht nur situativ ‚verfügt’, sondern das ihm ‚gehört’, das bewahrt, gepflegt, ausgebaut und vor allem: vielseitig, d.h. zur Lösung unterschiedlicher Arten von Problemen eingesetzt werden kann. Dieses Vermögen, dieses Wissen, mit Wissen umzugehen, versetzt den Akteur dazu in der Lage, Probleme nicht nur zufällig, einmalig, ‚irgenwie’, sondern absichtsvoll, wiederholt und systematisch zu bewältigen.208
5.3.2 Organisationskompetenz im Projektmanagement Im Honorarsystem für Architekten § 31 HOAI wurde auf Wunsch der Architektenschaft die Leistung der Projektsteuerung festgeschrieben. Diese umfasse – über die Leistung der Generalplanung, d.h. „den fachübergreifenden Zusammenschluss aller zur Realisierung erforderlichen Planungsleistungen“ (Bremmer et 208 Eine gewisse Nähe zum dieses Kompetenzbegriffs zum Bourdieuschen Kapitalbegriff ist nicht von der Hand zuwesien. Allerdings wird hierbei nicht Bourdieus (Bourdieu 1987: 730) Auffassung geteilt, derzufolge die Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata alltäglicher sozialer Praxis “aus der objektiven Trennung von ‘Klassen’ hervorgegangen” sind und “jenseits von Bewußtsein und diskursivem Denken” wirken.
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al. 2000: 1403) hinaus – Organisations- und Beratungsleistungen in Übernahme der Management- und Kontrollfunktion des Bauherrn. Der Projektsteuerer berät demnach bei Methodenproblemen und beschafft Lösungen für Organisationsprobleme, wie z.B. mangelhafte Leistungen von Vertragspartnern. ‚Organisieren’ ist also ein integraler Bestandteil dieses und vieler anderer Berufe und damit zunehmend auch Gegenstand allgemeiner und beruflicher Weiterbildung – nicht nur in Veranstaltungen zum Zeitmanagement, zur Selbstorganisation usw., sondern auch in Kursen zu Projektorganisation bzw. der Weiterqualifizierung mittels (international anerkannter) Kompetenzzertifikate zum Projektmanager (GPM). In der Schilderung der Projektleitung des Marienfelds fällt zunächst auf, dass der Projektleiter keine Spezialistenkompetenz für sich in Anspruch nimmt, sondern in Einzelaspekten auf das Wissen von Sachverständigen hinweist. Er sieht sich nicht zuständig für Detailfragen, beansprucht für sich aber eine Überblickskompetenz und die Fähigkeit, auch hinsichtlich Details das Wesentliche erkennen zu können. Er formuliert sozusagen eine Generalistenkompetenz: er bespricht sich mit Sachverständigen bzw. Gutachtern (für Bodengeologie, für Landwirtschaft, für Umweltschutz usw.), er klärt Auflagen mit Behördenvertretern, er eruiert die Interessen der Bodeneigentümer, der Gemeinden, Anwohner, er sondiert die finanziellen und materiellen Leistungsangebote von Sponsoren usw. und sammelt dergestalt Expertisen, Vorgaben und Erwartungen ein, die er dann – gebündelt als sachliche Empfehlung, die durchaus mehrere Alternativen enthalten kann und die sich vor allem durch ein Abwägen technischer mit kaufmännischen Aspekten auszeichnet – ‚seinem’ Bauherrn, vertreten durch den Geschäftsführer der Weltjugendtags GmbH, vorträgt und plausibilisiert. Die Fähigkeit, das Spezialistenwissen anderer Beteiligter richtig einbeziehen zu können und ihre Sprache und Arbeitsweise so gut zu kennen, dass das Potenzial dieses Wissens maximal genutzt werden kann, ist der einschlägigen Literatur zufolge ein wichtiger Bestandteil des Kompetenzprofils von Projektleitern, der hier als Grundlagenkompetenz etikettiert wird (vgl. Weeber u.a. 2001: 126). Der Projektleiter verfügt demnach also nicht (notwendigerweise) über ein detailliertes Spezialistenwissen in den einzelnen Arbeitsgebieten, in denen Aufgaben zur Bewerkstelligung eines Vorhabens (oder von Teilen) zu bewältigen ist. Er verfügt vielmehr über die Fähigkeit, den Kern von Problemen (und alternativen Lösungen), die ihm von Spezialisten vermittelt werden, rasch zu erfassen und auf Folgeprobleme zu hinterfragen, die das Problem (und seine möglichen Lösungen) in parallel laufenden oder nachfolgenden Abläufen erzeugen kann. Dies impliziert bereits, dass er einen Überblick über die gesamten Abläufe zur Realisierung des Vorhabens (entwickelt) hat: sowohl über die Positionierung einzelner Abläufe (vor, parallel zu oder nach anderen Abläufen) als auch über deren typische Dauer.
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Als ‚Methodenkompetenz’ wird die Fähigkeit von Projektleitern bezeichnet, „sowohl zur Umsetzung des relevanten Fachwissens als auch zur Problemlösung die geeigneten Hilfsmittel einzusetzen, so dass die Fachkompetenz organisatorisch sinnvoll, effektiv und im Sinne innovativer Weiterentwicklung genutzt wird. Dazu gehören z.B.: Konzeptionelle und analytische Fähigkeiten, vernetztes Denken, Präsentations- und Moderationstechniken und die Versiertheit im Projektmanagement“ (Hugo-Becker 2000: 72). Unter ‚Sozialkompetenz’ wird im Kompetenzportfolio von Projektleitern insbesondere Durchsetzungsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Motivationsfähigkeit im Kompetenzprofil von Projektleitern verortet. Generell gelten auch Teamfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit als wesentliche Facetten von Sozialkompetenz (vgl. die Beiträge in Pätzold/Walzik 2002 sowie Faix/Laier 1991). Obwohl es sich hierbei um diejenige Kategorie handelt, die typischerweise und auch in diesem Fall relativ unspezifisch bestimmt wird, wird sie von Projektmanagement-Experten eindeutig als die wichtigste Kompetenzdimension von Projektmanagern, d.h. der eigenen Zunft, bewertet: Wenngleich nie so ganz klar wird, was die einzelnen unter ‚Sozialkompetenz’ verstehen, rangieren diese und andere ‚Soft Skills’ dezidiert vor solchen ‚harten’ Kompetenzelementen wie etwa dem des Managements von Veränderungsprozessen und des Wissensmanagements.209 ‚Organisationskompetenz’ wird in der Projektmanagement-Literatur als vierte Dimension neben Grundlagenkompetenz, Sozialkompetenz und Methodenkompetenz ausgewiesen. Diese Dimension wird hier häufig auch als effiziente Projektorganisation und effizientes Controlling bezeichnet, womit einerseits vor allem auf vorbereitende Maßnahmen wie die Ausdifferenzierung und zeitliche Anordnung von Arbeitsschritten, andererseits auf die Überwachung der Einhaltung dieser funktionalen und zeitlichen Ordnung abgehoben wird (vgl. www.projektmagazin.de).210 ‚Organisationskompetenz’ wird also als eine eigenständige Kompetenzdimension im Kompetenzportfolio des Projektmanagers ausgewiesen, bleibt hier aber unterbestimmt bzw. unterkomplex ausdifferenziert. In der im Kompetenzdiskurs gängigen Differenzierung des Konzepts ‚Kompetenz’ in Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz wird der uns in diesem Zusammenhang interessierende Typus der Organisationskompetenz dem209 Dieses Ergebnis formuliert Seibert (2004: 4) als ein zentrales Resumè aus Expertenbefragungen („Schelle.Studien“) zur Zukunft des Projektmanagements. 210 In einem anderen Strang der Managementliteratur konnotiert ‚Organisationskompetenz’ – analog zum Konzept des organisationalen Lernens in der systemtheoretisch orientierten Organisationssoziologie – die „Fähigkeit“ einer Unternehmung, „sowohl kurzfristige Transformationen als auch den langfristigen, organisationalen Wandel auf eine Art und Weise zu gestalten, die eine nachhaltige Unternehmensentwicklung erlaubt“ (Thom/Zaugg 2001: 5).
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gegenüber mitunter unter Methodenkompetenz „im Sinne einer strategisch geplanten und gezielten Umsetzung vorhandener Kenntnisse, Fertigkeiten und Verhaltensweisen (Organisationsfähigkeit, Problemlösungsverhalten, selbständiges Arbeiten, Zeitmanagement, Fähigkeit, vorhandenes Wissen auf neue Probleme anzuwenden, Fähigkeit, Wissenslücken zu erkennen und zu schließen, kritisches Denken, analytische Fähigkeiten)“ – subsumiert (vgl. Schaeper/Briedis 2003: 5).
5.3.3 Dimensionen der Kompetenz zum Organisieren In der sinnhaften Aufschichtung dessen, was organisierende Akteure erleben, finden diese stereotypen Kategorisierungen in Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz keine Entsprechung (vgl. dazu auch Pfadenhauer 2008).211 Die Kompetenz zum Organisieren erscheint aus der subjektiven Perspektive des Organisierenden vielmehr selber als ein Kompetenzbündel, das sich aus spezifischen Elementen zusammensetzt. Kompetenz zum Organisieren erweist sich hier als eine Kombination von Wissensbestandteilen, Techniken und Verfahren, Strategien und Reflexionen dafür, Aktivitäten im Hinblick auf ein zu erreichendes Ziel vorzubereiten, hierfür Voraussetzungen bereitzustellen, sie zu beeinzulussen und zu bewerten: Kompetent organisiert demnach, wer organisatorische Prozesse in ‚überschaubare’ Aufgaben und (Teil-)Projekte zerlegt, diese in möglichst eindeutige Handlungsschritte gliedert, deren räumliche Anordnung und zeitliche Abfolge im Handlungsablauf festlegt und – weil es hier eben um das Organisieren des Handelns anderer geht – die Umsetzung bzw. Ausführung all dessen den jeweils relativ am besten ‚geeigneten’ Akteuren zur Realisierung zuweist. Dazu setzen kompetente Organisatoren Verfahren und Techniken der Aufgabengliederung ein (von schlichten Aufgabenlisten, wie ich sie in meinen Notizen erwähne, bis zur aufwändigen, weil voraussetzungsvollen Form der EDV-gestützten Netzplantechnik), die ihnen helfen, den Überblick über die Details und das Gesamtgeschehen zu bewahren und die Einhaltung von Arbeits- und Zeitplänen zu kontrollieren und ggf. zu korrigieren. Kompetent organisiert sozial arbeitsteilige Projekte, wer möglichst klar und präzise festlegt, was von wem wann, wo und auf welche Weise zu bewerkstelligen ist, und wer mit dieser ‚Geschäftsordnung’ eine verbindliche und verlässliche und zugleich gegenüber unbeabsichtigten Entwicklungen, Folgen und Nebenwirkungen flexible Grundlage für von anderen auszuführende Handlungen 211 Diese literaturnotorische Binnendifferenzierung taugt folglich allenfalls für eine gewisse heuristische Sensibilisierung, sie sollte jedoch nicht schematisch oder gar nach dem ‚EntwederOder-Prinzip’ zum Sortieren je dominierender Kompetenzaspekte begriffen werden.
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her- und bereitstellt. Kompetente Organisatoren rekurrieren dabei weniger auf Detailwissen über spezielle Vollzüge denn auf eine Art Struktur- bzw. eben „Matrix“-Wissen, das sie (jederzeit) zu einem zügigen Vordringen zum Kern und zur (Ersatz-)Lösung von im Prozess auftauchenden Problemen befähigt – unter Absehung von hierfür nicht bzw. nur am Rande relevanten Details. Kompetent organisiert soziale Arbeitsteilung, wer dafür zu sorgen vermag, dass die an der Projektrealisierung beteiligten Akteure jeweils das tun, was den Ziel-, Form- und Zeitvorgaben entsprechend von ihnen zu tun ist. Zur Steuerung und Lenkung der funktional gegliederten, zeitlich und räumlich (an-)geordneten und sozial ver- bzw. zugeteilten Aktivitäten in die durch (interaktiv ausgehandelte) Zielsetzungen vorgegebene Richtung rekurriert ein kompetenter Organisator unter den heute typischerweise gegebenen Bedingungen nicht nur nicht mehr auf offene Gewalt, sondern auch nicht nur auf Überredungskünste. Neben altbewährten Motivationsmitteln wie versteckten und offenen Drohungen (bzw. Sanktionen) und versteckten oder offenen Versprechungen (bzw. Gratifikationen) werden zur Lenkung der Aktivitäten anderer in die gewünschte Richtung gezielt kommunikationstechnisch avancierte und immer öfter auch visualisierende Plausibilisierungs- und Überzeugungsstrategien eingesetzt – wie z.B. Powerpoint-Präsentationen (vgl. dazu Schnettler/Knoblauch 2007). Sensibilität für die so genannte „Schnittstellenproblematik“, d.h. für Anschlüsse und Übergänge zwischen den projektbezogenen Arbeitspaketen verschiedener ausführender Akteure, die für Missverständnisse anfällig sind und Anlass für Missstimmung bieten und an denen deshalb (zielführungsrelevante) Informationen zu versickern drohen, eine solche Sensibilität und daraus erwachsende Vorkehrungen und Maßnahmen an den Stellen, an denen die Teilprozesse wie „Zahnräder“ ineinander greifen, erweisen sich somit als wesentliche Elemente organisatorischer Kompetenz. (Sozial) kompetent organisiert schließlich, wer die von wem, wie, wo und wann auch immer ausgeführten Handlungen hinsichtlich ihres sachadäquaten Beitrags für die Zielvorgaben auch sachangemessen reflektiert und bewertet. Anders ausgedrückt: Ein Organisator erweist sich letztlich dann und dadurch als kompetent, wenn und dass er einzuschätzen vermag, welche Resultate grundsätzlich ebenso wie typischerweise mit den jeweils eingesetzten Mitteln und Werkzeugen von welcher Art von Akteuren über welche Bedingungen in welcher Zeit erzielt werden können, und wenn er die konkret tatsächlich erbrachten Leistungen daran messen und beurteilen kann. Kompetentes Organisieren soll folglich heißen ein soziales Handeln, das ein anderes Handeln oder das Handeln anderer nicht ‚irgendwie’, sondern unter Einsatz (einer bestimmten Art) von Wissen, von (bestimmten) Techniken und Verfahren, von (bestimmten) Strategien und einer (bestimmten Art von) Reflexionsvermögen vorbereitet, dessen Handlungsvoraussetzungen bereitstellt, es in
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Richtung einer Zielvorgabe beeinflusst und hinsichtlich seines Beitrags zur Zielerreichung beurteilt. Die Kompetenz zum Organisieren setzt sich dementsprechend augenscheinlich aus diversen Teilkompetenzen zusammen, die ihrerseits wieder jeweils alle Arten von Handlungskompetenz tangieren.
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Das vorliegende Buch dokumentiert die Einsichten in Organisieren, die aus der empirischen Analyse der Fallstudie „XX. Weltjugendtag 2005 in Köln“ gewonnen werden konnten. Es ist um eine Klärung folgender Fragen bemüht: Was geht dem Organisieren voraus und präjudiziert für die Organisatoren erfahrbar das weitere Procedere? In welche Strukturen werden die am Organisieren beteiligten Akteuren eingebunden und wie transformieren sie diese mikropolitisch? Welche Ziele und Zwecke sind für sie handlungsleitend und wie verhalten sich diese zu ‚von außen’ und ‚höher’ gesteckten Zielen? Wie gestalten die als ‚Organisatoren’ identifizierten Akteure das Organisieren im Vollzug, welche Formen der Zusammenarbeit prägen sie aus? Dieser Fall bildet die materiale Basis für eine handlungstheoretische Bestimmung von „Organisieren“, der seinerseits als eine essentielle Grundlage für die Bestimmung einer diesbzüglichen Kompetenz, d.h. einer Kompetenz zum Organisieren, anzusehen ist. Bei der Betrachtung des hauptamtlichen Personals im Weltjugendtagsbüro könnte auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, dass zur organisatorischen Bewerkstelligung dieser kirchlichen Großveranstaltung Experten für das Logistische und ‚Träger des Glaubens’ für das Thematische eingesetzt worden sind. Die Analyse hat zu Tage gefördert, dass für die leitenden Funktionen grundsätzlich Experten gesucht worden waren: Auch für das Thematische, d.h. für die im Motto verdichteten Inhalte des Weltjugendtags, waren Experten zuständig. Ihren Zuständigkeiten bzw. Aufgabenbereichen entsprechend waren sie aber nicht ausgewiesen für – gemeinhin mit ‚Event-Organisation’ assoziierte – logistische Probleme wie z.B. Sicherheit, Verkehr, Veranstaltungstechnik und deren (effiziente) Bewältigung. Ihre Zuständigkeit und damit Kompetenzerfordernis bestand in theologischen und Glaubensfragen und deren vermittlungseffektiver Bearbeitung. In beiderlei Hinsicht war der Weltjugendtag zweifelsohne ein Erfolg – von wenigen Problemen einmal abgesehen, von denen das Problem mit der Essensversorgung der zahlenden Gäste vermutlich dasjenige war, das im Hinblick auf zukünftige Weltjugendtage am meisten zu denken geben muss. Denn dass mit dem langsamen ‚Abfluss’ der Pilgerströme vom Marienfeld ein Verkehrschaos und stundenlange Wartezeiten entstehen würden, war einkalkuliert und vorab bereits als unabwendbar angesehen worden. Vom Versorgungsproblem (und einigen wenigen anderen Pannen) abgesehen, war der Kölner Weltjugendtag
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organisatorisch-logistisch ein Erfolg. Und er war hinsichtlich seiner Öffentlichkeitswirksamkeit ein Erfolg. Denn der Weltjugendtag sollte, der Intention der Veranstalter zufolge, über den engeren Kreis der Teilnehmer hinaus Aufmerksamkeit für den katholischen Glauben erzeugen und die Katholische Kirche als relevanten ‚global player’ im Bewusstsein weltweiter Öffentlichkeiten verankern. Der Weltjugendtag war damit auch als „Medienevent“ (Hepp et al. 2003, Hepp/Krönert 2008) mit zumindest potenzieller globaler Resonanz geplant. Das Ausmaß der Aufmerksamkeit, das der XX. Weltjugendtag bereits im Vorfeld und dann während dieser ‚tollen Tage’ in Köln in Medien und Öffentlichkeit erzielt hat, hat alle Erwartungen – selbst die der Organisatoren, ja selbst die der für die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Verantwortlichen im Weltjugendtagsbüro – bei weitem übertroffen. Unter den Maßnahmen, die getroffen wurden, um dieses prioritäre Ziel zu erreichen, dürften die folgenden von herausragender Bedeutung gewesen sein: Bereits in der Vorbereitungsphase wurden alle Schritte im Weltjugendtagsbüro daraufhin beleuchtet, ob sie sich medial ‚verkaufen’ lassen und ggf. dann auch mediengerecht inszeniert (sei dies – um nur einige Beispiele zu wiederholen – die Einladung der Kölner Bevölkerung zum Probeessen der Weltjugendtagskost, sei dies der (symbolisch) „erste Spatenstich“ am für die Abschlussveranstaltung auserkorenen Marienfeld durch den Kölner Kardinal, sei dies das aufmerksamkeitsträchtige Bekanntgabe der Auszeichnung der Weltjugendtags gGmbH für die „innovative und erfolgreiche Anwendung ihres Umweltmanagementsystems“ mit dem nationalen EMAS Award 2005 der Europäischen Union). Beim Weltjugendtag selber waren viele einzelne Veranstaltungselemente, insbesondere jene mit Massencharakter, so organisiert und inszeniert, dass sie (im Zweifelsfalle) weniger den Bedürfnissen der Teilnehmer, als vielmehr denen der den Weltjugendtag live übertragenden visuellen Medien entsprachen oder zumindest mit diesen kompatibel waren. Und schließlich wurde zur Umsetzung der Prämisse mediengerechter Inszenierung dem Arbeitsbereich „Kommunikation und Öffentlichkeit“ im Weltjugendtagsbüro – entgegen dem offiziellen Organigramm – eine Vorrangstellung gegenüber allen anderen Abteilungen zugestanden. Für public relations zuständige Mitarbeiter hatten hierfür Zugang zu und Mitspracherechte in allen wichtigen Sitzungen in den einzelnen Bereichen, im Leitungsteam, in übergeordnete Gremien. Für eine den Ansprüchen des Veranstalters entsprechende Berichterstattung haben sie bestimmten Medienorganen Sonderrechte eingeräumt und über die Vertreter aller anderen Medien ein strenges Regiment (mit Zugangslimitierung etc.) geführt. Auf eine kurze Formel gebracht, beruht die Öffentlichkeitswirksamkeit dieses Events auf der Kombination von (kirchlicher und weltlicher) Prominenz mit (überwiegend jugendlichem) Publikum. Hierfür wurden die zentralen Veranstal-
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tungen mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche konzipiert und durchgeführt, wurden alle Katechesen von Kardinälen und Bischöfen gehalten und wurde die weltliche Prominenz sozusagen ‚in Warteposition’ gebracht, um in den eindeutig auf die Vertreter der (Amts-)Kirche gerichteten medialen Aufmerksamkeitsfokus zu gelangen. Im Hinblick auf die Teilnehmer galt die Prämisse, Aufmerksamkeit durch (internationale) ‚Masse’ zu erzielen. Die Organisatoren im Weltjugendtag haben viel Mühe darfür aufgewendet (mehr als darauf, wirklich kirchenferne Jugendliche zur Event-Teilnahme zu animieren), tatsächlich Jugendliche aus aller Welt den Zugang zu ermöglichen: dies nicht nur durch die gestaffelten ‚Pilger-Pakete’, sondern vor allem durch intensive Verhandlungen über die VisaAuflagen mit dem Auswärtigen Amt – und dies auf die Gefahr hin, dass der Weltjugendtagsteilnahme massenhaft eine Alibifunktion für die Einwanderung nach Deutschland zuwächst. Allerdings ist den Teilnehmern unter Zugrundelegung des Prinzips ‚Aufmerksamkeit durch Masse’ eine grundlegend andere Funktion zugewachsen, als dies bei anderen kirchlichen Großveranstaltungen wie dem Katholikentag ebenso wie bei den Evangelischen Kirchentagen beabsichtigt sein dürfte: Die Teilnehmer fungier(t)en beim Weltjugendtag im Wesentlichen als Statisten, als Kulisse für die Performance der in ihren Würdenträgern personalisierten Amtskirche. Die institutionelle Klugheit, die der Katholischen Kirche im Hinblick darauf attestiert werden muss, den Weltjugendtag in der Gestalt eines Hybrid-Events einund durchzuführen, ist bereits an anderer Stelle konstatiert worden (vgl. Forschungskonsortium WJT 2007). Im Hinblick speziell auf den ‚deutschen’ Weltjugendtag ist es nicht zum wenigsten als organisatorischer Erfolg zu werten, dass es gelungen ist, die öffentliche Wahrnehmung der katholischen Kirche hierzulande deutlich zu erhöhen, für sie einen nicht zu unterschätzenden Imagegewinn zu erzielen und schließlich – vermutlich der nachhaltigste Aspekt – in den Köpfen der nächsten Generation, d.h. den Gläubigen und Kirchenmitgliedern, aber auch Intellektuellen, Lehrern, Managern usw. von morgen, ein von den kritischen Vorgaben der 68er Generation weitgehend unabhängiges Bild zu etablieren. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt der bereits erwähnten von den Veranstaltern für die Organisationszentrale in der Kölner Gereonstrasse gewählten Rekrutierungsstrategie geschuldet: Denn bei der Personalauswahl wurde primär auf je spezifische Fach-Expertise und erst sekundär auf die Nähe zur katholischen Kirche (auf letzteres sozusagen als Zusatzqualität) gesetzt. Es wurde also gerade nicht die für kirchliche Aktivitäten mitunter praktizierte umgekehrte Reihenfolge eingehalten, bei der vorrangig ein kirchlicher ‚Stallgeruch’ und zusätzlich auch noch Expertise erwünscht ist. Vor dem Hintergrund dieser Rekrutierungsstrategie verwundert zunächst die Entscheidung der Katholischen Kirche, dass kein festes Organisationsteam gebil-
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det wird, das den jeweiligen Weltjugendtag – unabhängig davon, an welchem Ort er ausgerichtet wird – vor Ort organisiert. Stattdessen wird jeweils am Ort eine „temporäre“, d.h. eine Organisation ‚auf Zeit’ aufgebaut, deren Mitarbeiter in Ermangelung eines systematischen Wissenstransfers nur sehr begrenzt auf andernorts erarbeitetes und erworbenes weltjugendtagsspezifisches Organisationswissen zurückgreifen können. Obwohl für das Organisieren dieses Events also der Akzent dezidiert auf fachliche Expertise gesetzt wird, wird systematisch ein Verlust weltjugendtagsspezifischen Organisations-Know-hows in Kauf genommen. Das weltjugendtagsspezifische Organisationswissen wird nicht etwa von Projektteam zu Projektteam weitergegeben, sondern kumuliert lediglich in der für die Kontrolle der ordnungsgemäßen Gestaltung zuständigen Instanz, dem Päpstlichen Rat für die Laien im Vatikan, die allerdings selber durch Personalwechsel und damit durch die Möglichkeit der Einbuße personengebundenen Organisationswissens gekennzeichnet ist. Unserer Beobachtung nach stellt die Entscheidung für die Besetzung des Weltjugendtagsbüros mit lokalen Führungskräften („Locals“) statt mit international weltjugendtagserprobten Eventmanagement-Profis („Cosmopolitans“) eine höhere Akzeptanz der ‚Organisation’ im Gastgeberland und in der veranstaltenden Diözese in Aussicht. Die temporäre Organisation Weltjugendtags gGmbH, das Weltjugendtagsbüro, wäre in (noch) größerem Ausmaß als Fremdkörper, als ‚aufgesetzte’ Struktur, wahrgenommen worden als dies ohnehin der Fall war. Der immer wieder neue Aufbau eines organisatorischen Gebildes ermöglicht überdies die Integration unterschiedlicher kirchlicher Instanzen (der nationalen Bischofskonferenz, des veranstaltenden Bistums, Vertreter der Jugendpastoral, Vertreter kirchlicher Verbände usw.) in die diversen Beratungs- und Aufsichtsgremien außerhalb des Weltjugendtagsbüros, wodurch die Beteiligung und Akzeptanz unter Kirchenfunktionären vor Ort deutlich erhöht werden kann. Die Beschäftigung lokaler Experten ermöglicht überdies, bestehende Kontakte und Kooperationen zu externen Dienstleistern (z.B. in das Land und die Kommunen hinein, zu den Sicherheitskräften, Verkehrsbetrieben usw.) zu nutzen, die sonst erst mühsam aufgebaut werden müssten. Schließlich ist es überdies eine Kostenfrage, internationale Experten alle zwei bis drei Jahre mit Sonderzulagen und sonstigen Vergütungen für den Wechsel in ein neues Land gewinnen zu müssen. Bei der Organisation des Weltjugendtags wird mit der Beschäftigung so genannter „Langzeitfreiwilliger“ aber ohnehin nicht gänzlich auf internationales Personal verzichtet, weshalb die Belegschaft des Weltjugendtagsbüros auf eine spezielle Weise durchaus Merkmale so genannter „transnationaler Teams“ (Haas 2006) aufweist, in denen international tätige Personen mit einheimischen Kräften, die mit den jeweiligen lokalen Bedingungen und Eigenheiten vertraut sind,
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zusammenarbeiten. Neben der ‚Internationalisierung’ der Weltjugendtagsorganisation zeitigt diese Maßnahme zwei weitere Effekte: Zum einen wird mit der Möglichkeit, Jugendliche für ein Jahr nach Deutschland zu entsenden, für deren Auswahl in den Herkunftsländern und Heimatdiözesen zum Teil aufwändige Bewerbungsverfahren angesetzt werden, auch in den Jahren zwischen den Weltjugendtagen die Aufmerksamkeit der Diözesen weltweit auf das Event gelenkt (und im Falle der Entsendung dann auch ‚wach gehalten’). Zum anderen werden dem hauptamtlichen Personal im Weltjugendtagsbüro zwar unerfahrene, aber hoch motivierte, weil vom ‚Geist’ des Weltjugendtags ‚beseelte’ Mitarbeiter an die Seite gestellt, die den unschätzbaren – und kostengünstigen – Vorteil mit sich bringen, dass sie ‚native speaker’ der fünf Weltjugendtags- und vieler anderer Sprachen sind und infolgedessen unbedingt benötigte Dolmetscher-, Übersetzungs- und Auskunftsfunktionen übernehmen könnten. Grundsätzlich und insbesondere auch im Vergleich mit anderen kirchlichen Großveranstaltungen, die von ihrem Selbstverständnis her von Laien für Laien organisiert werden, ist der Weltjugendtag ein Event, das mit „Profis“, d.h. mit der modernen Version des Experten, organisiert wird. Außer den ca. 150 Langzeitfreiwilligen, die in Deutschland bis zu dreizehn Monate ein Freiwilliges Soziales Jahr im Weltjugendtagsbüro absolviert haben, waren beim Weltjugendtag in Köln bekanntlich aber auch zigtausende so genannte „Kurzzeitfreiwillige“ während dem Event eingesetzt worden. Auf den ersten Blick scheint dieser Umstand dafür zu sprechen, dass damit auch beim Weltjugendtag das partizipative Element bzw. das für Katholiken- und Kirchentage typische Do-it-YourselfPrinzip zum Tragen kommt. Bei genauerem Hinsehen erweist sich diese Annahme jedoch für den Großteil der Kurzzeitfreiwilligen als ein Trugschluss. Denn im Unterschied zu der von Verantwortlichen der Jugendpastoral in der Erzdiözese Köln entwickelten Kernteam-Variante ist mit dem im Weltjugendtagsbüro ‚aufgelegten’ Volunteer-Programm dezidiert kein Partizipationsprojekt verfolgt worden. Die Freiwilligen beim Weltjugendtag bildeten vielmehr lediglich das Hilfspersonal, ohne das die Veranstaltung nicht (jedenfalls nicht ohne erhebliche finanzielle Mehrkosten) hätte durchgeführt werden können. So wenig sich also alle in die Weltjugendtagsorganisation involvierten Akteure tatsächlich als „Organisatoren“ einordnen lassen, weil sie nicht organisierend, sondern aus- und durchführend tätig waren – und dies gilt auch für viele im Weltjugendtagsbüro beschäftigten Personen, wobei die Grenze zwischen organisierenden und anderen Akteuren nicht entlang, sondern quer zu Hierarchien verläuft, so wenig kann allen sich als „Organisatoren“ betätigenden Akteuren per se „Organisationskompetenz“ im Verstande einer Kompetenz zum Organisieren unterstellt werden.
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Organisationskompetenz ist ein Potential, über das zu verfügen nicht nur (Start-)Vorteile für das Alltags- und Berufsleben mit sich bringt, sondern ohne das, so erscheint es uns jedenfalls in hektischen Momenten, unter modernen Bedingungen kaum ein Überleben mehr möglich zu sein scheint. „Etwas organisieren zu können“– auf diese noch existentiellere Konnotation von Organisationskompetenz weisen Böhle u.a. (2004) hin – war hierzulande sowohl in der Nachkriegszeit als auch in der DDR, d.h. unter Bedingungen knapper bzw. verknappter Ressourcen, eine überaus nachgefragte Kompetenz. Mit dem Vermögen, knappe Güter beschaffen zu können, ist allerdings nicht per se Wertschätzung und Prestige verbunden – schon gar nicht, wenn es sich dabei - wie bei der damals im Osten so genannten „Bückware“ oder bei in manchen Kreisen beliebten, aber schwer erhältlichen, weil illegalen Stimulanzien – um Luxusgüter handelt. Selbst wenn das dafür erforderliche Geschick bewundert wird, gilt die Betätigung, anhand derer sie unter Beweis gestellt wird, als „halbseiden“, anrüchig, unfein. Niemand will so genau wissen, woher das begehrte Gut stammt, über welche Kanäle und Kontakte es beigebracht worden ist, um möglichst nicht in Verbindung zu den als ‚schmutzig’ unterstellten Geschäften gebracht werden zu können. Gemeinsam ist dieser sehr spezifischen Ausprägung einer Kompetenz zum Organisieren mit „Organisationskompetenz“, wie sie im Zusammenhang mit Projektorganisation und -management ebenso wie in anderen beruflichen Kontexten konnotiert ist und im Forschungsverbund NAKIF als Teil des beruflichen Kompetenzprofils betrieblicher Mitarbeiter auf unterschiedlichen Hierarchieebenen untersucht worden ist (vgl. Strauß/Kruse 2004, Sevsay-Tegethoff 2004), dass sie in mannigfaltigen Arbeitskontexten zwar erforderlich ist (und stillschweigend vorausgesetzt bzw. lediglich dann thematisiert wird, wenn ihr Mangel offensichtlich wird), dass sie hinsichtlich ihrer Komponenten in der Regel aber nicht näher bzw. nicht erschöpfendbestimmt ist. Dies liegt daran, dass hierfür eine Bestimmung des Vorgangs erforderlich ist, auf den sie sich bezieht. Denn Kompetenz – welcher Art auch immer – ist im Verhältnis zum Handeln, zur Handlung und zum als Handeln und Handlung gedeuteten, beobachtbaren Verhalten zu klären. Erst auf der Basis eines tragfähigen Begriffs von Organisieren lässt sich die Frage der hierfür zum Einsatz bzw. zur Darstellung gebrachten Kompetenzen, die sich dann unter „Organisationskompetenz“ im Verstande von Kompetenzen zum Organisieren subsumieren lassen, systematisch überhaupt erst stellen. ‚Organisieren’ ist einer jener Begriffe, den wir im Alltag ebenso häufig wie selbstverständlich gebrauchen. Wir organisieren Feste, Veranstaltungen und Tagungen, wir organisieren Meetings im Beruf und Verabredungen im Privatleben, ja, wir reden sogar davon, unseren Tag, unsere Karriere, unser Leben zu organisieren. ‚Organisieren’ ist omnipräsent – jedenfalls für uns, in unserem Kulturkreis, in unserem (spät-)modernen Alltag. Wir wissen selber oder werden
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von anderen darauf hingewiesen, dass etwas, was in näherer oder ferner Zukunft stattfinden soll: ein Besuch bei Freunden, eine Geburtstagsfeier, eine wichtige Dienstbesprechung oder ein noch wichtiger Kaffeeklatsch (noch) organisiert werden muss. Und wir unterhalten uns darüber, dass ein in der Vergangenheit stattgehabtes Ereignis: eine Veranstaltung, ein Umzug, eine Reise usw. gut organisiert war oder besser hätte organisiert werden können. Unserer gedanklichen ebenso wie unsere kommunikativen Zuwendung zum Organisieren liegt die (implizite) Annahme zugrunde, dass das, was (noch) organisiert werden muss, nicht von selber geschieht oder eintritt: wir wissen zwar, dass der Geburtstag, über den wir nachdenken oder sprechen, aufgrund des unserer Zeitauffassung inhärenten Verlaufscharakter „von selber“ kommen wird. D.h. aber lediglich, dass der Tag, an dem sich unserer sozialen Zeitordnung zufolge der Geburtstag jährt, ohne unser Zutun anbrechen wird. Wir wissen aber auch, dass eine wie auch immer geartete, so sie an diesem Tag bzw. zu diesem Anlass stattfinden soll, eben kein solches Naturereignis ist. Was aber tun wir, wenn wir etwas organisieren – eine (kleine) Geburtstagsfeier, eine (große) Hochzeit; einen (kurzen) Wochenendtrip oder eine (lange) Weltreise? Gemeinsam ist all dem (im Unterschied etwa zum Wechsel von Tag und Nacht, von Jahreszeiten und Konstellationen der Gestirne), dass es nicht einfach so passiert, dass es nicht von selber geschieht, sondern – mehr oder weniger vorausschauend, mehr oder minder systematisch – geplant, vorbereitet und (die Planungen und Vorbereitungen umsetzend) durchgeführt werden muss. Keineswegs nur, aber insbesondere dann, wenn wir etwas beruflich organisieren, und wenn das, was organisiert wird, nicht als einmaliges Ereignis, sondern als Element einer ‚Reihe’, d.h. in Serie, angelegt ist, umfasst „Organisieren“ – aus eigenem Impuls oder auf Anweisung – zusätzlich möglicherweise auch noch eine Art von Nachbereitung, um aus Erfahrungen – den guten ebenso wie den schlechten – zu lernen und etwaige Fehler ‚beim nächsten Mal’ nicht wieder zu machen. Das, was hergestellt bzw. bewerkstelligt wird, kann also als etwas (relativ) Einmaliges intendiert, oder aber – in seiner Typik – auf Wiederholung bzw. Verstetigung angelegt sein. Und vor allem kann es als etwas (relativ) Einfaches, als etwas (reichlich) Kompliziertes oder auch als etwas (ausgesprochen) Komplexes erscheinen. Als je höher wir den (vermeintlichen) Komplexitätsgrad des zu Organisierenden einschätzen, umso erforderlicher halten wir es in aller Regel, möglichst vorausschauend und umsichtig zu planen, möglichst systematisch und zugleich flexibel („störungsfreundliche“) Vorbereitungen zu treffen und bei der Umsetzung bzw. Durchführung die Pläne so gut wie möglich einzuhalten und so weit wie nötig zu modifizieren oder aber aufzugeben und geleistete Vorbereitungen „zur rechten Zeit“, „am rechten Ort“ und „unter den entsprechenden Umständen“ abzurufen und zu nutzen. Wenn das, was zu bewerkstelligen war, „am
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Ende“ dann hinlänglich dem entsprochen hat, was und wie wir es uns vorgestellt hatten, dann haben wir den Eindruck, es gut organisiert zu haben. Die Analyse des Fallbeispiels „XX. Weltjugendtag 2005 in Köln“ aus Organisatorenperspektive hat demgegenüber erbracht, dass sich die alltagssprachliche Vorstellung von Organisieren als Planen, Vorbereiten und Durchführen als nicht hinreichend erweist: So ist Planen nicht eine das Organisieren einleitende erste Phase, sondern ein das Handeln anderer bzw. ein anderes Handeln entwerfender und ordnender Vorgang. Ebenso erweist sich der Begriff des Vorbereitens insofern als irreführend, weil auch er eine bestimmte, irgendwann einmal abgeschlossene Handlungsphase suggeriert. Bereiten im Sinne eines die notwendigen Voraussetzungen eines anderen Handelns Bereitstellens ist vielmehr ein das Organisieren permanent durchziehender bzw. begleitender Vorgang. Als unzutreffend erweist sich auch die Gleichsetzung von Organisieren mit Durchführen: Wenn Organisatoren, d.h. Akteure, die organisierend tätig sind, etwa im Falle von Personalmangel, die von ihnen für die Durchführung als erforderlich erachteten Maßnahmen selber umsetzen, betätigen sie sich nicht organiserend. Als Organisatoren unterziehen sie vielmehr ihr eigenes oder das UmsetzungsHandeln anderer einer permanenten Bewertung und beeinflussen es im Falle einer Abweichung in Richtung Zielerreichung. Beim Organisieren geht es also nicht um Planen, um Vor-Bereiten und Durchführen, sondern um Bereiten im Sinne von Ermöglichen, um Beeinflussen im Sinne von Einwirken und um Bewerten im Sinne von die Durchführung bzw. Umsetzung hinsichtlich ihrer Zielerreichung Evaluierens. Organisieren ist also eine ineinander greifende Trias von Bereiten, Beeinflussen und Bewerten. Andere Handlungen, die vom organisierenden Akteur selber oder von anderen Akteuren ausgeführt werden, werden bereitet, auf eine Zielsetzung hin beeinflusst und hinsichtlich ihres Beitrags zur Zielerreichung bewertet. Den Weg bereiten, der beschritten werden soll, bedeutet – um im Bild zu bleiben – Hindernisse welcher Art auch immer (und das heißt nicht zuletzt auch etwaigen Widerstand kommunikativ) aus dem Weg zu räumen. Es geht darum, die materiellen und immateriellen Ressourcen (Kenntnisse, Entscheidungen, Zustimmung, Akzeptanz) zu erlangen, die erforderlich sind, damit andere, unmittelbar der Zielerreichung dienende Handlungen durchgeführt werden können. Diese Handlungen werden im Weiteren begleitet und gelenkt, indem auf unterschiedliche, die Bandbreite des Negotiating ausschöpfende Weise auf die Handlungsausführenden eingewirkt wird. Und überdies werden sie bedacht, geprüft und überwacht. Organisieren beruht auf einer grundlegenden Handlungsfähigkeit: Entwurf – Entschluss – Vollzug. Und Organisieren ist eine grundlegende Handlungserfordernis. Das bedeutet, dass man ohne zumindest einem Minimum von ‚Organi-
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sieren’ nicht über den Tag kommt, da ein völliger Verzicht auf Planung vor den Zwangsläufigkeiten des Alltags, dem Prinzip des “first things first“, ihre Grenze findet: „Die mir auferlegte, zwangsläufige Zeitstruktur stellt mir dem von meiner Endlichkeit bestimmten Lebensplan einen Tagesplan zur Seite“ (Schütz/Luckmann 2003: 85). Wir kommen also nicht umhin, die Reihenfolge von Handlungsschritten zu bedenken, festzulegen und bis zu einem gewissen Maß einzuhalten. Organisieren ist aber kein Unterrichtsfach an Schulen. Und Eltern bringen ihren Kindern – im Unterschied zum Sprechen, Gehen, Fahrradfahren – nicht bei, wie man etwas organisiert. Gleichwohl ist Organisieren eine Grundherausforderung zumindest unseres modernen Alltags: Wir organisieren unseren Tagesablauf, unsere Arbeit, unseren Urlaub, wir organisieren (Geburtstags-)Feste, (Betriebs- oder Familien-)Feiern, Partys aus unterschiedlichsten Anlässen u.v.a.m. Organisieren können ist also als eine nicht nur berufspraktisch, sondern als eine alltagspraktisch relevante Kompetenz anzusehen. Kompetenz zum Organisieren is allerdings keineswegs eine einfach strukturierte Basiskompetenz, sondern ein komplexes, mehrdimensionales Kompetenzbündel, dessen Zusammensetzung weitergehender Analysen bedarf, das zum Identifizieren organisatorisch erforderlicher Aktivitäten, zum funktionalen und zeitlichen Ordnen, zum Selektieren, Delegieren, Motivieren, Blockieren, Steuern, Kontrollieren etc. befähigt: Denn kompetentes Organisieren ist eine Form des Handelns, bei der anderes Handeln bzw. das Handeln anderer nicht irgendwie „bewirkt“ wird, sondern im Rückgriff auf besonderes Wissen (zur Arbeitsgliederung, -verteilung, und -anweisung), auf spezifische (Kontroll-)Strategien, spezielle (Motivations-))techniken, (Evaluations-)Verfahren und Reflexionsvermögen bereitet, beeinflusst und bewertet wird. Auch wenn anhand der vorliegenden Daten keine gesicherte Einschätzung vorgenommen werden kann, in welchem Maße die Organisatoren des XX. Weltjugendtags 2005 mit Kompetenzen zum Organisieren ausgestattet sind bzw. waren, ist die Diagnose nicht allzu gewagt, dass Organisationskompetenz aufgrund ihrer Vielschichtigkeit in immer unterschiedlicher Ausprägung und damit in der Regel nur bedingt bei diesen und organisierenden Akteuren schlechthin anzutreffen ist.
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Anhang
1.
Methodische Bemerkungen
Die dieser Studie zugrunde liegenden Daten wurden im Rahmen des von der DFG im Zeitraum vom 1.7.2005 – 30.9.2006 geförderten Forschungsprojekts „Situative Vergemeinschaftung mittels religiöser Hybrid-Events: Die Organisatorenperspektive“ erhoben. Parallel hierzu wurde von Sozialwissenschaftlern an den Universitäten Koblenz und Trier die Teilnehmerperspektive und von Medienwissenschaftlern an der Universität Bremen die Mediatisierungsperspektive rekonstruiert. Der empirische Gegenstand dieser drei in einem Paketantrag vereinten Teilprojekte war der XX. Weltjugendtag 2005 in Köln. Gegenstand unseres Teilprojekts war die Rekonstruktion der ‚Herstellung’ bzw. Bewerkstelligung des dem Anspruch der Veranstalter nach auf Vergemeinschaftung abzielenden religiösen Hybrid-Events Weltjugendtag aus der Perspektive der Organisatoren. Der Maßgabe entsprechend, das Organisationsgeschehen von den Problemlagen und Problemstellungen der beteiligten Akteure her zu beschreiben, wurde der Untersuchung ein ethnographisches Forschungsdesign zugrunde gelegt. Angesichts der beträchtlichen vertikalen und horizontalen Ausdifferenzierung der Katholischen Kirche allein in Deutschland mit ihren 27 Diözesen, die wiederum in Dutzende von Dekanaten und Hunderte von Pfarrgemeinden und Pastoralverbünden unterteilt sind, und in Anbetracht der komplexen Anlage der Jugendpastoral in Deutschland, an der Katholische Jugendämter, Jugendverbände und freie Gemeinschaften und Orden gleichermaßen (und häufig unverbunden nebeneinander) beteiligt sind, wäre ein „fuzzy field“ (Nadai/Maeder 2005), d.h. ein unübersichtliches Forschungsfeld ohne klare Begrenzungen, zu erwarten gewesen. Und wenn die Vorbereitungen für den XX. Weltjugendtag 2005 tatsächlich deutschlandweit oder gar weltweit getroffen worden wären, dann hätte sich eine „multi-sited ethnography“ (Marcus 1995) als adäquates Forschungsdesign erwiesen.212 Im Zuge stichprobenhafter Kontaktaufnahmen in den Diözesen 212
Unter dem Etikett der „multi-sited Ethnography“ fasst der amerikanische Kulturanthropologe George E. Marcus solche Konzepte zusammen, die ihren Gegenstand multi-dimensional (und d.h. ihm zufolge nicht in engen disziplinären Grenzen, sondern inter- bzw. multidisziplinär) konstruieren und in ihrer je spezifischen „glokalen“ Dynamik erfassen (während die je untersuchten Kulturen in vielen konventionellen Ethnographien als territorial fixiert und kulturell ‚isoliert’ konzipiert würden). Intendiert ist mit diesem Programm nicht nur die Auflösung der
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Paderborn, Fulda und Essen konnte allerdings das Weltjugendtagsbüro in Köln eindeutig als Organisationszentrale des XX. Weltjugendtags 2005 ausgemacht und folglich ein wesentlich auf diese eine ‚Stätte’ ausgerichtetes Forschungsdesign (one-site ethnography) konzipiert werden, da hier die organisatorischen ‚Fäden’ zusammengelaufen sind: hier wurden die mannigfaltigen Entscheidungen in Handlungsschritte und Aktivitätsabläufe umgesetzt, und hier mussten diese dann wiederum koordiniert, delegiert und legitimiert werden. Selbst für die dem Weltjugendtag zeitlich vorgelagerten so genannten ‚Tage der Begegnung, zu denen die Weltjugendtagsgäste aus aller Welt mit einem mehrtägigen Programm deutschlandweit in den Gemeinden begrüßt worden waren, und die dezentral in den deutschen Diözesen organisiert wurden, war im Kölner Weltjugendtagsbüro eine eigene Abteilung, der Bereich „Begegnung“, eingerichtet worden, in der die diesbezüglichen Aktivitäten bundesweit koordiniert und betreut wurden. Die Organisationsstrukturen, die zur Vorbereitung der Tage der Begegnung auf Pfarrgemeinde-, Dekanats-, Bistumsebene bis hinein ins Weltjugendtagsbüro ausgebildet wurden, konnten exemplarisch im Rahmen einer Einzelfallstudie nachgezeichnet werden. Die Ergebnisse unserer Vorrecherchen lieferten gesicherte Hinweise darauf, dass das auf den Weltjugendtag fokussierte Organisationsgeschehen vom hierfür installierten Weltjugendtagsbüro – und das heisst ethnographisch: von den Problemstellungen und Problemlagen der BüroMitarbeiter – ausgehend rekonstruiert werden muss.
Ortsgebundenheit eines Forschungsfelds in Anbetracht der hohen Mobilität und virtuellen Vernetzung moderner Menschen; es geht vielmehr darum, den kulturellen Verflechtungen und Wechselwirkungen verschiedener ‚sites’ Rechnung zu tragen, in denen sich das moderne Individuum als ‚Grenzgänger’ zwischen den Welten aufhält. Es liegt auf der Hand, dass mit diesem Programm – hierin vergleichbar mit dem von Hubert Knoblauch (2001) vertretenen Konzept der Fokussierten Ethnographie – zentrale Elemente der Ethnographie, allen voran der intensive Feldaufenthalt des Forschers zur Datenerhebung, schon aus Gründen der Praktikabilität in Frage gestellt werden (vgl. hierzu Nadai/Maeder 2005). So kann etwa der ethnographische Anspruch ausgeprägter Kulturkompetenz nicht für jedes Teil-Feld aufrecht erhalten werden. Für die Grundidee von Ethnographie als eine Übersetzungsleistung weiterhin unerlässlich erachtet Marcus (1995: 100f) allerdings die Vertrautheit mit der Sprache der jeweiligen Felder. Das Pendant zur teilnehmenden Beobachtung in der herkömmlichen Ethnographie besteht Marcus (1995): 113ff) zufolge in einem „circumstantial activism“ bzw. einem „circumstantial commitment“. Den jeweiligen Umständen entsprechend schlüpft die Forscherin im Rahmen einer multi-sited ethnography in unterschiedliche Rollen, welche mal mehr, mal weniger Teilnahme erfordern. – Problematisch erscheinen die in diesem Konzept implizierten bzw. zumindest mitschwingenden aktionsforscherischen Ambitionen.
257
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1.1
Feldzugang
Jede organisationsbezogene Analyse setzt eine hinreichende Offenheit der jeweiligen Organisation für soziologische Forschung voraus (vgl. Wohlrab-Sahr 2000: 53). Diese Offenheit war im vorliegenden Fall bedingt gegeben – bedingt deshalb, weil der Feldzugang restriktiv gehandhabt wurde. Zugesagt und ermöglicht wurden uns Gespräche mit Mitarbeitern des Weltjugendtagsbüros auf der oberen und mittleren Führungsebene: Die oberste Führungsebene bildet das dreiöpfige „Leitungsteam“ des Weltjugendtagsbüros, dem der formal, d.h. dem offiziellen Organigramm zufolge, bereits außerhalb des Büros angesiedelte Generalsekretär des Weltjugendtags vorgesetzt war. Die mittlere Führungsebene bilden die Leiter der zunächst dreizehn, schlussendlich dann vierzehn „Bereiche“, in die das Büro ausdifferenziert worden war. Einige personell stark besetzte Bereiche, wie z.B. der Bereich „Pilgerwesen“, wurden in Abteilungen unterteilt, denen wiederum je ein Leiter vorgestellt wurde. Diese Abteilungsleiter bilden die untere Führungsebene des Weltjugendtagsbüros. Bereits mit diesen Abteilungsleitern, ebenso wie mit den Mitarbeitern in den einzelnen Bereichen, waren uns keine offiziellen Gesprächsmöglichkeiten eröffnet worden. Der uns eröffnete Zugang hat es auch nicht erlaubt, die Prozesse des Organisierens (im Sinne von „negotiation“) ‚vor Ort’ und ‚in situ’ zu begleiten, da wir weder an Meetings, Besprechungen und Sitzungen teilnehmen noch uns – außerhalb vereinbarter Interviewtermine – im Weltjugendtagsbüro aufhalten sollten, um kommunikative Vorgänge und andere organisatorische Abläufe beobachten zu können. Das Vorhaben der beobachtenden Teilnahme im Zuge einer ehrenamtlichen Mitarbeit im Büro, in dem zu diesem Zeitpunkt bereits über hundert so genannte Langzeitfreiwillige beschäftigt wurden, wurde ebenfalls negativ beschieden. Nach Sichtung und Analyse der vorliegenden Daten ist Czarniawska umso nachdrücklicher zuzustimmen: Ihr zufolge ist Forschung zum Organisieren grundsätzlich als Begleitforschung im Verstande eines „Shadowing“ (Czarniawska 1998: 28), also der Begleitung eines Organisators durch das Feld, anzulegen.
1.2
Datenerhebung und Methoden
Im Zeitraum von März bis November 2005 wurden explorative, leitfadengestützte Gespräche mit dem Generalsekretär, mit den drei Mitgliedern des Leitungsteams und mit (fast) allen Bereichsleitern geführt. Das leitfadengestützte Interview hat sich bei einem ‚unbürokratischen’ und situationssensiblen Einsatz, d.h. dann, wenn dieser hinsichtlich der (vom Forscher aus betrachtet) anzusprechen-
258
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den und (vom Interviewpartner) angesprochenen Themen generell, aber auch im Hinblick auf ihre Reihenfolge und ihre Ausführlichkeit flexibel gehandhabt wird, in der empirischen Sozialforschung als Instrument bewährt, um einen Zugang zur Perspektive der Akteure im Feld zu eröffnen (vgl. Hopf 2000). Zur Konzeption der Interviewleitfäden wurde die laufende Medienberichterstattung zum je situativen Stand der Event-Vorbereitungen verfolgt und wurden alle Dokumente als Informationsgrundlage herangezogen, die uns vorab von den Gesprächspartnern zur Verfügung gestellt worden waren. Anliegen der in diesem Verstande ethnographischen Interviews (vgl. Spradley 1979; Honer 1994) war es, die jeweiligen Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten, Interessen und Wichtigkeiten der Gesprächspartner, kurz: ihre Perspektiven zu erfassen. Anhand der Ausführungen im Rahmen dieser Gespräche lassen sich zudem Abweichungen zwischen der im Organigramm abgebildeten offiziellen Formalstruktur und den faktischen Macht- und Entscheidungsstrukturen rekonstruieren, die im Laufe der Zeit wesentlich mittels mikropolitischer Strategien etabliert wurden. Soweit diese von den Bereichsleitern retourniert wurden, konnten relevante Daten zur Aufgabenbeschreibung und personellen Besetzung der Arbeitsbereiche im Weltjugendtagsbüro mit einem im Anschluss an die Interviews ausgehändigten „Bereichsbogen“ erfasst werden. Zweck der Interviews war es schließlich auch, Interaktionsprozesse im Feld, d.h. die Kommunikation und Kooperation im Weltjugendtagsbüro und darüber hinaus, aus der Sicht der Befragten rekonstruieren. Zur Untersuchung der Interaktions- und Kooperationsweise aus dem Weltjugendtagsbüro hinaus stand überdies ein besonderer Datenkorpus zur Verfügung: der Zugang zu einem Intranet, das im Weltjugendtagsbüro zur Kommunikation mit den so genannten „Diözesandelegierten“, d.h. den haupt-ehrenamtlichen Verantwortlichen in den Diözesen der katholischen Kirche, eingerichtet worden war. Bei den hier eingestellten Dokumenten handelt es sich zum einen um Informationsbriefe an die Delegierten, zum anderen um Protokolle der insgesamt neun Delegiertenversammlungen, in denen die Einzelbeiträge der hierbei geführten Diskussionen dokumentiert wurden. Ergänzt wurde dieser Fundus natürlicher Daten durch Interviews mit ausgewählten Diözesandelegierten sowie mit kirchlichen Funktionsträgern, welche die kirchliche Jugendpastoral in Deutschland maßgeblich mitgestalten und folglich eine ‚Expertise’ der Organisationsstruktur und des Organisationsgeschehens liefern konnten. Nicht mit der Absicht einer kommunikativen Validierung, vielmehr zur Realisierung eines spiralförmigen Erhebungsprozesses wurden in verschiedenen Stadien der Analyse (im November 2005 und im März 2006) im Rekurs auf die jeweils vorliegenden Ergebnisse Gespräche mit hauptverantwortlichen Organisatoren des Weltjugendtagsbüros, des Erzbistums Köln und der Deutschen Bischofskonferenz geführt.
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Der Datenkorpus des Teilprojekts umfasst überdies Beobachtungs- und Teilnahmedaten, die während dem Weltjugendtag in Köln erhoben worden sind. Der Beobachtungsfokus war vor allem auf die Frage gerichtet, wie die in den Interviews als beabsichtigt geschilderten Maßnahmen in der Situation vor Ort umgesetzt worden sind. Bei der Auswahl der Beobachtungsgelegenheiten wurde darauf geachtet, sowohl eine möglichst große Bandbreite an Einzelereignissen – kleine Kulturveranstaltungen ebenso wie Großliturgien, die Essenausgabe in Schulen ebenso wie die Organisation der Ankunft des Papstes am Flughafen – als auch (nach Möglichkeit) einen Querschnitt durch die Organisationshierarchie – z.B. anhand der Durchführung von Pressekonferenzen seitens der Hauptverantwortlichen ebenso wie anhand des Einsatzes der freiwilligen Helfer am Marienfeld – in Augenschein nehmen zu können. Im Zuge des durchgängigen Feldaufenthalts (bis hin zur open-air-Nächtigung der Forscher bei der Abschlussveranstaltung auf dem Marienfeld) konnte die Qualität der Organisations- und Inszenierungsleistungen sozusagen ‚am eigenen Leib’ erfahren werden. Die Beobachtungen und Erlebnisse wurden in Forschungstagebüchern protokolliert, womit auch diese Daten einer systematischen Auswertung unterzogen werden konnten und können. Bereits im Vorfeld des Weltjugendtags konnte ein Zugang zu der Cateringfirma – d.h. in theoretischer Perspektive: zu einem besonders relevanten Teil der ‚Umwelt’ der Organisation – eröffnet und genutzt werden, an die aus dem Weltjugendtagsbüro heraus der Auftrag zur Verpflegung der über 400.000 registrierten Teilnehmer des Weltjugendtags vergeben worden war. Im Zuge der teilnehmenden Beobachtung an einer Werbeveranstaltung für spezielle Kunden, in deren Rahmen das Organisationsmodell der für diesen Auftrag ausgegründeten SubFirma vorgestellt wurde, konnte deren Unternehmensphilosophie rekonstruiert werden. Im Rahmen geführter Feldbegehungen konnte die ‚Hinterbühne’ sowohl der Warenanlieferungsstellen als auch der so genannten „Verpflegungsausgabestellen“ und damit die hier vorgesehenen Aufbau- und Ablaufstrukturen ‚in situ’ in Augenschein genommen werden. In Gesprächen mit den für die Verpflegung Hauptverantwortlichen konnten schließlich, nach dem Weltjugendtag, die – für Handeln generell, für organisatorisches Handeln im besonderen Maße typischen – Diskrepanzen zwischen beabsichtigten und realisierten Organisationsmaßnahmen ermittelt werden: in einem besonders aufschlussreichen Fall, da sich gerade die Verpflegung der Weltjugendtagsteilnehmer als eine organisatorische Schwachstelle erwiesen hat und als solche in den Medien auch kolportiert worden ist. Da es sich beim Weltjugendtag der Intention der Veranstalter zufolge um ein Glaubensfest nicht nur für Jugendliche, sondern auch von Jugendlichen handeln sollte, wurde deren Einbindung in die organisatorischen Abläufe besonders aufmerksam beobachtet: Bereits im Herbst 2004, d.h. fast ein Jahr vor dem Weltju-
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gendtag, haben wir im Rahmen einer exemplarischen Fallstudie die Strukturen rekonstruiert, die zur Integration Jugendlicher in die Vorbereitungen der ‚Tage der Begegnung’ in einer Diözese – von der Bistumsebene (Diözese Essen) über die Dekanatsebene (Stadt Oberhausen) bis ‚hinunter’ auf die Gemeindeebene (Pfarrgemeinde St. Marien) – gebildet worden war. Jenseits dieses Engagements, das vor allem deutschen Pfarrgemeindemitgliedern offen stand, konnten sich Jugendliche aus aller Welt als so genannte ‚Freiwillige’ („Volunteers“) – bereits bei den Vorbereitungen im Weltjugendtagsbüro als „Langzeitfreiwillige“, während des Weltjugendtags als „Kurzzeitfreiwillige“, als Leiter von Freiwilligenteams („Teamleiter“), als Leiter von Teamgruppen („Gruppenleiter“) oder als Freiwilligenbetreuer („Volunteer Support Manager“) – an der Organisation ‚ihres’ Events beteiligen. Im November und Dezember 2005, d.h. drei bis vier Monate nach dem Weltjugendtag, haben wir mit ausgewählten Freiwilligen aller Funktionsgruppen, an deren ‚Schulungen’ wir im Vorfeld hatten teilnehmen und deren Einsatz ‚vor Ort’ wir hatten beobachten können, Gespräche über ihr Engagement geführt, um anhand dieses Datenmaterials deren funktionsgruppenspezifische Sichtweisen auf die Organisation des Weltjugendtags – die Struktur des Weltjugendtagsbüros einerseits, die organisatorischen Abläufe, in die sie involviert waren, andererseits – nachzeichnen zu können. Der Korpus der nicht von uns Forschern initiierten Daten umfasst eine umfangreiche Dokumentensammlung: Der Analyse zugänglich waren zentrale offizielle Verlautbarungen der Katholischen Kirche zum ‚Charakter’ des Weltjugendtags, waren alle Seiten der offiziellen Homepage des Weltjugendtags, und waren mannigfaltige interne Arbeitspapiere, die den Forschern vor, während oder nach ihren Gesprächen im Weltjugendtagsbüro von den Interviewpartnern ausgehändigt wurden. Als besonders informativ haben sich die bereits erwähnten, in einem Intranet eingestellten Informationsbriefe erwiesen, die im Laufe der dreijährigen Vorbereitung an die Adresse der so genannten Diözesandelegierten, d.h. an die Haupt-Verantwortlichen für den Weltjugendtag in den Diözesen der katholischen Kirche gerichtet worden waren, weil diese Materialien eine Art ‚natürliche’ Dokumentation der (die Diözesen betreffenden) Organisations(fort)schritte darstellen. Die in diesem Intranet eingestellten Protokolle der insgesamt neun Delegiertenversammlungen liefern ein eindrucksvolles Bild zur Stimmung und zum Stimmungswandel in den Diözesen ‚draußen’ im Land, da dieses Material die Debatten mit einzelnen Wortbeiträgen dokumentiert. Dergestalt wurde ein Materialkorpus aus Beobachtungs-, Teilnahme- und Gesprächsdaten sowie vielerlei natürlichen Dokumenten angelegt. Da – stärker als ursprünglich projektiert – ein deutlicher Akzent auf die Gespräche gelegt werden musste, neigt die Studie in ihrer Ausrichtung demjenigen Pol des Kontinuums ethnographischer Forschungspraxis zu, den Herbert Kalthoff (2006: 153)
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als „Informantenethnographie“ bezeichnet: „Der Informantenethnograph stellt Kontakt zu den Teilnehmern [im Feld] her, lokalisiert zentrale und willige Informanten und befragt diese zu kulturellen Ereignissen und Praktiken. In diesem Fall beobachtet der Ethnograph weder selbst diese Praktiken, noch nimmt er an ihnen teil.“ Die Problematik besteht darin, dass sich die gelebte Wirklichkeit dem Forscher als erzählte Wirklichkeit darbietet. Allerdings kommt ihm dadurch auch das zu Ohren, was sich nicht beobachten lässt: das diskursiv verfügbare Wissen seiner Informanten.
1.3
Datenauswertung
Alle – insgesamt 42 – Interviews wurden digital mitgeschnitten und sorgfältig transkribiert, um eine angemessene Datengrundlage für die Auswertung zur Verfügung zu haben. Die Auswertung der Gesprächs- und Beobachtungsdaten ebenso wie der Dokumente war an den Maßgaben der wissenssoziologischen Hermeneutik orientiert (vgl. Soeffner/Hitzler 1994, Kurt 2004). An dieser Stelle soll die damit gemeinte Interpretationstechnik zumindest wieder einmal grob skizziert werden: Der zu interpretierende Text wird idealer weise von Anfang an (in begründeten Fällen, d.h. nach wiederholtem, aufmerksamen Lesen des Gesamtdokuments, aber auch an als solche ‚erkannten’ Schlüsselstellen ansetzend) sequenzanalytisch, d.h. von vorne nach hinten und Satzteil für Satzteil, im Hinblick auf seinen Bedeutungsgehalt ausgelegt. Dies gelingt insbesondere dadurch, dass die erste Sequenz (Sinneinheit) zunächst für sich genommen, d.h. ohne Rückgriff auf Vorstehendes und schon gar nicht im Vorgriff auf Nachstehendes, aber auch unter Ausschluss sonstigen Kontextwissens auf ihre mögliche Bedeutung hin analysiert wird. Zu diesem Zweck werden in einem ersten Schritt Kontexte, d.h. mögliche Zusammenhänge bzw. Geschichten ‚erfunden’, in denen die Teilaussage exakt so, wie sie im Text steht, hätte geäußert werden können. In diesem Schritt steckt das besondere, den Sinngehalt des Textes ‚aufschließende’ Potential der Hermeneutik. Zum einen werden Deutungsmöglichkeiten (Lesarten) in die Analyse eingeführt, welche die Interpretation des weiteren Textes begleiten, bis sie verworfen werden müssen; zum anderen schafft dieser Schritt eine Vergleichsmöglichkeit des tatsächlichen Kontextes mit den erdachten möglichen Kontexten: die (Sprech-)Handlung tritt in einem bestimmten Kontext auf, wäre aber auch in einem anderen, bekannten Kontext möglich gewesen. In einem nächsten, immer noch diese eine Textstelle betreffenden Analyseschritt wird nicht mehr der Kontext, sondern die Handlung variiert: Es wird so viel Wissen wie möglich über diesen einen tatsächlichen Kontext zusammengetragen, und auf dieser Grundlage wird überlegt, welche Handlungs-
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weisen dem (Sprech-)Akteur auch bzw. typischerweise zur Verfügung gestanden hätten, aber nicht von ihm ‚gewählt’ worden sind. – Immer noch diese eine Textstelle betreffend wird nun – sowohl die Perspektive des Sprechers als auch die Perspektive der Hörers einnehmend – überlegt, wie es weitergehen könnte, d.h. der Fortgang des Handlungsgeschehens wird antizipiert. Diese möglichen Handlungsanschlüsse werden nun – und erst hier wird die zweite Sequenz in die Analyse einbezogen – am Text, und das heißt: an der Wirklichkeit, überprüft: Eine den Sprecher oder den Hörer betreffende Hypothese über den Fortgang des Handlungsgeschehens wird realisiert. Alle Interpretationsmöglichkeiten, die mit der realen Handlung unvereinbar sind, werden verworfen, alle weiteren werden mitgenommen, wobei sich von Sequenz zu Sequenz die Lesarten verringern. Die interpretative Strategie besteht folglich darin, methodisch kontrolliert in Texten enthaltene Sinngehalte zu Tage zu fördern – über das hinaus und vor allem auch entgegen dem, was als Text-Sinn ohnehin „auf der Hand“ zu liegen scheint. Die zentrale Frage an die Daten lautete dabei, wie, auf welche Art und Weise dieser ‚deutsche’ Weltjugendtag organisiert worden ist, und wie die organisatorischen Maßnahmen intern und extern legitimiert worden sind. Bei der Analyse dieser Art Daten darf methodologisch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei den Explikationen immer nur um Darstellungen eines Sachverhalts, nicht aber um den Sachverhalt selber handelt. Alle erhobenen Daten wurden nicht nur daraufhin analysiert, welche Gründe und Motive für die Veranstaltung und Organisation dieses Weltjugendtags explizit oder implizit genannt werden, sondern auch, inwieweit die Aktivitäten als eine Fortführung oder aber eine Neuerung gegenüber der Weltjugendtagstradition angesehen bzw. dargestellt werden. Trotz dieses – auch in Bezug auf die Dokumente vorgenommenen – Analysefokus lassen sich die Erkenntnisse in Ermangelung tatsächlicher Vergleichsmöglichkeiten nur bedingt für die Weltjugendtage schlechthin generalisieren. Für diesen einen, den XX. Weltjugendtag ermöglicht das Forschungsdesign allerdings eine solide Einschätzung des von den Organisatoren beabsichtigten ‚Charakters’ dieses Ereignisses.
2.
Datenverzeichnis
Zur Analyse der eventvor- und -nachbereitenden Organisation kamen vor allem rekonstruierende Erhebungs- und Auswertungsverfahren zum Einsatz, zur Analyse der eventbegleitenden Organisation wurden überdies registrierend (d.h. teilnehmend und beobachtend) Daten erhoben. Der ethnographischen Forschungspraxis entsprechend wurde bei der Datenerhebung also ein Methoden-
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Mix aus teilnehmender Beobachtung (und beobachtender Teilnahme), Interview und Dokumentensammlung eingesetzt. Der dergestalt gewonnene Datenkorpus – 42 volltranskribierte Interviews, 8 Protokolle von Außendarstellungen organisatorischer Führungskräfte, Feldnotizen zu 4 Freiwilligenschulungen, 50 Beobachtungsprotokolle und 2 Videomitschnitte von Feldaufenthalten während dem Weltjugendtag, sowie eine umfangreiche Sammlung so genannter ‚natürlicher’ Dokumente: interne Arbeitspapiere, Konzeptentwürfe, Pressemappen, Internet- und Intranetdokumente, Arbeitshilfen – wurde z.T. zur Informationsgewinnung, d.h. hermeneutisch ‚naiv’, zum überwiegenden Teil jedoch wissenssoziologisch hermeneutisch ausgewertet.
2.1
Organisatorische Vorbereitung
(begleitende Interviews mit Personen der oberen und mittleren Führungsebene des WJT-Büros u.a. und Vorbereitung der Tage der Begegnung in Diözese Essen, ev. Tage der Begegnung) November 2004 – August 2005 Bereitschaft des WJT-Büros zur Kooperation (Eröffnung von Zugängen) mit WJT Forschungskonsortium beim ‚Antrittsbesuch‘ der Antragssteller Gebhardt, Hitzler, Pfadenhauer im WJT-Büro Köln (26.11.04) [Forschungstagebuch MP] -> Zusage am 3.2.05 [Brief] Informelles Gespräch mit Repräsentantem des WJT-Büros zur Vorgehensweise bei der Datenerhebung in Abstimmung mit der jeweiligen Arbeitsbelastung in den einzelnen Bereichen, ‚Suppen-Bar‘ Köln (15.2.05) Gespräch mit Repräsentantem des WJT-Büros zur idealen Interview-Reihenfolge in Abstimmung mit der Arbeitsbelastung in den einzelnen Bereichen sowie deren interner Vernetzung, WJT-Büro Köln (15.3.05) [Forschungstagebuch MP] Interview I_01 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Begegnung“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (23.3.05) Interview I_02 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Pastorale Vor- und Nachbereitung“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (13.4.05) Interview I_03 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Jugendkulturfestival“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (27.4.05) Vorstellung des Forschungsprojekts zur Forschungskooperation mit FH Fulda in Fulda (28.4.05)
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Interview I_04 mit Repräsentantem des Leitungsteams zur Koordination der „Bereiche“ des WJT-Büros und Abstimmung von Entscheidungen des Leitungsteams mit büroexternen Gremien, WJT-Büro Köln (11.5.05) Gespräch mit Diözesandelegiertem des Erzbistums Fulda, zur Kooperation seiner Diözese mit dem WJT-Büro (insbes. hinsichtlich TdB), FH Fulda (19.5.05) Gastvortrag des Bereichsleiters ‚Pastorale Vor- und Nachbereitung‘ Hr. Dr. Marc-Ansgar Seibel im Seminar ‚Organisations-Kompetenz‘ an Uni Dortmund (14.6.05) Interview I_05 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs I_05 „Personal/EDV“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (15.6.05) Interview I_06 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Pilgerwesen“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (16.6.05) Interview I_07 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Freiwillige“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (29.6.05) Interview I_08 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Liturgie“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJTBüro Köln (29.6.05) Interview I_09 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Verkündigung“vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (30.6.05) Interview I_10 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Operations/Risk Management‘ – Marienfeld“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, Marienfeld Kerpen/Frechen (6.7.05) Interview I_11 in der Abteilung „Jugendseelsorge“ des Erzbischöflichen Generalvikariats zur Außenwahrnehmung des WJT-Büros, Marzellenstr. (6.7.05) Interview I_12 mit Repräsentantem des Leitungsteams zur Koordination der „Bereiche“ des WJT-Büros und Abstimmung von Entscheidungen des Leitungsteams mit büroexternen Gremien, WJT-Büro Köln (7.7.05) Interview I_13 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Finanzen“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJTBüro Köln (7.7.05) Informationsaustausch über Kooperations-Erfahrungen mit WJT-Büro unter den Antragstellern und Mitarbeitern der Teilprojekte im Museums-Cafe Köln (10.7.05) Interview I_14 im Katholischen Jugendamt Köln, zur Außenwahrnehmung des WJTBüros und Beurteilung der Eingliederung von Kernteamer in WJT-Hierarchie (15.7.05) Informelles Gespräch zur Einbindung in Organisation der Fuß-Wallfahrt, Köln (15.7.05) Interview I_15 im BDKJ-Dözesanverbands Köln, Steinfeldergasse in Köln, zur Außenwahrnehmung des WJT-Büros (15.7.05) Interview I_16 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Sicherheit/Protokoll“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (21.7.05)
265
Anhang
Interview I_17 mit Repräsentantem des Leitungsteams zur Abstimmung von Entscheidungen des Leitungsteams mit übergeordneten Gremien, insbes. Päpstlicher Rat für die Laien, im Erzbischöflichen Generalvikariat Köln (21.7.05) Interview I_18 mit Repräsentanten des Stabs des WJT-Büros, zur Koordination von Stabs-Angelegenheiten und Zuarbeit zu Geschäftsführung Köln (22.7.05) Interview I_19 mit Repräsentantem des Leitungsteams zur Abstimmung von Entscheidungen des Leitungsteams mit übergeordneten Gremien, insbes. Aufsichtsrat sowie Repräsentationstätigkeit, WJT-Büro Köln (22.7.05) Interview I_20 mit Ehrenamtlicher im Weltjugendtagsbüro, zur Einstimmung und Schulung der Teamleiter, Köln (22.7.05) Interview I_21 mit Repräsentantem des Stabs des WJT-Büros zu Sponsoring, zur Einbindung der Stabs-Mitarbeiter in WJT-Büro-Hierarchie und Kooperation mit den Bereichen, WJT-Büro Köln (26.7.05) Interview I_23 mit Repräsentantem des Stabs zu Maßnahmen für Behinderte, zur Einbindung der Stabs-Mitarbeiter in WJT-Büro-Hierarchie und zur Kooperation mit den Bereichen, WJT-Büro Köln (28.7.05) Interview I_25 mit Repräsentantem des Stabs zu Maßnahmen für Umweltschutz, zur Einbindung der Stabs-Mitarbeiter in WJT-Büro-Hierarchie und Kooperation mit den Bereichen, WJT-Büro Köln (8.8.05)
2.2
Organisatorische Umsetzung
(Gespräche, Beobachtungen und Teilnahmen an Ein- bzw. Anleitungsveranstaltungen und am Weltjugendtag, einschließlich Volunteers-Abschlussveranstaltung) Juli 2005 – August 2005 2.1
2.2 2.3 2.4
2.5
Darstellung und Vermittlung des Organisationsstands an interessierte Akteure in den Diözesen beim vom WJT-Büro veranstalteten Hearing zum WJT [Umsetzung einer Konzeption von Öffentlichkeitsarbeit] (3.3.05, Wesseling) (Sandra) [Protokoll Wesseling] Darstellung und Vermittlung des Organisationsstands durch den Geschäftsführer des WJT-Büros im Domforum, Köln (7.3.05) [DF_01] Teilnahme bei der Ankunft des WJT-Kreuzes in Köln im Hinblick auf die spezifisch-katholische Eventstruktur der WJTe Darstellung und Vermittlung des Organisationsstands durch den Diözesanjugendseelsorger des Erzbistums Köln und Sekretär des WJT-Büros im Domforum Köln (4.4.05) [DF_02] Darstellung und Vermittlung des Organisationsstands durch Generalsekretär des WJTs im Domforum, Köln (2.5.05) [DF_03]
266 2.6
2.7
2.8
2.9
2.10
2.11
2.12 2.13 2.14 2.15
2.16
2.17
2.18
Anhang
Darstellung und Vermittlung des Organisationsstands durch Bereichleiter „Verkündigung“ des WJT-Büros im Domforum Köln (6.6.05) [DF_04] Beobachtende Teilnahme bei der Einschulung als Ehrenamtliche in Arbeitsbereiche und -abläufe im WJT-Büro (9. Juni 2005) [Forschungstagebuch SE] Darstellung der Umweltfreundlichkeit des WJT bei Pressekonferenz anlässlich Verleihung des EMAS-Zertifikats im Priesterseminar des Erzbistums Köln (16.6.05) [Pressemappe] Beobachtende Teilnahme zur Aufgabenzuteilung, Kompetenzfeststellung und -vermittlung von Teamleitern bei Teamleiterschulung I in Altenberg (1.-2.7.05) [Forschungstagebuch MP] Darstellung und Vermittlung des Organisationsstands durch Bereichsleiter „Kommunikation und Öffentlichkeit“ des WJT-Büros an Interessierte im Domforum, Köln (4.7.05) [DF_05] Interview I_22 mit Dekanatsvertreterin Mühlheim zur Kooperation mit verschiedenen Funktionsträgern unterschiedlicher Aktionssebenen (bis hin zum WJT-Büro) hinsichtlich „Tage der Begegnung“ (27.7.05) Teilnehmende Beobachtung bei der Geistlichen Einstimmung auf den WJT durch Kölner Erzbischof im Domforum, Köln (1.8.05) [DF_06] Interview I_24 mit Kernteamer zu Kontakt zu und Kooperation mit dem Weltjugendtagsbüro, Köln (1.8.05) Beobachtende Teilnahme bei der Fußwallfahrt zur Zuständigkeitsverteilung und Kooperation verschiedener Akteure vor Ort (2.-7.8.05) Beobachtende Teilnahme zur Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung, zu Informationswegen und Informationsblockaden bei der Teamleiterschulung II in Universität zu Köln (10.-11.8.05) [Forschungstagebuch MP] Teilnehmende Beobachtung zum organisatorischen Umgang mit Medienvertretern durch WJT-Büro hinsichtlich Akkreditierung und Registrierung im Pressezentrum an der Messe Köln (10.8.05) [Forschungstagebuch MP] Teilnehmende Beobchtung bei den „Tagen der Begegnung“: Veranstaltung des Bistums Paderborn auf dem Alten Markt in Dortmund (12.8.05) „Die Marthas und die barmherzigen Samariter“: Organisatorischgeistliche Indoktrination bei der Volunteer-Auftaktmesse in der Bay(er)Arena in Leverkusen (14.8.05) [Audio-Datei/Forschungstagebuch MP]
267
Anhang
2.19 2.19.1
2.19.2
2.19.3
2.19.4 2.19.5 2.19.6 2.19.7
2.19.8
2.19.9 2.19.10
2.19.11 2.19.12
WJT-Umsetzungseinheiten [Beobachtungsprotokolle] Informationsgrad der Volunteers an einem WJT-Infopoint am Kölner Hauptbahnhof und am Info-Stand des Pressezentrums Messe Köln (15.8.05) Organisatorischer Umgang mit Medienvertretern hinsichtlich des Zugangs zu Sonderpositionen (Pool-Karten) im Pressezentrum an der Messe Köln (15.8.05) Organisatorische Abläufe und Bewältigung situativer Organisationsprobleme bei der Registrierung der Pilger in der Messe Köln, Kristallsaal (15.5.05) Freiwilligeneinsatz im Geistlichen Zentrum Taizé (St. Agnes, Köln) (16.8.05) Abläufe im Geistlichen Zentrum St. Maria im Kapitol der Fraternités Monastique de Jérusalem (‚Templer‘), Köln (16.8.05) Zuständigkeit des Service-Points am Neumarkt, Köln (16.8.05) Umgang mit Medienvertretern sowie Einsatz von Volunteers und anderen Ordnungskräften und Präsenz der WJT-Büro-Entscheidungsträger beim Eröffnungsgottesdienst für die Pilger im Rhein-Energiestadion in Köln (16.8.05) Logistische Probleme und deren (angebliche) Bewältigung bei Versorgung der Pilger mit Nahrung während dem WJT durch Firma Sodexho (im Zusammenspiel mit WJT-Büro) aus Sicht der Entscheidungsträger bei Sodexho; erfragt während VIP-Veranstaltung der Firma Sodexho im Hotel Petersberg (Königswinter) (16.8.05) und beobachtet (bei Fahrt mit Kleinbussen) an den Essens-Ausgabestellen bei der Köln-Arena sowie vor den Hallen der Messe Köln; nachgefragt nochmals bei einem ‚Experimental’-Mittagessen im KölnTower (17.8.05) Freiwilligen-Einsatz bei Katechese in Mauritius-Kirche (Köln) (17.8.05) magis-Cafe Jesuit-Network bei St. Alban Köln, Internet-Cafe am Hansaring, Franziskaner an der ehemaligen Franziskaner-Kirche Köln, Geistlichen Zentrum St. Maria im Kapitol der Fraternités Monastique de Jérusalem (‚Templer‘) (17.8.05) Aktivitäten und Kooperation verschiedener Einsatzkräfte beim Musik-Picknick am Aachener Weiher (Köln) (17.8.05) Teamleiter-Aktivitäten bei Veranstaltung im Rahmen des Kulturprogramms im Börsensaal der IHK (Köln) (17.8.05)
268 2.19.13 2.19.14 2.19.15
2.19.16
2.19.17
2.19.18
2.19.19 2.19.20 2.19.21
2.19.22 2.19.23 2.19.24
2.19.25 2.19.26
2.19.27 2.19.28
Anhang
Präsentation des Musicals ‚Jesus Christ Superstar‘ im Hofgarten Bonn (17.8.05) Freiwilligeneinsatz im Geistlichen Zentrum Taizé in St. Martin Bonn (17.8.05) Informationsgrad der Freiwilligen und organisatorischer Umgang mit Medienvertretern hinsichtlich des Zugangs zu Sonderpositionen (Pool-Karten) am Info-Stand des Pressezentrums in der Messe (17.8.05) Beobachtung des den Medienvertretern seitens des WJT-Büros zugedachten Aktionsradius bei der Ankunft des Papstes auf dem Flughafen Köln-Bonn (18.8.05) Einsatzbereitschaft und Ausmaß der Zuständigkeit der Freiwilligen bei Geistlichem Zentrum der Schönstatt-Gemeinde und Katecheseort Trinitatis-Kirche (Köln) (18.8.05) Zusätzlicher bzw. situativ entstehender Organisationsaufwand infolge der Ermordnung von Frère Roger im bzw. am geistlichen Zentrum Taizé St. Agnes, Köln (18.8.05) Freiwilligeneinsatz bei Dom-Wallfahrt im Kölner Dom und am Roncalli-Platz (18.8.05) Regelung des Fußgängerübergangs bei Bastei am Anfang der DomWallfahrt Konrad-Adenauer-Ufer (18.8.05) Darstellung organisatorischer bzw. logistischer Probleme bei Pilgertransporten und -Versorgung seitens WJT-Büro auf Pressekonferenz im Pressezentrum an der Messe Köln (18.8.05) Pilgerverhalten in Erwartung des Papst-Schiffes am Rheinufer (18.8.05) Polizeieinsatz im Vorfeld der Papst-Ankunft am Dom (18.8.05) Verhalten der Pilger auf dem Heumarkt in Relation zu Fernsehübertragungen bzw. -darstellungen über Großleinwand, situative face-toface-Missionsarbeit (18.8.05) Informationsaustausch mit Beteiligten der anderen Teilprojekte im Restaurant ‚Bellevue’ im Hotel ‚Maritim’ (18.8.05] Kooperationen beim Einsatz der Schönstatt-Freiwilligen (im Verhältnis zu ‚Volunteers’) bei Katechese in Trinitatis-Kirche (Köln) (19.8.05) Situative Krisenbewältigungsstrategien der Volunteers am Verpflegungsort Georgstraße (19.8.05) Freiwilligeneinsatz bei Dom-Wallfahrt (vom Dom zur Messe Köln) (19.8.05)
269
Anhang
2.19.29 2.19.30 2.19.31 2.19.32 2.19.33
Situative Krisenbewältgungsstrategien der Volunteers am Verpflegungsort Messehalle 11 (19.8.05) Pilger im ‚Saturn’ (19.8.05) Kernteamer-Einsatz beim Kreuzweg in Köln-Kalk (19.8.05) Organisatorischer Umgang mit Medienvertretern seitens WJT-Büro beim Presseempfang im ‚Tanzbrunnen’, Köln (19.8.05) Organisatorisch-logistische Probleme des ZDF im WJT-Studio auf dem Roncalli-Platz am Dom (19.8.05)
2.20
WJT-Umsetzungseinheiten Marienfeld [Beobachtungsprotokolle]
2.20.1
Situative Bewältigung erwartbarer Probleme des Transports der Medienvertreter vom Pressezentrum zum Marienfeld (20.8.05) Regelung des Pilgerwegs vom Bahnhof Horrem zum Marienfeld und zurück (20.8.05) Versorgung der Pilger durch Sodexho und situative Bewältigung erwartbarer Probleme bei Pilgerversorgung durch Volunteers (20./21.8.05) Ordneraktivitäten von Freiwilligen (20./21.8.05) Ordneraktivitäten von Securities (20./21.8.05) Betreuung von Medienvertretern im Pressezelt durch Volunteers (20./21.8.05) Betreuung von Medienvertretern im Pressezelt durch Securities (20./21.8.05) Präsenz von Maltesern, THW, Polizei (20./21.8.05) Nächtliche Toilettenreinigung (20./21.8.05) Reaktionen von Pilgern auf organisatorisch-logistische Maßnahmen (Feldeinteilung, Fluchtwege, Sonderareale, Essens- undKaffeeversorgung) (20./21.8.05) Verhalten eines Teams bei Papstankunft zur Vigil (20./21.8.05) Lautsprecher- und Videowall-Anweisungen an Freiwillige (20./21.8.05) Ordneraktivitäten von Securities bei Fototribüne während Abschlussgottesdienst am Sonntag (20./21.8.05) Technikeinsatz auf dem Marienfeld (20./21.8.05) Situative Bewältigung erwartbarer Probleme des Transports der Medienvertreter vom Marienfeld zum Pressezentrum (21.8.05)
2.20.2 2.20.3
2.20.4 2.20.5 2.20.6 2.20.7 2.20.8 2.20.9 2.20.10
2.20.11 2.20.12 2.20.13 2.20.14 2.20.15
270
Anhang
2.20.16 2.20.17 2.21
2.3
Organisation der Abreise der Pilger aus Köln am Bahnhof Deutz (21.8.05) Organisatorisch-logistische Probleme des ZDF im WJT-Studio auf dem Roncalli-Platz am Dom (21.8.05) Die Kamele des lieben Gottes“: Indoktrination der Volunteers: Frustrationseliminierung durch Geistliche Sinngebung und situative Vergemeinschaftung (mit transsituativer Implikation) bei VolunteersAbschlussgottesdienst und -party am ‚Tanzbrunnen’ (22.8.05) [Forschungstagebuch MP]
Organisatorische Nachbereitung
(begleitende Interviews mit Personen der mittleren Führungsebene des WJTBüros u.a. und Kooperationspartnern der Organisation) Oktober 2005 – November 2006 Interview I_26 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, Cafe Reichardt Köln (4.10.05) Interview I_27 mit Repräsentantem des Bereichs Pastorale Vor- und Nachbereitung) zu Organisationsproblemen und zur Nachbereitung des Weltjugendtags im Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Events, WJT-Büro Köln (10.11.05) Interview I_28 zur internen und externen Kommunikation und Kooperation des Bereichs „Operations/Risk Management“ vor dem Hintergrund (der Abwicklung) von dessen Kernaufgaben, WJT-Büro Köln (14.11.05) Interview I_29 und Gruppengespräch mit Geschäftsführer WJT-Catering GmbH und zu Versorgungsproblemen der Pilger beim Weltjugendtag, Düsseldorf (12.12.05) Interview I_30 in der „Arbeitsstelle für Jugendseelsorge“ zur Organisationsstruktur Weltjugendtag vor dem Hintergrund der jugendpastoralen Struktur in Deutschland, afj Düsseldorf (21.12.05) Interview I_31 in der „Arbeitsstelle für Jugendseelsorge“ zur Nachhaltigkeit des Weltjugendtags, afj Düsseldorf (21.12.05) Interview I_32 mit Diözesandelegiertem des Bistums Essen zur Organisationsstruktur Weltjugendtag vor dem Hintergrund der jugendpastoralen Struktur in Deutschland, Bischöfliches Jugendamt Essen (21.12.05) Gespräch in der Deutschen Bischofskonferenz Bonn zu Bewertung des Weltjugendtags (12.01.06) Klausurtagung des Projektverbunds in Dortmund (14.01.06) Interview I_33 und Gruppengespräch mit Repräsentatem des Bereichs „Freiwillige“ zur Einbindung Freiwilliger in die Organisation des Weltjugendtags im Rahmen des Projektstudiums an der Universität Dortmund (16.01.06)
271
Anhang
2.4
Projektstudium Freiwillige
(Interviews mit Freiwilligen aller Funktionsgruppen) November 2005 – November 2006 Interview I_34 mit Langzeitfreiwilligem im Bereich ‘Pastorale Vor- und Nachbereitung im WJT-Büro, Köln, WJT-Büro (30.11.05) Interview I_35 mit Langzeitfreiwilliger im Leitungsteam, Café in Köln (4.2.06) Interview I_36 mit Gruppenleiterin Düsseldorf (Januar 2005) Interview I_37 mit Gruppenleiterin, Katholisches Jugendamt Düsseldorf (Dezember 2005) Interview I_38 mit Teamleiterin, Forum Köln (Dezember 2005) Interview I_39 mit Teamleiter, Café in Siegen (Januar 2006) Interview I_40 mit Teamleiter, Büro Universität Dortmund (21.11.06) Interview I_41 mit Kurzzeitfreiwilligem und Kernteamer, Privatwohnung Köln (Dezember 2005) Interview I_42 mit Kurzzeitfreiwilligerm, Privatwohnung Köln (November 2005)