Springer-Lehrbuch
Adalbert Wollrab
Organische Chemie Eine Einführung für Lehramtsund Nebenfachstudenten
Dritte, ergänzte Auflage
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Prof. Adalbert Wollrab Am Steinacker 4 35415 Pohlheim
[email protected]
Die erste Auflage erschien 1999 im Vieweg-Verlag
ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-642-00780-4 e-ISBN 978-3-642-00781-1 DOI 10.1007/978-3-642-00781-1 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. c Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009, 2002 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.de)
Vorwort zur dritten Auflage Die dritte Auflage des Buches Organische Chemie erlaubt mir, einem von Studenten geäußerten Wunsch nachzukommen und das Buch mit Übungsaufgaben und deren Lösungen zu ergänzen. Auch das Unterkapitel Molekülorbitaltheorie habe ich etwas erweitert. Für die Durchsicht dieses Kapitels und wertvolle kollegiale Hinweise möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Peter R. Schreiner, Justus-Liebig-Universität, Gießen, bedanken. Besonderen Dank schulde ich Frau Dr. Marion Hertel vom Springer Verlag für ihre kompetente Arbeit als Lektorin und für ihre konstruktiven Vorschläge. Sowohl ihr, als auch Frau Birgit Münch und Herrn Patrick Waltemate danke ich für die angenehme Zusammenarbeit bei dieser dritten Auflage des Buches. Pohlheim, im Mai 2009
Adalbert Wollrab
Vorwort zur zweiten Auflage Das zunächst im Verlag Vieweg erschienene Buch „Organische Chemie“ wurde vom Springer-Verlag übernommen, und deshalb erscheint die zweite Auflage in einem neuen Habitus. Die Neuauflage gibt mir die willkommene Gelegenheit, Druckfehler zu korrigieren. Den Lesern und Kollegen danke ich für nützliche Hinweise und Anregungen. Ebenso möchte ich mich bei Frau Dr. Marion Hertel für die gedeihliche Zusammenarbeit bedanken. Pohlheim, im Juni 2002
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Vorwort zur ersten Auflage Das Lehr- und Lernbuch „Organische Chemie“ ist vor allem ein Angebot an Studierende des Lehramts Chemie und Chemielehrer sowie eine Grundlage für Studierende der Lebensmittelchemie und Pharmazie, der Biologie und Medizin. Langjährige fachliche und didaktische Erfahrungen mit Vorlesungen und Seminaren, mit Staatsexamensarbeiten und Prüfungen haben die Konzeption bestimmt, und Anregungen von Studierenden wurden berücksichtigt. Das Lehr- und Lernbuch ist sowohl eine wichtige Ergänzung für Vorlesungen, Seminare und Praktika, in denen die Organische Chemie – wegen des verfügbaren Lehrdeputats – im allgemeinen nur exemplarisch behandelt wird, es ist aber auch zur Vorbereitung auf Prüfungen geeignet. Verständnis und Kenntnisse werden lerngerecht vorbereitet und die Lernprozesse durch übersichtliche Abbildungen unterstützt Stoffklassen werden – ähnlich wie in der Fachsystematik – als Gliederungsprinzip gewählt. Dieses strukturelle Konzept mit funktionellen Gruppen als Erkennungsmerkmalen und reaktiven Zentren hat sich bewährt, um eine strukturelle Übersicht zu vermitteln, Themen wie Erdöl und Waschmittel, die für den Chemieunterricht wichtig sind, werden in geschlos-
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Vorwort zur ersten Auflage
sener Form behandelt. Biochemische und bioorganische Aspekte werden besonders berücksichtigt, um der bevorzugten Fächerkombination Chemie/Biologie im Lehramt gerecht zu werden. In den verschiedenen Kapiteln wird der Rückgriff auf Vorkenntnisse weitgehend vermieden. Bezüge und Vernetzungen werden durch konkrete Querverweise hergestellt, um das Verständnis zu vertiefen und Vergleiche zu ermöglichen sowie Lernsequenzen zu verdeutlichen und das Prinzip des Spiralen Curriculums umzusetzen. Jede Stoffklasse zeigt charakteristische Reaktionen, daher erscheint es sinnvoll, die organisch-chemischen Reaktionen im Rahmen der entsprechenden Stoffgruppe zu behandeln. Dies hat den Vorteil, daß bei den Reaktionen auf konkrete Beispiele zurückgegriffen werden kann, die in logischem Verbund mit dem zu erlernenden Stoffgebiet stehen. Farbstoffe und Kunststoffe sind deshalb mit den Stoffklassen in Beziehung gesetzt und nicht separat aufgeführt. Großtechnische Synthesen werden berücksichtigt und in einigen Kapiteln auch von den im Labor üblichen Synthesen getrennt abgehandelt. Reaktionsmechanismen sind den spezifischen Reaktionen zugeordnet und werden gründlich und einsichtig diskutiert. Die einzelnen Reaktionsschritte werden detailliert formuliert und ausführlich kommentiert, um das Verständnis zu erleichtern und Zusammenhänge zu erkennen. Durch Wiederholungen wird eine Kenntnisstabilisierung ermöglicht. Abbildungen werden übersichtlich und wahrnehmungsaktiv präsentiert, um den Lernprozeß und die Informationsspeicherung zu erleichtern. Die räumliche Anordnung der funktionellen Gruppen und des Molekülgerüstes stimmt in Edukten und Produkten überein: Strukturelle Änderungen sind deshalb unmittelbar erkennbar. Durch ,,Reaktionspfeile“ werden die funktionellen Änderungen bzw. die Umgruppierungen von Bindungen operativ unterstützt. Abweichend von üblichen Darstellungen werden homolytische Spaltungen durch reguläre Pfeile symbolisiert. Die integrierten Abbildungen erfüllen die Funktion von Mind Maps und sind wichtige Lernhilfen. Bei der Nomenklatur werden die verschiedenen Benennungen bewußt berücksichtigt. Trivialnamen – wie Essigsäure und Zitronensäure – und rationelle Namen – wie Alkohole und Aldehyde – werden verwendet, da diese Bezeichnungen in der Praxis üblich und den Lernenden gebräuchlich sind. Auch später in ihrem Unterricht, der von der Erfahrungswelt der Schüler ausgehen soll, werden Lehrer diese Trivialnamen verwenden. Die systematischen Namen werden gleichfalls eingeführt und beispielhaft darlegt, um den Rückgriff auf die Chemieliteratur und Chemikalienverzeichnisse zu ermöglichen. Theoretische Konzepte (u. a. Mesomerie) werden im allgemeinen in den entsprechenden Stoffklassen integriert behandelt, um den direkten Bezug und die praktische Bedeutung aufzuzeigen. Die optische Ismomerie wird wegen der allgemeinen und übergreifenden Bedeutung separat vorgestellt. Bei der Konzeption der „Organische Chemie“ wurden Bedürfnisse der Studierenden in den verschiedenen Bereichen ebenso berücksichtigt wie fachliche Anforderungen an eine qualifizierte Übersicht der Organischen Chemie, um die Querschnittfunktion mit Fächern aufzuzeigen, die als Life Sciences bezeichnet werden. An dieser Stelle möchte ich allen jenen danken, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben. Vor allem schulde ich Herrn Prof. Dr. Günther Meier, Universität Gießen, Dank für das Durchlesen des Manuskripts und für die vielen wertvollen kollegialen Ratschläge und Hinweise und Herrn Prof. Dr. Georg Wittke, Universität Koblenz-Landau, für das Korrek-
Vorwort zur ersten Auflage
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turlesen und die freundlichen Ratschläge. Herrn Prof. Dr. Heinz Schmidkunz, Universität Dortmund, danke ich, daß er mich zum Schreiben dieses Buches ermunterte. Besonderen Dank schulde ich Frau Dr. Angelika Schulz, Verlag Vieweg, für ihre kompetente Arbeit als Lektorin, für ihre konstruktiven Vorschläge, ihre Ratschläge und das Verständnis, das sie dieser Arbeit entgegenbrachte. Schon alleine die Umsetzung des ursprünglich mit dem Atari geschriebenen Manuskripts warf große Probleme auf, die mit ihrer Hilfe bravourös gemeistert wurden. Frau Heidi Zimmermann, Universität Dortmund, hat gekonnt und mit Sorgfalt die mit dem Stad-Programm gezeichneten Abbildungen überzeichnet und alle Formeln neu geschrieben, eine riesige Arbeit, für die ich ihr Dank schulde, wie auch Herrn Prof. Richard P. Kreher, Universität Dortmund, für die Anregungen und die angebrachten Korrekturen bei den Graphiken. Dank gebührt auch dem Verlag Vieweg, der die Veröffentlichung des Buches ermöglichte. Den größten Dank allerdings schulde ich meiner Frau, die es klaglos hingenommen hat, daß ich die vielen Stunden am Computer saß, mich ihr nicht widmen konnte und die mir vieles, das ich hätte in dieser Zeit tun müssen, abgenommen hat. Pohlheim, im Juni 1999
Adalbert Wollrab
Inhaltsverzeichnis
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Einführung ......................................................................................................................1 1.1 Das Kohlenstoffatom unter die Lupe genommen ...................................................1 1.2 Die funktionellen Gruppen organischer Verbindungen ..........................................5 1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom........10 1.3.1 Die Wellennatur des Elektrons................................................................10 1.3.2 Quantenzahl und Energieniveau..............................................................11 1.3.3 Orbitale und kovalente Bindungen..........................................................13 1.3.4 Hybridorbitale .........................................................................................17 1.3.5 Bindungslängen und Bindungsenergien der Kohlenstoff-KohlenstoffEinfach-, Doppel- und Dreifachbindung .................................................27 1.3.6 Die räumliche Anordnung der Hybridorbitale ........................................29 1.4 Die polare kovalente Bindung und der induktive Effekt ......................................30 1.5 Modellvorstellungen und Gegenstandsmodelle in der Organischen Chemie .......32 1.6 Die chemischen Formeln ......................................................................................34 1.7 Die Nomenklatur organischer Verbindungen .......................................................39 1.7.1 Die Nomenklatur der n-Alkane ...............................................................39 1.7.2 Die Benennung verzweigter Alkane........................................................40 1.7.3 Die Benennung von Verbindungen mit funktionellen Gruppen..............43 1.7.4 Kriterien für die Wahl der Hauptkette.....................................................46 Übungsaufgaben .............................................................................................................48 Lösungen ........................................................................................................................51
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Alkane ............................................................................................................................54 2.1 Benennung der Alkane .........................................................................................54 2.2 Homologe Reihen der Alkane...............................................................................54 2.3 Kettenisomere.......................................................................................................55 2.4 Konformationen des Ethans und Butans...............................................................55 2.4.1 Konformation des Ethans ........................................................................55 2.4.2 Konformationen des Butans ....................................................................58 2.5 Physikalische Eigenschaften der Alkane ..............................................................59 2.6 Vorkommen der Alkane .......................................................................................62 2.7 Synthese der Alkane .............................................................................................63 2.7.1 Darstellung der Alkane durch katalytische Hydrierung ..........................64 2.7.2 Alkane aus Alkylhalogeniden .................................................................65 2.7.3 Alkane aus Alkalisalzen der Carbonsäuren.............................................66 2.8 Reaktionsgleichung und Reaktionsmechanismus .................................................67 2.9 Reaktionen der Alkane .........................................................................................68 2.9.1 Chlorierung und Bromierung der Alkane................................................69 2.9.2 Einführung der Sulfonylchlorid- und Sulfogruppe in Alkane .................74 2.9.3 Die Oxidation von Alkanen mit Sauerstoff .............................................76
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Inhaltsverzeichnis 2.10 Methoden zur Trennung verzweigter und unverzweigter Alkane........................ 80 2.10.1 Trennung mit Molekularsieb 0,5 nm ...................................................... 80 2.10.2 Einschlußverbindungen mit Harnstoff ................................................... 80 Übungsaufgaben ............................................................................................................ 81 Lösungen........................................................................................................................ 82
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Alkene ........................................................................................................................... 84 3.1 Nomenklatur ........................................................................................................ 84 3.2 Bedeutung der Alkene ......................................................................................... 85 3.3 Die σ- und π-Bindung.......................................................................................... 85 3.4 Die Struktur der Alkene....................................................................................... 85 3.5 Die cis-trans-Isomerie in Alkenen ....................................................................... 85 3.5.1 Die Z/E-Nomenklatur............................................................................. 86 3.5.2 Die cis-trans-Isomerisierung .................................................................. 88 3.6 Darstellung der Alkene ........................................................................................ 89 3.6.1 Eliminierungsreaktionen zur Darstellung der Alkene ............................ 90 3.6.2 Die Reaktionsmechanismen E1 und E2 ................................................. 93 3.6.3 Die Saytzew- und die Hofmann-Regel................................................... 97 3.7 Reaktionen der Alkene......................................................................................... 99 3.7.1 Die Mechanismen von Additionsreaktionen .......................................... 99 3.7.2 Die Markownikow-Regel ..................................................................... 103 3.7.3 Wagner-Meerwein-Umlagerungen....................................................... 105 3.7.4 Elektrophile Additionsreaktionen......................................................... 106 3.7.5 Cycloadditionen ................................................................................... 113 3.7.6 Radikalische Additionen ...................................................................... 120 3.7.7 Additionsreaktionen in Gegenwart von Metallkatalysatoren ............... 128 3.7.8 Polymerisationsreaktionen ................................................................... 130 3.7.9 Die Reaktionsmechanismen der Polymerisationsreaktionen................ 131 3.8 Diene und Polyene ............................................................................................. 135 3.9 Die Mesomerie................................................................................................... 136 3.9.1 Mesomere Effekte ................................................................................ 138 3.10 Reaktionen der Diene......................................................................................... 140 3.10.1 Die Addition von Brom an Butadien.................................................... 140 3.10.2 Kinetisch und thermodynamisch gesteuerte Reaktionen ...................... 140 3.10.3 Polymerisationsreaktionen des Butadiens ............................................ 141 3.10.4 Die Diels-Alder-Reaktion..................................................................... 142 3.10.5 Die Cope-Umlagerung ......................................................................... 143 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 144 Lösungen...................................................................................................................... 146
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Alkine .......................................................................................................................... 150 4.1 Nomenklatur der Alkine .................................................................................... 150 4.2 Die Dreifachbindung und die Struktur der Alkine............................................. 150 4.3 Das Acetylen...................................................................................................... 151 4.3.1 Die großtechnische Herstellung des Acetylens .................................... 151 4.4 Darstellung der Alkine....................................................................................... 152
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4.4.1 Darstellung von Ethin aus Calziumcarbid.............................................152 4.4.2 Die Dehalogenierung von Tetrahalogenalkanen ...................................152 4.4.3 Dehydrohalogenierung vicinaler oder geminaler Dihalogenalkane ......152 4.4.4 Die Alkylierung von Natriumacetylid ...................................................153 4.5 Reaktionen der Alkine ........................................................................................153 4.5.1 Saure Eigenschaften der Alkine ............................................................155 4.5.2 Reaktionen mit Alkinylanionen als Nukleophil ....................................156 4.5.3 Die Oligomerisierung der Alkine ..........................................................158 4.5.4 Oxidationsreaktionen ............................................................................159 4.5.5 Reduktion der Alkine ............................................................................160 4.5.6 Additionen an Alkine ............................................................................161 4.5.7 Nucleophile Additionen an die Dreifachbindung der Alkine ................164 Übungsaufgaben ...........................................................................................................166 Lösungen ......................................................................................................................167 5
Alicyclische Verbindungen.........................................................................................170 5.1 Nomenklatur .......................................................................................................170 5.2 Physikalische Eigenschaften der Cycloalkane....................................................171 5.3 Der Cyclopropan- und Cyclobutanring...............................................................172 5.4 Der Cyclopentanring...........................................................................................174 5.5 Der Cyclohexanring............................................................................................174 5.6 Die cis-trans-Isomerie von Substituenten in Ringverbindungen ........................180 5.7 Polycyclische Alkane..........................................................................................181 5.8 Synthese der Cycloalkane...................................................................................183 5.8.1 Synthese des Cyclopropans...................................................................183 5.8.2 Die Synthese mehrgliedriger alicyclischer Verbindungen ....................185 5.9 Reaktionen der Cycloalkane ...............................................................................186 Übungsaufgaben ...........................................................................................................187 Lösungen ......................................................................................................................188
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Aromatische Verbindungen .......................................................................................190 6.1 Benzol und seine Derivate ..................................................................................190 6.2 Die Valenzbindungstheorie ................................................................................191 6.3 Die Molekülorbitaltheorie ..................................................................................195 6.4 Nomenklatur der Benzolderivate ........................................................................204 6.5 Gewinnung und Verwendung von Benzol..........................................................206 6.6 Reaktionen des Benzols......................................................................................207 6.6.1 Die elektrophile aromatische Substitution (SE) .....................................207 6.6.2 Die Zweitsubstitution ............................................................................219 6.6.3 Kern- und Seitenkettenhalogenierung ...................................................230 6.6.4 Nukleophile aromatische Substitutionen...............................................231 6.6.5 Die radikalische Addition am Benzol ...................................................233 6.7 Kriterien der Aromatizität...................................................................................233 6.8 Überblick über aromatische Verbindungen ........................................................235 6.8.1 Benzoide Aromaten...............................................................................235 6.8.2 Nichtbenzoide Aromaten.......................................................................235
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Inhaltsverzeichnis 6.8.3 Heterocyclische Aromaten ................................................................... 237 6.8.4 Polycyclische nichtkondensierte Aromaten.......................................... 242 6.8.5 Kondensierte polycyclische Aromaten................................................. 243 6.8.6 Polychlorierte aromatische Verbindungen ........................................... 248 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 250 Lösungen...................................................................................................................... 251
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Erdöl............................................................................................................................ 254 7.1 Entstehung des Erdöls........................................................................................ 254 7.2 Erdölvorkommen ............................................................................................... 254 7.3 Inhaltsstoffe des Erdöls...................................................................................... 255 7.4 Destillationsfraktionen des Erdöls ..................................................................... 257 7.5 Kennzahlen von Kraftstoffen............................................................................. 259 7.5.1 Die Octanzahl....................................................................................... 259 7.5.2 Die Cetanzahl ....................................................................................... 260 7.6 Das Cracken....................................................................................................... 261 7.6.1 Thermisches Cracken ........................................................................... 262 7.6.2 Katalytisches Cracken .......................................................................... 265 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 271 Lösungen...................................................................................................................... 272
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Optische Isomerie....................................................................................................... 274 8.1 Das Licht als elektromagnetische Welle ............................................................ 274 8.1.1 Natürliches und linear polarisiertes Licht............................................. 275 8.2 Die optische Aktivität ........................................................................................ 277 8.2.1 Die spezifische Drehung ...................................................................... 278 8.3 Die Chiralität ..................................................................................................... 280 8.3.1 Chirale und achirale Moleküle ............................................................. 281 8.4 Enantiomere....................................................................................................... 287 8.4.1 Racemische Gemische.......................................................................... 287 8.5 Das asymmetrische Kohlenstoffatom ................................................................ 289 8.5.1 Absolute und relative Konfiguration .................................................... 290 8.6 Nomenklatur chiraler Verbindungen ................................................................. 293 8.6.1 Die D/L-Nomenklatur ........................................................................... 293 8.6.2 Die R/S-Nomenklatur ........................................................................... 295 8.7 Diastereomere .................................................................................................... 300 8.7.1 Meso-Verbindungen............................................................................. 302 8.7.2 Optische Isomerie in alicyclischen Verbindungen ............................... 303 8.8 Optisch aktive Verbindungen ohne asymmetrische Kohlenstoffatome ............. 305 8.8.1 Axiale Chiralität ................................................................................... 305 8.8.2 Planare Chiralität.................................................................................. 307 8.8.3 Helicität ................................................................................................ 307 8.9 Bildung asymmetrischer C-Atome bei chemischen Reaktionen........................ 308 8.9.1 Reaktionen mit prochiralen Verbindungen........................................... 308 8.9.2 Die asymmetrische Synthese................................................................ 310
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8.9.3
Räumliche Auswirkungen bei Reaktionen am asymmetrischen C-Atom..................................................................................................312 8.10 Trennung von Enantiomeren aus racemischen Gemischen ................................313 8.11 Die Chiralität in lebenden Organismen...............................................................316 Übungsaufgaben ...........................................................................................................320 Lösungen ......................................................................................................................322 9
Halogenalkane.............................................................................................................327 9.1 Nomenklatur .......................................................................................................327 9.2 Eigenschaften und Bedeutung der Halogenalkane..............................................327 9.3 Darstellung der Halogenalkane...........................................................................328 9.3.1 Halogenierung von Alkanen..................................................................328 9.3.2 Halogenalkane aus Alkoholen...............................................................328 9.3.3 Halogenderivate aus Alkenen................................................................329 9.3.4 Die Gewinnung von Fluoralkanen ........................................................329 9.4 Reaktionen der Halogenalkane ...........................................................................331 9.4.1 Hydrogenolyse von Halogenalkanen.....................................................331 9.4.2 Reaktion mit Metallen...........................................................................332 9.4.3 Eliminierungsreaktionen .......................................................................332 9.4.4 Nucleophile Substitutionsreaktionen.....................................................333 9.5 Die aliphatische nucleophile Substitution (SN-Reaktion) ...................................334 9.6 Reaktionsmechanismen der aliphatischen nucleophilen Substitution.................339 9.6.1 SN1-Mechanismus .................................................................................339 9.6.2 Der SN2-Mechanismus ..........................................................................343 9.6.3 Faktoren, die eine nucleophile Substitution beeinflussen .....................345 9.6.4 Die nucleophile Substitution und die Eliminierung als Konkurrenzreaktionen .....................................................................348 Übungsaufgaben ...........................................................................................................349 Lösungen ......................................................................................................................350
10 Alkohole.......................................................................................................................354 10.1 Nomenklatur der Alkohole .................................................................................354 10.2 Einteilung der Alkohole......................................................................................355 10.3 Struktur der Alkohole .........................................................................................356 10.4 Physikalische Eigenschaften der Alkohole.........................................................356 10.5 Physiologische Eigenschaften.............................................................................358 10.5.1 Physiologische Eigenschaften des Methanols .......................................358 10.5.2 Physiologische Eigenschaften des Ethanols..........................................358 10.6 Synthese der Alkohole........................................................................................361 10.6.1 Großtechnische Synthese der Alkohole ................................................361 10.6.2 Darstellung der Alkohole im Labor.......................................................368 10.7 Reaktionen der Alkohole ....................................................................................377 10.7.1 Schwach saure Eigenschaften der Alkohole..........................................377 10.7.2 Alkohole als Basen und Nucleophile ....................................................377 10.7.3 Basizität und Nucleophilie ....................................................................378
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Inhaltsverzeichnis 10.7.4 Umsetzung von Alkoholen zu Alkylhalogeniden................................. 381 10.7.5 Die Dehydratisierung ........................................................................... 385 10.7.6 Veresterung von Alkoholen.................................................................. 386 10.7.7 Oxidation von Alkoholen ..................................................................... 392 10.8 Alkoholische Getränke ...................................................................................... 399 10.8.1 Bier....................................................................................................... 399 10.8.2 Weine ................................................................................................... 407 10.8.3 Alkoholdestillate .................................................................................. 409 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 410 Lösungen...................................................................................................................... 411
11 Phenole........................................................................................................................ 415 11.1 Nomenklatur der Phenole .................................................................................. 415 11.2 Eigenschaften der Phenole................................................................................. 417 11.3 Verwendung....................................................................................................... 417 11.4 Verfahren zur Phenolherstellung ....................................................................... 418 11.5 Reaktionen der Phenole ..................................................................................... 420 11.5.1 Nachweis, Esterbildung und Acidität der Phenole ............................... 421 11.5.2 Elektrophile Substitutionen am Phenol ................................................ 422 11.5.3 Die Oxidation von Phenolen ................................................................ 426 11.6 Phenolische Verbindungen in der Natur ............................................................ 429 11.6.1 Pflanzenfarbstoffe ................................................................................ 429 11.6.2 Gerbstoffe............................................................................................. 431 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 433 Lösungen...................................................................................................................... 434 12 Ether............................................................................................................................ 436 12.1 Nomenklatur der Ether....................................................................................... 436 12.2 Struktur und physikalische Eigenschaften ......................................................... 437 12.3 Synthese der Ether ............................................................................................. 438 12.3.1 Synthese von Methyl-tert-butylether.................................................... 438 12.3.2 Dehydratisierung von Alkoholen ......................................................... 438 12.3.3 Die Williamson-Synthese..................................................................... 440 12.3.4 Methylierung von Phenolen mit Diazomethan..................................... 440 12.4 Reaktionen der Ether ......................................................................................... 440 12.4.1 Die Etherspaltung mit Säuren............................................................... 441 12.4.2 Die Autoxidation der Ether .................................................................. 442 12.4.3 Die Claisen-Umlagerung...................................................................... 444 12.5 Cyclische Ether .................................................................................................. 444 12.5.1 Nomenklatur der cyclischen Ether ....................................................... 444 12.5.2 Eigenschaften cyclischer Ether............................................................. 446 12.5.3 Epoxide ................................................................................................ 446 12.5.4 Cyclische Ether mit fünf- und sechsgliedrigem Ring........................... 450 12.5.5 Kronenether.......................................................................................... 450 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 453 Lösungen...................................................................................................................... 454
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13 Aldehyde und Ketone .................................................................................................456 13.1 Nomenklatur der Aldehyde und Ketone .............................................................456 13.2 Struktur und physikalische Eigenschaften ..........................................................458 13.3 Synthese der Aldehyde und Ketone....................................................................460 13.3.1 Wichtige Aldehyde und Ketone und ihre großtechnische Synthese......460 13.3.2 Die Synthese aliphatischer Aldehyde....................................................465 13.3.3 Synthese aromatischer Aldehyde ..........................................................466 13.3.4 Die Synthese aliphatischer Ketone........................................................474 13.3.5 Synthese von Arylketonen ....................................................................477 13.4 Reaktionen der Aldehyde und Ketone ................................................................478 13.4.1 Addition von C-Nucleophilen an Aldehyde und Ketone.......................481 13.4.2 Die Addition von O-Nucleophilen an Aldehyde und Ketone................488 13.4.3 Die Addition von N-Nucleophilen an Aldehyde und Ketone................491 13.4.4 Die Addition von S-Nucleophilen an Aldehyde und Ketone ................499 13.4.5 Nucleophile Additionen an α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen...501 13.4.6 Oligomere und Polymere der Aldehyde................................................503 13.4.7 Die C–H-Acidität von Aldehyden und Ketonen ...................................505 13.4.8 Reduktion von Carbonylverbindungen .................................................516 13.4.9 Die Oxidation von Aldehyden...............................................................519 13.4.10 Die Oxidation von Ketonen...................................................................523 13.4.11 Disproportionierung von Aldehyden.....................................................524 13.4.12 Nachweisreaktionen ..............................................................................525 13.5 Vorkommen von Aldehyden und Ketonen in der Natur .....................................526 Übungsaufgaben ...........................................................................................................528 Lösungen ......................................................................................................................531 14 Chinone........................................................................................................................538 14.1 Darstellung der Chinone .....................................................................................539 14.2 Reaktionen der Chinone .....................................................................................539 14.2.1 Die Reduktion von Chinonen................................................................539 14.2.2 Elektrophile Addition............................................................................541 14.2.3 Nucleophile Addition ............................................................................541 14.2.4 Die Diels-Alder-Reaktion .....................................................................543 14.2.5 Bildung von Charge-Transfer-Komplexen............................................543 14.3 Vorkommen der Chinone in der Natur ...............................................................545 14.3.1 Pilzfarbstoffe.........................................................................................545 14.3.2 Der Elektronentransport in der Atmungskette.......................................545 14.3.3 Derivate des Naphthochinons................................................................548 14.3.4 Alizarin, ein Derivat des Anthrachinons ...............................................549 Übungsaufgaben ...........................................................................................................550 Lösungen ......................................................................................................................551 15 Carbonsäuren..............................................................................................................554 15.1 Nomenklatur der Carbonsäuren ..........................................................................554 15.1.1 Trivialnamen für aliphatische, gesättigte Monocarbonsäuren...............556 15.2 Physikalische Eigenschaften...............................................................................557
XVI
Inhaltsverzeichnis 15.3 Synthese der Carbonsäuren................................................................................ 558 15.3.1 Großtechnische Synthese der Ameisensäure und Essigsäure ............... 558 15.3.2 Carbonsäuresynthesen im Labor .......................................................... 562 15.4 Reaktionen der Carbonsäuren ............................................................................ 568 15.4.1 Die sauren Eigenschaften der Carbonsäuren ........................................ 570 15.4.2 Additions-Eliminierungs-Reaktionen................................................... 572 15.4.3 Bildung von Säureanhydriden durch Dehydratisierung ....................... 578 15.4.4 Reaktionen am α-ständigen C-Atom.................................................... 579 15.4.5 Decarboxylierungsreaktionen............................................................... 581 15.4.6 Die Reduktion und die Oxidation von Carbonsäuren........................... 585 15.5 Ungesättigte Monocarbonsäuren ....................................................................... 586 15.5.1 Wichtige einfach ungesättigte aliphatische Monocarbonsäuren........... 586 15.5.2 Mehrfach ungesättigte aliphatische Monocarbonsäuren ...................... 589 15.5.3 Aromatische Monocarbonsäuren.......................................................... 590 15.6 Dicarbonsäuren .................................................................................................. 592 15.6.1 Aliphatische Dicarbonsäuren ............................................................... 592 15.6.2 Aromatische Dicarbonsäuren ............................................................... 598 15.7 Substitutionsderivate der Carbonsäuren............................................................. 602 15.7.1 Hydroxycarbonsäuren .......................................................................... 602 15.7.2 Oxocarbonsäuren.................................................................................. 608 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 615 Lösungen...................................................................................................................... 618
16 Seifen und synthetische Waschmittel ....................................................................... 626 16.1 Verfahren zur Seifenherstellung ........................................................................ 626 16.2 Eigenschaften der Seifen in wäßriger Lösung ................................................... 627 16.2.1 Lösen von Seife in Wasser ................................................................... 627 16.2.2 Grenzflächenspannung des Wassers..................................................... 628 16.2.3 Tensidwirkung der Seife ...................................................................... 628 16.2.4 Der Waschprozeß ................................................................................. 628 16.2.5 Nachteilige Eigenschaften der Seifen................................................... 629 16.3 Synthetische Waschmittel.................................................................................. 629 16.3.1 Anionische Tenside .............................................................................. 629 16.3.2 Kationische Tenside ............................................................................. 630 16.3.3 Amphotere Tenside (Amphotenside) ................................................... 630 16.3.4 Nichtionische Tenside (Niotenside) ..................................................... 631 16.4 Zusammensetzung moderner Waschmittel ........................................................ 631 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 635 Lösungen...................................................................................................................... 636 17 Funktionelle Derivate der Carbonsäuren ................................................................ 638 17.1 Carbonsäurehalogenide (Alkanoylhalogenide).................................................. 638 17.1.1 Nomenklatur......................................................................................... 638 17.1.2 Darstellung der Carbonsäurechloride ................................................... 639 17.1.3 Reaktionen der Carbonsäurechloride ................................................... 639
Inhaltsverzeichnis
XVII
17.2 Carbonsäureanhydride ........................................................................................644 17.2.1 Nomenklatur..........................................................................................644 17.2.2 Darstellung der Carbonsäureanhydride .................................................644 17.2.3 Reaktionen der Carbonsäureanhydride .................................................645 17.3 Carbonsäureester ................................................................................................648 17.3.1 Nomenklatur..........................................................................................648 17.3.2 Bedeutung und Eigenschaften der Carbonsäureester ............................649 17.3.3 Synthese der Carbonsäurester ...............................................................650 17.3.4 Reaktionen der Carbonsäureester..........................................................653 17.3.5 Reaktionen der Carbonsäureester als C-Säuren ....................................657 17.3.6 Die Reduktion von Carbonsäureestern..................................................661 17.4 Carbonsäureamide ..............................................................................................663 17.4.1 Nomenklatur der Carbonsäureamide.....................................................664 17.4.2 Großtechnische Herstellung des N,N-Dimethylformamids...................665 17.4.3 Die Darstellung der Carbonsäureamide im Labor.................................666 17.4.4 Reaktionen der Carbonsäureamide und Carbonsäureimide...................669 17.5 Nitrile..................................................................................................................672 17.5.1 Nomenklatur der Nitrile ........................................................................672 17.5.2 Synthese der Nitrile...............................................................................673 17.5.3 Reaktionen der Nitrile ...........................................................................675 Übungsaufgaben ...........................................................................................................680 Lösungen ......................................................................................................................681 18 Derivate der Kohlensäure ..........................................................................................685 18.1 Kohlensäureester, Chloride und Amide der Kohlensäure...................................685 18.1.1 Phosgen .................................................................................................685 18.1.2 Chlorameisensäureester.........................................................................685 18.1.3 Kohlensäurediester................................................................................686 18.1.4 Urethane ................................................................................................686 18.2 Harnstoff und seine Derivate ..............................................................................688 18.2.1 Harnstoff ...............................................................................................688 18.2.2 N-Methyl-N-nitrosoharnstoff ................................................................689 18.2.3 Semicarbazid.........................................................................................689 18.2.4 Guanidin................................................................................................690 18.2.5 Thioharnstoff.........................................................................................690 Übungsaufgaben ...........................................................................................................691 Lösungen ......................................................................................................................692 19 Lipide ...........................................................................................................................694 19.1 Die chemische Zusammensetzung der Fette und Öle .........................................694 19.2 Einteilung der Fette und Öle...............................................................................697 19.3 Eigenschaften der Fette und Öle.........................................................................698 19.4 Vorkommen und Gewinnung von Fetten und Ölen ............................................699 19.4.1 Vorkommen ..........................................................................................699 19.4.2 Gewinnung pflanzlicher Fette ...............................................................700 19.4.3 Gewinnung tierischer Fette ..................................................................700
XVIII
Inhaltsverzeichnis
19.5 Fettähnliche Biomoleküle .................................................................................. 700 19.5.1 Phospholipide (Phosphatide)................................................................ 700 19.5.2 Glycolipide........................................................................................... 703 19.5.3 Sterole (Sterine).................................................................................... 703 19.5.4 Lipoproteine ......................................................................................... 706 19.5.5 Lipovitamine ........................................................................................ 708 19.6 Chemische Reaktionen von Fetten und Ölen ..................................................... 711 19.6.1 Die hydrolytische Spaltung von Fetten und Ölen................................. 711 19.6.2 Die Umesterung.................................................................................... 712 19.6.3 Die Hydrierung..................................................................................... 714 19.6.4 Die Autoxidation ungesättigter Triglyceride........................................ 715 19.6.5 Polymerisationsreaktionen ................................................................... 719 19.7 Fette und Öle als Nahrungsmittel ...................................................................... 719 19.7.1 Verdauung und Resorption von Fetten................................................. 720 19.7.2 Abbau der Fettsäuren ........................................................................... 721 19.7.3 Mitochondrien, die „Kraftstationen“ der Zelle..................................... 724 19.7.4 Der Transport durch die Mitochondrienmembran................................ 727 19.7.5 Die β-Oxidation der Carbonsäuren ...................................................... 727 19.7.6 Abbau des Glycerins ............................................................................ 728 19.8 Wachse............................................................................................................... 728 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 730 Lösungen...................................................................................................................... 731 20 Alicyclische Verbindungen in der Natur.................................................................. 734 20.1 Terpene .............................................................................................................. 735 20.1.1 Monoterpene ........................................................................................ 737 20.1.2 Sesquiterpene ....................................................................................... 738 20.1.3 Diterpene .............................................................................................. 739 20.1.4 Triterpene ............................................................................................. 740 20.1.5 Tetraterpene.......................................................................................... 740 20.2 Steroide .............................................................................................................. 741 20.2.1 Biosynthese des Cholesterols ............................................................... 744 20.2.2 Sterole (Sterine).................................................................................... 746 20.2.3 Steroid-Vitamine .................................................................................. 747 20.2.4 Gallensäuren......................................................................................... 748 20.2.5 Steroidhormone .................................................................................... 749 20.2.6 Steroidglycoside ................................................................................... 752 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 755 Lösungen...................................................................................................................... 756 21 Kohlenhydrate............................................................................................................ 759 21.1 Bedeutung und Einteilung der Kohlenhydrate................................................... 760 21.1.1 Bedeutung der Kohlenhydrate.............................................................. 760 21.1.2 Einteilung der Kohlenhydrate............................................................... 760 21.2 Monosaccharide ................................................................................................. 760 21.2.1 Einteilung der Monosaccharide............................................................ 760
Inhaltsverzeichnis
XIX
21.2.2 Die Fischer-Projektion ..........................................................................761 21.2.3 D- und L-Zucker ....................................................................................762 21.3 Aldosen...............................................................................................................764 21.3.1 Verlängerung der Kohlenstoffkette von Aldosen..................................764 21.3.2 Wichtige Aldopentosen .........................................................................766 21.3.3 Wichtige Aldohexosen ..........................................................................766 21.3.4 Cyclische Strukturen der Monosaccharide............................................767 21.4 Ketosen ...............................................................................................................778 21.4.1 D(–)-Fructose.........................................................................................779 21.5 Derivate der Monosaccharide .............................................................................780 21.5.1 Desoxyzucker........................................................................................780 21.5.2 Aminozucker.........................................................................................781 21.5.3 L-(+)-Ascorbinsäure (Vitamin C)..........................................................782 21.6 Reaktionen der Monosaccharide.........................................................................784 21.6.1 Reaktionen der Zucker als α-Hydroxycarbonylverbindungen ..............784 21.6.2 Reaktionen mit Säuren und starken Basen ............................................787 21.6.3 Einführung von Schutzgruppen.............................................................788 21.6.4 Oxidationsreaktionen der Zucker ..........................................................789 21.6.5 Reduktion der Monosaccharide.............................................................793 21.6.6 Abbau der Monosaccharide...................................................................794 21.6.7 Ester und Ether der Monosaccharide.....................................................795 21.6.8 Ether- und Glycosidbildung ..................................................................802 21.6.9 Glycoside, Nucleoside und Nucleotide .................................................804 21.6.10 In der Natur vorkommende Glycoside ..................................................807 21.6.11 Nucleoside.............................................................................................808 21.6.12 Nucleotide .............................................................................................809 21.7 Disaccharide .......................................................................................................810 21.7.1 Reduzierende und nichtreduzierende Zucker ........................................810 21.7.2 Benennung der Disaccharide.................................................................812 21.7.3 Reduzierende Disaccharide ...................................................................812 21.7.4 Nichtreduzierende Disaccharide............................................................814 21.8 Polysaccharide ....................................................................................................818 21.8.1 Homoglycane ........................................................................................818 21.8.2 Heteroglycane .......................................................................................828 21.8.3 Glycokonjugate .....................................................................................830 Übungsaufgaben ...........................................................................................................831 Lösungen ......................................................................................................................833 22 Amine...........................................................................................................................841 22.1 Struktur der Amine .............................................................................................841 22.2 Nomenklatur der Amine .....................................................................................842 22.3 Eigenschaften, Vorkommen und Bedeutung der Amine.....................................844 22.4 Großtechnische Synthese der Amine ..................................................................846 22.4.1 Synthese der Methylamine ....................................................................846 22.4.2 Synthese der Diamine ...........................................................................846 22.4.3 Synthese des Anilins .............................................................................846
XX
Inhaltsverzeichnis 22.5 Darstellung der Amine im Labor ....................................................................... 847 22.5.1 Amine durch Reduktion von Stickstoffverbindungen .......................... 847 22.5.2 Darstellung der Amine durch Alkylierung ........................................... 851 22.5.3 Amine durch reduktive Aminierung..................................................... 855 22.5.4 Aminsynthesen mit Umlagerungen ...................................................... 857 22.6 Reaktionen der Amine ....................................................................................... 860 22.6.1 Acidobasische Eigenschaften der Amine ............................................. 861 22.6.2 Oxidation der Amine mit Peroxysäuren ............................................... 862 22.6.3 Die Alkylierung und Acylierung der Amine ........................................ 863 22.6.4 Eliminierungsreaktionen ...................................................................... 866 22.6.5 Nachweisreaktionen ............................................................................. 867 22.6.6 N-Nitrosierung aliphatischer Amine .................................................... 869 22.6.7 N-Nitrosierung aromatischer Amine .................................................... 874 22.7 Reaktionen aromatischer Diazoniumsalze ......................................................... 875 22.7.1 Substitutionsreaktionen aromatischer Diazoniumsalze ........................ 875 22.7.2 Kupplungsreaktionen ........................................................................... 878 22.7.3 Geometrische Isomere der Azoverbindungen ...................................... 882 22.7.4 Azofarbstoffe und ihre Bedeutung ....................................................... 882 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 883 Lösungen...................................................................................................................... 885
23 Aminosäuren .............................................................................................................. 888 23.1 Nomenklatur der Aminosäuren.......................................................................... 888 23.2 Aminosäuren in der Natur.................................................................................. 892 23.3 Struktur der Aminosäuren.................................................................................. 892 23.4 Darstellung der Aminosäuren ............................................................................ 893 23.4.1 Umsetzung von α-Halogencarbonsäuren mit Ammoniak .................... 893 23.4.2 Darstellung von Aminosäuren mit Hilfe der Malonestersynthese........ 894 23.4.3 Die Strecker-Synthese .......................................................................... 895 23.4.4 Die Erlenmeyersche Azlactonsynthese ................................................ 896 23.5 Reaktionen der Aminosäuren............................................................................. 897 23.5.1 Säure-Basen-Eigenschaften der Aminosäuren ..................................... 897 23.5.2 Veresterung und Acylierung der Aminosäuren .................................... 900 23.5.3 Methylierung der Aminogruppe in Aminosäuren................................. 901 23.5.4 Die N-Nitrosierung von Aminosäuren und Aminosäureestern............. 901 23.5.5 Cyclisierung von Aminosäuren ............................................................ 903 23.5.6 Kupfer-Komplexe der Aminosäuren .................................................... 904 23.5.7 Die Oxidation von Cystein zu Cystin................................................... 904 23.5.8 Farbreaktion mit Ninhydrin.................................................................. 904 Übungsaufgaben .......................................................................................................... 906 Lösungen...................................................................................................................... 908 24 Peptide und Proteine.................................................................................................. 912 24.1 Nomenklatur ...................................................................................................... 913 24.2 Bedeutung der Peptide und Proteine.................................................................. 914
Inhaltsverzeichnis
XXI
24.3 Peptide ................................................................................................................915 24.3.1 Peptidhormone ......................................................................................915 24.3.2 Neuropeptide.........................................................................................918 24.3.3 Antibiotika auf Peptidbasis ...................................................................919 24.3.4 Zoo- und Phytotoxine auf Peptidbasis...................................................921 24.4 Analyse der Peptide und Proteine.......................................................................921 24.4.1 Ermittlung der Aminosäure-Anteile im Protein ....................................921 24.4.2 Bestimmung der Aminosäuresequenz ...................................................922 24.5 Peptidsynthese ....................................................................................................926 24.5.1 Schutzgruppen in der Peptidsynthese....................................................927 24.5.2 Die Aktivierung der Carboxygruppe.....................................................930 24.5.3 Verlängerung der Peptidkette................................................................932 24.5.4 Festphasen-Peptidsynthese....................................................................933 24.6 Proteinstrukturen ................................................................................................936 24.6.1 Die Primärstruktur.................................................................................936 24.6.2 Die Sekundärstruktur ............................................................................937 24.6.3 Die Tertiärstruktur.................................................................................940 24.6.4 Die Quartärstruktur ...............................................................................942 24.6.5 Die Denaturierung.................................................................................947 24.7 Klassifizierung der Proteine ...............................................................................948 24.7.1 Fibrilläre Proteine..................................................................................948 24.7.2 Globuläre Proteine ................................................................................956 24.7.3 Konjugierte Proteine .............................................................................958 24.8 Proteine in der Ernährung...................................................................................961 24.8.1 Der Stoffwechsel der Proteine...............................................................961 24.8.2 Die Verdauung der Proteine..................................................................961 24.8.3 Proteasen und Peptidasen ......................................................................962 Übungsaufgaben ...........................................................................................................967 Lösungen ......................................................................................................................968 25 Stickstoffhaltige Heterocyclen ...................................................................................971 25.1 Nomenklatur stickstoffhaltiger Heterocyclen .....................................................971 25.2 Fünfringe mit Stickstoff als Heteroatom.............................................................973 25.2.1 Pyrrol und seine Derivate......................................................................973 25.2.2 Indol ......................................................................................................976 25.3 Sechsringe mit Stickstoff als Heteroatom...........................................................978 25.3.1 Pyridin und seine Derivate ....................................................................978 25.3.2 Stickstoffanaloga des Naphthalins ........................................................983 25.3.3 Heterocyclen mit 2 Stickstoffatomen im Sechsring ..............................985 25.4 Siebenringe mit Stickstoff als Heteroatom .........................................................986 25.5 Naturstoffe mit fünfgliedrigen Stickstoff-Heterocyclen .....................................987 25.5.1 Heterocyclen mit 1 Stickstoffatom im Fünfring....................................987 25.5.2 Heterocyclen mit 2 Heteroatomen im Fünfring...................................1001 25.6 Naturstoffe mit sechsgliedrigen Stickstoff-Heterocyclen .................................1005 25.6.1 Heterocyclen mit einem Stickstoffatom im Sechsring ........................1005 25.6.2 Heterocyclen mit 2 Stickstoffatomen im Sechsring ............................1007
XXII
Inhaltsverzeichnis
25.7 Bicyclische Heteroverbindungen ..................................................................... 1009 25.7.1 Purinderivate ...................................................................................... 1009 25.7.2 Pterine ................................................................................................ 1011 25.7.3 Flavine................................................................................................ 1013 Übungsaufgaben ........................................................................................................ 1016 Lösungen.................................................................................................................... 1017 26 Alkaloide ................................................................................................................... 1019 26.1 Alkaloide mit Pyrrolidin- und Indolstruktur .................................................... 1019 26.1.1 Alkaloide mit Pyrrolidinstruktur ........................................................ 1019 26.1.2 Alkaloide mit Indolstruktur ................................................................ 1019 26.2 Tropan-Alkaloide............................................................................................. 1021 26.2.1 Tropin-Alkaloide................................................................................ 1022 26.2.2 Pseudotropin-Alkaloide...................................................................... 1023 26.3 Alkaloide mit Pyridin- und Piperidinstruktur .................................................. 1024 26.3.1 Pyridin-Alkaloide ............................................................................... 1024 26.3.2 Piperidin-Alkaloide ............................................................................ 1025 26.4 Alkaloide mit Chinolin-Struktur ...................................................................... 1026 26.5 Morphin- und Isochinolin-Alkaloide ............................................................... 1027 26.5.1 Opium, die Hauptquelle für Morphin- und Isochinolin-Alkaloide..... 1027 26.5.2 Morphin-Alkaloide............................................................................. 1027 26.5.3 Alkaloide mit Isochinolin-Struktur..................................................... 1029 26.5.4 Berberin-Alkaloide............................................................................. 1030 26.5.5 Curare-Alkaloide................................................................................ 1030 Übungsaufgaben ........................................................................................................ 1031 Lösungen.................................................................................................................... 1032 27 Nucleinsäuren........................................................................................................... 1035 27.1 Die Desoxyribonucleinsäure............................................................................ 1036 27.1.1 Strukturen der Desoxyribonucleinsäure ............................................. 1039 27.2 Ribonucleinsäuren ........................................................................................... 1049 27.2.1 Die ribosomale RNA (r-RNA) ........................................................... 1050 27.2.2 Die Boten- oder Messenger-RNA (m-RNA)...................................... 1051 27.2.3 Die Transfer-RNA (t-RNA) ............................................................... 1051 27.3 Die Biosynthese der Ribonucleinsäuren und der Proteine ............................... 1053 27.3.1 Die Biosynthese der Ribonucleinsäuren............................................. 1054 27.3.2 Die Biosynthese der Proteine ............................................................. 1055 Übungsaufgaben ........................................................................................................ 1063 Lösungen.................................................................................................................... 1064 Sachwortverzeichnis ........................................................................................................ 1067
1 Einführung Wozu denn Organische Chemie lernen? Die Organische Chemie ist die Chemie der Kohlenstoffverbindungen. Die Bezeichnung „organisch“ ist auf Berzelius (1806) zurückzuführen, der diese Verbindungen so benannte, weil sie aus pflanzlichen und tierischen Organismen isoliert wurden. Es ist tatsächlich so, daß alles Leben mit Kohlenstoffverbindungen und deren Umwandlungen verbunden ist. Die Organische Chemie bildet deshalb die Grundlage zum Verstehen von Prozessen in der lebenden Natur. Desweiteren sind es organische Stoffe, die die Grundlage unserer Ernährung bilden (Eiweiße, Zucker, Fette und Vitamine). Ohne Kohlenstoffverbindungen wäre auch unser modernes Leben nicht denkbar: Wir sind umgeben von organischen Stoffen (Kunststoffe, Farbstoffe, Waschmittel, Putzmittel, Kosmetika, Verpackungsmaterial, Kraftstoffe, Klebstoffe, Arzneimittel usw.) und verwenden sie im Haushalt und im Betrieb. Unsere Umwelt, und die in der modernen Industriegesellschaft auftretenden Umweltprobleme, verstehen wir nicht ohne Grundlagenkenntnisse der Organischen Chemie. Diese Kenntnisse braucht man auch für das Verstehen anderer Wissenschaften, z.B. der Biologie, Medizin, Pharmazie, Toxikologie und Ernährungswissenschaften. Die keineswegs erschöpfende Aufzählung macht die Bedeutung der Organischen Chemie ein wenig deutlich. Möglicherweise geben Ihnen diese Erwägungen auch einen Anreiz, sich mit ihr eingehender zu befassen.
1.1 Das Kohlenstoffatom unter die Lupe genommen Die Überschrift ist natürlich nicht so wörtlich zu nehmen, wie dies in Bild 1.1 dargestellt wird, vielmehr ist sie so aufzufassen, daß wir uns mit dem Kohlenstoffatom etwas näher auseinandersetzen wollen.
C Bild 1.1 Das Kohlenstoffatom „unter die Lupe genommen“.
2
1 Einführung
e
-
e
-
K-Schale
e e
-
6p
+
-
e
-
e
L-Schale Atomkern
-
Bild 1.2 Schalenmodell des Kohlenstoffatoms
1
2
Schalen
Perioden
Das Kohlenstoffatom hat im Kern außer den Neutronen, für die wir uns in diesem Zusammenhang weiter nicht interessieren, noch 6 Protonen mit insgesamt 6 positiven Ladungen. In der Atomhülle befinden sich 6 Elektronen mit insgesamt 6 negativen Ladungen, so daß das Kohlenstoffatom nach außen hin elektroneutral ist. Legen wir unseren Überlegungen zunächst das Schalenmodell1 zugrunde, so befinden sich auf der dem Kern nächstliegenden Schale, der K-Schale, 2 Elektronen und auf der L-Schale, die gleichzeitig die Außenschale des Kohlenstoffatoms ist, 4 Elektronen. Die Elektronen in der Außenschale sind an Bindungen beteiligt und deshalb bezeichnet man sie als Valenzelektronen. Die Frage ist nun, welcher Art diese Kohlenstoffbindungen sind, ob Ionenbindungen oder kovalente Bindungen. Die Bildung einer Ionenbindung erfolgt durch eine Elektronenabgabe bei einem Atom und einer Elektronenaufnahme bei einem anderen Atom. Das Atom, das ein Elektron spendet, wird zum positiven Ion (Kation), während das andere Atom durch den Elektronenempfang in ein negatives Ion (Anion) umgewandelt wird. Beide Ionen sind durch die Anzie-
K
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
1
2
Ordnungszahl
H
He
Elementsymbol
2
1
Elektronenkonfiguration
3
4
5
6
7
8
9
10
Ordnungszahl
Li
Be
B
C
N
O
F
Ne
Elementsymbol
K
2
2
2
2
2
2
2
2
L
1
2
3
4
5
6
7
8
Bild 1.3
1
Hauptgruppen
Elektronenkonfiguration
Die Elektronenverteilung auf der K- und L-Schale für Elemente der ersten zwei Perioden des Periodensystems der Elemente.
Bei Atomen, deren Elektronenhülle aus mehreren Elektronen besteht, benutzt man zur Charakterisierung der Elektronenstruktur das Schalenmodell. Man geht davon aus, daß sich die Elektronen in einem wahrscheinlichen Aufenthaltsraum in größerem oder kleinerem Abstand vom Kern bewegen und spricht dann von Elektronenschalen, die bestimmten Energieniveaus von Energiezuständen entsprechen (Modelle siehe auch Abschnitt 1.5)
1.1 Das Kohlenstoffatom unter die Lupe genommen e-
-
e
3p+
-
e
+
-
e
Li
Bild 1.4
e-
e
9p+
ee-
+
e-
-
e
F
3
ee-
e-
-
e
3p+
e+
-
e Li
+
ee-
9p+
ee-
+
e-
-
e
ee-
F
Reaktion von Lithium und Fluor zum Lithiumfluorid (e– = Elektron, p+ = Proton)
hungskraft ungleichnamiger Ladungen gebunden. Durch die Elektronenabgabe auf der einen und die Elektronenaufnahme auf der anderen Seite erreichen beide Bindungspartner die stabile Elektronenkonfiguration des im Periodensystem nächstgelegenen Edelgases. So wird z.B. Li durch die Abgabe eines Elektrons zum Li+-Kation, das die Elektronenkonfiguration des Heliums besitzt (2 Elektronen auf der K-Schale), und Fluor, das ein Elektron aufnimmt, wird zum Fluoridion F– mit der Elektronenkonfiguration des Neons (2 Elektronen auf der K-Schale und 8 auf der L-Schale). Das Kohlenstoffatom müßte, um die Elektronenkonfiguration des He oder Ne zu erreichen, entweder 4 Elektronen abgeben oder 4 Elektronen aufnehmen. Spielen wir dies gedanklich einmal durch. Bei der Abgabe eines Elektrons wird der Kohlenstoff zunächst zum Kation C+. Da die Elektronen ja negative Ladungsträger sind, wurde damit auch die negative Ladung auf der L-Schale um eine Elementarladung verringert. Die Abstoßungskräfte der gleichnamigen Ladungen auf dieser Schale sind damit insgesamt kleiner geworden, die Elektronen werden näher zum Kern verschoben und dadurch stärker an diesen gebunden. Die Abgabe eines weiteren Elektrons ist infolge seiner stärkeren Bindung an den Kern mit viel größerem Energieaufwand verbunden, und dieser vergrößert sich bei jeder weiteren Elektronenabgabe. Die Abgabe aller 4 Valenzelektronen des Kohlenstoffatoms ist also mit einem großen Energieaufwand verbunden, und deshalb kann man die Bildung eines C4+-Kations nicht erwarten. Durch Aufnahme eines Elektrons wird aus dem Kohlenstoffatom zunächst das Anion C–. Der negative Ladungsüberschuß am C– macht sich bei Annäherung eines weiteren Elektrons, das ja ebenfalls negative Ladung trägt, durch abstoßende Kräfte bemerkbar, so daß die Elektronenaufnahme des zweiten Elektrons schon mit einem größeren Energieaufwand verbunden ist. Mit Vergrößerung der negativen Ladung im C2–- und C3–-Anion ist jede weitere Elektronenaufnahme mit einem größeren Energieaufwand verbunden. Deshalb darf man auch die Bildung eines C4–-Anions nicht annehmen. Die kovalente Bindung (auch Atombindung genannt) wird auf die Weise gebildet, daß jedes der beiden an der Bindung beteiligten Atome ein Elektron für die Bindung zur Verfügung stellen. Sie teilen sich gemeinsam das Elektronenpaar, und damit erreicht jeder Bindungspartner die stabile Elektronenkonfiguration des Edelgases. Da das Kohlenstoffatom die stabile Elektronenkonfiguration eines Edelgases nicht durch Ausbildung einer Ionenbindung erreichen kann, zeigt es eine extreme Neigung zur kovalenten Bindung. Im Molekül des Methans z. B. bindet das Kohlenstoffatom kovalent vier Wasserstoffatome, womit es die Elektronenkonfiguration des Neons mit einem Elektronenoktett auf der
4
1 Einführung
H
H
Lewis-Formel des Methans
: :
H:C:H
H
H
H:C
H
Bild 1.5
: :
: :
H:C:H
H
:H
Elektronenoktett auf der Außenschale des Kohlenstoffatoms
Elektronendublett auf der K-Schale des Wasserstoffatoms
Lewis-Formel des Methans
Außenschale erreicht, während die 4 Wasserstoffatome mit je 2 Elektronen die stabile Elektronenkonfiguration des Heliums besitzen. Zur Veranschaulichung des Methanmoleküls wird zunächst die Schreibweise von Lewis benutzt, wobei die Elektronen der Außenschale durch einen Punkt symbolisiert werden. In der Regel schreibt man diese Konstitutionsformeln noch einfacher, indem man ein Elektronenpaar nicht durch zwei Punkte, sondern durch einen Strich symbolisiert und dies sowohl bei der kovalenten Bindung als auch bei den nicht an einer Bindung beteiligten freien Elektronenpaaren auf der Außenschale der Atome. Die kovalente Bindung bindet nicht nur Atome verschiedener Elemente miteinander. Es können auch gleiche Atome kovalent gebunden sein, wie dies z.B. beim Wasserstoffmolekül H–H oder beim Chlormolekül Cl–Cl der Fall ist. Die Kohlenstoffatome können sich sogar zu langen Ketten untereinander binden, die unverzweigt z.B.
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H H
C
H H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
oder verzweigt
z.B.
H
H
H
sind. Kohlenwasserstoffe mit einer offenen Kohlenstoffkette, deren Kohlenstoffatome ausschließlich mit Einfachbindungen verknüpft sind, nennt man Alkane. Bei beiden vorangehenden Formeln handelt es sich also um Alkane. Kohlenstoffatome können auch ringförmig verknüpft sein (bei Cycloalkanen),
1.2 Die funktionellen Gruppen organischer Verbindungen H H H H H
C C
5
H C
C
H
C C
H H H H
Cyclohexan
H
und sie können ebenfalls mit einer Doppel- (bei Alkenen) oder Dreifachbindung (bei Alkinen) untereinander gebunden sein: H
z.B.
H C
C
H
H
C
C
H
H
Ethen
Ethin
Die in den Beispielen gebrachten Formeln zeigen die Verknüpfung der Atome untereinander. Man bezeichnet solche Formeln als Konstitutionsformeln.
1.2 Die funktionellen Gruppen organischer Verbindungen Die vielfachen Bindungsmöglichkeiten der Kohlenstoffatome untereinander (unverzweigte, verzweigte Ketten, Ringe, Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen) lassen ahnen, daß alleine schon bei den Kohlenwasserstoffen, welche sich nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff zusammensetzen, eine sehr große Anzahl von Verbindungen denkbar ist. Wenn man sich nun vorstellt, daß die Kohlenstoffatome nicht nur Wasserstoffatome, sondern auch andere Atome zu binden vermögen, so kann man ermessen, welch eine ungeheure Anzahl von organischen Verbindungen es gibt. Kohlenstoff und Wasserstoff unterscheiden sich in ihrer Elektronegativität wenig, und die kovalente C-H-Bindung ist deshalb nicht polarisiert. Sauerstoff, Stickstoff und Halogene hingegen sind elektronegativer als Kohlenstoff. Der elektronegativere Partner zieht die Bindungselektronen näher an sich, so daß die C–O-, C–N- und C–ClBindungen polarisiert sind. Man kann sich vorstellen, daß infolge der unsymmetrischen Verteilung der Elektronendichte der Kohlenstoff in diesem Falle eine winzige positive Teilladung δ+ besitzt, während das Sauerstoff-, das Stickstoff- oder das Chloratom eine winzige negative Teilladung δ– aufweisen. Die Stellen im Molekül mit polarisierter Bindung bilden einen Angriffspunkt für verschiedene Reagenzien, und so bedingt ein im Molekül der organischen Verbindung befindliches elektronegatives Atom oder eine elektronegative Gruppe die Reaktivität dieser Verbindung. Diese Atome bzw. Gruppen von Atomen prägen das chemische Verhalten organischer Verbindungen, sie haben bei deren chemischen Umsetzungen eine Schlüsselfunktion. Man bezeichnet sie als funktionelle Gruppen. Die funktionellen Gruppen ermöglichen eine Zuordnung organischer Verbindungen zu bestimmten Stoffklassen. Die Einordnung organischer Verbindungen in Stoffklassen gewährt ein überschaubares Ordnungssystem, was bei der ungeheuren Anzahl dieser Verbindungen sicher wichtig ist. In Tabelle 1.1 erfolgt eine Auflistung der wichtigsten funktionellen Gruppen mit den ihnen entsprechenden Stoffklassen und deren Formeln. Das Symbol R in der allgemeinen Formel
6
1 Einführung
steht für einen beliebigen Alkylrest. Diesen in der Formelschreibung vielfach benutzten Rest erhält man aus der Formel des Alkans (siehe Kapitel 2) durch Wegnahme eines Wasserstoffes. Tabelle 1.1
Übersicht über die Stoffklassen organischer Verbindungen
Stoffklasse
Konstitutionsformel
charakteristisches Strukturelement oder funktionelle Gruppe
A) Kohlenwasserstoffe Alkane (Paraffine, Grenzkohlenwasserstoffe)
R
H
H
C
C
H
H
H
Alkene (Olefine)
C
C
C
C
Einfachbindung
R C
C
R
Alkine (Acetylene)
R
R
Doppelbindung
H C
C
C
R
Dreifachbindung
C
CH2
Cycloalkane
Ringstruktur
H2C (CH2)n
Aromaten
aromatischer Ring
B) Sauerstoffhaltige Verbindungen Alkohole Alkanole
R
CH2
O
O
Phenole
Ether
R
O
Aldehyde Alkanale
R
C
R
H
O
H
Hydroxygruppe
O
H
Hydroxygruppe am aromatischen Ring
H
C
H
O R
C
Die Gruppe –O–R wird als Alkoxygruppe bezeichnet
Formylgruppe O
C R
C
H C
O
Ketone Alkanone
O
O
Ketogruppe oder Carbonylgruppe
1.2 Die funktionellen Gruppen organischer Verbindungen
7
Tabelle 1.1 Fortsetzung
Übersicht über die Stoffklassen organischer Verbindungen
Stoffklasse
Konstitutionsformel R
O
R
O
R
charakteristisches Strukturelement oder funktionelle Gruppe
C H
Acetale, Ketale
Acetal R
O
R
O
R
Acetalgruppierung
C R
Ketal Carbonsäuren Alkansäuren
O
O R
O
O
H
O
Säureanhydride
R
C
C
C
C
O O
O R
Carbonyloxycarbonylgruppe
O
O
Ester
H
O
O R
Carboxygruppe
C
C
C
O
R'
C
O
R'
Alkoxycarbonylgruppe
Estergruppierung H
Lactone
R
C
Estergruppierung im Ring
(CH2)n C
O
O
C) Halogenverbindungen Halogenalkane (Alkylhalogenide)
R
Halogencarbonsäuren
X = Halogen = –F, –Cl, –Br, –I
X H
R
C
(CH2)n
Halogen –X und auch Carboxygruppe –COOH im Molekül
COOH
X
Säurehalogenide Alkanoylhalogenide Acylhalogenide
O
O R
C
C X
X
Halogenocarbonylgruppe
8
1 Einführung
Tabelle 1.1 Fortsetzung
Übersicht über die Stoffklassen organischer Verbindungen
Stoffklasse
Konstitutionsformel
charakteristisches Strukturelement oder funktionelle Gruppe
D) Stickstoffverbindungen Amine
R
NH2
sekundäre Amine
R
NH
R
N
tertiäre Amine
Aminogruppe
NH2
R R
R
quartäre Ammoniumsalze
R
N(CH3)3
Säureamide
R
C
Cl
O
O C NH2
NH2
Aminocarbonylgruppe (Carbamoylgruppe)
H
Aminosäuren
R
C
Aminogruppe –NH2 und Carboxygruppe –COOH im Molekül
COOH
NH2
Nitroalkane
R
CH2
NO2
Nitrosoalkane
R
CH2
N
NO2 O
N
Nitrogruppe O
Nitrosogruppe
H C
NH
Aldimin Aldimine, Ketimine
C
R R
NH
Iminogruppe
C NH
Ketimin Diazoniumverbindungen
Ar
N
N
Azoverbindungen
Ar
N
N
Nitrile, Cyanide
R
C
Isonitrile
R
N
N
N
Diazoniumgruppe
N
N
Azogruppe Ar = Arylgruppe
N
C
N
Nitril-, Cyanogruppe
C
N
C
Isonitrilgruppe
Ar
1.2 Die funktionellen Gruppen organischer Verbindungen
9
Tabelle 1.1 Fortsetzung
Übersicht über die Stoffklassen organischer Verbindungen
Stoffklasse
Konstitutionsformel
charakteristisches Strukturelement oder funktionelle Gruppe
E) Schwefelverbindungen Mercaptane (Thiole)
R
S
H
Disulfide
R
S
S
Thioether
R
S
R
Thioaldehyde
R
C
R
S
H
Mercaptogruppe (Thiolgruppe)
S
S
Disulfidbrücke
C
S
H
Sulfone
R
Thioformylgruppe S
R R
(Die Gruppe R–S– ist die Alkylthiogruppe)
H C
S
Thioketone (Thione)
C
R
C
Alkylthionogruppe
C S
SO2
S R
O
Sulfonylgruppe
S O
Sulfonsäuren
R
SO3H
O S
Sulfogruppe
OH
O O
O
Sulfonsäureester
Alkylsulfonylchlorid
R
R
S
O
S
O
R
O
SO2Cl
O
O S O
Cl
R
Alkylsulfogruppe
Sulfonylchloridgruppe
10
1 Einführung
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom 1.3.1 Die Wellennatur des Elektrons Ähnlich dem Welle-Teilchen-Dualismus beim Licht kann man auch den Elektronen sowohl Teilchen- als auch Wellencharakter zusprechen. Elektronen mit hoher kinetischer Energie können nach der Beziehung von de Broglie λ=
h m⋅ v
λ = Wellenlänge, h = Plancksche Konstante, m = Masse und v = Geschwindigkeit als Wellen sehr kurzer Wellenlänge betrachtet werden. Schon 1927 gelang es, die Wellennatur des Elektrons durch Beugung von Elektronenstrahlen am Kristallgitter zu beweisen. Die Wellen- oder Quantentheorie greift diesen Wellencharakter auf und betrachtet das Elektron im Atom als stehende räumliche Welle. Diese räumliche Welle kann vereinfacht mit der stehenden Welle einer schwingenden Saite verglichen werden, die bei gegebener Saitenlänge Grund- und Oberschwingungen mit bestimmter Wellenlänge und einem bestimmten Energiegehalt aufweist. Die Welle können wir als räumlich sich fortpflanzende Schwingungen betrachten. Gehen wir von einer Gleichgewichtslage der Schwingung aus, bei der die Auslenkung = 0 ist, so wird die Auslenkung bei Fortpflanzung der Welle größer, bis sie einen Maximalwert, die Amplitude, erreicht, worauf sie wieder kleiner wird und nach Überschreiten der Gleich-
+ -
Knoten
λ3 2
+
+
-
Energie
+
λ2 2
+ -
+ λ1 2 Saitenlänge1
Bild 1.6
Stehende Welle einer schwingenden Saite.
λ3 1=3. 2
λ2 1=2. 2 Gleichgewichtslage λ1 1=1. 2
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
11
gewichtslage (Auslenkung = 0 ) in die entgegengesetzte Phase übergeht. Die Stelle der Welle, an der keine Auslenkung zu verzeichnen ist, bezeichnet man als Knoten. Mit zunehmender Anzahl der Knoten ist die Welle energiereicher. Den Teil der Wellenbewegung, der über dem Knoten (Auslenkung = 0) liegt, bezeichnet man willkürlich als positiv, und man spricht von der positiven Phase der Wellenbewegung (siehe „+“ in Bild 1.6), während man den darunterliegenden Teil der Wellenbewegung als negative Wellenphase mit negativem Zeichen auffaßt.2 Zwei Wellen können sich überlagern, woraus eine neue Welle resultiert. Schwingen beide Wellen in der gleichen Phase (das gleiche Vorzeichen der Phase), vergrößert sich die Auslenkung der Schwingungen, im anderen Falle werden die Schwingungen kleiner oder sind im Extremfall gleich Null, d.h. beide Wellen löschen sich im Extremfall aus.
1.3.2 Quantenzahl und Energieniveau Aufschluß über mögliche Energiezustände der Elektronen im Atom gibt die Auswertung von Spektren. Die Hauptenergieniveaus (Schalen im Schalenmodell) bezeichnet man mit den Buchstaben K, L, M, N usw., wobei die K-Schale mit dem niedrigsten Energieniveau dem Atomkern am nächsten ist, und die Schalen in der Reihenfolge L, M, N usw. vom Atomkern weiter entfernt sind. Das Hauptenergieniveau ist definiert durch die Hauptquantenzahl n, eine natürliche Zahl z.B. 1 = K-Schale, 2 = L-Schale, 3 = M-Schale usw. Elektronen auf der gleichen Schale können im Energiegehalt etwas differieren, so daß man noch Unterniveaus (Unterschalen) unterscheidet und den Elektronen einen s-, p-, d- und f-Zustand zuordnet. Diese Bezeichnungen stammen von Namen bestimmter Spektrallinienserien (s = sharp, p = principal, d = diffuse und f = fundamental). Die Unterniveaus werden durch die Nebenquantenzahlen l charakterisiert, die in Abhängigkeit von der Hauptquantenzahl die Werte 0, 1, 2 ... bis (n–1) annehmen können. Der Wert l = 0 entspricht dem sZustand, l = 1 dem p-Zustand, l = 2 dem d-Zustand und l = 3 dem f-Zustand. Die magnetische Quantenzahl m bestimmt das Verhalten des Elektrons im Magnetfeld und kann die Werte von –l, –(l–1), ... 0 ... l–1, l annehmen. Jeder magnetischen Quantenzahl m kann man zwei Spinquantenzahlen s zuordnen, die den Drehsinn des Elektrons um seine Achse beschreiben und die Werte –1/2 bzw. +1/2 haben. Beachtet man das Paulische Ausschlußprinzip, das besagt, daß die Elektronen in jedem Atom sich mindestens in einer Quantenzahl unterscheiden müssen, so kann man in den Energieniveaus die aus Tabelle 1.2 ersichtliche Verteilung der Elektronen annehmen. Die K-Schale kann mit maximal 2 s-Elektronen, die L-Schale mit 2 s-und 6 p-Elektronen, die M-Schale mit 2 s-, 6 p- und 10 d-Elektronen besetzt werden. Wie das Energieniveauschema zeigt, steigt das Energieniveau von der K- zur L- und zur M-Schale. Das Füllen der Schalen mit Elektronen erfolgt auf die Weise, daß zunächst die energieärmste K-Schale, dann die L-Schale und darauffolgend die M-Schale besetzt werden. In der L-Schale wird zunächst das s-Niveau, dann erst das p-Niveau mit Elektronen besetzt. Der Kohlenstoff mit insgesamt 6 Elektronen hat im Grundzustand seine K-Schale mit zwei s-Elektronen und die L-
2
Das + und – der Wellenphasen haben nichts mit einer positiven oder negativen Ladung zu tun!
12
1 Einführung
Tabelle 1.2
Verteilung der Elektronen in den Energieniveaus (für n = 1, 2 und 3). Nebenquantenzahl l
Hauptquantenzahl n
Hauptenergieniveau (Schale)
1
K
0
s
2
L
0
s
1
p
–1 0 +1
3
M
(0, 1, 2 ... n–1)
Unterenergieniveau
Spinquantenzahl
Maximale Anzahl der Elektronen
0
–1/2, +1/2
2
0
–1/2, +1/2
2
–1/2, +1/2 –1/2, +1/2 –1/2, +1/2
6
Magnetquantenzahl m (–l
...0... + l)
insges. 8
0
s
0
–1/2, +1/2
2
1
p
–1 0 +1
–1/2, +1/2 –1/2, +1/2 –1/2, +1/2
6
2
d
–2 –1 0 +1 +2
–1/2, +1/2 –1/2, +1/2 –1/2, +1/2 –1/2, +1/2 –1/2, +1/2
10 insges. 18
-
-
M-Schale n = 3 (18 e )
3d (10 e ) 3p (6 e- ) -
Energie
3s (2 e ) -
-
L-Schale n = 2 (8 e )
2p (6 e ) -
2s (2 e )
-
K-Schale n = 1 (2 e )
Bild 1.7
-
1s (2 e )
Energieniveauschema der K-, L- und M-Schale (e– = Symbol für Elektron).
Schale mit zwei s- und zwei p-Elektronen besetzt. Die Besetzung der Schalen mit Elektronen kann man auf vereinfachte Weise so angeben, daß man zuerst die Hauptquantenzahl nennt, dann das Unterenergieniveau, worauf man die Anzahl der Elektronen, die sich in dem Unterenergieniveau befinden, als Hochzahl anfügt. Die Elektronenkonfiguration des Kohlenstoffatoms würde man also angeben mit:
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
13
1s2 2s2 2p2 Anzahl Elektronen Unterenergienivau (Unterschale) Hauptquantenzahl
1.3.3 Orbitale und kovalente Bindungen 1.3.3.1 s- und p-Orbitale Prof. Debye in Zürich beauftragte eines Tages seinen Assistenten mit der Aufgabe, die Arbeiten von de Broglie im Seminar mit Studenten zu besprechen. Der Assistent verwies auf seine unzureichenden didaktischen Fähigkeiten, und es bedurfte der ganzen Autorität Debyes, den Assistenten doch noch dazu zu bewegen, das Seminar zu leiten. Der Assistent, nach dem Verlauf des Seminars befragt, zeigte dem Professor seine Gleichungen, mit denen er das Thema den Studenten verständlich machen wollte. Nach Erblicken der Gleichungen rief Debye angeblich aus: „Mensch, Sie haben doch die fundamentalen quantenmechanischen Gleichungen formuliert!“. Der Assistent hieß E. Schrödinger. Die Schrödinger-Gleichung beschreibt, analog den Wellen einer schwingenden Saite, das Elektron im Atom als stehende räumliche Welle, sie lautet: ΔΨ +
8π 2 m h2
(E − V )Ψ = 0
Der Laplacesche Differenzialoperator Δ ist eine Rechenvorschrift für die zweite Ableitung einer Funktion nach Ortskoordinaten, π ist die Ludolphsche Zahl ( 3,14....), m die Masse des Elektrons, h die Plancksche Konstante, E die Gesamtenergie und V die potentielle Energie des Elektrons. Ψ wird als Wellenfunktion bezeichnet. Ψ2dv ist das Maß für die Wahrscheinlichkeit, das Elektron in einem Volumenelement dv anzutreffen, so daß Ψ2 den zeitlichen Durchschnitt der Ladungsverteilung angibt, wobei man die stehende Welle als negativ geladene Ladungswolke betrachtet. Aufgrund der Randbedingungen, die sich aus der physikalischen Realität des Atoms ergeben, hat die Wellengleichung nur für bestimmte Energien des Systems eine Lösung, woraus sich zwingend die Quantelung3 der Energieniveaus ergibt. Die Wellenfunktionen Ψ, welche zu solchen reellen Lösungsmöglichkeiten führen, bezeichnet man als Eigenfunktionen oder auch als Atomorbitale. In übertragenem Sinne gebraucht man den Ausdruck Atomorbital auch für den Raum, in dem sich ein Elektron oder ein Elektronenpaar mit größter Wahrscheinlichkeit befindet. In der graphischen Darstellung erscheinen Atomorbitale als kugel- oder lappenförmige Gebilde. Die Atomorbitale unterscheiden sich durch ihr Energieniveau. Es werden zunächst die Orbitale mit niedrigstem Energieniveau besetzt, wobei ein Orbital höchstens von zwei Elektronen besetzt werden kann und beide Elektronen sich in ihrem Spin unterscheiden müssen. 3 Unter „Quantelung“ versteht man das Vorliegen diskreter, durch Quantenzahlen beschreibbarer Energieniveaus. Änderungen in Energiezuständen können nicht kontinuierlich, sondern nur in quantenmäßigen Sprüngen erfolgen.
14
1 Einführung
1s-Orbital 2s-Orbital
Kern kugelsymmetrische Knotenfläche Schnitt durch 1sEinschnitt und 2s-Orbital 1s- und 2s-Orbital
Bild 1.8
Das 1s-Orbital entspricht der Wellenfunktion mit der niedrigsten Energie. Es läßt sich graphisch als diffuse kugelsymmetrische Elektronenwolke abbilden, in deren Mitte der Atomkern liegt. Das 1s-Orbital hat keine Knotenebene. Das nächsthöhere Energieniveau hat eine reelle Lösung der Wellengleichung, die dem 2s-Orbital entspricht. Dieses kann man ebenfalls kugelsymmetrisch abbilden, es hat jedoch eine weitere Ausdehnung als das 1s-Orbital. Zwischen dem 1s- und dem 2s-Orbital befindet sich eine kugelsymmetrische Knotenfläche, auf der die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons gleich Null ist. Wie bei der klassischen Welle ist das Vorzeichen auf beiden Seiten der Knotenebene entgegengesetzt.
Knotenebene
z
+ x
Pz-Orbital
y
Bild 1.9
Atomkern
Das pz-Orbital
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
z
z
z
x
x
(a)
x y
y
y
15
(b)
(c)
Bild 1. 10 Orientierung der px- (a), py- (b) und pz-Orbitale (c) im kartesischen Koordinatensystem
Für das nächsthöhere Niveau ergeben sich drei energetisch äquivalente Lösungen, das 2px-, 2py- und 2pz-Orbital, die im Gegensatz zu den s-Orbitalen räumlich gerichtet sind und eine Hantelform besitzen, oder noch eher die Form zweier aufeinanderliegenden Brotlaibe, mit einer durch den Atomkern verlaufenden Knotenebene. Bild 1.9 zeigt das 2pz-Orbital. Man stelle sich vor, die Symmetrieachse des Orbitals wäre identisch mit der z-Achse eines kartesischen Koordinatensystems und der Atomkern läge im Ursprung der Koordinaten. Die Knotenebene des 2pz-Orbitals liegt dann in der Ebene der x- und y-Achse. Die beiden über und unter der Knotenebene liegenden Orbitallappen befinden sich in entgegengesetzter Phase. Dies wird durch die Zeichen + und – verdeutlicht. Die räumliche Anordnung der px-, py- und pz-Orbitale im kartesischen Koordinatensystem stelle man sich so vor, daß die p-Orbitale räumlich so orientiert werden können, daß ihre Symmetrieachsen jeweils mit den Achsen des kartesischen Koordinatensystems identisch sind (siehe Bild 1.10). Die px-, py- und pz-Orbitale stehen im Atom senkrecht zueinander, so daß der Atomkern im Symmetriezentrum der Orbitale liegt.
z
pz-Orbital
py-Orbital
x y
px-Orbital
Bild 1. 11 Räumliche Anordnung der px-, py- und pz-Orbitale im Atom
16
1 Einführung
1.3.3.2 Die σ- und π-Bindung Die Kovalenzbindung ist am einfachsten am Beispiel der Entstehung eines Wasserstoffmoleküls zu erklären: 2 Wasserstoffatome, deren s-Orbitale mit je einem Elektron besetzt sind, nähern sich einander. Während im isolierten Wasserstoffatom nur die elektrostatische Anziehungskraft zwischen Elektron und Proton besteht, wird bei starker Näherung zweier Wasserstoffatome auch die Anziehungskraft des Kerns des anderen Atoms auf das Elektron wirksam. Schließlich dringen die negativen Ladungswolken der beiden einfach besetzten s-Orbitale ineinander ein, sie „überlappen“. Die beiden mit je einem Elektron besetzten Atomorbitale verschmelzen zum doppelt besetzten σ-Molekülorbital. Die negative Ladungsdichte zwischen den Kernen ist besonders groß und bewirkt den Zusammenhalt der beiden positiv geladenen Kerne im Wasserstoffmolekül. In diesem haben beide Kerne einen Gleichgewichtsabstand, bei dem sich alle anziehenden (zwischen Atomkernen und Elektronen) und abstoßenden Kräfte (zwischen beiden Protonen und zwischen Elektronen) im Gleichgewicht befinden. Mit diesem Abstand erreicht das aus zwei Wasserstoffatomen bestehende System ein Energieminimum. Die Bindung zwischen beiden Kernen wird als σ-Bindung bezeichnet, der Abstand beider Kerne voneinander als Bindungslänge. Zu einer σ-Bindung führt nicht nur die Überlappung zweier s-Orbitale(z.B. im H2-Molekül), sondern auch die Überlappung eines 1s- mit einem 2p-Orbital (z.B. im HF-Molekül) oder zweier 2p-Orbitale entlang der Kernverbindungsachse (z.B. beim F2-Molekül). Überlappen zwei 2p-Orbitale senkrecht auf der Kernverbindungsachse, so wird eine π-Bindung gebildet (z.B. im Ethen). Durch In-Phase-Überlappung (beide Phasenzeichen gleich) wird ein bindendes Molekülorbital gebildet, die Außer-Phase-Überlappung (ungleiche Phasenzeichen der Orbitallappen) läßt ein antibindendes Molekülorbital entstehen. Im bindenden Molekülorbital ist die Wellenfunktion im Bereich zwischen den Atomkernen verstärkt, und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Bindungselektronen zwischen den Kernen ist groß. Beim antibindenden Molekülorbital hingegen erfolgt eine Schwächung oder Auslöschung
Potentielle Energie
E0 = Summe der potentiellen Energie zweier isolierter Wasserstoffatome r0 = Bindungslänge D = Bindungsenergie
E0 D r0 Kernabstand
Bild 1.12 Die potentielle Energie als Funktion des Kernabstandes, wenn sich zwei H-Atome einander nähern.
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
+
+ s
s
-
+
+ s
p
+
+
-
+
-
-
p
+
+
-
-
p
p
-
+
p
+
17
-
+ -
σ-Bindungen
π-Bindung
Bild 1.13 Überlappung von s- und p-Orbitalen zu bindenden Molekülorbitalen (• = Kern- oder Atomrumpf)
der Wellenfunktion zwischen den Kernen. Bei der Bildung einer kovalenten Bindung bleibt das antibindende Molekülorbital meistens unbesetzt. Für Molekülorbitale gilt ebenso wie für Atomorbitale, daß sie nur von maximal 2 Elektronen besetzt sein können, wobei diese entgegengesetzten Spin haben müssen.
1.3.4 Hybridorbitale Im Grundzustand des Kohlenstoffatoms ist das 1s-Orbital mit 2 Elektronen und das 2s-Orbital ebenfalls mit 2 Elektronen besetzt. Verbleiben also noch 2 Elektronen für die Besetzung der p-Orbitale. Hierbei gilt die Hundsche Regel, wonach energetisch gleichwertige Orbitale zunächst alle einfach mit Elektronen zu besetzen sind und erst dann eine Doppelbesetzung dieser Orbitale erfolgen kann. Demnach werden beim Kohlenstoff im Grundzustand zwei 2p-Orbitale einfach besetzt, das weitere 2p-Orbital bleibt unbesetzt. Die Besetzung der Orbitale des Kohlenstoffs im Grundzustand zeigt das Schema in Bild 1.14, wobei die einzelnen Kästchen die Orbitale, die Pfeile die Elektronen und die Pfeilrichtungen ihren Spin veranschaulichen sollen. Für Bindungen mit Wasserstoff stehen also beim Kohlenstoffatom im Grundzustand nur die beiden einfach besetzten p-Orbitale zur Verfügung, da sein 2s-Orbital schon doppelt besetzt ist. Die beiden einfach besetzten p-Orbitale des C-Atoms könnten mit s-Orbitalen zweier Wasserstoffatome überlappen, die ebenfalls mit einem Elektron besetzt sind, und zwei jeweils doppelt mit Elektronen besetzte σ-Molekülorbitale bilden. Demnach sollte also bei der Reaktion des Kohlenstoffs mit Wasserstoff die Verbindung CH2 entstehen. Eine solche Verbindung wäre sehr energiereich und damit unstabil; der Kohlenstoff wäre in dieser Verbindung zweibindig und hätte anstelle des Oktetts nur ein Elektronensextett auf seiner Außenschale: C
H H
18
1 Einführung
2p
Ε
2s
1s
Bild 1.14 Besetzung der Atomorbitale des Kohlenstoffs im Grundzustand
Eine solche Verbindung, das Carben, ist zwar als enorm reaktionsfähiges Partikel bekannt, das nur sehr kurze Zeit existieren kann, aber seine Bindungsverhältnisse entsprechen nicht dem Kohlenstoffatom im Grundzustand. Außerdem wissen wir, daß der Kohlenstoff in seinen stabilen Verbindungen in der Regel vierbindig ist. Die entsprechenden Bindungsverhältnisse des vierbindigen Kohlenstoffs in organischen Verbindungen erklärt man im wellenmechanischen Modell mit der Hybridisierung der s- und p-Orbitale. Quantenmechanisch kann man die Hybridorbitale durch Kombination der die ursprünglichen Orbitale beschreibenden Eigenfunktionen ableiten. Es handelt sich hier also um eine mathematische Umformung der 2s- und 2p-Orbitale in energetisch gleichwertige Orbitale, die Hybridorbitale. Sie stellen ein Orbitalsystem vor, das ein besseres Verständnis der Bindungsverhältnisse kovalenter Bindungen in organischen Verbindungen ermöglicht, das den realen Gegebenheiten besser entspricht. An der Hybridisierung der Atomorbitale des Kohlenstoffs ist jeweils das 2s-Orbital beteiligt und ein, zwei oder drei 2p-Orbitale. Die Anzahl der Hybridorbitale entspricht der Anzahl der ursprünglichen Orbitale. Die Hybridisierung des 2s- und eines 2p-Orbitals ergibt zwei sp-Hybridorbitale, des 2s- und zweier 2p-Orbitale ergibt drei sp2-Hybridorbitale und des 2s- und aller drei 2p-Orbitale ergibt vier sp3-Hybridorbitale. Die hochgestellte Zahl gibt an, wieviel p-Orbitale an der Hybridisierung beteiligt sind. 1.3.4.1 sp3-Hybridorbitale Nach der von Pauling eingeführten Vorstellung beeinflussen sich Atomorbitale gegenseitig so, daß es zu einem Energieausgleich (Hybridisierung) kommt, der zu energetisch gleichen Hybridorbitalen führt. Quantenmechanisch kann man sich die neuen hybriden Orbital-Eigenfunktionen durch Kombination der die ursprünglichen Orbitale beschreibenden Eigenfunktionen Ψ entstanden denken. Die Hybridisierung des 2s-Orbitals mit den drei 2p-Orbitalen ergibt vier äquivalente sp3-Hybridorbitale. Durch die Mischung eines 2s-Orbitals mit drei 2p-Orbitalen erfolgt bei der Hybridisierung eine Umformung der Orbitallappen. Das sp3-Hybridorbital hat die Form einer Keule.
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
x
-
z
z
z
+ +
x
+
+
-
x -
+
y
y
y s
19
px
py
+
+
pz
-
+ +
-
+
vier sp3-Orbitale
Hybridisierung Bild 1.15 Die Hybridisierung eines s- und dreier p-Orbitale ergibt vier sp3-Hybridorbitale.
Der größere Orbitallappen wird als Vorderlappen, der kleinere als Hinterlappen bezeichnet. Das Plus- und das Minuszeichen kennzeichnen die Phase des Orbitallappens, sie dürfen nicht mit einer elektrischen Ladung verwechselt werden! Es sei noch darauf hingewiesen, daß auch sp2- und sp-Hybridorbitale eine Keulenform haben. Die sp3-Hybridisierung hat eine veränderte räumliche Ausrichtung der Orbitale zur Folge, wie in Bild 1.17 veranschaulicht wird. Die Symmetrieachsen der sp3-Hybridorbitale weisen in die Ecken eines gedachten Tetraeders und schließen einen Winkel von 109°28' ein. Die Elektronenverteilung im Kohlenstoffatom mit vier sp3-Hybridorbitalen wird in Bild 1.18 aufgezeigt. Das Kohlenstoffatom besitzt insgesamt sechs Elektronen. Zwei Elektronen besetzen das 1s-Orbital, so daß noch vier Elektronen zur Besetzung der vier sp3-Orbitale verbleiben. Nach der Hundschen Regel erfolgt die Besetzung der vier gleichwertigen sp3Orbitale mit je einem Elektron. Die Hundsche Regel besagt, daß bei gleichwertigen Orbitalen diese zunächst einfach besetzt werden. Erst nachdem alle gleichwertigen Orbitale einfach besetzt sind, kann eine Doppelbesetzung erfolgen. Die vier einfach besetzten sp3-Hybridorbitale des C-Atoms können mit den einfach besetzten s-Orbitalen des Wasserstoffes überlappen und vier äquivalente C–H-σ-Bindungen ausbilden. Dies entspricht der Bindungsrealität im Methan.
Hinterlappen (back lobe) +
-
Vorderlappen
Bild 1.16 Das sp3-Hybridorbital
Kern Knotenebene
20
1 Einführung
Kern 109°28‘
109°28‘
109°28‘
= Symmetrieachse der sp3-Orbitale Bild 1.17
Räumliche Anordnung der vier sp3-Hybridorbitale
Das Zustandekommen einer C–C-σ-Bindung kann man sich so vorstellen, daß das sp3Hybridorbital eines C-Atoms mit dem eines anderen C-Atoms überlappt. Geht man von der Vorstellung aus, daß sich auch Sauerstoff- und Stickstoffatome im sp3-Zustand befinden können und daß ihre sp3-Hybridorbitale mit den sp3-Hybridorbitalen des Kohlenstoffs überlappen und σ-Bindungen bilden können, so kann man damit auch das Zustandekommen der C–O- und C–N-σ-Bindungen erklären.
Ε
2 (sp3)4
1s2
Bild 1.18 Elektronenverteilung im sp3-hybridisierten C-Atom
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
21
H
s-Orbital
σ-Orbital
sp3-Orbital C
H
C
H
H H
H
H
H Das Methan-Molekül mit tetraedischer Anordnung der σ-Orbitale
Überlappung der sp3-Orbitale des sp3-hybridisierten C-Atoms mit den s-Orbitalen des Wasserstoffatoms
Bild 1.19 Räumliche Anordnung der σ-Orbitale im Methanmolekül
In Bild 1.20 ist die Besetzung der Orbitale mit Elektronen durch Punkte veranschaulicht. Man geht von der Annahme aus, daß das Sauerstoffatom und das Stickstoffatom bei Vorliegen einer C–O- bzw. C–N-σ-Bindung ebenfalls sp3-hybridisiert sind. In den nichtbindenden Orbitalen des Sauerstoffes und Stickstoffes sind in der Abbildung die freien Elektronenpaare durch zwei Punkte veranschaulicht. Die mit einem Elektron besetzten Orbitale können noch mit einem anderen Orbital, das ebenfalls mit einem Elektron besetzt ist, überlappen.
C
C
H
Überlappung
C
H
= mit einem Elektron, = mit zwei Elektronen besetzt
C-H-σ-Bindung
C
C
C
C-C-σ-Bindung
C
O
C
O
C-O-σ-Bindung
C
N
C
N
C-N-σ-Bindung
Bild 1.20 Bildung von σ-Bindungen durch Überlappung mit sp3-Hybridorbitalen
22
1 Einführung
1.3.4.2 sp2-Hybridorbitale Trigonale Atom-Hybridorbitale haben für den Kohlenstoff ebenfalls Bedeutung. Mit ihrer Hilfe kann man die Bindungsverhältnisse in Alkenen und in Carbeniumionen erklären. Bei der trigonalen- oder sp2-Hybridisierung wird das pz-Orbital unverändert gelassen, und es werden ein 2s-, das 2px- und das 2py-Orbital umgeformt. Man erhält durch diese mathematische Operation drei gleichwertige, keulenförmige sp2-Hybridorbitale. Alle drei sp2-Hybridorbitale (schraffiert gezeichnet) liegen in einer Ebene (in Bild 1.22 ist es die xy-Ebene ), ihre Symmetrieachsen schließen einen Winkel von 120° ein. Die Symmetrieachse des nach der sp2-Hybridisierung verbliebenen 2pz-Orbitals steht senkrecht zu dieser Ebene, wobei sich ein Orbitallappen des p-Orbitals über, der andere unter der Ebene befindet. Bei der Überlegung, wie die Orbitale im sp2-hybridisierten Kohlenstoff mit Elektronen besetzt sind, geht man von der Vierbindigkeit des Kohlenstoffatoms aus. Dies setzt voraus, daß die drei sp2-Orbitale und das p-Orbital jeweils einfach besetzt sind, wie dies Bild 1.23 zeigt. Doppelt gebundene Kohlenstoffatome in Alkenen sind sp2-hybridisiert, wobei die Doppelbindung aus einer σ- und einer π-Bindung besteht. Nach der MO-Theorie (siehe Abschnitt 6.3) geht man von der Vorstellung aus, daß zwei sp2-Hybridorbitale (von jedem sp2hybridisierten C-Atom ein sp2-Hybridorbital, siehe Bild 1.24) zu einem σ-Orbital und zwei zueinander parallel stehende p-Orbitale (von jedem sp2-hybridisierten C-Atom ein p-Orbital) zu einem π-Orbital überlappen. Das σ-Molekülorbital befindet sich auf der C–C-Verbindungsachse, ein Orbitallappen des π-Orbitals liegt über, der andere unter dem σ-Orbital. In Bild 1.24 sind das σ-Orbital und die sp2-Hybridorbitale schraffiert gekennzeichnet.
z
z x
-
+
+
+
-
+ y
y s
+
x
px
z
xy-Ebene
+
py
y
-
+
120°
drei sp2-Hybridorbitale
Hybridisierung = Symmetrieachse der sp2-Hybridorbitale
Bild 1.21 Umformung der Orbitale bei der sp2-Hybridisierung
x
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
z
120°
+ -
+
+
- 120°
23
+
+
+ +
x
-
120°
y sp2-hybridisiertes Kohlenstoffatom
sp2-Hybridorbitale ohne p-Orbital von oben gesehen
Bild 1.22 sp2–hybridisiertes C-Atom
Die vier verbleibenden sp2-Orbitale der beiden sp2-hybridisierten C-Atome liegen alle in einer Ebene, die gleichzeitig auch die Knotenebene des π-Orbitals darstellt (siehe Bild 1.24). Diese Ebene, in der sich auch die beiden sp2-hybridisierten C-Atome und die C–C-σ-Bindung befinden, steht senkrecht auf der π-Orbitalebene (siehe Bild 1.25), die mitten durch die beiden π-Orbitallappen geht. Die vier sp2-Hybridorbitale können mit je einem s-Orbital eines Wasserstoffatoms zu vier C–H-σ-Bindungen überlappen. Die vier Wasserstoffatome und die beiden Kohlenstoffatome liegen somit in einer Ebene (siehe Bild 1.25), was der realen räumlichen Anordnung der Atome im Ethen entspricht. Ethen hat die Summenformel C2H4. Die räumliche Anordnung der Atome kann in der Konstitutionsformel ausgedrückt werden. Da diese in der Papierebene geschrieben wird, muß man die dreidimensionale räumli-
2pz 2 (sp2)3
Ε
1s2 sp2-hybridisiertes Kohlenstoffatom
Bild 1. 23 Elektronenbesetzung der Orbitale des sp2-hybridisierten C-Atoms
24
1 Einführung
+
π-Orbital
σ-Orbital
Anmerkung: Die Hinterlappen der sp2-Orbitale und des σ-Orbitals wurden nicht eingezeichnet
Bild 1.24 σ- und π-Molekülorbitale in der C=C-Doppelbindung
che Anordnung der Bindungen durch eine entsprechende Symbolik veranschaulichen. Bindungen, die sich hinter der Papierebene befinden würden, werden gestrichelt, Bindungen die vor die Papierebene gehen würden, werden mit einem starken Strich oder einem Keilstrich gekennzeichnet. Denkt man sich die Ebene des π-Orbitals in die Papierebene versetzt, so wird die Konstitutionsformel des Ethens so aussehen: unter Papierebene H
H C
C
H
H
über Papierebene
Geht man jedoch von der Vorstellung aus, daß die π-Orbitalebene senkrecht zur Papierebene steht, so liegen alle Atome des Ethens und auch die π-Bindungen in der Papierebene, und in diesem Falle können die Bindungen mit einem einfachen Strich gezeichnet werden: H
H C
C
H
H π-Orbitalebene
H
C
C
Ebene senkrecht zur π-Orbitalebene H
H
Überlappung der sp2-Orbitale mit den s-Orbitalen der Wasserstoffatome
H
H C
H
C
H
H
Das Ethenmolekül, alle H- und C-Atome liegen in einer Ebene
Anmerkung: Die Hinterlappen der sp2-Orbitale und der σ−Orbitale wurden nicht eingezeichnet.
Bild 1.25 Räumliche Anordnung der C- und H-Atome im Ethen
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
25
Während die nur mit einer σ-Bindung untereinander gebundenen Kohlenstoffatome um diese Bindung frei drehbar sind, ist die Drehbarkeit der doppelt gebundenen C-Atome um ihre Achse nicht mehr gegeben, da sie durch die π-Bindung fixiert sind. Eine Drehung der C-Atome um die C=C-Doppelbindung würde die Überlappung im π-Orbital lösen und damit die π-Bindung spalten, wozu erhebliche Energie notwendig ist. 1.3.4.3 sp-Hybridorbitale An der sp-Hybridisierung des Kohlenstoffatoms sind ein 2s- und ein 2p-Orbital beteiligt. Daraus resultieren zwei sp-Hybridorbitale. Im sp-hybridisierten C-Atom befinden sich außerdem noch zwei 2p-Orbitale. Zum Verständnis der Bindungsverhältnisse und der räumlichen Anordnung der Atome in Alkinen kann ein Modell zweier sp-hybridisierter Kohlenstoffatome herangezogen werden, wobei man von der Vorstellung ausgeht, daß jeweils ein sp-Hybridorbital und zwei p-Orbitale des einen Kohlenstoffatoms mit einem sp-Hybridorbital und zwei p-Orbitalen des anderen Kohlenstoffatoms zu einem σ- und zwei π-Orbitalen überlappen. Die zwei an den dreifach gebundenen C-Atomen verbleibenden sp-Atomorbitale überlappen mit Atomorbitalen anderer Atome, z.B. mit dem s-Orbital des Wasserstoffs. Bei der sp-Hybridisierung erfolgt eine Umformung des 2s- und des 2p-Orbitals zu zwei gleichwertigen sp-Orbitalen. Die räumliche Ausrichtung beider Orbitale ist aus Bild 1.26 ersichtlich. Im kartesischen Koordinatensystem orientiert, liegen sie beide auf der x-Achse einander gegenüber. Nach der sp-Hybridisierung verbleiben auf der L-Schale des C-Atoms außer den zwei spOrbitalen noch zwei p-Orbitale, welche aufeinander senkrecht stehen und mit je einem Elektron besetzt sind. Das sp-hybridisierte C-Atom kann man im kartesischen Koordinatensystem so orientieren, daß die Symmetrieachsen der beiden sp-Hybridorbitale auf der x-Achse und die Symmetrieachsen des 2py-Orbitals und des 2pz-Orbitals auf der y-Achse und der z-Achse liegen. In Bild 1.27 ist der hintere Orbitallappen des hantelförmigen py-Orbitals verdeckt. Der Vierbindigkeit des Kohlenstoffs entsprechend, sind sowohl die sp-Orbitale als auch die 2p-Orbitale mit je einem Elektron besetzt. Das sp-hybridisierte C-Atom hat die Elektronenkonfiguration 1s2 2(sp)2 2py 2 pz.
z +
-
+
+ sp
2s
+
2px
-
y
-
+ sp
zwei sp-Hybridorbitale
sp-Hybridisierung
Bild 1.26 Umformung der Orbitale bei der sp-Hybridisierung
x
26
1 Einführung
z py pz
x
y sp-Orbitale in Seitenansicht
Bild 1.27 sp-hybridisiertes C-Atom
Man kann sich vorstellen, daß in zwei sp-hybridisierten C-Atomen eine Überlappung zweier sp-Orbitale zu einem σ-Orbital und die Überlappung zweier px-Orbitale und zweier py-Orbitale zu zwei π-Orbitalen führt, wobei die π-Orbitale zueinander senkrecht stehen. Die verbleibenden zwei sp-Orbitale, die noch mit Atomorbitalen anderer Atome überlappen können, liegen ebenso wie die Kerne der sp-hybridisierten Kohlenstoffatome auf der x-Achse. In Bild 1.29 sind das σ-Orbital und ebenso der hintere Lappen des auf der y-Achse liegenden π-Orbitals verdeckt. Überlappen nun noch die s-Orbitale zweier Wasserstoffatome mit den zwei verbleibenden sp-Orbitalen der untereinander dreifach gebundenen Kohlenstoffatome, so resultiert daraus die Verbindung H
C
C
H
das Ethin. Im Ethin liegen die beiden H- und die beiden C-Atome auf einer Achse.
2py
2pz
2 (sp)2
Ε
1s2 sp-hybridisiertes Kohlenstoffatom
Bild 1.28 Elektronenbesetzung der Orbitale des sp-hybridisierten C-Atoms
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom seitlich gesehen:
z +
π-Orbital in xz-Ebene
x y
sp-Hybrid
27
sp-Hybrid
= sp-Orbitale
Vorderlappen des π-Orbitals in xy-Ebene
Von seitlich vorne gesehen: (sp-Orbitale werden nur mit Symmetrieachse angedeutet)
C-Atom sp-hybridisiert
C-Atom sp-hybridisiert Symmetrieachse des sp-Orbitals Andeutung der Überlappung
Bild 1.29 Orbitale der C-C-Dreifachbindung.
1.3.5 Bindungslängen und Bindungsenergien der KohlenstoffKohlenstoff-Einfach-, Doppel- und Dreifachbindung Bei der Bindungslänge geht es um einen Gleichgewichtsabstand zweier Atomkerne, der einem Minimum der potentiellen Energie beider Atome bei einem Gleichgewicht der Anziehungs- und Abstoßungskräfte entspricht. Die Bindungslänge ist um so kürzer, je größer die Anziehungskräfte sind. Nach der Coulomb-Gleichung F =
Q− ⋅Q+
4 π ε r2
(F= Kraft, Q = Ladung, ε = dielektrische Konstante, r = Entfernung der Ladungen)
nimmt die Anziehungskraft ungleichnamiger Ladungen mit der Ladungsgröße zu. Die größere Elektronendichte zwischen den Atomrümpfen der C-Atome bei einer Doppel- und Dreifachbindung läßt deshalb auf eine kürzere Bindungslänge schließen. Weiter ist noch zu berücksichtigen, daß die σ-Bindungen in Abhängigkeit von der Hybridisierung der an der Bindung beteiligten C-Atome unterschiedlichen Charakter haben. Die sp3-, sp2- und sp-Hybridorbitale haben alle die in Bild 1.16 dargestellte Keulenform, sie unterscheiden sich jedoch in der Relation ihrer s- und p-Anteile. Bei der sp3-Hybridisie-
28
1 Einführung
rung ist der p-Anteil am größten (75 % p : 25 % s), beim sp2-Orbital ist er kleiner (66,66 % p : 33,33 % s), und am kleinsten ist er im sp-Orbital (50 % p : 50 % s). Coulson berechnete, daß das Überlappungsintegral (siehe Bild 1.30) am größten bei zwei sp-Hybridorbitalen ist, dann folgen die sp2- und schließlich die sp3-Orbitale. Das Überlappungsintegral ist das Maß für die Überlappung der bindenden Orbitale. Ist die Überlappung bindender Orbitale größer, so liegt auch eine größere Elektronendichte zwischen den Kernen vor. Es ist zu erwarten, daß mit zunehmender Überlappung der Hybridorbitale die Anziehungskräfte auf die Atomkerne zunehmen und die Bindungen als Folge davon kürzer sein müssen. Die Bindungsdissoziationsenergie charakterisiert die Festigkeit der Bindung. Eine ebenso große Energie muß aufgewendet werden, um die entsprechende Bindung zu spalten. Die Bindungsenergie der C=C-Doppelbindung hat keinesfalls den doppelten Wert der C–C-Einfachbindung. Dies ist damit zu erklären, daß der Überlappungsgrad der p-Orbitale geringer als der der Hybridorbitale ist.
0,8
Überlappungsintegral
0,7 0,6 0,5 sp3 0,4
sp 2
sp
0,3
20
60 80 40 100 % prozentualer s-Charakter
Bild 1.30 Überlappungsintegral von Hybrid-Atomorbitalen in Abhängigkeit vom ihrem s-Anteil (nach: C.A. Coulson, Die chemische Bindung, Hirzel Verlag, Stuttgart, 1969). Tabelle 1.3
Bindungslängen und Bindungsdissoziationsenergien
Bindungsart
Bindungslänge in pm
Bindungsdissoziationsenergie in kJ mol–1
C
H
(Ethan)
109
410
C
C
(Ethan)
154
347
C
C
(Ethen)
135
620
C
C
(Ethin)
120
810
1.3 Die wellenmechanische Beschreibung der Elektronen im Kohlenstoffatom
29
1.3.6 Die räumliche Anordnung der Hybridorbitale Mit Ausnahme der kugelsymmetrischen s-Orbitale haben alle atomaren Elektronenzustände bestimmte räumliche Vorzugsrichtungen, aus denen unmittelbar auch die räumliche Festlegung der Bindungsrichtungen kovalenter Bindungen folgt. Bei der räumlichen Ausrichtung von Hybridorbitalen kann man davon ausgehen, daß Elektronen aufgrund der Abstoßung gleichnamiger Ladungen sich in wahrscheinlichen Aufenthaltsräumen bewegen, die voneinander möglichst weit entfernt sind. Daraus ergeben sich automatisch die räumlichen Ausrichtungen der Orbitale. Bild 1.31 zeigt die räumliche Ausrichtung der Hybridorbitale, wobei zur besseren Überschaubarkeit nur die Symmetrieachsen der Hybridorbitale eingezeichnet wurden. Im sp3-hybridisierten C-Atom liegen insgesamt 4 sp3-Orbitale vor. Setzt man voraus, daß sich die 4 Elektronenwolken gegenseitig abstoßen und einen möglichst großen räumlichen Abstand voneinander gewinnen wollen, so ergibt sich daraus die tetraedrische Anordnung der sp3-Orbitale. Die Symmetrieachsen schließen einen Winkel von 109°28' ein. Im sp2-hybridisierten Kohlenstoffatom sind 3 sp2-Hybridorbitale vorhanden. Diese sind dann am weitesten voneinander entfernt, wenn ihre Symmetrieachsen einen Winkel von 120° einschließen. Im sp-hybridisierten Kohlenstoffatom liegen 2 sp-Orbitale vor, die in linearer Anordnung am weitesten voneinander entfernt sind.
Ebene, in der die sp2-Orbitale liegen
z
109°28‘
120°
109°28‘ 109°28‘
y
180°
120°
tetraedrisch
trigonal
linear
sp3-Orbitale
sp2-Orbitale
sp-Orbitale
räumliche Anordnung der Hybridorbitale Bild 1.31 Räumliche Anordnung der sp3-, sp2- und sp-Hybridorbitale (der besseren Übersicht halber wurden nur die Symmetrieachsen der Hybridorbitale eingezeichnet).
30
1 Einführung
1.4 Die polare kovalente Bindung und der induktive Effekt Die Fähigkeit eines Atoms, in der Bindungssituation die gemeinsamen Elektronen an sich zu ziehen, wird durch den Wert der Elektronegativität charakterisiert. Diese Werte bilden eine Skala, in der dem Fluor, das die höchste Elektronegativität besitzt, willkürlich der Wert 4 und Li der Wert 1 zugeordnet wurde. Die gebräuchlichste Elektronegativitätsskala stammt von Pauling. Sie basiert auf experimentell abgeleiteten Werten der Bindungsenergie. Im Periodensystem der Elemente nimmt die Elektronegativität der Elemente in den Perioden von links nach rechts und in den Gruppen von unten nach oben zu. In der kovalenten Bindung, die zwei gleiche Atome, z.B. zwei Kohlenstoffatome oder zwei Atome mit geringen Negativitätsunterschieden bindet, z.B. ein Kohlenstoff- mit einem Wasserstoffatom, darf man eine symmetrische Verteilung der Elektronendichte zwischen beiden Bindungspartnern annehmen. Bei Partnern mit unterschiedlicher Elektronegativität hingegen ist in der σBindung die Elektronendichte zwischen beiden Partnern ungleichmäßig verteilt, sie ist bei dem elektronegativeren Partner größer. Durch diese ungleiche Ladungsverteilung liegt eine polare kovalente Bindung vor. Ist X ein elektronegativeres Atom als das Kohlenstoffatom, so kann man die Polarität der C–X-Bindung auf die Weise symbolisieren, daß man zu dem elektronegativeren Partner ein δ– und zu dem anderen Bindungspartner ein δ+ schreibt, das Symbol für eine negative bzw. positive Teilladung: δ+ C
X
δ-
Die Polarität der C–X-σ-Bindung beeinflußt auch die am nächsten liegenden σ-Bindungen, denn das C-Atom mit positiver Teilladung zieht nun seinerseits die Elektronen der benachbarten σ-Bindungen an. Die dadurch hervorgerufene Polarität ist aber schon geringer als die der C–X-σ-Bindung. Bei der weiter entlegenen σ-Bindung wirkt sich diese polarisierende Wirkung noch weniger aus. Diese, durch die Polarität einer σ-Bindung induzierte Polarisierung auf die in nächster Nähe befindlichen σ-Bindungen, bezeichnet man als induktiven Effekt. Ist X ein Substituent, der infolge seiner Elektronegativität die Bindungselektronen anzieht, so spricht man vom –I-Effekt (minus I-Effekt): Hauptgruppen I 1
II
III
IV
VI
V
VII
VIII 2
H 2,2
3
Li
4
1,0 11
Na 0,9
He
Be
5
1,5 12
Mg 1,2
B
6
2,0 13
Al 1,5
C
7
3,0
2,5 14
Si 1,8
N
8
15
P 2,1
O
9
S 2,5
17
Cl 3,0
Ne -
4,0
3,5 16
F
10
18
Ar -
Bild 1.32 Die Elektronegativität nach Pauling für Elemente der drei ersten Perioden des Periodensystems der Elemente.
1.4 Die polare kovalente Bindung und der induktive Effekt
δ+
C
C
H
σ-Orbital
31
δX
σ-Orbital
unpolare σ-Bindung
polare σ-Bindung
Bild 1.33 Polare und unpolare σ-Bindung
C
C
X
–I-Effekt z.B. für X = Cl, Br, NO2 usw.
Ist X jedoch ein Substituent, der die Elektronen von sich wegschiebt, so liegt ein +I-Effekt vor:
C
C
X
+ I-Effekt z.B. für X = O–.
Substituenten mit positiver Ladung, z.B. –+NH3 üben einen starken –I-Effekt aus, während bei Substituenten mit negativer Ladung z.B. –O– ein starker +I-Effekt wirksam ist (die negative Ladung schiebt die Bindungselektronen weg). Sie haben nun mit der Bindungstheorie einen ersten Einblick in die Organische Chemie bekommen. Falls Sie dieses Kapitel als schwierig empfunden haben, so kann ich Sie trösten, es ist eine etwas schwierigere Passage gewesen, denn der Lehrstoff ist relativ abstrakt und erfordert auch räumliches Vorstellungsvermögen. Wenn Sie es trotzdem geschafft haben, darf ich Ihnen gratulieren. Falls nicht, werfen Sie die Flinte nicht ins Korn, bedenken Sie, daß aller Anfang schwer ist, und studieren Sie dieses Kapitel nochmals durch. Die Organische Chemie ist kein Buch mit sieben Siegeln, man muß sich nur beim Lesen schwierigerer Partien konzentrieren und zum Text auch die entsprechenden Bilder ansehen.
CH E
MIE
Bild 1.34 Erste Einblicke in die Organische Chemie.
32
1 Einführung
1.5 Modellvorstellungen und Gegenstandsmodelle in der Organischen Chemie Die realen Gegebenheiten sind zumeist sehr komplex, sie können aber vereinfacht dargestellt werden. Eine Photographie ist z.B. eine solche Vereinfachung. Sie stellt die dreidimensionale Person auf dem zweidimensionalen Bild dar. Einiges allerdings kann dieses Photo nicht vermitteln, z. B. den Klang der Stimme, und außerdem sieht man die Person auf dem Photo gewöhnlich nur von vorne oder seitlich. Trotzdem ist es möglich, auf Grund der Gesichtszüge, der Gestalt und der Farben zu erkennen, welche Person photographiert wurde. Es ist sogar möglich, mit dem Paßphoto und den Angaben im Paß eine Person zu identifizieren. Daraus erkennt man, daß eine solche Vereinfachung sehr nützlich sein kann. Allerdings sind die Aussagen und die Schlußfolgerungen, die aus der vereinfachten Wiedergabe der realen Gegebenheit gezogen werden können, begrenzt. Modelle sind dadurch charakterisiert, daß sie die Wirklichkeit vereinfacht wiedergeben, so daß man bestimmte komplexe Zusammenhänge besser übersehen und verstehen kann. Das Modell ist nicht als Selbstzweck gedacht, sondern es muß einen nutzbringenden Effekt haben. Es kann z.B. zu einem besseren Verständnis komplexer Vorgänge oder Gegebenheiten beitragen. Die dem Modell innewohnenden Vereinfachungen bringen es jedoch mit sich, daß der Gültigkeitsbereich des Modells für Aussagen und Schlußfolgerungen begrenzt ist. Es ist deshalb notwendig, die Realität und das Modell auseinanderzuhalten. Theoretische Denkmodelle Theoretische Denkmodelle erwachsen aus Überlegungen, Vorstellungen und Theorien. Sie sind ein Hilfsmittel, um bestimmte Zusammenhänge besser zu begreifen und gegebenenfalls auch Voraussagen treffen zu können. Im vorhergehenden Kapitel wurde ein Denkmodell eingebracht: das wellenmechanische Modell. Dieses läßt die eine Seite der Realität, nämlich den korpuskularen Charakter des Elektrons, außer acht und basiert nur auf dem Wellencharakter des Elektrons. Aus der wellenmechanischen Betrachtung ergab sich die Schrödinger-Gleichung und aus dieser wieder ein mathematisches Modell, das Orbitalmodell. Dieses ermöglicht ein besseres Verständnis der Bindungsverhältnisse organischer Verbindungen und der räumlichen Anordnung der Atome in den Molekülen. Trotz der Vereinfachungen, die bei diesen Modellvorstellungen vorliegen, bedarf es zum Verständnis doch eines gewissen Abstraktionsvermögens und insbesondere eines räumlichen Vorstellungsvermögens. Deshalb ist es wichtig, diese theoretischen Denkmodelle durch gegenständliche Modelle zu unterstützen. Gegenständliche Modelle Gegenständliche Modelle sind aus bestimmten Materialien hergestellte didaktische Hilfsmittel. Ein allen bekanntes gegenständliches Modell ist die Modelleisenbahn. Sie entspricht in wesentlichen äußeren Merkmalen dem Modellobjekt, nämlich der realen Eisenbahn, auch in den Proportionen, kann sich aber in vielen anderen Dingen ( z.B. dem Antrieb ) vom Original durchaus unterscheiden. Die Modelleisenbahn ist auch viel kleiner als das Modellobjekt. Bei den Atom- und Molekülmodellen ist es umgekehrt, die Modelle haben weit größere Dimensionen als die Modellobjekte.
1.5 Modellvorstellungen und Gegenstandsmodelle in der Organischen Chemie
Kalottenmodell
33
Kugel-Stift-Modell
Bild 1.35 Gegenständliche Modelle
Zu den gegenständlichen Modellen, die in der Organischen Chemie eingesetzt werden, gehören die Orbitallappenmodelle, die zur Veranschaulichung räumlicher Vorstellungen bei σ- und π-Bindungen, ebenso wie für Vorstellungen über Elektronenwolken delokalisierter π-Elektronen, z. B. beim Benzol, dienen. Am meisten benutzt man in der Organischen Chemie Molekülmodelle, die in ganzen Sätzen in Molekülbaukästen geliefert werden. Sie zeigen die räumliche Anordnung der Atome im Molekül. Die Molekülmodelle lassen sich im wesentlichen in zwei Gruppen gliedern: Es gibt raumfüllende Modelle, z.B. Kalottenmodelle, und Gerüstmodelle, deren Vertreter z.B. das Kugel-Stift-Modell ist (siehe Bild 1.35). Die raumfüllenden Modelle geben prinzipiell Auskunft über die Gestalt eines Moleküls. In Kalottenmodellen z.B. haben die die Atome veranschaulichenden Kugeln je nach Atomart verschiedene Radien, so daß die Verhältnisse dieser Radien untereinander den Verhältnissen der Atomradien unterschiedlicher Atome entsprechen. Auch der Durchdringung der Atomhüllen ist Rechnung getragen. Kalottenmodelle entsprechen den räumlichen Gegebenheiten von Molekülen weit besser als Gerüstmodelle. Sie sind aber zu kompakt, um Bindungswinkel und Bindungslängen gut demonstrieren zu können. Dazu benutzt man gewöhnlich Gerüstmodelle. In den Gerüstmodellen sind die Kugeln gewöhnlich gleich groß, bis auf die das Wasserstoffatom veranschaulichenden, etwas kleineren weißen Kugeln. Die Kugeln für Kohlenstoff sind schwarz, für Sauerstoff rot, für Stickstoff blau und die für Schwefel gelb. In manchen Gerüstmodellen sind die Atome lediglich als farbige Zentren angedeutet. Sie haben den Bindungswinkeln entsprechende Bohrungen, in die Metallfedern, Metall-, Kunststoff- oder Holzstifte passen. In anderen Gerüstmodellen, z.B. an Prentice-Hall-Modellen (auch als Framework Molecular Models bezeichnet), sind an einem kleinen farbigen Kügelchen feste kleine Kunststoffstifte angebracht, auf die Kunststoffhalme aufgesteckt werden können, die die Kügelchen untereinander verbinden. In Dreiding-Modellen werden Metallstäbchen direkt in Hohlstäbchen eingeschoben. So ist z.B. jedes sp3-Kohlenstoffatom aus vier Metallstäbchen zusammengesetzt (2 hohl und 2 massiv), wobei diese untereinander einen Winkel von 109°28' einschließen. Durch Ineinanderschieben des massiven in das hohle Stäbchen kann aus zwei Methangerüsten das Ethangerüst dargestellt werden (siehe Bild 1.36).
34
1 Einführung
Prentice-Hall-Modell
Dreiding-Modell Bild 1.36 Prentice-Hall- und Dreiding-Modell.
1.6 Die chemischen Formeln Die chemische Formel ist eine Kurzschreibweise mit Elementsymbolen, die über die chemische Zusammensetzung einer Verbindung, gegebenenfalls auch über die Struktur eines Moleküls Aufschluß gibt. Sie gibt außerdem für jedes Element die Anzahl der das Molekül aufbauenden Atome an. Mit Hilfe chemischer Formeln kann man chemische Gleichungen formulieren, wobei die chemischen Formeln die Verbindungen angeben, die an der Reaktion beteiligt sind. Die Reaktanten (auch Edukte genannt, sie sind die Ausgangsstoffe, die miteinander reagieren sollen ) schreibt man auf die linke Seite, die Reaktionsprodukte auf die rechte Seite der chemischen Gleichung. An Stelle des Gleichheitszeichens schreibt man gewöhnlich einen Pfeil, bei der Umkehrbarkeit von Reaktionen einen Doppelpfeil. Die Summenformel Die Summenformel (Bruttoformel) gibt die am Aufbau des Moleküls beteiligten Elemente an. Bei organischen Summenformeln werden die Elemente in der Folge C, H, N, O usw. genannt. Die tiefgestellte kleine Zahl rechts neben dem Elementsymbol bedeutet die Anzahl der im Molekül befindlichen Atome des jeweiligen Elements. Summenformeln sind z.B. CH4 für Methan, CH4O für Methanol, C2H4O2 für Essigsäure und CH5N für Methylamin. Die allgemeine Formel Die allgemeine Formel ist für eine bestimmte Verbindungsklasse charakteristisch, z.B. ist die Formel CnH2n+2 die allgemeine Formel für Alkane. Setzt man in diese Formel für n eine natürliche Zahl ein, erhält man die Formel eines Alkans. Setzt man z.B. für n = 1 ein, bekommt man CH4, n =2: C2H6, n = 3: C3H8 usw. Die allgemeine Formel läßt jedoch nicht immer eine eindeutige Zuordnung zu einer Verbindungsklasse zu, z.B. trifft die allgemeine Formel CnH2n sowohl für Alkene als auch für Cycloalkane zu. Die allgemeine Formel für einen Al-
1.6 Die chemischen Formeln
35
kylrest ist CnH2n+1. In verkürzten Konstitutionsformeln steht gewöhnlich für den Alkylrest das Symbol R (= Rest). Will man andeuten, daß es sich bei mehreren Alkylresten um unterschiedliche Alkylreste handelt, so kann dies durch die Schreibweise R, R', R'' oder R1, R2, R3 ausgedrückt werden. Die Konstitutionsformeln Die Konstitutionsformeln bringen die wechselseitige Verkettung der Atome in den Molekülen und ihre räumliche Anordnung zum Ausdruck. Die kovalente Bindung wird durch einen Strich dargestellt, bei der verkürzten Schreibweise von Konstitutionsformeln manchmal auch durch einen Punkt. Die Doppelbindung wird durch zwei und die Dreifachbindung durch drei parallele Striche ausgedrückt. Die Konstitutionsformel z.B. der Essigsäure kann folgendermaßen geschrieben werden: H H
C
O C
H
O
H
Hierbei sei bemerkt, daß die mit einem Strich in dieser Konstitutionsformel symbolisierten freien (nichtbindende) Elektronenpaare nicht immer geschrieben werden. Häufig werden wegen der besseren Übersichtlichkeit und aus Zeit- und Arbeitsersparnis auch Kurzstrukturformeln verwendet. Hierbei werden in bestimmten Gruppen, z.B. der Methyl- CH3, Methylen- CH2, Nitro- NO2, Hydroxygruppe OH u.s.w., die einzelnen Atome dieser Gruppen nicht durch Valenzstriche miteinander verbunden. Einige Beispiele seien in Tabelle 1.4 angeführt. Es gibt Verbindungen, die die gleiche Summenformel, aber eine unterschiedliche Konstitutionsformel haben. Diese Verbindungen bezeichnet man als Isomere. Sie unterscheiden Tabelle 1.4
Verbindung Hexan
Ethin
Ethanol
Palmitinsäure
Konstitutionsformel
H
H
H
H
Kurzstrukturformel
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
C
C
H
HC
H
H
C
C
O
CH3–CH2–OH oder CH3CH2OH
H
H
CH3–CH2–CH2–CH2–CH2–CH3 oder CH3 (CH2)4 CH3
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
O
CH3 (CH2)14 COOH
C O
CH
H
36
1 Einführung
sich in ihren physikalischen oder chemischen Eigenschaften. Zu ihnen gehören z.B. die beiden Konstitutionsisomere Ethanol und Dimethylether. Diese haben die gleiche Summenformel C2H6O, unterscheiden sich aber darin, in welcher Folge die Atome untereinander verknüpft sind. H
H
H
C
C
H
H
H O
H
H
C H
Ethanol
und
H O
C
H
H
Dimethylether
Es ist schwierig, die räumlichen Strukturen auf die zweidimensionale Papierfläche so zu schreiben, daß die räumlichen Gegebenheiten klar erkennbar sind. Man greift deshalb zu einer Symbolik und zeichnet die Bindungen, die sich in Wirklichkeit unter der Schreibfläche befinden würden, gestrichelt, die, die über die Fläche weisen würden, in Keilform oder mit einem starken Valenzstrich. Die Konstitutionsformel des Hexans z.B., in der alle C-Atome auf einer Geraden gezeichnet sind, H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
vermittelt den Eindruck, als ob die Bindungswinkel zwischen zwei C–C-σ-Bindungen 180° betragen würden. In Wirklichkeit sind es, wie wir wissen, 109°28'. Um dies einigermaßen richtig wiedergeben zu können, müßten wir das Kohlenstoffgerüst des Hexans als Zickzacklinie zeichnen, wobei die C–H-σ-Bindungen, wie Bild 1.37 zeigt, einmal unter und das andere Mal über die Papierebene weisen würden, so daß die C–H-σ-Bindungen gestrichelt bzw. als Keil geschrieben werden müßten: H H
H H
C
C H
H
C
C H
H H
H
C
C H
H H
H
Diese Schreibweise ist etwas umständlich und zeitraubend. Man vereinfacht sie deshalb so, daß man das dreidimensionale Molekül auf die zweidimensionale Papierebene projeziert, wie dies in Bild 1.38 mit einem Molekülmodel veranschaulicht wird. Dem projezierten Schattenbild entspricht die einfache Schreibweise der Formel. In dieser Hinsicht hat sie auch ihre Berechtigung. Die weitestgehende Vereinfachung von Konstitutionsformeln wird mit Skelettformeln erreicht. Die unverzweigte Kohlenstoffkette wird mit einer Zickzacklinie von Strichen dargestellt, wobei weder die Symbole C noch H geschrieben werden. Am Ende jedes Strichs hat man sich ein C-Atom vorzustellen. Ausgehend von der Vierbindigkeit des Kohlenstoffs werden in diesen Formeln die C–H-Bindungen und das Symbol H für Wasserstoff weggelassen. Diese verkürzte Schreibweise wird öfter auch bei Cycloalkanen (Kohlenstoffe untereinander zu einem Ring verknüpft) benutzt, wobei man sich vorstellen muß, daß sich in jeder Ecke der Formel ein vierbindiges Kohlenstoffatom befindet. Bei Formeln, in denen zwei oder mehrere Ringe miteinander verknüpft sind, wird an den sie verknüpfenden
1.6 Die chemischen Formeln
37
Kugel-Stift-Modell
Kalottenmodell Bild 1.37 Molekülmodelle des Hexans
C-Atomen die C–H-Bindung und das H geschrieben, damit die räumliche Anordnung der Atome an den Verknüpfungsstellen ersichtlich ist. Die Schreibweise mit Strichen ohne die Symbole C und H ist besonders bei den Aromaten die Regel.
Bild 1.38
Projektion des Molekülmodells als Schattenbild
38
1 Einführung
Tabelle 1.5
Verbindung Hexan
Konstitutionsformel
H
Skelettformel
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H H H
2-Methylpropan
Hexansäure
H
H
H
C
H
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
Butadien
C C
H
C
H
H H
H
H
H
C
C
C
H
H
C H
H
H
H C
H
C H H C H
C
H
H
H
Cholesterol C
H O C H
C
C C H H H
C
C
H
H
C
C
H H
H C
C H
H H
H
H
H
Benzol
H
H
H
C
H
H H H H
C
H C H CH3 C C C H C
H
H H
H
H
H
C
H
H
O
H
H
trans-Dekalin
COOH
C
H C
Cyclopentan
O
H CH3 C
C
C
C
H H H H
CH3
CH3 C H C
CH2 H
CH2
CH2
CH CH3
CH3
H
H
CH3
H H
O H
H H
H
1.7 Die Nomenklatur organischer Verbindungen
39
1.7 Die Nomenklatur organischer Verbindungen Die Benennung organischer Verbindungen geschah in den Anfängen der Chemie ohne Beachtung irgendwelcher Regeln. Man benannte die Stoffe danach, woraus sie isoliert wurden, z.B. Ameisensäure (aus Ameisen), Essigsäure (aus Essig), Capronsäure (capra = die Ziege, da die Capronsäure in Ziegenmilch vorkommt), Vanillin (aus der Vanille), oder nach ihren Eigenschaften, z.B. Glycerin (nach dem griechischen glykys = süß), Pikrinsäure (pikros = bitter), auch nach anderen Kriterien oder mehr oder weniger willkürlich. Diese Namen, die sich nicht nach vorgegebenen Regeln richten, bezeichnet man als Trivialnamen. Einige haben nur noch historische Bedeutung, viele haben sich aber eingebürgert und werden neben der systematischen Nomenklatur benutzt. Die systematische Nomenklatur richtet sich bei der Namensgebung von Verbindungen nach exakten, vorgegebenen Regeln. Sie wurde erstmalig auf einem chemischen Kongreß in Genf 1892 eingeführt, und man bezeichnet sie deshalb manchmal auch als Genfer Nomenklatur. Die Regeln mußten im Laufe der Jahre angepaßt und verbessert werden. Damit befaßt sich eine internationale Kommission der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry), weshalb man diese Regeln zur Benennung organischer Verbindungen auch als IUPAC-Regeln bezeichnet.
1.7.1 Die Nomenklatur der n-Alkane Alkane haben die Endung -an. Die geradkettigen (unverzweigten) Alkane, die man auch als n-Alkane (n = normal) bezeichnet, bilden die Basis für die Benennung organischer Verbindungen nach der systematischen Nomenklatur (lat. nomenclatio = Benennung). Sie sollten sich deshalb die in der Übersicht nachfolgend angeführten Namen der n-Alkane merken. Mit Ausnahme der ersten vier Alkane besteht der Wortstamm des Alkans aus einer Zahl lateinischen oder griechischen Ursprungs, die der Anzahl der Kohlenstoffatome in der Kohlenstoffkette entspricht. Die n-Alkane werden wie in Tabelle 1.6 dargestellt benannt. Tabelle 1.6 n-Alkane
Summenformel
Name des Alkans
Summenformel
Name des Alkans
Summen- Name des Alformel kans
CH4
Methan
C11H24
Undecan
C21H44
Heneicosan
C2H6
Ethan
C12H26
Dodecan
C22H46
Docosan
C3H8
Propan
C13H28
Tridecan
C23H48
Tricosan
C4H10
Butan
C14H30
Tetradecan
C24H50
Tetracosan
C5H12
Pentan
C15H32
Pentadecan
:
:
C6H14
Hexan
C16H34
Hexadecan
C30H62
Triacontan
C7H16
Heptan
C17H36
Heptadecan
:
:
C40H82
Tetracontan
C8H18
Octan
C18H38
Octadecan
C9H20
Nonan
C19H40
Nonadecan
C10H22
Decan
C20H42
Eicosan
40
1 Einführung
Acyclische Verbindungen (Verbindungen mit offener Kohlenstoffkette) werden in der systematischen Nomenklatur als Derivate (Abkömmlinge) der n-Alkane aufgefaßt, wobei man sich vorstellt, daß im n-Alkan die Wasserstoffe durch entsprechende Atome oder Gruppen ersetzt worden sind, z.B. wird bei Nitromethan formal ein Wasserstoffatom im Methan durch die Nitrogruppe ersetzt. H H
H
H
C
H
H
NO2
Methan
C
NO2
H
Nitrogruppe
Nitromethan
1.7.2 Die Benennung verzweigter Alkane Bei Benennung verzweigter Alkane verfährt man so, als ob in einem n-Alkan, dessen Kohlenstoffkette der Hauptkette entspricht, ein Wasserstoffatom durch einen Alkylrest ersetzt worden wäre. Hat man ein verzweigtes Alkan zu benennen, geht man folgendermaßen vor: Man ermittelt die längste durchgehende Kohlenstoffkette, die dann als Hauptkette betrachtet wird und numeriert sie durch. Die Durchnumerierung beginnt an dem Kettenende das der Seitenkette am nächsten liegt: H H
1
C H
CH3 H
H 2
3
C H
4
C H
C
H 5
H
H 6
C H
C
H 7
C
H
H
H
Nach Durchnumerierung der Hauptkette stellt man die Stellungsziffer der Seitenkette fest, benennt die Seitenkette als Alkylrest und nennt zuletzt die Hauptkette mit der Endung -an, wobei die Benennung der Hauptkette einem n-Alkan mit gleicher Anzahl der Kohlenstoffatome entspricht. Der Name des Alkylrestes leitet sich vom Namen des n-Alkans ab, das die gleiche Anzahl der C-Atome hat, anstelle der Endung -an steht jedoch die Endung -yl. Die Reihenfolge der Bennenung ist also folgende: 1.
Die Nummer, die die Stellung der Seitenkette bezeichnet, worauf ein Bindestrich folgt, im vorliegenden Beispiel 3-,
2.
Benennung der Seitenkette als Alkylrest mit der Endung -yl, im Beispiel 3-Methyl,
3.
Benennung der Hauptkette, entsprechend einem Alkan mit gleicher Anzahl der Kohlenstoffatome, im vorliegendem Beispiel 3-Methylheptan. H
H
1
C H
CH3 H
H 2
C H
3
C H
4
C H
H 5
C H
3-Methylheptan
H 6
C H
H 7
C H
H
Hauptkette
1.7 Die Nomenklatur organischer Verbindungen
41
Hat die Verbindung mehrere Seitenketten, so numeriert man die Hauptkette so durch, daß die Stellungen der Seitenketten mit einer möglichst niedrigen Zahl angegeben werden und nennt die Seitenketten in alphabetischer Reihenfolge. Liegen in der Verbindung gleiche Seitenketten vor, so faßt man diese bei der Benennung zusammen, wobei man vor die als Alkylreste bezeichneten Seitenketten die durch Kommas abgetrennte Stellungsziffern und ein Präfix anführt, das die Anzahl der gleichen Seitenketten angibt: di- steht für zwei, tri- für drei, tetra- für vier, penta- für fünf gleiche Seitenketten. Zuletzt wird die Hauptkette mit der Endung -an benannt. Zum Beispiel wird die Verbindung mit der Konstitutionsformel H H
1
C H
CH3 H 2
C
3
H
C H
CH3 H 4
C
5
C
CH3 H
H 6
C H
H 7
C
H C
H
8
H
H
C
Hauptkette richtig durchnumeriert
C
H
H
5
6
7
C
H
CH3 H
CH3 H
H
8
H 3
4
C
C
C
CH3 H
H
H
H
2
1
C
H
C
H
H
H
Hauptkette falsch durchnumeriert
als 2,4,4-Trimethyloctan bezeichnet (und z.B. nicht als 5,5,7-Trimethyloctan). Die Verbindung mit der Konstitutionsformel H2C H H
1
C H
CH3 H 2
C H
3
C H
CH3 H 4
C
5
C
CH2 H
CH3
CH2 H 6
C
7
C
H
H
H 8
C
H 9
H
C
H
H
CH3
wird als 4-Ethyl-2,4-dimethyl-6-propylnonan bezeichnet. Die Vorsilben di-, tri- usw. werden bei der alphabetischen Reihung der Seitenketten nicht berücksichtigt. Sind eine Seitenkette von einem und eine zweite Seitenkette vom anderen Kettenende gleichweit entfernt, so zählt man die Hauptkette von dem Kettenende durch, von dem her die in der alphabetischen Reihenfolge erstgenannte Seitenkette die niedrigste Zahl erhält. Z.B. wird die Verbindung mit der Konstitutionsformel CH3 CH2
CH3 H H
1
C H
H 2
C H
H 3
C H
CH2 H 4
C H
CH3
5
C H
CH2 H 6
C H
CH2
CH3
7
C H
H 8
C H
(Hauptkette richtig durchnumeriert)
H 9
C H
H
H
H
9
C H
H 8
C H
H
CH2 H
7
6
H
H
C
C
5
C H
CH2 H 4
C H
3
C H
H 2
C H
H 1
C
H
H
(Hauptkette falsch durchnumeriert)
als 4-Ethyl-6-propylnonan bezeichnet (und nicht als 6-Ethyl-4-propylnonan). Liegen Verbindungen vor, deren Seitenketten verzweigt sind, so numeriert man zunächst die Hauptkette durch und verfährt im weiteren so, daß man 1.
die Nummer des Kohlenstoffatoms der Hauptkette angibt, an das die Seitenkette geknüpft ist, und einen Bindestrich schreibt, im vorliegenden Beispiel: 5-
42
1 Einführung
2.
nach einer runden Klammer die Zahl des Kohlenstoffatoms angibt, an dem sich die Verzweigung in der Seitenkette befindet, und nach einem Bindestrich, im Beispiel: 5-(1-
3.
den Namen des Alkylrestes in der Verzweigung der Seitenkette nennt, im Beispiel: 5-(1Methyl
4.
die in der Seitenkette befindliche durchnumerierte Kohlenstoffkette ebenfalls als Alkylrest anführt und die Klammer schließt. Im vorliegenden Beispiel 5-(1-Methylethyl)
5.
Zuletzt wird der Name der Hauptkette genannt. Im vorliegenden Beispiel: 5-(1-Methylethyl)nonan 2'
CH3
H3C H
H
9
H
8
C
C
H
H 7
H
C H
H
1'CH
6
5
C H
C H
H 4
C H
H
H
H
2
3
C
1
C
H
C
H
H
H
Eine Kombination der IUPAC-Nomenklatur mit Trivialnamen ist ebenfalls gebräuchlich. Man könnte z.B. die oben angeführte Verbindung auch als 5-Isopropylnonan bezeichnen, indem man die Seitenkette mit ihrem Trivialnamen benennt. Trivialnamen für Seitenketten vereinfachen die Benennung verzweigter Verbindungen und werden deshalb in der Nomenklatur oft benutzt. Nachstehend einige Trivialnamen von Alkylresten: CH3 H3C
C
CH3 H3C
H
Isobutyl
CH3 C CH3
tert.-Butyl
H3C
CH2
H
Isopropyl
H3C
C
H3C
CH3
C
C
H
H
sek.-Butyl
CH3 H
H
C
C
C
H
H
H
Isopentyl
H
CH3 H H3C
C
C
CH3 H
Neopentyl
Die Vorsilben di-, tri-, sek.-, tert.-, usw. werden bei der alphabetischen Reihung der Seitenketten nicht beachtet, wohl aber die Vorsilben iso- und neo-. Befinden sich im Molekül gleiche, komplexe Seitenketten, so wird ihre Anzahl nicht mit den Silben di-, tri- usw. angegeben, sondern mit der Vorsilbe (Präfix): bis (= 2x), tris (= 3x), tetrakis (= 4x), pentakis (= 5x) usw. Kommen in einem verzweigten Alkan mehrere gleichlange Ketten als Hauptketten in Frage, so hat diejenige Priorität, die a)
die meisten Seitenketten hat,
b) deren Seitenketten die niedrigste Stellungsziffer haben und c)
deren Seitenketten die größte Anzahl von Kohlenstoffatomen aufweisen.
1.7 Die Nomenklatur organischer Verbindungen
43
1.7.3 Die Benennung von Verbindungen mit funktionellen Gruppen Bezüglich der Nomenklatur unterscheidet man funktionelle Gruppen, die als Präfix (lat. Vorsilbe), und solche, die sowohl als Präfix als auch als Suffix (nachgestellte Silbe) benannt werden können. Wird die funktionelle Gruppe als Präfix benannt, so heißt dies, daß ihr Name vor der Bezeichnung der Hauptkette steht. Die funktionellen Gruppen und die Seitenketten werden in alphabetischer Reihenfolge genannt. Die Ziffer, die angibt, an welcher Stelle die funktionelle Gruppe an die Kohlenstoffkette gebunden ist, wird, durch einen Bindestrich getrennt, vor dem Namen der Gruppe geschrieben. Die Hauptkette wird so gewählt, daß möglichst viele funktionelle Gruppen und Seitenketten an diese gebunden sind. Die durchgehende Numerierung der Hauptkette beginnt an dem Kettenende, welches einer funktionellen Gruppe bzw. einer Seitenkette am nächsten liegt. Funktionelle Gruppen, die nur als Präfix benannt werden dürfen Die wichtigsten nur als Präfixe zu benennenden funktionellen Gruppen sind: –Br
Brom-
–N2
Diazo-
–Cl
Chlor-
–N3
Azido-
–F
Fluor-
–NO
Nitroso-
–I
Iod-
–NO2
Nitro-
–OR
Alkyloxyoder Alkoxy-
–SR
Alkylthio-
z.B. wird die Verbindung CH3 H H
8
C H
H 7
C H
H 6
C
CH2 H 5
H
C Br
Br 3
4
C
C
H
H
NO2
2
1
C
H
Cl
C
H
H
als 3,5-Dibrom-2-chlor-5-ethyl-1-nitrooctan bezeichnet. Funktionelle Gruppen, die als Präfix oder Suffix benannt werden können Wichtige funktionellen Gruppen, die sowohl als Präfix, als auch als Suffix benannt werden können, sind nachfolgend tabellarisch aufgelistet. Solche, die ein C-Atom besitzen, werden nachher gesondert behandelt. Verbindungsklasse
Gruppe
Präfix
Suffix
Amine
–NH2
Amino-
-amin
Alkohole
–OH
Hydroxy-
-ol
Oxo-
-on
Ketone
C
O
Imine
=NH
Imino-
-imin
Thiole
–SH
Mercapto-
-thiol
Sulfonsäuren
–SO3H
Sulfo-
-sulfonsäure
44
1 Einführung
Das Suffix wird nach dem Namen der Hauptkette angeführt. Die Stellungsziffer (eine Zahl, die die Stellung der Substituenten nach Durchzählen der Hauptkette angibt) der mit dem Suffix bezeichneten funktionellen Gruppe sollte möglichst niedrig sein und steht, durch einen Bindestrich abgetrennt, vor dem Namen der Hauptkette. Es folgt die Benennung der Hauptkette und das Suffix. Die Stellungsziffer des als Suffix bezeichneten Substituenten kann auch vor dem Suffix stehen. Z.B. werden die mit den Konstitutionsformeln gezeigten Verbindungen folgendermaßen benannt: H H
1
C H
H
OH H 2
C
3
H
C
H
H
H
4
C
C
H
H
2-Propanol oder Propan-2-ol
H
H
C
H
H
1
2
3
C
H
SO3H
O
1
H
2
C
H
H
Butansulfonsäure (Die 1- wird nicht geschrieben, wenn der Name eindeutig ist)
H 3
C H
H 4
C
C
H
H
H
2-Butanon oder Butan-2-on
Funktionelle Gruppen, die ein Kohlenstoffatom besitzen und als Präfix oder Suffix benannt werden können Eine Reihe von funktionellen Gruppen besitzen ein C-Atom, mit dem sie an die Kohlenstoffkette gebunden sind. Dieses C-Atom kann man entweder als zur Kohlenstoffkette gehörig oder nicht gehörig ansehen. Deshalb gibt es zwei Möglichkeiten, diese funktionellen Gruppen als Suffix zu bezeichnen. Zählt man z.B. das C-Atom der Carboxygruppe bei einer Carbonsäure in der Hauptkette mit, so schreibt man hinter die Bezeichnung der Hauptkette als Suffix das Wort „-säure“. Betrachtet man das C-Atom der Carboxygruppe aber als nicht zur Hauptkette gehörig, so steht als Suffix das Wort „-carbonsäure“. Die Verbindung H
H
H
H
H
C
C
C
C
H
H
H
H
O C OH
kann man als Pentansäure oder Butancarbonsäure bezeichnen.
Hierzu einige Beispiele: H H
4
C H
H
H
3
2
C
C
H
H
O
H
O
1
H
C
H
C
H
H
O
3
2
C
H
O C
C
1
C H
2
C H
H 3
C
H
O C
H
Propan-1,2,3-tricarbonsäure
1
C H
O
C
H 5
C H
H 4
C H
H 3
C H
H 2
C H
O 1
H
C O
O 2
C
O 3
C
C H
H
H
H
OH C
6
H
1,2,3 -Propantricarbaldehyd oder Propan-1,2,3-tricarbaldehyd
H C
C
H
H
H
O
C
Butanal
O
H
O 1
Methylhexanoat H
H 4
C H
H
H
3
C H
H 2
C
1
H
H
Butan-2,3-dion
Propannitril
C
N
H
1.7 Die Nomenklatur organischer Verbindungen
45
Funktionelle Gruppen, die als Präfix oder Suffix genannt werden können und ein CAtom haben, das in die Hauptkette einbezogen oder nicht einbezogen werden kann
Tabelle 1.7
Verbindungsklasse
funktionelle Gruppe
Präfix
Suffix mit Einbeziehung des C-Atoms der funktionellen Gruppe in die Hauptkette
Suffix mit Nichteinbeziehung des C-Atoms der funktionellen Gruppe in die Hauptkette
Carboxy-
-säure
-carbonsäure
Haloformyl-
-oylhalid
-carbonylhalid
Carbamoyl-
-amid
-carboxyamid
R- ... oxycarbonyl
R- ... (o)at
R- ... carboxylat
Cyan-
-nitril
-carbonitril
Formyl-
-al
-carbaldehyd
O
Carbonsäuren
C OH
O
Säurehalide
C
X = F, Cl, Br, I
X O
Amide
C NH2 O
Ester
C OR
Nitrile
C
N
O
Aldehyde Alkanale
C H
Doppel- und Dreifachbindungen werden nur als Suffix genannt. Bei einer Doppelbindung wird bei Benennung der Hauptkette die Endsilbe -an ersetzt durch die Silbe -en, bei einer Dreifachbindung durch die Endung -in. Die Zahl, die die Stellung der Mehrfachbindung angibt, wird entweder vor den Namen der Hauptkette oder vor das Suffix gestellt. Es ist darauf zu achten, daß Doppel- bzw. Dreifachbindungen Bestandteil der Hauptkette sind. Z.B. wird H2C H3C
H 2
C C1
H3
3
C
CH2
CH3
CH2 H 4
C H
5
C
6
C
7
C
H
8
CH3
als 4-Butyl-2-methyloct-2-en-6-in bezeichnet.
Hierarchie der Hauptgruppen Befinden sich in der Verbindung mehrere funktionelle Gruppen, die mit Suffix benannt werden können, so darf, außer dem Suffix für die Doppel- oder Dreifachbindung, nur eine einzige funktionelle Gruppe mit Suffix genannt werden. Diese bezeichnet man als Hauptgruppe. Bei der Wahl der Hauptgruppe ist eine bestimmte Hierarchie der funktionellen Gruppen zu beachten. Die folgende Aufstellung zeigt die Reihenfolge nach abnehmender Priorität:
46 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1 Einführung Säuren, Säurederivate in der Reihenfolge Anhydride, Ester, Acylhalide, Amide und Imide, Nitrile, Isocyanide, Aldehyde, Ketone, Alkohole und Phenole, Amine, Imine usw.
Mit der Durchnumerierung der Hauptkette beginnt man am Suffix-Ende. Die mit den nachfolgenden Konstitutionsformeln dargestellten Verbindungen werden z.B. wie folgt benannt: H H H
H 5
C
4
C
O 3
C
O
2
C H
1
H H
O
C O
H
2-Hydroxy-3-oxo-pent-4-ensäure oder 2-Hydroxy-3-oxo-4-pentensäure
4
C
O 3
C
H
O 2
C
1
O
C O
H
H
C
C
H
H
H
Ethyl-2,3-dioxo-butanoat
1.7.4 Kriterien für die Wahl der Hauptkette Die Hauptkette ist für die Benennung und Bezifferung der Verbindung maßgebend. Gibt es mehrere Möglichkeiten für die Wahl der Hauptkette, sind folgende Kriterien, geordnet nach abnehmender Priorität, entscheidend: 1. größte Anzahl der der Hauptgruppe entsprechenden funktionellen Gruppen in der Hauptkette, 2. größte Anzahl der Mehrfachbindungen in der Hauptkette (Doppel- und Dreifachbindungen werden gemeinsam gezählt), 3. längste Kohlenstoffkette, 4. maximale Anzahl von Doppelbindungen in der Hauptkette, 5. maximale Anzahl von Präfixen der Gruppen, die sowohl als Präfix als auch als Suffix benannt werden können, 6. maximale Anzahl der Substituenten, die nur als Präfix benannt werden können. Bei sonst gleichen, in den Punkten 1 bis 6 vorher genannten Kriterien, ist die Hauptkette diejenige, in der (nach abnehmender Priorität geordnet) a) die Hauptgruppen, b) die Mehrfachbindungen, c) die Doppelbindungen, d) die Präfixe der Substituenten, die sowohl als Präfix als auch als Suffix benannt werden können, e) die Präfixe der Substituenten, die nur als Präfixe benannt werden können, bei der Durchnumerierung der Kohlenstoffkette die niedrigste Ziffer bekommen.
1.7 Die Nomenklatur organischer Verbindungen
47
Beispiele: 11
HO
9
10
CH2
C
8
C
CH
7
CH 6
5'
HO
CH2
3'
4'
CH
1'
2'
CH
C
5
4
CH
CH
CH
3
CH
2
CH
1
CH2
OH
C
6-(5-Hydroxy-3-penten-1-inyl)-2,4,7-undecatrien-9-in-1,11-diol und nicht 6-(5-Hydroxy-3-pentin-1-enyl)-2,4,9-undecatrien-7-in-1,11-diol
Bei der Wahl der Hauptkette wurde das Kriterium c) beachtet (Doppelbindungen haben Priorität vor Dreifachbindungen und müssen beim Durchzählen der Hauptkette eine möglichst niedrige Zahl haben). Die cis/trans-Isomerie wurde in dieser Formel nicht berücksichtigt, da sie erst im Kapitel über Alkene behandelt wird. 1
HOOC
2
3
CH2
4
CH2
CH
5
CH2
6
2'
1'
CH2
7
CH2
COOH
3'
4'
CH
CH2
CH2
C
N
Cl
4-(3-Chlor-4-cyanobutyl)-heptan-1,7-disäure
Bei der Wahl der Hauptkette wurde darauf geachtet, daß die Hauptgruppen Bestandteil der Hauptkette sind. OH Cl HO
7
CH2
2'
CH2
6
CH
1'
CH
5
CH
4
CH2
3
CH
2
CH
1
CH2
OH
NO2
7-Chlor-5-(2-hydroxy-1-nitroethyl)-hept-2-en-1,6-diol
Bei der Wahl der Hauptkette wurde darauf geachtet, daß die Hauptgruppen die niedrigsten Zahlen bekommen, und die Doppelbindung Bestandteil der Hauptkette ist.
48
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben ? 1.1 In welcher Hauptgruppe des Periodensystems befindet sich der Kohlenstoff?
? 1.2 Welchen Stoffklassen entsprechen die unten angeführten Konstitutionsformeln? H C
O
CH2
R H 2C
C
R
(CH2)n
H
a)
R
b)
R O
O
f)
R
g)
C
O
H
d)
e)
R
O
C
R
CH2
c)
H R
H
O
R
O
R
O R
C H
R
h)
C O
i)
H
j)
O R
H
C R
O R
C
O
C O
R
O
C
k)
(CH2)n
O
C
R'
R
O
l)
m)
X = Cl, Br,I
X
n) O
O R
R
C R
X
o)
R
S
t)
NH2
R
R
S
r)
S
u)
NH2
N(CH3)3Cl
p)
H
C
R
R
SO2
v)
s)
R
R
SO3H
w)
Übungsaufgaben
49
? 1.3 Benennen Sie die unten stehenden funktionellen Gruppen O
O
H
a)
g)
l)
C
O
R'
O
H
N
d)
C
O
m)
H
NH2
e)
N
NH
i)
S
NH2
O
c)
h)
N
C
C
b)
NO2
C
O
H O
C
N
j)
f)
N
N
k)
O
O
S
S
O
O
n)
OH
o)
? 1.4 Erklären Sie was man unter einem induktivem Effekt versteht, welche Auswirkungen er hat und was der +I-Effekt und der –I-Effekt ist.
? 1.5 Was versteht man bei Benennung organischer Verbindungen unter dem Begriff Hauptkette?
? 1.6 Definieren Sie was in der chemischen Nomenklatur der Ausdruck Hauptgruppe bedeutet.
? 1.7 Welcher Suffix steht bei Anwendung der IUPAC-Nomenklatur im Namen folgender Stoffklassen: a) Alkohol b) Aldehyd c) Keton d) Carbonsäure e) Amin f) Nitril
50
Übungsaufgaben
? 1.8 Benennen Sie folgende Verbindungen: CH3
CH3
H 3C
H 3C
CH3
H 3C
H 3C
CH3
a)
b)
c) OH
H2 C H 3C
O
OH
CH3
H 3C
CN
CH3 CH3
H 3C
d)
OH
e)
f) Cl
H 3C
OH
H3 C
OH O
O
g)
O
h) N
i)
O
CH
CH3
j)
k)
? 1.9
Wie sind die sp3-, sp2- und sp-Orbitale des Kohlenstoffs räumlich ausgerichtet?
? 1.10 Welche Bindungslängen haben die C-H-Bindung und die C-C-Bindung im Ethan, die Doppelbindung im Ethen und die Dreifachbindung im Ethin?
Lösungen
51
Lösungen ! 1.1 Kohlenstoff ist ein Element der 4. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente
! 1.2 Die Konstitutionsformeln entsprechen jeweils der unten angeführten Stoffklasse O H
CH2
R C
H 2C
C
R
H
R
(CH2)n
a) Alken
c) Aromat
c) Cycloalkan
H R R
O
H
C
f) Ether
R
g) Aldehyd
C
O
H
e) Phenol
d) Alkohol
R
O
O
R
CH2
O
R
O
R
O R
C H
R
h) Keton
C O
i) Acetal
H
j) Carbonsäure, Alkansäure
O R
H
C R
O R
O
C O
R
k) Säureanhydrid
C
C O
O
R'
(CH2)n C R
O
l) Ester
m) Lacton
X = Cl, Br,I
X
n) Halogenalkan O
O R
R
C R
X
o) Säurehalogenid
R
S
H
t) Thiol, Mercaptan
NH2
R
p) primäres Amin
R
S
S
u) Disulfid
R
R
NH2
N(CH3)3Cl
r) quartäres Ammoniumsalz
SO2
v) Sulfon
R
C
s) Säureamid
R
SO3H
w) Sulfonsäure
52
Lösungen
! 1.3 Die Namen der Funktionellen Gruppen: a) Carboxygruppe, b) Alkoxycarbonylgruppe, c) Hydroxygruppe d) Formylgruppe, e) Aminogruppe, f) Aminocarbonylgruppe oder Carbamoylgruppe, g) Nitrogruppe, h) Nitrosogruppe, i) Iminogruppe, j) Diazoniumgruppe, k) Azogruppe, l) Nitril- oder Cyanidgruppe, m) Thiol- oder Mercaptogruppe, n) Sulfonylgruppe, o) Sulfogruppe
! 1.4 Bei Bindungspartnern mit unterschiedlicher Elektronegativität ist in der σ-Bindung die Elektronendichte zwischen beiden Partnern ungleich verteilt, sie ist beim elektronegativeren Partner größer. Die Polarität dieser σ-Bindung beinflußt auch die benachbarten σ-Bindungen, man bezeichnet dies als Induktiven Effekt. Zieht der den Effekt auslösende Substituent infolge seiner Elektronegativität die Elektronen der Bindung an, so spricht man vom –I-Effekt, schiebt er hingegen die Elektronen von sich weg, so liegt ein +I-Effekt vor.
! 1.5 Die Hauptkette ist für die Benennung und Bezifferung der chemischen Verbindung maßgebend. Der Name der Hauptkette wird vom Namen des n-Alkans mit gleicher Anzahl der Kohlenstoffatome abgeleitet. Bei den Alkanen ist die Hauptkette die längste Kohlenstoffkette. Bei Verzweigten Alkanen beginnt man mit der Durchnummerierung der Hauptkette an dem Kettenende wo die Verzweigung am nächsten ist. Bei Vorliegen von funktionellen Gruppen, Doppel- oder Dreifachbindungen in der Verbindung muß man bei der Wahl der Hauptkette bestimmte Kriterien berücksichtigen. (siehe Kap. 1.7.4 )
! 1.6 Befinden sich in der Verbindung mehrere funktionelle Gruppen, die am Namensende der Verbindung mit einer Endsilbe (Suffix) bezeichnet werden könnten, darf nur eine einzige funktionelle Gruppe mit Suffix benannt werden. Diese wird als Hauptgruppe bezeichnet. Die Wahl der Hauptgruppe erfolgt nach einem Prioritätsprinzip in der absteigenden Folge: Carboxygruppe, funktionelle Gruppen der Säurederivate, Nitrilgruppe, Formyl- und Ketogruppe, Hydroxygruppe, Aminogruppe und Iminogruppe.
! 1.7 Der Suffix im Namen der Verbindungen der entsprechenden Stoffklassen lautet: a) -ol, b) –al, c) –on, d) –säure, e) -amin, f) -nitril
! 1.8 a) 3,4-Dimethylhexan b) 5-(1'-Methylethyl)decan c) Butanol d) Diethylether e) 5-Ethyl-3-methylhex-5-enol f) 3-Hydroxyhexannitril g) Octansäure h) 6-Chlor-3-oxooctansäure i) 1-Methylcyclopenta-1,3-dien j) Ethylbenzol k) Nitrosobenzol
Lösungen
53
! 1.9
Im sp3-hybridisierten Kohlenstoff sind die sp3-Orbitale tetraedrisch angeordnet und ihre Symmetrieachsen schließen einen Winkel von 109°28' ein. Die sp2-Orbitale liegen in einer Ebene, die senkrecht zur Achse des p-Orbitals steht, und ihre Symmetrieachsen schließen einen Winkel von 120° ein. Die Symmetrieachsen der sp-Orbitale liegen auf einer Geraden. Diese Gerade steht senkrecht auf der Symmetrieachse der beiden p-Orbitale, die auch wiederum senkrecht zu einander stehen (siehe Kap. 1.3.6 und Abbildung 1.31).
! 1.10 Die C-H-Bindung im Ethan hat die Bindungslänge 109 pm, die C-C-Einfachbindung 154 pm. Die Bindungslänge der Doppelbindung im Ethen Beträgt 135 pm und die Bindungslänge der Dreifachbindung im Ethin 120 pm.
2 Alkane Alkane, auch Paraffine genannt, sind Kohlenwasserstoffe mit offener Kohlenstoffkette, deren Kohlenstoffatome untereinander nur mit Einfachbindungen (σ-Bindungen) verknüpft sind. Sie haben die allgemeine Formel CnH2n+2. Es gibt unverzweigte Alkane, die als n-Alkane (n = normal) bezeichnet werden, und verzweigte Alkane.
2.1 Benennung der Alkane Die systematische Benennung der Alkane wurde bereits im Abschnitt 1.7.1 und 1.7.2 eingehend dargelegt. Für bestimmte Alkane werden auch häufig Trivialnamen verwendet: CH3 H3C
C
CH3 CH3
H3C
H
Isobutan
C
CH3 CH2
CH3
H3C
H
C
CH3 CH3
CH3
Isopentan
Neopentan
H3C
C
CH3 CH2
CH3
C
CH3
H
Isooctan
Im allgemeinen kann man 2-Methylalkane als Isoalkane bezeichnen, wobei man das Kohlenstoffatom der Seitenkette mitrechnet und nach der Vorsilbe iso- den Namen des n-Alkans nennt, das die gleiche Anzahl von C-Atomen hat. Die Vorsilbe iso- wird aber auch für andere Verbindungen benutzt, wie das Beispiel des Isooctans zeigt, bei dem es sich um das 2,2,4-Trimethylpentan handelt.
2.2 Homologe Reihen der Alkane Eine homologe Reihe liegt dann vor, wenn die Glieder dieser Reihe, die Homologen (griech. homos = dasselbe), der gleichen allgemeinen Formel entsprechen, die gleichen Strukturmerkmale aufweisen und die benachbarten Glieder sich nur durch die Gruppe -CH2 unterscheiden. Die Strukturmerkmale der homologen Reihe der n-Alkane sind: eine unverzweigte Kohlenstoffkette und die Verknüpfung der Kohlenstoffatome mit Einfachbindungen. Schreibt man für die Methylgruppen in den verkürzten Strukturformeln der n-Alkane nicht, wie üblich, -CH3, sondern -CH2–H, so ist ersichtlich, daß sich die benachbarten Glieder dieser Reihe nur durch das Inkrement -CH2 (lat. incrementum = Zuwachs) unterscheiden: H– CH H– CH H– CH H– CH usw.
2– H
2 – CH 2 – H
2 – CH 2 – CH 2 – H
2 – CH 2 – CH 2 – CH 2 – H
Methan Ethan Propan Butan
2.4 Konformationen des Ethans und Butans
55
Auch bei den verzweigte Alkanen gibt es homologe Reihen. Eine solche homologe Reihe wäre z.B. die homologe Reihe der 2-Methylalkane. Sie entspricht der allgemeinen Formel CnH2n+2 und ihr Strukturmerkmal ist eine offene Kette mit einer Methylverzweigung am zweiten Kohlenstoffatom der Hauptkette, wobei die Kohlenstoffatome nur mit Einfachbindungen verknüpft sind. Eine weitere Homologenreihe bilden z.B. die 3-Methylalkane, die alle eine Methylverzweigung am dritten Kohlenstoffatom der Hauptkette aufweisen. R
CH
CH3
R
CH
CH3
CH2
CH3
CH3
2-Methylalkan
3-Methylalkan
Man kann ermessen, daß es bei den verzweigten Alkanen viele homologe Reihen geben kann.
2.3 Kettenisomere Als isomere Verbindungen werden solche angesehen, die die gleichen Atome in gleicher Anzahl aufweisen, sich jedoch in der Anordnung der Atome im Molekül unterscheiden. Sie haben die gleichen Summenformeln, jedoch unterschiedliche Strukturformeln. Die Verbindungen CH3 H3C
CH2
CH2
CH2
CH3
H3C
C
CH3 CH2
CH3
H
n-Pentan
Isopentan
H3C
C
CH3
CH3
Neopentan
haben alle die gleiche Summenformel, nämlich C5H12, sie unterscheiden sich aber in ihrer Struktur: sie besitzen andere Seitenketten und ein anderes Kohlenstoffskelett. Man bezeichnet sie deshalb als Skelett- oder Kettenisomere und ordnet sie den Konstitutionsisomeren zu (siehe auch Abschnitt 1.6 „Die Strukturformel“). In den Konstitutionsisomeren haben die Verbindungen die gleiche Summenformel, ihre Atome sind jedoch untereinander unterschiedlich verknüpft.
2.4 Konformationen des Ethans und Butans 2.4.1 Konformation des Ethans In den Alkanen sind die Kohlenstoffatome um die C–C-σ-Bindung frei drehbar. Im Ethan können deshalb durch Drehung (Torsion) um die C–C-Bindung die an das eine C-Atom gebundenen drei Wasserstoffatome zu den drei am anderen C-Atom gebundenen Wasserstoffatomen verschiedene räumliche Stellungen einnehmen. Räumliche Anordnungen von Atomen oder Gruppen im Molekül, die durch einfache Drehung der Kohlenstoffatome um die C–C-σ-Bindung zustande kommen, bezeichnet man als Konformationen.
56
2 Alkane
Bei der Rotation eines C-Atoms um die C–C-Bindung wird im Ethan eine Konformation erreicht, in der die an beide C-Atome gebundenen Wasserstoffatome in nächster Nähe zueinander stehen. Betrachtet man das in Bild 2.1 gezeichnete Molekülmodell, erkennt man, daß bei Ausrichtung der C–C-Einfachbindung in Blickrichtung die drei rückwärtigen Wasserstoffatome von den vorderen verdeckt sind, also genau hintereinander stehen. Diese Konformation wird als ekliptisch (engl. eclipsed = verdeckt) oder auch als Deckungsform bezeichnet. Bei weiterer Drehung des C-Atoms um einen Torsionswinkel von 60° nimmt das Ethanmolekül eine Konformation ein, in der die Wasserstoffatome voneinander am weitesten entfernt sind und die Wasserstoffatome am rückwärtigen C-Atom zu jenen, die sich am vorderen C-Atom befinden, auf Lücke stehen. Sie wird als gestaffelt bezeichnet (englisch: full staggered, von to stagger = gestaffelt, versetzt anordnen). Zwischen diesen beiden Extremkonformationen des Ethans kann das Molekül durch Drehen um die C–C-Einfachbindung unendlich viele Zwischenkonformationen durchlaufen, die man als schiefe Konformationen oder skew-Konformationen zusammenfaßt. Die durch Drehung um die C–C-Einfachbindung bei verschiedenen Torsionswinkeln (Drehwinkeln) erhaltenen Konformationsisomere werden als Konformere oder Rotamere bezeichnet. Für die Veranschaulichung der räumlichen Anordnung bedient man sich der SägebockProjektion (Sägebock, englisch: sawhorse) oder der Newman-Projektion. In der Sägebock-Projektion wird die C–C-Bindung schräg nach hinten abgebildet. Das Symbol C für die beiden mit dieser Bindung miteinander verknüpften C-Atome wird nicht geschrieben. Bei der Newman-Projektion stellt man sich vor, daß die C–C-Bindung in Blickrichtung orientiert wird, wobei das rückwärtige Kohlenstoffatom in Deckung ist, so daß zur Darstellung der Kohlenstoffatome nur ein Kreis gezeichnet wird. Die Bindungen des vorderen Kohlenstoffatoms werden so eingezeichnet, daß sie auch im Inneren des Kreises sichtbar sind, die Bindungen am rückwärtigen Kohlenstoffatom sind nur außerhalb des Kreises sichtbar. Konformation
Modellansicht
Sägebockprojektion
Newman-Projektion
H H H
H
H
H
H
H
H
H
gestaffelt
H H
H H
H
ekliptisch
HH
H
H H
H
H
H H
Bild 2.1
Die ekliptische und gestaffelte Konformation des Ethans in der Sägebock-Projektion und der Newman-Projektion
2.4 Konformationen des Ethans und Butans
57
Die Wasserstoffatome im Ethan stoßen sich gegenseitig ab. Dies ist auf nichtbindende intramolekulare Wechselwirkungen zurückzuführen. Nichtbindend heißt in diesem Falle, daß die Wechselwirkungen nicht über die Bindungen vermittelt werden, und intramolekular heißt, daß die Wechselwirkungen innerhalb des Moleküls wirksam sind. In der ekliptischen Konformation, in der die an den beiden Kohlenstoffatomen des Ethans gebundenen Wasserstoffatome in Deckung sind, befinden sie sich zueinander in der kürzesten Entfernung. In dieser Konformation machen sich die abstoßende Kräfte besonders bemerkbar, und im Molekül tritt durch sie eine Spannung auf, die als Pitzer-Spannung bezeichnet wird. Die potentielle Energie des Systems ist deshalb am größten in der ekliptischen Konformation, sie nimmt bei einer weiteren Drehung um die C–C-σ-Bindung ab, bis sie mit der gestaffelten Form ein Energieminimum erreicht. Bei einer Drehung von der gestaffelten über die unendlich vielen Anordnungen skew zur ekliptischen Konformation muß ein bestimmter Energiebetrag aufgewendet werden, die Rotationsenergie. Diese beträgt beim Ethan 12,6 kJ/mol. Die Methylgruppen im Ethan können frei um die C–C-Bindung rotieren, da die Rotationsenergie bei Zimmertemperatur durch Übertragung von kinetischer Energie beim Zusammenstoß von Molekülen aufgebracht wird. Die Rotameren des Ethans lassen sich bei Zimmertemperatur deshalb nicht isolieren. Die Unterschiede in den potentiellen Energien der Rotamere des Ethans lassen sich graphisch in einem Energiediagramm veranschaulichen, wobei die potentielle Energie auf der einen und der Torsionswinkel auf der anderen Achse aufgetragen werden. Die gestaffelte Konformation ist von allen Konformationen des Ethans am energieärmsten, so daß bei Zimmertemperatur die meisten Ethanmoleküle in dieser Konformation vorliegen. ekliptisch H HH
H
H
HH
H
H
H
HH
H
H
H
H
H
0°
60° 120° Torsionswinkel [°]
H
H
H
H H
gestaffelt 180°
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
Energie [kJ/mol]
12,6 kJ/mol
gestaffelt
Bild 2.2
H
H
H HH
H
ekliptisch
H
H
ekliptisch
ekliptisch
gestaffelt 240°
300°
360°
Unterschiede der potentiellen Energie der Konformere des Ethans
H
58
2 Alkane
2.4.2 Konformationen des Butans Betrachtet man das Molekülmodell des Butanmoleküls so, daß die C–C-Bindung des 2. und 3. Kohlenstoffatoms in Blickrichtung liegt und dreht dann eines dieser beiden Kohlenstoffatome um die mittlere C–C-σ-Bindung, so kann man viele Konformationen erkennen. Befinden sich die beiden Methylgruppen des Butanmoleküls in Deckung, ist die Konformation synperiplanar. Da die Methylgruppen sich untereinander stärker abstoßen als die Wasserstoffatome, ist dies die energiereichste Konformation des Butans. Bei weiterer Drehung im Uhrzeigersinn nehmen die abstoßenden Kräfte etwas ab und erreichen bei einem Torsionswinkel von 60° ein Zwischenminimum an potentieller Energie mit der synclinalen Konformation. Beim weiteren Drehen des Kohlenstoffatoms um die C–C-σ-Bindung nehmen die Abstoßungskräfte wieder zu. Nach einer Drehung um 120° befindet sich das Butanmolekül in der anticlinalen Konformation, wobei sich die Methylgruppen mit Wasserstoffatomen in Deckung befinden und ein Zwischenmaximum an potentieller Energie erreicht wird. Bei weiterer Drehung nimmt die Abstoßungskraft wieder ab, bis das Butanmolekül schließlich in der antiperiplanaren Konformation die von allen Konformationen des Butans niedrigste potentielle Energie erreicht. In dieser Konformation sind die beiden Methylgruppen am weitesten voneinander entfernt, so daß die abstoßenden Kräfte sich am wenigsten auswirken können, die Pitzer-Spannung also am geringsten ist. Die Unterschiede der potentiellen Energie in Abhängigkeit von der Konformation des Butanmoleküls zeigt Bild 2.3. Bei Zimmertemperatur überwiegt im Butan zu etwa 80 % die antiperiplanare Struktur, das synclinale Konformere ist das zweithäufigste Konformere. synperiplanar
H3C H
H
H
Energie [kJ/mol]
H
H
H3 H3C C
CH3
H
H
synperiplanar
H
CH3
H3C H
H
H
H
18,0 kJ/mol
10,4 kJ/mol
H3C H3C
H
H 14,2 kJ/mol
3,8 kJ/mol
H
H
0°
60° 120° Torsionswinkel [°] Konformere des Butans
H
CH3
H
antiperiplanar 180°
H
H
H H
H3C
H
H
CH3
H
H3C
synclinal
Bild 2.3
anticlinal
H
CH3
H3C H H
anticlinal
synclinal 240°
300°
360°
2.5 Physikalische Eigenschaften der Alkane
59
2.5 Physikalische Eigenschaften der Alkane In den Alkanen sind sowohl die C–H- als auch die C–C-σ-Bindungen unpolar. Darum gibt es in den Alkanmolekülen keine Dipole, so daß ihr Zusammenhalt im Kristall oder in der Flüssigkeit nur durch Dispersionskräfte (London-Kräfte) gegeben ist. Dispersionskräfte sind schwache Anziehungskräfte, die im wesentlichen aus dem Wechsel der relativen Kern- und Elektronenkonfigurationen resultieren. Im weiteren diene das Bohrsche Atommodell dazu, zu erläutern, wie diese Dispersionskräfte zustandekommen. Das Atommodell geht von der Vorstellung aus, daß die Elektronen sich mit hoher Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn um den im Zentrum befindlichen positiven Atomkern bewegen. Die Ladungsverteilung im Atom ist im Mittel symmetrisch, wobei beide Ladungen ihren Schwerpunkt im Zentrum haben. Bei einer Abweichung des Atomkerns von der Mittellage oder einem kurzzeitigen Ausscheren der Elektronen von der gegebenen Kreisbahn fallen die Ladungsschwerpunkte nicht mehr zusammen. Die Ladungsverteilung ist unsymmetrisch, wodurch im Atom ein momentaner Dipol entsteht. Durch Anziehung mit dem positiven Dipolende oder Abstoßung mit dem negativen Dipolende wird auch bei den Elektronen des Nachbaratoms eine Abweichung von der Flugbahn verursacht, so daß auch bei diesem vorübergehend ein Dipol vorliegt. Dies führt zu einer schwachen Wechselwirkung zwischen beiden Atomen, ihre Dipole ziehen sich mit den ungleichnamigen Ladungen gegenseitig an. Diese als Dispersionskräfte bezeichneten schwachen Anziehungskräfte haben nur eine geringe Reichweite, denn die Anziehungskraft F zwischen dem kurzzeitigen Dipol und dem induzierten (angeregten) Dipol ist umgekehrt proportional zu der sechsten Potenz ihres Abstandes r: F ~ 1 / r6 Deshalb sind sie nur zwischen direkt benachbarten Atomen oder Molekülen wirksam. Je mehr Atome sich im Molekül befinden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß im gegebenen Moment ein kurzzeitiger Dipol entsteht, der beim Nachbaratom einen Dipol induziert. Die Anziehungskraft beträgt pro Methyleneinheit (CH2–) etwa 4 bis 6 kJ/mol. Die Zunahme der molaren Masse und damit auch der Dispersionskräfte führt zu höheren Schmelz- und Siedetemperaturen und zu höheren Dichten der Alkane. Die ersten vier Homologen der n-Alkane vom Methan (CH4) bis Butan (C4H10) sind bei Zimmertemperatur (20°C) gasförmig, n-Pentan (C5H12) bis n-Hexadecan (C16H34) sind flüssig, und die weiteren n-Alkane sind fest. -
e
+
e
δ-
-
+ δ+
symmetrische unsymmetrische Ladungsverteilung
Bild 2.4 Kurzzeitiger Dipol als Folge einer Bewegung des Atomkerns oder eines Ausscherens des Elektrons aus seiner Bahn
2 Alkane
340 320 300 280 260 240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 -20 -40 -60 -80 -100 -120 -140 -160 -180
Siedetemperaturen bei 1013 mbar
343 330
317 303
280 268 251 230 216 196 174 151
Dichte bei 20 °C
126
0,80
0,777 0,776 0,768 0,756 0,774 0,776 0,763 0,75 0,740 0,748 0,718 0,730 28 36,4 0,70 0,703 18 0,684 32 5,9 10 22 0,660 0,65 -5,5 -9,6 Schmelz-25,6 -29,7
98 69 36 -0,5
temperaturen
-42
-56,8
-53,5
0,557
-89
-95,3
-90,6
0,60 0,55
-129,8
-138 -164 -183 -182
-187,7
Dichte [g/ml]
Temperatur [°C]
60
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Anzahl der Kohlenstoffatome Bild 2.5
Zunahme der Dichte, der Schmelz- und Siedetemperaturen mit der Kettenlänge der n-Alkane
Dichte-Werte der Alkane. Je länger die Kohlenstoffkette ist, desto stärker sind die zwischen den Molekülen der Alkane wirksamen Dispersionskräfte. Mit Zunahme der Anziehungskräfte werden die Moleküle dichter zusammengefügt. Liegt bei den n-Alkanen eine längere Kohlenstoffkette vor, nimmt die Dichte zu, bis ein bestimmter Limitwert erreicht wird, wo eine dichtere Packung infolge der Abstoßungskräfte der Elektronenhüllen nicht mehr möglich ist. Die Werte für die Dichte einiger n-Alkane sind aus Bild 2.5 zu ersehen.
2.5 Physikalische Eigenschaften der Alkane
Bild 2.6
61
Kristallgitter des n-Hexans
Schmelztemperaturen der Alkane. Die Alkane sind nichtionische Verbindungen, deren Atome durch kovalente Bindungen verknüpft sind. Die Kristalle setzen sich aus Molekülen zusammen, die alleine durch Dispersionskräfte im Kristallverband zusammengehalten werden. Die Moleküle der n-Alkane sind im Kristall dicht gepackt. Die langgestreckten Kohlenstoffketten kann man sich nebeneinander geschlichtet (ähnlich den Sardinen in der Sardinenbüchse) vorstellen, wie dies in Bild 2.6 veranschaulicht wird. Die Moleküle haben in dieser dichten Packung nur eine beschränkte Bewegungsmöglichkeit. Beim Zuführen von Wärme nimmt die Eigenbewegung der Moleküle zu, die Bewegungsenergie überwindet die schwachen Dispersionskräfte, und das Kristallgitter fällt zusammen, der Kristall schmilzt. Da die Alkanmoleküle im Kristall nur durch schwache Dispersionskräfte zusammengehalten werden, sind die Schmelztemperaturen – verglichen mit ionischen Verbindungen – relativ niedrig. Die Dispersionskräfte sind mit Zunahme der Kettenlänge der Kohlenstoffkette stärker, so daß die höheren Homologen der n-Alkane auch eine höhere Schmelztemperatur aufweisen. Schmelz- und Siedetemperaturen sowie Dichten sind Stoffkonstanten, man kann Reinstoffe mit ihrer Hilfe identifizieren. Bei den Schmelztemperaturen der n-Alkane kann man feststellen, daß ihre Zunahme mit steigendem Molekulargewicht nicht in regelmäßigen Intervallen erfolgt. Die Packungsvoraussetzungen im Kristall sind für gerade und ungerade n-Alkanketten unterschiedlich, so daß die Schmelztemperaturen mit wachsender Kohlenstoffkette alternieren. Die Packungsvoraussetzungen im Kristall sind auch für verzweigte Alkane schlechter als für n-Alkane. Deshalb weisen verzweigte Alkane eine niedrigere Schmelztemperatur auf. Symmetrische, verzweigte Alkane bilden jedoch leicht regelmäßige Kristallgitter aus und haben deshalb relativ hohe Schmelztemperaturen. Die Siedetemperaturen der Alkane. In den flüssigen Alkanen sind die Moleküle nicht so systematisch angeordnet wie im festen Zustand, und ihre Bewegungsfreiheit ist größer. Jedes Alkanmolekül ist jedoch noch von anderen umgeben und die Moleküle ziehen sich gegenseitig mit Dispersionskräften an. Mit Zunahme der Temperatur nimmt auch die Eigenbewegung der Moleküle zu. Bei genügend hoher Temperatur reicht die thermische Bewegung
62
2 Alkane
der Moleküle aus, die zwischenmolekularen Kräfte, die sie in der Flüssigkeit zusammenhalten, zu überwinden, und sie gehen im gesamten Flüssigkeitsvolumen in die Gasphase über, die Flüssigkeit siedet. Die Zunahme der molaren Masse der Alkane und die sich damit stärker auswirkenden Dispersionskräfte erfordern beim Übergang von der flüssigen Phase in die Gasphase mehr Energie, was mit einem Anstieg der Siedetemperaturen verbunden ist. Die verzweigten Alkane haben, verglichen mit den n-Alkanen mit gleicher Anzahl der C-Atome, niedrigere Siedetemperaturen. Die Löslichkeit in Alkanen. Ionische Verbindungen können in Alkanen nicht gelöst werden. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, daß die starken Kräfte, die den Zusammenhalt im Ionengitter bedingen, um vieles größer sind, als die zwischen Alkanmolekülen und Ionen wirkenden zwischenmolekularen Kräfte. Die Ionen können also von den Alkanen nicht aus dem Kristallgitter herausgelöst werden. In Feststoffen mit unpolaren oder nur mäßig polaren Substanzen sind die Kräfte, die die Moleküle zusammenhalten, von gleicher Größenordnung wie die Kräfte, die zwischen den im Feststoff befindlichen Molekülen und den Alkanmolekülen in der Flüssigkeit wirksam sind. Unpolare oder nur mäßig polare Substanzen können deshalb mit Alkanen als Lösungsmittel aus ihrem Kristallverband herausgelöst werden. Auch bei den Alkanen gilt die Faustregel „similia similibus solvuntur“, d.h. Gleiches löst Gleiches. In flüssigen Alkanen lassen sich z.B. feste Alkane, Fette oder Wachse gut lösen. Die hydrophoben Eigenschaften der Alkane. Hydrophob bedeutet wasserabweisend. Schüttelt man flüssige Alkane mit Wasser, trennen sich beide Flüssigkeiten sofort wieder, und es liegen zwei flüssige Phasen mit einer gut sichtbaren Phasengrenze vor. Die Alkane bilden, infolge ihrer kleineren Dichte, die obere Phase. Zwischen den Wassermolekülen treten auf Grund des vorhandenen Dipols starke Anziehungskräfte auf, und sie sind durch Wasserstoffbrücken untereinander verbunden. Dies bewirkt, daß die Alkanmoleküle, die nur mit schwachen Dispersionskräften wirken, nicht in die wäßrige Phase eindringen können. Ein Tropfen Wasser wird nach Auftreffen auf eine Alkanunterlage nicht zerfließen, da die den Zusammenhalt der Wassermoleküle bewirkenden Kräfte weit größer sind als die Kräfte, die zwischen den Alkan- und Wassermolekülen auftreten.
2.6 Vorkommen der Alkane Methan kommt als Hauptkomponente im Erdgas vor. Daneben ist in diesem noch Ethan und auch etwas Propan und Butan enthalten (durchschnittlich in Volumenprozenten: 86,3% Methan, 9,6% Ethan, 3% Propan und 1,1% Butan). Methan entsteht auch bei Fäulnisprozessen im Schlamm von Teichen oder in Sümpfen und wird daher auch als „Sumpfgas“ bezeichnet. In Steinkohlengruben kann es als „Grubengas“ mit Luft vermischt durch Funkenschlag oder durch eine offene Flamme eine Explosion („schlagende Wetter“) auslösen. Bei der Bioaufbereitung pflanzlicher Abfälle entsteht durch Einwirkung von Mikroorganismen ebenfalls Methan. Im Erdöl sind Alkane in großen Mengen enthalten, wobei n-Alkane bei weitem überwiegen. Die n-Alkane stellen ein komplexes Gemisch dar, vom Methan bis zu Alkanen mit sehr langen Kohlenstoffketten (z.B. C40).
Prozentualer Gewichtsanteil
2.7 Synthese der Alkane
63
80 % 70 60 50 40 30 20 10 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Anzahl der C-Atome im n- Alkan Bild 2.7
Zusammensetzung der n-Alkane im Kutikularwachs der Conference-Butterbirne
Im Montanwachs, einem aus bituminöser Braunkohle erhaltenen Extrakt, befinden sich nAlkane von C21–C31, wobei die n-Alkane mit ungerader Anzahl der C-Atome überwiegen (im böhmischen Montanwachs: C27 – 14 %, C29 – 39 % und C31 – 27,5 %). Im Cuticularwachs an der Oberfläche von Blättern, Blüten und Früchten sind ebenfalls (bis zu 40%) Alkane enthalten (C16–C33). Das Wachs verhindert einen zu großen Wasserverlust der Pflanze durch Abgabe von Wasserdampf (Transpiration). Im Alkananteil des Cuticularwachses sind hauptsächlich n-Alkane vertreten. Verzweigte Alkane kommen darin nur in Spuren vor. Die n-Alkane mit ungerader Anzahl der C-Atome überwiegen gegenüber den geradzahligen Homologen beträchtlich. Man kann dies durch die Biosynthese der Alkane in der Pflanze erklären, wobei man annimmt, daß die n-Alkane durch Decarboxylierung (Abspaltung von CO2) geradzahliger höherer Carbonsäuren entstehen.
2.7 Synthese der Alkane Von einer Synthese spricht man, wenn man die gewünschte Verbindung durch eine chemische Reaktion aus einer anderen Verbindung herstellt. Dies kann im Laboratorium in Milligramm- oder Grammengen geschehen. Im Gegensatz dazu werden Stoffe in der chemischen Industrie in Tonnenmengen produziert, wobei technische, ökonomische, ökologische und andere Gesichtspunkte beachtet werden müssen. Im technischen Maßstab werden Alkane keineswegs synthetisch gewonnen, sie liegen in Erdölfraktionen in Form von Gemischen vor und werden, da eine Isolierung individueller Alkane für die industrielle Verwertung
64
2 Alkane
nicht notwendig ist, nach einer groben Fraktionierung durch die fraktionierte Destillation und nach einer Raffination (Reinigungs- und Veredelungsprozeß) der weiteren Verarbeitung zugeführt, z.B. für die Synthese langkettiger Sulfonsäuren, deren Salze als Textilhilfsmittel und Waschmittel Verwendung finden.
2.7.1 Darstellung der Alkane durch katalytische Hydrierung Mit Hilfe von Platin- oder Palladiumkatalysatoren sowie mit Raney-Nickel kann eine Anlagerung von Wasserstoff an Mehrfachbindungen erfolgen. Dieser Vorgang wird als katalytische Hydrierung bezeichnet. Alkene und Alkine werden bei der katalytischen Hydrierung zu Alkanen umgesetzt. R
H C
+
C
H
H2
R'
Alken
Pt
R
H
H
C
C
H
H
R'
Alkan
Der Palladium-Katalysator kommt gewöhnlich feinverteilt auf Aktivkohle zum Einsatz. Für die Hydrierung mit einem Platinkatalysator verwendet man im Labor in der Regel Platinoxid nach Adams, das aus Hexachloroplatinsäure (H2PtCl6) durch Verschmelzen mit NaNO2 erhalten wird. In Gegenwart von Wasserstoff wird es zu feinverteiltem Pt reduziert. Raney-Nickel wird aus einer Aluminium-Nickel-Legierung gewonnen, die man, fein zermahlen, mit konz. Natronlauge reagieren läßt, worauf man das Natriumaluminat herauswäscht. Der in feingekörnter Form zurückbleibende Nickel besitzt die für eine katalytische Wirksamkeit erforderliche große Oberfläche. Raney-Nickel ist pyrophor (entzündet sich an der Luft) und wird deshalb unter Wasser aufbewahrt. Die Hydrierung mit Raney-Nickel benötigt gewöhnlich schwachen Überdruck (3–7 bar) und gegebenenfalls auch eine höhere Temperatur, während sie mit Pt- oder Pd-Katalysator schon bei normalem Druck und Zimmertemperatur erfolgt. 2.7.1.1 Kohlehydrierung Großtechnisch kann man Kohlenwasserstoffe mit einem hohen Alkananteil durch Hydrierung mit Hilfe des Bergius- oder des Fischer-Tropsch-Verfahrens aus Braunkohle gewinnen. Im 2. Weltkrieg wurde in Deutschland der Benzinbedarf durch Produktion aus Kohle in riesigen Hydrierwerken nach diesen Verfahren gedeckt. Heute gewinnt man das Benzin aus Erdöl, weil es, auch bei inzwischen gestiegenen Erdölpreisen, immer noch billiger ist. Beim Bergius-Verfahren wird die Kohle in Öl fein zerrieben und mit 2% Eisenkatalysator versetzt. In einem Anmaischbehälter wird die Kohle dann mit Anreibeöl, einem Gemisch aus Mittel- und Schweröl (im Verhältnis 2:3), versetzt und mit Wasserstoff unter Druck (300 bar) auf 380°C und später im Reaktor auf 425°C erhitzt. Bei der Fischer-Tropsch-Synthese wird die Kohle nicht direkt hydriert, vielmehr wird durch wechselnde Einwirkung von Wasserdampf und Luft auf glühende Kohle diese zunächst in Synthesegas umgewandelt, das H2 und CO enthält. Das Gasgemisch H2/CO wird im Verhältnis 2:1 mit heißem Reaktionsgas vorgewärmt, in den Reaktor geleitet, wo bei 220°C in Gegenwart eines alkalisierten Eisen-
2.7 Synthese der Alkane
65
katalysators unter einem Druck von 25 bar die Hydrierung erfolgt, aus der Kohlenwasserstoffe resultieren. In der Alkanfraktion befinden sich etwa 91% n-Alkane. Prozentual verteilen sich die Produkte wie folgt: 6% Flüssiggas, 33% Benzin, 17% Schweröl, 10% Mittelparaffin, 18% Hartparaffin und 4% Alkohole. Mit Hilfe dieses Verfahrens wird auch heute noch in Südafrika Benzin aus Kohle gewonnen. Die beiden genannten Verfahren dürften künftig, bei knapper werdender Erdölversorgung, wieder Bedeutung erlangen.
2.7.2 Alkane aus Alkylhalogeniden Als Alkylhalogenide oder Halogenalkane werden acyclische Verbindungen mit der allgemeinen Formel R–X bezeichnet, wobei X für Fluor, Chlor, Brom oder Iod steht. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß Fluoralkane wegen ihrer Reaktionsträgheit in diesem Falle nicht als Edukte (Ausgangssubstanzen für die Reaktion) dienen. Die Reaktionsträgheit der Fluoralkane ist auf die Bindungsstärke der C–F-Bindung zurückzuführen. Die σ-Bindung zwischen C-Atom und Halogenatom kommt durch Überlappung des sp3-Orbitals des C-Atoms und des p-Orbitals des Halogenatoms zustande. Die Größe des p-Orbitals nimmt vom F zum I zu, die Elektronenwolke ist diffuser, die Überlappung mit dem sp3-Orbital geringer und die C–XBindung daher schwächer. 2.7.2.1 Die Wurtz-Synthese Man läßt Alkylbromide oder Alkyliodide mit metallischem Natrium reagieren, wobei eine Kopplung zweier Alkylreste stattfindet: 2 R − X + 2 Na → R − R + 2 NaX
Die Reaktion verläuft über eine metallorganische Zwischenstufe: R − X + 2 Na → R − Na + NaX R − Na + X − R → R − R + NaX
X = Br oder I
Die Wurtz-Fittig-Synthese dient zur Darstellung von aromatisch-aliphatischen Verbindungen, wobei man ein Arylhalogenid (als Aryl bezeichnet man im allgemeinen einen aromatischen Rest, Abkürzung Ar) und ein Alkylhalogenid mit Natrium reagieren läßt: Ar − X + X − R + 2 Na → Ar − R + 2 NaX
2.7.2.2 Alkane aus Grignardverbindungen Als Grignardverbindungen werden Verbindungen vom Typ RMgX bezeichnet. Man stellt sie her, indem man zu in Ether befindlichen Magnesiumspänen langsam unter Rückfluß ein Alkylhalogenid zutropfen läßt. Ether
R − X + Mg ⎯⎯⎯ ⎯→ R − Mg − X
X = Cl, Br oder I
Der wasserfreie Ether dient als Lösungsmittel. Er bildet mit der Grignardverbindung einen Komplex (ein Etherat). Hierbei wird dem Mg von den Sauerstoffatomen zweier Ether-
66
2 Alkane
moleküle je ein freies Elektronenpaar für eine koordinativ kovalente Bindung zur Verfügung gestellt. Das Mg füllt auf diese Weise sein Elektronenoktett auf: H5C2
C2H5 O
R
Mg
X
+
2
H5C2
O
C2H5
R
Mg
X
O H5C2
C2H5
Die Grignardverbindungen können sehr vielseitig für Synthesen eingesetzt werden. Durch Reaktionen mit Verbindungen, die Protonen abspalten können, z.B. mit Alkoholen, Wasser oder Säuren, entstehen aus den in Ether gelösten Grignardverbindungen entsprechende Alkane: Ether
R − Mg − X + H − O − R' ⎯⎯⎯ ⎯→ R − H + Mg (OR' ) X
Die Reaktion ist exotherm, und es ist wegen des niedrigen Siedepunktes des Ethers angezeigt, z.B. Wasser nicht direkt zuzutropfen, sondern es mit Ether zu schütteln und die mit Wasser gesättigte Etherphase zuzugeben. 2.7.2.3 Reduktion von Alkylhalogeniden Die Reduktion von Alkylhalogeniden kann durch Einwirkung von Zink und Mineralsäuren erfolgen, R − X + Zn + 2 HCl → R − H + HX + ZnCl2
oder mit Hilfe von komplexen Metallhydriden, z.B. mit Lithiumaluminiumhydrid (LiAlH4). 4 R − X + LiAlH4 → 4 R − H + LiX + AlX3
X = Cl, Br oder I
2.7.3 Alkane aus Alkalisalzen der Carbonsäuren Anmerkung: Alkalisalze der Carbonsäuren haben die allgemeine Formel O R
C O
Me
mit Me = Li, Na, K
2.7.3.1 Die Alkalischmelze Bei starkem Erhitzen eines Gemisches, bestehend aus dem Alkalisalz einer Carbonsäure und fein zerriebenem Ätznatron oder Ätzkali, wird ein Alkan gebildet:
2.8 Reaktionsgleichung und Reaktionsmechanismus O R
+
C
Δ
NaO H
R
67
H
+ Na2CO3
Na
O
Das Symbol Δ über dem Reaktionspfeil bedeutet starkes Erhitzen. 2.7.3.2 Die Kolbe-Elektrolyse Eine konzentrierte wäßrige oder methanolische Lösung der Alkalisalze der Carbonsäuren wird bei hohen Stromdichten elektrolysiert, wobei an der Anode ein Alkan entsteht. Na
2 RCOO
+ 2 H2O
Elektrolyse
R
R + 2 CO2
+
Anode
2 NaOH + H2 Kathode
Reaktionsmechanismus: Die Reaktion verläuft radikalisch. Zunächst wandert das Carboxylation RCOO– zur Anode und gibt dort ein Elektron ab. Das entstandene Carboxylradikal decarboxyliert, und die dabei gebildeten Alkylradikale rekombinieren. Anode O R
O
C
R
+
C
O
e
O
Carboxylradikal O R
C
+
R
O
C
O
O
Alkylradikal Erläuterungen der Symbole:
R
+
R
R
R
e
= Elektron = ungepaartes Elektron des Radikals = Elektronenpaar der kovalenten Bindung = homöopolare Spaltung der kovalenten Bindung
2.8 Reaktionsgleichung und Reaktionsmechanismus Bei der Reaktionsgleichung (abgekürzt RG) stehen links vom Reaktionspfeil die miteinander reagierenden Ausgangsstoffe, die als Edukte oder Reaktanten bezeichnet werden, und rechts davon die Produkte, das sind die Stoffe, die bei der Reaktion gebildet werden. AB
+ Edukte
CD
AC
+
BD
Produkte
68
2 Alkane
Zum Unterschied von der Reaktionsgleichung, die global nur die Edukte und die aus der Gesamtreaktion resultierenden Produkte nennt, werden im Reaktionsmechanismus (abgekürzt RM) die einzelnen Teilschritte der Reaktion aufgeführt. Der Reaktionsmechanismus zeigt, wie die Umbildung der Edukte über verschiedene Intermediärstufen (Zwischenstufen) zu Endprodukten erfolgt. Dieser Reaktionsweg wird gekennzeichnet durch mehr oder weniger stabile Zwischenprodukte, die gegebenenfalls auch isolierbar sind, oder dadurch, daß instabile Übergangszustände durchlaufen werden. Der Reaktionsmechanismus ermöglicht ein tieferes Verständnis des Reaktionsablaufes.
2.9 Reaktionen der Alkane In Alkanen sind sowohl die C–H- als auch die C–C-σ-Bindungen unpolar. Die Alkanmoleküle bieten Ladungsträgern keine Angriffsstellen, so daß Alkane auch nicht mit Verbindungen reagieren, die für den Reaktionsablauf einen Ionenmechanismus voraussetzen, z.B. mit Säuren oder Laugen. Sie überstehen deshalb unverändert eine Behandlung mit konz. Schwefelsäure, Salpetersäure, konz. Natronlauge und lassen sich auch mit Kaliumdichromat oder Kaliumpermanganat bei mäßig hohen Temperaturen nicht oxidieren. Alkane werden deshalb mit dem Etikett „reaktionsträge“ versehen. Die im Handel und in der Technik noch gebräuchliche Bezeichnung Paraffin für Alkane ist auf ihre Reaktionsträgheit gegenüber solchen Reagenzien zurückzuführen. Der Name Paraffin stammt vom lateinischen parum affinis, das mit „wenig verwandt“ übersetzt werden kann, womit man zum Ausdruck bringen will, daß diese Stoffgruppe sich mit anderen Stoffen nicht umsetzt. Die Reaktionsträgheit der Alkane bezieht sich aber nur auf Reaktionen, die nach einem Ionenmechanismus erfolgen. Es wäre um die chemische Industrie schlecht bestellt, wenn die Alkane so inert wären und sich nicht chemisch umsetzen ließen. Schließlich bildet Erdöl, das einen hohen Alkananteil enthält, heute die Rohstoffbasis für die industrielle Erzeugung der meisten organisch-chemischen Produkte. Auch unsere Alltagserfahrung lehrt uns, daß Alkane nicht inert sind und mit dem Sauerstoff der Luft reagieren: eine brennende Paraffinkerze gibt darüber Aufschluß; und wer wollte es schließlich bezweifeln, daß Heizöl oder Benzin, die beide einen hohen Alkananteil aufweisen, brennen? Die Alkane sind also chemisch reaktiv, aber diese Reaktivität bezieht sich auf Reaktionen, die nach einem Radikalmechanismus ablaufen. Diese Reaktionen werden eingeleitet durch die homöopolare Spaltung einer Bindung. Von den zwei Elektronen der Bindung behält bei der Spaltung jeder Bindungspartner ein Elektron: X
Y
X
+
Y
Die Produkte dieser Spaltung, die ein ungepaartes Elektron aufweisen (durch einen Punkt veranschaulicht), werden als Radikale bezeichnet. Einen Hinweis auf radikalische Reaktionen geben die Reaktionsbedingungen: z.B. ein erforderliches Erhitzen des Reaktionsgemisches auf höhere Temperaturen, Bestrahlen des Reaktionsgemisches mit energiereichem Licht oder die Gegenwart von Verbindungen, die leicht in Radikale zerfallen (z.B. Dialkylperoxide R–O–O–R).
2.9 Reaktionen der Alkane
69
2.9.1 Chlorierung und Bromierung der Alkane 2.9.1.1 Die Chlorierung des Methans Chlor und Methan reagieren bei Erhitzen oder durch Bestrahlung mit UV-Licht, wobei die Wasserstoffatome im Methan durch Chloratome ersetzt werden. Hierbei entsteht ein Produktgemisch von Methylchlorid (CH3Cl), Methylenchlorid (CH2Cl2), Chloroform (CHCl3) und Tetrachlorkohlenstoff (CCl4): CH4 + Cl2 → CH3Cl + HCl
Monochlormethan (Methylchlorid ) CH3Cl + Cl2 → CH2Cl2 + HCl
Dichlormethan (Methylenchlorid) CH2Cl2 + Cl2 → CHCl3 + HCl
Trichlormethan (Chloroform ) CHCl3 + Cl2 → CCl4 + HCl
Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff ) Die Chlorierung des Methans ist eine exotherme Reaktion. Liegen die beiden Reaktionspartner in bestimmten Konzentrationsverhältnissen vor, kann die Reaktion explosionsartig verlaufen. Großtechnisch wird die Chlorierung des Methans in flüssiger Phase mit Quecksilbertauchlampen durchgeführt; in der Gasphase erfolgt sie bei 400–450°C und schwach erhöhtem Druck. Der prozentuale Anteil der vier Produkte kann durch die Wahl der Reaktionsbedingungen (molares Verhältnis der Edukte, Reaktionsdauer) variiert werden. Die Reaktionsprodukte sind aus dem Reaktionsgemisch leicht zu isolieren, da sie sehr unterschiedliche Siedetemperaturen haben (CH3Cl –23,7°C, CH2Cl2 40°C, CHCl3 61°C und CCl4 76,7°C). Methylchlorid findet vielfach Anwendung in der organischen Synthese (zur Methylierung von Alkoholen, Phenolen und Cellulose, Herstellung von Fluorchloralkanen usw.), Methylenchlorid, Chloroform und vor allem Tetrachlorkohlenstoff finden breite Anwendung als Lösungsmittel, wobei allerdings bei dieser Anwendung wegen ihrer Toxizität Schutzmaßnahmen zu beachten sind. Sie verursachen Blutschädigungen durch Einwirken auf die Leber mit Prothrombinmangel, der Blutgerinnungsstörungen als Folge hat. Für den Gebrauch der chlorierten Methane als Lösungsmittel ist es von Vorteil, daß diese nicht brennbar sind. Man verwendete früher Tetrachlormethan sogar als Füllung in Löschgeräten. Davon ist man jedoch abgekommen, da die chlorierten Methane in der offenen Flamme mit dem Sauerstoff der Luft zu Phosgen umgesetzt werden. Phosgen wurde im 1. Weltkrieg als Kampfgas eingesetzt. Cl C
O
Cl Phosgen
70
2 Alkane
2.9.1.2 Der Mechanismus der radikalischen Substitution (SR) Bei der Chlorierung des Methans werden in diesem Wasserstoffatome durch Chlor ersetzt. Man spricht deshalb von einer Substitutionsreaktion. Sie erfolgt nach einem radikalischen Reaktionsmechanismus, der als radikalische Substitution bezeichnet und mit dem Symbol SR abgekürzt wird. Die SR-Reaktionen verlaufen alle nach einem Schema, das drei Stufen der Reaktionsabfolge unterscheidet: 1. die Startreaktion (Initiation), wobei eine Verbindung in Radikale aufgespalten wird, welche die Reaktion einleiten. 2. Bei der Kettenfortpflanzung (Kettenpropagation) reagiert das eingebrachte Radikal mit dem Reaktionspartner, in aufeinanderfolgenden Teilreaktionen entsteht das Produkt unter Rückbildung des Radikals. Dieses kann wieder auf gleiche Weise mit dem Edukt reagieren, so daß ein cyclischer Ablauf vorliegt. Diese Reaktionscyclen können sich bis zur Kettenabbruch-Reaktion viele Male wiederholen (100 bis 1000 Cyclen). 3. Durch die Kettenabbruchreaktionen (Termination) wird die Kettenfortpflanzung abgebrochen. Die freien Radikale werden hierbei sozusagen „aus dem Verkehr gezogen“, indem sich zwei Radikale binden (Rekombination von Radikalen) oder eine Disproportionierung zweier Alkylradikale erfolgt, wobei ein Alkan und ein Alken entstehen. Disproportionierung:
R
R
H
H
C
C
H
H
C
C
H
H
H H
H C
C
R H
R
H
H
C
C
H
H
H
H
Bei der Rekombination zweier Radikale bringen beide ihr ungepaartes Elektron für eine σ-Bindung ein. Rekombination: R
+
R
R
R
Schließlich kann auch ein Radikal mit einem Molekül reagieren, wobei ein neues Radikal entsteht, das für die weitere Reaktionsfolge der Kettenfortpflanzung zu unreaktiv ist. Ein solches – als „Radikalfänger“ bezeichnetes – Molekül kann z.B. molekularer Sauerstoff sein, nach dessen Reaktion mit Radikalen die weniger reaktiven Peroxy-Radikale entstehen.
2.9 Reaktionen der Alkane
71
2.9.1.3 Reaktionsmechanismus der Chlorierung des Methans 1. Startreaktion. Die Chlorierung des Methans wird eingeleitet durch eine photolytische (durch Strahlungsenergie herbeigeführte) oder thermische (durch Erhitzen bewirkte) Spaltung des Chlormoleküls Cl2 in zwei Chloratome 2 Cl ·, welche ein einsames Elektron besitzen und somit Radikalcharakter haben. Cl
hν
Cl
+
Cl
Cl
Anmerkung: hν über dem Reaktionspfeil bedeutet Lichteinwirkung. 2. Kettenfortpflanzung. Die Kettenfortpflanzung beginnt mit der Reaktion des Chloratoms mit dem Methan, wobei über einen Übergangszustand H3C…H…Cl das Methylradikal H3C· gebildet wird. Dieses reagiert mit einem Chlormolekül, und es entsteht das Reaktionsprodukt CH3Cl und ein Chloratom. Das Chloratom kann mit einem Methanmolekül reagieren, so daß sich der ganze Vorgang wiederholt. H H
H
C
+
H
Cl
H
H
C
H
Cl
H
C
+
Cl
Cl
H
H
H
H
H
C
Cl
H
Cl
H Übergangszustand
HCl
+
C
H
Übergangszustand
H H
H
C
Cl
+
Cl
H
3. Kettenabbruchreaktionen. Der Abbruch der Kettenfortpflanzung erfolgt durch Rekombination Vereinigung bzw. Wiedervereinigung) von Radikalen, wobei sich zwei Radikale binden, indem jedes sein ungepaartes Elektron für die neue σ-Βindung einbringt. H H
C
H +
Cl
H
C
H
Cl
H H
Cl
+
Cl
Cl
Cl
oder
H
C H
H +
C H
H
H
H
H
C
C
H
H
H
Der erste Schritt der Kettenfortpflanzung verläuft über einen instabilen energiereichen Übergangszustand (siehe Bild 2.8). In diesem Zustand ist die C–H-Bindung gelockert, aber noch nicht gespalten, die H–Cl-Bindung noch nicht vollständig geknüpft. Bei Interaktion des Chloratoms mit dem Wasserstoffatom des Methans weiten sich die Bindungswinkel zwischen den C–H-Bindungen der restlichen Wasserstoffatome auf. Drei Elektronen (zwei Bindungselektronen aus der C–H-Bindung und das ungepaarte Elektron aus dem Chloratom) sind über die drei Bindungszentren C–H–Cl delokalisiert, das heißt der wahrschein-
72
2 Alkane
liche Aufenthalt der Elektronen erstreckt sich im Übergangszustand über alle drei Zentren. Aus diesem Übergangszustand heraus bilden sich Chlorwasserstoff und das Methylradikal mit einem sp2-hybridisierten C-Atom. Die drei Wasserstoffatome des Methylradikals liegen in einer Ebene, und das p-Orbital des Kohlenstoffatoms ist mit einem Elektron besetzt. Die Symmetrieachse des p-Orbitals steht senkrecht zur Ebene, in der die drei Wasserstoffatome liegen. Auch bei der Reaktion des Methylradikals mit Chlor erfolgt die Umwandlung in Methylchlorid und ein Chloratom über einen Übergangszustand mit delokalisierten Elektronen. 2.9.1.4 Die Halogenierung höherer Alkane Höhere Alkane sind bei der Halogenierung reaktiver als Methan. Bei den höheren Alkanen kann – insbesondere bei der Bromierung – eine Selektivität der Halogenierung beobachtet werden. Die relative Reaktivität der Halogene. Für die Startreaktion ist bei der Chlorierung zur Spaltung des Chlormoleküls eine Bestrahlung mit UV-Licht notwendig. Da die Br–Br-Bindung schwächer als die Cl–Cl-Bindung ist, kann die Startreaktion bei der Bromierung schon durch Bestrahlung mit einer Glühlampe ausgelöst werden, wenn man das Reaktionsgemisch aus nächster Nähe bestrahlt. Fluor reagiert mit Alkanen schon im Dunkel so heftig, daß nicht nur perfluorierte Produkte gebildet werden, sondern auch eine Fragmentierung (Spalten in Bruchstücke) der Moleküle eintreten kann. Die direkte Fluorierung wird deshalb nur in Ausnahmefällen und dann unter Kühlung und Verdünnung mit Stickstoff durchgeführt. Die Reaktivität nimmt vom Fluor über Chlor und Brom zum Iod hin ab. Eine direkte Iodierung der Alkane ist nicht zu erreichen. Die Selektivität der Halogenierung. Die Selektivität der Halogenierung ist so zu verstehen, daß die Reaktion bevorzugt an bestimmten Stellen des Alkanmoleküls erfolgt. In der Tat wird die C–H-Bindung an tertiären Kohlenstoffatomen bevorzugt gespalten. Dann folgen die C–H-Bindungen am sekundären und schließlich am primären Kohlenstoffatom. R R
H
C
H
R
R
C
H
Cl
Methan e oder
Chloratom
H
primäres Kohlenstoffatom -
3e
C H
H sp3
Bild 2.8
C H
H
H
-
R
sekundäres p-Orbital
C
H
R
tertiäres
H
H
H
H Cl
H sp3 Übergangszustand
p-Orbital
C sp2 H
+
H
Cl
H
Methylradikal
= Elektron Übergangszustand bei der Reaktion des Methans mit dem Chloratom
Chlorwasserstoff
2.9 Reaktionen der Alkane
73
Man kann dies auch so formulieren, daß die Methingruppe >CH– bevorzugt vor der Methylengruppe –CH2– und diese wiederum vor der Methylgruppe –CH3 reagiert. Diese Selektivität ist besonders beim Brom ausgeprägt, weniger beim Chlor, und Fluor reagiert fast unselektiv. Die Unselektivität des Fluors ist mit seiner hohen Reaktivität zu erklären, bei der praktisch jede C–H-Bindung angegriffen wird. Reaktivität und Selektivität stehen also zueinander in umgekehrtem Verhältnis. Die Selektivität der Halogenierung ist mit der unterschiedlichen Stabilität der Radikale zu erklären, die bei der Halogenierung zunächst entstehen. Es werden bevorzugt die Produkte gebildet, die stabiler und energieärmer sind, wobei das tertiäre Alkylradikal stabiler als das sekundäre und dieses wiederum stabiler als das primäre ist: R R
C
H
stabiler als
R
H
stabiler als
C
R
R
tertiäres
sekundäres
R
C H
primäres Alkylradikal
Die unterschiedliche Stabilität der Alkylradikale ist mit der Hyperkonjugation zu erklären. Dieses Phänomen soll zunächst am Beispiel des Ethylradikals erläutert werden. Die im Ethylradikal befindlichen C-Atome sind um ihre σ-Bindung frei drehbar, wobei Konformere existieren, in denen die C–H-σ-Bindung des sp3-hybridisierten Kohlenstoffatoms und das p-Orbital des benachbarten sp2-hybridisierten Kohlenstoffatoms in Deckung sind. In dieser Konformation befinden sich beide Orbitale in unmittelbarer räumlicher Nähe, so daß es zwischen beiden zu einer Überlappung kommen kann (in Bild 2.9 wird sie durch eine gestrichelte Linie zwischen beiden Orbitalen symbolisiert), die eine Delokalisierung des im σ-Orbital befindlichen Elektronenpaares ermöglicht. Unter dem Begriff Delokalisierung des Elektronenpaares versteht man in diesem Fall, daß der wahrscheinliche Aufenthaltsraum der Elektronen nicht nur auf das σ-Orbital der C–H-Bindung beschränkt ist, sondern sich auch auf das einfach besetzte p-Orbital ausweitet. Diese als Hyperkonjugation bezeichnete Wechselwirkung stabilisiert das Radikal. Im Falle, daß noch weitere Alkylreste an das sp3-hybridisierte C-Atom gebunden sind, wie z.B. beim tert-Butylradikal (H3C)3C ·, können sich auch diese an der Hyperkonjugation beteiligen, wodurch der stabilisierende Effekt verstärkt wird.
H H C
C H
H
H sp2
sp3
Bild 2.9 Die Hyperkonjugation im Ethylradikal (das p-Orbital des sp2-hybridisierten C-Atoms ist nur mit einem Elektron besetzt.)
74
2 Alkane
2.9.2 Einführung der Sulfonylchlorid- und Sulfogruppe in Alkane 2.9.2.1 Die Sulfochlorierung Die Sulfochlorierung erfolgt bei der Einwirkung von Schwefeldioxid und Chlor auf Alkane unter energiereicher Bestrahlung, wobei Alkansulfonylchloride, die auch als Alkansulfochloride bezeichnet werden, entstehen. R
H +
SO2
+
Cl2
hν
R
Alkan
SO2
Cl +
HCl
Alkansulfonylchlorid
1. Startreaktion. Die Reaktion wird durch eine Spaltung des Chlormoleküls gestartet. Cl
Cl
hν
+
Cl
Cl
2. Kettenfortpflanzung. Die Chloratome reagieren mit Alkanen unter Bildung von Alkylradikalen. Die Umsetzung mit SO2 führt zu Alkansulfonylradikalen, die bei der Reaktion mit Cl2 Alkansulfonylchloride bilden, wobei ein Chloratom freigesetzt wird. R
+
H
Cl
R
H
Cl
R
+
H
Cl
Übergangszustand
+
R
R
R
SO2
SO2 +
SO2
Alkansulfonylradikal Cl
Cl
R
SO2
Cl
+
Cl
Alkansulfonylchlorid
3. Kettenabbruchreaktionen. Der Kettenabbruch erfolgt durch Rekombination von Radikalen. R
SO2 +
Cl
R
SO2
Cl
R
SO2 +
R
R
SO2
R
Sulfon R
+
Cl
R
Cl
Die Chlorierung der Alkane tritt bei der Sulfochlorierung als Nebenreaktion auf. Die Alkansulfonylchloride werden weiterverarbeitet zu Wasch- und Netzmitteln.
2.9 Reaktionen der Alkane
75
2.9.2.2 Die Sulfoxidation Die Sulfoxidation erfolgt durch Einwirken von Schwefeldioxid und Sauerstoff auf höhere Alkane in Gegenwart von Radikalbildnern, z.B. Chlor oder Persäuren, oder unter Bestrahlung mit UV-Licht, wobei Alkansulfonsäuren gebildet werden. R
H
SO2
+
+
1
/2 O2
hν, Starter Cl2
R
Alkan
SO3H
Alkansulfonsäure
Die Alkansulfonsäuren (auch als Alkylsulfonsäuren bezeichnet) sind starke Säuren, deren Salze als Waschmittel Verwendung finden. Die Alkansulfonsäuresalze haben gegenüber den herkömmlichen Seifen den Vorteil, daß ihre Calciumsalze in Wasser gut löslich sind und sie außerdem in Lösung eine neutrale Reaktion zeigen. Die Sulfoxidation läuft in folgenden Reaktionsschritten ab: 1. Startreaktion. Die Reaktion wird mit Hilfe eines Radikalbildners gestartet, z.B. Chlor, das in Chloratome gespalten wird. Das Chloratom spaltet die C–H-Bindung eines Alkans, und es entsteht ein Alkylradikal. Cl
R
Cl
H
+
hν
Cl
Cl
R
+
Cl
H
Cl
R
+ H
Cl
2. Kettenfortpflanzung. Das Alkylradikal bildet mit SO2 ein Alkansulfonylradikal. Am weiteren Teilschritt der Reaktion ist molekularer Sauerstoff beteiligt. Er ist paramagnetisch, was auf die Anwesenheit zweier ungepaarter Elektronen mit parallelem Spin im Sauerstoffmolekül hinweist. Es ist also verständlich, daß der Sauerstoff sich wie ein Diradikal verhält. Die diradikalische Struktur · O–O · erklärt die besondere Affinität des Sauerstoffes zu Radikalen. Der Sauerstoff reagiert mit dem Alkansulfonylradikal, wobei das Alkanperoxosulfonylradikal gebildet wird. Dieses Radikal greift ein Alkan an, und die Alkanperoxosulfonsäure entsteht. Sie zerfällt in ein Hydroxyradikal und das Alkansulfonradikal. Das letztere reagiert mit einem Alkan, und es entsteht das Reaktionsprodukt, die Alkansulfonsäure (siehe nächste Seite). 3. Kettenabbruchreaktionen. Die Kettenabbruchreaktionen erfolgen durch Rekombination (Vereinigung, Zusammenschluß) zweier Radikale. R
+
R
R
+
O
+
O
H
O
R
R
H
R
O
H
H
H
O
O
H
76
2 Alkane Kettenfortpflanzung (Erläuterung siehe vorhergehende Seite): R
+
SO2
R
SO2
Alkansulfonylradikal O R
S
O +
O
O
R
O
SO2
SO2
O
+
O
H
R
R
O
O
SO2
O
H
+
R
H
O
+
O
O
H +
R
SO2
O
+
O
OH
+ R
H
Alkansulfonradikal
H
Alkansulfonradikal
SO2
Alkanperoxosulfonsäure
Alkanperoxosulfonsäure
R
O
Alkanperoxosulfonylradikal
Alkanperoxosulfonylradikal
R
O
O
Alkansulfonylradikal R
S
R
R
SO2
Alkansulfonsäure H
R
H2O
+
R
2.9.3 Die Oxidation von Alkanen mit Sauerstoff 2.9.3.1 Die Autoxidation Organische Stoffe können mit Luftsauerstoff auch ohne Katalysatoren sehr langsam oxidieren. Diesen Vorgang bezeichnet man als Autoxidation (Selbstoxidation). Für n-Alkane ist diese Oxidation kaum meßbar, verzweigte Kohlenwasserstoffe jedoch, insbesondere solche mit tertiärem Kohlenstoffatom, sind der Selbstoxidation zugänglicher. In Gegenwart von Schwermetallspuren oder Bromwasserstoff und bei höherer Temperatur reagieren Kohlenwasserstoffe, die ein tertiäres Kohlenstoffatom im Molekül haben, mit dem Sauerstoff der Luft sehr bereitwillig, wobei reaktive, instabile Hydroperoxide entstehen. Bei der Reaktion von Isobutan mit Luftsauerstoff entsteht tert-Butylhydroperoxid:
2.9 Reaktionen der Alkane
77
1. Startreaktion CH3 H3C
C
CH3 +
H
O
H3C
O
CH3
H
+
C
O
O
CH3
Isobutan (2-Methylpropan)
tert-Butylradikal
2. Kettenfortpflanzung CH3 H3C
CH3 +
C
O
O
H3C
CH3
tert-Butylperoxyradikal
O
+
O
H
C
H3C
CH3
O
C
O
tert-Butylperoxyradikal
O
O
+
H
tert-Butylhydroperoxid
C
CH3 CH3
H
O
O
H
C
+
CH3
CH3
3. Kettenabbruchreaktionen CH3
CH3 H3C
C
+
O
O
H
H3C
H3C
C CH3
C
O
O
CH3
CH3
CH3
CH3 +
C CH3
CH3 CH3 CH3
+
H3C
C
C
CH3 CH3
C CH3
CH3 H
H
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3 C
O
CH3
tert-Butylradikal
H3C
O
C
CH3
H
CH3
CH3
78
2 Alkane
Nach dem gleichen Reaktionsmechanismus erfolgt die Reaktion des Cumols, wobei Cumolhydroperoxid entsteht. CH3
CH3 C
H
+
O2
CH3
Cumol
C
O
O
H
CH3
Cumolhydroperoxid
Cumol und Cumolhydroperoxid sind wichtige Zwischenprodukte bei der großtechnischen Synthese des Phenols und Acetons aus Benzol und Propen (siehe Abschnitt 11.4c).
2.9.3.2 Die partielle Oxidation der Alkane Bei der partiellen (teilweisen) Oxidation der Alkane können je nach Reaktionsbedingungen verschiedene Produkte entstehen. a) die Acetylensynthese. Durch partielle Oxidation können Methan, Flüssiggas oder Leichtbenzin mit Sauerstoff zu Acetylen H–C≡C–H umgesetzt werden. Im von der BASF entwickelten großtechnischen Verfahren werden Methan und Sauerstoff getrennt auf 500–600°C vorerhitzt, dann gemischt und in einem speziellen Brenner zur Reaktion gebracht, wobei das Mischungsverhältnis CH4/O2 2:1 beträgt, so daß nur eine unvollständige Oxidation erfolgen kann. Nach einer Verweilzeit von nur einigen Millisekunden im Brenner wird das Reaktionsgas mit Wasser oder Öl abgeschreckt, um Rußbildung zu verhindern. Neben der partiellen Oxidation 2 CH4 + 3 2 O2 → H − C ≡ C − H + 3 H2O
erfolgt auch eine Dehydrodimerisierung (Abspaltung von Wasserstoff und Zusammentreten zweier Spaltprodukte), die ebenfalls zum Acetylen führt: 2 CH4 → H − C ≡ C − H + 3 H2
b) Partielle Oxidation von Alkanen zu sekundären Alkoholen. Durch Einleiten von Luft in ein auf 140–180°C erhitztes Gemisch höherer Alkane erfolgt eine partielle Oxidation, woraus ein komplexes Gemisch von Alkoholen, Ketonen, Estern und Säuren resultiert. Die Reaktion verläuft über Alkylhydroperoxide als Zwischenprodukte, wobei die O–O–H-Gruppen statistisch über die Paraffinkette verteilt sind. Es gibt eine Modifikation dieser Reaktion (die Bashkirov-Oxidation), bei der man 0,1 Gew.-% KMnO4 und 4–5 Gew.-% Borsäure zu den Alkanen gibt, wobei Borsäureester gebildet werden, die weitere Folgeoxidationen verhindern (siehe Abschnitt 10.7.6.4). Nach der Esterverseifung liegen die Oxidationsprodukte in folgendem Mengenverhältnis vor: 70% sekundäre Alkohole, 20% Ketone und 10% Carbonsäuren. Die Alkohole werden zu Tensiden weiterverarbeitet (Stoffe, welche die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen, siehe Abschnitt 16.2).
2.9 Reaktionen der Alkane
R
CH2
R'
+
1
/2 O2
79 1. H3BO3 140-180°C, 2. Esterhydrolyse
R
CH
R'
OH
2.9.3.3 Die Verbrennung von Alkanen Bei der Verbrennung von Alkanen werden diese mit dem Sauerstoff der Luft zu Kohlenstoffdioxid und Wasser umgesetzt: CnH2n + 2 + ( 3n 2 + 1 2) O 2 → n CO2 + (n + 1) H2O
Zum Starten der Reaktion müssen die Alkane zunächst auf die Zündungstemperatur erhitzt werden. Bei dieser Temperatur ist die kinetische Energie der Moleküle so hoch, daß Bindungen gespalten werden, und Radikale entstehen, die komplizierte Folgereaktionen auslösen, die schließlich zu den Reaktionsprodukten Kohlenstoffdioxid und Wasser führen. Bei der Reaktion wird so viel Wärme freigesetzt, daß sie – einmal in Gang gesetzt – von alleine weiter abläuft. Reaktionen, bei deren Ablauf Wärme frei wird, bezeichnet man als exotherme Reaktionen, während solche, die Wärme verbrauchen, endotherme Reaktionen sind. Die bei normalem Druck freiwerdende Reaktionswärme, in diesem Falle die Verbrennungswärme, wird Reaktionsenthalpie genannt und mit dem Symbol ΔH gekennzeichnet. Die Reaktionswärme wird gewöhnlich in kJ/mol angegeben. Bei exothermen Reaktionen gibt das System Energie ab, so daß vor den entsprechenden Betrag ein negatives Vorzeichen gesetzt wird. Endotherme Reaktionen erkennt man an einem positiven Vorzeichen. Gewöhnlich wird die Reaktionsenthalpie rechts neben die Reaktionsgleichung geschrieben, z.B.: CH4 + 2 O2 → CO2 + 2 H2O
ΔH = –892 kJ/mol.
Die Verbrennung von fossilen Rohstoffen (Erdöl, Erdgas und Kohle) dient vornehmlich Heizzwecken und der Energieversorgung. Heizöl, eine Fraktion des Erdöls, wird für Heizzwecke verbraucht, Benzin und Dieselöl, ebenfalls Fraktionen des Erdöls, werden als Treibstoffe für Autos benutzt. Bei den Treibstoffen wird die bei der Verbrennung der Kohlenwasserstoffe freigesetzte Energie zum Teil in mechanische Energie, die der Fortbewegung der Fahrzeuge dient, umgesetzt. Die ungeheuren Kohlenstoffdioxidmengen, die bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen oder deren Produkten anfallen, stellen ein gewaltiges Umweltproblem dar. Die Anreicherung von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre führt dazu, daß infolge einer geringeren Wärmeableitung der sog. Treibhauseffekt entsteht, das heißt, daß die durchschnittliche Temperatur auf der Erde ansteigt. Diese klimatischen Veränderungen können verheerende Folgen haben. Die Reserven an fossilen Rohstoffen sind begrenzt. Es ist schon jetzt abzusehen, daß sie im Laufe des nächsten Jahrhunderts aufgebraucht sein werden. Das, was auf der Erde in Jahrmillionen entstanden ist, wird in wenigen Generationen verbraucht. Die fossilen Rohstoffe bilden heute die Grundlage für die organisch chemische Industrie. Es ist die Frage, woraus man die für unsere Bedürfnisse notwendigen Stoffe (Kunststoffe, Arzneimittel, Farbstoffe usw.) dann herstellen will, wenn man die fossilen Rohstoffe verbrannt hat.
80
2 Alkane
2.10 Methoden zur Trennung verzweigter und unverzweigter Alkane Zur Trennung der n-Alkane von verzweigten Alkanen kann man ein Molekularsieb 0,5 nm benutzen oder sich der Einschlußverbindungen mit Harnstoff bedienen. Beide Methoden können auch zur Trennung anderer acyclischer (nicht ringförmiger) Verbindungen mit unverzweigten und verzweigten Ketten genutzt werden (z.B. Alkohole, Carbonsäuren und Ester).
2.10.1 Trennung mit Molekularsieb 0,5 nm Das Molekularsieb 0,5 nm ist ein Na-Ca-Al-Silikat mit Poren, deren Durchmesser mit 0,5 nm genau definiert ist. Molekularsiebe kommen in Form kleiner Perlen in den Handel. Sie müssen vor Gebrauch durch Erhitzen auf 350°C aktiviert werden, wobei das in den Poren aufgenommene Wasser ausgeheizt wird. Bei kleinen Mengen genügt es, das Molekularsieb einige Minuten im Reagenzglas zu erhitzen. Man gibt es dann direkt in das flüssige Alkangemisch oder das mit Benzol oder Toluol verdünnte Alkangemisch. Die n-Alkane können in die Poren des Molekularsiebs gelangen, während verzweigte Paraffine, wie dies schematisch in Bild 2.10 dargestellt ist, infolge der Verzweigung einen größeren Porendurchmesser benötigen würden und deshalb in das Molekularsieb nicht eindringen können. Mit Hilfe des Molekularsiebs kann man Gemische von n-Alkanen und verzweigten Alkanen trennen oder wenigstens aufkonzentrieren.
2.10.2 Einschlußverbindungen mit Harnstoff Versetzt man eine gesättigte methanolische Harnstofflösung mit einem flüssigen Alkangemisch bestehend aus n-Alkanen und verzweigten Alkanen, scheiden sich sofort hexagonale Kristalle ab. In diesen sind die n-Alkane eingeschlossen, währenddessen die verzweigten Alkane in der Mutterlauge bleiben. Man filtriert ab, wonach sich die verzweigten Paraffine im Filtrat befinden und die Einschlußverbindungen (auch Klathrate genannt) als Rückstand auf dem Filter verbleiben. Durch Erhitzen in Wasser werden die Einschlußverbindungen zerlegt, die n-Alkane schwimmen oben auf der wäßrigen Phase. Nicht nur n-Alkane können mit Harnstoff Einschlußverbindungen bilden, auch unverzweigte Alkohole, Ether, Aldehyde, Ketone und Carbonsäuren. Diese Verbindungen bilden sozusagen den Kristallisationskeim, der zur spontanen Bildung der hexagonalen Harnstoffstruktur führt, in deren Kanälen die Gastmoleküle eingelagert werden.
Molekularsieb 0,5 nm
Bild 2.10 Schema zur Erläuterung der Funktion des Molekularsiebes
Übungsaufgaben
81
Übungsaufgaben ? 2.1 Zeichnen Sie die Konformation des Ethans gestaffelt (staggered form) sowohl in Sägebockprojektion als auch in Newman-Projektion.
? 2.2 Zeichnen Sie in Sägebockprojektion das Butan in a) synperiplanarer und b) antiperiplanarer Konformation auf.
? 2.3 Benennen Sie das Produkt, das entsteht, wenn man Ethylbromid mit metallischem Natrium reagieren läßt. Wie heißt die Synthese?
? 2.4 Was versteht man unter einer Grignard Verbindung und wie reagiert diese mit Alkohol oder Wasser?
? 2.5 Auf welche Weise kann man ein Halogenalkan zum entsprechenden Kohlenwasserstoff reduzieren?
? 2.6 Ausgehend von Propansäure sollen Sie Butan synthetisieren. Schlagen Sie eine Synthese vor!
? 2.7 Welche Reaktionen sind für Alkane charakteristisch?
? 2.8 Nach welchem Schema verläuft die Reaktion bei der radikalischen Substitution? (siehe Kap. 2.9.1.2)
? 2.9 Welches Wasserstoffatom wird bei der Bromierung von Alkanen bevorzugt substituiert: das am primären, sekundären oder tertiären Kohlenstoffatom? Geben Sie eine Reihung an und begründen Sie die Selektivität.
? 2.10 Auf welche Weise kann man n-Alkane von verzweigten Alkanen trennen?
82
Lösungen
Lösungen ! 2.1 Die Sägebock- und Newman-Projektion des Ethans in Staffelform: Staffelform des Ethans H
H
H H
H H
H
H
H
H H
H
in Sägebock-Projektion
in Newman-Projektion
! 2.2 Konformation des Butans CH3 H 3C H
H
H
H 3C H
H H
a) synperiplanar
CH3 H
H
b) antiperiplanar
! 2.3 Das Produkt ist Butan. Die Reaktion verläuft über eine metallorganische Zwischenstufe, in diesem Fall über Ethylnatrium. Die Reaktion wird als Wurtz-Synthese bezeichnet (siehe Kapitel 2.7.2.1).
! 2.4 Grignardverbindungen sind Verbindungen mit der chemischen Formel R-Mg-X, wobei X für Cl, Br oder I steht. Sie reagieren mit Verbindungen, die Protonen abspalten können, z.B. mit Wasser oder Alkoholen, wobei aus R-Mg-X das Produkt R-H gebildet wird (siehe Kapitel 2.7.2.2). Grignardverbindungen sind ein vielseitiges Reagens für Synthesen, denn sie reagieren mit einer ganzen Reihe von Verbindungen: mit Aldehyden und Ketonen (Kapitel 10.6.2.8), mit Chinonen (Kapitel 14.2.3), mit Estern (Kapitel 17.3.6.2) und mit Nitrilen (Kapitel 13.3.4.3).
! 2.5 Man läßt das Halogenalkan, das zum Kohlenwasserstoff reduziert werden soll, mit Zn in einer Mineralsäure oder in Ether mit LiAlH4 reagieren.
Lösungen
83
! 2.6 Für die Synthese des Butans aus Propansäure bietet sich die Kolbe-Elektrolyse an. In wäßriger oder methanolischer Lösung des Natriumpropionats wird bei der Elektrolyse im Anodenraum unter Decarboxylierung Butan gebildet (siehe Kap. 2.7.3.2): 2 CH3CH2COO-
CH3CH2CH2CH3 + 2CO2 + 2e-
! 2.7 Reaktionen, die über einen Radikalmechanismus ablaufen, sind für Alkane charakteristisch. Die Reaktionsträgheit von Alkanen gegenüber polaren Reagenzien erklärt sich daraus, daß es im Molekül des Alkans keine polaren kovalenten Bindungen gibt, die einen Angriffspunkt für ein polares Reagens bieten.
! 2.8 Bei radikalischen Substitutionen unterscheidet man 3 Phasen: 1.) Die Startreaktion, welche die Reaktion einleitet. 2.) Die Kettenfortpflanzung ( Kettenpropagation) bei der das Produkt unter gleichzeitiger Rückbildung eines Radikals entsteht. Das Radikal reagiert wiederum mit dem Edukt, so daß viele Reaktionscyclen hintereinander erfolgen können. 3.) Die Kettenabbruchreaktion (Termination) durch welche die Kettenfortpflanzung abgebrochen wird.
! 2.9 Bei der Bromierung von Alkanen reagiert die Methingruppe =CH- bevorzugt vor der Methylengruppe –CH2- und diese wiederum vor der Methylgruppe –CH3. Die Erklärung liegt in der Hyperkonjugation, welche die Ursache dafür ist, daß ein tertiäres Alkylradikal stabiler ist als ein sekundäres und dies wiederum stabiler als das primäre (siehe Kap. 2.9.1.4).
! 2.10 Man kann eine Trennung verzweigter von unverzweigten Alkanen mit Hilfe eines Molekularsiebes mit 0,5 nm Porendurchmesser erreichen oder durch Einschlußverbindungen mit Harnstoff. In die Poren des Molekularsiebs 0,5 nm kann ein unverzweigtes Alkan eindringen, ein verzweigtes Alkan wird durch die Verzweigung daran gehindert. In einer methanolischen Harnstofflösung bilden n-Alkane mit dem Harnstoff eine Einschlußverbindung, die sich aus der Lösung abscheidet, die verzweigten Alkane bleiben in der Lösung und können abfiltriert werden, während die Einschlußverbindung als Rückstand auf dem Filter verbleibt. Beim Erwärmen mit Wasser löst sich der Harnstoff in Wasser und das in Wasser nicht lösliche nAlkan schwimmt im Wasser obenauf (siehe Kap. 2.10).
3 Alkene Die Alkene, auch Olefine genannt, sind offenkettige (acyclische) Kohlenwasserstoffe mit einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung. Sie haben die allgemeine Formel CnH2n.
3.1 Nomenklatur Die Nomenklatur der Alkene wird von den Namen der n-Alkane (siehe Abschnitt 1.7.1) abgeleitet, wobei aber an die Stelle der Endung -an die Endsilbe -en tritt. Die Stellung der Doppelbindung wird mit einer Zahl angegeben, die vor der Stammsilbe oder vor der Endsilbe -en steht (siehe auch Abschnitt 1.7.3). Die Stammsilbe wird abgeleitet vom Namen des entsprechenden Alkans (siehe Abschnitt 1.7.1), wobei die Endung -an weggelassen wird, z.B. heißt die Stammsilbe des Propans Prop, des Butans But usw. Zur Nomenklatur der Alkene seien einige Beispiele gebracht: H3C
H3C
H C
H3C
CH2 C
C CH2
CH3
2-Methyl-2-penten
H3C
CH3
Cl C
C CH2
CH3
3-Ethyl-2-methyl-2-penten
H3C
CH2
CH2
CH3
CH2
CH2
C CH3
3-Chlor-4-ethyl-3-hepten
Verbindungen mit zwei, drei oder mehreren Doppelbindungen werden nach Anzahl dieser Doppelbindungen als Diene, Triene oder Polyene bezeichnet. Die Stellung der Doppelbindungen in der Kohlenstoffkette wird mit Zahlen gekennzeichnet, die mit einem Komma getrennt sind, z.B. wird die Verbindung CH3 H2C
C
CH
CH2
2-Methyl-1,3-butadien1 genannt. Der Anzahl der Doppelbindungen entsprechend wird die Silbe di-, tri- bzw. tetra- genannt, die vor der Endung -en steht. Alicyclische Verbindungen (siehe Kapitel 5) mit einer C=C-Doppelbindung im Kohlenstoffring werden als Cycloalkene bezeichnet. Kohlenwasserstoffe mit Mehrfachbindungen werden auch als „ungesättigt“ bezeichnet, weil sie nicht – wie die Alkane – die maximale Anzahl von Wasserstoffatomen im Molekül enthalten und weitere Atome bzw. Atomgruppen zu binden vermögen.
1
Sie ist auch unter dem Trivialnamen „Isopren“ bekannt.
3.5 Die cis-trans-Isomerie in Alkenen
85
3.2 Bedeutung der Alkene Das Ethen H2C=CH2, auch Ethylen genannt, und das Propen H2C=CH–CH3 gehören heute mengenmäßig zu den wichtigsten Grundstoffen der chemischen Industrie. Ethen ist die Ausgangsbasis für etwa 30% aller Petrochemikalien (= Produkte, deren Rohstoffbasis das Erdöl ist). Beide Olefine werden durch thermische Spaltung aus Erdölfraktionen erzeugt (siehe Abschnitt 7.6.1.2) und stehen in großer Menge zur Verfügung. Alkene sind auch in der Natur vorzufinden, z.B. langkettige Alkene im Bienen- und Rosenwachs. Ethen spielt beim Reifeprozeß von Früchten eine Rolle.
3.3 Die σ- und π-Bindung Die Doppelbindung besteht aus einer σ- und einer π-Bindung. Beide Bindungen weisen qualitative Unterschiede auf. Das π-Elektronenpaar ist beweglicher als die σ-Elektronen. Dies wirkt sich durch eine größere Polarisierbarkeit der π-Bindung aus. Man kann sich das Zustandekommen der πBindung durch Überlappung der p-Orbitale zweier sp2-hybridisierter Kohlenstoffatome vorstellen. Elektronen im p-Orbital haben ein höheres Energieniveau als die Elektronen im soder sp2-Hybridorbital. Die aus der Überlappung der p-Orbitale resultierende π-Bindung ist energiereicher als eine σ-Bindung. Der Überlappungsgrad der p-Atomorbitale ist geringer als der der sp2-Hybridorbitale (siehe Abschnitt 1.3.5). Das erklärt, daß die π-Bindung schwächer (um 63 kJ/mol) als eine C-C-σ-Bindung ist. Durch den Übergang der π-Bindung in eine σ-Bindung wird bei der chemischen Reaktion das energiereiche Alken in ein energieärmeres Alkanderivat umgewandelt. Bei der Addition an die Doppelbindung wird deshalb Energie frei, es handelt sich um eine exotherme Reaktion.
3.4 Die Struktur der Alkene Im Ethenmolekül befinden sich sowohl die beiden sp2-hybridisierten Kohlenstoffatome als auch die vier Wasserstoffatome in einer Ebene (siehe Abschnitt 1.3.4.2). Die C-H-σ-Bindungen schließen einen Bindungswinkel von 116,6° ein (siehe Bild 3.1).
3.5 Die cis-trans-Isomerie in Alkenen Beide doppelt gebundenen Kohlenstoffatome sind durch die π-Bindung fixiert, so daß sie um die Doppelbindung nicht drehbar sind. Eine Drehung der beiden C-Atome um die Doppelbindung ist nur unter Aufspaltung der π-Bindung möglich. Da die π-Bindung die freie Drehbarkeit um die C=C-Doppelbindung verhindert, können dann, wenn jedes der doppelt gebundenen C-Atome ungleiche Substituenten trägt, zwei Isomere vorkommen, das cis- und das trans-Isomer. Beide unterscheiden sich in ihren Eigenschaften.
86
3 Alkene
Ebene, in der sich die zwei C-Atome und die vier H-Atome des Ethans befinden
π-Orbitallappen über der Ebene
H
H
H
H
π-Orbitallappen unter der Ebene beide C-Atome und vier H-Atome liegen in einer Ebene, das π-Orbital steht senkrecht zu dieser Ebene. Die σ-Orbitale sind nur als Striche eingezeichnet.
Bild 3.1 Räumliche Struktur des Ethens
Die Bezeichnung cis- bzw. trans- richtet sich danach, in welcher Stellung zueinander zwei Substituenten stehen, die sich je an einem der beiden doppelt gebundenen C-Atome befinden. Stehen die beiden Substituenten auf der gleichen Seite zur Doppelbindung, wird die Verbindung als cis-Isomer bezeichnet, stehen sie auf entgegengesetzten Seiten, handelt es sich um das trans-Isomer. Die cis-trans-Isomerie, auch geometrische Isomerie genannt, kann am Beispiel des cis-2Butens und des trans-2-Butens erläutert werden. Die cis-Konfiguration ist die, in der die beiden Methylgruppen einander am nächsten sind, also von der π-Bindung aus gesehen auf der gleichen Seite stehen, während sie in der trans-Konfiguration einander diametral gegenüberstehen und voneinander weiter entfernt sind. Die Formel für cis- oder trans-Isomere ist bequem zu schreiben, wenn man sich vorstellt, daß die Atome bzw. Atomgruppen alle in Papierebene liegen: H
H C
H
C
CH3 C
CH3 H3C cis-2-Buten
C
H3C H trans-2-Buten
3.5.1 Die Z/E-Nomenklatur Im vorhergehenden Beispiel des cis- und trans-2-Butens haben wir uns nach der Stellung der Methylgruppen orientiert. Standen sich die Methylgruppen näher, betrachtete man sie als cisständig, standen sie weit voneinander entfernt, bezeichnete man sie als trans-ständig. Mit der cis-trans-Nomenklatur kann man in diesem Falle die beiden Isomere eindeutig beschreiben. Versuchen wir die Benennung mit der cis-trans-Nomenklatur nun beim 1-Brom-1-chlor2-iodethen, das ebenfalls zwei geometrische Isomere besitzt: Cl C Br
I
Cl
H
Br
C
H C
C
I
3.5 Die cis-trans-Isomerie in Alkenen
H3C
CH3 cis-2-Buten
CH3
H
H
H
Bild 3.2
87
H3C
H trans-2-Buten
Die beiden Isomere des 2-Butens
Die beiden Substituenten Cl und I sind in der unten angeführten Formel zueinander cisständig, Br und I haben hingegen trans-Konfiguration (unter Konfiguration versteht man die räumliche Anordnung der Atome oder Atomgruppen im Molekül). Je nachdem, auf welches Substituentenpaar wir uns beziehen, können wir die gleiche Verbindung als cis- oder transIsomer bezeichnen. Mit der cis-trans-Nomenklatur kann man also in diesem Fall die Verbindung nicht eindeutig benennen. Aus diesem Grunde bedient man sich der Z/E-Nomenklatur, die auch in solchen Fällen eine eindeutige Zuordnung gewährleistet. Man benutzt hierbei die Sequenzregel von Cahn, Ingold und Prelog. Nach dieser haben diejenigen Atome die höhere Priorität, die die höhere Ordnungszahl im Periodensystem der Elemente aufweisen (eingehender werden die Sequenzregeln im Abschnitt 8.6.2 behandelt). Man betrachtet hierbei zunächst die Atome, die direkt an die sp2-hybridisierten C-Atome (das sind die beiden C-Atome mit der Doppelbindung) gebunden sind. Man stellt fest, welches dieser Atome an dem einen C-Atom und welches am anderen C-Atom die höhere Priorität hat. Sind die beiden Atome mit der höheren Priorität auf der gleichen Seite (von der Doppelbindung aus gesehen), liegt die Z-Konfiguration vor (Z = zusammen), stehen sich beide Atome mit der höheren Priorität diametral gegenüber, so handelt es sich um die E-Konfiguration (E = entgegen). I
Cl C Br
C H
E-Konfiguration
In der vorliegenden Formel bindet das eine C-Atom die beiden Substituenten Cl und Br. Chlor hat die Ordnungszahl 17 und Brom die Ordnungszahl 35 (nachzulesen im Periodensystem der Elemente). Von beiden Atomen hat Brom die höhere Ordnungszahl. Das andere C-Atom bindet die Substituenten Wasserstoff und Iod. Wasserstoff hat die Ordnungszahl 1 und Iod die Ordnungszahl 53. Iod hat also von beiden Atomen die höhere Ordnungszahl. Die beiden Atome mit der höheren Ordnungszahl Br und I stehen einander diametral gegenüber, die Verbindung hat also die E-Konfiguration und wird als (E)-1-Brom-1-chlor-2-iodethen bezeichnet.
88
3 Alkene
3.5.2 Die cis-trans-Isomerisierung Die cis-trans-Isomerisierung, bei der die cis- in die trans-Form übergeht und umgekehrt, ist nur unter Spaltung der π-Bindung möglich. Diese Spaltung kann man durch Zuführen von Energie herbeiführen, indem man das Alken auf 400–500°C erhitzt oder es einer intensiven kurzwelligen Strahlung aussetzt. In dem Maße, wie sich die Überlappung der p-Orbitale löst, kann schon die Rotation der sp2-hybridisierten C-Atome um die verbliebene σ-Bindung einsetzen. Auf dem Wege von einem geometrischen Isomer zum anderen wird unter Zuführen von Energie ein Übergangszustand erreicht, der einem Energiemaximum entspricht, in dem die p-Atomorbitale beider sp2-hybridisierten C-Atome senkrecht zueinander stehen. Nach einer Drehung von insgesamt 180° können die p-Orbitale wieder voll überlappen, so daß die Doppelbindung erneuert wird, dann aber das jeweils andere geometrische Isomer vorliegt. Die cis-trans-Isomerisierung kann man auch mit NO2 erreichen. Dieses hat ein ungepaartes Elektron und besitzt somit radikalischen Charakter. Es entkoppelt die π-Elektronen der Doppelbindung, wobei zeitweise eine C–N-σ-Bindung entsteht und eine freie Drehbarkeit um die C–C-σ-Bindung möglich ist. Spaltet sich das NO2 wieder ab, so wird die C=C-Doppelbindung erneuert, wobei sowohl cis- als auch trans-Isomere im Gemisch vorliegen. Das trans-Isomer ist die stabilere Verbindung und deshalb im Gemisch auch stärker vertreten. NO2 H C R
NO2
H C
H
R cis-Alken
C
H H
C
R
C
C
R
H
C R
R C H
Übergangszustand E
H
C
C
R
H R
H C
cis-Alken
C
R
Bild 3.3
Energieprofil der cis-trans-Isomerisierung
R H
trans-Alken Reaktionskoordinate
R C
R H Abspaltung von ·NO2
R R Rotation um σ-Bindung
H
NO2
NO2
C
H trans-Alken
3.6 Darstellung der Alkene
89
Es ist bei dieser Reaktion jedoch notwendig, das NO2 auf das Alken nur kurzzeitig einwirken zu lassen, da sonst Produkte von Konkurrenzreaktionen überwiegen (Addition von NO2 an die C=C-Doppelbindung). Die cis-trans-Isomerie spielt beim Sehvorgang eine gewichtige Rolle. In den Stäbchenzellen der Netzhaut befindet sich das Rhodopsin, das aus der Eiweißkomponente Opsin und einem ungesättigten Aldehyd, dem 11-(Z)-Retinal, besteht. Das letztere hat in 11-Stellung eine Doppelbindung mit Z-Konfiguration. Fällt nun Licht des sichtbaren Wellenbereiches auf diese Verbindung, geht die Z- in die E-Konfiguration über, und es erfolgt außerdem eine Dissoziation des Rhodopsin-Komplexes. Die Veränderungen führen zu einer Nervenerregung. Diese wird an das Gehirn weitergeleitet und ruft dort eine Lichtempfindung hervor. H 7
1 6
2
9
8
10
5
3
1
11 12
hν
13
15 C
6
2
8
9
11
10
12
13
15
14
C
O
5
3 4
14
4
7
O
H
11-(Z)-Retinal
11-(E)-Retinal
3.6 Darstellung der Alkene Alkene fallen in großen Mengen beim Cracken von Erdölfraktionen an. Ethen wird großtechnisch durch Steamcracken (siehe Abschnitt 7.6.1.2) aus Naphtha (siehe Abschnitt 7.4) gewonnen. Die Darstellung der Alkene im Labor erfolgt hauptsächlich mit Hilfe von Eliminierungsreaktionen. Sie können auch durch partielle Hydrierung von Alkinen dargestellt werden. Bei partieller Hydrierung von Alkinen werden (Z)-Alkene gebildet. Für die Hydrierung verwendet man den Lindlar-Katalysator, einen inaktivierten Palladium-Katalysator. Der Einsatz dieses Katalysators für die Hydrierung ist notwendig, damit das entstandene Alken nicht weiter in das entsprechende Alkan umgesetzt wird.
N
Chinolin
Den Lindlar-Katalysator erhält man durch Reduktion von PdCl2 auf Calciumcarbonatoder Bariumsulfatpulver und Inaktivierung des Katalysators mit Chinolin. R
C
C
R
+ H2
Lindlar-Katalysator
R
R C
H
C H
90
3 Alkene
3.6.1 Eliminierungsreaktionen zur Darstellung der Alkene Bei der Eliminierung wird ein Teil des Moleküls abgespalten. Bei der Abspaltung von Substituenten, die an benachbarte C-Atome gebunden waren (β-Eliminierung), wird eine Mehrfachbindung gebildet. Aus einem Alkanderivat entsteht auf diese Weise das energiereichere Alken. Um eine Eliminierung zu erreichen, muß Energie zugeführt werden, die Reaktion ist also endotherm. 3.6.1.1 Die Dehydrohalogenierung Als Dehydrohalogenierung wird die Abspaltung eines Halogenwasserstoffes HX aus Halogenalkanen (siehe Abschnitt 9.1) bezeichnet. Sie erfolgt durch Erhitzen des Halogenalkans mit Alkalihydroxiden in Alkohol oder mit Alkalialkoholaten (z.B. NaOR) in Alkohol oder Dimethylsulfoxid (CH3)2S=O als Lösungsmittel. R
H
H
C
C
H
R
+ NaOH
X
H C
H
H
+
C
+
NaX
H2O
H X = Cl, Br, I
3.6.1.2 Die Dehalogenierung Bei der Dehalogenierung wird aus einem 1,2-Dihalogenalkan durch Erhitzen mit Zinkstaub in Alkohol als Lösungsmittel das Halogen abgespalten und als ZnX2 gebunden.
X
R
H
C
C
H
H
+
X
Zn
R
Alkohol
H C
H
+
C
ZnX2
H
3.6.1.3 Die Dehydratisierung Von einer Dehydratisierung spricht man bei Abspaltung von Wasser aus dem Molekül. Die Dehydratisierung von Alkoholen erfolgt gewöhnlich durch Erhitzen in Gegenwart von Säuren. Sie gelingt am leichtesten bei tertiären Alkoholen, weniger leicht bei sekundären Alkoholen, und bei primären Alkoholen sind relativ hohe Temperaturen (170–200°C) und starke Säuren (Schwefelsäure, Phosphorsäure) notwendig. Die Hydroxygruppe –OH ist eine schlechte Abgangsgruppe. Nach Zugabe der Säure wird der Sauerstoff der Hydroxygruppe protoniert. Durch die entstandene Hydroxoniumgruppe –+OH2 wird die C–O-Bindung stärker polarisiert, so daß ihre heteropolare Spaltung sehr begünstigt wird.
R'
H
R
C
C
H
R
H O
H
R'
H
R
C
C
H
R
H O H
Erhitzen
R'
R C
H
+
C R
H2O
3.6 Darstellung der Alkene
91
Aus einem sekundären Alkohol können bei der Dehydratisierung zwei isomere Alkene entstehen, die sich durch Stellung der Doppelbindung unterscheiden, z.B. können aus Butan2-ol das 1-Buten und das 2-Buten entstehen. OH H3C
CH
CH2
H
CH3
H3C
CH
CH
H2C
CH
CH2
CH3 CH3
Hauptprodukt Nebenprodukt
Das Hauptprodukt entsteht gemäß der Saytzev-Regel, die besagt, daß die Bildung der Doppelbindung zu dem C-Atom hin erfolgt, das die wenigsten H-Atome bindet. Man kann die Regel auch so formulieren, daß bevorzugt das Alken mit der größten Anzahl von Alkylgruppen an den doppelt gebundenen C-Atomen entsteht. Die Regel gilt auch für Dehydrohalogenierungen. Die Dehydratisierung von Alkoholen gelingt ebenfalls durch Überleiten von Alkoholdämpfen über erhitztes feinkörniges Aluminiumoxid. 3.6.1.4 Dehydrierung Die Dehydrierung ist eine Abspaltung von Wasserstoff aus dem Molekül. Sie gelingt bei einem Alkan nur bei hohen Temperaturen (über 400°C) und mit Platin als Katalysator. Die Reaktion in umgekehrter Richtung, nämlich die Hydrierung des Alkens mit Pt als Katalysator, erfolgt schon bei Zimmertemperatur.
R
H
H
C
C
H
H
H
Pt,
400 °C
Pt, Zimmertemp.
R
H C
H
+
C
H2
H
3.6.1.5 Hofmann-Eliminierung der Tetraalkylammoniumhydroxide Tetraalkylammoniumhydroxide haben die allgemeine Formel R1
R2 OH
N 3
R
R
4
Man kann sie sich als Derivate des Ammoniumhydroxids NH4OH vorstellen, in dem die an den Stickstoff gebundenen Wasserstoffatome formal durch Alkylreste ersetzt wurden. Erhitzt man Trimethylalkylammoniumhydroxid, entsteht Trimethylamin, Wasser und ein Alken. Ist die Alkylgruppe mit einem sekundären oder tertiären C-Atom an den Stickstoff gebunden, können isomere Alkene als Reaktionsprodukte entstehen. Als Hauptprodukt wird das Alken gebildet, das der Hofmann-Regel entspricht. Sie besagt, daß das Alken entsteht, das an den doppelt gebundenen C-Atomen die kleinste Anzahl von Alkylresten trägt.
92
3 Alkene H3C
CH3
H3C
CH2
H2C
O
H
H
C
Δ
CH3
CH
CH2
H3C
N
+
C
H
H
(CH3)3N
+
H2O
H
3.6.1.6 Esterpyrolyse Bei der Pyrolyse (griech. pyr = Feuer) werden Moleküle durch Erhitzen in kleinere Moleküle gespalten. Erhitzt man einen Carbonsäureester auf 350–400°C, so entsteht ein Alken und eine Carbonsäure. Man kann die Esterpyrolyse durch Erhitzen des Esters in flüssiger Phase herbeiführen oder auch die Esterdämpfe über ein elektrisch beheiztes Dampfphasenrohr leiten. Die Esterpyrolyse erfolgt nach dem Ei-Mechanismus (E = elimination, i = internal), wobei das Molekül durch gleichzeitiges Auflösen bestehender Bindungen und die Bildung neuer Bindungen (konzertierter Mechanismus) gespalten wird. Nach Durchschreiten eines Energiemaximums mit einem ringförmigen Sechs-Zentren-Übergangszustand (sechs Atome sind einbezogen) entstehen ein Alken und eine Carbonsäure. H3C
R
H C
O
H3C C H
Δ
C
O
H3C
R
H3C C H
R'
Ester
R H3C
H C
O O
C
C
H3C
R'
H C
+ O
H
Übergangszustand
Alken
O C
R'
Carbonsäure
3.6.1.7 Pyrolyse von Xanthogenaten (Tschugajev-Reaktion) Alkohole reagieren mit Schwefelkohlenstoff CS2 in Natronlauge, wobei das Natrium-Oalkyldithiocarbonat entsteht. R
+
R(CH2)2OH
CS2
+
NaOH
S
CH2 H2C
+
C
H2O
O S Na Natrium-O-alkyldithiocarbonat
Alkohol
Das Natrium-O-alkyldithiocarbonat kann mit Methyliodid zu Methyl-O-alkyldithiocarbonat (Methyl-O-alkylxanthogenat) umgesetzt werden. R
CH2 H2C
O
R
S C
+ S
Na
CH3I
CH2 H2C
O
S C
+ S
NaI
CH3
Das Methyl-O-alkyldithiocarbonat kann schon bei einer Temperatur von 170–200°C durch Pyrolyse gespalten werden, wobei als Endprodukte das entsprechende Alken, das
3.6 Darstellung der Alkene
93
Methylmercaptan und das Kohlenoxidsulfid entstehen. Als Zwischenprodukt wird bei dieser Reaktion das Methyldithiocarbonat CH3S–(CO)–SH gebildet, das jedoch sogleich zu Methylmercaptan CH3SH und Kohlenoxidsulfid COS zerfällt. S-Methyldithiocarbonat H R
R
H C
S
C
H2C
C
C
H
O
S
CH3
H
S
H
+
O
C
S
CH3
H
COS
+
HS
CH3
Die Spaltung des Methyl-O-alkyldithiocarbonats erfolgt wie bei der Esterpyrolyse nach dem Ei-Mechanismus über einen Sechs-Zentren-Übergangszustand. Der Nachteil dieser Reaktion ist die Bildung des übelriechenden Methylmercaptans.
3.6.2 Die Reaktionsmechanismen E1 und E2 Die beiden Reaktionsmechanismen spielen bei der β-Eliminierung, die auch als 1,2-Eliminierung bezeichnet werden kann, eine Rolle. Nach ihnen erfolgen sowohl die Dehydrohalogenierung von Alkylhalogeniden als auch die Dehydratisierung von Alkoholen. Die funktionelle Gruppe im Molekül, die bei diesen Reaktionsmechanismen abgespalten wird, befindet sich am C-Atom, das in diesem Falle als α-ständig angesehen wird. Sie wird allgemein als Abgangsgruppe bezeichnet. Das Wasserstoffatom, dessen Proton bei diesen Reaktionsmechanismen ebenfalls abgespalten wird, befindet sich am benachbarten β-Kohlenstoffatom.
R
H
L
CH
CH2
β
α
Abgangsgruppe (das Symbol für die Abgangsgruppe ist der Buchstabe L, der Anfangsbuchstabe des englischen Ausdrucks leaving group)
In der Bezeichnung E1 bzw. E2 bedeutet E die Abkürzung des Wortes Eliminierung, die Ziffer 1 bzw. 2 besagt, daß es sich um eine monomolekulare (unimolekulare) bzw. um eine bimolekulare Reaktion handelt. Monomolekular heißt, daß an dem langsamsten und damit geschwindigkeitsbestimmenden Teilschritt der Reaktion nur ein Molekül – im Falle der E1Reaktion nur das zu eliminierende Substrat – beteiligt ist, während sich bei der bimolekularen E2-Reaktion an diesem Schritt zwei Molekülarten beteiligen, nämlich das Substrat und eine im Reaktionsgemisch befindliche Base. Die Abgangsgruppe L ist entweder ein elektronegatives Atom (z.B. Br oder Cl) oder eine Atomgruppe mit starkem –I-Effekt. Wichtig für beide Reaktionen, sowohl für die E1- als auch für die E2-Reaktion, ist es, daß infolge der Elektronegativität der Abgangsgruppe eine polare C–L-Bindung vorliegt, die eine heteropolare Spaltung begünstigt. Bei der Spaltung verbleiben beide Bindungselektronen der C–LBindung bei der Abgangsgruppe L.
94
3 Alkene
Im allgemeinen kann man sagen, daß Verbindungen mit einer Abgangsgruppe am tertiären C-Atom in der Regel nach dem E1-Mechanismus und solche mit der Abgangsgruppe am primären C-Atom nach dem E2-Mechanismus reagieren. Befindet sich die Abgangsgruppe am sekundären C-Atom, kann die Eliminierung nach dem E1- oder E2-Mechanismus erfolgen; welcher von beiden überwiegt, hängt von der Art der Substituenten und den Reaktionsbedingungen ab. Beide Mechanismen, E1 und E2, können auch nebeneinander ablaufen. 3.6.2.1 Der E1-Mechanismus Der Reaktionsmechanismus E1 besteht aus zwei Teilschritten. Im ersten Schritt wird die Abgangsgruppe abgespalten, und es entsteht ein Carbeniumion. Im Carbeniumion liegt ein dreibindiges Kohlenstoffatom mit einer positiven Ladung vor. Dieses ist sp2-hybridisiert, mit einem unbesetzten p-Orbital. Im zweiten Schritt wird von dem am β-ständigen C-Atom gebundenen Wasserstoffatom ein Proton abgespalten. Dabei übernimmt ein Teilchen mit basischen Eigenschaften, sehr oft ein Lösungsmittelmolekül, die Rolle des Protonenakzeptors. Gleichzeitig mit Abgang des Protons wird die C=C-Doppelbindung gebildet. H R
R
CH3
C
C
H
CH3
H
CH3
C
C
H
CH3
L
langsam
schnell
R
H
CH3
C
C
H
CH3
C
C
R H
+
L
+
H
L = Abgangsgruppe
CH3 CH3
Die Abspaltung der Abgangsgruppe ist der langsamste Teilschritt der Reaktion, und da an diesem Schritt nur das Substratmolekül, im vorliegenden Beispiel die Verbindung R–CH2–C(CH3)2L, beteiligt ist, bezeichnet man diesen Reaktionsmechanismus als monomolekular. Die Kinetik der E1-Reaktion. Betrachten wir zunächst kurz die Kinetik der E1-Reaktion. Die Kinetik befaßt sich im allgemeinen mit der Untersuchung von Reaktionsgeschwindigkeiten, Reaktionsabläufen und deren Kontrollmöglichkeiten. Außer von der Reaktionstemperatur hängt die Reaktionsgeschwindigkeit von der Konzentration der reagierenden Substanzen ab. Man kann die Reaktionsgeschwindigkeit definieren als Konzentrationsänderungen der Edukte bzw. Produkte pro Zeiteinheit. Setzt sich eine Reaktion aus mehreren hintereinander folgenden Einzelreaktionen zusammen, so ist es die am langsamsten ablaufende Teilreaktion, die geschwindigkeitsbestimmend für die Gesamtreaktion ist. Im Falle der E1-Reaktion ist die langsamste Teilreaktion die im ersten Reaktionsschritt erfolgende Abspaltung der Abgangsgruppe unter Bildung eines Carbeniumions. An diesem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt ist nur eine Molekülart, nämlich das Substratmolekül (das Molekül, an dem die Reaktion erfolgt) beteiligt. Die Reaktionsgeschwindigkeit v hängt nur von der Konzentration des Substratmoleküls ab und entspricht demgemäß in der Regel einer Reaktion erster Ordnung, für die in diesem Falle gilt: v = k · [Substrat] Das Symbol k steht für eine Konstante, die für die entsprechende Meßtemperatur gültig ist.
3.6 Darstellung der Alkene
95
Voraussetzungen, die einen E1-Mechanismus begünstigen. Die E1-Reaktion erfolgt vornehmlich bei Verbindungen mit einem C-Atom, das gleichzeitig mit der Abgangsgruppe noch drei Alkylreste bindet (z.B. tertiäre Alkylhalogenide oder Alkohole). In diesem Falle wird im ersten Teilschritt der Reaktion ein Carbeniumion gebildet, dessen positiver sp2-hybridisierter Kohlenstoff drei Alkylgruppen trägt. Das Carbeniumion kann durch die Hyperkonjugation, zu der alle drei Alkylgruppen beitragen, stabilisiert werden (siehe „Hyperkonjugation“ in Abschnitt 3.7.2.1). Im ersten Reaktionsschritt des E1-Mechanismus wird das die Abgangsgruppe L tragende sp3-hybridisierte C-Atom nach deren Abspaltung zum sp2–hybridisierten einfach positiv geladenen Kohlenstoff, C
es wird ein Carbeniumion gebildet: R
R R R
C
L
R
C
+
R
L
sp2
sp3
Damit erfolgt eine Aufweitung des Bindungswinkels der Bindungen dieses C-Atoms von 109°28' auf 120°. Die Substituenten R sind damit voneinander etwas weiter entfernt. Deshalb zeigen besonders Verbindungen mit sperrigen, viel Raum beanspruchenden Substituenten eine Neigung zum E1-Mechanismus. Polare Lösungsmittel können das bei der E1-Reaktion im ersten Reaktionsschritt gebildete Ion solvatisieren. Die Moleküle des Lösungsmittels umgeben mit dem positiven Teil ihres Dipols die negative Abgangsgruppe und unterstützen so ihre räumliche Trennung vom positiv geladenen Carbeniumion. 3.6.2.2 Der E2-Mechanismus Bei der E2-Reaktion ist im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt außer dem Substratmolekül auch das Molekül einer Base beteiligt, es geht also um eine bimolekulare Eliminierung. Das abgespaltene Proton wird von der Base B gebunden und gleichzeitig (synchron) erfolgt der Austritt der Abgangsgruppe. Bei dieser Reaktion werden simultan (gemeinsam, gleichzeitig) alte Bindungen gespalten und neue geknüpft. Die Reaktion erfolgt nach einem einstufigen, synchronen Mechanismus über einen Übergangszustand, in dem alte Bindungen noch nicht vollständig gelöst und die Bildung neuer Bindungen noch nicht ganz vollzogen ist. B
H H R
C
C
Substrat
H H L
B
H H R
C
C
H H L
Übergangszustand
B = Base; L = Abgangsgruppe (leaving group)
B
H
H
+
H C
+
C
R
H
Alken
L
96
3 Alkene
Die Dehydrohalogenierung von Alkylhalogeniden wird in alkalischem Medium vollzogen, so daß als Base die OH–-Ionen fungieren. Die Dehydratisierung von Alkoholen geschieht in saurem Medium, gewöhnlich bei Zugabe von Schwefelsäure. In dieser Reaktion sind HSO4–-Ionen und die Alkoholmoleküle die Teilchen mit basischen Eigenschaften. Die HSO4–-Ionen sind die schwächeren Basen. Der Alkohol kann mit einem der freien Elektronenpaare seines Sauerstoffatoms das bei der Eliminierung abgehende Proton binden: R R
H
O
H R
H
C
C
H H O
O
R
H
H H R
H
C
C
O
H
O
H H
H H
H
+ R
H
H C
+ H2O
C H
H R
+ H
O H
Günstige räumliche Voraussetzungen für die E2-Reaktion. Optimal für die E2-Eliminierung ist eine antiperiplanare Anordnung des β-ständigen Wasserstoffatoms und der Abgangsgruppe L (siehe Abschnitt 2.4.2). Das β-ständige H-Atom, die Abgangsgruppe und die an sie gebundenen C-Atome befinden sich in dieser Konformation in einer Ebene. In der antiperiplanaren Konformation kann eine Wechselwirkung zwischen den σ-Orbitalen der C–H- und der C–L-Bindung erfolgen, welche das „Hinüberfließen“ der Elektronen aus dem σ-Orbital in das sich aufbauende π-Orbital erleichtert. Die antiperiplanare Anordnung des Wasserstoffs und der Abgangsgruppe ist auch deshalb von Vorteil, weil in dieser Konformation die σ-Orbitale der C–H- und C–L-Bindung zueinander parallel stehen. Dies begünstigt eine Überlappung der sich bildenden p-Orbitale zum π-Orbital, die eine parallele Anordnung beider p-Orbitale voraussetzt. Die synperiplanare Anordnung von H und L ist für die E-Reaktion weniger günstig, da der Neigungswinkel der σ-Orbitale das Überlappen der sich bildenden p-Orbitale erschwert.
L H
H
H
H C
C
C
H
C H
H H
L
antiperiplanar Bild 3.4
H
H
synperiplanar
H und L in antiperiplanarer und synperiplanarer Konformation
3.6 Darstellung der Alkene
97
3.6.3 Die Saytzew- und die Hofmann-Regel Im Falle, daß keine endständige Abgangsgruppe vorliegt, könnte die Doppelbindung zum einen oder anderen C-Atom hin ausgebildet werden. Die Eliminierungsreaktion erfolgt aber entweder nach der Saytzew- oder nach der Hofmann-Regel (siehe auch Abschnitte 3.6.1.3 und 3.6.1.5) in eine Richtung: L R
CH2
CH
R
CH
CH
CH3
+ H
L Saytzew-Produkt
R
CH2
CH
CH2
+ H
L
CH3
Hofmann-Produkt
Die Saytzew-Regel. Die Dehydratisierung und die Dehydrohalogenierung verlaufen nach der Saytzew-Regel. Die Ausrichtung der Doppelbindung erfolgt bevorzugt zu dem C-Atom hin, das mehr Alkylreste gebunden hat. Man erklärt dies damit, daß die sich bildende Doppelbindung durch Hyperkonjugation mit Alkylresten (siehe Abschnitt 3.7.2.1) stabilisiert ist. Bei der Eliminierung nach der Saytzew-Regel wird das thermodynamisch stabilere Produkt gebildet. Die Hofmann-Regel. Diese Regel gilt z.B. für die Pyrolyse von Tetraalkylammoniumhydroxiden (siehe Abschnitt 3.6.1.5), die Esterpyrolyse (siehe Abschnitt 3.6.1.6) und die Pyrolyse von Xanthogenaten (siehe Abschnitt 3.6.1.7). Die Doppelbindung geht in diesem Falle in Richtung zu dem C-Atom, das die wenigsten Alkylreste hat. Hughes und Ingold nahmen an, daß die Orientierung der Doppelbindung nach der Hofmann-Regel auf die unterschiedliche Acidität der Wasserstoffe zurückzuführen ist, die sich in den β-Stellungen zur Abgangsgruppe befinden. Die Base bindet bevorzugt den Wasserstoff, der mehr acid ist. Die elektronenschiebende Wirkung der Alkylreste vermindert die Acidität, so daß der Wasserstoff in der CH3-Gruppe acider als in der CH2- oder der CH-Gruppe ist und die Abspaltung des Protons deshalb bevorzugt aus der Methylgruppe erfolgt.
R
weniger acid
H
L
H
C
C
C
H
H
H
H B
L
= NR3
mehr acid
Die Hofmann-Orientierung der Doppelbindung hat außerdem, besonders bei Eliminierungsreaktionen mit raumbeanspruchenden Gruppen, z.B. der Gruppe +N(CH3)3 in einer quartären Ammoniumbase, räumliche Ursachen. Man nimmt an, daß die Hofmann-Eliminierung kinetisch kontrolliert ist und die Reaktion nach dem E2-Mechanismus erfolgt. Hierbei ist es vorteilhaft, wenn sich die Abgangsgruppe und der zu eliminierende Wasserstoff in einer Konformation befinden, die eine anti-Eliminierung ermöglicht. Dies setzt eine antiperiplanare Anordnung (siehe Abschnitt 2.4.2 und Bild 3.4) der Abgangsgruppe L und eines β-ständigen Wasserstoffatoms voraus.
98
3 Alkene
Am Beispiel der Hofmann-Eliminierung des Isobutyltrimethylammoniumhydroxids wird in Bild 3.5 gezeigt, daß eine 1,2-Eliminierung günstiger als eine 2,3-Eliminierung ist. HO 4
H3 C
N(CH3)3
3
CH2
2
CH
1
CH3
H3C
Δ
CH2
CH
CH2 +
N(CH3)3 + H2O
1,2-Eliminierung
+ N(CH3)3 + H2O
2,3-Eliminierung
Hauptprodukt
Isobutyltrimethylammoniumhydroxid
H3C
CH
CH
CH3
Bei der 2,3-Eliminierung sind zwei Konformationen mit antiperiplanarer Konformation der Abgangsgruppe und eines β-ständigen Wasserstoffatoms denkbar. Bei diesen Konformationen befinden sich aber die sperrige Abgangsgruppe und eine Methylgruppe in nächster Nachbarschaft, so daß diese Konformation infolge der Abstoßungskräfte beider Gruppen als energiereich angesehen werden muß. Die für die Ausbildung des Übergangszustands benötigte Aktivierungsenergie ist demgemäß relativ groß. Bei der 1,2-Eliminierung kann das Molekül eine günstige Konformation einnehmen, in der die Ethylgruppe und die sperrige Abgangsgruppe voneinander relativ weit entfernt sind. Die kinetisch gesteuerte Reaktion läuft bevorzugt als 1,2-Eliminierung ab, da zur Ausbildung des Übergangszustandes eine relativ geringere Aktivierungsenergie benötigt wird (siehe Bild 3.5).
ungünstige Konformationen bei 2,3-Eliminierung: L = + N(CH3)3
4
H3C
L
H
2
L 1
2
3
1
4
H
H3C C CH2 CH3 α β β
4 CH
3
L
1
CH3
H H
H
H H
1
H
4
L 2C
H H3C 1 Bild 3.5
L 2
CH3
H
H
günstige Konformation bei 1,2-Eliminierung:
3
C
CH3 L H
2C
H H H3C 1
3
C
H 4 CH3
H
H
3
4
CH2 CH3
H
Antiperiplanare Konformationen von L und H bei der 1,2- und der 2,3-Eliminierungsreaktion von Isobutyltrimethylammoniumhydroxid
3.7 Reaktionen der Alkene
99
3.7 Reaktionen der Alkene Alkene sind sehr reaktionsfreudig. In der Regel sind es die Doppelbindungen, an denen die Reaktionen erfolgen. Es gibt eine ganze Reihe von Additionsreaktionen an die C=C-Doppelbindung, zu welchen elektrophile Additionen, radikalische Additionen, Cycloadditionen und die katalytische Hydrierung zählen. Weiter sind es Polymerisationsreaktionen der Alkene, die für die Produktion von Kunststoffen eine wichtige Rolle spielen. Die Reaktionsvielfalt der Alkene erklärt die Schlüsselrolle des Ethens für die großtechnische Herstellung vieler Produkte. Im Laufe all dieser an der Doppelbindung erfolgenden Reaktionen werden die energiereichen Alkene zu energieärmeren Alkanderivaten umgesetzt, wobei Energie freigesetzt wird. Diese Reaktionen sind also alle exotherm, sie erfolgen in vielen Fällen schon bei Zimmertemperatur.
3.7.1 Die Mechanismen von Additionsreaktionen Die für Alkene charakteristische Reaktion ist die Additionsreaktion. Unter Auflösung der π-Bindung wird der Addend addiert, und es entsteht das Addukt:
C
C
Alken
+
X
Addend
Y
X
C
C
Y
Addukt
Je nach der Natur der zu addierenden Verbindung und den Reaktionsbedingungen können Additionen nach verschiedenen Reaktionsmechanismen erfolgen. Zu diesen zählen die elektrophile Addition (AE), die radikalische Addition (AR) und synchrone Cycloadditionen (Reaktionsverlauf über einen cyclischen Übergangszustand oder ein cyclisches Zwischenprodukt oder zu einem cyclischen Endprodukt). 3.7.1.1 Elektrophile Additionsreaktionen (AE-Reaktionen) Die C=C-Doppelbindung stellt eine relativ diffuse Region hoher Elektronendichte und somit auch negativer Ladungsdichte dar. Diese hohe negative Ladungsdichte erklärt die leichte Angreifbarkeit der Doppelbindung durch ein Elektrophil. Dies kann ein Kation, z.B. +NO2 oder H+ sein, es kann sich aber auch um ein durch die π-Elektronen der Doppelbindung leicht zu polarisierendes Molekül handeln, z.B. ein Brommolekül. Die elektrophile Additionsreaktion ist dadurch charakterisiert, daß im ersten Schritt die Addition des elektrophilen Teilchens an die C=C-Doppelbindung stattfindet, und dann im zweiten Schritt die Addition des Anions erfolgt.
100
3 Alkene
H
C
C
H
H H
elektrisches Feld um Elektronen der Doppelbindung
Bild 3.6 Hohe negative Ladungsdichte der Doppelbindung
a) AE-Reaktionen, die über die Bildung eines Carbeniumions erfolgen Die über ein Carbeniumion verlaufenden elektrophilen Additionsreaktionen finden bei der Addition von Säuren (z.B. Schwefelsäure oder HBr) statt. Im ersten Reaktionsschritt kommt es zu einer schwachen Wechselwirkung zwischen dem Elektrophil und der π-Bindung; es wird ein loser π-Komplex gebildet. Dieser wird durch einen von der Doppelbindung auf das Elektrophil weisenden Pfeil symbolisiert, um die Donorfunktion (Donor = Elektronenspender) des Alkens aufzuzeigen. H C
C
+
H
X
C
+
C
X
π-Komplex Aus dem π-Komplex entsteht im nächsten Reaktionsschritt ein Carbeniumion: Das π-Elektronenpaar bindet das elektrophile Teilchen, in diesem Fall das H+, wobei unter Auflösung der π-Bindung eine C-H-σ-Bindung entsteht. Das vorher sp2-hybridisierte C-Atom ist nunmehr sp3-hybridisiert. Das im sp2-Zustand verbleibende C-Atom hat durch Auflösung der π-Bindung ein Elektron eingebüßt und ist deshalb positiv geladen. Im sp2-hybridisierten, positiv geladenen Kohlenstoffion C
ist das p-Orbital nicht mit Elektronen besetzt. Das C+ hat in seiner Außenschale nur ein Elektronensextett und ist bestrebt, sie mit zwei weiteren Elektronen zum Oktett aufzufüllen. Es reagiert deshalb im zweiten Reaktionsschritt mit dem Anion unter Bildung einer σ-Bindung, womit die Addition abgeschlossen ist. H H C
C
C
sp2 sp2
C
sp3 sp2
π−Komplex
Carbeniumion
H
H C
C
X
X C
C
3.7 Reaktionen der Alkene
101
b) AE-Reaktionen, die über die Bildung eines überbrückten Kations erfolgen Nach diesem Mechanismus reagieren Alkene vornehmlich mit Molekülen, die leicht polarisierbar sind, z.B. mit Halogenen. Bei Näherung des polarisierbaren Moleküls X–Y induziert das elektrische Feld um die Doppelbindung in diesem einen Dipol, und es entsteht der π-Komplex. Aus diesem heraus bildet sich ein überbrücktes Kation und Y– wird abgespalten. Das Alken fungiert hierbei als Nukleophil, das sich in der Verbindung X–Y mit seinem π-Elektronenpaar an das X mit der positiven Teilladung bindet und dessen Bindungspartner, das Y, substituiert. Im überbrückten Kation befindet sich die positive Ladung nicht allein am X, sie ist auch auf die beiden überbrückten C-Atome verteilt. Das Anion Y– kann im weiteren Reaktionsschritt von der der Brücke gegenüberliegenden Seite eines der beiden überbrückten C-Atome, die eine positive Teilladung aufweisen, angreifen und bildet mit seinem freien Elektronenpaar eine σ-Bindung. Die Liganden X und Y stehen unmittelbar nach der Reaktion einander diametral gegenüber, deshalb spricht man vom anti- oder trans-Mechanismus dieser Reaktion. Erfolgt die Addition nicht an ein cyclisches Alken, so sind die beiden die Liganden X und Y tragenden C-Atome frei um die C–C-σ-Bindung drehbar. Y δX δ+ C
+
C
X
Y
C
X C
C
π-Komplex
+
C
Y
überbrücktes Kation
X
X X
X C
C
C
oder
C
C
Y
Y
C
C
C
Y
Y
Erfolgt die Addition an ein Cycloalken, z.B. das Cyclohexen, so ist die freie Drehbarkeit um die Einfachbindung eingeschränkt, und es werden trans-Produkte gebildet.
Y
X
Y
X +
C
C
π-Komplex Bild 3.7
C
C
Überbrücktes Kation
Reaktionsschritt vom π-Komplex zum überbrückten Kation
102
3 Alkene X
X
X
und Y
Y
X
Y
Y
Das eine trans-Produkt ist das genaue Spiegelbild des anderen. X H
und
H Y
X H H Y
Verbindungen, die sich in ihrer Struktur auf diese Weise unterscheiden, bezeichnet man als Antipoden oder Enantiomere. Liegen beide Enantiomere im Gemisch in gleicher Menge vor, bezeichnet man dieses als racemisches Gemisch. Um ein solches handelt es sich im vorliegenden Falle, denn beide Enantiomere entstehen im Verhältnis 1:1. Auch bei dem über ein Brückenion verlaufenden Reaktionsmechanismus erfolgt an unsymmetrische Alkene die Addition unsymmetrischer Addenden nach der MarkownikowRegel (siehe Abschnitt 3.7.2). Dies weist darauf hin, daß die beiden überbrückten C-Atome für den Angriff eines Anions nicht gleichwertig sind. Man geht von der Annahme aus, daß sich bei unsymmetrischen Alkenen ein unsymmetrisches überbrücktes Ion bildet, so daß das Anion sich nur an ein ganz bestimmtes C-Atom der Brücke anlagert. Das unsymmetrisch überbrückte Kation ist auf einen Zustand zurückzuführen, der sich zwischen einem symmetrischen überbrückten Kation und einem Carbeniumion befindet. δ+ X H3C H3C
δ+
C
C
H H
H3C H3C
X C
C
Y
Y
H H
3.7.1.2 Cycloadditionen Cycloadditionsreaktionen erfolgen synchron (gleichzeitig, zeitgleich) über einen cyclischen Übergangszustand (z.B. die Hydroborierung oder die trans-Hydroxylierung mit Peroxybenzoesäure), wobei gleichzeitig alte Bindungen abgebaut und neue gebildet werden. A R' R
B R''
C
C
R' H
A
B
C
C
A R''
R H cyclischer Übergangszustand
R' R
B C
C
R'' H
Erfolgt die Anlagerung des Addenden ohne dessen Aufspaltung und unter Bildung einer σ-Bindung an den vorher doppelt gebundenen C-Atomen, so kann durch die Addition ein cyclisches Zwischenprodukt oder ein cyclisches Produkt gebildet werden (z.B. die Bildung
3.7 Reaktionen der Alkene
103
des Molozonids bei der Ozonisierung und die Reaktion der Alkene mit Osmiumtetroxid oder Kaliumpermanganat). Ozon + Alken
O H
O
O R'
C
C
H
H
R
O
O
O C
C
R
H
R'
Primärozonid (Molozonid)
Cycloadditionen können schon bei Zimmertemperatur erfolgen. Die für die Spaltung einer Bindung benötigte Energie wird bei der gleichzeitigen Bildung einer neuen Bindung wieder in das System eingebracht, so daß die Energiebilanz der Reaktion ausgeglichen ist. 3.7.1.3 Radikalische Additionen (AR) Die radikalische Addition wird ausgelöst durch Zerfall von Peroxiden (z.B. radikalische Addition von HBr) oder Bestrahlung mit UV-Licht. Die Reaktion setzt die homolytische (homöopolare) Spaltung der σ-Bindung des Addenden X–Y voraus, wobei das Radikal X· freigesetzt wird. Ein typisches Merkmal ist der kettenartige Verlauf der AR-Reaktion. Durch die Wechselwirkung mit dem Radikal X· wird die π-Bindung des Alkens homöopolar gespalten. Es entsteht ein Alkylradikal, das mit dem Addenden X–Y unter Bildung des Addukts reagiert, wobei gleichzeitig das Radikal X· entsteht, so daß ein weiterer Cyclus der Kettenreaktion beginnen kann. Kettenreaktion: +
X
X
C
C
C
X
C
+
Y
X
C
C
X
C
C
Y
+
X
An welches der beiden doppelt gebundenen C-Atome das Radikal X· angelagert wird, hängt davon ab, welches der beiden C-Atome räumlich zugänglicher ist, und ebenfalls davon, welches der beiden Alkylradikale, die bei diesem Reaktionsschritt entstehen können, stabiler ist (siehe Abschnitt Hyperkonjugation auf Abschnitt 3.7.2.1). Die räumlichen Aspekte spielen in diesem Falle die wichtigere Rolle.
3.7.2 Die Markownikow-Regel Erfolgt die elektrophile Addition einer Verbindung HX an ein unsymmetrisches Alken, so könnte man sich vorstellen, daß man über zwei unterschiedliche Carbeniumionen als Zwischenprodukte zwei Addukte erhält:
104
3 Alkene
C H3C
H3C
H C
CH3 H
H
H3C
H
C
+
H3C
X
H
C
C
X
H
H
MarkownikowProdukt
H
anti-MarkownikowProdukt
C
H3C
CH3
H H3C
X
H
C H
CH3 H
H
+
C
X
H3C
H
C
C
H
X
Man erhält jedoch bei Addition der Säure HX an unsymmetrische Alkene ausschließlich oder mit hoher Ausbeute nur ein Addukt, nämlich das Markownikow-Produkt. Markownikow stellte (1870) auf Grund seiner Beobachtungen die Regel auf, daß bei Additionen von Halogenwasserstoffen an unsymmetrische Olefine das Halogen an dem an Wasserstoff ärmeren Kohlenstoff angelagert wird. Erfolgt die Addition von HX an ein unsymmetrisches Alken nach der Markownikow-Regel, bezeichnet man das Addukt als Markownikow-Produkt, im anderen Falle spricht man vom anti-Markownikow-Produkt (z.B. bei der Addition von HBr nach dem Radikal-Mechanismus). 3.7.2.1 Die Regioselektivität der Addition von Säuren an unsymmetrische Alkene Die Addition von HX an unsymmetrische Alkene nach der Markownikow-Regel kann als regioselektiv bezeichnet werden. Von einer Regioselektivität spricht man dann, wenn im Molekül von zwei oder mehreren ähnlichen Regionen vom Agens bevorzugt eine angegriffen wird.2 Die Regioselektivität der Addition von Säuren an unsymmetrische Alkene ist damit zu erklären, daß im ersten Reaktionsschritt bei der Anlagerung von H+ an die Doppelbindung bevorzugt das Carbeniumion entsteht, das stabiler ist. Ein tertiäres Carbeniumion ist stabiler als ein sekundäres Carbeniumion und dieses ist wiederum stabiler als ein primäres Carbeniumion. H
H3C C H3C
C
H
H3C H
H tertiäres Carbeniumion
stabiler als
C
C
H H
stabiler als
H
H sekundäres Carbeniumion
H3C
C
H C
H H primäres Carbeniumion
Die unterschiedliche Stabilität tertiärer, sekundärer und primärer Carbeniumionen ist auf die Hyperkonjugation zurückzuführen. Der an das positive C-Atom gebundene Alkylrest ist um die C–C-σ-Bindung frei drehbar. Das Molekül kann eine Konformation einnehmen, in der das unbesetzte p-Orbital des sp2-hybridisierten positiv geladenen Kohlenstoffatoms R3C+ in unmittelbare Nähe zu dem σ-Orbital der C–H-Bindung der benachbarten Alkylgruppe gelangt. Beide Orbitale können überlappen (in Bild 3.8 durch eine gestrichelte Linie veranschaulicht), und dies ermöglicht eine Delokalisierung des im σ-Orbital befindlichen Elektro-
2
regiospezifisch = es wird ausschließlich nur eine Region angegriffen.
3.7 Reaktionen der Alkene
105
unbesetztes p-Orbital H H
H
H
+
C
C
C
+
C
H H
H
H H
C H
H
H 2
sp
H
3
2
sp
primäres Carbeniumion
H
H
sp
sekundäres Carbeniumion
+
C
C H
C H
3
sp
H
H
C
H 2
sp
3
sp
tertiäres Carbeniumion
Hyperkonjugation beim Ethyl-, Isopropyl- und tert.-Butylcarbeniumion
Bild 3.8
nenpaares, so daß sich die Aufenthaltswahrscheinlichkeit dieser Elektronen auch auf das pOrbital ausweitet. Diese als Hyperkonjugation bezeichnete Wechselwirkung stabilisiert das Carbeniumion. Je mehr Alkylreste sich an der Hyperkonjugation beteiligen können, um so stabiler ist das Carbeniumion. Im primären Carbeniumion ist nur ein Alkylrest, im sekundären Carbeniumion sind es zwei und im tertiären Carbeniumion sogar drei Alkylreste, die sich an der Hyperkonjugation beteiligen können.
3.7.3 Wagner-Meerwein-Umlagerungen Die Wagner-Meerwein-Umlagerungen finden an Carbeniumionen statt. Sie können z.B. bei der E1-Reaktion, der AE-Reaktion oder einer SN1-Reaktion auftreten, also überall dort, wo Carbeniumionen als Zwischenprodukte vorkommen. Durch Umlagerung einer Alkylgruppe oder durch eine Hydrid-Verschiebung entsteht ein stabileres Carbeniumion. In der Regel erfolgt die Umlagerung so, daß ein Carbeniumion entsteht, das mehr Alkylgruppen am C+ gebunden hat. Dieses kann durch Hyperkonjugation besser stabilisiert werden. Die weiteren Folgereaktionen finden an dem durch Umlagerung gebildeten Carbeniumion statt. 3.7.3.1 Die Hydrid-Verschiebung Die Hydrid-Verschiebung kann in einem Carbeniumion erfolgen, das durch die Umlagerung in ein stabileres Carbeniumion umgewandelt wird. Die Reaktion verläuft über einen cyclischen Übergangszustand mit einer Drei-Zentren/Zwei-Elektronen-Bindung. H H3C
C
H
H C
CH3 H
R
H3C
C
C
CH3 H
R
H3C
C
C
CH3 H
R
106
3 Alkene
2 Elektronen
unbesetztes p-Orbital
unbesetztes p-Orbital
H H
R
+
C
C
H3C
C
H3C
H
+
H3C
C
R
H3C
H3C
H +
C
C R
H3C
H
H
Übergangszustand
Hydrid-Verschiebung im Carbeniumion
Bild 3.9
3.7.3.2 Die Umlagerung von Alkylgruppen Im Carbeniumion kann, ähnlich der Hydridverschiebung, eine anionoide Umlagerung einer Alkylgruppe stattfinden, wenn auf diese Weise ein stabileres Carbeniumion entsteht. Die Alkylgruppe wandert hierbei als Anion unter Mitnahme des Bindungselektronenpaares. Die Umlagerung erfolgt über einen cyclischen Übergangszustand. CH3
CH3 H3C
C
C
R
H3C
CH3 H
C
C
CH3 R
H3C
CH3 H
C
C
R
CH3 H
cyclischer Übergangszustand
3.7.4 Elektrophile Additionsreaktionen 3.7.4.1 Die Addition von Halogenwasserstoffen an Alkene Die Neigung des Halogenwasserstoffes HX in H+ und X– zu dissoziieren, nimmt in der Reihe HCl < HBr < HI zu. Dem entspricht auch die Additionsfähigkeit der Halogenwasserstoffe an die Doppelbindung, da stärker dissoziierte Säuren leichter addiert werden. Ethen reagiert nicht mit konz. Salzsäure, dafür aber mit Bromwasserstoff- und Iodwasserstoffsäure. Die Addition eines Halogenwasserstoffes erfolgt nach folgendem Reaktionsmechanismus: H C
C
+ H
X
C
H C
π−Komplex
X
C
H C
Carbeniumion
X
C
C
X
Halogenalkan
3.7 Reaktionen der Alkene
107
3.7.4.2 Die Addition von H2SO4 an Alkene Alkene reagieren mit konz. H2SO4, wobei das Monoalkylsulfat entsteht: H C
+ H
C
SO3H
O
C
H C
+
O
SO3H
C
C
C
C
SO3H
O
O
SO3H
Monoalkylsulfat Die Reaktion ist umkehrbar, bei höherer Temperatur erfolgt eine Eliminierung, wobei das Monoalkylsulfat in das Alken und Schwefelsäure gespalten wird:
C
+
C
0 - 15 °C
H2SO4
H
170 °C
H
H
C
C
H
H
OSO3H
Die Addition von Schwefelsäure kann benutzt werden, um aus einem flüssigen AlkanAlken-Gemisch die Alkene zu entfernen. Alkane reagieren mit Schwefelsäure bei Zimmertemperatur nicht, die Alkene werden in das Monoalkylsulfat umgewandelt. Mit Wasser ausgeschüttelt, geht das polare Monoalkylsulfat in die wäßrige Phase und kann mit dieser abgetrennt werden. Das Dialkylsulfat kann bei der Addition von H2SO4 an Alkene ebenfalls entstehen: H C
C
C
C
O
+ H
C
O S
O
H
C
H C
H C
O
SO2
O
C
C
O O
SO3H
Monoalkylsulfat
Dialkylsulfat
Monoalkylsulfate und Dialkylsulfate können auch durch Veresterung der entsprechenden Alkohole mit Schwefelsäure gebildet werden. Es handelt sich bei diesen Verbindungen also um Ester. In ihnen ist das Schwefelatom nicht direkt an das C-Atom gebunden, wie dies z.B. bei den Sulfonsäuren der Fall ist, sondern es liegt eine C–O–S-Verknüpfung vor. Wie andere Ester können auch Alkylsulfate hydrolysiert werden, wobei als Reaktionsprodukt ein Alkohol erhalten wird: C
C
O
SO3H
+
H2O
C
C
OH
+
H2SO4
108
3 Alkene
3.7.4.3 Die saure Hydratisierung Wasser selbst läßt sich an Alkene nicht addieren, seine Acidität ist zu gering. Die Addition gelingt jedoch in Gegenwart starker Säuren: H C
C
+ H
C
C
C
C
C
H
C
C
O
O
H
H
H
C
H
H C
H
H
C
+
H
O
H
Bei dieser Addition ist das Proton (bzw. das Oxoniumion H3O+) das Elektrophil, das Wasser hingegen das Nukleophil. 3.7.4.4 Addition von Salpetersäure Aus den nachfolgenden Reaktionen ist ersichtlich, daß in konz. HNO3 auch H2O, NO3– und NO2+ anwesend sind: H H
NO3
O
NO2
H
H
NO3
O
NO2
H2O
+
NO2 +
NO3
Die Addition an das Alken beginnt mit dem Angriff des starken Elektrophils NO2+: NO2 C
C
+
NO2
C
NO2 C
C
C
Das Nitrocarbeniumion kann sowohl mit Wasser als auch mit dem Nitration reagieren. Nach der Anlagerung von Wasser erfolgt die Deprotonierung des Oxoniumions: NO2 C
H C
+
O
NO2 C
H
H C
NO2 C
O
C
O
H
+
H
H
Der entstehende Nitroalkohol reagiert sogleich mit der Salpetersäure unter Esterbildung:
3.7 Reaktionen der Alkene
109
NO2 C
NO2 C
O
+ HO
H
NO2
C
C
O
NO2
+
H2O
Bei der Addition des Nitrations an das Nitrocarbeniumion entsteht das gleiche Endprodukt wie nach der Anlagerung des Wassers und nachfolgender Veresterung des Nitroalkohols. NO2
NO2 C
+
C
O
NO2
C
C
Salpetersäureester NO2 des Nitroalkohols
O
3.7.4.5 Die Hydrocarbonylierung Die Hydrocarbonylierung von Alkenen mit CO und Wasser erfolgt unter saurer Katalyse mit Mineralsäuren (bevorzugt wird H3PO4/BF3) bei 20–80°C und 20–100 bar. Der technische Prozeß ist zweistufig, in der zweiten Stufe erfolgt die Zugabe von Wasser. Der erste Reaktionsschritt ist die Anlagerung des Protons an das Alken, es folgt die Reaktion des nucleophilen Carbonyls mit dem Carbeniumion, H C
C
+ H
C
H C
C
H
H C
C
+
C
C
C
O
H C
C
O
C
C
C
O
worauf eine Anlagerung von Wasser erfolgt. Eine Carbonsäure ist das Endprodukt dieser Reaktion, die auch als Hydrocarboxylierung bezeichnet wird: H
C
C
H
C
O
O
H
C
C H
H
C O
O H
H
C
C
C O
O
+
H
H
Carbonsäure
Anstelle von Wasser können bei dieser Reaktion als nucleophiles Reagens auch Alkohole angelagert werden, so daß Ester entstehen,
110
H
3 Alkene
C
C
R
C
O
O
H
H
C
C R
C
O
O
H
H
C
C R
C
O
+
O
H
Ester
oder Amine, so daß Säureamide gebildet werden. H
C
C
C
O
H
C
C
C
O
H
C
C
N R
N R
H
H
H
R
H
C
O
N
+
H
H
Säureamid
Die Hydrocarboxylierung erfolgt mit hoher Ausbeute, wenn Nickel- oder Kobalttetracarbonyl als Katalysator wirksam sind. Die Addition an höhere Alkene erfolgt nach der Markownikow-Regel. R
H C
R
+ H
C
H
H
C
CH3
H2O, CO, Co(CO)4, 80 °C, Druck
R H
H
COOH
+
C
H
CH3
Bei dem als Zwischenprodukt der Synthese gebildeten Carbeniumion tritt häufig eine Wagner-Meerwein-Umlagerung durch Hydridverschiebung (siehe Abschnitt 3.7.3.1) auf, so daß Gemische isomerer, verzweigter Carbonsäuren entstehen können. 3.7.4.6 Addition der Halogene an ein Alken Die Addition von Brom dient als Nachweisreaktion für das Vorhandensein einer C=C-Doppelbindung oder einer Dreifachbindung. Man schüttelt die zu untersuchende Substanz oder eine Lösung derselben mit Bromwasser. Sind ungesättigte Verbindungen zugegen, tritt eine Entfärbung ein, die darauf zurückzuführen ist, daß das Brom an die Doppel- bzw. Dreifachbindung addiert wird, und das Reaktionsprodukt farblos ist. Der Reaktionsverlauf ist folgender: Nähert sich das Brommolekül der Doppelbindung, so induziert (inducere = einführen) die relativ hohe negative Ladungsdichte im Brommolekül eine Polarisierung, und es bildet sich ein π-Komplex. δ Br
Br
C
C
+ Br δ
Br
C
C
π-Komplex
Die Polarisierung des Brommoleküls schreitet weiter bis zu seiner heteropolaren Spaltung. Nach dieser Spaltung liegt ein Bromoniumion (ganz allgemein ein Halogenonium-Ion) nebst einem Bromidion vor. Im nächsten Reaktionsschritt nähert sich das Bromidion von der
3.7 Reaktionen der Alkene
111
entgegengesetzten Seite einem der überbrückten C-Atome und wird an dieses gebunden, indem es eines der freien Elektronenpaare für diese Bindung zur Verfügung stellt. -
Br
δ
+ Br δ
C
Br
C
C
Br
Br
+
C
Br
C
+
C
C Br
Br
π-Komplex
Bromonium-Ion
C
1,2-Dibromalkan
Die Fähigkeit überbrückte Halogenonium-Ionen zu bilden, steigt in der Reihe Chlor < Brom < Iod. Beim Chlor ist diese Neigung nur schwach ausgeprägt. So erfolgt z.B. bei der Addition von Chlor an cis-Stilben teilweise eine syn-Addition (beide Teile des Addenden lagern sich an die Doppelbindung von der gleichen Seite her an), was darauf hinweist, daß in diesem speziellen Fall ein anderer Additionsmechanismus – als der über ein Brückenion – vorliegt. H
H C
C
cis-Stilben
Cl
+
Cl2
H
H C
C
Cl
1,2-Dichlor-1,2-diphenylethan
Die Addition von Fluor bei tiefer Temperatur verläuft ausschließlich über einen syn-Mechanismus. Man nimmt in diesem Falle eine Addition über Vierzentren-Übergangszustände an:
Ganz allgemein kann man sagen, daß Halogene leichter addiert werden als Halogenwasserstoffe. Die Reaktionsbereitschaft der Halogene zur Addition an Alkene nimmt ganz im Gegensatz zu den Halogenwasserstoffen mit steigendem Molekulargewicht ab: F2 > Cl2 > Br2 > I2 Die Bromaddition führt man gewöhnlich so durch, daß man Brom zunächst in CHCl3 oder CCl4 löst und die Lösung zu dem im gleichen Lösungsmittel gelösten Alken unter Kühlen des Reaktionsgemisches solange zutropfen läßt, bis sich das Reaktionsgemisch nicht mehr entfärbt. Die Reaktion mit Chlor erfolgt durch Einleiten von Chlorgas in das Alken bzw. dessen Lösung. Die Addition von Iod an Alkene erfolgt langsam, und die entstandenen vicinalen Diiodalkane (vicinus = der Nachbar) spalten das Iod leicht wieder ab:
112
3 Alkene
I C
+
C
I2
C
C
I Die leichte Abspaltbarkeit des Iods aus vicinalen Diiodalkanen kann dazu benutzt werden, um vicinale Dibromide oder Dichloride auf schonende Weise in das entsprechende Alken umzuwandeln. Man gibt zur Acetonlösung des vicinalen Dibromalkans NaI und erhitzt unter Reflux (Methode nach Finkelstein). Als Reflux bezeichnet man ein Erhitzen unter dem Rückflußkühler, wobei das Kondensat in den Reaktionskolben zurückfließt. Beide Bromatome werden durch Iod ersetzt. Das entstandene Diiodderivat spaltet Iod unter Bildung eines Alkens ab. Br C
+ 2 NaI
C
I
Aceton
C
C
C
+ 2 NaBr
C
+
2 NaBr + I2
I
Br
3.7.4.7 Addition der unterchlorigen Säure Bei der Addition von unterchloriger Säure an Alkene werden Chlorhydrine erhalten. Die anti-Stellung der OH-Gruppe und des Chlors weisen auf den Reaktionsmechanismus über ein Brückenion hin. Bei der heteropolaren Spaltung der unterchlorigen Säure ist Chlor die positive, die OH-Gruppe die negative Komponente. -
O δ
H
+
Cl δ C
+
C
Cl
O
C
H
Cl C
C
Cl C
O
+
C
H
C O
H
Chlorhydrin (vic-Chloralkanol)
Im alkalischen Medium entstehen aus den Chlorhydrinen leicht Epoxide: Cl C
C O
C H
OH
Na
C
+
Na
Cl
+
H2O
O
Epoxid (Oxiran)
In verdünnten Säuren erfolgt die Ringöffnung eines Epoxids unter Bildung eines Glykols. Als Glykole bezeichnet man vicinale Diole (zweiwertige Alkohole, deren OH-Gruppen an benachbarte C-Atome gebunden sind). Befindet sich das Epoxid an einem Kohlenstoffring, so führt die Epoxidspaltung zu einem trans-Glykol.
3.7 Reaktionen der Alkene H
113 H
H
C
H
H O
O C
C
H
C
C
C
C
O
H
C
O H
H
+
O
O
O
O
H
H
H
Glykol
3.7.5 Cycloadditionen Cycloadditionen sind Reaktionen, bei welchen sich zwei oder mehrere Moleküle unter Umwandlung von π- zu σ-Bindungen zu einem Ring vereinen. 3.7.5.1 Die Hydroborierung Das für die Hydroborierung benötigte Diboran B2H6 entsteht bei der Umsetzung von BCl3 mit Lithiumaluminiumhydrid in Ether, Ether
4 BCl3 + 3 LiAlH4 ⎯⎯⎯ ⎯→ 2 B2H6 + 3 LiAlCl4
oder beim Eintropfen des Bortrifluorid-Etherats BF3 · O(C2H5)2 in eine Lösung von Natriumborhydrid in Diethylenglykoldimethylether (H3COCH2CH2OCH2CH2OCH3). 4 BF3 + 3 NaBH4 ⎯ ⎯→ 2 B2H6 + 3 NaBF4
Bei der Hydroborierung setzt man die Aufspaltung des Diborans B2H6 in 2 BH3 voraus. Boran BH3 wird an die Doppelbindung addiert, wobei sich –BH2 regioselektiv (siehe Abschnitt 3.7.2.1) an das mit mehr Wasserstoffatomen substituierte sp2-hybridisierte C-Atom anlagert. Experimentelle Ergebnisse (syn-Anlagerung, festgestellte Substituenten-Einflüsse) lassen einen Vierzentren-Mechanismus wahrscheinlich erscheinen. BH3
R C R
H C H
R
R
H
BH2
C
C H
H
R
R
H
BH2
C
C H
H
Monoalkylboran
Bei dieser Reaktion spielen vor allem die räumlichen Verhältnisse eine Rolle. Die =CH2Gruppierung ist für das Bor besser zugänglich. Auf der Stufe des Monoalkylborans bleibt die Reaktion nicht stehen. Die –BH2-Gruppe kann sich noch an ein weiteres Alkenmolekül und der aus dieser weiteren Addition resultierende –BH-Rest schließlich an ein drittes Alkenmolekül addieren:
114
3 Alkene R R
R R
C
R
H
CH2
H H
BH
C
CH2
R
C BH
H R
R H
CH2
C
CH2
C
R
R
R
CH2
H
BH
C
CH2
R
Dialkylboran R
R R
C
CH2
H
C
R C
H
B
H R
H
R
C
CH2 C
H
R
H
C
R
CH2
C
C
R
R
B
H R
CH2
C
CH2
H
R
C
C
H
H
R
R
R
R
CH2
C H
H
B
H
R
R
H
H
Trialkylboran Bei der Hydrolyse des Trialkylborans mit Essigsäure erhält man das entsprechende Alkan: R
H C
CH2
R
B
+
3 H2O
R
CH3COOH
3
H C
+
CH3
H3BO3
R
3
Wird Trialkylboran oxidativ hydrolysiert, so entsteht ein Alkohol. Für die Reaktion wird gewöhnlich Wasserstoffperoxid in alkalischem Medium verwendet: R
H C
H B
CH2
R
H2O2 / NaOH
3
R
C
+
CH2OH
Na3BO3
R
3
Bei der oxidativen Hydrolyse eines Triborans R3B mit Wasserstoffperoxid im alkalischen Medium wird im ersten Reaktionsschritt das Wasserstoffperoxid-Anion an das Boratom gebunden, worauf sich das Zwischenprodukt unter Freisetzung des Hydroxydions umlagert. Der entstandene Monoester R2BOR reagiert auf gleiche Weise weiter, wobei der Borsäureester (RO)3B entsteht, der im alkalischen Medium zum entsprechenden Alkohol und BO33– verseift wird. R R
B R
R
R O
O
H
R
B R
O
O
R
H - OH
B
O
R
3.7 Reaktionen der Alkene
115
R B
+
OR
- 2 OH
R
3 OH
B(OR)3
2 HOO
3 ROH
+
BO33-
Diese Reaktion ist insofern wichtig, als man, ausgehend vom Alken durch Hydroborierung und nachfolgende oxidative Hydrolyse des Trialkylborans, ein anti-MarkownikowProdukt erhält: R 3
R
H C
+
C
R
BH3
H C
CH2
R
H
H2O2 / NaOH
B
3 R
3
H
H
C
C
R
H
OH + Na3BO3
anti-Markownikow-Produkt
Ausgehend vom gleichen Alken würde man mit der sauren Hydratisierung oder Addition von H2SO4 und nachfolgender Hydrolyse des Esters stets nur ein Markownikow-Produkt erhalten. R
H C
H
C
R
/ H2O
H
R
R
H
C
C
H
HO H Markownikow-Produkt
3.7.5.2 Die Ozonisierung Es ist bekannt, daß beim Durchschlagen eines elektrischen Funkens oder bei Bestrahlung mit kurzwelligem Licht (< 250 nm) Sauerstoff in Ozon umgewandelt wird. Das erklärt auch den Ozongehalt der Luft (10–6–10–5 Vol.% ) und die noch höhere Ozonkonzentration in den einer intensiven kurzwelligen Strahlung ausgesetzten Luftschichten in etwa 25–40 km Höhe. Ozon ist eine metastabile hochreaktive Verbindung mit starkem Oxidationsvermögen. Auch organische Verbindungen können mit Ozon reagieren. Die Reaktion des Ozons mit einem Alken, die zur Ozonidbildung führt, wird als Ozonisierung bezeichnet: O C
C
+ O3
in CCl4, -20 °C
C
C O
O
Ozonid Das für die Reaktion nötige Ozon wird in einem Siemensschen Ozonisator hergestellt. Dieser besteht aus zwei koaxialen Glasrohren. Das engere Rohr wird an der Innenwand, das weitere Rohr an der Außenwand mit Wasser gekühlt. Durch den Ringraum zwischen den Rohren strömt Sauerstoff oder trockene Luft durch. Durch Anlegen einer Spannung von 3000 und mehr Volt erfolgen in diesem Raum dunkle Entladungen, die eine Ozonbildung zur Folge haben. Der aus dem Ozonisator kommende Gasstrom kann bis zu 15 % Ozon enthalten. Dieser Gasstrom wird durch eine Lösung der Alkene in Tetrachlorkohlenstoff
116
3 Alkene
oder Ethylacetat geleitet. Das Reaktionsgefäß wird von außen mit Eis in Salzlösung oder mit Trockeneis in Aceton gekühlt. Der Gasstrom wird weiter durch eine Waschflasche mit KILösung geführt. Das Ausscheiden von Iod kündigt das Ende der Reaktion an. In geringen Konzentrationen kann Ozon zur Luftverbesserung und Trinkwasserentkeimung verwendet werden. In stärkerer Konzentration wirkt Ozon jedoch verätzend auf die Atmungsorgane. Vor dem Einatmen des bei der Ozonisierung in hoher Konzentration vorliegenden ozonreichen Gasgemisches sei dringend gewarnt! Als Verbindungsstücke können nur PVC- oder Siliconschläuche verwendet werden, Gummischläuche werden von Ozon angegriffen und sind nach kurzer Zeit unbrauchbar. Die Struktur des Ozons kann mit den nachfolgenden mesomeren, polaren Grenzformeln beschrieben werden.3 O
O
O O
O O
O O
O
O
O
O
Der erste Reaktionsschritt bei der Ozonisierung führt zum instabilen Molozonid. Das Molozonid zerfällt synchron in eine Carbonylverbindung und ein Carbonyloxid. Die Spaltstücke orientieren sich mit ungleichnamigen Ladungen zueinander und vereinigen sich durch eine 1,3-dipolare [3+2]-Cycloaddition zum Ozonid. Die Reaktion wird deshalb „1,3dipolar“ genannt, weil die Ladungen sich beim Carbonyloxid C
O
O
in Stellung 1 und 3 befinden. [3+2]-Cycloaddition bedeutet, daß die eine Komponente mit 2 und die andere mit 3 Atomen am Aufbau des Ringes beteiligt ist. C
O
C
O
C
O
C
O
δ+ C
O
δO
O C
O
O
Molozonid (Primärozonid)
C
O
C O
Keton und Carbonyloxid
O
Ozonid
Ozonide sind relativ beständig, es empfiehlt sich aber, sie in Lösung zu halten, da sie sich, besonders die als Nebenprodukt erhaltenen polymeren Ozonide, bei vollständigem Abdestillieren des Lösungsmittels explosionsartig zersetzen können. Ozonide lassen sich leicht hydrolysieren. Die Spaltung des Olefins mit Ozon wird als Ozonolyse bezeichnet. O
R R
3
C
C O
O
R' R'
R +
H2O
R
R' C
O
+
O
C
R'
+
H2O2
Mesomere Grenzformeln unterscheiden sich nur durch die unterschiedliche Anordnung der πElektronen bzw. p-Elektronenpaare und Lokalisierung von Ladungen.
3.7 Reaktionen der Alkene
117
Trägt das Ozonid an jedem der beiden Brückenkohlenstoffatomen 2 Alkylreste, so erhält man als Produkt der Hydrolyse zwei Ketone und Wasserstoffperoxid. Die Ozonolyse von Verbindungen des Typs O
R
C
C
H
O
O
R' H
führt zu Aldehyden, die aber zum Teil durch das bei der Reaktion anfallende Wasserstoffperoxid zu Carbonsäuren weiteroxidiert werden. Man führt deshalb, um eindeutige Produkte zu erhalten, die Ozonolyse reduktiv oder oxidativ durch. Die reduktive Ozonolyse erfolgt durch katalytische Hydrierung mit Pd auf Calciumcarbonat, die Reaktionsprodukte sind Aldehyde: R
R' C
H
O
R
O3
C
C
H
H
C O
O
R' H
Pd / H2
R H
C
O
+
R' O
C
H
+
H2O
Hat das im Fünfring des Ozonids befindliche Kohlenstoffatom einen Wasserstoff gebunden, führt die oxidative Hydrolyse des Ozonids zu einer Carbonsäure: R
R' C
H
O
R
O3
C
H
H
C
C O
O
R' H
R
HCOOH / H2O2
HO
C
O
+
R' O
C
OH
Die Hydrolyseprodukte tetraalkylsubstituierter Ozonide vom Typ O
R R
C
C O
O
R' R'
sind Ketone R R
C
O
und
R' O
C
R'
Die Produkte der Ozonolyse geben eine genaue Information über die Stellung einer Doppelbindung des Alkens, das ozonisiert wurde. Die Ozonisierung wird deshalb oft zur Bestimmung der Lage der Doppelbindung bei der Strukturaufklärung von Stoffen herangezogen. 3.7.5.3 Die Dihydroxylierung Bei milden Reaktionsbedingungen können Alkene mit bestimmten Oxidationsmitteln in Glykole übergeführt werden. Die Dihydroxylierung, oft auch als Hydroxylierung bezeichnet, kann nach einem syn- oder anti-Mechanismus erfolgen. Erfolgt die Dihydroxylierung nach dem syn-Mechanismus, stehen die beiden Hydroxygruppen unmittelbar nach der Hydrolyse des cyclischen Zwischenprodukts, von der C–C-Bindung her gesehen, zunächst auf der glei-
118
3 Alkene
chen Seite, was einer synperiplanaren Konformation der OH-Gruppen entspricht. Durch die freie Drehbarkeit um die C–C-Einfachbindung kann das Molekül im weiteren zeitlichen Verlauf natürlich andere Konformationen einnehmen. Beim Anti-Mechanismus stehen die Hydroxygruppen unmittelbar nach der Hydrolyse einander diametral gegenüber. Mit Cycloalkenen erhält man, bedingt durch die Einschränkung der freien Drehbarkeit um die C–CBindung durch den Ring, bei der Dihydroxylierung nach dem syn-Mechanismus ein cis- und nach dem anti-Mechanismus ein trans-Glykol. a) Die anti-Dihydroxylierung Als Oxidans dienen in diesem Falle gewöhnlich Peroxysäuren, R
O
C
C
O OH Peroxysäure
O O
OH
Peroxybenzoesäure
Hydroperoxide RCH2–O–OH oder Wasserstoffperoxid in Eisessig. Oft wird Peroxybenzoesäure (Reaktion nach Prileschajew), oder 98 %iges Wasserstoffperoxid verwendet. Eine Anlagerung des Sauerstoffatoms führt über einen cyclischen Übergangszustand zur Epoxidbildung. R
C
O
R H
O
R
O
O
O C
C
C
C
H
O
H
Carbonsäure
O
O C
O
C
C
Epoxid
C
Im sauren Medium erfolgt leicht eine Aufspaltung des Epoxids, wobei ein Glykol gebildet wird: H
H
C
C
C
HO
HO
O
O
C
C
C
C
+
H2 O
O H
+ H
OH
O H
C
H
H
Glykol
b) Die syn-Dihydroxylierung Mit OsO4 und MnO4– erfolgt eine [2+3]-Cycloaddition an das Alken (von der Cyclisierung betroffen sind 2 C-Atome des Alkens und 3 Atome des OsO4 bzw. MnO4–). Durch hydrolytische Spaltung des 5-Ringes gelangt man zum Glykol.
3.7 Reaktionen der Alkene
119
Die Dihydroxylierung mit Osmiumtetroxid OsO4 wird nur zur Hydroxylierung von kleinen Mengen von Alkenen verwendet. Dies aus zwei guten Gründen: es ist teuer und seine Dämpfe sind sehr giftig. Die Umwandlung der Alkene in Glykole über ein OsO4-Addukt geschieht auf sehr schonende Weise, und es ist vor allem gewährleistet, daß keine Weiteroxidation erfolgt. Die Hydroxylierung über die Addition von Osmiumtetroxid ist deshalb für die Strukturaufklärung von einiger Bedeutung. Osmiumtetroxid bildet mit dem Alkan einen cyclischen Osmiumsäure-Ester, der als solcher auch isoliert werden kann. Er wird oxidativ hydrolysiert oder reduktiv gespalten.
Anmerkung: THF = Tetrahydrofuran
Bei der Reaktion cyclischer Alkene mit Osmiumtetroxid und nachfolgender Hydrolyse erhält man cis-Glykole. O H O
+ OsO4
O Os O
OH H OH
H2O2
H
+ OsO4
H
Die Dihydroxylierung mit KMnO4 Die Hydroxylierung mit verdünnter wäßriger KMnO4-Lösung führt bei niedrigen Reaktionstemperaturen (0–5°C) über eine cis-Addition zum Glykol. Das cyclische Addukt kann nicht isoliert werden, es wird sogleich zum Glykol hydrolysiert. H
H C
C
R
R
O
H C
R
C
R O
O Mn
O O
Mn O
H
O
2 H2O
H R C HO
H C
R OH
O
OH +V Mn O OH
O
Bei den gegebenen Bedingungen kann eine Weiteroxidation eines Teils des Glykols erfolgen. Die Reaktion hat deshalb für die präparative Darstellung der Glykole kaum Bedeutung. Sie dient aber als typische Nachweisreaktion für ungesättigte Verbindungen. Sie erfolgt durch Schütteln des Alkens mit Baeyer-Reagens (KMnO4 in 10 %iger Na2CO3-Lösung ) bei Zimmertemperatur. Das Vorhandensein des Alkens oder eines Alkins ist am Verschwinden
120
3 Alkene
der violetten Färbung und Ausfällung des dunkelbraunen MnO2-Niederschlags erkennbar. Der braune Niederschlag ist darauf zurückzuführen, daß die zunächst entstandene Mangan(V)-Verbindung (das Hypomanganat) mit der vier- und sechswertigen Stufe des Mangans im Disproportionierungsgleichgewicht steht, +V 3
+VI 2
2 MnO4
MnO4
+IV 4
+
MnO4
und MnO44– mit Wasser zu Braunstein MnO2 umgesetzt wird. 4
MnO4
+
Mn(OH)4 +
4 H 2O
MnO2 +
4 OH
4 OH
+ 2 H2O
Das sechswertige Manganat, das bei der Disproportionierung entsteht, ist ein starkes Oxidationsmittel, das das Alken bzw. das Glykol ebenfalls oxidieren kann.
3.7.6 Radikalische Additionen 3.7.6.1 Radikalische Addition des Bromwasserstoffes Bei der elektrophilen Addition von HBr an Propen entsteht 2-Brompropan CH3CHBrCH3 (Markownikow-Produkt) und als Nebenprodukt noch 1-Brompropan CH3CH2CH2Br. Wird die Reaktion in Gegenwart von Peroxiden durchgeführt, so wächst die Ausbeute des 1-Brompropans beträchtlich. Die Erklärung liegt darin, daß im Beisein von Peroxiden, die leicht in Radikale zerfallen, die radikalische Addition von HBr an das Alken ausgelöst wird, die zum anti-Markownikow-Produkt führt. Das Vorhandensein dieses Produkts als Nebenprodukt bei der elektrophilen Addition ist darauf zurückzuführen, daß neben der elektrophilen Addition auch, hervorgerufen durch O2 als Initiator, ein Teil des Bromwasserstoffs nach dem radikalischen Mechanismus addiert wird. Startreaktion: Zum Initiieren der radikalischen Addition kann z.B. Dibenzoylperoxid verwendet werden, das in Phenyl- und Benzoyloxyradikale zerfällt. O C6H5
C
O O
O
C
O C6H5
2 C6H5
C
O
Benzoyloxyradikal O C6H5
C
O
C6H5
+
CO2
Phenylradikal
Beide Radikale können mit Bromwasserstoff reagieren, wobei aus HBr ein Bromatom freigesetzt wird.
3.7 Reaktionen der Alkene
+
C6H5
121
H
Br
+
C6H6
O C6H5
Br
O
C
+
O
H
Br
C6H5
C
O
H
+
Br
Benzoesäure Kettenfortpflanzung: Bei der Kettenfortpflanzung reagiert das Bromatom mit dem Alken unter Auflösung der Doppelbindung, wobei zunächst ein Radikal entsteht. Bei niedrigen Temperaturen dürfte, da bei cyclischen Olefinen mit DBr (D = Deuterium) eine bevorzugte anti-Addition festgestellt wurde, das Vorliegen des Radikals in einer überbrückten Form nicht auszuschließen sein. Bei höheren Temperaturen geht diese Stereospezifität der Addition jedoch verloren. Das nach Anlagerung des Bromatoms entstandene Radikal spaltet Bromwasserstoff homolytisch, wobei das Bromatom freigesetzt wird. Reagiert dieses nun mit Propen, wiederholt sich der ganze hier aufgezeigte Cyclus.
Br H3C
H C
C
H
Br C
H
C H
H3C H
C Br
Br
H3C
H
H
C
H
H3C H
H
H
Br C
C
H
H H
+
Br
Kettenabbruchreaktionen: Die Kettenabbruchreaktionen erfolgen durch Rekombination des Bromatoms mit dem Radikal, Br
H3C C H
C Br
H H
H3C H C Br
Br C
H H
oder indem sich zwei Radikale miteinander verbinden (Rekombination )
122
3 Alkene
2
H
Br
C
C
H
H
CH3 H
Br
H
CH3 Br
C
C
C
C
H
CH3 H
H
H
Die Anlagerung des Bromatoms bei der Kettenreaktion an das sp2-hybridisierte Kohlenstoffatom, das mehr H-Atome gebunden hat, ist zu erklären: 1.) mit den räumlichen Verhältnissen. Das mit Wasserstoff substituierte C-Atom ist für das Bromatom am zugänglichsten. 2.) damit, daß die Stabilität der Radikale in folgender Reihe wächst (zur Erklärung siehe den Absatz über die Hyperkonjugation im Abschnitt 2.9.1.4): R
C
R
C
R
C H
H
H
R
R
H
H H
C R
Durch Anlagerung des Bromatoms an das die Wasserstoffe tragende C-Atom wird ein stabileres Radikal gebildet als bei der Anlagerung an das andere sp2-hybridisierte Kohlenstoffatom: Br H3C
C
C
H
H
H
stabiler als
H3C
Br
H
C
C
H
H
Die radikalische Addition erfolgt nur mit HBr, nicht mit anderen Halogenwasserstoffen. HI kann zwar leicht homolytisch gespalten werden, aber das Iodatom ist zu wenig reaktiv. Für die homolytische Spaltung von HCl bzw. HF ist relativ viel Energie notwendig. 3.7.6.2 Die radikalische Addition der Halogene Die radikalische Addition von Chlor und Brom erfolgt in der Gasphase oder in unpolaren Lösungsmitteln bei Bestrahlung mit kurzwelligem Licht. In polaren Lösungsmitteln und ohne Bestrahlung findet die elektrophile Addition statt. Startreaktion: Der Mechanismus der radikalische Addition von Halogenen wird am Beispiel der radikalischen Addition von Chlor gezeigt. Die Reaktion wird ausgelöst durch Spaltung des Chlormoleküls in Chloratome bei Bestrahlung mit kurzwelligem Licht. Cl
Cl
hν
2
Cl
Kettenfortpflanzung: Das Chloratom entkoppelt die Elektronen der π-Bindung und lagert sich an ein Kohlenstoffatom der Doppelbindung an. Das entstandene Radikal spaltet ein Chlormolekül und bindet
3.7 Reaktionen der Alkene
123
ein Chloratom. Das andere Chloratom reagiert mit einem weiteren Alkenmolekül und ein neuer Cyclus der Kettenreaktion beginnt.
Cl Cl C
C
C
Cl
Cl C
C
C
C Cl
Cl
+
C
Cl
Cl
vicinales Dichloralkan
Kettenabbruchreaktionen: Der Abbruch der Kettenreaktion erfolgt durch Anlagerung eines Chloratoms an das Radikal oder indem sich zwei Chloratome oder zwei Radikale miteinander verbinden (Rekombination ). Cl
Cl
C
C
C
C Cl
Cl
oder Cl
2
C
Cl C
C
Cl C
C
C
3.7.6.3 Die Addition von Stickstoffoxiden Stickstoffdioxid besitzt ein ungepaartes Elektron und kann deshalb leicht dimerisieren: O
2
N
O
O O
O N
N O
Spektroskopisch wurde in der Gasphase ebenfalls das weniger stabile Isomer ONONO2 nachgewiesen. Dieses spaltet sich leicht in NO+ und NO3–:
124
3 Alkene
O O
N
O
N
O
O
N
O
O
+
N
O
N
O
Die radikalische Addition von Stickstoffdioxid führt zum Dinitroalkan, O C
2
+
C
O
N
N O
C
C
O
N
O
O 1,2-Dinitroalkan
während sich bei der polaren Addition β-Nitrosoalkylnitrat bildet: C
+
C
N
+
O
O
NO2
O
N
C
C
NO2
O
β-Nitrosoalkylnitrat
Distickstofftrioxid dissoziiert in Stickoxid NO und Stickstoffdioxid NO2 (Bei Zimmertemperatur und Normaldruck liegt in der Gasphase nur 10 % nichtdissoziiertes N2O3 vor.): O N
N
O
N
O
+
N
O O
O
Die radikalische Addition von N2O3 an ein Alken führt zum Nitrosonitroalkan.
C
C
+
O
N
+ N
O
O
N
C
C
N
O O
O
Nitrosonitroalkan
Die polare Addition von N2O3 an ein Alken setzt die heteropolare Spaltung in NO+ und NO2– voraus, es entsteht β-Nitrosoalkylnitrit.
C
C
+
O
N
+
N
O
O
N
C
C
O
N
O
O
β-Nitrosoalkylnitrit
3.7.6.4 Die radikalische Addition der Thiole an Alkene Die radikalische Addition der Thiole wird mit Peroxiden initiiert. Die Reaktion läuft nach folgendem Schema ab:
3.7 Reaktionen der Alkene
125
Startreaktion:
R
O
O
R
S H
2
R
+
O
R
S
R
R
O
R
+
S
H
O
R
Kettenfortpflanzung:
C
C
R
S
+
H
+
C
C
C
S
R
C
S
R
R
+
S
H
C
C
S
R
Thioether (Produkt) Kettenabbruchreaktionen:
R
+
S
C
C
S
R
R
S
C
C
S
R
C
C
oder R
S
C
C
+
C
C
S
R
R
S
C
C
S
R
3.7.6.5 Radikalische Additionen mit C–C-Verknüpfungen a) Radikalische Additionen von Alkoholen an Alkene Alkohole reagieren mit Alkenen bei Bestrahlung oder Erhitzen mit Peroxiden ebenfalls nach dem Radikalmechanismus. Die der radikalischen Addition von Thiolen an Alkene analoge Reaktion mit Ether als Reaktionsprodukt erfolgt nur als Nebenreaktion. Dies ist damit zu erklären, daß die C–H-Bindung des Alkohols leichter homolytisch gespalten wird als die O–HBindung. Der nachstehend aufgezeigte Reaktionsmechanismus zeigt, daß die Addition in diesem Falle zu einem längerkettigen Alkohol führt.
126
3 Alkene
Startreaktion: R'
O
O
R'
R'
+
O
O
R'
H R'
O
+
H
H
C
R
O
H
R'
O
H
+
C
R
O
H
Kettenfortpflanzung: H
H C
C
+
C
C
R
C
C
OH
H R
C
OH
H C
H
C
OH
R
C
H
H R
R
+ H
C
OH
C
C
C
R
OH
OH
Kettenabbruchreaktionen: H
H R
C
+
C
C
C
H R
OH
OH
C OH
C
C
C
+
C
C
C OH
C
R
OH
H C
C
OH
H R
R
H
H R
R
C OH
H C
C
C
C
C
R
OH
Erfolgt die Addition unter Einwirkung von kurzwelligem Licht, wird ein Photosensibilisator den Alkenen beigefügt. Photosensibilisatoren, z.B. Benzophenon (C6H5)2C=O, erleichtern die radikalische Addition unter Lichteinwirkung.
3.7 Reaktionen der Alkene
127
b) Radikalische Additionen von Aldehyden, Ketonen, Carbonsäuren und Estern Bei Alkoholen und Aldehyden erfolgt die homolytische Spaltung der C–H-Bindung an dem Kohlenstoffatom, das ebenfalls den Sauerstoff bindet. Bei Ketonen, Carbonsäuren und Estern wird die C–H-Bindung an dem zur Carbonylgruppe α-ständigen Kohlenstoffatom gespalten. C
C
H
+
C
R'
H
C
O Aldehyd
C
C
C
H
+
Keton
H C
H
CH3
H O Keton
C
C
C
+ H
C
C
CH3
H O Keton mit längerer Kohlenstoffkette H
H C
R'
O
H C
C
C
C
H
O Ester
O
R'
C
C
H
C
C
O
R'
H O Ester mit längerer Kohlenstoffkette
c) Radikalische Additionen von Alkylhalogeniden Beim Erhitzen von Alkylhalogeniden mit Peroxiden auf etwa 100°C werden diese homolytisch gespalten, so daß radikalische Additionen mit einem Alken erfolgen. C
C
+
X
CX3
X
C
C
CX3
C
C
+
H
CX3
H
C
C
CX3
X = Cl, Br
Als Nebenreaktionen entstehen bei diesen Additionen Telomere:
n
C
C
+
X
CX3
X
C
C
CX3 n
Telomere sind Polymere mit relativ kurzer Kette. Die Bildung von Telomeren kann durch einen Überschuß des Addenden unterdrückt werden.
128
3 Alkene
3.7.7 Additionsreaktionen in Gegenwart von Metallkatalysatoren 3.7.7.1 Die katalytische Hydrierung der Alkene Unter katalytischer Hydrierung versteht man die Addition von Wasserstoff an ungesättigte Verbindungen in Gegenwart eines Katalysators.
C
C
+
H2
Katalysator
H
H
C
C
H
H
Als Katalysator werden für katalytische Hydrierungen im Labor häufig Pt, Pd oder PtO2 nach Adams verwendet (siehe Abschnitt 2.7.1). Die Hydrierung mit diesen Katalysatoren erfolgt schon bei Normaldruck und Zimmertemperatur. Die katalytische Hydrierung kann mit flüssigen Alkenen ohne Lösungsmittel durchgeführt werden, häufig wird jedoch in einem polaren Lösungsmittel, z.B. Alkohol, Ethylacetat, Essigsäure oder Dioxan, hydriert. O
O
Dioxan
Die Katalyse findet an der Oberfläche des Katalysators statt. Der Katalysator ist um so wirksamer, je größer seine Oberfläche ist. Eine Möglichkeit der Oberflächenvergrößerung bietet das Aufbringen des Katalysators in feinverteiltem Zustand auf die Oberfläche einer Trägersubstanz. Als solche kann Aktivkohle, Aluminiumoxid, Silicagel, BaSO4 und CaCO3 dienen. Für die Hydrierung in technischem Maßstab verwendet man häufig Raney-Nickel, da dieses relativ billig ist. Die Hydrierung erfordert aber einen Druck von 3–7 bar und eventuell auch eine etwas höhere Temperatur. Für diese Hydrierungen ist also schon ein Autoklav notwendig. Für die Hochdruckhydrierung (200–350 bar und 150–200°C) werden z.B. Kupfer- und Zinkchromit oder Sulfide (Molybdän- und Wolframsulfid) benutzt. Diese katalysieren nicht nur die Addition von Wasserstoff an die Doppel- und Dreifachbindung. Ester werden in Gegenwart von Kupferchromit zu Alkoholen und mit Molybdän- und Wolframsulfid als Katalysator bis zu den entsprechenden Alkanen reduziert. Eisen- und Cobaltkatalysatoren werden ebenfalls in der Technik für Hydrierungen eingesetzt. Im Labor kann die katalytische Hydrierung mit Pt- oder Pd-Katalysatoren mit der in Bild 3.10 gezeigten Apparatur durchgeführt werden. Nachdem das Reaktionsgefäß mit dem Alken gefüllt und der Katalysator dazugegeben wurde, wird es mit der Apparatur verbunden. Bevor der Wasserstoff in die Apparatur eingelassen wird, muß diese evakuiert werden. Die Hähne an der Bürette werden geöffnet und Wasserstoff durch Senken der Nivellierbirne eingelassen, worauf der Hahn zur Vorratsflasche wieder geschlossen wird. Erst dann wird der Magnetrührer in Bewegung gesetzt. Die Hydrierung ist beendet, wenn der Wasserspiegel in der Bürette nicht mehr steigt. Bevor die Apparatur geöffnet wird, ist der Wasserstoff aus dieser durch Evakuieren zu entfernen. Würde dies nicht geschehen, könnte der Wasserstoff
3.7 Reaktionen der Alkene
129
Magnetrührer Reaktionsgefäß
Nivellierbirne
Glashähne zur Wasserstrahlpumpe
H2O H2 Vorratsgefäß
Bürette
Bild 3.10 Laborapparatur für die Hydrierung.
mit der in die Apparatur eindringenden Luft ein explosives Gasgemisch bilden, das durch den pyrophoren Katalysator leicht gezündet werden könnte. Die heterogene Katalyse an Metallkatalysatoren geschieht durch Anlagerung des Wasserstoffes an die Oberfläche des Katalysators unter Spaltung der H–H-Bindung. Die Spaltung der starken H–H-Bindung in Wechselwirkung mit dem Katalysator ermöglicht es, die katalytische Hydrierung mit Pt- und Pd-Katalysatoren bei Zimmertemperatur durchzuführen. Die Wasserstoffatome können sich von der Oberfläche des Katalysators lösen und mit den sp2hybridisierten C-Atomen C–H-Bindungen ausbilden. Die katalytische Hydrierung ist eine syn-Addition, d.h. beide Wasserstoffatome werden von derselben Seite an die Doppelbindung addiert.
H
Platinoberfläche
H H
H
H
H C
C
R H
H
Bild 3.11 Schema zur katalytischen Hydrierung
H C
R R
H
H
C
R H
130
3 Alkene
3.7.7.2 Die Epoxidation des Ethylens mit Sauerstoff Die Epoxidation mit Luft oder Luftsauerstoff kann nur mit Ethen durchgeführt werden, andere Alkene reagieren auf diese Weise nicht. Die Reaktion erfolgt mit Silber als Katalysator bei 220–280°C unter erhöhtem Druck. H2C
CH2
+
1
/2 O2
H2C
CH2 O
Ethylenoxid (Weitere Angaben zu dieser Reaktion siehe im Abschnitt 10.6.1.6
3.7.8 Polymerisationsreaktionen Der Zusammenschluß von vielen Molekülen einer Verbindung unter Bildung größerer Moleküle ohne Abspaltung eines Reaktionsprodukts wird als Polymerisation bezeichnet. Bei den Alkenen erfolgt dieser Zusammenschluß unter Auflösung von π-Bindungen mit gleichzeitiger Bildung von σ-Bindungen. Durch Polymerisation von Alkenen oder Alkenderivaten kann man Makromoleküle herstellen, die man als Polymere bezeichnet. Die Ausgangssubstanz dieser Reaktion wird Monomer genannt. Verwendet man für die Polymerisation mehrere Monomere, so spricht man von Copolymerisation. Durch Polymerisierung von Alkenen oder Alkenderivaten kann man wichtige Kunststoffe herstellen. Z.B. aus Ethen (auch Ethylen genannt) das Polyethylen, aus Propen (auch Propylen genannt) das Polypropylen, aus Vinylchlorid H2C=CHCl das Polyvinylchlorid (PVC), aus Vinylacetat H2C=CH–O–COCH3 das Polyvinylacetat, aus dem Methylester der Methacrylsäure H2C=C(CH3)COOCH3 das Plexiglas, aus Tetrafluorethylen F2C=CF2 das Polytetrafluorethylen (Teflon) und aus Styrol C6H5–CH=CH2 das Polystyrol. Die Bildung von Makromolekülen durch Polymerisation ist nicht nur auf Kunststoffe beschränkt. Aus Isopren H2C=C(CH3)–CH=CH2 wird im Kautschukbaum (Hevea brasiliensis) durch 1,4-Polymerisation (die Verknüpfung erfolgt am 1. und 4. C-Atom des Monomers) ein Polymer gebildet, in dem die verbliebenen Doppelbindungen Z-Konfiguration besitzen. CH3 n H2C
C
H
H3C CH
CH2
C CH2
C CH2
n
Das Polymer befindet sich in Emulsion im Latex, einer milchigen, weißen Flüssigkeit, die nach Anritzen der Stämme des Kautschukbaums ausfließt und aufgefangen wird. Der Latex wird an Ort und Stelle mit Essig- oder Ameisensäure zur Gerinnung gebracht. Das Gerinnungsprodukt (Koagulat) wird zwischen zwei sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegenden Walzen ausgewalzt und dabei unter Wasserzusatz gereinigt, wodurch der Crepe-Kautschuk gewonnen wird. Dieser, in etwa 1 mm dicken „Fellen“ ausgewalzte, Kautschuk wird in Räucherkammern bei 50°C getrocknet (smoked sheet). Der auf diese Weise gewonnene Rohkautschuk wird mit 3–5 % Schwefel versetzt, geknetet und auf 130–140°C erhitzt. Der Rohkautschuk enthält im Makromolekül noch viele Doppelbindungen. Diese
3.7 Reaktionen der Alkene
131
reagieren beim Erhitzen mit dem Schwefel, wobei eine Vernetzung durch Schwefelbrücken entsteht. Der Vorgang wird als Vulkanisation des Kautschuks bezeichnet (Vulcanus ist der röm. Gott des Feuers). Der Kautschuk wird durch die Vulkanisation zäher, elastischer und ist nichtklebrig.
3.7.9 Die Reaktionsmechanismen der Polymerisationsreaktionen Die Polymerisationsreaktionen können nach verschiedenen Reaktionsmechanismen erfolgen. Man unterscheidet die radikalische Polymerisation, die kationische Polymerisation, die anionische Polymerisation und die metallkatalysierte Polymerisation. 3.7.9.1 Die radikalische Polymerisation Startreaktion: Die radikalische Polymerisation (siehe auch radikalische Reaktionen in Abschnitt 2.9.1.2) wird in den meisten Fällen durch organische Peroxide, z.B. Dialkylperoxide, gestartet, die leicht in Radikale zerfallen. Diese reagieren mit einem Alkenmolekül, wobei unter Aufspaltung der π-Bindung ein Alkylradikal entsteht. R
O
O
R
R
H R
O
O
+
H C
R
C
H
H
O
O
R
H
H
C
C
H
H
Kettenfortpflanzung: Alkylradikale sind sehr reaktiv und reagieren mit weiteren Alkenmolekülen so, daß bei jedem dieser Reaktionsschritte ein neues Radikal mit einer jeweils längeren Kohlenstoffkette entsteht. Diese Reaktionsphase des Kettenwachstums wird als Kettenfortpflanzung oder Propagation bezeichnet.
R
O
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
R
O
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
Kettenabbruchreaktionen. Das Kettenwachstum wird durch Kettenabbruchreaktionen (auch als Termination bezeichnet) abgeschlossen. Sie können durch Rekombination zweier Alkylradikale bzw. eines Alkylradikals mit einem bei der Startreaktion entstandenen Radikal oder durch Disproportionierung erfolgen.
132
3 Alkene
Rekombination zweier Radikale: 2 R
O
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
R
O
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
H
H
H
H
H n
H
O
R
Disproportionierung:
R
R
O
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H m
H
O
R
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H m
H
O
Alken
R
O
Alkan
H
H
Die Hochdruckpolymerisation von Ethen (1000–2000 bar, 150–250°C) liefert ein Polyethylen mit vielen Kettenverzweigungen. Die Verzweigung kann entstehen, wenn ein Alkylradikal eine nicht am Kettenende befindliche C–H-Bindung eines anderen Alkylradikals oder eines schon gebildeten Polymers homolytisch spaltet, so daß ein sekundäres Radikal gebildet wird, das dann mit Ethenmolekülen weiterreagieren kann. R
R
R
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
R
R
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
C
H
H
CH2 H
H
H
H
R
H C
H
H
H C H
C H
H
C H
H
Das im Hochdruck-Verfahren erzeugte Polyethylen hat eine niedrige Dichte von 0,92 g/cm3 (low density polyethylene = LDPE), es ist elastisch und biegsam und wird zur Herstellung von Folien, Filmen, Zahnrädern usw. verwendet.
3.7 Reaktionen der Alkene
133
3.7.9.2 Die kationische Polymerisation Nach diesem Reaktionsmechanismus erfolgen säurekatalysierte Polymerisationen. Durch Protonenanlagerung an die Doppelbindung des Alkens entsteht ein Carbeniumion, das dann seinerseits mit einem Alkenmolekül weiterreagieren kann, so daß ein Carbeniumion mit längerer Kohlenstoffkette gebildet wird. Diese Reaktion kann sich mit weiteren Alkenmolekülen fortsetzen, wobei eine Kettenverlängerung erfolgt, bis ein Zusammenstoß mit einem Anion oder die β-Eliminierung eines Protons diese Reaktion abschließt. Die kationische Polymerisation wird durch Methylgruppen am doppeltgebundenen Kohlenstoffatom begünstigt. Sie üben einen +I-Effekt aus (angedeutet durch die Pfeile), der die am Carbeniumion befindliche positive Ladung teilweise kompensiert. CH3
H C
H
C
H
H
H CH3
H
CH3
H
CH3 H
CH3
C
C
C
C
C
H
CH3
H
CH3 H n
C
CH3
H C
C CH3
H
H3C
CH3
CH3 H
CH3 H
C
C
C
CH3
C
C
CH3 H n
CH3 H
CH3
Abschluß der Polymerisation durch Alkenbildung aus einem Carbeniumion unter β-Eliminierung eines Protons:
H3C
CH3 H
CH3 H
CH3
C
C
C
C
CH3 H
C
CH3 H n
H3 C
CH3
CH3 H
CH3
C
C
C
CH3 H
CH3 C
+
C
H
CH3
CH3 H n
3.7.9.3 Die anionische Polymerisation Für die Ingangsetzung (Initiierung) der anionischen Polymerisation bedarf es starker Basen (z.B. Natriumamid in flüssigem Ammoniak, Amide, Alkoxide, Alkyllithiumverbindungen usw.). Für die Reaktion günstig sind Gruppen mit –I-Effekt bzw. –M-Effekt, z.B. die Nitrilgruppe –CN, die sich an einem der doppelt gebundenen C-Atome des Alkens befinden.
B
H
X
H
X
H
X
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
n
B
H
X
H
X
H
X
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
134
B
3 Alkene H
X
H
X
H
X
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H n
H
+
B
H
H
X
H
X
H
X
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H H n X = elektronegative Gruppe B = Base
3.7.9.4 Die metallkatalysierte Polymerisation Die wichtigste metallkatalysierte Polymerisation ist die mit Ziegler-Natta-Katalysatoren initiierte Polymerisation von Ethen zu Polyethylen und Propen zu Polypropylen, die schon bei niedrigen Temperaturen (etwa 100°C) und unterhalb 60 bar erfolgt. Der Katalysator besteht aus TiCl4 und Triethylaluminium auf MgCl2 als Trägersubstanz. Es wird angenommen, daß das Triethylaluminium als Alkylierungsmittel (Übertragung der Ethylgruppe auf Ti) und als Lewis-Säure auftritt (das an Ti gebundene Chlor ist der π-Elektronendonator). Cl
CH2CH3
CH2CH3
+ Al(CH2CH3)3
Ti
Ti
Cl
Ti Cl Cl
Al(CH2CH3)2
Cl2Al(CH2CH3)2
Nach einer Komplexierung des Ethens mit dem Übergangsmetall Titan, das nun eine freie Koordinationsstelle aufweist, erfolgt über einen Vierzentren-Übergangszustand ein Einschub (Insertion) des Ethens zwischen Metall und den an das Metall gebundenen Alkylrest. Durch Wiederholung des Vorgangs kommt eine Kettenverlängerung zustande. Das vereinfachte Schema soll dies veranschaulichen: n mal wiederholter Einschub von Ti H2C
H2C
Ti
C2H5
H2C
CH2
CH2
CH2
Ti
C2H5
CH2 CH2(H2C
CH2)nC2H5
Bei 200–300°C und 50 bar setzt mit Ethen eine Verdrängungsreaktion unter Freisetzung eines unverzweigten, langkettigen 1-Alkens ein. Ti
Ti CH2
H2C
CH2
HC R
200-300 °C, 50 bar
H
H
CH2
CH2
C
CH3 R R=
CH2CH2 n CH2CH3
Als Katalysator besonders aktiv (1g Katalysator für 1 Tonne Kunststoff) sind Metallocene vom Typ (Aryl)2MeCl2 (Me = Titan, Zirconium oder Hafnium). Sie ermöglichen den Einsatz von Copolymeren. Das im Niederdruck-Verfahren mit Ziegler-Natta-Katalysatoren hergestellte Polyethylen hat fast unverzweigte lange Kohlenstoffketten und besitzt eine hohe Dichte (high density polyethylene = HDPE). Es ist relativ hart und dient zur Herstellung von Rohren, Behältern usw.
3.8 Diene und Polyene
135
3.8 Diene und Polyene Befinden sich in einem Kohlenwasserstoff zwei, drei, vier bzw. fünf Doppelbindungen, so wird dieser als Dien, Trien, Tetraen bzw. Pentaen bezeichnet. Sind im Molekül viele Doppelbindungen anzutreffen, spricht man von einem Polyen. Verbindungen mit mehreren Doppelbindungen sind in der Natur häufig vorzufinden. Als Beispiel seien erwähnt das Squalen und die Carotine (s. Abschnitt 20.1.5) oder der Naturkautschuk (s. Abschnitt 3.7.8). Je nachdem, ob es sich um benachbarte Doppelbindungen handelt oder ob diese durch jeweils eine Einfachbindung oder durch mindestens zwei Einfachbindungen voneinander getrennt sind, unterscheidet man kumulierte, konjugierte und isolierte Doppelbindungen. Isolierte Doppelbindungen sind durch wenigstens zwei Einfachbindungen voneinander getrennt. Sie reagieren unabhängig voneinander wie einzelne Doppelbindungen. Kumulierte Doppelbindungen stehen in direkter Nachbarschaft zueinander. Verbindungen dieses Typs werden als Kumulene bezeichnet. Das einfachste Kumulen ist das Allen H2C=C=CH2. Im Allen ist das mittlere C-Atom sp-hybridisiert, während beide C-Atome am Kettenende sp2-hybridisiert sind. In zwei aufeinander senkrecht stehenden Ebenen liegen je zwei Wasserstoffatome. Die Kohlenstoffatome liegen auf einer Geraden, die von beiden Ebenen geschnitten wird. Die π-Orbitale liegen ebenfalls in einer der beiden Ebenen, sie stehen senkrecht aufeinander. Das Allen kann man aus 2,3-Dichlorpropen durch Dehalogenierung mit Zinkstaub in Ethanol / Wasser als Lösungsmittel darstellen. H2C
C
CH2
Cl
Cl
+
H2C
Zn
C
CH2
+
ZnCl2
Das Allen ist bis 400°C stabil, bei Gegenwart von Aktivkohle als Katalysator erfolgt jedoch bei 300°C eine Isomerisierung zu Methylacetylen. H2C
C
CH2
H3C
C
CH
C
C
C
C
C
C
C
C
kumulierte Doppelbindungen (lat. cumulare = anhäufen)
C
C
C
C
C
C
C
C
konjugierte Doppelbindungen (lat. conjugatio = Vereinigung)
C
C
C
C
C
C
C
C
isolierte Doppelbindungen
136
3 Alkene
pz-Orbital py-Orbital horizontal
H H
C
vertikal
H H sp2
sp
sp2 Bild 3.12 Räumliche Anordnung der Atome im Allen
Konjugierte Doppelbindungen liegen vor, wenn sich zwischen zwei C=C-Doppelbindungen jeweils eine C–C-Einfachbindung befindet. Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen sind energieärmer und stabiler als solche mit der gleichen Anzahl von isolierten Doppelbindungen. Die zwischen den Doppelbindungen befindliche Einfachbindung ist etwas kürzer als normale C–C-Bindungen. Dies kann damit erklärt werden, daß die sp2-Hybridorbitale, die zur σ-Bindung überlappen, einen hohen s-Anteil aufweisen und kürzer als σ-Bindungen zwischen sp3-hybridisierten Kohlenstoffatomen sind. Man kann auch von der Vorstellung ausgehen, daß z.B. im Buta-1,3-dien die benachbarten p-Orbitale am C2 und C3 etwas überlappen können. Die konjugierten Doppelbindungen sind etwas länger als isolierte Doppelbindungen. Die Bindungsverhältnisse in konjugierten Systemen versucht man mit der Mesomerie zu erklären.
3.9 Die Mesomerie Das einfachste konjugierte Dien ist das Buta-1,3-dien. Die Verteilung der π-Elektronen im Molekül entspricht nicht ganz der Formel H2C=CH–CH=CH2. Um die Elektronenverteilung im Molekül besser abschätzen zu können, schreibt man zunächst alle durch Verschieben der π-Elektronen denkbaren Formeln auf, auch solche, die von vornherein als energiereich eingeschätzt werden müssen, weil eine Ladungstrennung für die Formel vonnöten ist oder ungepaarte Elektronen vorliegen. Sicher ist der mit der Formel H2C=CH–CH=CH2 beschriebene Zustand wahrscheinlicher als die mit den anderen Formeln angedeuteten Zustände, denn man kann ihn als energieärmsten Zustand einschätzen. Die in Bild 3.13 aufgezeigten Grenzformeln weisen darauf hin, daß im Butadien auch zwischen dem C2 und dem C3 eine gewisse π-Elektronendichte zu erwarten ist. Die reale π-Elektronenverteilung im Molekül entspricht keiner der in Bild 3.13 aufgezeigten Formeln, auch wenn die Formel H2C=CH–CH=CH2 den tatsächlichen Zustand besser als die anderen Formeln beschreibt. Man bezeichnet diese Formeln als mesomere Grenzformeln. Mesomere Grenzformeln entsprechen nicht der Realität, sie sind für den Organiker nur ein Handwerkszeug, um die reale π- bzw. p-Elektronenverteilung im Molekül besser abschätzen zu können. Die tatsächliche Struktur des Moleküls wird
3.9 Die Mesomerie
C
137 +
C C C
C
C C C
unbesetzt C
C C
C C C
C
C C
C
C
C
+ C C C C
C
C
C C
C
C
C
C unbesetzt
C C C
C
C
C C C
C
C
C C
C
C
C
C
Bild 3.13 Grenzformeln des Butadiens
als Resonanzhybrid bezeichnet. Man stellt sich die Beschreibung dieser Struktur so vor, daß die als energieärmer eingestuften – und deshalb wahrscheinlicheren – mesomeren Grenzformeln mehr zu berücksichtigen sind, daß aber auch die anderen Grenzformeln mit einer geringeren Wichtung in die Schätzung einzubeziehen sind. Als energiearm sind mesomere Grenzformeln ohne formale Ladung einzuschätzen. Radikalische oder gar diradikalische mesomere Grenzformeln sind als energiereich zu bewerten. Die diradikalische Formel des Butadiens kann deshalb bei der Abschätzung der Elektronenverteilung vernachlässigt werden. Mesomere Grenzformeln mit Ladungen sind ebenfalls als relativ energiereich anzusehen. Mesomere Grenzformeln mit Ladungen werden dann als etwas energieärmer eingestuft, wenn sie eine möglichst geringe Anzahl formaler Ladungen aufweisen, die Ladungen möglichst weit
138
3 Alkene
voneinander entfernt sind und die negative Ladung sich am elektronegativsten Atom befindet. Die Beschreibung einer wirklichen Struktur mit Hilfe von mesomeren Grenzformeln wird als Mesomerie bezeichnet. Das Resonanzhybrid des Butadiens kann man sich so vorstellen, daß zwischen C2 und C3 ein geringer partieller Doppelbindungscharakter vorliegt, daß aber zwischen C1 und C2 ebenso wie zwischen C3 und C4 die π-Elektronendichte am größten ist. Die Energiedifferenz zwischen dem Energieinhalt des Realmoleküls und dem berechneten Energieinhalt der energieärmsten mesomeren Grenzformel ist die Mesomerieenergie oder Resonanzenergie. Die Resonanzenergie ist um so größer, je größer die Zahl ähnlicher mesomerer Grenzformeln ist. Sie ist dann maximal, wenn das System durch strukturell völlig gleichartige mesomere Grenzformeln beschrieben werden kann (siehe Grenzformeln des Allylkations, Abschnitt 3.9.1.1). Die Resonanzenergie für Butadien beträgt zwischen 8–17 kJ/mol. Das Abschätzen der realen π-Elektronenverteilung in Molekülen oder Ionen auf Grund von mesomeren Grenzformeln ist nur für solche Verbindungen gerechtfertigt, bei denen man voraussetzen kann, daß alle Atome in dem an der Mesomerie beteiligten Bereich in einer Ebene liegen, so daß die darauf senkrecht stehenden p-Orbitale überlappen können. Schreibt man einige Grenzformeln nebeneinander, so verbindet man diese mit dem Mesomeriepfeil <–>. Diesen darf man nicht mit einem Reaktionspfeil verwechseln, er zeigt lediglich an, daß es sich bei den nebeneinander stehenden Formeln um mesomere Grenzformeln handelt. Man kann, der besseren Übersicht halber, die nebeneinanderstehenden mesomeren Grenzformeln noch in eckige Klammern setzen.
3.9.1 Mesomere Effekte In mesomeren Grenzformeln können nicht nur π-Bindungen, sondern auch die nichtbindende p-Elekronenpaare (besser gesagt, die sie symbolisierenden Striche) verschoben werden. Funktionelle Gruppen werden auf diese Weise mit in den Mesomeriebereich der Formel einbezogen. Erfolgt das Verschieben der π-Bindungen in Richtung zur funktionellen Gruppe hin, spricht man vom –M-Effekt. In diesem Fall betrachtet man die betreffende Gruppe oder das Atom als einen π-Elektronenakzeptor, z.B. C
C
O
O
Bei konjugierten Systemen erfolgt das Verschieben der π-Bindungen in den mesomeren Grenzformeln im gesamten Mesomeriebereich (Bereich konjugierter Doppelbindungen). O
O C
C
C
C
C
C
C
C H
C
C
C
C
C
C H
Werden in den mesomeren Grenzformeln im Mesomeriebereich p-Elektronen oder π-Bindungen (besser gesagt die sie symbolisierenden Striche) von der funktionellen Gruppe weggeschoben, so spricht man vom +M-Effekt. Man kann sich die funktionelle Gruppe als π-Elektronendonor vorstellen.
3.9 Die Mesomerie
C
C
C
C
139
C
C
Cl
C
C
C
C
C
C
Cl
Schematisch sei dies noch einmal zusammengefaßt: C
C
X
C
C
C
X
C
C
X
C
C
C
+ M-Effekt
- M-Effekt
X
Oftmals werden die Begriffe I-Effekt und M-Effekt verwechselt. Deshalb soll nochmals klargestellt werden: der I-Effekt (siehe Abschnitt 1.4) bezieht sich ausschließlich auf σ-Bindungen, während beim M-Effekt nur Verschiebungen von π-Bindungen und nichtbindenden p-Elektronenpaaren in mesomeren Grenzformeln betrachtet werden. 3.9.1.1 Die Reaktivität von Allyl- und Vinylverbindungen H2C=CH- wird als Vinylrest und H2C=CH–CH2- als Allylrest bezeichnet. Vinyl- und Allylverbindungen weisen beide in ihren Reaktionen starke Unterschiede auf. Während z.B. im Vinylchlorid H2C=CH–Cl das Chlor schlecht substituiert werden kann, ist dies beim Allylchlorid H2C=CH–CH2–Cl leicht durchzuführen. Die Unterschiede in der Reaktivität beider Verbindungen können mit Hilfe der Mesomerie erklärt werden. Die Grenzformeln des Vinylchlorids H 2C
CH
H 2C
Cl
CH
Cl
weisen auf einen partiellen Doppelbindungscharakter der C–Cl-Bindung hin. Somit ist es verständlich, daß Reaktionen, die die Spaltung dieser Bindung voraussetzen, schwer durchzuführen sind. Nicht nur die Substitution des Chlors ist in dieser Verbindung schwierig, auch die Dehydrohalogenierung läßt sich schlecht durchführen. In einer Verbindung mit einer Allylgruppierung vom Typ R–CH=CH–CH2Cl läßt sich die C–Cl-Bindung leicht spalten, denn hier liegt kein partieller Doppelbindungscharakter dieser Bindung vor, wie man es beim Vinylchlorid annehmen mußte. Die Substitution wird noch dadurch begünstigt, daß das Zwischenprodukt, das Allylkation, mesomeriestabilisiert ist. Mesomeriestabilisiert heißt, daß die Verbindung, in diesem Fall das Allylkation, als Resonanzhybrid einem relativ energiearmen und somit stabilen Zustand entspricht. R
R C
H
CH
CH2
Cl
R C
CH
CH2
H
C H
Allylkation
CH
CH2
+
Cl
140
3 Alkene
Die Mesomerie des Allylkations erklärt auch das Entstehen zweier Reaktionsprodukte bei der alkalischen Hydrolyse eines Alkylallylchlorids. OH
R C R
R C
CH
CH2
C
H
CH
H CH
CH2
+
O
H
CH2
+ OH
H R
C
CH
CH2
H
3.10 Reaktionen der Diene 3.10.1 Die Addition von Brom an Butadien Läßt man Buta-1,3-dien mit Brom reagieren, erfolgt neben der 1,2-Addition des Broms auch die 1,4-Addition. H2C H2 C
CH
CH
CH2
+
Br2
CH
CH
Br H2C Br
CH2 Br
CH
CH
CH2
Br
Die zwei Reaktionsprodukte kann man damit erklären, daß als Zwischenprodukt ein Kation mit Allylgruppierung vorliegt. Br
Br H2C
CH
CH
CH2 +
Br2
H2C
CH
CH
CH2
H2C
CH
CH
CH2
Br
Da das mesomere Kation zwei reaktive Stellen hat, bezeichnet man es als ambident. Es hängt von den Reaktionsbedingungen ab, in welchem Mengenverhältnis beide Reaktionsprodukte im Reaktionsgemisch vorliegen. Führt man die Reaktion bei Zimmertemperatur und in unpolaren Lösungsmittel durch, überwiegt das 1,2-Addukt, nämlich das 3,4-Dibrom1-buten (54% Ausbeute), währenddessen bei Erwärmen auf 60°C und längerer Reaktionszeit vorwiegend das 1,4-Addukt, das1,4-Dibrom-2-buten (90% Ausbeute), entsteht.
3.10.2 Kinetisch und thermodynamisch gesteuerte Reaktionen Bild 3.14 zeigt das Energieprofil des letzten Reaktionsschrittes der Addition des Broms an Butadien. An das Brommethylallylkation lagert sich in diesem Reaktionsschritt das Bromidion an.
3.10 Reaktionen der Diene
141
Übergangszustand Übergangszustand
EA
EA H2C
E
Br
CH
CH
CH2
Br
Br
3,4-Dibrom-1-buten
+ CH
CH2 Br
-
+ H2C
H2 C
CH
CH
CH
CH2 Br
Brommethyl-Allyl-Kation EA = Aktivierungsenergie
H2C Br
CH
CH
CH2 Br
1,4-Dibrom-2-buten Reaktionskoordinate Bild 3.14 Energieprofil der Reaktion vom Brommethyl-Allyl-Kation zum 3,4-Dibrom-1-buten und zum 1,4-Dibrom-2-buten
Als Energieprofil wird ein Energiediagramm bezeichnet, bei dem man auf die y-Achse die Energie (E) aufträgt und auf die x-Achse die Reaktionskoordinate. Die Reaktionskoordinate (RK) bezieht sich auf Veränderungen im Molekül, z.B. Bindungslängen und Bindungswinkel, sie steht nicht in direkter Relation zum zeitlichen Ablauf der Reaktion. Das Energieprofil zeigt, daß die 1,2-Addition die geringere Aktivierungsenergie EA benötigt, weshalb sich dieses Reaktionsprodukt bei Zimmertemperatur schneller bilden kann. Da die Bildung dieses Produkts von der Reaktionsgeschwindigkeit abhängig ist, wird diese Reaktion als kinetisch gesteuert bezeichnet. Aus Bild 3.14 ist zu ersehen, daß das Produkt der 1,4-Addition von den beiden möglichen Produkten das energieärmere und somit das thermodynamisch stabilere ist. Vorausgesetzt, daß die Reaktionen umkehrbar sind, entsteht bei höherer Temperatur im längeren Zeitraum das thermodynamisch stabilere Produkt, die Reaktion ist dann thermodynamisch gesteuert.
3.10.3 Polymerisationsreaktionen des Butadiens Durch Polymerisation des Butadiens mit gepulvertem Natriummetall als Katalysator wurde das Buna (Abkürzung von Butadien Natrium), ein künstlicher Kautschuk, hergestellt. Die Gesamtproduktion des Buna in den Jahren 1937–1945 betrug bei der ehemaligen IG Farbenindustrie A.G. etwa 500 000 t. Das dafür notwendige Butadien wurde aus Acetylen (siehe Abschnitt 13.4.1.3) hergestellt. Heute wird das Butadien industriell aus dem in der Petro-
142
3 Alkene
chemie anfallenden Buten durch thermische Dehydrierung bzw. durch katalytische Dehydrierung von Butan bei 600°C gewonnen. In USA und Rußland dient auch Ethanol als Ausgangsstoff für die Butadiensynthese. Der mit Natriummetall als Initiator gewonnene Buna-Kautschuk wird bei der Polymerisation 1,2-verknüpft und trans-1,4-verknüpft, wobei die 1,2-Verknüpfung im Molekül überwiegt. Das Produkt hat relativ ungünstige mechanische Eigenschaften. HC CH2
CH
CH2
H
CH2
C CH2
n
1,2-Verknüpfung
H
H
C
C H
CH2
n
trans-1,4-Verknüpfung
C CH2
n
cis-1,4-Verknüpfung
Bei Verwendung von Alkyllithium als Polymerisationskatalysator kann man Butadien cis-1,4-verknüpfen und damit eine dem Naturkautschuk ähnliche Konfiguration erreichen (siehe Abschnitt 3.7.8). Heute verwendet man zur Herstellung von Synthesekautschuk hauptsächlich Copolymerisate. Polymerisiert man Butadien mit etwa 10% Styrol C6H5–CH=CH2, so erhält man das SBR-Copolymerisat (styrene-butadien-rubber), einen Synthesekautschuk mit guten mechanischen Eigenschaften. Die Polymerisation erfolgt in Emulsion unter PeroC N xidkatalyse. Durch Copolymerisation von Butadien und Acrylnitril CH2 = CH erhält man den Nitrilkautschuk (Perbunan). Chloropren, auch Neopren genannt, ist ein Polymerisat aus 2-Chlorbutadien, das ölfest ist und eine hohe Alterungsbeständigkeit aufweist.
3.10.4 Die Diels-Alder-Reaktion Das Butadien kann mit einem durch elektronegative Substituenten aktivierten Alken reagieren, wobei ein cyclisches Produkt entsteht. H
H
C HC
X C
HC H
H
H
C
Δ R
C H
C
H H
H
H C
X HC
C
HC H2C
C
C
H H
H H
R
X C
HC
C H
C
X = Gruppe mit - I-Effekt
H R H
H
Die Reaktion läuft in einem Schritt über einen cyclischen Übergangszustand, wobei simultan (lat. = gemeinsam, gleichzeitig) drei π-Bindungen gespalten und zwei σ- und eine π-Bindung neu gebildet werden. Von dieser konzertierten (= gleichzeitig, aufeinander abgestimmten) Spaltung alter bzw. Bildung neuer Bindungen sind die vier C-Atome des Diens und die zwei sp2-hybridisierten Kohlenstoffatome des Alkens betroffen, weshalb man von einer [4+2]-Cycloaddition spricht. Diese Cycloaddition erfolgt mit relativ hoher Ausbeute, wenn mit dem elektronenreichen Dien ein elektronenarmes Alken reagiert. Das Alken, in dieser Reaktion als Dienophil bezeichnet, wird durch Substituenten mit –I-Effekt (siehe Abschnitt 1.4), also elektronenziehenden Substituenten, die die Elektronendichte am Alken
3.10 Reaktionen der Diene
143
herabsetzen, aktiviert. Solche Substituenten sind z.B. die Nitrilgruppe -CN, die Carbonylgruppe -C=O, die Carboxygruppe -COOH und die Nitrogruppe -NO2. Die ursprüngliche Konfiguration der Substituenten am Dienophil bleibt bei der Ringbildung erhalten. Die im Dienophil cis-ständigen Substituenten X und R befinden sich auch nach der Cyclisierung wieder in cis-Stellung.
3.10.5 Die Cope-Umlagerung 1,5-Diene werden beim Erhitzen isomerisiert. Diese unter gleichzeitiger Auflösung und Neubildung von Bindungen erfolgende Isomerisierung wird als Cope-Umlagerung bezeichnet. Sie verläuft über einen cyclischen Übergangszustand. Solche Reaktionen, die mit Bindungswechsel von Doppel- und Einfachbindungen verbunden sind und über einen cyclischen Übergangszustand ablaufen, werden allgemein als pericyclische Reaktionen bezeichnet. R
R
R
Cope-Umlagerung
Eine der Cope-Reaktion ähnliche Umlagerung kann auch dann erfolgen, wenn anstelle des C-Atoms ein Heteroatom (hetero bedeutet anders, in diesem Fall ein anderes Atom als ein C-Atom, z.B. ein Sauerstoffatom) in der Dien-Gruppierung vorhanden ist. Ein Beispiel dafür ist die Umlagerung eines Allylvinylethers beim Erhitzen. Diese Reaktion wird als aliphatische Claisen-Umlagerung bezeichnet (Claisen-Umlagerung siehe Abschnitt 12.4.3). H
H H2C O
C
C H
CH2 CH2
Δ
H2C O
C
C H
CH2 CH2
Aliphatische Claisen-Umlagerung
144
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben ? 3.1 Benennen Sie folgende Verbindungen: H 3C
Cl C
H
H 3C
CH3 C
C Br
H
C
COOH C
H
C CH3
? 3.2 Was versteht man unter Dehalogenierung, Dehydrohalogenierung und Dehydratisierung?
? 3.3 Auf welche Weise kann man eine Dehydrohalogenierung eines Alkylhalogenids (Halogenalkans) durchführen?
? 3.4 Wie verfährt man bei der Dehydratisierung von Alkoholen?
? 3.5 Welches Hauptprodukt entsteht bei der Dehydratisierung von 3-Methylbutan-2-ol?
? 3.6 Welche Produkte entstehen bei der Pyrolyse von Dodecylethanoat? (Siehe Kap. 3.6.1.6)
? 3.7 Was versteht man unter einer monomolekularen und einer bimolekularen Eliminierungsreaktion?
? 3.8 Beschreiben Sie den Verlauf einer monomolekularen Eliminierungsreaktion (E1).
? 3.9 Beschreiben Sie den Reaktionsmechanismus einer bimolekularen Eliminierungsreaktion (E2).
? 3.10 Welche strukturellen Voraussetzungen des Substrats begünstigen einen E1-Mechanismus?
? 3.11 Beschreiben Sie den Reaktionsmechanismus der elektrophilen Addition einer Säure (HBr, oder Schwefelsäure) an ein Alken.
Übungsaufgaben
145
? 3.12 Wie unterscheiden sich die Reaktionsmechanismen bei der elektrophilen Addition von Brom und HBr an ein Alken?
? 3.13 Welche(s) Produkt(e) erhält man bei der elektrophilen Addition von Brom an Cyclopenten?
? 3.14 Welches Hauptprodukt entsteht bei der Addition von HBr an Propen? Begründen Sie die Regioselektivität bei der Addition von Säuren an unsymmetrische Alkene.
? 3.15 Was versteht man unter einer Cycloaddition?
? 3.16 Welches Endprodukt entsteht a) bei der Hydroborierung des Propens und der nachfolgenden oxidativen Hydrolyse mit H2O2 in alkalischem Medium? b) bei der Addition von Schwefelsäure am Propen und nachfolgender Hydrolyse des Esters?
? 3.17 In welcher räumlichen Anordnung befinden sich die Atome im Ethen?
? 3.18 Welche Produkte erhalten Sie: a) bei der Oxidation des Cyclohexens mit Wasserstoffperoxid in Essigsäure und b) bei der Reaktion des Cyclohexens mit Osmiumtetroxid nach Hydrolyse des Osmiumtetroxid-Addukts?
? 3.19 Beschreiben sie den Reaktionsablauf bei der radikalischen Polymerisierung des Ethens.
? 3.20 Was versteht man unter +M-Effekt und –M-Effekt?
? 3.21 Welches Produkt erhält man bei der Diels-Alder-Reaktion des Butadiens mit cis-1,2-Dibromethen?
146
Lösungen
Lösungen ! 3.1 a) (E)-1-Brom-1-chlorpropen b) (2Z,4E)-2,4-Dimethylhexa-2,4-diensäure
! 3.2 Bei der Dehalogenierung wird aus einer Dihalogenverbindung ein Halogenmolekül abgespalten. Unter Dehydrohalogenierung versteht man die Abspaltung eines Halogenwasserstoffes (HCl, HBr oder HI) aus einer Halogenverbindung und der Begriff Dehydratisierung bedeutet ein Abspalten von Wasser aus dem Molekül. Bei den angeführten Reaktionen wird aus einem Molekül ein Teil des Moleküls abgespalten, es handelt sich bei diesen Reaktionen um Eliminierungsreaktionen.
! 3.3 Die Dehydrohalogenierung eines Halogenalkans erfolgt unter Erhitzen mit Alkalihydroxiden in alkoholischer Lösung oder mit Alkalialkoholaten, z.B. NaOR in Alkohol oder Dimethylsulfoxid (CH3)2S=O als Lösungsmittel.
! 3.4 Die Dehydratisierung eines Alkohols erfolgt in der Regel durch Erhitzen in Gegenwart einer Mineralsäure. Durch die Zugabe einer Säure wird die Hydroxygruppe, die eine schlechte Abgangsgruppe ist, protoniert. Durch die Hydroxoniumgruppe H2O+- wird die C-O-Bindung stärker polarisiert, wodurch die Abspaltung begünstigt wird.
! 3.5 Bei der Dehydratisierung von 3-Methylbutan-2-ol entsteht, der Saytzew-Regel entsprechend, 2-Methylbut-2-en (Saytzew-Regel siehe Kap.3.6.3).
! 3.6 Bei der Pyrolyse des Dodecylethanoats werden Dodecen und Essigsäure gebildet. Die Reaktion erfolgt nach einem Ei–Mechanismus über einen Ringförmigen Sechs-Zentren-Übergangszustand. (siehe Kap. 3.6.1.6).
! 3.7 In einer monomolekularen Reaktion ist an dem langsamsten und damit geschwindigkeitsbestimmenden Teilschritt der Reaktion nur ein Molekül beteiligt. Im Falle der E1-Reaktion ist es das zu eliminierende Substrat. Bei einer bimolekularen Reaktion sind an diesem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt zwei Moleküle beteiligt. Bei der E2-Reaktion ist es das Substrat und eine Base.
! 3.8 Im ersten, die Reaktiongeschwindigkeit bestimmenden Teilschritt der monomolekularen Eliminierungsreaktion (E1), erfolgt die Abspaltung der Abgangsgruppe unter Bildung eines Carbeniumions. Im zweiten Schritt erfolgt die Abspaltung eines β-ständigen Protons unter Ausbildung einer Doppelbindung.
Lösungen
147
! 3.9 Die bimolekulare Eliminierungsreaktion (E2) erfolgt über einen Übergangszustand. An diesem die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmenden Teilschritt der Reaktion sind das Substrat und eine Base beteiligt. Im weiteren Reaktionsschritt erfolgt die gleichzeitige Abspaltung der Abgangsgruppe und der protonierten Base unter Ausbildung einer Doppelbindung am Substrat. Optimal für die E2-Reaktion ist eine antiperiplanare Konformation der Abgangsgruppe und des am nebenständigen C-Atom gebundenen Wasserstoffes, die das „hinüberfließen“ der Elektronen aus dem σ-Orbital in das sich aufbauende π-Orbital erleichtert.
! 3.10 Die E1-Reaktion erfolgt bevorzugt mit solchen Verbindungen, bei denen die Abgangsgruppe an ein tertiäres Kohlenstoffatom gebunden ist, z.B. bei einem tertiären Alkohol oder einem tertiären Halogenalkan. Die Erklärung liegt darin, daß das im ersten Reaktionsschritt entstehende Carbeniumion durch Hyperkonjugation stabilisiert wird.
! 3.11 Bei der elektrophilen Additionsreaktion (AE-Reaktion) einer Säure (z.B. HBr oder H2SO4) an eine C=C-Doppelbindung treten das Proton und das π-Elektronenpaar der Doppelbindung in Wechselwirkung unter Bildung des π-Komplexes. Im geschwindigkeitsbestimmenden Teilschritt der Reaktion wird das elektrophile Teilchen H+ vom π-Elektronenpaar gebunden, wobei die Auflösung der π-Bindung erfolgt, eine C-H-σ-Bindung gebildet wird und ein Carbeniumion entsteht. Im nächsten Reaktionsschritt erfolgt die Reaktion des Carbeniumions mit dem Anion unter Bildung einer σ-Bindung, womit die Addition abgeschlossen ist.
! 3.12 Die Reaktion des Broms mit einem Alken erfolgt über ein überbrücktes Kation, über das Bromoniumion. Das bei der Reaktion freigesetzte Bromidion Br-- reagiert mit einem der beiden Brücken-C-Atome , die eine positive Teilladung aufweisen, von der Gegenseite der Brücke unter Ausbildung einer σ-Bindung. Die Reaktion verläuft also nach einem trans-Mechanismus. Die Addition von HBr erfolgt über ein Carbeniumion als Zwischenprodukt. In diesem liegen die Liganden, die an den positiv geladenen, sp2-hybridisierten Kohlenstoff gebunden sind, in einer Ebene. Die Addition des Bromidions an das Carbeniumion kann von der Seite über oder unter dieser Ebene her erfolgen. Wird bei der Addition ein neues asymmetrisches Zentrum gebildet wird, so ist das Produkt ein racemisches Gemisch (siehe Kap. 8.9.1).
148
Lösungen
! 3.13 Bei der Addition von Brom an Cyclopenten entstehen zwei enantiomere Produkte: das (1S,2S)-1,2-Dibrompentan und das (1R,2R)-1,2-Dibrompentan. In beiden Verbindungen befinden sich die Bromatome zueinander in trans-Stellung. Enantiomere sind zwei Verbindungen die zueinander im räumlichen Verhältnis wie Bild und Spiegelbild stehen. H
H
Cl
H
Br
H
H
H
H
H H
H
H
Br
(1S,2S)-Dibrompentan
H
Br
H
H
Br
H
(1R,2R)-Dibrompentan
! 3.14 Läßt man Propen mit HBr reagieren erhält man als Hauptprodukt 2-Brompropan. Die Addition erfolgte nach der Markownikow-Regel, die besagt, daß bei der Addition an ein unsymmetrisches Alken das Anion an das Wasserstoffärmere C-Atom angelagert wird. Diese Regioselektivität von Säuren an unsymmetrische Alkene ist damit zu erklären, daß bei Anlagerung des Protons H+ an das Alken bevorzugt das Carbeniumion entsteht, das stabiler ist. Ein tertiäres Carbeniumion ist stabiler als ein sekundäres und dieses wiederum stabiler als ein primäres. Die unterschiedliche Stabilität ist auf die Hyperkonjugation zurückzuführen.
! 3.15 Eine Cycloaddition ist eine Reaktion bei welcher zwei oder mehrere Moleküle bei einer Reaktion mit einer ungesättigten Verbindung sich unter Umwandlung von π- zu σ-Bindungen zu einem Ring vereinen. Zu diesen Reaktionen zählen: die Hydroborierung, die Ozonisierung und die Dihydroxylierung (siehe Kapitel 3.7.5).
! 3.16 a) bei der Umsetzung des Propens mit BH3 erhält man das Tripropylboran (CH3CH2CH2)B, welches mit H2O2 im alkalischen Medium zu 3 Äquivalenten Propanol und einem Äquivalent Borat umgesetzt wird Bei der Hydroborierung wird ein anti-MarkownikowProdukt gebildet (siehe Kapitel 3.7.5.1). b) Bei der Addition der Schwefelsäure an Propen erhält man als Produkt Isopropylsulfat (CH3)2CHOSO3H. Bei der Hydrolyse dieses Esters entsteht Isopropylalkohol. Die Addition erfolgt unter Bildung eines Markownikow-Produkts.
! 3.17 Alle Atome des Ethens befinden sich in einer Ebene.
Lösungen
149
! 3.18 Bei der Oxidation des Cyclohexens mit Wasserstoffperoxid in Essigsäure ist das Endprodukt ein trans-Diol (1R, 2R-Cyclohexan-1,2-diol und 1S, 2S-Cyclohexan-1,2-diol), während nach der Cycloaddition des Osmiumtetroxids an Cyclohexen und nachfolgender Hydrolyse des Osmiumtetroxid-Addukts das cis-Diol (cis-Cyclohexan-1,2-diol) entsteht (siehe Kap. 3.7.5.3 und 8.7.2).
! 3.19 Den Reaktionsmechanismus der radikalische Polymeriasation des Ethens kann man folgendermaßen beschreiben: Die Startreaktion beginnt mit der Bildung von Radikalen aus Peroxysäuren oder Dialkylperoxiden, die leicht in Radikale zerfallen. Diese Radikale reagieren mit dem Ethenmolekül unter Aufspaltung der π-Bindung wobei ein Alkylradikal entsteht. Die Kettenfortpflanzung erfolgt durch Reaktion des entstandenen Alkylradikals mit einem Ethenmolekül, wobei unter Kettenverlängerung wiederum ein Radikal entsteht, das mit einem weiteren Ethenmolekül reagiert, so dass die Kohlenstoffkette ständig um zwei Kohlenstoffatome bis zum Abbruch der Kettenfortpflanzung verlängert wird. Der Abbruch der Kettenfortpflanzung geschieht durch Rekombination zweier Radikale oder durch Disproportionierung (siehe Kap. 3.7.9).
! 3.20 Mesomere Effekte betreffen π-Bindungen und nichtbindende p-Elektronenpaare. In mesomeren Grenzformeln kann man durch Verschieben der die π-Bindungen bzw. freie Elektronenpaare veranschaulichenden Striche zu denkbaren fiktiven Strukturen gelangen, die nach entsprechender Wichtung eine Vorstellung über die tatsächliche Verteilung der Elektronendichte im Molekül ergeben. Werden in den mesomeren Grenzformeln im Mesomeriebereich p-Elektronenpaare oder π-Elektronen von der funktionellen Gruppe weggeschoben, so spricht man vom +M-Effekt, erfolgt dies aber in Richtung zur funktionellen Gruppe hin, so handelt es sich um einen –M-Effekt (siehe Kap. 3.9).
! 3.21 Bei der Diels-Alder-Reaktion des Butadiens mit cis-1,2-Dibromethen als Dienophil erhält man als Produkt das cis-4,5-Dibromcyclohexen. Die Diels-Alder-Reaktion verläuft stereospezifisch als syn-Addition, das heißt: waren die Substituenten im Dienophil in cis-Stellung, so werden sie sich nach der Reaktion im Ring ebenfalls in cis-Stelung befinden, waren sie hingegen im Dienophil in trans-Stellung werden sie auch im Reaktionsprodukt zueinander in trans-Stellung sein.
4 Alkine 4.1 Nomenklatur der Alkine Die Alkine, die auch als Acetylene bezeichnet werden, sind Kohlenwasserstoffe mit einer Dreifachbindung. Das einfachste Alkin, das Ethin, wird auch – hauptsächlich in der Technik – Acetylen genannt. Die Benennung der Alkine leitet sich nach der IUPAC-Nomenklatur von den Namen der entsprechenden Alkane mit gleicher Anzahl der Kohlenstoffatome ab, nur steht anstelle der Endung -an bei den Alkinen die Endsilbe -in. Die Stellung der Dreifachbindung in der Hauptkette wird durch eine Zahl ausgedrückt, die der Stammsilbe oder der Endsilbe -in vorangestellt wird (siehe auch Abschnitt 1.7.3). Die Stammsilbe für die Benennung der Hauptkette des Alkins ist identisch mit der des n-Alkans mit gleicher Anzahl der C-Atome. Man erhält sie indem man im Alkan die Endung -an wegläßt. Beispiele: H3C
CH2
C
C
CH
CH3
CH
CH3
C
C
H
CH3
2-Methyl-3-hexin
3-Cyclohexylbutin
4.2 Die Dreifachbindung und die Struktur der Alkine Die Dreifachbindung besteht aus einer σ- und zwei π-Bindungen. Das σ-Orbital, dessen Symmetrieachse mit der C–C-Verbindungsachse identisch ist, ist umgeben von zwei π-Orbitalen, die zueinander senkrecht stehen. Das einfachste Alkin ist das Acetylen H C C H . Im Acetylen befinden sich die beiden sp-hybridisierten C-Atome, ebenso wie die von ihnen gebundenen Wasserstoffatome, auf einer Geraden, wie dies in Bild 4.1 veranschaulicht wird (siehe auch Abschnitt 1.3.4.3). π-Orbitale im Ethin H H
H H
Seitenansicht
schräg von vorne
= Atomrumpf des Kohlenstoffes
Bild 4.1 Geometrie des Ethinmoleküls
4.3 Das Acetylen
151
4.3 Das Acetylen Das Acetylen (Ethin) gehört zu den wichtigen Ausgangsstoffen für verschiedene Synthesen. Es hatte in Deutschland bis zum Ende des zweiten Weltkrieges als Rohstoff für die chemische Industrie eine Schlüsselrolle. Die Gründe für den umfassenden Einsatz des Acetylens in der Industrie lagen zum einen in den vielfältigen synthetischen Möglichkeiten, die das Acetylen bietet, zum anderen darin, daß man für die großtechnische Acetylenherstellung auf heimische Rohstoffe zurückgreifen kann, nämlich auf Kalkstein und Kohle. Für die Produktion von Acetylen wird allerdings relativ viel Energie benötigt. Nach Kriegsende kam billiges Erdöl auf den Markt, und es erschien ökonomischer, als Ausgangsstoffe für die chemische Industrie anstelle des Acetylens die aus dem Erdöl beim Cracken in großer Menge anfallenden Rohstoffe Ethen und Propen einzusetzen. Das Acetylen könnte allerdings, mit knapper und teurer werdendem Erdöl, als industrielles Ausgangsmaterial wieder an Bedeutung gewinnen. Außer zu chemischen Synthesen wird Acetylen auch noch mit Sauerstoff zum autogenen Schweißen verwendet. Zur Vermeidung der Explosionsgefahr wird das Acetylen in Gasflaschen gehandelt, die mit Aceton getränktes Kieselgur enthalten. Das Acetylen wird in diesen Flaschen unter einem Druck von 15 bar in Aceton gelöst (Dissousgas).
4.3.1 Die großtechnische Herstellung des Acetylens a) Auf der Rohstoffbasis von Kalkstein und Kohle Bei Erhitzen von Kalkstein auf 900–1000°C (Kalkbrennen) entsteht Calciumoxid, auch gebrannter Kalk oder Branntkalk genannt. CaCO 3 ⎯⎯→ CaO + CO 2
Kohle wird durch trockene Destillation (Erhitzen unter Ausschluß der Luft) in Koks umgewandelt. In einem elektrischen Widerstandsofen (Carbidofen) wird Calciumoxid und Koks bei 2200°C in Calciumcarbid CaC2 umgewandelt. Calciumcarbid kristallisiert in einem ionischen NaCl-Gitter. Anstelle der Na+-Ionen muß man sich in diesem Gitter Ca2+-Ionen vorstellen und anstelle der Chlorid-Ionen Acetylid-Ionen (Ethinyl-Anionen). Das Calciumcarbid ist als Calciumsalz des Acetylens anzusehen. Bringt man Calciumcarbid in Wasser, so entsteht Acetylen. Das Wasser als relativ stärkere Säure verdrängt das Acetylen aus seinem Salz. Ca
2
C
C
+
2 H2O
H
C
C
H
+
Ca(OH)2
Acetylid-Ion
b) Aus Methan Heute wird Acetylen hauptsächlich aus Methan hergestellt. Im Lichtbogenverfahren wird das Methan im elektrischen Lichtbogen auf 1500°C erhitzt und die austretenden gasförmigen Produkte mit Flüssiggas (siehe Abschnitt 7.4) und mit Wasser abgeschreckt.
152
4 Alkine
2 CH4
1500 °C
H
C
C
+
H
3 H2
Das Abschrecken der Reaktionsprodukte ist notwendig, damit sich das schon gebildete Acetylen bei der hohen Temperatur nicht zersetzt. Das Acetylen wird mit selektiven Lösungsmitteln, z.B. Dimethylformamid, aus dem Gasgemisch herausgelöst. H
C
N(CH3)2
O
Dimethylformamid
Ein weiteres Verfahren zur Gewinnung von Acetylen aus Methan ist das Sachsse-Bartholomé-Verfahren. Man erhält bei der unvollständigen Verbrennung von Methan mit Sauerstoff und Abschrecken der Reaktionsprodukte mit Wasser etwa 9% Acetylen und Synthesegas (56 % H2 und 25 % CO). 2 CH4
+
3
1500 °C
/2 O2
H
C
C
+
H
3 H2O
4.4 Darstellung der Alkine 4.4.1 Darstellung von Ethin aus Calziumcarbid Tropft man Wasser auf Calziumcarbid entsteht Ethin (vgl. Abschnitt 4.3.1). CaC2 + H2O ⎯ ⎯→ H
C
C
H + CaO
4.4.2 Die Dehalogenierung von Tetrahalogenalkanen Sind die Bromatome im Tetrabromalkan an benachbarten C-Atomen gebunden, können sie mit Zinkstaub in Ethanol unter Reflux zum Alkin dehalogeniert werden.
R'
Br
Br
C
C
Br
Br
R''
+
2 Zn
R'
C
C
R''
+
2 ZnBr2
4.4.3 Dehydrohalogenierung vicinaler oder geminaler Dihalogenalkane Bei vicinalen Dihalogenalkanen (vicinus = der Nachbar) befinden sich die beiden Halogenatome an benachbarten C-Atomen, während in geminalen Dihalogeniden (lat. geminus = Zwilling) beide Halogenalkane an das gleiche C-Atom gebunden sind. Die Dehydrohalogenierung wird gewöhnlich mit Natriumamid NaNH2 in flüssigem Ammoniak durchgeführt. Das Zwischenprodukt ist ein Vinylhalogenid. Das Natriumamid ist eine starke Base, die für die Dehydrohalogenierung des Vinylhalogenids zum Alkin auch notwendig ist, denn es liegt eine Vinylgruppierung vor und diese erfordert für die Dehydrohalogenierung eine starke Base (siehe der Abschnitt 3.9.1.1).
4.5 Reaktionen der Alkine R
CH
CH
Br
Br
153
NaNH2 in fl. NH3 - HBr
R
R
CH
NaNH2 in fl. NH3 - HBr
R
C
R
C
C
R
Br
vicinales Dibromalkan
Vinylbromid
Alkin
Das für die Reaktion benötigte NaNH2 entsteht bei Einwirkung von metallischem Na auf flüssiges NH3. 2 Na
+
2 NH3
2 NaNH2
+
H2
Benutzt man zur Dehydrohalogenierung Natriumhydroxid in Ethanol bei höherer Temperatur, erfolgt eine Verschiebung der Dreifachbindung zur Mitte des Moleküls.
4.4.4 Die Alkylierung von Natriumacetylid Ist im Alkin am dreifach gebundenen C-Atom ein H-Atom gebunden, so bildet das Alkin mit Natriumamid in flüssigem Ammoniak ein Natriumsalz, das Natriumacetylid. Das AcetylidIon (Ethinyl-Anion) ist ein starkes Nukleophil und kann in einem Alkylhalogenid das Halogenatom ersetzen. Es entsteht auf diese Weise ein höheres Alkin. H
C
C
H
C
C
H
+
Na
CH2
fl. NH3
NH2
Br
H
H
C
C
C
+
CH2
R
Na
+
Na
C
Na
NH3
Br
R
Im Acetylen können auch beide Wasserstoffatome durch Na ersetzt werden, sodaß auf diesem Wege auch ein Dialkylacetylen synthetisiert werden kann. H
Na
C
C
H
C
C
+
Na
2 NaNH 2
+ 2R
fl. NH3
Br
Na
R
C
C
C
C
+ 2 NH3
Na
R
+
2 NaBr
4.5 Reaktionen der Alkine Die Alkine besitzen eine Dreifachbindung, und man darf deshalb annehmen, daß sie infolge der hohen Elektronendichte, ähnlich wie die Alkene, zu Additionsreaktionen befähigt sind. Erwartungsgemäß kann man Alkine katalytisch hydrieren, man kann sie mit Kaliumperman-
154
4 Alkine
ganatlösung oxidieren, es findet auch eine Hydroborierung statt und ebenso elektrophile Additionen. Man würde vermuten, daß Alkine infolge der großen Elektronendichte der Dreifachbindung eine besondere Neigung zu elektrophilen Additionen zeigen. In Wirklichkeit addieren sie jedoch elektrophile Reagenzien weniger leicht als Alkene. Erstaunlicher noch ist es, daß an Alkinen trotz der hohen Elektronendichte der Dreifachbindung nucleophile Additionsreaktionen erfolgen. Bei der nucleophilen Additionsreaktion findet im ersten Schritt die Anlagerung des Nukleophils an das Alkin statt, erst im zweiten Reaktionsschritt wird ein positives Teilchen addiert. Ein Nukleophil kann ein Anion, z.B. ein Cyanidion CN–, oder ein elektrisch neutrales Teilchen mit einem nichtbindenden Elektronenpaar sein, z.B. H2O. Man müßte eigentlich annehmen, daß negativ geladenene Nukleophile von der hohen negativen Ladungsdichte der Dreifachbindung abgestoßen werden, so daß die nucleophile Addition nicht stattfinden kann. Um zu klären, warum nucleophile Additionen an Alkinen doch erfolgen, bedarf es einer eingehenden Betrachtung der Bindungsverhältnisse und der Ladungsverteilung in der Dreifachbindung. Sie hilft uns auch zu verstehen, warum Alkine mit einem H-Atom am sp-hybridisierten C-Atom relativ sauer sind. Die Bindungslänge der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Dreifachbindung beträgt 120 pm und ist kürzer als die der Doppelbindung mit 135 pm. Eine Ursache dafür ist darin zu erblicken, daß die die C–C-σ-Bindung bildenden sp-Orbitale einen hohen s-Anteil (50% s- und 50% p-Anteil) haben. Das Überlappungsintegral (s. Bild 1.30) der sp-Hybridorbitale ist größer als das der sp2- und sp3-Orbitale. Da mit zunehmender Überlappung der Hybridorbitale die Elektronendichte zwischen den Kernen zunimmt, ist die Anziehungskraft zwischen negativen Elektronen und positiven Atomrümpfen größer und damit die Bindungslänge der Dreifachbindung kürzer. Hinzu kommt, daß die π-Elektronen von der relativ hohen positiven Ladung beider Atomrümpfe der sp-hybridisierten C-Atome auch stark angezogen werden und sich die Elektronendichte zwischen diesen C-Atomen damit zusätzlich erhöht. Die Konzentrierung der drei Bindungselektronenpaare in den Raum zwischen den beiden C-Atomen bringt es auch mit sich, daß die Kernladung der sp-hybridisierten C-Atome in bestimmten Richtungen weniger stark abgeschirmt ist als bei sp2-hybridisierten C-Atomen. Nucleophile Teilchen, die sich aus den von den Elektronen nicht abgeschirmten Raumrichtungen nähern, können deshalb mit der positiven Ladung der C-Atomrümpfe in Wechselwirkung treten, was die nucleophilen Additionen an Alkine erklärt. hohe negative Ladungsdichte
von negativer Ladung nicht abgeschirmte Richtungen der Umgebung der C-Atome
H
C
C
H
von negativer Ladung nicht abgeschirmte Richtungen der Umgebung der C-Atome
Die C–H-Bindung im Acetylen ist kürzer (105,7 pm) als im Ethen (107,9 pm) oder im Ethan (109,4 pm). Auch hier spielt wieder der hohe s-Anteil des mit dem s-Orbital des Wasserstoffatoms überlappenden sp-Hybridorbitals eine Rolle (mit zunehmenden s-Charakter ist der Überlappungsintegral größer und damit die Bindung kürzer, siehe Abschnitt 1.3.5). Die Bindungselektronen der C–H-σ-Bindung befinden sich nahe am sp-hybridisierten C-Atom und werden von diesem stark angezogen. Hinzu kommt, daß die Bindungselektronenpaare
4.5 Reaktionen der Alkine
155
der Dreifachbindung im Raum zwischen den beiden sp-hybridisierten C-Atomen konzentriert sind, so daß der Atomrupf des C-Atoms in Richtung zur C–H-σ-Bindung von diesen Elektronen nicht abgeschirmt ist. Die Anziehungskraft des positiv geladenen Atomrumpfes auf die Bindungselektronen der C–H-σ-Bindung kann deshalb verstärkt wirksam sein. Das sp-hybridisierte Kohlenstoffatom zeigt infolgedessen eine relativ höhere Elektronegativität im Vergleich mit sp2- und sp3-hybridisierten Kohlenstoffatomen. Daraus resultiert eine so hohe Bindungspolarität der C–H-σ-Bindung, daß die Dissoziation zum Acetylidion und Proton erfolgen kann. H
C
C
B
H
H
C
+ H
C
B
Die Dissoziation des Acetylenmoleküls wird auch dadurch begünstigt, daß das dabei entstehende Acetylidanion relativ stabil ist. Das sp-hybridisierte C-Atom hat im Vergleich zum sp2- und sp3-hybridisierten C-Atom eine größere Elektronegativität und bindet das freie Elektronenpaar des Carbanions stärker. Mit Zunahme des s-Anteils nimmt infolgedessen auch die Stabilität des Carbanions zu: H
H H3C
weniger stabil als
C
H2C
weniger stabil als
C
H
C
C
H
sp3-hybridisiert
sp2-hybridisiert
sp-hybridisiert
4.5.1 Saure Eigenschaften der Alkine Acetylen und monosubstituierte Acetylene haben schwach saure Eigenschaften, d.h. sie können ein Proton abspalten. H
C
C
B
H
H
C
C
+ H
B
Acetylen ist eine schwächere Säure als Wasser und eine stärkere Säure als flüssiges Ammoniak. 4.5.1.1 Darstellung von Acetyliden Ein Alkin, das an einem der dreifachgebundenen C-Atome ein Wasserstoffatom bindet, kann als schwache Säure Salze bilden. Die Salze bezeichnet man als Acetylide (Acetylenide) oder auch als Carbide, z.B. Calciumcarbid. Das Natriumacetylid kann durch Reaktion des Alkins mit Natriumamid NaNH2 in flüssigem Ammoniak synthetisiert werden. H
C
C
H
+
Na NH2
flüss. NH3
H
C
C
Na
+
NH3
Natriumacetylid ist in Wasser nicht beständig. Das Wasser verdrängt als stärkere Säure das Acetylen aus seinen Salzen.
156
H
4 Alkine
C
C
+
Na
H2O
H
C
C
+
H
NaOH
Zum Unterschied von Acetyliden der Alkali- und Erdalkalimetalle, in welchen die Kohlenstoff-Metall-Bindung Ionencharakter hat, liegt bei Schwermetall-Acetyliden (Cu, Ag, Hg) in der Kohlenstoff-Metall-Bindung ein hoher kovalenter Anteil vor. Letztere sind deshalb auch in Wasser beständig. Man stellt sie her, indem man in die ammoniakalische Lösung des Schwermetallnitrats Acetylen einleitet. Die Cu-, Ag-, bzw. Hg-Acetylide fallen in der wäßrigen Lösung als Niederschlag aus. H
C
C
H
+ 2 [Ag(NH3)2]
NO3
CAg + 2 NH4NO3 + 2 NH3
AgC
Schwermetallacetylide sind in trockenem Zustand explosiv. Sie explodieren sowohl auf Druck als auch bei Erhitzen. 4.5.1.2 Reaktionen mit Grignard-Reagens Das Grignard-Reagens kann mit all den Verbindungen reagieren, die saure Eigenschaften haben, z.B. H2O und CH3OH, wobei ein Alkan entsteht. Auch mit Alkinen, die am Kohlenstoffatom der Dreifachbindung ein Wasserstoffatom gebunden haben und ein Proton abspalten können, reagiert das Grignard-Reagens entsprechend. R
C
C
H
+
Alkin
R'
Mg
X
R
Grignard-Reagens
C
C
Mg
X
+
R'
Alkinyl-Grignard-Reagens
H
Alkan
4.5.2 Reaktionen mit Alkinylanionen als Nukleophil Nach Abspaltung des Protons entsteht aus dem Alkin ein Alkinylanion (Acetylidanion). R
C
C
R
H
C
+
C
H
Alkinylanion
Das Alkinylanion verfügt über ein freies Elektronenpaar. Es kann an einem positiven C-Atom oder einem C-Atom mit positiver Teilladung nucleophil angreifen und mit dem freien Elektronenpaar eine C–C-Verknüpfung herstellen. 4.5.2.1 Die Alkylierung von Alkinylanionen Das nucleophile Alkinylanion kann in Alkylhalogeniden das Halogen ersetzen. R
C
C Na
CH2 R'
Br
R
C
C
CH2 R'
+
Na
Br
4.5 Reaktionen der Alkine
157
Man kann von einer Alkylierung sprechen, weil mit dieser Reaktion ein Alkylrest in das Alkin eingeführt wird. 4.5.2.2 Die Ethinylierung Acetylen oder seine Monosubstitutionsprodukte reagieren bei 100°C und 15 bar mit Aldehyden oder Ketonen zu Alkinolen. Die Reaktion wird eingeleitet mit Kupferacetylid Cu2C2 als Katalysator. Das Zwischenprodukt wird mit zugeführtem Acetylen unter Regenerierung des Kupferacetylids zum Alkinol umgesetzt. Cu
O Cu
C
C
C
Cu
Cu
R
H
C
O C
H
C
C
H
C
C
C
H
H
R O
H
C
H
+
Cu
C
C
Cu
R
Alkinol
Acetylen kann mit Aldehyden oder Ketonen auch zum Alkindiol umgesetzt werden: R
H C
R Cu
C
C
Cu
O
H
R C
O
O Cu
H R
C
H
C
C
R C
H
H C
C H
C O
Cu
H C
C
C
O
+
R
Cu
C
C
Cu
O H
H
Alkindiol
4.5.2.3 Reaktionen von Alkinyl-Grignard-Reagens mit Carbonylverbindungen Das Alkinyl-Grignard-Reagens wird an die Carbonylgruppe der Aldehyde bzw. Ketone addiert, wobei Alkinole entstehen. R H3C
CH3 C O
C C MgX
CH3 H3C
C O
C
C
MgX
R
HX
CH3 H3C
C
C
O
H
C
R
+
MgX2
158
4 Alkine
4.5.3 Die Oligomerisierung der Alkine Von einer Oligomerisierung (griech. oligos = wenig, klein; griech. meros = Teil) spricht man dann, wenn sich nur einige gleiche Moleküle zusammenlagern (zum Unterschied zur Polymerisierung, bei der an der Reaktion viele Moleküle beteiligt sind). 4.5.3.1 Die Dimerisierung des Acetylens In Gegenwart von Kupfer-(I)-chlorid und Ammoniumchlorid dimerisiert Acetylen zum Vinylacetylen. Es handelt sich hier um eine nucleophile Addition des Acetylidions an Acetylen. C
H H
C
C
C
H
H
CuCl, NH4Cl
H
C C
C
H
C
H
H
Vinylacetylen
An die Dreifachbindung des Vinylacetylens kann unter Katalyse von CuCl und NH4Cl Chlorwasserstoff addiert werden, wobei das Chloropren (2-Chlor-1,3-butadien) entsteht. Dieses ist das Monomer des Polychloroprens, eines synthetischen Kautschuks, der unter dem Handelsnamen Neopren bekannt ist. Cl H
C C
C
+
C
H
H HCl
H
CuCl, NH4Cl
C H
H
H C
C H
C H
Chloropren (2-Chlor-1,3-butadien)
4.5.3.2 Die Cyclotrimerisierung der Alkine Leitet man Alkine durch erhitzte, mit Nickel- oder Cobaltkatalysatoren ausgekleidete Röhren, so erfolgt eine Cyclotrimerisierung, wobei aus Acetylen Benzol und aus höheren Alkinen alkylsubstituierte Benzolderivate entstehen. HC HC
CH
CH
CH
Δ,
Ni- und Co-Katalysator
Benzol
CH R
HC RC
CR
CH
CH
Δ,
Ni- und Co-Katalysator
1,3,5-Trialkylbenzol
CR R
R R
RC RC
CR
CR
CR
Δ,
Ni- und Co-Katalysator
R
R
Hexaalkylbenzol
CR R
R R
4.5 Reaktionen der Alkine
159
4.5.3.3 Die Cyclotetramerisierung der Alkine Mit Nickelcyanid als Katalysator gelingt in Tetrahydrofuran als Lösungsmittel bei einem Überdruck von 15–20 bar die Tetramerisierung des Acetylens zu Cyclooctatetraen in relativ hoher Ausbeute. H HC
CH
H C
H C
C H
C H
HC
CH
H C
H
Ni(CN)2, 15-20 bar
70 °C
H
C
C
C
C
C C
H
H
C
H
H
Cyclooctatetraen
4.5.4 Oxidationsreaktionen Mit Kaliumpermanganat werden disubstituierte Acetylene zunächst zu 1,2-Diketonen oxidiert. Die Oxidation geht aber – insbesondere bei Erwärmen der Lösung – weiter, und es erfolgt eine Spaltung der Kette, wobei die entsprechenden Carbonsäuren entstehen.
R
C
C
R'
KMnO4
R
O
O
C
C
R'
KMnO4, 100 °C
R
COOH + HOOC
R'
Gleiche Oxidationsprodukte erhält man bei der Ozonisierung der Alkine und nachfolgender Hydrolyse. R
C
C
O3
R'
R
COOH
+
HOOC
R'
Die nach dem oxidativen Abbau erhaltenen Carbonsäuren geben Aufschluß darüber, an welcher Stelle im Alkin sich die Dreifachbindung befindet. 4.5.4.1 Die oxidative Kopplungsreaktion endständiger Alkine Endständige Alkine werden in einer wäßrigen CuCl- und NH4Cl-Lösung in einer Sauerstoffatmosphäre oxidativ zum Diin gekoppelt. Diese Reaktion wird als Glaser-Reaktion bezeichnet. 2
R
C
C
H
+ 1/2 O2
CuCl und NH4Cl
R
C
C
C
C
R + H2O
160
4 Alkine
4.5.5 Reduktion der Alkine 4.5.5.1 Die katalytische Hydrierung von Alkinen Die katalytische Hydrierung der Alkine mit Pt oder Pd als Katalysatoren führt im ersten Reaktionsschritt zum Alken, dieses wird aber bis zum Alkan weiterhydriert. R
C
C
R
H2 / Pt
R
R C
H2 / Pt
C
H
H
H
R
R
C
C
H
H
H
Setzt man jedoch bei der katalytischen Hydrierung den Lindlar-Katalysator ein (siehe Abschnitt 3.6), bleibt die Reaktion auf der Stufe des Alkens stehen. Bei disubstituierten Acetylenen erhält man bei der katalytischen Hydrierung mit Lindlar-Katalysator ausschließlich cis-Alkene. R
C
C
R
R
H2 / Lindlar-Katalysator
R C
C
H
H
cis-Alken
4.5.5.2 Die Reduktion von Alkinen mit metallischem Natrium in flüssigem NH3 Die Reduktion von Alkinen mit metallischem Natrium in flüssigem Ammoniak führt zum Alken. Disubstituierte Alkine ergeben bei diesen Reaktionsbedingungen ein trans-Alken. R
C
C
R
Na in flüss. Ammoniak
R
H C
C
H R trans-Alken
Mit Natrium in flüssigem Ammoniak erfolgt zunächst die Übertragung eines Elektrons vom Natrium an das π-System der Dreifachbindung, und es entsteht ein Radikal-Anion. R
C
C
R
R
C
C
R
+
C
Na
C
+
Na
R R Radikal-Anion
Das stark basische Radikalanion wird vom Ammoniak unter Bildung eines Alkenylradikals protoniert. H C R
NH2
H
+
C R
Na
C
C
R R Alkenylradikal
Na
NH2
4.5 Reaktionen der Alkine
161
Das Alkenylradikal mit den beiden Alkylresten in cis-Stellung isomerisiert in die stabilere trans-Form. H C
C
R
R
Isomerisierung
H C
C
R
R
cis-Alkenylradikal
trans-Alkenylradikal
Die Reaktion wird schließlich mit einer zweiten Übertragung eines Elektrons und einer Protonierung abgeschlossen. R C
Na
R
H C
H C
Na R
H2N
H C
H
Alkenyl-Anion R
R
Na
C
R Na
C
H2 N
R
+
H C
H
C R
Bei der Protonierung tritt wiederum das NH3 als Protonenspender auf. Das entstandene trans-Alken wird bei diesen Reaktionsbedingungen nicht weiterreduziert.
4.5.6 Additionen an Alkine Reagenzien, die bereits bei der Addition an die C=C-Doppelbindung erwähnt wurden, können ebenso an die Dreifachbindung addiert werden, wobei auch der Reaktionsmechanismus dieser Reaktionen ähnlich ist. Zu diesen schon bei den Alkenen erwähnten Additionsreaktionen zählen die katalytische Reduktion, die Hydroborierung, die Hydrocarbonylierung und elektrophile Additionen, z.B. die Additionsreaktionen mit Br2 oder HBr. An Alkine können aber außerdem noch nucleophile Additionen erfolgen. Beispiele dafür sind die Hydratisierung und Vinylierungsreaktionen. 4.5.6.1 Die Hydroborierung Die Hydroborierung der Alkine erfolgt ähnlich wie bei den Alkenen über einen cyclischen Übergangszustand (siehe Abschnitt 3.7.5.1), der einen syn-Mechanismus bedingt (Anlagerung von H und BH2 von der gleichen Seite an die Doppelbindung). Mit Boran führt die Reaktion zur Hydroborierung beider π-Bindungen. Will man ein Alkenylboran erhalten, so setzt man für die Reaktion ein Dialkylboran ein, z.B. Dicyclohexylboran (C6H11)2BH. Bei terminalen Alkinen wird das Bor an das endständige Kohlenstoffatom des Alkins addiert. Dialkylsubstituierte Acetylene reagieren mit Dialkylboranen auf folgende Weise: H R
C
B(C6H11)2 C
R
H
B(C6H11)2 C
R
C R
162
4 Alkine
Bei der Hydrolyse des entstandenen Produkts mit Essigsäure erhält man ein cis-Alken. H
H
B(C6H11)2 C
CH3COOH
C
C
C
R
R
R
H
R
Erfolgt eine oxidative Hydrolyse (siehe Abschnitt 3.7.5.1), so entsteht zunächst das entsprechende Enol, das mit der Ketoform durch die Keto-Enol-Tautomerie in tautomerem Gleichgewicht steht. H
H
B(C6H11)2 C
H2O2 / OH
C
R
C R
R
H
OH C
H R
C
O C R
R
Enol
Keton
Unter Tautomerie (griech. tauto = das Gleiche; griech. meros = Teil) versteht man das Auftreten zweier verschiedener Verbindungen, wobei sich eine in die andere unter Verschiebung von Bindungen und simultaner Wanderung eines Protons umwandeln können und beide Isomere (Tautomere) miteinander im Gleichgewicht stehen. Die Isomere unterscheiden sich im vorliegenden Falle durch die Stellung des Wasserstoffatoms im Molekül (O–H und C–H) und die Lage einer Doppelbindung. Die basenkatalysierte Tautomerisierung vom Enol zum Keton erfolgt folgendermaßen: H
O C
H
H
C
R
O C
R
H
O H
O
H
O C
H R
R
H
O C
R
R
O C
R
C
H
C R
H
+
C R
H
O H
C R
H2O
C R
O C R
4.5.6.2 Die Hydrocarbonylierung Ähnlich wie bei den Alkenen (siehe Abschnitt 3.7.4.5) kann auch bei den Alkinen die Hydrocarbonylierung erfolgen. Dies geschieht unter Druck und in Gegenwart von Verbindungen mit acidem H-Atom, z.B. Wasser oder Alkohol und mit Nickeltetracarbonyl Ni(CO)4 als Katalysator. Bei dieser Reaktion entsteht aus Acetylen, Kohlenstoffmonoxid und Wasser die Acrylsäure. Setzt man anstelle von Wasser Alkohole bei dieser Reaktion ein, erhält man die entsprechenden Acrylsäureester.
4.5 Reaktionen der Alkine
H
C
C
H
+
163
CO
+
Ni(CO)4 Druck, Δ
H2O
H2C
CH
COOH
Acrylsäure
H
C
C
H
+
CO
+
Ni(CO)4 Druck, Δ
HOR
H2C
CH
COOR
Acrylsäureester
4.5.6.3 Die Halogenaddition an Alkine Die elektrophile Halogenaddition an ein dialkylsubstituiertes Acetylen führt zum trans-Dibromalken. Liegt Brom in Überschuß vor, erfolgt eine Addition an das vicinale Dibromalken, es wird das Tetrabromalkan gebildet. R
Br R
C
C
Br2
R
C
Br2
C
R
R
Br
Br
Br
C
C
Br
Br
R
4.5.6.4 Die Addition von Halogenwasserstoffen an Alkine Bei der elektrophilen Addition von Halogenwasserstoff an ein Alkin wird zunächst unter Bildung eines Alkenylkations ein Proton angelagert, worauf im zweiten Reaktionsschritt das Halogenidion X– addiert wird. Die Addition des Halogenwasserstoffes erfolgt nach der Markownikow-Regel. Das entstandene Halogenalken kann zum Dihalogenalkan weiterreagieren. X R
C
C
H
HX
H C
R
HX
C
R
H
X
H
C
C
X
H
H
X = Br, I
Bei der Addition an ein dialkylsubstituiertes Acetylen entsteht zunächst vornehmlich das (Z)-Halogenalken (Z/E-Nomenklatur siehe Abschnitt 3.5.1). R
H R
C
C
R
+
HX
C R
C X
(Z)-Halogenalken
Die weitere Addition von HX an das Halogenalken erfolgt nach der Markownikow-Regel.
164
4 Alkine
4.5.7 Nucleophile Additionen an die Dreifachbindung der Alkine 4.5.7.1 Die Hydratisierung Bei mäßigem Erwärmen einer Quecksilber-(II)-Sulfatlösung in verd. Schwefelsäure erfolgt nach Einbringen des Alkins in die Lösung die nucleophile Addition von Wasser an die Dreifachbindung. Die reversible Komplexbildung mit dem Hg2+-Ion erleichtert den nucleophilen Angriff des Wassermoleküls. H O H
C
C
Hg2
H
H
C
Ethin
C
H
H
- Hg2
Hg2
H
H O C H
H
H
C
O
H C
C
H
H
H
Vinylalkohol (Ethenol)
Der Vinylalkohol steht durch die säurekatalysierte Keto-Enol-Tautomerie mit dem Acetaldehyd im chemischen Gleichgewicht. Acetaldehyd ist das Hauptprodukt.
H
O
H
H C
O C
C
H
H
H
H
H
H
O
H
C
C
H
H
C
H
H
O
H
C
C
H
H
Vinylalkohol (Enol-Form)
H
H
Acetaldehyd (Keto-Form)
Bei der Hydratisierung von Ethin entsteht Acetaldehyd, bei allen anderen Alkinen entstehen Ketone,
R
C
C
H
+
H2O
H3O / Hg2
,100 °C
HO
O
H C
C
C
R
H
Enol
R
CH3
Keton
4.5 Reaktionen der Alkine
165
4.5.7.2 Die Addition von HCN an Acetylen Cyanwasserstoff (Blausäure) kann in einer mit CuCl/NH4Cl-katalysierten nucleophilen Addition an Acetylen bei 80–90°C unter Bildung von Acrylnitril angelagert werden. N
C
N
H
C
C
C
H
C
C
H
N
H
C
H C
H
C
H
H
Acrylnitril (Propennitril)
4.5.7.3 Die Vinylierung Bei der Vinylierung entstehen aus Alkinen Vinylderivate. Die Vinylierung basiert auf der Umsetzung eines Alkins mit einem Nukleophil, z.B. mit einem Alkoholation R–O– oder einem Carbonsäureanion R–COO–. Im weiteren Reaktionsschritt wird an das Zwischenprodukt ein Proton angelagert. Auf diese Weise entsteht z.B. aus Ethanol und Acetylen bei Druck und 180°C mit Ethanolationen als Katalysator der Ethylvinylether. In dieser Reaktion dient im zweiten Reaktionsschritt Ethanol als Protonenspender. Durch Abspaltung des Protons aus Ethanol wird das Ethanolation wieder regeneriert. CH3CH2
O
O H
CH3CH2 C
C
O
H
C H
H
C
O
CH2CH3
CH3CH2
O
H C
C H
H
H
CH2CH3
Ethylvinylether
Ähnlich reagieren Carbonsäuren in Gegenwart ihrer Zinksalze bei einem Druck von 10–15 bar und einer Temperatur von 155°C mit Acetylen zum entsprechenden Vinylester.
R
COOH
+
H
C
C
H
(R
COO
)2 Zn2
, 15 bar, 155 °C
R
H
COO C H
C H
Vinylester
166
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben ? 4.1 Wie reagiert Calciumcarbid mit Wasser? Schreiben Sie die Reaktionsgleichung auf.
? 4.2 Beschreiben Sie die Darstellung von Alkaliacetyliden, die Herstellung von Calciumacetylid und die Darstellung von Cu-, Ag- oder Hg-Acetyliden. Welche Unterschiede in den Eigenschaften kann man zwischen Alkali- und Schwermetallacetyliden feststellen?
? 4.3 Beschreiben Sie, wie man ausgehend von Ethin das But-2-in-1,4-diol und aus diesem Buta1,3-dien herstellen kann.
? 4.4 Propinyllithium läßt man mit Bromethan in Tetrahydrofuran als Lösungsmittel reagieren. Schreiben Sie die Reaktionsgleichung auf.
? 4.5 Welche Unterschiede zwischen Alkenen und Alkinen beobachtet man bei Additionsreaktionen?
? 4.6 Welches Produkt erhält man bei der nucleophilen Addition von Blausäure an Ethin?
? 4.7 Acetylen wird in Anwesenheit von HgSO4 unter Erwärmen in verdünnte Schwefelsäure eingeleitet. Schreiben Sie die Reaktionsgleichungen auf und benennen Sie das Endprodukt.
Lösungen
167
Lösungen ! 4.1 Bei der Reaktion des Calziumcarbids mit einem Äquivalent Wasser entsteht Acetylen (Ethin) und Calziumoxid, mit einem Überschuß an Wasser wird anstelle des Calziumoxids Calziumhydroxid (Kalkmilch) Ca(OH)2 gebildet. C
C
Ca2+ +
H 2O
HC
CH + CaO
C
C
Ca2+ + 2 H2O
HC
CH + Ca(OH)2
! 4.2 Ist an dem sp-hybridisierten Kohlenstoff der Alkine ein Wasserstoffatom gebunden, so haben die Alkine saure Eigenschaften und können Salze bilden. Das Natrium-Salz der Alkine, das Natriumacetylid, ist in Wasser nicht beständig. Zu dessen Synthese läßt man Acetylen mit NaNH2 in Flüssigem Ammoniak reagieren. Calciumacetylid (Calciumcarbid) wird aus Calciumoxid und Koks im elektrischen Widerstandsofen bei 2200°C großtechnisch hergestellt. Zum Unterschied von Acetyliden der Alkali und Erdalkalimetalle, in welchen die Kohlenstoff-Metall-Bindung Ionencharakter hat, liegt bei Schwermetall-Acetyliden (Cu,Ag,Hg) in der Kohlenstoff-Metall-Bindung ein hoher kovalenter Anteil vor. Man kann sie auch in wäßriger Lösung synthetisieren wobei sie als Niederschlag aus der Lösung ausfallen. Die CuAg- bzw. Hg-Acetylide stellt man her, indem man die Alkine mit dem entsprechenden Schwermetallnitrat in ammoniakalischer Lösung reagieren läßt. Zu beachten ist, daß die Schwermetall-Acetylide in trockenem Zustand explosiv sind. Sie explodieren sowohl auf Druck als auch bei Erhitzen.
168
Lösungen
! 4.3 Acetylen kann bei 100°C und 15 bar Druck und Kupferacetylid als Katalysator mit Formaldehyd zu But-2-in-1,4-diol umgesetzt werden. Dieses wird katalytisch hydriert und das 1,4Butandiol dehydratisiert, wobei 1,3-Butadien entsteht (Reppe-Verfahren). Anmerkung: durch Polymerisierung von Butadien, das man auf diese Weise gewonnen hat, hat man im 2. Weltkrieg eine kautschukartige Substanz, das Buna hergestellt. 100 °C, 15 bar Cu2C2
H C
H
C
H
+
O
H2 C
H
H 2C
C
H 2C
+ 2 H2
H2 C
H2 C
H2 C
CH2
OH H
CH2
OH
OH
H2 C
H 2C
OH
OH
CH2
C
OH
Katalysator
CH2
C
C
H2 C
C H
OH
C H
CH2
+ 2 H 2O
OH
! 4.4 Läßt man Propinyllithium mit Bromethan in Tetrahydrofuran als Lösungsmittel reagieren, wird in einer SN-Reaktion das Brom durch den Propinylrest ersetzt (Alkylierung von Alkinen siehe Kap. 4.4.4, SN-Reaktionen siehe Kap. 9.5) H H H 3C
C
C
+
H C
Cl
H 3C
THF
H 3C
C
C
+
Cl
C
H CH3
Anmerkung: THF = Tetrahydrofuran
! 4.5 Die elektrophile Addition erfolgt sowohl bei Alkenen als auch bei Alkinen, aber bei Alkinen langsamer. Zum Unterschied von den Alkenen können aber an Alkinen auch nucleophile Additionen stattfinden. Bei einer nucleophilen Addition ist es das nucleophile Teilchen, das zuerst im die Reaktion bestimmenden Schritt addiert wird.
Lösungen
169
! 4.6 Bei der nucleophilen Addition von Blausäure HCN an Ethin erhält man als Produkt Acrylnitril (Propennitril): C
H H
C
C
H
+
H
C
N
C H
N
C H
! 4.7 Bei Einleiten von Acetylen (Ethin) in verdünnte Schwefelsäure, in der sich Quecksilber-(II)Sulfat als Katalysator befindet, wird bei der Reaktion zunächst Vinylalkohol (Ethenol) gebildet. Dieser steht mit dem Acetaldehyd durch die säurekatalysierte Keto-Enol-Tautomerie im Reaktionsgleichgewicht, so daß Acetaldehyd (Ethanal) das Hauptprodukt der Reaktion ist. H
C
C
+
H2O
H
H / Hg2
OH H2 C
C H
Keto-Enol-Tautomerie
O H3 C
C H
5 Alicyclische Verbindungen Cycloalkane (griech. Kyklos = der Ring) sind Kohlenwasserstoffe, in welchen die Kohlenstoffatome nur mit Einfachbindungen und ringförmig miteinander verknüpft sind. Cycloalkane sowie deren Derivate und auch Cycloalkene und Cycloalkine werden unter dem Begriff alicyclische Verbindungen zusammengefaßt (abgeleitet von aliphatisch und cyclisch). Alicyclische und ebenso aromatische Verbindungen (siehe Kapitel 6) gehören zu den Carbocyclen. Diese werden definiert als cyclische Verbindungen, deren Ring ausschließlich aus Kohlenstoffatomen aufgebaut ist. In Heterocyclen (siehe Abschnitt 12.5 und Kapitel 25) hingegen sind nicht nur Kohlenstoffatome Bestandteil des Ringes, sondern auch andere Atome, z.B. Sauerstoff-, Stickstoff- oder Schwefelatome, die man in diesem Zusammenhang als Heteroatome bezeichnet (griech. heteros = das Andere).
5.1 Nomenklatur Cycloalkane werden, der Anzahl der C-Atome im Ring entsprechend, nach den n-Alkanen benannt und mit dem Präfix „Cyclo-“ gekennzeichnet: H
H
H C
H
H
C
H C
H
H C
C
H
Cyclopropan
H H
C H
C H
Cyclobutan
H H
H
H
H
C
C
H H
C
C
H
C
H H
H H
H
Cyclopentan
H H
H C
C
C
C
C C
H H
H H H H
H
Cyclohexan
Die Formeln der Cycloalkane werden häufig in verkürzter Schreibweise dargestellt, bei der das ringförmige Kohlenstoffskelett als entsprechendes Vieleck gezeichnet wird, wobei man sich vorstellen muß, daß in jeder Ecke dieses Vielecks eine Methylengruppe steht. Für die Kohlenstoffatome im Ring werden das Symbol C, ebenso wie das Symbol H für die an sie gebundenen Wasserstoffatome und die entsprechenden C–H-Bindungen nicht geschrieben:
Cyclopropan
Cyclobutan
Cyclopentan
Cyclohexan
5.2 Physikalische Eigenschaften der Cycloalkane
171
Bei alicyclischen Verbindungen werden die Seitenketten und funktionellen Gruppen voll ausgeschrieben, Seitenketten werden aber auch oft nur in Form von Strichen (siehe Abschnitt 1.6) geschrieben. CH3
Cl OH
Methylcyclobutan
O
Cyclopentanol
Cyclopentanon
Chlorcyclohexan (Cyclohexylchlorid)
Cyclohexen
Befinden sich im Molekül zwei oder mehrere Substituenten, beginnt man die Durchnumerierung der Kohlenstoffatome des Ringes mit dem C-Atom, das die Hauptgruppe (funktionelle Gruppe der höchsten Priorität, siehe Abschnitt 1.7.3) trägt, und numeriert weiter in Richtung zum nächstgelegenen Substituenten, z.B.: O
4 H3C
Cl
3
HO
5 1
2
3
CH3 CH3
O
2 3-Methylcyclopentanon
2-Chlorcyclohexanon
1
3,3-Dimethylcyclohexanol
Liegt eine ringförmige Verbindung mit einer Seitenkette vor, und befindet sich in der letzteren die Hauptgruppe (siehe Abschnitt 1.7.3), so wird die offene Kette als Hauptkette betrachtet, der Ring als Substituent, z.B.: CH2
C
CH3
O
1-Cyclohexylpropan-2-on
5.2 Physikalische Eigenschaften der Cycloalkane Die Cycloalkane sind unpolare Verbindungen und haben deshalb ähnliche physikalische Eigenschaften wie die Alkane: sie sind hydrophob, mischen sich nicht mit Wasser und lösen nur unpolare oder schwach polare Stoffe. Ihre Schmelz- und Siedetemperaturen sind höher als die der n-Alkane mit gleicher Anzahl der C-Atome. Tabelle 5.1 Schmelz-, Siedetemperaturen und Dichten einiger Cycloalkane.
Name Cyclopropan Cyclobutan Cyclopentan Cyclohexan
Schmelztemperatur [°C] – 127 – 80 –94 6,4
Siedetemperatur [°C] Dichte [g/mL] – 32,9 0,6880 11 0,7038 49,5 0,7460 80,8 0,7781
172
5 Alicyclische Verbindungen
5.3 Der Cyclopropan- und Cyclobutanring Geht man von der Vorstellung aus, daß die σ-Bindungen gerade und nicht gekrümmt sind, so müßte der dreigliedrigen Ring des Cyclopropans einen Bindungswinkel von 60° haben, während für den viergliedrigen ebenen Ring des Cyclobutans ein Bindungswinkel von 90° anzunehmen wäre: H
C
C H
H
C
C 90°
C
C
H H
H
H
H
H C 60°
H
H
H
H H
Demgegenüber ist zu erwägen, daß der ideale Bindungswinkel zwischen drei sp3-hybridisierten Kohlenstoffatomen (im sp3-hybridisierten C-Atom sind die Orbitale in die Ecken eines fiktiven Tetraeders gerichtet) 109°28' beträgt. Die C–C-Verbindungslinie liegt hierbei auf der gleichen Geraden wie die Symmetrieachsen der überlappenden sp3-Orbitale, was ihre maximale Überlappung gewährleistet. Erfolgt die Überlappung der sp3-Orbitale seitlich der C–C-Verbindungslinie, so beträgt der Bindungswinkel zwischen den drei C-Atomen im Cyclopropan keineswegs 60°, sondern 104°, was dem idealen tetraedrischen Bindungswinkel von 109°28' schon näher kommt. Im Cyclobutan ist die Abweichung vom idealen Bindungswinkel noch kleiner. Die Überlappung im Cyclopropan und Cyclobutan ist hierbei allerdings etwas geringer als jene, die bei normalen C–C-σ-Bindungen vorliegt, z.B. bei den Alkanen, welche tetraedrische Bindungswinkel haben. Die seitlich von der C–C-Verbindungslinie erfolgte Überlappung zweier sp3-Orbitale führt zu einer C–C-σ-Bindung, die wegen ihrer etwas gekrümmten Form auch „Bananenbindung“ genannt wird. Sie ist, verglichen mit anderen C–C-σ-Bindungen, infolge der geringeren Überlappung schwächer und kann deshalb auch leichter gespalten werden.
C C
109°28'
C
= C-C-Verbindungslinie = Symmetrieachse der sp3-Orbitale
Bild 5.1 Überlappung der sp3-Orbitale bei einem Bindungswinkel von 109°28'
5.3 Der Cyclopropan- und Cyclobutanring
C
173
C
C
C
C
104° C
C
Überlappung der sp3-Orbitale a) im Cyclopropan
b) im Cyclobutan
= C-C-Verbindungslinie = Symmetrieachse der sp3-Orbitale
Bild 5.2
„Bananenbindung“ im Cyclopropan- und Cyclobutanring
Die Abweichung vom tetraedrischen Bindungswinkel verursacht im Cyclopropan- und Cyclobutanring eine Winkelspannung. Diese durch die Abweichung vom tetraedrischen Bindungswinkel in Drei- und Vierringen verursachte Spannung wird auch als Baeyer-Spannung bezeichnet. Im Cyclopropanmolekül sind die Wasserstoffatome ekliptisch angeordnet, so daß (siehe Abschnitt 2.4.1) eine Pitzer-Spannung im Molekül besteht. Das Cyclobutanmolekül ist zur Verminderung der Pitzer-Spannung nicht planar, sondern um 26° aus der Ebene heraus gefaltet.
C C
26°
C C Kohlenstoffskelett des Cyclobutans
Bild 5.3
Faltstruktur des Kohlenstoffskeletts im Cyclobutan
174
5 Alicyclische Verbindungen
5.4 Der Cyclopentanring In einem regelmäßigen Fünfeck betragen die Innenwinkel 108°. Zu einem Bindungswinkel von 109°28', dem idealen Bindungswinkel sp3-hybridisierter Kohlenstoffatome, ist der Unterschied klein. Demnach wäre im planaren Cyclopentanring nur eine geringe Winkel-Spannung vorhanden. Es wäre jedoch eine beträchtliche Pitzer-Spannung zu erwarten, da alle Wasserstoffatome bei dieser planaren Anordnung der Kohlenstoffatome im Cyclopentan ekliptisch zueinanderstehen. Die Pitzer-Spannung kann durch ein mäßiges Ausdrehen der Kohlenstoffatome aus der Ebene wesentlich verringert werden. Das Cyclopentan liegt deshalb als Briefumschlag-Konformer (envelope form) vor, wobei vier C-Atome in einer Ebene liegen und das fünfte sich außerhalb der Ebene befindet. Dieses Konformer ist nicht starr; in raschem Wechsel schert jeweils ein anderes C-Atom des Ringes aus der Ebene aus.
C C C C
C
Kohlenstoffskelett des Cyclopentans
Bild 5.4
geöffneter Briefumschlag
Briefumschlag-Konformeres des Cyclopentans
5.5 Der Cyclohexanring In einem Cyclohexanring, in dem alle Kohlenstoffatome in einer Ebene liegen, würden die C–C-σ-Bindungen einen Bindungswinkel von 120° einschließen (siehe Bild 5.5). Der ideale Bindungswinkel für sp3-hybridisierte C-Atome (Tetraederwinkel von 109°28') müßte also beträchtlich aufgeweitet werden, was eine große Winkelspannung im Ring zur Folge hätte. In diesem Ring würden außerdem alle Wasserstoffatome ekliptisch zueinander stehen, so daß auch die Pitzer-Spannung recht groß wäre. Durch eine mäßige Drehung um die C–C-σBindungen kann das Cyclohexan aus dieser energiereichen in eine stabile Konformation gelangen, in der keine Deformation des idealen Bindungswinkels notwendig ist und außerdem keine Pitzer-Spannung infolge ekliptischer Stellung der Wasserstoffatome besteht. Die an benachbarte C-Atome gebundenen Wasserstoffatome liegen in dieser neuen Konformation nur gestaffelt vor. Die spannungsfreie Konformation des Cyclohexans, in der vier C-Atome in einer Ebene, eines über und das sechste unter dieser Ebene liegen, wird als Sesselform (chair form) bezeichnet. Man braucht sich nur einen Fernsehsessel mit Rückenlehne und Fußstütze vorzustellen, um die Benennung dieses Konformers zu begreifen.
5.5 Der Cyclohexanring
175
120°
109°28‘
Sesselform
Ebener Sechsring
Bild 5.5
Vom ebenen Sechsring des Cyclohexans zur Sesselform
H H
H
H H H
H
Strukturformel
Drahtmodell = Kohlenstoffatom
= Wasserstoffatom
Sesselform des Cyclohexans
a
a
e
e a e
H
H
H
Bild 5.6
H
H
e
a
e
e
a
a e = äquatorial a = axial
Bild 5.7 Axiale und äquatoriale Substituenten
176
5 Alicyclische Verbindungen
Man stelle sich eine Achse vor, welche, wie in Bild 5.7 veranschaulicht, durch die Mitte eines in Sesselform vorliegenden Sechsringes führt. Vergleicht man nun die Achsenrichtung und die Orientierung der σ-Bindungen, mit welchen die Substituenten an die Kohlenstoffatome des Ringes gebunden sind, so kann man grundsätzlich zwei verschiedene Bindungsarten unterscheiden: axiale Bindungen, die mit der Achse parallel laufen und äquatoriale Bindungen, die von der Achse wegweisen. Entsprechend werden die an sie gebundenen Substituenten als äquatorial oder axial bezeichnet. Die Unterscheidung der Substituenten ist keineswegs nur formal: axiale und äquatoriale Substituenten können eine unterschiedliche Reaktivität aufweisen. Von der Sesselform, die einem Energieminimum des Cyclohexanmoleküls entspricht, kann dieses über die Halbsesselform zur Wannenform (englisch boat form) gelangen. Der Übergang von der Sessel- in die Wannenform ist dadurch gewährleistet, daß im Cyclohexanring eine beschränkte Drehbarkeit um die C–C- σ-Bindung gegeben ist. Soweit der Leser Zugang zu einem Molekülbaukasten hat, sollte er am Kugelstiftmodell des Cyclohexans die Umformung von der Sessel in die Wannenform eigenhändig vornehmen. Drückt man das unter der Ringebene befindliche Kohlenstoffatom (besser gesagt, die schwarze Kugel, die das Kohlenstoffatom im Modell veranschaulichen soll) nach oben, um zur Halbsesselform zu gelangen, verspürt man einen Widerstand. Dies ist verständlich, denn dazu bedarf es einer Winkelaufweitung, die eine ziemlich große Ringspannung zur Folge hat. Drückt man das Kohlenstoffatom weiter nach oben, so verspürt man nur einen geringen Widerstand, denn der Sechsring wird in die Wannenform gebracht, in der alle Kohlenstoffatome des Ringes wieder einen tetraedrischen Bindungswinkel haben. In dieser Konformation liegt keine Winkelspannung vor. Trotzdem ist die Wannenform energiereicher als die Sesselform. Die Wasserstoffatome an je zwei der vier in einer Ebene liegenden C-Atome des Sechsringes befinden sich bei der Wannenform in ekliptischer Stellung zueinander, so daß eine relativ hohe Pitzer-Spannung auftritt, während sie in der Sesselform gestaffelt vorliegen. Dies ist aus Bild 5.9 ersichtlich. Betrachtet man in einem Molekülmodell des Cyclohexans, wie in Bild 5.9 dargestellt, die beiden Kohlenstoffatome C2 und C3 und die Kohlenstoffatome C5 und C6 so, daß sich die C–C-Bindung in Blickrichtung befindet, so stellt man fest (siehe Newman-Projektionen in Bild 5.9), daß in der Sesselform (Bild 5.9 links) die an den beiden benachbarten C-Atomen gebundenen H-Atome gestaffelt und in der Wannenform (Bild 5.9 rechts) ekliptisch angeordnet sind.
Sesselform
Bild 5.8
Halbsesselform
Von der Sessel- zur Wannenform
Wannenform
5.5 Der Cyclohexanring
177
Sesselform
3
H
H
6
5
4
H
H
H
H
H
H H
4
H
H H 5
6
H
1 6
6
H
HH
1
H
H
Wasserstoffatome am C2 und C3 sowie C6 und C5 gestaffelt
HH
H
Bild 5.9
3
H
4 2
2
2
H H
H
H
H H
4
H H
H
H
1
H H
H
1
2
H
H
H
H H
Wannenform
Wasserstoffatome am C2 und C3 sowie C6 und C5 ekliptisch
Newman-Projektion der Sessel und Wannenform des Cyclohexans
Betrachtet man in Bild 5.9 in der Newman-Projektion die Konformationen der Kohlenstoffketten C1-C2-C3-C4 und C1-C6-C5-C4 des Cyclohexans, so stellt man außerdem fest, daß in der Sesselform eine synclinale, in der Wannenform aber eine energiereiche synperiplanare Konformation vorliegt (siehe den Abschnitt 2.4.2).
Flagpole
H
1
H
H 2
3
6
5
4
H
Bugspriet
Bild 5.10 Flagpole- und Bugspriet-Substituenten
178
5 Alicyclische Verbindungen
Die an beiden C-Atomen der Wannenspitze (C1 und C4) nach innen gerichteten Bindungen tragen Substituenten, die als Flagpole-Substituenten bezeichnet werden. Die beiden anderen an diese C-Atome geknüpften Substituenten werden Bugspriet-Substituenten genannt. Die Substituenten, die in der Wannenform des Sechsringes an die vier in einer Ebene liegenden C-Atome gebunden sind, haben keine besondere Bezeichnung. Die zwei Flagpole-Substituenten kommen so nahe zusammen, daß selbst zwischen Wasserstoffatomen schon eine Abstoßungsenergie von ca. 12,6 kJ/mol vorliegt. Die 1,4-Wechselwirkung (so genannt, weil die Wechselwirkung zwischen den am C1- und C4-Atom des Ringes gebundenen Substituenten erfolgt) bewirkt eine transannulare Spannung. Dies ist eine Ringspannung, die durch abstoßende Kräfte zwischen Substituenten hervorgerufen wird, die nicht an benachbarte, aber voneinander weiter entfernte C-Atome des Ringes gebunden sind. Durch eine seitliche Verschiebung der zwei C-Atome (C1 und C4), an welche die Flagpole-Substituenten gebunden sind, gelangt die Wannenform in die Twistform, womit die transannulare Spannung verringert wird. Die seitliche Verschiebung der Flagpole-Substituenten ist mit einer leichten Drehung der C-Atome um die C2/C3- und die C6/C5-Bindungen verbunden. Dadurch befinden sich die am C2 und C3 gebundenen Wasserstoffatome und ebenso die am C6 und C5 gebundenen Wasserstoffatome nicht mehr in der Deckungsform, und die Pitzer-Spannung wird damit etwas vermindert. Da die zwei Kohlenstoffatome der Wannenspitze sich in die eine oder andere seitliche Richtung verschieben können, existieren zwei verschiedene Twistformen. Diese lassen sich sehr leicht ineinander überführen, wobei die Wannenform einen Übergangszustand darstellt. Bei Zimmertemperatur können die Konformeren des Cyclohexans nicht isoliert werden, da durch Übertragung der kinetischen Energie beim Zusammenstoß der Moleküle die zwischen den Konformeren liegenden Energiebarrieren der Übergangszustände (Halbsessel- und Wannenform) überwunden werden können. Der Übergang von einer in die andere Konformation (Sesselform / Twistform) ist umkehrbar, allerdings ist die energieärmere, stabilere Sesselform bei Zimmertemperatur mit über 99% im Konformerengemisch des Cyclohexans vertreten. Bild 5.12 zeigt die Änderungen der potentiellen Energie des Cyclohexans in Abhängigkeit von seiner jeweiligen Konformation. Der Begriff Konformations-Koordinate beinhaltet die Veränderungen von Bindungswinkeln und Abständen der Atome untereinander beim Übergang von einer zur anderen Konformation. In der Sesselform des Cyclohexans kommt es bei den axialen Substituenten infolge der räumlichen
1
4 6
1
2
4
3
4
1
3
2
2 5
Twistform
6
5
Wannenform
5
6
3 Twistform
Bild 5.11 Übergang von einer in die andere Twistform (nur mit Kohlenstoffskelett des Sechsringes veranschaulicht)
5.5 Der Cyclohexanring
179
Potentielle Energie Ep [kJ/mol]
Halbsesselform
Halbsesselform
Wannenform 6 kJ
Twistform
45 kJ
Twistform 23 kJ
Sesselform
Sesselform Konformations-Koordinate Übergang von der Sesselin die Twistform
Übergang von einer in die andere Twistform
Übergang von der Twistin die Sesselform
Bild 5.12 Energieprofil beim Übergang von der Sessel- in die Twistform und von einer Twistform in die andere
Nähe zu einer 1,3-Wechselwirkung, die besonders bei sperrigen Substituenten eine Spannung hervorrufen kann. Von einer 1,3-Wechselwirkung spricht man deshalb, weil diese zwischen den am ersten und dritten C-Atom gebundenen Substituenten erfolgt. Die 1,3-Wechselwirkung findet zwischen den drei über der Ringebene und den drei unter der Ringebene befindlichen axialen Substituenten statt. In Bild 5.13 sind die axialen Substituenten mit dem Buchstaben a, die äquatorialen Substituenten mit e gekennzeichnet, und die Wechselwirkung zwischen den axialen Substituenten wird durch einen gestrichelten Doppelpfeil veranschaulicht. a a e
a e
e
e
e a
e a
a
Bild 5.13 1,3-Wechselwirkung zwischen den axialen Substituenten in der Sesselkonformation des Cyclohexans
180
5 Alicyclische Verbindungen
Wannenform Sesselform
Sesselform
Bild 5.14 Ringinversion des Methylcyclohexans
Das Cyclohexanmolekül kann durch Ringinversion von einer Sesselkonformation über die Wannenform in eine andere Sesselkonformation gelangen. Alle Substituenten, die vorher axial waren, befinden sich nach der Ringinversion in äquatorialer Stellung, und die Substituenten, die vorher äquatorial waren, sind dann an den Sechsring axial gebunden. Die 1,3Wechselwirkung in der Sesselkonformation tritt nur bei axialen, nicht aber bei äquatorialen Substituenten auf. Im monosubstituierten Cyclohexan wird deshalb die Konformation mit dem Substituenten in äquatorialer Stellung bevorzugt. Hat der Sechsring mehrere Substituenten, so wird gewöhnlich die Konformation der Sesselform bevorzugt, in der der sperrige Substituent die äquatoriale Stellung einnimmt. In Bild 5.14 wird die Ringinversion am Molekülmodell des Methylcyclohexans gezeigt. Das unterhalb der Ringebene befindliche Kohlenstoffatom des Sechsringes mit der Methylgruppe wird hierbei nach oben und das Kohlenstoffatom des Sechsringes, das über der Ringebene liegt, nach unten geklappt.
5.6 Die cis-trans-Isomerie von Substituenten in Ringverbindungen Die eingeschränkte Drehbarkeit der Kohlenstoffatome im Ring um die C–C-σ-Bindung bedingt die cis-trans-Isomerie von Verbindungen mit zwei, an unterschiedliche C-Atome des Ringes gebundenen, Substituenten. Ungeachtet der Konformationen, in der die cyclischen Verbindungen vorliegen, kann man sich den Ring in einer Ebene vorstellen. Man betrachtet die Bindungen, mit welchen beide Substituenten an den Ring geknüpft sind. Weisen diese in der Konstitutionsformel beide über bzw. unter die Ringebene, bezeichnet man dieses Isomer als cis-Isomer, weist eine Bindung über, die andere unter die Ringebene, so liegt ein transIsomer vor. Z.B.: H3C
CH3
H H cis-1,3-Dimethylcyclopentan
H3C
H
CH3 H trans-1,3-Dimethylcyclopentan
5.7 Polycyclische Alkane
181
Br
Br Br
Br
Bromatome axial
Bromatome äquatorial
Bild 5.15 Zwei Konformere des trans-1,2-Dibromcyclohexans
In den Formeln cyclischer Verbindungen sollen verstärkte Striche im unteren Teil des Ringes andeuten, daß der Ring senkrecht zur Bildfläche steht, wobei er mit dem verstärkten Teil zum Betrachter hin orientiert ist. Die nach oben gezeichneten, am Ring gebundenen Substituenten befinden sich dann über dem Ring und die in der Formel unten stehenden Substituenten unter dem Ring. Beim disubstituierten oder mehrfach substituierten Cyclohexan liegt die Sesselform vor, in der möglichst viele Substituenten äquatorial stehen. Z.B. ist im Br H H Br
trans-1,2-Dibromcyclohexan
das Konformer bevorzugt, in dem beide Bromatome äquatorial stehen (siehe Bild 5.15). Gibt es im Ring mehrere Substituenten, so ist es notwendig, das Präfix cis- bzw. trans- zu jedem Substituentenpaar zu schreiben, oder einen Substituenten zu bezeichnen, auf den sich die Stellung der anderen Substituenten im Ring beziehen soll.
5.7 Polycyclische Alkane In polycyclischen Alkanen sind mehrere Ringe miteinander verknüpft. Je nach Art der Ringverknüpfung unterscheidet man kondensierte und verbrückte Ringsysteme, und außerdem noch Spiroverbindungen, in welchen zwei Ringe untereinander nur mit einem Kohlenstoffatom verbunden sind.
kondensierte Ringe
verbrückte Ringe
Spiroverbindung
182
5 Alicyclische Verbindungen
Die Atome, welche die Ringe untereinander verbinden, werden als Brückenkopf-Atome bezeichnet. Sind zwei, drei, vier usw. Ringe miteinander verbunden, erhalten die Verbindungen mit kondensierten oder verbrückten Ringen das Präfix bicyclo-, tricyclo-, tetracyclousw. Dann führt man in eckigen Klammern in absteigender Zahlenfolge an, wieviel Kohlenstoffatome sich jeweils zwischen den Brückenatomen befinden. Sind beide Brückenatome direkt miteinander verbunden, wird eine Null in die eckige Klammer geschrieben. Man zählt dann alle Kohlenstoffatome in den Ringen zusammen und führt den Namen des n-Alkans mit der gleichen Kohlenstoffanzahl an. Spiroverbindungen erhalten das Präfix Spiro-. Brückenkopf-Atome
nullgliedrige Brücke
Bicyclo[4,4,0]decan, Bicyclo[2,2,2]octan Decahydronaphthalin oder Decalin
Spiro[5,4]decan
Ringe in kondensierten Ringsystemen können untereinander cis- oder trans-verknüpft sein. Die cis- oder trans-Verknüpfung erkennt man an den an beiden Brückenkopf-Kohlenstoffen gebundenen Wasserstoffatomen bzw. Substituenten. Zeigen beide dort gebundenen Substituenten über oder beide unter die miteinander verknüpften Ringe, liegt eine cis-Verknüpfung, im anderen Falle eine trans-Verknüpfung vor. H
H H
H
trans-Bicyclo[4,4,0]decan oder trans-Decalin
cis-Bicyclo[4,4,0]decan oder cis-Decalin
Die Formeln des Decalins können auch vereinfacht als miteinander verbundene Sechsecke geschrieben werden, indem man an den beiden Brückenkopf-Kohlenstoffen bei cisVerknüpfung die C–H-Bindung als normalen Strich schreibt, bei der trans-Verknüpfung die nach unten weisende Bindung gestrichelt, die andere, nach oben zeigende Bindung, mit starkem oder normalem Strich oder Keilstrich kennzeichnet. H
H
trans-Decalin
H
H
cis-Decalin
5.8 Synthese der Cycloalkane
183
5.8 Synthese der Cycloalkane 5.8.1 Synthese des Cyclopropans (a) Reaktion des Ethens mit einer Organozink-Verbindung (Simmons-Smith-Reaktion). Diiodmethan läßt man in wasserfreiem Ether auf aktiviertes Zink einwirken, wobei ein dem Grignard-Reagens ähnliches Organozink-Reagens entsteht, das mit Alkenen unter Bildung eines Dreirings reagiert. ZnI I
ZnI I
CH2
CH2
H
H C
H
C
H
H
C
ZnI2 CH2
C
H
H
H
H
C H
C H
H
Übergangszustand
Die punktierten Linien im Übergangszustand deuten an, daß die bisherigen Bindungen an dieser Stelle nur gelockert, aber nicht ganz gelöst und neue Bindungen an anderer Stelle im Entstehen begriffen sind. Die gestrichelten Bindungen weisen hinter die Bildebene, die in Keilform gezeichneten Bindungen vor die Bildebene. (b) Reaktion des Carbens mit Alkenen. Das Diazomethan spaltet bei Erhitzen (Δ) oder UVBestrahlung (hν) Stickstoff ab, und das freigesetzte sehr reaktive Carben wird mit dem Alken zum Cyclopropanderivat umgesetzt. N
N
Δ oder hν
CH2
N
N
+
Diazomethan
Carben
H
R'
R'
C CH2
C R
H
cis-Alken
CH2
H C C
R
CH2
H
cis-1,2-Dialkylcyclopropan
Das Carben ist eine sehr reaktive Verbindung mit einem zweibindigen C-Atom, dessen Außenschale nur mit einem Elektronensextett besetzt ist. Es kann in zwei Zustandsformen auftreten: im Grundzustand als Triplett-Carben und im angeregten Zustand als SingulettCarben (siehe Bild 5.16). Im Triplett-Carben sind zwei Orbitale mit je einem Elektron besetzt, es ist also ein Diradikal. Im Singulett-Carben ist das pz-Orbital des sp2-hybridisierten C-Atoms unbesetzt und ein sp2-Hybridorbital ist mit zwei Elektronen besetzt. Das SingulettCarben besitzt also ein freies Elektronenpaar und weist eine Elektronenlücke auf.
184
5 Alicyclische Verbindungen
Grundzustand
H
einfach besetzte Orbitale
136°
H Triplett-Carben Angeregter Zustand unbesetztes Orbital
H
freies Elektronenpaar
103°
H sp2-hybridisiert Singulett-Carben Bild 5.16 Triplett- und Singulett-Carben
Bei der Spaltung des Diazomethans entsteht zuerst das Singulett-Carben, und dieses ist so reaktiv, daß es mit dem Alken reagiert, noch bevor es den energieärmeren Zustand des Triplett-Carbens erreichen kann. Die Addition mit dem Singulett-Carben erfolgt stereospezifisch, wie dies in der vorhergehenden Reaktionsgleichung angedeutet wird: Liegt ein cis-Alken vor, so sind die Alkylreste nach der Reaktion mit dem Carben auch am Cyclopropanring in cis-Stellung, erfolgt die Reaktion hingegen mit einem trans-Alken, so sind die Alkylreste auch im Cyclopropan trans angeordnet. Erfolgt die Reaktion in unter Druck stehender Inertgasatmosphäre, so erreicht das Carben den energieärmeren Zustand des Triplett-Carbens, noch bevor es mit dem Alken reagiert. Das Triplett-Carben reagiert langsamer mit dem Alken, wobei sowohl cis- als auch trans-Additionsprodukte entstehen. Die Addition des Triplett-Carbens ist also nicht stereospezifisch. Dies ist so zu erklären, daß als Zwischenprodukt zunächst ein Diradikal entsteht, das um die C–C-Bindung frei drehbar ist. Bei der Rekombination kann deshalb sowohl das cis- als auch das trans-Isomer des Dialkylcyclopropans entstehen.
H
H C
R
CH2
H
CH2 CH2
H C
C R
R
H
C
C
C
R
Rekombination
CH2 C H
cis-Isomer
H
trans-Isomer
R
R R
H
C R
5.8 Synthese der Cycloalkane
185
5.8.2 Die Synthese mehrgliedriger alicyclischer Verbindungen Für die Synthese mehrgliedriger Cycloalkane können spezielle Reaktionen herangezogen werden, in vielen Fällen aber auch Reaktionen, die bei der Synthese anderer Verbindungen ebenfalls Verwendung finden. Die Reaktanten sind häufig Verbindungen, die an jedem Kettenende eine funktionelle Gruppe haben. Die Reaktion verläuft so, daß eine intramolekulare C–C-Verknüpfung erfolgt, die zum Ringschluß führt. Eine intramolekulare Verknüpfung heißt, daß sie innerhalb eines Moleküls erfolgt, während eine intermolekulare Verknüpfung zwischen den Molekülen stattfindet. Beide, intramolekulare und intermolekulare Verknüpfungen, finden gleichzeitig als Konkurrenzreaktionen statt. Als Beispiel für eine solche Reaktion, die durch C–C-Verknüpfung zum Ringschluß führt, kann die intramolekulare Wurtz-Reaktion mit α,ω-Dihalogenalkanen dienen, wobei Zn anstelle von Na eingesetzt wird. α,ω bedeutet in diesem Fall, daß sich die Halogene am Kettenanfang und Kettenende befinden (nach dem griechischen Alphabet, in dem α der Anfangs- und ω der Endbuchstabe ist). Neben dem entsprechenden Cycloalkan, das durch Ringschluß gebildet wird, entstehen durch intermolekulare C–C-Verknüpfungen längerkettige α,ω-Dihalogenderivate. Intramolekulare Wurtz-Reaktion: (CH2)n + H2C Br
CH2(CH2)nCH2 + Zn
ZnBr2
CH2
Br Br
CH2(CH2)nCH2
CH2(CH2)nCH2
Br
und längerkettige α,ω-Dibromalkane durch intermolekulare Verknüpfung
Durch Anwendung des „Verdünnungsprinzips“ können die intermolekularen Reaktionen unterdrückt werden, wodurch die Ausbeute des Cycloalkans steigt. Durch Verdünnung mit einem Lösungsmittel wird die Konzentration der Edukte herabgesetzt. Dadurch vermindert sich die Wahrscheinlichkeit des Zusammenstoßes zweier Eduktmoleküle, es tritt mit größerer Häufigkeit der Fall ein, daß sich, ehe zwei Moleküle untereinander reagieren können (intermolekulare Reaktion), der Ringschluß (intramolekulare Reaktion) schon vollzogen hat. Weitere Möglichkeiten der Synthese alicyclischer Verbindungen bieten die intermolekulare Ringbildung mit der Diels-Alder-Reaktion (siehe Abschnitt 3.10.4), die DieckmannKondensation (siehe Abschnitt 17.3.5.2), die Malonestersynthese (siehe Abschnitt 17.3.5.5), die Acyloin-Kondensation (siehe Abschnitt 17.3.6.4) und die Thorpe-Ziegler-Reaktion (siehe Abschnitt 17.5.3.8).
186
5 Alicyclische Verbindungen
5.9 Reaktionen der Cycloalkane In Cycloalkanen liegen, ähnlich wie bei den Alkanen, unpolare C–C- und C–H-σ-Bindungen vor. Mit Ausnahme des Cyclopropans und Cyclobutans reagieren sie deshalb auch ähnlich wie Alkane. Der Cyclopentan-, Cyclohexanring und die Ringe höherer Cycloalkane sind stabil. Beim Cyclopropan und Cyclobutan machen sich die Ringspannung durch Deformierung des Bindungswinkels, die schwachen C–C-σ-Bindungen (siehe Bananenbindung), und beim Cyclopropan außerdem noch starke Pitzerspannungen, bemerkbar. Cyclobutan ist etwas stabiler als Cyclopropan. Bei Erhitzen auf 200°C wird der Cyclopropanring aufgespalten, wobei Propen entsteht. Cyclopropan reagiert mit verschiedenen Stoffen unter Aufspaltung des Ringes, es reagiert z.B. mit Schwefelsäure, mit HBr, mit Br unter Lichteinwirkung, und es kann auch katalytisch unter Ringaufspaltung hydriert werden. Beim Cyclobutan erfolgt die Ringaufspaltung mit Schwefelsäure oder HBr oder bei katalytischer Hydrierung erst bei höherer Temperatur. Beide, Cyclopropan und Cyclobutan, reagieren im Unterschied zu Ethen mit Kaliumpermanganatlösung oder Ozon bei Zimmertemperatur nicht. CH2 H2C
CH2
+
H3C
H2SO4
CH2
CH2
O
1-Propylhydrogensulfat
CH2 H2C
CH2
+
H3C
HBr
CH2
CH2
Br
1-Propylbromid
CH2 H2C
200 °C
CH2
H
H3C
C
CH2 H
CH
CH2
Propen CH2 H2C
Ni / H2 80 °C
CH2
H3C
CH2
CH3
n-Propan
H2C
CH2
H2C
CH2
Ni / H2 180 °C
H3C
CH2 n-Butan
CH2
CH3
CH2
SO3H
Übungsaufgaben
187
Übungsaufgaben 5.1 Warum ist die Wannenform des Cyclohexans energiereicher als die Sesselform?
? 5.2 Was versteht man unter einer axialen und äquatorialen Bindung in der Sesselkonformation des Cyclohexans?
? 5.3 Welche Veränderungen erfolgen bezüglich axialer bzw. äquatorialer Bindung an axialen und äquatorialen Substituenten nach Ringinversion des Cyclohexanringes?
? 5.4 Worin liegt die Ursache der cis-trans-Isomerie zweier an einen Kohlenstoffring gebundener Substituenten?
? 5.5 Wie sind die beiden Bromatome in der Sesselform des cis-1,2-Dibromcyclohexans axial bzw. äquatorial gebunden?
? 5.6 In welcher cis- oder trans-Stellung zueinander stehen die an Brückenkohlenstoffatome gebundenen Wasserstoffatome im cis- bzw. im trans-Decalin?
188
Lösungen
Lösungen ! 5.1 Die Wannenform des Cyclohexans ist um 29 kJ/Mol energiereicher als die Sesselform. Dies ist damit zu erklären, daß sich in der Wannenform acht Wasserstoffatome zueinander in Deckungsform (ecclipsed form) befinden, so daß eine Pitzer-Spannung vorliegt, während in der Sesselform die Wasserstoffatome in Staffelform angeordnet sind. In der Wannenform findet außerdem noch eine Abstoßung der nach innen stehenden (flagpole)-Wasserstoffatome statt, die eine Abstoßungsenergie von 12,6 kJ/Mol aufweist.
! 5.2 Man stelle sich eine fiktive Gerade vor, die senkrecht auf den in Sesselform vorliegenden Cyclohexanring steht. Die Substituenten deren Bindung parallel zu dieser gedachten geraden stehen bezeichnet man als axial, die anderen als äquatorial. a a
e
e a
e
a e
e
e
a
a e = äquatorial a = axial
Axiale und äquatoriale Substituenten am Cyclohexanring
! 5.3 Von einer Ringinversion spricht man, wenn eine Sesselform über die Wannenform in eine andere Sesselform übergeht. Nach der Ringinversion werden axiale zu äquatorialen Substituenten und äquatoriale wiederum zu axialen Substituenten. Bevorzugt wird die Sesselform, bei der insbesonders sperrige Substituenten eine Äquatoriale Stellung einnehmen.
! 5.4 Zwei an unterschiedliche C-Atome des Ringes gebundene Substituenten können zueinander cis- oder trans- stehen. Diese cis-trans-Isomerie wird bedingt durch die eingeschränkte Drehbarkeit um die C-C-σ-Bindungen im Ring.
! 5.5 Im cis-1,2-Dibromcyclohexan ist in der Sesselform das eine Bromatom axial, das andere äquatorial gebunden.
Lösungen
189
! 5.6 Die Wasserstoffatome an den beiden Brückenkohlenstoffen des trans-Decalins stehen zu einander in trans-Stellung, im cis-Decalin in cis-Stellung. H
H H
H trans-Decalin
cis-Decalin
6 Aromatische Verbindungen Als aromatisch werden cyclische Verbindungen bezeichnet, deren π-Elektronen über das ganze Ringsystem delokalisiert sind. Elektrophile Substitutionen sind die für sie charakteristischen Reaktionen. Der bekannteste Vertreter aromatischer Verbindungen ist das Benzol. Einige Benzolderivate sind von besonderer Bedeutung für die Herstellung von Kunst- und Farbstoffen. Die Bezeichnung „aromatisch“ wurde den benzolähnlichen Stoffen wegen des Geruchs gegeben, der bei bestimmten Benzolderivaten (z.B. bei dem im Bittermandelöl enthaltenen Benzaldehyd, dem Vanillin und dem im Waldmeister enthaltenen Cumarin) wahrnehmbar ist. H
C
O
H
C
O
OCH3
O
O
OH
Benzaldehyd
Vanillin
Cumarin
Verbindungen mit aromatischen Eigenschaften haben den Sammelnamen Arene, und der Rest nach Abspaltung eines Wasserstoffatoms wird als Arylrest bezeichnet (Abkürzung Ar).
6.1 Benzol und seine Derivate Das Benzol wurde schon 1825 von Faraday im Leuchtgas entdeckt. Es ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch, einer Schmelztemperatur von 5,5°C und einer Siedetemperatur von 80,1°C. Benzol gehört zu den cancerogenen (krebserregenden) Stoffen. Die Elementaranalyse (Bestimmung der relativen Anteile von C und H im Molekül) und die Molekulargewichtsbestimmung ergeben für Benzol die Formel C6H6. Bei der katalytischen Hydrierung wird Benzol zu Cyclohexan umgesetzt, was auf einen ungesättigten Sechsring hinweist. Schon 1865 wurde von Kekulé eine Konstitutionsformel dieser Verbindung in Form eines Sechsringes mit 3 Doppelbindungen vorgeschlagen (siehe nächste Seite). Sie würde einem Cyclohexatrien entsprechen. Diese Struktur steht aber in Widerspruch zu den Eigenschaften des Benzols, das sich, in Gegensatz zu den Alkenen, bei der Addition von Brom als ausgesprochen reaktionsträge erweist. Kekulé entwickelte, um dafür eine Er-
6.2 Die Valenzbindungstheorie
191
H H
H
H
H H
klärung zu haben, eine für seine Zeit geniale Theorie. Er nahm an, daß die Doppelbindungen in rascher Folge ihre Positionen wechseln und so zwischen zwei Strukturen oszillieren, so daß sie nicht zwischen zwei bestimmten C-Atomen lokalisiert sind und demgemäß keine Additionsreaktionen stattfinden können. und Kekulè-Strukturen
Heute erklärt man sich die Struktur des Benzols auf die Weise, daß die 6 π-Elektronen delokalisiert, also auf den gesamten 6-Ring verteilt sind. Diese Elektronenverteilung entspricht einem stabilen, energiearmen Zustand des Moleküls. Die theoretische Grundlage für diese Anschauung ist in der Valenzbindungstheorie (valence-bond-theory), abgekürzt VBTheorie bzw. in der Molekülorbitaltheorie (molecular-orbital-theory), abgekürzt MO-Theorie, zu suchen.
6.2 Die Valenzbindungstheorie Die Valenzbindungstheorie (auch Resonanztheorie genannt) wendet man besonders bei Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen an, um eine Vorstellung über die tatsächliche Verteilung der π-Elektronen im Molekül zu bekommen. Sie wurde bereits, ohne sie als solche zu bezeichnen, bei der Beschreibung der π-Elektronenverteilung des Butadiens unter dem Thema Mesomerie (siehe Abschnitt 3.9) und bei der Diskussion der Reaktivität von Allyl- und Vinylverbindungen (siehe Abschnitt 3.9.1.1) zu Hilfe genommen. Bei der Valenzbindungs-Theorie geht man von denkbaren Formeln aus, die sich lediglich in der Lokalisierung der π- und p-Elektronen voneinander unterscheiden. Man bezeichnet sie als mesomere Grenzformeln (aus dem griechischen mesos = zwischen und meros = Teil). Die mesomeren Grenzformeln schreibt man als Lewis-Formeln mit den klassischen Valenzstrichen, wobei man die π-Elektronenpaare zunächst als zwischen zwei bestimmten C-Atomen lokalisiert ansieht. Die einzelnen mesomeren Grenzformeln beschreiben bei konjugierten Systemen keineswegs die reale Elektronenverteilung, also nicht die tatsächliche Struktur des Moleküls. Sie dienen lediglich dazu, die π-Elektronenverteilung im Molekül abzuschätzen und das reale Molekül zu beschreiben. Das reale Molekül, das man als Resonanzhybrid bezeichnet, ist energieärmer und somit stabiler als jede der durch die mesomeren Grenzformeln dargestellten fiktiven Verbindungen. Sagt man, eine Verbindung sei mesome-
192
6 Aromatische Verbindungen
rie- oder resonanzstabilisiert, so bedeutet das, daß durch Delokalisation von π-Elektronen eine Stabilisierung erreicht wird. Die theoretische Grundlage der Valenz-Bindungstheorie basiert darauf, daß man die Ladungsdichteverteilung in einem Molekül aus den ψ-Funktionen der einzelnen Grenzformeln ermitteln kann. Die molekulare Wellenfunktion Ψ (Wellenfunktion des Resonanzhybrids) ergibt sich aus der Linearkombination der Wellenfunktionen der Grenzformeln ψ1, ψ2. ... ψn. Die einzelnen Wellenfunktionen ψi gehen mit einer Wichtung ein, die um so größer ist, je energieärmer die entsprechende Grenzstruktur einzuschätzen ist, so daß ψi noch mit einem entsprechenden Koeffizienten ci multipliziert wird: Ψ = c1ψ1 + c2 ψ 2 +…+ cn ψ n
In der Praxis verfährt man bei der Ermittlung der Elektronenverteilung des realen Moleküls (des Resonanzhybrids) nach der Valenzbindungstheorie so, daß man die einzelnen denkbaren mesomeren Grenzformeln als Valenzstrichformeln nach Lewis aufschreibt und abschätzt, welche der ihnen entsprechenden mesomeren Grenzstrukturen am energieärmsten sind (Kriterien dafür siehe Abschnitt 3.9), denn diese kommen der realen Elektronenverteilung im Molekül am nächsten. Die mesomeren Grenzformeln der energieärmsten Grenzstrukturen des Moleküls werden bei der Abschätzung der Elektronenverteilung im Resonanzhybrid mit größter Wichtung in Erwägung gezogen, während die als energiereich einzuschätzenden mesomeren Grenzstrukturen weniger Berücksichtigung finden. Eine gute Vorstellung über die reale Elektronenverteilung erhält man, wenn man die Grenzformeln vergleicht und feststellt, wo sich die Valenzstriche für die π- und p-Elektronen befinden. Dabei geht man davon aus, daß die Elektronendichte dort größer ist, wo sich die Valenzstriche in Grenzformeln der als relativ energiearm einzuschätzenden mesomeren Grenzstrukturen befinden. Das Benzol kann man mit zwei gleichwertigen mesomeren Grenzformeln (Kekulé-Formeln) beschreiben:
Bei dieser Schreibweise schreibt man die an die C-Atome gebundenen Wasserstoffatome nicht auf. Die beiden mesomeren Grenzformeln lassen darauf schließen, daß die π-Elektronen im Sechsring des Benzols gleichmäßig verteilt und demnach keine lokalisierten Doppelbindungen vorhanden sind. Man spricht in diesem Falle von einem delokalisierten π-Elektronensystem. Diese Annahme wird durch Röntgenstrahlbeugung bestätigt, mit Hilfe derer festgestellt wurde, daß das Benzolmolekül in einem ebenen gleichseitigen Sechseck angeordnet ist, in dem alle C–C- Bindungslängen gleich sind und alle Bindungswinkel 120° betragen. Die C–C-Bindungslänge im Benzol beträgt 139,7 pm, sie liegt somit zwischen der Bindungslänge einer C–C-Einfach- und einer C=C-Doppelbindung.
6.2 Die Valenzbindungstheorie
193
Bild 6.1 Elektronendichteverteilung im Benzol
Das nicht existierende Cyclohexa-1,3,5-trien müßte, wenn man lokalisierte π-Bindungen annimmt, abwechselnd längere C–C-Einfach- und kürzere C=C-Doppelbindungen aufweisen. Die Kekulé-Formel
kann man als Formel für das fiktive Cyclohexatrien betrachten. Häufig wird diese Formel aber auch als Symbol für das Benzol verwendet. Der Eindeutigkeit halber schreibt man das Benzol besser in der Form, daß man in den Sechsring einen Kreis einzeichnet:
Das Sechseck mit Kreis steht anstelle der Beschreibung des Resonanzhybrids durch die beiden mesomeren Grenzformeln (beide Kekulé-Formeln) und der Kreis symbolisiert das delokalisierte π-Elektronensystem. Diese Schreibweise wird nicht nur für das Benzol, sondern auch in anderen aromatischen Verbindungen verwendet. H
H C
C
C
H
120°
120°
H
C 109 pm
120°
C
C
139,7 pm
H
H
Bild 6.2 Geometrie des Benzolmoleküls
194
6 Aromatische Verbindungen
Wie schon erwähnt, ist das Resonanzhybrid energieärmer, als alle mit der mesomeren Grenzformel dargestellten fiktiven Verbindungen. Der Energieunterschied zwischen der Energie des Resonanzhybrids und der berechneten Energie der mit der mesomeren Grenzformel beschriebenen energieärmsten fiktiven Verbindung wird als Resonanzenergie oder Mesomerieenergie bezeichnet. Die Resonanzenergie ist dann besonders groß, wenn das Resonanzhybrid durch strukturell völlig gleichartige Grenzformeln beschrieben werden kann, wie dies beim Benzol durch die beiden Kekulé-Formeln der Fall ist. Quantitative Angaben über die Resonanzenergie des Benzols erbringen Messungen der Hydrierwärmen bei den katalytischen Hydrierungen des Benzols und des Cyclohexens. Die katalytische Hydrierung von Doppelbindungen ist eine exotherme Reaktion. Bei der Hydrierung des Cyclohexens
+
ΔH = –120 kJ/mol
H2
werden ΔH = –120 kJ/mol Hydrierwärme frei. Setzt man für das Cyclohexatrien, das der energieärmsten mesomeren Grenzformel entspricht, 3 lokalisierte Doppelbindungen voraus, so müßte man für diese fiktive Verbindung die dreifache Hydrierwärme des Cyclohexens annehmen, also ΔH = 3·(–120 kJ/mol)= –360 kJ/mol. Die gemessene Hydrierwärme für das Benzol beträgt ΔH = –209 kJ/mol. Der Energieunterschied ΔHRes = 360 kJ/mol – 209 kJ/mol = 151 kJ/mol ist der Betrag für die Resonanzenergie des Benzols.
Cyclohexatrien
Potentielle Energie
Δ HRes = 151 kJ/mol
Δ H = -360 kJ/mol berechnet
Benzol
Δ H = -209 kJ/mol gemessen Cyclohexan
Bild 6.3
Schema zur Berechnung der Resonanzenergie des Benzols
Δ H = Hydrierwärme Δ HRes = Resonanzenergie
6.3 Die Molekülorbitaltheorie
195
Potentielle Energie
23 kJ/mol
Bild 6.4
Δ H = -232 kJ/mol
(anstelle von -240 kJ/mol)
Δ H = -120 kJ/mol
Δ H = -209 kJ/mol (anstelle von 3 x -120 kJ/mol = -360 kJ/mol)
Vergleich von Hydrierwärmen, die beim Hydrieren von Benzol, Cyclohexa-1,3-dien und Cyclohexen frei werden.
Das Symbol ΔH steht allgemein für die Reaktionsenthalpie. Dies ist die Wärmemenge, die ein System während der Reaktion mit seiner Umgebung austauscht. Ist die Reaktion exotherm, d.h. wird während der Reaktion Wärme an die Umgebung abgegeben, so steht vor der Energieangabe ein Minuszeichen, wogegen bei einer endothermen Reaktion (einer wärmeverbrauchenden Reaktion) ein Pluszeichen steht. Bei der Hydrierung von Cyclohexa-1,3-dien zu Cyclohexan wird etwas weniger Hydrierwärme frei als der doppelten Hydrierwärme des Cyclohexens entsprechen würde. Dies ist darauf zurückzuführen, daß das konjugierte Dien resonanzstabilisert ist. Die relativ niedrige Hydrierwärme, die bei der Addition von Wasserstoff am Benzol frei wird, ist darauf zurückzuführen, daß das Benzol infolge seines optimal delokalisierten π-Elektronensystems eine stabile, energiearme Verbindung darstellt. Die Hydrierwärme des Benzols ist deshalb sogar noch um 23 kJ/mol niedriger als die des Cyclohexa-1,3-diens. Da chemische Systeme im allgemeinen das Bestreben haben, vom energiereicheren in den energieärmeren Zustand überzugehen, ist es verständlich, daß Cyclohexa-1,3-dien leicht zum Benzol dehydriert werden kann.
6.3 Die Molekülorbitaltheorie Die Molekülorbitaltheorie basiert auf der Vorstellung, daß bei der Bildung kovalenter Bindungen aus Atomorbitalen Molekülorbitale entstehen. Der Bereich der Molekülorbitale muß sich nicht auf zwei Atome beschränken, er kann auch mehrere Atome einschließen. Die für die Berechnung der Molekülorbitale häufig angewendete Näherungsmethode, die LCAOMethode (linear combination of atomic orbitals), geht von der Annahme aus, daß die die
196
6 Aromatische Verbindungen
Molekülorbitale beschreibende Wellenfunktion Ψ durch lineare Kombination der an der Bindung beteiligten Atomorbitale ϕ1, ϕ2, ϕ3 … ϕn ermittelt werden kann: Ψ = c1ϕ1 + c2ϕ 2 +…+ cnϕ n ,
wobei c1, c2 ... cn Verteilungskoeffizienten darstellen. Zu den Voraussetzungen für Berechnungen nach der LCAO-Methode gehört, daß die Atomorbitale von vergleichbarer Energie sein müssen, zum größten Teil überlappen können und entlang der Bindungsachse gleiche Symmetrieeigenschaften aufweisen müssen. Aus den an den kovalenten Bindungen beteiligten Atomorbitalen resultieren gleichviele Molekülorbitale. Diese können sich in ihrem Energiegehalt unterscheiden. Je mehr Knotenebenen in einem Molekülorbital vorhanden sind, desto energiereicher ist es. Energiegleiche Molekülorbitale bezeichnet man als entartet. Es gibt die Bindung festigende bindende Molekülorbitale, die energieärmer als die sie konstituierenden Atomorbitale sind, und die Bindung lockernde antibindende Molekülorbitale, die energiereicher als diese Atomorbitale sind. Die bindenden und antibindenden Molekülorbitale weisen bezüglich der Bindungsachse eine Symmetrie auf. Molekülorbitale, die an einer Bindung nicht beteiligt sind, bezeichnet man als nichtbindende Molekülorbitale. Nichtbindende Molekülorbitale sind in der Regel mit freien, an einer Bindung nicht beteiligten Elektronenpaaren besetzt. Die Besetzung der bindenden und antibindenden Molekülorbitale mit Elektronen geschieht nach der Regel, daß ein Molekülorbital nur mit je 2 Elektronen besetzt werden kann, wobei sich diese in ihrer Spinquantenzahl unterscheiden müssen (PauliPrinzip) und zunächst das energieärmste Molekülorbital doppelt zu besetzen ist, bevor ein energiereicheres Orbital mit Elektronen besetzt werden kann. Bei der Besetzung energiegleicher (entarteter) Orbitale werden alle energiegleichen Orbitale zunächst einfach (mit parallelem Spin) und erst dann doppelt besetzt (Hundsche Regel). Als Beispiel, das diese Theorie etwas konkretisiert, soll die Bindung im Wasserstoffmolekül erörtert werden. Die s-Orbitale der beiden Wasserstoffatome ϕ1 und ϕ2 ergeben bei der Linearkombination ϕ1 + ϕ2 ein bindendes σ-Orbital, während ϕ1 – ϕ2 ein antibindendes σ*-Orbital erbringt. Das bindende σ-Orbital hat zwischen den Protonen (= Wasserstoffkerne) eine hohe Elektronendichte, die den Zusammenhalt beider Kerne im Wasserstoffmolekül bewirkt.
Bild 6.5
Die beiden Molekülorbitale der Wasserstoffbindung
6.3 Die Molekülorbitaltheorie
197
Das antibindende σ*-Orbital hat zwei Orbitallappen mit entgegengesetzter Phase. Die Phasen werden farblich mit hell und dunkel symbolisiert. Bei Überlagerung zweier Wellen mit entgegengesetzten Schwingungsphasen werden die Schwingungsamplituden kleiner, oder können sogar gleich null sein. Im σ*-Orbital ist die Elektronendichte zwischen den Kernen gering, sie ist in der zwischen den Kernen befindlichen Knotenebene sogar gleich Null. In den Molekularorbitalen des Wasserstoffmoleküls werden, da insgesamt 2 Elektronen zur Verfügung stehen (jedes der beiden Wasserstoffatome bringt ein Valenzelektron für die Bindung ein) nur das σ-Orbital besetzt, das energiereichere σ*-Orbital bleibt unbesetzt. Infolge der hohen Elektronendichte zwischen den Kernen im σ-Orbital ist die Wasserstoffbindung stark und das Wasserstoffmolekül stabil.
σ∗− Orbital pot. Energie
(Antibindend)
Bild 6.6
s-Orbital
s-Orbital
σ− Orbital
(bindend)
Energiediagramm zur Besetzung der Molekülorbitale des Wasserstoffmoleküls
Die Linear-Kombination der p-Orbitale im Ethen ergibt gleichfalls zwei Molekülorbitale, da sich die an der Bindungsbildung beteiligten zwei p-Orbitale auf zweierlei Weise miteinander kombinieren lassen. Die Überlappung zweier p-Atomorbitale in der Kombination ϕ1 + ϕ2 – mit den Orbitallappen beider Atome in gleicher Phase – führt zum π-Orbital, mit einem Orbitallappen über und dem anderen unter den beiden Atomkernen der Bindungspartner. Die Knotenebene geht zwischen den beiden Orbitallappen des π-Orbitals durch die beiden Atomkerne (siehe Bild 6.7). Im bindenden Molekülorbital halten sich die Elektronen bevorzugt zwischen den Atomkernen auf, so daß durch die Wechselwirkung zwischen negativen Elektronen und positiven Kernen der Zusammenhalt der Atome in Form einer πBindung gewährleistet wird.
Bild 6.7
Überlappung zweier p-Orbitale zum π-Orbital
198
6 Aromatische Verbindungen
In der Kombination φ1 – φ2 resultiert das antibindende π*-Orbital, das eine weitere Knotenebene besitzt, die senkrecht auf der C-C-σ-Bindung des Ethens steht. In dieser Knotenebene ist die Elektronendichte zwischen den Kohlenstoffkernen gleich null und die Abstoßungskräfte der positiv geladenen Kohlenstoffrümpfe machen sich stark bemerkbar.
Bild 6.8
Antibindendes π∗-Orbital
Das bindende π-Orbital ist energieärmer als das antibindende π*-Orbital. Deshalb wird im Ethen mit den zwei zur Verfügung stehenden π-Elektronen das π-Orbital besetzt, das π*-Orbital bleibt unbesetzt.
Bild 6.9
Lineare Kombination der p-Orbitale im Ethen und die Besetzung der aus ihr resultierende Molekülorbitale mit π-Elektronen
Im 1,3-Butadien gehen wir von der Vorstellung aus, daß vier p-Orbitale unter Bildung von vier Molekülorbitalen in Wechselwirkung treten. Jede dieser Wellenfunktionen der Molekülorbitale des 1,3-Butadiens entspricht einer Gleichung vom Typ: Ψ= c1φ1 + c2φ2 + c3φ3 + c4φ4. Jedes Molekülorbital hat eines der beiden Symmetrieelemente: entweder eine Symmetrieebene m, die das Molekülorbital in zwei spiegelbildliche Hälften teilt, oder eine zweizählige Symmetrieachse C2. Die zweizählige Symmetrieachse C2 bringt das Molekülorbital bei
6.3 Die Molekülorbitaltheorie
199
einer Umdrehung von 180° zur Identität. Veranschaulicht wird dies am Beispiel des ψ2-Molekülorbitals und des ψ3*-Molekülorbitals des s-cis-1,3-Butadiens in Abb. 6.10.
Symmetrieebene m
Zweizählige Symmetrieachse C 2
C2
Die Symmetrieebene teilt das ψ3∗-Molekülorbital des 1,3-Butadiens in zwei spiegelbildliche Hälften
Nach Drehung der zweizähligen Symmetrieachse um 180° erscheint das ψ2 -Molekülorbital des 1,3-Butadiens in identischer Form
Bild 6.10 Symmetrieebene im ψ3*-Molekülorbital des s-cis-1,3-Butadiens und die zweizählige Symmetrieachse C2 im ψ2-Molekülorbital des s-cis-Butadiens
Im energieärmsten Molekülorbital des 1,3-Butadiens, dem ψ1-Molekülorbital sind alle Koeffizienten c1, c2, c3 und c4 der Wellenfunktion positiv. Alle benachbarten Orbitale stehen zueinander in gleicher Phase und können überlappen, die Bindungskräfte erreichen ihren höchsten Wert. Allgemein gilt, je mehr Knotenebenen, desto höher das Energieniveau eines Molekülorbitals. Das Molekülorbital ψ2 im nächst höheren Energieniveau hat zwischen dem 2. und 3. C-Atom eine Knotenebene. Die Koeffizienten c1 und c2 haben ein positives und c3 und c4 ein negatives Vorzeichen. Im Molekülorbital ψ2 besteht zwischen den 1. und 2. C-Atom und dem 3. und 4. C-Atom eine bindende Wechselwirkung und eine antibindende Wechselwirkung zwischen dem 2. und 3. C-Atom. Im Molekülorbital ψ3* haben die Koeffizienten c1 und c4 ein positives und c2 und c3 ein negatives Vorzeichen. In diesem Molekülorbital liegen 2 Knotenebenen vor. Sie befinden sich zwischen dem 1. und 2. C-Atom und zwischen dem 3. und 4. C-Atom. Eine bindende Wechselwirkung besteht zwischen dem 2. und 3. C-Atom. Das ψ4*-Atomorbital hat drei Knotenebenen und ist im 1,3-Butadien das energiereichste Molekülorbital. Die Koeffizienten c1 und c3 haben ein positives, c2 und c4 ein negatives Vorzeichen. Es bestehen in diesem Molekülorbital keine bindenden Wechselwirkungen. Die Elektronendichte ist in den Molekülorbitalen nicht gleichmäßig verteilt. In Abb. 6.11 wird sie durch Größe der p-Orbitale veranschaulicht. Eine hohe Elektronendichte in der Mitte des Molekülorbitals ist bei ψ1 festzustellen, bei ψ2 ist sie höher an den Kettenenden. Bei einer geraden Anzahl n von Molekülorbitalen ist jeweils die Hälfte der Molekülorbitale n/2, bindend, die andere, energiereichere Hälfte antibindend.
200
6 Aromatische Verbindungen
Bild 6.11 Linearkombination der p-Orbitale im 1,3-Butadien und die Besetzung der Molekülorbitale mit π-Elektronen
Im konjugierten System des Butadiens liegen 4 π-Elektronen vor Das Molekülorbital ψ1, ebenso wie das Molekülorbital ψ2 werden doppelt besetzt. Bei der Besetzung von Orbitalen gilt die Regel, daβ zunächst das energieärmere Orbital doppelt besetzt wird, ehe die Besetzung des nächst energiereicheren Orbitals erfolgt. Bei Besetzung energiegleicher Orbitale werden diese erst einfach besetzt und erst, wenn alle einfach besetzt sind, erfolgt die Doppelbesetzung (Hundsche Regel). Das höchste mit Elektronen besetzte Orbital (engl. highest occupied molecular orbital, abgekürzt HOMO) und das niedrigste unbesetzte Orbital (engl.: lowest unoccupied molecular orbital) werden als Grenzorbitale bezeichnet. Sie spielen eine Rolle bei pericyclischen Reaktionen (siehe Kapitel 3.10.4 und 3.10.5). Im Allylsystem treten drei p-Orbitale miteinander in Wechselwirkung und bilden drei Molekülorbitale. Jede Wellenfunktion der Molekülorbitale dieses Systems entspricht der Gleichung ψ = c1φ1 + c2φ2 + c3φ3. Bei ungerader Anzahl der p-Orbitale gibt es (n-1)/2 bindende Molekülorbitale, ebenso viel antibindende Molekülorbitale und ein nichtbindendes Molekülorbital. Im bindenden Molekülorbital ψ1, das das energieärmste Orbitalmolekül des Allylsystems ist, haben alle 3 Koeffizienten c1, c2 und c3 ein positives Vorzeichen. Alle 3 p-Orbitale stehen in gleicher Phase zueinander und können überlappen, zwischen den C-Atomen besteht eine bindende Wechselwirkung. Im Molekülorbital ψ2, das als nichtbindend bezeichnet wird, liegt eine Knotenebene vor, die durch das 2. C-Atom hindurchgeht, so dass dort der Koeffizient gleich null ist. Die p-Orbitale am 1. und 3. C-Atom haben entgegen gesetzte Vorzeichen, sie sind aber voneinander
6.3 Die Molekülorbitaltheorie
201
entfernt, so dass sich Abstoβungskräfte nicht bemerkbar machen. Dieses Molekülorbital ist weder bindend, noch antibindend, es ist ein nicht-bindendes Molekülorbital (engl. non-bonding molecular orbital, abgekürzt NBMO). ψ2 hat das gleiche Energieniveau wie das p Orbital. Im antibindenden Molekülorbital ψ3* des Allylsystems ist der Koeffizient am 1. C-Atom positiv, am 2. C-Atom negativ und am 3. C-Atom positiv. Das Molekülorbital hat zwei Knotenebenen. Die eine befindet sich zwischen dem 1. und 2. C-Atom, die andere zwischen dem 2. und 3. C-Atom. Im Allylkation stehen nur zwei π-Elektronen für die Besetzung der Molekülorbitale zur Verfügung und es wird das ψ1-Molekülorbital besetzt. In diesem Fall ist das ψ1-Molekülorbital das HOMO und das Ψ2-Molekülorbital das LUMO. Im Allylradikal stehen zur Besetzung der Molekülorbitale drei Elektronen zur Verfügung. Das ψ1-Molekülorbital wird doppelt und das ψ2-Molekülorbital einfach besetzt. Das ψ2-Molekülorbital ist das SOMO und das ψ3*-Molekülorbital da LUMO. Mit der Bezeichnung SOMO (singly occupied molecular orbital) wird das einfach besetzte Molekülorbital benannt, das auch das Grenzorbital des Radikals ist. Im Allylanion sind die Molekülorbitale mit 4 Elektronen zu besetzen. Die Molekülorbitale ψ1 und ψ2 werden doppelt besetzt. Das ψ2-Molekülorbital ist das HOMO, das ψ3*-Orbital das LUMO.
Bild 6.12 Linearkombination der p-Orbitale des Allylsystems und die Besetzung der Molekülorbitale mit Elektronen.
Im Benzol sind alle C-Atome sp2-hybridisiert. Jedes C-Atom des 6-Ringes hat ein p-Orbital. Diese sechs p-Orbitale lassen sich unter Berücksichtigung der Symmetrie des Benzols (sechszählige Hauptachse des Moleküls) auf sechsfache Weise kombinieren, so daß sechs Molekülorbitale entstehen. In Bild 6.13 sind die die Molekülorbitale durch Überlappung bildenden p-Orbitale mit der entsprechenden Phasenkennzeichnung (dunkel bzw. hell) und den senkrecht auf den Sechsring stehenden Knotenebenen dargestellt. Mit zunehmender Anzahl der Knotenebenen ist das Molekülorbital energiereicher.
202
6 Aromatische Verbindungen
Mit π-Elektronen besetzt sind im Benzol nur die bindenden Molekülorbitale ψ1, ψ2 und ψ3. Die antibindenden Molekülorbitale sind unbesetzt.
Bild 6.13 Linearkombination der p-Orbitale im Benzol und Besetzung der Molekülorbitale mit πElektronen
Das energieärmste Molekülorbital des Benzols ist das Molekülorbital ψ1. Es entsteht durch Überlappung der p-Orbitallappen, die sich in Relation zueinander alle in gleicher Phase befinden, so daß sich das Molekülorbital über den ganzen Sechsring erstreckt. Es hat einen ringförmigen Orbitallappen über und einen mit entgegengesetzter Phase unter dem Sechsring. Die Knotenebene des Molekülorbitals geht durch die in einer Ebene liegenden CAtome des Sechsringes
Bild 6.14 Energieärmstes Molekülorbital des Benzols
Etwas energiereicher als das Molekülorbital ψ1 sind die beiden energiegleichen Orbitale ψ2 und ψ3. Beide Molekülorbitale haben außer der durch den ebenen Ring gehenden Knotenebene noch eine weitere, senkrecht auf dem Sechsring stehende Knotenebene.
6.3 Die Molekülorbitaltheorie
203
Beim Molekülorbital ψ2 überlappen nur je zwei und zwei in gleicher Phase befindliche p-Orbitale. Eine auf dem Benzolring senkrecht stehende Knotenebene geht durch zwei gegenüberliegende Kohlenstoffatome des Sechsringes. Senkrecht auf dem Sechsring stehende Knotenebene, durch 2 gegenüberliegende Kohlenstoffatome des Benmzolrings gehend
Das ψ2-Molekülorbital des Benzols Bild 6.15 ψ2-Molekülorbital des Benzols
Das bindende Molekülorbital ψ3 hat zwei π-Orbitale, welche durch Überlappen von je 3 in gleicher Phase befindlichen p-Orbitalen zustande kommen. Die senkrechte Knotenebene geht durch zwei gegenüberliegende C–C-Einfachbindungen.
C
C C
Senkrecht auf den Bezolring stehende Knotenebene, durch gegenüberliegende Bindungen gehend
C
Das ψ3 -Molekülorbital des Benzols
Bild 6.16 ψ3-Molekülorbital des Benzols
Die energiegleichen Molekülorbitale ψ2 und ψ3 sind die energiereichsten mit π-Elektronen besetzten Molekülorbitale des Benzols (HOMO). Die energiegleichen Molekülorbitale ψ4* und ψ5* sind die energieärmsten unbesetzten Molekülorbitale des Benzols (LUMO). Bei Zuführung von Energie können π-Elektronen von HOMO in einen energiereicheren Zustand nach LUMO angehoben werden. Je kleiner die Unterschiede in den Energieniveaus von HOMO und LUMO sind, um so leichter läßt sich das betreffende Molekül anregen. Eine Gesamtbetrachtung der mit π-Elektronen besetzten bindenden Molekülorbitale ψ1, ψ2 und ψ3 des Benzols ergibt, daß die π-Elektronen auf den ganzen Sechsring delokalisiert sind.
204
6 Aromatische Verbindungen
6.4 Nomenklatur der Benzolderivate Bei monosubstituierten Benzolderivaten wird zunächst der Substituent genannt und dann das Wort Benzol hinzugefügt, z.B. Br
NO2
Nitrobenzol
CH2CH2CH3
CH2CH3
Brombenzol
Ethylbenzol
Propylbenzol
Bei Vorliegen mehrerer Substituenten ist eine Stellungsisomerie möglich, und deshalb ist es notwendig, die Stellung der Substituenten im Benzolring anzugeben. Die Durchnumerierung des Benzolringes erfolgt so, daß die Substituenten die niedrigste Zahl erhalten. Die Substituenten werden in alphabetischer Reihenfolge genannt, z.B. Br
Cl
1 6
1
Cl 6 5
2
5
3 CH3CH2
4
NO2 2 3
4
CH2CH2CH3
NO2
1-Brom-2-chlor4-nitrobenzol
1-Chlor-5-ethyl-2nitro-3-propylbenzol
Vielfach wird für die Stellenangabe zweier Substituenten im Benzol anstelle von 1,2- die Bezeichnung ortho-, abgekürzt o-, für die Stellung 1,3 meta-, abgekürzt m-, und für die Stellung 1,4- para-, abgekürzt p-, angegeben, z.B. Cl
O2N
NO2
CH2CH2CH3
NO2
o-Chlornitrobenzol
CH3CH2
m-Dinitrobenzol
p-Ethylpropylbenzol
Befinden sich am Benzolring drei Substituenten, kann anstelle der Stellenangabe 1,2,3die Bezeichnung vicinal, abgekürzt vic.-, anstelle von 1,2,4- asymmetrisch, abgekürzt asym.oder as.-, und anstelle von 1,3,5 das Präfix symmetrisch, abgekürzt sym.- stehen.
6.4 Nomenklatur der Benzolderivate CH3
205 CH3
CH3 CH3
CH3
CH3
H3C
CH3 CH3
vic.-Trimethylbenzol (Hemellitol)
as.-Trimethylbenzol (Pseudocumol)
sym.-Trimethylbenzol (Mesitylen)
Einige Benzolderivate haben Trivialnamen, z.B.: H3C CH3
CH3
CH3
CH3
CH3 CH
H3C
CH3 CH
CH3
CH3 CH3
Toluol
HC
o-Xylol
CH2
OH
m-Xylol
CH3
p-Xylol
Cumol
OH
OH
OH
p-Cymol
NH2
CH3
CH3 CH3
Styrol
Phenol
o-Kresol
m-Kresol
p-Kresol
Anilin
Der Rest C6H5–, der oftmals als Ph- abgekürzt wird, heißt Phenylrest. Enthält das Benzolderivat eine komplizierte Seitenkette, so wird diese als Hauptkette angesehen, und der Phenylrest als Substituent angegeben. Die Verbindung wird in diesem Falle als Phenylalkan bezeichnet. Auch bei Verbindungen mit mehr als einem Benzolring im Molekül ist es vorteilhaft, das Alkan als Hauptkette zu betrachten. Einige Beispiele von Benennungen mit dem Phenylrest:
206
6 Aromatische Verbindungen CH3
CH3
CH3CHCHCHCH3
C
C
CH
H
2,4-Dimethyl3-phenylpentan
Triphenylmethan
Biphenyl
Phenylacetylen
Aromatische Restgruppen, die in der Nomenklatur häufiger Verwendung finden sind: CH2
CH
Benzyl-
H3C
Benzyliden- (Benzal-)
Tolyl-
Beispiele: CH2CH3 CH2
Cl
CHCl2
H3C
CHCHCH3 CH3
Benzylchlorid
Benzalchlorid
2-Methyl-3-p-tolylpentan
Es sei abschließend noch vermerkt, daß die bei uns als Benzol, Toluol, Styrol bezeichneten Verbindungen im Englischen die Endung -ene haben, also: benzene, toluene, styrene usw. Zum Teil wird in der deutschen Literatur, besonders in den neuen Bundesländern, in Anpassung an die angelsächsische Literatur und die IUPAC-Nomenklaturregelung bei Aromaten die Endung -en verwendet, z.B. Benzen, Toluen usw.
6.5 Gewinnung und Verwendung von Benzol Etwa die Hälfte des produzierten Benzols wird bei uns Motorkraftstoffen zugesetzt. Dieser Zusatz erhöht die Octanzahl des Kraftstoffes und somit seine Klopffestigkeit. Benzin kann bis zu 5% Benzol enthalten (beim Tanken Benzindämpfe nicht einatmen, Benzol ist gesundheitsschädigend!). Benzol findet auch als Extraktions- und Lösungsmittel Verwendung. Benzol ist in der industriellen Chemie die wichtigste Basis für die Erzeugung aromatischer Zwischenprodukte und cycloaliphatischer Verbindungen. Der Hauptverbrauch des Benzols für synthetische Zwecke liegt bei der Synthese des Ethylbenzols (43–49 %), das als Zwischenprodukt für die Synthese des Styrols gebraucht wird, bei der Synthese des Cumols (17–21 %), das ein Zwischenprodukt für die Herstellung von Phenol und Aceton darstellt (Hock-Prozeß), und es wird zu Cyclohexan (18–25 %) katalytisch hydriert. Das Cyclohexan
6.6 Reaktionen des Benzols
207
dient als Ausgangsmaterial (siehe Abschnitt 17.4.3.6) für die Herstellung von Polyamiden (Perlon, Dederon). Benzol ist im Kokereigas und dem bei der Koksgewinnung anfallenden Steinkohlenteer enthalten. Aus dem Kokereigas wird es durch Gaswäsche mit Anthracenöl (höhersiedende Kohlenwasserstoffe) gewonnen oder es wird an Aktivkohle adsorbiert. Mit Umstellung der Gasversorgung auf Erdgas ist allerdings die Gewinnung von Benzol aus Kokereigas stark zurückgegangen. Der Anteil der Kohle als Rohstoffquelle für Benzol ist inzwischen auf rund 10 % gesunken. Heute gewinnt man Benzol hauptsächlich aus dem bei der Erdölverarbeitung anfallenden Reformat- und Pyrolysebenzin. Neben Benzol kommen darin auch noch Toluol und Xylole vor. Das Reformatbenzin fällt beim Reformierprozeß an. Bei diesem Verfahren werden Benzinfraktionen mit unzureichender Octanzahl zu Motorbenzin mit entsprechend höherer Octanzahl umgesetzt. Es handelt sich um einen katalytischen Crackprozeß in Gegenwart von Wasserstoff (siehe Abschnitt 7.6.2.5), bei dem Isomerisierungen und Cyclisierungen eintreten und durch Dehydrierung von Cycloalkanen auch eine Umwandlung in Aromate erfolgt. Das Pyrolysebenzin, das einen hohen Benzolgehalt aufweist, stammt aus dem Steamcracken, wobei Naphtha kurzfristig auf 800–900°C erhitzt wird (siehe Abschnitt 7.6.1.2). Das Verfahren dient hauptsächlich der Erzeugung von Ethen. Spezielle Trennverfahren werden für die Nichtaromaten/Aromaten-Trennung eingesetzt, worauf eine Trennung der isolierten Aromatengemische erfolgt.
6.6 Reaktionen des Benzols Der Reaktionstypus, der die Aromaten charakterisiert, ist die elektrophile aromatische Substitution. Zu dieser zählen wichtige Reaktionen, z.B. die Nitrierung, die Sulfonierung, die Bromierung und die Friedel-Crafts-Reaktion. Die nucleophile aromatische Substitution ist bei Derivaten des Benzols ebenfalls möglich, sie erfordert jedoch drastische Reaktionsbedingungen oder die Aktivierung des Benzolkerns durch Substituenten mit –M-Effekt. Schließlich ist die radikalische Halogenierung des Benzols zu erwähnen, die bei Bestrahlung der Reaktanten erfolgt.
6.6.1 Die elektrophile aromatische Substitution (SE) Die elektrophile aromatische Substitution wird mit dem Symbol SE abgekürzt, wobei S für Substitution und E für elektrophil steht. SE-Reaktionen sind nicht nur für Benzol kennzeichnend, sondern auch für andere aromatische Verbindungen. Mit ihrer Hilfe kann man viele wichtige Derivate des Benzols synthetisieren. Die Anhäufung von 6 π-Elektronen und damit auch die relativ hohe negative Ladungsdichte im Benzol läßt vermuten, daß es ähnlich wie bei den Alkenen zu einer Wechselwirkung zwischen elektrophilen Teilchen und den delokalisierten π-Elektronen kommen kann. Diese Wechselwirkung kann zu einem losen Komplex des Elektrophils mit dem Benzol führen. Solche Komplexe wurden in einigen Fällen experimentell nachgewiesen. Der Komplex
208
6 Aromatische Verbindungen
wird als π-Komplex bezeichnet. Die Bildung des Komplexes, die den ersten Teilschritt der SE-Reaktion vorstellt, ist ein reversibler Prozeß. +
X
X
π-Komplex
Benzol
X
= Elektrophil
Der π-Komplex wird mit einem vom 6-Ring ausgehenden Pfeil veranschaulicht, der auf das Elektrophil weist. Damit will man ausdrücken, daß das Benzol als Elektronendonator (Elektronenspender) auftritt. Als Elektrophile können Kationen, z.B. NO2+, Verbindungen mit polaren kovalenten Bindungen oder auch leicht polarisierbare Moleküle, z.B. Br2, auftreten. Im nächsten Reaktionsschritt wird das Elektrophil mit einer σ-Bindung an einen Kohlenstoff des Ringes gebunden. Die beiden Bindungselektronen stammen aus dem π-Elektronensextett des vorher aromatischen Ringes. Im Zuge dieses Prozeßes erfolgt eine Umhybridisierung des sp2-hybridisierten Ring-Kohlenstoffatomes, an dem sich die C–X-σ-Bindung bildet, nach sp3. Der Reaktionsschritt ist mit einem hohen Aufwand an Aktivierungsenergie verbunden, denn das Benzol, das vorher in einem energiearmen aromatischen Zustand war, wird in das relativ energiereiche Phenonium-Ion (Cyclohexadienyl-Kation), den σ-Komplex, umgewandelt. Infolge der hohen Aktivierungsenergie ist dies der langsamste Teilschritt der Reaktion und damit auch geschwindigkeitsbestimmend für die gesamte Reaktion. X H
X π-Komplex
σ-Komplex
Die Ladungsverteilung der vier im Ring des σ-Komplexes verbliebenen π-Elektronen läßt sich durch die folgenden mesomeren Grenzformeln beschreiben: X H
X
X
H
H
X H
Resonanzhybrid
Grenzformeln
6.6 Reaktionen des Benzols
209
Den mesomeren Grenzformeln entsprechend verteilen sich die vier π- Elektronen auf die fünf sp2-hybridisierten Kohlenstoffatome des Ringes, wobei die Elektronendichte in den m-Stellungen zum Substituenten X etwas größer ist. Die positive Ladung befindet sich bevorzugt in o- und p-Stellung. Der Kreisausschnitt mit der positiven Ladung in der Mitte des Sechsringes soll den mit den vorher gezeigten Grenzformeln charakterisierten Sachverhalt symbolisieren. Die Lücke im Kreisausschnitt beim sp3-hybridisierten C-Atom des Sechsringes weist darauf hin, daß dieses Kohlenstoffatom,das mit vier σ-Bindungen bereits abgesättigt ist, an der Verteilung der π-Elektronen im Sechsring nicht partizipiert. Im letzten Reaktionsschritt erfolgt die Abspaltung des Protons, wodurch die zwei Valenzelektronen, die bisher die C–H-σ-Bindung bildeten, in den Sechsring einbezogen werden. Auf diese Weise wird der aromatische Zustand wieder hergestellt. Dieser Reaktionsschritt erfolgt schnell. X
X
H σ-Komplex
+
H
substituiertes Benzol
Den Reaktionsmechanismus der SE-Reaktion kann man wie folgt zusammenfassen: X X
+ X
Benzol
Elektrophil
H
π-Komplex
σ-Komplex
X + H
substituiertes Benzol
Zu der elektrophilen aromatischen Substitution ist noch anzumerken, daß die FriedelCrafts-Alkylierung und die Sulfonierung reversibel sind, nicht aber die Nitrierung. Für die letztgenannten Reaktion gilt also der Doppelpfeil im letzten Reaktionsschritt nicht. Die Dechlorierung, Debromierung und Deiodierung von Chlor-, Brom- und Iodbenzol zu Benzol in Gegenwart von Lewis-Säuren und Cl–-, Br–- bzw. I–-Anionen lassen vermuten, daß es sich auch bei der Chlorierung, Bromierung und Iodierung von Arenen im Prinzip um reversible Reaktionen handelt. Bild 6.17 beschreibt das Energieprofil einer elektrophilen aromatischen Substitution am Benzol. Für die Bildung des σ-Komplexes aus den Edukten bedarf es einer hohen Aktivierungsenergie. Dieser Reaktionsschritt ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der SEReaktion. Die Mulden im Verlauf der Kurve des Energiediagramms weisen auf Zwischenprodukte hin, während die Maxima der Kurve Übergangszustände charakterisieren. Der Übergangszustand, der zum σ-Komplex führt, kann so beschrieben werden, daß die σ-Bindung mit dem Elektrophil noch nicht ganz zustande gekommen ist, die Aromatizität des Ringes jedoch schon nicht mehr gegeben ist.
210
6 Aromatische Verbindungen X X
H
+
Übergangszustand
+
H
Übergangszustand
X H
+
Epot
EA
σ-Komplex
EA = Aktivierungsenergie ΔH = Reaktionsenthalpie
X
+
π-Komplex
ΔH
+ X+
X
+
H
+
Reaktionskoordinate Bild 6.17 Energiediagramm einer SE-Reaktion
6.6.1.1 Die Nitrierung Die Nitrierung des Benzols erfolgt durch das Nitronium-Ion +NO2. Dieses wird bei der Protonierung der Salpetersäure gebildet: O H
O
N
H
O
O
H
O
O N
H O
H
O H
+
N O
Die Salpetersäure vermag sich zwar auch selbst zu protonieren, O H
O H
O
N
H O O O
O
N
NO3
N O
N O
H
O
O
+ H2O + NO3
6.6 Reaktionen des Benzols
211
doch ist die Protonierung relativ schwach, so daß Nitrierungen alleine mit Salpetersäure nur bei Benzolderivaten durchgeführt werden, die Substituenten besitzen, die den Benzolkern mit + I- bzw. +M-Effekt aktivieren. Die nitrierende Wirkung eines als Nitriersäure bezeichneten konz. Salpetersäure/konz.Schwefelsäure-Gemisches im Volumenverhältnis 5:7 ist weit stärker. HNO3
NO2
2 H2SO4
+
H3O
+
+
2 HSO4
Eine weitere Steigerung der Reaktivität kann man mit einem Gemisch von rauchender Salpetersäure und Oleum erreichen. Den Reaktionsmechanismus der Nitrierung kann man wie folgt zusammenfassen: O
O
+
Benzol
O
O
N
N
N
H
O
O
Nitroniumion
π-Komplex
N O
O
σ-Komplex
+ H
Nitrobenzol
Benzolderivate, die einen Substituenten mit +I-Effekt oder +M-Effekt besitzen, lassen sich besonders leicht nitrieren. In diesem Fall kann die Nitrierung bis zur Trinitroverbindung erfolgen. 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT) wird durch Nitrierung von Toluol mit Nitriersäure hergestellt. CH3
CH3 O 2N
NO2
HNO3 / H2SO4, 120 °C
NO2 2,4,6-Trinitrotoluol
Toluol
TNT ist ein stoßunempfindlicher Explosivstoff, der mit Initialzündung zur Explosion gebracht wird. Die blaßgelbe kristalline Masse schmilzt bei 81°C, sie kann mit Wasserdampf geschmolzen und in Formen gegossen werden. O2N
N
N
NO2
N NO2
Hexogen (1,3,5-Trinitro-perhydro-1,3,5-triazin)
Mit Hexogen gemischt wird TNT zur Füllung von Granaten und Bomben verwendet. Bei der Explosion zerfällt TNT in CO2, CO, Wasserdampf und Stickstoff mit einer Detonations-
212
6 Aromatische Verbindungen
geschwindigkeit von 6900 m · s–1, wobei 4520 kJ/kg Energie frei werden. Die Wirkung anderer Sprengstoffe wird oft durch Vergleich mit der Sprengkraft von TNT gemessen. Die Pikrinsäure ist das 2,4,6-Trinitrophenol. Sie wird nicht direkt durch Nitrierung von Phenol hergestellt, denn Phenol selbst wird durch Salpetersäure, die ja ein Oxidans ist, oxidiert. Man sulfoniert deshalb Phenol zuerst, wobei man die Phenol-2,4-disulfonsäure erhält. Die Sulfonierung ist eine reversible Reaktion, so daß durch Erhitzen dieses Produkts mit konz. Salpetersäure die beiden –SO3H-Gruppen durch Nitrogruppen ersetzt werden und dieses Produkt gleichzeitig noch weiter zur Pikrinsäure nitriert wird. OH
OH
OH SO3H
konz. H2SO4
konz. HNO3 / H2SO4
NO2
24 St. O °C, 1 St. 30-45 °C
100 °C
NO2
SO3H
Phenol
O2N
Phenoldisulfonsäure
Pikrinsäure
Pikrinsäure (griechisch pikros = bitter) kristallisiert in hellgelben Blättchen und hat eine Schmelztemperatur von 122°C. Seide, Wolle und Leder können mit Pikrinsäure leuchtend gelb gefärbt werden. Im Ersten Weltkrieg wurden Gemische mit Pikrinsäure als Füllung für Granaten verwendet. Als Initalzünder diente Knallquecksilber Hg(CNO)2. Die Pikrinsäure greift jedoch das Metall der Granaten an, wobei sich unberechenbar explodierende, stoßempfindliche Pikrate bilden. Deshalb wird heute anstelle der Pikrinsäure zur Füllung von Granaten TNT verwendet. 6.6.1.2 Die Sulfonierung Die Sulfonierung erfolgt gewöhnlich mit rauchender Schwefelsäure, die etwa 8% Schwefeltrioxid SO3 enthält. SO3 ist stark elektrophil und bei der Sulfonierung das eigentliche reaktive Teilchen. Auch bei der Sulfonierung mit konzentrierter Schwefelsäure sind SO3-Moleküle das sulfonierende Agens: HSO4
2 H2SO4
SO3
+
+
H3O
Der Reaktionsmechanismus der Sulfonierung kann folgendermaßen beschrieben werden: O
+ O
Benzol
O
O
S
S
S
H
O
Schwefeltrioxid
O
π-Komplex
O O O
S
O O
H
O
σ-Komplex
Benzolsulfonsäure
Erfolgt die Sulfonierung mit rauchender Schwefelsäure bei niedriger Temperatur (<40°C), so entsteht die Benzolsulfonsäure, bei etwa 100–130°C die m-Benzoldisulfonsäure und bei höheren Temperaturen wird die Benzol-1,3,5-trisulfonsäure gebildet.
6.6 Reaktionen des Benzols
213
SO3H rauchende H2SO4
SO3H
100-130 °C
rauchende H2SO4 180-350 °C
HO3S
SO3H
SO3H
Benzolsulfonsäure
SO3H
m-Benzoldisulfonsäure
Benzol-1,3,5-trisulfonsäure
Die Sulfonierung ist eine umkehrbare Reaktion. Erhitzt man die Benzolsulfonsäure mit verdünnter Schwefelsäure auf 100°C, so reagiert das bei der Umkehrung der Reaktion freiwerdende SO3 mit Wasser zu Schwefelsäure und aus der Benzolsulfonsäure entsteht Benzol. Man bezeichnet diese Reaktion als Desulfonierung. SO3H
H
verdünnte H2SO4 , 100 °C
Benzolsulfonsäure
Benzol
Die Umkehrbarkeit der Sulfonierung ermöglicht auch die Einführung anderer Gruppen anstelle der Sulfogruppe in den Benzolkern (siehe im vorhergehenden Absatz die Synthese der Pikrinsäure), so daß die Benzolsulfonsäuren als Zwischenprodukte bei Synthesen eine Rolle spielen. Sulfonsäuren sind starke Säuren, in der Säurestärke vergleichbar mit der Schwefelsäure. Sie sind ebenso wie ihre Salze wasserlöslich. Selbst die Schwermetallsalze sind, im Gegensatz zu den Sulfaten, gut wasserlöslich. Man sulfoniert deshalb langkettige Alkylbenzolderivate und erhält nach der Neutralisation der entstandenen Alkylbenzolsulfonsäuren mit NaOH Alkylbenzolsulfonate, die als Waschmittel auch in hartem Wasser voll wirksam sind (siehe Abschnitt 16.3.1). R
SO3, H2SO4
R
SO3H
NaOH H
R
SO3 Na
Der Alkylrest R der Alkylbenzolsulfonate muß unverzweigt sein. Detergenzien mit verzweigter Kohlenstoffkette sind nicht mehr für den Handel zugelassen, weil sie biologisch schwer abbaubar sind und ihre Verwendung in den Haushalten zur Umweltverschmutzung der Flüsse führte. Die Einführung von Natriumsulfonatgruppen in Aromate dient auch dazu, substantive Farbstoffe und andere Produkte wasserlöslich zu machen. Anwendung findet die Sulfonierung bei der Herstellung von Sulfonamiden, einer Gruppe wichtiger Arzneimittel, welche in den Bakterien die Synthese der für sie lebensnotwendigen Folsäure (siehe Abschnitt 25.7.2.1) hemmen. 4-Aminobenzolsulfonamid bildet die Grundstruktur dieser Arzneimittel. H2N
SO2NH2
4-Aminobenzolsulfonamid (p-Aminobenzolsulfonamid)
214
6 Aromatische Verbindungen
6.6.1.3 Die Halogenierung des Benzols Für die Bromierung des Benzols ist eine Lewis-Säure notwendig, die mit Brom einen Komplex bildet und damit die Br–Br-Bindung stark polarisiert. Als Lewis- Säure können z.B. FeBr3, FeCl3 oder AlCl3 eingesetzt werden. Nach der Säure-Basen-Theorie nach Lewis ist eine Säure eine Substanz mit unvollständiger Edelgaskonfiguration (mit einer Elektronenlücke), die einen Reaktionspartner zu binden vermag, der als Elektronenpaarspender ein freies Elektronenpaar für die Bindung zur Verfügung stellt. Eine Base in diesem Sinne ist eine Verbindung, die ein freies Elektronenpaar zur Verfügung stellt, um eine Lewis-Säure zu binden. Brom ist im vorliegenden Fall die Lewis-Base und FeBr3 die Lewis-Säure. Br
+
Br
Br
FeBr3
Br
FeBr3
In der Praxis kann man so verfahren, daß man zum Benzol und Brom etwas Eisenpulver gibt, das sich in FeBr3 umsetzt und so die Bromierung katalysiert. Die Reaktion erfolgt nach folgendem Reaktionsmechanismus: Br
Br
Br
+
Br
FeBr3 Br
FeBr3
Br
FeBr3
π-Komplex
Benzol
Br H σ-Komplex
Br +
+ FeBr4
HBr
+
FeBr3
Brombenzol
Durch die Komplexbildung mit FeBr3 wird die Br–Br-Bindung stark polarisiert. Über die Wechselwirkung der π-Elektronen des Sechsrings kann sich Br+ aus dem Komplex lösen und von einem Kohlenstoff des Ringes gebunden werden, wobei ein π-Elektronenpaar aus dem Sechsring für die neue σ-Bindung verwendet und der σ-Komplex gebildet wird. Nach Abspaltung des Protons aus dem σ-Komplex zerfällt der FeBr4–-Komplex zu HBr und FeBr3. Sehr reaktive aromatische Verbindungen, z.B. Phenol, können auch ohne die Katalyse einer Lewis-Säure mit Brom reagieren. Nach gleichem Reaktionsmechanismus wie die Bromierung erfolgt ebenfalls die Chlorierung des Benzols. Technisch wird Chlorbenzol nach dem Raschig-Hooker-Verfahren durch Oxychlorierung von Benzol hergestellt, wobei ein Gemisch von Benzol in der Dampfphase, Chlorwasser-
6.6 Reaktionen des Benzols
215
stoffgas und Luft bei 240°C über einen CuCl2/FeCl3-Katalysator geleitet wird, der auf Al2O3 als Trägersubstanz aufgetragen ist. Cl +
+ 1/2 O2
HCl
240 °C, CuCl2 / FeCl3
+
Benzol
H2O
Chlorbenzol
Die Iodierung des Benzols kann auf die Weise erfolgen, daß Iod vorher zum IodoniumKation oxidiert wird . + Benzol
I
NO3
I
NO3
π-Komplex
Iodoniumnitrat
I
I H NO3
+
σ-Komplex
H
NO3
Iodbenzol
Mit Fluor direkt reagiert Benzol keineswegs nach dem SE-Mechanismus, sondern es erfolgt eine Reaktion mit radikalischem Ablauf. Die Reaktion ist stark exotherm und führt zu Fluorderivaten des Cyclohexans. 6.6.1.4 Friedel-Crafts-Reaktionen (F.C.-Reaktionen) Als Friedel-Crafts-Reaktionen bezeichnet man eine Reihe von SE-Reaktionen, die als Katalysator wasserfreies AlCl3 oder eine andere Lewis-Säure verwenden und zu C–C-Verknüpfungen führen. Auf diese Weise reagieren Aromaten mit Alkylhalogeniden, mit Alkenen und Carbonsäurechloriden. Friedel-Crafts-Alkylierungen sind reversible Reaktionen. a) Alkylierungen mit Alkylhalogeniden. Mit Alkylhalogeniden und AlCl3 als Katalysator können schon bei Zimmertemperatur Aromaten alkyliert werden, das heißt, man kann mit dieser Friedel-Crafts-Reaktion Alkylreste an den aromatischen Ring knüpfen. Das Alkylchlorid tritt als Lewis-Base auf, wobei das Chlor ein Elektronenpaar dem AlCl3, das eine Lewis-Säure ist, zur Verfügung stellt. R
Cl
+
AlCl3
R
Cl
AlCl3
Durch die Komplexbildung wird die C–Cl-Bindung stark polarisiert, so daß ein elektrophiler Angriff erfolgen kann.
216
6 Aromatische Verbindungen
R
Cl R
+
Cl
AlCl3
Cl
R
AlCl3
AlCl3
R + HCl
H
+ AlCl3
σ-Komplex
Benzol
Alkylbenzol
Bei den Bedingungen der F.C.-Reaktion können mit Alkylhalogeniden Mehrfachalkylierungen als Nebenreaktion auftreten. Im Verlaufe dieser Reaktion können bei der Abspaltung von R+ auch Umlagerungen zum stabileren Carbeniumion stattfinden. Dies schränkt den Wert der F.C.-Alkylierungen für präparative Zwecke ein. b) Alkylierungen mit Alkenen. Alkene reagieren mit AlCl3, indem sie als Elektronenspender das π-Elektronenpaar dem AlCl3 zur Bildung eines Komplexes zur Verfügung stellen. Dieser Komplex ist bei der Friedel-Crafts-Reaktion als Elektrophil wirksam. R
H C
AlCl3
C
H
H
R C
H
H
C
AlCl3
H
Der Reaktionsmechanismus der F.C.-Reaktion mit Alkenen kann folgendermaßen beschrieben werden: H
R R
CH
CH2
C
+
H
AlCl3
H
AlCl3
H
R C H
C
AlCl3
H
π-Komplex
Benzol R
H
CH
C
H σ-Komplex
C
R H
CH
AlCl3
CH3 + AlCl3
Alkylbenzol
Zu der Alkylierung mit Alkenen nach Friedel-Crafts zählen zwei wichtige Reaktionen: die Alkylierung des Benzols mit Ethen und mit Propen. Beide Alkene werden in großer Menge durch das Steam-Cracken erzeugt (siehe Abschnitt 7.6.1.2). Die Alkylierung des Benzols mit Ethen führt zum Ethylbenzol. Das Ethylbenzol wird am Zinkoxid-Kontakt bei 800°C dehydriert, wobei Styrol entsteht.
6.6 Reaktionen des Benzols
217 CH2CH3
+
H2C
CH2
CH
ZnO,
800 °C
AlCl3
+
Ethylbenzol
CH2 H2
Styrol
Styrol ist eine Flüssigkeit, die durch Licht oder Radikalbildner zum Polystyrol polymerisiert (Reaktionsmechanismus s. Abschnitt 3.7.9.1). H2C
HC
CH2
CH2
Natriumperoxosulfat, 60-70 °C
n
n
Styrol
Polystyrol
Aus Polystyrol werden verschiedene Haushaltsartikel hergestellt, geschäumtes Polystyrol (Styropor) findet als Verpackungsmaterial und als Isoliermaterial Verwendung. Mit Propen kann Benzol mit Hilfe der Friedel-Crafts-Reaktion alkyliert werden, wobei Cumol entsteht. H3C
H
CH3
C
+
CH3
CH
AlCl3
CH2
Cumol (Isopropylbenzol)
Cumol ist die Ausgangsverbindung, aus der man im Hock-Prozeß (Näheres siehe Abschnitt 11.4 und 13.3.1.3) in einem Arbeitsgang sowohl Phenol als auch Aceton herstellt. c) Acylierungen (Alkanoylierungen) mit Carbonsäurehalogeniden. Mit Carbonsäurehalogeniden oder Carbonsäureanhydriden kann man zu Bedingungen der Friedel-Crafts-Reaktion die Acylgruppe –CO–R, die auch als Alkanoylgruppe bezeichnet wird, in den aromatischen Ring einbringen. Zunächst entsteht aus dem Carbonsäurehalogenid ein Komplex mit dem AlCl3, der in das Acylium-Ion und den [AlCl4]–-Komplex dissoziieren kann. O R
R
C
Cl
O
AlCl3
C
Cl
+
AlCl3
R
O
AlCl3
C
Cl
R
O
AlCl3
C
Cl
O R
C
Cl
AlCl3
stark polarisiert
R
C
O
+
AlCl4
218
6 Aromatische Verbindungen
Die angreifende Spezies kann in Abhängigkeit vom Alkylrest der Acylgruppe und von den Reaktionsbedingungen ein Acylium-Ion oder ein Säurechlorid · AlCl3-Komplex sein. Der Angriff des Acylium-Ions, das ein starkes Elektrophil darstellt, führt zum Acylbenzol. AlCl4
Cl R
C
Cl R
O
C
AlCl3
O C
O
AlCl3
+
R AlCl3
R C
R
O Cl
O C
AlCl3
H
+
HCl
Acylbenzol
Ist das acylierende Agens ein Säurechlorid · AlCl3-Komplex, entsteht zunächst der Komplex des Acylbenzols mit AlCl3, der in polarer Lösung in das Acylbenzol und AlCl3 zerfällt. O R
C
R
Cl
O
AlCl3
C
Cl
O R
O
AlCl3
C
Cl
R
C
AlCl3 Cl H
AlCl3
O R
AlCl3
C
+
HCl
Eine Mehrfach-Acylierung ist bei Friedel-Crafts-Bedingungen nicht als Nebenreaktion zu erwarten, da der einmal eingeführte Acyl-Substituent durch seinen –I- und –M-Effekt die Elektronendichte im Sechsring und damit seine Reaktivität herabsetzt, womit der Ring vor weiterer Substitution geschützt ist. Der –I-Effekt der Seitenkette wird noch durch Komplexbildung des Acylbenzols mit Aluminiumchlorid verstärkt. Der Sauerstoff der Carbonylgruppe tritt mit seinem freien Elektronenpaar als Donor der Lewis-Säure AlCl3 auf, und die positive Teilladung am C-Atom der Carbonylgruppe wird vergrößert. R
R C
O
AlCl3
Komplex des Acylbenzols mit AlCl3
C
O
AlCl3
6.6 Reaktionen des Benzols
219
6.6.2 Die Zweitsubstitution Als Zweitsubstitution wird eine SE-Reaktion bezeichnet, bei der schon ein Substituent am aromatischen Kern gebunden ist und ein zweiter Substituent in den Kern eingeführt wird. 6.6.2.1 Aktivierender oder desaktivierender Einfluß des Erstsubstituenten Die relativ hohe Elektronendichte der π-Elektronen des Benzolrings ist Voraussetzung für die Wechselwirkung mit einem Elektrophil, das die SE-Reaktion einleitet. Am Benzolkern befindliche Substituenten, die die Elektronendichte im Ring herabsetzen, desaktivieren die aromatische Verbindung für SE-Reaktionen, die Zweitsubstitution wird erschwert. Substituenten, die die Elektronendichte des Rings erhöhen, wirken hingegen aktivierend, sie erleichtern die Zweitsubstitution. So erfordert z.B. die Nitrierung von Benzol die Nitriersäure, während der durch die Hydroxygruppe aktivierte aromatische Sechsring des Phenols schon mit 40%iger Salpetersäure nitriert wird. Beeinflußt wird die Elektronendichte des aromatischen Rings durch I- und M-Effekt des am Ring gebundenen Substituenten (Beschreibung des IEffekts siehe Abschnitt 1.4, zum M-Effekt s. Abschnitt 3.9.1). Eine desaktivierende Wirkung auf die SE-Reaktion haben Substituenten mit –I-Effekt, z.B. Brom, das Trimethylammoniumkation –+N(CH3)3, die Formylgruppe –CHO und die Acetylgruppe –CO–CH3. Sie ziehen σ-Elektronen zu sich hin und verringern dadurch die Elektronendichte im Ring. Br
H
N(CH3)3 Cl
Brombenzol
Trimethylphenylammoniumchlorid
C
O δ-
H3C
δ+
Benzaldehyd
C
O δδ+
Acetophenon (1-Phenylethanon)
Auch Substituenten mit –M-Effekt, z.B. die Carboxygruppe –COOH oder die Nitrogruppe –NO2, desaktivieren den aromatischen Kern, indem sie die Elektronendichte in diesem verringern. O
C
OH
O
C
OH
O
C
Benzoesäure (Benzolcarbonsäure)
OH
O
C
OH
220
6 Aromatische Verbindungen
O
O
N
O
O
O
N
O
N
O
O
N
Nitrobenzol
Die Zweitsubstitution aktivieren Erstsubstituenten mit +I-Effekt, z.B. die Methylgruppe –CH3 im Toluol oder der Substituent –O– im Phenolat-Anion, CH3
O
Toluol
Phenolat-Anion
und Substituenten mit einem +M-Effekt, z.B. die Aminogruppe -NH2 im Anilin oder die Hydroxygruppe -OH im Phenol, die die Elektronendichte im Ring erhöhen. H
H
H
H
H
N
N
N
H
H
H N
Anilin
H
H O
H
H O
O
Phenol
O
6.6 Reaktionen des Benzols
221
Die Wirkung des Erstsubstituenten hängt gegebenenfalls noch von den Reaktionsbedingungen ab. Phenol reagiert z.B. in alkalischer Lösung besser, weil das in dieser Lösung vorliegende Phenolat-Anion außer dem +M-Effekt einen +I-Effekt ausübt und damit die Elektronendichte im Ring erhöht, während das Phenol selbst außer dem aktivierenden +M-Effekt einen –I-Effekt hat, der dem +M-Effekt entgegenwirkt. Die Aminogruppe des Anilins hat im basischen und neutralen Medium einen +M-Effekt, der einen aktivierenden Einfluß ausübt. Im stark sauren Medium bindet das freie Elektronenpaar am Stickstoff der Aminogruppe ein Proton. Im so entstandenen Anilinium-Ion steht kein freies Elektronenpaar mehr für den +MEffekt zur Verfügung, so daß nur noch der desaktivierende Einfluß des –I-Effekts wirksam ist. Beim Phenolat-Ion liegt sowohl ein +I- als auch ein +M-Effekt vor. Dadurch wird die aktivierende Wirkung des Substituenten auf den aromatischen Kern verstärkt. H
H O
Phenol +M- und –I-Effekt
O
Phenolat-Anion +M- und +I-Effekt
H
H N
Anilin + M- und –I-Effekt
H
N
H
Anilinium-Ion nur –I-Effekt (desaktivierend)
Die desaktivierende Wirkung eines Substituenten ist relativ stark, wenn dieser sowohl einen –I- als auch einen –M-Effekt ausübt, wie dies z.B. bei der Carboxygruppe -COOH, der Formylgruppe -CHO, der Acylgruppe -CO–R oder der Nitrogruppe NO2 der Fall ist. Beide Effekte setzen die Elektronendichte im Ring herab. Einige Substituenten haben sowohl einen +M- als auch einen –I-Effekt, z.B. die Hydroxygruppe -OH, die Methoxygruppe -O–CH3, die Aminogruppe -NH2 und die Halogene. In diesem Fall überwiegt bezüglich des Einflußes auf die Reaktivität des Benzolkerns, mit Ausnahme der Halogene, die aktivierende Wirkung des +M-Effekts. Der +M-Effekt kommt bei Halogenen deshalb schlecht zur Geltung, weil Fluor überaus elektronegativ ist, währenddessen die anderen Halogene mit zunehmender Größe schlechter durch Überlappung ihrer p-Orbitale mit dem π-Orbital des aromatischen Systems in Resonanz treten können. Was die dirigierende Wirkung des Erstsubstituenten anbetrifft, so gilt aber auch bei den Halogenen, daß sich der +M-Effekt stärker als der –I-Effekt auswirkt. 6.6.2.2 Die dirigierende Wirkung des Erstsubstituenten Für die Zweitsubstitution stehen am aromatischen Kern fünf mögliche Substitutionsstellen zur Verfügung, zwei o-Stellungen, zwei m-Stellungen und eine p-Stellung. Vorausgesetzt, alle freien Stellen im aromatischen Ring könnten mit gleicher Wahrscheinlichkeit substituiert werden, so müßten die als Reaktionsprodukte gebildeten o- , mund p-Isomeren im Verhältnis 2 :2 :1 vorliegen. Dies ist in Wirklichkeit nicht der Fall. Es ist vielmehr so, daß in Abhängigkeit davon, welcher Erstsubstituent an den aromatischen Ring
222
6 Aromatische Verbindungen X
o-
o-
m-
m-
p-
X = Erstsubstituent
gebunden ist, die Reaktionsprodukte entweder in o- und p-Stellung oder in m-Stellung bei weitem überwiegen. Man spricht deshalb bei der Zweitsubstitution von der dirigierenden Wirkung des Erstsubstituenten. Als Beispiel sei die Nitrierung von Toluol und Nitrobenzol angeführt: CH3
CH3
CH3
CH3 NO2
Nitriersäure, 30 °C NO2
o-Nitrotoluol (60 %) NO2
NO2 p-Nitrotoluol (35 %)
m-Nitrotoluol (5 %)
NO2
NO2
NO2 NO2
Nitriersäure, 30 °C NO2
o-Dinitrobenzol (6,4 %)
m-Dinitrobenzol (93,3 %)
NO2 p-Dinitrobenzol (0,3 %)
Die Methylgruppe dirigiert in die o- und p-Stellung, die Nitrogruppe jedoch in die mStellung. Bei der Zweitsubstitution geht es um konkurrierende Reaktionen, die zur Bildung von o-, m- und p-Isomeren führen können. Unter diesem Aspekt ist zunächst der Reaktionsverlauf der SE-Reaktion zu überdenken. Geht man von der Annahme aus, daß die Bildung der Produkte von der Reaktionsgeschwindigkeit abhängt, die Reaktionen also kinetisch gesteuert werden (siehe Abschnitt 3.10.2), so ist bei der SE-Reaktion die Bildung der σ-Komplexe in o-, m- und p-Stellung von besonderem Interesse, denn sie stellt den langsamsten und somit geschwindigkeitsbestimmenden Teilschritt der ganzen Reaktion dar. Die zur Bildung des σKomplexes benötigte Aktivierungsenergie ist die größte Energiebarriere im ganzen Verlauf der SE-Reaktion. Das entsprechende Produkt wird sich um so schneller bilden, je kleiner die
6.6 Reaktionen des Benzols
223
Aktivierungsenergie ist, die für den zu bildenden σ-Komplex erbracht werden muß. Ist z.B. die Aktivierungsenergie für die Bildung des o- und p-σ-Komplexes niedriger als jene für die Bildung des m-σ-Komplexes, so werden das o- und das p-Isomer schneller gebildet als das m-Isomer. Beide, o- und p-Isomer, liegen dann im Reaktionsgemisch im Vergleich zum mIsomer in größerer Konzentration vor. Den Erstsubstituenten bezeichnet man in diesem Fall als o- und p-dirigierend. Welches der drei Isomere (o-, m- und p-σ-Komplex) bei der Zweitsubstitution vornehmlich entsteht, hängt davon ab, wie energiearm und somit stabil die σ-Komplexe dieser Isomere in Relation zueinander sind. Man geht dabei von der Annahme aus, daß für die Entstehung des energieärmeren σ-Komplexes eine, im Vergleich zu den übrigen isomeren σ-Komplexen, niedrigere Aktivierungsenergie erforderlich ist, so daß dieser σ-Komplex schneller und damit bevorzugt gebildet wird. Die Aktivierungsenergie bezieht sich allerdings keineswegs auf den σ-Komplex selbst, sondern auf den Übergangszustand, über den der σ-Komplex erst gebildet wird (siehe Bild 6.18). Damit stellt sich die Frage, ob der energieärmere σKomplex tatsächlich über einen Übergangszustand gebildet wird, für dessen ZustandeX
X = Erstsubstituent Y = Zweitsubstituent
Y H
+ Y
X
H
+
m-
Y
Y
EA(p-)
H
+
E
o-
E
Y
EA(m-)
H
+
p-
X
EA(o-)
p-
X Y
X
EA(o-)
H
+
m-
EA(m-) X
X
EA(p-)
H
+
X
o-
+
Y
+
+
Reaktionskoordinate
Reaktionskoordinate
a) Erstsubstituent dirigiert in o- und p-Stellung
b) Erstsubstituent dirigiert in m-Stellung
Y
+
Bild 6.18 Energieprofil einer o-, m- und p-Substitution mit einem ortho- und para- und einem metadirigierenden Erstsubstituenten.
Zeichenerklärung:
Aktivierungsenergie, die für den zum o-σ-Komplex führenden Übergangszustand erforderlich ist, EA(m-) = Aktivierungsenergie, die für den zum m-σ-Komplex führenden Übergangszustand erforderlich ist, EA(p-) = Aktivierungsenergie, die für den zum p-σ-Komplex führenden Übergangszustand erforderlich ist. EA(o-) =
224
6 Aromatische Verbindungen
kommen auch eine geringere Aktivierungsenergie erforderlich ist. Das Hammond-Postulat kann zur Klärung dieser Frage beitragen. Es besagt, daß der Übergangszustand eines endothermen Reaktionsschrittes mehr den Produkten dieses Schrittes gleicht, während er bei einem exothermen Reaktionsschritt den Edukten ähnlicher ist. Der Reaktionsschritt von den Edukten zum σ-Komplex ist mit einen Energieaufwand verbunden, er ist also endotherm. Somit ist der Übergangszustand dem Produkt, in unserem Falle dem σ-Komplex ähnlich, und die Energie des Übergangszustandes ist mit der des σ-Komplexes vergleichbar. Man kann davon ausgehen, daß ein – im Vergleich zu anderen σ-Komplexen – energieärmerer σKomplex auch eine relativ niedrigere Aktivierungsenergie des zum σ-Komplex führenden Übergangszustandes erfordert. Auf die Stabilität des σ-Komplexes haben der I- und M-Effekt des Erstsubstituenten wesentlichen Einfluß. Zur Beantwortung der Frage, welcher der Komplexe energieärmer und damit stabiler ist, kann man die Valenzbindungstheorie (auch Resonanztheorie genannt, siehe Abschnit 6.2) zu Hilfe nehmen. Ganz allgemein kann man so vorgehen, daß man zunächst alle mesomeren Grenzformeln für o-, m- und p-σ-Komplexe aufschreibt, wobei man zunächst nicht berücksichtigt, welchen I- bzw. M-Effekt der Erstsubstituent hat: Grenzformeln der o-, m- und -p-σ-Komplexe ortho-Substitution: Resonanzhybrid: X
X
X Y
X
X
Y
Y
Y
H
H
H
δ+ δ+
Y δ+
H
para-Substitution: Resonanzhybrid: X
X
X
X
X
δ+
δ+ Y
Y
Y
H
H
Y
δ+ Y
H
H
meta-Substitution: Resonanzhybrid: X
X
X
X
X δ+
Y Y
H
X = Erstsubstituent, Y = Zweitsubstituent
Y H
δ+
Y H
Y δ+
H
6.6 Reaktionen des Benzols
225
Im nächsten Gedankenschritt prüft man, welchen Einfluß die einzelnen Effekte auf die Stabilität der σ-Komplexe haben: +I-Effekt des Erstsubstituenten. Der Substituent X mit +I-Effekt schiebt das Bindungselektronenpaar in Richtung zum C-Atom der C–X-σ-Bindung. Der I-Effekt wirkt sich nur in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem den I-Effekt verursachenden Substituenten aus. Der +IEffekt stabilisiert deshalb nur den o- und p-σ-Komplex, indem er die positive Teilladung des Kohlenstoffatoms, das den Substituenten X bindet, herabsetzt. positive Teilladung
positive Teilladung X
X
X δ+
δ+
δ+
Y H
keine positive Teilladung
und
energieärmer als δ+
δ+
δ+
δ+ Y
δ+ Y
δ+
H
+I-Effekt stabilisiert den σ-Komplex
H
keine Stabilisierung durch +I-Effekt
Im Gegensatz zum o- und p-σ-Komplex kann eine stabilisierende Wirkung durch den +IEffekt beim m-σ-Komplex nicht eintreten, da am C-Atom, das den Erstsubstituenten bindet, keine positive Teilladung vorhanden ist, die durch den Effekt kompensiert werden könnte. Der o- und p-σ-Komplex sind deshalb durch die stabilisierende Wirkung des +I-Effekts energieärmer als der m-σ-Komplex, so daß die Zweitsubstitution vornehmlich in die o- und p-Stellung erfolgt. Substituenten mit +I-Effekt sind: Alkylgruppen und die Gruppe –O–. –I-Effekt des Erstsubstituenten. Erstsubstituenten X mit –I-Effekt ziehen die σ-Elektronen der C–X-Bindung näher zu sich heran und vermindern dadurch die Elektronendichte am Kohlenstoff der C–X-Bindung. Das bedeutet, daß im o- und p-σ-Komplex die positive Teilladung an diesem Kohlenstoff noch vergrößert wird. Beide σ-Komplexe sind deshalb energiereicher als der m-σ-Komplex, in dem die positiven Partialladungen besser delokalisiert sind.
δ+
δ+
Y H
δ+
X
X
X
δ+
und
energiereicher als δ+
δ+
δ+ Y
δ+ Y
H
δ+
H
Ein Erstsubstituent mit –I-Effekt dirigiert deshalb den Zweitsubstituenten in die m-Stellung. Zu den Erstsubstituenten mit –I-Effekt gehören folgende Gruppen:
226
6 Aromatische Verbindungen F, Cl, Br, I
Halogene
Trifluormethylgruppe H
Formylgruppe
H
C
R
R C
O
Methoxygruppe
C
C
N
CH3
O
H
Aminogruppe
N
Hydroxygruppe
O
H
Alkoxygruppe
O
R
H
O
N
O
N
O
C
Cyangruppe (Nitrilgruppe)
O
Nitrogruppe
C O
Acylgruppe
CF3
H
und die Gruppe
N
H
H
+M-Effekt des Erstsubstituenten. Zu den auf Seite 199 bereits angeführten mesomeren Grenzformeln kann man bei Substituenten mit +M-Effekt beim o- und p-σ-Komplex zusätzlich eine weitere Grenzformel mit einer Doppelbindung C=X schreiben, wobei sich die positive Ladung dann am Erstsubstituenten X befindet. Substituenten mit +M-Effekt erweitern im o- und p-σ-Komplex den Bereich der Delokalisierung der positiven Ladung, indem auch der Substituent in diesen Bereich einbezogen wird. Eine analoge Grenzstruktur ist im m-σKomplex nicht zu formulieren. X
X
X Y
Y
H
H
X
und Y
H
Y
H
Je mehr eine Ladung delokalisiert ist, desto energieärmer ist die entsprechende Verbindung. Der erweiterte Delokalisierungsbereich im o- und p-σ-Komplex bedeutet, daß diese beiden Komplexe stabiler und energieärmer als der m-σ- Komplex sind. Erstsubstituenten mit +M-Effekt dirigieren deshalb den Zweitsubstituenten in die o- und p-Stellung.
6.6 Reaktionen des Benzols
227
Zu den Substituenten mit +M-Effekt gehören: Aminogruppe –NH2
H
H
H
Hydroxygruppe – OH
N Y
Y
H
H
H O Y
Y
H
H
Cl
H
N
COCH3 N
Y
Y
H
H
R
R O Y
Y
H
H
O
O
Y
Y
Y
Y
H
H
H
H
O
O C
O
O C
COCH3
H
O
Substituent O–
Cl
Estergruppierung (Alkylcarbonyloxy-Gruppe) O
Alkoxygruppe –OR
H
O
Halogene Cl, Br und I
Acetylaminogruppe NHCOCH3
H
N
R
CH3
O
C
CH3
Y
Y
H
H
–M-Effekt des Erstsubstituenten. Erstsubstituenten mit –M-Effekt entziehen dem aromatischen Ring Elektronen, wie dies am Beispiel der Formylgruppe gezeigt wird. m-σ-Komplex: H
H
O
O
H
C
C
H
O
O
H
C
C
O
H
C
O C
Y
Y
Y
Y
Y
H
H
H
H
H
Y H
Während die positiven Ladungen beim m-σ-Komplex bei allen mesomeren Grenzformeln voneinander getrennt sind, gibt es beim o- und p-σ-Komplex Grenzformeln mit positiver Ladung an benachbarten C-Atomen (durch gestrichelte Einrahmung gekennzeichnet):
228
6 Aromatische Verbindungen
o-σ-Komplex: H
O
H
O
C
H
C
O
H
C
O
H
C
H
O
O C
C
Y
Y
Y
Y
Y
Y
H
H
H
H
H
H
p-σ-Komplex: H
H
O
O
Y
H
Y
H
O
H
C
C
C
Y
H
O
H
C
H
Y
H
O
H
Y
O C
C
Y
H
H
Die in den mesomeren Grenzformeln des o- und p-σ-Komplexes in nächster Nachbarschaft zueinander befindlichen positiven Ladungen bedeuten (Abstoßung gleichnamiger Ladungen) einen energiereichen Zustand, der im m-σ-Komplex nicht vorhanden ist. Bei Vorliegen eines Substituenten mit –M-Effekt ist der m-σ-Komplex energieärmer als der o- und p-σ-Komplex, und die Zweitsubstitution erfolgt bevorzugt in die m-Stellung. Zu den Substituenten mit –M-Effekt gehören: Nitrogruppe –NO2
O
O
O
Carboxygruppe –COOH
O N
N
H
O
O
H
O
C
O C
Y
Y
Y
R
O
R
C
C
Y
S
N
N
C
C
Y
Y
H
O HO
Cyangruppe –CN
O
H
Sulfogruppe –SO3H
HO
Y H
S
O
Y H
Y
H
Carbamoylgruppe –CONH2
O O
H
H
H
Carbonylgruppe –C=O
Y
H
H2N
O
H
H 2N
C
O C
Y H
Y H
6.6 Reaktionen des Benzols Alkyloxycarbonylgruppe –COOR
R
O
O
229
R
O
C
O
Anmerkung: der Einfachheit halber wurden nur je zwei mesomere Grenzformeln angeführt.
C
Y
Y
H
H
Induktiver und mesomerer Effekt können einander auch entgegenwirken. Liegt beim Erstsubstituenten sowohl ein +M- als auch ein –I-Effekt vor, so überwiegt in seiner dirigierenden Eigenschaft der den Benzolkern aktivierende +M-Effekt. Halogene und andere Substituenten, die einen derartigen gleichzeitigen +M- und –I-Effekt aufweisen, dirigieren also bei der Zweitsubstitution in die o- und p-Stellung. Das Verhältnis o- zur p-Substitution müßte bei gleicher Wahrscheinlichkeit der Substitution in die o- und p- Stellung 2 :1 entsprechen, denn es existieren zwei ortho- und eine paraStellung. In vielen Fällen wird aber die p-Stellung aus räumlichen Gründen bevorzugt. Dies spielt besonders dann eine Rolle, wenn der Erst- oder Zweitsubstituent sehr sperrig sind. Auch die Ladungen beider Substituenten und die Möglichkeit Wasserstoffbrücken zu bilden, sind bei der Zweitsubstitution in die ortho-Stellung als Faktoren zu berücksichtigen. Bei Friedel-Crafts-Alkylierungen geht die Zweitsubstitution zunächst in die o- und pStellung. Nach längerer Reaktionszeit und bei höherer Temperatur überwiegt jedoch das meta-Produkt. Im ersten Fall wird die Reaktion kinetisch und im zweiten Fall thermodynamisch gesteuert (siehe Abschnitt 3.10.2). Tabelle 6.1 Die dirigierende Wirkung des Erstsubstituenten
Substituenten I. Ordnung (dirigieren in o- und p-Stellung)
+I
Alkylgruppen
+
O
+
–NH2 –OH
+M
+ + +
–OCH3
+
–NHCOR
+
–OCOR Halogene
–I
+ +
+
Substituenten II. Ordnung (dirigieren in m-Stellung)
–I
–+NH3
+
–+N(CH3)3
+
–NO2
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+ +
O
C
C
C
C
–M
H O OH O OR
O ONH2
230
6 Aromatische Verbindungen
Bezüglich der dirigierenden Wirkung des Erstsubstituenten bei der Zweitsubstitution kann zusammenfassend festgestellt werden: Erstsubstituenten mit +M und/oder +I-Effekt dirigieren in die o- und p-Stellung, Erstsubstituenten mit +M und –I-Effekt dirigieren in die o- und p-Stellung und Erstsubstituenten mit –M und/oder –I-Effekt dirigieren in die m-Stellung.
6.6.3 Kern- und Seitenkettenhalogenierung Mit Chlor oder Brom kann, je nach Reaktionsbedingungen, bei einem Alkylbenzol der aromatische Kern oder die Seitenkette halogeniert werden. Bei der Halogenierung des aromatischen Kerns handelt es sich um eine elektrophile aromatische Substitution, während bei der Halogenierung der Seitenkette eine radikalische Substitution vorliegt. Die Halogenierung des aromatischen Kerns mit Chlor oder Brom erfolgt schon bei Zimmertemperatur oder bei mäßigem Erwärmen in Gegenwart einer Lewis-Säure als Katalysator. Die Halogenierung in die Seitenkette erfordert eine höhere Temperatur, Sonnenlicht oder Bestrahlung mit kurzwelligem Licht und gegebenenfalls einen Radikalbildner (z.B. Tetraethylblei). Die Chlorierung von Alkylbenzol mit elementarem Chlor bei 150–200°C oder das Bestrahlen des Reaktionsgemisches mit einer Quecksilbertauchlampe bringen zwar relativ hohe Ausbeuten an Chlorierungsprodukten der Seitenkette, sie sind aber wegen der hohen Reaktivität des Chlors wenig selektiv. Bei der Chlorierung des Toluols erhält man bei diesen Bedingungen ein Gemisch von drei Produkten: CH2Cl
Benzylchlorid (Chlormethylbenzol)
CHCl2
Benzalchlorid (Dichlormethylbenzol)
CCl3
Benzotrichlorid (Trichlormethylbenzol)
Brom ist nicht so reaktiv wie Chlor. Bei der Bromierung der Methylgruppe des Toluols entsteht nur Benzylbromid und Benzalbromid. Benzotribromid wird nicht gebildet. Für die Initiierung der Reaktion ist schon sichtbares Licht geeignet. Bei Bestrahlung, einer Temperatur von 78°C und einer Reaktionsdauer von 30 min bis 1 Stunde erhält man aus Toluol in hoher Ausbeute (bis 70 %) Benzylbromid, bei längerer Reaktionszeit (2–10 Stunden), ebenfalls in hoher Ausbeute (bis 70 %), Benzalbromid.
6.6 Reaktionen des Benzols
231 CH2Br
CH3
CHBr2
Br2, hν, 78 °C, 30 min
Br2, hν, 78 °C, 10 Std.
- HBr
Anmerkung:
- HBr
als Merksatz für die Reaktionsbedingungen bei der Halogenierung des aromatischen Kerns: KKK (Kern, Kälte, Katalysator), und für die Halogenierung der Seitenkette: SSS (Seitenkette, Siedehitze, Sonnenlicht).
6.6.4 Nukleophile aromatische Substitutionen Die nukleophile aromatische Substitution gelingt dann, wenn in o- bzw. p-Stellung zur Gruppe, die substituiert werden soll, eine oder mehrere Gruppen mit –M-Effekt vorhanden sind. Der elektronenziehende Effekt dieser Gruppen setzt die Elektronendichte des aromatischen Ringes so weit herab, daß ein Angriff eines starken Nukleophils Nu– möglich ist. Es erfolgt zunächst eine Addition des Nukleophils, wobei das intermediäre CyclohexadienylAnion durch den –M-Effekt etwas stabilisiert wird. L
Nu
Nu
L
NO2
N
N
O
Nu
N
O
N
O
O
O
L = Abgangsgruppe
L
O
Nu
N
O
O
O
O O
N
N O
L
O
O
Cyclohexadienyl-Anion
Im weiteren Schritt findet die Eliminierung der Abgangsgruppe als Anion L– statt, wobei der aromatische Ring regeneriert wird. L Nu
Nu
L N
N
O O
O
N
O
N
O O
O O
Die Reaktion erfolgt nach einem zweistufigen Mechanismus einer Addition-Eliminierung. Sie wird aber als nukleophile aromatische Substitution bezeichnet, denn sie basiert auf
232
6 Aromatische Verbindungen
dem Angriff eines Nukleophils, wobei die Abgangsgruppe L durch das Nukleophil ersetzt wird. Es sind auch nukleophile aromatische Substitutionen mit Verbindungen bekannt, z.B. mit Chlorbenzol, welche keine die Reaktion aktivierenden Gruppen mit –M-Effekt in o- und pStellung besitzen. Diese erfolgen aber nur bei sehr drastischen Reaktionsbedingungen. Beispiele dafür sind das Dow-Verfahren, bei dem Chlorbenzol mit 10%iger NaOH bei 350°C in das Phenol umgesetzt wird, und das Raschig-Verfahren, mit dem aus Chlorbenzol mit überhitztem Wasserdampf bei 425°C ebenfalls Phenol hergestellt wird. Cl
OH
+
350 °C, 15 MPa
NaOH
Chlorbenzol
NaCl
+
Phenol
Chlorbenzol reagiert auch mit Natriumamid in flüssigem Ammoniak, wobei Anilin entsteht. Großtechnisch wird Anilin aus Chlorbenzol durch Umsetzung mit Ammoniak bei 200°C in Gegenwart von CuCl als Katalysator gewonnen. Cl
NH2
+
flüss. NH3
NaNH2
+
NaCl
Anilin
Man nimmt an, daß diese Reaktionen nach einem Reaktionsmechanismus ablaufen, bei dem intermediär das 1,2-Dehydrobenzol, das man auch als Benz-in bezeichnet, entsteht. Der Reaktionsmechanismus soll am Beispiel des Dow-Prozeßes erläutert werden. Die Reaktion beginnt durch Einwirkung des Nukleophils mit der Abspaltung eines Protons in o-Stellung zum Chlor und dem Abgang des Chloridanions. Das Proton wird vom Nukleophil gebunden: Es handelt sich also bei dem ersten Schritt um eine Eliminierungsreaktion. Cl H
O
H 350 °C
+
Cl
+
H2O
1,2-Dehydrobenzol
Im 1,2-Dehydrobenzol sind die Valenzwinkel stark deformiert. Die Verbindung ist deshalb energiereich und sehr reaktionsfreudig. Im weiteren Verlauf der Reaktion erfolgt eine nukleophile Addition an die Dreifachbindung des 1,2-Dehydrobenzols.
6.7 Kriterien der Aromatizität
O
H
233
O
O
H
H
H H
O - OH
6.6.5 Die radikalische Addition am Benzol Wichtig ist die radikalische Addition von Chlor an Benzol. Unter Lichteinwirkung bilden beide Reaktanten das γ-Hexachlorcyclohexan mit einer bis zu 15%igen Ausbeute, das unter der Bezeichnung Lindan oder Gammexan als Insektizid bekannt ist. H Cl
Cl +
3 Cl2
h ν H
H Cl
H Cl
Cl
Lindan
H
H Cl
6.7 Kriterien der Aromatizität In den vorhergehenden Ausführungen haben Sie bereits Eigenschaften kennengelernt, die aromatische Systeme charakterisieren. Dazu gehören vor allem einmal die chemischen Eigenschaften aromatischer Verbindungen. Kennzeichnend für sie ist die elektrophile aromatische Substitution. Obwohl die Summenformel eine stark ungesättigte Verbindung erkennen läßt, sind sie, was Additionsreaktionen anbetrifft, ausgesprochen reaktionsträge. Aromatische Ringe sind infolge ihrer hohen Resonanzenergie, die ein weiteres Merkmal aromatischer Verbindungen ist, sehr stabil. So erfolgt z.B. die Oxidation des Toluols und p-Xylols ausschließlich in der Seitenkette, der aromatische Ring wird nicht oxidiert. CH3
COOH
CH3
KMnO4
KMnO4
CH3 Toluol
COOH
Benzoesäure
p-Xylol
COOH Terephthalsäure
234
6 Aromatische Verbindungen
Ein weiteres Erkennungsmerkmal aromatischer Verbindungen sind ihre 1H-NMR-Spektren (1H-NMR = Kernmagnetische Resonanz von Protonen). In diesen Spektren findet man bei Aromaten die Resonanzsignale der Protonen an anderer Stelle als bei aliphatischen ungesättigten Verbindungen. Zu den aromatischen Verbindungen gehören auch solche, die oberflächlich betrachtet, zunächst mit dem Benzol und seinen Derivaten bezüglich ihrer Formel wenig Ähnlichkeit haben. Es stellt sich deshalb die Frage nach den strukturellen Kriterien aromatischer Verbindungen. Es sind dies: 1.) Es ist ein ebener (planarer) Ring vorhanden, 2.) der Ring hat ein geschlossenes delokalisiertes π-Elektronensystem, 3.) mono-, bi- und tricyclische Aromaten erfüllen die Hückel-Regel. Nach dieser Regel enthält das aromatische Ringsystem (4n + 2) π-Elektronen. Auch freie Elektronenpaare können in das Ringsystem mit einbezogen werden (siehe das Cyclopentadienylanion, Pyrrol, Furan, Thiophen usw.) Für n können die Zahlen 0, 1, 2, 3 ... usw. eingesetzt werden. Setzt man z.B. die Zahl 1 für n ein, ergibt die Formel (4·1+ 2), also 6 π-Elektronen, die z.B. im Benzolring vorhanden sind. Das Einsetzen der Zahlen 2, 3 und 4 für n ergibt 10, 14 und 18 π-Elektronen. Z.B. sind 10 π-Elektronen im Naphthalin, 14 im Anthracen und 18 im Naphthacen vorhanden (Formeln siehe Abschnitt 6.8.5). Die in Punkt 1 definierte Voraussetzung eines ebenen Ringes hängt eng mit dem in Punkt 2 geforderten Kriterium nach Delokalisierung der π-Elektronen im Ring zusammen. Geht man von der Vorstellung aus, daß für ein cyclisch delokalisiertes π-Elektronensystem alle pOrbitale im Ring überlappen müssen, dann müssen alle im Ring benachbarten p-Orbitale parallel zueinander stehen, wie dies z.B. beim Benzol der Fall ist. Die Voraussetzung aber, daß sie zueinander parallel stehen, ist nur gegeben, wenn der Ring planar ist. Der Cyclo-
Benzol
Cyclooctatetraen
delokalisierte π-Elektronen
lokalisierte Doppelbindungen
C
C C
C C
C
= Überlappung
C
C C
C
C
zueinander nicht parallele p-Orbitale überlappen nicht
Bild 6.19 Überlappung der p-Orbitale im Benzol und im Cyclooctatetraen
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
235
octatetraen-Ring erfüllt z.B. diese Voraussetzung nicht, denn er ist nicht planar. Die in diesem Ring zueinander nicht parallel stehenden Orbitale können nicht überlappen, so daß keine Delokalisierung der π-Elektronen über den Cyclooctatetraen-Ring zustande kommen kann (siehe Bild 6.19). Im übrigen ist im Cyclooctatetraen auch die Hückelregel nicht erfüllt, da dieses 8 π-Elektronen aufweist. Das Cyclooctatetraen gehört also nicht zu den aromatischen Kohlenwasserstoffen. Auch im Cyclobutadien ist die Hückelregel nicht erfüllt, denn dieses hat 4 π-Elektronen im Ring. Diese Verbindung ist ebenso wie Cyclooctatetraen nicht aromatisch. H H
H
H C
C
C
C
C
C C
H
C
H
H
H
H
H C
C
C
C H
H
Cyclooctatetraen (8 π-Elektronen)
Cyclobutadien (4 π-Elektronen)
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen 6.8.1 Benzoide Aromaten Zu den benzoiden Aromaten gehören Verbindungen, die einen Benzol-Ring im Molekül haben. Benzol und Benzolderivate, z.B. Toluol, Xylol, Phenol, Anilin, Chlorbenzol, Nitrobenzol usw. sind benzoide Aromaten.
6.8.2 Nichtbenzoide Aromaten Nichtbenzoide Aromaten haben nicht die Struktur des Benzols. Sie erfüllen aber alle Merkmale einer aromatischen Verbindung: sie haben einen ebenen Ring mit einem System cyclisch delokalisierter π-Elektronen, deren Anzahl der Hückel-Regel entspricht. Monocyclische Verbindungen dieses Typs sind das [14]-Annulen und das [18]-Annulen. Die Zahlen in den eckigen Klammern bezeichnen die Anzahl der π-Elektronen im Ring. Ein bicyclischer nichtbenzoider aromatischer Kohlenwasserstoff mit einem 5- und einem 7-Ring ist das Azulen, eine blaue Verbindung (Name abgeleitet von azur = blau). Ein Derivat des Azulens, das Chamazulen, ist im ätherischen Öl der echten Kamille und der Schafgarbe enthalten und hat eine entzündungshemmende Wirkung (Azulene siehe auch Abschnitt 20.1.2).
236
6 Aromatische Verbindungen
8
7
1 2
6 5
[14]Annulen
4
[18]Annulen
3
Azulen
Zu den nichtbenzoiden Aromaten gehören ebenfalls aromatische Kationen und Anionen. Setzt man in die Formel 4n + 2 für n = 0 ein, erhält man die Zahl 2. Es müßte also theoretisch auch einen ebenen Ring mit 2 π-Elektronen geben, der mesomeriestabilisiert ist und aromatischen Charakter hat. Diese Voraussetzung erfüllt das Cyclopropenylkation. Seine mesomeren Grenzformeln deuten an, daß die π-Elektronen in diesem Ring cyclisch delokalisiert sind: H
H
H
H
H
H
H
H
H
Ebenso ist das Cycloheptatrienyl-Kation ein aromatisches Kation. Es entsteht durch Einwirkung von Brom auf Cyclohepta-1,3,5-trien: H
H
H
+ Cyclohepta-1,3,5-trien
Br2
Δ
Br
+
HBr
Cycloheptatrienylbromid
Das Cycloheptatrienyl-Kation ist mesomeriestabilisiert, es hat sechs delokalisierte π-Elektronen, die über den gesamten siebengliedrigen Ring verteilt sind. Die Anzahl der π-Elektronen entspricht der Hückel-Regel.
Mesomere Grenzformeln des Cycloheptatrienyl-Kations
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
237
Ein aromatisches Anion ist das Cyclopentadienyl-Anion. Es entsteht relativ leicht aus Cyclopenta-1,3-dien, indem aus diesem ein Proton abgespalten wird. H H
H
+ H
Nach Abspaltung des Protons wird das freie Elektronenpaar des Anions in den 5-Ring einbezogen. Die sechs sich auf die fünf Kohlenstoffatome des Ringes verteilenden π-Elektronen entsprechen der Hückel-Regel.
Mesomere Grenzformeln des Cyclopentadienyl-Anions Mit Fe2+ bildet das Cyclopentadienyl-Anion das Ferrocen, eine Verbindung, in der das Fe von zwei gegenüberliegenden Seiten von je einem Cyclopentadienyl-Anion umgeben ist. Verbindungen dieser Art werden als Sandwich-Verbindungen bezeichnet. 2+
Fe
Bild 6.20 Ferrocen
6.8.3 Heterocyclische Aromaten Als Heterocyclen bezeichnet man Verbindungen, in welchen der Ring nicht nur aus Kohlenstoffatomen besteht. Er enthält noch ein anderes Atom oder auch mehrere andere Atome, die als Heteroatome bezeichnet werden (griech. hetero = anders, fremd). In der Regel ist das Heteroatom ein Sauerstoff-, Schwefel- oder Stickstoffatom. Heterocyclen sind in der Natur weit verbreitet, viele haben eine physiologische Wirkung. Alkaloide sind z.B. Naturstoffe mit stickstoffhaltigen Heterocyclen. Es sind basische Verbindungen pflanzlichen Ursprungs, die eine ausgeprägte Wirkung auf den menschlichen Organismus haben. Zu ihnen gehört das in der Tabakpflanze enthaltene Pflanzengift Nikotin (siehe Abschnitt 26.3.1), welches das vegetative Nervensystem beeinflußt (eingenommen wirken 30–60 mg tödlich). Es wird beim Rauchen mit dem Tabakrauch inhaliert. Längerzeitiges starkes Rauchen kann Herz- und
238
6 Aromatische Verbindungen
Kreislaufstörungen, Sehstörungen, nervöse Unruhe und Störungen im Magen-Darm-Kanal verursachen. Außerdem können hochgradige Durchblutungsstörungen auftreten (Winiwarter-Bürger-Krankheit), die oft eine Beinamputation notwendig machen.
N CH3 N
Nicotin
Eine Reihe aromatischer Verbindungen haben ein Heteroatom im aromatischen Ring und werden deshalb als aromatische Heterocyclen bezeichnet. Sie haben im Fünf- oder Sechsring ein delokalisiertes cyclisches π-Elektronensystem. Die einfachsten Vertreter fünfgliedriger aromatischer Heterocyclen sind Furan, Thiophen und Pyrrol. β
β 4
2
5
α
O
3
4
3
2
5
α
1N
1
Furan
2
5
S
1
3
4
H
Thiophen
Pyrrol
Will man die Stellung von Substituenten am heterocyclischen Ring angeben, verfährt man in der Regel so, daß man den Ring mit dem Heteroatom beginnend durchnumeriert. Befinden sich im Ring zwei Heteroatome, numeriert man den Ring in Richtung zum nächstliegenden Heteroatom durch. Die beiden zum Heteroatom nächstgelegenen Stellungen werden als α-Stellung (bei fünfgliedrigen Heterocyclen die Stellungen 2 und 5), die beiden folgenden Stellungen (im fünfgliedrigen Heterocyclus die Stellungen 3 und 4) als β-Stellung bezeichnet. In den aromatischen fünfgliedrigen Heterocyclen beteiligt sich ein freies Elektronenpaar des Heteroatoms an der Mesomerie, die beiden Elektronen werden in das Ringsystem einbezogen, und die sechs Elektronen bilden im Ring ein delokalisiertes cyclisches π-Elektronensystem.
O
O
O
O
O
Mesomere Grenzformeln des Furans
Die elektrophile aromatische Substitution erfolgt vornehmlich in die α-Stellung. Der Pyrrolring ist in einigen wichtigen Naturstoffen vorzufinden, z.B. im für die Photosynthese der Pflanzen wichtigen Blattgrün (Chlorophyll) und im Häm, der prosthetischen Gruppe (Wirkgruppe) des Hämoglobins. Das Eisen des Häms im Hämoglobin vermag Sauerstoff reversi-
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
239
bel zu binden. Diese Eigenschaft erklärt die Funktion des Hämoglobins als Sauerstoffträger der roten Blutkörperchen. R1
CH
HC H2 C
OOC
CH2CH3
Mg
N H3 C
OOC
H3 C
O
H (CH2)2
H
N CH
COOCH3
COOR2
H2 C
CH3
CH3
N
HC
CH
CH2
CH3
CH
Chlorophyll R1 =
Fe
N
N
H
CH N
(CH2)2
N
HC H3C
CH3
HC
CH3
N
CH
(CH2)2
Häm
= Chlorophyll a
H R1 =
= Chlorophyll b
C O
CH3 R2 =
CH2
CH
C
CH3
CH3 CH2
(CH2
CH2
(R2–OH = Phytol, siehe Abschnitt 20.1.3)
CH
CH2)2
CH2
CH2
CH
CH3
Die wichtigsten aromatischen Heterocyclen mit einem Sechsring sind jene, die den Stickstoff als Heteroatom enthalten. Pyridin ist der einfachste Vertreter dieser Verbindungen. Man kann es auch als Azabenzol bezeichnen (die Vorsilbe aza- bedeutet, daß im Sechsring formal die CH-Gruppe durch N ersetzt ist). Wird im Sechsring des Pyridins ein weiteres Kohlenstoffatom durch Stickstoff ersetzt, wird die Verbindung als Diazabenzol bezeichnet. Die Stellung der beiden Stickstoffatome im Ring wird durch vorgestellte Zahlen angegeben. Im Pyridin werden die beiden dem Stickstoff nächstgelegenen Stellen 2 und 6 auch mit α, die weiteren Stellen 3 und 5 mit β und die Stellung 4 mit γ angegeben. γ β
β
4
6
α
6
N
N1
N1
Pyridin (Azabenzol)
Pyridazin (1,2-Diazabenzol)
N
3
3
3
N
6
3
6
N1
Pyrimidin (1,3-Diazabenzol)
N1
Pyrazin (1,4-Diazabenzol)
Das Pyrimidin hat eine besondere Bedeutung, denn seine Derivate Cytosin und Thymin sind in den Desoxyribonucleinsäuren enthaltene Basen und Uracil, ebenfalls ein Pyrimidinderivat, ist in den Ribonucleinsäuren zu finden. Die Desoxyribonucleinsäure bildet das Erbgut von Menschen, Tieren und Pflanzen und enthalten die für die Lebensprozesse wichtigen
240
6 Aromatische Verbindungen
Informationen. Die Ribonucleinsäuren spielen eine wichtige Rolle in der Biosynthese der Eiweiße. NH2
OH
N
CH3
N N
HO
N
N
HO
Cytosin
OH
N
HO
Thymin
Uracil
Pyridin ist eine unangenehm riechende, mit Wasser und Alkohol gut mischbare Flüssigkeit, welche zur Denaturierung (Vergällen) von Brennspiritus verwendet wird.
N
N
N
N
N
Mesomere Grenzformeln des Pyridins
Das freie Elektronenpaar am Stickstoff beteiligt sich im Pyridin an der Mesomerie nicht, so daß es ein Proton binden kann. Pyridin hat also basische Eigenschaften. Betrachtet man die mesomeren Grenzformeln, so kann man eine relativ hohe Elektronendichte am Stickstoff feststellen. Der Stickstoff, der infolge seiner in Relation zum Kohlenstoff höheren Elektronegativität die Elektronen anzieht, setzt die Elektronendichte im Rest des Ringes herab. Elektrophile aromatische Substitutionen erfolgen deshalb am Pyridin relativ schlecht. Der Angriff des Elektrophils erfolgt vornehmlich in die β-Stellung des Pyridins. Die relativ geringe Elektronendichte in der α- und γ-Stellung des Pyridins ermöglicht eine nucleophile Substitution. Ein Beispiel dafür ist die Tschitschibabin-Reaktion. Erhitzt man Pyridin mit Natriumamid in Toluol oder Dimethylanilin C6H5N(CH3)2 als Lösungsmittel, so erfolgt eine Anlagerung des Amid-Anions. Nach Hydrolyse des Reaktionsproduktes mit Natronlauge entsteht das 2-Aminopyridin: Erhitzen in Dimethylanilin NH2 N
N
N
Na
O
NH
H
N
N
NH2
Na
2-Aminopyridin
Na
N Na
H +
N
H
H
Na
H
H
H
O
H
H
- H2
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
241
Stickstoffanaloga des Naphthalins (siehe Abschnitt 25.3.2) sind das Chinolin und das Isochinolin. 5
5
4
6 7
3
6
2
7
N1
8
4 3
N
8
Chinolin
1
2
Isochinolin
Da der Pyridinring im Chinolin und Isochinolin im Vergleich zum Benzolring elektronenarm ist, erfolgt eine elektrophile aromatische Substitution am Benzolring, während die nucleophile Substitution am Pyridinring stattfindet.
N
N
N
N
Bevorzugte Stellungen der elektrophilen Substitution
Bevorzugte Stellungen der nucleophilen Substitution
Aromatische Heterocyclen mit einem 5- und 6-Ring sind das Indol und Purin. 4
3
5
1
6
N
5
N7
4
N9
8
2 6
2
N1 7
3N
H
H
Indol
Purin
Eine Reihe wichtiger Naturstoffe leitet sich vom Purin ab. Dazu gehören die in Desoxyribonucleinsäuren enthaltenen Basen Adenin und Guanin und das im Tee enthaltene Theophyllin, im Kakao vorkommende Theobromin und in Kaffee-Bohnen, der Cola-Nuß und schwarzem Tee enthaltene Coffein (Das im Tee enthaltenen Coffein wurde früher als Thein bezeichnet). NH2
OH N
N N
N
N H2N
N
H
Adenin
O N
H3C
N
O
H
Guanin
O
H N
N N
N
CH3
Theophyllin
N
HN O
N
O
CH3
N
CH3
Theobromin
H3C
O
CH3 N
N N CH3
Coffein
N
242
6 Aromatische Verbindungen
6.8.4 Polycyclische nichtkondensierte Aromaten Zu den aromatischen polycyclischen Kohlenwasserstoffen, in denen die Benzolkerne miteinander mit einer Einfachbindung oder über ein aliphatisches C-Atom verbunden sind, gehören folgende Verbindungen:
C
Biphenyl
Terphenyl
H
Triphenylmethan
Das Biphenyl wird durch Pyrolyse von Benzol hergestellt. Das Triphenylmethan kann z.B. mit Hilfe der Friedel-Crafts-Reaktion aus Benzalchlorid (siehe Abschnitt 6.6.1.4) und Benzol synthetisiert werden. + Cl C
AlCl3
H
C
H
+
2 HCl
Cl +
Benzalchlorid
Benzol
Triphenylmethan
Ein relativ stabiles Radikal ist das Triphenylmethylradikal. In diesem kann das freie Elektron unter Einbeziehung der Benzolringe delokalisiert werden.
C
C
C
C
usw.
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
243
6.8.5 Kondensierte polycyclische Aromaten Zu der Gruppe kondensierter polycyclischer Aromaten gehören Verbindungen, in denen die Benzolringe miteinander über zwei gemeinsame C-Atome verbunden sind. Verbindungen dieses Typs findet man im Steinkohlenteer, einem Produkt, das beim Verkoken von Steinkohle anfällt. Die einfachste derartige Verbindung ist das Naphthalin. Dieses wird unter anderem auch als Mottenpulver verwendet, es schmilzt bei 81°C und hat einen eigenartigen Geruch. Die mesomeren Grenzstrukturen des Naphthalins weisen darauf hin, daß die Elektronendichte nicht, wie im Benzol, vollkommen gleichmäßig auf die Kohlenstoffringe verteilt ist.
Mesomere Grenzformeln des Naphthalins
Dies wurde auch durch Röntgenanalyse bestätigt, die zeigte, daß sich die Bindungen im Ring in ihrer Länge etwas unterscheiden. 142 pm
137 pm
140 pm
139 pm
Die Numerierung der Ringe im Naphthalin geschieht wie folgt: 1
8
2
7
3
6 5
4
Die Stellung 1 wird oft als α- und 2 als β-Stellung bezeichnet. Die elektrophile aromatische Substitution erfolgt vorzugsweise in die α-Stellung, was verständlich wird, wenn man die mesomeren Grenzformeln der σ-Komplexe in α- und β-Stellung betrachtet. Grenzformeln des α-σ-Komplexes: X
H
X
H
X
H
X
H
Benzolkerne in zwei mesomeren Grenzformeln
X
H
244
6 Aromatische Verbindungen
Grenzformeln des β-σ-Komplexes: X
X
H
X
X H
X H
H
H
Benzolkern nur in einer mesomeren Grenzformel
Sowohl beim α- als auch beim β-σ-Komplex kann man fünf mesomere Grenzformeln schreiben. Die Grenzformeln jedoch, in denen ein Benzolring enthalten ist, sind als besonders energiearm und stabil anzusehen. Da es für den α-σ-Komplex 2 mesomere Grenzformeln mit intakten Benzolring, für den β-σ-Komplex jedoch nur eine solche Grenzformel gibt, ist anzunehmen, daß der α-σ-Komplex stabiler ist und die kinetisch gesteuerte elektrophile aromatische Substitution vornehmlich in die α-Stellung des Naphthalins erfolgt. Die hohe Resonanzstabilisierung des σ-Komplexes ermöglicht die SE-Reaktion am Naphthalin bei milden Reaktionsbedingungen, z.B. erfolgt die Substitution mit Brom auch ohne die Katalyse einer Lewis-Säure. Die Sulfonierung gehört zu den umkehrbaren SE-Reaktionen. Sie ist bei niedrigeren Temperaturen kinetisch und bei höherer Temperatur und längerer Reaktionszeit thermodynamisch gesteuert (über kinetisch und thermodynamisch gesteuerte Reaktionen siehe auch Abschnitt 3.10.2). Bei der Sulfonierung des Naphthalins bei höherer Temperatur und längerer Reaktionszeit wird überwiegend das thermodynamisch stabilere Produkt mit dem Substituenten in β-Stellung gebildet. SO3H
konz. H2SO4, 80 °C
1-Naphthalinsulfonsäure
konz. H2SO4, 160 °C
Naphthalin
SO3H
2-Napthalinsulfonsäure
Das für die Herstellung von Farbstoffen verwendete β-Naphthol kann aus der 2-Naphthalinsulfonsäure durch die Schmelze mit Natrium- oder Kaliumhydroxid gewonnen werden. Na SO3
Na O
NaOH, Δ
O
H
H
β-Naphthol (2-Naphthol)
Die Zweitsubstitution erfolgt bei α-ständigen ortho- und para-dirigierenden Erstsubstituenten vorwiegend in die 2- und die 4-Stellung, wobei die 4-Stellung bevorzugt wird. Befindet sich der o- und p-dirigierende Substituent in Stellung β, dirigiert er den Zweitsubsti-
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
245
tuenten vornehmlich in die Stellung 1. Bei meta-dirigierenden Erstsubstituenten erfolgt die Zweitsubstitution vornehmlich in die Stellungen 5 und 8, und das unabhängig davon, ob der Erstsubstituent sich in α- oder β-Stellung befindet. Das nachfolgende Schema zeigt an welchen Stellen im Molekül der Zweitsubstituent angreift: X
X X
X
XI = o- und p- dirigierender Erstsubstituent
X = m-dirigierender Erstsubstituent
Weitere polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe sind die miteinander linear verbundenen Kohlenwasserstoffe Anthracen und Tetracen (auch als Naphthacen bezeichnet). Im Phenanthren und im Chrysen sind die Benzolkerne angular (im Winkel) angeordnet. 8
9
1
11
10
12
1
7
2
9
2
6
3
8
3
5
10
4
7
6
Anthracen
5
4
Naphthacen
6
12 7
5 4
8
3
1 2
11 10
3
9 4
9
2 1
10
Phenanthren
5
8 7
6
Chrysen
Im Anthracen und im Phenanthren reagieren bevorzugt die Stellungen 9 und 10. Die Reaktivität dieser Stellungen ist damit begründet, daß im Reaktionsprodukt zwei energiearme Benzolstrukturen erhalten bleiben. Als weitere Beispiele für kondensierte polycyclische Aromaten seien das Pyren und das Coronen angeführt.
246
6 Aromatische Verbindungen 11 9
10
8
12
10 1
1
9
2
8
3
2
7 6
3 5
4
Pyren
7
4 6 5 Coronen
Graphit, eine allotrope Modifikation des Kohlenstoffs, setzt sich aus Flächen kondensierter Benzolringe zusammen, die in einem Abstand von 350 pm parallel zueinander angeordnet sind. Man kann Graphit als ein aromatisches Riesenmolekül mit kondensierten Benzolringen ansehen. Die Beweglichkeit der π-Elektronen erklärt die Leitfähigkeit des Graphits und die relativ geringe Energie, die benötigt wird, um vom π- in den angeregten π*-Zustand zu gelangen, seine tiefschwarze Farbe. Die Energie des sichtbaren Lichtes genügt zur Anregung, so daß Graphit dieses absorbiert. Zwischen den Schichten sind nur schwache van-derWaals-Kräfte wirksam, was die leichte Spalt- und Verschiebbarkeit längs der Ebenen erklärt. Die leichte Abriebbarkeit des Graphits kommt in der Graphitmine des Bleistiftes zur Geltung. Einige komplexe polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe werden von einfacheren Verbindungen als deren Benzoderivate abgeleitet. Die Lage der Anellierungsstelle des Benzolringes wird oftmals durch einen kleinen Buchstaben angegeben. Mit diesen Buchstaben kennzeichnet man in alphabetischer Reihenfolge, mit der Seite beginnend, an der sich die CAtome mit der Stellenangabe 1 und 2 befinden, der Reihe nach die peripheren (im Molekül außen gelegenen) Seiten des Grundsystems.
Bild 6.21 Kristallstruktur des Graphits
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
j
k l
m n
h
g f
e d
1
a
2 b
i
247
Beispiel:
c
Bezeichnung der Seiten des Grundsystems
Benz[a]anthracen
Eine Reihe polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe ist cancerogen, das heißt, diese Verbindungen sind krebserregend. Stellvertretend für diese Verbindungen seien genannt das Benz[a]pyren, das Dibenz[a,h]anthracen und das 3-Methylcholanthren. 8 9
7 a
a
4
5
6
10
3
11
H 3C
h
12 2
Benz[a]pyren
Dibenz[a,h]anthracen
1
3-Methylcholanthren
Benz[a]pyren ist in Autoabgasen zu finden, es entsteht bei der Verbrennung von Heizöl in Ölheizungen und Kraftwerken, bei der Müllverbrennung, es kommt im Zigaretten- und Zigarrenrauch vor, und selbst im gegrillten Fleisch ist es anzutreffen. Man nimmt an, daß oxidierende Enzyme das Benz[a]pyren in Oxidationsprodukte umwandeln, die mit dem in der Desoxyribonucleinsäure befindlichen Guanin reagieren und damit eine Veränderung der Desoxyribonucleinsäure bewirken, durch die das Wachstum von rasch und undifferenziert wachsenden Zellen ausgelöst werden kann. Solche wuchernde Zellen sind typisch für Krebs. Im Prinzip geht es bei der untenstehenden Reaktion um eine Alkylierung. Es ist bekannt, daß auch andere Alkylierungsmittel, z.B. Diazomethan, carcinogen sind. O H
CH N
H2 N
O
N
N
N DNA
O
H
HN
N
N
CH N OH
OH
OH
Diolepoxid des Benz[a]pyrens
N DNA OH
OH
Reaktionsprodukt mit blockierter Guaninbase am DNA Strang
248
6 Aromatische Verbindungen
6.8.6 Polychlorierte aromatische Verbindungen Einige polychlorierte aromatische Verbindungen finden Verwendung als Insektizide (Insektenvertilgungsmittel) und Herbizide (Unkrautvernichtungsmittel). Eines der ersten angewendeten Unkrautvernichtungsmittel war die 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure. Diese vernichtet selektiv breitblättrige Unkräuter, während sie bei schmalblättrigen Pflanzen, zu denen alle Getreidesorten zählen, ohne Wirkung ist. OCH2COOH Cl
Cl
2,4-Dichlorphenoxyessigsäure, abgekürzt 2,4-D
Eine der bekanntesten polychlorierten aromatischen Verbindungen ist das Insektizid 1,1,1-Trichlor-2,2-bis (p-chlorphenyl)ethan, das abgekürzt als Dichlordiphenyltrichlorethan bezeichnet wird, woraus schließlich die allgemein verwendete Abkürzung DDT abgeleitet wurde. Die Verbindung wurde schon im Jahre 1873 aus Chlorbenzol und Trichloracetaldehyd synthetisiert, die insektiziden Eigenschaften wurden aber erst 1939 von dem in der Fa. Geigy tätigen P. Müller entdeckt, der dafür 1948 den Nobelpreis für Medizin erhielt. O Cl
+
H C
H +
Cl
CCl3
Chlorbenzol
Trichlorethanol
H2SO4 - H2O
Cl
C
Cl
CCl3
Chlorbenzol
1,1,1-Trichlor-2,2-bis(p-chlorphenyl)ethan
DDT ist ein Kontaktinsektizid mit breitem Wirkungsspektrum, es kann zur Bekämpfung von Fliegen, Mücken, Raupen, Käfern und deren Larven herangezogen werden. Auf Grund dieser Eigenschaften wurde es erfolgreich zur Bekämpfung der Überträger von Malaria, Fleckfieber, Typhus und Cholera eingesetzt. Der Nachteil dieser Verbindung ist ihre geringe Abbaubarkeit in der Natur. DDT ist außerdem fettlöslich und kann im Fettgewebe angereichert werden. Diese Anreicherung erfolgt insbesondere bei Fischen und Vögeln durch Aufnahme DDT-haltiger Nahrung. Eischalen der mit DDT verseuchten Vögel sind zu dünnwandig, wodurch die Population verschiedener Vogelarten stark zurückgegangen war. Durch die Nahrungskette kann es auch in den Menschen gelangen. Dieser besitzt zwar gegenüber DDT eine hohe Verträglichkeit, doch ist die Langzeitwirkung wenig erforscht. Ein weiterer Nachteil von DDT ist die Ausbildung einer Resistenz, die z.B. bei der Stubenfliege beobachtet werden konnte. Die Verwendung von DDT ist in vielen Ländern verboten, in der Bundesrepublik seit 1972, in einigen anderen Ländern ist sie eingeschränkt worden.
6.8 Überblick über aromatische Verbindungen
249
Umweltchemische Relevanz haben chlorierte Aromaten, die sich vom Dibenzodioxin (auch als Dibenzo-para-Dioxin bezeichnet) und Dibenzofuran ableiten. 8 7 6 5
O
O
Dibenzodioxin
1 2 3 4
Cl
O
Cl
Cl
O
Cl
2,3,6,7-Tetrachlordibenzodioxin
8
1
7
2
6 5
O
3 4
Dibenzofuran
Das wohl bekannteste und bezüglich seiner Umweltschädlichkeit am besten untersuchte chlorierte Dibenzodioxin ist das 2,3,6,7-Tetrachlordibenzodioxin, abgekürzt 2,3,6,7-TCDD oder einfach TCDD, das nach einem Betriebsunfall in Seveso in der Presse für Schlagzeilen sorgte (in den Medien wird es vielfach nur als Dioxin bezeichnet). Das TCDD ist hochgiftig, die letale (tödliche) Menge für den Menschen ist 1 μg pro kg Lebendgewicht. Beim Menschen tritt als erstes Symptom Chlorakne (Akne = Pickelausschlag) auf, der Triglycerid- und Cholesterinspiegel im Blut wird erhöht und es treten gastrointestinale Störungen (Störungen im Verdauungstrakt) auf. Es erfolgt ein starker Abbau der Thymusdrüse, der eine Herabsetzung der Immunabwehr zur Folge hat. TCDD ist biologisch schlecht abbaubar, es ist fettlöslich und kann durch die Nahrungskette in den Menschen gelangen. Das Beispiel von Seveso hat gezeigt, daß in Betrieben mit Produktionsprozessen, bei denen TCDD als Nebenprodukt entsteht, durch fehlerhaften Umgang und mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen eine Gefahr der Freisetzung von TCDD besteht. Polychlordibenzodioxine und Polychlordibenzofurane können auch bei der Haus- und Sondermüllverbrennung aus chlorhaltigen Stoffen entstehen. Für die Entsorgung dieser Stoffe sind Verbrennungsanlagen nötig, die bei Temperaturen über 1000°C arbeiten. Polychlorierte Biphenyle (PCB) werden als Kühlflüssigkeiten für Kondensatoren und Transformatoren, für Thermostaten und als Weichmacher für Polystyrol verwendet. Bei ihrer Herstellung bekommt man ein Gemisch von Verbindungen mit unterschiedlichem Chlorgehalt. Das Gemisch wird, ohne es zu trennen, verwendet. PCB sind giftig, ihre Giftigkeit variiert mit ihrer Zusammensetzung. Bei der Verbrennung polychlorierter Biphenyle können Polychlordibenzodioxine entstehen. Ihre Produktion wurde in der Bundesrepublik Deutschland 1983 eingestellt.
250
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben ? 6.1 Wodurch wird die Anzahl der Molekülorbitale bestimmt?
? 6.2 Erklären Sie die Begriffe bindende, antibindende und nichtbindende Molekülorbitale!
? 6.3 Auf welche Weise erfolgt die Besetzung der Molekülorbitale mit Elektronen?
? 6.4 Welche Symmetrieeigenschaften weisen Molekülorbitale auf?
? 6.5 Was versteht man unter der Bezeichnung HOMO und LUMO?
? 6.6 Beschreiben Sie den Reaktionsmechanismus einer SE-Reaktion am Benzol!
? 6.7 Was versteht man unter einer Friedel-Crafts-Reaktion?
? 6.8 Erstsubstituenten am Benzol dirigieren bei der SE-Reaktion in ortho- und para-Stellung oder in meta-Stellung. Welche Rolle spielen dabei I- und M-Effekte?
? 6.9 Welche Reaktionsbedingungen führen bei einem Alkylbenzol zur Halogenierung am aromatischen Kern oder in der Seitenkette?
? 6.10 Nach welchen Kriterien kann man feststellen, ob bei der gegebenen Substanz eine aromatische Verbindung vorliegt?
? 6.11 Bei welchen dieser Verbindungen handelt es sich um Aromate: Toluol, Pyridin, Pyrimidin, Pyrrol, Cycloocta-1,3,5,7-tetraen, Naphthalin und Cyclobuta-1,3-dien?
Lösungen
251
Lösungen ! 6.1 Die Anzahl der Molekülorbitale richtet sich nach der Anzahl der sie konstituierenden Atomorbitale. Aus den die Molekülorbitale bildenden Atomorbitalen resultieren gleich viele Molekülorbitale.
! 6.2 Die Bindung festigende Molekülorbitale, die energieärmer als die sie konstituierenden Atomorbitale sind, bezeichnet man als bindende Molekülorbitale. Die Bindung lockernde Molekülorbitale, die energiereicher als die sie konstituierenden Atomorbitale sind, werden antibindende Molekülorbitale genannt. Ist die Anzahl der die Molekülorbitale konstituierenden p-Atomorbitale (n) geradzahlig, so sind n/2 bindende und n/2 antibindende π-Molekülorbitale vorhanden. Ist die Anzahl der p-Atomorbitale ungeradzahlig so gibt es (n-1)/2 bindende, (n-1)/2 antibindende Molekülorbitale und ein nichtbindendes π-Molekülorbital. Das nichtbindende π-Molekülorbital ist energiegleich mit den es konstituierenden p-Atomorbitalen.
! 6.3 Die Besetzung der Molekülorbitale mit Elektronen erfolgt so, daß zunächst das energieärmste Orbital doppelt zu besetzen ist, bevor ein energiereicheres Orbital besetzt werden kann. Die Besetzung energiegleicher Orbitale mit Elektronen erfolgt nach der Hundschen Regel, die besagt, daß alle energiegleichen Orbitale zunächst einfach und erst dann doppelt besetzt werden.
! 6.4 Die Molekülorbitale werden charakterisiert durch bestimmte Symmetriemerkmale: entweder liegt eine Symmetrieebene (m) vor, die auf der Ebene des Moleküls senkrecht steht und es in 2 spiegelbildliche Hälften teilt, oder eine zweizählige Achse (C2). Das π-Orbital des Ethens hat eine Symmetrieebene die man durch die Mitte der C-C-Bindung legen kann und die das Molekül in zwei Hälften teilt. Bezüglich der Symmetrieebene ist das π-Molekülorbital symmetrisch, bezüglich der C2-Achse ist es antisymmetrisch. Das antibindende π*-Molekülorbital des Ethens ist bezüglich der C2-Achse symmetrisch, bezüglich der Symmetrieebene antisymmetrisch. Dreht man das π*-Orbital des Ethens um die C2-Achse um180°, erhält man wiederum die vor der Drehung vorgelegene räumliche Anordnung des Molekülorbitals.
252
Lösungen
! 6.5 Das energiereichste mit Elektronen besetzte Molekülorbital trägt die Bezeichnung HOMO (highest occupied molecular orbital). Das energieärmste unbesetzte Molekülorbital wird mit LUMO (lowest unoccupied molecular orbital) bezeichnet. Je kleiner die Unterschiede in den Energieniveaus von HOMO und LUMO sind, desto leichter läßt sich das Molekül anregen. Beim Benzol sind die energiegleichen (entarteten) Ψ2- und Ψ3-Molekülorbitale die energiereichsten mit Elektronen besetzten Orbitale (HOMO) und die entarteten Ψ4- und Ψ5-Molekülorbitale die mit Elektronen nicht besetzten Molekülorbitale (LUMO).
! 6.6 Der Reaktionsmechanismus einer SE-Reaktion (elektrophile aromatische Substitution) am Benzol kann allgemein folgendermaßen beschrieben werden: Das nucleophile Teilchen nähert sich dem Benzol und es kommt zu einer Wechselwirkung des elektrophilen Teilchens mit den delokalisierten π-Elektronen des aromatischen Ringes, so daß ein loser Komplex entsteht, der π-Komplex. Im nächsten, die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmenden Schritt, wird mit zwei Elektronen des aromatischen π-Elektronensextetts das Elektrophil mit einer σBindung an ein Kohlenstoffatom des Ringes gebunden, wobei der σ-Komplex gebildet wird. Bei diesem Prozeß erfolgte eine Umhybridisierung des Kohlenstoffatoms von sp2 in sp3. Im letzten Schritt erfolgt die Abspaltung eines Protons, der aromatische Zustand wird wieder hergestellt und die elektrophile Substitution am Benzol ist vollzogen.
! 6.7 Friedel-Crafts-Reaktionen sind dadurch charakterisitisch, daß bei diesen SE-Reaktionen wasserfreies AlCl3 oder eine andere Lewis-Säure als Katalysator verwendet werden. Nach FriedelCrafts (Abkürzung F.C.) können Alkylhalogenide, Alkene und Carbonsäurechloride mit Aromaten reagieren. Durch die Komplexbildung wird das elektrophile Teilchen stark polarisiert, so daß ein elektrophiler Angriff leichter erfolgen kann. Mit Alkylhalogeniden und Alkenen erfolgt eine Alkylierung des Aromaten. Mit Carbonsäurechloriden werden aromatische Verbindungen acyliert (siehe Abschnitte 6.6.1.4b und 6.6.1.4c).
! 6.8 Auf die Zweitsubstitution am Benzolderivat haben der induktive und der mesomere Effekt des Erstsubstituenten Einfluß. Erstsubstituenten mit +I- und +M-Effekt dirigieren den Zweitsubstituenten in ortho- und para-Stellung, mit –I- und –M-Effekt hingegen in meta-Stellung. Liegen beim Erstsubstituenten sowohl ein +M- als auch ein –I-Effekt vor, dirigiert er in ortho- und para Stellung.
! 6.9 Bei einem Alkylbenzol kann eine Halogenierung sowohl am aromatischen Kern als auch an der Seitenkentte erfolgen. Bei der Halogenierung des aromatischen Kerns geht es um eine elektrophile aromatische Substitution, während bei der Halogenierung der Seitenkette eine radikalische Substitution vorliegt. Die Halogenierung des aromatischen Kerns erfolgt schon bei Zimmertemperatur oder bei mäßigem Erwärmen in Gegenwart einer Lewis-Säure, während die Halogenierung der Seitenkette eine höhere Temperatur, kurzwelliges Licht, Sonnenlicht oder einen Radikalbildner erfordert.
Lösungen
253
! 6.10 Für Aromaten kennzeichnend ist die elektrophile Substitution. Ein weiteres Merkmal aromatischer Verbindungen findet man in ihren 1H-NMR-Spektren (NMR = nuclear magnetic resonance, 1H-NMR bedeutet Kernmagnetische Resonanz von Protonen). Die Ringprotonen in Aromaten absorbieren bei sehr niedrigem Feld (δ = 6,5-8,5 ppm). Die strukturellen Kriterien der Aromatizität sind: 1.) das Vorhandensein eines planaren Rings 2.) ein geschlossenes delokalisiertes π-System im Ring 3.) mono-, bi- und tricyclische Aromaten erfüllen die Hückel-Regel. Nach dieser Regel enthält das aromatische Ringsystem (4n + 2) π-Elektronen.
! 6.11 Cycloocatetraen und Cyclobutadien gehören nicht zu den aromatischen Verbindungen. Alle anderen genannten Verbindungen sind Aromate.
7 Erdöl
7.1 Entstehung des Erdöls Im allgemeinen nimmt man heute an, daß das Erdöl aus unzähligen abgestorbenen Körpern kleinster Meereslebewesen entstanden ist. Das Vorkommen von Porphyrinen und anderen Verbindungen im Erdöl, die von lebenden Organismen stammen müssen, unterstützt diese Annahme. Im Miozän, vor rund 10–15 Millionen Jahren, lebten im Meer mikroskopisch kleine Lebewesen. Einzellige Strahlentierchen (Radiolarien) waren in großen Wassertiefen anzutreffen, während winzige Schwebetierchen (Foraminiferen) in großer Zahl als Plankton (griech. plankton = das Umhertreibende) das Wasser von Flachwasserzonen, Meeresbuchten und Binnenmeeren bevölkerten. Die abgestorbenen Mikroorganismen sanken in unvorstellbaren Mengen wie ein Dauerregen auf den Meeresgrund. Sie versanken im Schlamm und bildeten dort – vermischt mit Ton, Mergel, Kalk und Sand – ganze Schichten, sog. Faulschlammhorizonte, über welchen sich andere Sedimentschichten absetzten. Die Sedimentschichten verwehrten dem im Meereswasser gelösten Sauerstoff den Zutritt, so daß die organische Materie nicht verwesen konnte. Unter dem Einfluß von anaeroben Bakterien, hohem Druck und Hitze und wahrscheinlich auch dem katalytischen Einfluß des umgebenden Gesteins, vollzogen sich in der organischen Substanz reduktive Prozesse, durch die sich im Laufe der Jahrmillionen das Erdöl bildete. Nach dieser Theorie müßte sich dort, wo die entsprechenden Bedingungen vorliegen, auch in neuerer Zeit Erdöl bilden. In 4000 Jahre alten Schlammablagerungen der OrinocoMündung in Venezuela konnte man tatsächlich Kohlenwasserstoffe nachweisen.
7.2 Erdölvorkommen Die gesicherten Erdölreserven werden heute auf 135 Milliarden Tonnen förderbares Erdöl geschätzt (Mobil Oil, 1994). Davon entfallen 56 % auf den Nahen Osten, 16,4 % auf die GUS, Osteuropa und China, 10,5 % auf Afrika, 7 % auf Nord- und 5,2 % auf Südamerika, 2,4 % auf Westeuropa und 2,5 % auf den Fernen Osten (nach Daten von Esso). In diesen Zahlen sind die Vorkommen von Ölschiefern und Ölsanden nicht enthalten, die zu den schwer auszubeutenden Vorkommen zählen. Mit den gegenwärtigen Techniken können auch die Erdöllagerstätten nur zu 50 % ausgebeutet werden. Bei einem Mineralölverbrauch von etwa 3 Milliarden Tonnen jährlich dürften die heutigen sicheren Reserven nur noch einige Jahrzehnte reichen. Um diese Reserven noch zu strecken, wird man gegebenenfalls auch die Ölschiefer und Ölsande ausbeuten müssen. Es ist heute schon notwendig, Ölvorkommen
7.3 Inhaltsstoffe des Erdöls
255
Saudi-Arabien
Naher Osten
Iran
255
Irak
138
145
91
608
Nordamerika
Übrige
80
91
800
Osteuropa
GUS
GUS/Osteuropa
Kuwait VAE
18
USA
Kanada
427
93
626
520
Mexiko Venezuela Brasilien Übrige
Lateinamerika
96
145
30
75
346
China Indonesien Indien Übrige
Ferner Osten
138
66
34
67
305
Nigeria Lib. Alger. Ägypt. Übrige
81
Afrika
GB
Westeuropa Bild 7.1
92
53
45
52
58
24
Erdölförderung der Welt 1989 Angabe in Millionen Tonnen
Norwegen Übrige
75
289
191
Literaturquelle: Esso
Erdölförderung in Jahrestonnen
unter dem Meeresboden und in unwirtlichen Gegenden zu fördern, was mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist. Experten vermuten die Existenz bisher unentdeckter umfangreicher Erdölvorkommen, ihr Ölpotential läßt sich jedoch nicht annähernd abschätzen. Eine Übersicht über die geförderte Menge Erdöl ist, nach Ländern aufgelistet, aus der Zusammenstellung in Bild 7.1 zu ersehen. 1997 wurden in die Bundesrepublik Deutschland aus Rußland 24,5, Norwegen 21,8, Großbritannien 16,7, Libyen 11,9, Saudi-Arabien 5,9, Algerien, 3,8, Syrien 3,7, Nigeria 3,6, Venezuela 2,4, Iran 1,2 und aus übrigen Ländern 3,5 Millionen t Rohöl importiert, insgesamt also 99 Millionen t Rohöl.
7.3 Inhaltsstoffe des Erdöls Erdöl ist eine dunkelbraune, vielfach grün fluoreszierende, viskose Flüssigkeit mit intensivem, unangenehmen Geruch. Es besteht aus einem komplexen Stoffgemisch. In der Hauptsache ist es ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen (Alkane, Cycloalkane und Aromaten, aber keine Alkene und Alkine). Bezüglich ihrer Inhaltsstoffe unterscheiden sich die Erdöle je nach Herkunft, z.B. enthält das pennsylvanische Erdöl hauptsächlich Alkane, das Erdöl aus der GUS und das rumänische Erdöl enthalten einen hohen Anteil an Cycloalkanen, und indonesische Erdöle enthalten bis zu 40 % aromatische Kohlenwasserstoffe. Die Cycloalkane werden in der Petrochemie als Naphthene bezeichnet.
256
7 Erdöl
Alkane. In den meisten Erdölen bilden die Alkane die Hauptfraktion der Kohlenwasserstoffe. In dieser wiederum überwiegen die n-Alkane. In der Alkanfraktion sind n-Alkane vom Methan bis zum Alkan mit einer Kohlenstoffkette mit 78 C-Atomen vertreten. Die verzweigten Alkane liegen hauptsächlich als 2-, 3- und 4-Methylalkane vor. Naphthene. Als Naphthene werden alicyclische Verbindungen des Erdöls bezeichnet. Es sind vor allem Verbindungen mit einem Fünf- oder einem Sechsring. Dazu zählen Cyclopentan und Cyclohexan selbst und deren Mono-, Di- und Trimethylderivate. Auch Bicylo- und Tricycloalkane wurden im Erdöl gefunden. Aromaten. In der aromatischen Erdölfraktion sind z.B. Benzol, Toluol, Xylol, Cumol, Pseudocumol (1,2,4-Trimethylbenzol) und polycyclische kondensierte Aromaten, auch solche, die eine oder mehrere Methylgruppen als Seitenketten haben, enthalten. Sauerstoffhaltige Verbindungen. Den Hauptanteil der sauerstoffhaltigen Verbindungen im Erdöl bilden Naphthensäuren. Auch aliphatische Carbonsäuren von der Methansäure HCOOH bis zur Heneicosansäure CH3(CH2)19COOH wurden im Erdöl gefunden. Außerdem kommen im Erdöl noch Phenole und Ketone vor. Die Naphthensäuren sind in amerikanischen Erdölen mit 0,1–0,3 %, in russischen und rumänischen Erdölen bis zu 3 % enthalten. Es handelt sich dabei um Verbindungen mit einem Fünf- oder Sechsring, an den die Carboxygruppe –COOH direkt gebunden oder Bestandteil einer Seitenkette ist: COOH
COOH
CH2(CH2)nCOOH
n = 0 bis 4 Cyclopentancarbonsäure
Cyclopentylalkansäure
Cyclohexancarbonsäure
Der Fünf- oder Sechsring der Naphthene enthält außerdem vielfach noch weitere Seitenketten, zumeist Methylgruppen, z.B.: COOH
CH2COOH H3C
CH3 CH3
CH3 3-Methylcyclopentylethansäure
2,2,6-Trimethylcyclohexancarbonsäure
Die Blei-, Cobalt- und Mangansalze der Naphthensäuren verwendet man als Sikkative. Dies sind Oxidationskatalysatoren für Anstriche und Firnisse. Kupfernaphthenate (= Kupfersalze der Naphthensäuren) dienen zum Imprägnieren von Baumwolle-, Jute und Hanffasern. Napalm findet Verwendung zur Herstellung von Benzingelen und Brandbomben. Es ist ein Gemisch, bestehend aus Aluminiumsalzen der Naphthensäuren und Aluminiumsalzen der aus Kokosöl gewonnenen Fettsäuren, das in Benzin gelöst, ein Gel bildet.
7.4 Destillationsfraktionen des Erdöls
257
Stickstoffhaltige Verbindungen. Stickstoffhaltige Verbindungen kommen in den Erdölen nur in kleinen Mengen vor, von 0,01 % bis 0,9 %. Zumeist sind es heterocyclische Stickstoffverbindungen, z.B. Pyridin, Pyrrolderivate, Chinolin usw. Schwefelverbindungen. Erdöle können bis 1 % Schwefelverbindungen enthalten. Es handelt sich dabei um Mercaptane (Thiole) R–SH, um Thioether R–S–R oder um Heterocyclen, in denen der Schwefel in einen Fünf- oder Sechsring eingebaut ist. Schwefelverbindungen im Erdöl sind unerwünscht, denn sie belasten nach Verbrennen von Erdölfraktionen als SO2 die Umwelt. Schwefelverbindungen in Benzin korrodieren außerdem bei der Verbrennung die Motoren. Es ist notwendig, den Schwefel aus den Erdölfraktionen zu entfernen.
7.4 Destillationsfraktionen des Erdöls Das Erdöl stellt ein komplexes Gemisch dar, das über tausend individuelle Verbindungen enthält. Damit es einer Nutzung zugeführt werden kann, ist es notwendig, es in Fraktionen aufzutrennen. Dies geschieht auf Grund der unterschiedlichen Siedetemperaturen der einzelnen Verbindungen mit Hilfe der fraktionierten Destillation. Die Destillation ist ein Trennverfahren, bei dem die zu destillierenden Flüssigkeiten durch Erhitzen in die Gasphase überführt und durch Abkühlen wieder verflüssigt werden (kondensieren). Sind zwei Stoffe in gleicher Menge in einem Flüssigkeitsgemisch vertreten, dann reichert sich die leichter flüchtige Verbindung mit der niedrigeren Siedetemperatur infolge ihres höheren Dampfdrucks in der Gasphase an. Die kondensierte Flüssigkeit hat, verglichen mit dem Ausgangsgemisch, einen höheren Stoffmengenanteil der leichtflüchtigen Komponente. Der Trenneffekt wird noch dadurch verbessert, wenn dafür gesorgt wird, daß der Wärme- und Stoffaustausch zwischen Gasphase und kondensierter Flüssigkeit (dem Kondensat) möglichst intensiv ist. Dies erzielt man, indem man die Destillationskolonne mit Füllkörpern bestückt (Draht-, Keramik- oder Glaskörper), an denen die kondensierte Flüssigkeit zurückläuft. Das zurücklaufende Kondensat hat eine große Oberfläche, womit ein inniger Kontakt mit der aufsteigenden Gasphase gegeben ist. Durch Einbauten von Glockenoder von Siebböden mit Füllkörpern in die Destillierkolonne kann der Trenneffekt verbessert werden. Die Destillation, die über Füllkörper oder über Glockenböden erfolgt, bezeichnet man als fraktionierte Destillation. Die Destillation des Erdöls erfolgt in der Rohöl-Destillationsanlage. Das Rohöl wird im Röhrenofen auf etwa 350°C aufgeheizt und gelangt in den Destillierturm (auch Fraktionierturm oder Destillierkolonne genannt). In diesem befinden sich Glocken- oder Siebböden. Das bei Normaldruck nicht verdampfbare Stoffgemisch sammelt sich am Boden des Destillierturms als sog. atmosphärischer Rückstand, während das restliche Stoffgemisch in Form von Dämpfen im Destillierturm hochsteigt. Beim Hochsteigen der Dämpfe werden diese kondensiert. Die auf den einzelnen Glockenböden befindlichen Kondensate werden seitlich abgezogen. Die Dämpfe müssen auf ihrem Weg zu dem höhergelegenen Boden zunächst die auf diesem Boden befindlichen Glocken durchströmen. Sie durchqueren dabei das schon angesammelte Destillat, wobei sie die noch im Destillat vorhandenen flüchtigen Anteile mitreißen. Für einen teilweisen Rücklauf des Kondensats sorgt ein im Boden befindlicher Überlauf. Auf
258
7 Erdöl
Destillat
Dampf Überlauf
Bild 7.2 Destillationsglocke
den niedriger gelegenen Glockenböden sammeln sich die Kondensate mit den höher siedenden Anteilen. Die Dämpfe mit niedriger siedenden Anteilen kondensieren erst auf den höher gelegenen Glockenböden. Die Kondensate auf den jeweiligen Glockenböden werden als Erdölfraktionen bezeichnet. Durch Destillation bei Normaldruck können folgende Fraktionen erhalten werden: Gase, Leicht- und Schwerbenzin, Petroleum und Gasöle. Die am Boden des Destillationsturmes angesammelten flüssigen Anteile, der sog. atmosphärische Rückstand, können dem schweren Heizöl zugeführt oder im Vakuum-Destillationsturm weiter aufgetrennt werden. Bei der weiteren Aufarbeitung des atmosphärischen Rückstands wird dieser zunächst in einem Röhrenofen erhitzt und gelangt in den Vakuum-Fraktionierturm. Im Vakuum haben die einzelnen Komponenten eine niedrigere Siedetemperatur, so daß auch die höhersiedenden Anteile noch verdampfen und durch Destillation getrennt werden können. Aus der Vakuum-Destillation kann man folgende Fraktionen gewinnen: Spindelöl, Schmieröldestillat und Zylinderöl. Je nach eingesetztem Rohöl kann der Vakuum-Rückstand dem schweren Heizöl zugegeben oder als Bitumen (Asphalt) verwendet werden. Von der Fraktionierung hängt es ab, wie eng geschnitten die abgezogenen Seitenströme sind. Die Literaturangaben weichen deshalb bezüglich des Siedebereichs der Fraktionen etwas ab. Die Siedebereichswerte in der weiteren Aufzählung der Erdölfraktionen wurden dem Buch vom Erdöl, das von der BP herausgegeben wurde, entnommen. Flüssiggas mit einem Siedebereich, der unter 0°C liegt, enthält Propan, Isobutan und Butan. Es wird in Camping-Kartuschen, in Druckflaschen zu Heizzwecken und als Füllung in Feuerzeuge verwendet. Leichtbenzin mit dem Siedebereich von 30–100°C (C5–C7) wird als Einsatzprodukt für die petrochemische Industrie und im Gemisch mit Schwerbenzin als Kraftstoff für Ottomotoren (Siedebereich 30–180°C) verwendet. Es kann in engere Fraktionen aufgetrennt werden: Petrolether mit Siedebereich 30–70°C (C5–C6), der als Lösungsmittel Verwendung findet, und Ligroin mit Siedebereich 60–100°C (C6–C7). Schwerbenzin mit einem Siedebereich von 100–150°C (C7–C9) dient nach dem katalytischen Reformieren als Einsatzprodukt hochwertiger Kraftstoff-Mischkomponenten. Außerdem kann es zusammen mit Leichtbenzin als Einsatzprodukt für die petrochemische Industrie verwendet werden.
7.5 Kennzahlen von Kraftstoffen
259 Gase Leichtbenzin Schwerbenzin Petroleum Leichtgasöl Schwergasöl Atmosph. Rückstand
Rohöl
350 °C Röhrenofen Destillationsturm
370 °C Röhrenofen
Vakuumpumpe Spindelöl Schmieröldestillat Zylinderöl
Vakuumrückstand Vakuumdestillationsturm
Bild 7.3
Rohöl-Destillationsanlage
Naphtha (C9-C11) wird mit einem Siedebereich von 150–180°C angegeben. Diese Fraktion dient im Gemisch mit Petroleum als Dieselkraftstoff und wird auch in der Petrochemie eingesetzt. Es muß noch erwähnt werden, daß der Begriff Naphtha manchmal nicht nur für diese Fraktion verwendet wird, sondern auch für das Schwerbenzin. Petroleum (auch Kerosin genannt) mit einem Siedebereich von 180–250°C (C12-C14) findet als Flugturbinenkraftstoff Verwendung und ist Bestandteil von Dieselkraftstoff und Heizöl. Früher wurde Petroleum auch häufig für Leuchtzwecke (Petroleumlampe) verwendet. Gasöle decken einen Siedebereich von 250–400°C ab. Man kann sie unterteilen in Leicht(250–350°C) und Schwergasöle (350–400°C). Sie dienen zur Herstellung von leichtem Heizöl (HEL = Heizöl extra leicht), das in Heizungen der Haushalte eingesetzt wird. Im Gemisch mit Petroleum wird es als Dieselkraftstoff verwendet. Die Fraktionen können in vielen Fällen nicht ohne weitere Aufarbeitung ihrem Verwendungszweck zugeführt werden. Die weitere Verarbeitung der Erdölfraktionen wird als Raffination bezeichnet.
7.5 Kennzahlen von Kraftstoffen 7.5.1 Die Octanzahl Im Otto-Motor wird gegen Ende des Kolbenhubs das komprimierte Benzin-Luft-Gemisch durch den Funken der Zündkerze entzündet. Die Flammfront durchwandert gleichmäßig das noch nicht entzündete Gemisch, wobei sich die Gase sukzessive ausdehnen, wodurch der Kolben nach unten bewegt wird. Bei einem ungeeigneten Benzingemisch kann es zu einer
260
7 Erdöl
Selbstentzündung des Gemisches kommen. Es verbrennt explosionsartig, die Folge ist das die Motorteile schädigende „Klopfen“ des Motors. Besonders n-Alkane verursachen das Klopfen des Motors, während verzweigte Alkane, Cycloalkane und Aromaten dafür weniger anfällig sind. Als Antiklopfmittel ist Tetraethylblei Pb(C2H5)4 geeignet. Die Bleistammlösung enthält außer 63 % Tetraethylblei noch 26 % Ethylbromid, 9 % Ethylchlorid und einen Farbstoff (2 %). Die Ethylhalogenide setzen sich mit dem während der Verbrennung entstehenden Bleioxid zu flüchtigen Bleihalogeniden um, die mit den Auspuffgasen ausgestoßen werden. Die Umwelt wird dadurch mit dem giftigen Schwermetall belastet. Damit man Tetraethylblei dem Benzingemisch nicht mehr zufügen muß, wird die Benzinfraktion für die Erhöhung der Octanzahl im Reforming-Prozeß veredelt, in dem die n-Alkane isomerisiert, cyclisiert und aromatisiert werden. Die Octanzahl wird außerdem noch durch Benzol (bis 5 % im Normalbenzin) und einen Zusatz von Methanol (ca. 3 % im Normalbezin) und Methyl-tert-butylether MTBE (siehe Abschnitt 12.3.1) erhöht. Die Octanzahl (OZ) ist das Maß für die Klopffestigkeit des zu untersuchenden Vergaserkraftstoffs. Ihre Bestimmung erfolgt durch Vergleich der Klopffestigkeit des zu untersuchenden Kraftstoffs mit einem Kraftstoff-Gemisch, bestehend aus zwei Komponenten, nämlich dem 2,2,4-Trimethylpentan, das als Isooctan bezeichnet wird, und dem n-Heptan. Dem Isooctan wird willkürlich die Octanzahl 100 und dem n-Heptan die Octanzahl 0 zugeordnet. CH3 H3C
C
CH3 CH2
CH
CH3
H3C
(CH2)5
CH3
CH3 Isooctan (OZ = 100)
n-Heptan (OZ = 0)
Der im Bezugsgemisch in Volumenprozenten ausgedrückte Anteil Isooctan steht gleichzeitig für die Octanzahl. Sind z.B. im Isooctan/n-Heptan-Gemisch 90 % Isooctan enthalten, entspricht dieses Gemisch der Octanzahl 90. Hat nun der untersuchte Kraftstoff unter den gleichen Versuchsbedingungen die gleiche Klopffestigkeit wie das Isooctan/n-Heptan-Gemisch, so wird dem Kraftstoff die Octanzahl des Vergleichsgemisches zugesprochen. Der Vergleich erfolgt in einem genormten Einzylindermotor, die Klopfstärke wird elektronisch gemessen und auf einer Skala am Klopfmesser abgelesen. Erfolgt der Test ohne Gemischvorwärmung bei gemäßigter Temperatur, wobei die Drehzahl auf 600 U/min gehalten wird, spricht man von einer Research-Octanzahl (ROZ). Normalbenzine haben eine Research-Octanzahl von 91, Super-Benzine eine von 95.
7.5.2 Die Cetanzahl Beim Dieselmotor wird das Kraftstoff-Luft-Gemisch ohne elektrische Zündung entzündet. Die während des Ansaugtaktes in den Zylinder eingeströmte Luft wird so stark komprimiert, daß die entstehende Temperatur allein genügt, um die Verbrennung des zum geeigneten Zeitpunkt eingespritzten, fein zerstäubten Kraftstoffs einzuleiten. In diesem Falle ist es also wünschenswert, daß die Entzündungstemperatur des Kraftstoffgemisches relativ niedrig liegt. Das Verhältnis von paraffinischen und naphthenischen und aromatischen Bestandteilen ist bei der Bewertung von Otto- und Dieselkraftstoffen gegenläufig. Allgemein haben paraf-
7.6 Das Cracken
261
finische Kohlenwasserstoffe die beste, aromatische Kohlenwasserstoffe hingegen die schlechteste Zündwilligkeit. Für die Bewertung von Dieselkraftstoffen ist die Zündeigenschaft des Kraftstoffes maßgebend, die durch die Cetanzahl charakterisiert wird. Diese wird ähnlich wie die Octanzahl in einem Spezialprüfmotor bestimmt. Als Vergleichsgemisch dient ein Gemisch von Cetan (= n-Hexadecan C16H34) und α-Methylnaphthalin. Dem Cetan wird die Cetanzahl 100 und dem α-Methylnaphthalin die Cetanzahl 0 zugeordnet. CH3
H3C
(CH2)14
CH3
Cetan (Cetanzahl = 100)
α-Methylnaphthalin (Cetanzahl = 0) (2-Methylnaphthalin)
7.6 Das Cracken Beim Cracken (engl. to crack = spalten) werden Bindungen der in Erdölfraktionen enthaltenen Inhaltsstoffe durch starkes Erhitzen gespalten. Alkane werden beim Cracken in Spaltprodukte mit kürzerer Kette zerlegt. Auf diese Weise können Fraktionen mit höherem Siedebereich in ein Produktgemisch mit niedrigerem Siedebereich umgewandelt werden, z.B. können durch Hydrocracken Gasöle zu Benzin gecrackt werden. Auch organische Schwefel-, Stickstoff- und Sauerstoffverbindungen können gecrackt werden. Beim katalytischen Cracken in Gegenwart von Wasserstoff werden die Heteroatome als H2S, NH3 bzw. H2O eliminiert. Dieses Verfahren ist vor allem wichtig für die Entschwefelung von Erdölfraktionen. Beim Cracken können Isomerisierungen, Cyclisierungen und Aromatisierungen eintreten. Dies wird im Reforming-Verfahren gezielt dazu benutzt, um aus Benzingemischen Kraftstoffe mit höherer Octanzahl zu bekommen. Auf die Ausbeute und die Produkte des Crackens haben die folgenden Reaktionsbedingungen Einfluß: Die Spalttemperatur. Bei Temperaturanstieg stoßen die Teilchen heftiger und häufiger zusammen. Es entstehen kürzere Spaltprodukte, die Spaltung verschiebt sich von der Kettenmitte zum Kettenende und die Crackgeschwindigkeit wird erhöht. Die Verweilzeit. Eine kurze Verweilzeit bringt eine hohe Ausbeute an Olefinen, eine lange Verweilzeit begünstigt Oligomerisierungen und eine Koksabscheidung. Der Partialdruck der Kohlenwasserstoffe. Nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges (LeChatelier-Prinzip) weichen Systeme dem äußeren Zwang aus. Bei höherem Partialdruck werden diejenigen Reaktionen bevorzugt, bei denen die Anzahl der Teilchen vermindert wird, und das sind im wesentlichen Polymerisationsvorgänge. Erniedrigt man den Partialdruck, z.B. durch Zusatz von Wasserdampf (siehe Steamcracking), erhält man niedrige Spaltprodukte und Olefine.
262
7 Erdöl
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten des Crackens: das thermische Cracken, das durch bloßes starkes Erhitzen des Einsatzgutes erfolgt, und das katalytische Cracken, bei dem zusätzlich Katalysatoren eingesetzt werden.
7.6.1 Thermisches Cracken Beim Erhitzen der Kohlenwasserstoffe nimmt die Schwingung der Atome im Molekül zu. Sie wird bei etwa 400°C so groß, daß die Bindungskräfte der C–C-Bindungen überwunden werden und die Spaltung des Moleküls einsetzt. Dabei entstehen Spaltprodukte mit kürzerer Kette. Die Bindung wird hierbei homöopolar gespalten, das heißt, sie wird so gespalten, daß von den zwei Elektronen der Bindung je ein Elektron bei dem jeweiligen Bindungspartner verbleibt. Es entstehen Radikale. Den Stoffumwandlungen beim thermischen Cracken liegt also ein Radikalmechanismus zugrunde. Als Beispiel sei das Cracken von Butan angeführt. Die Reaktion wird mit der Spaltung einer C–C- bzw. einer C–H-Bindung gestartet: H H3C
H3C
H3C
H3C
H
C
C
H
H
H
H
C
C
H
H
H
H
H Δ
CH3
H3C
H +
C
C
H
Δ
CH3
H3C
CH3
H
H
H
C
C
H
H
+
CH3
H
C
C
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
Δ
CH3
H
Δ
H3C
H3C
C
C
CH3
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
+
H
+
H
Anmerkung: Die gestrichelte Linie zeigt eine homolytische Spaltung der Bindung an. Die Radikale können mit einem Wasserstoffatom des Butanmoleküls unter Bildung eines Alkans (Methan, Ethan, Propan oder Butan) und eines primären oder sekundären Butylradikals reagieren.
7.6 Das Cracken
R
+
+
R
H
R
+
H
H
H
263
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
R
CH3
+
H
R
+
H
C
C
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
H
CH3
+
H
H
H
C
CH3
H
CH3
CH3
H
C
C
C
H
H
H
CH3
= Methyl-, Ethyl-, Propyl- oder Butylradikal
Radikale können zu Fragmenten zerfallen (radical fragmentation), wobei Alkene und Radikale mit kürzerer Kette oder ein Wasserstoffatom entstehen. H
H
H
C
C
C
H
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
H H
C
H
C
H
H
H
H
C
C
H
H
C H
C
CH3
+ H
H
H C
H
H3C
H C
C
H
CH3
H
+
CH3
+
H
H C
H
C
H
H H
H
H
+
C
H
CH3
CH3
C
H
CH3
H
CH2
C H
Der Abbruch der Kettenreaktion kann durch Rekombination zweier Radikale oder durch Disproportionierung erfolgen. Bei der Disproportionierung entsteht aus zwei Radikalen durch Übertragung eines Wasserstoffatoms gleichzeitig ein Alkan und ein Alken.
264
7 Erdöl
Rekombination zweier Radikale: R
+
R
R
R
R
+
H
R
H
H
+
H
H
H
Disproportionierung: H H3C
+
H
H
C
C
C
H
H
H
H H
CH4
CH3 C
+ H
C H
Es gibt zwei wichtige Verfahren des thermischen Crackens: das Visbreaking-Verfahren und das Steamcracken. 7.6.1.1 Das Visbreaking-Verfahren Es dient hauptsächlich dazu, Destillationsrückstände des Rohöls in leichtflüssiges Heizöl umzuwandeln. In diesem Verfahren werden vornehmlich lange Ketten bei einer relativ niedrigen Cracktemperatur (450–540°C) und kurzer Verweilzeit aufgespalten. 7.6.1.2 Das Steamcracken Dies ist eines der wichtigsten Crackverfahren überhaupt. Mit seiner Hilfe gewinnt man aus dem Rohbenzin Ethen und Propen. Bedenkt man, daß Ethen und Propen heute mengenmäßig zu den wichtigsten Grundstoffen der chemischen Industrie gehören und daß Ethen alleine schon die Ausgangsbasis für rund 30 % aller Petrochemikalien bildet, so kann man die Bedeutung des Steamcrackens ermessen. Der Crack-Prozeß erfolgt im Röhrenofen bei einer Temperatur von 800°C und einer Verweilzeit von 1 sec oder bei 900°C und einer Verweilzeit von 0,5 sec. Im ersten Falle wird hauptsächlich Ethen gebildet, im zweiten Falle ist auch die Ausbeute an Propen relativ hoch. Bei den hohen Cracktemperaturen muß die Verweilzeit kurz sein, sonst würden die Produkte carbonisieren, es würde Koks entstehen. Die Reaktionsprodukte müssen nach Austritt aus dem Crackofen mit Kühlöl rasch abgekühlt (abgeschreckt) werden. Der Partialdruck der Kohlenwasserstoffe hat bei der Spaltreaktion einen entscheidenden Einfluß. Ein hoher Partialdruck begünstigt Polymerisations- und Kondensationsreaktionen, während ein niedriger Partialdruck die Alkenausbeute erhöht. Um den Partialdruck der Kohlenwasserstoffe zu erniedrigen, wird zum Rohbenzin Wasserdampf zugemischt. Dieses Gemisch wird in den Crackofen eingeleitet. In diesem befindet sich ein 50– 150 m langes Röhrensystem, das auf 800°C bzw. 900°C aufgeheizt ist. Benzin und Wasserdampf strömen mit einer Geschwindigkeit von 830–860 km/h, sozusagen im Jet-Tempo, durch das Röhrensystem. Nach Verlassen des Crackofens werden die Reaktionsprodukte rasch auf 200°C abgekühlt. Aus dem Kühlturm werden sie in Trenntürme geleitet, wo sie in Ethen, Propen, Buten, Butadien und Crackbenzin aufgetrennt werden.
7.6 Das Cracken
265
Wasserdampf
Zu den Trenntürmen
Rohbenzin
Kühlturm Gasöl
800 °C Crackofen
Bild 7.4 Steamcracken
Kühlöl
Bei den Reaktionsbedingungen des Steamcrackens erfolgt bei den durch das Cracken entstandenen Radikalen eine β-Spaltung, wobei ein Ethenmolekül und ein um zwei C-Einheiten kleineres Radikal entsteht, das wiederum eine β-Spaltung erfährt. Diese β-Spaltung setzt sich über die ganze Kette fort.
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
Cα C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
H
H
H
H
β
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
H
H
H
C H
H C H
H +
H
+
C H
H C
C
H
H
H C H
+
C
H
H
7.6.2 Katalytisches Cracken Die Verwendung von Katalysatoren ermöglicht beim Cracken die Herabsetzung der Reaktionstemperatur. Das katalytische Cracken erbringt nicht nur eine Erhöhung der Benzinausbeute durch Cracken langkettiger Alkane aus höhersiedenden Anteilen, es dient auch der Verbesserung der Qualität der Kraftstoffe. Durch Cracken mit speziellen Katalysatoren kann in Gegenwart von Wasserstoff auch Schwefel aus den Schwefelverbindungen eliminiert werden.
266
7 Erdöl
Für das katalytische Cracken verwendet man zumeist saure Katalysatoren. Früher waren es natürliche Katalysatoren, z.B. Bentonit und Montmorillonit, sie wurden jedoch durch synthetische Aluminohydrosilikate verdrängt. Beim Cracken entstehen durch Anlagerung von Protonen an die beim Cracken entstandenen Alkene Carbeniumionen.
R
CH
CH2
+
H
R
CH
CH3
Isomerisierungen In Carbeniumionen können Umlagerungen von Alkylgruppen stattfinden (s. Wagner-Meerwein-Umlagerungen in Abschnitt 3.7.3.2). Aus n-Alkanen entstehen auf diese Weise durch Isomerisierungen beim Cracken in Gegenwart von Wasserstoff und Hydrierkatalysatoren, über Carbeniumionen als Zwischenprodukt, verzweigte Alkane. CH3 R
CH
CH2
CH3
R
C H
H3C CH2
H C
-H
C
R
H3C
Pt/H2
H
H C
C
R
H
H H
Alkylierungen Die beim katalytischen Cracken entstehenden Carbeniumionen sind Elektrophile, welche bei den gegebenen Reaktionsbedingungen elektrophil an Olefine addieren können. Auf diese Weise wird in das Alken ein Alkylrest eingebracht, es erfolgt also eine Alkylierung des Alkens, wobei wiederum ein Carbeniumion gebildet wird. CH3 H3C
CH3
C
H2C
C
CH3 CH3
H3C
CH3
C
CH3 CH2
C
CH3
CH3
Durch Aufnahme eines Hydridions kann sich aus dem Carbeniumion ein Alkan bilden, CH3 H3C
C
CH3 CH2
C
CH3 H3C
CH3 CH3
CH3 H
C
C
CH3 CH2
CH3 CH3
CH3
oder durch Abspaltung eines Protons ein Alken entstehen.
C H
CH3 CH3 C CH3
CH3
7.6 Das Cracken
267 CH3 H3C
CH3 H3C
C
CH3 CH2
C
C
CH3 CH2
C
CH2
+ H
CH3
+ H
CH3 CH3 CH3
CH3 H3C
C
CH3 CH
C
CH3
7.6.2.1 Das Festbettverfahren Das katalytische Cracken kann auf die Weise erfolgen, daß das Einsatzgut über den im Reaktor aufgeschichteten, also feststehenden Katalysator geleitet wird, z.B. beim Hydrofinieren oder katalytischen Reformieren. In diesem Fall spricht man vom Festbettverfahren. Nach längerem Gebrauch nimmt die Wirksamkeit des Katalysators infolge einer Ablagerung von Rußteilchen an seiner Oberfläche oder durch Einwirkung von Katalysatorgiften ab. Er muß deshalb von Zeit zu Zeit aus dem Reaktor zur Regenerierung herausgenommen und durch neuen Katalysator ersetzt werden. 7.6.2.2 Das Fließstaubverfahren (Wirbelschichtverfahren) Beim katalytischen Fließstaub-Crackverfahren erfolgt das Cracken mit aufgewirbeltem heißem Katalysatorstaub. Dieses am häufigsten angewandte Crackverfahren wird als FCCVerfahren (fluid catalytic cracking) bezeichnet. Heißes Schweröl und Wasserdampf werden in das Steigrohr (Riser) des Crackers eingeleitet und kommen dort mit dem aus dem Regenerator kommenden heißen Aluminohydrosilikatstaub (20–80μm), der als Katalysator dient, in Berührung. Das Einsatzöl verdampft sofort, gelangt in den Reaktor und wirbelt den Katalysatorstaub auf. Der so aufgewirbelte Staub wird nicht etwa aus dem Reaktor hinausgeblasen, er bildet vielmehr eine oben begrenzte Wirbelschicht im Reaktor. Diese Schicht wird auch als Fließbett bezeichnet. Innerhalb weniger Sekunden werden die Kohlenwasserstoffe an der Oberfläche des heißen Katalysators gecrackt. Das auf der Oberfläche des Katalysators verbleibende Öl wird mit heißem Wasserdampf abgestrippt. Die Crackprodukte verlassen den Reaktor, während der durch Rußbildung an der Oberfläche desaktivierte Katalysator in den Regenerator geleitet wird. Die in den Regenerator strömende Luft verbrennt den Ruß auf dem Katalysator, wodurch dieser regeneriert und bis auf 700°C aufgeheizt wird. Er kann wieder in das Steigrohr eingeleitet werden und das Einsatzöl cracken. Das im FCC-Verfahren erhaltene Gasöl hat noch einen relativ hohen Schwefelgehalt und bedarf einer Nachbehandlung durch katalytische Druckentschwefelung.
268
7 Erdöl
Verbrennungsgase
zur Destillation
Reaktor Regenerator Fließbett
verbrauc hte Katalysa r tor
Venti
Wasserdampf Steigrohr
alysa r Kat rierte e n e g re
heißes Einsatzöl und Wasserdampf
Bild 7.5
l
tor
Luft zum Abbrennen des Kohlenstoffs
Katalytisches Cracken im Wirbelschicht-Verfahren
7.6.2.3 Das Hydrocracken Mit diesem Verfahren werden Wachsdestillate zu Gasöl und Gasöle zu Benzin gecrackt. Durch Isomerisierung entstehen beim Crackprozeß verzweigte Paraffine und der Schwefelgehalt wird stark herabgesetzt. Dem Einsatzgut wird Wasserstoff zugemischt. Das Gemisch wird im Wärmetauscher vorgewärmt, im Röhrenofen erhitzt und in den Reaktor eingeleitet. Dieser arbeitet im Wirbelschichtverfahren. Das Cracken wird bei erhöhtem Druck und einer Temperatur von 430°C durchgeführt. Als Katalysator verwendet man die beim Cracken üblichen Aluminiumhydrosilikate, kombiniert mit Hydrierkatalysatoren (Co, Mo, Wo, Ni), welche durch Schwefelverbindungen nicht vergiftet werden. Es geht hier um ein katalytisches Cracken, das von einer katalytischen Hydrierung überlagert ist. Zur Produktion von Gasöl aus Wachsdestillaten genügt ein Reaktor, für Ottokraftstoff sind zwei Reaktoren mit verschiedenen Katalysatoren nötig. Der Nachteil des Hydrocrackens ist der relativ hohe Bedarf an Wasserstoff (300 m3 H2 je m3 Einsatzöl). 7.6.2.4 Das Hydrofinieren Beim Hydrofinieren (auch als Hydrotreaten bezeichnet) geht es vor allem um eine Druckentschwefelung. Mit diesem Verfahren werden Petroleum- oder Gasölfraktionen gecrackt. Organische Schwefel-, Stickstoff- und Sauerstoffverbindungen werden bei den Reaktionsbedingungen reduktiv gespalten und es entstehen H2S, NH3 und H2O. Ungesättigte Verbindungen werden hydriert.
7.6 Das Cracken
269
Das Einsatzgut wird im Röhrenofen erhitzt, mit Wasserstoff bzw. mit wasserstoffreichem Kreislaufgas vermischt und in den Reaktor eingeleitet. Die Reaktion erfolgt im Festbettreaktor (8 m hoch, 3 m Durchmesser) bei 300–380°C und 60 bar.Als Katalysator dient ein Kobalt-Molybdän-Katalysator, der in Form von Stäbchen (0,5 cm × 0,5 mm ) vorliegt, mit denen der Reaktor gefüllt ist. Die Reaktionsprodukte werden in den Gasabscheider geleitet, in dem die Gase vom flüssigen Anteil abgetrennt werden. Im Stripper werden Reste von Schwefelwasserstoff und leichte Kohlenwasserstoffe herausgestrippt. Der Wasserstoff wird im Kreislauf geführt, wobei noch wasserstoffreiches Platformergas nachgespeist wird. 7.6.2.5 Katalytisches Reformieren Das katalytische Reformieren dient vor allem dazu, aus Benzinfraktionen mit einem Siedebereich von 80–200°C klopffeste, hochwertige Benzine zu gewinnen. Hierbei hat sich besonders das Platforming-Verfahren (Abkürzung des Wortes platinium reforming ) der Universal Oil Products Company bewährt. Nach Entschwefelung wird das Benzin im Röhrenofen erhitzt und unter Zuspeisung von Wasserstoff in den Festbettreaktor eingeleitet. Die Reaktion erfolgt bei 380–480°C und einem Druck von 10–30 bar. Als Katalysator wird Platin verwendet. Dieses ist mit anderen Katalysatoren, z.B. Rhenium, das die Lebensdauer des Katalysators verlängert, auf hochreiner Tonerde aufgetragen. Die Umsetzung findet in drei hintereinander geschalteten Reaktoren statt. Beim Reformieren finden endotherme Prozesse statt (z.B. Dehydrierungen), so daß das Reaktionsgemisch abgekühlt wird. Um die Reaktion weiterführen zu können, ist es notwendig, sie noch in zwei weiteren Reaktoren ablaufen zu lassen, wobei das Reaktionsgemisch vor Eintritt in den nächsten Reaktor im Röhrenofen erhitzt werden muß. Beim katalytischen Reformieren treten folgende Reaktionen ein: 1.) Isomerisierungen: H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H H
C
H H
C
C
C
C
H
H
H
H
H
2.) Cyclisierungen: H H H
H
H3C C
C
H C H
C
C
H H
H
C
H H H
H
H3C H H H C C C H H H H C C C H H H H
+
H2
270
7 Erdöl
3.) Dehydrierung cyclischer Verbindungen zu Aromaten: H
H
H
C
H
C
CH3 H
C
C C
C
H H
CH3 H H
H C
Pt H
H H
C
C
C
H C C
+
3 H2
H
H
4.) Hydrocracking: z.B. C8H18
+
H2
C3H8
+
C5H12
Verzweigte Alkane und Cycloalkane haben ebenso wie Aromaten eine höhere Octanzahl als n-Alkane, so daß durch die beim Platforming erfolgenden Mesomerisierungen, Cyclisierungen und Aromatisierungen Benzingemische mit hoher Octanzahl gebildet werden. Zur Regenerierung des Katalysators werden entweder die Reaktoren durch Ersatzreaktoren (Swingreaktoren) ausgetauscht, oder es werden fortlaufend kleine Katalysatormengen abgezogen, diese regeneriert und wieder in den Reaktor eingebracht. Das Regenerieren erfolgt durch Erhitzen des Katalysators im Luftstrom.
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben ? 7.1 Was wissen Sie über die Entstehung des Erdöls?
? 7.2 Welche Inhaltsstoffe findet man im Erdöl?
? 7.3 Was versteht man unter thermischem und katalytischem Cracken?
? 7.4 Was versteht man unter Steamcracken und wozu dient es?
? 7.5 Beschreiben Sie das Platforming-Verfahren und geben Sie an, wozu es eingesetzt wird.
271
272
Lösungen
Lösungen ! 7.1 Winzige Schwebetierchen (Foraminiferen) bevölkerten in großer Zahl als Plankton (griech. Plankton = das Umhertreibende) das Wasser von Flachwasserzonen, Meeresbuchten und Binnenmeeren. Die abgestorbenen Mikroorganismen sanken am Meeresboden und bildeten ganze Schichten, die Faulschlammhorizonte, über welchen sich andere Sedimentschichten absetzten. In der organischen Substanz vollzogen sich reduktive Prozesse, durch die sich im Laufe der Jahrmillionen das Erdöl bildete.
! 7.2 Das Erdöl ist eine dunkelbraune viskose Flüssigkeit mit unangenehmem Geruch. Es besteht aus einem komplexen Substanzgemisch. In den meisten Erdölen bilden Alkane die Hauptfraktionen des Erdöls, wobei die n-Alkane überwiegen. Im Erdöl befinden sich auch alicyclische Verbindungen, welche als Naphthene bezeichnet werden, aromatische Verbindungen und Sauerstoffhaltige Verbindungen, mit Naphthensäuren als Hauptanteil. Stickstoffhaltige Verbindungen und Schwefelverbindungen sind nur bis höchstens 1% im Substanzgemisch des Erdöls vertreten. Es ist nötig Schwefelverbindungen aus den Erdölfraktionen zu entfernen, denn bei ihrer Verbrennung erfolgt eine Umweltbelastung durch Schwefeldioxid. Schwefelverbindungen im Benzin oder Dieselkraftstoff korrodieren bei der Verbrennung die Motoren.
! 7.3 Beim thermischen Cracken werden die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen bei einer Temperatur über 450°C gespalten (engl. To crack = spalten), wobei Spaltprodukte mit einer kürzeren Kette entstehen. Bei der Spaltung entstehen Radikale und es erfolgen Radikalreaktionen bei welchen Alkane mit kürzerer Kette und auch ungesättigte Verbindungen entstehen Die wichtigsten thermischen Crackverfahren sind das Visbreaking-Verfahren, das dazu dient, Destillationsrückstände des Rohöls in leichtflüssiges Heizöl umzwandeln und das Steamcracken, mit welchem Ethen und Propen erzeugt werden. Beim katalytischen Cracken erfolgt das Cracken in Gegenwart von Katalysatoren z.B. Aluminohydrosilikaten, die die Reaktionstemperatur herabsetzen. Es bringt eine Erhöhung der Benzinausbeute durch Cracken langkettiger Alkane aus höhersiedenden Anteilen. Isomerisierungs- und Alkylierungsreaktionen führen zu Produkten, die der Verbesserung von Kraftstoffen dienen.
! 7.4 Das Steamcracken ist ein Verfahren zur Herstellung von Ethen und Propen aus Rohbenzin. In den Crackofen, der aus einem bis 150 m langen Röhrensystem besteht, wird Rohbenzin und überhitzter Wasserdampf eingeleitet. Der Crackprozeß erfolgt bei 800°C und einer Verweilzeit von einer Sekunde, wobei Ethen entsteht, oder bei einer Temperatur von 900°C und einer Verweilzeit von 0,5 sec, wobei Propen als Hauptprodukt anfällt. Nach Verlassen des Crackofens werden die Reaktionsprodukte abgekühlt und in Trenntürmen aufgetrennt.
Lösungen
273
! 7.5 Das Katalytische Reformieren dient zur Gewinnung von klopffesten, hochwertigen Benzinen. Beim Platforming-Verfahren (Abkürzung von platinium reforming) wird das Benzin nach Entschwefelung im Röhrenofen erhitzt und unter Zuspeisung von Wasserstoff in Festbettreaktoren geleitet, in denen sich ein Platinkatalysator und andere Katalysatoren befinden. Es finden Isomerisierungen, Cyclisierungen, Dehydrierungen und Hydrocracking in diesen Reaktoren statt. Verzweigte Alkane, Cycloalkane und Aromate sind die Produkte dieser Reaktion. Sie haben eine höhere Octanzahl als n-Alkane aus denen sie gebildet wurden, so dass man durch das katalytische Reformieren ein klopffesteres Benzingemisch erhält.
8 Optische Isomerie
8.1 Das Licht als elektromagnetische Welle Betrachten wir zunächst einmal eine elektrische Glühlampe als Lichtquelle. Beim Durchgang des elektrischen Stromes durch den Wolframdraht der Glühlampe wird dieser erhitzt. Elektronen in den Wolframatomen werden in einen energiereicheren unstabilen angeregten Zustand versetzt. Bei Rückkehr des Elektrons in den vorhergehenden stabilen Grundzustand wird die aufgenommene Energie in Form von Licht abgestrahlt: E 2 − E1 = h ν
Das Symbol E2 bedeutet die Energie des Elektrons im angeregten Zustand, E1 die Energie des Elektrons im Grundzustand, h die Planck-Konstante und ν die Frequenz der Strahlung. Das Licht ist eine elektromagnetische Welle. Man kann sich ein einzelnes Wolframatom in diesem Fall als kleinen Sender vorstellen, der eine elektromagnetische Welle ausstrahlt. Der elektrische und magnetische Feldvektor stehen rechtwinklig aufeinander und im rechten Winkel zur Ausbreitungsrichtung des Lichts. Beide Vektoren schwingen in Ebenen, die aufeinander senkrecht stehen und sich in der Geraden schneiden, die der Lichtstrahl bei seiner Fortbewegung durchläuft. Bei der Fortpflanzung des Lichts entsteht durch die schwingenden Feldvektoren eine transversale (quer zur Ausbreitungsrichtung schwingende) Welle, wie dies in Bild 8.2 für den elektrischen Feldvektor veranschaulicht wird. Die Schwingungen dieses Vektors liegen in einer Ebene.
elektrischerFeldvektor
90°
magnetischer Feldvektor
Bild 8.1
90°
Ausbreitungsrichtung des Lichts
Der elektrische und magnetische Feldvektor des Lichts
8.1 Das Licht als elektromagnetische Welle
275
Wellenlänge λ
Fortbewegungsrichtung des Lichts
= elektrischer Feldvektor Bild 8.2
Die Schwingungen des elektrischen Feldvektors liegen in einer Ebene und beschreiben eine Wellenlinie.
8.1.1 Natürliches und linear polarisiertes Licht Ein einzelnes angeregtes Atom kann man sich als einen Dipol vorstellen, der elektromagnetische Schwingungen aussendet. Der elektrische Feldvektor der von einem einzigen Atom ausgestrahlten elektromagnetischen Welle schwingt in diesem Falle nur in einer Ebene. Licht, dessen elektrischer Vektor nur in einer Ebene schwingt, wird als linear polarisiertes Licht bezeichnet. Im glühenden Wolframfaden senden aber gleichzeitig viele Atome, die in diesem Augenblick verschieden räumlich orientiert sind, eine elektromagnetische Welle aus. In der Temperaturstrahlung (Strahlung von glühenden Körpern) überlagern sich sehr viele solcher Einzelakte in völlig ungeordneter Weise, so daß die elektrischen und magnetischen Vektoren des von der Glühlampe ausgestrahlten Lichtes in allen möglichen Ebenen schwingen. Bild 8.3 veranschaulicht schematisch, daß der elektrische Vektor des aus der Glühlampe stammenden natürlichen Lichtstrahls in allen möglichen, senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Lichtes stehenden, Ebenen schwingt, während der elektrische Vektor des linear polarisierten Lichtstrahls nur in einer Ebene schwingt. Man muß sich bei Betrachtung der Abbildung vorstellen, daß die Ausbreitungsrichtung des Lichtstrahls senkrecht zur Papierebene steht.
gewöhnlicher Lichtstrahl mit vielen Schwingungsebenen
linear polarisierter Lichtstrahl mit einer Schwingungsebene
Bild 8.3 Schwingungsebenen des elektrischen Feldvektors im gewöhnlichen und im linear polarisierten Lichtstrahl
276
8 Optische Isomerie
8.1.1.1 Das Nicolsche Prisma
Licht Licht
Licht
Aufschrift durch Kalkspat gesehen
Aufschrift
Bild 8.4
Die Doppelbrechung des Lichts im isländischen Kalkspat
Betrachtet man eine Aufschrift durch einen klaren isländischen Kalkspatkristall (aus CaCO3 bestehend) hindurch, so sieht man die Schrift doppelt. Dieses Phänomen der Doppelbrechung des Lichts im Kalkspat kann folgendermaßen erklärt werden: Das in den Kristall eintretende natürliche (unpolarisierte) Licht wird auf Grund der Kristallstruktur des Kalkspats in zwei Strahlen aufgespalten, die zueinander senkrecht linear polarisiert sind. Der ordentliche Strahl, dessen elektrischer Feldvektor senkrecht zur Hauptachse des Kristalls schwingt, wird bei senkrechtem Einfall nicht abgelenkt. Der außerordentliche Strahl, dessen elektrischer Feldvektor parallel zur Hauptachse schwingt, wird gebrochen. Entfernt man den außerordentlichen Lichtstrahl, so befindet sich im Blickfeld des Betrachters linear polarisiertes Licht, dessen elektrischer Feldvektor senkrecht zur kristallographischen Hauptachse des Kalkspats schwingt. Die Abtrennung des außerordentlichen Lichtstrahls kann mit Hilfe des Nicolschen Prismas geschehen. Das ist ein längliches Kalkspatstück, das durch Diagonalschnitt zersägt und an der Schnittstelle mit Kanadabalsam wieder zusammengeklebt wird. Der Kanadabalsam hat einen kleineren Brechungsindex als der Kalkspat. Der ordentliche Strahl tritt durch die Balsamschicht fast ohne Reflexionsverluste hindurch, während der außerordentliche Strahl auf diese Schicht unter einem Winkel auftrifft, der eine Totalreflexion zur Folge hat. Der außerordentliche Strahl wird in Richtung auf eine geschwärzte Wand reflektiert und von dieser absorbiert. Eine Vorrichtung, wie das Nicolsche Prisma, mit der man aus natürlichem Licht polarisiertes erzeugen kann, nennt man einen Polarisator. Justiert man zwei Nicolsche Prismen auf
unpolarisiertes Licht
außerordentlicher Strahl ordentlicher Strahl
90°
68°
polarisiertes Licht Nicolsches Prisma Bild 8.5
Das Nicolsche Prisma
8.2 Die optische Aktivität
277
Lichtquelle Polarisator
Analysa
Analysator
tor parall el zum P o
larisator
Analysator um 90° gedreht
Bild 8.6
hell
dunkel
Funktion des Polarisators und des Analysators
eine Achse, so erzeugt das der Lichtquelle nächst gelegene Prisma polarisiertes Licht. Dieses geht, wenn beide Prismen parallel zueinander stehen, ungehindert durch das zweite Nicolsche Prisma, das als Analysator bezeichnet wird, hindurch, und der Betrachter sieht ein helles Feld. Dreht man den Analysator, so wird das Blickfeld immer dunkler, bis es bei einer Drehung um einen Winkel von 90° vollkommen dunkel erscheint. In diesem Fall wird das auf den Analysator auffallende Licht, dessen elektrischer Vektor parallel zur Hauptachse des Kristalls steht, als außerordentlicher Strahl abgelenkt und trifft somit nicht auf das Auge des Betrachters.
8.2 Die optische Aktivität Es gibt Kristalle, z.B. Natriumchlorat- oder Quarzkristalle, die beim Durchgang des linear polarisierten Lichts die Schwingungsebene des polarisierten Lichts drehen. Diese Kristalle zeichnen sich durch eine asymmetrische Kristallstruktur aus. Man kann Quarzkristalle finden, deren Struktur so beschaffen ist, daß die Form des einen Kristalls dem genauen Spiegelbild des anderen entspricht. Der eine Kristall dreht die Schwingungsebene des polarisierten Lichtes im Uhrzeigersinn (rechtsdrehend), der andere in entgegengesetztem Sinne (linksdrehend). Stoffe, die die Eigenschaft besitzen, die Schwingungsebene des linear polarisierten Lichtes drehen zu können, bezeichnet man als optisch aktiv. In der Schmelze verliert Quarz diese Eigenschaft, er ist in diesem Zustand optisch inaktiv. Die optische Aktivität ist demnach an die Kristallstruktur dieser asymmetrischen Kristalle gebunden. Es gibt aber Verbindungen, die auch in Lösungen noch die Schwingungsebene des linear polarisierten Lichtes drehen können. In diesem Falle ist die optische Aktivität auf die Struktur der Moleküle zu-
278
8 Optische Isomerie
Bild 8.7 Quarzkristalle
rückzuführen. Die Drehung der Polarisationsebene des linear polarisierten Lichts beim Durchgang durch die Lösung eines optisch aktiven Stoffes ist auf die Wechselwirkung zwischen dem elektrischen Feld des Lichts und den in den Molekülen dieses Stoffes anwesenden Elektronen zurückzuführen. Moleküle, die eine Symmetrieebene, ein Symmetriezentrum oder eine Drehspiegelachse haben (siehe Abschnitte 8.3.1.1–8.3.1.3), sind, infolge der Symmetrie des Moleküls und damit der symmetrischen Elektronenverteilung im Molekül, optisch inaktiv. Bei Vorliegen einer Symmetrieebene, die das Molekül in zwei spiegelbildliche Hälften teilt, kann man sich vorstellen, daß um den gleichen Winkel, um den die eine Molekülhälfte nach links dreht, die andere Hälfte die Ebene des polarisierten Lichts nach rechts dreht, so daß im Endeffekt keine Drehung erfolgt. Bei Molekülen optisch aktiver Stoffe ist eine solche Kompensation nicht gegeben.
8.2.1 Die spezifische Drehung In der Lösung einer optisch aktiven Verbindung befinden sich im Lösungsmittel sehr, sehr viele Moleküle dieser Verbindung. Man kann sich vorstellen, daß jedes dieser Moleküle einen winzigen Beitrag zur Drehung der Polarisationsebene des linear polarisierten Lichts leistet. Das polarisierte Licht trifft, da die Moleküle in der Lösung verschieden orientiert sind, unter verschiedenen Winkeln auf sie auf. Daraus ergeben sich in den Einzelfällen unterschiedliche Drehungen der Polarisationsebene des polarisierten Lichts. Stellt man die Drehung der Polarisationsebene nach Durchgang des Lichts durch die Lösung fest, so stellt dies die Summe aller Einzelrotationen dar. Es handelt sich bei der festgestellten Drehung also um einen statistischen Wert, der bei genau gleichen Meßbedingungen reproduzierbar ist. Die Apparatur, mit der man die Drehung der Polarisationsebene feststellen kann, wird als Polarimeter bezeichnet. Sie besteht aus einer Lichtquelle, einem Polarisator, einem Analysator und einem Fernglas zur Beobachtung. Diese Teile befinden sich in einem Gehäuse, das aufklappbar ist, damit man in den Strahlengang des polarisierten Lichts zwischen Polarisator und Analysator ein Probenrohr mit der zu messenden Lösung einbringen kann. Außerdem ist an der Apparatur außen eine Kreisscheibe mit einer Gradeinteilung angebracht, von der man den Winkel, um den der Analysator gedreht wird, ablesen kann. Stehen vor Einbringen der Probe in den Strahlengang beide Nicolschen Prismen parallel zueinander, ist das Blickfeld
8.2 Die optische Aktivität
279
Lichtquelle Polarisator
Analysa
Analysator
Probenrohr
tor parall el zum P
olarisato
l Analysator um Winkel α gedreht
Kreisscheibe mit Gradeinteilung Beobachtungsfernrohr
r
α
dunkel
Auge
hell
α = gemessener Drehwinkel in Grad l = Länge des Probenrohrs in Dezimeter Bild 8.8
Das Polarimeter
optimal hell (siehe Bild 8.6). Nachdem das Probenrohr mit der zu messenden Lösung der optisch aktiven Substanz in den Strahlengang geschoben wurde, wird das Blickfeld dunkler, denn die Polarisationsebene wird beim Durchgang des Lichts durch die Lösung gedreht und schwingt dann in einer anderen Ebene. Es ist notwendig, den Analysator zu drehen, damit man wieder ein optimal helles Blickfeld hat. Der auf der Kreisscheibe gemessene Winkel, um den der Analysator gedreht wurde, ist der Drehwinkel α, der gleichzeitig angibt, um welchen Winkel die Polarisationsebene durch die Lösung gedreht wurde (siehe Bild 8.8). Der Drehwinkel α hängt von der Art und von der Anzahl der in Lösung befindlichen Moleküle der optisch aktiven Substanz ab, auf die der linear polarisierte Lichtstrahl während des Durchgangs durch das Probenrohr trifft. In konzentrierterer Lösung trifft der Lichtstrahl auf mehr gelöste Moleküle, so daß seine Polarisationsebene stärker gedreht wird. Der Drehwinkel steht deshalb in direktem proportionalen Verhältnis zur Konzentration der Lösung. Auch von der Länge des Probenrohrs ist er abhängig. Die doppelte Länge z.B. bedeutet, daß der Lichtstrahl auf seinem Weg durch die Lösung auch auf die doppelte Anzahl von Molekülen trifft. Will man vergleichbare Werte haben, ist es notwendig, den Drehwinkel α auf eine Konzentrationseinheit der Lösung und eine Längeneinheit des Probenrohrs zu beziehen. Die Konzentrationseinheit ist definitionsgemäß 1 g/mL und die Längeneinheit für das Probenrohr ist ein Dezimeter (dm) = 10 cm. Die spezifische Drehung [α] bezieht sich auf die angegebenen Einheiten. Außerdem wird berücksichtigt, daß die Messung auch geringfügig von der Wellenlänge des Lichts und der Temperatur abhängt. Erstere wird deshalb hinter der eckigen Klammer als Indexzahl und letztere als Hochzahl in °C angegeben. Genaue Messungen erfolgen oft mit dem Licht der gelben Natrium-Linie (D-Linie), was durch ein tiefgestelltes D hinter der Klammer ausgedrückt wird. Die spezifische Drehung [α] wird nach folgender Formel berechnet:
280
[ α]D20 =
8 Optische Isomerie gemessener Winkel α [ Grad] Konzentration [g mL] ⋅ Länge des Probenrohrs [ dm]
Die spezifische Drehung hängt auch vom Lösungsmittel ab. Dieses sollte deshalb in runden Klammern hinter dem entsprechenden Zahlenwert der spezifischen Drehung angeführt werden. Haben optisch aktive Verbindungen der gleichen Zusammensetzung, mit den gleichen Bindungspartnern im Molekül, unterschiedliche spezifische Drehungen, bezeichnet man sie als optische Isomere.
8.3 Die Chiralität Das Wort chiral leitet sich vom griechischen cheir ab, was auf deutsch übersetzt Hand bedeutet. Betrachtet man beide Hände mit der Handfläche zum Betrachter (siehe Bild 8.9), so kann man feststellen, daß sie einander ähnlich und gleich groß, aber seitenverkehrt sind. Das, was sich bei der einen Hand links befindet, ist bei der anderen Hand rechts. Legen wir die Hände so aufeinander, daß die Handflächen beider Hände zum Betrachter weisen, sehen wir, daß sie miteinander nicht zur Deckung gebracht werden können. Die Daumen befinden sich jeweils bei linker und rechter Hand auf der entgegengesetzten Seite. Beim Anziehen von Handschuhen kann man sich davon überzeugen, daß beide Hände nicht deckungsgleich sind. Der rechte Handschuh paßt nur auf die rechte und der linke Handschuh nur auf die linke Hand, sie sind gegenseitig nicht vertauschbar. Betrachtet man eine Hand im Spiegel, so kann man feststellen, daß ihr Spiegelbild das genaue Abbild der anderen Hand ist. Es gibt noch viele andere Objekte, die, ähnlich wie die beiden Hände, mit ihrer spiegelbildlichen Darstellung nicht deckungsgleich sind, z.B. Füße, Ohren, Schrauben und Wendeltreppen. Man kann sie als chiral („händig“) bezeichnen. Andere Objekte hingegen, die mit ihrem Spiegelbild identisch sind, z.B. Schachteln mit rundem oder quadratischem Boden oder ein Ball, gehören zu den achiralen (achiral = nicht chiral) Gegenständen. Die allgemeine Eigenschaft der „Händigkeit“, das heißt, daß das Objekt und dessen Spiegelbild sich, ähnlich wie die linke und die rechte Hand, nicht zur Deckung bringen lassen, wird als Chiralität bezeichnet.
linke Hand
rechte Hand
Bild 8.9 Rechte und linke Hand
8.3 Die Chiralität
281
Spiegelbild der linke Hand mit rechten Hand Handfläche zum Betrachter
rechte Hand
Bild 8.10 Die linke Hand gleicht dem Spiegelbild der rechten Hand.
8.3.1 Chirale und achirale Moleküle Moleküle, die mit ihrer spiegelbildlichen Darstellung, ähnlich wie linke und rechte Hand, nicht zur Deckung zu bringen sind, bezeichnet man als chiral, solche dagegen, die mit ihrer spiegelbildlichen Darstellung deckungsgleich (kongruent) sind, als achiral. Chirale Moleküle sind optisch aktiv, achirale Moleküle hingegen sind optisch inaktiv.
Chirales Molekül S
Spiegelbild
ne ebe l e g pie
I
I
I
Spiegelbild um 180° gedreht H
Br
Br
Cl
Cl
Cl
H
H I
Spiegelbild Chirales Molekül (Objekt)
Objekt
H
= Kohlenstoffatom
Br
Das Molekül und dessen Spiegelbild sind nicht deckungsgleich
Br Cl
Bild 8.11 Ein chirales Molekül und dessen Spielbild können nicht zur Deckung gebracht werden.
282
8 Optische Isomerie
Um zu erkennen, ob das Molekül chiral ist, kann man die Molekülstruktur räumlich zeichnen, auf dem Papier über eine Spiegelebene spiegeln, und dann gedanklich versuchen, durch Drehen und/oder Verschieben (Translation) das Molekül mit dessen Spiegelbild zur Deckung zu bringen. Das Spiegeln über eine Spiegelebene geschieht auf die Weise, daß man von jedem Bildpunkt eine durch die Spiegelebene durchgehende Senkrechte zieht und auf der gegenüberliegenden Seite der Ebene, in gleicher Entfernung von ihr, auf der Senkrechten einen äquivalenten Bildpunkt zeichnet. Die Methode des Zeichnens und gedanklichen Drehens des Spiegelbildes verlangt ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Einfacher ist es, wenn man das Modell des Moleküls baut, dessen spiegelbildliche Struktur anfertigt und versucht, beide zur Deckung zu bringen. Bild 8.11 zeigt ein chirales Molekül (Bromchloriodmethan). Wenn man dieses Objekt über eine Spiegelebene spiegelt, die spiegelbildliche Darstellung um die eingezeichnete Achse um 180° dreht, und dann das Spiegelbild über das Objekt hält, so sieht man, daß zwar die Wasserstoff- und die Iodatome übereinander stehen, nicht aber die Brom- und Chloratome. Das Molekül ist mit seinem Spiegelbild nicht zur Deckung zu bringen und ist also chiral. Eine weitere Methode, die Chiralität eines Moleküls zu erkennen, besteht darin, Symmetrieelemente des Moleküls zu bestimmen. Hat ein Molekül weder eine Symmetrieebene, noch ein Symmetriezentrum oder eine Drehspiegelachse, so ist es chiral. Besitzt es eines dieser Symmetrieelemente, so ist es achiral. Man kann zeigen, daß sich, bei Vorhandensein eines dieser Symmetrieelemente, das Molekül mit seiner spiegelbildlichen Darstellung zur Deckung bringen läßt. 8.3.1.1 Die Symmetrieebene Eine Symmetrieebene teilt beim Durchlegen durch das Molekül dieses in zwei spiegelbildliche Hälften. Für alle Atome auf der einen Seite der Symmetrieebene kann man – gegen-
Symmetrieebenen
O Cl
Cl
Cl
Chloroform (Trichlormethan) = Kohlenstoffatom
Acetaldehyd (Ethanal) = Wasserstoffatom
Bild 8.12 Moleküle mit einer Symmetrieebene
cis-1,2-Dimethylcyclopentan
8.3 Die Chiralität
283
überliegend auf der anderen Seite in gleicher Entfernung zur Symmetrieebene – ein äquivalentes Atom vorfinden. Die Symmetrieebene kann durchaus auch mitten durch Atome des Moleküls hindurchgelegt werden. Bild 8.12 zeigt die Struktur dreier Moleküle, die eine Symmetrieebene besitzen. Beim Molekül des Chloroforms kann man sich vorstellen, daß die Symmetrieebene durch ein Chlor-, das Wasserstoff- und das Kohlenstoffatom mitten hindurchgeht, und in gleicher Entfernung von der Symmetrieebene links und rechts von ihr sich jeweils ein Chloratom befinden. Beim Acetaldehyd schneidet die Symmetrieebene ein Sauerstoffatom, geht mitten durch die Doppelbindung und durch beide Kohlenstoffatome hindurch und schneidet ebenfalls noch zwei Wasserstoffatome. Beim cis-1,2-Dimethylcyclopentan halbiert die Symmetrieebene die Bindung der beiden die Methylgruppe tragenden Kohlenstoffatome, und geht mitten durch das dieser Bindung gegenüberliegende C-Atom und die beiden an ihn gebundenen Wasserstoffatome. Die Spiegelung des cis-1,2-Dimethylcyclopentanmoleküls über eine Spiegelebene in Bild 8.13 zeigt, daß das Molekül und sein Spiegelbild identisch sind. Man braucht sich nur vorzustellen, daß man beide, Objekt und Spiegelbild, übereinanderschiebt. 8.3.1.2 Das Symmetriezentrum Ein Symmetriezentrum (Inversionszentrum) ist der Punkt eines Moleküls, über den man von allen Atomen des Moleküls eine Gerade zu einem anderen äquivalenten Atom ziehen kann, wobei das Symmetriezentrum die Strecke halbiert. Die Spiegelung über das Symmetriezentrum wird als Inversion oder Punktspiegelung bezeichnet. In Bild 8.14 wird ein Molekül gezeigt, das ein solches Symmetriezentrum besitzt. Es befindet sich im Schnittpunkt der Gerade die die gegenüberliegenden C-Atome des viergliedrigen Ringes verbinden. In der Zeichnung wird die Punktspiegelung des Kohlenstoffes einer Methylgruppe durchgeführt. Die Entfernung dieses Kohlenstoffatoms zum Symmetrie-
Objekt
Spiegelebene
Bild 8.13 Cis-1,2-Dimethylcyclopentan und sein Spiegelbild
Spiegelbild
284
8 Optische Isomerie
Symmetriezentrum Cl
Cl
Bild 8.14 Molekül mit Symmetriezentrum
zentrum ist die gleiche, wie die vom Symmetriezentrum zum Kohlenstoffatom der anderen Methylgruppe. Man kann zeigen, daß Moleküle, die ein Symmetriezentrum besitzen, achiral sind, denn diese Moleküle lassen sich mit ihren Spiegelbildern durch Drehen zur Deckung bringen. Bild 8.15 zeigt das schon in Bild 8.14 abgebildete Molekül mit Symmetriezentrum nochmals, das nunmehr aber über eine Spiegelebene gespiegelt wird. Das Spiegelbild kann durch Drehung um die eingezeichnete Achse und Übereinanderschieben über das Objekt mit diesem zur Deckung gebracht werden, es ist mit dem Objekt deckungsgleich. 8.3.1.3 Die Drehspiegelachse Die Drehspiegelachse ist ein Symmetrieelement, das sich aus zwei aufeinanderfolgenden Symmetrieoperationen zusammensetzt: einer Drehung und einer Spiegelung. Die beiden Symmetrieoperationen können in beliebiger Folge durchgeführt werden. Ein Objekt besitzt eine n-zählige Drehspiegelachse, wenn es
Cl
Cl
Sp ieg ele
be ne
1.) nach einer Drehung um 360° / n um eine Drehachse und
Cl
Cl
Cl
Cl
180° Objekt
Spiegelbild
Spiegelbild nach Drehung mit Objekt deckungsgleich
Bild 8.15 Das Objekt mit Symmetriezentrum und dessen Spiegelbild sind deckungsgleich.
8.3 Die Chiralität
285
2.) nachfolgender (oder vorhergehender) Spiegelung an einer senkrecht zu dieser Achse orientierten Spiegelebene mit sich selbst zur Deckung kommt. Für n kann nur eine ganze Zahl stehen. Bei n = 1, 2, 3, 4, 5 und 6 spricht man von einer ein-, zwei-, drei-, vier-, fünf- und sechszähligen Drehspiegelachse. Setzt man für n = 1 ein, bedeutet das eine Drehung um 360°. Führt man nachher noch die Spiegelung durch, so bekommt man das gleiche Ergebnis wie mit einer Spiegelung über eine Symmetrieebene. Bei einer zweizähligen Drehspiegelachse gilt n = 2, was eine Drehung um 180° bedeutet. Die nachfolgende Spiegelung um die senkrecht zur Drehspiegelachse liegende Ebene bringt das gleiche Ergebnis wie die Punktspiegelung über ein Symmetriezentrum. Liegt in einer Verbindung ein Molekül vor, das eine Drehspiegelachse besitzt, so ist die Verbindung achiral. Das in Bild 8.16 gezeigte Molekül eines Tetrachlorspirans (die beiden Fünfringe mit einem gemeinsamen C-Atom stehen senkrecht aufeinander, die Ringebenen sind zueinander um 90° gedreht) hat eine vierzählige Drehspiegelachse. Bei der Spiegelung werden alle über der Ebene stehenden Atome senkrecht zur Spiegelebene nach unten und die unter der Spiegelebene befindlichen Atome nach oben gespiegelt. Dreht man dann das Molekül an der senkrecht zur Spiegelebene stehenden Drehachse um 90°, so führt dies zu einer äquivalenten Orientierung des Moleküls. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man die Symmetrieoperationen in umgekehrter Reihenfolge durchführt, also erst um 90° dreht und dann spiegelt. Man kann, wie dies in Bild 8.17 dargestellt wird, zeigen, daß im Falle des Vorliegens einer Drehspiegelachse das Molekül mit seinem Spiegelbild zur Deckung gebracht werden kann, also achiral ist. Zum Beweis dafür wird das Spiegelbild zunächst um eine waagrechte Achse um 180° und dann um die senkrechte Achse um 90° gedreht. Nach dieser Orientierung des Spiegelbildes ist ersichtlich, daß es mit dem Objekt selbst deckungsgleich ist.
Spiegelebene 1. Spiegelung
= Chlor
= Kohlenstoff
2. Drehung
= Wasserstoff
Bild 8.16 Molekül mit vierzähliger Drehspiegelachse
286
8 Optische Isomerie um waagerechte Achse 180° drehen
90°
um senkrechte Achse 90° drehen
180°
Objekt
Spiegelebene
= Chlor
Spiegelbild ist mit Objekt identisch
Spiegelbild
= Kohlenstoff
= Wasserstoff
Bild 8.17 Ein Molekül mit Drehspiegelachse ist mit seinem Spiegelbild deckungsgleich.
Sollte es Ihnen Schwierigkeiten bereiten, anhand der Abbildungen nachzuvollziehen, wie nach dem Drehen des Moleküls die Atome orientiert sind, so darf ich Ihnen empfehlen, die Drehungen nach Angaben in der Zeichnung mit einem Molekülmodell durchzuführen. Ein Beispiel für eine sechszählige Drehspiegelachse bietet das in Sesselform vorliegende Cyclohexan. Durch Spiegelung des Cyclohexanrings an einer zur Drehachse D senkrecht stehenden Ebene (die die C–C-Bindungen in der Mitte schneidet) und Drehung an der Achse um 60°, gelangt man zu einer äquivalenten Orientierung des Moleküls.
senkrecht zur Achse befindliche Spiegelebene D Spiegelung
D 60°
Drehung von 60° um die Achse
Bild 8.18 Das Cyclohexanmolekül hat in Sesselkonformation eine sechszählige Drehspiegelachse.
8.4 Enantiomere
287
Eine einzählige Drehspiegelachse und eine Symmetrieebene sind äquivalent. Ebenso besteht Äquivalenz zwischen einer zweizähligen Drehspiegelachse und einem Symmetriezentrum. Die Definition, daß ein Molekül dann chiral ist, wenn es keine Symmetrieebene, kein Symmetriezentrum und keine Drehspiegelachse besitzt, läßt sich deshalb einfacher dahingehend variieren, daß das Molekül dann chiral ist, wenn es keine Drehspiegelachse besitzt. Bei Vorliegen einer Drehspiegelachse ist das Molekül achiral. Bestehende Praxis zur Feststellung der Chiralität ist es jedoch, zunächst zu prüfen, ob das Molekül eine Symmetrieebene oder ein Symmetriezentrum hat, weil dies einfacher als das Auffinden einer Drehspiegelachse ist. Bei der Symmetrieebene bedarf es nur der Spiegelung und beim Symmetriezentrum nur der Punktspiegelung, während die Drehspiegelachse zwei Symmetrieoperationen verlangt, nämlich die Drehung und die Spiegelung. Hat man schon einmal festgestellt, daß das Molekül eine Symmetrieebene oder ein Symmetriezentrum hat, weiß man, daß es achiral ist, und man braucht sich nicht mehr damit zu befassen, ob es Drehspiegelachsen hat. Erst wenn man festgestellt hat, daß das Molekül weder eine Symmetrieebene noch ein Symmetriezentrum hat, wird festgestellt, ob Drehspiegelachsen im Molekül zu finden sind. Diese Vorgehensweise ist auch dadurch gerechtfertigt, daß achirale Moleküle zumeist eine Symmetrieebene oder ein Symmetriezentrum besitzen.
8.4 Enantiomere Gibt es zwei optische Isomere, deren räumliche Strukturen dem Verhältnis von Objekt und dessen Spiegelbild entsprechen, so bezeichnet man diese als Enantiomere, optische Antipoden oder Spiegelbildisomere. Enantiomere (griech. enantion = das Gegenteil) haben die Eigenschaft, daß das eine Isomer die Ebene des linear polarisierten Lichts im Uhrzeigersinn und das andere um genau den gleichen Betrag entgegen dem Uhrzeigersinn drehen. Dreht eine Substanz im Uhrzeigersinn, wird sie als rechtsdrehend bezeichnet. Vor dem Namen der Substanz kann in Klammer ein Pluszeichen geschrieben werden (+). Bei einer linksdrehenden Verbindung schreibt man vor ihre Bezeichnung in Klammer ein Minuszeichen (–). Enantiomere haben, außer, daß sie die Ebene des polarisierten Lichts in entgegengesetztem Sinne drehen, gleiche physikalische Eigenschaften. Sie haben z.B. gleiche Schmelz- und Siedetemperaturen, die gleiche Löslichkeit usw. Sie haben auch gleiche chemische Eigenschaften, soweit bei einer chemischen Reaktion die Reaktionspartner achiral sind.
8.4.1 Racemische Gemische Ein Gemisch, das beide Enantiomere zu gleichen Teilen enthält, wird als racemisches Gemisch, racemische Form oder Racemat bezeichnet. Für ein solches Gemisch – in der Gasphase, als Flüssigkeit oder als Lösung vorliegend – werden alle drei Ausdrücke synonym verwendet. Für Feststoffe (siehe weitere Ausführungen) wird bei diesen Begriffen unterschieden, wobei der Begriff „racemische Form“ allgemeine Bedeutung hat. Das Wort „racemisch“ leitet sich vom lateinischen Wort racemus = Weintraube ab. In der Weintraube ist ein
288
8 Optische Isomerie
Gemisch beider Enantiomere der Weinsäure enthalten, das als Traubensäure bezeichnet wird. Beim Durchgang des polarisierten Lichts durch die Lösung eines Racemats wird die Ebene des polarisierten Lichts, trotz des Vorliegens zweier optisch aktiver Stoffe, insgesamt nicht gedreht. Dreht nämlich das eine Enantiomer die Ebene des polarisierten Lichtes um einen bestimmten Winkel im Uhrzeigersinn, so dreht das andere Enantiomer sie um den gleichen Betrag entgegen dem Uhrzeigersinn. Liegt das racemische Gemisch als Gas oder Flüssigkeit vor oder befindet es sich in Lösung, so hat es, außer der einen Eigenschaft, daß es die Ebene des polarisierten Lichts nicht dreht, die gleichen physikalischen Eigenschaften (Siedetemperatur, Brechungsindex, Lichtabsorption) wie Stoffe mit nur einem Enantiomer. Beim Auskristallisieren der Stoffe aus der Lösung eines racemischen Gemisches spielen die Anziehungskräfte eine Rolle, die in der racemischen Form einerseits zwischen den Molekülen enantiomerer Paare (zwischen Paaren bestehend aus je einem (+) und einem (–) drehendem Molekül) und andererseits zwischen zwei gleichsinnig drehenden Molekülen (beide rechts- (+) oder beide linksdrehend (–)) wirken. Unterschiede der Schmelztemperaturen können festgestellt werden zwischen Konglomeraten bzw. Racematen und Feststoffen, die nur einen der Enantiomere enthalten. Sie sind auf unterschiedliche Wechselwirkungen im Feststoff zwischen Molekülen enantiomerer Paare und zwischen gleichsinnig drehenden Molekülen zurückzuführen. Bei Feststoffen muß man zwischen den Begriffen racemische Gemische, racemische Verbindungen und racemische Mischkristalle unterscheiden, man gebraucht sie in diesem Falle nicht als Synonyma. 8.4.1.1 Racemische Gemische (Konglomerate) Sind die Anziehungskräfte zwischen den gleichsinnig drehenden Molekülen größer als zwischen Molekülen enantiomerer Paare, erhält man beim Auskristallisieren ein Konglomerat, wobei die Kristalle eine einheitliche feste Phase bilden, oder es entstehen in gleichem Verhältnis Kristalle, die in ihrer Form in spiegelbildlichem Verhältnis zueinander stehen. Jeder individuelle Kristall enthält nur Moleküle mit gleichem Drehsinn. Enantiomere (zueinander spiegelbildliche) Kristalle kann man, wie der französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur dies mit den Kristallen des D- und L-Natriumammoniumtartrats getan hat (siehe Abschnitt 8.10.1.1), mit der Pinzette herausholen und die Enantiomere auf diese Weise voneinander trennen. Allerdings ein arbeitsaufwendiges Verfahren! 8.4.1.2 Racemische Verbindungen (Racemate) Im Falle, daß die Kräfte zwischen enantiomeren (+)- und (–)-Molekülen (das eine rechtsund das andere linksdrehend) größer sind als zwischen Molekülen mit gleichem Drehsinn, so kristallisiert eine Molekülverbindung aus, die beide Enantiomere im Verhältnis 1:1 enthält. Im Racemat sind in jedem individuellem Kristall beide Enantiomere in gleicher Menge enthalten. 8.4.1.3 Racemische Mischkristalle Racemische Mischkristalle liegen vor, wenn zwischen Molekülen der Enantiomerenpaare und den Molekülen mit gleichem Drehsinn (reine Enantiomere) gleiche Wechselwirkungen bestehen. Die beiden Enantiomere kristallisieren als einheitliche feste Phase aus.
289
Schmelztemperatur
8.5 Das asymmetrische Kohlenstoffatom
(R)
50 % R 50 % S Konglomerat
(S) (R)
(S) (R) 50 % R 50 % S Racemat
50 % R 50 % S Racemat
(S)
Bild 8.19 Schmelzpunktdiagramme für Konglomerate und Racemate
Bei Vorliegen racemischer Mischkristalle stimmen die Schmelztemperaturen mit denen der reinen Enantiomere überein, wogegen sich die Schmelztemperaturen bei Konglomeraten oder Racematen von denen der reinen Enantiomere unterscheiden. Konglomerate haben eine tiefere Schmelztemperatur, während Racemate eine höhere oder tiefere Schmelztemperatur als die reinen Enantiomere haben können.
8.5 Das asymmetrische Kohlenstoffatom Ein Kohlenstoffatom, das vier verschiedene Liganden bindet, wird als asymmetrisches C-Atom bezeichnet. Das asymmetrische C-Atom wird manchmal in der Formel mit einem Sternchen C* gekennzeichnet. (-)-Milchsäure
(+)-Milchsäure 180°
HO
OH
O
OH
H3C
H
OH
O
O C
C
um
18
0°
eh dr ge
t
HO H
CH3
C
H3C
H OH
(+)-Milchsäure
= asymmetrisches C-Atom
Bild 8.20 Enantiomere der Milchsäure
290
8 Optische Isomerie
Moleküle, die ein asymmetrisches C-Atom besitzen, sind immer chiral. Verbindungen mit zwei oder mehreren asymmetrischen C-Atomen sind ebenfalls chiral, mit Ausnahme der Fälle, wo im Molekül eine Symmetrie vorliegt (z.B. die meso-Weinsäure). In Bild 8.11 wird ein Molekül mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom dargestellt, und es wird auch gezeigt, daß das Molekül mit seinem Spiegelbild nicht deckungsgleich ist, es ist chiral. Der asymmetrische Kohlenstoff wird auch als Chiralitätszentrum bezeichnet, und man spricht bei seinem Vorliegen von einer zentralen Chiralität. Bei den meisten optisch aktiven organischen Substanzen liegt eine zentrale Chiralität vor. Verbindungen mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom können als (+)- oder (–)-Enantiomer vorliegen wie z.B. die Milchsäure. In Bild 8.20 wird gezeigt, daß die beiden spiegelbildlichen Formen der Milchsäure Enantiomere sind, denn sie sind durch Drehung des Moleküls nicht zur Deckung zu bringen. In der Abbildung befinden sich zwar die Methyl- und Carboxygruppe beider Enantiomere in Deckung, die Hydroxygruppe und das Wasserstoffatom aber sind bei den beiden Enantiomeren vertauscht. Im Muskel ist das rechtsdrehende Enantiomer, die (+)-Milchsäure, anzutreffen, während in saurer Milch ein Racemat der Milchsäure, also das (+)- und das (–)Enantiomer in gleichem Verhältnis, enthalten sind.
8.5.1 Absolute und relative Konfiguration Zunächst sollen die Begriffe Konstitution, Konfiguration und Konformation geklärt werden. Die Konstitution bezieht sich auf die Art der Bindungen und die Bindungspartner, das heißt, welche Atome miteinander und mit welchen Bindungen (Einfach-, Doppel- oder Dreifachbindung) sie verknüpft sind. Die Konstitution eines Moleküls ersieht man aus der Konstitutionsformel. Dieser Formel kann man z.B. entnehmen, daß das cis-1,2-Dimethylcyclohexan einen Sechsring hat und die beiden Methylgruppen an benachbarte C-Atome des Sechsrings gebunden sind. Man kann aber nicht feststellen, ob es sich um ein cis- oder trans-Isomer handelt. Die Konfiguration gibt die räumliche Anordnung der Atome im Molekül an, wobei aber die verschiedenen Anordnungen der Atome, die sich aus der freien Drehbarkeit der Atome um die Einfachbindung ergeben können, nicht berücksichtigt werden. An der Konfigurationsformel erkennt man, daß es sich beim cis-1,2-Dimethylcyclohexan um das cisIsomer handelt, man kann aus ihr aber nicht ersehen, welches Konformer vorliegt, z.B. ob der Cyclohexanring die Sessel- oder Wannenform hat. Die Konformation schließlich gibt die räumliche Anordnung aller Atome wieder, wobei auch die freie Drehbarkeit um die Einfachbindung berücksichtigt wird. So ist z.B. aus der Konformationsformel des cis-1,2-Dimethylcyclohexans ersichtlich, daß dieses in Sesselform vorliegt und eine axiale und eine äquatoriale Methylgruppe aufweist. Es gibt keine einfache Beziehung zwischen dem Drehsinn einer optisch aktiven Substanz und der absoluten (= realen) Konfiguration ihrer Moleküle. Bis zum Jahre 1951 hatte man keine Mittel, die absolute Konfiguration zu bestimmen. Der an der Universität in New York lehrende Dozent Rosanoff schlug im Jahre 1906 den Glycerinaldehyd (der einfachste Zucker mit asymmetrischem C-Atom) als Standardverbindung vor, auf die die Konfiguration der Zucker bezogen werden sollte. Dem rechtsdrehenden (+)-Glycerinaldehyd wurde willkürlich die in Bild 8.22 gezeigte Konfiguration zugeordnet und dieser als D-Glycerinaldehyd be-
8.5 Das asymmetrische Kohlenstoffatom
CH3
291
H
H 3C
CH3
CH3
CH3 H
H
CH3
H
Konstitutionsformel
Konfigurationsformel
Konformationsformel
Bild 8.21 Konstitutions-, Kofigurations- und Konformationsformel des cis-Dimethylcyclohexans
zeichnet, wobei D für das lateinische Wort dexter = rechts steht. Der linksdrehende (–)- Glycerinaldehyd wurde L-Glycerinaldehyd benannt. L ist der Anfangsbuchstabe des lat. Wortes laevis = links. Andere Verbindungen wurden zum Glycerinaldehyd in Beziehung gebracht und damit ihre relative Konfiguration bestimmt. Dies geschah durch chemische Reaktionen, bei welchen die untersuchten Verbindungen in Glycerinaldehyd oder in eine Verbindung überführt wurden, deren Konfiguration schon in Relation zum Glycerinaldehyd gebracht worden war. Die Bestimmung der relativen Konfiguration einer Verbindung erfolgt also so, daß die Konfiguration der einen mit der einer anderen Verbindung korreliert wird. Die relative Konfiguration einer Verbindung zum D-(+)-Glycerinaldehyd kann auch so bestimmt werden, daß man von einem Enantiomer des Glycerinaldehyds ausgehend die Verbindung, deren relative Konfiguration man feststellen will, synthetisiert. Bei den chemischen Reaktionen darf die Konfiguration am chiralen Kohlenstoff nicht verändert werden. Man kann z.B., ausgehend vom D-(+)-Glycerinaldehyd die meso-Weinsäure und die D-(–)-Weinsäure synthetisieren (siehe Bild 8.23). Zuerst wird HCN an die C=O-Doppelbindung addiert. Es entsteht ein weiteres asymmetrisches C-Atom, wobei, da das Cyanidanion sich an das C-Atom der Ketogruppe von zwei einander gegenüberliegenden Seiten anlagern kann, zwei optische Isomere entstehen. Die Nitrilgruppe wird mit einer Säure zur Carboxygruppe hydrolysiert. Die –CH2OH-Gruppe wird mit HNO3 oxidiert, so daß im Molekül eine weitere Carboxygruppe vorliegt. Mit dieser Reaktionsfolge konnte die relative Konfiguration der D-(–)-Weinsäure in Relation zum D-(+)-Glycerinaldehyd bestimmt werden.
H
O
O
H C
C
OH
HOH2C H
D- (+)-Glycerinaldehyd
HO H
CH2OH
L-(-)-Glycerinaldehyd
Bild 8.22 Enantiomere des Gycerinaldehyds
292
8 Optische Isomerie –
C
N
C
O H+
H
C
N OH
H
N H
HO
C *
H
OH
H
OH
*
+ H
HOCH2
HOCH2 D-(+)-Glycerinaldehyd
HOCH2
H + /H2O
O
H + /H2O O
OH OH
H
H
HO *
* H
OH
OH
H
HOCH2
HOCH2
Oxidation
* = asymmetrisches C-Atom, das vor der Reaktion schon O OH vorhanden war. C Die räumliche Anordnung H OH seiner Liganden bleibt unverändert = schräg nach rückwärts gerichtete Bindungen
Oxidation
O
H
HO *
* H
OH
H
C
HO
O
meso-Weinsäure
D-(–)Weinsäure
O
Bild 8.23 Synthese der aldehyd
OH C
C = schräg nach vorne gerichtete Bindungen
OH C
C
= asymmetrisches C-Atom, das bei der Reaktion neu entstanden ist
OH
OH HO
*
D-(-)-Weinsäure
und der meso-Weinsäure, ausgehend vom D-(+)-Glycerin-
Bijvoet bestimmte 1951 erstmals an einem Einkristall des Natrium-Rubidium-Salzes des rechtsdrehenden Enantiomers der Weinsäure durch Röntgenstrukturanalyse die absolute Konfiguration dieser Verbindung. Es zeigte sich, daß die seinerzeit willkürlich festgelegte Konfiguration des D-(+)-Glycerinaldehyds richtig war, daß sie der wirklichen (absoluten) Konfiguration entspricht.
8.6 Nomenklatur chiraler Verbindungen
293
8.6 Nomenklatur chiraler Verbindungen 8.6.1 Die D/L-Nomenklatur Die D/L-Nomenklatur ist auch heute noch in Gebrauch, wenn Aminosäuren, Hydroxysäuren und Zucker mit Trivialnamen benannt werden. In diesen Verbindungen bindet jedes asymmetrische Kohlenstoffatom zwei weitere Kohlenstoffatome, ein Wasserstoffatom und eine Hydroxygruppe (-OH) oder eine Aminogruppe (-NH2). Die Aminosäuren haben an das asymmetrischen C-Atom eine Aminogruppe, die Hydroxysäuren und die Zucker eine Hydroxygruppe gebunden. Die Formeln der vorgenannten Verbindungen werden gewöhnlich in der Fischer-Projektion geschrieben. Sollen Aminosäuren, Hydroxysäuren oder Zucker in der Fischer-Projektion dargestellt werden, muß man sich das Molekül folgendermaßen im Raum orientiert vorstellen: 1.) Die Kohlenstoffkette des Moleküls steht senkrecht, wobei das in der Kette endständige C-Atom mit der höheren Oxidationszahl oben steht. Geordnet nach der Oxidationszahl haben die funktionellen Gruppen folgende Präferenz: –COOH > C=O > –CHO > –CH2OH. 2.) Man betrachtet jedes asymmetrische C-Atom so, daß die von ihm ausgehenden Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen schräg nach rückwärts weisen. Diese Bindungen stehen in der Fischer-Projektionsformel senkrecht. Die Bindung zum Wasserstoff ebenso wie die Bindung zum Substituenten (–OH- oder –NH2-Gruppe) gehen schräg nach vorne und werden in der Fischer-Projektion waagerecht gezeichnet.
O
O
H C
H
C
OH
HOCH2 Modell
H C
Konfigurationsformel
H
C
OH
HOCH2 Fischer-Projektionsformel
= Kohlenstoffatom = Sauerstoffatom
= nach rückwärts gerichtete Bindung
= Wasserstoffatom
= nach vorne gerichtete Bindung
Bild 8.24 Modell und Formeln des D-(+)-Glycerinaldehyds in verschiedener Schreibweise
294
8 Optische Isomerie
C-Atom mit höchster Oxidationszahl oben O
unteres asymmetrisches C-Atom
H C
=C
HO
* C
H
H
C*
OH
Substituent rechts
=O =H Modell
CH2OH
Fischer-Projektionsformel
Bild 8.25 Fischer-Projektionsformel der D-(–)-Threose
Aus der Fischer-Projektionsformel kann man ersehen, ob eine D- oder eine L-Verbindung vorliegt. Bei den α-Aminosäuren betrachtet man die am α-ständigen C-Atom (das C-Atom in Nachbarschaft zur Carboxygruppe) befindliche Aminogruppe. Steht sie in der Projektionsformel links, ist es eine L-Aminosäure, befindet sich die NH2-Gruppe rechts, ist es eine D-Aminosäure. In Hydroxysäuren und Zuckern legt man zunächst in der senkrecht orientierten Kette das zu unterst stehende asymmetrische C-Atom fest. Die an dieses C-Atom gebundene Hydroxygruppe bestimmt, ob die Verbindung eine D- oder L-Verbindung ist. Befindet sich in der Fischer-Projektionsformel die OH-Gruppe rechts vom asymmetrischen C-Atom, handelt es sich um eine D-Verbindung, steht sie links, so liegt eine L-Verbindung vor. Die D-Form und die L-Form chiraler Moleküle stehen in spiegelbildlicher Relation zueinander, es sind Enantiomere. In den Fischer-Projektionsformeln sind bei den enantiomeren D- und L-Verbindungen die an asymmetrischen C-Atomen (durch Sternchen markiert) befindlichen Substituenten und HAtome seitenvertauscht (siehe nächste Seite). Die Bezeichnung D- und L- bezieht sich lediglich auf die Konfiguration chiraler Moleküle, nicht aber auf ihren Drehsinn. Die Bezeichnung D (dextro = rechts) heißt also keineswegs, daß D-Enantiomere die Ebene des polarisierten Lichts auch nach rechts drehen müssen. Zwei Stoffe mit D-Konfiguration können, wie das Beispiel D-(+)-Glycerinaldehyd und D-(–)-Alanin zeigt, die Ebene des linear polarisierten Lichts in unterschiedlichem Drehsinn drehen. Ähnliche Beispiele lassen sich auch für Stoffe mit L-Konfiguration finden. Enantiomeren, z.B. die D-Threose und die L-Threose, stehen zueinander in einem räumlichen Verhältnis wie Objekt und dessen Spiegelbild, und deshalb gilt allgemein, daß die D-Verbindung und die L-Verbindung eines Enantiomerenpaares die Ebene des linear polarisierten Lichtes im entgegengesetzten Drehsinn drehen.
8.6 Nomenklatur chiraler Verbindungen H
O
H
O
C
HO
C
C* H
HO
295
C * OH
H
CH2OH L-(-)Glycerinaldehyd
NH2
D -(+)Glycerinaldehyd
L -(+)Alanin
D -(-)Alanin
O
H
O
C
OH
HO
C
H
O
H
HO
C
H
H
C
OH
CH2OH D -(-)Threose
OH HOCH2
D-(+)-Glycerinaldehyd
H2N
O
HO C
C
H
O
O
HO
C
OH
O C
H
C
H
H CH3
CH3
L-(+)-Alanin
NH2
D-(-)-Alanin
OH C
C H
*
CH3
L -(+)Threose
O
C
H
CH3
CH2OH
L-(-)-Glycerinaldehyd
H
C
CH2OH
C
HO H HOCH2
O C
*
H2N
H
H
HO
O C
OH
H
HO
= asymmetrisches C-Atom H
H
C
C O
HO
O
L-(+)-Weinsäure
OH HO
HO
D-(-)-Weinsäure
= schräg nach rückwärts gerichtete Bindungen = schräg nach vorne gerichtete Bindungen
Bild 8. 26 Räumliche Darstellung einiger enantiomerer Verbindungen
296
8 Optische Isomerie
8.6.2 Die R/S-Nomenklatur Eine breit anwendbare Möglichkeit, chirale Moleküle eindeutig zu benennen, bietet – in Verbindung mit den von Cahn, Ingold und Prelog vorgeschlagenen Sequenzregeln – die R/SNomenklatur. 8.6.2.1 Sequenzregeln Will man das Molekül mit der R/S-Nomenklatur benennen, so ist es zunächst notwendig, nach den Sequenzregeln die Priorität der Liganden am asymmetrischen C-Atom festzustellen. Man verfährt dabei nach folgenden Punkten: 1.) Man betrachtet jedes im Molekül vorhandene asymmetrische C-Atom einzeln. Zunächst stellt man bei dem betrachteten asymmetrischen C-Atom fest, welche Atome direkt an das asymmetrische C-Atom gebunden sind. Diese Atome werden, entsprechend ihrer Ordnungszahl im Periodensystem der Elemente in einer Reihenfolge (Sequenz) geordnet, wobei Atome mit der höheren Ordnungszahl die höhere Priorität haben. Z.B. Cl 4
H
3
3
C*
I
4
1
H
3
CH3 C* Cl
2
2 H2N
Br 1
Br 2 1
2
3
4
CH3 C* H
4
Cl 1
= Priorität des Liganden
2.) Sind direkt an das asymmetrische C-Atom gleiche Atome gebunden, so stellt man bei jedem dieser Atome fest, welche weitere Atome sie direkt binden und geht zum nächsten Atom mit der höchsten Priorität die Atomketten Atom für Atom entlang, bis man einen Unterschied vorfindet. Nach der Regel, daß die höhere Ordnungszahl höhere Priorität bedeutet, kann man dann über die Priorität der Liganden entscheiden. 2 CH2CH2OH 4 H
Beispiel:
C* O
CH3 1
3 CH2CH2CH3
Reihenfolge: –OCH3 > –CH2CH2OH > –CH2CH2CH3 > –H Begründung: Das O der –OCH3-Gruppe ist direkt an das asymmetrische Kohlenstoffatom gebunden. O hat eine höhere Priorität als C und H, und deshalb hat die –OCH3-Gruppe die höchste Priorität. Geht man in den Gruppen –CH2CH2OH und –CH2CH2CH3 die Kohlenstoffkette entlang, so ist an das 2. C-Atom in dem einen Falle ein O, im anderen ein C gebunden. Da O die höhere Priorität vor C hat, gilt: –CH2CH2OH > –CH2CH2CH3.
8.6 Nomenklatur chiraler Verbindungen
297
3.) Doppelt- oder dreifach-gebundene Atome werden so betrachtet, als ob an das näher zum asymmetrischen C-Atom stehende doppelt/dreifach gebundene Atom 2 resp. 3 gleiche Atome des Bindungspartners mit Einfachbindungen geknüpft wären. An den Bindungspartner werden, damit dieser nach Auflösung der Doppel- bzw. Dreifachbindung wieder die gleiche Anzahl von Bindungen hat, zusätzlich bei einer Doppelbindung 1 C-Atom, bei einer Dreifachbindung zwei C-Atome gebunden. Formel
Äquivalent für die Sequenzbestimmung
CH
C
CH
C
CH
CH
C
C
C
C
C
C
C
C
Formel
C
O
C
H
Äquivalent für die Sequenzbestimmung C
N
O
O
C
N
C
C
N
N
C
O
2 C C * CH2OH 3
1 Cl
Beispiel:
4 CH2CH3 O
Reihenfolge:
Cl
C
>
H
>
CH2OH
>
CH2CH3
Begründung: Cl hat eine höhere Ordnungszahl als C. Im C=O liegt eine Doppelbindung vor, man betrachtet deshalb die Carbonylgruppe so, als ob die Gruppierung –C–O–C vorliegen würde. Die Gruppierung –C–O–C kommt vor –C–O–H, woraus folgt: O C
H
>
CH2OH
2 2
Beispiel:
1 H2N
1
CH3
C* CH 4
CH3 C H3C CH3 3 CH3
Reihenfolge:
NH2 > Phenyl > tert-Butyl > Isopropyl
298
8 Optische Isomerie Begründung: Der Phenylrest wird so behandelt, als ob die Kekulé-Struktur vorliegen würde. Das direkt an das asymmetrische C-Atom geknüpfte C-Atom des Phenylrestes bindet formal ein C mit einer Einfach und ein C mit einer Doppelbindung. Geht man im Phenyl- und tert-Butylrest die Kohlenstoffkette entlang, so hat das zweite Kohlenstoffatom im Phenylrest ein C-Atom, im tert-Butylrest aber ein H-Atom gebunden. Also hat der Phenylrest die höhere Priorität. Vergleich: C H
C
C
1C
C 2 CH
C
entspricht: H
C
C
1C
H C H 2 C
und
H
C 2
H C
1C
C
C C
Phenylrest
tert-Butylrest
4.) Liegt bei einem Liganden eine Verzweigung vor, so muß man die Atomkette entlanggehen, in der das nächste Atom die höhere Priorität hat. Erst dann, wenn man in dieser Kette zur Kette des anderen Substituenten keinen Unterschied feststellen kann, kehrt man zur Verzweigung zurück und geht eine andere Atomkette entlang. Z.B.: 4 CH2CH3 2 HO
C*
OCH3 1
HC
CH3
3 CH3
Reihenfolge: –OCH3 > –OH > Isopropyl > Ethyl Begründung: In der Methoxygruppe ist an das O ein C und in der Hydroxygruppe ein Wasserstoff gebunden. Da C die höhere Priorität vor H hat, folgt: –OCH3 > OH. Geht man die Atomkette in der Ethyl- und Isopropylgruppe entlang, findet man im ersten Durchgang in beiden Fällen die Folge –C–C–H. Kehrt man zur Verzweigung zurück, trifft man bei der Abzweigung in der Ethylgruppe auf ein H, in der Isopropylgruppe auf ein C. C hat höhere Priorität als H, deshalb: Isopropyl > Ethyl. H
Ethylgruppe:
1.
C H
C 2.
H
H
H
H
Isopropylgruppe:
C
1.
H
C 2. CH3 H
H
8.6 Nomenklatur chiraler Verbindungen
299
4 CH3 C* C H 2 HC C
Beispiel:
1 Cl
O
CH2
H3C
CH3
3 O
CH2
CH2CH3 CH3 H
CH3
Reihenfolge: O Cl
HC
> C2H5
O
C
CH3 H
CH2CH3
CH
>
CH3
> C2H5
CH3
Begründung: Bei zwei Liganden liegt in der Atomkette mit der höheren Priorität (O vor C) die gleiche Folge vor: –C–O–C–C. An das O dieser Kette ist in beiden Fällen eine Ethylgruppe gebunden. Man kehrt deshalb zurück zur Verzweigung und geht die andere Kette entlang. Sowohl in der Ethylgruppe als auch der Isopropylgruppe liegt beim Entlanggehen der Kette zunächst die Gruppierung –C–C–H vor. Man muß also nochmals zurück zur Verzweigung und stellt in der weiteren Kette bei Isopropyl die Gruppierung – C–C–H, beim Ethyl –C–H fest. Deshalb hat die Gruppe mit dem Isopropylrest als Seitenkette die höhere Priorität. Reihenfolge häufiger Liganden nach absteigender Priorität: I >
N(CH3)2 C
SO3H >
Br > Cl > >
O H
>
NH2 H
H3C
>
C
CH(CH3)2 > C2H5 >
CF3 OH >
SCH3 > O
C
>
OCH3
CH2OH
CH3 >
SH > F > C
>
>
C
OCH3
O OH N
>
>
C
C6H5
> OH > O NH2 >
>
NO2 > C
O CH3
C(CH3)3
> >
H
8.6.2.2 Zuordnung zur R- oder S-Konfiguration
Nachdem man die Reihenfolge der Liganden festgelegt hat, wird das Molekül räumlich so ausgerichtet, daß bei Betrachtung des asymmetrischen C-Atoms die Gruppe oder das Atom mit der niedrigsten Priorität vom Betrachter aus gesehen rückwärts, hinter dem asymmetrischen C-Atom liegt. Die Bindungen der verbleibenden drei an das asymmetrische C-Atom gebundenen Liganden sind schräg nach vorne gerichtet. Beschreibt man, wenn man in abnehmender Prioritätenfolge von einem zum anderen Liganden geht, einen Bogen im Uhrzeigersinn, so hat das Molekül am asymmetrischen C-Atom die R-Konfiguration (R für lat.
300
8 Optische Isomerie
Sequenz im Uhrzeigersinn = R
Sequenz entgegen dem Uhrzeigersinn = S 12 9
1.
OH
3.
3
9
1.
6
C
HOH2C
12
H 2.
O
C H 2. O
3 6
C
H
C
H
(R)-(+)-Glycerinaldehyd oder 2-(R)-(+)-2,3-Dihydroxypropanal
OH
CH2OH
3.
(S)-(-)-Glycerinaldehyd oder 2-(S)-(-)-2,3-Dihydroxypropanal
1. 2. 3. = Priorität der funktionellen Gruppe
Bild 8.27 Bestimmung der R/S-Nomenklatur am Glycerinaldehyd
rectus = rechts). Geschieht dies entgegen dem Uhrzeigersinn, so liegt eine S-Konfiguration (S für lat. sinister = links) vor. Das Symbol R oder S wird in runden Klammern vor den Namen der Verbindung gesetzt. Noch vor der Klammer wird die Zahl angeführt, die die Stellung des asymmetrischen C-Atoms in der Hauptkette angibt.
8.7 Diastereomere Jedes asymmetrische Zentrum kann entweder R- oder S-Konfiguration besitzen. Bei Vorliegen zweier asymmetrischer Zentren im Molekül ergeben sich vier mögliche Kombinationen: RR, RS, SR und SS. Befinden sich im Molekül n asymmetrische Zentren, so gibt es 2n mögliche Kombinationen. Bei Molekülen mit mehreren asymmetrischen Kohlenstoffatomen können deshalb theoretisch höchstens 2n optische Isomere existieren. Die Verbindung CH2(OH)–C*H(OH)–C*H(OH)–CHO kann, da sie 2 asymmetrische Kohlenstoffatome hat, 22 = 4 optische Isomere bilden: H
O
H
C
O
H
O
H
C
C
H
C
* OH
HO
C*
H
HO
H
C* OH
HO
C* H
H
O C
* H
C
H
C* OH
HO
* OH
C
C* H
CH2OH
CH2OH
CH2OH
CH2OH
D-(-)-Erythrose
L -(+)-Erythrose
D-(-)-Threose
L-(+)-Threose
Enantiomere
Enantiomere
8.7 Diastereomere Die
301
D-(–)-Erythrose
und die L-(+)-Erythrose ebenso wie die D-(–)-Threose und die sind Enantiomerenpaare, das heißt, die Strukturen der Moleküle jedes Paares stehen zueinander im Verhältnis wie Objekt und Spiegelbild. In der Fischer-Projektion ist zu erkennen, daß es sich bei diesen Paaren um Enantiomere handelt, da an allen asymmetrischen C-Atomen die Liganden vertauscht sind. Die Moleküle der D-(–)-Erythrose und der D-(–)-Threose z.B. stehen nicht in spiegelbildlichem Verhältnis zueinander (ein Molekül ist nicht das Spiegelbild des anderen). Solche optische Isomere, deren Molekülstrukturen nicht in spiegelbildlichem Verhältnis zueinander stehen, bezeichnet man als Diastereomere (griech. dia = jenseits). Man könnte dies auch so formulieren, daß optische Isomere, welche nicht Enantiomere sind, Diastereomere sein müssen. Diastereomerenpaare sind z.B.: L-(+)-Threose
H
O
H
O
H
O
H
C
C
C
H
C* OH
C* OH
H
C* OH
HO
H
C* OH
H
C* OH
H
H
C* H
HO
O C C*
H
C* OH
CH2OH
CH2OH
CH2OH
CH2OH
D -(-)-Erythrose
L -(+)-Threose
D -(-)-Erythrose
D -(-)-Threose
Diastereomere
Diastereomere H
O
H
O C
C HO
C*
H
H
HO
C* H
HO
C*
OH
C* H
CH2OH
CH2OH
L -(+)-Erythrose
L -(+)-Threose
Diastereomere
Man erkennt bei Betrachten der Fischer-Projektion der zuvor angeführten Verbindungspaare, daß es sich um Diastereomeren handeln muß, da die an den asymmetrischen C-Atomen gebundenen H-Atome und OH-Gruppen nicht an allen asymmetrischen C-Atomen bei der jeweils anderen Verbindung seitlich vertauscht sind. Diastereomere, die sich nur in der Konfiguration an einem einzigen asymmetrischen Kohlenstoffatom unterscheiden, bezeichnet man als Epimere. Die im vorangehenden Text erwähnten diastereomeren Paare erfüllen diese Voraussetzung, es sind Epimere. Die Epimerie ist ein Sonderfall der Diastereomerie.
302
8 Optische Isomerie
Diastereomere unterscheiden sich in ihren spezifischen Drehwerten und auch in anderen physikalischen Eigenschaften, z.B. in der Schmelztemperatur, Siedetemperatur und ihrer Dichte. Auf Grund ihrer unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften kann man sie voneinander trennen.
8.7.1 Meso-Verbindungen Die Weinsäure hat zwei asymmetrische Kohlenstoffatome. Sie hat aber nicht, der Formel 2n entsprechend, die Maximalzahl von vier optischen Isomeren, sondern man unterscheidet nur drei isomere Verbindungen der Weinsäuren: die D-(–)-Weinsäure und die L-(+)-Weinsäure, die ein Enantiomerenpaar sind, und die meso-Weinsäure (griech. mesos = Mitte). Die beiden Formeln in der Fischer-Projektion für die meso-Weinsäure COOH
COOH
H
C*
OH
HO
C*
H
C* OH
HO
C* H
COOH
H
COOH
sind identisch, denn man kann durch eine Drehung der Formel auf der Papierebene um 180° eine Formel in die andere überführen. Man kann, wie dies in Bild 8.29 gezeigt wird, das Molekül der Meso-Weinsäure mit seinem Spiegelbild durch eine Drehung von 180° um eine durch die Molekülmitte durchgehende Achse zur Deckung bringen. Die meso-Weinsäure ist demnach achiral und somit optisch inaktiv. Die Erklärung dafür, daß die meso-Weinsäure trotz zweier asymmetrischer Zentren optisch inaktiv ist, liegt in der Symmetrie ihres Moleküls. Eine Symmetrieebene teilt das Molekül in zwei spiegelbildliche Hälften. Die Drehung der Polarisationsebene des linear polarisierten Lichts durch eine Hälfte wird durch die andere Molekülhälfte kompensiert. Verbindungen, die asymmetrische Zentren haben, aber infolge der Symmetrie ihres Moleküls optisch inaktiv sind, werden als meso-Verbindungen bezeichnet.
H
H
HO
H
H C
HO
O
HO
O
L-(+)-Weinsäure
D-(-)-Weinsäure
= schräg nach rückwärts gerichtete Bindungen
OH
H
C
C
OH
O
HO
O C
HO
OH
H
OH C
HO
O
OH C
HO
O
meso-Weinsäure
Bild 8.28 Konfigurationen der Isomere der Weinsäure.
= schräg nach vorne gerichtete Bindungen
8.7 Diastereomere
O
303
Sp
OH
e en leb e ieg
O
OH C
C OH
H
H
HO
Achse senkrecht zur Papierebene
180° HO
H
C O
C
HO
HO
H
HO
Spiegelbild
O
meso-Weinsäure Drehung 180° um eingezeichnete Achse
Bild 8.29 Die Meso-Weinsäure und ihr Spiegelbild sind deckungsgleich.
O
OH C OH
H
Symmetrieebene senkrecht zur Papierebene
HO
C
HO
H O
meso-Weinsäure Bild 8.30 Die meso-Weinsäure besitzt eine Symmetrieebene.
8.7.2 Optische Isomerie in alicyclischen Verbindungen Den Begriff alicyclisch verwendet man für cyclische Verbindungen, die ähnliche Bindungsverhältnisse und Eigenschaften wie die aliphatischen Verbindungen zeigen, die also keine Aromaten sind. Die Addition des Broms an Cyclohexen erfolgt nach dem anti-Mechanismus über ein Bromonium-Ion (siehe Abschnitt 3.7.4.6). Es entsteht ein racemisches Gemisch des trans1,2-Dibromcyclohexans. Das eine Enantiomere hat die (1S,2S)- und das andere die (1R,2R)Konfiguration.
304
8 Optische Isomerie H
H
H H
H H
Br
H
(R) Br
H
H
H H
H H
H
Br (S) *
* (R)
*
H
H
H
H
(S)
*
H
Br
H
Spiegelebene (1R,2R)-1,2-Dibromcyclohexan
(1S,2S)-1,2-Dibromcyclohexan
Das cis-1,2-Dibromcyclohexan ist eine meso-Verbindung. Sie hat zwar zwei asymmetrische Kohlenstoffatome, man kann jedoch durch die Mitte des Moleküls eine Symmetrieebene legen, die das Molekül in zwei spiegelbildliche Hälften aufteilt. Die Verbindung ist achiral und optisch inaktiv. H
H
H Br
H Br
H
H
H
(S)
*
* H
(R)
H
H
Symmetrieebene
Das cis-1-Brom-2-chlorcyclohexan ist chiral, von dieser Verbindung können zwei Enantiomere vorliegen: H
H
H H
H Cl
Br
H
H H
*
H
H Cl
H H
H
Br
* (R) (S)
H
(S) *
H
H
(R)
*
H
H
H H
Spiegelebene (1R,2S)-1-Brom-2chlorcyclohexan
(1S,2R)-1-Brom-2chlorcyclohexan
8.8 Optisch aktive Verbindungen ohne asymmetrische Kohlenstoffatome
305
Daneben existieren noch zwei enantiomere trans-Formen: H
H
H H
H Cl
H
H
H
*
H
H
H
H Cl
H H
H
H
*
* Br
Br
*
H
H
H H
Spiegelebene (1S,2S)-1-Brom-2-chlorcyclohexan
(1R,2R)-1-Brom-2-chlorcyclohexan
Sowohl cis-1,4- als auch trans-1,4-disubstituierte Cycloalkane sind achiral, da man durch das 1. und 4. C-Atom eine Symmetrieebene legen kann: H
H
H H
H H
Br
Cl
Symmetrieebene
H
H H
H
H
H
H H
H H
Br
H
Symmetrieebene H
Cl H
H
Auch andere disubstitutierte Ringe mit gerader Anzahl der C-Atome, deren Substituenten an gegenüberliegende C-Atome des Rings gebunden sind, sind achiral.
8.8 Optisch aktive Verbindungen ohne asymmetrische Kohlenstoffatome Ist die Ursache der Chiralität von Molekülen das Vorhandensein eines asymmetrischen C-Atoms, oder auch mehrerer asymmetrischen C-Atome, so spricht man von einer zentralen Chiralität. In den meisten Fällen liegt bei optisch aktiven organischen Substanzen diese Chiralität vor. Es gibt aber auch Moleküle, deren Chiralität nicht auf ein asymmetrisches Kohlenstoffatom zurückzuführen ist. Dies ist der Fall bei axialer und planarer Chiralität, ebenso wie bei der Helizität.
8.8.1 Axiale Chiralität Als Beispiel axialer Chiralität kann die Chiralität von ungleich substituierten Allenen angeführt werden (Allen siehe Abschnitt 3.8). Die Chiralitätsachse geht durch die drei doppelt gebundenen C-Atome des Allenderivats. An zwei der doppelt gebundenen C-Atome befinden sich zwei ungleiche Substituenten, welche infolge der Geometrie des Moleküls (zwei direkt benachbarte, aufeinander senkrecht stehende π-Orbitale) auf zwei zueinander senk-
306
8 Optische Isomerie
Ebenen, in denen die Substituenten liegen
Enantiomere
keine Symmetrieebene
Cl
Cl Cl
= Kohlenstoffatom = Wasserstoffatom
ungleiche Substituenten
Objekt
Cl
Spiegelebene
Spiegelbild
Bild 8.31 Enantiomere des 1-Chlorbuta-1,2-diens
recht stehenden Ebenen liegen (siehe Bild 8.31). Legt man durch zwei an einem C-Atom gebundene Substituenten eine Ebene, so befinden sich die beiden anderen Substituenten links und rechts von der Ebene. Bei ungleichen Substituenten ist diese Ebene keine Symmetrieebene. Das Molekül ist achiral, denn die spiegelbildlichen Formen lassen sich nicht zur Deckung bringen, es sind Enantiomere. Zwei Enantiomere können auch dann vorliegen, wenn an dem einen C-Atom des Allens zwar unterschiedliche Substituenten gebunden sind, sie aber denen am anderen C-Atom gleichen, z.B. beim Penta-2,3-dien H3C–CH=C=CH–CH3. Eine axiale Chiralität kann auch bei mehrfach substituierten Spiranen vorliegen (Spiroverbindungen siehe Abschnitt 5.7). In Bild 8.32 wird ein entsprechendes Beispiel angeführt. Die Atropisomerie ist ebenfalls der axialen Chiralität zuzuordnen. Es handelt sich dabei um eine Enantiomerie, die Ihre Ursache in der Beschränkung der freien Drehbarkeit o-substituierter Biphenyle hat. Sperrige Substituenten in der o-Stellung verhindern die Drehung beider Benzolringe um die Einfachbindung. Die Sechsringe stehen, wie dies Bild 8.33 zeigt, senkrecht (bzw. verdrillt) aufeinander. Bei ungleichen o-Substituenten ist das Molekül chiral.
Sp
CH3
e en b ele ieg
CH3
CH3
H3C
Enantiomere einer Spiroverbindung Bild 8.32 Chirale Spiroverbindungen
8.8 Optisch aktive Verbindungen ohne asymmetrische Kohlenstoffatome
H 3C
307
CH3 CH H 3C
O2N NO2 o-substituiertes Biphenyl Bild 8.33 Chirales Biphenylderivat
8.8.2 Planare Chiralität Eine planare Chiralität ist bei substituierten meta- und para-Cyclophanen gegeben. Die Benzolringe sind in eine Ringstruktur eingebaut, die die Drehbarkeit der Benzolringe verhindert, so daß bei Vorhandensein eines Substituenten am Benzolring das Molekül chiral ist.
H2C
CH2
H2C
CH2 Cl Chlorparacyclophan
Bild 8.34 Chirales para-Cyclophanderivat
8.8.3 Helicität Bei der Helicität geht es um eine Chiralität, die durch eine schraubenförmige Struktur gegeben ist. So wie Schrauben mit Links- oder Rechtsgewinde oder Wendeltreppen als chirale Gegenstände anzusehen sind (siehe Abschnitt 8.3), so sind auch Moleküle mit schraubenförmiger Struktur chiral. Die Enantiomere unterscheiden sich ebenso wie eine Rechtsschraube von einer Linksschraube. Die einer rechtsgängigen Schraube entsprechende Helix wird als (P)-Helix (P= plus), die linksgängige Helix als (M)-Helix (M = minus) bezeichnet. Eine schraubenförmige Anordnung liegt z.B. beim Hexahelicen vor.
308
8 Optische Isomerie
(P)-Hexahelicen
Spiegelebene
(M)-Hexahelicen
Bild 8.35 Enantiomere des Hexahelicens
8.9 Bildung asymmetrischer C-Atome bei chemischen Reaktionen In ein achirales Molekül kann unter bestimmten Voraussetzungen bei einer chemischen Reaktion Chiralität eingeführt werden. Liegt in einem Molekül schon ein Chiralitätszentrum vor, entstehen bei der Bildung eines weiteren Chiralitätszentrums Diastereomere.
8.9.1 Reaktionen mit prochiralen Verbindungen Als eine prochirale Verbindung wird eine achirale Verbindung bezeichnet, in deren Molekül bei einer chemischen Reaktion die Chiralität eingeführt werden kann. In der Regel geht es dabei um ein Molekül, das an einem seiner Kohlenstoffatome drei unterschiedliche Liganden gebunden hat, z.B. R1 H
C R2
H
O H
oder
C R
Wird in der Verbindung R1CH2R2 ein Wasserstoffatom substituiert oder erfolgt beim Aldehyd eine Addition an die Carbonylgruppe, so entsteht eine Verbindung mit einem asymmetrischen C-Atom. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß der neueingeführte Ligand nicht mit einem der Liganden, die schon an das betroffene C-Atom gebundenen sind, identisch ist. Sind die Reaktanden achiral und liegen keine chiralen Einflüsse vor (z.B. durch ein chirales
8.9 Bildung asymmetrischer C-Atome bei chemischen Reaktionen
309
O
= C-Atom = O-Atom
N
= N-Atom
N
H+
O
N
H+
N
= Cyanidanion = H-Atom = Proton
N O
50 % (2S)-2-Hydroxypropannitril
O
50 % (2R)-2-Hydroxypropannitril
Bild 8.36 Reaktion von Acetaldehyd mit Blausäure unter Bildung eines racemischen Gemisches
Lösungsmittel oder einen chiralen Katalysator), so entstehen bei der Reaktion mit einer prochiralen Verbindung racemische Gemische. So entsteht z.B. bei der nukleophilen Addition von Blausäure HCN an Acetaldehyd (siehe auch Abschnitt 13.4.1.1) ein racemisches Gemisch von (2S)-2-Hydroxypropannitril und (2R)-2-Hydroxypropannitril. In Bild 8.36 wird veranschaulicht, daß die Anlagerung des Cyanidanions an das Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe von zwei Seiten erfolgen kann. Keine der Richtungen ist bevorzugt, so daß die Wahrscheinlichkeit, daß das eine oder das andere Produkt entsteht, gleich ist. Beide Enantiomere entstehen deshalb in gleichen Mengen. Als weiteres Beispiel zur Einführung der Chiralität in ein Molekül durch Bildung eines asymmetrischen C-Atoms wird die Bromierung das Butans erörtert. Bei der Bromierung des Butans erfolgt die Substitution bevorzugt an der Methylengruppe (siehe Abschnitt 2.9.1.4), wobei ein H durch Brom ersetzt wird. Das als Zwischenprodukt gebildete sekundäre Butylradikal muß man sich räumlich so vorstellen, daß die am radikalischen Zentrum befindlichen Liganden (–CH3, –C2H5 und –H) in einer Ebene liegen. Das nur mit einem Elektron besetzte p-Orbital steht senkrecht zu dieser Ebene. Die Wahrscheinlichkeit, daß das Brommolekül an das p-Orbital von der einen oder der entgegengesetzten Seite herantritt, ist gleich. Die beiden Enantiomere (2R)-2-Brombutan und (2S)-2-Brombutan werden deshalb im Mengenverhältnis 1:1 gebildet, es entsteht ein racemisches Gemisch. Zur bevorzugten Bildung eines Enantiomers kann es kommen, wenn der mit der prochiralen Verbindung reagierende Reaktionspartner zwar achiral ist, die Reaktion aber in chiralem Lösungsmittel, im Beisein eines chiralen Katalysators (z.B. einem Enzym) oder bei Bestrahlung mit zirkular polarisiertem Licht erfolgt.
310
8 Optische Isomerie
Br
hν
_ Br
Br
+
Br
CH3 H
C
CH3 H
+
Br
H
+
C
HBr
CH2CH3
CH2CH3 H3C
Br2
* C Br + Br H H5C2
CH3 C HC HC 2 H
3
(2R)-2-Brombutan Br *C
CH3
+ Br
H C2H5 * = asymmetrisches C-Atom
(2S)-2-Brombutan
Bild 8.37 Bromierung des Butans
Erfolgt die Reaktion einer prochiralen Verbindung mit dem Enantiomer einer optisch aktiven Substanz, wobei ein neues Chiralitätszentrum gebildet wird, so kann eines der zwei bei der Reaktion entstandenen Diastereomere überwiegen. In diesem Falle macht sich der Einfluß des im Reaktanten schon vorhandenen Chiralitätszentrums bemerkbar, es erfolgt eine asymmetrische Synthese.
8.9.2 Die asymmetrische Synthese Wird ein neues asymmetrisches Zentrum in ein Molekül eingeführt, das schon ein oder mehrere chirale Zentren besitzt, so entstehen die beiden Epimere nicht im Verhältnis 1:1, ein Epimeres überwiegt im Reaktionsgemisch. Man spricht in diesem Falle von einer asymmetrischen Synthese. Die vorrangige Bildung des einen optischen Isomeren ist in der asymmetrischen Induktion begründet. Unter asymmetrischer Induktion versteht man, daß das schon vorhandene Chiralitätszentrum die Bildung des einen Epimeren begünstigt. Man erklärt das so, daß Zustände, die das Molekül auf dem Syntheseweg zu den beiden Epimeren zu durchlaufen hat, infolge der unterschiedlichen räumlichen Konfiguration unterschiedliche Aktivierungsenergien erfordern. Es entsteht deshalb bei kinetisch gesteuerten Reaktionen vorwiegend das Produkt, dessen Übergangszustand die geringere Aktivierungsenergie erfordert. Als Beispiel einer asymmetrischen Induktion wird die Reaktion des (2R)-2-Brompropanals mit Blausäure (HCN) erörtert. HCN ist eine sehr schwache Säure, die in H+ und das Cyanidion –CN dissoziiert. HCN kann an die C=O-Doppelbindung addiert werden. Es geht dabei um eine nukleophile Addition, das heißt, es wird zuerst das nucleophile Cyanidion an das Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe addiert und im zweiten Schritt erfolgt die Anlagerung des Protons an den Sauerstoff, wobei eine OH-Gruppe gebildet wird.
8.9 Bildung asymmetrischer C-Atome bei chemischen Reaktionen
311
Hauptprodukt H
H
H+
H O
H
*
N
H
H
*
H
O
* Br
H H
Br H
N
N
= Cyanidgruppe H+
= Proton
-
= Kohlenstoffatom
N
H
H
= Cyanidanion = H-Atom
* = asymmetr. C-Atom
Bild 8.38 Reaktion des (2R)-2-Brompropanals mit HCN
Die Carbonylgruppe im (2R)-2-Brompropanal befindet sich in direkter Nachbarschaft zum vorhandenen Chiralitätszentrum, welches den räumlichen Ablauf der Additionsreaktion beeinflußt. Am Chiralitätszentrum sind, außer der Formylgruppe –CHO, nach ihrer Raumerfüllung geordnet, noch folgende Substituenten gebunden: –Br > –CH3 > –H. Das Molekül bevorzugt eine solche Konformation, in der der Sauerstoff der Carbonylfunktion möglichst weit von der größten, am benachbarten C-Atom befindlichen Gruppe, in dem Falle vom Bromatom, entfernt ist (siehe Bild 8.38). Der Angriff des Cyanidions erfolgt von der Seite her, wo sich am benachbarten asymmetrischen C-Atom der kleinste Substituent (in diesem Falle das H) befindet, weil die andere Seite durch den größeren Substituenten, die CH3Gruppe, abgeschirmt wird. Es entsteht vorwiegend das (2S, 3R)-3-Brom-2-hydroxy butannitril (siehe auch Bild 8.38): Hauptprodukt H C H
C
N
H
C*
OH
H
C* Br
O C* Br
+
CH3 (2R)-2-Brompropanal
HCN
CH3 (2S,3R)-3-Brom2-hydroxybutannitril
Nebenprodukt
HO +
H
C
N
C*
H
C* Br CH3
(2R,3R)-3-Brom2-hydroxybutannitril
Die Addition des Nukleophils an den chiralen Aldehyd im vorangegangenen Beispiel erfolgte nach der Cramschen Regel. Diese besagt, daß bei direkter Nachbarschaft der Carbonylgruppe zum schon vorhandenen Chiralitätszentrum a) das Molekül bevorzugt die Konformation einnimmt, in der der Sauerstoff der Carbonylruppe von der am asymmetrischen Kohlenstoffatom befindlichen größten Gruppe möglichst weit entfernt ist, und
312
8 Optische Isomerie
b) das Nukleophil bevorzugt von der Seite des kleinsten Substituenten angreift, so daß ein Epimeres als Hauptprodukt entsteht. Die vorher beschriebene Reaktion ist stereoselektiv, das heißt ein Stereoisomer wird bei der Reaktion bevorzugt gebildet. Stereoisomere sind Verbindungen mit gleicher Struktur, die sich aber durch die räumliche Anordnung der Atome im Molekül unterscheiden. Von Stereospezifität spricht man dann, wenn bei einer Reaktion von möglichen Stereoisomeren ausschließlich nur ein einziges Stereoisomer als Reaktionsprodukt gebildet wird. Stereospezifische Reaktionen erfolgen in der lebenden Natur häufig, z.B. werden im Organismus L-Aminosäuren synthetisiert. Auch die Biosynthese von Desoxyribonucleinsäuren, Ribonucleinsäuren und Eiweißen geschieht mit hoher Stereospezifität. Die beeindruckende Stereospezifität der Reaktionen in lebenden Organismen beweist ebenfalls die Biosynthese der Steroide. Im Cholesterol z.B. sind 8 chirale Zentren vorhanden. Theoretisch möglich wären bei nichtspezifischen Reaktionen 28 = 256 Stereoisomere. Die Biosynthese (siehe Abschnitt 20.2.1) ist so stereospezifisch, daß von den möglichen Stereoisomeren nur ein einziges gebildet wird. * *
* * * HO
*
*
* Cholesterol
8.9.3 Räumliche Auswirkungen bei Reaktionen am asymmetrischen C-Atom Eine Substitution am asymmetrischen C-Atom kann unter Retention, Inversion oder Racemisierung erfolgen. 8.9.3.1 Retention
Die Konfiguration am asymmetrischen C-Atom bleibt bei der Retention erhalten. Es erfolgt nur der Austausch eines Liganden, die räumliche Anordnung der Liganden am asymmetrischen C-Atom bleibt gleich. 8.9.3.2 Inversion
Bei der Inversion (lat. inversio = Umkehrung) tritt ein Konfigurationswechsel ein. Diese von Walden 1895 erstmals bei Substitutionen am asymmetrischen C-Atom beobachtete Konfigurations-Umkehr wird auch als Walden-Umkehr(ung) bezeichnet. Die Walden-Umkehr erfolgt z.B. beim SN2-Mechanismus (siehe Abschnitt 9.6.2.1), wobei die Liganden, welche nicht ausgetauscht werden, über einen Übergangszustand, bei dem sie in einer Ebene liegen, in die entgegengesetzte Konfiguration übergehen. Man vergleicht dies mit dem Umklappen eines Regenschirms beim Sturm.
8.10 Trennung von Enantiomeren aus racemischen Gemischen
a Y + X
C
a
a X + Y
c b
C
c b
313
Y + X
C
c b
Retention
a
a X + Y
Racemisierung
C
c b
+
50 %
c
C
Y
b
50 %
Wind a
a X
C b
c
+ Y
X +
Inversion
c
C
Y
b
Umklappen des Regenschirms im Wind
Bild 8.39 Retention, Inversion und Racemisierung
8.9.3.3 Racemisierung
Von einer Racemisierung spricht man, wenn eine optisch aktive Substanz reagiert und ein Racemat als Reaktionsprodukt entsteht. Eine Racemisierung tritt dann ein, wenn die Spaltung der Bindung direkt am asymmetrischen C-Atom unter Bildung eines Carbeniumions (positive Ladung an einem Kohlenstoff), eines Carbanions (negative Ladung und freies Elektronenpaar an einem Kohlenstoff) oder eines Radikals als Zwischenprodukt erfolgt.
8.10 Trennung von Enantiomeren aus racemischen Gemischen Die Trennung der Enantiomere aus racemischen Gemischen ist deshalb schwierig, weil Enantiomere gleiche physikalische und gegenüber achiralen Substanzen auch gleiche chemische Eigenschaften haben. 8.10.1.1 Mechanische Trennung enantiomerer Kristalle
Schon 1848 entdeckte Louis Pasteur, daß die Kristalle des Natrium-Ammonium-Salzes der Traubensäure zwei spiegelbildliche Formen haben. Er sortierte, mit Lupe und Pinzette versehen, die beiden spiegelbildlichen Kristalle und stellte fest, daß die Lösungen des einen Kristalls die Ebene des linear polarisierten Lichts im Uhrzeigersinn, die des anderen entgegen dem Uhrzeigersin drehten. Damit war eine, wenn auch sehr arbeitsaufwendige und langwierige Methode gefunden, Enantiomere zu trennen. Diese Methode ist aber nur sehr beschränkt anwendbar, denn es ist eher ein Sonderfall, daß aus racemischen Gemischen die Enantiomere in Form spiegelbildlicher Kristalle auskristallisieren.
314
8 Optische Isomerie
8.10.1.2 Trennung der Enantiomere über diastereomere Zwischenprodukte
Zum Unterschied von den Enantiomeren haben Diastereomere unterschiedliche physikalische Eigenschaften und lassen sich deshalb voneinander trennen. Man setzt ein racemisches Gemisch, das als solches nicht in die beiden Enantiomere aufgetrennt werden kann, mit einer optisch aktiven Hilfskomponente um, wobei man zwei Diastereomere erhält. Diese kann man auf Grund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften, z.B. unterschiedlicher Löslichkeit, voneinander trennen. Nach der Trennung der Diastereomere kann man die beiden Verbindungen gesondert wieder in ihre Ausgangskomponenten spalten und jedes der beiden Enantiomere aus dem Reaktionsgemisch in reiner Form isolieren. Liegt ein racemisches Gemisch einer Säure vor, kann man dieses mit dem Enantiomer einer Base in ein Gemisch zweier diastereomerer Salze überführen, z.B. racemisches Gemisch der Säure (R)-Säure + (S)-Säure + 2 (R)-Base
(R,R)-Salz
+
(S,R)-Salz
Gemisch zweier diastereomerer Salze
Die diastereomeren Salze unterscheiden sich in ihren Eigenschaften, so daß man sie trennen kann. Nach der Trennung kann man die optisch aktive Säure mit einer stärkeren Säure, z.B. Salzsäure, aus ihrem Salz freisetzen:
(R,R) - Salz
+ HCl ⎯⎯→
(R) - Säure
+ (R) - Base HCl
(S,R) - Salz
+ HCl ⎯⎯→
(S) - Säure
+ (R) - Base HCl
Es sei noch darauf hingewiesen, daß man für die Trennung der enantiomeren Säuren aus dem racemischen Gemisch anstelle der (R)-Base natürlich auch eine (S)-Base einsetzen kann. Es ist nur wichtig, eine enantiomerenreine Base zu verwenden. Als enantiomerenrein ist eine solche Base anzusehen, die nur in der (R)- oder nur in der (S)-Form vorliegt, keinesfalls aber als Gemisch beider enantiomerer Formen. Als enantiomerenreine Basen zur Trennung racemischer Säuregemische werden oftmals die in der Natur vorkommenden Alkaloide Brucin, Strychnin, Chinin und Morphin verwendet (Alkaloide siehe Kapitel 26). Die aus der Brechnuß (Strychnos nux vomica) gewonnenen Alkaloide Brucin und Strychnin sind starke Gifte. Morphin wird aus Opium, dem eingetrockneten Milchsaft des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen. Es ist eine gefährliche Droge, deren Genuß zu physischer und psychischer Abhängigkeit führt. In der Medizin wird es, genau dosiert, als schmerzstillendes Mittel eingesetzt. Eine der gefährlichsten Drogen ist das Diacetylderivat des Morphins, das Heroin. Das aus der Rinde des Chinabaumes isolierte Chinin ist ein bekanntes Antimalariamittel. Es beseitigt einige akute Erscheinungen der Krankheit, tötet jedoch nicht den Erreger der Malaria.
8.10 Trennung von Enantiomeren aus racemischen Gemischen H2C
CH H
H H
R
N O
H3C H
H
HO
H
N O
H RO
N R
315
O
H
NCH3
RO
O
H
N
R=H Strychnin R = OCH3 Brucin
R=H Morphin R = COCH3 Heroin
Chinin
Racemische Gemische von Basen können mit einer enantiomerenreinen Säure zu den entsprechenden diastereomeren Salzen umgesetzt werden. Zur Umsetzung mit racemischen Gemischen von Basen werden häufig folgende optisch aktiven Säuren eingesetzt: die L-(+)Milchsäure, die D-(–)-Weinsäure, die L-(+)-Weinsäure und die D-(+)-Äpfelsäure. COOH HO
C
H
CH3
COOH HO
C
H
H
C
OH
COOH L-(+)-Milchsäure
D-(–)-Weinsäure
COOH
COOH
H
C
OH
H
C
OH
HO
C
H
H
C
H
COOH L-(+)-Weinsäure
COOH D-(+)-Äpfelsäure
Racemische Alkohoholgemische lassen sich mit dem Enantiomer einer Säure verestern. Die erhaltenen Ester sind Diastereomere und können getrennt werden. Die getrennt vorliegenden Ester werden verseift und damit die optisch aktiven Alkohole freigesetzt. Die Trennung der Enantiomere über diastereomere Zwischenprodukte ist wegen ihrer breiten Anwendungsmöglichkeit die am häufigsten eingesetzte Methode zur Trennung von Enantiomeren aus Gemischen. 8.10.1.3 Trennungen von Enantiomeren mit Hilfe von Mikroorganismen
Enzyme bestimmter Bakterien oder Pilze zeigen eine unterschiedliche Reaktivität gegenüber ganz bestimmten D- und L-Enantiomeren. Der Pilz Penicillium glaucum metabolisiert z.B. aus einer racemischen Lösung von Ammoniumtartrat nur das L-(+)-Enantiomer, das D-(–)Enantiomer verbleibt in der Lösung. 8.10.1.4 Trennungen von Enantiomeren mit Hilfe der Chromatographie
Die chromatographische Trennung eines Stoffgemisches erfolgt in der Säulenchromatographie beim Durchgang dieses Stoffgemisches durch eine Trennsäule. Sie besteht aus einem trennaktiven feinkörnigen Material, das in ein Rohr gefüllt ist. Der Feststoff selbst, oder eine auf ihm verankerte Flüssigkeit, stellt die unbewegliche (stationäre) Phase dar, während ein Lösungsmittel, das durch die Säule strömt, die bewegliche (mobile) Phase bildet. Das Stoffgemisch wird mit dem Lösungsmittelstrom „mitgeschleppt“, und es erfolgt während des Durchgangs durch die Trennsäule eine vielfach wiederholte Stoffverteilung der Stoffe zwi-
316
8 Optische Isomerie
schen der unbeweglichen und beweglichen Phase. Die Verbindungen des Stoffgemisches, die hierbei länger von der stationären Phase festgehalten werden, wandern langsamer durch die Trennsäule, da sie in Strömungsrichtung des Lösungsmittels (= mobile Phase) von diesem nur dann fortbewegt werden, wenn sie sich in ihm befinden. Durch die unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit der Komponenten des Stoffgemisches durch die Trennsäule erfolgt deren Auftrennung. Bei der Gaschromatographie ist dies ähnlich, nur ist in diesem Falle die mobile Phase ein Gas. Für die Trennung von Enantiomeren wird auf der festen Phase eine optisch aktive Substanz verankert. Tritt ein Enantiomer stärker als das andere in diastereomere Wechselwirkung mit der auf dem Feststoff befindlichen optisch aktiven Substanz, so wandert es langsamer durch die Trennsäule, und beide Enantiomere werden infolge ihrer unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeit voneinander getrennt.
8.11 Die Chiralität in lebenden Organismen Die Chiralität spielt in der Natur eine gewichtige Rolle. Viele für den lebenden Organismus wichtigen Stoffe sind chiral, und lebenswichtige Makromoleküle werden aus chiralen Bausteinen aufgebaut. Dafür gibt es viele Beispiele: Die Desoxyribonucleinsäuren, welche in der Sequenz von Basenpaaren die für Vererbung und Biosynthese wichtigen Informationen gespeichert haben, haben eine chirale Struktur in der Form einer Doppelhelix (siehe Kapitel 27). Sowohl in den Desoxyribonucleinsäuren als auch in den Ribonukleinsäuren, die die Eiweißsynthese steuern, ist in den sie aufbauenden Einheiten der Stickstoff der Base an eine Zuckerkomponente gebunden, und zwar an ein asymmetrisches C-Atom mit R-Konfiguration. Die Biosynthese der Eiweiße erfolgt nur mit L-Aminosäuren. Die räumliche Struktur der Eiweiße spielt eine eminente Rolle für die Erfüllung ihrer Funktionen im Organismus. Eine der Sekundärstrukturen der Eiweiße ist die α-Helix, eine chirale Struktur. Monosaccharide haben in der Regel eine D-Konfiguration und bilden die Bausteine für die in der Natur vorkommenden Di-, Tri- und Polysaccharide. Stärke und Cellulose z.B. werden aus D-Glucoseeinheiten aufgebaut. Stärke und Cellulose unterscheiden sich nur in der Art der Verknüpfung der Glucoseeinheiten miteinander. Die Glucoseeinheiten sind über eine Sauerstoffbrücke miteinander verbunden, wobei eines der an der Verknüpfung beteiligten asymmetrischen C-Atome bei der Stärke die R- und bei der Cellulose die S-Konfiguration aufweist. Eine große Rolle spielen räumliche Voraussetzungen auch bei den Enzymen. Dies sind Biokatalysatoren, wirksam für vielfältige Reaktionen, von der Hydratisierung von Kohlendioxid über Reduktionen und Oxidationen bis hin zur Replikation eines Chromosoms. Alle bisher untersuchten Enzyme gehören in die Stoffklasse der Eiweiße (siehe Abschnitt 24.7.3.1). Der Teil des Enzyms, der für die Wirkung direkt verantwortlich ist, bildet das aktive Zentrum. Dieses kann ein Teil des Eiweißmoleküls selbst sein oder eine Verbindung mit Nichtprotein-Charakter (Coenzym), welche in das Trägereiweiß (Apoenzym) eingebettet ist. Das Trägereiweiß bestimmt die Substratspezifität, d.h. die Wahl des Reaktionspartners, der eine stoffliche Umsetzung erfahren soll. Dies wird gewährleistet durch die räumliche Struktur des Trägereiweißes, in das das Molekül des Substrats passen muß, etwa wie der
317
Enzym
Enzym
Enzym
8.11 Die Chiralität in lebenden Organismen
Enzym-SubstratZwischenverbindung = Substrat
= aktives Zentrum
= Produkt
Bild 8.40 Schematische Darstellung einer enzymatischen Reaktion
Schlüssel zum Türschloß. Die Katalyse bei der Umsetzung geschieht durch das aktive Zentrum. Es wird eine kurzlebige Enzym-Substrat-Zwischenverbindung gebildet. Nach erfolgter Umsetzung löst sich das umgesetzte Substrat sehr schnell und gibt das aktive Zentrum wieder frei. Auf diese Weise können je aktives Zentrum 102–107 Substratmoleküle/min umgesetzt werden. Die Enzyme weisen eine optische Spezifität auf. Dies besagt, daß von zwei optischen Isomeren nur eines umgesetzt wird. Die optische Spezifität der Enzyme erklärt man mit dem Modell einer Dreipunktbindung des Substrats an das Enzym. Vertauscht man zwei Substituenten am aktiven C-Atom des Substrats, können Substrat und Bindungsstelle des Enzyms nicht mehr zur Deckung gebracht und das optische Enantiomere des Substrats nicht mehr gebunden werden. Die hohe optische Spezifität der Enzyme zeigt sich z.B. bei der Maltase, die nur α-glykosidische Bindungen hydrolysiert (siehe Abschnitt 21.7.3.1).
Substrat
Substrat
und bei Substrat vertauscht:
Enzym
Substrat und Enzym passen aufeinander Bild 8.41 Modell zur Dreipunktbindung
Enzym
Substrat und Enzym passen nicht aufeinander
318
8 Optische Isomerie
Die im lebenden Organismus erfolgenden Stoffumwandlungen würden ohne Enzyme mit unmeßbar kleiner Geschwindigkeit ablaufen. Die Enzyme bewirken eine Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit, d.h. eine Senkung der Aktivierungsenergien, so daß die Reaktionen schon bei Körpertemperatur erfolgen können. Vielfach läuft eine Reaktion in Zwischenschritten ab, wobei mehrere Enzyme an der Gesamtreaktion beteiligt sind. Dadurch, daß das Zwischenprodukt der ersten Reaktion durch die nächste Reaktion fortlaufend verbraucht wird und seine Konzentration dadurch sehr niedrig ist, wird es ständig nachgebildet, es stellt sich ein sogenanntes „Fließgleichgewicht“ ein. Bei Verbrauch des Endprodukts wird dieses ständig nachgebildet, so daß es in konstanter Konzentration vorliegt. Auch energieverbrauchende (endergonische) Reaktionen, bei denen das Reaktionsprodukt nur in sehr geringer Menge gebildet wird, können auf diese Weise vollständig ablaufen. Enantiomere Verbindungen zeigen unterschiedliche physiologische Wirkungen. Dihydroxyphenylalanin (= Dopa) ist ein Medikament gegen die Parkinsonsche Krankheit, die sich durch Zittern, Schweißausbrüche, vermehrten Speichelfluß und Muskelsteife äußert. Das (S)-Dopa ist das von beiden Enantiomeren wirksamere Präparat, das auch nicht die Toxizität des (R)-Dopa aufweist. NH2 C HOOC
NH2 H
H
CH2
OH
HO
OH
HO
(S)-Dopa
C COOH
H2C
(R)-Dopa
(R)-(–)-Adrenalin, das Hormon des Nebennierenmarks, wirkt stark blutdrucksteigernd und fördert den Glykogenabbau in Leber und Muskel. Es ist um ein Vielfaches wirksamer als (S)-(+)-Adrenalin. Das (–)-Ephedrin wird aus verschiedenen Ephedra-Arten gewonnen und hat (1R,2S)-Konfiguration. Es wird als Arzneimittel verwendet und hat spasmolytische und antiallergische Wirkung. (+)-Ephedrin ist als Arzneimittel unbrauchbar. Es hemmt sogar die Aktivität des (–)-Ephedrins. H2C H
C*
NHCH3 OH
O H
OH OH
(R)-(–)-Adrenalin
H3C
HO
*C 1 H
N
*C 2 H
H
N
O
O
CH3
(1R,2S)-(–)-Ephedrin
(S)-(–)-Thalidomid
* N
O
8.11 Die Chiralität in lebenden Organismen
319
Ein trauriges Beispiel für die unterschiedliche Wirksamkeit von Enantiomeren bietet das Thalidomid, das als Racemat unter dem Namen Contergan als Schlaf- und Beruhigungsmittel im Handel war, bis man 1961 feststellte, daß es bei Einnahme während der Schwangerschaft Mißbildungen an Gliedmaßen und Wirbelsäule des Embryos verursachte. Nach einer Racemattrennung ergab eine spätere Untersuchung der Enantiomere an Mäusen, daß zwar beide Enantiomere die Wirkung als Schlafmittel zeigen, aber nur das S-Enantiomer die negativen Folgen hat. Die Stoffumwandlungen, bei der die Zellen ihre Energie und Reduktionsäquivalente gewinnen und den Bau ihrer Makromoleküle und den Abbau von Stoffen durchführen, erfolgen in einem ganzen Netzwerk zusammenhängender chemischer Reaktionen. Diese komplexen Prozeße werden allgemein als Stoffwechsel bezeichnet. Bei diesen Stoffumwandlungen wird zwischen den Enantiomeren unterschieden. Z.B. hat nur D-(+)-Glucose im tierischen Stoffwechsel eine zentrale Stellung, nicht aber ihr Spiegelbild, die L-(–)-Glucose. Die D-(+)-Glucose wird durch Hefe zu Ethanol vergoren, die L-(–)-Glucose dagegen nicht. Unsere Geschmacks- und Geruchsrezeptoren vermitteln bei einigen Enantiomeren unterschiedliche Eindrücke, z.B. schmeckt D-(+)-Phenylalanin süß, während L-(–)-Phenylalanin bitter schmeckt. COOH
COOH C*
H
C* H
H2N
NH2
CH2
CH2
D-(+)-Phenylalanin
L-(–)-Phenylalanin
(R)-(–)-Carvon ist ein Geruchstoff der Krauseminze, während (S)-(+)-Carvon in den ätherischen Ölen des Kümmels zu finden ist und diesem den typischen Geruch verleiht. CH3
CH3 O
H3C
C
H CH2
(S)-(+)-Carvon im Kümmel
O
H3C
C
H CH2
(R)-(–)-Carvon in Krauseminze
320
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben ? 8.1 Was sind chirale Moleküle?
? 8.2 Definieren Sie den Begriff Symmetrieebene.
? 8.3 Was versteht man unter dem Begriff Symmetriezentrum?
? 8.4 Was ist eine Drehspiegelachse?
? 8.5 Auf welche Weise misst man den Drehwinkel α und wie berechnet man die spezifische Drehung [a]?
? 8.6 Was versteht man unter einem asymmetrischen Kohlenstoffatom?
? 8.7 Markieren Sie in den beiden chemische Formeln die asymmetrischen Kohlenstoffatome! Cl H
OH
CH3 OH O HO H
HO H H
H OH
? 8.8 Wie stellt man sich die räumliche Orientierung des Moleküls beim Schreiben der FischerProjektion vor?
? 8.9 Definieren Sie den Begriff D/L und geben Sie Beispiele der Anwendung der D/L-Nomenklatur.
? 8.10 Wie verfährt man bei Ermittlung der S- bzw. R-Konfiguration?
Übungsaufgaben
321
? 8.11 Die Verbindungen a), b) und c) sollen mit der R/S- und der IUPAC-Nomenklatur benannt werden. (Anmerkung: in Formel a) befinden sich der Wasserstoff, die Formylgruppe und das asymmetrische Kohlenstoffatom in einer Ebene, die Methylgruppe vor und das Chlor hinter dieser Ebene. Die chem. Formeln b) und c) sind in der Fischer-Projektion gezeichnet.). O
H
O
O
H
HO
H
H
OH
HO
H
H
OH
H C C
H
Cl CH3
a)
CH2OH
CH2OH
b)
c)
Die Verbindung c) ist die D-Erythrose. Benennen Sie die Verbindung b) in der D/L-Nomenklatur mit dem Trivialnamen.
? 8.12 Was sind Stereoisomere und welche Art der Stereoisomerie gibt es?
? 8.13 Was sind Enantiomere und wie unterscheiden sie sich voneinander?
? 8.14 Was sind Diastereomere?
? 8.15 Was kann Ursache der Chiralität sein?
? 8.16 Was versteht man unter dem Begriff prochirales Zentrum?
? 8.17 Beschreiben Sie die räumlichen Veränderungen im Molekül und deren Auswirkungen bei der Substitution eines an ein asymmetrisches Kohlenstoffatom gebundenen Liganden.
? 8.18 Auf welche Weise kann man ein enantionmeres Gemisch trennen?
322
Lösungen
Lösungen 8.1 Moleküle, die mit ihrer spiegelbildlichen Darstellung, ähnlich wie linke und rechte Hand, nicht zur Deckung zu bringen sind, bezeichnet man als chiral (griech. Cheir = Hand). Sie haben weder eine Symmetrieebene noch ein Symmetriezentrum oder eine Drehspiegelachse. Chirale Moleküle sind optisch aktiv, beim Durchgang des polarisierten Lichtes durch eine Lösung einer chiralen Substanz erfolgt eine Drehung der Polarisationsebene. Moleküle achiraler Verbindungen sind symmetrisch, sie haben eines der drei genannten Symmetrieelemente (siehe Kapitel 8.3.1).
! 8.2 Eine Symmetrieebene ist eine fiktive (gedachte) Ebene, die man durch das Molekül durchlegen kann und die es in zwei spiegelbildliche Hälften teilt. Für alle Atome auf der einen Seite der Symmetrieebene findet man gegenüberliegend auf der anderen Seite in gleicher Entfernung ein äquivalentes Atom.
! 8.3 Ein Symmetriezentrum ist der Punkt eines Moleküls, über den man von allen Atomen des Moleküls eine gedachte Gerade zu einem anderen äquivalenten Atom ziehen kann, wobei das Symmetriezentrum die Strecke halbiert.
! 8.4 Eine Drehspiegelachse ist ein Symmetrieelement, das sich aus zwei aufeinanderfolgenden Symmetrieoperationen zusammensetzt: einer Drehung und einer Spiegelung. Ein Molekül hat eine Drehspiegelachse, wenn es nach Durchführung der beiden Symmetrieoperationen mit sich selbst wieder zur Deckung kommt (siehe Kapitel 8.3.1.3).
! 8.5 Die Drehung der Polarisationsebene beim Durchgang des polarisierten Lichtes durch die Lösung einer chiralen Substanz kann mit dem Polarimeter gemessen werden. Dieser besteht aus einer Lichtquelle, dem Polarisator, dem Probenrohr mit der zu messenden Lösung, dem Analysator, einer Kreisscheibe mit Gradeinteilung und einer Optik zur Beobachhtung der Helligkeit des durchgehenden polarisierten Lichts. Durch Drehung des Analysators und Helligkeitsabgleich kann an der Kreisscheibe der Drehwinkel α gemessen werden. Der Drehwinkel α ist abhängig von der Konzentration der Lösung und von der Länge des Probenrohrs. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß die Messung auch geringfügig von der Temperatur und der Wellenlänge des Lichts abhängt. Will man vergleichbare Werte haben, muß man dies berücksichtigen. Dies geschieht mit Angabe der spezifischen Drehung [α]D20. Die spezifische Drehung wird nach folgender Formel berechnet: [α]D20 =
gemessener Winkel α [Grad ] Konzentration [g/mL ] . Länge des Probenrohrs [dm ]
Bei einer genauen Messung sollte auch noch das Lösungsmittel angegeben werden. Das tiefgestellte D in [α]D20 bedeutet die Wellenlänge der gelben Natriumlinie und die hochgestellte Zahl 20 die Temperatur, bei der gemessen wurde (siehe Kapitel 8.2.1).
Lösungen
323
! 8.6 Ein Kohlenstoffatom, das vier verschiedene Liganden bindet, wird als asymmetrisches Kohlenstoffatom bezeichnet. Liegt ein asymmetrisches C-Atom im Molekül vor, ist dieses chiral. Befinden sich im Molekül zwei oder mehreren asymmetrischen Kohlenstoffatome, ist das Molekül ebenfalls chiral und optisch aktiv. Ist im Molekül jedoch, auch bei Vorhandensein asymmetrischer Kohlenstoffatome eine Symmetrie vorhanden, wie z.B. bei der meso-Weinsäure, so ist die Verbindung optisch inaktiv.
! 8.7 Die Markierungen mit * zeigen in beiden Formeln die Stellen an, wo sich asymmetrische Kohlenstoffatome befinden. Cl H OH CH3
* *
OH O
* HO
* HO
* H
H
* *
H
H OH
! 8.8 Die Fischer-Projektion wendet man in der Regel bei Aminosäuren, Hydroxysäuren und bei Zuckern an, wobei in der Formel die räumliche Anordnung der Liganden an asymmetrischen Kohlenstoffatomen eindeutig zu ersehen ist. Man orientiert bei der Fischer-Projektion die Kohlenstoffkette des Moleküls senkrecht, wobei das C-Atom mit der höheren Oxidationszahl oben steht. Man geht dann die Kohlenstoffkette nach unten entlang und betrachtet jedes asymmetrische Kohlenstoffatom so, daß die beiden C-C-Bindungen am asymmetrischen Kohlenstoffatom vom Betrachter weg nach rückwärts weisen, wobei Wasserstoff, Stickstoffoder Sauerstoffatome schräg nach vorn zu stehen kommen und sich vom Betrachter aus links bzw. rechts befinden.
! 8.9 Die D/L Nomenklatur wird angewandt bei Naturstoffen, wobei man diese mit Trivialnamen benennt. Die D/L-Nomenklatur in Verbindung mit dem Trivialnamen bestimmt eindeutig die räumliche Anordnung der Liganden an asymmetrischen Kohlenstoffatomen. Welcher Reihe die Zucker oder Hydroxycarbonsäuren angehören, ob D- oder L-Reihe, entscheidet die –OHGruppe am letztständigen asymmetrischen Kohlenstoffatom, Steht sie in der FischerProjektion rechts, handelt es sich um eine D-Verbindung, links um eine L-Verbindung. Bei Aminosäuren ist die Aminogruppe in α-Stellung für die Zuordnung in D- oder L-Reihe zuständig. D- und L-Verbindungen, z.B. die D-Glucose und die L-Glucose, stehen zueinander in spiegelbildlichem Verhältnis, es handelt sich um Enantiomerenpaare.
324
Lösungen
! 8.10 Die R/S-Nomenklatur bietet eine breit anwendbare Möglichkeit chirale Verbindungen zu benennen, wobei man die von Cahn, Ingold und Prelog vorgeschlagenen Sequenzregeln anwendet. Nach dieser Regel haben die an das asymmmetrische Kohlenstoffatom gebundenen Atome mit einer höheren Ordnungszahl die höhere Priorität. Sind zwei gleiche Atome an das asymmetrische Kohlenstoffatom gebunden, muß man in der Kette entlanggehen, bis man eine unterschiedliche Priorität feststellt. Man betrachtet jedes asymmetrische Kohlenstoffatom einzeln so, daß der Ligand mit der niedrigsten Priorität vom Betrachter aus rückwärts zu stehen kommt und die drei anderen Liganden sich vorne befinden. Man geht nun vom Liganden mit der höchsten Priorität zu dem mit nächst niedriger Priorität. Beschreibt man dabei einen Bogen im Uhrzeigersinn, so hat das chirale Zentrum eine R-Konfiguration, beschreibt man einen Bogen entgegen dem Uhrzeigersinn, so liegt eine S-Konfiguration vor.
! 8.11 Die drei unten angeführten Verbindungen werden wie folgt mit R/S-Nomenklatur benannt: O
H
O
O
H
HO
H
H
OH
HO
H
H
OH
H C C
H
Cl
CH2OH
CH3
a) (2S )-2-Chlorpropanal
b) (2S ,3S )-2,3,4Trihydroxybutanal
CH2OH
c) (2R ,3R )-2,3,4Trihydroxybutanal
Wie man das unter a) angeführte Molekül räumlich ausrichten muß, um festzustellen, ob eine R- oder S-Konfiguration am asymmetrischen Kohlenstoffatom vorliegt, zeigt diese Darstellung: O
H
O
H C C
Drehen des Moleküls um senkrechte Achse
Cl CH3
H C
H C
H3C
Cl
Man muß sich vorstellen, man würde das Molekül so drehen, daß das Wasserstoffatom, das in der Formel vordem links gestanden hat, sich nach der Drehung vom Beschauer her rückwärts befindet. Mit dieser Drehung des Moleküls kommt die in der Formel bisher rechtsstehende Methylgruppe links zu stehen und das rückwärts befindliche Chloratom wird nach vorne rechts gedreht. Wendet man nun die Sequenzregeln nach Cahn, Ingold und Prelog an und geht in dem so räumlich orientierten Molekül in einem Bogen vom Chlor zum Kohlenstoff der Formylgruppe und dann zum Kohlenstoff der Methylgruppe, so beschreibt man einen Bogen gegen den Uhrzeigersinn, es liegt also eine S-Konfiguration vor.
Lösungen
325
Die Verbindung c) ist die D-Erythrose. Wenn man diese Angabe hat, kann man auch den Namen der Verbindung b) ableiten: Die Hydroxylgruppe am letztständigen asymmetrische Kohlenstoffatom der Verbindung b) steht in der Fischer-Projektion links, es handelt sich also um einen Zucker der L-Reihe. Vergleicht man die räumliche Anordnung der Liganden an den beiden asymmetrischen Kohlenstoffatomen der Verbindungen b) und c) so stellt man fest, daß in beiden Verbindungen in der Fischer-Projektion die Liganden Wasserstoff und Hydroxylgruppe seitenverkehrt stehen. Die Verbindungen b) und c) stehen zueinander in spiegelbildlichem Verhältnis, es sind Enantiomere. Aus dieser Erwägung folgt, dass die Verbindung b) die L-Erythrose ist.
! 8.12 Stereoisomere sind Verbindungen gleicher Konstitution aber mit unterschiedlicher räumlicher Anordnung der Atome im Molekül. Man unterscheidet im wesentlichen drei Arten von Stereoisomerie: die optische Isomerie, die auf die Chiralität des Moleküls zurückzuführen ist, die cis-trans-Isomerie oder geometrische Isomerie, die bei cyclischen Verbindungen und Verbindungen mit Doppelbindungen auftritt und die Rotationsisomerie, die bei Verbindungen mit eingeschränkter Drehbarkeit um die C-C-Einfachbindung gegeben ist.
! 8.13 Enantiomere sind chirale Verbindungen, deren Moleküle in einem räumlichen Verhältnis wie Bild und Spiegelbild zueinander stehen. Durch Drehen und Wenden kann man beide enantiomeren Moleküle nicht zur Deckung bringen. Enantiomere bewirken eine Drehung der Ebene des polarisierten Lichts um den gleichen Betrag, jedoch in entgegengesetztem Drehsinn. Sie unterscheiden sich nicht in den skalaren Eigenschaften (z.B. Schmelzpunkt und Siedepunkt), auch nicht in chemischen Reaktionen mit achiralen Verbindungen, können sich aber in ihrer physiologischen Wirkung (pharmakologische oder toxikologische Wirkung) unterscheiden.
! 8.14 Optische Isomere, deren Molekülstrukturen nicht im spiegelbildlichem Verhältnis zueinander stehen, sind Diastereomere (griech. dia = jenseits). Diastereomere unterscheiden sich sowohl in ihrem spezifischen Drehwert, als auch in den physikalischen Eigenschaften.
! 8.15 Liegt die Ursache der Chiralität im Vorhandensein asymmetrischer Kohlenstoffatome, so spricht man von einer zentralen Chiralität. Es gibt aber optisch aktive Substanzen, deren Chiralität andere Ursachen hat. Zu diesen Substanzen gehören Verbindungen mit axialer Chiralität, z.B. das 1-Chlorbuta-1,2-dien, mehrfach substituierte Spirane, oder ortho-substituierte Biphenyle, deren Drehbarkeit durch sperrige ortho-Substituenten eingeschränkt ist. Eine planare Chiralität liegt bei meta- und para-substituierten Cyclophanen vor. Bei der Helicität geht es um eine Chiralität verursacht durch eine schraubenförmige Struktur. Um eine solche Struktur geht es bei der rechtsgängigen (P)-Helix und der linksgängigen M-Helix. Eine solche schraubenförmige Struktur finden wir auch in der α-Helix von Proteinen (siehe Kap. 24.6.2.1) und der DNA-Helix (siehe Kap. 27.1.1.2).
326
Lösungen
! 8.16 Bei bestimmten Reaktionen kann aus einer achiralen Verbindung eine chirale Substanz entstehen. Die Stelle des Moleküls an der diese Umwandlung geschieht wird als prochirales Zentrum bezeichnet. Dies kann ein Kohlenstoffatom sein, das drei verschiedene Liganden bindet und bei der Reaktion zum asymmetrischen Zentrum wird. Achirale Substanzen, bei denen dies erfolgt bezeichnet man als prochirale Verbindung. Liegen keine chiralen Einflüsse vor (chirales Lösungsmitel oder chiraler Katalysator) so entstehen bei der Reaktion mit einer prochiralen Verbindung racemische Gemische. Wird in einer schon chiralen Verbindung ein neues Chiralitätszentrum gebildet, kann das bereits vorhandene Chiralitätszentrum den Verlauf der Reaktion beeinflussen, besonders dann, wenn das neu zu bildende Chiralitätszentrum sich in Nachbarschaft zum bereits bestehenden befindet. In diesem Falle kann ein stereoisomeres Produkt überwiegen. Man spricht dann von einer asymmetrischen Synthese.
! 8.17 Bei einer chemischen Reaktion am asymmetrischen Kohlenstoffatom kann eine Retention, eine Inversion oder eine Racemisierung erfolgen. Bei der Retention behalten drei Liganden am asymmetrischen C-Atom die räumliche Anordnung bei und ein Ligand wird ausgetauscht. In diesem Falle liegt ein Konfigurationserhalt vor. Erfolgt die chemische Reaktion am asymmetrischen C-Atom auf die Weise, daß die Liganden, die nicht ausgetauscht werden, im Übergangszustand in einer Ebene liegen und in die entgegengesetzte Konfiguration übergehen (Walden-Umkehr) während der neue Ligand von der Gegenseite an das asymmetrische C-Atom herantritt, so spricht man von einer Inversion. Sie ist mit einer Konfigurationsumkehr verbunden. Eine Racemisierung erfolgt dann, wenn am asymmetrischen C-Atom sowohl das (S)- als auch das (R)-Produkt gebildet werden.
! 8.18 Ein Enantiomerengemisch kann man über diastereomere Zwischenprodukte, mit Hilfe von Mikroorganismen oder unter Benutzung optisch aktiver Trägermaterialien mit Hilfe chromatographischer Methoden trennen. Zur Trennung über ein Enantiomerengemisch läßt man z.B. ein racemisches Säuregemisch mit dem Enantiomer einer Base (die nur die S oder nur die R-Konfiguration hat) reagieren und erhält als Zwischenprodukt ein diastereomeres Gemisch, das man auf Grund seiner unterschiedlichen Eigenschaften trennen kann. Nach der Trennung wird das Säureenantiomer mit einer stärkeren Säure aus dem Salz freigesetzt. Auf diese Weise erhält man nach Aufarbeitung das reine Enantiomer der Säure. Es gibt auch Enantiomere, die aus racemischen Gemischen (Konglomeraten) in spiegelbildlicher Form auskristallisieren, und diese können, wie dies 1848 schon Louis Pasteur bewiesen hat, durch Handauslese voneinander getrennt werden (siehe Kapitel 8.10).
9 Halogenalkane Halogensubstituierte Alkane (substituiert mit F, Cl, Br oder I) werden allgemein als Halogenalkane oder Alkylhalogenide bezeichnet.
9.1 Nomenklatur Nach der IUPAC-Nomenklatur werden die Halogenalkane als Derivate des Alkans aufgefaßt. Zunächst werden die Stellung des Halogens in der Kette und der Name des Halogens angeführt. Danach wird der Name des Alkans mit der entsprechenden Anzahl der C-Atome genannt. Ist die Benennung des Halogenalkans auch ohne Stellenangabe des Halogens eindeutig, braucht diese nicht angeführt zu werden. Unterschiedliche Halogene werden in alphabetischer Reihenfolge genannt, z. B. H H
C
Br H
Br
Brommethan
H
C
I
Cl
Bromchloriodmethan
H
H
H
H
H
C
C
C
C
H
Cl
Cl
H
2,3-Dichlorbutan
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
Br
Cl
Br
H
H
1,3-Dibrom-2-chlorbutan
Halogenalkane werden auch allgemein als Alkylhalogenide bezeichnet. Gebraucht man diese ältere Nomenklatur, nennt man zuerst den Alkylrest, der die Endung -yl hat, worauf man den Namen des Halogens mit der Endung -id anfügt. Die Verbindung CH3CH2Br kann man demgemäß als Ethylbromid bezeichnen, CH3CHClCH3 als Isopropylchlorid. Man benutzt diese Nomenklatur hauptsächlich bei einfachen Halogenalkanen und dort, wo es vorteilhaft ist, den Alkylrest mit seinem Trivialnamen anzuführen. Einige Halogenalkane haben Trivialnamen, z.B. CH2Cl2 Methylenchlorid, CHCl3 Chloroform und CCl4 Tetrachlorkohlenstoff.
9.2 Eigenschaften und Bedeutung der Halogenalkane Halogenalkane sind relativ unpolar. Sie sind daher in Wasser nicht löslich, jedoch gut löslich in organischen Lösungsmitteln. Methylenchlorid, Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff werden häufig als Lösungsmittel für organische Verbindungen benutzt. Tetrachlorkohlenstoff wurde früher oft als Fleckenputzmittel verwendet. Es hat gegenüber anderen organischen Lösungsmitteln den Vorteil, daß es nicht brennbar ist. Der Nachteil der Halogenalkane als Lösungsmittel ist die Giftigkeit ihrer Dämpfe. Sie verursachen gefährliche Blutschädigungen durch Einwirkung auf die Leber mit Prothrombinmangel und Gerinnungsstörungen. Durch Lichteinwirkung oder in der Flamme entsteht aus den genannten Lösungsmitteln im
328
9 Halogenalkane
Beisein von Luft das giftige Phosgen COCl2 (im ersten Weltkrieg als Kampfgas benutzt). Zur Herabsetzung der Phosgenbildung durch Lichteinwirkung wird dem Chloroform 0,5 % Ethanol zugegeben. Alkylbromide und Alkyliodide zersetzen sich unter Lichteinfluß so, daß Brom bzw. Iod frei wird. Diese Halogenalkane sind deshalb in braunen Flaschen aufzubewahren. Wichtig sind die Halogenalkane als Alkylierungsmittel in organischen Synthesen. Mit Ausnahme der Fluoralkane, die infolge der geringen Polarisierbarkeit und der Stärke der C–F-Bindung wenig reaktionsfreudig sind, kann in Halogenalkanen das Halogenatom durch ein Nucleophil leicht ersetzt werden. Freone wurden als Treibgas für Sprays und als Kühlmittel in Kühlschränken benutzt. Sie müssen durch andere Stoffe ersetzt werden, da sie in der Ozonosphäre (in 20–30 km Höhe) die Ozonschicht zerstören, die als Schutzschild gegen zu starke UV-Einstrahlung wirkt. Halothan CF3CHBrCl wird als einzuatmendes Anästhetikum (Schmerzbekämpfungsmittel) verwendet.
9.3 Darstellung der Halogenalkane 9.3.1 Halogenierung von Alkanen Die Chlorierung von Methan hat Bedeutung für die Herstellung von Methylchlorid, Methylenchlorid, Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff (siehe Abschnitt 2.9.1.1). Die einzelnen Produkte, die im Reaktionsgemisch nebeneinander vorliegen, lassen sich, da sie große Unterschiede in der Siedetemperatur aufweisen, gut voneinander trennen. Für die Darstellung von Halogenalkanen aus höheren Alkanen ist die Reaktion jedoch uninteressant, weil eine große Anzahl von Reaktionsprodukten entsteht und man die Komponenten voneinander nicht sauber trennen kann, da sich die Siedetemperaturen der Halogenalkane untereinander zu wenig unterscheiden.
9.3.2 Halogenalkane aus Alkoholen Chloralkane. Konzentrierte Salzsäure reagiert mit tertiären Alkoholen relativ gut, insbesondere in Gegenwart von ZnC12 (siehe Abschnitt 10.7.4.1), CH3 H3C
C
CH3 OH
+
HCl
H3C
CH3
C
Cl
+
H2O
CH3
sie reagiert langsam mit sekundären Alkoholen und nicht, oder nur sehr schlecht, mit primären Alkoholen. Aus primären Alkoholen stellt man deshalb Chloralkane durch Erhitzen mit PCl3 oder PCl5 her (siehe auch Abschnitt 10.7.4.1), 3 R
CH2
OH
+ PCl3
3 R
CH2
Cl + H3PO3
9.3 Darstellung der Halogenalkane
329
oder man läßt den Alkohol mit SOCl2 in Gegenwart von Pyridin reagieren: R
CH2
OH
SOCl2
+
Pyridin
R
CH2
Cl
+ SO2
+ HCl
Bromalkane. Bromalkane lassen sich aus Alkoholen (auch aus primären Alkoholen) durch Erhitzen mit 48%iger Bromwasserstoffsäure herstellen oder indem man ein Gemisch aus Alkohol, Schwefelsäure und KBr erhitzt. R
CH2
OH + H
R
Br
CH2
Br
+ H2O
Auch durch Erhitzen des Alkohols mit PBr3 kann man Bromalkane darstellen. Iodalkane. Die Darstellung von Iodalkanen gelingt durch Erhitzen eines Gemisches bestehend aus Alkohol, Iod und rotem Phosphor. Als eigentliches Reagens bei dieser Reaktion wirkt das aus Phosphor und Iod gebildete PI3. Die Darstellung der Iodalkane aus höheren Alkoholen erfordert erhöhten Druck.
9.3.3 Halogenderivate aus Alkenen Monohalogenderivate lassen sich durch Addition von HX (X = Cl, Br oder I) an Alkene synthetisieren (siehe Abschnitt 3.7.4.1), z. B. H3C
CH
CH2
+ H
Br
H3C
CH
CH3
Br
während bei der Addition von Cl2 oder Br2 an Alkene Dichlor- bzw. Dibromderivate entstehen (siehe Abschnitt 3.7.4.6), z.B. H3C
CH
CH2
+
Br2
H3C
CH
CH2
Br
Br
9.3.4 Die Gewinnung von Fluoralkanen Von den Fluoralkanen haben Fluorderivate des Methans die größte Bedeutung. Ihre Herstellung durch direkte Einwirkung von Fluor auf Methan läßt sich schlecht durchführen, da die Reaktion explosionsartig verläuft. Man verfährt deshalb so, daß man Chlorderivate des Methans mit wasserfreiem Fluorwasserstoff in Gegenwart von Katalysatoren fluoriert. Fluoralkane können auch durch Umsetzung von Chlor-, Brom- oder Iodalkanen mit Metallfluoriden dargestellt werden. Reaktion von Halogenalkanen mit Metallfluoriden (Swarts-Reaktion). Läßt man Chlor-, Brom- oder Iodalkane mit Quecksilber(I)fluorid, Silber- oder Kaliumfluorid reagieren, erfolgt der Austausch von Chlor, Brom oder Iod durch Fluor.
330 2 R
9 Halogenalkane X
+
Hg2F2
2 R
F
X = Cl, Br oder I
Hg2X2
+
Reaktion von Chloralkanen mit HF. Die Substiution von Chlor durch Fluor in Chlorderivaten des Methans durch deren Umsetzung mit HF spielt eine Rolle in technischen Verfahren zur Herstellung von Chlorfluormethanen. Die Herstellung der Chlorfluormethane kann in der Gasphase bei 150°C mit Aluminiumfluorid, Chromfluorid oder Chromoxyfluorid als Festbettkatalysator oder in der Flüssigphase unter Druck bei 100°C mit Antimonfluorid als Katalysator erfolgen. Durch Einwirkung von HF in Anwesenheit eines entsprechenden Katalysators wird in Chlorderivaten des Methans (z.B. CH2Cl2) das Chlor stufenweise durch Fluor ersetzt. CH2Cl2
+
HF
CH2ClF
+
HF
150 °C, AlF3 150 °C, AlF3
CH2ClF
+
HCl
CH2F2
+
HCl
Die Chlorfluormethanverbindungen werden im Handel als Freone (USA) oder Frigene (Europa) bezeichnet. Für die technische Kennzeichnung wird ein zweistelliger Zahlencode verwendet, wobei die erste Ziffer die um eins erhöhte Anzahl der Wasserstoffatome und die zweite Ziffer die Anzahl der Fluoratome im Molekül angeben. CCl4
HF/SbF5 - HCl
CCl3F
HF/SbF5 - HCl
Trichlorfluormethan (Frigen 11, Sdt. 23,7°C) CHCl3
HF/SbF5 - HCl
CHCl2F
Dichlorfluormethan (Frigen 21, Sdt. 9°C)
CCl2F2
HF/SbF5 - HCl
Dichlordifluormethan (Frigen 12, Sdt. –29,8°C) HF/SbF5 - HCl
CClF3
Chlortrifluormethan (Frigen 13, Sdt. –81,1°C)
CHClF2
Chlordifluormethan (Frigen 22, Sdt. –40,8°C)
Anmerkung: die Abkürzung Sdt. bedeutet Siedetemperatur. Die Frigene sind tief siedende, untoxische, nicht brennbare, sehr stabile Verbindungen, die in Kühlsystemen und als Treibgas in Spraydosen verwendet werden. Gelangen diese Verbindungen in die Stratosphäre, so erfolgt dort durch energiereiche Strahlung ein Zerfall dieser Verbindungen, wobei Chloratome entstehen, die den Abbau von Ozon katalysieren. Die Abnahme der Ozonkonzentration in der Stratosphäre kann für das Leben auf der Erde katastrophale Folgen haben. Man bemüht sich deshalb weltweit, die Frigene durch andere Stoffe zu ersetzen. In der Bundesrepublik Deutschland sind für den Handel Frigene als Treibmittel in Spraydosen oder als Kühlmittel in Kühlschränken und Klimaanlagen gesetzlich nicht mehr zugelassen. Von den Chlorfluormethanen hat das Chlordifluormethan die größte Bedeutung. Durch Pyrolyse dieser Substanz bei 250°C entsteht Tetrafluorethylen F2C=CF2.
9.4 Reaktionen der Halogenalkane H 2
F
250 °C
C Cl
F
331
F
F C
+
C
F
2 HCl
F
Tetrafluorethylen ist ein Gas, das bei Katalyse von Peroxiden unter Druck zu Polytetrafluorethylen (Teflon) polymerisiert. F n
F C
C
Katalysator, Druck
F
F
Tetrafluorethylen
F
F
C
C
F
F
n
Teflon
Teflon hat einen hohen Erweichungspunkt, der bei etwa 300°C liegt, es ist ein guter Isolator und es ist resistent gegen Chemikalien. Nur schmelzende Alkalimetalle und Fluor greifen es an. Teflonpulver sintert bei 360°C und bildet gut haftende Überzüge. Teflon wird zum Innenbezug von Pfannen und Töpfen verwendet, zum Oberflächenschutz von Metallen und für wasserabweisende Filme. Aus Teflon werden Rohre, Dichtungen und Hähne hergestellt. Weitere Synthesen von Halogenalkanen werden in Abschnitt 15.4.5.3b (aus Silbersalzen, die Hunsdiecker-Reaktion) und in Abschnitt 22.7.1.3 (aromatische Halogenderivate aus Diazoniumsalzen) behandelt.
9.4 Reaktionen der Halogenalkane Die nachfolgend beschriebenen Reaktionen können mit Iod-, Brom- oder Chloralkanen durchgeführt werden. Infolge ihrer Reaktionsträgheit reagieren Fluoralkane auf diese Weise nicht. In den weiteren Ausführungen steht X für Iod, Brom oder Chlor.
9.4.1 Hydrogenolyse von Halogenalkanen Unter Hydrogenolyse versteht man eine Hydrierung, die unter gleichzeitigem Bindungsbruch der C–X-Bindung erfolgt. Halogenalkane lassen sich durch Erhitzen mit Zink und Säure (Mineralsäure oder Essigsäure) R
Zn / CH3COOH
X
R
H
oder durch Erhitzen mit Lithiumaluminiumhydrid in Tetrahydrofuran 4 R
X
+
LiAlH4
Tetrahydrofuran
4
R
H
+
AlCl3
+ LiCl
zu Alkanen umsetzen (siehe Abschnitt 2.7.2.3). Iodalkane reagieren besser als Bromalkane und diese wiederum besser als Chloralkane. Fluoralkane reagieren nicht.
332
9 Halogenalkane
Iodalkane können auch bei Erhitzen mit konz. Iodwasserstoffsäure in Alkane umgesetzt werden. R
I
+
I
H
R
I2
+
H
9.4.2 Reaktion mit Metallen Wurtzsche Synthese. Mit metallischem Natrium oder Kalium reagieren Halogenalkane unter Verdoppelung der Kohlenstoffkette zu Alkanen (siehe Abschnitt 2.7.2.1). 2 R
+
X
2 Na
R
R
+
2 NaX
Darstellung von Alkyllithiumverbindungen. Läßt man die Halogenalkane mit in Diethylether oder Tetrahydrofuran (THF) suspendiertem Lithium reagieren, so entstehen die entsprechenden Alkyllithiumverbindungen. C4H9Br
+
2 Li
0 °C
C4H9Li
LiBr
+
Organische Verbindungen, welche ein Metallatom enthalten, werden allgemein als Organometallverbindungen bezeichnet. Grignard-Reagens. Die Apparatur zur Darstellung des Grignard-Reagens besteht aus einem Dreihalskolben mit aufgesetztem Rückflußkühler und Tropftrichter. Die Reaktion führt man unter trockener Stickstoffatmosphäre durch, oder man verhindert mit einem Chlorcalciumröhrchen den Zutritt von Luftfeuchtigkeit. Aus einem Tropftrichter läßt man langsam das mit wasserfreiem Ether verdünnte Halogenalkan zu Magnesiumspänen zutropfen, welche sich ebenfalls in wasserfreiem Ether (Diethylether oder Tetrahydrofuran) befinden. Bei der Reaktion entsteht ein Alkylmagnesiumhalogenid. Eine solche Verbindung wird allgemein als Grignard-Reagens bezeichnet (siehe auch Abschnitt 2.7.2.2). R
X
Mg
+
Diethylether
R
Mg
X
9.4.3 Eliminierungsreaktionen Erhitzt man ein Halogenalkan mit Alkalihydroxid in Alkohol, so wird HX aus dem Molekül abgespalten, und es entsteht ein Alken (siehe Abschnitt 3.6.1.1). Tertiäre Halogenalkane spalten HX leicht ab, primäre Halogenalkane hingegen geben schlechte Alkenausbeuten. CH3 (CH3)3C
X
+
NaOH
H3C
C
CH2
+
NaX
+
H2O
Ein Alken entsteht ebenfalls durch Erhitzen eines Dihalogenalkans mit Zinkpulver in Ethanol (siehe auch Abschnitt 3.6.1.2).
9.4 Reaktionen der Halogenalkane
R
H
H
C
C
X
H
+
Zn
333
H
Ethanol
C R
X
C
H H
+
ZnX2
9.4.4 Nucleophile Substitutionsreaktionen Das Halogenatom ist im Vergleich zum Kohlenstoffatom elektronegativer, so daß die C–XBindung eine polare kovalente Bindung darstellt: H H
δ+
δ+ δC X
δ-
= positive Teilladung = negative Teilladung
R
Die C–X-Bindung kann leicht gespalten werden und das Halogen durch eine andere funktionelle Gruppe, die in diesem Falle als Nucleophil bezeichnet wird, ersetzt werden. Für das Nucleophil wird im weiteren das Symbol Nu verwendet. Unter einem Nucleophil (lat. nucleus = Kern und griech. philos = liebend, also: Kernliebend) ist ein Anion oder eine elektroneutrale Verbindung zu verstehen, die ein freies Elektronenpaar besitzt, mit dem sie sich an das C+ eines Carbeniumions oder an ein Kohlenstoffatom mit positiver Teilladung binden kann. Das Halogenalkan ist in dieser Substitutionsreaktion als Reaktionspartner des Nucleophils der Elektronenakzeptor und wird ganz allgemein als Elektrophil bezeichnet. Einen Vorgang, bei dem eine elektronegative funktionelle Gruppe (im Falle des Halogenalkans das Halogen) durch ein Nucleophil ersetzt wird, nennt man nucleophile Substitution und verwendet dafür die Abkürzung SN (S für Substitution und N für nucleophil), z. B.: R
X
+
Nu
R
Nu
+
X
Nu = Nucleophil
Die Bezeichnung einer Reaktion richtet sich gewöhnlich nach dem angreifenden Reagens. Bei der nucleophilen Substitution ist das Nucleophil das angreifende Reagens, das eine funktionelle Gruppe ersetzt. Die Gruppe, die abgespalten wird, bezeichnet man als Abgangsgruppe. Die leichte Abspaltbarkeit der Halogene läßt diese als außerordentlich gute Abgangsgruppe erscheinen. Es gibt eine Vielfalt von Nucleophilen, die in Halogenalkanen das Halogenatom ersetzen können, und dies ist der Grund, warum Halogenalkane für viele Synthesen wichtig sind. Zur Übersicht sind einige bei nucleophilen Substitutionen öfter eingesetzte Nucleophile aufgezählt, wobei diese nach dem Atom des Nucleophils geordnet sind, daß sich direkt an das Elektrophil bindet.
334
9 Halogenalkane O O
O-Nucleophile
O
R
Alkoholat-Ion
Br
Iodid-Ion N-Nucleophile
O
C
R2NH
tert. Amin sek. Amin
HC
C
NH2
prim. Amin
C
Acetylid-Ion
R
N
Cyanid-Ion
O
H
Wasser
Fluorid-Ion NH3
N3
C6H5NH2
Ammoniak
Azid-Ion
Anilin
O C-Nucleophile
H
F
Chlorid-Ion
R
CH3
Acetat-Ion
Cl
Bromid-Ion
R3N
C6H5
O
Hydroxid-Ion Phenolat-Ion
I
Halogenidionen als Nucleophile
H
O
C
O CH
C
O
R
Carbanion des Malonsäurediesters
O
S-Nucleophile
H
O
S
O
Hydrogensulfit-Ion (Bisulfit-Ion)
R
S
Mercaptid-Ion
H
S
Hydrogensulfid-Ion
S
2
Sulfid-Ion
9.5 Die aliphatische nucleophile Substitution (SN-Reaktion) Bei der nucleophilen Substitution am gesättigten Kohlenstoffatom (sp3-hybridisiertes C-Atom) wird eine als Abgangsgruppe (benutztes Symbol L nach dem englischen leaving group) bezeichnete Gruppe durch ein Nucleophil (benutztes Symbol Nu) ersetzt. Für die nucleophile Substitution wird allgemein das Symbol SN als Abkürzung verwendet (S = Substitution und N = nucleophil). Voraussetzung für die SN-Reaktion ist die Elektronegativität der Abgangsgruppe, denn die Bindung des Kohlenstoffatoms zu dem Atom der Abgangsgruppe muß genügend polar sein, damit eine heteropolare Spaltung möglich ist. Indem die elektronegative Abgangsgruppe die Bindungselektronen näher zu sich zieht, hat das Kohlenstoffatom eine positive und das direkt an das Kohlenstoffatom gebundene Atom der Abgangsgruppe eine negative Partialladung. Die Abgangsgruppe löst sich vom Kohlenstoffatom und nimmt dabei die beiden Bindungselektronen mit. An ihre Stelle tritt das Nucleophil, das bei der SN-Reaktion sein freies Elektronenpaar für eine Bindung mit dem Kohlenstoffatom verwendet.
9.5 Die aliphatische nucleophile Substitution (SN-Reaktion)
Nu
δ+ δR L
+
Nu
+
R
335
L
Das angreifende Nucleophil kann elektroneutral oder ein Anion sein. Ist das angreifende Nucleophil neutral, entsteht ein Kation, handelt es sich bei ihm um ein Anion, wird eine elektroneutrale Verbindung gebildet. Entsteht bei der SN-Reaktion zunächst ein Kation, kann dieses ein Proton abspalten und die Verbindung dadurch elektroneutral werden. H
H +
Nu
C
H
Nucleophil (elektroneutral)
Nu
L
R Elektrophil
C
+ H
H
+
L
H C
Nu
L
R
Nucleophil (Anion)
+
R Kation
H Nu
H
C
L
R elektroneutrale Verbindung
Elektrophil
Falls das Nucleophil gleichzeitig das Lösungsmittel darstellt, bezeichnet man die Reaktion als Solvolyse. Die Abgangsgruppe kann elektroneutral sein oder eine positive Ladung tragen. Im ersten Fall erfolgt die Abspaltung der Abgangsgruppe als Anion, im zweiten Fall als elektroneutrale Verbindung, z.B.: H
H N
+
C
H
Nucleophil
C
+ H
Nucleophil
C
H Elektrophil
Br
+
Anion H Br
O
H
R
H C
R
C
R Elektrophil
H Br
N
Br
C R
H H
+
O H elektroneutrale Verbindung
Bei der SN-Reaktion ist es wichtig, daß sich die Abgangsgruppe vom Kohlenstoffatom gut lösen kann. Deshalb hängt es auch von der Natur der Abgangsgruppe ab, wie leicht die Reaktion erfolgt. Gute Abgangsgruppen sind die konjugierten Basen starker Säuren (zu dem Begriff konjugierte Base siehe Abschnitt 10.7.3). Leicht abzuspaltende Gruppen sind z.B.:
336
9 Halogenalkane O
O
O Br >
S
O
CH3 >
S
O
>
I
>
Br
Cl
O
p-Brombenzolsulfonylgruppe (Brosylgruppe)
p-Toluolsulfonylgruppe (Tosylgruppe)
Iod
Brom
Chlor
Gut abzuspaltende Gruppen sind außerdem solche, die eine positive Ladung tragen. Die positive Ladung der Abgangsgruppe verstärkt die Polarisierung der Bindung zwischen C-Atom und dem daran gebundenen Atom der Abgangsgruppe und unterstützt damit das Lösen der Abgangsgruppe, z.B.: R R
C
R
H R
O H
R
C
R
H +
oder
O
C
R
H
R
R
R' R
O H
R
C
R' +
O H
R
Die –OH-Gruppe und die –OR-Guppe sind, ebenso wie die –NH2-Gruppe, schwer abspaltbar. Deshalb müssen diese Gruppen für SN-Reaktionen zunächst protoniert werden: H R
CH2
O + H
R
CH2
H
und
O
R
CH2
H
H
O + H
R
CH2
O R
R
gut abspaltbare Gruppe
abspaltbare Gruppe
Auch nach Überführung des Alkohols in den Tosylester liegt mit der Tosylgruppe eine besser abzuspaltende Gruppe vor: O
O R
O
H + Cl
S
CH3
R
O
CH3 + HCl
S O
O
p-Toluolsulfochlorid
Tosylester (gut abspaltbare Gruppe)
In den meisten Fällen erfolgt die SN-Reaktion mit Alkylhalogeniden. Diese lassen sich relativ leicht synthetisieren, und das Halogen kann aus dem Alkylhalogenid bei der SNReaktion leicht abgespalten werden. Nucleophile Substitutionsreaktionen an einem Alkyhalogenid R–X sind gleichzeitig auch Alkylierungsreaktionen. Man bringt bei dieser Reaktion in das Nucleophil einen Alkylrest R ein. R
X
+
Nu
R
Nu +
X
X = Cl, Br, I
Es erfolgt also die Alkylierung des Nucleophils Nu mit R. Ist das Nucleophil ein Carbanion, so erfolgt bei der nucleophilen Substitution eine C–C-Verknüpfung (siehe Tabelle 9.1).
9.5 Die aliphatische nucleophile Substitution (SN-Reaktion)
337
Tabelle 9.1 Synthetisch wichtige nucleophile Substitutionen
nucleophiles Atom
Nucleophil
Elektrophil
Reaktionsprodukte
H
H Halogen
+
F
H
C
SbF3, HF
Br
F
R
H
C
Aceton
Br
I
R
+
O
H
C
R'
Br
O
+
H
H
(s. Abschnitt 9.3.4)
+
Br
(s. Abschnitt 3.7.4.6)
H
+
Br
R Ether
H O
C
R
Alkoholat-Ion R'
Br
H
H R'
H
C
R Alkyliodid
Iodid-Ion Sauerstoff
+
H
H +
H
R Alkylfluorid
Fluorid-Ion
I
C
H O
C
R' H
R
(s. Abschnitt 12.3.3)
H O
C
H
R
H H
+ H2O
R'
O
C
H
R + H3O
Alkohol
prot. Alkohol
Ether (s. Abschnitt 12.3.2) H
H H
+
O
H
C
H
Br
R
O C
+ H
C
Br
R'
C
R
Carboxylat-Ion
Ester
N
C
+ H
Cyanid-Ion
+
Br
(s. Abschnitt 10.6.2.1) H O
C
H
+
Br
R (s. Abschnitt 17.3.3.3)
H
H Kohlenstoff in Carbanionen
H
O
H O
C
R Alkohol
Hydroxid-Ion
R'
O
C
Br
N
C
R Nitril
C
H
+
Br
R (s. Abschnitt 17.5.2.2)
338 nucleophiles Atom
9 Halogenalkane Nucleophil
Elektrophil
Reaktionsprodukte H
H
Kohlenstoff in Carbanionen
H
C
+
C
H
C
H
Br
C
R
Acetylid-Ion RO
C H
H +
C
H
C RO
C
H
Br
R
H
Stickstoff
H
N
+
H
H C
Br
C
C
H
+
Br
R O
Alkylmalonsäurediester (s. Abschnitt 15.3.2.5)
H
H
H
C
Carbanion des Malonsäurediesters
+
O C
RO
O
H
R (s. Abschnitt 4.4.4)
Alkin
O
RO
C
C
H
Br
R
H
N
C
H
R
H
+
Br
NH3
H
H
N
C
H
R
H
+ NH4Br
Ammoniak
prim. Amin (s. Abschnitt 22.5.2)
R' H
N
R'
H +
H
H
C
H
Br
R
H
N
C
H
R
H
+
Br
NH3
R'
H
N
C
H
R
H
+ NH4Br
prim. Amin
sek. Amin
R'' H
N R'
R'' H
H +
H
C
H
Br
R
N
C
R'
R
H
+
Br
R'' H
NH3
N
C
R'
R
H
+ NH4Br
sek. Amin
tert. Amin H
H Schwefel
H
S
+ H
R Hydrogensulfid-Ion
C
Br
H
S
C
H
+
Br
R Mercaptan (Alkylthiol)
9.6 Reaktionsmechanismen der aliphatischen nucleophilen Substitution nucleophiles Atom
Nucleophil
Elektrophil
Reaktionsprodukte H
H Schwefel
+
S
R'
H
C
R'
Br
C
+ 2R
H
C
R
Br
C H
H
Br
H S
C
+
Triphenylphosphin
H
2 Br
H C
R
R +
H Thioether
H (C6H5)3P
+
R
Sulfid-Ion Phosphor
H
Thioether H
S
S
R
Mercaptid-Ion 2
339
Br
(C6H5)3P
C
H
Br
R Alkyltriphenylphosphoniumbromid (s. Abschnitt 13.4.1.6)
9.6 Reaktionsmechanismen der aliphatischen nucleophilen Substitution Nucleophile Substitutionen (lat. substituere = ersetzen) am gesättigten C-Atom erfolgen in den meisten Fällen nach dem Reaktionsmechanismus der monomolekularen nucleophilen Substitution (SN1) oder der bimolekularen nucleophilen Substitution (SN2). Nach der SN1Reaktion reagieren bevorzugt Verbindungen, die die Abgangsgruppe an ein tertiäres Kohlenstoffatom gebunden haben, z.B. tertiäre Alkohole und tertiäre Alkylhalogenide. Die SN2Reaktion betrifft vornehmlich Verbindungen mit der Abgangsgruppe an einem primären Kohlenstoffatom, z.B. primäre Alkohole und primäre Alkylhalogenide. Verbindungen, in welchen die Abgangsgruppe am sekundären Kohlenstoffatom gebunden ist, können – je nach Reaktionsbedingungen – nach dem SN1- oder dem SN2-Reaktionsmechanismus reagieren. SN1-und SN2-Reaktionen sind Konkurrenzreaktionen, die auch nebeneinander ablaufen können. Eine nucleophile Substitution kann auch nach dem SNi-Mechanismus erfolgen, der jedoch relativ selten ist und bei der Reaktion von Alkoholen mit Thionylchlorid im Abschnitt 10.7.4.1 beschrieben wird.
9.6.1 SN1-Mechanismus Die SN1-Reaktion läuft in zwei aufeinanderfolgenden Reaktionsschritten ab. Im ersten langsamen Schritt erfolgt die Abspaltung der Abgangsgruppe L, wobei ein Carbeniumion entsteht, und im zweiten schnellen Schritt bindet sich das Nucleophil Nu: oder Nu:– an den positiven Kohlenstoff des Carbeniumions.
340
9 Halogenalkane R1
R1 R2
R2
C
langsam
L
R2
R3
R3
R1
R1
C
+
Nu
schnell
R2
R3
+
C
C
L
Nu
R3
Bild 9.l zeigt das Reaktionsprofil einer SN1-Reaktion. Über einen Übergangszustand, bei welchem die C–L-σ-Bindung gelockert ist, wird nach Loslösen der Abgangsgruppe das Carbeniumion als Zwischenprodukt gebildet. Die Produktbildung erfolgt über einen weiteren Übergangszustand, bei dem die σ-Bindung mit dem Nucleophil noch nicht vollständig ausgebildet ist (durch Punkte symbolisiert). 9.6.1.1 Kinetik der SN1-Reaktion Der langsamste Teilschritt der Reaktion ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt für den Gesamtablauf der Reaktion. Zur Erläuterung diene ein Beispiel aus dem täglichen Leben: Dreht man bei der Wasserleitung den Wasserhahn auf, so bestimmt der freigelegte Spalt unter der Dichtung die pro Zeiteinheit durchfließende Wassermenge. Der kleine Spalt stellt die größte Verengung in der Wasserleitung und somit auch das größte Hindernis dar, das die Durchflußgeschwindigkeit des Wassers in der Wasserleitung bestimmt. Ähnlich verhält es sich mit dem langsamsten Teilschritt der Reaktion. Er ist der Engpaß, der die Reaktionsgeschwindigkeit der Gesamtreaktion bestimmt.
R2
R1 δ+ C
1
R
δ− L + Nu
2
R
R3
δ+
δ− Nu + L
3
Übergangszustand
R
Übergangszustand
Energie
R1 R2
C
+ Nu
+ L
3
R
R1 R2
C
R1
Carbeniumion R2
L + Nu
C 3
3
R
R
Reaktionskoordinate Bild 9.1
C
Energieprofil einer SN1-Reaktion
Nu + L
9.6 Reaktionsmechanismen der aliphatischen nucleophilen Substitution
341
Der langsamste geschwindigkeitsbestimmende Teilschritt der SN1-Reaktion besteht im Loslösen der Abgangsgruppe unter Bildung eines Carbeniumions. An dieser Teilreaktion ist nur das Molekül des Substrats beteiligt (als Substrat wird die Verbindung bezeichnet, an der die Umsetzung erfolgt). Man bezeichnet diese Reaktion deshalb als monomolekular. Im Regelfall gehorchen SN1-Reaktionen einer Kinetik 1. Ordnung, das heißt, die Reaktionsgeschwindigkeit ist im Idealfall nur von der Konzentration des Substrats abhängig und wird nicht von der Konzentration des Nucleophils bestimmt. Reaktionsgeschwindigkeit = k · [ Substrat] Diese einfache Beziehung zwischen der Molekularität des geschwindigkeitsbestimmenden Prozeßes und der kinetischen Charakteristik der Reaktion ist aber nicht immer gegeben, sie kann durch verschiedene Faktoren kompliziert werden. 9.6.1.2 Der sterische Verlauf der SN1-Reaktion Den räumlichen Ablauf dieser Reaktion muß man sich so vorstellen, daß im Verlauf des Loslösens der Abgangsgruppe L der Bindungswinkel zwischen den drei restlichen am Kohlenstoff gebundenen Liganden aufgeweitet wird, bis schließlich nach Abgang dieser Gruppe das Kohlenstoffatom und seine Liganden in einer Ebene liegen. Das Nucleophil kann sich nun dem positiven Kohlenstoff von beiden Seiten der Ebene nähern. Die Wahrscheinlichkeit, daß dies von der einen oder der anderen Seite erfolgt, ist gleich. Bei optisch aktiven Verbindungen erfolgt deshalb bei der SN1-Reaktion am asymmetrischen C-Atom eine Racemisierung. unbesetztes p-Orbital R1
R1 L
C
R2
sp3-hybridisiert
R3
R1 C
+
R2
C
+
+ L
R2
sp2-hybridisiert
R3 Carbenium-Ion R1 Nu
C R2 3 R +
R3
R1 Nu
Nu Bild 9.2
Der räumliche Verlauf der SN1-Reaktion
C
R2
R3
342
9 Halogenalkane
Das C-Atom, das die Abgangsgruppe trägt, ist sp3-hybridisiert. Nach Loslösen der Abgangsgruppe ist es sp2-hybridisiert und hat eine positive Ladung. Die an den positiven Kohlenstoff gebundenen Liganden liegen in einer Ebene, das unbesetzte p-Orbital des sp2hybridisierten Kohlenstoffs steht senkrecht zu dieser Ebene, mit einem Orbitallappen vor und dem anderen hinter der Ebene. Im zweiten Teilschritt der SN1-Reaktion kann sich das Nucleophil mit seinem freien Elektronenpaar dem p-Orbital des Carbeniumions von der einen oder der anderen Seite nähern. Das Orbital der Nucleophils mit dem freien Elektronenpaar überlappt mit dem p-Orbital des sp2-hybridisierten Kohlenstoffs, der mit Ausbildung der σ-Bindung wieder in den sp3-Hybridzustand versetzt wird. Neben der Racemisierung tritt bei SN1-Reaktionen vielfach auch eine Inversion auf ( siehe Abschnitt 8.9.3.2). Man erklärt dies durch die Bildung von Ionenpaaren. Beim Lösen der Abgangsgruppe L bilden die entstehenden beiden Ionen, das Carbeniumion und L:– zunächst ein Kontakt-Ionenpaar, wobei sich beide Ionen zueinander in engem Kontakt befinden und von einer gemeinsamen Solvathülle (Lösungsmittelmoleküle) umgeben sind. Zwischen beide Ionen schieben sich einige Lösungsmittelmoleküle ein (in der nachfolgenden Darstellung durch || symbolisiert), die beiden Ionen ziehen sich aber immer noch elektrostatisch an, sie bilden ein externes Ionenpaar. Die Ionen entfernen sich schließlich immer weiter voneinander und stehen, jedes von einer Solvathülle umgeben, miteinander nicht mehr in Wechselwirkung. Reaktivere Carbeniumionen reagieren mit dem Nucleophil schon, bevor die abgetrennte Abgangsgruppe L: – sich weit genug entfernen konnte (bei Vorliegen eines externen Ionenpaares). Da die Abgangsgruppe den Zugang zum Carbeniumion abschirmt, greift das Nucleophil von der Rückseite an, was eine Inversion der Konfiguration zur Folge hat.
C
C
L + Nu
R3
Substrat
R
R1
R1 L
2
2
R
Nu
R1
R1
Nu
C
L
Nu
C
2
R3
Kontaktionenpaar
R
R3
externes Ionenpaar
R3
+ L R2
Produkt
9.6.1.3 Strukturelle Voraussetzung des Substrats für den SN1-Mechanismus Nach dem SN1-Mechanismus reagieren vor allem Verbindungen, die die Abgangsgruppe an ein tertiäres C-Atom (C-Atom mit 3 Alkylresten) gebunden haben. Die Neigung zu SN1Reaktionen bei diesen Verbindungen ist mit der relativen Stabilität des im ersten Reaktionsschritt entstehenden Carbeniumions zu erklären. Entsteht ein relativ stabiles Carbeniumion, so erfolgt die Dissoziation des Substrats in Ionen besonders leicht Die Stabilität des Carbeniumions nimmt in der Reihe primär < sekundär < tertiär zu. Begründen kann man die relative Stabilität tertiärer Carbeniumionen mit der Hyperkonjugation. Die relative Stabilität tertiärer Carbeniumionen durch Hyperkonjugation soll am Beispiel des tertiären Butylkations erklärt werden. Die CH3-Gruppen sind im tert-Butylkation um die C–C-σ-Bindung frei drehbar und können in eine Konformation gelangen, in der das C–H-σOrbital und das unbesetzte p-Orbital des sp2-hybridisierten C-Atoms parallel in nächster Nähe zueinander stehen und überlappen können. Durch Wechselwirkung des C–H-σOrbitals einer Methylgruppe mit dem unbesetzten p-Orbital des sp2-hybridisierten Kohlen-
9.6 Reaktionsmechanismen der aliphatischen nucleophilen Substitution
unbesetztes p-Orbital
H
343
H CH2
+
H2 C
C
H CH2
Überlappung
Bild 9.3 Hyperkonjugation des tertiären Butylkations
stoffs kann eine Delokalisierung des bindenden Elektronenpaares der C–H-σ-Bindung auf beide Orbitale erfolgen. Dieses Phänomen bezeichnet man als Hyperkonjugation. Auf diese Weise erfolgt ein Elektronenschub der Methylgruppe zum C+ hin, an das sie gebunden ist. Im tertiären Butylkation können sich alle drei Methylgruppen an der Hyperkonjugation beteiligen. Diese elektronenschiebende Wirkung der Methylgruppen zum Nachbaratom hin kompensiert teilweise die positive Ladung am sp2-hybridisierten Kohlenstoff und stabilisiert damit das tertiäre Carbeniumion. Die Neigung tertiärer Verbindungen zum SN1-Mechanismus ist auch räumlich (sterisch) bedingt. Beim Loslösen der Abgangsgruppe erfolgt ein Übergang des sp3-hybridisierten Kohlenstoffatoms, dem Reaktionszentrum, zum sp2-Hybridzustand im Carbeniumion. Dieser Übergang ist mit einer Aufweitung des Bindungswinkels von 109°28‘ auf 120° verbunden. Die sich gegenseitig abstoßenden Alkylgruppen gewinnen mehr Raum, die sterische Spannung wird dadurch vermindert. Deshalb neigen besonders Verbindungen mit sperrigen Substituenten am Reaktionszentrum zum SNl-Mechanismus.
9.6.2 Der SN2-Mechanismus Nucleophile Substitutionen nach dem SN2-Mechanismus erfolgen bevorzugt mit Verbindungen, die die Abgangsgruppe an ein primäres C-Atom gebunden haben, z.B. primäre Alkylhalogenide oder primäre Alkohole. Auch Reaktionen mit sekundären Alkylhalogeniden und
R1
R1 109°28‘
R2
C
109°28‘
R3
L
120° +
C 120°
+ L
R2 R3 Carbeniumion Bild 9.4 Aufweitung des Bindungswinkels bei SN1-Reaktionen
344
9 Halogenalkane
H C
Nu H
L R
Übergangszustand
EA = Aktivierungsenergie
Energie
EA
H Nu
+
H R
C
L
H Nu
+
C R
H
L
Reaktionskoordinate Energieprofil einer SN2-Reaktion
Bild 9.5
Alkoholen erfolgen vielfach nach dem SN2-Mechanismus. Die Reaktionsbedingungen sind ausschlaggebend dafür, ob die Reaktion am sekundären C-Atom des Substrats nach dem SN2-oder SNl-Mechanismus erfolgt. SN1-Reaktionen laufen eher bei geringer Konzentration des Nucleophils, schwachen Nucleophilen und hoher Lösungsmittelpolarität ab, während SN2-Reaktionen eine hohe Konzentration des Nucleophils, starke Nucleophile und Lösungsmittel niedriger Polarität erfordern. Die SN2-Reaktion erfolgt über einen Übergangszustand, aus dem heraus das Reaktionsprodukt gebildet wird. H
H Nu
+
C
H
L
δ-
Nu
R
H
δ-
C
L R
H Nu
C
H R
+
L
Übergangszustand Im Übergangszustand ist das Nucleophil noch nicht vollständig an das C-Atom des Substrats gebunden und die Abgangsgruppe L hat sich noch nicht vollständig gelöst (im Bild 9.5 durch eine punktierte Gerade symbolisiert). 9.6.2.1 Kinetik und sterischer Verlauf Am Zustandekommen des bimolekularen Übergangszustandes sind sowohl das Nucleophil als auch das Substrat beteiligt. Da an diesem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der
9.6 Reaktionsmechanismen der aliphatischen nucleophilen Substitution
345
Reaktion beide Reaktanden beteiligt sind, wird diese Reaktion als bimolekulare nucleophile Substitution bezeichnet. SN2-Reaktionen gehorchen in der Regel einer Kinetik 2. Ordnung. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist direkt proportional dem Produkt der Substratkonzentration und der Konzentration des Nucleophils: Reaktionsgeschwindigkeit = k · [Substrat] · [Nucleophil] Das die Abgangsgruppe bindende Kohlenstoffatom ist sp3-hybridisiert. Das Nucleophil greift diesen Kohlenstoff von der Rückseite an. Es erfolgt eine Umhybridisierung des Kohlenstoffatoms, welches im Übergangszustand sp2-hybridisiert ist. Im Übergangszustand befinden sich das Nucleophil, die Abgangsgruppe und das sp2-hybridisierte C-Atom auf einer Geraden. Die drei Liganden und das sp2-hybridisierte C-Atom liegen in einer Ebene, die zu dieser Geraden senkrecht steht. Beim Loslösen der Abgangsgruppe geht das sp2-hybridisierte C-Atom wieder in den tetraedrischen sp3-Zustand über. Der Angriff des Nucleophils erfolgt von der entgegengesetzten Seite zur Abgangsgruppe. Die SN2-Reaktion verläuft unter Inversion der Konfiguration. Diese Inversion wird manchmal auch als Walden-Umkehr bezeichnet. Die Reaktion ist stereospezifisch, denn das Substrat wird räumlich definiert umgewandelt. Ist das Substrat eine optisch aktive Substanz, wie dies bei der in Bild 9.6 gezeigten Verbindung der Fall ist, so ist das Produkt nach der SN2Reaktion auch wieder optisch aktiv, es tritt keine Racemisierung ein.
9.6.3 Faktoren, die eine nucleophile Substitution beeinflussen 9.6.3.1 Struktur des Substratmoleküls Primäre Halogenalkane und Alkohole reagieren nach dem SN2-Mechanismus, während bei tertiären Verbindungen die SNl-Reaktion bevorzugt abläuft. Die Erklärung für den bevorzugten SN2-Mechanismus an primären Halogenalkanen, Alkoholen und anderen primären Verbindungen liegt darin, daß am Kohlenstoffatom mit der positiven Teilladung die der Abgangsgruppe L gegenüberliegende Seite dem sich nähernden Nucleophil leicht zugänglich ist.
_
Nu
H
H
+ R1
C Cl sp3
R2
δNu
C R1
sp2 Cl
δ-
R2
Übergangszustand Bild 9.6
Sterischer Verlauf der SN2-Reaktion
H Nu C sp3 R1 2 R
Cl
346
9 Halogenalkane R
Nu
R C
Nu
L
H
C
R
L
R
H von der Rückseite gut zugänglich
von der Rückseite schlecht zugänglich
Bei sekundären Halogenalkanen oder Alkoholen können sperrige Substituenten den Zutritt des Nucleophils von der der Abgangsgruppe gegenüberliegenden Seite räumlich abschirmen (sterische Hinderung). Die SN2-Reaktion kann dann entweder nicht oder nur schlecht erfolgen, und es findet ausschließlich oder überwiegend die SN1-Reaktion statt. CH3
H3C
Der Zutritt des Nucleophils von der der Abgangsgruppe gegenüberliegenden Seite wird Nu durch die sperrigen Gruppen (CH3)3C– verhindert:
C H3C H3C H
C
L
C H3C
CH3
Am Sechsring befindliche äquatoriale Substituenten sind nach dem SN2-Mechanismus schlecht substituierbar, da die der Abgangsgruppe gegenüberliegende Seite nur schwer zugänglich ist: H H Nu
H
H
H H
H
H
H L H H
9.6.3.2 Die Natur der Abgangsgruppe Bei SN-Reaktionen hängt die Reaktivität des Substrats von der Natur der Abgangsgruppe L ab. Die Polarität der σ-Bindung zwischen dem C-Atom und dem zur Abgangsgruppe gehörenden Atom ist Voraussetzung für die Abspaltung der Abgangsgruppe. Die Leichtigkeit, mit der sich die Abgangsgruppe lösen kann, hat Einfluß auf die Reaktionsgeschwindigkeit. Die polaren Effekte der Abgangsgruppe wirken sich aber gleichermaßen auf den SN1- wie auf den SN2-Mechanismus aus, so daß das Verhältnis SN1/SN2 beim Übergang zu einer anderen Abgangsgruppe nur wenig beeinflußt wird. 9.6.3.3 Die Stärke des Nucleophils Bei SN1-Reaktionen greift das Nucleophil erst im zweiten schnellen Reaktionsschritt an. Das im ersten Reaktionsschritt gebildete reaktive Carbeniumion reagiert auch mit schwächeren Nucleophilen gut. Anders liegen die Verhältnisse bei der SN2-Reaktion. Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt in diesem Fall wesentlich von der Reaktivität des Nucleophils ab. Starke Nucleophile wirken deshalb in Richtung einer bimolekularen nucleophilen Substitution.
9.6 Reaktionsmechanismen der aliphatischen nucleophilen Substitution
R1 R2
R1 δ+ C
δL
C
+
L
R2
R3 δ+
347
R3 δ+
H
H O
δ-
Bild 9.7
=
δ+
δ+ δ-
Solvatisierung im ersten Teilschritt der SN1-Reaktion
9.6.3.4 Polarität des Lösungsmittels Die Moleküle des polaren Lösungsmittels umgeben ein geladenes Teilchen so, daß sie sich mit dem ungleichnamigen Pol ihres Dipols zum geladenen Teilchen hin orientieren. Ein solches Umgeben eines Teilchens mit Molekülen des Lösungsmittels bezeichnet man als Solvatisierung. Das Ausmaß der Solvatisierung nimmt mit steigender spezifischer Ladung der zu solvatisierenden Partikel zu, bei kleiner oder zerstreuter Ladung ist die Solvatisierung schwächer. Die Solvatisierung des polaren Löungsmittels wirkt sich deshalb besonders stark beim SN1-Mechanismus aus, bei dem mit dem Loslösen der Abgangsgruppe Ionen entstehen. Die Lösungsmittelmoleküle, welche das Carbeniumion und die negative Abgangsgruppe umgeben, schirmen die beiden Ionen gegeneinander ab, so daß sie sich besser voneinander lösen können. Beim SN2-Mechanismus ist im Übergangszustand die Ladung auf den ganzen Komplex verteilt, also zerstreut, so daß die Solvatisierung nur schwach ist. Die die heteropolare Spaltung unterstützende Solvatisierung wirkt sich hauptsächlich beim SN1-Mechanismus aus. Polare Lösungsmittel bewirken deshalb bevorzugt einen Reaktionsablauf nach dem SN1-Mechanismus. Je nachdem, ob die polaren Lösungsmittel Wasserstoffbrücken ausbilden können oder nicht, unterscheidet man dipolare protische und dipolare aprotische Lösungsmittel. Dipolare protische Lösungsmittel können Wasserstoffbrücken ausbilden. Zu ihnen zählen z.B. Wasser, Methanol, Ethanol und Formamid (HCONH2). Dipolare aprotische Lösungsmittel haben kein H am O oder N gebunden und können daher keine Wasserstoffbrücken bilden. Zu diesen Lösungsmitteln gehören z.B. Aceton CH3COCH3, Acetonitril CH3CN oder Dimethylformamid HCON(CH3)2. Bimolekulare Substitutionen zwischen einem neutralen Substrat und anionischen Nucleophilen erfolgen in dipolaren aprotischen Lösungsmitteln um fünf bis sieben Zehnerpotenzen schneller als in dipolaren protischen. Man kann dies so erklären, daß das Nucleophil in dipolaren protischen Lösungsmitteln durch Ausbildung von Wasserstoffbrücken stärker solvatisiert wird als in aprotischen Lösungsmitteln. Das Nucleophil wird durch die Solvatisierung mit dem protischen Lösungsmittel stark abgeschirmt, wodurch seine Nucleophilie herabgesetzt wird. Die Reaktionsgeschwindigkeit der SN2-Reaktion ist in hohem Maße von der Stärke des Nucleophils abhängig. Je stärker das Nucleophil, desto schneller und leichter erfolgt die Substitution. Für SN2-Reaktionen werden deshalb häufig dipolare aprotische Lösungsmittel verwendet. Für SN1-Reaktionen, bei welchen die Stärke des Nucleophils keine
348
9 Halogenalkane
so wesentliche Rolle spielt, jedoch die Solvatisierung des Carbeniumions und der Abgangsgruppe wichtig ist, werden vorteilhaft dipolare protische Lösungsmittel eingesetzt. 9.6.3.5 Einfluß von Lewis-Säuren Mit der Abgangsgruppe L können starke Lewis-Säuren, z.B. BF3, AlCl3 oder ZnCl2, Komplexe bilden, wobei die Bindung C–L stärker polarisiert und dadurch gelockert wird, so daß in der SN1-Reaktion das Loslösen der Abgangsgruppe erleichtert wird.
C
C
AlCl3
L
L
AlCl3
2
2
R
R1
R1
R1 R
R3
R
R3
+
C 2
L
AlCl3
R3
9.6.4 Die nucleophile Substitution und die Eliminierung als Konkurrenzreaktionen Verbindungen, die die Abgangsgruppe an ein tertiäres Kohlenstoffatom gebunden haben, reagieren nach dem SN1- oder E1-Mechanismus. Im ersten Reaktionsschritt ist der Reaktionsmechanismus bei der SN1- und E1-Reaktion (siehe Abschnitt 3.6.2.1) vollkommen gleich, es entsteht ein Carbeniumion. Dieses kann nach dem E1-Mechanismus ein Proton abspalten, wobei ein Alken entsteht, oder es kann mit dem Nucleophil nach dem SN1Mechanismus reagieren und es entsteht das Substitutionsprodukt. Die Produkte der E1- und SN1-Reaktion werden nebeneinander gebildet. CH3
E1 CH3 H3C
C CH3
CH3 L
H3C
C CH3
+
L
H3C
Nu
C
CH2 + H
Nu + L
CH3 SN1
H3C
C
Nu
+
L
CH3
In welchem Mengenverhälnis beide Reaktionsprodukte entstehen, hängt von den Reaktionsbedingungen ab. Ist das Nucleophil Nu gleichzeitig eine starke Base, entsteht überwiegend das Eliminierungsprodukt, nämlich das Alken. Dieses wird auch bevorzugt bei höheren Reaktionstemperaturen gebildet. Polare Lösungsmittel hingegen begünstigen die SN1-Reaktion. Verbindungen mit der Abgangsgruppe am primären Kohlenstoffatom reagieren bevorzugt nach dem SN2-Mechanismus, so daß das Substitutionsprodukt in hoher Ausbeute erhalten wird. Nur dann, wenn die SN2-Reaktion infolge der Sperrigkeit des Nucleophils oder der Sperrigkeit des am primären C-Atom gebundenen Alkylrestes langsam verläuft, entstehen in größerer Menge Eliminierungsprodukte. Auch bei erhöhter Reaktionstemperatur steigt die Ausbeute an Eliminierungsprodukten.
Übungsaufgaben
349
Übungsaufgaben ? 9.1 Auf welche Weise kann man ausgehend von Tetrachlormethan Chlorfluormethane darstellen?
? 9.2 Wie stellt man Tetrafluorethylen und Polyfluorethylen (Teflon) her?
? 9.3 Welches Produkt erhält man, wenn man ein Halogenalkan mit Zn in Mineralsäure erhitzt?
? 9.4. Wie reagiert ein Bromalkan a) Mit Natrium und b) mit einer Ethersuspension von Lithium?
? 9.5 Auf welche Weise kann man ein Grignard-Reagens darstellen?
? 9.6 Auf welche Weise erfolgt eine nucleophile Substitution (SN-Reaktion) am Halogenalkan?
? 9.7 Beschreiben sie den Reaktionsablauf beim SN1-Mechanismus.
? 9.8 Welche Faktoren begünstigen eine SN1-Reaktion?
? 9.9 Beschreiben Sie den Reaktionsablauf beim SN2-Mechanismus.
? 9.10 Welche Faktoren begünstigen eine SN2-Reaktion?
? 9.11 Welche Reaktionsbedingungen begünstigen die nucleophile Substitution und welche die Eliminierung?
350
Lösungen
Lösungen ! 9.1 Chlorfluormethane kann man im Festbettverfahren herstellen, indem man Tetrachlormethan und HF in der Gasphase bei 150°C reagieren lässt, wobei man AlF3, Chromfluorid oder Chromylfluorid als Kontaktsubstanz einsetzt. Die Herstellung von Chlorfluormethanen kann man auch in der Flüssigphase durchführen wenn man Tetrachlormethan mit SbF5 als Katalysator bei 100°C und unter Druck reagieren lässt, wobei das Chlor stufenweise durch Fluor ersetzt wird: HF/SbF5
CCI4
HF/SbF5
CCI3F
- HCl
HF/SbF5
CCI2F2
- HCl
- HCl
CCIF3
! 9.2 Tetrafluorethylen stellt man durch Pyrolyse von Chlordifluormethan bei 250°C her: H 2
F C
Cl
F
250°C
F C
F
+
C
F
2 HCl
F
Unter Druck und in Anwesenheit von Peroxiden als Starter der radikalischen Polymerisation polymerisiert Tetrafluorethylen zu Polytetrafluorethylen (Teflon). F n
F C
C
Kataysator, Druck
F
F
F
F
C
C
F
F
n
! 9.3 Erhitzt man ein Halogenalkan mit Zn in einer Mineralsäure oder Essigsäure, so erfolgt eine Hydrogenolyse des Halogenalkans, das Reaktionsprodukt ist das entsprechende Alkan. 2 R-X
2 R-H
+ Zn + 2 CH3COOH
– 2+ + (CH3COO )2 Zn
X = Cl,Br,I
! 9.4 a) Bromaalkane und Iodalkane reagieren mit Natrium unter Verdoppelung der Anzahl der Kohlenstoffatome zum entsprechenden Alkan (siehe Kapitel 2.7.2.1 Wurtzsche Synthese): X
R + 2 Na
R
R
+
2 NaX
X = Br, I
b) Um Alkyllithiumverbindungen herzustellen lässt man das Halogenalkan mit Lithium, das in Tetrahydrofuran suspendiert ist, reagieren (siehe Kapitel 9.4.2): RX + 2 Li
RLi + LiX
Lösungen
351
! 9.5 Ein Grignard-Reagens kann man auf folgende Weise darstellen: In einen Dreihalskolben, der mit Ether überschichtete Magnesiumspäne enthält, lässt man bei aufgesetztem Rückflußkühler bei Zimmertemperatur aus einem Tropftrichtert das mit Diethylether verdünnte Halogenalkan langsam zutropfen. Es ist notwendig bei dieser Reaktion die Luftfeuchtigkeit auszuschließen. Deshalb erfolgt die Reaktion in Stickstoffatomosphäre, oder man verhindert den Zutritt der Luftfeuchtigkeit durch Aufsetzen eines Chlorcalziumröhrchens auf die Apparatur. Bei der Reaktion wird das Alkylmagnesiumhalogenid R-Mg-X (X= Cl,Br oder I) gebildet, das man allgemein als Grignard-Reagens bezeichnet. RX + Mg
(CH3CH2)2O
RMgX
Es wird angenommen, daß im Grignard–Reagens in Etherlösung zwischen Alkylmagnesiumhalogenid, Dialkylmagnesium und Magnesiumhalogenid ein lösungsmittelabhängiges Gleichgewicht vorliegt (Schlenck-Gleichgewicht). 2 RMgX
R2Mg + MgX2
! 9.6 Bei der nucleophilen Substitution (SN-Reaktion) am Halogenalkan wird das Halogenatom durch ein nucleophiles Teilchen (Abgekürzt Nu = Nucleophil) ersetzt. Ein nucleophiles Teilchen kann ein Anion oder eine elektroneutrale Verbindung mit einem freien Elektronenpaar sein. H
H R
C H
X
+ Nu
R
C
Nu
+
X
H
! 9.7 Die Abkürzung SN bedeutet nucleophile Substitution und die Zahl 1 in SN1 steht für monomolekular. Monomolekular bedeutet, dass in der langsamsten und damit geschwindigkeitsbestimmenden Teilreaktion nur eine Molekülart, nämlich die des Substrates beteiligt ist (als Substrat wird die Verbindung bezeichnet, an der der Austausch des Substituenten erfolgt). Der erste und geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Reaktion ist das Loslösen der Abgangsgruppe und Bildung des Carbeniumions als Zwischenprodukt. Im weiteren Teilschritt der Reaktion bindet sich das Nucleophil an das Carbeniumion, womit die Reaktion abgeschlossen ist. Die Abgangsgruppe wird oft mit L symbolisiert ( nach dem engl. leaving group), Sie wird bei chemischen Reaktionen auch als Nucleofug (lat. fuga = die Flucht) bezeichnet.
352
Lösungen R1
R1 langsam
R2
R2
L
C
R1
R1 +
C
+ :L
R3
R3
R2
C
R3
:Nu
schnell
R2
C
Nu
R3
Der räumliche Ablauf der SN1-Reaktion kann folgendermaßen beschrieben werden: Bei Loslösen der Abgangsgruppe erfolgt eine Aufweitung des Bindungswinkels zwischen den drei restlichen am Kohlenstoff gebundenen Liganden, so dass diese im entstandenen Carbeniumion in einer Ebene liegen. Das Nucleophil kann sich nun an das C+ von der Vorder- oder der Rückseite dieser Ebene nähern und eine Bindung herstellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Nucleophil von der einen oder der anderen Seite nähert ist gleich. Erfolgt die SN1-Reaktion an einem prochiralen Zentrum so erhält man ein Racemat. Näherung des Nucleophils an das Carbeniumion von der einen oder der anderen Seite
R1 C R2 R3
Nu
! 9.8 Entscheidend für die SN1-Reaktion sind die Strukturellen Voraussetzun- gen: Nucleophile Substitutionen an tertiären Halogenalkanen oder tertiären Alkoholen verlaufen nach dem SN1-Reaktionsmechanismus. Erklärt werden kann dies mit der Stabilisierung des Carbeniumions durch Hyperkonjugation. Ein weiterer Grund liegt auch darin, dass der für den konkurrierenden SN2-Mechanismus notwendige Zugang von der Gegenseite der Abgangsgruppe in den tertiären Verbindungen durch sperrige Substituenten verwehrt werden kann. Primäre Alkohole oder Halogenalkane zeigen keine Neigung nach dem SN1-Mechanismus zu reagieren. Bei sekundären Alkoholen und sekundären Halogenalkanen hängt es von den Reaktionsbedingungen ab, ob die Reaktion nach dem SN1- oder SN2-Mechanismus erfolgt. Die SN1-Reaktion wird durch polare Lösungsmittel begünstigt. Beim Loslösen der Abgangsgruppe schirmen die Lösungsmittelmoleküle durch Solvatisieren das Carbeniumion und die negativ geladene Abgangsgruppe voneinander ab und erleichtern dadurch diesen Abgang. LewisSäuren können das Loslösen der Abgangsgruppe durch ein stärkeres Polarisieren der Bindung zwischen Kohlenstoff und Abgangsgruppe erleichtern.
Lösungen
353
! 9.9 Der erste geschwindigkeitsbestimmende Reaktionsschritt der bimolekularen nucleophilen Substitution (SN2), erfolgt über einen Übergangszustand. Das Nucleophil nähert sich dem CAtom, das die Abgangsgruppe bindet von der Gegenseite zur Abgangsgruppe, wobei sich der Bindungswinkel der drei weiteren am C-Atom gebundenen Liganden aufweitet. Im Übergangszustand liegen das Nucleophil, das C-Atom und die Abgangsgruppe (L=leaving group) auf einer Geraden und die drei weiteren Liganden R1, R2 und R3 befinden sich auf einer Ebene, die zu dieser Geraden senkrecht steht. Im weiteren Teilschritt der Reaktion erfolgt die Abspaltung der Abgangsgruppe. Der ganze Vorgang hat eine Inversion der Konfiguration zur Folge (Walden-Umkehr). R1
R1 Nu
+
R2 R3
C
L
Nu
δ−
C
R1 δ−
R2 R3
L
Nu
C
+
L
R2 R3
! 9.10 Nucleophile Substitutionen nach dem SN2-Mechanismus erfolgen bevorzugt mit Verbindungen, deren Abgangsgruppe an ein primäres Kohlenstoffatom gebunden ist, z.B. primäre Alkohole oder primäre Halogenalkane. Substitutionen nach dem SN2-Mechanismus erfordern eine hohe Konzentration des Nucleophils, starke Nucleophile und Lösungsmittel niedriger Polarität. Bevorzugt werden dipolar aprotische Lösungsmittel (siehe Kapitel 9.6.3) verwendet.
! 9.11 Die nucleophile Substitution und die Eliminierung sind Konkurenzreaktionen. Der erste Reaktionsschritt bei SN1 und E1 ist sogar identisch und führt zum gleichen Zwischenprodukt, dem Carbeniumion. Von diesem ausgehend, kann im weiteren Reaktionsverlauf eine Eliminierung oder eine Substitution eintreten. Erfolgt die Reaktion bei höheren Temperaturen und ist das Nucleophil gleichzeitig eine starke Base, entsteht vornehmlich das Eliminierungsprodukt. Polare Lösungsmittel begünstigen die SN1-Reaktion. Verbindungen mit der Abgangsgruppe am primären Kohlenstoffatom reagieren bevorzugt nach dem SN2-mechanismus und führen zum Substitutionsprodukt. Nur bei höheren Temperaturen und der Sperrigkeit des Nucleophils oder des Alkylrests am primären Kohlenstoffatom entstehen in größerer Mende Eliminierungsprodukte.
10 Alkohole Aliphatische oder alicyclische Verbindungen mit einer Hydroxygruppe –OH als funktioneller Gruppe werden als Alkohole bezeichnet. Anmerkung: Aliphatische Verbindungen sind organische Verbindungen mit offener Kohlenstoffkette. In alicyclischen Verbindungen sind die Kohlenstoffatome ringförmig verknüpft, und die Verbindung zeigt keine aromatischen Eigenschaften. H
OH C
H2C
CH3CH2CH2CH2OH
H2C
aliphatischer Alkohol
CH2
CH2
CH2
alicyclischer Alkohol
10.1 Nomenklatur der Alkohole Nach der IUPAC-Regel haben Verbindungen mit der Hydroxygruppe als Hauptgruppe die Endung -ol, ansonsten das Präfix Hydroxy- (siehe Abschnitt 1.7.3). Alkohole mit 2, 3 oder 4 Hydroxygruppen werden mit der Endung di-, tri- bzw. tetraol bezeichnet. H H3C
CH
CH
CH2
H2C
CH
CH2
H2C
Br
OH
OH
HO
OH
OH
H2C
3-Brombutan-1,2-diol
Propan-1,2,3-triol
H
OH C
CH2
CH2
H2C
CH2
H2C
Cyclohexanol
OH C
OH
C CH2
H
Cyclopentan-1,2-diol
Es ist auch gebräuchlich, Alkohole auf die Art zu benennen, daß man zunächst den Alkylrest nennt und die Endung -alkohol hinzufügt, z.B.: H
H3C
OH
H3C
CH2
OH
H3C
CH OH
Methylalkohol
Ethylalkohol
Isopropylalkohol
CH3
H2C H2C
OH C
CH2
CH2 CH2
Cyclohexylalkohol
Neben der systematischen Nomenklatur werden für einige Alkohole noch Trivialnamen (Namen, die sich eingebürgert haben) gebraucht:
10.2 Einteilung der Alkohole H 3C
CH
H 3C
CH3
355 CH2
CH2
CH2
OH
H3C
CH2
CH
CH3
OH
OH
2-Propanol Isopropylalkohol
n-Butanol
sek.-Butanol
CH3 H 3C
C
CH3 H3C
CH3
CH
OH
CH2OH
Isobutanol Isobutylalkohol
tert.-Butanol CH3 H3C
C
CH2OH CH3
H 3C
(CH2)3
CH2OH
H3C
CH2OH
Neopentylalkohol CH3(CH2)14CH2OH
Cetylalkohol (Cetanol)
CH
CH2
CH2OH
CH3
n-Amylalkohol H2C
CH
CH2OH
Allylalkohol
Isoamylalkohol HC
C
CH2OH
Benzylalkohol
H2C
CH2
H2C
CH
CH2
HO
OH
HO
OH
OH
Propargylalkohol
Ethylenglykol
Glycerin (Glycerol)
10.2 Einteilung der Alkohole Man kann die Alkohole in primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole einteilen. In primären Alkoholen bindet das C-Atom, das die OH-Gruppe trägt, einen einzigen Alkylrest, beim sekundären Alkohol sind es zwei und beim tertiären Alkohol drei Alkylreste. R R
CH2OH
R
H
R
OH C
C R
primärer Alkohol
OH
sekundärer Alkohol
R
tertiärer Alkohol
Diese Aufteilung ist keineswegs nur formal. Primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole unterscheiden sich in ihrer Reaktivität. Die Anzahl der Hydroxygruppen bestimmt die Wertigkeit der Alkohole. Man unterscheidet, je nachdem ob eine, zwei oder drei Hydroxygruppen im Molekül vorliegen, ein-, zwei und dreiwertige Alkohole.
356
10 Alkohole
H H3C
CH2
OH
H2C
CH2
H2C
CH
CH2
HO
OH
HO
OH
OH
OH
OH
H OH
H H
H
OH H
Ethylalkohol (einwertiger Alkohol)
OH
myo-Inosit (sechswertiger Alkohol)
Glycerin (dreiwertiger Alkohol)
Ethylenglykol (zweiwertiger Alkohol)
OH
Befinden sich die Hydroxygruppen an verschiedenen C-Atomen, ist die Verbindung stabil. Sind zwei oder drei Hydroxygruppen an das gleiche C-Atom gebunden, erfolgt leicht eine Abspaltung von Wasser (Erlenmeyer-Regel): H R
C
OH OH
OH
H R
+
C
H2O
O
und
R
C
OH OH
OH R
+
C
H2O
O
10.3 Struktur der Alkohole Alkohole kann man formal als Derivate des Wassers betrachten, dessen eines Wasserstoffatom durch einen Alkylrest ersetzt ist. Ähnlich wie die H–O–H-Bindungen im Wasser sind auch die C–O–H-Bindungen im Alkohol gewinkelt, das Sauerstoffatom ist sp3-hybridisiert. Infolge der höheren Elektronegativität des Sauerstoffatoms ist die Ladungsverteilung im Alkoholmolekül unsymmetrisch, und es weist, dem Wasser ähnlich, ein Dipolmoment auf (siehe Bild 10.1).
10.4 Physikalische Eigenschaften der Alkohole Ist ein Wasserstoffatom an F, N, oder O gebunden, so ist diese Bindung stark polar. Die extreme Elektronegativität dieser drei Elemente bewirkt bei der F–H, N–H oder O–HBindung eine hohe Konzentration negativer Ladung am F, N oder O und eine relativ große positive Teilladung am Wasserstoffatom. Dieses Wasserstoffatom tritt in Wechselwirkung mit freien Elektronenpaaren, die sich am F, N oder O eines anderen Moleküls befinden. Diese Wechselwirkung führt zu einer relativ schwachen Bindung, die man als Wasserstoffbrückenbindung bezeichnet. Ihre Bindungsstärke von 20–40 kJ/mol ist viel geringer als die einer kovalenten Bindung (die Bindungstärke der OH-Bindung im Methanol beträgt z.B. 435 kJ/mol). Die Wasserstoffbrückenbildung kann auch zwischen verschiedenen Teilen ein und desselben Moleküls erfolgen, wenn dafür günstige räumliche Voraussetzungen vorliegen. Wasserstoffbrückenbindungen werden gewöhnlich gestrichelt oder punktiert in eine Formel eingezeichnet. Sie spielen in der lebenden Natur eine gewichtige Rolle, z.B. sind sie an der
10.4 Physikalische Eigenschaften der Alkohole
δ+
H
O
δ-
Dipolmoment 6 · 10-30 Cm
δ+
H
104,5°
O
Wasser
δ+
H3C
O
δ-
108,9°
H3C Dipolmoment 5,7 · 10-30 Cm
δ+
H
357
108,9°
H
O sp3-hybridisiert, tetraedrische Struktur, C-O-Bindung vor und OH-Bindung hinter der Zeichenebene, die beiden sp3-Orbitale mit freien Elektronenpaaren in Zeichenebene
Methanol Bindungslängen: OH-Bindung 96 pm OC-Bindung 143 pm Cm = Coulumbmeter
Bild 10.1 Die Molekülstruktur eines Alkohols
Fixierung des Raumgefüges der Eiweißstränge beteiligt und sind auch das Bindeglied zwischen den Purinbasen und ihren komplementären Pyrimidinbasen in den Ribonucleinsäuren und den Desoxyribonucleinsäuren. Die relativ hohen Siedetemperaturen (siehe Tabelle 10.1) der Alkohole sind auf Wasserstoffbrücken zurückzuführen. Die durch intermolekulare Wasserstoffbrücken miteinander verbundenen Alkohole bilden Assoziate. Für die Freisetzung der Alkoholmoleküle aus der flüssigen Phase in die Dampfphase ist, da Wasserstoffbrückenbindungen gespalten werden müssen, zusätzliche Energie notwendig. H R
R
R
O
O H
H O
R
H
R H
96 pm Bindungslänge
Alkohol flüssig
H
207 pm
O
O R
H
R
O
O H
H
R O
O
H O
R
Alkoholdampf
R
Die Polarität der OH-Bindung und die Fähigkeit der Alkohole, Wasserstoffbrücken zu bilden, erklären auch die unbegrenzte Mischbarkeit niedriger Alkohole (Methanol, Ethanol, Propanol, Isopropanol, Ethylenglykol, Glycerin) mit Wasser. Sie bilden mit den Wassermolekülen Assoziate über Wasserstoffbrücken. Mit zunehmender Kettenlänge der Alkohole wird der unpolare Anteil der hydrophoben (wasserabstoßenden) Kohlenstoffkette größer, wodurch die Löslichkeit in Wasser herabgesetzt wird. Während Propanol mit Wasser noch unbegrenzt mischbar ist, lösen sich bei 20°C in 100 mL Wasser nur 7,9 g 1-Butanol, 2,7 g 1-Pentanol und 0,6 g 1-Hexanol. Ethylenglykol wird wegen seiner hohen Siede- und niedrigen Schmelztemperatur (siehe Tabelle 10.1) und der guten Wasserlöslichkeit als Frostschutzmittel verwendet. Infolge der Polarität der Alkoholmoleküle lösen sich Alkohole gut in polaren organischen Lösungsmitteln, z.B. in Aceton oder Ether.
358 Tabelle 10.1 Alkohol Methanol
10 Alkohole Schmelz- und Siedetemperaturen einiger Alkohole Schmelztemperatur °C
Siedetemperatur °C
Dichte g/mL
–97
64,5
0,793
Ethanol
–115
78,3
0,789
1-Propanol
–126
97
0,804
Isopropanol
–86
82,5
0,789
Allylalkohol
–129
97
0,855
–90
118
1-Butanol sek-Butylalkohol tert-Butylalkohol Isobutylalkohol
–114 25,5 –108
0,810
99,5
0,806
83
0,789
108
0,802
1-Pentanol
–78,5
138
0,817
Cyclopentanol
–19
140
0,949
1-Hexanol
–52
156,5
0,919
Cyclohexanol
24
161,5
0,962
Ethylenglykol
–11,5
198
1,113
Benzylalkohol
–15
205
1,046
10.5 Physiologische Eigenschaften 10.5.1 Physiologische Eigenschaften des Methanols Methanol wird im Körper zu Formaldehyd H2C=O und dieses dann zu Ameisensäure HCOOH oxidiert. Letztere verursacht eine pH-Senkung des Blutes, wodurch der Sauerstofftransport herabgesetzt wird. Methanol ist giftig, seine Einnahme verursacht eine Schädigung des Zentralnervensystems, insbesondere der Sehnerven und kann deshalb zu einer Erblindung führen. Als Symptome einer Methylalkoholvergiftung treten Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Bewußtlosigkeit auf. Die tödliche Dosis liegt bei 30 bis 100 mL. Auch das Einatmen der Methanoldämpfe und die Aufnahme von Methanol über die Haut ist gesundheitsgefährdend.
10.5.2 Physiologische Eigenschaften des Ethanols Ethanol ist nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation die Rauschdroge Nummer 1. In der Umgangssprache wird Ethanol gewöhnlich als Alkohol bezeichnet. Die Gefahren, die mit dem Genuß von Alkohol verbunden sind, werden in der Regel unterschätzt. Schon der einmalige Genuß von größeren Alkoholmengen kann gravierende Folgen haben. Ein hoher Prozentsatz von Verkehrstoten ist auf Unfälle zurückzuführen, die alkoholisierten Kraftfah-
10.5 Physiologische Eigenschaften
359
Bild 10.2 Übermäßiger Alkoholkonsum führt zur Sucht.
rer verursacht haben. Das Gesetz belangt deshalb Kraftfahrer, die in trunkenem Zustand fahren. In der Bundesrepublik Deutschland kann ab etwa 0,3 ‰ Alkohol im Blut eine Verurteilung wegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit erfolgen, wenn beispielsweise alkoholtypische Ausfälle (z.B. Fahrfehler) vorliegen. Ab 0,5 ‰ Blutalkoholkonzentration liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Diese führt zu einer empfindlichen Geldbuße und einem Fahrverbot. Ab 1,1 ‰ wird der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit erreicht. Wird eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ und darüber erreicht, so ist eine medizinisch psychologische Untersuchung (MPU) unausweichlich. Besonders gefährlich ist der Alkohol auch deshalb, weil ständiger Alkoholkonsum zur Sucht führen kann, der Mensch wird zum Alkoholiker. Die Zahl der behandlungsbedürftigen Alkoholiker in der Bundesrepublik Deutschland wird auf 2,5 Millionen geschätzt, die Zahl der Toten infolge von Alkoholmißbrauch auf 60.000 Menschen jährlich. Beim chronischen Alkoholiker verfallen seine sozialen Beziehungen und oft kommt er auch mit dem Strafgesetz in Konflikt. Übermäßiger Alkoholkonsum bringt über viele Menschen Siechtum, Leid und Elend. Alkoholiker schaden nicht nur sich selbst, sondern auch den Menschen, die ihnen nahestehen. Menschen, die ihre Sorgen in Alkohol ertränken, entfernen damit keineswegs die Ursachen Ihrer Sorgen. Alkohol löst keine Probleme, im Gegenteil, er schafft nur noch weitere. 10.5.2.1 Alkoholvergiftungen nach einmaligem Genuß Der Mensch kann bei Genuß kleinerer Mengen Alkohol in eine gehobene Stimmung versetzt werden, die gegebenenfalls mit einer Enthemmung einhergeht. Das Reaktionsvermögen wird deutlich herabgesetzt. Erste Gehstörungen treten bei 0,3 ‰ Alkohol im Blut auf. Blindzielbewegungen (z.B. mit dem Finger bei geschlossenen Augen auf die Nasenspitze treffen) sind bei 0,5 ‰ gestört. Die Grenze für koordinierte Reaktionen liegt bei 1,4 ‰ Alkohol im Blut. Bei etwa 2 ‰ tritt eine Bewußtseinstrübung auf. Der Tod tritt meist bei 3,5–4,5 ‰ Alkohol im Blut ein. Die Blutalkoholkonzentration (BAK) kann mit Hilfe der Widmark-Formel geschätzt werden, die aber nur als grobe Faustregel verstanden werden darf: BAK 0 00 =
getrunkene Alkoholmenge in Gramm Körpergewicht in kg ⋅ r
360
10 Alkohole
Tabelle 10.2
Alkoholgehalt im Blut und seine Auswirkungen
‰ Alkoholgehalt im Blut
Auswirkungen
0,5–0,9
Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit
1,5
Fahruntüchtigkeit
2,5
Bewußtlosigkeit
3,5–4,5
Tod
Der Reduktionsfaktor r schwankt innerhalb gewisser Grenzen. Für Männer mit normaler Konstitution ist der r-Wert mit ca. 0,7 und für hagere Männer mit etwa 0,8 zu veranschlagen. Die meisten Frauen und Personen mit relativ hohem Fettgewebsanteil haben einen r-Wert von 0,55 bis 0,6. Pro Stunde sinkt die Blutalkoholkonzentration durch Abbau im Körper um etwa 0,15 ‰. Ethanol wird in einer Reaktion, die durch das Enzym Alkohol-Dehydrogenase katalysiert wird, durch NAD+ (Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid) zu Acetaldehyd oxidiert, das in die aktive Form der Essigsäure umgewandelt wird. Diese wird im Stoffwechsel weiter umgesetzt. Die neurophysiologische Wirkung des Ethanols ist auf das Abbauprodukt Acetaldehyd zurückzuführen, das mit biogenen Aminen (Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin) reagiert und sie ihrer Funktion als Neurotransmitter entzieht. Alkoholische Getränke sind um so schädlicher, je mehr Alkohol sie enthalten. Durch die alkoholische Gärung werden zucker- bzw. stärkehaltige Naturstoffe vergoren, wobei ein Alkoholgehalt von 19–20 % nicht überschritten wird. Alkoholische Getränke mit höherem Prozentsatz werden durch Destillation von Gärprodukten erzeugt. 0,5 Liter Bier enthalten 20 g bis 25 g Alkohol, 1 Liter Wein 70 g bis 100 g Alkohol, ein Gläschen Schnaps (0,02 Liter) etwa 5 g bis 7 g Alkohol. 10.5.2.2 Auswirkungen des Alkohols bei ständigem Alkoholkonsum
Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens
Hirn- und Nervenzellen sterben ab, bleibende Hirnschäden Herzschäden
Fettleber, Hepatitis, Leberzirrhose
chronische Magenschleimhautentzündung Alkohol macht impotent
Entzündungen der Bauchspeicheldrüse Muskelschädigungen, Muskelschwund
Zittern der Hände (Tremor) Gicht Nervenentzündung und Zerfall des Nervensystems
Bild 10.3 Krankheitserscheinungen nach ständigem übermäßigem Alkoholgenuß
10.6 Synthese der Alkohole
361
Ständiger übermäßiger Ethanolgenuß führt zu Herz-, Leber, Nierenschäden und Nervenstörungen. In der Endphase tritt das Delirium tremens auf, das mit Halluzinationserscheinungen und oftmals mit einem Verfolgungswahn verbunden ist. Fuselöle. Fuselöle entstehen in geringen Mengen bei der alkoholischen Gärung. Zu ihnen zählen Propanol, Butanol und Amylalkohole. Sie haben eine stärkere Rauschwirkung und sind stärker giftig als Ethanol.
10.6 Synthese der Alkohole 10.6.1 Großtechnische Synthese der Alkohole Zu den in großen Mengen produzierten niederen Alkoholen gehören Methanol, Ethanol, Isopropanol und Butanole. 10.6.1.1 Methanol Verwendung. Methanol kann zu Formaldehyd umgesetzt werden, der zu Kunststoffharzen weiterverarbeitet wird. Es dient auch zur Herstellung von Methylestern z.B. das für die Kunstfasererzeugung wichtige Dimethylterephthalat. Es ist für die Produktion von Methylmethacrylat (siehe Abschnitt 15.5.1.2) und von Methylamin notwendig. Außerdem ist es ein ausgezeichnetes polares Lösungsmittel. Methanol hat den Vorzug, daß es aus relativ billigen Rohstoffen, nämlich Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff synthetisiert werden kann. Es ist einer der wirtschaftlichsten Syntheserohstoffe. Mit einer Weltjahresproduktion von etwa 10 Millionen Tonnen steht Methanol an der Spitze der niederen Alkohole. Methanol könnte als Vergaserkraftstoff verwendet werden, wobei allerdings konstruktive Veränderungen am Vergaser und eine Tankvergrößerung notwendig wären, denn es hat nur etwa die Hälfte des Energieinhalts des Benzins. Durch Zugabe von Methanol zum Kraftstoffgemisch kann die Octanzahl erhöht werden. Im bleifreien Normalbenzin sind etwa drei Volumenprozent Methanol enthalten. Die Anhebung der Octanzahl kann auch durch Zugabe von Methyl-tert-butylether zum Kraftstoffgemisch erfolgen, der aus Methanol und dem beim Cracken aus Erdölfraktionen erzeugten Isobuten gewonnen wird: CH3
H3C H3C
OH
C
+
CH2
Kat.
H3C
H3C
O
C
CH3
CH3 Methyl-tert-butylether (MTBE)
Synthese. Beide für die Synthese des Methanols erforderlichen Gase CO und H2 sind im Synthesegas enthalten, das durch Einwirkung von Wasserdampf auf glühenden Koks erhalten wird: C
+
H2O
CO
+
H2
362
10 Alkohole
Die Methanolsynthese kann im BASF-Hochdruckverfahren bei 320–380°C und 340 bar in Gegenwart eines ZnO/Cr2O3-Katalysators (ZnO zu Cr2O3 im Verhältnis 7:3) erfolgen. CO
+
2 H2
380 °C, 340 bar, ZnO / Cr2O3
ΔH = –92 kJ/mol
CH3OH
Als Nebenprodukte entstehen bei dieser Reaktion Dimethylether, Methylformiat und höhere Alkohole, die durch Destillation abgetrennt werden. Die Methanolsynthese wird auch im Niederdruckverfahren bei 100 bar und 240–260°C durchgeführt, wobei ein CuO-ZnOAl2O3-Katalysator verwendet wird. 10.6.1.2 Ethanol Verwendung. Ethanol wird als Lösungsmittel und zur Herstellung von Riechstoffen und pharmazeutischen Präparaten verwendet. Durch Oxidation kann es in Acetaldehyd und dieser wiederum in Essigsäure überführt werden. Ein Teil der Ethanolproduktion wird zu Ethylacetat verestert. Ethylacetat ist ein wichtiges Lösungsmittel, das vor allem in der Lackindustrie Verwendung findet. Herstellung. Durch die alkoholische Gärung vergärbarer Zucker entsteht durch Katalyse der in Hefe enthaltenen Enzyme Ethanol. Die Umsetzung der Glucose (siehe Abschnitt 21.6.7.6) erfolgt nach der Bruttogleichung: Hefe
C6H12O6
2 C2H5OH
+
2 CO2
Auch die Stärke in stärkehaltigen Rohstoffen (Weizen, Roggen, Gerste, Mais und Kartoffeln) läßt sich enzymatisch in vergärbare Zucker abbauen. Großtechnisch wird Ethanol aus Ethen synthetisiert. Hierbei kommen zwei Verfahren in Frage: a)
die Synthese über Ethyl- bzw. Diethylsulfate. Ethenhaltige Gase (35–95 % Ethen) werden in Absorptionstürmen bei 55–80°C und 10–35 bar mit Schwefelsäure umgesetzt, wobei Monoethylsulfat (Schwefelsäureethylester) entsteht (siehe Abschnitt 3.7.4.2), das zum Teil noch mit Ethen weiter zu Diethylsulfat reagieren kann. H2C
CH3CH2
CH2 O
+
SO2
H2SO4 +
OH
CH3CH2 H2C
CH2
O
CH3CH2
SO3H Monoethylsulfat O
SO2
O
CH2
CH3
Diethylsulfat
Beide Ester werden anschließend mit überhitztem Wasserdampf bzw. mit verdünnter Schwefelsäure in säurefesten Türmen bei 70–100°C hydrolysiert. CH3CH2 CH3CH2
O
SO2
O
O
SO3H CH2CH3
verd. H2SO4
CH3CH2
OH und verd. H2SO4
10.6 Synthese der Alkohole
363
b) saure Hydratisierung von Ethen. Bei 300°C und 70 bar wird Wasserdampf und Ethen (0,6 H2O : 1 C2H4) über Phosphorsäure geleitet, die auf Silicagel als Trägermaterial verankert ist (Reaktionsmechanismus siehe Abschnitt 3.7.4.3). H2C
CH2
+
H2O
H
CH3CH2OH
Technischer Alkohol wird mit Benzol, Aceton oder Pyridin vergällt. 10.6.1.3 Isopropanol Verwendung. Isopropanol wird als Lösungsmittel und Extraktionsmittel verwendet. Es wird als Zusatz zu Benzin zum Schutz gegen Vergaservereisung zugegeben. Das als Lösungsmittel und zu Synthesen verwendete Aceton wird auch durch Oxidation von Isopropanol hergestellt. Synthese des Isopropanols. Isopropanol wird, ähnlich wie das Ethanol, im zweistufigen Schwefelsäureverfahren hergestellt, wobei zunächst eine Addition der Schwefelsäure an Propen erfolgt. Nach Verdünnen der im Prozeß anfallenden Schwefelsäure mit Wasserdampf oder Wasser auf 40 % wird das Isopropylsulfat zu Isopropanol hydrolysiert. CH3CH
CH2 + H2SO4
CH3CHCH3
verd. H2SO4
OSO3H
CH3CHCH3 + H2SO4 OH
Ein weiteres Verfahren zur Herstellung des Isopropanols aus Propen ist die katalytische Hydratisierung. Diese hat zwei Varianten: a) Die Gasphasen-Hydratisierung mit Katalysatoren auf Silicagel. Propen wird in der Gasphase mit Wasserdampf über saure Katalysatoren geleitet, wobei zunächst eine Protonierung des Propens und dann die Anlagerung von Wasser erfolgt (siehe Abschnitt 3.7.4.3). Im Hochdruckverfahren, das bei 270°C und 250 bar erfolgt, wird als Katalysator WO3/ZnO, welcher an der Oberfläche von Silicagel aufgebracht ist, verwendet. Silicagel ist wegen seiner großen Oberfläche als Trägermaterial geeignet. CH3CH
CH2 + H2O
270 °C, 250 bar, WO3 / ZnO
CH3CHCH3 OH
Anmerkung: Silicagel kann aus Wasserglas, einer wäßrigen Lösung von Na2SiO3, durch Zugeben von Mineralsäure erhalten werden, wobei zunächst die unstabile Säure H2SiO3 freigesetzt wird. Diese kondensiert spontan unter Wasserausschluß zum Silicagel (= Kieselgel). Im Mitteldruckverfahren wird als Katalysator Phosphorsäure, die auf Silicagel als Trägermaterial verankert ist, verwendet. Bei diesem Verfahren erfolgt die Hydratisierung des Propens bei 180–260°C und 25–65 bar. Der Nachteil der Gasphasen-Hydratisierung ist die geringe Isopropanol-Ausbeute bei einem Durchlauf, so daß das nicht umgesetzte Propen rückgeführt und erneut in den Reaktor eingeleitet werden muß.
364
10 Alkohole
b) Die Direkthydratisierung im Rieselphasen-Verfahren. Wasser wird als flüssige Phase zusammen mit Propen im Molverhältnis etwa 15:1 in den Reaktor geleitet, der mit einem festen Ionenaustauscher vom Sulfonsäuretyp gefüllt ist. Beim Herabrieseln über den sauren Ionenaustauscher erfolgt bei 130–160°C und 80–100 bar durch sauer katalysierte Hydratisierung die Umwandlung des Propens zu Isopropanol. H SO3 H
H2C
H3C
CH
Ionenaustauscher
H3C
CH3
CH3
SO3H
O
CH
H
H
H
O C
H H3C
H
CH3
O C
H
CH3
+ H Isopropanol (2-Propanol)
Propen
10.6.1.4 Butylalkohole Verwendung. Butylalkohole, insbesondere sek- und tert-Butanol, werden als solche oder in Form ihrer Ester als Lösungsmittel verwendet. tert-Butanol wird als Antiklopfmittel zu Treibstoffen zugesetzt. sek-Butanol wird zu Methylethylketon oxidiert. Methylethylketon ist ein ausgezeichnetes Lösungsmittel für Lacke und Harze. Synthese der Butylalkohole. n-Butanol kann durch Aldolkondensation von Acetaldehyd (s. Abschnitt 13.4.7.2) und nachfolgender Hydrierung des Crotonaldehyds synthetisiert werden. H 2 CH3C
OH
H CH3CH
O
CH2
C O
OH
Acetaldehyd
H
H - H2O
Acetaldol
CH3CH
CH
C
Kat. / H2
CH3CH2CH2CH2OH
O
Crotonaldehyd
n-Butanol
Eine weitere Synthese des n-Butanols geht vom Propen aus, das durch ReppeHydrocarbonylierung ein Isomerengemisch von n-Butanol und Isobutanol ergibt.
H3C
CH
CH2
110 °C, 15 bar Katalysator - 2 CO2
+ 3 CO + 2 H2O
H3C
CH
CH3
+
H3C
CH2
CH2
CH2OH
CH2OH
Isobutanol
n-Butanol
Als Katalysator dient in diesem Falle ein Eisencarbonylwasserstoff-Amin-Komplex, der aus Eisencarbonyl, Wasser und einem tertiären Amin gebildet wird. R 3 Fe(CO)5
+ R
N
+ 2 H2O
H2Fe3(CO)11 NR3 + 2 CO2 + 2 CO + H2
R
Dieser Komplex übernimmt die Funktion der Hydrierung und der CO-Addition.
10.6 Synthese der Alkohole
365
sek-Butanol wird aus 1-Buten oder 2-Buten und tert-Butanol aus 2-Methylpropen synthetisiert, wobei in allen Fällen Schwefelsäure an das entsprechende Alken addiert und das Produkt dann hydrolysiert wird. CH3CH2CH
CH2
30 °C, 80%ige H2SO4
verd. H2SO4
CH3CH2CHCH3
CH3CH2CHCH3
OSO3H
OH
1-Buten
sek-Butanol
CH3 H3C
C
CH3
CH3 CH2
0 °C, 60%ige H2SO4
H3C
C
CH3
verd. H2SO4
H3C
C
CH3
OH
OSO3H
2-Methylpropen
tert-Butanol
10.6.1.5 Höhere Alkohole Höhere Alkohole, zu denen man Alkohole mit einer Kohlenstoffkette von 6–18 Kohlenstoffatomen zählt, werden zur Herstellung von biologisch abbaubaren Alkylsulfaten und Ethersulfaten im Waschmittelsektor verwendet. Alkylsulfate finden auch Verwendung bei der Flotation in der Funktion eines Sammlers. Durch die Flotation erreicht man eine Trennung der Erze vom tauben (nicht erzhaltigen) Gestein. Sie erfolgt in der Flotationszelle, in der Erz und taubes Gestein in Form von winzigen Feststoffpartikeln (0,1 mm) in Wasser aufgeschlämmt sind. Vom Boden der Flotationszelle steigen Luftbläschen auf. Die Trennung der Erze vom tauben Gestein erfolgt nach dem Prinzip, daß sich der Sammler selektiv an bestimmte Bestandteile des Feststoffgemenges anheftet. Alkylsulfate werden z.B. an oxidische Erze, an Baryt und Sylvin adsorbiert. Es erfolgt eine Hydrophobierung der Feststoffpartikel durch den Sammler, der sich mit der polaren funktionellen Gruppe (im Falle der Alkylsulfate
funktionelle Gruppe Na + H3C
CH2 CH2 CH2 O
SO3
Na +
-
-
CH2 CH2 CH2 CH2 -
Feststoffpartikel
O3S
Na O
Luftbläschen CH2 CH2 CH2 CH3
O
O3S
+
CH2 CH2 CH2 CH2 CH2
H2C
H 2C
CH2 H2C
CH2 H2C
hydrophobe Kohlenstoffkette
Bild 10.4 Flotation
CH3
366
10 Alkohole
ist es die Gruppe –OSO3–) an die Oberfläche der Feststoffpartikel anlagert, während die hydrophobe Kette des Alkylrestes in das umgebende Wasser zeigt; die Feststoffpartikel sind also von einer hydrophoben Hülle umgeben. Aufsteigende Luftbläschen binden sich an die hydrophobe Kette des Sammlers und nehmen auf ihrem Wege nach oben die Feststoffpartikel mit. a) Höhere Alkohole aus Fetten und Ölen Fette und Öle bestehen hauptsächlich aus Triglyceriden. Dies sind Ester des Glycerins mit Fettsäuren (n-Carbonsäuren). Die in Fetten und Ölen veresterten Carbonsäuren haben eine Kettenlänge von 6 bis 20 Kohlenstoffatomen. Höhere Alkohole können aus Fetten und Ölen durch Umesterung mit Methanol und anschließende Reduktion der Methylester gewonnen werden. Die Umesterung der Triglyceride erfolgt durch Erhitzen mit einem Überschuß an Methanol unter saurer Katalyse, wobei Glycerin freigesetzt wird. Die Reduktion der entstandenen Methylester zu entsprechenden Alkoholen erfolgt durch katalytische Hydrierung bei 250–350°C und etwa 200 bar an einem Cu-Cr-Oxid-Katalysator.) Umesterung der Triglyceride: O R1
2
R
C
O O O
CH2
O
CH
1
R
C
+
3 CH3OH
H
C O O
R2
+
C O
O R3
CH3
C R3
CH2
CH2
HO
CH
HO
CH2
CH3
O O
HO
C
O CH3 Methylester
Glycerin
Reduktion der Methylester: H
O R
+
C O
2 H2
250-350 °C, 200 bar, CuO/Cr2O3
CH3
R
C
OH
+ CH3OH
H
Auch aus Fettsäuren, welche aus Alkanen durch katalytische Oxidation entstehen, können nach der Umsetzung in Methylester und nachfolgender katalytischer Hydrierung höhere Alkohole gewonnen werden. b) höhere Alkohole aus Alkenen durch Hydroformylierung Höhere Alkohole lassen sich aus höheren Alkenen über die Oxosynthese (siehe Abschnitt 13.3.1.5) und nachfolgende Hydrierung der Aldehyde herstellen. Die auf diese Weise synthetisierten Alkohole sind um ein C-Atom reicher als die Alkene, aus denen sie entstanden sind.
10.6 Synthese der Alkohole
367 R
R
CH
140-180 °C, 250-300 bar Co-Katalysator
CH2
+ CO + H2
R
CHCH3 H C O
R
CH2OH
115 °C, 3 bar Ni-Katalysator
+
+
H
CH2CH2C
CHCH3
R O
CH2CH2CH2OH
c) Höhere Alkohole aus n-Alkanen durch Oxidation Höhere sekundäre Alkohole werden durch Oxidation von n-Alkanen aus Kerosin-Fraktionen (siehe Abschnitt 7.4) hergestellt. Die Alkane werden bei 140–180°C in Gegenwart von 0,1 Gew.-% KMnO4 und 4–5 Gew.-% Borsäure mit Luft bis zu einem Umsatz von 25 % zu sekundären Alkoholen oxidiert. Als Zwischenprodukt entstehen Alkylhydroperoxide, die mit Borsäure thermo- und oxidationsstabile Borsäureester bilden, so daß eine Weiteroxidation des Zwischenprodukts zu Aldehyden und Carbonsäuren erschwert wird. In den Oxidationsprodukten sind enthalten: 70 % sekundäre Alkohole, etwa 20 % Ketone und etwa 10 % Carbonsäuren. 180 °C, R
CH2
CH3
+ O2
KMnO4
R
CH
H3BO3
CH3
- 1/2O2
OOH
R
CH
CH3
H
/H2O
R
CH
OBO2H2
+ H3BO3
CH3
OH
d) Produktion höherer Alkohole mit Hilfe der Alfol-Synthese Als Rohstoff für diese Synthese dient Ethen. Dieses läßt man bei 120°C und 100–140 bar über Triethylaluminium strömen, und es erfolgt eine Polymerisierung durch Einschub von Etheneinheiten zwischen Metall und Alkylrest. CH2CH3
CH3CH 2
CH3CH 2
n H2C
CH2
CH2CH3
Al
Al H2C
CH2CH2
CH3CH2
CH2
CH3CH2
C2H5(CH2CH2)y
(CH2CH2)xC2H5 Al (CH2CH2)zC2H5
368
10 Alkohole
Das Reaktionsprodukt wird bei 50–100°C mit trockener Luft zum Aluminiumalkoxid oxidiert, welches mit verdünnter Schwefelsäure zu langkettigen unverzweigten primären Alkoholen hydrolysiert wird. R1 R2
+
Al R
3
R2
/2 O2
O
O
R1
O
3
Al
3
verd. H2SO4
R
HO
R1
HO
R2 + 1/2 Al2(SO4)3
HO
R3
10.6.1.6 Ethylenglykol Bei der großtechnischen Synthese von Ethylenglykol geht man vom Ethen aus, das bei 250°C unter Druck in Gegenwart eines Silberkatalysators mit Sauerstoff zu Ethylenoxid umgesetzt wird. Der Sauerstoff wird bei dieser Reaktion zunächst molekular am Silber adsorbiert und reagiert dann in dieser aktivierten Form mit Ethylen. Das Silber ist in feinverteilter Form auf einer Trägersubstanz aufgetragen. 1,2-Dichlorethan wird als Inhibitor zugegeben, der eine Weiteroxidation zu CO2 und Wasser unterbinden soll. H2C
CH2
+
1
Ag
/2 O2
H2C
CH2 O
Ethylenoxid Das Ethylenoxid reagiert unter Zugabe einer Säure als Katalysator in einem Überschuß von Wasser bei 50–70°C zu Ethylenglykol. Die Glykol-Lösung wird auf Verdampfern aufkonzentriert und im Vakuum destilliert. H
H2C
CH2 O
H
H2C
CH2 O
H
H
O
OH
O H
H2C OH
CH2
H2C
CH2 + H
OH
H
10.6.2 Darstellung der Alkohole im Labor Von einer Darstellung von Substanzen sprechen wir dann, wenn die Substanz nur in Grammbzw. Milligrammengen synthetisiert wird. Hierbei spielen, im Gegensatz zur großtechnischen Synthese von Verbindungen, die ökonomischen Gesichtspunkte keine so große Rolle, man kann gegebenenfalls auch teure Reagenzien verwenden. 10.6.2.1 Alkohole aus Alkylhalogeniden Alkylhalogenide reagieren mit Alkalilauge, wobei das Halogen durch die Hydroxygruppe –OH ersetzt wird. Das Ersetzen einer Gruppe durch eine andere bezeichnet man als Substitution. In der vorliegenden Reaktion handelt es sich um eine nukleophile Substitution (Nukleophil siehe Abschnitt 9.4.4).
10.6 Synthese der Alkohole
R
+
X
369
NaOH
R
+
OH
R = Cl, Br oder I
NaX
Neben der Substitutionsreaktion erfolgt noch als Nebenreaktion eine Eliminierung von HX, also eine Dehydrohalogenierung, wobei aus dem Alkylhalogenid ein Alken entsteht (siehe Dehydrohalogenierung, Abschnitt 3.6.1.1). Erhöht man die Temperatur, so wird die Dehydrohalogenierung begünstigt. Die Dehydrohalogenierung erfolgt nicht, wenn man feuchtes Silberoxid als Reagens verwendet. Bei dieser Reaktion erfolgt der Austausch von –X für –OH bei chiralen Verbindungen unter Retention (= unter Wahrung der Konfiguration, siehe Abschnitt 8.9.3.1). R
CH2
+ AgOH
X
R
CH2
+
OH
AgX
10.6.2.2 Alkohole aus Alkenen Alkene reagieren mit konzentrierter Schwefelsäure bei 0–15°C, wobei die entsprechenden Monoalkylsulfate (Alkylhydrogensulfate) entstehen. Die Addition der Schwefelsäure erfolgt nach der Markownikow-Regel (siehe Abschnitt 3.7.2). H
R C
+
C
H
0-15 °C
H2SO4
H
170 °C
H
H
R
C
C
H
OSO3H
H
Die Monoalkylsulfate kann man durch Erhitzen mit Wasser oder verdünnter Schwefelsäure hydrolytisch spalten, wobei die entsprechenden sekundären Alkohole gebildet werden.
H
H
R
C
C
H
OSO3H
H
+
H2O
H
H
R
C
C
H
OH
H
+
H2SO4
Die Hydroborierung (siehe Abschnitt 3.7.5.1) bietet eine Möglichkeit, um vom 1-Alken zum primären Alkohol zu gelangen. Durch Einwirkung von Diboran auf das 1-Alken erhält man das Trialkylboran. Dieses wird durch oxidative alkalische Hydrolyse gespalten, wobei der primäre Alkohol und Na3BO3 entstehen. 6 R (R
CH2
CH CH2)3
CH2 B
+ (BH3)2 H2O2/NaOH
2 (R 3
R
CH2
CH2 CH2
CH2)3 OH
B
+
Na3BO3
10.6.2.3 Hydrolyse von Estern Ester können mit verdünnten Mineralsäuren zum Alkohol und der Carbonsäure hydrolysiert werden. Die Verseifung der Ester mit Alkalihydroxiden führt zum Alkohol und dem Salz der Carbonsäure.
370
10 Alkohole
Hydrolyse von Estern mit Säuren: O
O R
C
+
OR'
H
H2O
R
Ester
C
+
OH
HO
Carbonsäure
R'
Alkohol
Verseifen von Estern: O
O R
C
+
OR'
Ester
+
NaOH
R
Base
Salz der Carbonsäure
C
O
Na
HO
R'
Alkohol
10.6.2.4 Reduktion von Carbonylverbindungen mit Metallen
Mit Eisen in Essigsäure oder mit Zinkstaub in Natronlauge werden Aldehyde bzw. Ketone zu Alkoholen reduziert. Bei dieser Reduktion entstehen aber Nebenprodukte. Z.B. tritt vor allem mit Ketonen eine Dimerisierung zu zweiwertigen Alkoholen vom Pinakol-Typ ein. Mit Ethanol als Lösungsmittel wird die Dimerisierung unterdrückt. Man benutzt zur Reduktion deshalb häufig Ethanol als Protonenspender mit Na als Reduktionsmittel. R
C
O
2 Na,2 CH3CH2OH
R
- 2 CH3CH2ONa
H
CH2
OH
Das Elektron wird vom Na, das zum Natriumkation Na+ wird, auf die Carbonylverbindung übertragen. Diese nimmt zunächst ein Elektron auf, und es entsteht das als Ketyl bezeichnete Radikalanion, das dann protoniert wird. Das Produkt nimmt noch ein Elektron auf und bindet mit dem freien Elektronenpaar am Kohlenstoff unter Bildung des Alkohols ein weiteres Proton. R C
O
e
R
C R
R C R
R
O
H
O
Ketyl
H
O
C2H5
-
O
C2H5
H
O
C2H5
R
-
O
C2H5
R
O
H
e
H
R C R
C
e
oder
= Elektron
OH
10.6.2.5 Die Pinakol-Reaktion
Läßt man Aceton mit Mg-Spänen oder Magnesiumamalgam in Benzol reagieren, so wird das Mg zu Mg2+ oxidiert, wobei die Elektronen im Ein-Elektronen-Übertragungsschritt auf das Keton übertragen werden und eine C–C-Kopplung der entstandenen beiden Radikale erfolgt. Aus dem auf diese Weise gebildeten Magnesiumpinakolat kann durch Zugabe einer Säure der zweiwertige Alkohol Pinakol freigesetzt werden.
10.6 Synthese der Alkohole R
371 R
C
O
R
C
Benzol
Mg
R
O
R
Mg
2
R C
O
R
C
O
C
O
R
Keton R
R R R
C
O Mg
C
2
O
2 H
R R
C
O
H
+
Mg
2
H
R
R
Magnesiumpinakolat
Pinakol
Anmerkung: Das Wort „Pinakol“ leitet sich vom griech. Wort pinako her. Dies hat die Bedeutung tafelförmig und bezieht sich auf die Kristallform des Pinakolhydrats C6H12(OH)2 · 6 H2O (Pinakol selbst ist flüssig, bildet aber mit Wasser das Hexahydrat, das bei 45°C schmilzt).
10.6.2.6 Reduktion von Estern mit Natrium (Bouveault-Blanc-Reaktion)
Die Ester werden mit metallischem Natrium und Ethanol oder Butanol unter dem Rückfluß erhitzt, wobei aus dem Ester zwei Alkohole entstehen. O R'
CH2
C
OR
Na/CH3CH2OH
R'
CH2
CH2
OH
+
HO
R
Anstelle der Reduktion nach Bouveault-Blanc wird heute die Reduktion von Estern vornehmlich mit LiAlH4 durchgeführt. 10.6.2.7 Die Reduktion von Aldehyden, Ketonen, Estern und Carbonsäuren mit LiAlH4
Aldehyde, Ketone, Ester und Carbonsäuren sind Carbonylverbindungen. Sie besitzen eine C=O-Gruppierung, die als Carbonylfunktion bezeichnet wird. In dieser ist der Sauerstoff der elektronegativere Bindungspartner, so daß die Bindungselektronen zum Sauerstoff hin verschoben sind und die Doppelbindung stark polarisiert ist: X R
C δ+
O δ-
X = H, R, OR oder OH
Lithiumaluminiumhydrid (Lithiumalanat) Li+[AlH4]– ist ein komplexes Hydrid, das in hoher Reinheit ein weißes, mikrokristallines Pulver ist, gewöhnlich aber als graues Pulver in gut verschlossenen Dosen in den Handel kommt. Die Dose sollte in Inertatmosphäre geöffnet werden. Li+[AlH4]– zersetzt sich erst bei einer Temperatur von 125°C und ist in Diethylether
372
10 Alkohole
und auch anderen Ethern etwas löslich. Meist wird Diethylether, in dem es sich relativ gut löst, als Lösungsmittel verwendet. Li+[AlH4]– reagiert mit Verbindungen, die eine C=O-Gruppierung haben, schon bei Zimmertemperatur, wobei das Hydridion H– sich mit seinem Elektronenpaar an den positivierten Kohlenstoff bindet, während sich der Sauerstoff der Carbonylverbindung an das Aluminiumatom anlagert. Nach dieser Umsetzung wird vorsichtig feuchter Ether zugegeben, um das überschüssige Li+[AlH4]– umzusetzen. Es ist notwendig, Wasser nur sehr vorsichtig zuzugeben, weil das im Reaktionsgemisch im Überschuß vorhandene Lithiumaluminiumhydrid mit Verbindungen, die Protonen abspalten können (Säuren, Wasser, Alkohole) stark exotherm reagiert. Gewöhnlich gibt man dann, um die Alkohole aus dem LiAl-Komplex freizusetzen, verdünnte Salzsäure zu. LiCl und AlCl3 sind in Wasser gut löslich, was die weitere Aufarbeitung des Reaktionsgemisches erleichtert. a) Reaktionen von Aldehyden mit Lithiumaluminiumhydrid. H
H
Li
AlH3
C
H
Ether
O
R
R
C
O
Li
AlH3
H +
–
Der Komplex Li [RCH2OAlH3] kann drei weitere Hydridionen abgeben, welche von drei Aldehydmolekülen auf die Carbonylgruppe übertragen werden, so daß die Gesamtreaktion folgendermaßen formuliert werden kann: H 4 R
C
+
AlH4
Li
Ether
(R
O)4Al
CH2
Li
O
Aldehyd
Mit verdünnter Salzsäure wird der Alkohol aus dem komplexen Alkoholat (Alkoholate siehe Abschnitt 10.7.1) freigesetzt: (R
CH2
O)4Al
+ 4 HCl
Li
4R
CH2
OH + AlCl3 + LiCl
primärer Alkohol
b) Reaktionen von Ketonen mit Lithiumaluminiumhydrid. R 4
C
O
+
AlH4
Li
Ether
(
R Li
CH
O)4Al
OH
+ AlCl3 + LiCl
R
R
Keton (
R
R CH R
O)4Al
Li
+ 4 HCl
4
CH
R sekundärer Alkohol
10.6 Synthese der Alkohole c)
373
Ester reagieren mit Lithiumaluminiumhydrid zu Alkoholaten, die mit Wasser oder verdünnten Säuren zu primären Alkoholen umgesetzt werden. O
4R
OR' + 2 Li
C
Ether
AlH4
(R
Li
O)4Al
CH2
+ (R'O)4 Al
Li
Lithiumaluminiumtetraalkanolat
Ester
(R
CH2
O)4
+
Li
OH + 4 RCH2 primärer Alkohol
(R'O)4 Al
+
4 R'OH
+
Li
+
2 AlCl3
8 HCl 2 LiCl
d) Carbonsäuren reagieren ebenfalls mit Lithiumaluminiumhydrid, wobei man über Alkoholate zu primären Alkoholen gelangen kann. Carbonsäuren sind schwache Säuren und spalten Protonen ab. Diese reagieren mit den Hydridionen des Lithiumaluminiumhydrids, wobei H2 gebildet wird. Erst dann reagiert das Anion [AlH4]– mit der Carbonylgruppe und reduziert den Säurerest RCOO– zur Alkoxygruppe RCH2O–. Die Gesamtreaktion kann folgendermaßen formuliert werden: 4 RCOOH + 3 Li
(R
AlH4
CH2
O)4Al
4R
CH2
Li
+ 2 LiAlO2 + 4 H2
Carbonsäure (R
CH2
O)4Al
Li
+ 4 HCl
OH + AlCl3 +
LiCl
primärer Alkohol
Anstelle des Lithiumaluminiumhydrids kann für die Reduktion von Aldehyden, Ketonen und Säurechloriden (R–COCl) auch das Natriumborhydrid NaBH4 verwendet werden. Carbonsäuren und deren Ester reduziert es aber nicht. Die Reduktion mit NaBH4 kann auch in wäßriger Lösung erfolgen. 10.6.2.8 Addition von Grignard-Reagens an Carbonylverbindungen
Grignard-Reagenzien (siehe Abschnitt 2.7.2.2 und 9.4.2) sind in der Synthese sehr vielseitig verwendbar. Gewöhnlich wird für das Grignard-Reagens die Formel RMgX angegeben, obwohl in Lösungen der Grignard-Verbindung folgendes Gleichgewicht angenommen werden muß: 2R
Mg
X
R
Mg
R
+ MgX2
X = Cl, Br oder I
Für die im weiteren zu besprechenden Reaktionen spielt dies aber keine wesentliche Rolle, da beide Verbindungen, das Alkylmagnesiumhalogenid RMgX und das Dialkylmagnesium R2Mg bei der Reaktion mit Carbonylverbindungen zwar unterschiedliche Zwischenprodukte ergeben,
374
10 Alkohole R
R' C
+
O
R
Mg
X
R'
C
H
O
Mg
X und
O
Mg
R
H R
R' C
+
O
R
Mg
R
R'
C
H
H
welche aber nach ihrer Hydrolyse zu dem gleichen Alkohol führen. In der Bindung C–Mg im Grignard-Reagens ist der Kohlenstoff der elektronegativere Bindungspartner, so daß die stark polare Bindung heteropolar gespalten wird. Es wird angenommen, daß die Reaktion des Grignard-Reagens mit Carbonylverbindungen über einen cyclischen, viergliedrigen Übergangszustand erfolgt: R'
R
Mg
C
O
X
R'
R
Mg
C
O
X
R R'
H
H
C
O
Mg
X
H
viergliedriger Übergangszustand
In der Literatur findet man aber auch Hinweise, daß bei der Reaktion ein sechsgliedriger Übergangszustand vorliegen könnte, wobei sich an der Reaktion mit der Carbonylverbindung zwei Moleküle des Grignard-Reagens beteiligen. X
X R
O R'
O
X
C
R'
Mg
Mg R
C
R
O
Mg R
R
H
X
Mg
Mg
R' X
H sechsgliedriger Übergangszustand
C
+
R
Mg X
H
a) Mit Formaldehyd und Grignard-Reagens entsteht das Alkoxymagnesiumhalogenid, das nach der Hydrolyse mit Wasser oder Säure einen primären Alkohol bildet. H
R C
Mg O
H
Formaldehyd
X
R
Ether
H
C
R O
Mg
X
H
Alkoxymagnesiumhalogenid
HX
H
C
O
H
+ MgX2
H
primärer Alkohol
Magnesiumhalogenid
b) Alle anderen Aldehyde reagieren mit Grignard-Reagens zu einem Produkt, nach dessen Hydrolyse man einen sekundären Alkohol erhält.
10.6 Synthese der Alkohole R'
R
Mg
C
375
X
R
Ether
O
R'
C
H
R O
Mg
X
HX
H
R'
C
O
+ MgX2
H
H sekundärer Alkohol
Aldehyd
c) Läßt man Grignard-Reagens mit Ketonen reagieren, so erhält man nach Hydrolyse des Produkts einen tertiären Alkohol. R'
R
Mg
C
X
R
Ether
O
R'
C
R''
R O
Mg
X
HX
R''
R'
C
+ MgX2
H
O
R'' tertiärer Alkohol
Keton
d) Mit Ameisensäureester und Grignard-Reagens erhält man nach Hydrolyse des Reaktionsprodukts einen sekundären Alkohol, während das Reaktionsprodukt mit allen anderen Carbonsäureestern ein tertiärer Alkohol ist. Wahrscheinlich entsteht bei der Reaktion der Carbonsäureester mit Grignard-Reagens als Zwischenprodukt ein Keton (mit dem Ameisensäureester ein Aldehyd), das mit einem zweiten Äquivalent GrignardReagens weiterreagiert: R'
R
Mg
C
O
X
R
Ether
R'
O
R''
C
O
Mg
X
Ether
R C
R''
R'
O
MgX
O
O
R''
Ester R
Mg
R C
X
O
R
R
Ether
R
C
R'
O
Mg
X
HX
R
C
O
H
+ MgX2
R' tertiärer Alkohol
R'
Bei der Reaktion von Carbonylverbindungen mit Grignard-Reagens kann eine Nebenreaktion erfolgen, bei der ein Alkoxymagnesiumhalogenid und ein Alken entstehen. Man nimmt an, daß die Reaktion über einen cyclischen Übergangszustand verläuft:
R
H
C
C H
R
MgX O
C
C
C
H
H
C
C
MgX O
H R
C H
O
MgX
C
376
10 Alkohole
10.6.2.9 Die Dihydroxylierung von Alkenen
Die Dihydroxylierung von Alkenen (Reaktionsmechanismen siehe Abschnitt 3.7.5.3) führt zu Glykolen. a) Die anti-Dihydroxylierung
Mit Peroxysäuren, gewöhnlich wird Peroxybenzoesäure verwendet (siehe Abschnitt 3.7.5.3a, 15.4.6.2 und 17.1.3.1c), erfolgt die Dihydroxylierung nach einem antiMechanismus. Nach der Hydroxylierung von cyclischen Alkenen mit Peroxysäuren befinden sich die beiden OH-Gruppen in trans-Stellung zueinander. O
H
OH
C O OH
H H
+
OH
OH OH H
b) Die syn-Dihydroxylierung
Die Dihydroxylierung mit Osmiumtetroxid: Mit Osmiumtetroxid OsO4 und mit Kaliumpermanganat erfolgt eine syn-Dihydroxylierung von Alkenen (siehe Abschnitt 3.7.5.3). Mit OsO4 wird zunächst ein cyclischer Osmiumsäureester erhalten, der als solcher auch isoliert werden kann. Er kann in alkalischer Lösung hydrolysiert werden. Ausgehend vom Cyclohexen gelangt man auf diese Weise zum cis-Glykol.
+ OsO4
Cyclohexen
O O Os H H2O / OH O O H
Osmiumsäureester
OH H OH
+
H2OsO4
H
cis-Cyclohexan-1,2-diol
Der hohe Preis des Osmiumtetroxids schränkt seine Anwendung zur präparativen Darstellung der cis-Glykole ein, doch hat sich die Reaktion von OsO4 mit ungesättigten Verbindungen bei Strukturaufklärungen vielfach bewährt. Die Dihydroxylierung mit Kaliumpermanganat: Die Hydroxylierung mit Kaliumpermanganat führt über einen syn-Mechanismus ebenfalls zum Glykol (siehe Abschnitt 3.7.5.3). Als Zwischenprodukt entsteht ein Manganester, der aber nicht isoliert werden kann und zum Glykol hydrolysiert wird. Mit Kaliumpermanganat wird das Glykol leicht weiteroxidiert, so daß diese Reaktion zur präparativen Darstellung von Glykolen nicht geeignet ist.
10.7 Reaktionen der Alkohole
377
10.7 Reaktionen der Alkohole 10.7.1 Schwach saure Eigenschaften der Alkohole Die OH-Bindung in der Hydroxygruppe des Alkohols ist stark polar. Das Sauerstoffatom als elektronegativerer Bindungspartner zieht die Elektronen an sich und ermöglicht dadurch, ähnlich wie dies beim Wassermolekül der Fall ist, eine Abspaltung des Protons. R
O
H
R
O
H
+
Im Vergleich mit Wasser ist der Alkohol eine schwächere Säure, da der Alkylrest eine elektronenschiebende Wirkung zeigt, die Elektronendichte am Sauerstoff des Alkohols dadurch etwas erhöht und die Polarität der O–H-Bindung, die zur Abspaltung des Protons führt, herabgesetzt wird. Entsprechend seinen sauren Eigenschaften kann in Alkoholen der Wasserstoff durch ein Metall ersetzt werden, und es entstehen salzähnliche Verbindungen, die als Alkoholate bezeichnet werden. Z.B. bilden Alkohole mit Alkali- und Erdalkalimetallen die entsprechenden Alkoholate, wobei Wasserstoff frei wird. 2 R
O
H
Alkohol
+
2 Na
2 R
metallisches Natrium
O
+
Na
Natriumalkoholat
H2
Wasserstoff
Stärkere Säuren können schwächere Säuren aus ihren Salzen freisetzen. Wasser ist in diesem Falle die stärkere Säure, und es setzt aus den Alkoholaten die Alkohole frei. Alkoholate sind deshalb in Wasser nicht beständig. R
O
Na
+
H2O
R
O
+
H
Na
OH
10.7.2 Alkohole als Basen und Nucleophile Verbindungen mit einem freien Elektronenpaar können sowohl als Base als auch als Nucleophil auftreten. Als Base wird eine Verbindung bezeichnet, die mit einem freien Elektronenpaar ein Proton binden kann, z.B.: H
H O
H
H O
H
R
oder R
Base
R
O
O R
Base
H
378
10 Alkohole
Ein Nukleophil kann ein Molekül oder ein Anion sein, das das Bestreben hat, sich mit dem freien Elektronenpaar an ein Elektrophil (siehe Abschnitt 9.4.4) zu binden: an ein Carbeniumion R3C+ oder an ein C-Atom, das eine positive Teilladung besitzt, z.B.: R Cl
R Cl
C R
C
R
Nucleophil
H R
oder
H
O
C H
R
Elektrophil
δ+
Nucleophil
Cl
δ−
H H
O
C
H
+
Cl
H
H
Elektrophil
Der Alkohol hat am Sauerstoffatom der Hydroxygruppe freie Elektronenpaare, und er tritt in beiden Funktionen auf, sowohl als Base als auch als Nucleophil. Als schwache Base kann der Alkohol ein Proton binden, und es entsteht ein OxoniumIon, z.B.: R
H
O
H
Cl
R
+
O
Cl
H Oxonium-Ion
H
Alkohol
Bei der Etherbildung in saurem Medium tritt ein nichtprotoniertes Alkoholmolekül als Nucleophil auf. Es reagiert mit einem Oxonium-Ion, das nach obiger Reaktion im sauren Medium aus dem Alkohol gebildet wurde und elektrophile Eigenschaften hat. Durch die positive Ladung am Sauerstoff des Oxonium-Ions ist die C–O-Bindung stark polarisiert, die Elektronen der Bindung sind zum Sauerstoffatom hin verschoben und das C-Atom trägt eine positive Teilladung. Das (nichtprotonierte) Alkoholmolekül stellt als Nucleophil mit dem am Sauerstoff befindlichen freien Elektronenpaar eine Bindung mit dem Kohlenstoff der Oxonium-Verbindung her, der durch den –I-Effekt der Hydroxoniumgruppe eine positive Teilladung trägt, wobei sich gleichzeitig die OH2+-Gruppe, die eine gute Abgangsgruppe bildet, löst. Aus dem Zwischenprodukt wird ein Proton abgespalten, und es entsteht ein Ether. R' R
O H
H C
O
H H H Alkohol Oxonium-Ion (Nuceophil) (Elektrophil)
H
, 130 °C - H2O
R' R
O H
C H
H
R' R
O
C H
H
+ H
Ether
10.7.3 Basizität und Nucleophilie Nach der Brönstedtschen Auffassung (1923) ist eine Säure eine Substanz, die aus ihrem Molekül ein Proton abspaltet, eine Base hingegen eine Verbindung, die ein Proton zu binden vermag. Die Säure spaltet in wäßriger Lösung ein Proton ab, und dieses wird von einem Wassermolekül gebunden. Die Reaktionsprodukte sind ein Säurerest und ein Hydronium-Ion H3O+. Wasser kann man in diesem Fall als Base betrachten, die das von der Säure abgespaltene Proton aufnimmt. Das entstandene Hydronium-Ion hingegen ist als Säure zu betrachten, denn es kann ein Proton abspalten.
10.7 Reaktionen der Alkohole
379 H
H
+
O H Wasser (Base)
H
Cl
O
H
+
H Hydronium-Ion (konjugierte Säure)
Chlorwasserstoff (Säure)
Cl
Chloridion (konjugierte Base)
konjugiertes Säure/Basenpaar konjugiertes Säure/Basenpaar
Bei einer Säure-Base-Reaktion kann man zu der Base eine konjugierte Säure, und zu der Säure eine ihr entsprechende konjugierte Base, auf der anderen Seite der Gleichung finden. H2O ist im obigen Beispiel die Base und H3O+ die ihr entsprechende konjugierte Säure. Der Säure HCl entspricht die konjugierte Base Cl–. In einem Überschuß an Wasser ist HCl vollständig dissoziiert, HCl ist eine starke Säure. Die konjugierte Base Cl– muß demnach eine schwache konjugierte Base sein, denn wäre sie sehr reaktiv, würde sie mit dem HydroniumIon bereitwillig reagieren, wobei wiederum Chlorwasserstoff, also die nichtdissoziierte Säure, entstehen würde. Diese müßte dann in relativ hoher Konzentration vorliegen, was dem Begriff einer starken Säure mit hohem Dissoziationsgrad widerspricht. Allgemein kann man sagen, daß starke Säuren schwache konjugierte Basen, schwache Säuren hingegen starke konjugierte Basen haben. Diese Zusammenhänge bieten ein nützliches Hilfsmittel, um die Basizität von Verbindungen abschätzen zu können. Man darf z.B. annehmen, daß die durch die Abspaltung eines Protons aus Alkoholen entstandenen Alkoholationen relativ starke Basen darstellen, denn Alkohole sind schwächer sauer als Wasser, und ihre konjugierten Basen, nämlich Alkoholate R–O–, müssen demnach starke Basen sein. Eine erweiterte Säure-Base-Theorie ist die von Lewis (1938). Er brachte den sauren und basischen Charakter von Substanzen mit ihrer Elektronenstruktur in Zusammenhang. Säuren sind Substanzen, die als Akzeptoren von Elektronenpaaren auftreten und Basen sind Verbindungen, die ein Elektronenpaar für eine Bindung zur Verfügung stellen können, also Donoren (sie werden auch als Donatoren bezeichnet) eines Elektronenpaares sind (siehe auch die Halogenierung des Benzols, Abschnitt 6.6.1.3). Diese Definition schließt die Brönstedtsche Säure-Basen-Theorie (Wechselwirkung zwischen Elektronenpaar einer Base und einem Proton) als Spezialfall mit ein. Bei dieser Auslegung des Säure/Base-Begriffs kann man z.B. einen Alkohol, der ein Elektronenpaar-Donator sein kann, als Lewis-Base betrachten. Ein Carbeniumion, oder eine Verbindung mit positiver Teilladung am C-Atom, welche beide als Akzeptoren eines Elektronenpaares auftreten können, kann man als Lewis-Säure bezeichnen. Allgemein könnte man Nucleophile als Lewis-Basen und Elektrophile als Lewis-Säuren betrachten und erwarten, daß Nucleophilie und Basenstärke miteinander korrespondieren. Die folgenden Verbindungen haben tatsächlich in Bezug auf ihre Reaktivität als Nucleophil und ihre Basenstärke die gleiche Reihung: O CH3CH2
O
>
H
O
>
O
> H3C
>
C
H2O
O
Ethanolat-Ion
Hydroxid-Ion
Phenolation
Acetation
Wasser
380
10 Alkohole
Diese Parallelität zwischen Basizität und Nucleophilie kann man besonders bei Verbindungen feststellen, die das gleiche nucleophile Atom z.B. O, S oder N haben. In der vorher angeführten Reihe sind es z.B. Verbindungen, in denen der Sauerstoff die nucleophile bzw. basische Funktion ausübt. In vielen Fällen muß man aber feststellen, daß Basizität und Nucleophilie einander nicht entsprechen. Ein Beispiel dafür ist das ambidente Sulfit-Ion. Unter dem Begriff „ambident“ ist zu verstehen, daß sich zwei einander konkurrierende unterschiedliche Zentren im Molekül befinden. Das Sulfit-Ion hat freie Elektronenpaare sowohl am Sauerstoff- als auch am Schwefelatom. Bei der Reaktion des Sulfit-Ions mit einem Proton wird dieses am Sauerstoff unter Bildung eines Hydrogensulfits gebunden, während bei der Reaktion mit Methyliodid der Schwefel ein freies Elektronenpaar für eine S–C-Bindung zur Verfügung stellt, wobei das Methylsulfonat-Ion entsteht. O O
S
O O
H
O
Sulfit-Ion + Proton Base
O O
S O
O
H
und
Hydrogensulfit-Ion
Säure
H
δ+ C
I
δ−
HH
Sulfition + Methyliodid Nucleophil
S
O O
S O
H
+
C H
I
H
Methylsulfonat-Ion + Iodidion
Elektrophil
Im Sulfit-Ion ist das Sauerstoffatom das stärker basische Atom, während der Schwefel stärker nucleophil ist. Diese Unterschiede sind damit zu erklären, daß bei dem Angriff des Nucleophils auf das Kohlenstoffatom mit der positiven Teilladung auch die Polarisierbarkeit der Elektronenhülle des Nucleophils eine Rolle spielt. Die Außenelektronen des Schwefels sind stärker polarisierbar als die des Sauerstoffs und deshalb für eine Wechselwirkung mit dem C-Atom des Elektrophils, das eine positive Teilladung besitzt, besser geeignet. Pearson unterscheidet entsprechend der Polarisierbarkeit ihrer Außenelektronen harte und weiche Lewis-Säuren und Lewis-Basen. Harte Basen reagieren bevorzugt mit harten Säuren, während weiche Basen wiederum mit weichen Säuren reagieren. Harte Lewis-Säuren haben einen kleinen Ionenradius und wenig Elektronen in den Außenorbitalen des Zentralatoms. Das Proton H+ ist als harte Lewis-Säure aufzufassen, das bevorzugt mit harten Lewis-Basen reagiert. Mit zunehmender positiver Ladung am Kohlenstoffatom nimmt die Härte der Lewis-Säure zu, so daß man Carbeniumionen R3C+ zu den harten Lewis-Säuren zählt.
10.7 Reaktionen der Alkohole
381
Zu den harten Lewis-Basen gehören z.B. H2O, –OH, F–, CO32–, PO43–, SO42–, CH3COO–, ROH, RO–, Cl–, NH3 und RNH2. Es sind Verbindungen mit einem Atom, dessen Elektronenhülle stark an den Kern gebunden und nicht polarisierbar ist. Weiche Lewis-Säuren sind elektrophile Verbindungen, die auf Grund einer polaren kovalenten Bindung δ+C–Xδ– oder δ+C=O δ– am Kohlenstoffatom eine positive Teilladung aufweisen und bevorzugt mit weichen Lewis-Basen reagieren. Als weiche Lewis-Basen sind Nucleophile zu verstehen, deren Elektronenhülle leicht polarisierbar ist, z.B. die Verbindungen R2S, RSH, RS–, HSO3–, R3P, –CN, I–, R– und H–. Zu den weichen Basen, die zugleich starke Nucleophile sind, gehören Carbanionen, z.B. das Cyanidion und das Acetylidion. I– ist eine weiche Base. Mit abnehmender Deformabilität ihrer Elektronenhülle nimmt die Basenhärte der Halogenidionen über Br– und Cl– zum F– zu, und ihre Nucleophilie wird schwächer. Die unvollkommene Korrelation der Basizität und Nucleophilie ist aus Sicht der bei basischen und nucleophilen Reaktionen entstehenden Bindungen zu verstehen. Bei einem Säure/ Base-Gleichgewicht entsteht die Bindung durch Überlappen des Orbitals der Base mit dem kleinen, kompakten 1s-Orbital des Wasserstoffs, während bei einem nucleophilen Angriff auf das C-Atom eines Elektrophils das Orbital mit dem freien Elektronenpaar des Nucleophils im Übergangszustand mit dem größeren und diffuseren Orbital des elektrophilen Kohlenstoffs überlappt. Die Polarisierbarkeit der Elektronenhülle ermöglicht eine bessere Überlappung. Elemente der dritten und vierten Periode mit relativ diffusen freien Elektronenpaaren, die leichter polarisierbar sind, können mit dem Orbital des elektrophilen Kohlenstoffs besser überlappen und sind deshalb nucleophiler als Elemente der zweiten Periode mit vergleichbarer Basizität. Bei Bestimmung der Nucleophilie einiger Nucleophile in wässrigem Medium erhielt Swain und Scott (1953) folgende Reihung: S2O32– (Thiosulfation) > SO32– (Sulfition) > I– > SCN– (Thiocyanation ) > C6H5NH2 > HO– > N3– > Br– > Cl– > CH3COO– > H2O
10.7.4 Umsetzung von Alkoholen zu Alkylhalogeniden 10.7.4.1 Umsetzung zu Alkylchloriden Reaktionen der Alkohole mit Salzsäure. Alkohole reagieren mit Salzsäure zu Alkylchloriden: R
OH
+
H
Cl
R
Cl
+
H2O
Das Chlorid-Ion ist ein relativ schwaches Nucleophil. Primäre Alkohole reagieren deshalb mit konz. Salzsäure, auch in Gegenwart von ZnCl2 als Lewis-Säure, sehr schlecht. Etwas schneller reagieren sekundäre Alkohole und am besten tertiäre Alkohole.
382
10 Alkohole R1
2
R
C
O
+
H
2
H Cl
R
R3
R1
H
C
O
+
H
Cl
R3 R1
R1 ZnCl2
R2
- H2O
R2
+ Cl
C
C
Cl
R3
R3
Auf Grund der unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten kann man diese nach Lukas benannte Reaktion dazu benutzen, primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole zu unterscheiden. Tertiäre Alkohole reagieren, erkenntlich an der Trübung der Lösung, sofort und sekundäre Alkohole erst nach einigen Minuten. Primäre Alkohole reagieren bei Zimmertemperatur nicht. Reaktionen der Alkohole mit PCl3 und PCl5. Die Reaktion von Alkoholen mit Phosphortrichlorid PCl3 zu entsprechenden Alkylhalogeniden erfolgt durch Erhitzen des Reaktionsgemisches und kann wie folgt formuliert werden: 3R
CH2
OH
+
PCl3
3R
CH2
Cl
+
H3PO3
Zunächst wird bei dieser Reaktion der protonierte Dichlorphosphitester gebildet. H R
Cl
C
O
H
H
+
P
H Cl
R
Cl
Phosphortrichlorid
C
O
H
H
PCl2
+
Cl
prot. Dichlorphosphitester +
Die protonierte Dichlorphosphitgruppe – OHPCl2 ist eine gute Abgangsgruppe, so daß sie durch die in der Reaktion gebildeten Chloridionen leicht ersetzt werden kann. Cl Cl
+
O
CH2 R
H
Cl CH2
Cl
P Cl
+
HO
P Cl
R
Dichlorphosphit
Das Dichlorphosphit kann mit dem Alkohol auf folgende Weise weiterreagieren: Cl CH2 R
O H
+ P OH
Cl Cl
CH2
Cl R
O
P
H
OH
Cl Cl
CH2 +
O
R
H
P OH
10.7 Reaktionen der Alkohole
383
OH CH2
+ P
O
R
OH
H
Cl
CH2
Cl R
OH
O
P
H
OH
OH Cl
CH2 +
O
R
H
P OH
phosphorige Säure
Bei der Reaktion von Alkoholen mit Phosphorpentachlorid PCl5 entsteht zunächst das Alkylchlorid und Phosphoroxychlorid POCl3: R
OH +
CH2
PCl5
R
Cl +
CH2
+
HCl
POCl3
Phosphoroxychlorid kann mit Alkohol nach der folgenden Reaktionsgleichung weiterreagieren: 3R
OH + POCl3
CH2
3R
Cl + H3PO4
CH2
Phosphoroxychlorid
Phosphorsäure
Reaktion mit Thionylchlorid. Für die Reaktion der Alkohole mit Thionylchlorid SOCl2 gilt folgende Reaktionsgleichung: R
CH2
+
OH
SOCl2
Pyridin
R
CH2
Cl
+
SO2 +
HCl
Das in die Reaktion eingebrachte Pyridin ist eine Base, die den bei der Reaktion freiwerdenden Chlorwasserstoff zu binden vermag, wobei Pyridinhydrochlorid entsteht. Cl N
Cl
H
N
Pyridin
H
Pyridinhydrochlorid (Pyridiniumchlorid)
Mit Thionylchlorid reagieren Alkohole in Gegenwart von Pyridin zunächst zum Chlorsulfinsäureester. Cl
Cl R
CH2
O H
+
S
O
R
O
S
H
Cl
CH2
O
CH2
Cl
O
Thionylchlorid Cl R
CH2
O H
S Cl
R O
Cl S
H
O
Cl
Chlorsulfinsäureester
384
10 Alkohole
Erfolgt die Reaktion in stark polaren Lösungsmittel mit Pyridin, so wird im weiteren Reaktionsschritt aus dem Chlorsulfinsäureester Cl– freigesetzt, welches dann als Nucleophil die Gruppe C5H5N+SO2 ersetzt: Cl CH2
O
S
Cl
N
R
O
R
CH2
+
CH2 + SO2 +
Cl
O
S
N
O
N
R
In unpolarem Lösungsmittel reagiert der Alkohol mit Thionylchlorid in einer SNi-Reaktion (i = intern) zunächst ebenfalls zum Chlorsulfinsäureester, worauf das sich vom Schwefel lösende Chlor als internes Nucleophil an das Kohlenstoffatom von der Seite herantritt, auf der die sich lösende C–O-Bindung liegt. Die SNi-Reaktion erfolgt unter Retention der Konfiguration am asymmetrischen Kohlenstoffatom (siehe Abschnitt 8.9.3.1): R1
R1
C
O
2
R H
C S
O
2
R
Cl
+
Cl
SO2
H
10.7.4.2 Umsetzung von Alkoholen zu Alkylbromiden Umsetzung mit HBr. Das Bromidion ist ein relativ starkes Nucleophil. Man kann deshalb mit konzentrierter Bromwasserstoffsäure (48 %ig) nicht nur tertiäre und sekundäre Alkohole, sondern auch primäre Alkohole unter Erhitzen des Reaktionsgemisches in Alkylbromide überführen. Br
H R
CH2
O
H
H
R Br
CH2
O
R H
Br
CH2 + H2O
Alkylbromid Die Umsetzung von primären Alkoholen zum Alkylbromid kann auch durch Erhitzen des Alkohols mit KBr und konz. Schwefelsäure erfolgen. Die Schwefelsäure setzt aus dem KBr den Bromwasserstoff frei, und sie bindet außerdem das bei der Reaktion gebildete Wasser. Umsetzung mit PBr3. Mit Phosphortribromid reagieren Alkohole beim Erhitzen nach dem schon bei Umsetzung des Phosphortrichlorids gezeigten Reaktionsmechanismus, wobei das Alkylbromid nach folgender Reaktionsgleichung gebildet wird:
10.7 Reaktionen der Alkohole 3 R
CH2
+
OH
385
PBr3
3 R
+
Br
CH2
H3PO3
10.7.4.3 Umsetzung von Alkoholen zu Alkyliodiden
Die Umsetzung von Alkoholen zu Alkyliodiden erfolgt durch Erhitzen des Alkohols mit Iod und rotem Phosphor. Aus dem Iod und dem roten Phosphor wird dabei das Phosphortriiodid PI3 gebildet, welches mit dem Alkohol reagiert:
3 R
2 P
+
3 I2
OH
+
PI3
CH2
2 PI3 3 R
+ H3PO3
I
CH2
Die Reaktion von Iodwasserstoffsäure mit Alkoholen ist für die Darstellung von Alkyliodiden ungeeignet, da die bei der Reaktion entstandenen Alkyliodide vom Iodwasserstoff HI zum Alkan reduziert werden. R
CH2
+
I
HI
R
CH3
+
I2
10.7.5 Die Dehydratisierung Bei der Dehydratisierung geht es um eine Abspaltung von Wasser aus dem Alkoholmolekül. R
CH
CH2
OH
H
R
CH
+
CH2
H2O
H
Sie gelingt am leichtesten bei tertiären Alkoholen und ist am schwierigsten mit primären Alkoholen durchzuführen (siehe Abschnitt 3.6.1.3). Primäre Alkohole dehydratisieren nur bei Gegenwart starker Säuren und bei relativ hohen Reaktionstemperaturen (170–200°C). Die Dehydratisierung kann nach dem Eliminierungsmechanismus E1 oder E2 erfolgen (siehe Abschnitt 3.6.2). Die –OH-Gruppe ist eine schlechte Abgangsgruppe, welche für die Dehydratisierung erst durch Protonierung in die leichter abspaltbare Gruppe –+OH2 umgesetzt werden muß. Tertiäre Alkohole reagieren nach dem Reaktionsmechanismus E1:
R2
H
R1
C
C
H
R3
H O
H
R2
H
R1
H
C
C
O
H
R3
H
- H 2O
R1
H R2
C H
R2
C
H C
3
R
H
R1 C R3
386
10 Alkohole
Primäre Alkohole reagieren nach dem Reaktionsmechanismus E2, wobei nichtprotonierte Alkoholmoleküle die Funktion einer Base ausüben (siehe Abschnitt 10.7.3). R R
CH2
CH2 O
H
H
+
H
C H
H
O
C O
R
Alkohol als Base
C
H
H
H
H H
O
R
H
H
H
protonierter Alkohol als Substrat R
H
C
E2-Übergangszustand
R CH2
CH2 O
O
H
C
+
C
R
H
H
H
H
+
+ H
H2O
H
Alken
10.7.6 Veresterung von Alkoholen Alkohole reagieren sowohl mit anorganischen als auch mit organischen Säuren, wobei unter Abspaltung von Wasser ein Ester entsteht.
R
R
CH2
CH2
O
O
H
O
H
O
O
H
O
R1
+
H
+
H
R
O
CH2
O
H
O
H
R
CH2
+
Säure
O
R1
O
+ H2O
C
O
Alkohol
+ H2O
S
S
C
O
O
Ester
+
Wasser
Wird ein primärer Alkohol, der verestert werden soll, mit dem 18O-Isotop markiert, so stellt man fest, daß bei der Veresterung mit anorganischen Säuren das 18O in dem bei der Reaktion gebildeten Wasser zu finden ist, während es bei der Veresterung dieses Alkohols mit einer Carbonsäure in den Ester eingebaut wird:
10.7 Reaktionen der Alkohole
R
CH2
18 O
H
+
387
H
O
O
H
O
O
+ H
O
R1
R
CH2
O
H
O
CH2
18 O
S
R
CH2
18 O
H
+ H218O
O S
H
R
O
R1
C
C
O
O
+ H2 O
Die Reaktionen laufen nach unterschiedlichen Reaktionsmechanismen ab, was die Unterschiede im Verbleib des Isotops 18O zum einen im Ester und zum anderen im Wassermolekül erklärt (vergleichen Sie den bei der Veresterung mit Schwefelsäure in Abschnitt 10.7.6.1 angeführten Reaktionsmechanismus mit dem im Abschnitt 15.4.2.1 aufgezeigten Reaktionsmechanismus der Veresterung primärer Alkohole mit Carbonsäuren). 10.7.6.1 Veresterung mit Schwefelsäure
Läßt man einen primären Alkohol mit einem Überschuß an konz. Schwefelsäure bei 0°C reagieren, erhält man das entsprechende Alkylhydrogensulfat (Schwefelsäuremonoalkylester, Monoalkylsulfat). Mit Methanol entsteht z.B. das Methylhydrogensulfat: 0 °C
OH + H2SO4
H3C
H3C
O
SO3H
+ H2O
Die Natriumsalze von Monoalkylsulfaten mit 10 bis 18 Kohlenstoffatomen in der Kette werden als Tenside verwendet. Sie werden durch Umsetzung der Alkohole mit Chlorsulfonsäure und anschließender Neutralisation erhalten. Cl R
O
H +
O S
HO
O
- HCl
Chlorsulfonsäure
R
O
SO3H
NaOH
Monoalkylsulfat (Alkylhydrogensulfat)
R
O
SO3 Na
Natriummonoalkylsulfat
Methylhydrogensulfat zerfällt beim Erhitzen im Vakuum zu Dimethylsulfat und Schwefelsäure. Das Dimethylsulfat kann aus dem Reaktionsgemisch im Vakuum abdestilliert werden. 2 CH3O
SO3H
Methylhydrogensulfat
Erhitzen im Vakuum
(CH3O)2SO2
+
H2SO4
Dimethylsulfat
Technisch wird Dimethylsulfat aus Dimethylether und Schwefeltrioxid hergestellt.
388
10 Alkohole +
(CH3)2O
(CH3O)2SO2
SO3
Das Dimethylsulfat (Schwefelsäuredimethylester) ist eine farblose, mit Wasser nicht mischbare, giftige Flüssigkeit, die eingeatmet Verätzungen der Atmungsorgane hervorruft, und auch in die Haut eindringen kann. Man schützt sich mit einer Gasmaske, benetzte Hautstellen reibt man mit verd. Salmiakgeist ein. In der Synthese wird Dimethylsulfat als Methylierungsmittel verwendet, z.B. bei der Methylierung von Aminoverbindungen. Die zu methylierende Verbindung wird in schwach soda-alkalischer Lösung mit Dimethylsulfat vermischt und durch weiteren Sodazusatz dauernd alkalisch gehalten. Bei der Veresterung primärer Alkohole mit Schwefelsäure wird der Alkohol zunächst protoniert, worauf das Hydrogensulfation HSO4– als Nucleophil die Hydroxoniumgruppe H2O+ ersetzt (SN2 -Mechanismus): R O
H
O
+
S O
O
O
R
H
H
C
H
R
S
O O
H
H
O O
H
H
C
O
C
S H
H
O
O O
H O
H + H O 2
H
Bei 0°C erhält man das Monoalkylhydrogensulfat als Hauptprodukt. Mit zunehmender Reaktionstemperatur entstehen Dialkylether (siehe Abschnitt 10.7.2) und Alkene (siehe Abschnitt 3.6.1.3) als weitere Produkte. Läßt man z.B. Ethanol mit konz. Schwefelsäure reagieren, erhält man bei 140°C Diethylether und bei 170°C Ethen als Hauptprodukte. 10.7.6.2 Veresterung mit Salpetersäure
Salpetersäureester (Alkylnitrate) entstehen durch Einwirkung von konz. Salpetersäure auf Alkohole in der Kälte. R
CH2
O
H
+
HNO3
R
Salpetersäure
CH2
O
NO2
+ H2O
Alkylnitrat
Der Alkohol wird zum Teil in einer Nebenreaktion oxidiert, wobei die Salpetersäure zu salpetriger Säure reduziert wird. Diese kann eine explosionsartige Weiteroxidation katalysieren. Um dies zu verhindern, setzt man Harnstoff zu, der sich mit der salpetrigen Säure umsetzt: NH2 O
+
C
2 HNO2
H
3 H2O
+ 2 N2
+ CO2
NH2
Harnstoff
salpetrige Säure
Das Nitroglycerin (Glycerintrinitrat, 1,2,3-Propantrioltrinitrat) wird auf die Weise synthetisiert, daß man Glycerin sukzessive in kleinen Mengen in eine Mischsäure, bestehend aus konz. Salpetersäure und konz. Schwefelsäure (1:1 w/w), die 5–7% Schwefeltrioxid enthält, zugibt, und darauf achtet, daß die Reaktionstemperatur 25°C nicht überschreitet.
10.7 Reaktionen der Alkohole CH2
CH
CH2
OH
OH
OH
+ 3 HNO3
389 H2SO4, SO3, bis 25 °C
CH2
CH
CH2 + 3 H2O
ONO2 ONO2 ONO2
Glycerin
Glycerintrinitrat 1
Das Glycerintrinitrat , das in der Regel als Nitroglycerin bezeichnet wird, ist eine ölige, geruchlose schwach gelbliche Flüssigkeit. Es ist hochexplosiv, explodiert beim Erhitzen, bei Erschütterung, Schlag oder Stoß unter Bildung gasförmiger Produkte: 2 CH2
CH
CH2
6 CO2 + 5 H2O + 3 N2 + 1/2 O2
ONO2 ONO2 ONO2
Die Bezeichnung Nitroglycerin, welche sich eingebürgert hat und durchweg verwendet wird, ist irreführend und eigentlich falsch, denn in einer Nitroverbindung ist der Stickstoff direkt an das Kohlenstoffatom gebunden, während es im vorliegenden Fall über ein Sauerstoffatom an den Kohlenstoff gebunden ist. Es handelt sich also um ein Trinitrat, um einen Ester, keineswegs um eine Nitroverbindung. Das Gleiche gilt für die Benennung der Nitrocellulose (siehe Abschnitt 21.8.1.4), bei der es sich ebenfalls um einen Ester und keineswegs um eine Nitroverbindung handelt. Wegen der gefährlichen Handhabung des Nitroglycerins wird dieses nur in Spezialfällen rein eingesetzt. 75 % Nitroglycerin, 24,5 % ausgeglühter Kieselgur (eine Diatomeenerde) mit 0,5 % Soda können zu einem handhabungssicheren Sprengstoff vermengt werden, der als Dynamit bezeichnet wird. Kieselgur ist ein poröser Feststoff, der das Nitroglycerin aufsaugt. Er dient nur als volumen- und gewichtsvergrößernder Ballast. Die Nitrocellulose wird auf die Weise hergestellt, daß die Hydroxygruppen der Cellulose mit Salpetersäure verestert werden. Dazu wird die Cellulose für einige Minuten in Nitriersäure belassen, bestehend aus 1 Teil konz. Salpetersäure und 2–3 Teilen konz. Schwefelsäure. Dann wird das Reaktionsprodukt mit sodahaltigem Wasser ausgekocht. Bei Herstellung kleiner Mengen genügt es, die Nitrocellulose zum Entfernen der Säuren in fließendem Wasser gut auszuwaschen und sie dann zu trocknen. Die Nitrocellulose, die auch als „Schießbaumwolle“ bezeichnet wird, bildet eine weiße, faserige Masse, die beim Entzünden augenblicklich ohne Rauchentwicklung verbrennt. Man kann sie in Ethanol/Ether (1:2 v/v) lösen und bekommt ein gelatineartiges, verformbares Produkt, das zu Plättchen geschnitten als rauchschwaches Schießpulver in Patronen von Handfeuerwaffen gefüllt wird. 10.7.6.3 Ester der Phosphorsäure
Alkohole reagieren mit Phosphorpentoxid P2O5, wobei Monoalkyl-, Dialkyl- und Trialkylphosphate entstehen, z.B.:
1
Glycerintrinitrat wirkt auch gefäßerweiternd und findet in 1%iger ethanolischer Lösung als Medikament bei angina pectoris Verwendung. Bei angina pectoris handelt es sich um eine Verengung der Herzkranzgefäße, die eine ungenügende Sauerstoffzufuhr des Herzmuskels zur Folge hat. Infolge mangelnder Durchblutung kann ein Herzinfarkt eintreten.
390
10 Alkohole C2H5O
3 C2H5O
C2H5O
O
H + P2O5
P
P
+
HO OH Monoethylphosphat
C2H5O OH Diethylphosphat C2H5O
3 C2H5O
H
+ P2O5
H3PO4
O
O P
+
C2H5O OC2H5 Triethylphosphat
Zu den Phosphorsäureestern zählen wichtige Naturstoffe. Dazu gehören z.B. Phosphorsäureester des Glycerins, die Phosphatide. Sie sind in die Gruppe der Lipide, zu denen Fette und fettähnliche Verbindungen gehören, einzureihen. In den Phosphatiden ist das Glycerin mit zwei längerkettigen Carbonsäuren (Fettsäuren) und mit Phosphorsäure verestert. Die Phosphorsäure ist außerdem noch mit einem weiteren Alkohol verestert. Handelt es sich bei diesem Alkohol um Ethanolamin, heißt das Phosphatid Kefalin, ist die Phosphorsäure mit Cholin verestert, heißt die Verbindung Lecithin. hydrophobe Ketten O 1
C
O
CH2
R1
C
O
CH
R
O
H2C
HO
CH2CH2
NH2 = Ethanolamin
HO
CH2CH2
N(CH3)3HO
= Cholin
Das Phosphatid mit dem Rest O O
X
P
O
O
X
=
CH2CH2
NH3 ist das Kefalin
Das Phosphatid mit dem Rest X
=
CH2CH2
N(CH3)3 ist das Lecithin
Phosphatid hydrophile Gruppe
Phosphatide sind wichtige Komponenten biologischer Membranen. Die Phosphatidmoleküle, die diese Membran bilden, orientieren sich so zueinander, daß die langen hydrophilen aliphatischen Ketten der Fettsäurekomponenten R1 und R2 im Molekül des Phosphoglyceridesters parallel angeordnet sind und der mit Ethanolamin oder Cholin veresterte Phosphorsäurerest sich als hydrophile Gruppe zur wäßrigen Phase hin orientiert. Indem sich die so gebildete Schicht mit ihren Kettenenden an die Kettenenden einer anderen Schicht ankoppelt, entsteht eine Phosphatid-Doppelschicht, die die Grenzschicht zwischen zwei wäßrigen Lösungen bilden kann (siehe Bild 10.5). Einige Phosphorsäure- und Thiophosphorsäureester sind wirksame Insektizide. Ihre Wirkung beruht auf der Phosphorylierung und Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase. Zu den wirksamsten Insektiziden gehören das E 605 (Folidol, Parathion) und das Systox. Sie sind auch für Warmblüter toxisch.
10.7 Reaktionen der Alkohole
391
Wasser
hydrophobe Kohlenstoffkette
hydrophile Gruppe
Wasser Bild 10.5 Phosphatid-Doppelschicht
O S
P
CH2CH3 O
O
CH2CH3
S
NO2
O
P
O O
E 605 (Diethyl-p-nitrophenylthiophosphat)
CH2CH3 CH2CH3 CH2CH2
S
CH2CH3
Systox (Diethyl-2- (ethylmercapto)-ethylthiophosphat)
10.7.6.4 Borsäureester
Borsäureester entstehen bei der Reaktion von Alkoholen mit Borsäure oder Bortrioxid, mit einem Tropfen konz. Schwefelsäure als Katalysator. 6 R
OH
+
B2 O 3
H
2 B(O
R)3
+
3 H2O
Bei Erhitzen von B2O3 mit Methanol bildet sich der flüchtige Borsäuretrimethylester, der mit grüner Flamme brennt. Borsäure reagiert mit cyclischen cis-1,2-Glykolen, wobei ein Komplex entsteht, der den elektrischen Strom besser leitet als Borsäure selbst. Man benutzt diese Reaktion deshalb z.B. um festzustellen, ob bei Zuckern, die in Ringform vorliegen, benachbarte Hydroxygruppen zueinander in cis- oder trans-Stellung sind. Die Reaktion der Borsäure mit cyclischen cis-1,2-Glykolen erfolgt mit 2 Molekülen des Diols, wobei sich an der Veresterung 3 OH-Gruppen beteiligen. Der entstandene Ester stellt eine Lewis-Säure dar. Bor tritt als Akzeptor eines Elektronenpaares auf, wobei der Sauerstoff der OH-Gruppe ein Elektronenpaar zur Verfügung stellt und ein Proton abgespalten wird.
392
10 Alkohole H OH H O OH + H B OH
H O H B
H O H
O H
O
H HO H - 3 H2O
HO
HO
H H O O H B H O
+H
O
10.7.7 Oxidation von Alkoholen Primäre und sekundäre Alkohole können mit einem Oxidationsmittel, z.B. mit Chromsäure, Dichromat/Schwefelsäure, Salpetersäure, Kaliumpermanganat oder Braunstein, oxidiert werden. Primäre Alkohole werden zunächst zum Aldehyd oxidiert. Der Aldehyd ist aber selbst leicht oxidierbar, so daß die Oxidation weiter bis zur Carbonsäure erfolgt.
R
CH2
OH
O
Oxidationsmittel
R
C
Oxidationsmittel
H Aldehyd
prim. Alkohol
O R
C
OH Carbonsäure
Ist der bei der Oxidation eines primären Alkohols gebildete Aldehyd flüchtig, so kann man ihn isolieren, indem man ihn laufend aus dem Reaktionsgemisch abdestilliert (Ausbeute bis 60 % Aldehyd ). Die Weiteroxidation zur Carbonsäure wird zum Teil unterbunden, wenn man für die Oxidation des primären Alkohols als Oxidationsmittel einen Chromtrioxid-(Pyridin)2-Komplex in wasserfreiem Lösungsmittel oder tert-Butylchromat oder Braunstein in Petrolether oder CCl4 benutzt. Sekundäre Alkohole werden zu den entsprechenden Ketonen oxidiert. R1
OH C
R2
H
sek. Alkohol
Oxidationsmittel
R1 C
O
2
R
Keton
Ketone sind gegen Oxidationsmittel bei milden Reaktionsbedingungen beständig. Für manche Oxidationsreaktionen verwendet man sogar Aceton H3C–CO–CH3 als Lösungsmittel. Tertiäre Alkohole sind bei milden Reaktionsbedingungen gegen Oxidationsmittel beständig. Bei drastischen Reaktionsbedingungen (höhere Reaktionstemperatur, starkes Oxidationsmittel) erfolgt die Oxidation unter Aufspaltung der Kohlenstoffkette.
10.7 Reaktionen der Alkohole
393
Ein häufig benutztes Oxidationsmittel für die Oxidation primärer oder sekundärer Alkohole ist Natrium- oder Kaliumdichromat in saurer wäßriger Lösung. Bei dieser Oxidation greift der Alkohol als Nucleophil die Chromsäure an, und es wird der Chromsäureester gebildet. H H R1
O
O O
2
R
R
O
O
OH
OH
H
Cr
C
Cr
C R
OH
1
R2
H O
R1
O
OH
H
1
OH
O
OH
Cr
C R2
H
H O
Cr
C O
H
R2
OH
H
O
+ H2O + H
O
Chromsäureester
Im nächsten Reaktionsschritt bindet ein Wassermolekül mit einem freien Elektronenpaar des Sauerstoffs ein Proton des Esters, wobei H3O+, HCrO3– und eine Carbonylverbindung entstehen. Das Chrom wird hierbei um zwei Oxidationsstufen reduziert, der sekundäre Alkohol zum Keton oxidiert. R1
O C
2
R
H
OH VI Cr O
C
O
+
2
O
R
O
H
O
O H
H
OH IV Cr O
R1
H
H
In der Literatur findet man auch Hinweise darüber, daß das Proton im zweiten Reaktionsschritt möglicherweise über einen cyclischen Mechanismus auf das Sauerstoffatom der Säurekomponente übertragen wird: R1
O C
2
R
H
OH VI Cr O
OH IV Cr O
R1 C
O
+
2
O
R
H
O
Die vierwertige Chromverbindung ist ein starkes Oxidans, das mit noch nicht umgesetztem Alkohol reagieren kann und dabei zum dreiwertigen Chromoxid Cr2O3 reduziert wird. Eine Disproportionierung der Cr(IV)-Verbindung in eine Cr(III)- und eine Cr(VI)-Verbindung ist ebenfalls möglich.
394
10 Alkohole
10.7.7.1 Beispiel zur Aufstellung einer Redoxgleichung
Als Oxidation ist der Vorgang zu bezeichnen, bei dem eine Verbindung Elektronen abgibt, während bei einer Reduktion eine Verbindung Elektronen aufnimmt. Jede Oxidation eines Stoffes ist von der Reduktion eines anderen Stoffes begleitet. Eine Verbindung gibt Elektronen ab, und eine andere nimmt sie auf. Man bezeichnet Reaktionen dieses Typs als Redoxreaktionen. In der anorganischen Chemie geht man, um das Aufstellen einer Redoxgleichung zu erleichtern, häufig von Teilgleichungen (Halbgleichungen) aus. Gesondert wird in einer Teilgleichung der Oxidationsvorgang und in der anderen der Reduktionsvorgang festgehalten. Da es sich um Gleichungen handelt, muß gewährleistet sein, daß zunächst im linken und rechten Teil der Gleichung die gleiche Anzahl der Elektronen gegeben ist (man zieht die Elektronenbilanz), dann die Ladungen korrespondieren (man zieht die Ladungsbilanz) und schließlich auch die Anzahl der Atomäquivalente links und rechts der Gleichung gleich ist (man zieht die Stoffbilanz). Am Ende fügt man die links vom Reaktionspfeil stehenden Teile der Teilgleichungen und ebenso die rechts stehenden Teile zusammen und erhält die Redoxgleichung. Auf gleiche Weise kann man bei der Aufstellung von Redoxreaktionen mit organischen Stoffen verfahren. In der organischen Chemie stellt man bei dem von der Oxidation bzw. der Reduktion betroffenen C-Atom die Oxidationszahl vor und nach der Reaktion fest und ermittelt die Anzahl der bei der Redox-Reaktion abgegebenen oder aufgenommenen Elektronen. Die Oxidationszahl ist eine formale Zahl, die das Aufstellen von Redoxgleichungen erleichtert. Bei Ermittlung der Oxidationszahl verfährt man so, daß man die zwei Bindungselektronen vollständig dem elektronegativeren Partner zuordnet. Bei gleichen Bindungspartnern, z.B. bei der C–C-Bindung, ordnet man jedem der Partner ein Elektron zu. Als Beispiel wird im Ethanol die Ermittlung der Oxidationszahl des C-Atoms erläutert, das die OHGruppe trägt. Im Ethanol liegen an der C–C-Bindung gleiche Atome als Bindungspartner vor. Jedem C-Atom wird ein Elektron der Bindung zugeordnet. Bei den C–H-Bindungen ist der Kohlenstoff der elektronegativere Bindungspartner. Ihm ordnet man deshalb beide Elektronen der C–H-Bindung zu. Bei der C–O-Bindung ist der Sauerstoff der elektronegativere Bindungspartner. Diesem werden deshalb beide Bindungselektronen zugeordnet: H +I
H H3C
C H
O
H
H3C
C -I
-II +I OH
+I+(-II) = -I
H +I
Das Sauerstoffatom behält das Elektron, das es in die C–O-Bindung eingebracht hat, und erhält formal zusätzlich noch ein weiteres Elektron, so daß die gesamte Hydroxygruppe nun ein Elektron mehr hat und damit den formalen Überschuß einer negativen Ladung aufweist. Das elektroneutrale Kohlenstoffatom hat 4 Elektronen in seiner Außenschale. Nach Zuordnung der Elektronen zum jeweils elektronegativeren Partner hat das die Hydroxygruppe tragende C-Atom formal 5 Elektronen. Formal hat es also ein Elektron mehr und damit eine negative Ladung auf der Außenschale. Ihm wird deshalb die Oxidationszahl –1 zugesprochen.
10.7 Reaktionen der Alkohole
395
Weitere Beispiele der Ermittlung der Oxidationszahl eines C-Atoms: H3C
+I H
0 C
H3C
O -I
H3C H
Oxidationszahl 0 Isopropanol
+II C
-II O
H3C
Oxidationszahl +2 Aceton
H3C
+I C
-II O
H3C
+III C
-I O
H +I
Oxidationszahl+1 Acetaldehyd
H
-II O
Oxidationszahl +3 Essigsäure
Man stellt zunächst fest, an welchen Atomen bei der Reaktion eine Veränderung eintritt. An diesen Atomen stellt man die Oxidationszahl fest. Dann stellt man gesondert für den Oxidations- und den Reduktionsvorgang Teilgleichungen auf. Man geht dabei schrittweise vor, indem man a) ermittelt, wieviel Elektronen beim Oxidationsvorgang abgegeben und beim Reduktionsvorgang aufgenommen werden. Die Anzahl der Elektronen wird für beide Teilgleichungen in Übereinstimmung gebracht. Damit zieht man die Elektronenbilanz. b) Die Ladungen müssen auf beiden Seiten der Teilgleichungen ausgeglichen sein, wofür man auf eine Seite der Gleichung bei Bedarf H+ einsetzt, wenn die Reaktion in saurem Medium stattfindet, oder OH–, wenn die Reaktion im basischen Medium erfolgt. Damit zieht man die Ladungsbilanz. c) Links und rechts vom Reaktionspfeil muß die gleiche Anzahl der entsprechenden Atomäquivalente stehen. Berücksichtigt man dies, so zieht man die Stoffbilanz. d) Zuletzt faßt man die vom Reaktionspfeil links stehenden Teile der Halbgleichungen und die rechts vom Reaktionspfeil stehenden Teile zusammen und erhält so die vollständige Redoxgleichung. Das Aufstellen der Redoxgleichung soll anhand eines Beispiels aufgezeigt werden, wobei Isopropanol mit Dichromat zu Aceton oxidiert wird. a) Aufstellen der Elektronenbilanz: H3C 0 OH C
H3C
H3C
H3C
H -2e
Oxidationsvorgang
+II C O
+VI 2 Cr2O7 2 (+VI) = +XII
2 Cr
3
2 (+III) = +VI +6e
Reduktionsvorgang
396
10 Alkohole
Halbgleichungen des Elektronentransfers: H3C
OH
H3C
C H3C
C H
+VI 2 Cr2O7
+ 2e
O
H2C
+
6e
2 Cr
3
Der Oxidations- und Reduktionsvorgang sind gekoppelt. Es können von der einen Verbindung nur gerade so viele Elektronen aufgenommen werden, wie die andere Substanz Elektronen abgegeben hat. Um eine zahlenmäßige Gleichheit der abgegebenen und aufgenommenen Elektronen sicherzustellen, muß die obere Halbgleichung mit 3 multipliziert werden (für die Reduktion von Cr2O72- zum 2 Cr3+ sind 6 Elektronen notwendig, die aus der Oxidation des Isopropanols zum Aceton erhalten werden). H3C 3
H3C
OH C
H3C
C
3
+ 6e
H3C
H
2 Cr2O7
O
+ 6e
2 Cr
3
b) Aufstellen der Ladungsbilanz: In der oberen Halbgleichung müssen auf der rechten Seite 6 negative Ladungen (6 Elektronen) durch 6 positive Ladungen in Form von 6 H+ ausgeglichen werden. In der unteren Halbgleichung stehen auf der linken Seite der Gleichung 8 negative Ladungen (6 e– und Cr2O72–) und auf der rechten Seite 6 positive Ladungen (2 Cr3+). Zum Ausgleich müssen links 14 positive Ladungen eingesetzt werden, also 14 H+. H3C
H3C
OH C
3 H3C
2 Cr2O7
C
3
O
+ 6e
+
6H
H3C
H
+ 6e
+
14 H
2 Cr
3
c ) Aufstellen der Stoffbilanz: In der vorhergehenden oberen Halbgleichung stimmt die Stoffbilanz. Im rechten Teil der unteren Gleichung fehlen 14 H und 7 O. Deshalb setzen wir dort 7 H2O ein.
10.7 Reaktionen der Alkohole H3C
397 H3C
OH C
3 H3C
C
3
2 Cr2O7
O
+ 6e
+
6H
+
7 H2O
H3C
H
+ 6e
+
2 Cr
14 H
3
d ) Zusammenfassen der beiden linken und der beiden rechten Seiten der Halbgleichungen: In der zusammengefaßten Gleichung separiert man gleiche Ausdrücke auf eine Seite der Gleichung (14 H+ auf der linken und 6 H+ auf der rechten Seite der Gleichung gibt 14 H+ – 6 H+ = 8 H+ auf der linken Seite der Gleichung) bzw. man kürzt, wenn gleiche Ausdrücke in gleicher Anzahl auf beiden Seiten der Gleichung stehen (6e– auf der linken, gegen 6e– auf der rechten Seite der Gleichung). H3C 3
OH C
H3C
+
2
Cr2O7
H3C
+ 8H
3
C
O
+
2 Cr
3
+ 7 H2O
H3C
H
Bei Verwendung von Natriumdichromat in Gegenwart von Schwefelsäure lautet die vollständige Reaktionsgleichung: H3C
OH
H3C
H3C
+ Na2Cr2O7 + 4 H2SO4
C
3
H
C
3
O + Cr2(SO4)3 + Na2SO4 + 7 H2O
H3C
10.7.7.2 Die Alcotest-Probe
Die Alcotest-Probe dient als Vorprobe, mit der bei Verkehrskontrollen und nach Unfällen bei Kraftfahrern durch Untersuchung der Atemluft vorab festgestellt werden soll, ob die Konzentration des Alkohols im Blut einen als rechtserheblich angesehenen Grenzbereich überschreitet oder nicht. Der Alkoholgehalt in der Atemluft läßt Rückschlüsse auf die Alkoholkonzentration im Blut zu, weil der im Blut enthaltene Alkohol aus den Lungenkapillaren in die Lungenbläschen gelangt und es dort zu einem Verteilungsgleichgewicht des Alkohols zwischen Blut und Alveolarluft (Alveolarluft = Luft in den Lungenbläschen) kommt. In dem zum Test benutzten Alcotest-Röhrchen befindet sich zwischen zwei Glaswattepfropfen gekörntes, mit Dichromatschwefelsäure getränktes Silicagel. Beim Test wird über das Alcotest-Röhrchen Atemluft in einen Kunststoffbeutel geblasen. Das Fassungsvermögen des Kunststoffbeutels bedingt das Volumen der eingeblasenen Luft. Enthält die Atemluft Alkoholdämpfe, werden diese durch das Dichromat im Alcotest-Röhrchen über Acetaldehyd bis zur Essigsäure oxidiert. Gleichzeitig wird das sechswertige gelbe Chrom zum grünen dreiwertigen Chrom reduziert: 3 C2H5OH + 2 K2Cr2O7 + 8 H2SO4
(gelb)
3 CH3COOH + 2 Cr2(SO4)3 + 2 K2SO4 + 11 H2O
(grün)
398
10 Alkohole
Kunststoffbeutel Mundstück
Alkoteströhrchen
Markierung Dichromatschwefelsäure Bild 10.6 Das Alcotest-Röhrchen
Liegen in der ausgeatmeten Luft Alkoholdämpfe vor, so verfärbt sich also die Reaktionszone des Alcotest-Röhrchens in Strömungsrichtung von gelb nach grün. Überschreitet die grün verfärbte Zone die Meßmarke des Alcotest-Röhrchens, deutet dies auf eine Blutalkoholkonzentration hin, die über der gesetzlich zugelassenen Norm liegt, und die untersuchte Person muß sich einer Blutentnahme unterziehen. Mit einer genaueren Methode (z.B. dem Head-Space-Verfahren der Gaschromatographie) wird dann der genaue Alkoholgehalt im Blut bestimmt. 10.7.7.3 Die oxidative Spaltung von Glykolen
Der Name „Glykol“ ist eine Sammelbezeichnung für zweiwertige Alkohole. Liegen benachbarte (lat.= vicinale) Hydroxygruppen vor, so erfolgt mit Periodsäure HIO4 oder mit Bleitetraacetat Pb(OOC–CH3)4 eine Oxidation unter Bildung von Carbonylverbindungen als Oxidationsprodukte. Cis-Diole lassen sich bereitwilliger oxidieren als trans-Diole, so daß man für beide Oxidationsreaktionen einen Reaktionsmechanismus annimmt, der über ein cyclisches Zwischenprodukt verläuft. Beide Reaktionen wurden zur Konstitutionsaufklärung mehrwertiger Alkohole oder Zucker herangezogen. Die Oxidation mit Periodsäure ist eingehend untersucht worden, sie erfolgt über die Bildung eines cyclischen Diesters der Periodsäure: R1 R2
C
OH
R3
C
OH
H
R1
R1
+ HIO4
- H2O
R2
C
O
R3
C
O
H
O
I
O O
H
R2
C
O
R3
C
O
+ HIO3
H
Die Oxidation mit Bleitetraacetat (Criegee-Spaltung) erfolgt bei Raumtemperatur in Benzol oder verd. Eisessig nach folgender Reaktionsgleichung:
10.8 Alkoholische Getränke
399 O R1
1
C
O
R
CHOH
R2
CHOH
+ Pb(O
C
CH3)4
O H
verd. CH3COOH
H R2
C
+ Pb(O
C
CH3)2
+ 2 CH3COOH
O
10.8 Alkoholische Getränke In der Bundesrepublik Deutschland ist gesetzlich festgelegt, daß der Alkohol in alkoholischen Getränken nur durch alkoholische Gärung hergestellt werden darf. Die alkoholische Gärung ist ein Prozeß, bei dem Zucker unter Einwirkung von Hefe in Ethanol und Kohlendioxid umgesetzt wird (siehe Abschnitt 21.6.7.6). C6H12O6
Hefe
2 C2H5OH
+
2 CO2
Der für den Gärungsprozeß notwendige Zucker kann auch aus stärkehaltigen Produkten gewonnen werden.
10.8.1 Bier Bier ist ein schwach alkoholisches Getränk, das aus stärkehaltigen Rohstoffen durch deren Spaltung in Zucker und nachfolgender alkoholischer Gärung hergestellt wird. Im Jahre 1516 wurde von Wilhelm IV., Herzog von Bayern, das Reinheitsgebot verordnet. Dieses besagt, daß Bier ausschließlich aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser zu brauen ist. Das Reinheitsgebot ist die älteste, noch heute in der Bundesrepublik Deutschland gültige Lebensmittelverordnung. Zur Bierbereitung wird in der Bundesrepublik ausschließlich Gerstenmalz, bei obergärigem Bier auch Weizenmalz verwendet. 10.8.1.1 Die Malzbereitung
„Hopfen und Malz, Gott erhalt's“ ist der fromme Spruch der Bierbrauer, denn beide, Hopfen und Malz, sind wichtige Rohstoffe für die Herstellung des Bieres. Malz wird vorzugsweise aus zweizeiliger, nickender Sommergerste (Hordeum distichum nutans) hergestellt. Die in der Gerste enthaltene Stärke ist als solche nicht vergärbar, sie muß zu vergärbarem Zucker abgebaut werden. Dies geschieht mit Hilfe von Enzymen, die bei der Malzbereitung beim Keimen des Gerstenkorns gebildet bzw. aktiviert werden. Der Abbau der Stärke erfolgt zum geringeren Teil schon während der Malzbereitung, hauptsächlich aber später beim Brauprozeß. Sortierung. Für die Malzbereitung wird die Gerste gereinigt und nach Größen sortiert. Körner unter 2 mm werden nicht vermälzt. Die Sortierung in Fraktionen ist nötig, weil kleine Körner schneller Wasser aufnehmen und ankeimen.
400
10 Alkohole
Die Weiche. Zum Keimen muß die Gerste einen bestimmten Wassergehalt haben. Darum wird sie in „Weichstöcke“ gebracht. Dies sind Bottiche mit Wasserzu- und -ableitungen, einem konischen Auslauf und einer Einrichtung zur Druckbelüftung. Das Weichverfahren besteht aus mehrmaligem Wechsel zwischen Wasser- und Luftweiche. Das Keimgut wird bei der Wasserweiche im Wasser belassen. Für die Luftweiche tropft das Wasser ab und das Keimgut bleibt feucht an der Luft liegen. Vielfach wird anstelle der geschilderten klassischen Luft-Wasser-Weiche die Rieselweiche benutzt, wobei ein über dem Weichbottich rotierender Berieselungsarm das Weichgut aus feinen Düsen bespritzt. Nach 1½–2 Tagen, wenn der Wassergehalt des Gerstenkorns auf 45 % gestiegen ist, wird die Weiche beendet. Das Keimen der Gerste erfolgt bei 12–20°C im Keimkasten, der einen gelochten Boden hat, durch den Luft strömt. Das Keimgut wird mit spiralförmigen Wendern gelockert, gehoben und gewendet. Der Keimprozeß ist nach 7 bis 8 Tagen beendet, wenn der Wurzelkeim die ein- bis zweifache Länge und der Blattkeim 3/4 der Kornlänge erreicht hat. Das Produkt heißt Grünmalz. Beim Keimen der Gerste werden drei wichtige Enzymgruppen gebildet: Amylasen (Amylum = Stärke), die die Stärke zu Dextrinen und bis zur Maltose abbauen können, Proteinasen, die Eiweiße in lösliche Spaltstücke und teilweise sogar bis zu Aminosäuren spalten können, und schließlich Phosphatasen, die Phosphate aus Phosphorsäureestern freisetzen können. Der Eiweißabbau setzt bereits während des Mälzens ein, wobei 45 % des Gesamteiweißes zu löslichen Spaltstücken abgebaut werden. Der Abbau der Stärke erfolgt während des Keimens nur geringfügig. Amylasen werden durch Kochen zerstört, sie vertragen aber trockene Hitze besser und verlieren deshalb beim nachfolgenden Darren ihre Wirksamkeit nicht. Das Darren. Das Grünmalz wird in 0,6–1 m Schichtdicke auf einer Horde ausgebreitet. Die Horde besteht aus einem Drahtgeflecht oder einem Blech mit gelochtem oder geschlitztem Boden. Von unten bläst ein Druckventilator warme Luft durch das aufgeschichtete Grünmalz. Dieses wird bei 40°C zunächst auf 8 % Wassergehalt getrocknet, dann wird die Temperatur der durchströmenden Luft auf 85–95°C, bei Malz für dunkle Biere sogar auf 105°C erhöht. Aus dem Grünmalz entsteht auf diese Weise das Malz. Die Keime werden in der Entkeimungsmaschine entfernt. Etwa noch anhaftende Wurzelkeime und abstehende Spelzenteile werden mit Hilfe eines Bürstensystems entfernt („poliert“). Die Absenkung des Wassergehalts durch den Darrprozeß auf 3–5 % macht das Malz haltbar. Bei den höheren Temperaturen im Darrprozeß erfolgt durch Reaktion reduzierender Zucker mit niedermolekularem Eiweiß (Maillard-Reaktion) die Bildung von Melanoidinen (Dunkelstoffen), welche das Malzaroma bedingen. Die Maillard-Reaktion erfolgt übrigens auch bei der Krustenbildung beim Brotbacken. 10.8.1.2 Die Würzebereitung Das Schroten des Malzes. Beim Schroten werden die Malzkörner bei weitgehender Schonung der Spelzen (sie werden im Läuterprozeß noch gebraucht) zerkleinert. Das Schroten erfolgt in Schrotmühlen gewöhnlich mit drei Walzenpaaren. Das erste besorgt den Vorbruch. Auf einem Siebsatz werden Spelzen, Grieße und Mehl getrennt. Die Spelzen bleiben auf dem obersten Sieb liegen und laufen in das zweite Walzenpaar ein, wo sie von Mehlkörperteilen befreit werden. Der Grieß wird dem dritten Walzenpaar zugeführt und intensiv gemahlen. Die Schrotfraktionen werden zusammengefaßt und dem Maischprozeß zugeführt.
10.8 Alkoholische Getränke
401 Braugerste
Sortierzylinder
Rauch
Futtergerste
Silo
gekeimte Gerste Darre
Wasser Heißluft
Weiche Ventilator Luft
Wasser Ventil
Staub Entkeimung
Luft Kühler
zur Entstaubung Brauerei
Heizung
Malzkeime
Keimkasten
Wasser
Malz
Bild 10.7 Die Malzbereitung
a) Das Maischen
Im Maischprozeß werden Malzbestandteile in Wasser gelöst. Unlösliche Bestandteile werden durch Enzymwirkung in lösliche Spaltprodukte überführt. Die Malzstärke wird in diesem Prozeß durch Enzyme (α- und β-Amylase) in vergärbare Zucker gespalten. Der wichtigste Bestandteil des Malzes ist für den Brauprozeß die Stärke, die ein Makromolekül ist, das aus Glucoseeinheiten (α-glycosidisch verknüpft, siehe Abschnitt 21.3.4.1 und 21.8.1.1) aufgebaut ist. Die Stärke setzt sich zusammen aus der Amylose, deren Glucosebausteine eine unverzweigte Kette bilden, und dem Amylopektin, in dem die Glucosebausteine auch als Seitenketten angeordnet sind. Die Amylose wird im Wasser kolloidal gelöst, während das Amylopektin nur gallertartig aufquillt. Im Verlaufe des Maischprozeßes werden einige Enzyme wirksam. Bei etwa 50°C erreichen Proteasen und Phosphatasen das Optimum ihrer Wirksamkeit. Proteasen spalten Eiweiße und verhindern damit die Trübung des Bieres durch Ausflocken von höhermolekularen Eiweißen. Die Phosphatasen spalten Phosphorester, wodurch die Konzentration an Phosphaten in der Würze stark zunimmt. Dies beeinflußt den pH-Wert der Würze und ist für den später stattfindenden Gärungsprozeß wichtig, da bei der alkoholischen Gärung Phosphorylierungen eine bedeutsame Rolle spielen. Die für den Maischprozeß wichtigsten Enzyme sind die stärkespaltenden Enzyme, die Amylasen.
402
10 Alkohole Dextrin
Maltose CH2OH O O
HO
CH2OH O O
CH2OH O O
β-Amylase
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH CH2OH O O O CH2OH CH2OH O O O O
O CH2OH O O
CH2OH O O
CH2OH O O
α-Amylase
Bild 10.8 Die hydrolytische Spaltung des Amylopektins mit α- und β-Amylase
Die α-Amylase, auch Dextrinogen- oder Endo-Amylase genannt, wird erst während des Keimprozeßes gebildet. Sie spaltet das Stärkemolekül von innen her zu größeren Bruchstücken mit 6 bis 7 Glucoseeinheiten, die als Dextrine bezeichnet werden. Der optimale Wirkungsbereich der α-Amylase liegt bei 70–75°C. Sie wird erst bei über 80°C inaktiviert. Die β-Amylase, auch saccharogene Amylase genannt, ist bereits im ruhenden Gerstenkorn vorhanden und wird beim Keimen lediglich aktiviert. Sie spaltet das Stärkemolekül vom Kettenende her, wobei Maltose als Spaltstück entsteht, ein aus zwei Glucoseeinheiten bestehender vergärbarer Zucker. Die β-Amylase entfaltet ihre optimale Wirkung bei 60– 65°C, sie wird aber schon bei 70°C inaktiviert. Das Infusionsverfahren (siehe Bild 10.10) wird beim Brauen von Pils- und Exportbieren angewendet. Der Maischprozeß erfolgt in der Maischpfanne, die einen mit Heizdampf beheizbaren Mantel besitzt. Das Einmaischen erfolgt bei 53–59°C . Danach wird aufgeheizt und bei 60–65°C, einer Temperatur bei der die β-Amylase eine optimale Wirkung entfaltet, eine Rast eingelegt. Dann wird bis auf eine Temperatur von 70°C weiter aufgeheizt. Bei dieser Temperatur, bei der die α-Amylase optimal wirksam ist, wird wiederum eine Rast eingelegt, worauf die Maische noch weiter bis auf 74°C aufgeheizt wird. Nach erfolgtem Maischprozeß wird die Maische in den Läuterbottich abgepumpt. Das Verfahren mit Teilmaischen (siehe Bild 10.9). Ideal wäre ein Maischprozeß, bei dem die Malzstärke zunächst durch die α-Amylase in Dextrine aufgespalten würde, die dann von der β-Amylase von beiden Kettenenden her zur Maltose abgebaut werden könnten. Das Erwärmen der gesamten Maische auf 70°C, bei der die α-Amylase die optimale Wirksamkeit entfaltet, führt aber zur starken Schädigung der β-Amylase, so daß diese ihre Wirksamkeit verliert. Das Problem läßt sich lösen, indem man mit Teilmaischen arbeitet. Für das Brauen von Bockbieren, die eine intensivere Verzuckerung der Malzstärke erfordern, wendet man das aufwendigere, aber für die Verzuckerung wirksamere Verfahren mit Teilmaischen an. Zum Unterschied zum Infusionsverfahren, bei dem man nur die Maischpfanne einsetzt, wird für dieses Verfahren ein nicht beheizbarer Maischbottich und die mit Wasserdampf beheizbare Maischpfanne benutzt. Im Maischbottich erfolgt das Einmaischen bei 50°C. Aus ihm wird ein Teil der Maische in die Maischpfanne abgezogen. Die abgezogene Teilmaische wird auf 70–75°C erwärmt. Bei dieser Temperatur ist die α-Amylase optimal wirksam, wobei die Malzstärke in Dextrine gespalten wird. Danach wird die in der Maischpfanne befindliche Maische zur besseren Extraktion der Dextrine noch gekocht und die Kochmaische zu der im Maischbottich verbliebenen Maische, die intakte β-Amylase enthält, zurückgeführt. Die Maische im Maischbottich wird durch Rückführung der heißen Teilmaische auf die für die Wirksamkeit der β-Amylase optimale Temperatur von 60°C gebracht, so daß die Dextri-
10.8 Alkoholische Getränke
403
Malz
Anschwänzwasser
Waage Walzenpaar
Schrotmühle
Siebsätze
Läuterbottich
Aufhack- und Austreibermaschine
Dunstkamin
Spelzen Malztreber (Viehfutter)
Wasser Maische
Läutergrant Maischbottich
Rücklauf
Hopfen Pumpe
Kochmaische
Würzpfanne
Maischpfanne Heizdampf Rührer
zur WürzeAufbereitung
Bild 10.9 Die Würzebereitung mit Teilmaischen
ne zu Maltose gespalten werden können. Das Abziehen einer Teilmaische kann wiederholt werden. Nach der Anzahl der aus dem Maischbottich in die Maischpfanne gezogenen Teilmaischen unterscheidet man Ein-, Zwei- und Dreimaischverfahren. b) Das Läutern
Nach dem Maischprozeß wird die Maische in den Läuterbottich gebracht, in dem ihr flüssiger Anteil (die Würze) vom festen Anteil (dem Treber) getrennt werden. Der Bottich hat einen geschlitzten Boden, der die Funktion eines Siebs hat. Auf ihn setzt sich der hauptsächlich aus Spelzen bestehende Malztreber ab, der als Filtermaterial wirkt. Soweit sich die Spelzen noch nicht genügend abgesetzt haben, ist die Würze trüb (Trübwürze) und wird von oben wieder in den Läuterbottich zurückgeleitet. Später läuft klare Würze, die Vorderwürze, durch den Läuterboden ab. Dieser hat mehrere Anstiche, durch die die Vorderwürze in den Läutergrant gelangt, wo sie vor dem Ableiten in die Würzepfanne gesammelt wird. Nachdem die gesamte Würze abfiltriert wurde, wird auf die Treberschicht heißes Wasser gespritzt (es wird „angeschwänzt“), damit keine Würze im Treber verbleibt. Während des Filterns verdichtet sich die Treberschicht und wird undurchlässig. Der Läuterbottich ist deshalb mit einer Aufhackmaschine ausgerüstet. Sie besteht aus 2 bis 4 Armen, die um eine mittlere Achse drehbar und mit senkrecht stehenden Messern verbunden sind. Sie hacken und lockern den Treberkuchen auf. Die Aufhackmesser können um 90° gedreht werden und schie-
404
10 Alkohole
Malz
Waage
Walzenpaar Siebsätze
Würzpfanne
Hopfen
Schrotmühle Heizdampf
Dunstkamin
Anschwänzwasser
Kochmaische
Wasser
Rührer
Heizdampf
Plattenkühler
Rührer Aufhack- und Austreibermaschine
Kompressor
Whirlpool CO2 Bierfilter
zur Abfüllung
Maischpfanne
Lagertank
Kühlflüssigkeit
Läuterbottich Spelzen Malztreber
CO2Wäscher
Flotationsbecken Gärbottich
Läutergrant Pumpe
Luft Kühlflüssigkeit
Bild 10.10 Der Brauprozeß (mit Infusionsverfahren)
ben dann den ausgelaugten Treber der Austreberluke zu. Der Treber wird als Viehfutter verwendet. c) Das Würzekochen
In der Würzepfanne wird die Würze 1,5 bis 2 Stunden mit Hopfen (150–500 g / 100 L) gekocht. Der Hopfen wird heute kaum mehr in Form von ganzen Hopfendolden zugegeben, sondern entweder zerkleinert und zu Pillen (pellets) gepreßt oder in Form von Hopfenextrakt. Die Inhaltsstoffe des Hopfens (Gerbstoffe, Bitterstoffe und Hopfenöle) gelangen beim Würzekochen in die Würze und die Hopfenbitterstoffe werden isomerisiert. Die Hopfenbitterstoffe Humulon, Cohumulon und Adhumulon, bzw. deren Isomerisierungsprodukte beim Würzekochen, verleihen dem Bier den bitteren Geschmack und tragen zur Haltbarkeit des Bieres bei. Die Hopfen- und Malzgerbstoffe koagulieren höhermolekulares Eiweiß. Durch das Kochen wird die Würze sterilisiert, noch intakte Enzyme zerstört und die durch das Anschwänzen verdünnte Würze wieder auf die erforderliche Konzentration eingeengt. Der Hopfen (Humulus lupulus L.) ist eine rechtswindende Schlingpflanze, männliche und weibliche Blüten befinden sich an verschiedenen Pflanzen. Angebaut werden nur weibliche Pflanzen. Hauptanbaugebiete sind das Saazer Land (Tschech. Republik) und die Hallertau (Autobahn Nürnberg-München). Die als Hopfendolde (Zapfen wäre richtiger) bezeichnete etwa 2,5 cm große weibliche Blüte ist zapfenähnlich. Unter den Hopfenblättern befindet sich das goldgelbe Hopfenmehl, auch Lupulin genannt, das Bitterstoffe, die Öle und einen Teil der Gerbstoffe enthält. Zu den Hopfenbitterstoffen gehören das Humulon und Lupulon (Das Lupulon selbst ist nicht bitter und unlöslich, für den Brauprozeß deshalb von geringer Bedeutung, nur die aus ihm bei der Lagerung durch Luftoxidation entstandenen β-Weichharze
10.8 Alkoholische Getränke
405
sind bitter und löslich.). Die Bitterstoffe haben bakteriostatische Eigenschaften, sie wirken als Sedativum (Beruhigungsmittel) und als Diureticum (harntreibend). Die Hopfenöle sind geruchsintensiv und mehr oder weniger flüchtig. Ihr Hauptbestandteil ist das cyclische Sesquiterpen Humulen. Während des Würzekochens verflüchtigt sich ein Großteil der Hopfenöle, deshalb wird oftmals nachgehopft, das heißt gegen Ende des Kochens wird nochmals etwas Hopfen zugegeben. CH3
H3C
O
OH
H3C C
CH2
C
CH
CH3
O
CH3
OH 1
R
H3C
R2
CH2CH
C CH3
CH3
Humulen
Hopfenbitterstoffe Cohumulen: Humulon (α-Säure): Adhumulon: Lupulon (β-Säure):
1
R = –OH, R2 = –CH(CH3)2 R1 = –OH, R2 = –CH2CH(CH3)2 R1 = –OH, R2 = –CH(CH3)(C2H5) R1 = – CH2CH=C(CH3)2, R2 = –CH2CH(CH3)2
10.8.1.3 Die Nachbereitung der Würze Das Abtrennen des Hopfentrebers und des Heißtrubs. Erfolgte das Hopfen der Würze mit ganzen Hopfendolden, muß der Hopfentreber (ausgelaugter Hopfen) mit Hopfenseparatoren abgetrennt werden. Dies sind schräge Siebe, die den Hopfentreber zurückhalten, die Würze aber abtropfen lassen. In der Hopfenpresse wird die noch im Hopfentreber enthaltene Würze ausgepreßt. Die Hopfenseparatoren und die Hopfenpresse entfallen, wenn man den Hopfen bei der Würzebereitung, wie heute üblich, in Form von Pellets oder Hopfenextrakt zugegeben hat. In der Würze befindet sich der Heißtrub (auch Grobtrub genannt), das sind die beim Kochen der Würze durch Koagulation ausgeschiedenen Stoffe (hauptsächlich Eiweiße). Der Heißtrub wird im Wirbelbottich (Whirlpool) abgetrennt. Dies ist ein nach unten zu konisch verengter Bottich, in den die Würze tangential einfließt. Durch die Rotationsbewegung setzen sich der Heißtrub und die Rückstände aus den Hopfenpellets in der Mitte ab, und die Würze wird über Anstiche abgezogen. Das Würzekühlen und das Abtrennen des Kühltrubs. Die Würze wird in Plattenkühlern zunächst auf 20°C, dann auf die Anstelltemperatur von 5°C abgekühlt. Bei dieser Temperatur fällt der Kühltrub (bei der niedrigen Temperatur ausgeschiedenes Eiweiß) flockig aus. Er kann in einem Flotationsbecken abgetrennt werden, das einen fein gelöcherten Boden hat, durch den Luft hindurchgepreßt wird. Der Kühltrub wird von den nach oben steigenden Luftbläschen mitgerissen und bildet eine kompakte Schaumdecke. Beim Abpumpen der Würze verbleibt sie im Bottich. Infolge des Durchgangs der Luft durch die Würze wird diese mit Sauerstoff angereichert.
406
10 Alkohole
10.8.1.4 Die Gärung, Lagerung und Bierabfüllung
Bei der Gärung werden Zucker durch die Enzyme der Hefe zu Alkohol und CO2 umgesetzt (siehe Abschnitt 10.8 und 21.6.7.6). Die Würze wird mit obergäriger oder untergäriger Hefe vergoren, je nachdem welche Biersorte gebraut wird. Untergärige Hefen, die gegen Ende der Gärung zu Boden sinken, werden für Pils und Export, obergärige Hefen, die während der Gärung nach oben steigen, werden z.B. zum Brauen von Alt, Kölsch, Berliner Weisse und Malzbier eingesetzt. Die Hauptgärung erfolgt im Gärbottich nach Zugabe der Brauhefe und dauert 7 bis 10 Tage. Mit untergäriger Hefe wird bei 5°C zur Gärung angestellt, die Temperatur steigt während der Gärung auf 7–9°C. Zur Vermeidung eines weiteren Temperaturanstiegs wird die Würze mit Kühlschlangen gekühlt. Der Gärprozeß mit obergäriger Hefe vollzieht sich bei 14–20°C. Die Nachgärung, die Lagerung und das Abfüllen des Bieres. Die Nachgärung schließt an die Hauptgärung an. Die Hefe aus der Hauptgärung wird abgezogen und durch eine kleine Portion neuer Hefe ersetzt. Bei einer Temperatur von 20°C erfolgt die Nachgärung. Bei der Nachgärung tritt eine Reifung und eine weitere Anreicherung des Bieres mit CO2 ein. Das Bier wird anschließend gefiltert und in Drucktanks gepumpt, die sich im Lagerkeller befinden, wo die weitere Reifung des Bieres erfolgt. Dort wird das Bier bei –2 bis +3°C 3–4 Wochen gelagert. Das Abfüllen in Fässer oder Flaschen geschieht so, daß in dem zu füllenden Gefäß vor dem Füllen der gleiche Druck erzeugt wird, unter dem auch das abzufüllende Bier steht. 10.8.1.5 Biersorten
Nach der Vergärung mit ober- bzw. untergäriger Hefe unterscheidet man ober- und untergärige Biere und nach der Stammwürze Einfach- (2–2,5 % Stammwürze), Schank- (7–8 %), Voll- (11–14 %) und Starkbiere (über 16 %). Der Alkoholgehalt des Bieres in % beträgt, grob geschätzt, etwa 1/3 des Stammwürzegehalts. Als Stammwürze werden die in der Bierwürze (vor der Gärung) befindlichen nicht flüchtigen Anteile bezeichnet (z.B. Dextrine, Maltose, Eiweiße und Hopfenbitterstoffe). Pils ist ein untergäriges, stark gehopftes, helles Vollbier (ca. 4,5 % Alkohol). Export ist ein helles oder dunkles untergäriges Vollbier, relativ schwach gehopft (ca. 5 % Alkohol). Bockbier ist ein unter- oder obergäriges, helles oder dunkles Starkbier (ca. 6 % Alkohol). Alt ist ein obergäriges, stark gehopftes dunkles Vollbier. Kölsch ist ein obergäriges, stark gehopftes helles Vollbier. Weizenbier ist ein helles obergäriges Voll- oder Starkbier, CO2reich, weist manchmal durch Flaschengärung einen Hefebodensatz bzw. eine Trübung auf. Berliner Weisse ist ein CO2-reiches obergäriges helles Schankbier mit säuerlichem Geschmack durch zusätzliche Milchsäuregärung verursacht, es wird oft mit Himbeersaft genossen. Malzbier ist ein obergäriges dunkles Vollbier, schwach vergoren, es hat daher einen hohen Zuckergehalt und ist alkoholarm (1,5–2 % Alkohol). Oft wird es noch mit Couleur (durch Erhitzen gebräunter Zucker) angefärbt. Alkoholfreies Bier enthält unter 0,5 % Alkohol. Man kann es herstellen, indem man die Gärung abbricht, oder durch Fallstromvakuumdestillation, wobei das Bier als dünner Film an einer Platte herunterrieselt, und der Alkohol im Vakuum auf Grund seines im Vergleich zu Wasser niedrigeren Siedepunktes abdestilliert wird. Nach der Destillation wird CO2 unter Druck in das Bier eingeleitet. In einer Apparatur
10.8 Alkoholische Getränke
407
kann man mit der Fallstromvakuumdestillation etwa 20 hL/h Bier erzeugen. Eine weitere Methode ist die Umkehrosmose mit semipermeablen Membranen.
10.8.2 Weine Nach dem 1969 erlassenen Weingesetz ist Wein das aus dem Saft frischer Weintrauben hergestellte Getränk, das durch alkoholische Gärung mindestens 55 g Alkohol im Liter enthält und dessen Kohlensäuredruck bei 20°C 2,5 bar nicht übersteigt. Weißweine werden aus hellen Traubensorten z.B. aus Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau (benannt nach Professor Müller aus Thurgau), Traminer und Morio-Muskat hergestellt. Zur Herstellung von Rotweinen werden rote bzw. blaue Traubensorten vergoren, z.B. der blaue Spätburgunder (Pinot noir), Trollinger und Bordeaux-Reben. Weine haben einen Alkoholgehalt von 6–12 %, bei südländischen Weinen ist der Alkoholgehalt höher z.B. Malaga 10–14 %, Samos 11–15 % und Sherry 12–19 %. Die Weinlese. Als Weinlese wird das Ernten der Weintrauben bezeichnet. Diese werden mit der Traubenschere vom Stock geschnitten, in Plastikwannen gesammelt und mit dem Traktor zur Kelter gebracht. Die Kelterung. Unter Kelterung versteht man das Zerquetschen und Auspressen der Weinbeeren. Das Wort Kelter kommt vom lateinischen calcare = treten, denn im Mittelalter wurden die Trauben mit den Füßen zerstampft. Heute erfolgt das Zerquetschen der Trauben in Traubenmühlen, wodurch die Zellen zerreißen, so daß der Saft leichter austreten kann. Die erhaltene Maische wird mit Horizontalspindelpressen ausgepreßt. Der abfließende süße Traubensaft wird als Most, die festen Preßrückstände als Treber oder Trester bezeichnet. Der Treber wird als Viehfutter verwendet. Im Unterschied zum Weißwein, bei dem der Treber vor dem Gärprozeß vom Most abgetrennt wird (um das Lösen von Gerbstoffen aus dem Treber zu verhindern), wird er im Rotwein zunächst im Most belassen, damit der rote Farbstoff der Schalen vom im Gärungsprozeß entstandenen Alkohol gelöst werden kann. Werden die Schalen der roten Trauben frühzeitig entfernt, entsteht der Rosé-Wein. Die Mostbehandlung. Mit Trubschleudern (Zentrifugen) oder mit Hilfe von Kieselgurfiltration wird der Most entschleimt und zur Haltbarkeitserhöhung geschwefelt. Dies geschieht entweder mit SO2 oder durch Zugabe von Kaliumpyrosulfit K2S2O5. Zur Entfernung unliebsamer Geruchs- und Geschmackstoffe kann der Most gegebenenfalls mit Aktivkohle behandelt werden. Die Weingärung. Die Gärung kann durch die an der Beerenoberfläche haftenden Hefen erfolgen. Es werden aber zumeist Reinhefen zugegeben, die hohe Alkoholausbeuten sichern, gegen SO2 unempfindlich sind und den Wein geschmacklich verbessern. Durch Zugabe relativ großer Ansätze edler Hefen zum Most werden schädliche Pilze und Hefen (z.B. Apiculatushefen und Kahnpilze) verdrängt. Die Gärtemperatur wird bei Weißwein auf 12–14°C, bei Rotwein auf 17–25°C gehalten. Die Hauptgärung läuft in 5–8 Tagen ab. Die Nachgärung erfolgt im Weinkeller in Fässern, wo er bei 9°C einige Wochen bis einige Monate gelagert wird. Bei der Lagerung entwickeln sich Aromastoffe (als „Bukett“ oder „Blume“ des Weines bekannt), die Hefe setzt sich und Weinstein wird abgeschieden. Weinstein ist das saure Kali-
408
10 Alkohole
salz der L-Weinsäure, das Kalium-(L)-hydrogentartrat (L-Weinsäure siehe Abschnitt 8.7.1 und 15.7.1.6). Güteklassen der Weine
Seit 1971 muß in der Bundesrepublik Deutschland auf jeder Weinflasche die Güteklasse ausgewiesen sein. Grundsätzlich wird der Wein im Drei-Güteklassen-System eingestuft: Tafelwein, Qualitätswein und Qualitätswein mit Prädikat. Tafelwein ist ein leichter Wein, der gesetzlich festgelegte Mindestvoraussetzungen erfüllen muß. Qualitätswein hat eine amtliche Prüfnummer, er stammt aus einem bestimmten Anbaugebiet.
An Qualitätsweine mit Prädikat werden höchste Ansprüche gestellt, die Trauben dürfen nur aus einem eng begrenzten Bereich stammen. Folgende Prädikate werden vergeben: Kabinett
– die Weinlese darf nicht vor der Hauptlesezeit begonnen werden, er muß ein Ausgangsmostgewicht von 70 Grad Öchsle aufweisen. Die Öchslegrade beziehen sich auf die Dichte des Mosts und geben somit auch Aufschluß über seinen Zuckergehalt.
Spätlese
– die Trauben müssen voll reif sein, sie werden später als üblich geerntet, oft erst im November.
Auslese
– vollreife Trauben werden ausgelesen und gesondert gekeltert.
Beerenauslese
– es werden besonders gut gereifte und edelfaule Beeren gekeltert.
Trockenbeerenauslese – nur edelfaule, eingeschrumpfte Beeren werden verwendet. Eiswein
– wird aus gefrorenen Beeren hergestellt.
Im allgemeinen werden Weine mit wenig Restzucker als „trocken“ oder „halbtrocken“, solche mit höherem Zuckergehalt als „lieblich“ bezeichnet. Obst- und Beerenweine
Aus dem ausgepreßten Saft verschiedener Obstsorten oder Beeren (z.B. Äpfel, Birnen, Johannisbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren) kann man Obst- und Beerenweine mit oder ohne Zusatz von Reinhefen und Wasser durch Vergärung des Mosts herstellen. Bei Obstweinen ist die günstigste Gärtemperatur 12–15°C, bei Beerenweinen, die mit Reinzuchthefe vergärt werden, 15–25°C. Es empfiehlt sich die Zugabe von Kaliumpyrosulfit (0,1 g/L) und für das Wachstum der Hefe einen kleinen Zusatz von Ammoniumphosphat. Zur Herstellung von Johannisbeerwein z.B. wird 1 L Saft nach Zugabe von 1,5 L Wasser und 330 g Zucker mit Portweinhefe vergoren. Sekt
Sekt (Schaumwein) wird aus Jungwein unter Zugabe von 24–26 g/L Zucker und Reinzuchthefe hergestellt. Die Gärung erfolgt bei 15–18°C, die Lagerung bei 8–10°C. Die Gärung kann mehrere Monate dauern, die Lagerung 3–5 Jahre. Der CO2-Druck steigt auf 4–5 bar. Nur Sekt aus dem Gebiet der Champagne darf als Champagner bezeichnet werden.
10.8 Alkoholische Getränke
409
10.8.3 Alkoholdestillate Bei der alkoholischen Gärung erhält man Getränke mit höchstens 20 % Alkoholgehalt. Will man höher konzentrierte alkoholische Getränke herstellen, muß man die durch Vergärung erhaltenen alkoholhaltigen Flüssigkeiten noch destillieren. Der Vorlauf (etwa 10 % des Destillats) enthält Methanol und wird verworfen. Die höhersiedenden Fuselöle werden zum Destillationsende als Nachlauf abgetrennt. Weinbrand wird durch Destillation von Wein in mit Dampf beheizten Blasenapparaturen gewonnen. Billigere Weinbrandsorten werden 1–5 Jahre, Spitzenweinbrand wird 20 und mehr Jahre in Eichenfässern gelagert. Aus dem Eichenholz der Fässer werden Stoffe ausgelaugt, die zum Geschmack des Weinbrands beitragen (z.B. Flavanole, Gerbsäure, Vanillin). Das Eichenholz gewährt außerdem eine Transparenz für Luft, so daß auch Oxidationsprozeße bei der Lagerung stattfinden können. Nach der Lagerung wird der Weinbrand mit Wasser auf Trinkstärke verdünnt. Weinbrand muß mindestens 38 Vol% Alkohol haben. Nur Weinbrand aus der Region Cognac darf die Bezeichnung Cognac führen. Whisky ist ein Kornbranntwein aus Gerstenmalz und/oder ungemälztem Getreide. Guter Whisky soll mehrere Jahre in alten Eichenfässern lagern. Wodka ist ein Kornbranntwein, billige Sorten sind Kartoffelbranntweine. Gin, Genever, Steinhäger sind Branntweine, die durch Destillation von vergorenem Malz und Roggen unter Zusatz von Wacholderbeeren (zur Aromatisierung) hergestellt wurden. Calvados ist ein Apfelbranntwein. Sliwowitz ein Zwetschenbranntwein.
Als Obstler werden in Österreich Obstbranntweine bezeichnet. Rum ist das Destillat aus vergorener Zuckerrohrmelasse, vergorenem Zuckerrohrsirup oder vergorenem Zuckerrohrsaft. Liköre sind stark zuckerhaltige alkoholische Getränke mit 20–60 % Alkoholgehalt, die Fruchtsäfte, Gewürzeextrakte, Kräuterauszüge, Essenzen oder andere Aromastoffe enthalten. Zu den Likören zählen z.B. Früchte-, Beeren- und Kräuterliköre, Kaffee-, Schokoladen- und Eierlikör.
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Übungsaufgaben
Übungsaufgaben ? 10.1 Schreiben Sie die Strukturformeln folgender Verbindungen auf: a) Isopropylalkohol b) sek.-Butanol c) tert.-Butanol d) Neopentylalkohol e) Benzylalkohol f) Allylalkohol g) Ethylenglykol h) Glycerin
? 10.2
Welcher von diesen Alkoholen ist ein primärer, ein sekundärer oder ein tertiärer Alkohol? CH3
CH2OH H 3C
CH3CHCH3 OH
a)
C
CH3
OH
b)
c)
? 10.3 Geben Sie die Wertigkeit folgender Alkohole an: a) Ethylalkohol b) Ethylenglykol c) Glycerin
? 10.4
Vervollständigen Sie die Reaktionsgleichung und benennen Sie das Produkt. H , 60°C
CH3CH2OH + CH3CH2COOH
? 10.5 (2S)-2-Brom-2-phenylbutan wird in einer SN1-Reaktion mit verdünnter Natronlauge umgesetzt. Schreiben Sie die Reaktionsgleichung auf und zeichnen Sie die chemischen Formeln in der stereochemisch richtigen Form. Welche Konkurrenzreaktion zur SN1-Reaktion kann man erwarten?
? 10.6 Ethanol wird mit Schwefelsäure a) bei 0°C, b) bei 130°C und c) bei 180°C umgesetzt. Schreiben Sie die Reaktionsmechanismen bei jeder der drei chemischen Reaktionen auf.
? 10.7 Wie reagiert Natrium mit einem Alkohol?
? 10.8 Welche Produkte erhält man bei der Oxidation a) eines primären und b) eines sekundären Alkohols in saurer Lösung mit Kaliumdichromat?
? 10.9 Peroxybenzoesäure reagiert mit Cyclopenten und das Reaktionsgemisch wird danach unter Erwärmen mit einigen Tropfen Mineralsäure versetzt und erwärmt. Schreiben Sie die Reaktionsgleichungen dieser Reaktionen auf und benennen Sie die Endprodukte.
Lösungen
411
Lösungen ! 10.1 Nachfolgend die Strukturformeln und Namen der gefragten Alkohole: CH3 CH3CH2CHCH3
CH3CHCH3 OH
c) tert.-Butanol
CH2OH
CH3
CH2OH H 2C
CH2OH
d) Neopentylalkohol H 2C
CH3
OH
b) sek.-Butanol
CH3 C
C
OH
a) Isopropylalkohol
H3C
H 3C
CH2
OH OH
g) Ethylenglykol
e) Benzylalkohol H 2C
H C
C
H
f) Allylalkohol
CH2
OH OH OH
h) Glycerin
! 10.2 Im primären Alkohol bindet das C-Atom, das die Hydroxygruppe trägt einen einzigen Alkylrest, im sekundären Alkohol sind es zwei und im tertiären Alkohol drei Alkylreste. Anstelle der Alkyl- können es auch Arylreste sein. CH3
CH2OH H 3C
CH3CHCH3 OH
a) sekundärer Alkohol
C
CH3
OH
b) primärer Alkohol
c) tertiärer Alkohol
! 10.3 Die Wertigkeit der Alkohole wird durch die Anzahl der Hydroxygruppen bestimmt. H 2C CH3CH2OH
a) einwertiger Alkohol
OH
CH2 OH
b) zweiwertiger Alkohol
H 2C OH
H C
CH2
OH
OH
c) dreiwertiger Alkohol
412
Lösungen
! 10.4 Es handelt sich bei der säurekatalysierten Reaktion des Alkohols mit der Carbonsäure um eine Veresterung. Ethanol reagiert mit der Propionsäure bei saurer Katalyse zum Ethylpropionat (Ethylpropanat): H , 60°C CH3CH2OH + CH3CH2COOH
CH3CH2COOCH2CH3 + H2O
Den Reaktionsmechanismus der säurekatalysierten Veresterung finden sie in Kapitel 15.4.2.1
! 10.5 Bei der Reaktion des (2S)-2-Brom-2-Phenylbutan mit verdünnter Natronlauge nach dem SN1-Reaktionsmechanismus entstehen zwei enantiomere Alkohole, das Produkt bildet ein Racemat: Br
CH3 CH2CH3
CH3 CH2CH3
2
CH2CH3
OH
CH3 OH +
+ 2 NaOH
(2S)-2-Phenylbutanol-2
2 NaBr
(2R)-2-Phenylbutanol-2
Die SN1-Reaktion steht außerdem mit der E1-Reaktion in Konkurrenz, so dass noch das entsprechende Eliminierungsprodukt, das 2-Phenylbuten-2, als Nebenprodukt erwartet werden kann, bei höherer Reaktionstemperatur kann es sogar das Hauptprodukt bilden.
! 10.6 a) Die Reaktion des Ethanols mit Schwefelsäure bei 0°C erfolgt nach einem SN2-Mechanismus. Der Alkohol wird zunächst protoniert, worauf das Hydrogensulfation als Nucleophil über einen Übergangszustand die Hydroxoniumgruppe ersetzt, das Reaktionsprodukt ist das Ethylhydrogensulfat: H H
H
CH3 O
C
H H
O
CH3
CH3
H
SO3H
C
H H
O
H
H
O
δ+
H
H
C
δ+
H O
H
H – H 2O H3CH2C
SO3H
SO3H O
SO3H
O
+H
CH2CH3
Lösungen
413
b) Die Reaktion des Ethanols mit Schwefelsäure bei 130°C erfolgt ebenfalls nach einem SN2-Mechanismus, nur dass bei dieser Reaktion ein nicht protoniertes Alkoholmolekül als Nucleophil die Hydroxoniumgruppe ersetzt, das Reaktionsprodukt ist der Diethylether: H H
O
C
H
H
CH3 H
CH3
O
H O
CH2CH3
C
H
H
O
CH3 δ+
C
H
H
O
CH2CH3
H H
H
– H 2O
H
δ+
H
H 3C C
O
O
CH2CH3
H3CH2C
CH2CH3
+ H
H H
c) Die Reaktion des Ethanols bei 180°C erfolgt nach dem E2-Mechanismus, die Reaktionsprodukte sind Ethen, Schwefelsäure und Wasser: H
H H
O
H C
H
H C
C H
H
H
H
O-SO3H
+ H 2O
O
H
H
H
C H
C H
O-SO3H
H
C
H H
+ H2SO4
! 10.7 Natrium reagiert mit Alkohol unter Freisetzung von Wasserstoff zum entsprechenden Alkoholat: 2 RCH2 OH + 2 Na
2 RCH2 O
Na + H2
! 10.8 Bei der Oxidation von primären Alkoholen mit Kaliumdichromat in saurer wässriger Lösung ist das Endprodukt die entsprechende Carbonsäure, bei der Oxidation von sekundären Alkoholen entsteht ein Keton und Tertiäre Alkohole sind bei milden Reaktionsbedingungen gegen Oxidationen weitgehend beständig.
414
Lösungen
! 10.9 Cyclopenten reagiert mit Perbenzoesäure unter Epoxidbildung: O
O C
C
+
O
OH
OH
+
OH
Im sauren Medium erfolgt eine Aufspaltung des Epoxids unter Bildung der entsprechenden trans-Glygole. Die Endprodukte sind das (1R), (2R)-Cyclopentandiol und das (1S), (2S)Cyclopentandiol. Diese Verbindungen stehen zueinander in enantiomerem Verhältnis. OH
2
O
H / H 2O
H H OH (1R,2R)-Cyclopentan-1,2-diol
H
+
OH OH H (1S,2S)-Cyclopentan-1,2-diol
Sachwortverzeichnis A Abgangsgruppe 93, 334 Abietinsäure 739 ABS siehe Alkylbenzolsulfonate Acesulfam 915 Acetal 7, 490, 652 – -bildung 490 – cyclisches 491 – -Hydrolyse 491 Acetaldehyd 457, 461 – Oligomere 504 – Synthese durch Hydratisierung von Acetylen 475 Acetamid 664 Acetanhydrid 645 Acetat 556f – -seide 825 Acetessigester 508, 611 Acetessigsäure 609 – -ethylester 508, 611 – Acylierung 612 – Alkylierung 611 – Keto-Enol-Tautomerie 611 – Reaktionen 611 – Ketospaltung 613 – Säurespaltung 613 Acetoacetyl-Coenzym A 735 Aceton 78, 458, 462 – Herstellung 462 – dicarbonsäure 606 Acetonitril 499 Acetophenon 458 Acetylcholinesterase 390 Acetyl-Coenzym A 735 – Abbau 727 Acetylen 26, 150f – Addition von HCN 165 – Dimerisierung 158 – Synthese 78, 151f – aus Calziumcarbid 152 – aus Dihalogenalkanen 152 – aus Kalkstein und Kohle 151 – aus Methan 151 Acetylide 155 Acetylidion 338
N-Acetylmuraminsäure 682 N-Acetylneuraminsäure 683 Acetylnitrat 976 Acetylsalicylsäure 425, 592 Acidität – Alkine 155 – Alkohole 377 – Carbonsäuren 570 – Phenole 422 Aconitsäure 608 Acrolein 458, 501, 586 Acrylnitril 673 Acrylsäure 162, 586 – -ester 162 Actin, F- und G- 954 Acyladenylatanhydrid 721 Acylcarnitin 727 Acylcoenzym A 721, 722, 724 Acylgruppe 217 Acylhalogenide siehe Carbonsäurehalogenide Acylierung 477, 612, 865 – Acetessigsäureethylester 612 – Alkoholen 650 – Aminen 864 – Aromaten mit Friedel-Crafts 477 – Benzol 217 – Enaminen 865 – Phenolen 421 Acylium-Ion 218 Acylnitren 671 Acyloin 663 – -Kondensation 662 Acylrest 638 Acyltransferasen 1010 Addend 99 – Addition unsymmetrischer 102 Additionen – Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren und Ester, radikalische 127 – Alkohole, radikalische 125 – Alkylhalogenide, radikalische 127 – am Benzol, radikalische 233 – Brom an Butadien 140 – Bromwasserstoff, radikalische 120 – C–C-Verknüpfungen, radikalische 125
1068 Cycloadditionen 113 der Halogene, radikalische 122 der unterchlorigen Säure 112 elektrophile 99, 106 -Eliminierungs- 572 Fluor 111 H2SO4 107 Halogene an Alkene 110 Halogenwasserstoffe an Alkene 106 Alkine 163 HCN an Acetylen 165 Markownikow-Regel 103 Mechanismen 99 mit Metallkatalysatoren 128 nucleophile 164, 479 – an α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen 501 – Salpetersäure 108 – Stickstoffoxide 123 – Thiole, radikalische 124 – radikalische 103, 120, 233 – syn- 102 – unsymmetrischer Addenden 102 Addukt 99 Adenin 241, 1009, 1037, 1049 Adenosindiphosphat 545, 955 Adenosinmonophosphat, cyclisches 1010 Adenosintriphosphat 545, 721, 955, 992, 1010 Adenosintriphosphatase 954 Adipinsäure 592, 595 ADP 545 Adrenalin 318, 822, 845, 892 Aesculin 807 Agar 826 Agaropectin 826 Agarose 826 Aglycon/Aglykon 430, 805 Aktivität, optische 277 Alanin 889, 893 Albumine 957 Alcotest-Probe 397 Aldarsäuren 791 Aldehydammoniak 493 Aldehyde 6, 456ff – Addition – Ammoniak an 493 – von C-Nucleophilen 481 – Cyanhydrinbildung 481
Sachwortverzeichnis
– – – – – – – – – – – – – – – –
– – – – – – – – – – – – – – –
– –
–
– Benzoinaddition 482 – Ethinylierung 483 – Knoevenagel-Kondensation 484 – Stobbe-Kondensation 486 – Wittig-Reaktion 487 – von N-Nucleophilen 491 – von Ammoniak 493 – von primären Aminen 492, 494 – von sekundären Aminen 492, 495 – von Hydroxylamin 492, 497 – von Hydrazin 492, 497 – von Semicarbazid 492, 498 – von O-Nucleophilen 488 – Acetale und Halbacetale 490 – Hydratbildung 488 – von Alkoholen 490 – von S-Nucleophilen 499 – von Thiolen 499 – Bisulfitaddition 500 aliphatische, Synthese 465 aromatische, Synthese 466 Autoxidation 521 C–H-Acidität 505 Disproportionierung 524 großtechnische Synthese 460 Hydratbildung 488 in der Natur 526 Keto-Enol-Tautomerie 507 Nachweisreaktionen 525 Nomenklatur 456 nucleophile Addition, säure- und basenkatalysiert 480 nucleophile Addition an α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen 501 Oligomere und Polymere 503 Oxidation 519 – Fehlingsche Probe 520 – Tollenssche Probe 519 – mit Chromsäure 521 , radikalische Addition 127 Reaktionen 478 – Aldolreaktion 509 – Halogenierung 511 – Haloformreaktion 512 – mit Bernsteinsäurediester 486 – mit Lithiumaluminiumhydrid 516 – mit Malonsäurediester 484 Reduktion – durch katalytische Hydrierung 516 – mit Metallhydriden 516
Sachwortverzeichnis – mit Natrium 516 – über Thioacetale 519 – zu Kohlenwasserstoffen 518 – Struktur und physikalische Eigenschaften 458 – Synthese 460 – aus Arylmethylhalogeniden 467 – aus Benzylhalogenid 467 – mit HCl und CO 469 – mit HCN 470 – mit N-Methylformanilid 471 – mit Phenolen und Chloroform 472 – durch Formylierung 469, 472 – durch Oxidation von Toluol mit Chromylchlorid 467 – durch Oxidation prim. Alkohole 465 – durch Reduktion von Säurechloriden 465 – durch Spaltung von Ozoniden 465 – nach Stephen 678 – Vorkommen in der Natur 526 Aldimine 8, 494 Aldite 793 Aldohexosen, Konformation 775 Aldol 509 – -reaktion 509 Aldonsäure 790 Aldosen 761, 764 Aldosteron 750 Alduronsäure 791 Alfol-Synthese 367 Alicyclen, in der Natur 734 alicyclische Verbindungen 170ff – Nomenklatur 170 – optische Isomerie 303 – Synthese mehrgliedriger 185 Alizarin 549, 1000 Alkalischmelze 66 Alkaloide 237, 1019ff – Berberin 1030 – Curare 1030 – mit Chinolin-Struktur 1026 – Chinin und Cinchonin 1026 – mit Isochinolin-Struktur 1029 – Hydrastin 1029 – Laudanosin 1029 – Narcotin 1029 – Papaverin 1029
1069 – mit Pyridin- und Piperidin-Struktur 1024 – Anabasin 1024 – Coniin 1025 – Nicotin 1024 – Piperin 1025 – mit Pyrrolidinstruktur 1019 – Morphin 1027 – Codein 1029 – Thebain 1029 – Tropan- 1021 – Tropin- 1022 Alkanale siehe Aldehyde Alkane 54 – Autoxidation 76 – Biosynthese 63 – Dichte-Werte 60 – Halogenierung 328 – höhere, Halogenierung 72 – hydrophoben Eigenschaften 62 – Löslichkeit in 62 – Nomenklatur von n- 39 – Nomenklatur verzweigter 40 – partielle Oxidation 78 – physikalische Eigenschaften 59 – polycyclische 181 – Reaktionen 68ff – Chlorierung des Methans 69 – Sulfochlorierung 74 – Sulfoxidation 75 – Schmelztemperaturen 61 – Siedetemperaturen 61 – Synthese 63ff – aus Alkalisalzen der Carbonsäuren 66 – aus Alkylhalogeniden 65 – aus Grignardverbindungen 65 – Trennung verzweigter/unverzweigter 80 – Verbrennung 79 – Vorkommen 62 Alkanole siehe Alkohole Alkanone siehe Ketone Alkanoylazid 858 Alkanoylgruppe 217 Alkanoylhalogenide 638 Alkanoylierung siehe Acylierung Alkansulfochloride 74 Alkansulfonate 630
1070 Alkansulfonsäure 75 – salze 75 Alkansulfonylchlorid 74 Alkansulfonylradikal 74 Alkene 6, 84ff – Addition von H2SO4 107 – Addition von Halogenen 110 – Addition von Halogenwasserstoffen 106 – Addition von Stickoxiden 124 – Addition von unterchloriger Säure 112 – cis/trans-Isomerie 85 – Z/E-Nomenklatur 77 – Darstellung 90 – Dihydroxylierung 115, 117, 376 – Friedel-Crafts-Reaktionen 215 – Hydroborierung 113 – katalytische Hydrierung 128 – Nomenklatur 84 – Ozonisierung 115 – Reaktionen 99ff – Cycloadditionen 113 – elektrophile Additionsreaktionen 106 – Hydrocarbonylierung 109 – Polymerisationsreaktionen 130 – radikalische Additionen 120 – saure Hydratisierung 108 Alkine – Addition von Halogenwasserstoffen 163 – Addition von HCN 165 – Cyclotetramerisierung 159 – Cyclotrimerisierung 158 – Darstellung 152 – aus Tetrahalogenalkanen 152 – durch Alkylierung von Acetyliden 153 – durch Dehydrohalogenierung 153 – endständige, oxidative Kopplungsreaktion 159 – Ethinylierung 157 – Halogenaddition 163 – Hydrocarbonylierung 162 – Hydatisierung 164 – katalytische Hydrierung 160 – Nomenklatur 150 – nucleophile Addition 164 – Oligomerisierung 158 – Oxidationsreaktionen 159
Sachwortverzeichnis – Reaktionen 153 – mit Alkinylionen als Nucleophil 156 – mit Grignard-Reagens 156 – Reduktion 160 – mit Na / NH3 160 – saure Eigenschaften 155 – Struktur 150 – Vinylierung 165 Alkinylanion 156 – als Nukleophil 156 – Alkylierung 156 Alkinyl-Grignard-Reagens 157 Alkoholate 377 Alkohole 6, 354ff – als Basen und Nucleophile 377 – aus Alkenen 369 – aus Alkylhalogeniden 368 – -Dehydrogenase 360 – Dehydratisierung 438 – destillate 409 – Einteilung 355 – großtechnische Synthese 361 – höhere 365 – Alfol-Synthese 367 – aus Alkenen durch Hydroformylierung 366 – aus Fetten/Ölen 366 – aus n-Alkanen durch Oxidation 367 – Nomenklatur 354 – Oxidation 392 – mit Kaliumdichromat 393 – primärer 465 – physikalische Eigenschaften 356 – physiologische Eigenschaften 358 – primäre 355 – radikalische Addition 125 – Reaktion mit Thionylchlorid 383 – Reaktionen 377ff – mit Salzsäure 381 – mit PCl3 und PCl5 382 – schwach saure Eigenschaften 377 – sekundäre 355 – katalytische Dehydrierung 474 – sekundäre, Oxidation 474 – Struktur 356 – Synthese 361 – Addition von Grignard-Reagens an Carbonylverbindungen 373 – Hydrolyse von Estern 369
Sachwortverzeichnis – Reduktion von Carbonylverbindungen 371 – Reduktion von Carbonylverbindungen mit Metallen 370 – Reduktion von Estern 371 – tertiäre 355 – Umsetzung zu Alkylbromiden 384 – Umsetzung zu Alkylhalogeniden 381 – Umsetzung zu Alkyliodiden 385 – Wertigkeit 355 – Veresterung mit anorg. Säuren 386 – Veresterung mit Carbonsäuren 574 – Vergiftung 358 alkoholische Gärung 362, 399, 801, 1003 alkoholische Getränke 399 Alkoholyse, Acylhalogenide/Säureanhydride 650 – Triglyceride 713 Alkoxycarbonylgruppe 7, 649 Alkoxygruppe 6 Alkydharz 600 N-Alkylbenzolsulfonamid 760 Alkylbenzolsulfonate 213, 630 N-Alkylcarbonsäureamid 557 Alkylchloride 381 Alkylfluoride 337 Alkylgruppen, Umlagerung 106 Alkylhalogenide 7 siehe auch Halogenalkane – radikalische Addition 127 – Reduktion 66 Alkylidenbernsteinsäuremonoester 486 Alkylidenmalonsäurediester 485 Alkylierungen 266 – Acetessigsäureethylester 611 – Alkinylanione 156 – Amine 851, 854, 863 – Benzol 216 – Carbonsäuresalze 651 – Enamine 865 – Nucleophil 336 Alkyliodid 337 Alkylisocyanat 672 Alkyllithiumverbindungen 332 Alkylmalonsäurediester 338 Alkylnitrate 388 Alkyloxycarbonyl-Gruppe 649 Alkylpolyglykolether 631
1071 Alkylsulfate 630 Alkylsulfogruppe 9 Alkylsulfonsäure 75 Alkylsulfonylchlorid 9 Alkylthiogruppe 9 Alkylthionogruppe 9 Allen 305 – -derivate, axiale Chiralität 305 Allose 765 allosterischer Effekt 942 Allylalkohol 355 Allylisothiocyanat 807 Allylsenföl 807 Allylverbindungen 139 Allysinaldol 951 Allysinrest 951 Altbier 406 Altrose 765 Aluminiumalizarinlack 549 Aluminiumisopropylat 517 Aluminohydrosilikate 266 Amanitin 921 ambident 140, 380, 511 Ameisensäure 556 – großtechnische Synthese 558 Amid siehe Carbonsäureamid Amidin 676 Amine 8, 841ff – Acidität 862 – acidobasische Eigenschaften 861 – Acylierung 864 – aliphatische, N-Nitrosierung 869 – Alkylierung 851, 854, 863 – aromatische, N-Nitrosierung 874 – Basizität 861 – biogene 845 – Cope-Eliminierung 867 – Darstellung im Labor 847 – aus Nitroverbindungen 847 – durch reduktive Aminierung 855 – mit Hexamethylentetramin 853 – mit Bucherer-Reaktion 853 – mit Gabrielsynthese 852 – Reduktion der Nitrile/Amide 850 – Reduktion der Oxime 849 – Reduktion von Hydroxyaminoderivaten, Nitroso-, Azo-, Azoxyund Hydrazoverbindungen 849 – Reduktion von RitterReaktionsprodukten 850
1072 – Eigenschaften, Vorkommen und Bedeutung 844 – Eliminierungsreaktionen 866 – großtechnische Synthese 846 – Hofmann-Eliminierung 866 – Nachweisreaktionen 867 – Hinsberg-Reaktion 868 – Nomenklatur 842 – Oxidation mit Peroxysäuren 862 – primäre – Addition an Aldehyde 494 – aromatische 874 – Isonitril-Reaktion als Nachweis 867 – N-Nitrosierung 761 – Reaktionen 860 – sekundäre – Addition an Aldehyde 495 – aromatische 874 – N-Nitrosierung 763 – Synthese durch Alkylierung eines N-Alkylamids 854 – Struktur 841 – Synthese – durch Alkylierung 851 – durch Reduktion von Stickstoffverbindungen 847f – durch reduktive Aminierung 855 – mit Umlagerungen 857 – Abbau von Säureamiden 858 – Benzidin-Umlagerung 859 – Curtius-Abbau 858 – Lossen-Abbau 859 – Schmidt-Abbau 858 – tertiäre – aromatische 874 – N-Nitrosierung 764 Aminoacyladenosylmonophosphat 1056 Aminoacyladenylat 1056 Aminoacyl-t-RNA 1057 – -Bindungsstelle 1059 – -Synthetase 1057 Aminoalkylierung, C–H-acide Verbindungen 863 p-Aminobenzoesäure 889 4-Aminobenzolsulfonamid 213 Aminocarbonsäuren siehe Aminosäuren Aminocarbonylgruppe 8 Aminol 493 Aminopeptidasen 962 2-Aminopyridin 240
Sachwortverzeichnis Aminosäuren 8, 888ff – Acylierung 900 – Anteile im Protein, Ermittlung 921 – Aktivierung 1055 – aliphatische 889 – amphoterer Charakter 899 – aromatische 891 – basische 890 – Chloride 930 – Cyclisierung 903 – Darstellung 893 – essentielle 892 – Ester, N-Nitrosierung 902 – heterocyclische 891 – in der Natur 892 – isoelektrischer Punkt 898 – Kupfer-Komplexe 904 – L- 284 – Methylierung der Aminogruppe 901 – mit Amidseitenketten 890 – Nachweis 489 – N-Nitrosierung 787 – Nomenklatur 888 – Oxidation, Cystein zu Cystin 904 – Reaktionen 897 – mit Ninhydrin 904 – saure 890 – Säure-Basen-Eigenschaften 897 – Sequenzbestimmung 922 – Sörensen-Titration 899 – Strecker-Synthese 895 – Struktur 892 – Synthese 893 – Erlenmeyersche Azlacton- 896 – über Malonestersynthese 894 – Umsetzung von αHalogencarbonsäuren mit Ammoniak (Strecker-Synthese) 894 – Veresterung 900 – Zwitterion 897 Aminozucker 781 Ammoniak, Addition an Aldehyde 493 Ammoniumbasen, quartäre, Eliminierung 91 Ammoniumcarbamat 688 Ammoniumcyanat 688 Ammoniumsalze, quartäre 8 Ammoniumtartrat 315 Ammoniumthioglycolatlösung 949 Ammonolyse, Carbonsäureester 655
Sachwortverzeichnis Amobarbital 986 Amphotenside 630 Amplitude 10 Amygdalin 808 Amygdalose 814 Amylalkohol 355 Amylasen 400f – α-/β- 402 Amylopektin 401, 820 Amylose 401, 818 – Iod-Einschlußverbindung 820 – -Helix 819 Anabasin 1024 Analgetica 1027 Analysator 277 Ananasessenz 649 Anästhetikum 328 Androgene 750 Androstan 743 Androstendion 526, 750 Androsteron 750 Angina pectoris 389 Anilin 205, 843, 845 – Synthese 846 Anionotropie 672 Anisol 436f Annulene 232 Anomere 771, 805 Anomerie 770 Anthelminthicum 527 Anthocyane 429f, 807 Anthocyanidin 430f Anthracen 245 Anthrachinon 9, 10, 538 Anthranilsäure 843 Antiallergicum 750 antiallergische Wirkung 318 Antibiotika auf Peptidbasis 919 Anticodon 1051 Antimalariamittel 314 anti-Markownikow-Produkt 104, 115, 120 anti-Mechanismus 117 Antioxidantien 717 antiperiplanare Konformation 58 Antipoden, optische 287 Antispasmodicum 1022 Antivergrauungsmittel 632 Anxiolytika 986 Apamin 921
1073 Apfelessenz 649 Äpfelsäure 605 – D-(+)- 283 Aphrodisiacum 1020 Apoenzym 959 äquatoriale Bindungen 176 Arabinose 765f Arachidonsäure 589 Arene 190 Arginin 890 Arndt-Eistert-Reaktion 642 Aromaten 6, 190ff – heterocyclische 237f – kondensierte polycyclische 243 – nichtbenzoide 235 – nucleophile Substitution am Pyridin 240 – polychlorierte 248 – Überblick 235 Aromatisierungen 270 – von Nahrungsmitteln 735 Aromatizität, Kriterien 233 Arterienverkalkung 705 Arteriosklerose 705 Arylimine 495 Arylketone, Synthese 477 – aus Phenolen und Nitrilen 477 – Friedel-Crafts-Reaktion 477 Arylrest 190 AS siehe Alkansulfonate Ascorbinsäure 782, 952 – Mangel 952 Asparagin 890 – -säure 890 Aspartam 915 Asphalt 257 Aspirin 425, 592 Assimilieren 992 Assoziate, bimolekulare 557 Astaxanthin-Protein 960 asymmetrische Induktion 310 asymmetrische Synthese 310 asymmetrisches Kohlenstoffatom 289 – Bildung bei chemischer Reaktion 308 ätherisches Öl 735 Atmungskette 547 – Elektronentransport 545 Atombindung 3 Atommodell, Bohrsches 59 Atomorbitale 13
1074
Sachwortverzeichnis
ATP 545, 1010 siehe Adenosintriphosphat Atrophie 1002 Atropin 1022 Atropisomerie 306 Aufheller, optische 634 Ausschlußprinzip, Paulische 11 Außer-Phase-Überlappung 16 Austausch-Nomenklatur 971 Autoabgase 247 Autoxidation 76 – Aldehyde 521 – Ether 442 – ungesättigte Triglyceride 715 Auxochrome 882 Azabenzol 239 Azepin 986 Azid-Methode 930 Azin 497 Azlacton 896 – Synthese, Erlenmeyersche 896 Azofarbstoffe 882 Azogruppe 8 Azokupplung 878 Azoverbindungen 8 – geometrische Isomere 882 Azulen 232
B backbone 906 Backfette 714 Baeyer-Reagens 119 Baeyer-Spannung 173 Baeyer-Villiger-Oxidation 523 BAK 359 Bananenbindung 172 Barbiturate 656, 985 Barbitursäure 656 Basenpaare 1040 Bashkirov-Oxidation 78 Basizität 378 Bathochromie 882 Bauchspeicheldrüse 720 Baumwollsaat 699 Beckmann-Umlagerung 667 – Carbonsäureamide aus Oximen 667 Beizenfarbstoff 549 Benennung von Verbindungen siehe Nomenklatur
Bentonit 266 Benz[a]pyren 247 Benzal- (Restgruppe) 206 Benzalchlorid 230 Benzaldehyd 190, 458 Benzidin 860 – Umlagerung 859 Benzil 483 – -säure 483 Benzimidazol 1001 Benz-in 232 Benzin 79 – Pyrolyse- 207 – Reformat- 207 Benzochinon 427 – o- 474 – o-/p- 473 – p- 474, 479 Benzoesäure 558, 590, 591 Benzoin 482 – -addition 482 Benzol 190 – Acylierungen 217 – aktivierender/desaktivierender Einfluß des Erstsubstituenten 219 – Alkanoylierungen 217 – Alkylierung 216 – mit Alkylhalogeniden 215 – Bromierung 214 – Chlorierung 214 – delokalisiertes π-Elektronensystem 192 – Derivate, Nomenklatur 204 – dirigierende Wirkung des Erstsubstituenten 221 – Elektronenbesetzung der Molekülorbitale 203 – Elektronendichteverteilung 193 – elektrophile Substitution 207 – Friedel-Crafts-Reaktionen 215 – Geometrie 193 – Gewinnung 206 – Halogenierung 214 – Kern-/Seitenketten- 230 – Iodierung 215 – katalytische Hydrierung 194 – Linearkombination der p-Orbitale 199 – MO-Modell 195 – Nitrierung 210 – Nomenklatur 204
Sachwortverzeichnis – nucleophile aromatische Substitution 231 – Oxychlorierung 214 – radikalische Addition 233 – Reaktionen 207, 224 – Resonanzenergie 194 – Resonanzhybrid 193 – SE-Reaktion 182 – Struktur 193 – Sulfonierung 212 – Valenzbindungstheorie 191 – Verwendung 206 – Zweitsubstitution – +I-Effekt des Erstsubstituenten 225 – –I-Effekt des Erstsubstituenten 225 – +M-Effekt des Erstsubstituenten 226 – –M-Effekt des Erstsubstituenten 227 Benzolsulfonsäure 213 Benzolsulfonylchlorid 868 Benzophenon 126, 458 Benzopyron 429 Benzopyrylium 429 Benzotrichlorid 230 Benzoyloxyradikal 120 Benzyl- 206 Benzylalkohol 355 Benzylchlorid 230 Benzyloxycarbonylrest 928 Berberin 1030 Berberitze 1030 Bergius-Verfahren 64 Beriberi 1002 Berliner Weisse 406 Bernsteinsäure 592, 593 – -diester 486, 658 Betaine 487, 630, 901 Betulin 740 Bienen, Peptide 921 Bienenhonig 817 Bienenwachs 729 Bier 399 – alkoholfreies 406 – Sorten 406 Bilirubin 998, 999 Biliverdin 997 Bilsenkraut 1022 Bindungen – π- 16 – σ- 16
1075 – Atom- 3 – axiale 176 – Doppel- 22 – Dreipunkt-, Modell 317 – Ionen- 2 – kovalente 3, 13 – polare kovalente 30 – Polarität der C–X-⌠- 30 Biosynthese – Alkane 63 – Cholesterol 744 – Isopentenylpyrophosphat 735 – Proteine 1055 – Ribonucleinsäuren 1053f Biotin 1002 – -Enzym 1002 Biphenyl 206, 242 – polychloriertes 249 – o-substituiertes 274 Birnenessenz 649 Bisabolen 738 Bisphenol A 396 – -Diglycidether 448 Bisphosphoglycerat, D-2,3- 947 Bisulfit-Addition/-Addukt 500 Bisulfit-Aufschluß 825 Bitumen 257 Bixin 708 Blanc-Reaktion 933 Blattgrün (Chlorophyll) 238 Blausäure 165 Bleichaktivator 632 Bleichmittel 632 Bleitetraacetat 398 Blutalkoholkonzentration 359 Blutgefäße 951 Blutgerinnung 548 Blutkörperchen, rote 942 Blutplasma 957 boat form 157 Bockbier 406 Bohrsches Atommodell 59 Boran 113 Borsäureester 78, 391 Bortrifluorid-Etherat 113 Bouveault-Blanc-Reaktion 371, 662 BPG 947 Bratfette 714 Brauprozeß 404 Brechnuß 314
1076
Sachwortverzeichnis
Brenzkatechin 416, 427 Brenzschleimsäure 446 Brenztraubensäure 608 Briefumschlag-Konformer 174 Bromaddition 111 Bromalkane 329 Brombenzol 214 Bromidion 110 Bromierung, Alkane 72 Bromoniumion 110 N-Bromsuccinimid 525 Bromwasserstoff, radikalische Addition 120 Brönstedt 378 Brucin 314, 1020 Brückenion 102, 111 Brückenkopf-Atome 182 Bucherer-Reaktion 853 Buchstabencodierung 913 Bufadienolide 752 Bufotalin 752 Bugspriet-Substituenten 178 Bukett 407 Buna 141 – -Kautschuk 142 Butadien 264 – Addition von Brom 140 – Grenzformeln 137 – Polymerisationsreaktionen 141 Butan, Konformation 58 n-Butanol 311 Buten 264 2-Butendisäure 592 2-Butensäure 586 tert-Butoxycarbonylrest, Schutzgruppe 809 Buttersäure 556 Butylalkohole, Synthese 364 – Verwendung 364 n-Butylamin 736 Butyllithium 499 tert-Butylmethylether 386 Butyraldehyd 457
C C-Säuren 657 C–C-Verknüpfungen – bei der Hydrocarbonylierung 109, 162 – bei der Mannich-Reaktion 506, 514, 863
– – – –
bei der Oxo-Synthese 464 bei Polymerisationsreaktionen 130f bei radikalischen Additionen 125f bei Reaktionen von Carbonylverbindungen und CO2 mit Grignard-Reagens 373 – durch Acyloinkondensation 662 – durch Addition von C-Nucleophilen an Carbonylverbindungen 481 – durch Aldolkondensation 509 – durch Alkylierung von β-Diketonen 508 – durch Alkylierung von β-Oxoestern 611 – durch Formylierung aromatischer Verbindungen 469 – Friedel-Crafts-Reaktion, Acylchloride mit Aromaten 477 – Friedel-Crafts-Reaktion, Halogenalkane/Alkene mit Aromaten 215 – Kolbe-Elektrolyse 67 – Kolbe-Nitrilsynthese 674 – Thorpe-Reaktion 678 – Wurtz-Fittig-Reaktion 488 – Wurtz-Synthese 65, 332 C–X-σ-Bindung, Polarität 30 Cadaverin 844 Cadinen 738 Caeruloplasmin 961 Calciferol 704, 709, 747 Calciol 747 Calcitonin 918 Calciumcarbid 152 Calvados 409 cAMP 1010 Campher 526, 737 – D-/L- 643 Cancerogenität 190, 247, 872 Candellilawachs 729 Cannizzaro-Reaktion 525 Caprinsäure 557 Caprolactam 667 Capronsäure 39, 556, 557 Caprylsäure 557 Cap-Struktur 1059 Carbaldehyd 457 Carbamate 686 Carbaminsäure 672, 686 – -ester 686
Sachwortverzeichnis Carbamoylgruppe 8 Carbanionen 337, 506 Carben, Reaktion 183 – Singulett- 183 – Triplett- 183 Carbeniumionen 94f, 100 – Stabilität tertiärer 342 Carbocyclen 170, 971 Carbohydrasen 958 Carbolsäure 417 Carbonsäureamide 8, 640, 663ff – aus Carbonsäureanhydriden 666 – aus Carbonsäurechloriden 666 – aus Carbonsäureestern durch Ammonolyse 666 – aus Oximen durch BeckmannUmlagerung 667 – durch Erhitzen von Ammoniumsalzen der Carbonsäuren 666 – durch partielle Hydrolyse von Nitrilen 666 – Dehydratisierung 671 – Hydrolyse 670 – Nomenklatur 664 – Reaktionen 669 – Hofmannscher Abbau 671 Carbonsäureanhydrid 640, 644 – Additions-Eliminierungs-Reaktionen 645 – Darstellung 640, 644 – Hydrolyse 646 – Nomenklatur 644 – Perkin-Synthese 646 – Reaktionen 646 – an α-ständigen C-Atomen 646 Carbonsäurebromid 580 Carbonsäurechloride 639f – Additions-Eliminierungsreaktionen 639 – Alkoholyse 640f – Darstellung 639 – Eliminierungsreaktionen 643 – Hydrolyse 640 – Perhydrolyse 641 – Reaktionen – mit Alkohol 640 – mit Aminen 640 – mit Ammoniak 640 – mit Carbonsäure 640 – mit Dialkylcadmium 475
1077 – mit Diazomethan 642 – mit Hydrazin 640 – mit Hydroxylamin 640 Carbonsäureester 648ff – Alkoholyse 655 – als C-Säuren 657 – Ammonolyse 655 – Bedeutung und Eigenschaften 649 – Claisen-Esterkondensation 658 – Darzens-Glycidsynthese 659 – Hydrolyse 653 – Malonestersynthese 660 – Nomenklatur 648 – Reaktionen 653 – Alkoholyse 655 – mit Hydrazin 656 – mit Hydroxylamin 656 – Verseifung 654 – Reduktion 661 – Synthese 650 – Alkylierung von Carbonsäuresalzen 651 – Umsetzung von Carbonsäuren mit Diazomethan 651 – Verseifung 654 – Vorkommen 649 Carbonsäurehalogenide 638 – Acylierung von Aromaten 217 – Nomenklatur 638 Carbonsäurehydrazide 640, 656 Carbonsäureimide, Darstellung/Reaktionen 669 Carbonsäuren 7 – α,β-ungesättigte 485, 647, 661 – Additions-Eliminierungs-Reaktionen 572 – aromatische 568, 590 – Synthese durch Oxidation der Seitenkette 568 – Bildung von Säureanhydriden 578 – bimolekulare Assoziate 557 – Decarboxylierungsreaktionen 581 – radikalische 583 – über einen cyclischen Übergangszustand 582 – von Silbersalzen mit Brom 584 – funktionelle Derivate 638ff – Halogenierung 579 – Nomenklatur 554, 638 – β-Oxidation 727
1078 – – – –
physikalische Eigenschaften 557 radikalische Addition 127 radikalische Decarboxylierungen 583 Reaktionen 568, 574 – am α-ständigen C-Atom 579 – Hell-Volhard-Zelinsky-Reaktion 579 – Salzbildung 571 – Reduktion und Oxidation 585 – saure Eigenschaften 570 – Substitutionsderivate 602 – Synthese 558 – der Ameisensäure 558 – der Essigsäure 559 – durch Carboxylierung von GrignardVerbindungen 563 – durch Hydrolyse von Nitrilen 564 – durch Oxidation von primären Alkoholen und Aldehyden 562 – durch oxidative Spaltung von Alkenen 563 – mit Malonsäure 567 – Trivialnamen 556 – Umsetzung mit Diazomethan zu Methylestern 651 – Umsetzung zu Carbonsäuramiden 577 – Umsetzung zu Carbonsäurechloriden 576 – ungesättigte 586 – Acrylsäure 586 – Methacrylsäure 587 – Ölsäure 588 – Sorbinsäure 589 – Veresterung 574 Carbonsäuresalze 571 – Alkylierung 651 Carbonylgruppe 6 – Doppelbindung 458 Carbonyloxycarbonylgruppe 7 Carbonylverbindungen siehe auch Aldehyde und Ketone – α, β-ungesättigte, nucleophile Additionen 501 – nucleophile Addition 479 – Reduktion 516 Carboxoniumion 507 Carboxygruppe 7 Carboxypeptidase 962 – A/B 966 Carboxyproteasen 962
Sachwortverzeichnis Cardenolide 752 Δ3-Caren 737 Carnaubawachs 729 Carnitin 727 Carotine 741, 960 – β-Carotin 707 Carotinoide 707 Carrier-Proteine 726 Carvon 319, 526 Casein 914, 959 Catechine 432 Celcon 504 Cellobiose 812 Cellophan 826 Cellulasen 823 Celluloid 826 Cellulose 316, 823 – Wasserstoffbrücken 824 Cellulosetrinitrat 826 Cellulosexanthogenat 826 Centriolen 726 Cerebroside 703, 830 Cetan 261 – -zahl 260 Cetanol 355 Cetylalkohol 355 chair form 155 Charge-Transfer-Komplexe 543, 544 Chelate 417 Chelatring 424 chemische Formeln – allgemeine Formel 34 – Konformationsformel 55, 290 – Konstitutionsformel 35 – Kurzstrukturformel 35 – Skelettformel 38 – Summenformel 34 chemische Gleichungen 34 Chenodesoxycholsäure 748 Chinhydron 544 Chinin 314, 1026 chinoide Struktur 427 – o-/p- 473 Chinolin 241, 983, 1026 – Synthese (Skraupsche) 984 Chinone 538ff – Additionsreaktionen, elektrophile/nucleophile 541 – Darstellung 539 – elektrophile Addition 541
Sachwortverzeichnis – in der Natur 545 – Atmungskette 545 – nucleophile Addition 541 – Reaktionen 539 – Charge-Transfer-Komplexe 543 – Diels-Alder 543 – Reduktion 539 Chiralität 280 – achirale Moleküle 281 – axiale 305 – bei Helicität 307 – in lebenden Organismen 316 – planare 307 – zentrale Chiralität 305 Chitin 827 Chlorakne 249 Chloral 493 – -ammoniak 493 – -hydrat 489 Chloralkane 328 Chlorameisensäurebenzylester 928 Chlorameisensäureester 685 Chlorameisensäure-tert-butylester 929 Chlorbenzol 214 – Synthese mit Raschig-HookerVerfahren 418 Chlordiazepoxid 986 Chlordifluormethan 330 Chlorfluorkohlenwasserstoffe 688 Chlorfluormethanverbindungen 330 Chlorhydrin 112 Chlorin 989 Chloroform 69, 327 Chlorophylle 238, 989ff – Antennen- 993 Chloroplasten 548, 725, 991 Chloropren 142, 158 Chloroquin 1026 Cholan 743 Cholecalciferol 709, 747 Cholestan 744 Cholesterol (Cholesterin) 704f, 746 – Biosynthese 744 – Stereospezifität 312 Cholin 390, 701, 845 Cholinesterase 1020 Cholsäure 748 Chondocurarin 1030 Chondroitin-4-sulfat 829 Chondroitin-6-sulfat 829
1079 Chromatin 960 Chromatographie, Enantiomerentrennungen 315 Chromon 429 Chromophore 882 Chromoproteine 960 Chromosomen 725, 1039 Chromosomensatz, diploider/haploider 1045 Chromtrioxid, Oxidation mit 466 Chrysen 245 Chylomikronen 706 α-Chymotrypsin 964 – Katalysemechanismus der Proteolyse 964 Cinchonin 1026 Citraconsäure 592 Citral-a/-b 526 Citronellal 526 Citronellol 737 Citronensäure 606 – -cyclus 607f Citrullin 890 Claisen-Esterkondensation 609, 658 Claisen-Umlagerung 444 – aliphatische 143 Clemmensen-Reaktion 518 Cobalamin 995f Cobalttetracarbonylwasserstoff 464 Cobalttricarbonylwasserstoff 464 Cocain 1023 Code 1051 – genetischer 1057 – -Tripletts 1057 Codein 1029 Codon 1051 – -Anticodon-Paarung 1061 Coenzym 959 – A 722f, 1010 – Thioester 724 – B12 996 – Q 547 Cofaktor 959 Coffein 241, 1011 Cola-Nuß 241 Collidin 978 Concanavalin A 956 Coniin 1025 Contergan 319 Cope-Eliminierung, Amine 867
1080 Cope-Umlagerung 143 – Diaza-Cope-Umlagerung 977 Copolymerisation 130 Coronen 245 Corpus-luteum-Hormone 750 Corrin 995 Corticoide 749 Corticosteron 749f Corticotropin 918 Cortisol 526, 749f Cortison 526, 749f CO-Vergiftung 944 Crackbenzin 264 Cracken 261 – Einfluß der Reaktionsbedingung 261 – katalytisches 265 – thermisches 262 Crackofen 264 Cramsche Regel 311 Crepe-Kautschuk 130 Criegee-Spaltung 398 Cristae 726 Crotonaldehyd 458, 501 Crotonsäure 586 Cumarin 190 – -glycoside 807 Cumol 78, 205, 206, 217, 419 – Acetonherstellung 462 – -hydroperoxid 78, 419 Curare-Alkaloide 1030 Curtius-Abbau 858 Curtius-Umlagerung 858 Cuscohygrin 1019 Cuticula 729 Cuticularwachs 63 Cyanhydrinbildung 481 Cyanhydrinsynthese, Zucker 764 Cyanide 8 Cyanidin 430f Cyanwasserstoff 165 Cyclamat 915 Cyclisierungen 269 – Aminosäuren 903 Cycloadditionen 102, 113 Cycloalkane 170ff – cis-/trans-Isomerie 161 – Nomenklatur 170 – physikalische Eigenschaften 171 – polycyclische Alkane 181 – Reaktionen 186
Sachwortverzeichnis – Synthese 183ff Cycloalkene 84 Cyclobutan 172 Cyclodextrine 821 Cycloheptatrienyl-Kation 236 Cyclohexan 174, 206 – Konformationen 174 Cyclohexanol 668 – Oxidation 668 Cyclooctatetraen 159, 235 Cyclopentadienyl-Anion 237 Cyclopentan 174 Cyclophane 307 Cyclopropan 172 – Synthese 183 Cyclopropenylkation 236 Cyclotetramerisierung der Alkine 159 Cyclotrimerisierung der Alkine 158 Cymol 205 Cystein 889, 893 – Oxidation zu Cystin 904 Cytochrome 960, 988 – a 988 – b 548, 988 – c 989 – Komplex 994 Cytoplasma 726 Cytosin 239, 1008, 1037, 1049 Cytoskelett 726 Cytosol 726, 822
D D/L-Nomenklatur
261 Dacron 601 Darzens Glycidsynthese 659 DCC 934 DDT 248 Deaminierung 1007 debranching Enzym 822 Decarboxylase 1007 Decarboxylierung 1007 – an Carbonsäuren 581 – über einen cyclischen Übergangszustand 582 Deckungsform 56 Dehalogenierung 90 Dehydratasen 958 Dehydratisierung 90, 385 – von Alkoholen 438
Sachwortverzeichnis Dehydrierung 91 1,2-Dehydrobenzol 232 7-Dehydrocholesterol 704, 747 Dehydrocorticosteron 749 Dehydrodimerisierung 78 Dehydrogenasen 958 Dehydrohalogenierung 90 Decalin 182 Delépine-Reaktion 853 Delfinidin 431 Delirium tremens 361 Delokalisierung 73 Delrin 504 Demjanow-Umlagerung 872 Denaturierung 240 – von Proteinen 947 Denkmodelle, theoretische 32 Dephosphocoenzym A 723 Depsid 432 Dermatansulfat 830 Desoxycholsäure 748 Desoxyribonucleinsäure siehe DNA Desoxyribose 780 Desoxyzucker 780 Destillation, fraktionierte 257 – Erdöl 257 Destillierturm 257 Dextrane 823 α-Dextrinase 822 Dextrine 402, 821 – Cyclodextrine 821 Dextrinogen-Amylase 402 Dextrose 766 DG siehe Diacylglycerin Diabetes mellitus 462, 917 Diacylglycerin 702 N,N-Dialkylbenzolsulfonamid 760 Dialkylcadmiumverbindung 475 N,N-Dialkylcarbonsäureamid 557 3,6-Dialkyl-2,5-diketopiperazin 903 Dialkylsulfat 107 Diastereomere 300 Diazabenzol 239, 985 Diaza-Cope-Umlagerung 977 Diazepam 986 1,4-Diazepin 987 Diazine 985 Diazoketon 642 Diazomethan 183, 247, 642, 651, 689 – Methylierung mit 440
1081 Diazoniumgruppe 8 – Substitution durch Halogenide 876 – Substitution durch schwefelhaltige Verbindungen 875 Diazoniumsalze – aromatische, Reaktionen 875 – Substitutionsreaktionen 875 – Arylierung mit 878 – Gattermann-Reaktion 877 – Gomberg-Bachmann-Reaktion 878 – Kupplungsreaktionen 878 – Einfluß der Substituenten 880 – Einfluß des pH-Wertes 881 – Phenolverkochung 875 – Reduktion 878 – Sandmeyer-Reaktionen 877 – Schiemann-Reaktion 876 – Substitution durch – Brom 877 – Chlor 877 – CN 769 – Fluor 876 – Iod 876 Diazoniumverbindungen 8 Diazotierung 874 Dibenz[a,h]anthracen 247 Dibenzodioxin 249 Dibenzofuran 249 Dibenzoylperoxid 120, 641 Diboran 113 Dibromindigo 1000 Dicarbonsäuren – aliphatische 592 – ungesättigte 596 – aromatische 598 Dicarbonylverbindungen 508 Dichlordiphenyltrichlorethan 248 Dichlormethan 69 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure 248 2,4-Dinitrophenylhydrazin 498 2,4-Dinitrophenylhydrazon 498 Dicobaltoctacarbonyl 464 Dicyclohexylcarbodiimid 934 – Knüpfung der Peptidbindung mit 930 N,N'-Dicyclohexylharnstoff 810 Didepsid 432 Dieckmann-Kondensation 658 Diels-Alder-Reaktion 142, 543, 597 Diene 84, 135 – Reaktionen 140
1082 Dienophil 142 Dieselkraftstoff 259 Dieselöl 79 Diethylamin 842, 845 Diethylenglykol 437, 448 – -dimethylether 113 Diethylentriamin 449 Digallussäure 432 Digitalisglykoside 752 Digitoxigenin 752 Diglyceride 697 Diglyme 437 Dihydrouracil 1052 Dihydroxylierung 117 – Alkene 376 – anti- 109, 332 – mit KMnO4 119 – syn- 109 Dihydroxyphenylalanin 318 Diiodalkane, vicinale 111 β-Diketone 508 Dimethylamin 845 Dimethylenglykoldimethylether 437 N,N-Dimethylformamid, Synthese 582 Dimethylpolysiloxane 633 Dimethylsulfoxid 90 Dimethylterephthalat 601 2,4-Dinitrophenylhydrazin 498 2,4-Dinitrophenylhydrazon 498 Diolen 601 Dioxan 128 1,4-Dioxan 450 Dioxin 249 Dipeptid 915 Dipeptidasen 962 Diphenylamin 845 Diphenylin 860 Dipol 59 – kurzzeitiger 59 Disaccharide 810 – nichtreduzierende 814 – Nomenklatur 812 – reduzierende 810 Dispersionskraft 59 Disproportionierung 70 – Aldehyde 524 Dissousgas 151 Dissoziationsgrad 379 Distickstofftrioxid 869 Disulfid 9
Sachwortverzeichnis Disulfidbrücke 9 – Cystin 904 – Insulin 917 – Keratin 948 – Tertiärstruktur der Proteine 940 – Spaltung von 924 Diterpene 739 DNA 316, 725, 798, 960, 1035f, 1044f – A-/B-/Z- 1044 – Basenpaare 1039 – Doppelhelix 1041 – Doppelstrang 1039 – -Ligase 1048 – -Polymerase 1048 – -Polymerase-III-Holoenzym 1048 – Replikation 1045 – ringförmige 1044 – Strukturen 1039 – Superhelix 1044 – Verbindungs- 960 DNS siehe Desoxyribonucleinsäure und DNA Donorfunktion 100 Donor-t-RNA 1061 Dopa 318 Dopamin 845 Doppelbindung 22, 85 – isolierte 135 – konjugierte 136 – kumulierte 135 Doppelbrechung, Licht 276 Doppelhelix, DNA 1041-1044 Dow-Verfahren 232, 418 Dralon 674 Drehspiegelachse 284 Drehung, spezifische 278, 279 Drehwert, optischer 776 Dreiding-Modelle 33 Dreipunktbindung, Modell 317 Druckentschwefelung 268 Drüsen, endokrine 915 Dulcit 793 Dunkelreaktion 992 Dünndarmlipase 720 Dynamit 389
E E 605 390 E1-/E2-Mechanismus 94, 95
Sachwortverzeichnis E1-Reaktion, Kinetik 94 Edman-Abbau 924 EDTA siehe Ethylendiamintetraacetat Einschlußverbindungen 80 – der Amylose mit Iod 820 – der Cyclodextrine 821 – mit Harnstoff 80 Einzelstränge, palindrome 1049 Eisenporphyrinenzyme 960 Eiweiße siehe Proteine Elaeostearinsäure 696 Elaidinsäure 586 Elastin 953 Elektrolyse, Kolbe- 67, 583 Elektronen – -akzeptor, π- 138 – -besetzung der Schalen 12 – -bilanz 394 – -dichteverteilung, Benzol 193 – -donor, π- 138 – Energiezustände 11 – potentielle Energie 13 – -system, π- delokalisiertes 192 – -transport, Atmungskette 545 – Wellennatur 10 Elektronegativität 30 Elektrophil 333 Elementaranalyse 190 Elementsymbole 34 Eliminierung 90, 348 – mono-/bimolekulare 95 Eliminierungsreaktionen 90 – Dehalogenierung 90 – Dehydratisierung 90 – Dehydrierung 91 – Esterpyrolyse 92 – Dehydrohalogenierung 90 – Halogenalkane 332 – Hofmann E. quartärer Ammoniumbasen 91 – Pyrolyse der Xanthogenate 92 Elongation 1059 Elongationsfaktoren 1061 Emulgatoren 697, 721, 749 Emulsin 805 Enamin 492, 495 – Alkylierung/Acylierung 865 Enantiomere 287 – Kristalle, mechanische Trennung 313
1083 – Trennung aus racemischen Gemischen 313 – Trennung mit Hilfe der Chromatographie 315 – Trennung mit Hilfe von Mikroorganismen 315 – Trennung über diastereomere Zwischenprodukte 314 endergonische Reaktionen 318 Endo-Amylase 402 Endocytose 725 Endopeptidasen 962 endoplasmatisches Reticulum (ER) 726 β-Endorphin 919 endotherme Reaktion 79 Energie – des Elektrons, potentielle 13 – -niveau 11 – -profil 141 – von SE-Reaktionen 209 – Rotations- 57 – -zustände der Elektronen 11 Enkephaline 919 Enterokinase 963 Enthalpie (ΔH) 768 – freie (ΔG) 768 – Reaktions- 195 Enthärter 631 Entropie 768 envelope form 155 Enzyme 316, 958 – in Waschmitteln 634 Eosin 600 Ephedrin 318 Epichlorhydrin 448 Epimere 764 Epoxide 112, 445f – -harze 448 – Reaktionen 446 – -ring 445 – Synthese 446 Erdgas 62 Erdnuß 699 Erdöl 254ff – Destillationsfraktionen 257 – Entstehung 254 – Fraktionen 258 – Inhaltsstoffe 255 – Reserven 254 – Schwefelverbindungen 257
1084 Ergosterol 704, 747 Ergotamin 1021 Ergotismus convulsivus 1021 Ergotismus gangraenosus 1021 Erlenmeyer-Regel 356, 489 Erlenmeyersche Azlactonsynthese 896 Erythrose 765 Erythrozyten 942, 997 Erythrulose 778 Essigsäure 556, 559 – großtechnische Synthese 558 – Synthese durch Oxidation von Acetaldehyd 561 Essigsäureethylester siehe Ethylacetat Ester 7, 640 siehe auch Carbonsäureester – der Borsäure 391 – der Phosphorsäure 389f, 545, 700, 721, 955, 960, 992, 1010, 1035 – der Salpetersäure 388f, 826 – der Schwefelsäure 387 – Hydrolyse 369 – kondensation, Claisen- 658 – pyrolyse 92 – radikalische Addition 127 – Reaktion mit Grignard-Reagens 662 – Synthese 386 Esterasen 958 Étard-Reaktion 467 Ethan, Konformation 55 Ethanal 457, 461 Ethanamid 664 Ethandithiol 499 Ethanol – neurophysiologische Wirkung 360 – physiologische Eigenschaften 358 – Synthese 362 – aus Ethen 362 Ethanolamin 390, 701, 845 Ethansäure 482, 559 Ethen 85, 264 – Hochdruckpolymerisation 132 Ether 6, 436ff – Autoxidation 442 – Claisen-Umlagerung 444 – cyclische 444 – mit fünf-/sechsgliedrigem Ring 450 – Eigenschaften 446 – Nomenklatur 444 – Nomenklatur 436 – physikalische Eigenschaften 437
Sachwortverzeichnis – – – –
Reaktionen 440 Struktur 437 -spaltung mit Säuren 441 Synthese 438 – aus Alkoholen 438 – Williamson-Synthese 440 Etherat, Bortrifluorid- 113 Ethin siehe Acetylen Ethinylierung 157, 483 17-α-Ethinylöstradiol 752 Ethylacetat 609, 658 Ethylamin 845 Ethylbenzol 206, 216 Ethylen 85 – Epoxidation 130 – -diamintetraacetat 633 Ethylenglykol 355 – Synthese 368 Ethylenoxid 130, 445f Ethylethanoat siehe Ethylacetat Ethylmethylketon 463 Eucyten 724 Eukarionten 1038 Eutrophierung 632 Excitonen-Transfer 993 Exocytose 725 Exone 1055 Exopeptidasen 962 exotherme Reaktion 79 Export 406
F FAD 1014 Fallstromvakuumdestillation 407 β-Faltblattstrukur 938 – antiparallele 939 – parallele 938 Faraday 190 Färberginster 430 Farbstoffe – Alizarin 549 – Anthocyane 429 – Azofarbstoffe, Bedeutung 882 – Herstellung 878 – Chlorophylle 989 – Eosin 598 – Farbigkeit, Ursache 882 – Flavanole 429 – Fluorescein 598
Sachwortverzeichnis – Isoflavanole 429 – Pflanzen- 429 – Phthaleine 598 – Phenolphtalein 598 – Pilz- 545 Farnesol 738 FAS siehe Fettalkoholsulfate Faulschlammhorizonte 254 FCC-Verfahren 267 FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) siehe Freone Federn 948 Fehling-Probe 520, 789 Fehling-Reagens 520 Ferritin 961 Ferrocen 237 Festbettverfahren 267 Festphasen-Peptidsynthese 933 Fettalkoholoxethylate 631 Fettalkoholsulfate 630 Fette 694ff – Alkoholyse 713 – als Nahrungsmittel 719 – aus Mikroorganismen 698 – chemische Zusammensetzung 694 – Eigenschaften 698 – Einphasen-Umesterung 713 – Einteilung 697 – enzymatische Spaltung 712 – gerichtete Umesterung 713 – Gewinnung pflanzlicher 700 – Gewinnung tierischer 700 – Härtung 713f – Hydrierung 714 – hydrolytische Spaltung 711 – pflanzliche 698 – Ranzigwerden 712 – Reaktionen 711 – Umesterung 712 – Verdauung 720 – Vorkommen/Gewinnung 699 Fettsäuren – Abbau 721, 727 – Aktivierung 721 – essentielle 590, 694 – gesättigte 694 – in Nahrungsfetten 695 – Verteilungsmuster in Triglyceriden 697 – ω-3- 696
1085 Fettspaltung, Autoklaven-Verfahren 712 Fibrin 957 Fibrinogen 957 Filamente, dicke und dünne 953f Finkelstein-Methode 112 Fischer-Indolsynthese 976 Fischer-Projektion 293, 761 Fischer-Tropsch-Synthese 64 Fischgifte 753 Flagpole-Substituenten 178 Flavan 432 Flavin-adenin-dinucleotid 1014 Flavin-Coenzyme 1014 Flavine 1013 – Derivate 960 Flavinmononukleotid 545, 1014 Flavon 429 – -glycoside 807 Flavonole 429 Flavoproteine 960 Fließbett 267 Fließgleichgewicht 318 Fließstaubverfahren 267 Flotation 365 Flugturbinenkraftstoff 259 Fluid catalytic cracking 238 Fluor, Addition 111 Fluoralkane 65 – Gewinnung 329 Fluorescein 600 Fluorierung 72 Flüssiggas 258 FMN 545, 1014 Folgestrang 1048 Folidol 390 Follikelhormone 750, 751 Folsäure 213, 1012 Foraminiferen 254 Formaldehyd 457, 460 – Oligomere/Polymere 503 Formalin 460 Formamid 664 Formel, chemische 34 Formiate 556f Formylgruppe 6, 457 Formylierung aromatischer Verbindungen 469 N-Formyl-o-toluidin 852 fossile Rohstoffe 79
1086
Sachwortverzeichnis
Fragmentierung 72 – Peptidkette 923 Fraktionierturm 257 – Vakuum- 258 Framework Molecular Models 33 Freone 328, 330 Friedel-Crafts-Reaktionen 215 – mit Säurechloriden 477 Fries-Reaktion 421 Frigen 330 Frigen-11 688 Fruchtzucker 779 Fructane 827 Fructose 778, 779 – cyclische Halbketalformen 779 fuchsinschwefelige Säure 526 Fucose 781 Fumarsäure 592, 596 Fumigatin 545 funktionelle Gruppen 5 Furan 238, 437, 446, 973 Furanosen 772 Furfural 446 Fuselöle 361
G Gabrielsynthese 852, 894 Galactane 826 Galactonsäure 790 Galactosamin 781 Galactose 765, 767 β-Galactosidase 813 Galacturonsäure 791 Galalith 914 Gallenfarbstoffe 997 Gallensäuren 748 Gallussäure 416 Gameten 1045 Ganglioside 703 Gärung 406 – alkoholische 362, 399, 801, 1003 – Wein- 407 Gasabscheider 269 Gasöle 259 Gastmoleküle 80 Gattermann-Koch-Synthese 469 Gattermann-Reaktion 877 Gattermann-Synthese 470 GDP 1011
Gedächtnismechanismus 918 Gelatine 914, 953 Gelbsucht 998 Gel-Elektrophorese 826 Geliermittel 828 Gene 1038 genetische Information 1036 genetischer Code 1057 Genfer Nomenklatur 39 Genistein 430 Genom 1038 Gentiobiose 811, 814 Geraniol 737 Gerbstoffe 431 – hydrolysierbare 432 – kondensierte 432 Geruchsrezeptoren 319 Gerüstmodelle 33 Geschmacksrezeptoren 319 Gestagene 750, 751 Getränke, alkoholische 399 Gin 409 Glaser-Reaktion 159 Gleichung, chemische 34 Gleitfasermodell, Muskelkontraktion 955 Globin 944 Globuline 957 globuläre Proteine 956 – Albumine 957 – Globuline 957 – Histone 958 – Prolamine und Gluteline 958 Glockenböden 257, 258 Glucagon 822, 918 Glucane 818 Gluconsäure 790 Glucosamin 781 Glucose 765, 766 α-1,6-Glucosidase 822f Glucoside 804 Glucozuckersäure 791 Glucuronsäure 791 Glutamin 890 Glutaminsäure 890 Glutarsäure 592, 595 Glutathion 915 Gluteline 958 Glycane 818 – Hetero- 828 Glycarsäuren 791
Sachwortverzeichnis Glyceraldehyd 458 Glycerin 39, 355 – Abbau 728 Glycerinaldehyd 291, 458, 765 Glycerinphosphatide 701 Glycerintrinitrat 388 Glycerol 355 Glycid 448 – Synthese, Darzens 659 Glycin 748, 889 – Titrationskurve 899 Glycocholsäure 748 Glycogen 822, 917 – Abbau 822 – debranching Enzym 723 Glycokonjugate 830 Glycolipide 703, 830 Glycolyse 766, 799 Glyconsäuren 790 Glycoproteine 830, 959 Glycosaminoglycane 829 Glycosidasen 805 Glycoside 430, 804 – -bildung 802 – in der Natur 807 – N- 709 – O- 708 – S- 708 Glycuronate 791 Glycuronsäuren 791 Glykocholsäure 720 Glykol 112 – Oxidation mit Bleitetraacetat 398 – Oxidation mit Periodsäure 398 – oxidative Spaltung 398 cis-Glykol 110 trans-Glykol 109 Glykolaldehyd 458 Glyoxal 458 Glyptalharz 600 Golgi-Apparat 726 Gomberg-Bachmann-Reaktion 878 Gonadotropine 918 Gramicidine 919 – A 920 Granatapfelbaum 526, 696 Graphit 246 Grauschleier 629 Grenzflächenspannung des Wassers 628
1087 Grenzformeln, mesomere 137, 191 Grignard-Reagens 332 – Addition an Carbonylverbindungen 373 – Addition an Chinone 543 – Reaktion mit Estern 662 – Reaktion mit Nitrilen 676 Grignardverbindungen 65 – Addition an Carbonylverbindungen 373 – Addition an Caronsäureester 376 – Addition an Nitrile 475 – Reaktion mit aciden Verbindungen 65 – Reaktion mit Alkinen 156 – Reaktion mit Chinonen 542 – Reaktion mit Kohlendioxid 563 – Synthese von Carbonsäuren durch Carboxylierung von 563 Grundschwingungen 10 Grünmalz 400 GTP 1011 Guajazulen 738 Guanidin 690 Guanin 241, 247, 1009, 1037, 1049 Guanosindiphosphat 1011 Guanosintriphosphat 1011 Gulose 765
H Haar 948 Halbacetal 490 – -bildung 490 Halbaminal 495 Halbsesselform 176 Halluzinogene 1021 Haloform-Reaktion 512 Halogenalkane 7, 327ff – als Lösungsmittel 327 – Eigenschaften 327 – Eliminierungsreaktionen 332 – Hydrogenolyse 331 – Nomenklatur 327 – Reaktionen 331 – mit Metallen 332 – Substitutionsreaktionen 333 – nucleophile 334 – Synthese 328 – aus Alkenen 329
1088 – aus Alkoholen 328 – von Fluoralkanen 329 Halogencarbonsäuren 7 Halogencarbonyl 638 – -gruppe 7 Halogenderivate aus Alkenen 329 Halogene – Addition an Alkine 163 – radikalische Addition 122 – relative Reaktivität 72 Halogenierung – Alkane 328 – Benzol 214 – des aromatischen Kerns 230 – höherer Alkane 72 – in die Seitenkette 230 – Phenol 423 – sauer katalysierte 511 – Selektivität 72 Halogenonium-Ion 110 – überbrücktes 111 Halogenwasserstoffe, Addition an Alkene 106 Halothan 328 Häm 238, 944, 988 Hämatom 998 Hammond-Postulat 224 Hämoglobin 960, 988 – Kohlendioxidtransport 946 – Kooperativität der Sauerstoffbindung 946 – Quartärstruktur 942 – Sauerstoffbindung 945 Hämolyse 753 Hantzsch-Synthese, Pyridin 978 Harnsäure 1009 Harnstoff 688 – Einschlußverbindungen 80 Harnstoffcyclus 892 Härter 449 Hartspiritus 505 Hauptenergieniveau 11 Hauptgärung 406 Hauptgruppen, Hierachie 45 Hauptkette 40, 46 Hauptquantenzahl 11 Haut 951 – Keratine 948 Haworth-Formel 771 HDL siehe Lipoproteine
Sachwortverzeichnis Hefe 406 Heizöl 79, 247, 259 – extra leichtes 259 HEL 259 Helicase II 1045 Helicität 307 Hell-Volhard-Zelinsky-Reaktion 579 α-Helix 937 Hemellitol 205 Hemicellulosen 823, 828 Henna-Strauch 549 Heparin 797, 830 n-Heptan 231 Herbizide 248 Heroin 1028 Herzerweiterung 1002 Herzglykoside 752 Heteroatome 971 Heteroauxin 998 Heterocyclen 170 – aromatische 238f – mit O im Ring, Nomenklatur 445 – stickstoffhaltige 971ff – Nomenklatur 971 – Kennsilben/Endungen 972 Heteroglycane 818, 828 Heteropolysaccharide 818 Heumann-Pfleger-Synthese 1000 Hevea brasiliensis 121 Hexachloroplatinsäure 64 Hexahydro-1,3,5-triazin 494 Hexamethylendiamin 596, 843 Hexamethylendiisocyanat 687 Hexamethylentetramin 493 Hexogen 211 Hexosane 828 Hexosen 761 Hinsberg-Reaktion/Reagens 868, 869 Hippokrates 591 Hippursäure 896, 900 Hirsutidin 431 Histamin 845, 1001 Histidin 845, 891, 1001 Histone 958, 959 Hochdruckpolymerisation, Ethen 132 Hock-Prozeß 217 Hock-Verfahren 419 – Aceton aus Cumol 462 Hofmann-Abbau 671, 858
Sachwortverzeichnis Hofmann-Eliminierung 91 – bei Aminen 866 Hofmann-Regel 91, 97 Hofmann-Umlagerung 672 Holoenzym 959 HOMO 200 Homoglykane 818 homologe Reihe 54 homolytische Spaltung 103 homöopolare Spaltung 68, 103 Homopolysaccharide 818 Honig 817 Hopfen 404 – -bitterstoffe 404 – -öle 405 – -treber 405 Hormone 915 – Keimdrüsenhormone 750 – Steroide 749 Horn 948 Hornschicht, epidermale 948 Houben-Hoesch-Reaktion 477 Huang-Minlon 518 Hückel-Regel 234 Humulen 405 Hundsche Regel 19, 196 Hunsdiecker-Reaktion 584 Hyaluronsäure 829 Hybridisierung, sp- 25 Hybridorbitale 17 – räumliche Anordnung 29 – sp- 25 – sp2- 22 – sp3- 18 Hydrastin 1029 Hydratbildung, Aldehyde 488 Hydratisierung 164 – saure 108 Hydrazin 497 Hydrazobenzol 860 Hydrazon 492 – -bildung 497 Hydrid-Verschiebung 105 Hydrierung, katalytische 64, 128 – Aldehyde/Ketone 516 – Alkene 128 – Alkine 160 – Fette 714 – Kohlehydrierung 64 – Nitrile 677
1089 Hydrindan 905 Hydroborierung 113, 161 Hydrocarbonylierung 109, 162 Hydrocarboxylierung 109 Hydrochinon 416, 427, 539, 544 Hydrocracken 268f Hydrofinieren 268 Hydroformylierung 464 Hydrogenolyse, Halogenalkane 331 Hydrolasen 958 Hydrolyse – Ester 369 – Nitrile 564 – Trialkylboran 114 – säurekatalysierte, von Carbonsäureestern 653 hydrolytische Spaltung, Fette/Öle 711 Hydronium-Ion 378 Hydroperoxide 76 Hydrotreaten 268 Hydroxamsäure 640, 656 β-Hydroxyaldehyde 509 Hydroxycarbonsäuren 581, 602 – Darstellung 602 – Reformatzky-Reaktion 603 β-Hydroxycarbonsäureester 603 Hydroxygruppe, glycosidische 771 Hydroxyhydrochinon 416 β-Hydroxyketone 509 Hydroxylamin 497, 656 5-Hydroxylysin 951 3-Hydroxy-3-methylglutaryl-CoA 735 α-Hydroxynitrile 481 4-Hydroxyprolin 891, 951, 987 α-Hydroxysulfonsäure 500 Hygrin 1019 Hyoscyamin 1022 Hyperkonjugation 73, 104, 342 Hypophyse 19, 916 Hypothalamus 916 Hypoxanthin 1009, 1052 Hypsochromie 882
I –I-Effekt 30 Idose 765 Ikterus 998
1090 Imidazol 1001 – Derivate 1001 Imide 664 Imin 492, 493, 495 Imin-Enamin-Tautomerie 495, 980 Iminoester 676 Iminogruppe 8 Immunglobuline 957 Indan 905 Inden 905 Indican 999 Indigo 999ff – Heumann-Pfleger-Synthese 1000 Indigweiß 1000f Indol 241, 976, 998, 1019 – -derivate 998 – Fischer-Indolsynthese 976 Indolylessigsäure 998 Indoxyl 1001 Induktion, asymmetrische 310 induktiver Effekt 30 Infarkt 705 Infusionsverfahren 402 Inhibitor 368 Initiation 70, 1059 – -sfaktoren 1059 Inkrement 54 Inosin 1052 – -säure 1052 Inosit, myo- 356 Inosittriphosphat 702 In-Phase-Überlappung 16 Insektizide 248, 390 Insulin 767, 917f Intercristae 727 Intronen 1055 Inulin 827 – -gruppe 827 Inversion 312 – am Stickstoffatom des Amins 841 – Saccharose 817 Inversionszentrum 283 Invertseifen 630 Invertzucker 817 Iodalkane 329 Iodarene 876 Iodbenzol 215 Iodoform-Reaktion 512 Iodonium-Kation 215
Sachwortverzeichnis Ionenbindung 2 Ionophor 920 IP3 siehe Inosittriphosphat Isoalkane 54 Isoalloxazinstruktur 1013 Isoamylalkohol 355 Isobutanol 355 Isobutylalkohol 355 Isochinolin 241, 983 – Alkaloide 1027 Isocrotonsäure 586 Isocyanate 672 – Reaktionsmechanismus der Hydrolyse 672 isoelektrischer Punkt 898 Isoflavon 429 Isoflavonole 429 Isolenfettsäuren 696 Isoleucin 889, 893 Isomerasen 958 Isomere 35, 55, 180, 274ff, 287, 882 – geometrische, Azoverbindungen 882 – Ketten- 55 – Konstitutions- 36, 55 – optische 280 – Skelett- 55 – Spiegelbild- 287 – cis-trans- 76, 161 – optische 274ff – in alicyclischen Verbindungen 303 Isomerisierungen 266, 269 – cis-trans- 79 Isonikotinsäure 978 Isonitril 8 – -Reaktion, Nachweis primärer Amine 867 Isooctan 54, 260 Isopelletierin 526, 1025 Isopentenylpyrophosphat 735, 736 – Biosynthese 735 Isophthalsäure 590 Isopren 84, 130 Isopropanol 355 – Synthese 363 – Verwendung 363 Isopropylalkohol 355 Isopropyliden-Zucker 788, 791 IUPAC-Regeln 39
Sachwortverzeichnis
J Japanbaum 526 Juglon 549
K Kaffee-Bohnen 241 Kakao 241 Kaliumdichromat, Oxidationsmittel 393 Kaliumhydrogentartrat 606 Kalium-Natriumtartrat 520 Kalkspat, isländischer 276 Kalottenmodell 33 Kamillenöl 587 Käse 914 katabole Wirkung 750 Katalysatoren – Lindlar- 160 – Nickel- 714 – Platin-/Palladium- 64, 128 katalytische Hydrierung 64, 128 – Alkine 160 Kation, überbrücktes 102 Kautschuk 130 – künstlicher 141 Kefalin 390, 701 Keimdrüsenhormone 750 Kekulé 190 – -Strukturen 191 Kelter 407 Keratansulfat 830 α-/β-Keratin 948 Kerosin 259 Ketale 7, 491, 652 Keten 643, 645 Ketimine 8, 494 β-Ketoaldehyde 508 Ketocarbonsäuren 608 Keto-Enol-Tautomerie 507 – Acetessigsäureethylester 611 Ketogruppe 6 Ketone 6, 456ff – Additionsreaktion siehe auch Aldehyde Addition – C-Nucleophilen 481 – N-Nucleophilen 491 – O-Nucleophilen 488 – S-Nucleophilen 499
1091 – – – – – – – – – –
aliphatische, Synthese 474 Baeyer-Villiger-Oxidation 523 C–H-Acidität 505 Enolisierung 478, 505, 509, 511f in der Natur 526 großtechnische Synthese 460 Keto-Enol-Tautomerie 507 Nachweisreaktionen 525 Nomenklatur 456 nucleophile Addition, säure/basenkatalysiert 480 – Oxidation 523 – mit Selendioxid 524 – oxidative Spaltung 523 – radikalische Addition 127 – Reaktionen 478 siehe auch Aldehyde, Reaktionen – Mannich- 514 – mit Malonsäurediester 484 – mit Bernsteinsäurediester 486 – mit Lithiumaluminiumhydrid 517 – Reduktion – durch katalytische Hydrierung 516 – mit Meerwein-Pondorf-VerleyReaktion 517 – mit Metallhydriden 516 – mit Natrium 516 – über Thioacetale 519 – zu Kohlenwasserstoffen 518 – Struktur und physikalische Eigenschaften 458 – Synthesen 460, 475f – Addition von GrignardVerbindungen an Nitrile 475 – Friedel-Crafts-Reaktionen mit Säurechloriden 477 – Hydratisierung von Alkinen 475 – katalytische Dehydrierung 474 – mittels Reaktion von Carbonsäurechloriden mit Dialkylcadmium 475 – Oxidation sekundärer Alkolhole 474 – Pinakol-Umlagerung 476 – Pyrolyse von Calcium-/Bariumsalzen der Carbonsäuren 476 – Umsetzung zum Amid 667 – Umsetzung zum Ester 523 Ketosen 778 Ketospaltung 613 Kettenabbruchreaktionen 70
1092 Kettenfortpflanzung 70 Kettenisomere 55 Kettenpropagation 70 Ketyl 663 Kiliani-Fischer-Synthese 764 Kinasen 958 Kishner-Wolff-Reaktion 518 Klathrate 80 Kleber, Zweikomponenten- 449 Kleeblatt-Form 1051 Knallquecksilber 212 Knochen 951 – -erweichung/-schwund 704 Knoevenagel-Kondensation 484, 661 Knollenblätterpilz, Polypeptide 921 Koagulat 130 Koagulation 548, 948 Kobalttetracarbonyl 110 Kochfette 714 Koenigs-Knorr-Synthese 805 Kohlehydrierung 64 Kohlendioxidtransport, Hämoglobin 946 Kohlenhydrate 759ff siehe auch Zucker – Bedeutung 760 – D- und L-Zucker 663 – Derivate der Monosaccharide 780 – Disaccharide 810 – Einteilung 760 – Epimerisierung/Isomerisierung von Aldosen 785 – Glycokonjugate 830 – Glycoside, Nucleoside, Nucleotide 804 – Ketosen 778 – Monosaccharide 760 – Reaktionen 784 – Polysaccharide 818 – Cellulose 823 – Chitin 827 – Cyclodextrine 821 – Fructane 827 – Galactane 826 – Glycogen 822 – Glycosaminoglycane 829 – Pektine 828 – Polyosen 828 – Stärke 818 – Ringstruktur 770 – Verlängerung der Kohlenstoffkette 764
Sachwortverzeichnis Kohlensäure 685 – Derivate 685 – -diester 686 – -estermonochlorid (Chlorameisensäureester) 685 – -monoamid (Urethane) 686 Kohlenstoff, allotrope Modifikation (Graphit) 246 Kohlenstoffatom 1 – asymmetrisches 289 – Bildung bei chemischer Reaktion 308 – Grundzustand 17 – wellenmechanische Beschreibung 10 Kohlenstoff-Kohlenstoff-Verknüpfungen siehe C-C-Verknüpfungen Kohlenwasserstoffe 6 Kokereigas 207 Kolbe-Elektrolyse 67, 583 Kolbe-Nitrilsynthese 674 Kolbe-Synthese 425 Kollagen 949 Kollagenfasern – Haut/Knochen 951 – Knorpel/Bandscheiben 951 Kollodium 826 Kölsch 406 Kompartimente 727 Komplementärstrang 1045 Komplex – π- 100, 208 – σ- SE-Reaktionen am Benzol 208 – Charge-Transfer- 543f Konfiguration 290 – absolute 290 – relative 290, 291 Konfigurations-Formel 290 Konfigurations-Umkehr 312 Konformation 55, 290 – anticlinale 58 – antiperiplanare 58 – Butan 58 – der Sechsringe in Pyranosen 775 – Ethan 55 – -Koordinate 178 – schiefe 56 – -sformel 290 – skew- 56 – synclinale 58 – synperiplanare 58
Sachwortverzeichnis Konformere 56 – Briefumschlag- 174 – Cyclohexan 174 Konglomerate 288 Konjugenfettsäuren 696 konjugierte Doppelbindungen 136 konjugiertes Säure-Base-Paar 379 Konstitution 290 – -sformel 35, 290 – -sisomere 36, 55 – und Farbe 882 Kopra 699 Koprostan 743 Koprostanol 747 Korksäure 556, 592 Korrosionsinhibitoren 634 kovalente Bindung 3, 13 – polare 30 Kracken siehe Cracken Kraftstoff – für Dieselmotoren 259 – für Flugturbinen 259 – für Ottomotoren 258 – Octanzahl 259 Krauseminze 319 Krebs 247 Krebscyclus 608 Kreislaufgas 269 Kresol 205 – o-/m-/p- 367 Kröhnke-Reaktion 468 Kronenether 450 – -Komplexe 452 Krötengifte 752 Kryptanden 452 Kryptate 452 Kugelproteine 956 Kümmel 319 Kumulene 135 Kunststoffe 141 – Alkydharze 592 – Buna-Kautschuk 141 – Chloropren 141 – Glyptalharz 592 – Methylmethacrylat 586 – Monomere 130 – Neopren 141 – Nitrilkautschuk 141 – 6-Nylon 667 – 6,6-Nylon 596
1093 – – – –
Perbunan 141 Phenol-Formaldehyd-Harz 425f Plexiglas 586 Polyethylen 130 – -terephthalat (PET) 602 – Polymere 130 – Polypropylen 130 – Polystyrol 130 – Polyurethane 130 – Polyvinylchlorid 130 – Reaktionsmechanismus 131f – anionische Polymerisation 133 – kationische Polymerisation 133 – metallkatalysierte Polymerisation 134 – radikalische Polymerisation 131 – SBR-Copolymerisat 142 – Teflon 130 Küpenfarbstoffe 1000 Kupfernaphthenate 256 Kurzstrukturformel 35 Kutikularwachs 729
L Labferment 914 Lactalbumin 957 Lactame 664, 903 Lactate 605 Lactide 604 Lactobacillsäure 734 Lactoflavin 1014 Lactoglobulin 957 Lactone 7, 649 Lactose 813 Ladungsbilanz 394 Ladungsübertragungskomplex 544 lagging strand 917 Langerhanssche Inseln 917 Lanosterol 740 Lapachol 549 Latex 130 Laudanosin 1029 Laurinsäure 556, 557 Läuterbottich 402, 403 Läutern 403 Lävulose 779 Lawson 549 LCAO-Methode 195 LDL siehe Lipoproteine
1094 leaving group 334 Lecithin 390, 701 Leder 914 Leichtbenzin 258 Leim 914 Leinöl 590 Leinsamen 699 Leitstrang 1048 Leuchtgas 190 Leucin 889 – -Enkephalin 919 Leuckart-Wallach-Reaktion 856 Leucopterin 1012 Levangruppe 827 Lewis, Säure-Base-Theorie 379 Lewis-Basen 381 – harte/weiche 381 Lewis-Formel 4 Lewis-Säuren 348 – harte/weiche 380, 381 Librium® 986 Licht – als elektromagnetische Welle 274 – Doppelbrechung 276 – linear polarisiertes 275 – polarisiertes 275 – -reaktion 992 – -sammelkomplex 993 Ligasen 958 Lignin 825 – -sulfonate 825 Ligroin 258 Liköre 409 Limonen 737 Lindlar-Katalysator 160 Linker-DNA 960 Linolensäure 589 Linolsäure 558, 589 Lipase 712 – Lipoprotein- 721 – Pankreas- 720 Lipidabbauprodukte, Resorption 721 Lipide 694ff siehe auch Fette – chemische Reaktionen 711 – chemische Zusammensetzung 694 – fettähnliche Biomoleküle 700 – Verdauung/Resorption 720 Lipochrome 707 Lipoide 700 Lipoproteine 706, 959
Sachwortverzeichnis Lipoproteinlipase 721 Lipovitamine 708 Lithiumalanat 371 Lithiumaluminiumhydrid 371 Lithocholsäure 748 Lobelin 1025 Lobry-de-Bruyn-van-EkensteinUmlagerung 785 London-Kraft 59 Lossen-Abbau 859 Lösungsmittel, dipolare protische/aprotische 347 LSD 1021 Lugolsche Lösung 512 Lumisterol 747 LUMO 203 Lupulene 729 Lupulin 404 Lutein 707 Lutidin 978 Lyasen 958 Lycopin 708, 740 Lysergsäure 1021 – -diethylamid 1021 Lysin 844, 890 Lysosomen 726 Lyxose 765
M β-Mäander 957 Magenlipase 720 Maillard-Reaktion 400 Maische 401f Malaria 314, 1026 Maleinsäure 592, 596 – -anhydrid 597 Malonestersynthese 567, 660 – Synthese von Aminosäuren 894 Malonsäure 558, 592f – -diester 338, 484 – Reaktion mit Harnstoff 656 – Reaktion mit Aldehyden und Ketonen (Knoevenagel) 661 Maltase 317, 805, 958 Maltose 811f Maltotriose 822 Malvidin 431 Malzbereitung 399 Malzbier 406
Sachwortverzeichnis Malzstärke 401 Malztreber 403 Mandelsäure 591 Mannich-Reaktion 506, 514, 863 Mannit 793 Mannonsäure 790 Mannose 765, 767 Mannozuckersäure 791 Mannuronsäure 791 Markownikow-Produkt 104 – anti- 120 Markownikow-Regel 103 Matrixraum 727 Matrizenstrang 1045 mechanische Trennung enantiomerer Kristalle 313 Mechanismen – anti- 117 – E1- 94 – E2- 95 – syn- 111, 117 – Vierzentren- 113 Meerwein-Ponndorf-Verley-Reaktion 517 M-Effekt 138 Melamin 460 Melanin 892 Melanoidinen 400 Membranen, biologische 390 Menachinon 710 Menthol 737 Menthon 526, 737 Mercaptale 499 – Reduktion 519 Mercaptane 9, 338, 499, 519 Mercaptidion 339 Mercaptogruppe 9 Mesaconsäure 592 Mesitylen 205 mesomere Effekte 138 mesomere Grenzformeln 116, 137, 191 Mesomerie 136 – -bereich 138 – -energie 138, 194 – -pfeil 138 – -stabilisiert 192 Meso-Verbindungen 302 Mesoweinsäure 606 Messenger-RNA 920 meta 204
1095 Metaldehyd 505 Metallkatalysatoren, Addition mit 128 metallkatalysierte Polymerisation 134 Metalloproteine 961 Methacrylsäure 586, 587 Methadon 1028 Methan – Chlorierung 69, 328 – Elektronenkonfiguration 3 Methanal 457, 460 Methanamid 664 Methanol – großtechnische Synthese 361 – physiologische Eigenschaften 358 Methanoylgruppe 457 Methansäure 556, 559 Methingruppe 73 Methionin 890 – -Enkephalin 919 Methylamin 842, 845 – Synthese 846 Methylchlorid 69 3-Methylcholanthren 247 Methylenchlorid 69, 327 Methylengruppe 73 Methylenimin 494 Methylester, Synthese 651 Methylether 440 Methylformanilid, N- 471 Methylglycoside 802 Methylgruppe 73 Methylierung mit Diazomethan – von Carbonsäuren 651 – von Phenolen 440 Methylmethacrylat 587 Methylnaphthalin, α- 261 Methyl-N-nitrosoharnstoff, N- 652, 689 Methyl-tert-butylether 260, 361 – Synthese 438 Mevalonat 735 Micellen 627 Michael-Addition 502 Mikrofibrille 948 Mikroorganismen, Enantiomerentrennung 315 Mikroorganismen, Fette 698 Mikrotubuli 726 Milchsäure 604 – L-(+)- 315 Milchzucker 813
1096 mineralocorticoide Wirkung 750 Mischkristall, racemischer 288 Mitochondrien 724f – -membran, Transport durch 727 Modell – einer Dreipunktbindung 317 – Gültigkeitsbereich 32 – Dreiding- 33 – gegenständliches 32 – Gerüst- 33 – Kalotten- 33 – Prentice-Hall- 33 – raumfüllende 33 – -vorstellungen 32 – wellenmechanisches 32 Mohnsamen 699 molekulare Wellenfunktion 192 Molekularsieb 80 Molekülorbitale, 16, 173f, 178 – σ- 16 – antibindende 196 – bindende 16, 196 – der Wasserstoffbindung 196 – des Allylsystems 200 – des Benzols 201 – des Butadiens 198 – des Ethens 197 – energieärmste unbesetzte (LUMO) 203 – energiereichste besetzte (HOMO) 200 – nichtbindende 196 – -theorie 195 Molozonid 116 Monoalkylsulfat 107 Monocarbonsäuren, ungesättigte 586 Monochlormethan 69 Monoglyceride 697 – β- 721 Monomere 130 monomolekulare Reaktion 93 monomolekulare Substitution 339 Monosaccharide 760 – Aldosen 761, 764 – Benzylether 804 – Borsäureester 797 – cyclische Strukturen 767 – Dehydratisierung mit Mineralsäuren 787 – Einführung von Schutzgruppen 788 – Einteilung 760 – Ester 795
Sachwortverzeichnis – – – – –
Ether 795 Etherbildung 802 Glycosidbildung 802 Ketosen 778 Kettenverlängerung (Kiliani-FischerSynthese) 764 – Lobry-de-Bruyn-van-EkensteinUmlagerung 785 – Osazonbildung 784 – Oxidationsreaktionen 789 – Phosphorsäureester 797 – Phospohorsäureester 798 – Reaktionen 784 – Reduktion 793 – Retroaldolisierung mit konz. Laugen 787 – Ruff-Abbau 794 – Schwefelsäureester 797 – Spaltung mit Periodsäure 792 – Trimethylsilylether 803 – Triphenylmethylether 803 – Wohl-Abbau 794 Monoterpene 737 Montanwachs 63, 729 Montmorillonit 266 Morphin 314, 1027 – -Alkaloide 1027 Moschus 734 Most 407 – -behandlung 407 Mottenpulver 243 MTBE 231, 317, 386 Mucopolysaccharide 829 Mucoproteine 830 Mucosazelle 962 Müllverbrennung 247 Muraminsäure 781 Muscon 734 Muskelfasern 953 Muskelkontraktion, Gleitfasermodell 955 Muskelproteine 953 Muskelschwund 1002 Mutarotation 776, 777 Mutterkorn 1021 Mutterkrautöl 526 Mykosterole 704 Myofibrillen 953 Myoglobin 960, 988 – Tertiärstruktur 941
Sachwortverzeichnis myo-Inosit 356 Myosin 954 – -köpfchen 954 Myrcen 737 Myricylpalmitat 729 Myristinsäure 556
N Nachbargruppeneffekt 806 Nachgärung 406 Nachweisreaktionen – für α-Aminosäuren 489 – für Phenole 421 – für Aldehyde und Ketone 525 NAD+ 480 NADH 480 Nägel 948 Nahrungsmittel – Aromatisierung 735 – Fette und Öle 719 – stärkehaltige 822 Napalm 256 Naphtha 259 Naphthalin 243 Naphthene 256 Naphthensäuren 256 Naphthochinon 543 – 1,2-, 1,4- und 2,6- 538 – Derivate 548 Naphthol 416 – β- 244 Naphthylamine, Synthese aus Naphthol 853 Napthensäuren 718 Narcotin 1029 Narkotika 986 Naßschmelze, Fettgewinnung 700 Natriumamid 153, 160 Natriumnitrilotriessigsäure 633 Natriumnitrit 869 Natriumperborat 632 Naturstoffe, Alicyclen 734ff Naturstoffe mit stickstoffhaltigen bicyclischem Ringsystem 1009 – mit Isoalloxazin-Struktur 1013 – Flavinmononucleotid (FMN) und Flavinadenindinucleotid (FAD) 1014 – Riboflavin 1014
1097 – mit Pteridin-Struktur 1011 – Folsäure 213, 1012 – 5,6,7.8-Tetrahydrobiopterin 1013 – mit Purin-Struktur – Adenosintriphosphat (ATP) 1010 – Guanosintriphosphat (GTP) 1011 – Hypoxanthin, Xanthin und Harnsäure 1009 – N-methylierte Xanthine (Coffein, Theobromin und Theophyllin) 887 – Nucleobasen 1008 Naturstoffe mit stickstoffhaltigem Fünfring – Gallenfarbstoffe 997 – Bilirubin 998f – Biliverdin 997 – Stercobilin 998 – Urobilin 999 – mit Chlorinstruktur 989 – Chlorophylle 989 – mit Corrinstruktur 995 – Vitamin B12 995 – mit Imidazolstruktur 1001 – Biotin 1002 – Histamin und Histidin 1001 – mit Indol-Struktur 998 – Heteroauxin 998 – Indigo 998 – Tryptophan 998 – mit Porphyrin-Struktur 944, 960, 987 – Cytochrome 960, 988 – Häm des Myoglobins und Hämoglobins 960, 988 – mit Thiazol-Struktur 1002 – Thiamin, Vitamin B1 1003 – Thiaminpyrophosphat 1003 Naturstoffe mit stickstoffhaltigem Sechsring 1005 – Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid (NAD) 1005 – Nucleobasen 1008 – Vitamin B3 1005 – Vitamin B6 1006 Nebennierenrindenhormone 749 Nebenquantenzahl 11 Nembutal 986 Neopentylalkohol 355 Neopren 142, 158 Nerolidol 738 Neuropeptide 918
1098 Neurotoxine der Schlangen, Skorpione 921 Neurotransmitter 845, 918 Newman-Projektion 56 nichtbenzoide Aromaten 235 nichtbindende intramolekulare Wechselwirkungen 57 nichtbindende Molekülorbitale 196 nichtionische Tenside 631 nichtrepetitive Strukturen 939 nichttrocknende Öle 698 Nickelkatalysatoren 64, 714 Nickeltetracarbonyl 162 Nicolsches Prisma 276 Nicotin 237, 1024 – -säure 978 Nicotinamid 1005 – -Adenin-Dinucleotid 545, 959 – -phosphat (NADP) 992 Ninhydrin 489, 904 Niotenside 631 Nitrene 671 Nitriersäure 211 Nitrierung von Benzol 210 Nitrierung von Phenol 423 Nitrile 8, 672ff – Alkylierung 679 – aromatische, Darstellung 675 – Hydrolyse 564 – katalytische Hydrierung 677 – Kolbe-Nitril-Synthese 674 – Nomenklatur 672 – Reaktionen 675 – mit Grignard-Reagens 676 – Thorpe- 678 – zum Iminoester und Amidin 676 – Reduktion 466, 677f – mit LiAlH4 678 – mit Natrium 677 – mit SnCl2 nach Stephen 678 – Synthese 673f – aromatischer Nitrile 675 – aus Amiden/Aldoximen durch Wasserabspaltung 675 Nitrilkautschuk 142, 674 Nitroalkane 8 Nitrocellulose 389, 826 Nitroglycerin 388f Nitrogruppe 8 Nitronium-Ion 210
Sachwortverzeichnis Nitrophenol 423 Nitrosamine 872 Nitrosierung – von Aminosäureestern 902 – von Phenol 424 N-Nitrosierung – aliphatischer Amine 869 – aromatischer Amine 874 – primärer Amine 870 – sekundärer Amine 872 – tertiärer Amine 873 Nitrosoalkane 8 β-Nitrosoalkylnitrat, polare Addition 124 Nitrosodimethylanilin 468 Nitrosogruppe 8 Nitrosoharnstoff, N-Methyl-N- 689 Nitrosyl-Kation 870 Nomenklatur 39 – der Aldehyde 456 – der Aldosen 764f – der alicyclischen Verbindungen 170 – der Alkane 39 – n- 39 – verzweigte 40 – der Alkene 45, 84 – der Alkine 45, 150 – der Alkohole 354 – der Amide 4 – der Benzolderivate 204 – der Ester 45, 648 – der Ether 436 – der Furanosen 772 – der Glycoside 805 – der Ketone 456 – der Ketosen 778 – der Nitrile 45, 672 – der Nucleoside 808 – der Nucleotide 809 – der Peptide und Proteine 913 – der Phenole 415 – der Pyranosen 773 – der Säurehalogenide 4, 638 – D/L- 293 – Genfer 39 – Halogenalkane 327 – Hierarchie der Hauptgruppen 45 – Kriterien für Hauptkette 46 – R/S- 296 – Zuordnung 299 – systematische 39
Sachwortverzeichnis – Verbindungen mit funktionellen Gruppen 43 – Z/E- der Alkene 86 Noradrenalin 822, 845 Norethisteronacetat, 19- 752 Novocain 1023 NTA siehe Natriumnitrilotriessigsäure Nucleinbasen 1008 Nucleinsäuren 1035ff – Desoxyribo- 1036 – Ribo- 1049 Nucleobasen 1008 Nucleolus 726 Nucleophil 154, 333 – Alkinylanionen 156 – Alkylierung 336 – Kohlenstoff- 334, 481 – Sauerstoff- 334, 488 – Schwefel- 334, 499 – Stickstoff- 334, 491 nucleophile Substitution 348 – aliphatische 334 – Reaktionsmechanismus 339 – aromatische 231 – -sreaktionen 333 Nucleophilie 378 Nucleoproteine 959 Nucleoside 804, 808 Nucleosom 960 Nucleotide 804, 809 Nylander-Reaktion 789 Nylon 596
O Oberschwingungen 10 Obst- und Beerenweine 408 Obstler 409 Ocimen 737 Octadecensäure, 9- 586 Octanzahl 259, 260 Ödeme 1002 Okazaki-Fragmente 1048 Öle – als Nahrungsmittel 719 – ätherische 735 – chemische Zusammensetzung 694 – Eigenschaften 698 – Einteilung 697 – enzymatische Spaltung 712
1099 – halbtrocknende 698 – hydrolytische Spaltung 711 – nichttrocknende 698 – Pfefferminz- 737 – pflanzliche 698 – Reaktionen 711 – Terpentin 737 – trocknende 698 – Vorkommen und Gewinnung 699 Olefine ff 84 Oligomere der Aldehyde 503 Oligomerisierung von Alkinen 158 Oligopeptide 962 Oligosaccharide 760 Oliven 699 Ölpalme 699 Ölsande 254 Ölsäure 558, 586, 588, 694 Ölschiefer 254 Onocerin, α- 740 Onsäure 790 Opiatrezeptoren 918 Opisthotonus 1020 Opium 1027 Oppenauer-Verley-Reaktion 518 Opsin 89 optische Aktivität 277 – Verbindungen ohne asymmetrische Kohlenstoffatome 305 optische Antipoden 287 optische Aufheller 634 optische Isomere 280 optische Isomerie 274ff siehe auch optische Aktivität – asymmetrisches Kohlenstoffatom 289 – asymmetrische Synthese 310 – Chiralität 280 – in alicyclischen Verbindungen 303 – meso-Verbindungen 302 – prochirale Verbindungen 308 – racemisches Gemisch 287 – spezifische Drehung 278 – Trennung von Enantiomeren 313 Orbitale 13 – π- 22 – bindendes 197 – Knotenebene 23 – π*-, antibindendes 198 – p- 13 – 2px-, 2py- und 2pz- 15
1100 – – – –
1s- 14 2s- 14 entartete 196 Hybrid- 17 – sp- 25 – sp2- 22 – sp3- 18 – -Lappen 18f – Molekül-, 16, 195f, 200 – räumliche Anordnung 29 Ordnung, Reaktion erster 94 Organellen 725 Organometallverbindungen 332 Orlon 674 Ornithin 844, 890 Orthoameisensäureester 652 Osazonbildung von Monosacchariden 784 Osmiumtetroxid 119 Osteomalazie 704 Osteoporose 704 Östradiol, 17β- 751 Östran 743 Östriol 751 Östrogene 750f Östron 751 Ottomotoren, Kraftstoff 258 Ouricurywachs 729 Ovalbumin 957 Oxalsäure 558, 592f Oxidation – Bashkirov- 78 – der Aldehyde 519 – der Alkane 76 – partielle 78 – der Alkene 115, 117 – der Alkine 159 – der Alkohole 392 – der Ascorbinsäure 782 – der Ketone 523 – der Monosaccharide 789ff – der Phenole 426 – des Cyclohexanols 668 – des Naphthalins 598 – -szahl 394 oxidative Phosphorylierung 727 oxidative Spaltung von Glykolen 398 Oxidoreduktasen 958 Oxim 492 – -bildung 497
Sachwortverzeichnis Oxirane siehe Epoxide Oxitocin 918 Oxobutansäure, 3- 609 Oxocarbonsäuren 581, 608 Oxosäuren 608 – -ester, β- 508 – Claisen-Esterkondensation 609 Oxosynthese 464 Oxychlorierung 418 – von Benzol 214 Oxydehydrierung 461 Oxyradikal 717 Oxytocin 917 OZ 231 Ozon, Struktur 116 Ozonide 116 – polymere 116 – reduktive Spaltung 465 Ozonisator 115 Ozonolyse 115f
P Paal-Knorr-Synthese 974 Pacol-Olex-Prozeß 419 palindrome Einzelstränge 1049 Palladium-Katalysator 64, 128 Palmitinsäure 557 Palmitoleinsäure 694 Palmkern 699 Pankreas 962 – -lipase 697, 720 Pantothenat 722 Papaver somniferum 282 Papaverin 1029 Papaverin-Alkaloide 1029 Papierfabrikation 825 Paraffine 54 siehe auch Alkane Paraformaldehyd 504 Paraldehyd 504 paramagnetisch 75 Parathion 390 Parathyrin 918 Parfüme 734 – Fixiermittel 734 α-Parinarsäure 696 Parkinsonsche Krankheit 318, 845 Pauli-Prinzip 196 Paulische Ausschlußprinzip 11 PCB 249
Sachwortverzeichnis Pektine 828 Pelargonidin 431 Pellagra-Krankheit 1005 Penicilline 919, 1005 Penicillium glaucum 283 Pentanatriumtriphosphat 632 Pentosane 828 Pentosen 761 Peonidin 431 Pepsin 961, 962 Pepsinogen 961 Peptidasen 958, 962 Peptidbindung 912 – Knüpfung mit Dicyclohexylcarbodiimid 930 Peptide 912, 915ff – Analyse 921 – Antibiotika 919 – Bedeutung 914 – cyclische 912 – Neuro- 918 – Nomenklatur 913 – Sequenzanalyse 922 – vollständige Hydrolyse 923 – Zoo-/Phytotoxine 921 Peptidfragmente – Abfolge 926 – Sequenzbestimmung (Edman-Abbau) 924 Peptidgruppe, Planarität 936 Peptidhormone 915, 918 Peptidkette – Fragmentierung 923 – Verlängerung 932 Peptidsynthese 926 – Festphasen- 933 – Merrifield 933 – Schutz der Aminogruppe 928 – Schutz der Carboxygruppe 928 – Schutzgruppen 927 – Aktivierung der Carboxygruppe 930 – Verlängerung der Peptidkette 932 Peptidyltransfer 1061 Peptone 961 Perbunan 142 Perhydrolyse 641 pericyclische Reaktionen 143 Periodsäure 398 Perkin-Synthese 646 Permeabilitätsschranke 726
1101 Peroxybenzoesäure 641 Peroxycarbonsäuren 585 – aus Carbonsäurechloriden 641 Peroxyradikal 716 Petrochemikalien 85 Petrolether 258 Petroleum 259 Pfeffer 1025 Pfefferminzöl 526, 737 Pfeilgifte 1030 Pfirsichessenz 649 Pflanzenfarbstoffe 429 Phalloidin 921 Phäophytin 994 Phenanthren 245 Phenanthrenchinon 538 Phenazin 986 Phenetol 437 Phenobarbital 986 Phenolat, Carboxylierung 425 Phenole 6, 78, 205, 415ff – Acidität 422 – Carboxylierung des Phenolations 425 – Eigenschaften 417 – elektrophile Substitutionen 422 – -Formaldehyd-Harze 425 – -glycoside 807 – Halogenierung 423 – Methylierung mit Diazomethan 440 – Nachweisreaktion 421 – Nitrierung 423 – Nitrosierung 424 – Nomenklatur 415 – Oxidation 426 – Sulfonierung 423 – Synthese über Benzolsulfonsäure 418 – über Chlorbenzol 418 – Hock-Verfahren 418 – Veresterung 421 – -Verkochung von Diazoniumsalzen 875 – Verwendung 417 Phenolharze 425 phenolische Pflanzenfarbstoffe 429 phenolische Verbindungen in der Natur 429 – Gerbstoffe 431 Phenolphthalein 599 Phenylalanin 319, 891 5-Phenyl-1,4-benzodiazepin 986
1102 Phenylbenzopyrylium-Kation 429 3-Phenylchromon 429 Phenylendiamin 843 Phenylisothiocyanat 924 Phenylradikal 120 Phenylrest 89 Phenylsenföl 925 3-Phenylthiohydantoin 925 Phloroglucin 416 Phosgen 69, 328, 685 Phosphatasen 400, 401 Phosphatide 390, 700 – -Doppelschicht 390 Phosphatidylinosit-4,5-diphosphat 702 Phosphatidylsäure 701 Phospholipide 700 4'-Phosphopantethein 723 4'-Phosphopantothenat 723 Phosphopantothenoylcystein 723 Phosphoproteine 959 3-Phospho-5-pyrophosphomevalonat 736 Phosphorsäureester 389 Phosphorylase 822 Phosphorylierung 401 – mit ATP 736 – oxidative 545, 727 Photografie 427 Photolyse 995 photolytische Spaltung 71 Photosensibilisator 126 Photosynthese 992 – Reaktionszentrum 993 Photosystem I/II 994, 995 Phthaleine 599 Phthalimidkalium 670, 852 Phthalsäure 558, 590, 598 Phthalsäureanhydrid 599 Phyllochinon 710 Physostigmin 1020 Phytol 739 Phytomenadion 710 Phytosterole 704 Phytotoxine 921 Picolin 978 Pikrinsäure 39, 212, 416, 424 Pils 406 Pilzfarbstoffe 545 Pinakol 370 – Reaktion 370 – Umlagerung 476
Sachwortverzeichnis Pinakolon 476 α-/β-Pinen 737 PIP2 siehe Phosphatidylinosit-4,5diphosphat Piperidin 978 – -Alkaloide 1025 Piperin 1025 Pitzer-Spannung 57, 173, 174 Plancksche Konstante 13 Plankton 254 Plastide 724 Plastochinone 548 Plastocyanin 994 Platformergas 269 Platforming-Verfahren 269 Platin-Katalysator 64, 128 Platinoxid nach Adams 64 Plexiglas 130, 587 Plumbagin 549 Polarimeter 278 Polarisator 276 polarisiertes Licht 275 – linear 275 – Polarisationsebene 278 – Schwingungsebene 277 Polarisierung 30 Polyacrylnitril 673 Polyacrylsäure 587 Polycarboxylate 632, 633 Polychlordibenzodioxine 249 polychlorierte aromatische Verbindungen 248 polychlorierte Biphenyle (PCB) 249 polycyclische Alkane 181 Polyene 84, 135 Polyester 601 Polyethylen 130 – -terephthalat (PET) 602 Polymerase I 1048 Polymere 130 – der Aldehyde 503 Polymerisation 130 – anionische 133 – kationische 133 – metallkatalysierte 134 – radikalische 131 – Reaktionsmechanismen 131 – -sreaktionen 130 – des Butadiens 141 – von Triglyceriden 719
Sachwortverzeichnis Polymethylmethacrylat 587 Polyosen 828 Polyoxymethylene 504 Polypeptide siehe Peptide Polypeptid-t-RNA-Bindungsstelle 1059 Polyporsäure 545 Polypropylen 130 Polysaccharide 760, 818 – Cellulose 823 – Chitin 827 – Cyclodextrine 821 – Fructane 827 – Galactane 826 – Glycogen 822 – Glycosaminoglycane 829 – Pektine 828 – Polyosen 828 – Stärke 818 Polysomen 726 Polystyrol 130, 217 – -harz, chlormethyliertes, zur Peptidsynthese 933 Polytetrafluorethylen 130, 331 Polythene 729 Polyurethan 687 – -Schaumstoffe 688 Polyvinylacetat 130 Polyvinylchlorid 130 Porphyrin 960, 987 – -ring 944 potentielle Energie des Elektrons 13 Präfixe 43 Pregnan 743 Pregnenolon 751 Prentice-Hall-Modelle 33 Preßverfahren, Fettgewinnung 700 Prileschajew-Reaktion 118 Primärtranskript 1055 Primer 1048 Prisma, Nicolsches 276 Procain 1023 prochirale Verbindung 308 Progesteron 751 Prokaryonten 724, 1038 Prolamine 958 Prolin 891f, 987 Promotor 1054 Prooxidantien 718 1,3-Propandithiol 499
1103 Propargylalkohol 355 Propen 85, 264 Propionaldehyd 457 Propiophenon 458 n-Propylamin 736 Propylenoxid 446 Prostaglandine 695 prosthetische Gruppe 944, 959 Proteasen 962 Proteide 958 Proteinasen 400 Proteine 912ff – als Nahrung 914 – allosterischer Effekt 942 – Analyse 921 – Bedeutung 914 – Biosynthese 1055 – Chromo- 960 – Denaturierung 947 – Ermittlung der Aminosäure-Anteile 921 – [2Fe-2S]-Eisen-Schwefel- 994 – fibrilläre 948 – Elastin 953 – Keratin 948 – Kollagen 949 – Muskelproteine 953 – Fragmentierung der Peptidkette 923 – globuläre 956 – Glyko- 959 – Hydrolyse 921 – in der Ernährung 961 – Klassifizierung 948 – konjugierte 958 – Lipo- 959 – Metallo- 961 – Muskel- 953 – nichtrepetitive Sekundärstrukturen 956 – nichtrepetitive Strukturen 939 – Nomenklatur 913 – Nucleo- 959 – Phospho- 959 – Primärstruktur 936 – Quartärstruktur 942 – des Hämoglobins 942 – repetitive Sekundärstrukturen 956 – Sekundärstruktur 937 – α-Helix 937 – Faltblattstruktur 938
1104 – nichtrepetitive Strukturen 939 – Super- 957 – -Sequenzierung 922 – Vorbereitung 922 – Sequenzbestimmung durch EdmanAbbau 924 – Stoffwechsel 961 – Tertiärstruktur 940 – des Myoglobins 941 – Transport- 957 – Verdauung 961 Proteoglycane 829, 830 Proteolyse – durch α-Chymotrypsin, Katalysemechanismus 964 – mit Pepsin 962 – mit Trypsin 963 protische Lösungsmittel 347 Protocyten 724 Protofilament 948 Protoporphyrin IX 988 Prototropie 507, 672 Prozeßierung 1055 Pseudocumol 205 Pseudopelletierin 526, 1025 Pseudotropin-Alkaloide 1023 Pseudouridin 1052 Psicose 778 Pterine 1011 Pupillenerweiterung 1022 Purin 241 – -derivate 1009 Putrescin 844 Pyran 429, 437 Pyranosen 772 – Konformationen 775 Pyrazin 985 Pyrazol 1001 Pyren 245 Pyridazin 985 Pyridin 239, 240, 383, 978 – -Alkaloide 1024 – nucleophile Substitution 240 – Reaktionen 983 – -SO3-Komplex 976 – Synthese 978 – nach Hantzsch 978 Pyridoxal 1006 Pyridoxamin 1006 Pyridoxin 1006
Sachwortverzeichnis Pyrimidin 239, 985 Pyrogallol 416 Pyrolyse – -benzin 207 – Ester- 92 – von quartären Ammoniumbasen 91 – von Xanthogenaten 92 Pyron 429 Pyrrol 238, 973f – Reaktionen 975 – Synthese 973 – Derivate, Paal-Knorr- 974 Pyrrolidin 1019 – -derivate 987 – -struktur, Alkaloide 1019 Pyruvat 801 – -Decarboxylase 801, 1003 Pyrylium-Kation 429
Q Quantelung 13 Quantenzahl 11 – Haupt- 11 – magnetische 11 – Neben- 11 – Spin- 11 Quartärstruktur – allosterischer Effekt 942 – der Proteine 942 – des Hämoglobins 942 Quecksilber-(II)-chlorid 499 Quecksilbertauchlampen 69 Quercetin 430
R R/S-Nomenklatur 264, 267 – Zuordnung 299 Racemat/racemische Verbindungen 288 – Enantiomerentrennung 313 racemischer Mischkristall 288 racemisches Gemisch 287 Racemisierung 313 Rachitis 704, 748 Radikalbildner 75 Radikale 68 – Stabilität 73
Sachwortverzeichnis radikalische Addition 103, 120 – Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Ester 127 – Alkoholen 125 – Alkylhalogenide 127 – Bromwasserstoff 120 – Halogene 122 – Stickstoffdioxid 124 – Thiole 124 – mit C–C-Verknüpfungen 125 Radikalmechanismus 68 Raffination 259 random coil 828 Raney-Nickel 64 Rapssamen 699 Raschig-Hooker-Verfahren 214, 418 Raschig-Verfahren 232 Reaktionen – der Alkene 99ff – der Alkine 153 – E1-, Kinetik 94 – erster Ordnung 94 – kinetische Kontrolle 140 – pericyclische 143 – -senthalpie 79, 195 – -sgeschwindigkeit 94 – -sgleichung 67 – -skoordinate 141 – -smechanismus 67 – Additions-Eliminierungsreaktionen 572 – Decarboxylierungsreaktionen 581 – der elektrophilen Addition 99 – der elektrophilen aromatischen Substitution SE 207 – der Eliminierung 339 – der nucleophilen Addition 120, 481 – der nucleophilen aliphatischen Substitution 333, 339 – der nucleophilen aromatischen Substitution 231 – der Polymerisation 131 – der radikalischen Addition 120 – der radikalischen Substitution 70 – E1-/E2-Reaktion 93 – SE-Reaktion 207 – SN1-Reaktion 339 – SN2-Reaktion 343 – SNi-Reaktion 93 – SN2t-Reaktion 572
1105 – thermodynamische Kontrolle 140 – von Carben 183 Reaktionsprodukt 34 Reaktionswärme 79 Reaktionszentrum, photosynthetisches 993 Reaktor, Fließstaubverfahren 267 Redoxgleichung 394 Reduktion – der Aldehyde 516, 518f – der Alkine 160 – mit Na/NH3 160 – der Amide 850 – der Chinone 539 – der Ester 661 – der Ketone 516–518 – der Monosaccharide 793 – der Nitrile 466, 677f – der Nitroverbindungen 847 – mit Lithiumaluminiumhydrid 847 – mit Metall und Säure 848 – mit Lithiumaluminiumhydrid 371 – von Carbonylverbindungen 516, 518 Reflux 112 Reformatbenzin 207 Reformatzky-Reaktion 603 Reformieren, katalytisches 269 Reforming-Prozeß 260 Regenerator 267 Regenerierung 267 Regioselektivität 104 Regiospezifität 104 Reihe, homologe 54 Reimer-Tiemann-Formylierung 472 Reinheitsgebot 399 Rekombination 70 Replicase-Protein 1045 Replikation, der DNA 1045 Reppe-Hydrocarbonylierung 364 Research-Octanzahl 260 Reserpin 1021 Resonanzenergie 138, 194 – des Benzols 194 – -Transfer 993 Resonanzhybrid 191, 192 – Wellenfunktion 192 Resonanzstabilisierung 192 Resonanztheorie 191 Resorcin 416 Resorption der Lipidabbauprodukte 721
1106 Retention 312 11-(Z)-Retinal 89, 708 Retinol 708 Reversibilität, mikroskopische 654 Rezeptorproteine 956 Rhamnose 781 Rhenium 269 Rhodopsin 89 Ribit 793, 1014 Riboflavin 1014 Ribonucleinsäure (auch RNS) siehe RNA Ribose 765f Ribosomen 726, 1050 Ribothymidin 1052 Ricinussamen 712 Riechstoffe 735 Riley-Oxidation 524 Ringinversion 180 Ringsysteme, kondensierte/verbrückte 181 Ringverbindungen 180 Ritter-Reaktion 850 RNA 316, 725, 1035, 1049 – A-Bindungsstelle 1059 – Biosynthese 1053f – Boten- 1051 – Messenger- 1051 – P-Bindungsstelle 1059 – DNA-abhängige 1054 – -Prozeßierung 1054 – ribosomale 1050 – Transfer- 1051 RNA-Polymerase 1048 RNS siehe Ribonucleinsäuren und RNA Röhrenofen 258, 268 Rohrzucker 814 Rohstoffe, fossile 79 Rosenmund-Saizew-Reaktion 466 Rosenöl 737 Rotamere 56 Rotationsenergie 57 Rotwein 407 ROZ 260 Rübensamen 699 Rübenzucker 766, 814 Ruberythrinsäure 549 Ruff-Abbau 794 Rum 409 – -essenz 649
Sachwortverzeichnis
S Sabinen 737 Saccharide 760 siehe auch Zucker Saccharin 915 Saccharose 810, 814 – Inversion 817 Sachsse-Bartholomé-Verfahren 152 Sägebock-Projektion 56 Salicin 807 Salicylaldehyd 458 Salicylsäure 416, 425, 591 Salpetersäure 210 – -ester 388 salpetrige Säure 869 Salze, innere 487 Sammler 365 Sandmeyer-Reaktionen 877 Sandwich-Verbindungen 237 Sankt-Antonius-Feuer 1021 Saponine 753 Sarkosin 901 Sarsasapogenin 753 Sasil 631 Sauerstoffbindung, Hämoglobin 945 – Kooperativität 946 Sauerstoffhaltige Verbindungen 6 Sauerstoffversorgung des Gewebes 947 Säure-Base-Reaktion 379 Säureamide 8, 663 siehe auch Carbonsäureamide Säureanhydride 7, 578 siehe auch Carbonsäureanhydride Säurebasenhaushalt im Körper 947 Säurechloride, Reduktion 465 Säurehalogenide 7, 638 siehe auch Carbonsäurehalogenide Säurespaltung 613 Saytzew-Regel 91, 97 SBR-Copolymerisat 142 Schalen, Besetzung mit Elektronen 12 Schalenmodell 2 Schardinger-Dextrine 821 Schaumregulatoren 633 schiefe Konformation 56 Schiemann-Reaktion 876 Schierling 1025 Schießbaumwolle 389, 826 Schießpulver 389 Schiffsche Base 494f
Sachwortverzeichnis Schimmelpilz 545 Schlafmittel 986 Schlafmohn 314, 1027 Schleimsäure 791 Schmidt-Abbau 858 Schnellessigverfahren 560 Schotten-Baumann-Reaktion 641 Schrödinger-Gleichung 13 Schutzgruppen 491 – Aktivierung der Carboxygruppe 930 – Einführung in Monosaccharide 788 – in der Peptidsynthese 927 – tert-Butoxycarbonylrest 809 Schwangerschaftshormone 750 Schwebetierchen 254 Schwefelsäure, rauchende 212 Schwefelsäureester 387 Schwefelverbindungen 9 – im Erdöl 257 Schwerbenzin 258 Schwingungen, Grund-/Ober- 10 Scillaren 752 Scopolamin 1023 Sebacinsäure 592 Seborrhea 1002 Sedativum 986 Sehnen 951 Sehpurpur 708 Sehvorgang 89 Seifen 626ff, 711 – Eigenschaften 627 – Invert- 630 – -herstellung 626 – -kern 626 – -leim 626 – -sieden 626 – Tensidwirkung 628 Seignettensalz 520, 606 Seitenkettenhalogenierung 230 Sekt 408 Sekundärstrukturen, repetitive/nichtrepetitive 956 Selektivität 73 – der Halogenierung 72 Selendioxid, Oxidation von Ketonen 524 β-Selinen 738 Semiacetal 490 Semicarbazid 689 Semicarbazon 492, 499
1107 Semiketale 491 Sephadex 823 Sequenzregeln 296 SE-Reaktionen, Energieprofil 184 Serin 889 – -Proteasen 962 Serotonin 845 Serumalbumine 957 Sesamsamen 699 Sesquiterpene 738 Sesselform 174 Seveso 249 Sexualhormone 750 Siebböden 257 Signalübertragung in der Zelle 702 Sikkative 256, 590, 718 Silicagel 363 Simmons-Smith-Reaktion 183 Singulett-Carben 183 Sinigrin 807 β-Sitosterol 704 Skelettisomere 55 skew-Konformation 50 Skleroproteine 948 Skorbut 783 Skraupsche Chinolinsynthese 984 Sliwowitz 409 SN1-Mechanismus 339 – Kinetik 340 – sterischer Verlauf 341 – strukturelle Voraussetzungen 342 SN2-Reaktion 343f – Einfluß der Abgangsgruppe 346 – Einfluß des Substratmoleküls 345 – Inversion der Konfiguration 345 – Kinetik 344 – Mechanismus 343 – Stärke des Nucleophils 346 – sterischer Verlauf 344 SN2t-Reaktion 572 SNi-Reaktion 384 SN-Reaktion 334 – Einfluß von Lewis-Säuren 348 – Polarität des Lösungsmittels 347 Sojabohnen 699 Solanidin 754 Solvolyse 335 Somatotropin 918 Sommelet-Reaktion 467 SOMO 201
1108 Sonnenblumenkörner 699 Sorbinsäure 589 Sorbit 794 Sorbose 778 Sörensen-Titration 899 Spaltung – enzymatische, Fette/Öle 712 – homolytische 103 – homöopolare 68, 103 – photolytische 71 – thermische 71 β-Spaltung 265 spasmolytische Wirkung 318 spezifische Drehung 278, 279 Sphäroproteine 956 Sphingomyelin 701 Sphingosin 701 Spiegelbildisomere 287 Spiegelebene 282 spinning-cup-Sequenator 806 Spinquantenzahl 11 Spinulosin 545 Spirane, axiale Chiralität 306 Spiroverbindungen 181 Spleißen 1055 Springkrautgewächse 696 Squalen 707, 740 S-/R-Nomenklatur 264 Stabilisatoren, Waschmittel 633 Stabilität von Alkylradikalen 73 Staffelform 56 Stammsilbe 84 Stammwürze 406 Stärke 316, 401, 818 – Abbau 822 Startreaktion 70 Steamcracken 264 Stearinsäure 557 Stechapfel 1022 Steinkohlenteer 207 Stellmittel 634 Stephen, Reduktion von Nitrilen 678 Stercobilin 998, 999 Stereoisomere 312 Stereoselektivität 312 Stereospezifität 312 Sterine 703, 741, 746 Steroide 741 – 5α-/5β- 742 – -Alkaloide 754
Sachwortverzeichnis – Biosynthese 735, 743 – Gallensäuren 748 – Cholsäure 748 – Chemodesoxycholsäure 748 – Desoxycholsäure 748 – Lithocholsäure 748 – Glycoside 752, 807 – Herzglycoside 752 – Hormone 749 – Androgene 750 – Corticoide 749 – Gestagene 750f – Östrogene 750 – Sapogenine 753 – Sterole 703, 741, 746 – Cholesterol 704, 746 – Ergosterol 704, 747 – Koprostanol 747 – β-Sitostero1 704 – Stigmasterol 704, 747 – Vitamine 747 – Calciferol 704, 709, 747 – Cholecalciferol 709, 747 Sterole 703, 741, 746 Stickstoffdioxid, radikalische Addition 124 stickstoffhaltige Heterocyclen 971ff – Nomenklatur 971 – Nomenklatur, Kennsilben und Endungen 972 Stickstoffoxide, Addition 123 Stickstoffverbindungen 8 Stigmasterol 704, 747 Stilben 634 cis-Stilben 102 Stilböstrol 751 Stobbe-Kondensation 486, 594, 658 Stoffbilanz 394 Stoffklassen, Übersicht 6 Stoffwechsel 319 Strang, verzögerter 1048 Strecker-Synthese 895 Strichsegmentformel 36 Stripper 269 Stroma 991 – -lamellen 991 Strophantidin 752 Strychnin 314, 1020 Strychnos nux-vomica 282 Strychnos-Arten 1030
Sachwortverzeichnis styrene-butadien-rubber 142 Styrol 205, 216, 217 Styropor 217 Suberoat 592 Substanzklassen, Übersicht 6 Substitution – aliphatische nucleophile 334 – Reaktionsmechanismus 339 – am aromatischen Kern oder in Seitenkette 230 – bimolekulare 339 – elektrophile aromatische 207 – monomolekulare 339 – nucleophile 348 – nukleophile aromatische 231 – radikalische 70 – -sderivate der Carbonsäure 638 – -sreaktionen, nucleophile 333 Substratmolekül 94 subzelluläre Struktureinheiten 725 Succinat 592, 594 Succinimid 594 Sucrase 817 Suffix 43 Sulfanilsäure 843 Sulfitablauge 825 Sulfit-Zellstoff 825 Sulfochlorierung 74 Sulfogruppe 9 Sulfon 74 Sulfonamide 213 Sulfone 9 Sulfongruppe 9 Sulfonierung 212 – von Phenol 423 Sulfonsäure 9 – -ester 9 Sulfonylchloridgruppe 9 Sulfoxidation 75 Summenformel 34 supercoil 913 Superhelix 1044 Supersekundärstruktur 957 Süßstoffe 915 Swarts-Reaktion 329 Swingreaktoren 270 Symmetrieebene 282 Symmetrieelemente, Moleküle 282 Symmetriezentrum 283 Synthese, asymmetrische 310
1109 Synthesegas 361 Systox 390
T TAED 632 Tagatose 778 Talose 765 Tannine 431 Tartrate 606 – Kalium-Natrium- 520 Taurin 748 Taurocholsäure 720, 748 Tautomerie 162, 507 – Imin-Enamin- 495, 980 – Keto-Enol- 507 TCDD 249 Tee 241 Teflon 130, 331 Telomere 127 Tenside 78, 628, 631 – amphotere 630 – anionische 629 – kationische 630 – nichtionische 631 – -wirkung der Seife 628 Terephthalsäure 590, 601 Terpene 735ff – Biosynthese 6 – Monoterpene 737 – Campher 737, 526 – Citronellol 737 – Geraniol 737 – Limonen 737 – Menthol 737 – Menthon 737, 526 – Myrcen 737 – Ocimen 737 – Pinen 737 – Terpinen 737 – Sesquiterpene – Bisabolen 738 – Cadinen 738 – Farnesol 738 – Guajazulen 738 – Nerolidol 738 – β-Selinen 738 – Vetivazulen 738 – Diterpene 739 – Abietinsäure 739
1110 – 3,4-Dehydroretinol 739 – Phytol 739 – Retinol 739 – Triterpene 740 – Betulin 740 – Lanosterol 740 – α-Onocerin 740 – Squalen 740 – Tetraterpene 740 – Carotine 741 – Lycopin 740 – Zeaxanthin 707, 741 Terpentinöl 737 8α-/γ-Terpinen 642 Terphenyl 242 Terylen 601 Testan 743 Testosteron 526, 750 N,N,N',N'-Tetraacetylethylendiamin 552 Tetraalkylammoniumhydroxide 97 Tetracen 245 2,3,6,7-Tetrachlordibenzodioxin 249 Tetrachlorkohlenstoff 69, 327 Tetrachlormethan 69 Tetraethylblei 260 Tetrafluorethylen 330 5,6,7,8-Tetrahydrobiopterin 1013 5,6,7,8-Tetrahydrofolsäure 1012 Tetrahydrofuran 437, 446, 450 Tetrahydropyran 437, 450 Tetraterpene 740 Thalidomid 319 Thebain 1029 Theobromin 241, 1011 Theophyllin 241, 1011 Theorie, Molekülorbital- 195 THF 450, 1012 Thiamin 1007 Thiaminpyrophosphat 801, 1003 Thiazolderivate 1002 Thiazolinon 925 Thioacetale 499 – cyclische 499 Thioaldehyde 9 Thioether 9, 125, 339 Thioformylgruppe 9 Thioharnstoff 690 Thiohydantoinderivat 926
Sachwortverzeichnis Thioketale 499 Thioketone 9 Thiole 9, 499 – Addition an Carbonylverbindungen 499 – radikalische Addition 124 Thiolgruppe 9 Thiolproteasen 962 Thione 9 Thionylchlorid 383, 930 Thiophen 238 Thorpe-Reaktion 678 Thorpe-Ziegler-Reaktion 678 Threonin 889, 893 Threose 765 Thylakoid 991 – -membran 991 Thymin 239, 1008, 1037, 1052 Thyroliberin 916, 918 Thyrotropin 916, 918 Tierfette 698 – Gewinnung 700 TNT 211 Translokation 1062 1,1,1-Trichlor-2,2-bis (p-chlorphenyl)ethan 248 Triglyceride 694 2,2,4-Trimethylpentan 260 2,4,6-Trinitrotoluol 208 1,3,5-Trioxan 503 Tocopherole 709 Tollens-Probe 519, 789 Tollens-Reagens 519 Tollkirsche 1022 Tolualdehyd 458 Toluidin 843 Toluol 205 Toluylsäure 590 Tolyl- 206 Tonic water 1026 Torsionswinkel 56 Tosylester 336 TPP 1003 Trägersubstanz 128 Tranquilizer 986 Transaminasen 958, 1007 Transaminierung 1007 transannulare Spannung 178 Transferasen 822, 958 Transfer-RNA 1051
Sachwortverzeichnis Transkription 1053ff – Termination 1062 – -sfaktoren/-scodon 1062 Translation 1054, 1059 Translokation 1062 Transpiration 63 Transportproteine 956f Traubensäure 606 Traubenzucker 766 Trehalose 810, 817 Treibhauseffekt 79 Trevira 601 Triacylglyceride 694 Trialkylboran, Hydrolyse 114 Trialkylmelamine 633 Tricarbonsäurecyclus 608 Trichlormethan 69 Triene 84 Triglyceride 626, 694, 713 – Autoxidation ungesättigter 715 – Fettsäuren-Verteilungsmuster 697 – Polymerisationsreaktionen 719 Trimethylamin 842, 844, 845 – -oxid 844 Trimethylsilylether, Monosaccharide 803 Trinkwasserentkeimung 116 Trioxymethylen 503 Tripelhelix-Struktur 950 Triphenylmethan 206, 242 Triphenylmethylradikal 242 Triphenylphosphan 488 – -oxid 487 Triphenylphosphin 339 Triphenylphosphorylide 487f Triplett-Carben 183 Tripletts, Code- 1057 Triterpene 740 Trivialnamen 39 Trockenschmelze, Fettgewinnung 700 Trockenspinnverfahren 825 Trommersche Probe 789 Tropan-Alkaloide 1021 Tropin-Alkaloide 1022 Tropomyosin 34 Troponin 955 Truxillsäure 734 Trypsin 963 Trypsinogen 963 Tryptophan 891, 998 Tschitschibabin-Reaktion 240
1111 Tschugaev-Reaktion 92 Tubocurarin 1030 Tubulin 726 Tungöl 696 Twistform 178 Twitchel-Verfahren 711 Tyndall-Kegel 627 Tyrosin 845, 891 T-Zell-Rezeptoren 956
U Übergangszustand 68 Ubichinon 548 Umesterung – Carbonsäureester 655 – Fette 712 – gerichtete 713 Umkehrosmose 407 Umlagerung – anionoide 106 – Beckmann- 667 – Benzidin- 860 – Claisen- 444 – aliphatische 143 – Cope- 143 – Curtius- 858 – Hofmann- 672 – von Alkylgruppen 106 – Wagner-Meerwein- 105 – Wolff- 643 Umpolung 500 unterchlorigen Säure, Addition 112 Unterniveau 11 Unterschale 11 UOP-Verfahren 419 Uracil 239, 1008, 1049 Urethane 686 Urobilin 998f Urobilinogen 998f Uronate 829 Uronsäure 791 Urotropin 493 Urtitersubstanz 593
V Vakuole 725f Vakuum-Fraktionierturm 258 Valenzbindungstheorie 191
1112 Valeraldehyd 458 Valeriansäure 557 Valin 889 Valium® 986 van-der-Waals-Kräfte 246 Vanillin 39, 190, 527 Vasopressin 917, 918 Verbrennung von Alkanen 79 verbrückte Ringsysteme 181 Verdauung der Proteine 961 Verdauung von Fetten 720 Verdünnungsprinzip 185 Veresterung – der Phenole 421 – mit Salpetersäure 388 – mit Schwefelsäure 387 – säurekatalysierte 650 Verfahren mit Teilmaischen 402 Verfahren zur Phenolherstellung 418 Vergrauungsinhibitoren 633 trans-Verknüpfung 163 Veronal 656 Verseifung, Fette 711 Vetivazulen 738 vicinal 204 vicinale Diiodalkane 111 Vierzentren-Mechanismus 113 Vilsmeier-Synthese 470 Vinylierung 165 Vinylverbindungen 139 Visbreaking-Verfahren 264 Viskoseseide 825 Vitalismus-Theorie 688 Vitamine – A 708 – A1 und A2 739 – B1 1002, 1007 siehe Thiamin – B12 995f siehe Cobalamin – B2 1014 siehe Riboflavin – B3 1005 siehe Nicotinamid – B4 213, 1012 siehe Folsäure – B6 1006 siehe Pyridoxal – C 782, 952 siehe Ascorbinsäure – D 704, 709, 747 siehe Calciferol – D1 747 – D2 / D3 709, 747 – E 709 siehe Tocopherole – H 1002 siehe Biotin – K1 / K2 548, 710 siehe auch Koagulation
Sachwortverzeichnis – -D-Komplex 747 – Steroid- 747 VLDL siehe Lipoproteine Vollacetal 490 Vorderlappen 19 Vorderwürze 403 Vulkanisation 131
W Wachse 728 – Cuticular- 63 – Montan- 63 Wacker-Hoechst-Verfahren 463 Wacker-Verfahren 645 Wagner-Meerwein-Umlagerung 105, 871 Walden-Umkehr 312 Waldmeister 190 Walnüsse 549 Wannenform 176 Wärmetauscher 268 Waschmittel – synthetische 629 – Zusammensetzung 631 Waschprozeß 628 Wasser, Grenzflächenspannung 628 Wasserdampfdestillation 735 Wasserglas 634 Wasserstoffbindung, Molekülorbitale 196 Wasserstoffbrückenbindung 356 Wasserstofftransfer 1015 1,3-Wechselwirkung 179 1,4-Wechselwirkung 178 Wechselwirkungen, nichtbindende intramolekulare 57 Weichmacher 630 Weinbrand 409 Weine 407 Weingärung 407 Weinsäure 606 – D-(–)- 270, 283 – L-(+)- 270, 283 – meso- 270 Weinstein 407, 606 Weißtöner 634 Weißwein 407 Weizenbier 406
Sachwortverzeichnis Wellenfunktion 13 – molekulare 192 Wellenmechanik 10, 32 Whisky 409 Widmark-Formel 359 Williamson-Synthese 440 Winiwarter-Bürger-Krankheit 238 Winkelspannung 173f Wirbelschichtverfahren 267 Wittig-Reaktion 487 Wodka 409 Wohl-Abbau 794 Wöhler 688 Wolff-Kishner-Reduktion 518 Wolff-Umlagerung 643 Wolle 948 Wurtz-Fittig-Reaktion 488 Wurtz-Fittig-Synthese 65 Wurtz-Synthese 65, 332 Würzebereitung 400 Würzekochen 404
X Xanthine 1009f Xanthogenat 826 – Pyrolyse 92 Xanthophyll 707 Xanthopterin 1012 Xerophthalmie 708 Xylit 828 Xylol 205 Xylose 765f, 828
Y Ylide 488, 1003 Yohimbin 1020
Z Zeaxanthin 707, 741 Zeisel 442 Zelle 724 – eukaryontische 724 – somatische 1045
1113 – Kern 725 – Membran 725 – Wand 725 Zellulose siehe Cellulose Zeolithe 419, 631 Zibeton 734 Ziegler-Natta-Polymerisation 134 Zigarettenrauch 247 Zimtaldehyd 527 Zimtsäure 591 Zitronenöl 526 Zitronensäure 606 – -cyclus 607f Zoosterole 704 Zootoxine 921 Zucker 527 siehe auch Monosaccharide/Disaccharide – Abbau von Aldosen 794 – D-/L- 663 – -ersatzstoff 828 – Ester 795 – Acetate 795 – Borsäure- 797 – Phosphorsäure- 797 – Ether 802 – -fabrikation 816 – Formel-Schreibweise 763 – Glycoside 802 – -krankheit 462, 917 – nichtreduzierende 810 – Oxidationsreaktionen 789 – Reduktion 793 – reduzierende 810 – Rohr- 814 – Rüben- 766, 814 – -säuren 791 – Spaltung mit Periodsäure 792 – Verlängerung der Kohlenstoffkette 764 Zweikomponenten-Kleber 449 Zweitsubstitution 219 Zwischenprodukt 68 Zwitterion 897 Zwölffingerdarm 962 Zygote 1045